Berichte
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Tagung der Kommission fìiir Lied-, Musik- und Tanzforschung
in der Deutschen Gesellschaft für Volkskunde e. V in Partnerschaft
mit der Sächsischen Landesstelle für Volkskultur ; Schneeberg,
in Erlbach / Vogtland, 24. — 28. September 2002
„Das 20. Jahrhundert im Spiegel seiner Lieder“ lautete das Thema der diesjäh
rigen Tagung der Kommission für Lied-, Musik- und Tanzforschung, die erstmals
in Sachsen stattfand (Leitung: Marianne Bröcker, Bamberg; Organisation: Gisela
Brobst-Effah, Köln, und Elvira Werner, Schneeberg).
Das gewählte Thema, dies war von vornherein klar, ist in seiner Gesamtheit
kaum zu überblicken. Das erklärt auch, weshalb kein Referent eine Überblicksdar
stellung zu den Liedern des 20. Jahrhunderts versuchte, reflektieren diese doch in
kaum übersehbarer Vielfalt die wechselvolle Geschichte mit ihren alltäglichen und
ungewöhnlichen Ereignissen, rasanten sozialen Veränderungen, ideologischen Prä
gungen, politischen Umbrüchen, technischen Entwicklungen und zunehmenden
tnterkulturellen Einflüssen. Folglich wandten sich in Erlbach die insgesamt 17
Referenten mehr oder weniger in sich abgegrenzten Liedgenres oder musikkulturel
len Erscheinungen zu.
Mit seinem Beitrag „Kinderlied und Kindersingen im 20. Jahrhundert - ein
Spiegel ihrer Zeit. Anmerkungen an ausgewählten Beispielen“ wies Günther Noll
(Köln) auf den starken Wandlungsprozess gerade dieses Genres hin und machte
deutlich, dass auch das Kinderlied einst, zum Beispiel als Teil der militaristischen
Erziehungsdoktrin der Kaiserzeit, und auch später stark instrumentalisiert worden
ls fi er exemplifizierte dies unter anderem am Beispiel des Liedes von den „Zehn
kleinen Negerlein“.
In unmittelbar gesellschaftspolitischem Kontext entstand auch das „Moorsol
datenlied“, dessen Geschichte und Fortleben Guido Fackler (Würzburg) darstellte,
^obei er auch auf die Arbeit des Dokumentationszentrums Papenburg aufmerk-
Sa m machte.
Die Referentin des Beitrages „Der ‘Egerländer Marsch’ - Zur Instrumentalisie-
r ung und Politisierung von Volksmusik“, Elisabeth Fendi (Freiburg i. Br.), machte
deutlich, dass der genannte Prozess noch keineswegs abgeschlossen ist. Nach dem
Klissbrauch in der NS-Zeit nahmen sich die Heimatvertriebenenverbände des Lie
des als Symbol für die „Rückgewinnung der Heimat“ an. Ein ausgesprochenes
Textverbot wurde in der BRD nie durchgesetzt, und heute befinde sich das Stück
au f der Internetseite der Rechtsextremen.
Helga Thiel (W ien) berichtete in ihrem Beitrag „Das 20. Jahrhundert in Liedern
Reflexionen aus Feldforschungen in Österreich“, dass beispielsweise neben tradi-