Buchbesprechungen
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stenz hin orientierten) Lohnbedingungen arbeiteten. Besonders eindrucksvoll ist hier auch
das Bildmaterial.
Weit über den regionalen Bezug hinaus reicht schließlich der Artikel von Sigrid Jacoheit
über Klein- und Mittelbäuerinnen im faschistischen Deutschland. Hier geht es um die Ein
bindung der Frauen in die „Erzeugungsschlacht“, ihre Rolle in der Autarkie und der Reagra-
risierungspolitik. Sehr plastisch beschreibt Jacoheit den gezielten Antimodernismus der na
tionalsozialistischen Agrarpolitik, der besonders die Frauen traf, die nun vom Flachsanbau
bis zum Spinnen und Weben alle Arbeitsschritte wieder per Hand vollziehen sollten wie
weiland ihre Großmütter. 120000 Wollsocken wanderten durch Frauenhand so an die Füße
der Soldaten des Führers, 520 000 Frauen wurden in Kursen über die Verwertung wirtschafts
eigener Erzeugnisse geschult. Zurück zur Tracht, zurück zur bäuerlich altdeutschen Wohn
kultur hieß die Devise der nationalsozialistischen Kulturerziehung für die Landfrau. Inter
essant die Schlußfrage - wenn auch ohne Antwort - ob sich die Bäuerinnen von dem ihnen
zugemuteten „Heldinnentum“ an der Heimatfront haben ansprechen lassen oder nicht.
Dem letzen Artikel von Barbara Watz schließlich bleibt die undankbare Aufgabe Vorbe
halten, zugleich die Technisierung der Landwirtschaft, den Wandel der Agrarstruktur und
die Veränderung in den Anforderungen an die Bäuerin zusammenzufassen. Dementspre
chend allgemein gehalten ist die Darstellung der Entwicklung hin von der im Betrieb mitar
beitenden Bäuerin zur Familienhausfrau, wie sie sich zwischen den 1970er und den späten
80er Jahren in den Phasen der sog. „Wohlstandsentwicklung und -konsolidierung“ heraus
bildete.
Göttingen Carola Lipp
MARIA BIDLINGMAIER, Die Bäuerin in zwei Gemeinden Württembergs. Mit einem Vor
wort von Carl Johannes Fuchs; Nachwort, Anmerkungen und Literaturhinweise von
CHRISTEL KÖHLE-HEZINGER sowie einen dokumentarischen Anhang. Kirchheim/Teck:
Jürgen Schweier Verlag, 1990. 305 S. (Nachdruck der Ausgabe von 1918).
Diese Zweit-Veröffentlichung zu beurteilen, deren wissenschaftlicher Wert bisher aus
schließlich mit hohem Lob bedacht wurde und die nun von einem heutigen ebenso positiv
urteilenden wie zugleich gewinnbringenden Nachwort begleitet wird, ist der Rez. um so
mehr ein Bedürfnis, als sie die Untersuchung von Maria Bidlingmaier für ihre eigenen For
schungen mit großem Gewinn benutzt hat.
Was an diesem Buch vom heutigen Standpunkt aus besonders beachtenswert sein dürfte,
ist die Tatsache, daß damals -1918 - eine Frau sich einem Landfrauenthema widmete, die
Staatswissenschaftlerin war. Die Erklärung dafür scheint einfach: Bidlingmaier zählte an
der Universität Tübingen zu den Hörerinnen des engagierten Staatswissenschaftlers und
Kenners dörflich-bäuerlicher Verhältnisse Carl J. Fuchs-, bei ihm hatte sie die Arbeit zur Pro
motion am 24. Juli 1915 eingereicht - als erste Frau mit einem Frauenthema! Die Disserta
tion fußt im theoretischen Konzept auf Max Weher, der ja seine wissenschaftlichen Studien
gleichfalls auf dem Lande begonnen hatte. Außerdem dienten ihr die „Fünf Gemeinden auf
dem Hohen Taunus ...“ von Gottfried Schnapper-Arndt (1883) ebenso als Vorbild wie die
Schriften des Vereins für Sozialpolitik. Ein Forschungskonzept also, das volkskundliche
Untersuchungen jener Zeit mit ihrer „Andacht zum Unbedeutenden“ weitestgehend ver
missen lassen.