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Full Text: Globus, 61/62.1892

Bd. LXL 
Nr. 4. 
Mer-M llfdiiiniie 
Begründet 1862 
von 
Karl Andres. 
Druck und 'Derlcrg v 
Herausgegeben 
von 
Richard Andree. 
dricH Däerveg & SoHn. 
Brau «schweig. 
Jährlich 2 Bände in 24 Nummern. Durch alle Buchhandlungen und Postanstaltcn 18 OL 
zum Preise von 12 Mark für den Band zu beziehen. 
Die alten Völker der östlichen Länder Mitteleuropas. 
Don A. Pensa. 
Die Geschichte der Wissenschaften lehrt ans vielen ihrer 
Blätter, daß der Wert jeder neugewonnenen Erkenntnis all 
gemeiner Art ein doppelter ist: einmal zeigt sich derselbe 
darin, daß die Hauptfrage selbst nun ihre endgültige Er 
ledigung gefunden hat, und zweitens in dein Umstande, daß 
mit der Hauptfrage selbst zugleich eine Reihe von Neben- 
fragen Beantwortungen erfahren, die vom Standpunkte der 
früheren Anschauungen entweder gar nicht oder nur in 
unbefriedigender Weise gegeben werden konnten. Eine solche 
Hauptfrage der Ethnologie ist die Frage nach der Heimat 
der Arier. Es ist nun die Aufgabe dieser Zeilen, einige 
solcher Ncbcnfragen, die sich auf die Geschichte der alten 
Völker in den östlichen Ländern Mitteleuropas beziehen, 
vom Standpunkte der neuen Lehre von der skandinavischen 
Herkunft der Arier zu erörtern, eine Aufgabe, deren Durch 
führung mir um so wünschenswerter erscheint, als gerade 
auf diesem Gebiete der nationale Chauvinisnius beschäftigt 
gewesen ist, um unter wissenschaftlicher Flagge Eingang in 
weitere Kreise Anschauungen zu verschaffen, die die unpar 
teiische Wissenschaft als irrig zurückweisen muß. 
So eine Frage ist die alte Streitfrage, ob das östlich e 
Deutschland, sowie Böhmen und Mähren vor der An 
kunft der Germanen von Slawen bewohnt gewesen 
seien, so daß diese in dem genannten Gebiete gleichsam als 
Antochthonen zu betrachten wären, oder ob sie erst dorthin 
nach dem Wegzüge der Germanen zur und nach der Zeit 
der großen Völkerwanderung gekommen seien. Dieselbe ist 
neuerdings wieder in Fluß geraten, seitdem Kasimir Szulc 
auf der XV. Versammlung deutscher Anthropologen zu 
Breslau im Jahre 1884 seinen Vortrag „Uber die Urein 
wohner zwischen der Weichsel und Elbe" gehalten hat, und 
ein Jahr darauf der bekannte mährische Urgeschichtssorscher, 
Dr. Heinrich Wanket, den der Szulcfche Vortrag mächtig 
ergriffen und in längst gehegten Anschauungen bestärkt hatte, 
eine eigene dieser Frage gewidmete Schrift (Beitrag zur 
Geschichte der Slawen in Europa. V lmütz 1885) erscheinen 
ließ, in der er', die von Szulc vorgebrachten Argumente 
Globus LXI. Nr. 4. 
wiederholend und durch neue ergänzend, den Nachweis zu 
führen unternahm, daß „1. die Slawen nicht erst zirr Zeit 
der Völkerwanderung, also im 5. Jahrhundert, in den öst 
lichen Teil Mitteleuropas eingezogen seien, 2. daß ihre Ein 
wanderung aus ihren weit hinter den Karpaten gelegenen 
Sitzen allmählich, lange, lange vor Christo stattgefunden 
habe und sie im östlichen Mitteleuropa außer dem Volke der 
paläolithischen Zeit kein andres getroffen haben, daher in 
einer Beziehung Antochthonen seien, daß 3. diese alten 
Slawen einer dolichomittclhypsicephalen Menschenrasse an 
gehört hätten, die später durch Vermischung mit cingewanderten 
brachycephalen Stämmen meso- und noch später brachycephal 
geworden seien, und daß 4. den alten Slawen eine ver 
hältnismäßig viel höhere Kultur zugesprochen werden müsse 
als ihren westlichen Nachbarn zu jener Zeit". Der Vor 
trag von Szulc wurde außerdem noch einmal, und zwar 
nach dem im Jähre 1887 erfolgten Dode desselben, ver 
mehrt mit dessen ausführlicher Entgegnung auf die ablehnende 
Kritik K. Blinds, in einem selbständigen Schriftchen 
(Wien 1889) von befreundeter Hand veröffentlicht. Von 
dem im IV. Bande des „Archivs für slawische Philologie" 
(1880) ans S. 63 fg. erschienenen Aufsatze: „Polen, Ljachen, 
Wenden" von I. Perwolf, der dieselben Anschauungen 
mittels einer Reihe ganz haltloser Etpmologicen zu beweisen 
sucht, kann an dieser Stelle vollständig Umgang genommen 
werden. 
Obwohl Szulc-Wankel zum Beweise ihrer Thesen nahezu 
alle einschlägigen wissenschaftlichen Disziplinen, die sich mit 
der Erforschung der Vorgeschichte der Völker beschäftigen, 
herangezogen haben, so kann doch nicht gesagt werden, daß 
cs ihnen gelungen ist, den Nachweis für die Richtigkeit auch 
nur einer einzigen zu erbringen. Alle von ihnen vor 
gebrachten Thatsachen beweisen nicht das, was sie nach der 
Meinung dieser Männer beweisen sollen. Man kann zu 
geben, daß die Germanen das Gebiet zwischen Weichsel und 
Elbe, sowie Böhmen und Mähren nicht ursprünglich bewohnt 
haben, sondern erst dorthin in den letzten Jahren vor 
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