BAESSLER-ARCHIV
BEITRÄGE ZUR VÖLKERKUNDE
Herausgegeben im Aufträge des
Museums für Völkerkunde Berlin
Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz
von
K. KRIEGER UND G. KOCH
NEUE FOLGE BAND XXX (1982)
(LY. BAND)
Heft 1
m
Ausgegeben am 19. August 1983
T8 f 45
BERLIN 1982 • VERLAG VON DIETRICH REIMER
INHALT
Frank Bliss, Bonn
Das Kunsthandwerk der Oase Siwa (Ägypten) ........................ 1
Hans Ruppert, München
Zur Verbreitung und Herkunft von Türkis und Sodalith in präkolumbischen
Kulturen der Kordilleren............................................... 69
Barbara Braun, New York
The Serpent at Cotzumalhuapa........................................... 125
Karen Olsen Bruhns, San Francisco
A View from the Bridge: Intermediate Area Sculpture in Thematic Perspective 147
Elizabeth P. Benson, Bethesda
The Well-Dressed Captives: Some Observations on Moche Iconography........... 181
„Baessler-Archiv“ Band XXX erscheint 1982 in 2 Heften zum Bandpreis von
DM 124,—. Bestellungen sind zu richten an den Verlag DIETRICH REIMER, Unter
den Eichen 57, 1000 Berlin 45, oder an jede Buchhandlung. Manuskripte werden
erbeten an: Redaktion des „Baessler-Archiv“, Museum für Völkerkunde, Arnim-
allee 23/27, 1000 Berlin 33. Für unverlangt eingehende Beiträge kann keine Haftung
übernommen werden. Die Mitarbeiter erhalten unberechnet 30 Sonderdrucke.
Für den Inhalt ihrer Beiträge sind die Autoren allein
verantwortlich
ISSN 0005-3856
Alle Rechte Vorbehalten
Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
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DAS KUNSTHANDWERK DER OASE SI WA
(ÄGYPTEN)
FRANK BLISS, Bonn
Siwa, in der Literatur auch bekannt als die Orakelstätte des Jupiter Amun,
liegt 300 km südlich von Marsa Matruh in der Westlichen Wüste Ägyptens
nahe der Grenze zum Nachbarstaat Libyen. Ein Hauptort, drei Dörfer und
einige kleinere Weiler liegen innerhalb einer Depression, die an ihrer tiefsten
Stelle unter den Meerespiegel reicht. Die rund 7000 Menschen in dieser Oase
leben heute vom Ertrag ihrer 200 000 Dattelpalmen und rund 50 000 Oliven-
bäume. Daneben spielt in zunehmendem Maße ein lokaler Handel für die Ein-
kommenschaffung eine wichtige Rolle.
Die Bevölkerung Siwas bildet hinsichtlich ihrer berberischen Herkunft im
ägyptischen Staatsverband eine ethnische Exklave, deren traditionelle Be-
ziehungen nach Westen, d. h. nach Libyen und in die Maghrib-Staaten rei-
chen. In römischer Zeit muß Siwa seine Blüteperiode gehabt haben, wie zahl-
reiche Ruinen und Zehntausende von Grabkammern aus dieser Periode be-
weisen. Nach einem Niedergang in frühislamischer Zeit entwickelte sich die
Oase zu einem bedeutenden Handelsort, der im 18. und 19. Jahrhundert bis
zu 50 000 Kamele im Jahr sah, die im Besitz von Arabern des Aüläd-'AlI-
Volkes Datteln von Siwa in die Cyrenaica, nach Alexandria und bis nach
Oberägypten brachten.
Aus dieser Zeit stammen die ersten schriftlichen Quellen aus der Feder euro-
päischer Reisender, die wie Friedrich Hornemann, Browne oder Bayle St.
John schon früh auf die Beziehungen der Oase zu den Berbervölkern Marok-
kos hinwiesen und Parallelen in Sprache oder materieller Kultur andeuteten.
Als Vorarbeit für einen möglichen Vergleich der materiellen Kultur und
des Kunsthandwerks zwischen Siwa und den marokkanischen Berberstämmen
seien auf den folgenden Seiten die wesentlichen Erscheinungsformen des Kunst-
handwerks dieser Oase zusammengefaßt und systematisiert. Eine möglichst
innerhalb der nächsten Jahre zu erstellende Gesamtaufnahme der materiellen
Kultur Siwas erscheint daneben notwendig, um bei dem sich gegenwärtig im-
mer schneller vollziehenden Kulturwandel in der Oase (vergl. Bliss 1981)
1 Baessler-Archiv XXX
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Bliss, Kunsthandwerk der Oase Siwa
wenigstens die wichtigsten Kulturgüter für die Wissenschaft, vor allem aber
für den ägyptischen Staat, zu retten.
Da die Landwirtschaft die Hauptquelle für den Wohlstand in Siwa dar-
stellt, waren industrielle Formen der Produktion stets wenig ausgeprägt. Bis
auf die Herstellung von Olivenöl mittels einfacher Pressen (tam‘assart),
nachdem man die Oliven in einer von Hand betriebenen Mühle (aghagh) zer-
stoßen hatte, gibt es keinerlei auf den Export ausgerichtete Handwerkszweige.
Hingegen war ein sowohl auf den Handel innerhalb der Oase als auch auf
die Substitution ausgerichtetes häusliches Handwerk entgegen verschiedenen
Berichten weit verbreitet. Obwohl der Zensus für das Jahr 1907 zwei Tex-
tilhersteller, 8 Metallbearbeiter, 12 Lebensmittelerzeuger, fünf Schreiner,
8 Steinmetze und eine Reihe anderweitig Beschäftigter angibt, schreibt noch
1968 Stein (p. 255), daß es in Siwa kein ausgeprägtes professionelles Hand-
werk gäbe. Angefangen mit Jomard (1823: 12) wird dieser Sachverhalt seit
dem letzten Jahrhundert immer wieder unterstellt, ohne daß ein Autor sich
die Mühe gemacht hätte, nach der Herkunft derjenigen Stücke zu fragen, die
ihm zwangsläufig bei seinem Aufenthalt in der Oase begegnet sein müssen, sei
es Keramik, Schmuck oder ein Bekleidungsstück.
Bei unserem ersten Besuch der Oase 1979 haben wir vertrauend auf die
Vorinformationen angenommen, daß Schmuck und vor allem die aufwendig
verzierten Gewänder der Frauen Importe aus Alexandria oder dem Niltal
seien. Erst im Frühjahr 1981 hatten wir mannigfach Gelegenheit, dieses
Fehlurteil zu korrigieren und selbst der Herstellung einiger Stücke beizuwoh-
nen. So konnten wir nachweisen, daß viele und vor allem qualitätsvolle
Stücke des silbernen Brautschmucks in Siwa von einheimischen Handwerkern
geschmiedet worden sind und noch heute die Frauen zahlreiche Sparten der
Töpferkunst oder der Seidenstickerei aufrechterhalten. Daneben sind einige
Kunstfertigkeiten heute verschwunden (Herstellung der Holzschlösser), andere
erst vor wenigen Jahrzehnten hinzugekommen (Fertigung des karrü, eines
Karrens, der auf italienische Vorbilder aus Libyen zurückzuführen ist).
Da in keiner der Ortschaften Produkte des Kunsthandwerks primär für den
Markt hergestellt werden, ist es sehr schwierig, Zentren für bestimmte Hand-
werke auszumachen. Während der Silberschmuck wohl ausschließlich im Haupt-
ort Siwa (al-madinah) angefertigt wurde, scheinen Korbwaren des täglichen
Gebrauchs in großer Stückzahl vor allem in Garah und Abü Shurüf angefer-
tigt zu werden. Ebenso ist Abü Shurüf ein Zentrum der Töpferei, wie der
Siwaner Stadtteil Sebukha. Auch die Schmiede scheinen sich auf den Haupt-
ort zu konzentrieren. Textilien werden hingegen in allen Orten der Oasen-
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
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gruppe geschneidert und mit Seide verziert. Ähnlich ist es mit der Herstellung
der Gebrauchsgeräte für die Landwirtschaft mit Ausnahme der Eisenteile.
Gar nicht nachgewiesen wurde daneben die Herkunft von verarbeiteten Le-
derstücken.
Arbeitsorganisation und Geschlechtsrollen im Handwerk
Wir gehen grundsätzlich davon aus, daß im häuslichen Kunsthandwerk
zunächst nur nach Bedarf produziert wird. Jede Familie stellte die von ihr
im Haushalt oder der Landwirtschaft benötigten Dinge selbst her, wobei ge-
wisse Vorbilder beachtet wurden. Dieses gilt insbesondere für Gegenstände,
die im Kult oder bei Festlichkeiten verwendet werden. Dekorationsmuster,
Gefäßformen und Techniken der Herstellung vererbten sich nicht nur in der
Familie, sondern waren Kulturgut der gesamten Gesellschaft von Siwa, das
sich bei einzelnen Stücken bis in die Zeit der Einwanderung aus dem Westen
zurückverfolgen lassen müßte.
Bei der Herstellung von Gebrauchsgegenständen wird ebenso wie bei der
Produktion der wenigen für den Verkauf bestimmten Stücke auf strikte Tren-
nung der Geschlechtsrollen und Altersgruppen geachtet. Auch haben die je-
weiligen Hersteller die Verfügungsgewalt über ihre Produkte, d. h. können
über den Erlös oder die Verwendung frei entscheiden. Selbst wenn Männer
im Kontakt mit Fremden Korbwaren der Frauen oder Teile des Schmuckes
verkaufen, fällt das Geld an die Frau, von der das Stück stammt. Die Frau
bestimmt den Preis bei diesem Geschäft.
Die Fertigung einzelner Handwerksprodukte erfolgt fast immer von den
zukünftigen Nutznießern bzw. von Personen ihres Geschlechts. In den Zu-
ständigkeitsbereich der Männer fällt daher die Fertigung landwirtschaftlicher
Geräte wie Eisenhacken, Palmmesser und ihrem Holzzubehör. Daneben küm-
mert sich der Mann um Geschirr und Wagen und stellt die großen Flecht-
körbe für den Transport her. Ihm obliegt der Hausbau und die Herstellung
des hölzernen Inventars, daneben der Schlafmatten und aller Stricke.
Typische Frauenarbeiten sind hingegen Töpferei und Flechterei der Haus-
haltsgegenstände, die in der Küche verwendet werden. Die für eine Hoch-
zeit benötigten Gewänder, Körbe und Tonwaren werden hingegen schon von
Mädchen vor ihrer Heirat angefertigt. Die kleinen Mädchen beginnen mit vier
oder fünf Jahren, ihrer Mutter oder älteren Schwester zuzuschauen, und
können mit weniger als zehn Jahren bereits eine beachtliche Fertigkeit er-
reicht haben. Da man in Siwa noch heute sehr jung heiratet, müssen den jun-
gen Bräuten praktisch alle Kenntnisse in Handwerk und Hausarbeit vor dem
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Bliss, Kunsthandwerk der Oase Siwa
12. oder 13. Lebensjahr vermittelt sein. Zu diesem Zeitpunkt haben viele die
Kunstfertigkeit ihrer Mütter erreicht, wenn nicht vereinzelt schon übertroffen.
Neben dem häuslichen Handwerk haben sich einige spezialisierte Berufs-
zweige etabliert, die kaum noch von Nichtfachleuten ausgeführt werden. Zu
ihnen gehören vorrangig das Schmiedehandwerk und die Holzbearbeitung.
Neben dem Schmuck, der in der Vergangenheit möglicherweise von Männern
wie von Frauen gefertigt wurde, gehören die Produkte dieser beiden Spezia-
listen auch in den Lebensbereich der Frauen. Bei neuen importierten Artikeln
hat sich selbstverständlich die Verwendung dieser Stücke im Hinblick auf die
Geschlechter vollständig gewandelt, und es gibt keinen Zusammenhang mehr
zwischen Geschlecht des Herstellers und der verwendenden Person.
Zwischen der alteingesessenen Berberbevölkerung und den seit dem letz-
ten Jahrhundert eingewanderten Aüläd-‘AlI-Nomaden, die in den westlichen
Regionen der Depression seit mehr als zwei Generationen seßhaft geworden
sind, gibt es kaum eine signifikante Arbeitsteilung. Entsprechend ihrer noch
mehr tierisch ausgerichteten Rohstoffbasis fertigen die ehemaligen Nomaden
aber Leder- und Webwaren an, Fertigkeiten, die bei den Bewohnern der Stadt
Siwa jetzt kaum noch zu beobachten sind, in der Vergangenheit jedoch all-
gemein üblich waren.
Einen Unterschied bei den Produktionsstätten von Frauen und Männern
gibt es heute noch insofern, als die Männerarbeiten seit langer Zeit in Grup-
pen ausgeübt wurden und eine Reihe von Möglichkeiten zur Kommunikation
boten. Man verwendete hierfür lukhsäs, luftige Arbeitslauben, in denen eine
Bank in U-Form gleichermaßen als Ruhestätte wie Sitzgelegenheit bei der
Arbeit Verwendung fand. Ein immer von einem Anlieger gefülltes Wasserge-
fäß in der Mitte der Laube und zahlreiche Matten auf dem Boden geben den
lukhsäs mehr den Charakter von Palaverhütten denn Arbeitsstätten.
Die Arbeit der Frauen vollzieht sich im Inneren der Häuser, und es ist
für den Fremden praktisch unmöglich, Beobachtungen vor Ort anzustellen.
Schon die kleinen Mädchen sind kaum bereit, sich fotographieren oder filmen
zu lassen, so daß unsere Informationen über die Männerarbeiten weitaus um-
fassender sind.
2. Männerarheiten (professionell und Heimarbeit)
In den Bereichen der typischen Männerarbeiten rechnen wir den Hausbau,
das Schmiedehandwerk, die Holzbearbeitung und das Gewerbe des Stein-
metz. Während man bei den Produkten der drei zuletzt genannten Hand-
werker von künstlerischer Ausgestaltung ansonsten rein funktionaler Gegen-
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
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stände sprechen kann, gibt es in der Siwa-Architektur kaum eine Beifügung,
die sich unter den Kunstbegriff subsumieren ließe. Dennoch erscheint gerade
die Gestaltung der Bauwerke auf schwierigem Territorium, der Umgang mit
dem spärlichen Material und die außergewöhnliche Formgebung der Wohn-
bauten des alten Shäll als ein Ausdruck hohen technischen wie künstlerischen
Könnens. Die Behandlung im Rahmen einer Schrift über das Kunsthandwerk
muß gerade für die rapide verfallende Architektur des mittelalterlichen Siwa
ein Anreiz sein, sich künftig intensiver mit diesem Thema auseinanderzusetzen.
2.1. Der Hausbau
Wir wissen so gut wie nichts über die Stellung der Handwerker im Siwa
des Mittelalters und der frühen Neuzeit. Wenn wir heute davon ausgehen,
daß es kaum einen reinen Bauarbeiter, Architekten oder Zimmermann gibt,
sondern diese Berufe als Nebentätigkeit wahrgenommen werden, so können
die Verhältnisse früher kaum anders gewesen sein. Im Siwa-Manuskript
lesen wir von der Krieger- und Landarbeiterkaste der zaggälah, jungen Män-
nern, die während der ersten Jahrzehnte ihres Lebens außerhalb der Stadt
in den Gärten wohnten, dort auf den Palmen und in den Gärten ihrer reiche-
ren Patrons arbeiteten und im Ernstfall für die Sicherheit der Stadt verant-
wortlich waren. Da sie nur zu bestimmten Zeiten in die Stadt gehen und auch
nicht angesichts der dort arbeitenden Frauen die flachen Dächer der Stadt-
bauten betreten durften, wird es kaum Handwerker neben den Bürgern von
Shäll gegeben haben. Wie im Bereich des Handels, des Gerichtswesens oder der
Landwirtschaftsplanung gab es aber mit Sicherheit erfahrene Männer, die
ihr Wissen der Gemeinschaft Weitergaben und möglicherweise gegen gewisse
Geschenke oder Abgaben selbst beim Bau eines neuen Hauses Hand anlegten.
Ähnlich sieht es noch heute in der Stadt aus. Während sich einige Männer
hauptberuflich auf die Herstellung von Wohnmöbeln, Fenstern und Türen
verlegt haben, kommen die einfachen Bauarbeiter aus der Schicht der aus-
wärtigen Tagelöhner, die von sachkundigen Siwanern angeleitet werden. Als
erfahren gilt, wer selbst schon einmal ein Haus errichtet hat oder dessen
Vater als sachkundig gilt, wobei der Sohn wenig zu tun braucht, um die Stel-
lung des Vaters zu übernehmen. Gleiches gilt uneingeschränkt für die Land-
wirtschaft oder den Brunnenbau.
Die Architektur Siwas wurde im Mittelalter beeinflußt durch die Notwen-
digkeit der Verteidigung gegen Angriffe aus dem heutigen Libyen. So gab es
noch bis zu Anfang des letzten Jahrhunderts ein Gesetz, erlassen von magliz
al-agüäd, einer Versammlung der angesehensten Männer der Stadt, das allen
Bürgern untersagte, ihre Häuser außerhalb der geschlossenen Ansiedlung des
östlichen der beiden Zwillingshügel von Siwa, genannt shäll ghädl, zu er-
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Bliss, Kunsthandwerk der Oase Siwa
richten. Die sozialen Folgen waren ebenso katastrophal wie die hygienischen
oder wirtschaftlichen. So war es nicht nur die durch eine Angliederung Siwas
an Ägypten gestiegene Sicherheit, die den Rat zur Aufhebung des Gesetzes
bewog, sondern auch eine verbesserte Speichermöglichkeit und ein schnellerer
Zugang zu den Häusern. Auch weiterhin in gesetzlichen Bahnen mit Mindest-
vorschriften über die Höhe der Häuser und die Breite der Gassen vollzog sich
ab etwa 1820 der Aufbau des neuen Siwa unterhalb des alten Burghügels. Zu-
erst verließen die Shalkhs die alte Stadt, später angesichts der Verlagerung
des sozialen Lebens praktisch alle Familien, die es sich leisten konnten. Seit
1880 erfahren wir, daß die Bewohner die Altstadt kaum noch reparierten
und für die Erhaltung der Bausubstanz sorgten. Regenfälle, die angesichts der
Verwendung von Salz im Baumaterial von verheerender Wirkung waren,
ließen die Stadt bis 1944 so stark verfallen, daß die Regierung die Bewohner
umsiedelte und den Zugang sperren ließ. Seitdem verfällt die Altstadt weiter
und bietet in den meisten Bereichen derzeit dem Archäologen mehr Arbeit als
dem Völkerkundler. Immerhin lassen sich in den westlich gelegenen Fläusern,
S /1NA 1-100 Altes Stadthaus
‘adrar- Hügel
E Stall
F Mauer
G Anliegender Fels
H mit 2 Etagen überbaut
J mit 1 Etage überbaut
Fig. 1. Altes Stadthaus vom Wnzr-Hügel (West-Siwa). Vgl. Abb. 1. Bliss 1981
vermessen.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
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die als letzte verlassen wurden, eine Reihe von Rückschlüssen über Architek-
tur, Inventar und Lebensweise der Bewohner rekonstruieren.
Nach den seit Ende des 18. Jahrhunderts vorliegenden Beschreibungen und
Vergleichen mit der noch besser erhaltenen Nachbargemeinde AghörmI müs-
sen wir uns das alte Shäll vorstellen als ein Konglomerat von bis zu acht-
stöckigen Wohnbauten, die ineinander übergingen, die Gassen überragten und
zu Tunneln veränderten. Die Enge des Hügels ließ Anbauten oder Neubauten
nicht mehr zu, so daß für neu verheiratete Söhne einfach aufgestockt wurde.
Angesichts der Bedrohung von außen wurde zunächst nur ein Tor in die
nach der Außenseite gekehrten, einer Burgmauer vergleichbaren Fundament-
mauern der Häuser eingelassen. Als später die Bedrohung nachließ, brach man
weitere Tore in die Mauern, bis schließlich 10 Zugänge den Eintritt nach
Siwa beträchtlich erleichterten. Zunächst waren die Tore mit bestimmten Funk-
tionen verbunden, d. h. durch eines durften nur die Frauen zum Waschen der
Gewänder gehen, ein anderes stand Fremden offen, und ein drittes Tor diente
den Ratsversammlungen des magliz al-agüäd, der auf zwei Lehmbänken
zu tagen pflegte. Die Torbauten waren wie die Häuser rein funktional ohne
heute erkennbare Dekoration errichtet. In ihrer Anlage setzten sie jedoch
präzise Kenntnisse im Umgang mit den Baumaterialien voraus: karshlj, ein
Gemisch aus Lehm und der Salzkruste, die sich an den tiefsten Stellen der De-
pression bildete; der Stamm und die Wedel der Dattelpalme und das Holz
des Olivenbaumes, das angesichts seiner größeren Härte gerne für die Über-
spannung größerer Räume verwendet wurde. Man machte sich bei der Bear-
beitung der Stämme kaum Mühe, sondern verwendete rohe Halbstämme, die
hochkant zum besseren Auffangen des Druckes eingesetzt wurden und nach
außen hin bis zu einem Meter aus der Wand vorkragten. Umso größere Be-
wunderung verdient das Gesamtkonzept bei der Anlage eines mehrstöckigen
Hauses, bei dem Treppen eingebaut werden mußten und Nachbarbauten in
die Planung einwirken. Das Endergebnis, das spätmittelalterliche Siwa,
wirkte auf Preisende wie eine Burg, die gewisse Ähnlichkeit mit den Pueblos
der südlichen USA hatte. Nach dem Siwa-Manuskript bestand die Möglich-
keit, auf den Dächern der Häuser von einer Seite der Stadt zur anderen zu
gehen, ohne ein einziges Mal eine Gasse betreten zu haben. Aus diesem Grund
galt es für Männer als äußerst unschicklich, diesen Bereich der Frauen zu be-
treten. Man verhängte im Extremfall sehr harte Strafen.
Das Erscheinungsbild der späteren Wohnbauten, etwa des 18. Jahrhunderts,
läßt sich angesichts einiger erhaltener Bauten noch gut vermitteln. Abb. 1 zeigt
ein vierstöckiges Haus im Stadium des Verfalls. Die Bauten rechts zählen eine
Etage mehr, wobei man unten Gewölbe bzw. Kammern des anliegenden Fel-
Bliss, Kunsthandwerk der Oase Siwa
sens ausnutzte. Diese kleinen Räume dienten als Stallungen der Wohnung für
arme Leute, die für ihre ganze Familie früher ein einziges kleines Zimmer von
10 m2 zur Verfügung hatten. Die Grundmauern sind rund einen Meter stark
und verjüngen sich nach oben hin bis zu knapp 20 cm. Man errichtete die
Wände durch die Auffüllung mit gestampftem karshif, den man in eine Holz-
verschalung goß. Wenn die Mauer trocken war, begann man mit der nächsten
Schicht. Für die paßgerechte Einfügung der Balken verwendete man auch
Lehmbrocken, die mit gestampftem karshif vermörtelt wurden. Zwischen-
decken bestanden aus tinqantart, den Palmhalbbalken, über die man quer
’ikhshihin, kleinere Äste oder Palmrippen legte. Dann wurden die Hölzer
mit einer Schicht Palmblätter abgedeckt und rund 10 cm hoch mit karshif
bedeckt. Die gleiche Vorgehensweise pflegte man bei allen Stockwerken an-
zuwenden, wobei von vornherein die unteren Etagen auf die späteren Über-
bauten ausgerichtet, also besonders tragfähig gebaut wurden. Auf den
Dächern errichtete man analog den Zwischenwänden und den Außenmauern
der Häuser Umzäunungen, ebenfalls aus karshif oder einfach hochgezogenen
Palmwedeln, die bestimmte Arbeitsflächen der Frauen von der Außenwelt ab-
schirmten. Daneben müssen aber große Flächen frei von Umzäunungen ge-
wesen sein, da sonst die Frauen nicht mühelos von einem Haus zum anderen
gelangt sein können.
Palmholz und karshif wurden in der Vergangenheit auch für alle festen
Inventarstücke wie die Lehmbänke (timustuht) oder Tür- und Fenster-
stürze (‘artan) und die Herstellung von Fensterläden und Haustüren ver-
wandt.
Die Holzteile waren wie die Fassaden stets schlicht und rein funktional. De-
korative Elemente, wie sie in den anderen Oasen, besonders in Dakhla Vor-
kommen, fehlen in Siwa ganz. Auch Fenster gab es nach der Außenseite nur
als kleine Mauerdurchbrüche, die von Läden verschlossen wurden. Die An-
ordnung dieser Fenster zu Dreiergruppen stellt die einzige Auflockerung der
Wand dar. Erst in späterer Zeit kamen größere Fenster hinzu, die aber nie
in die unteren Stockwerke reichten.
Selbst einfache Verzierungen wie ein regelmäßiger flächendeckender Kalk-
anstrich kamen nur an den Häusern von Shaikhs vor. Heute hat sich diese
Sitte etwas gelockert, obwohl nur die wenigsten Haushaltsvorstände für die-
sen unnötigen Luxus aufgeschlossen sind. Dennoch stellen die massigen Ge-
bäude mit ihren runden Wänden und vielfach imposanten Stützmauern
(Abb. 2) eindrucksvolle Merkmale einer angepaßten Technologie dar.
2.2 Das Schmiedehandwerk
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
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Drei in Siwa ansässige Schmiede stellen heute mit einfacher Technik vor
allem landwirtschaftliches Gerät her. Angepaßt an den Trend der Zeit hat
sich ein Handwerker auf Kraftfahrzeuge spezialisiert, an denen er einfache
Reparaturen selbst vornehmen kann. Ein Schweißgerät ändert dabei die tra-
ditionell von den anderen Schmieden weiterbenutzte Methode über den Blase-
balg schlagartig. Die beiden anderen Schmiede verwenden in der Regel für
die drei typischen Eisenwaren wie Hacke, Palmmesser und Dolch Alteisen, das
nicht mehr betriebsfähigen Autos entnommen wird. Sehr beliebt sind wie bei
den Sahara-Schmieden Achsfedern von Lastkraftwagen.
Das Palmmesser (’amgir) wird von einem Schmied in zwei Tagen hergestellt.
Ausgangsmaterial ist ein Stück Bandeisen, das zuvor aus anderen Reststük-
ken geformt wird. Zunächst wird das Stück verbreitert und das vordere
Ende abgerundet und etwas zurückgebogen (Abb. 3). Erst dann wird der
Rohling auf die spätere Breite gehämmert, was bei der schwachen Hitze der
Holzkohlenglut ständiger Erhitzungen bedarf und rund einen Tag dauert.
Ist das Blatt fertig, wird das andere Ende gestielt. Die Zähnung und End-
schärfung erfolgt erst dann, wenn das Gerät einen Käufer gefunden hat.
Nach der Endbereitung der Klinge wird der camgir mittels eines Eisenringes
(takhlaqt) an einem ebenfalls vom Schmied geschnitzten Holzstiel von 50
bis 80 cm Länge befestigt (füs n- amgir). Mit dem zwischen 20 und 30 cm
langen Blatt ist das Palmmesser 70 bis HO cm lang und kostet je nach
Qualität zwischen 8 und 12 LE, ein für den einfachen Bauern unerhört teurer
Preis. Nach Angaben der Siwaner, die das Mißverhältnis von aufgewendeter
Arbeit zum Verkaufspreis ebenso wie wir empfanden, resultiert der Preis
aus der Monopolstellung der Schmiede, die eine Preisabsprache getroffen
hätten.
Die Hauptbeschäftigung der Schmiede besteht auch angesichts der hohen
Investitionskosten für ein ‘'amgir vorwiegend in der Nachschärfung und Re-
paratur funktionsuntüchtig gewordener Palmmesser. Erst an dritter und vierter
Stelle rangiert die Produktion von Hacken und Messern.
Die Hacke {tarn) ist das wichtigste Instrument für den Bodenbau in Siwa.
Die Länge des Blattes ohne Krümmung (Abb. 4) beträgt ca. 25 cm, die
Breite des Blattes kurz vor der Schneide ebensoviel, wobei das Griffende des
Holzstieles (füs-n-t-tärh) nur wenig über 30 cm von der Schneide entfernt
ist. Einige beobachtete Hacken wogen zwischen 5 und 15 kg und kosteten mei-
stens über 20 LE. Das Gewicht der Geräte ergibt sich aus den schweren Böden
der Oase, die aufzulockern gewaltige Kraftanstrengungen erfordert. Warum
aber der Stiel nicht einmal fünfzig Zentimeter lang zu sein pflegt und die
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Bliss, Kunsthandwerk der Oase Siwa
Krümmung des Blattes stets so stark ist, daß sie die Bauern sogar bei der
Arbeit behindert, vermochte niemand zu erklären.
Von nachrangiger Bedeutung ist das Messer {tkhusit), das in kaum einem
Haushalt fehlt, aber immer mehr in der Funktion von moderneren euro-
päischen Modellen verdrängt wird. Früher wurde es vor allem im Handwerk
(Flechten) eingesetzt, heute ist es ein Relikt, das man einfach noch kauft, weil
es eben zum Haushalt schon der Eltern gehörte.
Der Schmied verwendet fast immer für die Klinge (tkhusit) eine alte
Feile, die die Länge bestimmt. Der Steg in der Mitte der zweischneidigen
Klinge zeigt daher auch noch häufig Spuren der alten Reibfläche. Die Länge
von drei aufgenommenen Exemplaren beträgt rund 19 cm für die Klinge
und 17 cm für den spitz zulaufenden Stiel (Abb. 5). Alle Stücke sind wie der
’amgir zungengeschäftet und mit einem Ring (takhlaqt) befestigt. Früher,
so berichtete einer der Schmiede, benutzten die zaggälah dieses Messer als
Waffe.
Im Gegensatz zu dem dekorationslosen Stiel des Palmmessers werden
beim tkhusit die Stiele (füs n-tkhusit) immer durch Ritzungen verziert.
Kreuzmuster und umlaufende Rillen in Schnitz- oder Einbrenntechnik sind
dabei die Regel. Da die Stücke bis zur völligen Funktionsuntüchtigkeit be-
nutzt werden (vgl. Abb. 5), konnten wir nur noch wenige Motive erkennen
(z. B. Fig. 2).
Eine weitere traditionelle Aufgabe der Schmiede war die Herstellung der
Holzschlösser, die wir im Zusammenhang mit der Holzbearbeitung bespre-
chen wollen.
2.3. Die Holzbearbeitung
Gemeinschaftsarbeit von Schmied und Schreiner erfordert das wichtigste
Transportmittel der Oase, der von einem Esel gezogene karrü, im Arabischen
karrusa genannt. War früher allein der Esel für den Transport innerhalb der
Oase bekannt, so konnte durch die Einführung von Gummireifen durch die
Italiener im benachbarten Libyen endlich ein Gefährt gebaut werden, das den
Anforderungen der Landschaft entsprach, zugleich aber den Transport ver-
Fig. 2. tkhusit, zungengeschäftetes Messer für Haushalt und
Landwirtschaft. Quelle: Bliss (Sammlung).
11
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
einfachte. Bislang war ein Karren mit schmalen Holzreifen in der verschiedent-
lich von Salzsumpf und Sanddünen durchzogenen Landschaft kaum einsetz-
bar, was sich angesichts der sehr viel breiteren Hohlreifen änderte. Eine
ebenso wichtige Voraussetzung für die Einführung des karrü war der voran-
geschrittene Neubau von Gehöften unterhalb des von Wagen nicht er-
reichbaren Stadthügels. Seit etwa 1930 haben alle Häuser bequeme Zugangs-
möglichkeiten mit Speichern in der untersten Etage. Bei einer Geschwindig-
keit von knapp zehn Kilometern in der Stunde können mit diesem Karren
rund acht Körbe mit Datteln zu jeder Stelle der Oase transportiert werden.
Die Endfertigung des Gefährtes obliegt dem Schmied, nachdem sich dieser
die Holzteile von einem Schreiner besorgt hat. Geschirr und Lederzubehör für
den Zugsattel werden nach dem Verkauf vom neuen Besitzer in einem
Laden des süq von Siwa gekauft.
Die Grundkonstruktion des karrü ist äußerst einfach (Abb. 6): die Last-
plattform besteht aus Brettern von zusammen knapp zwei Metern Länge und
1,50 m Breite, die mittels dreier Vierkanthölzer verbunden sind. Unter dem
mittleren Holz befindet sich die nicht gefederte Achse, die lediglich mit zwei
V-förmigen Eisenstäben abgestützt wird (Siwi: Ladefläche = is-sägit, Achse
dungil, Verstrebungen zur Abstützung der Achse = Umgas). Zur Ab-
sicherung der Ladung ist an allen vier Seiten der Ladefläche jeweils eine
Doppelhalterung (timüsunn) vorgesehen, in die Bretter mittels einer Steck-
vorrichtung eingelassen werden können (Seitenbretter mit Steckvorrichtung
hihän). In vorderer Richtung ist dabei eine kleine Sitzfläche für den Esel-
treiber vorgesehen (larlsh). Die Deichsel (laruq) dient als Stütze der gesam-
ten Ladefläche und wird an den Längsseiten bis zum hinteren Ende des
Karren geführt. Nach vorne ragen die beiden freien Enden kaum mehr als
einen Meter hervor, um dem Esel möglichst wenig Freiheit zu lassen. Am
Sattel (lukaj) befestigt man die Deichsel mit einem Paar Haken (it-tshingll),
die rechts und links des Sattels ihren Gegenpart in Form von zwei Ösen
(halaqt) haben. Der Sattel selbst wird dem Esel mittels eines Bauchgurtes (il-
hlh), den man aus alten Autoreifen herstellt, um den Bauch geschnallt.
Ist das Gefährt beladen, sichert man die Ladung mit über die Seitenbretter
gespannten Seilen (täsimat) ab. Die Räder (ta‘agilt) des karrü sind meistens
sehr abgenutzte PKW-Räder, die mittels einer angeschweißten Stange in ein-
fachen Löchern der Achse gelagert sind.
Bei einer älteren Form des Wagens besteht die ganze Achse bis auf die
Lagerstange aus Holz, das mittels mehrerer übereinandergeschraubter Vier-
kanthölzer mit der Ladeplattform verbunden ist. Diese Wagen wirken sehr
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Bliss, Kunsthandwerk der Oase Siwa
klobig, sind auch kaum billiger als die leichteren Produkte des Schmiedes, der
für alle Arbeitsvorgänge sein Material ausgeschlachteten Autos entnimmt.
Ein besonderer Kostenfaktor entsteht durch die teuren Hölzer. Um gerade
hier einsparen zu können, ist man dazu übergegangen, die Ladeplattform statt
aus Brettern aus einer aufgeschnittenen Blechtonne herzustellen.
Fig. 3. al-artän und ’ud, gelochte Palm-
rippen und kleine Holzstöckchen als
Grundmaterial für Stühle und Kisten.
Quelle: eigene Zeichnung des Verf.
Ein durchschnittlicher Karren kostet über 100 LE, ein Betrag, der inzwi-
schen schon von jedem mittleren Bauern aufgebracht werden kann. Die
Arbeit dauert rund eine Woche, wobei der Schreiner kaum länger als einen
halben Tag beschäftigt ist. Sein Arbeitsanteil geht angesichts der beschriebenen
Materialveränderung auch immer mehr zurück.
Die Herstellung von Stühlen, Tischen und Käfigen (Abb. 5) aus Palm-
rippen soll in Siwa erst in diesem Jahrhundert eingeführt worden sein, könnte
aber angesichts ihrer Parallelen in Tunesien und Marokko bereits sehr viel
länger in der Oase existieren. Zur Zeit wird das Handwerk von einem Lehrer
(in Siwa gebürtig) in Nebenerwerbsarbeit betrieben.
Das einfachste Stück ist ein Käfig mit Falltür für Geflügel namens luqfus
n-titiwin, der aus Palmrippen innerhalb eines Tages hergestellt werden kann.
Tische und Stühle haben keinen Namen in der Ortssprache, weswegen sie
durchaus später als 1900 eingeführt worden sein können. Der Stuhl (arah.
kursi) besteht aus Rückenlehne (näsnad narrän), Sitzfläche (qadit), zwei Arm-
lehnen (gimh) und vier Beinen (tishka), die mittels zahlreicher Abstützungen
gesichert sind. Abb. 7 zeigt den Handwerker bei den Vorarbeiten für einen
derartigen Stuhl. Zunächst werden mit recht modernen Geräten (Haumesser
mit Handhabe = satür, Körner = as-sumhuk, Schläger = al-madrah, Hohl-
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
13
meißel — masüra) Palmrippen {’iznud) zurechtgeschnitten und zu Trägern
(,al-artän) bzw. kleinen Stöckchen (arab cud) verarbeitet, al-artän entstehen,
indem der Handwerker mittels des Hohlmeißels kleine Löcher in die Palm-
rippe schlägt, in die später die kleinen Verbindungsstöckchen gesteckt werden
Die Kunst dabei ist, den ganzen Stuhl so paßgerecht vorzubereiten, daß spä-
ter die ganze Konstruktion ohne Verwendung von Nägeln oder Leim hält
(Fig. 3). Biegungen lassen sich in den spröden Palmrippen durch längeres Klop-
fen und anschließende Einkerbung mittels kleiner Schnitte vornehmen (Fig. 4).
Die Kosten eines Stuhles richten sich nach der aufgewendeten Arbeit und dem
verwendeten Material. Eine Palmrippe kostet in der Regel 5 Piaster, die
Arbeit für einen Tag 4 LE, was Kosten von 2 LE für einen großen Korb
(Käfig) und 3—4 LE für einen Tisch oder Stuhl ergibt. Im Gegensatz zu 1979
ist die Verbreitung der auf diese Weise gefertigten Möbelstücke stark zurück-
gegangen. Ein Bett aus Palmrippen wurde nicht mehr beobachtet und nach
Angaben des Handwerkers seit mehreren Jahren nicht mehr angefordert.
