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Full Text: Zeitschrift für Volkskunde, 88.1992

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Die Straße lebt 
Bemerkungen zu einer urbanen Taktik 
biemfcoirfi i i . Von Gisela Welz, Tübingen 
O :,J :^ n,ve rsität zu fieri,. 
/h^^rsitätsbibüothek 
7 Geschichte 
Fried ClCh Ethno 3^phio 
rnedenstraße 3, Berlin, ,017 
/ stz// hang around 
neither lost nor found 
I hear the sound of music in the night 
nights are always bright 
I play the street life 
cause there’s no place I can go 
street life 
it’s the only life I know 
(The Crusaders: Street Life, 1979 x ) 
Wo der Normalfall Straße außer Kraft gesetzt ist, findet eine Kulturwissenschaft 
der Straße ihren Ansatzpunkt. Volkskundliche und ethnologische Recherchen sie 
deln sich bevorzugt an den Bruchstellen einer kulturellen Ordnung der Straße an: 
Nicht die alltägliche Funktionalität der Straße als Erschließungselement und Fort 
bewegungsraum ist Thema, sondern ihre Fähigkeit, das Außeralltägliche hervorzu 
bringen und ihm einen Raum zu bieten. Denn gerade die außer-ordentliche Nutzung 
der Straße legt ihre gesellschaftlich herrschende und abgesicherte Ordnung offen. 
Im amerikanischen Sprachgebrauch steht der Begriff des Street Life für eine An 
eignung von Straßen, die ihrem kulturell gesetzten und in der gebauten Umwelt 
der Straße eingeschriebenen Hauptzweck, Bewegungsströme von Automobilen 
und Passanten zu organisieren, zuwiderläuft. Was Straßen in den Slums amerikani 
scher Großstädte außeralltäglich macht, ist der Umstand, daß große Teile der Be 
wohner ihren Alltag auf die Straße verlegt haben. Die Straße lebt, weil die Men 
schen auf der Straße leben. Im folgenden wird zunächst das Street Life einer Straße 
im New Yorker Stadtteil Bushwick deskriptiv eingeführt und im Sinne einer öko 
logisch argumentierenden Kulturanthropologie als Umweltaneignungsstrategie 
eingeordnet. Unter drei Aspekten — Raumkonkurrenz, Raumkompetenz und 
Raumkontrolle — wird diese Beschreibung daraufhin konfrontiert mit Beobach 
tungen und Erkenntnissen in der Alltagswelt des Slums, die die Stimmigkeit des 
kulturökologischen Erklärungsmodells teilweise in Frage stellen und zu Modifizie 
rungen aufrufen. Zuletzt wird die Gültigkeit kulturwissenschaftlicher Ordnungs 
modelle insgesamt problematisiert und der Anspruch der Kulturwissenschaften 
auf kompetente Darstellungen kultureller Wirklichkeit fragwürdig gemacht. 
Street Life 
Street Life ist eine im Sinne des Wortes alternative Nutzung der Straße, die deren 
übliches Funktionieren behindert: Autokolonnen, Lastwagen, der städtische Bus 
1 MCA Records, Inc. Universal City, Ca. 1979.
	        
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