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Volltext: Zeitschrift für Volkskunde, 49.1940

Volkstum im deutsch-litauischen Grenzraum 
Von Manfred Hellmann, Berlin 
Die litauische Volkszählung von 1923*) verzeichnete bei der Darstellung der bekenntnis 
mäßigen Gliederung der Bevölkerung Litauens die Zahl von 66 578 Lutheranern, das sind 
3,3 v. H. der Gesamtbevölkerung des zu 85,72 v. H. katholischen Landes?) Von diesen 
waren nach den Angaben der litauischen Statistik 28 671 Deutsche, 13 555 Letten, so daß 
23 024 Lutheraner übrigbleiben, von denen 22 312 als Litauer bezeichnet wurden, während 
der Rest von 712 sich auf die anderen Volkötümer (Polen, Russen usw.) verteilte?) Mit 
Recht ist von deutscher Seite mehrfach darauf hingewiesen worden^), daß sich unter den 
22 312 lutherischen Litauern und wohl auch unter den 13 555 Letten eine Anzahl von 
Deutschen befinden muß, deren Zahl von der litauischen Statistik herabgesetzt worden war*). 
Wenn man diese Tatsache auch in Rechnung stellt, so ergibt sich doch, daß es lutherische 
Litauer gibt, deren Zahl etwa 1 v. H. der Gesamtbevölkerung der ehemaligen Republik 
Litauen ausmacht. Betrachtet man nun die Verteilung dieser lutherischen Litauer auf die 
einzelnen Kreise Litauens, so ergibt sich, daß der Hauptteil von ihnen in den westlichen und 
nördlichen Grenzgebieten des Landes ansässig ist, während sie im Osten und Südosten bis 
auf 0,1 v. H. der Gesamtbevölkerung zusammenschmelzen. DaS Verbreitungsgebiet der 
Lutheraner deckt sich einmal mit dem Hauptsiedlungsgebiet der Deutschen, zum anderen mit 
dem der Letten. Im einzelnen ergibt sich folgendes Bild: 
Die Kreise Litauens, die den höchsten Anteil an Bewohnern lutherischen Bekenntnisses 
aufweisen, gehören zu den Neusiedlungsgebieten der Litauer, die erst nach 1400 von litaui 
scher Seite in Besitz genommen worden sind. 
Wir wissen heute, daß Litauer ihr heutiges Siedlungsgebiet im Westen und Norden 
des Landes erst nach 1400 in Besitz genommen haben, nachdem die in diesen Gebieten an 
sässige Bevölkerung sich zurückgezogen und das Land eine Reihe von Jahrzehnten Wildnis 
gewesen war, in der eö wohl Reste einer Bevölkerung, aber keine Siedlungen mehr gab. 
Während die Nordgrenze des heutigen litauischen Siedlungsgebietes und deren Ent- * 2 * 4 
1) Es ist die einzige Volkszählung, die Litauen durchgeführt hat. Ihre Ergebnisse sind in Methode und 
Ergebnis kritisch aufzunehmen. Vgl. dazu: P. H. Seraphim, Vom Wesen und Wert der Statistik in 
Osteuropa. In: Dt. Archiv f. Landes- und Volksforschung, Ig. 3, Heft 1 , S. 194-208. Ferner die 
kritischen Bemerkungen im Artikel „Litauen" des Hdwb. des Grenz- u. Auslanddeutschtums, Bd. 3, 
S. 364. Die Ergebnisse der Volkszählung sind veröffentlicht in dem Bande: Lietuvos Gyventojai. 
Population de la Lithuanie. Données du premier recensement du 17 . sept. 1923 . Kauen, 1926. 
2 ) LietuvoS Gyventojai, a. a. O., S. XL u. S. 30. 
2 ) Hdwb. d. Grenz- u. Auülanddtms., a. a. O.; R. Heberle, Die Deutschen in Litauen (Stuttgart, 
1927), S. 35. 
4 ) Die erste Veröffentlichung der Ergebnisse der Volkszählung enthielt die Zahl von 23.973 (= 1.2 
v H. d. Gesamtbevölkerung) und wurde nach einem Protest der deutschen Abgeordneten im lit. Seim 
auf 29.231 heraufgesetzt. Vgl. Hdwb. d. Grenz- u. AuslanddtmS. a. a. O.
	        
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