Bessere Konjunktur haben die modernen Möbelschreiner, die auch Fenster
und Türen von Neubauten hersteilen. Das Material wird aus Alexandria mit
dem Lastkraftwagen in die Oase transportiert. Der Schreiner stellt nur die
Holzteile her und überläßt die Beifügung von Riegeln, Schlössern etc. dem
Käufer selbst, der die Eisenteile entweder beim Schmied bestellt oder während
einer Handelsfahrt aus den größeren Städten mitbringt.
Die Produkte dieses recht modernen Handwerks unterscheiden sich kaum
von den sonst in Ägypten üblichen. Man benutzt die kleinen runden Eßtische,
lange Ruhebänke mit oder ohne Lehnen und zunehmend höhere Tische, für
die man sich Stühle aus Kairo oder Alexandria mitbringen läßt.
Tradition haben in Siwa jedoch die Herstellung von Fensterläden und
Türen aus dem Holz der Dattelpalme sowie die Fertigung des Holzschlosses,
das sich an allen Häusern, die vor mehr als zwanzig Jahren errichtet wurden,
beobachten läßt. Der Fensterladen ist wenigstens seit dem 19. Jahrhundert
bekannt und bei der Anlage der Fenster in Blickhöhe sitzender Männer eine
Fig. 5. Palmrippenkiste.
14
Bliss, Kunsthandwerk der Oase Siwa
Notwendigkeit. Meistens sind die Empfangszimmer der reicheren Leute mit
viergeteilten Fenstern versehen, die einzeln mit einem Laden verschlossen
werden können. Die unteren beiden Läden werden offen gehalten, wenn zum
Beispiel eine Gruppe beim Gespräch die Vorgänge auf der Straße beobachten
will. Werden sie geschlossen, kann der Raum durch die beiden oberen noch ge-
nügend Luft erhalten, ohne daß die sich hier aufhaltenden Menschen von
draußen gesehen werden können. Bis auf einen Farbanstrich in einigen Fällen
sind die früher mittels Zapfen und Löchern gelagerten Fensterläden ohne
Verzierung. Anders einige Türen. Diese werden nach dem gleichen Prinzip
hergestellt wie die Läden, d. h. durch nebeneinander auf zwei bis drei Balken
früher verzapfte, heute genagelte Querbretter. Die Angeln bestanden aus der
Verlängerung der äußersten Längsbretter durch einen dicken Stift, die Fas-
sungen aus einem mit Steinen abgestützten Loch in der Schwelle und im Sturz
(’artän). Einige Türen wurden mit Eisenbeschlägen versehen, die teils als
vierzackiger Stern, als Halbmond oder als menschenähnliche Figur auftreten.
In einem Fall wurden je ein Paar Sterne und Halbmonde rechts und links im
oberen Drittel der Tür aufgenagelt. Beobachtet wurde auch ein mehrzackiger
Stern, der der „Spinne“ aus den Stickmustern ähnlich sieht. Alle Motive bis
auf die Figur wurden sowohl in den westlichen wie östlichen Wohngebieten
beobachtet, können also kaum etwas mit den Sekten zu tun haben, da im
Westen die madaniyya gar nicht vertreten ist. Seitens der Siwaner ließ sich
die Bedeutung der Beschläge nicht ermitteln. Auszuschließen ist, daß es sich
bei ihnen allein um Klopfflächen für Besucher handelt, da sie viel zu hoch
angebracht sind und ein einziges Stück in diesem Fall ausreichen würde. Da-
neben fehlen sie bei den meisten Häusern.
Das schönste Holzprodukt des Oasenhandwerks und zugleich eines der
unverständlichsten ist das Sicherheitsschloß aus Holz (it-tabit), das in ähn-
licher Form im gesamten Sahararaum vorkommt. Unverständlich erscheint die
überall Vorgefundene Verwendung des Schlosses schon daher, als man in Siwa
seit Menschengedenken Diebstahl nicht kennt und von daher eine Sicherung
des Eigentums durch ein Schloß dieser Konstruktion nicht benötigt, zum
anderen ein Bewohner der Stadt uns zeigte, wie man das „Sicherheitsschloß“
innerhalb einer halben Minute auch ohne Schlüssel öffnen kann. Wir ver-
muten in der Existenz der Schlösser ein Eigentumssymbol, das den privaten
Bereich von öffentlichen Einrichtungen unterscheidet. Eine andere Vermutung
ist, daß die Schlösser wenigstens seit dem Mittelalter in Gebrauch sind — und
* Die Bevölkerung Slwas teilte sich früher in eine westliche und eine östliche Fraktion,
die Jahrhunderte miteinander im Kriegszustand lebten.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
15
IF
Fig. 6. Riegel für Innenseite der Tür.
1. ’ashtüt, 2. id-dra‘, 3. siqäta (arab.).
Nach Bliss (Sammlung).
zu dieser Zeit waren die Verhältnisse in der Oase noch ein wenig turbulenter,
vor allem, wenn man an den Streit der Fraktionen"' denkt.
Das Holzschloß gibt es in zwei Ausführungen: als Riegel von innen ohne
Schlüssel und Absperrung und als Sicherheitsriegel an der Außenseite der Tür
(tlmutast oder it-tahit nuglah). Die erste Form besteht aus dem Riegel und
einem Führungskrampen (Abb. 8, Fig. 6). Der Krampen wird mit zwei
Nägeln (Produkt des örtlichen Schmiedes) an der Innenseite der Tür befestigt,
wobei die Enden umgeschlagen werden. Um von der Außenseite durch
ein Rütteln der Tür oder mit Hilfe eines Stückchens den Riegel nicht zurück-
Fig. 7. timutast oder it-tahit nuglah, Holz-
sicherheitsschloß aus West-Siwa (’adrar-
Hügel). Nach Bliss (Sammlung).
16
Bliss, Kunsthandwerk der Oase Siwa
1 n n n \
1 1 1 —
^^
Fig. 8. timutast mit gerader Schlüsselführung. Nach Bliss (Sammlung).
schieben zu können, wird bei einigen Exemplaren eine Einbuchtung in den
Riegel (2) gesägt und das Oberteil des Krampens (1) bis zum Führungsloch
ausgehöhlt. Mit einem oft (phallisch?) verzierten Eiolzstab (3) kann der
Riegel auf diese Weise gesichert werden.
Das Sicherheitsschloß (Abb. 9/10) besteht aus einem ähnlichen krampen-
förmigen Querholz (Fig. 7/8) und einem zwischen 20 und 40 cm langen Rie-
gel 1/2, Siwi: Riegel = id-dra(; Krampen = ’ashtüt). Der Krampen dient
der Führung und enthält die Sicherung. Diese besteht aus mehreren kleinen
Holzzapfen (3), die lose in ihren Halterungen hängen (4, Siwi; Holzzapfen =
’igil, pl. ’iglän; Halterung = trumant). Der Riegel hat an der Stelle, die in
geschlossenem Zustand unterhalb der Holzzapfen zu liegen kommt, kleine
Föcher, so daß sich Krampen und Riegel durch die Zapfen verzahnen kön-
nen. Mit Hilfe eines Holzschlüssels (5, Siwi: it-näst; Faoust 1920: 16, nennt
den westlichen Begriff: tasarut), der an seinem Ende kleine Eisen- oder Holz-
stifte genau in der Anreihung hat, wie sie durch die Zapfen im Schloß gebil-
det wird, kann man die Stifte hochdrücken und so den Riegel zurückziehen.
Da die Anordnung der Stifte ebenso wie ihre Anzahl von Schloß zu Schloß
verschieden ist, ergibt sich eine fast unbegrenzte Anzahl von Kombinationen,
die jeweils nur mit dem speziell für das Schloß angefertigten Schlüssel ange-
gangen werden können. Der Riegel ist selbstverständlich an der Schließ-
seite von hinten ausgehöhlt, um dem Schlüssel freien Zugang zu den Zapfen
zu lassen. Dieses Prinzip findet sich in einigen Fällen auch etwas abgewandelt
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
17
Fig. 9. timutast mit gebogener Schlüsselführung, in Siwa
selten. Quelle: nach Zeichnung des Verf.
in einer Form, die vorwiegend in den südlicheren Oasen Ägyptens vorkommt.
Hier ist die Höhlung nicht waagerecht von einer Seite des Riegels aus ange-
legt, sondern in einem Bogen von der Oberkante des Riegels aus (Fig. 9). Da
der Schlüssel ebenfalls dieser Biegung angepaßt sein muß, ergibt sich bei dieser
Sorte von Schlössern eine doppelte Sicherheit gegen unbefugte Öffnung.
Fig. 10. Hauptform des Ornaments auf Holzschlös-
sern in Siwa (vgl. Abb. 10). Nach Bliss (Sammlung).
2 Baessler-Archiv XXX
18
Bliss, Kunsthandwerk der Oase Siwa
Einige Schlösser haben eine eigene Konstruktion für die Holzzapfen, die
vorgefertigt wird und erst beim Verkauf in die Krampen eingelassen werden
kann. Dieses Verfahren hat den Vorteil, daß man die Stiftkombination beliebig
auswechseln kann.
Die Herstellung der Schlösser obliegt ebenso wie die Reparatur den Schmie-
den, was im Hinblick auf die anderen Oasen eine absolute Ausnahme dar-
stellt. Als Ausgangsmaterial verwendet man in der Regel das Holz der Sunt-
Akazie oder, wenn dieses wie in Siwa nicht vorhanden ist, Olivenholz, so-
fern der Kunde die Ausgaben für Importholz scheut.
Die Kosten für ein derartiges Schloß richteten sich früher nach der auf-
gewendeten Arbeit und der Größe. Die Verzierung spielte so gut wie keine
Rolle. Die gerade bei alten Stücken aufwendige Dekoration mag zeitraubend
gewesen sein, was angesichts der damaligen Arbeitssituation (zaggälah!) aber
keine Rolle spielte. Die neueren Stücke, d. h. ab Mitte dieses Jahrhunderts ge-
fertigt, sind einfacher gehalten und kaum noch beachtenswert.
Das Grundornament läßt sich für alle Schlösser des älteren Typs in zwei
Gruppen unterscheiden, die beide geometrische Formen verwenden. Die erste
Gruppe umfaßt vor allem lineare Kerbschnitte, die senkrecht oder waagerecht,
teils auch diagonal sich überkreuzend angebracht sind. In symmetrischer An-
ordnung werden daneben punktförmige Löcher einige mm tief eingebohrt.
Die andere, z. B, bei den Schlössern aus der Mitte des letzten Jahrhunderts
angewandte Methode besteht im Überziehen der ganzen Krampenoberfläche
und des beim Schließen hinteren Teils des Riegels mit rautenförmigen Ritz-
mustern, in die jeweils zentriert ein Kreis und in die Mitte des Kreises ein
Loch gebohrt wurde. An den Schnittstellen der Rauten wurde eine weitere,
oft bis zu 5 mm tiefe Bohrung von geringem Durchmesser angebracht (Lig. 10,
Abb. 10).
Während bei den neuesten Häusern moderne Schlösser verwendet werden,
nahmen die Siwaner beim Auszug aus der Altstadt die am besten erhaltenen
tahit mit, um sie an Stalltüren oder Nebeneingängen weiterzuverwenden.
Seit einigen Jahren werden sie von den Schmieden nur noch repariert. Eine
Neuanfertigung wird praktisch schon belächelt, da das tahit langsam zum
Symbol der Rückständigkeit wird. Zum Vergleich sei erwähnt, daß in Farafra
so gut wie alle Häuser und in Bahriya immer noch die meisten durch ähn-
liche Schlösser aus Holz gesichert werden.
2.4. Das Steinmetzhandwerk
Ein einziges Mal wird in der wissenschaftlichen Literatur über Siwa auf die
charakteristischen Grabstelen eingegangen, die noch heute auf den Fried-
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
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Höfen von Siwa und Aghurmi vorzufinden sind (vergl. Abd Allah 1917: 12).
Die Siwaner nennen sie ’ishahid und weisen auf ihr hohes Alter hin. Nach
ihren unterschiedlichen Formen gefragt, weiß niemand eine glaubwürdige Ant-
wort. Mit Sicherheit dienen sie nicht allein dazu, in der Vielzahl nahe beiein-
andergelegener Gräber das eines Verwandten herauszufinden. Ähnliche Grab-
steine gibt es nur noch einmal in einem kleinen Ort (Tinalda) in Dakhla, wo
Hausmodell und Miniaturen von Toren allein oder paarweise jedes Grab
0
a
d
e
e f
9
Fig. 11. Grabstelen verschiedener Regionen in Siwa ’ishahid. Nach Aufnahmen des
Verf.
20
Bliss, Kunsthandwerk der Oase Siwa
schmücken. Beide Oasen haben gemeinsam, daß sie berberisch beeinflußt sind.
Möglicherweise ergibt sich hieraus ein Anhaltspunkt für ihre Deutung und das
Verhalten der Informanten gegenüber dem Europäer. Es liegt nahe, daß die
Grabsteine etwas mit der vorislamischen Tradition der Siwaner zu tun haben,
und diesbezüglich glaubt man dem Fremden gegenüber eine rein islamische
Fassade aufbauen zu müssen. Ähnliches kam bei der Verneinung zahlreicher
Gebräuche zutage, die wir wenige Tage später selbst beobachten konnten
(Heiligenfeste etc.).
Als einfachste Form finden wir Tausende von rechteckigen Sandsteinblöcken,
die zwischen nur 20 cm und knapp einem Meter hoch sind. Diese Steine kom-
men so gut wie bei jedem Grab vor, sei es eine palmstammbedeckte Grube
oder ein ausgefülltes Schachtgrab. Auch in den Ummauerungen der Heiligen-
gräber findet sich diese einfache Grundform (Fig. 11 a). Die nächstfolgende
Form besteht aus dem gleichen Schaft, der jedoch auf dem oberen Drittel ver-
breitert wurde und eine Art von Kappe bildet (Fig. 11 b). Gerade diese Form
variiert in ihren Relationen stark. Mit ihr beginnen auch die Probleme hin-
sichtlich der Bedeutung. Sicher ist, daß auch die Sinusi derartige Steine ver-
wandt haben. Ihre Vorsteher auf dem Friedhof der sawiyya von al-Zaltün
haben fast immer einen dieser Steine auf ihrem Grab.
Eine andere, einfache Variation des Blockes erfolgt durch einen kleinen,
im Kreuzschnitt eingekerbten Würfel auf der Oberseite (Fig. 11 c). Diese Form
findet sich in Siwa, jedoch nicht in al-Zaltün und Aghürml.
Eine elaborierte Veränderung des Typs b hat im oberen Drittel anstelle
des einen Blockes zwei Vorsprünge, die den Schaft nach allen Seiten wenigstens
5 cm überragen. Die Höhe des Steines beträgt oft über 100 cm (Fig. d).
Der nächste Schritt ist die Vermehrung der Vorsprünge auf drei, wobei ent-
weder zwischen den einzelnen quadratischen Vorsprüngen gleichhohe Zwi-
schenräume gelassen wurden oder die Kanten nach unten hin zum Schaft
abgeschrägt wurden (Fig. Ile). Der aus der Erde ragende Teil der Grab-
stele kann 120 cm messen.
Eine nur einmal beobachtete Sonderform des Typs d besteht aus einem
säulenförmigen Schaft mit ebenfalls runden Vorsprüngen, wobei der oberste
nach oben hin abgerundet ist (Fig. 11 f). Die Arbeit unterscheidet sich von
den anderen durch ihre besonders sorgfältige Proportion und Technik.
Nur zweimal konnte eine andere Stele beobachtet werden, die wie
Typ a aus einem einfachen Rechteckblock besteht, jedoch nach oben hin
pyramidenförmig zugeschnitten wurde (Fig. Hg). Ähnliche Steine mag es
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
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früher in größerer Zahl gegeben haben, was sich angesichts der schnell fort-
schreitenden Verwitterung des Sandsteines aber nicht mehr nachweisen läßt.
Die letzte Form besteht aus einem Typ b vergleichbaren Schaft, wobei
die Kappe jedoch fehlt und stattdessen knapp oberhalb der Mitte eine qua-
dratische Verdickung in Form eines Kreuzes zu liegen kommt.
Die von Abd Allah gezeigten Stücke sind den von uns fotographierten zwar
ähnlich, wurden in der gezeigten Form jedoch nicht ein einziges Mal vorge-
funden. Entweder sind diese Steine inzwischen zu unförmigen Stümpfen ver-
wittert oder Abd Allah hat aus flüchtigen Eindrücken Rekonstruktionen ver-
sucht. Die zweite Annahme ist die wahrscheinlichere, da zahlreiche Elemente
seiner Abbildungen in abgeänderter Form tatsächlich Vorkommen.
Eine weitere Gruppe der Grabstelen finden wir (neben einigen schon an-
geführten) ausschließlich in den Ruinen der sawiyya von al-Zaltun. Diese
Exemplare haben anstelle der Vorsprünge, die über den Schaft hinausragen,
Einkerbungen, wodurch die Breite der abgesetzten Quadrate und Rechtecke
nicht über die des Schaftes hinausgeht (Fig. 11h, j, k). Die Einkerbung kann
glatt oder spitz herausgetrieben sein.
Nach Aussagen mehrerer Männer in Siwa kommen die hier beschriebenen
Grabsteine sowohl bei Männer- als auch bei Frauengräbern vor. Frauen haben
eine Stele am Kopfende ihres Grabes, Männer je eine am Kopf- wie am Fuß-
ende. Unterschiede hinsichtlich der Form lassen sich nicht erkennen. Da die
Grabsteine recht unregelmäßig angelegt sind, war nicht zu unterscheiden, ob
die komplexeren Formen gegebenenfalls Männern oder Frauen zuzuordnen
sind. Es spricht aber einiges dafür — sollte die Annahme der Zuordnung
unterschiedlicher Mengen von Grabstelen richtig sein — daß auf den Friedhöfen
in Sebukha und Siwa vorwiegend Frauengräber mit den aufwendigeren Stelen
versehen wurden. Im Hinblick auf die Sinusigräber in Zaitun konnte anderer-
seits bewiesen werden, daß die Grabstelen der beschriebenen Typen 11 h—k
jeweils in Verbindung mit einem anderen, einfacheren Stein auftraten.
Was die Herstellung der Grabstelen betrifft, so gibt es heute wohl noch
einen Steinmetz, der die einfachen Rechteckblöcke herrichtet, jedoch ausgehend
vom Bauhandwerkergewerbe. Einen Kunsthandwerker suchten wir vergeb-
lich.
3. Frauenarbeiten
Wir erwähnten anfangs die unterschiedlichen Arbeitsplätze von weiblichen
und männlichen Handwerkern. Dabei ist anzufügen, daß der Arbeitsteilung
auch eine Unterscheidung in der Funktion der Produkte und der Her-
22
Bliss, Kunsthandwerk der Oase Siwa
Stellungsmotivation adäquat ist. Während ein Großteil der handwerklichen
Erzeugnisse der Männer in den offenen Verkauf gelangen oder die aufge-
wandte Arbeit unmittelbar einem Auftrag folgt, gibt es nur wenige Arbeits-
prozesse im Handwerk der Frauen, die ihre Entsprechung bei den Männern
haben. Die Schneiderei ist in zunehmendem Maße eines dieser Handwerke,
das zunächst einmal für den Bedarf der Familie produziert, zum anderen aber
über die reine Nachbarschaftshilfe hinaus auch gegen Entlohnung arbeitet.
Nähmaschinen werden in einigen Familien zum Beispiel allein aus diesem
Grund angeschafft. Das Ausmaß der Arbeit für Verwandte oder Fremde ge-
gen Bezahlung nähert sich vom Volumen her jedoch weder dem Schmiede-
handwerk noch der Schreinerei.
Gleichwohl gibt es auch zwei weitere Spezialisierungen, die zwar in Siwa
unter Frauen weit verbreitet sind, jedoch nicht allein im engeren Familien-
kreis Verwendung finden: die Töpferei und die Verzierung von Kleidungs-
stücken in Form der Seidenstickerei.
3.1. Die Töpferei in Siwa
Die Herstellung von Keramikstücken jeglicher Art obliegt den Frauen
und Mädchen. Männer sind allein an der Herbeischaffung des Tons beteiligt
und spielen selbst während des Brennvorganges keine Rolle.
Wir unterscheiden zwei Formen der Töpferei, oder besser gesagt, zwei
Zwecke. Erstens gehören Tonwaren in jeden Haushalt, wo sie in der Küche,
bei der Fagerhaltung und beim Brotbacken verwendet werden. Zweitens
spielen einige Formen im Kult der Siwaner Heiligen und bei der Hochzeits-
ausstattung eine große Rolle. Gewisse Überschneidungen gibt es dort, wo
rituelle Gefäße auch im täglichen Feben in Gebrauch sind (Milch- oder Was-
serspendeschalen, Räuchergefäße, Opferschalen).
Eine erste umfassende Darstellung zur Typologisierung der Siwa-Keramik
stammt aus dem Jahre 1918 von Oric Bates, der jedoch kaum etwas über ihre
Funktion zu berichten weiß. Einige der damals aufgenommenen Formen
lassen sich heute nicht nachweisen, wohingegen bei der überwiegenden Mehr-
zahl der Stücke eine bemerkenswerte Kontinuität zu verzeichnen ist. Dieses
gilt sowohl für die Haushaltswaren wie für die im Kult verwendeten Gefäß-
formen. Aus technischen Gründen (Elektrifizierung, Einführung der Petro-
leumlampe) aufgegeben wurde allein die Gruppe der Olivenöllampen.
Oric Bates unterscheidet die Siwa-Keramik nach ihrer Herstellungsform und
dem verwendeten Material. Seine Klassen A und B (p. 299) stellen dickwan-
dige, poröse, meist braun oder rötlichbraunfarbene Gefäße dar, die nur
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
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in einigen Fällen geglättet sind. Eine eventuell aufgetragene Farbe löst sich bei
Benutzung leicht ab. Die Klasse C beinhaltet sehr viel härter gebrannte
Stücke, die eine gelbliche Farbe aufweisen und oft mit Kieselsteinen poliert
worden sind. Zahlreiche Exemplare dieses Typs seien mit roten Ornamenten
verziert. Wir können uns dieser Unterteilung weitgehend anschließen, obwohl
Bates keinerlei Hinweise auf die Funktion der unterschiedlichen Klassen vor-
legt. Inzwischen kann nachgewiesen werden, daß es sich bei den Stücken der
Klassen A und B um die von uns in einer Gruppe zusammengefaßten Haus-
haltswaren handelt, während alle Stücke der Klasse C im Kult und in der
Hochzeitszeremonie Verwendung finden. Gleichzeitig sind diese Keramiken
neueren Datums. In älteren Gräbern finden sich an ihrer Stelle vereinzelt noch
dickwandige Gefäße der zuerstgenannten Gruppe.
Bevor wir uns den verschiedenen Formen zuwenden, seien die bisher
bekannten Einzelheiten des Töpfervorgangs besprochen. Demnach wird der Ton
von den Männern am Steilabhang der Depression gebrochen und in kleinen
Stücken nach Hause gebracht. Dort werden die Brocken mit einem Schlegel
zerkleinert und gewässert. Dieser letztere Vorgang erfolgt in einem Ton-
gefäß namens caqasrl, das übrigens auch zur Teigherstellung benutzt wird. Ge-
magert wird der Ton ausschließlich mit Sand. Wenn das Material die richtige
Fig. 12. Alte Grabstelen aus Siwa und Aghurmi. Nach Abd Allah 1917: p. 12.
24
Bliss, Kunsthandwerk der Oase Siwa
Konsistenz hat, formt die Töpferin die Stücke im Treibverfahren aus einem
Klumpen. Henkel bzw. Handhaben und die Stege der Räuchergefäße wer-
den aus Wülsten aufgesetzt. Wenn das geformte Stück etwas angetrocknet
ist, wird es bei der Gruppe zwei mit einem Stein oder meistens einem Holz-
streicher poliert. Nach einigen Tagen, in denen die fertigen Stücke im Sand
des Hofes in der Sonne getrocknet wurden, werden Tonwaren gleichen Typs
in einer Mulde zusammengestellt und mit Brennmaterial (Mistfladen) umge-
ben. Die Ränder werden abgedeckt. Der anschließende Brand erfolgt bei mäßi-
ger Hitze, die die Gefäße sehr unregelmäßig erreicht. Unterschiedliche Fär-
bungen werden später durch eine Schlämmung der gebrannten Ware über-
deckt. Bei den Haushaltsgefäßen spielt dieser Beweis einer schlechteren Quali-
tät jedoch kaum eine Rolle. Nur die allerschlechtesten Stücke werden ausran-
giert, wobei ein kleiner Riß angesichts der aufwendigen Herstellung keinen
Grund für eine Aussortierung darstellt.
Die Verzierung der Ware erfolgt nach dem Brand. Ausgangsmaterial sind
rötlichbraune Erden, die es in der Depression in den westlichen Gegenden
reichlich gibt. Über die Motive werden wir später eine Zusammenfassung
geben.
Zur Typologie der Siwa-Keramik
Die Haushaltskeramik wird von uns in die Gruppen a) Koch- und Back-
einrichtungen, b) Vorratsgefäße, c) Kochgefäße oder Rührtöpfe und d) Be-
leuchtungsgeräte unterschieden (Fig. 13).
a) Dreifußvorrichtungen (’iminsl) wie Backkammer des Ofens stellen im
eigentlichen Sinne keine Tonwaren dar, da das Grundmaterial nicht infolge
eines Brennverfahrens zur Keramik wird. Die zunächst nur geformten Ein-
richtungen werden vielmehr durch zufällige Feuereinwirkungen mehr oder
weniger fest und lassen sich nur im Einzelfall transportieren, it-tabunt, die
Brotkammer des Ofens, kann aber auch aus Ton hergestellt und bewußt
zur Härtung dem Feuer ausgesetzt werden, wonach sie willkürlich in einen
Ofen (jurn) eingemauert werden kann. Die Grundform des tabunt ist im-
mer gleich: ein brotlaibförmiger Behälter wird an einer Seite offen gelassen
und oben mit fünf Abzugslöchern versehen (Abb. 12). Während des Back-
vorgangs verschließt man die Öffnung mit einer Platte aus Lehm. Die Öff-
nungen auf der Oberseite werden je nach gewünschter Hitze ebenfalls mit
Lehmklumpen abgedichtet.
’iminsl ist eine transportable oder in eine Ecke des Kochraumes fest ein-
gelassene Kochvorrichtung aus Ton, in deren Rundungen die Glut entfacht
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
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wird. Durch die drei Ecken (zigl) kann der ’iminsl entweder zwei kleine oder
einen großen Topf aufnehmen. Wenn diese Kochvorrichtung einige Tage nach
ihrem Einbau schonend behandelt wurde, entsteht durch den BrennAmtgang
beim Kochen ein stabiler Keramikofen.
b) Bei den Vorratsgefäßen unterscheiden wir Krüge unterschiedlicher
Größe und Form zur Aufnahme von Wasser und Olivenöl sowie gedeckte
breithalsige Gefäße zur Aufnahme fester Stoffe. Datteln und Getreide wur-
den nie in Keramikgefäßen, sondern in Körben oder auf dem Fußboden eines
besonderen Raumes ausgebreitet gelagert.
Wasser wird mittels des hoqäl geschöpft und gelagert. Dieser kugelförmige
oder ovale Krug ohne Standfläche ist zwischen 20 und 40 cm hoch bei einem
Fig. 13. Verschiedene Typen der Siwa-Keramik (a, c—k nach Oric Bates: 1918,
b nach Sammlung des Verf.).
26
Bliss, Kunsthandwerk der Oase Siwa
Durchmesser von 25—35 cm. Der Hals ist durch einen Wulst abgesetzt. Vier
Ösenhenkel ermöglichen die Lagerung des Gefäßes in hängendem Zustand.
In einem Fall wurden anthropomorphe Ornamente beobachtet, die zu beiden
Selten knapp unterhalb des Henkels in Form von kleinen Tonlinsen ange-
bracht sind. Der hoqäl wird nie bemalt oder nach dem Brand geschlämmt. Ein
Verschluß ist nicht bekannt (Fig. 13 a, Abb. 13).
Eine kleinere Form des boqäl wird unter der Bezeichnung tihoqalit vor
allem in Abu Shurüf, einer Gemeinde rund 25 km östlich von Siwa produ-
ziert. Die Stücke sind von der Form her Verkleinerungen des hoqäl, haben
aber nie Ösenhenkel. Die Funktion ist die gleiche: man lagert und schöpft:
in ihnen Wasser oder verwendet sie für Olivenöl. Viele dieser Gefäße können
auf den Friedhöfen von Abu Shurüf und Sebukha beobachtet werden (Abb. 14).
Ein von der Form her sehr ansprechender Krug konnte in den Ruinen eines
alten Hauses auf dem Hügel von Shäll Ghali aus mehreren Scherben aufge-
lesen werden. Auf einen bauchigen Korpus wurde ein ebenfalls bauchiger Hals
aufgesetzt. Zwei Henkel und ein mit dem Hals noch verbundener Strick deu-
ten darauf hin, daß der etwa 25 cm hohe Krug an der Wand eines Hauses
aufgehängt worden war, von wo er beim Einbruch der Mauer herabfiel. In
der Fußscherbe fanden sich Überreste eines sehr unreinen Olivenöles (Stücke
von Kernen). Ähnliche Krüge sind heute weder der Form noch dem Namen
nach bekannt. Von der Lage her könnte man den Fundort in das späte
19. Jahrhundert datieren (Fig. 13 b).
Ein Vorratsbehälter für feste Stoffe wie Erdnüsse, Oliven oder Mandeln
ist der bauchige tranqüit (nach Bates; turaküt) mit Flechtdeckel (‘amür
n-tisln). Zwei von uns auf genommene Gefäße dieser Art maßen in Höhe und
Durchmesser jeweils 25 cm, der Deckel war 12 cm hoch. Vier Ösen unterhalb
der kaum abgesetzten Öffnung dienten zur Befestigung des Deckels und zum
Aufhängen des Behälters an einem Holzstab in einer Wand (Fig. 13 c, Abb. 15).
Im Inneren deuteten einige Olivensteine auf die frühere Verwendung zur
Einlagerung von gesalzenen oder getrockneten Oliven hin. Behälter des Typs
tranqüit sind noch heute im Gebrauch, werden aber nur noch sporadisch her-
gestellt. An ihre Stelle treten vor allem Blechbehälter, wie sie auch im Export-
geschäft für Oliven benutzt werden.
c) Ein aus verhältnismäßig gutem Material hergestellter Napf (‘aqasn,
nach Bates: akisri) wird zur Teigherstellung wie zum Schlämmen des Tones
im Töpferhandwerk verwendet. Ein von uns in Abü Shurüf aufgenommenes
Exemplar (Fig. 13 c, Abb. 16) wurde sogar mit rostbrauner Farbe verziert.
Die Rege! sind aber sehr viel einfachere Gefäße. Breite und Höhe betragen
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
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jeweils 25 cm, können aber beträchtlich variieren. Unverständlich erscheint
uns die geringe Wanddicke dieser doch großen Belastungen ausgesetzten Ton-
waren. Möglicherweise hat Bates nicht unrecht, wenn er ähnliche Gefäße als
Getreidebehälter ansieht (p. 300).
Eine geringe Vielfalt herrscht bei den uns als Kochgefäße angegebenen
Stücken des Typs maqliyya vor, die Bates in seiner Arbeit gar nicht erwähnt.
Ihre Scherben finden wir sowohl in den Grabkammern des Gebel Maütä, wo
zahlreiche Siwaner in den Jahren 1942/43 Schutz vor britischen oder deutschen
Bomben suchten, in den Ruinen des alten ShälT sowie auf den Friedhöfen
südlich des Stadthügels von Shäli und in Sebukha. Mit maqliyya bezeichnen
die Siwaner einen dunkelgrauen oder dunkelbraunen Topf von geringer
Größe mit zwei Flandhaben. Ein ähnliches Stück gibt es auch mit vier Hand-
haben. Nach seinen Handhaben wird es tagin genannt, d. h. Griffgefäß. Bates
erwähnt unter Nr. 8 einen ähnlichen Typ namens täsa hamra d. h. roter Be-
hälter. Obwohl die gelappte Form der Handhabe genau bei unseren einfachen
Gefäßen ihr Gegenstück findet, läßt sich eine täsa hamra in der von Bates ge-
zeigten Form in Siwa nicht nachweisen. Entweder sind die Stücke nicht be-
malt und haben keine Handhaben oder letztere kommen immer paarweise
oder im Doppelpaar vor. In keinem Fall konnte in Siwa derzeit ein be-
maltes Gefäß mit Handhabe aufgenommen werden (vergl. Fig. 15 = Bates
Nr. 8).
Die von uns mitgebrachten Stücke des Typs maqliyya sind durchweg ein-
fach gestaltet und nachlässig gebrannt. Nur auf einigen Scherben vom Gebel
Maütä fanden sich geringfügige Verzierungen wie zwei Tonlinsen unter jeder
Handhabe oder ein aufgesetzter kleiner Halbmond. Die in Abb. 17/18 ge-
zeigten Exemplare sind 8 bzw. 10 cm hoch bei einem Durchmesser von 12 bis
15 cm. Die kleinen Griffestücke (nattaf) oder Handhaben finden wir in drei
Grundformen (Fig. 13 f), deren eine immer mit vier kleinen Tonlinsen ver-
ziert ist. Der Name des Gefäßes leitet sich möglicherweise von diesen Linsen
ab, deren Bezeichnung tagin erst auf den Griff und später auf das ganze Ge-
fäß übertragen wurde.
d) Von größter Bedeutung war im alten Siwa die Anfertigung von Öl-
lampen, die nicht nur länger als alternativ verwendete Fackeln brannten,
sondern bei der Holzarchitektur bedeutend sicherer waren. Die ’mir nid-dhän,
wie diese aus sehr hart- oder ungebranntem Ton hergestellten Lampen hießen,
wurden nach der Aufgabe von Shäli nicht mehr verwendet. Schon seit An-
fang dieses Jahrhunderts erhielten sie ihre Konkurrenz durch einfache Petro-
leumlampen, die wiederum in diesen Jahren durch Generatorstrom abgelöst
28
Bliss, Kunsthandwerk der Oase Siwa
werden. Neben zwei in den Ruinen von Shäli Ghädi ausgegrabenen Öllampen
fanden wir weitere Stücke nur noch in mehreren alten Shaikgräbern um
Aghörml, wo sie aber seit Jahrzehnten außer Gebrauch sein müssen.
Die Form der Lampen hat sich seit Anfang des Jahrhunderts aus den ge-
nannten Gründen auch nicht mehr verändert (Fig. 13 f). In einer löffelförmigen
Schale schwimmt ein Docht aus einem alten Stoffetzen auf dem eingegossenen
öl, das durch den hohlen Griff nachgefüllt werden kann. In Fig. 13 nicht er-
kennbar ist eine Standfläche, auf der die austarierten Lampen stehen können.
Ihre Höhe beträgt rund 12 cm, die Länge 10—12 cm. Bei den von uns auf-
genommenen Stücken finden wir weder den Wulst am unteren Ende des Stie-
les noch den kleinen Vorsprung am hinteren Ende des schalenförmigen Unter-
teils.
Ein Gefäß, das in keine der bisher angeführten Gruppen paßt, ist at-
tisht naahhl, ein Auffangbecken für die Handwaschung vor dem Beginn eines
Gastmahles. Wir fanden eine dieser Schalen in den Ruinen eines alten Hauses
von Shäli in zerbrochenem Zustand (Abb. 19). Die Höhe bis zum Rand be-
trägt 15 cm, der Durchmesser zwischen 25 und 30 cm. Ähnliche Becken wer-
den noch heute verwendet, wobei wertvollere Stücke aus Kupfer, einfache aus
Aluminium gefertigt sind. Der Rand mit den Abflußlöchern dient als Seifen-
ablage, in dem runden Boden sammelt sich das Schmutzwasser.
In der Hochzeitsausstattung der Siwaner Jungfrauen finden sich zwei Grup-
pen von sorgfältig gearbeiteten Tonwaren: a) Milch- und Wasserspender und
b) Räuchergefäße. Beide Gruppen werden in der Gegenwart weiterhin im
Totenkult und bei den Festen der Heiligen verwendet. Wir finden sie praktisch
auf allen Friedhöfen der Oase sowohl auf dem freien Feld wie in den würfel-
förmigen Grabbauten der Shaikhs.
a) Das Leitexemplar der fein geschlämmten Wasser -und Milchgefäße ist
der maqli, von dem mindestens einer in die Aussteuer der Mädchen gehört.
Fast alle Stücke sind zwischen 12 und 15 cm hoch und messen an der breite-
sten Stelle 18—22 cm. Nach dem Brand werden alle in Siwa für die Hoch-
zeit bestimmten Gefäße dieses Typs mit rotbraunen Ornamenten verziert.
Einige daneben in der Küche verwendeten maqli mögen ohne Dekoration
bleiben (vgl. Bates Nr. 10: mokali). Nach Angaben der Frauen wird mit die-
sem Gefäß dem Ehemann nach der Hochzeit Wasser oder Milch gereicht. Für
eine dauerhafte Verwendung sind alle Stücke dieser Art angesichts des sprö-
den Materials kaum zu gebrauchen (Fig. 13 g).
