Mit besonderer Kerürksichtrgung der Gthnologie, der KulturderhÄltnrsse
und des Weltl^nndels.
Begründet von Karl Andrer.
In Verbindung mit Fachmännern herausgegeben von
Dr. Emil Deckert.
Braunschweig
Jährlich 2 Bände ä 24 Nummern. Durch alle Buchhandlungen und Postanstalten
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1888.
Der Charakter der Neuseeländischen Alpen.
Von R. v. L e n d e II f c l d.
(Mit drei Abbildungen.)
Die Südinsel von Neuseeland wird von einer mächtigen,
südwest-nordöstlich streichenden Gebirgskette durchzogen. Die
Insel selber ist in der Richtung des Gebirges langgestreckt,
und cs sind ihre Südost- und die Nordwestküsten der Berg
kette parallel. Die Insel ist durchschnittlich 160 Irin breit.
Der Hauptkamm, der die Wasserscheide zwischen dem süd
östlichen und dem nordwestlichen Oceane bildet, ist durch
schnittlich bloß 30 km von der Nordwestküste entfernt, und
somit fast randständig. Im mittleren Theile der Insel,
wo die höchsten Spitzen und mächtigsten Gletscher angetroffen
werden, überragt dieser Hauptkamm alle Nebenzüge sehr
bedeutend, und das Land zu beiden Seiten des Gebirges ist
ganz niedrig (700 bis 800 m hoch). Im Süden breitet
sich das Gebirge zu einem weiten, etwa 1500 bis 1700 m
hohen Plateau ans, dem keine besonders hohen Spitzen cnt-
ragen, und in welches Fjorde — an der Westküste —, sowie
Thäler und schmale Alpenseen tief eingeschnitten sind. Im
Norden verzweigt cs sich dagegen in recht complicirter Weise,
und es finden sich hier eine ganze Anzahl von gleich hohen
Gebirgsketten; hier giebt es jedoch keine über 3000 m hohen
Spitzen.
Der hohe, centrale Theil des Gebirges, in der Mitte
der Insel, sinkt auf eine Erstreckung von 150 km nirgends
unter 2000 m herab, und cs hat der Hauptkamm zwischen
dem Haast-Paß (523 m) tut Süden und dem Whitecomb-
Paß (1264 m) int Norden eilte mittlere Höhe von etwa
2500 m.
Der Culminationspunkt dieses Kammabschnittcs und
zugleich der höchste Berg Neuseelands ist der Mount Cook,
dessen Gipfelhöhe sehr genau trigonometrisch gemessen wor
den ist: sie beträgt 3768 m.
Nach beiden Seiten hin fällt der vielerorts gebogene
und zickzackförmig verlaufende Hanptkamm steil ab, und der
Kamm selber ist im allgemeinen sehr scharf und nur an
wenigen Stellen, wie in einigen Sätteln, flacher und breiter.
Nach Nordosten hin ist der Abfall höher und steiler als
nach Südosten hin, allein auch hier reicht — abgesehen
von den Seitenkämmen — die Isohypse von 1500 m
überall nahe (1 bis 6 km) an den Hanptkamm heran.
Die nordwestlichen Seitenkämme streichen im allgemeinen
senkrecht zur Hauptkammrichtung, und in dem schmalen
Landstriche zwischen dem Hauptkamme und der Nordwest-
küste giebt es keine Längsthäler. Die südöstlichen Nebcn-
kämme hingegen laufen im allgemeinen von Nord nach
Süd und schneiden die Hanptkainmrichtung unter einem
Winkel von 15 bis 25°, so daß die zwischen denselben
liegenden Thäler, obwohl sie dem Hauptkamme nicht streng
parallel laufen, als Längsthäler angesehen werden können.
Die Querthäler sind in diesem Gebiete sehr unbedeutend.
Uebrigens haben die Nebenkämme einen ähnlichen Charakter
wie der Hauptkamm: sie sind schmal und steil, und ihre
Gradlinien verlaufen großentheils scharf und unregelmäßig.
Die Thäler, sowohl die Längsthäler der Ostseite als
auch die Querthäler der Westseite, sind sehr tief eingeschnitten,
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Globus LITT. Nr. 23.