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Houiighusbands Bereisung
des südwestlichen Kuenluen.
Als Charaktertiere der nördlicheren Steppendistrikte des
Wolgagebietes sind anzusehen:
1) Der rötliche Ziesel, Spermopbilus rufescens. 2) Der
gesteckte Ziesel, Spermophilus guttatus. 3) Das Steppen-
murmeltier, Arctomys bobac. 4) Der große Pferdespringer,
Alactaga jaculus. 5) Der gemeine Hamster, Cricetus fru
mentarius. 6) Der Zwergpfeifhase, Eagornys pusillus. Ans
der Zahl der Vögel kommen hierzu noch Großtrappe und Zwerg
trappe; für die südlicheren und südöstlichen Steppendistrikte
Rußlands sind bezeichnend: 1) Der falbe Ziesel, Spermo-
philus fulvus. 2) Der Zwergpferdespringer, Alactaga acon-
tion. 3) Der Pfeilspringer, Dipus sagitta. 4) Die Blind
maus, Spalax typhlus. 5) Die Maulwurfsratte, Elobius
talpinus. 6) Der kleine Reishamster, Cricetus phacus.
7) Der Steppenigel, Erinaceus auritus. 8) Der Steppen
fuchs, Vulpes corsac. 9) Der Tigeriltis, Foeterius sarina-
ticus. IO) Die Saiga-Antilope, Saiga tartarica. Eine
scharfe Abgrenzung beider faunistischer Gebiete findet nicht
statt, insbesondere reichen einige der nördlicheren Arten in das
südliche Gebiet hinein. Diese Fauna der Wolgasteppe zeigt
eine geradezu überraschende Übereinstimmung mit jener aus
den mitteleuropäischen Lößablagernngen bekannt gewordenen
Tierwelt. Wir wissen jetzt, dank des Forschereifers von Neh-
ring, daß die sämtlichen hier aufgeführten charakte
ristischen Steppentiere der nördlicheren Areale und
einige Arten aus den südlichen während eines ge
wissen Abschnittes der Diluvialzeit, nämlich der
interglaeialen Lößperiode, bis nach Mitteleuropa,
ja zum Teil sogar bis nach Westeuropa verbreitet
waren, zeitweilig sogar hier in gewissen Distrikten die Vor
herrschaft hatten. Nach der ersten großen Vergletscherung
muß sonach in Mitteleuropa ein wesentlicher Umschwung der
klimatischen Verhältnisse eingetreten sein. Ansehnliche Areale,
vorher vom Inlandeis eingenommen, boten nunmehr die
Lebensbedingungen für eine echte Steppenfauna dar; die
Wirkungssphäre des osteuropäischen Kontinentalklimas hatte
sich mit andern Worten beträchtlich nach Westen verschoben.
Indem ferner Bogdanow die landläufigen Vorstellungen
über Steppen und deren Fauna im Wolgagebiete eorrigiert
und zeigt, daß die Steppenflora und Steppenfauna der Gegen
wart keineswegs an Tiefebenen gebunden ist, wird vieles
verständlich, was manchem die Annahme einer diluvialen
Lößsteppe für Mitteleuropa erschwerte. Wie die Wolgasteppen
mit Waldinseln vermischt und von Höhenzügen durchsetzt sind,
so mag auch jene diluviale Steppe beschaffen gewesen sein.
Hiermit hängt aber dann zusammen, daß die Fauna solcher
mit Waldinseln versehener Steppen keineswegs aus lauter
exklusiven Steppentieren zu bestehen braucht, sondern auch
Arten umfassen kann, welche entweder indifferent sind oder
geradezu als Waldtiere bezeichnet werden dürfen. So erklärt
sich der scheinbare Widerspruch, daß im Löß neben echten
Steppentieren auch Wald und Feuchtigkeit liebende Tiere auf
gefunden werden.
Wenn mau ein Analogon unter den heutigen Faunen für
unsre mitteleuropäische Lößfauna sucht, so kann man es nur
in Ost-Rußland und Südwest-Sibirien finden.
Nounghnsbands Bereisung des südwestlichen
Kuenluen.
Die erste Reise auf der Südabdachung des im westlichen
Kuenluen vom Karakasch-Flusse bis zu dem in der letzten
Zeit politisch wichtig gewordenen Taghdumbasch-Pamir führte
der englische Rittmeister F. E. Nounghusband aus. Am
21. August 1889 hatte er auf dem sogeuannten Sommer
wege von Leh aus Schahidula am Karakasch-Flusse erreicht
und befand sich in 3504 m Höhe. Über den 5208 m hohen
Kirgis-Paß wurde im Thal des Kugiar-Flusses abgestiegen,
der im späteren Laufe Oprang- oder I)arkand-Fluß heißt.