Eine Abart des maqli ist die ‘agrah, ein von der Grundidee ähnliches Ge-
fäß wie der maqli, jedoch knapp unterhalb des Randes mit einer Tülle ver-
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
29
sehen (Fig. 13 h, Abb. 20). Es dient ebenfalls der symbolischen Versorgung
des Ehemannes nach der Hochzeit, in diesem Fall für die Handwaschung vor
dem Essen als Wasserspender. Das ablaufende Wasser mag früher in einem
oben beschriebenen tisht nä ‘abbi gesammelt worden sein. Wie der maqll wird
dieses Gefäß nach dem Brand mit geometrischen Ornamenten aus in Siwa ge-
sammelten Erden bemalt. Eine besonders umfangreiche Ansammlung von
(agrah fanden wir im Grabbezirk des Heiligen gaddi ‘All unterhalb der
Ruinen von Shäll. Ein Zentrum ihrer Herstellung ist heute Abü Shurüf,
seitdem nicht mehr jede Familie diesen Bestandteil der Aussteuer selbst an-
fertigt. Auch in Sebukha konnten wir zwei Gehöfte besuchen, wo ‘agrah-
Stücke für den Verkauf an Einheimische produziert werden.
b) Neben den Wasser- bzw. Milchgefäßen gibt es auch zwei Arten von
Räucherbehältern, die Bestandteil der Aussteuer sind. Beide Typen wurden
neben einigen Abarten schon von Bates bemerkt und sind noch heute in Ge-
brauch. Anläßlich des Festes von gaddi ‘Ali wurden ein gutes Dutzend inner-
halb seines Grabbaues und auf den Lehmbänken des Grabbezirkes zur Ver-
brennung von bukhür verwendet. Kleine Mädchen bringen sie zusammen mit
einigen Brocken Weihrauch oder Sandelholz zum Grab, wo sie von den
Mitgliedern der '’arüsiyya, die für den Ablauf des Festes verantwortlich sind,
in Empfang genommen werden.
Die von Bates als timegmurt, heute besser als ümigmart zu bezeichnenden
Räuchergefäße gibt es entweder als Schale mit abgesetztem Fuß (Abb. 21,
Fig. 13 j) oder als geschlossene Form mit Vorratsschälchen für das Räucher-
material oberhalb der Brandfläche. Der erste Typ ist der weitaus gebräuch-
lichste. Die Höhe variiert zwischen 7 und 15 cm, der Durchmesser zwischen
10 und 14 cm an der Öffnung. Der offene Fußteil bietet Ablagefläche für
Zünder und die zu verbrennenden Stoffe. Die nach innen gekehrten vier Vor-
sprünge bieten Anlaß für zweierlei Annahmen bezüglich ihrer Funktion: ent-
weder sind sie angesichts der doppelten Lochung angebracht, um den
timigmart mit Palmfaserstricken an einem Stab oder einem Querbalken eines
Raumes aufzuhängen oder aber sie dienen als Halterung für eine Teekanne,
Wie wir sie in dieser Kombination bei ähnlichen Gefäßen in Tunesien be-
nutzt finden. Letztere Annahme findet in Siwa keinerlei Bestätigung, wo-
hingegen einiges für die erste Version spricht, da auch in anderen Regionen
des Landes ähnliche Behälter an Bindfäden geschwenkt werden .
Im Verhältnis zu der geschlossenen Form des timigmart ist die erste Gruppe
v°n sehr viel feinerer Qualität, insbesondere Dünnwandigkeit. Kleine Ring-
Wülste können den Fuß von der Schale abtrennen, was zu der durchgehenden
30
Bliss, Kunsthandwerk der Oase Siwa
Bemalung bei der überwiegenden Zahl aller Stücke in deutlichem Kontrast
steht, wo eindeutig eine Einheit des Gefäßes betont wird.
Die „geschlossene“ Form besteht aus einer tief gebuchteten Schale, die fast
die Form eines kleinen maqli annimmt (Fig. 13 k). Die Höhe kann bis zu
10 cm bis zur Öffnung betragen, der Durchmesser am Rand 12—15 cm. Vom
Rand ausgehend finden wir drei Bügel aus Ton, die sich etwa in der Mitte
über der Räucherschale treffen und dort eine Art Kerzenständer bilden. Bates
nimmt an, daß es sich hierbei um eine Vorratsschale für Räucherwerk handelt
(p. 300), hat gleichwohl Gefäße dieser Art nicht in Gebrauch gesehen. Wir
können inzwischen anhand eines in unserem Besitz befindlichen timigmart
dieses Typs nachweisen, daß sich Bates zumindest im Hinblick auf die All-
gemeingültigkeit seiner Feststellung irrt. Von den beiden Stücken unserer
Sammlung ist bei einem die „Vorratsschale“ nach unten hin offen, könnte
also keinen körnigen Inhalt aufnehmen, bei dem andere das Schälchen nur
angedeutet. Gleichwohl könnte man annehmen, daß beide Einrichtungen gut
eine Kerze aufzunehmen vermögen. In der Tat läßt sich ein derartiger Ge-
brauch bei einem ähnlichen Gefäß aus dem tunesischen Zrlbä Tunisien
nachweisen, einem der wenigen noch heute ausschließlich von Berbern bewohn-
ten Orte der nordafrikanischen Republik.
Eine Dekoration des timigmart erfolgt meistens durch eine Färbung vor dem
Brand mit einem später nur schlecht haftenden Material, das sich leicht durch
Wasser abspülen läßt. Eine Veränderung dieses Auftrages erfolgt also nicht
durch den Brandprozeß.
Zwei weder in die Gruppe der Haushaltsgeräte noch der Aussteuerstücke
einzuordnende Gefäßtypen fanden wir in beachtlichen Ansammlungen auf
dem südlichen Friedhof von Siwa zwischen Gräbern und in zwei Heiligen-
gräbern (Abb. 22) zusammen mit ebenso zahlreichen timigmart.
Bei der ersten Form handelt es sich um eine schlüsselförmige dickwandige
Ware (Abb. 22) mit zwei Handhaben, z. T. in der oben beschriebenen Form.
Der Name at-tasa deutet auf einem Zusammenhang mit der täsa hamra von
Bates hin, obwohl weder die Formgebung noch die Verzierung etwas mit
unseren Stücken zu tun hat. Auch ist im Gegensatz zur täsa hamra von Bates
bei dem meisten Stücken die Form der tagin abgerundet und nicht dreifach
gelappt. Aus der Ansammlung dieser Schalen vorwiegend auf den Fried-
höfen (in den Ruinen von Shäll fanden wir nur ein einziges zerbrochenes
Stück) schließen wir auf ihre Verwendung im Grabkult. Ähnlich wie in der
weiter südlich gelegenen Oase Bahriya wird in derartigen Gefäßen an be-
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
31
stimmten Wochentagen den Toten Wasser oder im Einzelfall Milch darge-
reicht.
Das letzte Stück unserer Betrachtung ist zugleich das einfachste Produkt der
Siwa-Töpferei. Bei dieser in der Oase täthä genannten Keramik handelt es sich
um einen flachen kleinen Teller mit erhöhtem Rand, der mit der Hand grob
geformt und nicht in allen Fällen gebrannt wird (Abb. 23). In einem Grab
bei Sebukha diente ein derartiger Teller zur Lagerung von Streichhölzern
und Räuchermaterial. Üblicherweise werden diese Utensilien aber in einem
kleinen Korb an der Wand des Grabkubus hängend gelagert.
Die Dekoration der Siwa-Keramik
Nur der kleinere Teil aller Tonwaren wird überhaupt dekoriert. Meistens
handelt es sich bei diesen Stücken um die Bestandteile der Aussteuer, also
‘agrah, maqll und die beiden Formen des timigmart. Nur anhand der Scher-
ben des Gebel Maütä konnte nachgewiesen werden, daß früher, d. h. um
1942/43, noch dickwandige Haushaltswaren ähnlich wie die heutigen besseren
Stücke verziert waren. Die einfachste Form der Dekoration eines Tongefäßes
ist die Schlämmung vor dem Brand in einer andersfarbigen Erde, als der
Tonkern nach dem Brand zeigen wird. Bates schreibt, daß der Farbauftrag
so wenig haftend sei, daß er schon mit der Hand abgerieben werden könne
p. 299). Das wichtigste so verschönerte Stück ist der timigmart des geschlosse-
nen Typs. Neben der Farbauftragung werden bei besseren Stücken Ornamente
vor dem Brand in Form von Wülsten, kleinen erhabenen Punkten aus Ton
oder vertikalen erhabenen Linien geformt. Die Gefahr bei den vor dem Brand
mit Farbe behandelten Stücke liegt in der Unkontrollierbarkeit des Brandes,
da sich Hitzeunterschiede auch auf die Farbe auswirken können. So sind diese
mit Haematit behandelten Gefäße oft unansehnlich schwarz-rot gefleckt.
Die vorherrschende Ornamentik der übrigen Tonwaren {maqll, ‘agrah und
tlrnigmart des ersten Typs) besteht aus geometrischen Linien und kleineren Ge-
bilden, die mit rötlicher Larbe nach dem Brand aufgetragen werden. Man ver-
wendet bei der Herstellung der Ware einen relativ fein geschlämmten Ton, der
für Siwaner Verhältnisse geradezu fehlerfrei gebrannt wird. Dunkle Stellen
kommen kaum vor bzw. entsprechende Gefäße werden aussortiert und weg-
geworfen. Die Larbe wird heute mit einem kleinen Pinsel aufgetragen, wie
er in zahlreichen Läden auf dem süq angeboren wird. Für die Anordnung
der Ornamente scheint es keine feste Regel zu geben, wohl aber für die
Ornamente selbst. Wir finden zwei Formen vor, die auf timigmart und
aZr^h!maqll auf der Außenwand angebracht werden: gezogene Linien oder
Ooppellinien mit „Fischgrätmustern“, angebrachten Querstrichen oder Kreuz-
32
Bliss, Kunsthandwerk der Oase Siwa
dien, die alle unter der Bezeichnung takutusht = Palmbaum zusammengefaßt
werden. Die Muster auf den Linien (vgl. Fig. 14 = Bates Nr. 14 und eigene
Aufnahmen) werden mit tshakuhak = kleine Dinge angegeben. Mit dem glei-
chen Namen bezeichnen die Siwaner auch die Stickornamente auf Tüchern und
Kleidern, die wir noch besprechen werden. Der Name tshakuhak wird auch
für die zweite Form der Ornamentbänder verwendet, d. h. nicht an Linien
anknüpfende Ornamente wie Punkte oder Kreuzchen, die aber, wenngleich
nicht unbedingt zusammenhängend, so doch komplexere Muster ergeben kön-
nen (Fig. 14). Als gefüllter Punkt oder Kreis heißen sie al-talgln. Komplexere
Bandornamente wie von Bates unter Nr. 14 i angeführt, wurden in Siwa in
diesem Jahr nicht mehr beobachtet. Ausgehend von den bestickten Tüchern
müßte man diese Formgebung mit tamshit — Kamm bezeichnen. Ein Orna-
ment wie die Nr. 14 e von Bates zeigt enge Verwandtschaft mit dem riqb
ghazäl (Gazellenhals) eines Tuches.
Girlandenornamente (Bates Nr. 14 a—c) kommen vor allem am timigmart
vor (vgl. auch Fig. 13 j). Fast alle bemalten Gefäße haben am Rand eine um-
laufende Färbung, jedoch nur eine beschränkte Zahl hiervon ausgehend
weitere Ergänzungen (z. B. tamshit).
Die besondere Funktion der Hochzeitkeramiken wird durch eine bei man-
chen Stücken zu beobachtende Bemalung im Inneren, vorwiegend auf dem
Boden, betont. Es handelt sich hierbei um Punkte, die allein oder in Gruppen
zu fünf Stück aufgenommen wurden. Da die Farbe sich in Wasser löst, kann
diesen Stücken nur eine symbolische Bedeutung zugesprochen werden — was
a
b
d
c
^^A/XAaÄ/W ^ designs derived
T 1 V FROM 6EWh
( RIM6
DESIGNS DERIVED
FROM SEAMS
14
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Fig. 14. Ornamente auf Stücken der Siwa-Keramik.
Nach Bates 1918.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
33
unsere Annahme bezüglich der Begründung für die dünnen Wände vieler Ge-
fäße untermauert. Letztendlich wären selbst die Ornamente an den Außen-
wänden dieser Gefäße bei einer tatsächlichen Verwendung im Haushalt kaum
längerer Zeit sichtbar. Es bleibt weiteren Arbeiten vor Ort überlassen, die tat-
sächliche Verwendung der Hochzeitsgefäße im Rahmen der Zeremonien in
Erfahrung zu bringen.
3.2. Weberei und Seidenstickerei
Nach Aussagen von Cline und Steindorff soll früher in Siwa eine vom
Volumen her nicht näher angeführte Weberei bestanden haben. Cline zeigt
auf einer Tafel einen senkrechten Webstuhl, der angeblich aus Siwa stammen
soll (1932: Tafel 12). Auch Steindorff bildet eine kleine Decke (madil) neben
anderen typischen Handwerksprodukten aus Siwa ab (1904: Abb. 57). Das
verwandte Material hierfür sei Kamelwolle gewesen, heißt es in seinem Be-
gleitkommentar (p. 113).
Ähnliche Aussagen, bezogen auf einen leichten dunklen Baumwollstoff,
lassen sich im Hinblick auf die Jahrhundertwende noch heute in der Oase
aufnehmen. Jedoch wurde uns kein Stück aus dem reichhaltigen Kleidungs-
inventar der Oase gezeigt, das in Siwa selbst hergestellt worden war. Hin-
gegen konnten wir uns in dem kleinen Ort Kirdäsah bei Gizah davon über-
zeugen, daß noch heute Leute aus Siwa hier Stoffe kaufen. Das Schwerge-
wicht des Imports hat sich hingegen auf Alexandria bzw. in zunehmendem
Maße auf Marsa Matruh verlagert. Aus diesen Städten stammen die Stoffe,
aus denen halbprofessionelle Schneiderinnen wie nur für den Eigenbedarf
nähende Hausfrauen ihre traditionellen Gewänder hersteilen. Ähnliches gilt
auch für die moderneren Gewänder der Mädchen, die aus synthetischen oder
halbsynthetischen Fasern nach immerhin älteren Mustern angefertigt werden,
sowie das Zubehör, d. h. Knöpfe jeglicher Art, Nähgarn und vor allem Seide
zum Besticken der Gewänder und Tücher. Nach genauen Vorstellungen ihrer
Frauen werden die Stoffe und Nähutensilien von Männern anläßlich ihrer
Handels- bzw. Einkaufsfahrten mitgebracht. Die ersten Geschäfte in Siwa be-
ginnen langsam, ein eigenes Sortiment anzulegen, wobei Stoff als Mit-
bringsel kaum in absehbarer Zeit aus der Mode kommen wird.
Die einfache Haus- oder Arbeitskleidung ist als Randthema dieser Arbeit
kurz abgehandelt: die Männer tragen wie im Niltal eine galabiyya aus weißem
oder dezent gefärbtem Baumwollstoff, der mit moderneren Nähmaschinen
goldfarben oder mit auffälliger roter oder blauer Kunstseide bestickt wird.
F)ie Hosen, arab. sirwäl, unterscheiden sich kaum von den libyschen Vorbildern
und sind wie diese am Abschluß reich bestickt. Im Gegensatz zu den Hoch-
3 Baessler-Archiv XXX
34
Bliss, Kunsthandwerk der Oase Siwa
Fig. 15. Unterschiedliche Formen der Flandhaben an
Kochgefäßen.
zeitshosen der Mädchen ist diese Arbeit wenig kunstfertig, da mit der Näh-
maschine und aus Kunstfaser angefertigt. Auf dem Kopf tragen Männer über-
wiegend eine gehäkelte Kappe (tshashit) aus weißer Baumwolle. Im Winter
wird die guhhut, ein dicker wollener Überwurf verwandt, der große Ähn-
lichkeit mit dem gird der Aüläd-‘All-Nomaden aufweist. Arbeitsgewand ist
der tunikaförmige laqmis, den man mit einem zwei bis zweieinhalb Meter
langen gewebten Gürtel (hhzän) gürtet. Dieser Gürtel wird auf einer waage-
rechten Webvorrichtung von Nomadenfrauen angefertigt und in Läden des
süq von Siwa verkauft, dürfte also mithin nicht zu den älteren Kleidungsbe-
standteilen gehören. Wie die Webteppiche der Aüläd-'Ali pflegt man zu-
nehmend Muster mit rotem Baumwoilfaden in den zunächst einfarbig weißen
Gürtel einzunähen (sticken).
Das Alltagsgewand der Frauen ist der rüml, eine weit geschnittene Tunika,
die stets nach dem gleichen Grundriß geschnitten ist (Fig. 16): von gleicher
Farbe, d. h. heute schwarz, früher in verschiedenen Blautönen gestreift sind
Ärmel sowie Front- und Rückseite. Der Flalsausschnitt wird mit Seide bestickt
(at-tuq), wobei die Muster immer die gleichen geometrischen Formen haben.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
35
An beiden Seiten des rürrii werden kleine rechteckige Stücke eingesetzt (4),
deren Grund allein in der Ästhetik zu vermuten ist. Sie haben keinen Fdnfluß
auf den Schnitt des Gewandes. Bei neueren Stücken dieser Art verwendet man
für die Ugnah, d. h. die beiden Seitenteile, einen weitmaschig gewebten Stoff
aus Kunstfasern, der extrem luftdurchlässig ist. Das gleiche Verfahren wird
auch bei den Mädchenkleidern angewendet, wo die Auswahl der Stoffe jedoch
nicht in das strenge Grundschema schwarz-blaugestreift eingepreßt ist. Nicht
selten entwickelt sich aber eine den Frauenkleidern adäquate Stoffauswahl in
Richtung längsgestreifter rot-schwarzer Farbgebung.
Die Hochzeitskleider der Oase kommen in drei verschiedenen Farben vor.
Wenigstens zwei verschiedene Stücke davon gehören in die Hochzeitsausstat-
tung. Kollektiv bezeichnet man diese reich bestickten Gewänder als fustän, im
einzelnen nennt man sie nashirah nähuwaq (durchgehend weißes Kleid mit
Stickerei) (Abb. 24), ’akhblr Uhrlr (weiße Front- und Rückseite, schwarze
Seiteneinsätze) (Abb. 26). Die einzelnen Teile des Hochzeitskleides sind wie
bei dem rürrii (2) (Fig. 16), Ärmel (amfüs), (1) Halseinsatz mit Stickmustern
(.at-tuq), (3/4) Seitenteile mit Eckeinsätzen {Ugnah). Die schwarzen Streifen
(Ecken) werden tsharkhit {pl.tishirkha) genannt, eine Bezeichnung, für die es
keine Übersetzung ins Arabische gibt.
Die fustän werden von den Mädchen zusammen mit den Müttern geschnei-
dert bzw. man bringt sie zu einer professionellen Näherin. Je nach Zeitpunkt
einer etwaigen Hochzeit oder der eingeplanten Geldsumme werden die Stücke
anschließend mit Seide bestickt und mit sumluk-Anhängern versehen (Siwi:
3*
Fig. 16. Gestaltung des Frauengewandes rürrii; 1. at-tuq,
2. amfüs, 3./4. Ugnah. Nach Zeichnung des Verf.
36
Bliss, Kunsthandwerk der Oase Siwa
gingilt). Wir werden auf die Muster gesondert eingehen, da sie auch bei den
noch zu besprechenden Kleidungsstücken gleichermaßen Vorkommen.
Zu dem Hochzeitsgewand trägt die junge Braut Hosen, die den weiten
Kniebundhosen der Männer im Niltal bzw. der Maghrib-Staaten verwandt
sind, jedoch bis zu den Waden reichen. Sie haben keinen Siwi-Namen, sondern
werden wie die Männerhosen sirwäl genannt. Wie die fustän pflegt man sie
reich zu besticken. Völlig ausgefüllt mit Seidenornamenten werden die Hosen-
abschlüsse, die später unter dem Kleid hervorgucken (Abb. 26). Nach oben hin
verlängern sich die Muster in „Palm- und Gazellenhalsornamenten“ bis ober-
halb des Knies (Abb. 27).
Zwei ebenfalls bestickte Kopftücher unterscheiden sich hinsichtlich ihres
Zwecks. Das kleinere wird von Mädchen während der Hochzeitsfeier und da-
nach zu jeder möglichen Gelegenheit innerhalb des Hauses getragen (truq'at).
Ausgangsmaterial ist ein 1—1,50 m breites und 70—100 cm hohes Rechteck, das
in zwei Formen bestickt werden kann (Abb. 29). Erstens handelt es sich um
ein Zentralmotiv, von dem sternförmig Ornamentbänder ausgehen. Dieses
Motiv wird ausschließlich auf blaues Baumwolltuch gestickt (Abb. 28).
Schwarze Baumwolle oder Kunstfaser verwendet man für die zweite Grund-
form des truq’at, das anschließend mit einer ungeraden Zahl von parallelen
Ornamentstreifen senkrechter Anordnung verziert wird. Vom Stoff her nennt
man es auch tarfudit in-tihäklkin.
Bei dem zweiten Tuch, das man besser der Funktion nach als Verhüllungs-
tuch bezeichnen sollte, handelt es sich um eine milaiyya, die von Frauen außer
Haus stets getragen werden muß und die den Körper bis zu den Knien voll-
ständig bedeckt. Dieses in Siwa mit tarfudit bezeichnete Tuch wird in Kirdäsah
bei Gizah gewebt und in großer Stückzahl in die Oase exportiert. Dort wird
es im Gegensatz zu den Kleidern und anderen Tüchern spärlich mit drei Orna-
mentstreifen bestickt. Der erste Streifen kommt beim Tragen auf den Rücken
zu liegen und heißt gilhit (— Mittellinie). Die beiden anderen kürzeren Sticke-
reien liegen beim Tragen rechts und links des Kopfes und heißen kushit, d. h.
Zöpfe. Die Stickarbeiten für die milaiyya werden von den Frauen selbst aus-
geführt.
Zwei weitere Kleidungsstücke stammen ebenfalls nicht aus den Händen
zukünftiger Bräute, die zarahln, rote Lederschuhe, die mit Seide bestickt wer-
den und die ’äbernüs, eine Haube für Kinder, die bisweilen sehr aufwendig
verziert ist. Die Lederschuhe werden von Nomaden oder aus Läden in Marsa
Matruh gekauft und in Siwa nur dekoriert.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
37
Die Seidenstickerei und ihre Symbole
Farbgebung, Motivwahl, Kombination verschiedener Symbole und ihre An-
ordnung auf den unterschiedlichen Festtagsstücken sind in Siwa nicht dem
Zufall überlassen, sondern in ein enges Schema gepreßt, das lediglich durch
seine Variationen aufwendige und einfachere Arbeiten unterscheidet. Gleich-
wohl ist die Seidenstickerei der Oase ein Beispiel für ein entwickeltes Kunst-
handwerk, das in ganz Ägypten ohne Beispiel dasteht. Lediglich die Gewänder
der benachbarten Oase Bahriyah und der Sinai-Beduinen zeigen einige, wenn-
gleich weniger entwickelte, Parallelen.
Kernstück der Handarbeit ist die fustän-Gruppe der Hochzeitsgewänder,
die unabhängig von der Stoffarbe gleich verziert wird. Die Abb. 24—26 und 30
geben einen ungefähren Eindruck von den fertigen Stücken, wenngleich Technik
und Farben hieraus schwer rekonstruierbar sind. Die gestickte Halsumrandung
(,at-tuq) setzt sich auf der Hinterseite aus einer siebenfachen Doppelstichreihe
von Seidenfäden zusammen, an die nach dem Gewand zu kleine Symbole
anschließen, ähnlich den takutusht, d. h. Palmbäumen der Gefäßornamentik
(vergl. Fig. 14 c). Am abgerundeten V-förmigen Ausschnitt der Frontseite ver-
breitern sich die Sticklinien auf Doppelstichpaare, die nach außen hin von
einer farblich dauernd abwechselnden Reihe von kleinen Quadraten abge-
schlossen werden. Rechts und links des Ausschnittes folgen jeweils drei ganz
mit Mustern ausgefüllte Quadrate, die mit dem arabischen Terminus hagäh,
d. h. Amulett oder Scheibe bezeichnet werden. Ein siebtes hagäh (Abb. 30)
liegt unterhalb des Ausschnitts. Von diesem hagäh gehen verschiedene Linien
mit Sticksymbolen waagerecht, senkrecht und diagonal ab, die jeweils eine
eigene Bezeichnung haben: der senkrechte Mittelstreifen, in Abb. 30 reich mit
Perlmuttknöpfen benäht, heißt ’igilhit, die Diagonalen tshakuhak, die waage-
rechten takutusht (Palmen). Ähnliche Streifen aus gestickten Symbolen gehen
auch von beiden Seiten der Halsumrandung in der Waagerechten ab. Alle
Streifen enden in einem Symbol (Abb. 31), das auf diese Weise ein nach unten
hin abgerundetes rechteckförmiges Gebilde umgrenzt (Abb. 26).
Je nach dem Reichtum der Trägerin werden die Muster mehr oder weniger
groß ausgestickt und mit Perlmuttknöpfen benäht. In einigen Fällen werden
sog. gingilt, in Silber, neuerdings auch in Blech gefaßte Halbedelsteine, Glas-
perlen oder Plastikstückchen dazugefügt. Abb. 30 zeigt einige khamlsät, Glücks-
bringer aus kleinen Glasperlen zu einer Hand aufgereiht, die zugleich gegen
den Bösen Blick schützen sollen. Fast immer werden alle sieben hagäh ausge-
füllt mit Ornamenten, wie wir sie in Abb. 26 bei den sirwal finden, oder
kleinen verschiedenfarbigen Rauten, die nätshürl genannt werden. Wörtlich
38
Bliss, Kunsthandwerk der Oase Siwa
übersetzt bedeutet dieses Wort „Gefäße“. Während die Deutung der Symbole
aus ihrer später noch zu besprechenden Formgebung herrührt, bilden die Stick-
muster auf den sirwal ein abgeschlossenes Ganzes, nämlich einen Gazellenkopf
(Abb. 26/26). Fig. 17 zeigt die Aufteilung des Fiosenabschlusses an den Waden,
die immer gleich ist. Lediglich die Größe der bestickten Fläche kann etwas
variieren. Die mehrreihige Linie in der Mitte (1) ist der Gazellenhals (juqh
ghazäl), die anderen beiden Linien die Nase (2), im Siwi taüzirt genannt, und
ein Palmbaum (takutusht, 3). Die großen Rechtecke sind die Augen ’igilbit
(6), die inneren Rechtecke die Pupillen (mimiyy, pl. ’immimiyyn). Die Aus-
füllungen (4) nennt man likhwätim. An Hals, Nase und Palmbaum befinden
sich zahlreiche kleine Stickmuster, die entweder kollektiv talgin (Punkte)
oder nach den jeweils dargestellten Symbolen benannt werden, ruqb ghazäl,
taüzirt und takutusht setzen sich nach oben hin weit über die „Augen“ fort
und zwar wenigstens bis zum Knie, bei besseren Stücken noch höher. Auch
oberhalb der ’igilbit beginnen takutusht, sich nach oben hin auszurichten. Sie
wechseln dabei mit Symbolreihen ab, die in einer größeren Figur enden
(Abb. 27).
Auch das Alltagsgewand rümi weist einige Stickmuster im Besatz um den
Ausschnitt auf, die sehr schwer zu beschreiben sind. Auch ist aus dem einzigen
Stück unserer Sammlung kaum ein endgültiger Schluß zu ziehen. Immerhin
scheinen die Muster geometrisch zu sein und werden auf einem gesonderten
Stück Stoff gestickt, bevor die fertige Arbeit auf das Kleid genäht wird.
Fig. 17. Sticksymbole auf den Hosen: 1. ruqb ghazal, 2. taüzirt, 3. takutusht, 4. likh-
wätim, 5. immimiyyn, 6. ’igilbit. Nach Bliss (Sammlung).
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
39
Die kleinen Kopftücher (truq‘at) werden schon von kleinen Mädchen be-
stickt. Auch hier spielt sich alles in vorgegebenen Normen ab: in der Mitte
liegt ein breiter, aus mehreren Linien und kleinen Symbolen zusammengesetzter
Mittelstreifen (gilbit), dessen Symbole natshiktshik, kleine Dinge, genannt
werden. Zwei weitere komplexe Stickstreifen teden das Tuch in Drittel ab.
Nach den Stickmustern werden sie nätshün genannt, was in diesem Zusammen-
hang soviel wie „Gefäß“, aber auch „Ausfüllung“ heißen kann, nathikshik ist
auch der Name der bis zu 51 weiteren Stickornamentlinien, die sich aus ins-
gesamt mehr als 20 Symbolen zusammensetzen. Zu den Enden hin folgt ein
weiterer breiter Streifen aus drei Gruppen von Ornamenten: einem zur Tuch-
mitte weisenden aus ’ingürin (Köpfe), dann einem Kreuzstichmuster namens
tshakuhak (Eier) und zum Abschluß ein Zickzackband (müdah). An den Enden
werden auf jeder Seite wenigstens 30 Troddeln aus Seidenfäden angebracht
(Siwi: ti-shusha).
Die Zahl dieser Tücher ist lediglich durch den Arbeitseifer und das Vermögen
der Herstellerin begrenzt. Ein Tuch gehört in die Hochzeitsausstattung, manche
Frauen haben aber bis zu einem Dutzend dieser truq‘at.
Die kleine milaiyya, tarfudit in-tihäklkln, besteht aus einem Zentralmotiv,
al-khätim, und horizontalen, vertikalen und diagonalen Symbollinien. Die
Vertikale heißt wie bei den Gewändern gilbit, die Horizontale nennt man
takutusht (Palmbaum), die Diagonalen tshakuhak. Daneben kommen bis zu
24 diagonal-sternförmig vom khätim ausgehende Linien aus kleinen Symbolen,
deren Vielfalt dem truq‘at zu vergleichen ist. Wie das truq'at werden khätim
und Linien oft mit Perlmuttknöpfen oder neuerdings mit kleinen Metall-
scheibchen besetzt, die bei den ersten Stücken in für unseren Geschmack kaum
annehmbarer Weise durch kleine Plastikfiguren ergänzt werden. Fische, Waffen
oder Hände haben aber auch in dieser Form eine magische Funktion in der
Abwehr des Bösen Blickes.
Das letzte hier zu besprechende Stück ist die Kinderhaube ’ähernüs. Sie
besteht aus einem zunächst rechteckigen Stück Stoff, das nach dem Besticken
zusammengeklappt und an einer Seite zusammengenäht wird. Auf diese Weise
ergibt sich eine Haube, die mit zwei Lederriemchen festgebunden werden kann.
An dem sich auf diese Weise bildenden Zipfel wird eine lange Troddel be-
festigt, die teils aus geflochtenen Bändern, teils aus Bündeln von Seidenfäden
und weiteren Verknotungen besteht. In der Mitte des bestickten Tuches befindet
sich ein hagäh mit abgerundeten Ecken, das nach jeder Seite von drei tamshit
(Kämmen) umgeben ist. Rechts und links dieser hagäh befindet sich jeweils eine
kleinere gleicher Art, die beim Tragen ungefähr auf den Schläfen des Kindes
40
Bliss, Kunsthandwerk der Oase Siwa
zu liegen kommt. Die ganze Mütze ist reich mit Ornamenten bestickt, insbeson-
dere zur Vorderseite hin, wo auch ein breites Band aus bunten Platsikknöpfen
aufgenäht wurde. Andere Stücke dieser Art sind aber sehr viel einfacher ge-
halten und haben zum Beispiel nur ein hagäb und einige Ornamente an der
Vorderseite.
In Fig. 18 haben wir 16 verschiedene Stickmuster vorgestellt. Obwohl es
sicherlich ein weiteres Dutzend gibt, gelten alle anderen Formen als Varianten
dieser 16 Stück, it-tshakubak und ’atshak läßt sich nicht übersetzen, wägt soll
ein bunter gelber Vogel sein, den wir in Bahriya oft zu Gesicht bekommen
haben, taglast ist eine Spinne, die in verschiedenen Formen verkommen kann
(z. B. als taglast nin-gürin), tamshit ein Kamm, fingän, ein arabisches Wort,
bedeutet Tasse. Dieses Symbol kommt sehr häufig in Kombinationen vor und
bildet ganze Linien, al-khätim ist die arabische Bezeichnung für Ring und meint
daneben auch stempelförmige Motive (Rechtecke, Ovale etc.), al-ward ist
ebenfalls ein arabisches Wort und bedeutet „Rose“, ebenso wie khamlsah all-
gemein im islamischen Raum ein Schutzsymbol bedeutet, das sich von der glück-
taglast nin-gurin m it-tshakubak
wägl # taglast
$ tamshit IM nätshüri
A fingän(l) tlzarit
al-khätim £ khamisah
A al-ward D=C> tismikt
c al-brlq @) tfuqt
gingan tshakubak >f: ffl atshak
Fig. 18. Grundsymbole der Seidenstickerei in Siwa.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
41
bringenden Hand der Propheten-Tochter Fatima herleitet. Die übrigen Begriffe
kommen aus Siwa selbst: tlzarit = Besen, nätshürl = Gefäß, tismikt — Fisch,
tjuqt = Sonne (vergl. Abb. 31).
Wesentlich in der Siwa-Stickerei ist neben der Anordnung der Symbole auch
die Wahl der Farben. Obwohl wir diesbezüglich noch keine abschließenden
Ergebnisse vorlegen können, scheint folgende Grundtendenz wahrscheinlich;
In der Siwa-Stickerei werden praktisch alle auf dem Markt leicht erwerb-
baren Farben verwendet — schwarz, rot, orange, gelb, grün, (selten weißer
Baumwollfaden) — wobei bestimmte Farbkombinationen bei den aufgenomme-
nen Stücken niemals verändert werden. Die Reihenfolge schwarz, gelb, rot,
grün, orange bei wechselnder Ausgangsfarbe finden wir 1. bei der Umrandung
der Halsausschnitte von Hochzeitskleidern aller drei Typen, 2. bei der An-
ordnung der Symbole in den Ornamentstreifen am Gewand, 3. beim ruqh
ghazäl auf den Hosenbeinen- 4. bei der Trennlinie des Gazellenkopfes von den
übrigen Hosenornamenten und 5. bei der Anordnung der Troddeln {ti-
shusha) am truq‘at. Auch bei der Kinderhaube (’äbernüs) konnte diese Farb-
anordnung bestätigt werden, was bei der geringen Anzahl der beobachteten
Stücke jedoch für eine Generalisierung nicht ausreicht. Blau kommt in Siwa
bei traditionellen Kleidungsstücken nie vor, wird aber bei Schuhen neueren
Datums hin und wieder verwandt.
Noch keine Aussage läßt sich bezüglich einer Regelmäßigkeit der Farb-
anordnung bei den Symbolen auf den Kleidern machen. Wir vermuten aber,
daß rot die Grundfarbe für Umrandungen ist und die Kombination grün-
orange-gelb vorwiegend bei den takutusht (Palmbäumen) verwendet wird.
Hinsichtlich der Zufügungen aus Plastik oder Metall gibt es aber mit Sicher-
heit kein System. Knöpfe jeglicher Farbe kommen vor, auch Blautöne, weiße
Perlmuttknöpfe und selbst violette oder rosa Farben. Hier beherrscht eindeutig
das Angebot die Nachfrage. Gleiches gilt für die gingilt-Anhänger, die beson-
ders bei älteren Kleidern auf der Frontseite unterhalb der mittleren hagäh
aufgenäht wurden. Ob in der silbernen oder aus Blech gefertigten Fassung eine
rote, grüne, gelbe oder auch blaue Platte eingelassen ist, spielt anscheinend
absolut keine Rolle.
Sowohl bei der Frage nach den Gründen der Farbwahl wie nach der Bedeu-
tung der Symbole haben wir trotz dutzendfacher Nachfrage auch von älteren
Frauen keine befriedigende Antwort bekommen. Auf jeden Fall sind die
Motive sehr alt und werden von der Mutter an die Töchter weitergegeben.
Nur das tismikt (Fisch)-Symbol hat eine Beziehung zur Geschichte der Oase.
Sldi Sliman, der Ortsheilige der Oase, zu dessen Ehren in jedem Jahr sein
42
Bliss, Kunsthandwerk der Oase Siwa
Geburtstag, mülid, festlich begangen wird, wird mit diesem Zeichen in Be-
ziehung gesetzt, al-hrlq, die Kanne, ähnelt in einigen Varianten stark alt-
ägyptischen Hieroglyphen, wie wir sie in den Gräbern um den Gebel Maütä
zu Dutzenden finden. Das khamisah-Zeichen ist offensichtlich aus dem Islam
entnommen bzw. seinen ortstypischen Erscheinungsformen, wie wir sie im
ganzen nordafrikanischen Raum verbreitet finden. Eine Parallele gibt es hierzu
auch im Siwa-Schmuck (vgl. Schienerl 1973: 155), wo ein kleiner handförmiger
Anhänger gleichen Namens vorkommt. Ein ähnliches Stück konnten wir zu-
sammen mit einigen typischen Fingerringen in Alexandria erwerben, wodurch
die Oasenherkunft weitgehend gesichert ist. Beim Begriff tfuqt (Sonne) fällt
uns unwillkürlich die caln as-sams ein, die „Sonnenquelle“ der Antike (vgl.
Bates 1914:173). Da diese Quelle heute unter einem anderen Namen bekannt
ist, wird sich ein plausiblerer Grund finden lassen müssen. Spinnen (taglast)
gibt es in Siwa relativ wenige, so daß auch hier kein sichtbarer Grund für die
Verwendung als Stickornament vorliegt. Zudem spielt die Spinne in den Sagen
und Mythen Siwas keine Rolle. Recht einfach lassen sich die kleinen Formen
der nätshürl (Gefäße oder eben Ausfüllungen) erklären, wenn wir die zweite
Bedeutung dieses Wortes verwenden. Hiermit lassen sich so gut wie alle klei-
neren, nicht gesondert bezeichneten Symbole zusammenfassen.
