Buchbesprechungen
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EVELYN GrÖBL-Steinbach (Hrsg.): Licht und Schatten. Dimensionen von Technik, Ener
gie und Politik. Wien/Köln: Böhlau Verlag, 1990. 164 S.
Das Ergebnis der interdisziplinären Tagung „Licht und Schatten“, die im Juni 1989 im
Museum Industrielle Arbeitswelt in Steyr stattfand, liegt nun in Form einer Veröffentli
chung vor. Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen vorwiegend österreichischer Prove
nienz haben hier den Mut gefaßt, sich mit der Grauzone zwischen Kultur- und Sozialwis
senschaften auf der einen und den Naturwissenschaften auf der anderen Seite zu befassen.
Daß sich dieser Schritt lohnt, zeigt sich nicht nur auf dem erkenntnistheoretischen Sek
tor. Die gegenseitige Annäherung der beiden hermetisch gegeneinander abgeschlossenen
wissenschaftlichen Domänen empfiehlt sich aus ganz pragmatischen Überlegungen. Die
Technisierung, die beispielsweise in Form von EDV-Geräten im Bereich der Geisteswissen
schaften Fuß faßt, muß von innen her hinterfragt werden. Joseph Weizenbaum fordert im
vorliegenden Band eine kritische Analyse der neuen technischen Möglichkeiten im Bereich
der Datenverarbeitung.
Die „Dimensionen von Technik, Energie und Politik“, so der Untertitel der Veröffentli
chung, stehen im Zentrum der Auseinandersetzung, wobei die gesellschaftliche Relevanz
von Technik und Energie den gemeinsamen Ausgangspunkt markiert. Bei aller Aktualität
des Themas werden historische Fragestellungen nicht ausgeblendet.
Die Beiträge von Wolfgang Schivelbusch, Jürgen Kocka und Roman Sandgruber etwa zei
gen die Beeinflussung sozialer Handlungsmuster durch die Entwicklung der Technik. Als
Paradigma des Fortschritts richtet sich der Blick immer wieder auf die sich entsprechend ih
ren verschiedenen Funktionen verändernden Lichtquellen. In typisch assoziierender Ma
nier spricht Schivelbusch von einer zunehmenden „Entzauberung des Lichtes“. Der erste
Schritt zur „Domestizierung des Feuers“ sei die Erfindung des Dochtes gewesen. Vom „ver
walteten Licht“ ist in Anbetracht der Öllampe mit ihrer verstellbaren Flamme die Rede.
Um 1800 erreicht die Verwaltung des Lichtes im Gaslicht ihren vorläufigen Höhepunkt.
Entscheidend ist enorme Helligkeit, die sich immer wieder zeitgenössischer Kritik aussetzt.
Schivelbusch und Kocka weisen auf Jules Michelets kulturpessimistische Kritik an der
neuen Helligkeit des 19. Jahrhunderts hin: „Hier gibt es kein Dunkel, in das sich der Gedan
ke zurückziehen (...) kann“. Im Gaslicht kollidiere das menschliche Bedürfnis nach Atmo
sphäre und das obrigkeitliche Ordnungsstreben. Helligkeit, die nur unter der Voraussetzung
enormer Energiepotentiale bereitgestellt werden kann, erweist sich als Machtinstrument in
doppelter Hinsicht: Zum einen bleibt die Laterne über einen langen Zeitraum hinweg Sinn
bild für Ordnung (nicht zufällig spielt in Mühsams Lied vom Revoluzzer ein Lampenputzer
die Hauptrolle). Zum anderen ging das steigende Interesse an Elektrizität ja nicht von den
Konsumenten aus. Erfinder, Wissenschaftler und Unternehmer schufen diese Notwendig
keit.
Die Grenzen technischer Gigantomie zeichnet die Atomphysikerin Ulrike Mersits an der
Entwicklung der Kernfusionsforschung der letzten vier Jahrzehnte nach, die sie auf zugrun
deliegende politische und soziale Motive hinterfragt.
Ulrich Beck stellt die Absurdität des Versicherungsgedankens angesichts technischer
Großgefahren in den Mittelpunkt seiner Abhandlung. Seine Diskussion des sozialpsycholo
gischen Phänomens Angst bleibt jedoch uneinsichtig. Die Angst, heißt es, überlagere
grundlegende Konflikte der menschlichen Gesellschaft: Konkurrenzkämpfe und Klassen
antagonismen. Wenn hier die These vom Boot, in dem wir alle sitzen, vertreten wird, dann