An Stelle der weiten Hochebenen, die sich östlich des Kara-
kasch-Flusses zwischen Karakorum und Kuenluen ausbreiten,
treten hier enge, tief eingeschnittene Thäler, unter sich ge
schieden durch Ausläufer von den Hauptketten, dem Kuenluen
und dem Karakorum, die sich am meisten nähern bei Gill
(Aghil), der Einmündungsstelle der vom Mustagh - Paß ab-
stießenden Gletscherwasser. Die nördliche Hauptkette ist von
Granit, die Gebirge im Süden von Glimmerschiefer, das
Thal dazwischen heißt bei den Eingeborenen Khal Tschusknn
und hat eine durchschnittliche Breite von 200 m; die Berg
riesen zur Seite ragen 1500 m und mehr über die Thal
sohle empor, der höchste Gipfel, K2, oder Dapsang in der
Mustagh - Kette ist mit 8619 m der zweithöchste Berg der
Erde. Nounghusband folgte dem Hauptthale sieben Tage
lang; bei Aghil ließ er sein Gepäck zurück und machte sich
mit wenigen bewährten Leuten zu einer Hochtour in die
Gletscherwelt auf, welche sich auf dem Nordabhange der
Mustagh-Kette vom Dapsang herabsenkt. Die Gletscher haben
hier nicht die Ausdehnung, wie auf der tibetischen Seite,
stehen aber durch die größere Steilheit der Abhänge, in der
Zerrissenheit der Abstürze hinter der südlichen Abteilung nicht
zurück. Nounghusband wagte sich über das Gletschereis
hinaus in die Firnregion dieser Gletscher und spähte nach
einem günstigen Aufstieg zu einem Aussichtspunkte, mußte
aber bereits in 5200 m Höhe vor den allerseits nieder
stürzenden Lawinen den Rückweg antreten. Der Versuch
wurde einige Tage später in dem vom Mustagh-Passe herab
ziehenden Thale wieder aufgenommen, scheiterte aber an der
starken Zerklüftung der Eisfelder. Die Reise wurde dann
im Oprang-Thale fortgesetzt bis zum Einfluß des Raskam-
Flusses und bestätigte die Aufnahmen der indischen Ver
messungsbeamten, daß der Norkand-Fluß bis nahe dem
76. Grade östlicher Länge eine westliche Richtung behält und
dann erst den Kuenluen durchbricht. Über einen nur 4450 m
hohen Paß trat der Reisende auf bequemem Pfade in die
Taghdumbasch-Pamir über und stieß hier wieder auf Dörfer.
„Wir befanden uns in breiten, offenen, gut mit Gras be
wachsenen Thälern nicht eingeengt von eisbedeckten Bergriesen,
wie im Aarkand-Thale. Wir verweilten in der zweiten
Hälfte Oktobers au drei Wochen auf diesen Pamirs, litten
fortgesetzt unter einem scharfen kalten Wind; das Thermo
meter fiel auf — 5" F. (= 21° C.), was nur um 5°
(— 3,5°) mehr war, als zuletzt am Oprang in 2680 m
Höhe bei Windstille." Vom Taghdumbasch, wörtlich oberstes
Gebirge, kehrte der Rittmeister auf der alten Handelsstraße
über den Mintaka-Paß nach Indien zurück und nahm den
Abstieg nach Gilgit durch das Land der Hunzas. Es ist
von Interesse, daß der Hauptmann im russischen Generalstab,
Gromtschevski, im August desselben Jahres, kurz vor Noung
husband auf Taghdumbasch war und durch das Hunza-Gebiet
auf einem östlicher gelegenen, dem Kilik- Passe, nach dem
Gilgitthale sich gewandt hatte. Der russische Offizier sah
dabei den fruchtbarsten, dichtest bevölkerten Teil des Hunza-
Laudes, der Engländer kam durch ein rauheres Seitenthal
herab, machte aber dem Laudesherrn seine Aufwartung und
war überrascht durch die hohe Meinung, die der Herr über
dieses Gebirge von sich hat; auf die Frage, ob er schon in
Indien war, erwiderte der Fürst: „große Könige verlassen ihr
Land nicht". Nounghusband kennzeichnet sein Land damit,
daß es mehr Berggipfel über 6000 m Höhe in sich berge, als
die europäischen Alpen über 3000 m. (Nach dem Vortrage
Nounghusbands in der Londoner geogr. Gesellschaft. Februar
1892.) E 8.