Wrt besonderer Herürbs'rcbtigung der Gthnologre, der Kulturberhälinrsse
und des Welthandels.
Begründet von Karl Andrer.
In Verbindung mit Fachmännern herausgegeben von
Dr. Emil Deckert.
^vrtimíílihiuírt Jährlich 2 Bände in 24 Nummern. Durch alle Buchhandlungen und Postanstalten i oq n
-ö L U ll l I U) U 11 y zum Preise von 12 Mark für den Band zu beziehen. *
Rückblick auf die Reisen von Dr.
Unter allen Reisenden, welche sich das Russische Reich
zum Felde ihrer Untersuchungen wählten, ist unstreitig Dr.
G. Radde der ausdauerndste und dabei einer der erfolgreich
sten. Seine Reisezeit umspannt bis jetzt einen Zeitraum
von 38 Jahren, natürlicherweise mit Unterbrechungen, welche
durch seine dienstliche Stellung und durch die Herausgabe
einer langen Reihe von Werken bedingt wurden. Es scheint
uns geboten, an der Hand eben dieser Neiseliteratur, die
vor uns liegt, einen Rückblick auf die Thätigkeit Dr. Radde's
zu werfen, und das um so mehr, als der Reisende sich nicht
allein in den betreffenden wissenschaftlichen Spezial-Kreisen,
sondern auch in weiteren Kreisen einer bedeutenden Popu
larität erfreut. Die in unseren heutigen Mittheilungen
ab und zu eingestreuten Episoden verdanken wir ebensowohl
seinen öffentlich gehaltenen Vortrügen, wie auch gelegentlichen
Erzählungen des Reisenden, denen wir beiwohnten. Der
„Globus" gab übrigens schon nach der Rückkehr Radde's
aus Ostsibirien einen kurzen Abriß seines Lebens bis zum
Jahre 1860, heute haben wir es also nur mit seiner Thätig
keit als Reisender, Forscher und Fachschriftsteller zu thun.
Mit einem bescheidenen Reisestipendium der Natur-
forschenden Gesellschaft in Danzig, seiner Vaterstadt, aus
gestattet, begab sich G. Radde im Februar 1852 in die Krim
und blieb in ihr drei volle Jahre. Er hatte das Glück, in
Simferopol in dem Hanse des gelehrten Botanikers Christian
Steven, dem Begründer des K. bot. Gartens Nikita an der
Südküste der Krim, freundliche Ausnahme zu finden. Der
Rath des alten Herrn und seine vorzügliche Kenntniß der
Fauna und Flora des Landes kamen Radde sehr zu statten,
wogegen er sich durch sein ausgeführte botanische Zeichnungen
dem Gelehrten dankbar erweisen konnte. Radde machte die
Globus LVIIT. Nr. 16.
. Gustav Radde 1852 bis 1890.
meisten Reifen in der Krim zu Fuß, bestieg mehrmals den
Tfchatyrdagh, bewanderte wiederholentlich die reizende Süd
küste und begab sich später aus das Besitzthum eines reichen
Gutsherrn ani Faulen Meere (Siwasch), wo es ihm so wohl
gefiel, daß er dort fast zwei Jahre blieb, jagte, sammelte und
ein kleines Lokalmnfeum gründete. Schon damals schrieb
Radde seine Pflanzenphysiognomie Tauriens. Veit besonderer
Vorliebe erzählt er ans jener Zeit, cs ist ihm von da alles
ganz frisch in der Seele geblieben, das Kap Parthenion, wo
er die „Jphigenia" deklamirte, die patriarchalischen Zustände
an der lieblichen Südküste, das ergiebige Jägerleben am
Faulen Meere, endlich die böse Kriegszeit, die Schlacht an
der Alma, die Flucht vom Gute aus dem Gebiete der wenig
zuverlässigen Nogaier, zu welcher Radde ein großes Flachboot
gebaut hatte, um mit der Familie seines Gönners, Josef
Schatilow, über den Siwasch kommen zu können alles
das hört sich gut an, wenn er im Freundeskreise davon
berichtet.
Im März 1855 trat Radde die Reise nach Petersburg
an, er blieb bei seinen Sammlungen und schloß sich einem großen
Transporte an, welcher von Karasubasar nach Moskau reiste
und von den Bauern des Fürsten Barjatinsky geführt wurde.
Langsam, in Tagemärschen von 20 bis 30 Wersten, ging es
gegen Norden, wobei natürlich Radde ganz in der Art der
Bauern lebte, Land und Leute aufs beste kennen lernte und
Ende des Monats in Petersburg ankam. Hier war er als
Mitglied der Ostsibirischen Expedition, welche die Kaiferl.
Rufs. Geogr. Gesellschaft ausrüstete, vorgeschlagen worden
und wurde auch angenommen. Es ist bezeichnend, daß, als
ihn der damalige Sekretär der Gesellschaft, der später als
hoher Finanzmann wohlbekannte E. von Lamansky, nach
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