Die Stickerei in der beschriebenen Form ist so gut wie der einzige Zweig des
Kunsthandwerkes, der sich derzeit anhaltender Beliebtheit erfreut und weiter-
hin im Hinblick auf Hochzeiten betrieben wird. Arbeit im Lohnauftrag
kommt praktisch nicht vor.
4. Gemischte Handwerks formen
Unter dieser Bezeichnung wollen wir die drei übrigen Zweige des Siwaner
Kunsthandwerks vorstellen, die aller Wahrscheinlichkeit nach sowohl von
Männern wie von Frauen ausgeführt werden. Dabei ist nicht ausgeschlossen,
daß innerhalb des jeweiligen Handwerkes Männer wie Frauen unterschiedliche
Gegenstände herstellen.
4.1. Flechtarbeiten
Da auch hier unsere Untersuchungen noch nicht abgeschlossen sind, kann
zunächst nur eine grobe Typologie erfolgen, wobei die Unterteilung nach
Produkten von Männern und Frauen recht leicht ist. Erstere fertigen die für
den Transport notwendigen Körbe sowie die Bodenmatten für Häuser und
Arbeitslauben an. In beiden Fällen wird die gleiche Technik verwandt: Aus-
gangsmaterial der Arbeiten ist ein vorgefertigter endloser Flechtstreifen (‘adri),
der mit Hilfe eines kleinen Stäbchens aus Knochen (tisnit) auf eine ungefähre
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
43
Breite von 2,5 cm gebracht wird. Aus diesem ‘adrl kann ein Mann große ovale
Matten zusammennähen, wie wir sie bis zu drei mal fünf Metern überall in
der Oase zu sehen bekommen. Weit wichtiger für den Transport und die
Lagerung von Datteln ist ein aus gleichem Material genähter hoher Korb mit
einem Fassungsvermögen von rund 45 kg, der mit angenähten Palmfaserhen-
keln tcfädalt (für den Transport), ohne Henkel (für die Lagerung) ghalaq
heißt. Da nur die Männer Palmstricke anfertigen, sind sie zu einem kleinen
Teil auch an den Arbeiten der Frauen beteiligt, während umgekehrt keinerlei
Beziehungen bestehen.
Aus der Hand der Frauen stammen zwei Gruppen von Flechtarbeiten. In
der ersten fassen wir alle Haushaltsbehälter zusammen, die für die Lagerung
von Speisen oder Vorräten dienen. Hinzu kommen die Meßbehälter für Ge-
treide einfacherer Fertigungsweise und entsprechende Brotteller. Die zweite
Gruppe besteht aus den Hochzeitsstücken, zu denen immer ein Korb für
Schmuck (marmürah), einige feine Brotteller (tarqant), ein Dreiersatz aus Ge-
treidemaßen (’aqdah, ’arba‘ und matshük) und ein Fliegenwedel (nazlri) ge-
hören. Diese Regel gilt nur für das Zentrum der Oase, nämlich die Stadt Siwa
selbst. Schon im benachbarten Abü Shurüf und vor allem in der 140 km ent-
fernt liegenden Gemeinde Garah werden überwiegend grobe Flechtwaren an-
gefertigt, von denen andere Formen (so eine geschlossene bunte Tasche) zur
Hochzeitsausstattung gehören. Gerade diese billigen Arbeiten werden zuneh-
mend nach Siwa eingeführt, wo sie die älteren, sehr zeitintensiven Arbeiten
zu ersetzen beginnen.
Zu den Haushaltswaren gehören eine Einkaufstasche, die aber nur im
Haus selbst zum Transport verwendet wird (‘aqrüsh), mit geflochtenen Hen-
keln {nasai) und einige Bommeln (tshushit), die aus gefärbter Palmfaser her-
gestellt werden (Männerarbeit). Dieser Tasche ähnlich ist eine margüna (arab.
Bezeichnung), ein Vorratsbehälter für gröbere Feldfrüchte (Abb. 32). Beide
Stücke werden auf feineren ‘adrl-Streifen zusammengenäht.
Sehr viel zeitaufwendiger ist das Flechten der Vorratsbehälter für Salz, Man-
deln oder Kleinutensilien des Haushaltes (’ärqlm oder tamzukht). Hier be-
steht die Technik im Umwinden von langen Palmwedelfasern mit feinen
Blattellen, die geschickt miteinander verbunden werden. Sehr gute Arbeiten
sollen so gut wie wasserundurchlässig sein, wenn sie mit Olivenöl imprägniert
Werden (Abb. 33). Im gleichen Verfahren werden die Meßbehälter angefer-
tigt, die es für ein ’aqdah (rund 2,5 kg), ein ’arha‘ (V4 ’aqdah) und ein
matshük (Vs ’aqdah) gibt. Es handelt sich hierbei um tulpenförmige Körbe
ohne Deckel, die für den täglichen Gebrauch unverziert sind, als Bestand-
44
Bli ss, Kunsthandwerk der Oase Siwa
teile der Hochzeitswaren aber mit Seide bestickt und mit Lederlaschen be-
setzt werden.
Kernstück der Hochzeitsausstattung ist die marmürah, ein Behälter für
Schmuck und die persönlichen Sachen der Braut, der je nach Reichtum der
Familie und Kunstfertigkeit des Mädchens zu einem Paradestück des Siwa-
Handwerks werden kann. Fakhry bildet ein derartiges Stück in seiner Ideal-
ausstattung ab (Fig. 19). Der Korpus besteht aus dem gleichen Geflecht wie
tamzukht, wird jedoch durch eine Reihe von schmückenden Beifügungen er-
gänzt: immer gehört zur marmürah ein aus gefärbter Palmfaser geflochtener
Griff {nasal) und eine Reihe von Lederlaschen {timuzurin — Ohren), die rot
gefärbt und nicht selten mit Perlmuttknöpfen benäht werden. Dann werden
feine Palmstricke zu Mustern eingearbeitet {tamshit = Kamm) oder als Bom-
meln angefügt (tshushit). Zum Abschluß pflegt man bei wertvollen Stücken
eine Vielzahl von Seidentroddeln am Deckel zu befestigen {tishushak). Die
wichtigste Verzierung aber ist das Besticken des Korbes mit Seidenfäden, in
manchen Fällen sogar mit Silberdraht (Abb. 34). Meistens werden insgesamt
acht dreifache Streifen aus natshuri gestickt und die gesamte Außenfläche des
Korbes mit einem Netz von feinen Punkten überzogen. Varianten der Deko-
rationstechnik sind z. B. die Einbeziehung von vorgefärbten Palmfasern in die
Flechtarbeit, die Benähung des Korbrandes und Deckels mit Seide oder eine
Umrandung mit roten Lederstreifen.
Fig. 19. marmürah, nach Fakhry 1973: Fig. 13.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
45
Im Hinblick auf verwandte Technik und Aussehen unterscheiden sich die
Maße von dieser marmürah. Es fehlen lediglich die Lederlaschen mit Knöpfen
und der Deckel.
Bei beiden Behältern konnten in Siwa Arbeiten von 4—4,5 Wülsten auf
einen cm Korbhöhe beobachtet werden, was in ganz Ägypten einzig sein
dürfte (vgl. Faiyüm-Flechterei mit durchschnittlich vier Wülsten auf fünf cm
Höhe).
Von gleicher Feinheit sind die in Siwa selbst hergestellten Brotteller
(tarqant) mit einem roten Zentrum aus Leder (‘agäd oder it-talg). Der Rand
dieser 30 bis 50 cm im Durchmesser großen, in Siwa aus naturfarbener Palm-
faser, in Garah aus vorgefärbtem Material hergestellten Teller wurde früher
mit Leder umwickelt. Heute verwendet man ebenso wie für die Bestickung nur
noch Baumwolle. Abb. 35 zeigt einen tarqant aus Garah, der sehr viel gröber
ist als die Siwa-Stücke (sieben bis acht Wülste auf fünf cm). Keiner dieser
Teller ist bestickt oder wird mit Perlmuttknöpfen benäht. Grund hierfür ist
die Armut der Menschen in dieser kleinen Ansiedlung, die zugleich aber da-
für verantwortlich ist, daß die Frauen hier für den Export nach Siwa produ-
zieren. Daher setzt sich diese billigere Ware auch zunehmend an die Stelle
der besseren selbstgefertigten Teller. Aus Garah stammt auch der Fliegenwedel
(nazlrl), ein aus buntgefärbten Palmfasern zusammengefügter Wedel mit
Griffstück, an dem die charakteristischen Bommeln (tshushit) hängen.
4.2. Schmuck
Die vielfältigen Formen des Silberschmucks sind schon öfters Gegenstand
der wissenschaftlichen Darstellung geworden (vgl. Schienerl 1973, 1976, 1977,
1980 a, 1980 b). Eine weitere Arbeit, die eine Gesamttypologie des Siwa-
Schmucks vorlegen wird, befindet sich im Abschlußstadium (Bliss/Weißen-
berger).
Im Hinblick auf die Rollenverteilung beim Silberschmiedehandwerk sei nur
ein interessantes Ergebnis unserer Feldforschung aus dem Jahre 1981 vorge-
stellt: Während man bislang annehmen konnte, daß lediglich männliche
Schmiede für die Fertigung des Schmucks verantwortlich zeichneten, belegt
eine Befragung vor Ort, daß wenigstens eine Frau wesentlichen Anteil an die-
sem Handwerk gehabt haben muß. Heute kommt aller neuer Schmuck aus der
Fland eines vermutlich jüdischen Silberschmiedes in Alexandria, der aber nur
die Tradition von früher in der Oase selbst ansässigen Handwerkern fort-
setzt. Seine Arbeiten sind mittelmäßig und zunehmend aus unedlen Metallen.
Die besten Stücke dieses Jahrhunderts sollen von einem Siwaner namens gab-
gab stammen, der in den fünfziger Jahren starb. Sein Neffe übt das Hand-
46
Bliss, Kunsthandwerk der Oase Siwa
werk noch in einigen Fällen für den Schmuckbedarf der eigenen Großfamilie
aus, verkauft aber keine Stücke. Dieser gah-gah soll irgendwann im ersten
Viertel dieses Jahrhunderts seine Kunstfertigkeit nicht von seinem Vater
übernommen haben, sondern von seiner Frau, deren Verwandte die Techni-
ken entweder aus dem Westen mitgebracht oder schon in Siwa selbst ange-
wandt haben sollen. Sie selbst habe einen Großteil der damals angefertigten
Schmuckstücke hergestellt, heißt es in mehreren voneinander unabhängigen
Quellen. Sollte sich diese Information bewahrheiten, würfe sie ein völlig ande-
res Licht auf die stets unterstellte schlechte Position der Frau in Siwa.
4.3. Lederarbeiten
Nach Langles (1803: 390) soll es einmal sehr bekannte Lederteppiche
namens el-auähhyeh oder „Teppiche der Oase“ in Siwa gegeben haben. Der
Autor führt den Schriftsteller Ibn Ayas an, der ihnen als den einzigen Pro-
dukten der Oase einige positive Worte widmet („ . . . qui sont d’une grande
beaute.“).
Heute lassen sich diese Teppiche nicht mehr nachweisen. Auch ist die Ver-
arbeitung von Leder jeglicher Art kaum noch ein ausgeübtes Handwerk.
Einige Teile der Eselgeschirre werden zwar unter Verwendung von Leder
repariert, jedoch nicht in Siwa hergestellt. Übrig bleiben drei Verwendungs-
formen von Leder, die gerade in diesen Jahren stark im Zurückgehen sind:
1. die ledernen Bestandteile der Brotteller tarqant, von Frauen in die Mitte
der Flechtarbeit eingelassen, oder die ledernen Laschen an der marmürah,
2. die zarahln, rote Lederschuhe, die fertig von Nomaden eingekauft wer-
den und in Siwa mit Seide oder Baumwollfäden bestickt zu werden pflegen,
3. der tankult, ein Behälter für Antimon, der als khul (arab. Bezeich-
nung) in der Schönheitspflege verwendet wird. Dieser tankult ist Bestandteil
der Hochzeitsausstattung, wird aber nach Aussagen einiger Informanten auf-
grund des erforderlichen Geschicks bei der Herstellung nicht mehr angefertigt.
Während die Verarbeitung von Leder in Geschirren eindeutig von Männern
ausgeführt wird, ist die Verschönerung des Leders in den zuletzt genannten
Fällen reine Frauenarbeit. Wer allerdings das rote Leder für den tankult
und die Korbbestandteile gefertigt, ist nicht bekannt. Wir gehen aber davon
aus, daß auch diese Stücke von Aüläd-cAli-Nomaden eingekauft werden bzw.
von den in der Depression seßhaft gewordenen Mitgliedern dieses Volkes an-
gefertigt und eingetauscht werden. Bei den Schuhen ist der Nachweis hierfür
durch die Tatsache erbracht, daß die Siwaner diese Schuhe von den Nomaden
übernommen haben, bei denen ihre Verbreitung von Alexandria bis nach
Libyen hinein reicht.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
47
Der tankult (Fig. 20) ist heute das wertvollste Stück der traditionellen Hoch-
zeitsausstattung der Braut — einmal abgesehen vom Schmuck, der aber vom
mahr bezahlt wird. Ein Bambusrohr (tranimt) oder in selteneren Fällen ein
Glasröhrchen wird mit Leder in einer Weise bezogen, daß auf der einen Seite
eine tiefe Tasche (‘immarüd) für einen massiven silbernen ^«/-Streicher (bis
zu 100 g!) frei bleibt. Das Bambusrohr wird mit einem ledernen Pfropfen
{’amür) verschlossen, der an einem Riemen an der Umhüllung befestigt ist.
Nach unten hin läuft der tankult in mehreren ledernen Zierstreifen (ligwätin)
und seidenen Troddeln aus. Die Lederstreifen werden ebenso wie die Umhül-
lung des Bambusröhrchens sehr sorgfältig mit Seide bestickt und anschließend
mit Permuttknöpfen benäht (5izrälr). Das in Abb. 37 gezeigte Exemplar wurde
schließlich noch mit vier in Silber gefaßten gingilt (farbige Glasstücke, die
mit Gravuren versehen werden, z. B. Stern und Halbmond) versehen. Hinzu
kamen zwei kleine aus Glasperlen aufgereihte khamlsah- Glücksbringer. Der
tankult wird in der Hochzeitsnacht im Brautgemach an die Wand gehängt.
Anschließend bleibt er nur noch ein Erinnerungsstück, das eventuell an die
Tochter vererbt wird. Wie Teile des Silberschmuckes dient dieser manchmal
Fig. 20. tankult, nach Fakhry 1973: Fig. 25.
48
Bliss, Kunsthandwerk der Oase Siwa
bis zu 50 ägyptische Pfund teure Behälter für eine einzige Nacht. Im zuneh-
mend materialistisch denkenden Siwa beginnt das nicht in repräsentative Funk-
tionen einsetzbare Stück damit uninteressant zu werden.
5. Der Verfall des Kunsthandwerkes in Siwa
Obwohl im Gegensatz zu den Oasen des „Neuen Tales“ (Kharga und
Dakhla) oder Bahriyah das Kunsthandwerk in Siwa noch auf einem sehr hohen
Niveau steht und weniger Verfallserscheinungen zeigt, konnte schon für die
Zeit von 1979 bis 1981 ein merklicher Rückgang festgestellt werden. Wenn-
gleich traditionelle Stücke nach Angaben einiger Frauen aus Siwa bei Fest-
lichkeiten immer noch gerne gesehen und weiterhin für diesen Zweck angefer-
tigt werden, verschwinden sie im täglichen Stadtbild der Oase zunehmend.
Nur noch die milaiyya wird wie vor hundert Jahren von allen Frauen ge-
tragen.
Die alten Gerätschaften im Haushalt (Korbwaren wie Keramiken) sind fast
völlig durch Importwaren aus dem Niltal oder Europa abgelöst worden. Die
einzige Ausnahme stellen auch hier die Bestandteile der Brautausstattung dar.
Keineswegs im Rückgang befinden sich die landwirtschaftlichen Gerätschaften
aus Eisen (Hacke und Palmmesser) und die Korbwaren, die von Männern ge-
fertigt werden. Auch der karrü ist kaum in seiner Existenz gefährdet. Im Ge-
genteil können sich bei einem allgemein gestiegenen Einkommen zunehmend
auch kleinere Bauern dieses Gefährt leisten.
Besonders bemerkbar macht sich der Rückgang traditioneller Elemente im
Schmuckwesen. Während wir einerseits eine Wandlung von den ehemals west-
berberischen streng geometrischen Ornamenten zu verspielten floralen Moti-
ven bemerken, werden auf der anderen Seite schon zahlreiche Silberstücke
ganz abgestoßen und durch goldene Schmuckstücke aus dem Niltal oder
Alexandria ersetzt. Diese goldene ägyptische Einheitsware hat natürlich den
Vorteil, daß sie sehr viel bequemer als der bis zu mehrere kg schwere Silber-
schmuck zu tragen ist, zum anderen derzeit einen gewaltigen Prestigewert be-
sitzt.
Angesichts der heiklen militärischen Lage im Grenzgebiet zu Libyen ist der
Tourismus in den letzten Jahren ganz eingestellt worden. Einer kurzen Libe-
ralisierungsphase im Jahre 1980 folgte eine völlige Sperrung der Oase 1981,
ohne daß eine Lockerung dieser Maßnahmen in Sicht ist. Trotzdem waren
während des Forschungsaufenthaltes im Frühjahr 1981 fast alle Familien
sofort bereit, dem Fremden ihre Schmuckstücke oder bestickten Kleider zum
Verkauf anzubieten. Da dieses ohne Aufforderung geschah, lassen sich sehr
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
49
negative Entwicklungen bei einer Aufhebung der Zugangssperre absehen. Ein
abschreckendes Beispiel für eine vom Tourismus überrollte Oase ist Bahriyah,
wo die Frauen inzwischen gegen gutes Geld sogar Schmuckstücke von Ohren
und Armen direkt verkaufen. Mit dem Verkauf einher gehen in zweiter Linie
kommerziell ausgerichtete Veränderungen des Kunsthandwerkes, was sich vor
allem in einfacher dekorierten und oberflächlich angefertigten Stücken aus-
drückt. Für den Verkauf innerhalb der Oase werden diese Produkte bei der
zahlungskräftigeren Konkurrenz der Touristen zu teuer, wodurch auch die
letzten Reste der für den Eigenbedarf produzierten Stücke der Oase verloren-
gehen.
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Nachweis der Abbildungen:
Fig. 12. Abd Allah 1917, p. 12
Fig. 13. Bates 1918 (a, c—k; b vom Verfasser)
Fig. 13. Bates 1918
Fig. 19. Fakhry 1973, Fig. 13
Fig. 20. Fakhry 1973, Fig. 25
Alle anderen Abbildungen stammen vom Verfasser.
52
Bliss, Kunsthandwerk der Oase Siwa
Abb. 3. Palmmesser ’amglr (Herstellungsstadlen).
Abb. 4. Feldhacke farit
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
53
Abb. 5. Arbeitsmesser tkhusit aus einer alten Feile hergestellt. Oberes Exemplar zeigt
starke Abnutzungsspuren.
Abb. 6. Transportkarren für Esel karru in Siwa-Stadt.
54
Bliss, Kunsthandwerk der Oase Siwa
Abb. 7. Handwerker bei
der Herstellung von Palm-
rippenstühlen.
Abb. 8. Riegel für die In-
nenseite der Haustür.
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55
I
i
Abb. 10. Altes Holzschloß ümutast mit Rauten- und Kreisornamenten.
Abb. 9. Sicherheitsschloß timutast aus Holz für die Außenseite einer Tür.
56
Bliss, Kunsthandwerk der Oase Siwa
Abb. 11. Grabstele ’ishahid vom siidlichen Hauptfriedhof von Siwa.
Abb. 12. it-tabunt, Brotkammer
des Zweikammerbackofens in
Siwa.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
Abb. 13. boqal, Wasserkrug mit zwei oder
vier Henkeln aus Sebukha (bei Siwa).
Abb. 14. tihoqalit, kleiner Wasserkrug
ohne Henkel aus ’AbG Shurüf.
Abb. 15. tranquil, großer Vorratsbehälter mit Palmfaserdeckel.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
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Abb. 18. it-tagin, kleines Kochgefäß mit vier Handhaben.
Abb. 19. af-fisht naabbi, Scherben eines Auffangbeckens zum Händewaschen.
60
Bliss, Kunsthandwerk der Oase Siwa
Abb. 20. ‘agrah, Wassergefäß mit Tülle, Bestandteil der Aussteuer.
Abb. 21. timigmart, Räuchergefäß für die Totenverehrung. Häufig bei den mawalid
berühmter shulükh im Gebrauch.
62
Bliss, Kunsthandwerk der Oase Siwa
Abb. 24. Junge Siwanerin mit einem
nashirah nähuwaq, dem weißen Hoch-
zeitskleid.
Abb. 25. ’akhhlr lihrlr, weißes Hoch-
zeitskleid mit schwarzen Seitenein-
sätzen.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
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Abb. 26. ’akhbir ’iswid, schwarzes Hoch-
zeitsgewand.
Abb. 27. sirwal (arab.), reich bestickte
Hochzeitshosen.
Abb. 27 a. Detailaufnahme des „Gazellenhalses“, ruqh ghazal, bei den sirwal.
64
Bliss, Kunsthandwerk der Oase Siwa
Abb. 28. Kleines Kopftuch des Typs milaiyya (arab.).
Abb. 29. truq'at, ein reich besticktes Kopftuch für Festlichkeiten, getragen von Mädchen
und Frauen.
Abb. 30. Weißes Hochzeitsgewand mit gingilt und
khamisat.
Abb. 32. marguna aus Garah.
Abb. 33. ’arqlm, kleiner Behälter für Mandeln oder Salz.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
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Abb. 34. marmurah, sehr fein geflochtener Behälter für Stücke der Aussteuer.
68
Bliss, Kunsthandwerk der Oase Siwa
Abb. 36. zarabin, rotgefärbte
Lederschuhe der Frauen.
Abb. 37. Wertvoller tankult, ein
Behälter für khul (Antimon), Be-
standteil der Aussteuer.
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69
ZUR VERBREITUNG UND HERKUNFT VON
TÜRKIS UND SODALITH IN PRÄKOLUMBISCHEN
KULTUREN DER KORDILLEREN
HANS RUPPPERT, München
Zusammenfassung
Im Rahmen einer Rekonstruktion des Austausches der Mineralien Türkis
und Sodalith in vorspanischen Kulturen des Andenraumes und des Südwestens
der Vereinigten Staaten und Mesoamerikas mittels chemischer Analysen wurde
auch ein Überblick über Bedeutung, Verarbeitungsform, Verbreitung und Aus-
tauschswege dieser Mineralien mit kultisch-religiöser und/oder prestigebestim-
mender Bedeutung gewonnen.
Türkis ist ein wasserhaltiges Kupfer-Aluminium-Phosphat. Das Mineral ist
ab den letzten Jahrhunderten vor der Zeitenwende in der Hohokam-Kultur im
südlichen Arizona vertreten. Aus etwas späterer Zeit stammen Türkisarbeiten
der Mogollon. Im Anasazi-Kulturbereich taucht Türkis zum ersten Male in der
Basketmaker Ill-Phase auf, wird aber erst in der darauffolgenden Pueblo
T-Phase zum eigentlichen Kulturgut. Etwa ab dem 4. bis zum 8. Jahrhundert
n. Chr. dürfte Türkis vermutlich aus dem Hohokamgebiet nach Zentralmexiko
gelangt sein, wahrscheinlich über Alta Vista de Chalchihuites in Zacatecas. Vom
11. bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts existierte im Chaco Canyon im Nord-
westen New Mexicos ein kulturelles Zentrum, das Türkis wahrscheinlich über
die Mimbres-Region im Südwesten New Mexicos entlang des Ostrandes der
Sierra Madre Occidental nach Mexiko lieferte. Ab etwa 1150 bis 1300 n. Chr.
gelangte das Mineral von Casas Grandes im Nordwesten Chihuahuas über La
Quemada in Zacatecas in das toltekische Mexiko. Von etwa 1200 bis zum
14. Jahrhundert diente eventuell die Küstenniederung entlang des Golfes von
Kalifornien als Transportweg, vom Ende des 14. Jahrhunderts bis zur Kon-
quista eventuell der Korridor Rio Grande — Rio Conchos — Rio Florida.
Türkis wurde erst in nachklassischer Zeit von den Tolteken bei den Maya ein-
geführt. Dieses Gebiet repräsentiert die Südgrenze der Verbreitung von Türkis
in Mittelamerika.
Den Kulturen des Andenraumes ist Türkis spätestens ab dem 2. Jahrtausend
v. Chr. bekannt: er tritt auf in der Ausgrabungsstätte Poro-Poro bei Udima
70
Ruppert, Türkis und Sodalith in präkolumbischen Kulturen
in Nordperu, in Huachichocana in Jujuy in Nordwestargentinien und vermut-
lich bei Andahuaylas im südlichen peruanischen Hochland und im Asia-Tal an
der südlich-zentralen peruanischen Küste. In der Folgezeit ist das Mineral in
nahezu allen Kulturen Perus bis zur Inkazeit vertreten: Chavin und Cu-
pisnique, Salinar, Virú, Moche, Recuay, Viehs, Lambayeque und Chimó an der
Nordküste Perus und Milagro in Ekuador; in den Ausgrabungen des Chilca-
Tales, Pachacamac und Ancón an der zentralen peruanischen Küste; Nazca,
lea und Chincha an der südlichen bzw. südlich-zentralen Küste und auf dem
südlichen Hochland in Huari, Piquillacta und anderen Stätten. In Tiahuanaco
auf dem bolivianischen Altiplano Ist Türkis in den Perioden II—IV vertreten.
In Nordwestargentinien ist das Mineral in stärkerem Ausmaß in den Kul-
turen ab der Zeitenwende bis in die historische Zeit hinein verbreitet, insbe-
sonders in den Kulturen Condorhuasi, Ciénaga, Alamito, Candelaria, La
Aguada, Belén, Santa Maria, Sanagasta-Angualasto, Humahuaca und im Puna-
Komplex. In der Provinz Mendoza liegt wahrscheinlich die Südgrenze der
Verbreitung, in der Selva am Andenrand die Ostgrenze.
Die Oase von San Pedro de Atacama in der nordchilenischen Puna war
Bearbeitungszentrum für Türkis ab den letzten Jahrhunderten v. Chr. bis zur
Konquista mit einer Blütezeit von etwa 200—900 n. Chr. Türkis gehörte auch
zu den exotischen Gütern der Kulturen El Molle, Las Animas und Diaguita im
„Norte Chico“ Chiles und den Fundorten Playa Miller und Azapa im nörd-
lichsten Teil Chiles.
Den genannten Kulturen des Andenraumes und des Felsengebirges gemein-
sam ist die weite Verbreitung zylindrischer, durchbohrter Türkisperlen, die
häufig mit Muschel- und Knochenperlen gemeinsam Vorkommen. Gold-Türkis-
Arbeiten, wie sie seit der Chavinzeit im peruanischen und ekuadorianischen
Andengebiet bekannt sind, Einlegearbeiten von zylindrischen Türkisperlen in
Holz, die besonders in Nordwestargentinien und Chile verbreitet sind, Türkis-
figuren mit Idolcharakter und Perlengewebe mit Türkis- und Muschelperlen
waren im nord- und meso-amerikanischen Kulturgebiet unbekannt. Dagegen
sind Einlegearbeiten von meist rechteckig geformten Türkisstückchen auf ver-
schiedenen Materialien wie Muscheln, Holz usw. in Südamerika selten.
Türkishandel zwischen den Kulturen Mesoamerikas und des zentralen
Andengebietes kann wegen des wesentlich früheren Auftauchens von Türkis in
den andinen Kulturen, wegen Fehlens von Türkis in den Kulturen Zentral-
amerikas und Kolumbiens, wegen unterschiedlicher Verarbeitungsformen und
wegen charakteristischer chemischer Unterschiede zwischen Türkisen des Süd-
westens und Mesoamerikas und denen des Andenraumes ausgeschlossen werden.
71
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
Ein Vergleich der chemischen Zusammensetzung führt weiterhin zu dem Schluß,
daß die Kulturen der zentralen und nördlichen Küste Perus und Ekuadors aus
zwei bisher unbekannten oder erschöpften Lagerstätten in den nördlichen perua-
nischen Kordilleren Türkis bezogen, das kulturelle Zentrum von Huari aus einer
bisher nicht gefundenen Lagerstätte in den südlich-zentralen peruanischen
Anden. Die Kulturen Nordwestargentiniens, des südlichsten Boliviens und
Tiahuanaco führten die Mehrzahl ihrer Türkise wahrscheinlich aus den Lager-
stätten Nordchiles ein: Chuquicamata, El Abrá, El Salvador, einem vermuteten
Vorkommen östlich von Arica und bisher unbekannten chilenischen Minen.
Aus den genannten Lagerstätten stammen die Türkise der Oase von San Pedro
de Atacama, weiterhin aus Playa Miller und Azapa bei Arica. Lieferorte der
Kulturen El Molle und Diaguita waren El Altar bei Ovalle im nördlich-
zentralen Chile und die genannten nördlichen Vorkommen. Von El Altar aus
gelangte Türkis auch zu den Kulturen in der Provinz Mendoza in Nordwest-
argentinien. In der Einflußsphäre der Kulturen des Valle de Hualfin in der
Provinz Catamarca existiert vermutlich ebenfalls ein unbekanntes Vorkommen.
In nahezu allen peruanischen, bolivianischen und nordwestargentinischen
Kulturen sowie bei Arica kommen sporadisch dunkelblaue bis blauviolette
Perlen vor. Sie sind häufig mit Muschel- und Türkisperlen assoziiert. Chemische
Untersuchungen erbrachten, daß sie aus reinem Sodalith, einem chlorhaltigen
Natrium-Aluminium-Silikat, bestehen und nicht aus Lapis-Lazuli, wie meistens
in der archäologischen Literatur geschrieben wird. Farbe, kleine Einschlüsse
und die chemische Zusammensetzung legen nahe, daß der Sodalith ausschließ-
lich am Cerro Sapo in der Provinz Cochabamba in Bolivien, der einzig be-
kannten Lagerstätte mit Sodalithen entsprechender Qualität, gewonnen wurde.
Die Ausbeutung dieser Lagerstätte sollte an Fiand der archäologischen Sodalith-
funde bei Andahuaylas, im Asia-Tal und im Quiani-Komplex bei Arica spä-
testens am Anfang des 2. Jahrtausends v. Chr. begonnen haben.
ON THE DISTRIBUTION AND ORIGIN OF
TURQUOISE AND SOD ALITE IN PRE-COLUMBIAN
CULTURES OF THE CORDILLERAS
Abstract
The significance, craftmanship, distribution and exchange of the minerals
turquoise and sodalite in pre-Spanish cultures of the Andes, the southwestern
U.S.A. and Mexico are described. This investigation operates within an attempt
72
Ruppert, Tiirkis und Sodalith in prakolumbischen Kulturen
to reconstruct, through chemical analyses, the trade patterns of these minerals,
which have religeous and prestigeous ramifications.
Turquoise is an hydrated copper-aluminum-phosphate. The mineral is found
from about the 3rd century B. C. on in the Hohokam culture of southern
Arizona. The first turquoise works of the Mogollen appear somewhat later.
Within the sphere of the Anasazi culture the first turquoise is found in the
Basketrnaker III phase. The mineral achieves true cultural value in the ensuing
Pueblo I phase. From approximately the 4th to the 8th century A. D. turquoise
can be assumed to have reached central Mexico from the Hohokam region,
probably via Alta Vista Chalchihuites in Zacatecas. From the 11th to the
middle of the 12th century a cultural center existed in Chaco Canyon in north-
western New Mexico from which turquoise was probably exported to central
Mexico over the Mimbres region in southwestern New Mexico and along the
eastern rim of the Sierra Madre Occidental. From circa 1150—1300 A. D. the
mineral reached Toltec Mexico from the Casas Grandes in northwestern
Chihuahua by means of La Quemada in Zacatecas. From approximately 1200
to the 14th century, the coastal lowlands along the Gulf of California probably
served as a trade route for turquoise, from the end of the 14th century til
historic time the Grande — Rio Conchos — Rio Florida corridor. The
mineral was first introduced to the Mayas by the Toltecs in postclassic times.
The Mayan region represents the southern boundary for the spread of turquoise
in Central America.
In the cultures of the Andean region turquoise first appears in the second
millenium B. C. at the latest: in the excavation site of Poro-Poro near Udima
(northern Peru), in Huachichocana in Jujuy (northwestern Argentina), pre-
sumably near Andahuaylas in the Departamento Apurimac (southern Peruvian
highlands) and in the Asia-Valley (south-central Peruvian coast). During the
subsequent periods the mineral can be found in nearly all the cultures of
Peru until the time of the Incas: Chavín-Cupisnique, Salinar, Viró, Moche,
Recuay, Vicus, Lambayeque and Chimb on the northcoast of Peru and Milagro
in Ecuador; in the excavations of the Chilca Valley, Pachacamac and Ancón
on the central Peruvian coast; Nazca, lea and Chincha on the southern or
south-central coast; Huari, Piquillacta and other sites in the south-central
highlands. In Tiahuanaco on the Bolivian Altiplano there is evidence of
turquoise in the periods II—IV.
In northwestern Argentina the mineral is widespread in cultures from the
beginning of the Christian era up to historic times, in particular in the fol-
lowing cultures: Condorhuasi, Ciénaga, Alamito, Candelaria, La Aguada,
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
73
Belén, Santa María, Sanagasta-Angualasto, Fiumahuaca, and Puna Complex.
The southernmost extent of the distribution probably lies in the Mendoza
province, the eastern boundary in the Selva on the rim of the Andes.
The Oasis of San Pedro de Atacama in the northern Chilean Puna was the
handicraft center for turquoise in Chile from the final centuries B. C. on until
the Conquista, with its highpoint lasting from about 200—900 A. D. Turquoise
also belongs to the exotic wares of the cultures El Molle, Las Animas and
Diaguita in the “Norte Chico” of Chile and of the sites of Playa Miller and
Azapa in the northernmost part of Chile as well.
Cylindrical, perforated turquoise beads, which often occur in connection
with shell and bone beads, are common to the cultures of both the Andes and
the Rocky Mountains. Unknown to the Mesoamerican and Southwestern
cultural spheres are the following: turquoise works with gold, as they are
known from the Chavin time on in the Peruvian and Ecuadorian Andes;
inlay work of spherical beads into wood, which is particularly widespread
in northwestern Argentina and Chile; turquoise idols; bead weavings with
turquoise and shell beads. On the other hand, it is inlay work of mostly
rectangular turquoise pieces, placed upon various materials such as shell and
wood, which is rare in South America.
Turquoise trade between the cultures of Mesoamerica and the Andean region
can be excluded 1) on the basis of the substantially earlier appearence of
turquoise in the Andean cultures, 2) because of the lack of turquoise in the
cultures of Central America and Columbia, 3) owing to the different pro-
duction forms, and 4) because turquoise samples from the Southwest and
Mesoamerica differ in their chemical compositions from those of the Andean
cultures.
A comparison of turquoise compositions leads furthermore to the conclusion
that the cultures of the central and northern coast of Peru and Ecuador derived
their turquoise from two still unknown or exhausted deposits in the northern
Peruvian Andes; the cultural center of Huari drew its turquoise from a yet
undiscovered deposit in the south-central Peruvian Andes. The cultures of
northwestern Argentina, of southernmost Bolivia and Tiahuanaco introduced
the greater part of their turquoise from deposits in northern Chile: from
Chuquicamata, El Abrá, El Salvador, from a presumed mine east of Arica
and from still unknown Chilean mines. The turquoise of the Oasis of San
Pedro de Atacama as well as that of Playa Miller and Azapa near Arica all
stems from these same deposits. The cultures of El Molle and Diaguita got
their turquoise from El Altar near Ovalle and from the above mentioned
74
Ruppert, Türkis und Sodalith in prakolumbischen Kulturen
mines. El Altar was also the point of origin for some archaeological turquoise
in the province of Mendoza. Another unknown turquoise mine most likely
existed near the Valley of Hualfin in Catamarca.
Beads of dark-blue to blue-violet color are sporadically found in nearly all
Peruvian, Bolivian and NW-Argentinian cultures, as well as near Arlca in
northern Chile. They are often associated with turquoise and shell beads.
Chemical investigations show that these beads consist of pure sodalite, a
chlorine-rich sodium-alumimum-silicate, and not of lapis lazuli, as it is usually
described in the archaeological literature. Color, inclusions and composition
suggest that this sodalite was mined exclusively at the Cerro Sapo in the
province Cochabamba (Bolivia), which is the only known deposit in the
Andes containing sodalite of this quality. On the basis of archaeological
sodalite finds near Andahuaylas, in the Asia Valley, and in the Quiani-
Complex near Arica, working of this deposit probably began early in the
second millenium B. C. at the latest.
RESPECTO DE LA DIFUSIÓN Y ORIGEN DE TURQUESA Y
SODALITA EN CULTURAS PRECOLUMBINAS DE LAS AMÉRICAS
Resumen
Aquí se describe la significación, distribución e intercambio de minerales de
turquesa y sodalita dentro de las culturas prehispánicas de los Andes y sud-
oeste de los EEUU y Centro America. Esta investigación se realizó en el marco
de reconstruir, por medio de análisis químicos, la difusión y las vías del
comercio de estos minerales, los cuales tienen ramificaciones culto-religiosas o
de prestigio.
