Bd. LXI
Nr. 11
Xobti
Begründet 1862
von
Karl Andrer.
Wer-mii Wàlle
Herausgegeben
von
Richard Andrer.
Druck urtò Dlerlug von
Friedrich 'Dierveg & Sohn.
Brau «schweig.
Jährlich 2 Bände in 24 Nummern. Durch alle Buchhandlungen und Postanstaltcn 1898
zum Preise von 12 Mark für den Band zu beziehen. *
Die Altenburger Bauern.
von Dr. ZTC. Geyer. Altenburg.
Das Land zwischen Thüringer Wald und Elbe, in dessen Bereits unter den späteren Mcrowingcn beginnt in Mittel-
Mitte etwa der Ostkreis unseres Altenburger Herzogtums deutschland die Reaktion des Germanentums gegen das
liegt, bewohnten bei Beginn der christ
lichen Zeitrechnung die Hermunduren,
d. h. Großduren. Einige Jahrhunderte
später tauchen an ihrer Stelle die Thü
ringer auf, d. h. Abkömmlinge der
Duren '). Ihr Reich wird 581 in dem
bekannten Kampfe bei Burgscheidnngen
vernichtet. Jedenfalls schon vor Zer
trümmerung des Thüringer Reiches rückte
von Osten her ein slawischer Stamm in
das schwach bevölkerte Gebiet ein: die
Sorben oder Wenden. Sorben nannten
sie sich selbst, Wenden wurden sie von
den Germanen genannt. Diese Sorben
ergriffen Besitz von dem später sogenann
ten Pleißengau, der ziemlich genau die
heutigen Amtsgerichtsbezirke Altenburg
und Schmölln umfaßt. Um den Gau zog
sich ein dichter Kranz von Wäldern, von
welchem Teile sich bis heute erhalten
haben: so der Luckaer Forst, der Kammer-
forst, die Pahna, das Deutsche Holz, die
Leina und der Ronneburger Forst. Im
Pleißengau besetzten die Sorben die frucht
barsten Thäler: Sprottenthal, Pleißen-
thal und besonders die Thäler der Blauen
Flut, des Deutschen Baches und des
Gcrstenbaches. Die drei letztgenannten
Striche bilden mit ihrer Lehmbedecknng von
wunderbarer Ertragsfähigkeit das eigent
liche Altenburger Goldland. Hier ent
standen damals zahlreiche kleine, meist in
Hufeisenform erbaute Dörfer, deren slawi
scher Ursprung noch heute vielfach an ihren
Namen auf is, itz und itsch erkennbar ist.
Altenburger Bäuerin („Marje").
Slawentum, das Vordringen der Deut
schen nach Osten. Jahrhunderte lang
währt der Kampf. Anfang des 10. Jahr
hunderts wird der Pleißengau durch die
Deutschen erobert und von diesem Zeit
punkte an beginnt die Germanisierung
und Christianisierung der altenburgischcn
Sorben. Geistliche breiten von dem
Bischofssitze Zeitz aus Christentum und
Deutschtum zugleich unter ihnen aus;
deutsche Herren errichten in dem unter
worfenen Laude zahlreiche Adelssitze (fast
100 in dem 12 Quadratmeilen großen
Ostkreise); deutsche Kolonisten gründen
zwischen den sorbischen Niederlassungen
ihre deutschen Dörfer, insbesondere roden
sie Striche des oben erwähnten großen
Waldes aus, die denn durchweg mit
deutschen Ansiedelungen besetzt sind. Die
Überlegenheit der germanischen Ansiedler
vor den Slawen in wirtschaftlichen Din
gen darf man wohl daraus folgern, daß
alle landtvirtschaftlichen Gegenstände, Ge
räte, Werkzeuge, Verrichtungen, Produkte,
das Groß- und Kleinvieh u. s. w. deut
sche Namen haben. Über den Verlauf
der Germanisierung haben wir zwei
schwache Anhaltepunkte: 1140 wird in
dem Kirchspiele Altkirchen wendisch und
deutsch gesprochen, und zwar wird in der
lateinischen Urkunde, aus der wir das
ersehen, das Wendische die lingua, patria,
bäs Deutsche die lingua rusticana ge
nannt; 1327 wird von dem Landgrafen
Friedrich dem Ernsten der Gebrauch der
*) So nach Alfr. Kirchhofs, Thüringen doch Hermunduren- Germanen in unserm Lande gesessen haben; vergl. I. Lobe,
land, Halle 1882. Bewährte Lokalgeschichtssorscher sagen, nur Mitteilungen d. altertumss. Gesellschaft, Altenburg, Bd. ü,
soviel sei sicher, daß vor der Einwanderung der Slawen S. 126 ff.
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