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Full Text: Globus, 57/58.1890

Wrt besonderLr Herurüsichtigung der Ethnologie, der Kulturberhältnisse 
und des Welthandels. 
Begründet von Karl Andree. 
In Verbindung mit Fachmännern herausgegeben von 
Dr. Emil Deckcrt. 
. s rsi vn st t n Jährlich 2 Bände in 24 Nummern. Durch alle Buchhandlungen und Postanstalten -i oqa 
-O V st U ll | U) IU v X (] zum Preise von 12 Mark für den Band zu beziehen. lo <7 U« 
D i e Gletscherseen der Alpen. 
Von Professor Tr. E. Richter. 
(Mit einer Abbildung.) 
Nirgends in Europa glänzen die Wiesen so smaragd- 
farbcn, nirgends stehen die Häuser so malerisch zwischen 
den Baumgruppen, als in den Alpenthälern. So scheint es 
wenigstens uns, die wir dort unsere Heimath haben, und so 
scheint es wohl auch jenen Tausenden, denen die jährliche 
Sommerreise in die Alpen eine unentbehrliche Lebcns- 
gewohnheit geworden ist. Wir wissen es längst, daß der 
landschaftliche Reiz unseres Hochgebirges nicht bloß in 
den Felshüuptern und Eisspitzen liegt, sondern in der Ver 
einigung dieses großartig ernsten Elementes mit den lieb 
lichen Thalvordergründcn, welche ihren Charakter dem tiefen 
Eindringen des Anbaues und der Ansiedlungen in die ab 
gelegensten Gebirgswinkel verdanken. Wohl kein Gebirge der 
Welt ist im Verhältniß zum ertragfähigen Boden so dicht 
bevölkert als die Alpen. Es kommt das offenbar daher, 
daß die weitgedehnten Matten auf höheren Bcrgabhüngcn 
und in den Hochthälern einer solchen Menge von Vieh 
Weide gewähren, daß davon allein eine beträchtliche Menschen 
menge zu leben vermag, welche sich aber nur in den tieferen 
Partien der Thäler dauernd ansiedeln kaun, da ja die 
Almen im Winter geräumt werden müssen. Tie Vieh 
haltung findet auch meist ihre Grenze nicht etwa in dem 
Futtermangel aus den Almen, sondern in dem Mangel an 
Winterfutter, das in den Thälern geerntet werden muß. 
Die Sommerweiden könnten in sehr vielen Gegenden noch 
bedeutend mehr Vieh ernähren, aber die Thäler sind zu eng, 
um das Heu für den Winter zu liefern. So ist also in 
den Thälern eine bis zur äußersten Grenze der Ernährungs- 
Möglichkeit angehäufte Menge von Menschen und Thieren 
Globus LVII. Nr. 1. 
zusammengedrängt. Dazu kommt noch, daß die tieferen 
1 !agcn der Gehänge, besonders der nach Süden geöffneten 
Thäler —z. B. des Etschthales — sich einer klimatischen Be 
günstigung erfreuen, welche die Möglichkeit höchst werth 
voller Kulturen darbietet. Die Bodenpreise der Wein- und 
Obstgelände von Bozen oder Meran werden nur von den 
in der Nähe großer Städte oder in den Rebengärtcn des 
Rheingaues üblichen übertroffen. Die großen Verkehrs 
straßen. welche das Gebirge durchziehen, bringen ebenfalls 
an ihren Knoten- und Ruhepunkten die Anhäufung relativ 
großer Menschenmengen mit sich. 
Es ist also kaum zu zweifeln, daß wir eine wirkliche 
Uebervölkerung vor uns haben. Die schlechten Getreidepreise, 
die häufigen Viehansfuhr-Verbote, die Krankheiten des Wein 
stockes treffen die ohnedies am Rande der Existenzmöglich- 
kcit befindliche Alpenbevölkerung in der herbsten Weise. 
Aber noch wäre alles zu ertragen, wenn nicht ein weit ge 
fährlicherer Feind im Hintergründe lauerte; daß ist die stets 
drohende Vernichtung des bebauten Grundes und Bodens selbst. 
Tie Bebauung des Bodens, welche diesem so große 
Summen von Arbeit und Kosten zuführt, beruht aus der 
Voraussetzung einer Stabilität desselben. Denn das auf 
gewendete Kapital für Rodung und Reinigung, für Dün 
gung und Wegaulagen, für Zäune, Schutzbauten u. s. w. 
soll doch auch noch künftigen Generationen zu Gute 
kommen. Diese Stabilität fehlt aber einem sehr großen 
Theile des Bodens unserer Alpenthäler. Die Alpen 
sind ein geologisch junges Gebirge. Noch ragen ihre 
Kämme scharf und mit den steilsten Neigungswinkeln
	        
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