La turquesa es un fosfato hidratado de cobre aluminio. Hay evidencias de
este material desde alrededor del 3r. siglo antes de Cristo en la cultura
Hohokam al sur de Arizona (EEUU). Algo más tarde aparecen los trabajos
conteniendos turquesas de los Mogollón. En el ámbito cultural Anasazi aparece
la turquesa por primera vez en la fase Basketmaker III, pero recién en la fase
Pueblo I llega verdaderamente a ser un bien cultural. Aproximadamente a
partir del 4to. hasta el 8vo. siglo después de Cristo la turquesa puede, supuesta-
mente, haber llegado desde la región Hohokam hasta al centro de México,
probablemente sobre Alta Vista de Chalchihuites en Zacatecas. Desde el 11ro.
hasta mediados del 12do. siglo existía en Chaco Canyon al noroeste de Nueva
México un centro cultural que proveía turquesas a México probablemente vía
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
75
la Región Mimbres al sudoeste de Nueva México y el margen oriental de la
Sierra Madre Occidental. Desde 1150 hasta 1300 el mineral llegaba desde
Casas Grandes al noroeste de Chihuahua a través de La Quemada (Zacatecas)
en el México tolteca. Aproximadamente desde 1200 hasta el siglo XIV servía
tal vez la costa baja a lo largo del Golfo de California como vía de transporte,
desde el fin del siglo XIV hasta la conquista el corredor Rio Grande — Rio
Conchos — Rio Florida. Recién después del tiempo post-clásico la turquesa fue
introducida entre los Mayas por los Toltecas. Esta zona representa el límite
sud de la difusión de turquesa en Centro América.
Las culturas de la zona andina conocieron la turquesa, a lo sumo, a partir
del 2do. milenio antes de Cristo: aparece en la excavación Poro-Poro cerca
de Udima al norte del Perú, en Fíuachichocana en Jujuy en el noroeste argen-
tino y, posiblemente, en Andahuaylas en la altiplanicie sud del Perú y en el
valle Asia en la costa sud-central del Perú. Desde entonces el mineral está
representado en casi todas las culturas del Perú hasta el tiempo de los Incas:
Chavín y Cupisnique, Salinar, Virú, Moche, Recuay, Vicús, Lambayeque y
Chimú en la costa norte del Perú; en Pachacamac y Ancón en la costa central
peruana; Nazca, lea y Chincha en la costa sud, o sea, en la costa sud-central,
y Huari, Piquillacta y otros sitios en la meseta del sur. En Tiahuanaco, en el
altiplano boliviano, hubo turquesa en los períodos II—IV.
En el noroeste argentino el mineral está fuertemente difundido en las culturas
a partir del principio de la Era Cristiana hasta entrando en los tiempos históri-
cos, en particular en las culturas Condorhuasi, Ciénaga, Alamito, Candelaria,
La Aguada, Belén, Santa María, Sanagasta-Angualasto, Humahuaca y el
complejo de la Puna. El límite de difusión tal vez está ubicado al sud de la
provincia de Mendoza; y en la selva, al borde de los Andes el límite este.
El oasis de San Pedro de Atacama en la puna norte-chilena fue centro de
manufactura en Chile a partir del últimos siglos antes de Cristo hasta la
Conquista con una época de florecimiento entre los 200—900 después de
Cristo. La turquesa pertenecía también a los bienes exóticos de las culturas
El Molle, Las Animas y DIaguita en el „Norte Chico“ de Chile y de los sitios
arqueológicos de Playa Miller y Azapa en el extremo norte de Chile.
La amplia difusión de cuentas de turquesa cilindricas y perforadas con perlas
de concha y hueso es común en las mencionadas culturas del ámbito de los
Andes y de las Montañas Rocosas. Trabajos de turquesa-oro, como son conoci-
dos desde la época Chavín en la zona andina de Perú y Ecuador, trabajos de
incrustación de perlas cilindricas de turquesa en madera, que están especial-
mente difundidas en el noroeste de Argentina y Chile, figuras de turquesa con
76
Ruppert, Turkis und Sodalith in prákolumbischen Kulturen
carácter de ídolo y tejidos cubiertos de cuentas de turquesa y concha eran
desconocidos en el ámbito cultural norte y mesoamericano. En cambio, tra-
bajos de incrustación de turquesa, en su mayoría pedacitos de forma rectan-
gular, sobre diferentes materiales como concha y madera, son escasos en Sud-
américa.
El comercio de turquesas entre las culturas de Mesoamérica y la parte central
de la región andina debe descartarse porque la turquesa aparece más temprano
en las culturas andinas, por la falta de turquesas en las culturas centro-
americanas y de Colombia, por diferentes maneras de manufactura y por
diferencias químicas características entre pruebas de turquesa del Sudoeste y
Mesoamérica y aquellas del ámbito andino. Una comparación de su com-
posición, además, lleva a la conclusión que las culturas de la costa central y
norte de Perú y Ecuador, obtenían turquesa de dos, hasta ahora, desconocidos
o agotados yacimientos en el norte de las cordilleras peruanas; el centro cul-
tural de Huari la obtendría de un yacimiento hasta ahora no descubierto en
la parte centro-sud de los Andes peruanos. Las culturas del noroeste de Argen-
tina, del sud de Bolivia y Tiahuanaco obtendrían la mayor parte de sus tur-
quesas en yacimientos del norte de Chile: Chuquicamata, El Abrá, El Salvador,
un supuesto yacimiento al este de Arica y otras minas chilenas, hasta ahora
desconocidas. De los mismos yacimientos provienen las turquesas del oasis de
San Pedro de Atacama, además de Playa Miller y Azapa, cerca de Arica. El
Altar, cerca de Ovalle en el centro norte de Chile, y las minas norteñas men-
cionadas fueron los proveedores de turquesa de las culturas El Molle y Diagui-
ta. Desde El Altar la turquesa llegaba también a las culturas de la provincia
de Mendoza al noroeste argentino. En la esfera de influencia de las culturas
del Valle de Hualfín (Prov. Catamarca) existe probablemente también un
yacimiento desconocido.
En numerosas culturas de Perú, Bolivia y noroeste argentino se dan cuentas
que van del azul oscuro hasta el azul-violeto. Frecuentamente están asociadas
con cuentas de turquesa y concha. Estudios químicos dieron por resultado que
consiste en pura sodalita, un silicato del sodio, aluminio y cloro, y no en
lapis-lázuli, como casi siempre se escribe en la literatura arqueológica. El
color, inclusiones de minerales y composición sugieren que la sodalita se obtenía
exclusivamente en Cerro Sapo en la provincia de Cochabamba (Bolivia), el
único yacimiento conocido que contiene sodalita de una calidad semejante.
La explotación de esto yacimiento debe hacer comenzado, según los hallazgos
arqueológicos de sodalita en Andahuaylas, en el Valle de Asia y en el complejo
Quiani cerca de Arica, lo mas tarde a principios del segundo milenio antes de
Cristo.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
77
1. Einleitung
Türkis war eines der wichtigsten Kulturmineralien der Indianer des Süd-
westens der Vereinigten Staaten, der Zivilisationen des postklassischen Meso-
amerikas und der andinen Kulturen Ekuadors, Perus, Boliviens, Nordchiles
und Nordwestargentiniens. Das blaue bis grüne Mineral ist gemäß seiner
chemischen Formel aus Kupfer, Aluminium, Phosphor, Sauerstoff und Wasser-
stoff zusammengesetzt, kann aber in seiner Struktur Zink, Eisen, Arsen, Chrom,
Scandium, Titan, Vanadium, Cobalt und andere Elemente in variablen Konzen-
trationen aufnehmen. Durch Vergleich der Elementkonzentrationen und -Ver-
hältnisse in Türkisen aus Lagerstätten mit solchen aus archäologischen Aus-
grabungen ist es in einigen Fällen möglich, die Lagerstätte zu bestimmen, in
der der Türkis gewonnen wurde und die Zeitdauer der Ausbeutung der Lager-
stätte in vorspanischer Zeit einzugrenzen. Umgekehrt können mit Hilfe
archäologischer Türkisproben Hinweise auf Lage und Größe unbekannter
Türkisvorkommen erhalten werden. Auch wenn Lagerstätten proben fehlen,
können durch Vergleich archäologischer Proben verschiedener Ausgrabungsorte
bzw. verschiedener Kulturen eventuell Türkisaustausch und kulturelle Verbin-
dungen rekonstruiert werden. Untersuchungen an etwa 1500 Türkisproben und
daraus resultierende Folgerungen für Türkisherkunft und -austausch werden
in einer separaten Publikation beschrieben (Ruppert, 1983). Die Ergebnisse
sind teilweise in diese Veröffentlichung eingearbeitet.
Blauer bis blauvioletter Sodalith, ein chlorhaltiges Natrium-Aluminium-
Silikat, kommt insbesondere in den zentralandinen Kulturen Perus und Boli-
viens, seltener auch Nordwestargentiniens und extrem selten auch Nordchiles
vor, ist jedoch mengenmäßig, verglichen mit Türkis, von untergeordneter
Bedeutung. Seine Wichtigkeit als Austauschindikator liegt in seinem zeitlich
durchlaufenden Auftreten in vielen Kulturen des zentralen Andengebietes
sowie in der lagerstättenkundlich bedingten Besonderheit, daß im gesamten
Andengebiet nur ein, den archäologischen Proben entsprechendes Sodalitvor-
kommen bekannt ist.
2. 2.ur kulturellen Bedeutung von Türkis in vorspanischen Kulturen des
Südwestens der Vereinigten Staaten und Mesoamerikas
Türkis ist ein typisches Zivilisationsmineral. Er gewann im südwestlichen
Kulturraum erst an Bedeutung, als die ersten Siedlungen entstanden. Die
frühesten Funde in Nordamerika stammen aus der Hohokamkultur im Süden
Arizonas aus den letzten Jahrhunderten vor der Zeitenwende (Haury, 1976).
Unter den Relikten von Kulturen, die kein seßhaftes Stadium erreicht haben,
78
Ruppert, Türkis und Sodalith in präkolumbischen Kulturen
sind keine Türkise bekannt, wie Ausgrabungen in Höhlen mit Materialien der
„desert culture tradition“ zeigen (z. B. Loud und Harrington, 1929; Heizer
und Krieger, 1956; Jennings, 1957; Grosscup, 1960), obwohl diese Höhlen
teilweise in unmittelbarer Nähe zugänglicher Türkisvorkommen liegen. Rogers
(1929), der die in prähistorischer Zeit intensiv ausgebeuteten Türkisminen bei
Halloran Springs (San Bernardino County, California) archäologisch unter-
suchte, fand in den Gruben Scherben aus der Basketmaker/Pueblo-Zeit, die
auf Ausbeutung durch die Anasazi hinweisen. In der Nähe der Gruben befind-
liche Fundpunkte der „desert culture tradition“ enthielten keinerlei Türkis.
Türkis hatte im Südwesten religiöse und profane Bedeutung. Die religiöse
Bedeutung zeigt sich durch seine Beigabe In Gräbern, welche sich wahrscheinlich
nach dem zeremoniellen Status der Person richtete (Snow, 1973). McGregor
(1943) beschreibt ein „burial of an early American magician“, ein Begräbnis
in der Ridge Ruin aus der Pueblo 111-Zeit (Sinagua-Zweig, etwa 1100—1300
n. Chr.), welches eine große Anzahl feinstgearbeiteter Türkisarbeiten vor allem
in Mosaikform enthält. Das Auffinden von Türkis in Stützpfeilern und Pfosten
von Häusern, in den Sipapus und Feuerstellen der Kivas symbolisieren even-
tuell eine Schutz- oder Glücksfunktion durch das Mineral. Schreine mit Türkisen
wurden bei verschiedenen Häusern, unter dem Ballspielplatz von Casa Grande
aus der klassischen Hohokam-Zeit (etwa 1100—1450 n. Chr.) und auf ver-
schiedenen Bergen gefunden (nach Angaben bei Bryan, 1931; Hill, 1938; Snow,
1973). Türkis spielt neben anderen exotischen Gütern auch eine Rolle als
Statusindikator in einer differenziert entwickelten Gesellschaft innerhalb der
Plateau-Kulturen des Südwestens, beginnend schon um 600 n. Chr., mit beson-
derer Ausprägung ab dem 11. Jahrhundert (Vivian, 1970; Upham et ah, 1981).
Die mehr profane Bedeutung von Türkis wird betont durch seinen Wert als
Zahlungsmittel in prähistorischer und historischer Zeit (Ball, 1941; Snow,
1973) und durch seine Akkumulation in Zentren der Anasazi wie Pueblo Bonito
und anderen Pueblos des Chaco Canyons (San Juan County im Nord westen
Neu Mexikos) zwischen 900 und Ende des 12. Jahrhunderts n. Chr. (Pepper,
1920; Roberts, 1929; Hewett, 1932; Judd, 1954), in Kings Ruin bei Prescott
(Yavapai Co., Arizona) im gleichen Zeitraum (Spicer und Caywood, 1936)
und in Casas Grandes im nördlichen Chihuahua zwischen 1150 und 1300 (DI
Peso, 1974; Zeitangabe nach LeBlanc, 1980). Der ökonomische Wert dürfte mit
der Entfernung von der Quelle zunehmen.
Die Bedeutung von blauen und grünen Steinen im nachklassischen meso-
amerikanischen Kulturareal wurde nachträglich durch Iconographien und
Chroniken festgehalten (siehe z. B. Sahagün, 16. Jahrh.; Seler, 1902—1923;
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
79
Krickeberg, 1956; Thouvenot, 1976). Zunächst muß unterschieden werden
zwischen „chalchihuitl“, einer Nahua-Bezeichnung für Jade und andere seltene
kostbare grüne Gesteine und Mineralien (wie z. B. Jadeit, grüner Obsidian,
Smaragd, chlorithaltige Gesteine und Sassurit), und „xiuitl“, einer Bezeich-
nung für seltene kostbare blaue Gesteine (im wesentlichen Türkis). Beide Be-
griffe stehen auch symbolisch für das Kostbare, was ihr Auftauchen in den
Insignien und im Thronschmuck der aztekischen Herrscher bestätigt. Sie
repräsentieren also Statussymbole. Diese Symbole stehen wiederum in engem
Zusammenhang mit religiösen Vorstellungen, wo die Farbe „grün“ für kost-
bares Wasser (= chalchihuatl; bedeutet auch menschliches Opferblut), Leben
und Reinheit steht. Die grüne Farbe taucht bei Tlaloc, dem mexikanischen
Regengott, und Chalchiuhtlicue, der Göttin des fließenden Wassers (weibliches
Gegenstück zum Regengott Tlaloc), auf. Beide Götter repräsentieren wiederum
bestimmte Tage und Stunden, Chalchiuhtlicue auch die vierte der vier prähisto-
rischen Sonnen oder Weltalter und die Region des Westens. Chalchihuitl taucht
weiterhin bei verschiedenen Darstellungen von Tezcatlipoca, dem Schöpfergott
und Gott der Nacht und Himmelsrichtungen, auf: bei Xipe Totec (Gott des
Frühlings und der Erneuerung der Vegetation im Frühling), Quetzalcoatl (ge-
fiederte Schlange, Gott des Lernens, Ausgangspunkt für Kunst, Landwirtschaft
und Wissenschaft; Kukulcän bei den Maya auf Yucatan und in Chiapas oder
K’ucumatz in Guatemala), Huitzilopochtli (Kriegs- und Sonnengott), weiterhin
bei Xochipilli (jugendlicher Aspekt des Sonnengottes, Gott der Jugend, Freude,
Poesie usw.) und Ixcocauhqui (Feuergott). Die Blaue Farbe des „xiutitl“, in
ihrer Vollkommenheit des „teoxiuitl“ (= Türkis der Götter) entspricht eben-
falls dem Wasser, weiterhin Gras, Komet, Jahr und Feuer; in der Bedeutung
»Jahr“ wird „xiuitl“ durch die Symbole eines Trapezes oder Strahles, der
Abkürzung für die Sonnenscheibe, bezeichnet. Die Türkisschlange xiuhcoatl,
die Huitzilopochtli mit mamalhuaztli (= Feuerholz) auf die Erde wirft, bedeu-
tet Krieg. Sie steht im Gegensatz zu Quetzalcoatl und bedeutet Feuer, trockene
Zeit, Dürre und Hunger. Andererseits gehört die Feuerschlangenmaske xiuh-
couaxayacatl, die mit Türkisen besetzt ist, zur Tracht Quetzalcoatls. Kricke-
berg (1956) geht auf die vielfältigen Verflechtungen dieser Gottheiten ein.
Xiuhtecutli ist der Herr des Türkises, von Himmel und Erde, des Wassers,
des Jahres, des Feuers (das auch Leben schafft), der Kriege, der vier Himmels-
richtungen, verschiedener Zeitabschnitte und des Reichtums. Einige seiner Ab-
zeichen und Inhalte verschmelzen mit denen von Quetzalcoatl und Huitzilo-
pochtli. Die aztekischen Könige und andere Repräsentanten der aztekischen
Gottheiten trugen die äußeren Symbole der Götter, zu denen auch der Türkis-
schmuck gehörte. Moctezuma sandte an Cortez die Insignien von Quetzalcoatl,
80
Ruppert, Türkis und Sodalith in präkolumbischen Kulturen
aber auch von Tezcatlipoca und Tlaloc, unter denen sich eine Schlangenmaske
mit Türkismosaik, ein Schild, der mit Mosaiken belegt war, Gewänder mit
Türkisen und eine Menge Schmuck mit Türkisen befand.
Türkis taucht unter toltekischem Einfluß (900—1200 n. Chr.) im Tempel
der Jaguare und im Castillo in Chichén Itzá auf. Im Supplement-Band zum
„Handbook of the Robert Woods Bliss Collection of Pre-Columbian Art“
(Dumbarton Oaks, Washington, 1969) wird eine Türkismaske beschrieben, die
den obersten Mayagott Itzamná aus klassischer und nachklassischer Mayazeit
repräsentieren soll, den Gott der Schöpfung, von Himmel und Erde, Vater des
Wissens und der Kunst und Vater aller Mayagötter.
3. Präkolumhischer Türkisaustausch im Südwesten der Vereinigten Staaten und
Mesoamerika (Karte 1)
Die ältesten Türkisobjekte in Mesoamerika sind 4kantige Teilchen eines
Mosaikes, die in El Arbolillo im Hochtal von Mexiko bei einem Skelett gefun-
den wurden (Vaillant, 1935) und zur mittleren präklassischen Periode (etwa
1050—875 v. Chr.) gehören. Diese Funde müssen als Ausnahme gewertet
werden, da Türkis erst mehr als 1 Jahrtausend später in Mesoamerika kulturell
bedeutsam wird und aus der Zwischenzeit meines Wissens nach keinerlei
archäologische Türkisfunde bekannt sind. Der Handel von Türkis aus dem
südwestlichen Kulturareal nach Mexiko beginnt mit der Blüte von Teotihuacán.
Ab 300—350 n. Chr. wird die Chalchihuites-Región (Zacatecas und Durango
in Mexiko) besonders seiner blaugrünen Steine wegen vom Hochtal her kolo-
nisiert (Weigand 1968, 1978, 1981). Ab dieser Zeit taucht im nördlichen
Zacatecas, insbesondere in Alta Vista de Chalchihuites, Türkis in Form von
Perlen, Anhängern und Mosaiken auf Muscheln und Holz auf (Kelley, 1971;
Weigand, 1978, 1981). Nach Weigand (1978, 1981) kommt die Hauptmenge
an Türkis aus dem Südwesten der Vereinigten Staaten; nur ein untergeordnet
kleiner Teil wird regional im etwa 270 km nordöstlich gelegenen Minenbezirk
Mazapil-Concepción del Oro in Zacatecas gewonnen. Nach dem Zusammen-
bruch von Teotihuacán im 7. und 8. Jahrhundert nimmt die Bedeutung des
Handelszentrums Alta Vista ab. Die Minen im nordöstlichen Zacatecas wer-
den wahrscheinlich nicht mehr betrieben.
Als nördlicher Handelspartner von Alta Vista kommen die Hohokam im
südlichen Arizona und wahrscheinlich nördlichen Sonora in Frage. Schon um
oder kurz vor der Zeitenwende gibt es mesoamerikanischen Einfluß auf das
Hohokam-Gebiet; ab etwa 500 n. Chr. tauchen in Gegenständen der Hohokam
Chalchihuites-Motive auf (Kelley, 1966, 1971; Haury, 1976). Die Hohokam,
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
81
Abbau:
AD Aldama
AR Las Arrastras
AU Austin
Bisbee
Bullion Distr.
Cananea
Cripple Creek
Columbus Distr.
Cactus Peak
Cortez
Globe-Miami
Jerome
Llanata
Leadville
Morenci
Montezuma
Naco
Number 8
Red Mts.
El Rosario
St. George
Tonopah
Villa Grove
Burro Mtn.
Courtland-Gleeson
Canyon Creek
Crescent Peak
Gil a Bend
Ha lloran Springs
Hachita Mts.
King Mine
Los Cerrillos
Mazapil
Minera! Park
Karte 1: Türkisvorkommen und Fundorte der untersuchten archäologischen Türkis-
proben im Südwesten der USA und in Mexiko
6 Baessler-Archiv XXX
82
Ruppert, Türkis und Sodalith in präkolumbischen Kulturen
von Jernigan (1978) auch „master of shell“ benannt, unternahmen schon in
der Pioneer-Periode (etwa 300 v. Chr. bis 550 n. Chr.) Expeditionen zum Golf
von Kalifornien und an die kalifornische Pazifikküste, um sich mit verschie-
denen Muschelarten zu versorgen (z. B. Haury, 1976; Jernigan, 1978). Türkis-
mosaikteilchen tauchen bei den Hohokam schon in der Vahki-Phase der
Pioneer-Periode (etwa 300 v. Chr. bis zur Zeitenwende) auf, eventuell sogar
früher (Haury, 1976). In den archäologischen Ausgrabungen ist die Menge der
Türkisarbeiten bei den Hohokam sicherlich unterrepräsentiert, da die Hohokam
häufig ihre Toten zusammen mit den Opfergaben verbrannten. Türkis aus dem
Kulturareal der Ootam, die wahrscheinlich einen Seitenzweig der Hohokam im
südöstlichsten Arizona repräsentieren (Di Peso, 1979a; Haury, 1976), stammen,
von wenigen Ausnahmen abgesehen, aus dem im Ootam-Gebiet liegenden
Courtland-Gleeson-Distrikt (Cochise Co., Arizona). Die untersuchten archäolo-
gischen Proben stammten aus Gleeson, Tres Alamos, Texas Canyon (alle nach
700 n. Chr.), der Davis Ranch, Reeve Ruin, Babocomari und San Cayetano
(etwa 1300—1600 n. Chr.). Außerhalb des Gebietes liegen die für die Hohokam
sicherlich erreichbaren Lagerstättendistrikte Burro Mountain bei Silver City
und Tyrone (Grant Co., New Mexico) und Little Hachita (südliche Grant Co.,
New Mexico). Chemische Untersuchungen von Sigleo (1975) an Türkisen von
Snaketown aus der Gila Butte-Phase (550—700 n. Chr.) der kolonialen Hoho-
kam zeigen jedoch, daß die Türkise mit sehr großer Wahrscheinlichkeit in der
Mohave Wüste bei Halloran Springs (San Bernardino County, östliches Kali-
fornien) abgebaut wurden, was in Übereinstimmung mit Expeditionen der
Hohokam an die kalifornische Pazifikküste steht. Rogers (1929 und Brief an
Hill, 1938) beschreibt, wie schon erwähnt, extensive alte Abbauten in diesen
Minen, schreibt aber die Ausbeutung den Basketmaker III-beeinflußten Kul-
turen im Grenzgebiet Arizona — Nevada — Kalifornien zu. Nach 800—900
n. Chr. soll dort kein Türkis mehr abgebaut worden sein. Nach Drover (1981)
herrschte dort aktiver Türkisabbau von etwa 400—1300 n. Chr. Es bleibt die
Frage, warum die Hohokam trotz wesentlich näherliegender Lagerstätten wie
die oben erwähnten Vorkommen sowie Mineral Park (Mohave Co., Arizona),
bei Boulder City (Clark Co., Nevada; Harrington, s. a.), Crescent Peak (Clark
Co., Nevada) solch schwierige Expeditionen auf sich nahmen. Ein Grund mag
darin liegen, daß das Gebiet dieser Minen im weiten Umfeld nahezu unbe-
siedelt war und nicht zum direkten Anspruchsbereich anderer Zivilisationen
gehörte. Türkis wird in allen Perioden der Hohokam bis in die historische Zeit
hinein gefunden (z. B. Haury, 1976; Jernigan, 1978).
Die Mogollon-Kultur, deren Hauptausbreitungsgebiet sich etwa von der
Mitte und dem Südosten Arizonas durch New Mexico nach Chihuahua er-
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
83
streckte und regional sehr unterschiedlich ausgeprägt war, kommt eventuell
als zweiter Türkislieferant in Frage. Jernigan (1978) beschreibt Türkisanhänger,
die in allen Mogoilon-Phasen, also etwa ab der Zeitenwende, hergestellt wur-
den. Er empfindet jedoch, daß die kunsthandwerklichen Fähigkeiten bei den
Hohokam früher ausgeprägt sind als bei den Mogollon. Die frühen Mogollen
lebten abseits in Hochtälern und sind eher von den Hohokam beeinflußt als
von Mesoamerika. Im Mogollon-Gebiet liegen die schon genannten Türkis-
lagerstätten der Distrikte Canyon Creek, Burro Mountain und Linie Hachita,
dazu kommt noch der Jarilla-Distrikt bei Orogrande (Otero Co., New
Mexico).
In der Anasazi-Kultur, die sich im wesentlichen im Norden Arizonas und
New Mexicos und im Süden Utahs und Colorados manifestiert hatte, taucht
Türkis zum ersten Male in der Basketmaker Ill-Phase (450—750 n. Chr.) auf,
gehört aber erst in der darauffolgenden Pueblo I-Phase (750—900 n. Chr.)
zum eigentlichen Kulturgut (Guernsey und Kidder, 1921; Roberts, 1929;
Jernigan, 1978).
Im Gegensatz zur stark ausgeprägten Hohokam-Kultur haben sich während
der klassischen Zeit Mesoamerikas im Anasazi- und Mogollongebiet noch keine
komplexe Gesellschaften mit Kultur- und/oder Handelszentren ausgebildet.
Diese Tatsache, die frühe Verarbeitung von Türkis und die ausgeprägte Kunst-
fertigkeit der Hohokam, ihr Handel mit Muscheln der kalifornischen Pazifik-
küste und des Golfes von Kalifornien und Stileinflüsse der Chalchihuites in
der Hohokam-Keramik sprechen für einen Austausch zwischen den Hohokam
mit den nördlichen Kulturen des klassischen Mesoamerikas. Der Austausch von
Türkis dürfte im 4. Jahrhundert n. Chr. begonnen haben. Eine andere Möglich-
keit für das Auftauchen von Türkis bei den Chalchihuites besteht auch darin,
daß regelrechte Expeditionen nach Norden geschickt wurden, um das wertvolle
Luxusgut Türkis zu gewinnen (Di Peso, 1968, 1974, 1979b; Weigand et ah,
1977; Weigand, 1981).
Ab der frühen postklassischen Periode (ab 900 n. Chr.) bis etwa 1350 wurde
mit dem Aufstieg der Tolteken das kostbare Mineral wieder stärker benötigt,
was stimulierend auf Türkisabbau und -Verarbeitung im Norden wirkte (Snow,
1973). Während dieser Zeit dürfte La Quemada in Zacatecas Vorposten der
1 olteken für den Türkishandel gewesen sein (Weigand, 1981). Im südwest-
lichen Kulturraum bildeten sich zwei große Zentren aus, die wahrscheinlich
als Handelspartner, insbesondere für Türkis, anzusehen sind: Chaco Canyon,
der bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts blühte und dann abrupt von seinen
Bewohnern verlassen wurde, und Casas Grandes, die bis 1300 als Handels-
84
Ruppert, Türkis und Sodalith in präkolumbischen Kulturen
Zentrum fungierten (Snow, 1973; Di Peso, 1974; Weigand et ab, 1977;
LeBlanc, 1980). Eventuell wurde auch vom Prescott-Kulturgebiet aus, das
zwischen 900 und 1200 in Blüte stand, Türkis von Arizona nach Mexiko
geliefert (Kunz, 1892; Spicer und Caywood, 1936). In allen Zentren wurde
bearbeiteter und unbearbeiteter Türkis gefunden. Der Türkis in Chaco Canyon
mußte aus größeren Entfernungen herantransportiert worden sein (z. B.
Mathien, 1981). Die Zusammensetzung der untersuchten Türkise aus Chaco
Canyon geben leider keinen eindeutigen Hinweis darauf, ob sie aus den
Minendistrikten bei Los Cerrillos (Santa Fe Co., New Mexico, etwa 170 km
entfernt), der King Mine (Conejos Co., Colorado, 230 km entfernt), dem
Mineral Park (Mohave Co., Arizona, 550 km entfernt) oder dem Courtland-
Gleeson-Distrikt (Cochise Co., Arizona, 510 km entfernt) stammen. Die
chemischen Zusammensetzungen von Türkisen aus diesen Bezirken überlappen
sich. Los Cerrillos soll der größte prähistorische Türkisminenbezirk in Nord-
amerika gewesen sein (z. B. Sterrett, 1912; Pogue, 1915; Northrop, 1959, 1973).
Türkisabbau im Cerrillos-Distrikt dürfte schon im 7. Jahrhundert n. Chr. be-
gonnen haben und reicht bis in das 17. Jahrhundert, wobei die O’Neil-Gruppe
und der „Türkisberg“ Mt. Chalchihuitl besonders stark vom 14. bis ins
1 7. Jahrhundert ausgebeutet wurden (Snow, 1973; Warren und Weber, 1979).
LeBlanc (1976, 1977) sieht die Blüte der Mimbres-Kultur im Südwesten New
Mexicos, die einen Zweig der Mogollon-Kultur repräsentiert, in ihrer klas-
sischen Zeit (1000—1150 n. Chr.) in engem Zusammenhang mit der Blüte des
Chaco Canyons. Als Ursache dieser Blüte kann der ausgedehnte Handel, beson-
ders von Türkis, aus dem Chaco Canyon in das toltekische Mexiko angesehen
werden. Der direkteste Weg vom Chaco Canyon nach Mesoamerika führt
durch die Mimbres-Region, die zusätzlich noch eigene Türkislagerstätten in
den Burro Mountains und im Hachita-Distrikt (beide Grant Co., New Mexico)
hat. Eine Graphik der Türkishäufigkeit in der Mimbresregion zeigt ein Maxi-
mum in diesem Zeitraum (Snow, 1973). Türkis von der Mattocks-site aus
der klassischen Periode der Mimbres sind chemisch ähnlich zusammengesetzt
wie Türkise aus dem Chaco Canyon, was weiterhin eine Verbindung zwischen
beiden Regionen bestätigt. Dagegen wurden Türkise von der benachbarten
Galaz-site aus der „Late Pithouse Period“ (850—1000 n. Chr.) wahrscheinlich
in den unmittelbar benachbarten Burro Mountains gewonnen.
Mit dem Verlassen des Chaco Canyon verliert auch die Mimbres-Region
ihre wirtschaftliche Basis. Casas Grandes (1150—1300 n. Chr.; LeBlanc, 1980),
das eine komplexere wirtschaftliche Grundlage hat (Di Peso, 1974) wird zum
Zentrum des Türkishandels. Das Verlassen des Chaco Canyons koinzidiert
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
85
zeitlich mit dem Zusammenbruch Tulas und der Abnahme des Einflusses der
Tolteken im Hochtal von Mexiko (Weigand et ab, 1977). Türkise aus den von
Casas Grandes beeinflußten, im Mimbres-Gebiet liegenden Ausgrabungsstätten
Montoya- und Walsh-site (Animas-Phase, um 1175 bzw. 1230—1270 n. Chr.)
unterscheiden sich chemisch wiederum von Türkisen aus dem Chaco Canyon.
Dies ist ebenfalls als Hinweis auf veränderte Türkishandelswege in der Animas-
Phase zu werten.
Die wirtschaftliche Macht Casas Grandes erlosch um 1300. La Quemada in
Zacatecas, Vorposten der Tolteken für den Handel zwischen dem Südwesten
und dem Tal von Mexiko, brach ebenfalls im 14. Jahrhundert endgültig zu-
sammen (Kelley, 1966, 1971; Weigand, 1978, 1981). Dieser Vorposten lag,
ähnlich wie Alta Vista in der klassischen Periode, an einem Handelsweg, der
wahrscheinlich am Ostrand der Sierra Madre Occidental nach Norden führte:
im Tal von Mexiko beginnend durch Michoacan, Jalisco, Zacatecas, Durango,
Chihuahua/Ost-Sonora nach New Mexico/Arizona.
Die Bedeutung von Zacatecas als Bindeglied zwischen dem Südwesten und
Mesoamerika verschwindet im 14. Jahrhundert, obgleich weiterhin große
Türkismengen insbesondere zu den Mixteken, Azteken, Huaxteken und in das
nachklassische Mayagebiet fließen, wie Arbeiten in Form von Perlenketten,
besonders aber von Mosaiken zeigen (z. B. Pogue, 1915; Seler, 1919; Saville,
1922; Mason, 1929; Morris, 1931; Ekholm, 1944; Woodbury und Trik, 1953;
Caso, 1965; Thompson, 1966; Carmichael, 1970; Noguera, 1971). Bei den
Azteken stehen Türkismasken und andere Mosaikarbeiten neben Türkisketten
auf den Tributlisten (z. B. Codex Mendoza, etwa 1541/2; Katz, 1956). Türkis-
arbeiten wurden von Tributbezirken eingefordert, die große Fertigkeiten im
Verarbeiten dieses Minerals zeigten. Das bedeutet jedoch nicht, wie von vielen
Autoren angenommen wird, daß Türkis dort auch in Lagerstätte gefunden
wird. Türkis dürfte in der späten nachklassischen Zeit teilweise über die soge-
nannte Küstenroute nach Mesoamerika gelangt sein. Im Küstengebiet Sinaloas
bildete sich die durchgehende Guasave-Phase, die Endphase des postklassischen
Aztatlan-Komplexes, aus. Sie dauerte von etwa 1200 bis 1400 n. Chr. und war
Wahrscheinlich mixtekisch (Ekholm, 1942) und/oder aztekisch (Kelley, 1966)
beeinflußt. Türkisfunde wie z. B. in Guasave (Ekholm, 1942) bestätigen die
Bedeutung der Küstenstrecke in der nachklassischen Zeit. Die Nordgrenze Meso-
amerikas wandert mit dem Verblühen der Guasave-Phase gegen Ende des
14. Jahrhunderts etwa 450 km nach Süden. Es entsteht ein räumlicher und
kultureller Hiatus zwischen dem Kulturraum des Südwestens und Mesoamerikas
(Kelley, 1966).
86
Ruppert, Türkis und Sodalith in präkolumbischen Kulturen
Im Südwesten selbst hatte sich nach dem Verlassen des Chaco Canyons der
Schwerpunkt der Anasazi-Kultur gegen Ende des 12. Jahrhunderts zunächst
ins Mesa Verde Gebiet im südwestlichen Colorado verlagert und wanderte dann
in der Koalitions-Periode ab dem 13. Jahrhundert in das nördliche Rio Grande
Gebiet, wo am Anfang des 14. Jahrhunderts die sogenannte klassische Periode
(hier identisch mit Pueblo IV) begann. Türkis ist weiterhin stark verbreitet,
die Verarbeitungsqualität ist aber nicht mehr so gut wie in Chaco Canyon
(Jernigan, 1978). Die klassische Periode des Rio Grande Tales (14.—17. Jahrh.)
fällt zeitlich mit der wahrscheinlich stärksten Ausbeute der im Gebiet befind-
lichen Lagerstätte Los Cerrillos zusammen, wie Snow (1973), Warren und
Weber (1979) an Hand von Scherbenfunden nahelegen. Einschlußanalysen an
Türkisen von Arroyo Hondo bei Santa Le, die zum Beginn der klassischen
Periode gehören, weisen ebenfalls auf eine Herkunft aus dem Cerrillos-Distrikt
hin. Türkis dürfte nach Di Peso (1979b) vor allem aus diesem Gebiet durch
den Korridor Rio Grande — Rio Conchos — Rio Llorida ins aztekische Zentral-
mexiko gelangt sein. Im Südwesten zeigt das kulturelle Gut dieser Zeit eine
starke Eigenständigkeit, nahezu unbeeinflußt vom zeitgleichen mesoamerika-
nischen Kulturgut. Eventuelle direkte Expeditionen von Tarasken, Azteken
oder Mixteken in den Südwesten können an Hand von Keramikfunden in
Minen mit prähhistorischen Abbauen wahrscheinlich ausgeschlossen werden
(Rogers, 1929; Snow, 1973; Warren und Weber, 1979; Drover, 1981).
Aus den Produktions- und Verarbeitungszentren im prähistorischen Süd-
westen wurde Türkis nicht nur nach Mexiko geliefert, sondern ist auch spora-
disch in angrenzenden Kulturarealen zu finden: z. B. in Texas (Holden, 1933;
Studer, 1934; Bell, 1947), Kansas (Wedel, 1959, 1964), Nebraska (Wedel, 1964;
Gunnerson, 1968), Mississippi (Peabody, 1904), Wisconsin (Rogers, 1936),
aber auch auf den Westindischen Inseln (Hodge, 1922; Harrington, 1924).
Verschiedenste historische Quellen und Reiseberichte, zusammengefaßt von
Hill (1938), Ball (1941) und Snow (1973), berichten von Türkisen bei Indianern
in Sonora, am Rio Grande und Canadian River in Texas, im östlichen Arkan-
sas, Mississippi und im Gebiet der Großen Seen.
