Buchbesprechungen
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In seiner Zusammenfassung versucht der Autor, die unterschiedlichen, interdisziplinären
Auffassungen zu einer Definition von Arbeiterkultur zu verdichten: Sie wäre „die Gestal
tung der (durch die materiellen gesellschaftlichen Beziehungen determinierten) spezifischen
Lebensverhältnisse (,Lage‘) in der Lebensweise (unter Einschluß der durch die Organisatio
nen der Arbeiter angeregten Formen)“, zudem die von Arbeitern und Arbeiterbewegung
(mit)entwickelten Formen in einzelnen Feldern der Kultur, schließlich die durch die Exi
stenz und das Wirken dieser Gruppen entstehenden „qualitativen Leistungen und normati
ven Perspektiven im kulturellen Prozeß“. Mit diesem Definitionsversuch wird man Weiter
arbeiten können, wenn man sich mit Helmut P. Fielhauer zu einer Volkskunde als demokra
tischer Kulturgeschichtsschreibung bekennt und daher keinen Grund sieht, sich von
Begriffen wie „Lage“, „Kultur und Lebensweise“ o. ä. abzuwenden.
Auch wenn — oder gerade weil — das Interesse an Arbeiterkultur (der historischen wie
der gegenwärtigen) in letzter Zeit zurückgegangen ist, wird dieses wichtige Buch seinem An
spruch gerecht bleiben, „Wissenschaft als Begleitung gesellschaftlicher Prozesse zu verste
hen“; es kann überdies, Kramers Schlußwort ist beizupflichten, „auch den Blick . . . schär
fen für die angemessene Beschreibung von historischen und aktuellen Kulturprozessen im
Kontext anderer sozialer Gruppen“.
Wien Olaf Bockhorn
Auf der Suche nach der verlorenen Kultur. Arbeiterkultur zwischen Museum und Realität.
Beiträge der 4. Arbeitstagung der Kommission „Arbeiterkultur“ in der Deutschen Gesell
schaft für Volkskunde in Steyr vom 30. 4.-2. 5. 1987. Gedenkschrift für Helmut P. Fiel
hauer, hrsg. von Olaf Bockhorn, Helmut Eberhart, Wolfdieter Zupfer. Wien:
Inst. f. Vk. d. Univ. Wien, 1989. 303 S. (Beitr. z. Vk. u. Kulturanalyse, Bd. 3).
1987 fand die vierte Tagung der Kommission „Arbeiterkultur“ in der DGV statt — Aus
druck jener rührigen Arbeitsfreude und des fruchtbaren Diskurses, der in zuweilen unter
schiedlich akzentuierter thematischer Ausrichtung, auch oft kontroverser Argumentation
von der Lebendigkeit eben dieser Kommission zeugt, zählt sie doch zu den aktivsten inner
halb der Gesellschaft, wie Konrad Köstlin in seinem Vorwort zu Recht betont. Daß sie zu
dem die zweite Kommissionstagung in Österreich war, läßt auch die Initiativen und Impulse
deutlich werden, die von hier ausgingen und ihren Niederschlag etwa in der Oberösterrei
chischen Landesausstellung „Arbeit, Mensch, Maschine — Der Weg in die Industriegesell
schaft“ in Steyr fanden. Die Ausstellung — konzeptionelle Vorbereitung eines Museums der
industriellen Arbeitswelt — ist von Rudolf Kropf und Udo B. Wiesinger in dem vorliegenden
Tagungsband ausführlich vorgestellt worden, aufschlußreich auch hinsichtlich der umfas
senden Überlegungen zu inhaltlichen Schwerpunkten und Aussagen in der gestalterischen
Planung, jener kritischen Reflexion der Rolle des Menschen im Prozeß der Industrialisie
rung, die zunehmend in interdisziplinärer Ausrichtung kultur-, sozial- und technikge
schichtlicher Forschung in den Mittelpunkt des Erkenntnisinteresses rückt und den Blick
auf eine Geschichtsschreibung der industriellen Kultur weiten sollte.
Der Band ist der Erinnerung an die unermüdliche Arbeit Helmut Paul Fielhauers, dessen
Anregungen die Diskussion in der Kommission vieles verdankt, gewidmet; er hatte noch die