Die Südgrenze der Verbreitung von Türkis in Mittelamerika fällt zusammen
mit der Südgrenze des klassischen Mayagebietes. In klassischer Zeit ist Türkis
bei den Maya unbekannt und wird in der nachklassischen Zeit von Tolteken im
Mayagebiet eingeführt. Als Ausnahme ist eine Türkiseinlage in einer Stele ln
Seibal (Peten, Guatemala) anzusehen, die in der GMT-Korrelation das Datum
849 n. Chr. trägt (Saville, 1922). Die wichtigsten Fundorte in nachklassischer
Zeit sind Chichen Itzä während der Toltec- (etwa 1000—1200 n. Chr.), aber
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
87
auch der Mayapan-Phase (1200—1400 n. Chr.), Zaculeu im Hochland von Guate-
mala während der Tohil-Ayampuc-Phase der mexikanischen Periode (900—
1200 n. Chr.), Iximche im Hochland von Guatemala (14. Jahrh. bis zur Con-
quista der Cakchiquel-Maya) und eventuell Naco im westlichen Honduras in
später nachklassischer Zeit (Blackiston, 1910; Lothrop, 1952; Morris, 1931;
Thompson, 1966; Tozzer, 1957; Woodbury und Trik, 1953; Woodbury, 1965).
Bei der Durchsicht verschiedener archäologischer Sammlungen in El Salvador,
Honduras (Ausnahme Naco), Nicaragua, Costa Rica, Panama und Kolumbien
und im Gespräch mit den dortigen Archäologen konnte keinerlei prähistorisch
bearbeiteter Türkis ermittelt werden.
4. Türkis und Sodalith in präkolumbischen Kulturen des Andenraumes
Türkis war, ebenso wie Sodalith, in den vorspanischen Kulturen von Ekuador
bis Mittelchile und Nordwestargentinien verbreitet. Es ist hier jedoch nur
sehr wenig über die symbolisch-kulturelle Bedeutung dieses Minerals bekannt.
Die Verarbeitung von Türkis zu Perlen, Anhängern und in Mosaikarbeiten, das
Vorkommen zusammen mit Muschel-, Knochen- und anderen Steinperlen legt
eine ähnliche kultische und auch prestigebestimmende Bedeutung nahe wie in
den Kulturräumen des Südwestens der Vereinigten Staaten und Mesoamerikas.
4.1 Historische Quellen
Zarate (1555) schreibt, daß die Einwohner der ekuadorianischen Küste süd-
lich des Äquators Gold-, Silber- und Türkisperlen um Beine und Arme trugen.
Nach Garcllasso de la Vega (1609) schätzten die Inka Smaragd höher ein als
Türkis. Smaragde tauchen jedoch in den Kulturen außerhalb Kolumbiens und
Ekuadors extrem selten auf, fast ausschließlich in der späten Zwischenperiode
ab 1000 n. Chr. und in der Inkazeit. Der 11. Inkaherrscher Huayna Capac,
der von 1493 bis 1527 regierte, fand bei der Unterwerfung der Völker in
Ekuador an der Nordküste unter anderem Smaragde, Türkis und „mollo“,
eine Substanz, die sich in Muscheln bildet (also Perlen oder Perlmutt) (Sarmiento
de Gamboa, 1572). Der Inka Atahualpa schickte an Pizarro, nachdem dieser
Tumbes im nördlichsten Teil Perus eingenommen hatte, Gold, Smaragd und
Türkis. Der Reisende Tschudi (1891) berichtet, daß Türkis in archäologischen
Stätten sehr häufig ist, und daß Türkis, „Lapis-Lazuli“ und Sodalith mehr
oder weniger grob zu Idolen verarbeitet wurden, denen eine extranatürliche,
unpersönliche Macht („waka“) innewohne.
Historische Beschreibungen von Türkislagerstätten im Andengebiet sind sehr
selten. Bibar (1558) schildert, daß die Region bei Coquimbo (La Serena) und
Ruppert, Türkis und Sodalith in präkolumbischen Kulturen
Chanaral im „Norte Chico“ Chiles zur Inkazeit, neben Gold und anderen
„Kristallen“, Türkis als Tribut abführen mußte. Die nächste Türkislagerstätte
zu Coquimbo ist El Altar bei Ovalle, zu Chanaral El Salvador (s. Karte 3).
Llano Zapata (1791) verweist darauf, daß in der Atacama-Wüste Türkise
feinster Qualität gefunden werden. Die wichtigste der Minen sei El Reino de
Chile und befände sich wahrscheinlich in einem Tal bei Copayapo. Copayapo
(heute Copiapö) heiße „sementera de turquesas“ (Türkissaat), weil es viele
Türkise dort gäbe. „Die Provinz Copiabo hat diesen Namen von einer Menge
Türkis erhalten, welche man in den Bergen derselben antraf. ... Sie sind
größtenteils blau, ins graulichte spielend; doch finden sich auch einige, welche
die Juweliere orientalische Türkisse (di vecchia roca) nennen, welche eine schöne
blaue Farbe, und eine beträchtliche Härte haben“ (Molina, 1786, aus einer
Übersetzung aus dem Italienischen). Diese Mine dürfte El Salvador sein.
4.2 Erstes Auftreten
Die älteste Verwendung von Türkis und Sodalith im Andengebiet liegt noch
vor der Chavinzeit. Alva Alva (1979; pers. Mitt. 1979) grub in Poro Poro bei
Udima im Departamento Cajamarca neben Türkisperlen auch ein kleines,
zoomorph geformtes und poliertes Türkisidol aus, das aus der Zeit um 1500
v. Chr. stammt. Die ausgezeichnete Verarbeitungsqualität des Idols läßt auf
allgemein wesentlich frühere Verarbeitung von Türkis schließen. Engel (1963)
fand in einem Grab im Asia- oder Omas-Tal an der südlichen zentralen Küste
von Peru ein kleines, ungebranntes Tontablett mit einem „Spiegel“, in das
scheibenförmige durchbohrte Perlen aus Muscheln und grünen Steinen (wahr-
scheinlich Türkis, vielleicht auch Serpentinit) eingesetzt sind. In den Gräbern
wurde auch eine röhrenförmige Perle aus Lapis-Lazuli (sehr wahrscheinlich
Sodalith), gefunden. Der Fundort Asia I Ist der letzten präkeramischen Phase
(2500—1800 v. Chr.) zuzuordnen (Engel, 1963; Willey, 1971; s. auch Lanning,
1967). Aus der Zeit um 2000 v. Chr. stammen Lapis-Lazuli- (wahrscheinlich
Sodalith-) und Muschelperlen vom Fundort Quiani südlich von Arica in Nord-
chile (Dauelsberg, 1974). Grossman (1972) entdeckte in einem Grab in Way-
waka bei Andahuaylas im Dpto. Apurimac auf dem südlichen Hochland von
Peru Lapis-Lazuli-Perlen (wahrscheinlich Sodalith), Goldfolien und ein Stück
Türkis oder Chrysokoll, das in den Unterkiefer eines Skelettes gelegt worden
war. Der Cerro Sapö bei Cochabamba in Bolivien ist die einzige im Anden-
gebiet befindliche Lagerstätte mit Sodalithen entsprechender Farbe und Ein-
schlüsse (Ahlfeld und Wegner, 1932; Ruppert, 1982). Der Abstand zum Cerro
Sapo beträgt von Asia 1140 km, Waywaka 780 km und von Quiani 400 km
Luftlinie. Fernändez Distel (1974, 1979) fand bei Ausgrabungen in Huachicho-
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
89
cana (50 km südwestlich von Tilcara, Prov. Jujuy, Argentinien) in spät-
präkeramischem Zusammenhang mit Türkis inkrustierte, hölzerne Wurfschleu-
dern sowie ein hölzernes Paar von Ohrscheiben, die mit ungeschliffenen Türkis-
stückchen und jeweils mit einer durchbohrten Türkisperle belegt sind. Eine
Radiokarbondatierung erbrachte 1450 v. Chr.
4.3 Peru, Ekuador, Bolivien (Karte 2)
Carrion Cachot (1948) beschreibt Türkisketten und -perlen aus Gräbern der
Chavin-Zeit (etwa 1200—200 v. Chr.; Zeitangabe nach Burger, 1981) im
Chicama- und Jequetepeque-Tal in Nordperu und in Ancön nördlich von
Lima. Im Museo Brüning in Lambayeque befinden sich Türkisperlen neben
Chavin-Keramik vom Morro de Eten am Südrand des Lambayeque-Tales.
Larco Hoyle (1941, 1945b, 1946) fand in Gräben in Cupisnique (Chicama-
Tal) neben Türkis- und Lapis-Lazuli- (wahrscheinlich Sodalith-)Perlen auch
Ohrscheiben, eine kleine Maske, figürlich geformte Anhänger und verschieden-
artige Gefäße aus poliertem Türkis. Hier und im Tempel in Chavin (Tello,
1960) erscheinen auch die ersten Türkiseinlegearbeiten in Knochen und
Muscheln. In Grab 19 von Cupisnique lagen etwa 1,5 kg Rohtürkis, ein Hin-
weis, daß Objekte aus Türkis an Ort und Stelle hergestellt sein könnten. Im
Nationalmuseum in Lima befindet sich ein kleines zylindrisches Gefäß aus
Türkis mit eingravierter Chavin-Dekoration (Abb. 258 bei Kelemen, 1969).
Im Museo Larco Herrera in Lima ist ein dunkler Steinanhänger aus der
Chavinzeit ausgestellt, auf dem die Züge eines Gesichtes mit rechteckigen
Türkiseinlagen angedeutet sind (s. Larco Hoyle, 1966).
Die Tradition der Verarbeitung von Türkis zu Schmuck setzte sich im Nor-
den Perus bis zur Konquista fort. Die chemische Zusammensetzung der Türkise
gibt ein nahezu eindeutiges Indiz, daß in Nordperu eine heute unbekannte
oder ausgebeutete Türkislagerstätte beträchtlichen Ausmaßes existiert, aus der
der weitaus größte Teil der Türkise der nördlichen Kulturen stammt. Diese
Lagerstätte versorgte über mindestens 3 Jahrtausende (2. Jahrtausend v. Chr.
bis zur Konquista) das nördliche Peru mit dem Mineral (Ruppen, 1983). Die
untersuchten Objekte stammten aus Ausgrabungen im schon erwähnten Poro-
Poro bei Udima (etwa 1500 v. Chr.), vom Morro de Eten in Lambayeque
(etwa 600 v. Chr.), aus der Huaca del Sol und dem Valle de Moche bei Trujillo,
Chuquitanta bei Ferrenafe (alle vermutlich Kultur Moche IV—V, etwa 200 bis
700 n. Chr.), aus der Zona Santa Rosa in Lambayeque (Kultur Lambayeque,
etwa 600 bis 1200 n. Chr.), aus Chan Chan (Kultur Chimu, 11.—15. Jahrh.
n. Chr.), aus Huaräs (späte Zwischenperiode oder Inkazeit, um 1400 n. Chr.),
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Karte 2: Fundorte der untersuchten archäologischen Türkisproben in Peru
und Ekuador
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
91
Chordeley in Ekuador (eventuell um 1000 n. Chr.) und aus Ausgrabungen ohne
genaue zeitliche Zuordnung (z. B. bei Trujillo und Chimbote, bei der Fiacienda
Cayalti im Sana-Tal und dem Cerro „Borro“ bei der Hacienda Collus in der
Provinz Chiclayo). In der Kultur Chimu (Proben aus Chiclayo und einem
unbekannten Fundort) tauchen Türkise aus einem zweiten, bisher nicht bekann-
ten Vorkommen auf, das weiter unten näher charakterisiert wird.
In den Gräbern der Kulturen Salinar, Viru, Vicüs, Moche und Recuay (von
Larco Hoyle fälschlicherweise als Santa-Kultur beschrieben) werden Türkis
und Lapis-Lazuli-(Sodalith-)Perlen gefunden (Uhle, 1889, 1913; Larco Hoyle,
1944, 1945a, c, 1946, 1960, 1966; Kröber, 1944). Die Kombination von Türkis
mit anderen Materialien und vor allem feinste Verarbeitungstechniken, wie sie
in der Chavin-Kultur verbreitet waren, werden erst wieder in der Vicüs- und
Mochezeit angewandt. Im Goldmuseum in Lima sind beispielsweise neben
Türkisketten auch Nasenpflöcke mit Türkisinkrustationen und kleine Gold-
vögel mit Augen aus Türkisperlen ausgestellt, die der Kultur Vicüs (grob 100
v. bis 600 n. Chr.) zugeordnet werden. Sie stammen von der Hacienda Pabür
im Dpto. Piura im nördlichsten Peru. Andere Goldobjekte mit Türkis fanden
sich bei dem kleinen Dorf Frias im gleichen Departamento. Sie ähneln den
Arbeiten der Moche und denen aus Vicüs. Die Objekte aus Pabür und Frias
können wahrscheinlich als Vorläufer zu den zeitlich späteren Mochearbeiten
angesehen werden (Kauffmann Doig, 1978). Beispiele aus der Moche-Kultur
sind die Gesichter einiger Keramik-, Stein- und Knochenfiguren, die mit läng-
lichen, rechtwinkeligen und rundlichen Türkisen eingelegt sind (Museo Larco
Herrera, Lima; Lindenmuseum, Stuttgart). Türkis wurde vor allem in Gold
(z. B. Ohrscheiben und Gefäße), Muscheln (Anhänger) und auch Knochen
(Ohrscheiben und geschnitzte und skulpierte Unterarme) eingesetzt (Uhle Col-
lection, Lowie Museum, University of California, Berkeley; Museo Larco
Herrera, Lima; Museo Nacional, Lima; Museo del Oro, Lima; Art Museum
Dayton, Ohio; Museum of Natural History and Museum of Primitive Art,
New York; Robert Woods Bliss Collection, Dumbarton Oaks, Washington;
British Museum, London). Gräber im Virü-Tal enthalten neben Türkisperlen
hölzerne Zeremonialstäbe mit Türkisinkrustationen, Halsschmuck aus Türkis-
und Muschelperlen, sowie eine Mundmaske aus vergoldetem Kupfer mit ein-
gesetzten runden polierten Gesteinen, die von Türkisperlen umgeben sind
(Strong und Evans, 1952). Uhle exkavierte am Fuße der Hauptterrasse der
Fluaca de la Luna und bei der Huaca del Sol bei Trujillo neben Gold- und
Kupferobjekten auch Türkis- und Sodalithperlen, Kugeln, die zur Hälfte aus
Türkis und zur Hälfte aus Gold bestehen, Muschelanhänger mit eingelegten
Perlen und anders geformten, polierten Fragmenten aus Türkis, goldene und
92
Ruppert, Türkis und Sodalith in präkolumbischen Kulturen
knöcherne Ohrscheiben mit Türkismosaik, etwa 4,5 cm große, hohle, goldene
Menschenfigürchen mit Türkisaugen und einen trapezförmigen Anhänger aus
Gold, aus dem eine Eidechse herausgearbeitet worden war, die mit rechteckigen,
polierten Türkisstücken eingelegt ist (Uhle, 1913; Kroeber, 1944; Uhle Col-
lection, Lowie Museum, Berkeley).
Die Tradition der kombinierten Gold-Türkisarbeiten wird in den Kulturen
Lambayeque und Chimú fortgesetzt, aus denen die meisten Türkis-Metall-
Objekte bekannt sind (Mujica Gallo, 1959). Typisch in beiden Kulturen ist
die schon in den Kulturen Vicus und Moche vertretene Einlage von durch-
bohrten Türkisperlen an Stelle der Augen verschiedenster Tier-(Vögel, Fellinen
und Schlangen) und Menschenfiguren. Bekannt aus der Kultur Lambayeque
sind die Tumis (Zeremonialmesser mit halbmondförmiger Klinge und mit
Menschen- und meist fellinen Tierfiguren als Griff) und Goldbecher, die mit
rundlichen Türkisen inkrustiert sind, und häufig mit Zinnober gefärbte Gold-
blechmasken mit Türkis-, Smaragd- oder Bergkristallperlenkettchen als Augen.
Weiterhin existieren Goldohrpflöcke mit Muschel-, Türkis-, Sodalith- und
Goldmosaik, kommunizierende Doppelgefäße aus Gold mit Türkiseinlagen
und Zeremonialmesser aus geschnitztem, mit Türkisen eingelegtem Holz in der
Lambayeque-Kultur. Nach Kauffman Doig (1978) wird auf den Zeremonial-
messern häufig der mythische Held Ñaymlap, Gründer der Lambayeque-
Dynastie, dargestellt. Objekte aus beiden Kulturen befinden sich vor allem im
Museo del Oro und Museo Nacional in Lima und im Museo Brüning in Lam-
bayeque. Joyce (1908) beschreibt einen im British Museum in London befind-
lichen, aus Knochen skulpierten, mit Figuren und Formen ornamentierten und
mit Türkis eingelegten Unterarm in Moche-Tradition aus der Chimu-Zeit.
Sicherlich verwandt und in den gleichen Kulturkreis gehörend sind Gold-
Türkis-Arbeiten aus der Provinz Guayas im südlichen Ekuador. Sie sind stili-
stisch und verarbeitungstechnisch denen Nordperus sehr ähnlich und werden
innerhalb der Periode der Integration der Kultur Milagro (500—1500 n. Chr.)
zugeordnet. Ein Großteil dieser Objekte ist im Museo de la Casa de la Cultura
in Guayaquil aufbewahrt. Allerdings waren zum Fundzeitpunkt nur noch sehr
wenige Objekte mit Türkisperlen inkrustiert (O. Holm und R. Parducci, pers.
Mitt. 1979). Ketten mit Gold-, Muschel- und Türkisperlen wurden in Ekuador
auch schon aus der Periode der regionalen Entwicklung (grob 500 v. bis 500
n. Chr.) am Cerro Narrio gefunden (O. Holm, briefliche Mitt. 1980). Ein
anonymer Autor (1977) berichtet von Türkisperlen aus der Phase La Tolita
(Prov. Esmeraldas) und Chaullabamba (Prov. Cañar und Azuay in der Sierra
Südekuadors). Beide Phasen gehören ebenfalls zur Periode der regionalen
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
93
Entwicklung. Marcos (1982) erwähnt ebenfalls Türkis- und Lapis-Lazuli-
(Sodalith-)Funde an der ekuadorianischen Küste aus dem 1. Jahrtausend v.
Chr. Er schließt aus dem Auffinden von Spondylus-Muscheln in Ausgrabungen
in Chile, die nur aus den wärmeren Gewässern nördlich des Äquators kommen
konnten, daß umgekehrt Türkis und Lapis-Lazuli von Chile nach Ekuador
verhandelt worden sei. Dies muß jedoch an Eiand der Türkis- und Sodalith-
analysen ausgeschlossen werden. Im Museum für Völkerkunde in Berlin be-
findet sich eine Kette mit Muschel- und einigen Türkisperlen aus Chordeley
(Prov. Azuay), die wahrscheinlich zur Integrationsperiode oder Inkazeit gehört.
Dorsey (1901) fand auf der Insel La Plata vor der Küste der Provinz Manabi
bearbeitete und unbearbeitete Türkise. Die Provinzen Guayas, Canar und
Azuay, eventuell auch Esmeraldas, stellen wahrscheinlich die Nordgrenze für
die Verbreitung von Türkis im andinen Raum dar, wobei beachtet werden
muß, daß weite Areale des angrenzenden Kolumbiens archäologisch nahezu
unbekannt sind.
Aus den Kulturen der frühen Zwischenperiode (etwa 200 v. bis 600 n. Chr.)
im mittleren bis südlichen Peru wurde bisher weniger Türkis geborgen als im
Norden. Larco Hoyle (1966) beschreibt Ketten aus Gold-, Türkis-, Lapis-
Lazuli- (wahrscheinlich Sodalith) und Muschelperlen aus Gräbern in Nazca,
die um die Zeitenwende angelegt wurden. Uhle fand bei Ocucaje im Ica-Tal
in Gräbern aus der Zeit Nazca 4 (um 200 n. Chr.) etwa 30 Türkis- und einige
Goldperlen (Lowie Museum, Berkeley; s. auch Proulx, 1970). Ebenfalls aus der
Nazca-Kultur ist ein Muschelanhänger mit Einlagen von scheibenförmigen
Türkisperlen und ornamentierter Goldblecheinfassung (Robert Woods Bliss
Collection, Dumbarton Oaks, Washington). Im Museo de Antropologia y
Agricultura Precolumbina in Lima befindet sich eine Halskette mit Türkis-
und Muschelperlen aus dem Valle de Chilca (Lapa-Lapa) südlich von Lima
(etwa 300 v. bis 200 n. Chr.).
In Bolivien taucht der erste Türkis in Tiahuanaco während der Perioden
II—IV auf. Die zeitliche Fixierung dieser Perioden ist extrem schwierig, da
Radiokarbon-Datierungen bisher eine unmöglich große Zeitspanne erbrachten.
G. Gordero (pers. Mitt. 1979) gibt für den Gebrauch von Türkisen einen
Zeitraum von etwa 0 bis 750 n. Chr. an. Tiahuanaco beeinflußte die nord-
chilenischen Kulturen ab etwa 300—400 n. Chr. (Bittman et ah, 1978; Brow-
man, 1978; Nunez A., 1978). Die Zusammensetzung einiger Türkise aus
Tiahuanaco legen eine Herkunft aus Nordchile nahe. Insbesondere ist eine
chemische Ähnlichkeit mit Türkisen aus der Oase von San Pedro de Atacama
und aus dem Valle de Azapa bei Arica gegeben. Dies bestätigt die Einfluß-
94
Ruppert, Türkis und Sodalith in präkolumbischen Kulturen
nähme Tiahuanacos auf Nordchile. Die nur in Umrissen angedeuteten und
grob gearbeiteten Türkisidole aus Tiahuanaco, die sich im archäologischen
Museum in La Paz befinden, wirken gegenüber den bekannten und kulturell
verwandten Türkisidolen aus Piquillacta bei Cuzco plump und roh. Da die
Blüte Piquiilactas nach Lanning (1967) in der Periode 2B des mittleren Hori-
zontes (750—800 n. Chr.) begann, dürften die rohen Idole aus Tiahuanaco
zwischen dem 4. und 8. Jahrhundert n. Chr. entstanden sein. Bandelier (1910;
s. auch Me Bain Chapín, 1961) brachte von seiner Südamerika-Expedition
Türkisperlen aus Tiahuanaco und Kalachaka bei Pelechuco (etwa 210 km
NNW von La Paz) mit, die er dort auf der Erdoberfläche aufgesammelt hatte.
Sie befinden sich im Museum of Natural History, New York. Bennett (1934)
ordnet den Schmuckstein Lapis-Lazuli (wahrscheinlich Sodalith) dem frühen
Tiahuanaco zu, „greenstone“ (wahrscheinlich Türkis) dem späten. Ponce
Sanjines (1972) gibt auf einer Abbildung Goldblechmasken mit Türkisinkrusta-
tionen in den Augen aus der Tiahuanaco IV-Periode wieder, die er allerdings
fälschlicherweise als Soldalith beschreibt. Auch Rydén (1947, 1959) erwähnt
Türkisperlen bei Ausgrabungen in Tiahuanaco und Cayhuasi (40 km NE von
Oruro), einem anderen Ort der Tiahuanaco-Kultur.
Türkisfigürchen tauchen schon sehr früh im Andenraum auf. Das bisher
älteste Idol, ein Figürchen in Form eines sitzenden Tieres, stammt aus dem
schon erwähnten Fundort Poro-Poro bei Udima in Nordperu aus der Zeit um
1500 v. Chr. (Alva Alva, 1979). Eine Türkisfigur eines Fellinen aus der Moche-
Zeit, der einen Menschen trägt, befindet sich in der Robert Woods Bliss Samm-
lung (Dumbarton Oaks, Washington; Lothrop et ah, 1957). Die schon aufge-
führten Türkisfiguren von Piquillacta, die sich Im Museo Arqueológico de la
Universidad San Antonio Abad in Cuzco befinden und ihre Gegenstücke im
Museo de America in Madrid haben (s. Abbildungen bei Valcárcel, 1933, bzw.
Alcina, 1979), haben nach stilistischen Vergleichen von Kauffmann Doig (1978)
große Ähnlichkeit mit der Keramik von Pacheco aus dem Tiahuanaco-Huari-
Horizont (etwa 700—1200 n. Chr.). Kleine Figürchen direkt aus Huari befin-
den sich im Museo Histórico Regional de Ayacucho und unter den Objekten
der Huari-Expedition von Tello im Museo Nacional in Lima. Nach Valcárcel
(1933), der die Figürchen von Piquillacta ausführlich beschreibt, befinden sich
andere Idole in privaten Sammlungen in Ayacucho. Lokale Sammler berich-
teten Bennett (1953) von geschnitzten menschlichen und tierischen Figürchen
aus Türkis. In Hermita bei Piquillacta wurden 39 weitere Figuren aus Türkis
und Lapis-Lazuli (wahrscheinlich Sodalith) gefunden (Kauffman Doig, 1978).
Ähnliche Idole, wahrscheinlich unter Huari-Einfluß entstanden, kommen aus
Chulpaca bei Ica und aus Nazca (Valcárcel, 1933). Im Museo del Oro in Lima
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
95
befinden sich zahlreiche kleine Türkisidole aus Batan Grande, teilweise wieder
In Form kleiner Menschenfiguren, teilweise in Form kleinster Portraits. Batan
Grande war das Zentrum der Lambayeque-Kultur. Türkisfigürchen im Museum
für Völkerkunde Berlin, im Hamburgischen Museum für Völkerkunde und
Vorgeschichte und im Museo Arqueológico in Cuzco erinnern teilweise an
inkaische Goldfiguren, ein Hinweis, daß Türkisfigürchen auch zur Inkazeit
hergestellt wurden. Mikrosondenuntersuchungen an 5 kulturell und räumlich
schlecht eingeordneten Türkisidolitos erbrachten folgendes: Das Material für
eine kleine Eulenfigur aus Ica (wahrscheinlich nach 700 n. Chr.), für eine kleine
Menschenfigur mit Huari- und Inkamerkmalen sowie für ein flaschenförmiges
Schnitzwerk mit Nippen und einen zoomorph gestalteten Türkisanhänger (all-
gemeine Angabe: Küste Peru) stammt aus der zuerst erwähnten nordperuani-
schen Lagerstätte; nur ein Figürchen mit Huari- und inkaischen Merkmalen ist
ähnlich zusammengesetzt wie Türkise aus Huari.
In Huari selbst gibt es eine Stelle „Las Turquesas“ benannt, an der sehr
viele bearbeitete und unbearbeitete Türkisstücke gefunden wurden (Raimondi,
1878; Chavez Ballon, 1943; Bennett, 1953). Ein Teil der Stücke befindet sich
im Museo Nacional in Lima. Huari scheint ein Zentrum für Türkisbearbeitung
gewesen zu sein mit einer Blütezeit zwischen 600 und 800 n. Chr. (Lanning,
1967). Der Großteil der untersuchten Türkise aus Huari läßt ebenfalls ein
heute unbekanntes Türkisvorkommen vermuten, das im zentralen bis südlichen
Andengebiet liegt und sich charakteristisch von den nördlichen Lagerstätten
unterscheidet.
Bennett (1953) fand in Huari neben Türkisen mit scheibenförmiger-zylin-
drischer Form auch solche mit ovaler, herzförmiger oder dreieckiger Form.
Ähnlich ungewöhnlich geformte Perlen sind auch aus Pachacamac südlich von
Lima erhalten geblieben (Proben im Museum für Völkerkunde Berlin und
University Museum, Philadelphia). Pachacamac war ein Zeremonialzentrum
schon in der frühen Zwischenperiode und öffnete sich in Epoche 2 (ab etwa
700 n. Chr.) dem Tiahuanaco-Huari-Einfluß (Lanning, 1967). Pachacamac
dominierte ab dieser Zeit an der mittleren Küste und strahlte seinen Einfluß
bis nach Ica und Nazca im Süden und bis zum Chicama-Tal im Norden aus.
Dieser Einfluß wird durch Analysen an Türkisen aus der Zeit des sogenannten
Küstenhuari unterstrichen: etwa 40% der Türkise aus Pachacamac stammen
aus dem zuerst beschriebenen Vorkommen in Nordperu und sprechen für
Handelswege parallel zur Küste. Ein anderer Teil der Türkise stammt wahr-
scheinlich aus einer weiteren, schon oben angedeuteten unbekannten Lagerstätte,
die an Hand des Auftretens chemisch verwandter Türkise in Pachacamac,
96
Ruppert, Türkis und Sodalith in präkolumbischen Kulturen
Ancón und der weiteren Umgebung Limas, in der Kultur Chimó und vereinzelt
auch bei Chordeley und in der Kultur Moche im mittleren bis nördlich-zentra-
len Peru hegen dürfte. Etwa 50 °/o der untersuchten Proben aus Pachacamac
und 90 % der Türkise aus Chimbóte lassen sich mit diesem Vorkommen iden-
tifizieren. Aus den drei unbekannten Lagerstätten dürften nahezu alle peruani-
schen archäologischen Türkisproben herzuleiten sein (Ruppert, 1983). Aus der
Zeit des Küstenhuari stammen zahlreiche Türkisarbeiten, die in Pachacamac
selbst, aber auch entlang der Küste gefunden wurden: Muschel-, Türkis- und
einige Sodalithperlen; Einlegearbeiten von Türkis in vielfältig geformtem
Muschelmaterial; Ohrscheiben aus Holz, Muschel oder Gold, die mit Muscheln,
Türkis, Gold, selten auch mit Pyrit belegt wurden; Perlengewebe mit Muschel-
und Türkisperlen; Nachbildung eines Unterarmes in Gold und ein Goldbecher,
die mit runden Türkisperlen inkrustiert sind (s. Abbildungen bei Reiss und
Strübel, 1880/7; Bennett, 1954 und Lothrop et ah, 1957; Robert Woods Bliss
Collection, Dumbarton Oaks, Washington; Museum für Völkerkunde Berlin;
Museo de Antropología y Agricultura Precolumbina, Lima). Diese Objekte
erinnern an die früheren Moche- und späteren Lambayeque- und Chimú-
Arbeiten, eine Verbindung, die schon oben an Hand der Türkisanalysen bestätigt
wurde. Der hohe Stand der Verarbeitungstechnik und des künstlerischen Aus-
drucks läßt sich an einem Spiegel der Robert Woods Bliss Sammlung ablesen,
der mit Perlmutt, verschieden farbigen Muscheln, Pyrit und Türkis eingelegt
ist (Lothrop et ah, 1957).
Qualität und Ideenreichtum der Türkisverarbeitung im mittleren und süd-
lichen Peru nehmen mit dem Verblassen des Tiahuanaco-Huari-Einflusses ab. Im
Museum für Völkerkunde Berlin existieren einige Ketten mit Muschel- und
Türkisperlen aus Ancón, Chancay und eventuell auch Pachacamac, die wahr-
scheinlich der späten Zwischenperiode (etwa 1000—1476 n. Chr.) zuzurechnen
sind (Eisleb, pers. Mitt. 1979). Türkise aus Ancón und aus der Umgebung
Limas aus dieser Zeit stammen, wie schon erwähnt, aus den beiden geforderten,
nördlichen Lagerstätten. Einige Türkisketten aus der Kultur Ica, die ebenfalls
der späten Zwischenperiode angehört, befinden sich im Museum in Berlin und
im Museo Regional de Ica.
Trotz der Erwähnung durch die Chronisten existieren nur recht wenige
Türkisarbeiten aus der Inkazeit. Sie sind jedoch über das gesamte Inkagebiet
von Nordwestargentinien und Nordchile bis nach Ekuador vertreten, ent-
sprechend der Ausdehnung des Imperiums. Iribarren Ch. (1972/3) konnte in
der Mine Ei Salvador in Nordchile eine Zunahme der Türkisförderung in der
Inkazeit feststellen. Uhle fand in Gräbern in Chincha aus der Chincha
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band Xää (1982)
97
II-Periode, die am Übergang der späten Zwischenperiode zur Inkazeit liegt,
figürlich geformte Muschelarbeiten mit Einlage scheibenförmiger Türkise
(Kroeber und Strong, 1924). In diesen Gräbern, besonders aber in Gräbern aus
der Inkazeit, befinden sich Spondylus-Muscheln, die aus dem wärmeren Meer-
wasser an der Küste von Ekuador oder Kolumbien stammen. Aus der Proto-
Chincha-Phase, die einen späten Tiahuanaco-Einfluß beinhaltet, sind auch
Lapis-Lazuli-Perlen (wahrscheinlich Sodalith) bekannt. Ruiz Estrada (1976)
beschreibt einen Fund von Türkis- und Muschelperlen neben verschiedenen
Metallarbeiten aus Chullpas bei Sillustani am Titicaca-See aus inkaischer Zeit.
Bandelier (1910) entdeckte auf der Isla de Titicaca Türkis- und Lazulitperlen
(letztere wahrscheinlich aus Sodalith). Im Museum für Völkerkunde in Berlin
sind zahlreiche Türkisperlen aus der Provinz Tarija in Südbolivien aufbewahrt,
die wahrscheinlich zur späten und historischen Periode gehören. Einige Ketten
enthalten korrodierte Glasperlen aus spanischer Zeit. La Barré (1946) be-
schreibt, daß die Chipayas in Westbolivien in ihre Trankopfer unter anderem
Mineralpulver verschiedener Farben und Türkisperlen geben. Im Museo del
Oro del Banco Central in Quito ist eine inkaische, mit einigen rötlichen
Muschelstücken eingelegte Steinfigur eines Fellinen aus Südekuador ausgestellt,
dessen Augen durch Türkisperlen betont sind. Die relative Seltenheit von
Türkisarbeiten bei den Inka mag unter anderem dadurch erklärt werden, daß
das Inkareich nur relativ kurzlebig war: die Inka begannen erst 100 Jahre
vor der spanischen Eroberung, ihr Gebiet wesentlich auszudehnen.
4.4 Chile (Karte 3)
Die frühesten Türkisfunde in Chile stammen aus dem Gebiet der Oase von
San Pedro de Atacama, die sich in der chilenischen Puna befindet. Hier wurden
ab den letzten Jahrhunderten vor der Zeitenwende bis zur Konquista an ver-
schiedenen Orten Türkis-, Muschel- und Knochenperlen hergestellt (Le Paige,
1964; Mostny, 1977; Bittman et ah, 1978). An vielen Fundpunkten der Oase
tauchen große Mengen bearbeiteter und unbearbeiteter Türkise auf (Museo
de Arqueología, San Pedro de Atacama), ein Hinweis, daß hier wahrscheinlich
ein Verarbeitungs- und Flandelszentrum für das Mineral existierte. Es wurde
hier ein breites Spektrum von Türkisperlen verschiedener Größen, Formen
und Verarbeitungsqualitäten hergestellt. Die großen Mengen an Rohmaterial
lassen auf Lagerstätten in der Nähe schließen. Relativ verkehrsgünstig zur
Oase liegen Chuquicamata und El Abrá, die 90 bzw. 130 km von San Pedro
entfernt sind. Der Abstand zur Lagerstätte El Salvador im Süden beträgt
390 km in Luftlinie. Alle 3 Gruben wurden in vorkolumbischer Zeit ausge-
beutet. In Chuquicamata konnte der Autor im Jahre 1979 am Rande des
f Baessler-Archiv XXX
98
Ruppert, Türkis und Sodalith in präkolumbischen Kulturen
Tagebaus etwa 1 m hohe, alte Stollen sehen, die bis in eine Tiefe von etwa
5 m reichen. Petersen (1970) und Bird (1978) berichten von einem „hombre de
cobre“, einem Grubenarbeiter, der im 6. Jahrhundert n. Chr. in Chuquicamata
verschüttet worden war. An alten Ausbissen der Grube sollen bearbeitete
Türkise gefunden worden sein (Cook, 1978). El Abrá liegt etwa 40 km nördlich
von Chuquicamata. In und bei den beträchtlichen vorkolumbischen Abbauten
wurden Türkisperlen gefunden. In der Nähe befindet sich ein alter Friedhof
(V. Castro und J. Miranda M., pers. Mitt. 1979). In El Salvador gibt es, insbe-
sondere im Minenabschnitt „Indio Muerto“, archäologische Ausgrabungen. Die
Mine soll schon „1000 Jahre“ vor der Eroberung Chiles durch die Inka ausge-
beutet worden sein (Iribarren Ch., 1972/3, 1978; Iribarren Ch. und Bergholz,
1972/3). Auch hier wurden Türkisperlen gefunden. Da die Mine verkehrsgünstig
am Kreuzungspunkt von Inkastraßen lag, nimmt Iribarren Ch. an, daß die
Mine als Handelszentrum fungierte, unter anderem für Austausch von Nah-
rungsmitteln gegen Türkis.
Analysen an Türkisen aus der Oase legen nahe, daß ein Teil in Chuquica-
mata und El Salvador gewonnen wurde. Die Ausbeutung beider Lagerstätten
dürfte schon vor der Zeitenwende begonnen haben. Dagegen wurden keine
Türkise aus El Altar südlich von Ovalle, wo ebenfalls prähistorische Abbauten
mit alten Grubenwerkzeugen und Türkisperlen existieren (R. Errazuriz und
M. Harding, pers. Mitt. 1979), eingeführt. Ein großer Teil der Türkise der
Oase kann keiner der erwähnten Lagerstätten zugeordnet werden, sollte jedoch
aus Vorkommen in der Einflußsphäre der Oase stammen. Leider konnten keine
Lagerstättenproben aus El Abrá erhalten werde.
Bittman et al. (1978) schreiben, daß in der Oase feine Bohrer zum Perfo-
rieren von Halbedelsteinen schon in der Zeit der ersten Siedlungen (2000—
500 v. Chr.) benutzt wurden. Die Blütezeit der Kultur San Pedro de Atacama
fällt zwischen 200 und 900 n. Chr. Diese Zeit ist besonders von Tiahuanaco
beeinflußt. In den Gräbern dieser Zeit taucht neben der typischen San Pedro-
Keramik auch Keramik aus den nordwestargentinischen Kulturen Ciénaga,
Condorhuasi, La Aguada und der Quebrada de Humahuaca (letztere mit Isla
tricolor aus der Zeit 700—1000 n. Chr.) auf (s. nächstes Kapitel; González
und Pérez, 1972; González, 1977; Bittman et ah, 1978; Browman, 1978; Pérez,
1978). San Pedro stellt besonders in dieser Zeit ein bedeutendes wirtschaftliches
Zentrum dar. Die verkehrsgünstige Lage zum bolivianischen Altiplano und
zum Nordwesten Argentiniens, der Reichtum an pflanzlichen und tierischen
Produkten sowie an Salz, Holz, Kupfer und am Statusmineral Türkis sind die
ökonomischen Grundlagen dieser Blüte.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
99
Übereinstimmend nehmen González (1977), Pérez (1978) und Browman
(1978) an, daß die Einflußnahme Tiahuanacos auf den Nordwesten Argen-
tiniens über San Pedro lief und nicht auf dem geographisch direkteren Weg
über die Quebrada de Humahuaca. Bittman et al. (1978) und Browman (1978)
sehen die Oase als Ausgangspunkt für die Anlage neuer Handelskolonien
(„mitmaqkuna“) und als Knotenpunkt für die Verknüpfung der Kultur
Tiahuanaco mit La Aguada. Neben Keramik von La Aguada in der Oase sind
die Paraphernalia zur Einnahme halluzinogener Drogen (Browman, 1978) und
der Fellinenkult weitere eindeutige Hinweise auf diese Verknüpfung. Lür einen
Kontakt religiöser-politischer und ökonomischer Art bieten sich folgende Rou-
ten an, die auch heute noch zum Teil die wichtigsten Verbindungen zwischen
dem nordwestlichen Argentinien und Chile sind: 1. San Pedro de Atacama,
Paso Guaitiquina, entlang der heutigen Grenze zwischen Jujuy und Salta durch
das Valle de Calchaqui oder die Quebrada del Toro bis zum Valle de Santa
Maria; eine Abzweigung dieser Route führt nach Nordwesten an Salinas
Grandes vorbei in die Quebrada de Humahuaca; weiterhin gibt es von diesem
Wege aus eine Abzweigung durch die Puna über Antofagasta de la Sierra in
das Tal von Belén; 2. ein zweiter Weg in das Tal von Belén führt zunächst
von San Pedro de Atacama aus nach Süden, dann am Vulkan Socompa vorbei
durch die Puna über Antofagasta de la Sierra; 3. ein dritter Weg ins Belén-Tal
verläuft bis zum Salar de Pedernales nach Süden (eventuell auch an der Lager-
stätte El Salvador vorbei), dann nach Südosten über den Paso de San Francisco
durch das Valle de Caschuil nach Tinogasta. Der Austausch zwischen den
Kulturen San Pedro und Ciénaga und Condorhuasi konnte, je nach Zielort,
auf allen Routen abgelaufen sein. Die Verbindung zwischen San Pedro und La
Aguada wurde wahrscheinlich über einen der südlicheren Wege oder über die
Hochtäler der argentinischen Puna aufrecht erhalten, da im Valle de Calchaqui
und in der Quebrada del Toro in der Provinz Salta keine Keramik der
Aguada-Kultur gefunden wurde.
Die Oase war ein Türkislieferant für Tiahuanaco. Mit dem Nachlassen des
religiösen Stimulus von Tiahuanaco um 900 bis 1000 n. Chr. folgte eine Zeit
mit Kulturverfall. Es werden deutlich weniger Gräber mit Türkis gefunden.
Dennoch wird weiterhin mit dem bolivianischen Altiplano und dem Nord-
westen Argentiniens Handel betrieben; weiterhin lieferte San Pedro auch
Halbedelsteine und Kupfer in das Inkareich (Bittman et ah, 1978). Rydén
(1944) fand in Chiu-Chiu im benachbarten Rio Loa-Tal Türkisperlen, die zur
Periode der regionalen Entwicklung gehören (900 n. Chr. bis zur Konquista).
Eine Türkiskette aus Chiu-Chiu befindet sich im Hamburgischen Museum für
Völkerkunde und Vorgeschichte. Eine eindeutige Zuordnung der untersuchten
100
Ruppert, Türkis und Sodalith in präkolumbischen Kulturen
Türkise aus Chiu-Chiu zu den benachbarten Gruben Chuquicamata oder El
Abrá ist trotz der relativ einheitlichen Zusammensetzung der Proben nicht
möglich, eventuell bedingt durch das Fehlen von Lagerstättenproben aus El
Abrá.
In den übrigen prähistorischen Kulturen Chiles ist wesentlich weniger Türkis
vertreten. Aus den zeitlich und räumlich aufeinanderfolgenden Kulturen El
Molle (etwa 0—800 n. Chr.), Las Animas (800—1000 n. Chr.) und Diaguita
(1000 n. Chr. bis in die historische Zeit) im Gebiet des „Norte Chico“, das sich
etwa von Ovalle bis Copiapó erstreckt, sind einige Türkisketten neben sehr
vielen Muschelketten bekannt (Museo Arqueológico de La Serena). Ein Teil der
Türkise aus Tilgo (45 km nördlich von La Serena; Kultur El Molle) und
Peñuelas (nahe La Serena; Kultur Diaguita) wurden mit großer Sicherheit in
den Gruben am El Altar bei Ovalle am Südrand des „Norte Chico“ abgebaut.
Die Ausbeutung dieser Lagerstätte beginnt somit spätestens in den ersten Jahr-
hunderten n. Chr. Ein anderer Teil der dort gefundenen Türkise sowie solche aus
Coquimbo, aus La Serena und aus der Quebrada de Marquesa (Seitental des
Rio Elqui, beide Kultur Diaguita) stammen wahrscheinlich aus den Gruben
bei El Salvador nördlich des „Norte Chico“. Ein kleiner Teil der Türkise der
Kultur El Molle ist chemisch verwandt mit Türkisen des etwa zeitgleichen
Fundortes Quitor 2 + 6 (ungefähr 100 v.—700 n. Chr.) und Larrache (klas-
sisches Tiahuanaco, grob 0—500 n. Chr.) im Bereich der Oase von San Pedro
de Atacama, so daß eventuell ein Zusammenhang zwischen der Blüte der Oase
und der Kultur El Molle hergeleitet werden kann oder eine Ausbeutung der
gleichen Türkisvorkommen vorliegt. Aus frühester Molle-Zeit stammen Türkis-
ketten aus El Torin, wenige Kilometer nördlich des Cerro del Potro im süd-
östlichen Teil der Provinz Copiapó (P. Zeperda, pers. Mitt. 1979). Ein Radio-
karbonalter liegt bei 50 v. Chr. ± 300. Wahrscheinlich existieren Beziehungen
zwischen Condorhuasi-La Aguada- mit den etwa zeitgleichen Molle-Las
Animas-Kulturen (s. Diskussion bei Ampuero B. und Hidalgo L., 1975), so
daß eventuell von hier Türkise nach Nordwestargentinien gelangt sein können.
Dies gilt insbesondere für einige Türkise vom Rio Desaguadero in der Provinz
Mendoza (s. nächstes Kapitel). Türkis aus dem „Norte Chico“ wird von
Ampuero B. (1972/3), Cornely (1956), Iribarren Ch. (1956) und Niemeyer F.
(1956) beschrieben. Lothrop (1946) erwähnt Knochenlöffel, die manchmal mit
Türkis eingelegt sind, bei den Diaguita.
Ausgrabungen im nördlichsten Teil Chiles brachten ebenfalls wenig Türkis zu
Tage. Dauelsberg (1974) beschreibt, wie schon erwähnt, Lapis-Lazuli- (wahr-
scheinlich Sodalith-) und Muschelperlen aus einem Grab in Quiani, einem
Legende:
Kultur oder Ort:
AG La Aguada
AZ Azapa
BE Belén
CA Caldera
CI Ciénaga
CO Condorhuasi
Dl Diaguita
HH Humahuaca
Hl Huachichocana
ME Mendoza
ML El Molle
PL Playa Miller
PU Puna Komplex
SA, SP San Pedro de
Atacama
SE Santiago del
Estero
SM Santa Maria
TA Tarija
TI Tiahuanaco
Lagerstätten:
Karte 3: Türkis-, Sodalith- und Lapis-Lazuli-Vorkommen sowie Fundorte
der untersuchten archäologischen Türkisproben in Nordchile, Nordwestargen-
tinien und Bolivien
102
Ruppert, Türkis und Sodalith in präkolumbischen Kulturen
Fundort südlich von Arica. Die Zeit des Quiani-Komplexes liegt um 2000
v. Chr. Focacci (1974) barg aus Gräbern am Fundort Playa Miller 7 bei Arica
aus den letzten Jahrhunderten vor der Zeitenwende Malachit- und Lapis-
Lazuli-Perlen (wahrscheinlich sind Türkis bzw. Sodalith gemeint). Im Museo
Arqueológico de la Universidad del Norte in Arica befinden sich weiterhin
Türkisperlen aus Gräbern im Valle de Azapa (etwa 300—900 n. Chr.), die
von Tiahuanaco beeinflußt sind. Ein Teil der Türkisproben aus Azapa und
Playa Miller dürften in den Gruben nördlich der Oase von San Pedro de
Atacama gewonnen worden sein. Die chemische Einheitlichkeit des anderen
Teil der Türkise aus Azapa und einer Probe vom Playa Miller läßt auf eine
lokale Türkislagerstätte schließen, die eventuell mit einer etwa 60 km östlich
hegenden Lagerstätte mit Namen La Turquesa (J. Gonzalez Sayles, pers. Mitt.
1979) identisch sein könnte. Chemisch ähnliche Türkise finden sich vereinzelt
in der Oase von San Pedro de Atacama und in Tiahuanaco, besonders stark
jedoch in den Kulturen um Tarija im südlichsten Bolivien, wo die Türkise
wahrscheinlich erst in historischer Zeit eingeführt worden waren, wie das Auf-
treten von Glasperlen in einzelnen Ketten zeigt.
Bird (1943) exkavierte eine größere Menge Türkis- und Spondylusperlen aus
einem Grab auf der Isla Alacrán bei Arica. Die Spondylusperlen sollen von
der Küste Ekuadors oder Kolumbiens stammen. Uhle (1922) fand in Gräbern
bei Taltal, etwa 200 km südlich von Antofagasta, Ketten aus Kupfersilikat
(eventuell auch Türkis). Als Zeit wird 1150—1350 n. Chr. angegeben. Cooper
(1946) beschreibt, daß die Mapuche- und FIuiliche-Lrauen aus dem südlichen
Mittelchile vor allem Ketten aus „llancas“ schätzten. Llancas sind blaugrüne
Steine, die aus Malachit, Azurit, Chrysokoll oder Türkis bestehen können.
4.5 Nordwestargentinien (Karte 3)
Türkis ist in fast allen nordwestargentinischen Kulturen ab etwa den letzten
Jahrhunderten vor der Zeitenwende bis nach der Ankunft der Spanier ver-
treten. Die allerersten Lunde stammen, wie schon erwähnt, aus einer Höhle
bei Huachichocana in einem Seitental der Quebrada de Humahuaca in Jujuy
(Zeit: um 1450 v. Chr.). Last alle archäologischen Sammlungen mit repräsen-
tativem Kulturgut aus diesem Areal haben Türkisobjekte, meist in Lorm
scheibenförmiger, zylindrischer Perlen (s. auch Boman, 1908). Die Objekte
sind nicht so vielfältig wie im Huari-Imperium oder in den Kulturen an der
Nordküste Perus und in Ekuador. Türkis-Metall-Arbeiten sind nahezu unbe-
kannt. Allerdings war im Nordwesten Argentiniens, in Teilen Boliviens und
besonders im Norden Chiles der sogenannte „Halluzinogen-Komplex“ ver-
breitet, zu dem bis zu handgroße, meist ornamentierte kleine Holztäfelchen
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
103
(„tabletas de rapé“), Röhrchen, Spatel und Aufbewahrungsgefäße und -taschen
gehören. Die Geräte dienten zum Aufbewahren, Zubereiten und Aufnehmen
halluzinogener Drogen, die vor allem aus einem Kaktus aus der Selva am
Anden-Ostrand gewonnen und über weite Entfernungen importiert wurden.
Einige der Fiolzgeräte sind mit meist durchbohrten Türkisperlen inkrustiert
(Ambrosetti, 1901, 1907; Boman, 1908; Latcham, 1938; Le Paige, 1964; Gon-
zález, 1967, 1977; Le Paige und Serracino, 1977). Dieser Komplex war schon
Jahrhunderte vor der Zeitenwende lebendig und dauerte bis in die historische
Zeit. Seinen Flöhepunkt erreichte er zur Zeit des Tiahuanaco-Einflusses, be-
ginnend im 4. Jahrhundert n. Chr. Unter diesem Einfluß rückten, wie im vor-
herigen Abschnitt schon angedeutet, verschiedene kleinere Kulturareale näher
zusammen unter Verstärkung des Handelsaustausches und Überprägung mit
religiösen Ideen (Browman, 1978).
Beschreibungen und einen zeitlichen Überblick für die im folgenden aufge-
führten Kulturen Nordwestargentiniens geben Gonzalez und Pérez (1972),
Gonzalez (1977) und Nuñez R. (1978). Zu den Grabfunden der frühen for-
mativen Zeit der Quebrada del Toro (etwa 600 v.—400 n. Chr.) gehören zahl-
reiche Malachit- und Azuritperlen (Raffino, 1976). Wahrscheinlich handelt es
sich zumindest teilweise um Türkis. Wie schon im letzten Abschnitt beschrieben,
stellt die Quebrada del Toro zusammen mit dem Valle de Calchaqui (beide
Provinz Salta) die nördlichste Verbindung zwischen der Puna Argentiniens und
Chiles mit den größten Tälern Nordwestargentiniens dar. In den dort befind-
lichen Kulturen Ciénaga, Condorhuasi (etwa 200 v.—700 n. Chr.) ebenso auch
Saujil im Valle de Abaucan (um die Zeitenwende), Alamito (200—450 n. Chr.)
und Candelaria (0—700 n. Chr.) sind Türkis- und meist auch Muschelperlen
vertreten. In die Kultur Candelaria, die schon am Ostrand der Anden im
südlichen Teil Saltas und nördlichen Tucuman lag, wurden sowohl Muscheln
vom Atlantik oder Pazifik eingeführt als auch Metall aus weiter westlich
gelegenen Kulturen (González, 1977).
Ebenso stark verbreitet wie in den genannten Kulturen ist Türkis auch in
den Grabbeigaben der Kultur La Aguada (650—850 n. Chr.), die neben Con-
dorhuasi über die charakteristischsten kulturellen Merkmale im prähistorischen
Argentinien verfügt. Ursache dürfte der starke Tiahuanaco-Einfluß in La
Aguada sein, den González (1977) vor allem im fellinen Kult sieht. Eine
Besonderheit aus der Kultur La Aguada stellt das schon erwähnte Türkis-
figürchen (vermutlich ein Felline) im Museo Incahuasi in La Rioja dar.
In der späten keramischen Periode, die von etwa 850 bis zur Inkazeit am
Ende des 15. Jahrhunderts dauerte, sind Türkisarbeiten besonders in den Kul-
104
Ruppert, Türkis und Sodalith in präkolumbischen Kulturen
turen Santa María, Belén und Sanagasta/Angualasto verbreitet. Zwei außer-
gewöhnliche Objekte der Kultur Angualasto seien erwähnt: ein hölzerner
Zeremonialschild, der mit etwa 3800 reihenförmig aneinandergefügten, auf-
recht stehenden Türkis- und Malachitperlen besetzt und mit roten Feldspäten
eingelegt ist (Museo de Lujan; González, 1967, 1977) und ein hölzerner Vogel,
eventuell ein Kondor, der zum Teil noch mit Türkisfragmenten überzogen ist
(Museo Arqueológico de la Universidad Nacional de San Juan).
Die Provinz Mendoza stellt die Südgrenze der Verbreitung von Türkis in
den vorkolumbischen Kulturen Argentiniens dar. Dies gilt für den Zeitraum
von etwa 500—1500 n. Chr. Malachitperlen (vermutlich Türkis) werden aus
der Agrelo-Kultur, die ihre Wurzeln in den Kulturen El Molle und Ciénaga
haben soll, beschrieben (Canals Frau und Semper, 1956). Weitere Funde aus
dieser Provinz stammen aus Upsallata (Usina Sur), die etwa der Zeit von
800—1000 n. Chr. zugeordnet werden, und aus der Zona Rio Desaguadero
(grob 500—1500 n. Chr.; J. Schobinger, pers. Mitt. 1979; Instituto de Ar-
queología y Etnología de la Universidad Nacional de Cuyo, Mendoza). Die
östliche Grenze liegt am Rande der Selva in den Provinzen Salta und Tucumán
(Kultur Candelaria) und Santiago del Estero (Ausgrabungsorte Cheej und Pozo
Verde, Averías, Sunchituyoj; Zeit etwa 500 bis zur Konquista). Auch innerhalb
des Puna Komplexes (Fundorte; z. B. Queta, Casabindo, Rinconada, Barrios
am Cerro Peñas Coloradas etwa 18 km sürdlich von La Quiaca, „Antigal“ de
Abra etwa 35 km westlich von Humahuaca; etwa 1200—1480 n. Chr.) werden
Türkis- und Sodalithperlen gefunden. Abgesehen von den schon erwähnten
Türkisarbeiten aus Huachichocana aus dem 15. Jahrhundert v. Chr., tauchen in
der Quebrada de Humahuaca, die eine natürliche Verbindung zum Altiplano
ist, erst wieder ab dem 8. Jahrhundert n. Chr. vereinzelt Türkise auf (z. B. bei
Coroya, Cueva Peña Aujero, Volcán). Die Quebrada und die nördliche Puna
liegen abseits der Handelswege, auf denen Türkis in die Kulturen der südlichen
Täler und Quebradas gelangte.
Das hier angegebene zeitliche und räumliche Verteilungsmuster von Türkis
in den argentinischen Kulturen beruht weitgehend auf den Sammlungen der
besichtigten Museen (Ruppert, 1983). Türkis, Malachit oder Chrysokoll, die
in der archäologischen Literatur des Andengebietes häufig als Synonyme auf-
tauchen, sind bei folgenden Autoren erwähnt: Alfaro de Lanzone (1969),
Ambrosetti (1901/2, 1906, 1907), Bennett et al. (1948), Boman (1908), Canals
Frau und Semper (1956), Casanova (1933, 1974), Debenedetti (1933/5), Gon-
zález (1967, 1977), González und Sempé de Gómez Flanes (1975), Lafone
Quevado (1891), Márquez Miranda (1946), Navamuel de Figueroa et al.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
105
(1977), Palavecino (1948), Raffino (1976), Reichlen (1940), Schobinger (1971),
Sempé de Gómez Flanes (1976), Suetta (1969), Wagner und Wagner (1936),
Zubiria (1972/3). In den meisten Fällen dürften die beschriebenen Mineralien
Türkis sein. Wie Analysenergebnisse zeigen, tauchen Malachit, Chrysokoll und
andere kupferreiche Silikate gegenüber Türkis nur untergeordnet auf, was für
alle vorspanischen Kulturen Amerikas gilt. Sodalith konnte in folgenden nord-
westargentinischen Kulturen identifiziert werden: Condorhuasi (in den Aus-
grabungsorten Pomán, Huaycama und Condorhuasi), Belén (in verschiedenen
Orten des Valle de Hualfin), Santa María (Quilmes im Valle de Santa Maria)
in der Provinz Santiago del Estero (Cheej und Pozo Verde), Puna-Komplex
(Casabindo, Rinconada, Queta, Barrios am Cerro Peñas Coloradas). Der
Sodalith stammt mit großer Wahrscheinlichkeit vom Cero Sapo und ist even-
tuell über die Quebrada de Humahuaca in die nordwestargentinischen Kulturen
gelangt.
In Argentinien selbst gibt es nur eine bekannte Türkislagerstätte, die in
prähistorischer Zeit ausgebeutet wurde: Die Mine Inca Viejo in der Provinz
Salta enthält in Grubenhohlräumen Petroglyphen, die denen von Santa Rosa
de Tastil (Prov. Salta) ähneln und wahrscheinlich der späten Periode (etwa
1000—1480 n. Chr.) angehören. Außerdem wurden in oder bei der Grube
einige Türkisperlen gefunden (C. Purgo, A. Daroca, M. Chabert und H. D.
Gay, pers. Mitt. 1979). Insgesamt dürfte wahrscheinlich der Anteil an aus
nordwestargentinischen Gruben selbst gewonnenen Türkise in den dortigen
Kulturen sehr klein gewesen sein. Obgleich eine chemische Verwandtschaft mit
nordchilenischen Türkisen aus Ausgrabungen, Insbesondere mit denen aus der
Oase von San Pedro de Atacama, existiert, ist eine eindeutige Zuordnung zu
nordchilenischen Lagerstätten meist nicht möglich. Nur einige Türkise aus der
schon erwähnten Zona Rio Desaguadero in der Provinz Mendoza, die wahr-
scheinlich zur Kultur Agrelo gehören, stammen eindeutig aus den etwa 240 km
nordwestlich gelegenen Abbauten am El Altar bei Ovalle. Dies spricht für eine
Verbindung der Kultur Agrelo mit El Molle. Im übrigen gelangte sonst keiner-
lei Türkis aus El Altar in den nordwestargentinischen Kulturraum. Ein kleiner
Teil der Türkise aus der Kultur Belén (Fundorte Las Faldas und Guaicas mit
Pozo Verde im Valle de Hualfin) hat eine ganz charakteristische Zusammen-
setzung und weist auf eine unbekannte Türkislagerstätte im Einflußbereich
dieser Kultur hin. Türkise aus diesem Vorkommen finden sich vereinzelt auch
in den Kulturen Ciénaga, Condorhuasi sowie in Mendoza (Rio Desaguadero)
in der Puna (Queta), aber auch In der zur Belén-Kultur zeitgleichen Diaguita-
Kultur in einem Seitental des Valle de Elqui im „Norte Chico“ und bei Cal-
dera in Chile. Die Türkise aus den schon erwähnten Wurfschleudern, die aus
106
Ruppert, Türkis und Sodalith in präkolumbischen Kulturen
einer Höhle bei Huachichocana geborgen wurden, gehörten zu einem Hand-
stück. Auch die Türkise, die in die beiden schon beschriebenen Holzscheiben
eingelegt sind und zusammen mit den Wurfschleudern Vorkommen, sind ähnlich
zusammengesetzt. Mit ihnen chemisch verwandt sind auch einige Türkise aus
der Zeit des Puna-Komplexes (Queta, „Antigal“ de Abra, Barrios am Cerro
Peñas Coloradas), eine Probe aus Tarija in Südbolivien und Cachi im Valle de
Calchaqui (beide wahrscheinlich historische Zeit), einige Türkise aus den Kul-
turen Ciénaga (Valle de Hualfín), La Aguada (La Valle Santa Rosa und
Cortaderas), Santa María (Valle de Santa Maria) und insbesondere Belén
(Guasayacu, Las Faldas, Guaicas mit Pozo Verde, Hualfín). Ähnlich zu-
sammengesetzte Türkise sind auch in den Kulturen der Oase von San Pedro de
Atacama, beginnend in den letzten Jahrhunderten vor der Zeitenwende (Sequi-
tor Alambrado, Tulor, Goyo, Tulor ALG) mit Anhäufungen zur Zeit des
Tiahuanaco-Einflusses (Larrache) und der Inka (Catarpe, Solgor) vertreten;
vereinzelt finden sich solche Türkise auch in Chiu-Chiu nördlich der Oase und
in Ausgrabungen bei La Serena aus der Diaguita-Zeit (Peñuelas und Quebrada
de Marquesa). Das Auftreten dieser Türkise in der Puna und in den späten
Kulturen der Quebrada de Humahuaca steht im Einklang mit der Öffnung
der Quebrada zu den Kulturen Chiles und des übrigen Nordwestargentiniens.
Die Ausgangslagerstätte liegt wahrscheinlich außerhalb Jujuys (s. Ruppert,
1983).
Trotz der Schwierigkeit einer eindeutigen Zuordnung dürfte der Großteil der
Türkise in nordwestargentinischen Kulturen aus bekannten und unbekannten
und/oder ausgebeuteten Lagerstätten oder Lagerstättenabschnitten In Nordchile
herzuleiten sein, wobei Türkis insbesondere mit Beginn der Seßhaftigkeit in
den Jahrhunderten vor der Zeitenwende kulturelle Bedeutung erlangt und diese
auch bis ln die spanische Zeit behält. Auch in historischer Zeit gelangte Türkis
nach Argentinien. Im Museum für Völkerkunde Berlin befinden sich Ketten mit
einer Kombination von Türkis- und Glasperlen aus dem Valle de Santa Maria.
Serrano (1945) beschreibt Türkisperlen bei den Comechingones. Nordenskiöld
(1912) fand unter den Schmucksachen der Chañé- und Chiriguano-Indianer im
Gran Chaco an der Grenze der Provinz Salta zur Provinz Tarija Halsketten
aus Türkis und Chrysokoll und hölzerne Lippenpflöcke mit Türkis- und
Chrysokolleinlagen. Es gibt sogar eine Sage, wie der Chañé Bisóse blaue Steine
und Silber aus der Tiefe holte. Ketten mit blauen und grünen Steinen wurden
auch von den Völkern Patagoniens geschätzt (Palavecino, 1948).
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
107
5. Schlußfolgerungen
Türkis und Sodalith kommen in nahezu allen Kulturen Perus, Boliviens und
Nordwestargentiniens vor. Dennoch gibt es Unterschiede in der Art der Aus-
breitung bzw. des Fiandels zwischen beiden Mineralien: Türkis wurde mehr
oder weniger in den Kulturarealen befindlichen Lagerstätten gewonnen und
maximal bis zu einigen hundert Kilometern zu benachbarten Kulturen ver-
handelt (z. B. von Nordchile nach Nordwestargentinien und Bolivien, von
Nordperu an die zentrale peruanische Küste). Es gelangte dagegen kein Türkis
von Chile nach Peru oder umgekehrt und kein Türkis von El Altar am Südrand
des „Norte Chico“ in den nördlicheren Teil Chiles. Dieser mehr regionalen
Bedeutung des einzelnen Türkisvorkommens steht eine „pan“-andine Bedeutung
beim Austausch von Sodalith gegenüber. Mit großer Sicherheit stammt aller
Sodalith aus den Kulturen Perus, Boliviens, Nordwestargentinens und dem
nördlichsten Chile vom Cerro Sapo in der Provinz Cochabamba, der spätestens
ab dem 2. Jahrtausend v. Chr., gemäß den archäologischen Funden bei Anda-
huaylas, im Asia-Tal und im Quiani-Komplex bei Arica, bis in die historische
Zeit hinein ausgebeutet wurde. Der mehr diffusive Charakter des Sodalith-
Austausches wird betont durch sein gegenüber Türkis mengenmäßig unter-
geordnetes Vorkommen und sein zeitlich und räumlich kohärentes Auftreten in
vielen Kulturen. Dies dürfte als Hinweis zu werten sein, daß kein überregio-
nales Handelsnetz für Sodalith existierte, sondern daß vielmehr Sodalith meist
sporadisch und in kleinen Mengen (eventuell als Tauschobjekt) weitergereicht
wurde und dabei kulturelle Grenzen überschritt. Sodalith gelangte auf diese
Weise über 1800 km bis an die Nordküste Perus. Kulturelle Zentren wie z. B.
Tiahuanaco und Pachacamac waren eher ein Sammelbecken für dieses Mineral
und nicht das Ziel eines regelrechten Sodalith-Handels, wie es sich im Falle
von Türkis vermuten läßt.
Ein Handelsaustausch von Türkis und daraus eventuell herzuleitende kul-
turelle Kontakte zwischen Mesoamerika und dem Andenraum können auf
Grund folgender Punkte mit großer Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden;
1. Analysenergebnisse: Proben aus dem Südwesten der Vereinigten Staaten und
Mexiko haben wesentlich niedrigere Arsen- und Chrom-Gehalte und andere
Elementrelationen als Türkis von der nord- und zentralperuanischen Küste
(Ruppert, 1983).
2. Zeitliche Relation im Auftreten von Türkis: Bearbeiteter Türkis taucht in
den andinen Kulturen schon am Anfang bis zur Mitte des 2. Jahrtausends v.
Chr. auf (insbesondere bei Udima im nördlichen peruanischen Hochland, bei
108
Ruppert, Türkis und Sodalith in präkolumbischen Kulturen
Andahuaylas im südlich-zentralen peruanischen Hochland, eventuell im Asia-
Tal an der südlich-zentralen peruanischen Küste, in einem Seitental der
Quebrada de Humahuaca in Jujuy) und wird in allen Folgekulturen des
zentralen und südlich-zentralen Andengebietes (von Ekuador bis Nordchile
und Nordwestargentinien) bis in die historische Zeit hinein gefunden. Im
Kulturgebiet des Südwestens der Vereinigten Staaten dagegen stammen die
ersten Türkisobjekte aus der Anfangsphase der Hohokam-Kultur in den letzten
Jahrhunderten v. Chr.; in Mexiko werden Türkisobjekte, abgesehen von einer
Ausnahme, erst nach dem 4. Jahrhundert n. Chr. bedeutsam, ersichtlich an
Funden in Alta Vista de Chalchihuites. Erst in nachklassischer Zeit gelangte Türkis
ins Maya-Gebiet und an die westmexikanische Küste. An Hand der Häufigkeit
archäologischer Türkisobjekte dürfte die intensivste Ausbeutung vieler Türkis-
lagerstätten des Südwestens zwischen 900 n. Chr. und der Konquista liegen,
im Andenraum dagegen schon in den letzten Jahrhunderten vor der Zeiten-
wende. Zwar bestanden zur Zeit der Eroberung Handelsbeziehungen zwischen
Ekuador und weiter nördlich liegenden Arealen, wie aus der Beschreibung
eines Handelsfloßes durch den Chronisten Bartolome Ruiz hervorgeht (über-
setzt in Engl und Engl, 1975), jedoch ist Ausmaß, Ziel und Reichweite dieses
Handels unklar.
3. Geographischer Hiatus in der Türkisverbreitung: Literaturstudien und
besichtigte archäologische Sammlungen zeigen, daß im Gebiet von Nikaragua
bis Kolumbien keine archäologischen Türkisobjekte Vorkommen. Es ist jedoch
zu beachten, daß diese Areale teilweise noch archäologisch unerforscht sind
und eventuell doch vorhandene Türkise im Laufe der Jahrhunderte verwittert
sein könnten.
4. Verarbeitungsformen: Zwar gibt es in allen hier beschriebenen Kultur-
arealen der Kordilleren scheibenförmige zylindrische Türkisperlen, die meist
zusammen mit Muschel- und/oder Knochenperlen verkommen, jedoch gibt es
bei komplizierteren und künstlerisch anspruchsvolleren Arbeiten mit Türkis
beträchtliche Unterschiede. Die häufige Kombination von Metall mit Türkis
wird in Mesoamerika und im Südwesten der USA nicht gefunden, obwohl
Metall und Türkis etwa gleichzeitig ab dem 9.—10. Jahrhundert n. Chr. Bedeu-
tung im mesoamerikanischen Kulturareal erlangen (Caso, 1932, 1965; Di Peso,
1974; Ekholm, 1942, 1944; Haury, 1976; Judd, 1954; Kelley, 1971; Melghan,
1974; Noguera, 1971; Woodbury, 1965). Dort werden vor allem unter tolte-
kisch-mayanischem und mixtekischem Einfluß in postklassischer Zeit feinste
Türkismosaike, meist in Form von Masken oder Scheiben, hergestellt. Türkis-
inkrustationen in Holz sind im Andenraum relativ selten. Abgesehen von
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
109
einigen Einlegearbeiten bei den Moche und Lambayeque-Chimú und unter
Huari-Einfluß an der peruanischen Küste bestehen die Inkrustationen im
Andengebiet meist aus einer Einlage scheibenförmiger Türkisperlen und nicht
aus passend zugeschnittenen und aneinandergefügten polierten Teilchen aus Tür-
kis und anderen Materialien, wie es in Mesoamerika der Fall ist. Die Verwendung
von Perlen als wichtigster Inkrustationsbestandteil ist besonders ausgeprägt bei
den Paraphernalien des Halluzinogen-Komplexes in Bolivien, Nordchile und
Nordwestargentinien, die im mesoamerikanischen und südwestlichen Kultur-
raum unbekannt waren, beim schon beschriebenen Zeremonialschild aus der
Kultur Angualasto in NW-Argentinien und bei Zeremonialstäben und Ohr-
scheiben aus Holz. Perlengewebe aus aneinandergereihten Türkis- und Muschel-
perlen sind nur aus dem Andengebiet bekannt: sie wurden verwendet als Über-
zug für verschiedene Taschen, als Brust- und Armschmuck, aber auch als Schä-
deltücher für die Toten. Perlengewebe stammen z. B. aus Chan-Chan (Chimú-
Zeit; Museum of Natural History, New York), vom Cerro Borro im Departa-
mento Lambayeque (Hamburgisches Museum für Völkerkunde und Vorge-
schichte), von den Moche (Museo Larco Herrera, Lima) und aus Pachacamac
und Nazca (Museum für Völkerkunde Berlin). Schädeltücher stammen aus
Quitor in der Oase von San Pedro de Atacama (grob 100 v.—700 n. Chr.;
Museo de Arqueología, San Pedro de Atacama). Ebenso unbekannt in Meso-
amerika sind die zu Figuren verarbeiteten Türkise mit Idolcharakter. Von der
Technik her ähneln sich in den Kulturräumen Einlegearbeiten von Türkis und
anderen Materialien in Muscheln; für das Andengebiet einmalig ist aber wie-
derum die Einlage von Türkis in Perlenform.
6. Dank
An dieser Stelle sei noch einmal der Stiftung Volkswagenwerk für ihre
finanzielle Unterstützung und Herrn Dr. D. Eisleb, Abteilung Altamerika des
Museums für Völkerkunde Berlin, für die organisatorische und archäologische
Betreuung dieses Projektes herzlich gedankt. Dra. A. Fernández Distel und
Herr L. Abramson fertigten freundlicherweise die Übersetzung der Kurzfassung
in Spanisch bzw. Englisch an. Leider können hier nicht noch einmal alle In-
stitute, Museen, Firmen und Privatpersonen in verschiedenen Ländern aufge-
zählt werden, die alle zur Entstehung und Abrundung des hier entworfenen
Bildes der Türkisverbreitung und des -austausches beigetragen und die Durch-
führung des Forschungsvorhabens erst ermöglicht haben. Sie sind alle in einer
separaten Veröffentlichung, in der auch die Herkunft und die Analysenergeb-
nisse der untersuchten Türkise aufgegliedert sind, aufgeführt.
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Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
125
THE SERPENT AT COTZUMALHUAPA
BARBARA BRAUN, New York
The intention of this paper is to describe and interpret serpent imagery in
the art of Santa Lucia Cotzumalhuapa, which is dated ca. A.D. 400—900, for
its extent and importance has not been previously demonstrated. The first
part of the paper describes the range of these images, including their manifes-
tation in three-dimensional form as tenoned heads, hachas, and monumental
staircases, and their realistic and emblematic representation on various reliefs.
In the course of this discussion, I will link serpent imagery with the ball game
at Cotzumalhuapa; draw comparisons and contrasts between representations
of serpents on tenoned heads and hachas; and tentatively identify a previously
enigmatic Cotzumalhuapa glyph as a serpent symbol. In the second part of
the paper, I will explore the meaning of serpent motifs at Cotzumalhuapa,
and offer an hypothesis about the nature of the ball game at Cotzumalhuapa.
I conclude that serpent representations appear to have functioned as images
of transformation in the ball game ceremonial, and also suggest that there is
a similarity between Cotzumalhuapa and Peten Maya serpent conceptions
that has heretofore been overlooked in favor of Mexican correspondences.
Three-Dimensional Serpent Images
In Cotzumalhuapa art, the characteristic serpent image resembles a stylized
crocodile or cayman, sometimes combined with iguana or snake attributes.
Most images are restricted to the head of a serpent; fullbodied representation
most typically associated with the Cotzumalhuapa tradition is the tenoned
serpent head. At least a dozen are known from Cotzumalhuapa Pacific slope
and Antigua basin sites. The serpent head is represented with open jaws,
exposed fangs, elaborated scrolls around the eyes, and sometimes with a ruff
around the neck and a bifurcated tongue, and frequently also with a human
head enclosed within the maw. Some serpent heads from the south coast and
highlands that are stylistically related to Cotzumalhuapa heads have an
upsweeping snout that extends over the brow (Parsons 1969: Pi. 57j), or an
extension at the tip of the nose (Parsons 1969: Pi. 56i).
The eye and mouth are clearly the principal elements of the serpent-head
image at Cotzumalhuapa. The overall shape of the head is either curvilinear
126
Braun, The Serpent at Cotzumalhuapa
or rectilinear, and the shape of the orbits of the eyes follows accordingly.
Usually, the sub-or supra-orbital lids are joined in front of the eye and swing
to enclose it and form balanced scrolls, one curving upward, the other down-
ward, and sometimes there are also trefoil elements above or below the orb.
Known as the Reptile’s Eye (RE) glyph, the serpent eye with trefoil attachment
is one of the most prevalent Cotzumalhuapa glyphs, and consists of a central
element surmounted by an inverted U-shaped or supra-orbital scroll, which
is in turn topped by three long triangular peaks (Parsons 1969: 145). Mouths
of serpents receive special treatment when they are wide open or contain
human heads. In this event, the ridge pattern of the upper palate Is articulated
and framed by fangs and teeth, as on Mon. 3 from El Castillo (Figs, la and b).1
In the Cotzumalhuapa region, tenoned heads are associated with ball courts
as paired centerline markers on range walls (as at Palo Gordo), and with
stairway balustrades (as at El Baul), but in most cases they have been found
without a context. Another possibility, suggested by a representation on a
Tuquisate relief vessel,2 is that tenoned heads at Cotzumalhuapa were arranged
in composite, hieratic, altarlike sculptures set back-to-back flanking a central
circular form, such as a stone ball or a tenoned disk. In summary, tenoned
serpent heads are common Cotzumalhuapa representations. The eyes and
mouth of the serpent are its most important features, and serpent mouths often
enclose human heads.
The serpent is the most common animal image on Cotzumalhuapa style
hachas. Like tenoned heads, hachas have traditionally been associated with
the ball game, and considered to have been used as paraphernalia in the
athletic contest or as ceremonial props in the ritual. Unlike tenoned serpent-
head representations, serpent effigy hachas are often ambiguous images. It is
1 Tenoned serpent heads with human faces in their jaws that are stylistically re-
lated to El Castillo Mon. 3 include examples from the highlands at Kaminaljuyu
(Miles 1965: 269), Xalapan, Jalapa (Parsons 1969: Pi. 57 a, b), and Patzun, near
Chimaltenango (Villacorta and Villacorta 1927: ill., p. 110). The latter is note-
worthy for its colossal size and fine carving. It also has a trefoil motif appended
to its sub-orbital lid and a bifurcated tongue. In the Middle Motagua region, Al-
ter V from Quirigua seems closely related to El Castillo Mon. 3 in style, and other
Quiriga monoliths, such as Zoomorph P, seen linked to Cotzumalhuapa concep-
tually.
2 The relief on a tripod cylinder vessel in the Denver Museum shows two ball play-
ers, wearing hip protectors and yokes, flanking an image consisting of two back-
to-back tenoned serpent heads supporting between them a tenoned disk decorated
with a grinning skull, and topped with a tied bundle, bow or cylinder (see Stroess-
ner 1974; Hellmuth 1975: ill., p. 19).
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
127
frequently difficult to distinguish between serpent and jaguar heads, and
there is also a deliberate fusion or blurring of human and jaguar or serpent
identities. This is best illustrated by comparing a “serpent” head effigy in the
Philadelphia Museum (Fig. 2a) with a “jaguar” head in a private collection
(Fig. 2b). The contour of the heads, form of the jaws, placement and shape
of the eyes, as well as the vertical tenons, are all comparable. There are slight
differences: the nostrils, and especially the jutting lower jaws of the two
“jaguars” are distinct from the “serpents”, which also have more widely gaping
maws. None of these images have ears, although the placement of the per-
forations on these heads conveys the impression of carboles.
Among the anthropomorphic heads whose identities appear to fuse with
those of animals are two youthful human heads, one from Aldea Rio Santiago,
in-between El Baul and Bilbao (Muñoz collection), and another from the
Philadelphia Museum collection (Fig. 3a, b). They are conspicuously un-
adorned, lacking not only headdresses, but also ears and hair. Moreover, the
shape of their heads and features is distorted, so that they bear a peculiar
resemblance to certain jaguar or serpent effigy-head hachas (cf. Fig. 2a, b,
and also Thompson 1948: Fig. 19d, left, and j). The S-curve scrolls over the
surface of a unique miniature hacha representing an anthropomorphic head
in the collection of the Museum of the American Indian also suggest a second
identity as a curling serpent for this object, which can be compared with a
similar hacha from El Baul (Thompson 1948: Fig. 19j) and a full-figure serpent
effigy hacha, with Its head at the bottom of the image and body formed by an
S-curve above (Arts Mayas du Guatemala 1968: Fig. 235). This deliberate
shifting between a human and serpent image may signify a special kinship
between these species, involving a circulation of vital energy between human
beings and animals, or the concept of transformation from one species to
another.
A few human effigy-head hachas have serpent headdresses or are enclosed
within serpent maws. A finely carved specimen from the Nottebohm collection
(Fig. 4) displays a typical Cotzumalhuapa male face, with query-mark shaped
ears lacking ornaments, which is enclosed within a fangless and toothless
serpent maw. The absence of teeth is stressed by the representation of gums
with a serrated pattern that suggests gaping holes left by extracted teeth (cf.
Fig. 2b and Thompson 1948: Fig. 19b and d, left). The nostril of the serpent
has a tassel hanging through it, which may either be a part of the serpent or a
crested human headdress emerging from the nasal aperture. To review, serpent
heads, sometimes enclosing human faces, are common effigies on Cotzumal-
128
Braun, The Serpent at Cotzumalhuapa
huapa style hachas. Representations of serpent heads often seem to fuse with
jaguar and anthropomorphic heads on hachas.
It is characteristic of all animal and human heads — even skulls — on
Cotzumalhuapa style hachas to be uniformly deprived of their emblems of
power. Human effigy heads are denuded of their ear ornaments and teeth,
while animals are defanged and have no masticators. A few exceptions are
fanged supernaturals. This consistent stripping of power attributes from both
animal and human effigy heads on hachas distinguishes them from tenoned
representations, which are nearly always equipped with ear ornaments, head-
dresses (where appropriate), and teeth. Hacha effigies thus appear to be dead
or powerless, while tenoned-head images seem to embody life or status and
power.
The largest scale three-dimensional serpent image at Cotzumalhuapa occurs
in the form of monumental Stairway F-4 at Bilbao, which Parsons (1969:
48—9) convincingly suggests was intended to symbolize the gaping jaws of a
serpent, with cones on the balustrades representing fangs, and the steps re-
presenting ridges on its palate (Fig. 5a). This stairway leads directly to the
Monument Plaza and the sunken ball court (as postulated by Parsons), where
the ball player stelae and other ball-game related monuments were displayed
at Bilbao (Parsons 1969: 55—7). The conceit of a staircase as a serpent maw
is unique neither to Bilbao, nor to Cotzumalhuapa. Similar cone-shaped
sculptures also associated with a major stairway were found at one of the
westernmost Cotzumalhuapa sites, Palo Gordo (Termer 1973: 218; Figs.
98—9). Although no reconstruction of this stairway at Palo Gordo has been
made, it was possibly analogous to the Bilbao F-4 Stairway. Comparable
cone-shaped sculptures adorning stairways are also known from such distant
sites as Chichen Itza and Copan (see Parsons 1968; 131). In addition, the
Copan Hieroglyphic Stairway and the stairway of the Pyramid of the Niches
at Tajin probably also symbolize the open maw of a serpent.
Thus far, I have shown that three-dimensional representations of serpents
at Cotzumalhuapa focus on images of heads, and include tenoned heads,
hachas, and monumental stairways.
Relief Representations of Serpents
Serpent motifs on Cotzumalhuapa reliefs are largely confined to serpent
heads and maws, as they are on three-dimensional sculptures. These represen-
tations vary from miniature to monumental in scale and range from naturalis-
tic to abstract in form. Stylized serpent maw images conceptually similar to
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
129
the one on Stairway F-4 occur on El Castillo Mon. 1 in profile and on Bilbao
Mons. 3 and 7 in frontal view. The serpent maws on Bilbao Mon. 7 and El
Castillo Mon. 1 (Figs. 5a, c and 6) are rendered in a highly stylized, rectilinear
manner. On Mon. 7 the widest horizontal lines delineate the ridges of the
upper palate, a more closely set and evenly spaced strip of horizontal lines
indicate a row of teeth, interrupted by occasional fangs, a narrow strip indi-
cates the gums, and yet another slightly wider row of lines, what may be the
fleshy lips of the reptile’s mouth. Bilbao Mon. 3, probably slightly later in
date than Mon. 7 (because of its opened-up and frameless composition), is a
more naturalistic and organically rounded rendition of a gaping crocodile
maw. Both maws enclose “diving” deity heads. Where the upper portion of
the maw and thus an upward direction is stressed on Mon. 7, the lower portion
of the jaw and a downward direction is emphasized on Mon. 3. The deity
wearing a solar disk on the upper register of Mon. 3 is also closely comparable
to the figure surrounded by a solar disk at the top of El Castillo Mon. 1, but
seen from a different perspective.
Motifs on Bilbao Mons. 33 and 84a, b, c, are far more abstract, but essen-
tially resemble the realistically recognizable serpent maws on Bilbao Mons. 3
and 7. Now, it is difficult to detect the original point of departure for the
representation: the serpent maw has become an abstract emblem. All four
sculptures are basalt shafts, rectangular in cross-section, with relief decoration
on three sides. The front of each column is carved with either three, four, or
six trefoil RE glyphs, and a bifurcated double scroll motif that represents a
bifid serpent tongue flowing from the base of the lowest glyph.4 The sides of
each shaft are carved with a complex geometric decoration of modular widths,
which Parsons has tentatively identified as serpent ventral scales and dorsal
patterns (1969: 112), but instead appears to replicate the layered pattern of the
3 At dawn, an actual figure climbing the F-4 Stairway, located on the western side
of Platform 1 at Bilbao, would have been facing the sun in much the same man-
ner as the figure on El Castillo Mon. 1. Counting the platform top, there were
nine steps on the F-4 Stairway, suggesting a symbolic ascent.
4 Mons. 84 a and b were found recently in an area just beyond the F-4 monumental
Stairway on the north side of the Monument Plaza. These two columns are of
nearly identical dimensions and style; each is adorned with three trefoil RE glyphs
and has deeply undercut carving on the sides of the shaft. They were set on either
side of Mon. 85, a lintel. Mon. 84 c, with slightly different dimensions, decoration,
and carving style, was found some distance behind. It resembles Bilbao Mon. 33,
which was uncovered some years ago from a non-specific location at the site, more
closely than Mons. 84 a and b. Mon. 33 has six RE glyphs on Its front surface,
whereas Mon. 84 c has only four.
9 Baessler-Archiv XXX
130
Braun, The Serpent at Cotzumalhuapa
serpent maws on Bilbao Mons. 3 and 7 and El Castillo Mon. 1. On Mons. 84a
and b this pattern forms a notched ladder made up of deeply undercut fangs
and teeth, with the trefoil RE glyph possibly mapping the stages of ascent
on the front of the shaft. Thus, the four columns appear to symbolize a gaping
serpent maw.
What I think is an even more abstract or ideographic version of the serpent
maw motif at Cotzumalhuapa consists of an open-ended rectangle embellished
with horizontal striped lines. It can be seen most clearly as a stylized back
and head ornament worn by ball players.■’ These ornaments are roughly
uniform in size, bordered on two sides by a narrow and a wider row of evenly
spaced horizontal lines, and have a tasseled crest attached either to their
bottom (Fig. 7a) or top (Fig. 7b). Figures with yokes and calloused knees on
Bilbao Mons. 2, 4, 6, 8, and 10—11 (Parsons 1969: Pis. 32c; 33a, b, c; 41a, b)
wear this rectangular ornament attached to the back of their waists. Similar
devices frame the heads on Bilbao relief Mons. 82 and 83 (Figs. 8 and 9)
and 38, and the head of the central figure on El Baul Mon. 4 (Parsons 1969:
Pi. 29b and cover; Pi. 58d). They also appear on three-dimensional “portrait
busts”, including El Baul Mon. 12, Pantaleon Mon. 1, two tenoned heads from
Fincas Eos Pastores and Pompeya, near Antigua, and two others from the
south coast (Parsons 1969: Pis. 60d, 63a, b, c). The device is now up-ended
so that the crest and tassel are at the top, projecting over the face of the
personage, rather than hanging from the bottom. Whereas only youthful ball
players wear back ornaments, rectangular head ornaments are worn by
youthful, more mature, and death figures. Yet another difference involves
the distinctive hairdressing of these heads; instead of being worn in a long
queue down the back, it is now wound around the neck, as on Bilbao Mon. 83.
I can justify the assertion that the rectangular ornament is an emblematic
representation of a serpent maw by comparing it to representations of clear-
cut serpent maws on Bilbao Mons. 3 and 7 and El Castillo Mon. 1 (Fig. 5b, c).
On the latter relief, a profile serpent maw is divided into distinct parallel
strips marked by evenly spaced horizontal lines. The serpent maw element
per se is symbolized by either one or two narrow strips with horizontal lines.
The outer, wider strip probably represents a feather border.
5 Figures on Cotzumalhuapa reliefs wearing yokes, kilts, neck ornaments (usually
shell gorgets), ear plugs or pendants, and also frequently having gloves, garters,
sandals, and calloused knees, are considered to be ball players. Busts or heads with
the same headdress and body ornaments as full figures with complete costumes are
also identified as ball players.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
131
A glyphic form, surrounded by a cartouche, that is essentially identical to
the stylized rectangular ornament I call the Serpent Maw glyph. It appears
at the top of Bilbao Mon. 1 (Figs. 10 and 7c) and on Bilbao Mon. 55a, a
carved riser of the F-14 Stairway on the north side of the Monument Plaza
(Parsons 1969: PI. 6c).6
To review briefly, we have seen realistic and stylized relief representations
of serpent maws on Bilbao Mons. 3 and 7 and El Castillo Mon. 1. More
abstract images of serpent maws occur on four carved shafts from Bilbao,
Mons. 33 and 84a, b, c. An emblematic version of the serpent maw motif
appears as a stylized rectangular back and head ornament worn by ball players
on various Cotzumalhuapa monuments. Finally, a glyphic version of this
rectangular device is seen on Bilbao Mons. 1 and 55a. This mixture of realistic
and abstract representations of serpents observable at Cotzumalhuapa recalls
a similar phenomenon in lowland Maya art, where elements that appear on
reliefs in realistic form are abstracted and combined into hieroglyphs. It does
not occur in the art of Teotihuacan, which is consistently emblematic in
character — everything is a sign or symbol — nor in the predominantly
naturalistic art of Veracruz.
The Meaning of Serpent Motifs at Cotzumalhuapa
The meaning of serpent imagery at Cotzumalhuapa is closely bound up
with the ball game, which is the central metaphor of Cotzumalhuapa art.
I believe that the ball game was probably a great state festival incorporating
agricultural, civic, and religious concerns, which was focused on an athletic
contest, culminating in sacrificial rites. The proliferation of architecture,
monumental sculpture, and stone paraphernalia associated with the ball game
in the Middle Classic period at Cotzumalhuapa marks the institutionalization
of the cult in the society. Elsewhere (Braun 1977) I have hypothesized that
this development was a response to profound socio-economic changes brought
8 A variation of this glyph may be seen on the lower right of Bilbao Mon. 21 (Fig.
7 d); (Parsons 1969: Frontispiece).
The earliest appearance of an emblematic serpent maw motif on the south coast
of Guatemala may be at Monte Alto in the Late Pre-Classic period. Mon. 6 is
decorated with “an interesting medallion on the breast which may be a serpent-
jaw motif” (Parsons and Jenson 1965: 137—38; Fig. 12, left). Consisting of two
curved brackets with curled ends, decorated with diagonal stripes, enclosing a row
of evenly spaced horizontal lines, this pectoral resembles the stylized serpent maw
on Bilbao Mons. 7 and 21 and glyphic versions of this motif on Bilbao Mons. 1
and 55 a.
9*
132
Braun, The Serpent at Cotzumalhuapa
about by the demand for cacao, particularly as a medium of exchange, and
the introduction of specialized labor and trade. In social terms, the ball game
ceremonial may have provided altered forms of activity and association. These
may have been reflected in new status relationships between members of the
community. The game probably legitimized new Cotzumalhuapan merchant
rulers and enshrined a new social order based on the production and mercantile
trading of cacao. Under this regime, the game may also have been a means
of channeling social energy and sanctifying new competitive values in
Cotzumalhuapa society. Through rigorous competition in the athletic contest
participants secured a high civic-religious status. Spectators of the cult had a
cathartic experience in witnessing the enactment of social conflicts and their
harmonious resolution in sublimated form. A power struggle between the old
and new orders might also have been symbolized in this way.
If the ball game were regarded as a cultic performance based on initiation
rites, then the problem of who was sacrificed at the culmination of the game
— the loser or the winner — might be resolved. The imagery of Cotzumal-
huapa reliefs suggests that a mythic underworld battle between the lords of
the night and ancestral culture heroes was dramatized in the ball game ritual.
The former appear to be represented by earth and underworld motifs, the
latter by sky and celestial motifs; the one by vine plants, the other by cacao.
The sacrifice of the ball player who transcends worldly experience by as-
cending to the sky as a god may be a reconciliation of these polarities. The
Popol Vuh narrative of the adventures of twin ball players in the under-
world conforms to such a scenario.1 Although a Quiche myth dating to the
Late Post-Classic period, it is generally considered to reflect a very widespread
Pre-Columbian religious conception with a considerable time depth. The game
itself might also be regarded as a species of Initiation rite, with the ordeal
being an athletic contest on the playing field. By successfully undergoing
heroic trials on the ball court, players reached a higher grade and became
heroes. When such heroes finally lost the game, they were sacrificed and
became gods or supernaturals. Viewed in this light, the sacrificial victim at
the climax of the game is both the winner and loser of the game. He is a
reigning hero who has been challenged and overthrown by a younger and
stronger man, previously victorious but now superseded by a new hero. It is
7 In the myth, two pairs of ball player twins play ball against the rulers of the
underworld. Dismembered by their adversaries, the second set of twins are resur-
rected, and manage to defeat their enemies on the ball court. Finally, they rise up
victoriously as the sun and the evening star.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
133
further conceivable that the tenure of the victor was restricted, perhaps to the
duration of an agricultural cycle or a year, as was the case among Aztec
deity impersonators and rotational priests.8
An monographic interpretation of several Cotzumalhuapa reliefs supports
the reconstruction of such a sequence of ball game rites. Bilbao Mon. 9, in the
Museum für Völkerkunde, Berlin, a seated figure with a yoke, calloused knee,
elaborate headdress, and staff, and a similar unnumbered relief (Parsons 1969:
Pi. 29a), represent the enthronement of a ball player hero. There are a number
of reliefs showing the defeat and sacrifice of a ball player, including El Baul
Mons. 4 and 27, Bilbao Mons. 1 (Fig. 10), 10 and 11. A large number of
reliefs represent a dialogue between two ball players, including El Baul
Mons. 27 and 30, Bilbao Mons. 10 and 11, and 20, and El Castillo Mon. 2
(Parsons 1969: Pis. 40a; 41a, b; Thompson 1948: Fig. 7a). What is recorded
here is a ritual transfer of power from one ball player hero to his successor in
office.9 Finally, El Castillo Mon. 1 (Fig. 6) and Bilbao Mon. 15 (Parsons 1969:
Pi. 36c) depict a ball player ascending a staircase towards a celestial deity
surrounded by a disk, and they signify the apotheosis of the ball player.
The representation of an ornamental rectangular device on many Cotzumal-
huapa monuments also suggests such a sequence from ball player to divine
hero. There is an explanation for the observed shift in orientation of these
devices on certain figures and the accompanying hairdress modification. Prior
to the game the player wears the ornament attached to the back of his waist,
while after the contest and possibly in conjunction with his sacrifice it is
transferred to the back of his head and turned upside down. Evidence from
burials in Veracruz indicates that yokes may have undergone a similar trans-
8 At the Aztec feast of Toxcatl, dedicated to Tezcatlipoca, there was an annual
sacrifice of a young man impersonating Tezcatlipoca, who had lived like a god
for one year (Nicholson 1971: 432). Among the Aztecs, in addition to a fulltime
priesthood, there were also rotational priests who served successive veintena
shifts as well as votive penitents from the upper class who vowed to serve a par-
ticular temple for specific periods of time. “Typical were . . . groups of young
men and women who served exactly one year In the Huitzilopochtli temple in
Mexico” (Nicholson 1971: 436).
9 Ethnohistoric and ethnographic parallels suggest this idea of a ritual transfer of
office ceremonial in the ball game context. Examples include the fellow-feeling
and kinship expressed between an Aztec sacrificer and his victim (Soustelle 1971:
99); and the cargo festival rituals in many contemporary Mexican communities,
such as Zinacantan, Chiapas, In which old and new leaders face each other ob-
liquely and shout their speech silmutaneously during the highly ritualized transfer
ceremonials (Mendelson 1967: 401).
134
Braun, The Serpent at Cotzumalhuapa
position during the course of the ball game ceremonial in that region.10
Ceremonial objects are treated similarly in initiation rites in many ethnogra-
phic cultures.11
Worn by the ball player as a back ornament at one point in the ceremonial,
the device was transposed to his head when he had achieved a certain status.
Ball players may have been ranked hierarchically at Cotzumalhuapa; there
are ethnohistoric12 and mythical13 parallels to support such an hypothesis.
The serpent maw symbolizes the ultimate status elevation, awarded post-
humously after the sacrifice of the hero and his apotheosis.14 Moreover, the
crowning of the hero with this device identified him with a serpent deity.
Thus, serpent maws were associated with heroic ball players who successfully
emerged from the ordeal of the athletic contest, and passed through several
ranked levels to become heroes, or perhaps hero-rulers, and finally divine
culture heroes.
10 First worn around the waist of living ball players, yokes were later placed around
the head of a ball player as a funerary crown or container for his body. At Ome-
alca, Genin (1928) uncovered an undecorated yoke placed around the skull of a
burled man; at Santa Luisa, near Tajin, Wilkerson (1970) found the body of a
young man of athletic build flexed on top of a carved yoke and partially con-
tained within it; Medellin Zend (1960) found the pulverized bones of an individ-
ual mixed with cinnabar placed within the arch of the yoke.
11 For example, in the early stages of the Asmat initiation rite in New Guinea, the
youthful initiate undergoes an ordeal in the men’s house. Immediately thereafter
he is elaborately decorated, and bamboo plates called owan are placed on his back.
After a subsequent ordeal involving a canoe trip and a ritual reenactment of death
and rebirth, the initiate is once again decorated from head to foot, and the bam-
boo plates are shifted from his back to his breast. Fie is thenceforth considered to
be a man (Zegwaard 1959: 1025).
12 Both the Aztec priesthood and military were organized hierarchically. Each major
grade of the priesthood, from student acolyte to high priest, had a rank and title.
Individuals who chose the priesthood as a fulltime profession seem to have moved
up this ladder about every five years (Nicholson 1971: 436). The military ranking
system included a long series of grades based on heroism displayed on the battle-
field, judged according to how many enemies were taken or killed. The supreme
rank awarded to war heroes was membership in the highest military orders, jaguar
or eagle knighthood (Soustelle 1971: 43).
13 The structure of the Popol Vuh myth, narrating the progressive adventures of two
sets of twins undergoing ordeals in the underworld, shows the first set of twins
preparing the way for the eventual triumph and deification of the second set.
14 The serpent is the perfect embodiment of the idea of resurrection by the natural
fact of its periodic sloughing of old and regeneration of new skin. There are also
certain Cotzumalhuapa representations that explicitly appear to relate serpents to
the concept of rebirth or renewal (Thompson 1948: Figs. 9 f and 28 a).
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
135
Following this interpretation, the glyph in a raised cartouche at the top of
Bilbao Mon. 1 (Fig. 10) and on Mon. 55a suggests two meanings: a serpent
maw headdress, and an empty frame, which might have been filled by the
(sacrificed) head of the ball player hero. The raised format and the position
of the glyph on the top of the stela are analogous to the high relief represen-
tations of divine deity heads on the tops of the seven other Bilbao ball player
stelae, Mons. 2—8. This suggests a correspondence in the meaning of these
forms, which supports these speculations.
The investiture of the ball game hero with a serpent maw headdress that
identified him with a serpent deity can be seen to be analogous to Maya rulers
who identified themselves with the serpent deity, Itzamna. Viewed in this
light, the serpent maw motif at Cotzumalhuapa may be likened to the Maya
deity Itzamna, as it has been interpreted by Thompson (1970; 1973), and seen
to have less correspondence to Mexican serpent imagery.13 * 15 According to
Thompson, the Maya serpent monster is Itzamna or Iguana house, a reptile
combining crocodile, iguana, and snake attributes, embodying a group of
deities who were earth and sky, with four aspects that together comprise the
roof, walls, and surface of a huge world-enclosing house or frame (1970: 214).
Maya temples or houses with serpent maw facades confirm this interpretation,
as do representations of Itzamna beings forming a frame in which a ruler is
seated on his throne, as on Piedras Negras Stela 25 (Thompson 1970: Fig. 4d).
Thompson concludes that the constant identification between the ruler and a
serpent in Maya art was an effort on the part of rulers to identify themselves
with the supreme power, and an assertion of the idea of divine right of the
Maya rulers (1973: 69). He further suggests that the image of the human
head within a serpent maw represents one of four deified aspects of Itzamna,
with the serpent standing for Itzamna and the head, for a particular version
of the god, depending on the secondary characteristics, usually either God D,
a sky creator, or God K, an earth fertility god (Thompson 1973: 65 ff.).
At Cotzumalhuapa, we have seen that the serpent maw appears as a framing
device in monumental scale on the F-4 Staircase, according to Parsons’ re-
construction (Fig. 5), and around the heads on Bilbao Mons. 38, 82 and 83,
El Baul Mons. 4 and 12, and Pantaleon Mon. 1, as well as other sculptures
from south coast and Antigua sites. It also appears as a glyph and an empty
frame at the top of Bilbao Mon. 1 and on Bilbao Mon. 55a. The crest and
13 Seler (1902—23), Nicholson (1961), Klein (1975), and Pasztory (1976) have inter-
preted the image of the human head enclosed within a serpent maw as primarily
associated with earth, underworld, death, and fertility.
136
Braun, The Serpent at Cotzumalhuapa
tassel prominently displayed on the stylized back and head ornaments worn
by many ball player figures (Figs. 7a, b) and on a serpent effigy-head hacha
(Fig. 4) further suggest an analogy between Cotzumalhuapa serpent images
and Maya God K. This earth-fertility aspect of Itzamna is characteristically
endowed with a crest and tassel (see Thompson 1970: 226). The alternating
orientation of this crest on Cotzumalhuapa representations suggests that the
Cotzumalhuapa serpent represents a deity embracing both earth and sky
associations or the descending and ascending aspects of a deity. The predomi-
nance of the ascending direction in the iconography emphasizes ideas of birth,
ascension, and transition to a higher state at Cotzumalhuapa, and associates
the serpent head primarily with these conceptions.
As a feature of the serpent’s head, both the Reptile’s Eye glyph and the
“Serpent Maw” glyph also appear to be closely associated with ideas of eleva-
tion. The meaning of the trefoil RE glyph at Cotzumalhuapa is disputed.
Thompson identified it as a celestial symbol, and Parsons as an earth-related
symbol whose three peaks are symbolic of leafy vegetation (1969: 145). My
analysis shows that the RE glyph at Cotzumalhuapa is linked with earth and
vegetation, and restricted to one upward direction. But it also occupies a
position in between earth and sky, and in fact bridges the gap between these
two spheres in the Cotzumalhuapa universe.16 The “Serpent Maw” glyph
seems to operate more flexibly in both up and down directions, while also
favoring the former. The distinctive meaning of both these glyphs involves
process, becoming, emerging, and transition between two spheres or states of
being.
In conclusion, Cotzumalhuapa serpent head representations appear to have
functioned as images of transformation and change. As tenoned heads, hachas,
monumental stairways, shafts, relief images, and glyphs, they are mediating
emblems of passage from one state of experience to another in the ball game
ritual. As realistic and emblematic headdress ornaments, they signify the
periodic temporal and spiritual renewal of men and heroes (or hero-rulers) in
the context of the ball game ceremonial. Thus, rather than images related to
the earth and underworld, Cotzumalhuapa serpents appear to be emblems of
transformation and transition to an upperworld. If my interpretation is cor-
rect, then serpents at Cotzumalhuapa correspond more closely to Peten Maya
than to Mexican representations.
16 The RE glyph is usually represented in a vertical series which traces an upward
course from a lower to an upper level, as on Bilbao Mons. 10 and 11, 33, 84 a, b,
c, and El Castillo Mon. 1.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
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Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982) 139
Fig. 2 a, b. Cotzumalhuapa style serpent-head hachas of unknown provenience, a. Philadelphia
Museum collection, after Kidder and Samayoa 1959, Fig. 92; b. Private collection, Santa Barbara,
California.
Braun, The Serpent at Cotzumalhuapa
Fig. 3 a, b. Fiuman effigy head hacha, Aldea Rio Santiago. Muñoz collection, Las Illusiones,
Guatemala. Photograph by the author; b. Cotzumalhuapa style fragmentary hacha of a youthful
human head. After Kidder and Samayoa 1959, Fig. 93.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
Fig. 4. Cotzumalhuapa style hacha of un-
known provenience. Human head within
serpent maw. Nottebohm collection, Gua-
temala. Photograph by the author.
Fig. 5 a, b, c. Cotzumalhuapa stylized serpent maw re-
presentation. a. Stairway F-4, Bilbao Monument Plaza;
b. Bilbao Monument 7; c. El Castillo Monument 1.
Drawings by the author after Parsons 1969, Fig. 11
and PI. 34 b.
IS!
Fig. 6. El Castillo Monument 1. Human figure
climbing serpent maw stairway, stela. Photograph
by the author.
Fig. 7 a, b, c, d. Ornamental rectangular devices at Bilbao, a. Back
element worn by ball players, for example, Monument 2; b. Head-
dress element work by ball players, for example, on Monument 38;
c. The “Serpent Maw” glyph, for example, on top of Monument 1;
d. As an emblematic device, for example, on Monument 21. Drawings
by the author.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982) 143
Fig. 8. Bilbao Monument 82. Fluman “portrait” head within
ornamental rectangular device, relief on a rectangular block,
recently unearthed. Photograph by the author.
Fig. 9. Bilbao Monument 83. Skeletal head within ornamen-
tal rectangular device, relief on a rectangular block, recently
unearthed. Photograph by the author.
144 Braun, The Serpent at Cotzumalhuapa
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
145
Fig. 10. Bilbao Monument 1 (drawing).
Ball player stela. Collection Museum für
Völkerkunde, Berlin. After Museum hand-
out 004.
10 Baessler-Archiv XXX
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
147
A VIEW FROM THE BRIDGE:
INTERMEDIATE AREA SCULPTURE
IN THEMATIC PERSPECTIVE
KAREN OLSEN BRUHNS, San Francisco
Stone sculptures which bear little resemblance to the monuments of the
major Mesoamerican artistic traditions have long been noted In the Maya
area. The greatest concentration of these is in sites which cluster along the
Pacific piedmont and adjacent highlands of southern Mexico, Guatemala,
and El Salvador (Figure 1). In 1940 Francis Richardson summed up what was
then known about these sculptures and noted that they bore certain
resemblances to stone monuments from lower Central America, suggesting
that the Central American sculptures might well be due to successive in-
trusions of Mexican peoples or ideas into Central America. Although there
has been, since Richardson’s study, a great increase in information con-
cerning these sculptures and their cultural context, his preliminary hypo-
thesis has remained current and most syntheses regard it as given that the
Central American sculptural traditions were offshoots of those of Meso-
america. Even with the resurgence of interest in possible contacts and in-
fluences between Mesoamerica, Central and South America there has been
little reconsideration of the basic nature of these sculptural traditions or
formulation of alternative hypotheses concerning their origins and relation-
ships. Partly this is because one of the basic problems of any such recon-
sideration has remained essentially unchanged since Richardson wrote: the
near total lack of precise chronological placement for these sculptures, where-
ever they are found. This is not the fault of the researchers, necessarily.
In any situation involving long occupied areas in which rebuilding and
remodeling of sites has taken place there exists the very real possibility, and
often the certainty, that monuments have been moved and/or re-set. To such
ancient disturbance may be added modern movement and, often, actual
removal of sculptures. Hence there are doubts about the original context of
sculptures in the majority of sites. The result is that in both Mesoamerica
and Central America the temporal placement of these sculptural traditions
is quite vague and, at best, is within a period or phase of some centuries.
This is not a situation which lends itself to any rigorous study of origin,
function or extra-territorial relationships (Figure 2).
10*
148
Bruhns, Intermediate Area Sculpture in Thematic Perspective
Fig. 1. Distribution of sites with monumental sculpture in the Intermediate Area
and those with sculpture in non-Maya traditions of southern Mesoamerica. Compass
rose: jaguar head sculpture from Cara Sucia, El Salvador. Legend figures: from relief
2, Chalcatzingo, Morelos, Mexico. Corner faces: masked and supernatural figures from
San Agusdn, Colombia.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
149
FIGURE 2 RELATIVE CHRONOLOGY OP INTERMEDIATE AREA AND SOUTHERN MESOAMERICAN "NON-MAYA"
SCULPTURE
PERIODS ■ MEXICO GUATEMALA EL SALVADOR NICARAGUA COSTA RICA PANAMA COLOMBIA
Late Post-
Classic
1200 A.D.
Early Post- Classl° HoSol 900 A.D. Chon1 era Diquis ombo Linea ales Las Me Revani Delta Vieja roedes/ az<5n
Late Classic 600 A.D. Tierradentro L (?)
Moscopdn( ?)
Early Classic T San Afrustin
300 A.D, I zapa Cot zura alhuapa Barriles J
Late Formative 300 B.C. Antigu Sta. Leticia Chalchupa Cara Sucia Quelepa a Basin j- 9
Middle Formative 900 B.C. l Abaj lakalik L
Early Formative "Olmec" "Olmec" i
Yet another problem is the multiplicity of styles found in both areas.
There are unsolved problems with the definition of even the major styles of
southern Mesoamerica in either the synchronic or the diachronic sense.
Nowhere is this more of a problem than in the sites of the Pacific piedmont,
where examples of stylistically diverse sculptures, perhaps representing many
diverse cultural strains, are known. These often occur within the same sits
or locale and were rather obviously also re-used and re-set many times.1
1 cf. Graham 1978 and 1982, Norman 1976, Parsons 1969, inter alia.
150
Bruhns, Intermediate Area Sculpture in Thematic Perspective
It is, however, possible to side-step this latter problem by turning to a
consideration not of style but of theme in an attempt to delineate relation-
ships among the various cultures which erected these monuments. Thematic
analysis of archaeological art is not new in either Mesoamenca or South
America, although it is undergoing a new popularity. This is especially true
in the Central Andes where the work of Donnan, Sharon, Cordy-Collins,
Lyon and others in the area of thematic analysis has led to a more profound
understanding of ancient religions and their history.2 3 In Mesoamerican
studies the thematic approach has not been as popular, even though it was
a thematic analysis (combined with associational evidence) of Piedras Negras
sculptures that was instrumental in a major revision of thought concerning
the essential character of Mayan civilization.'5 A thematic approach has also
been used by Michael Coe in studying Classic period Mayan vase painting,
yielding new insights into Mayan history and religion and, in West Mexico,
Peter Furst has begun to unravel the enigma of prehispanic ceramic tomb
sculptures in much the same manner.4 However, a more general trend in
studies of Mexican and Mayan art has been a concern with style, treating
this together with theme as though the two were entirely intertwined. But
style and theme are not the same, nor are they necessarily dependent vari-
ables. Style can be seen as the expression of ideas in a local mode of re-
presentation, the screen through which all depictions, whether of local origin
or not, are passed. Stylistic analysis is in itself extremely useful in the
delineation of a given cultural tradition and can be a crucial methodology
for arriving at fine chronological distinctions and, through these, a true
culture history.5 This type of stylistic analysis, however, has hardly begun
in either Mesoamerica or Central America. Theme, which may be defined
as the reflection of the purposes and concerns of the art itself, what Is being
portrayed rather than how it is portrayed, can be used alone in situations
in which there is a great areal extension of whatever is under consideration
and where there is little in the way of precise archaeological data to help.
Theme and style can, in one sense, be seen as two separate aspects of any
artistic tradition or set of traditions and thematic analysis, especially, can
be a valuable first step in the decipherment of cultural inter-relationships.
2 Donnan 1976, 1978, Sharon and Donnan 1974, Cordy-Collins 1976, 1977, Lyon
1979, inter alia.
3 Proskouriakoff 1960.
4 Coe 1973, 1975, 1978, Furst 1965, 1975.
5 cf. Menzel 1964, 1976, Rowe, Menzel and Dawson 1964.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
151
When one turns to the cultures of lower Central America and northern
South America, the so-called Intermediate Area, it is apparent that a common
element in many of these cultures was the production of representational
stone statuary. Within this vast region there are numbers of sites which
exhibit a series of characteristics which both set them off from other sites of
the area and from the sites of Mesoamerica. In general these sites exhibit
earthen or earthen and stone mounds associated with free-standing stone
sculptures and with burials. Sites of this type which have been investigated
by archaeologists also show that there is a considerable amount of living
refuse and, often, the remains of domestic architecture as well. Thus it would
appear that these were not vacant ceremonial centers or necropolises but
were, initially at least, villages or towns with civic/religious architecture,
domestic architecture and quarters for the dead as well as for the living.
Sites such as this are quite common and are all rather similar, allowing, of course,
for variation in size and local differences in the arrangement of the larger,
non-domestic, platforms. It is difficult to make any definite statements about
site planning since so few of these sites have been mapped in any detail, but
the plaza arrangement typical of Mesoamerican ceremonial centers does not
seem to have been well developed/’
The statuary, which differs immensely in style from region to region, is
generally associated with the larger mounds or platforms. These very often
contain tombs and graves and are associated with cemeteries containing both
rich, well-furnished, and simpler or poorer graves. The specific type of inter-
ment varies from site to site, but there is a consistent association between the
large mounds, burials in or near these and sculpture.
The sculptures associated with the mounds and cemeteries are usually free-
standing and three-dimensional, that is, meant to be viewed from all sides
(although there is a tendency to place less emphasis in detail on the back in
6 General descriptions and very partial maps are available for only a few sites. The
number of sites which have been thoroughly mapped is infintisimal. Small sites
with only a few platforms and statues are almost entirely unstudied, but seem to
be in the great majority. It is very likely that the variation in size of sites and
numbers of statues reflects the history of a given political entity. One might well
consider the situation that Helms (1979) describes for 16th century Panama as a
model, where the fluctuating importance of the various chiefdoms was directly
related to the personality and ability of the person occupying the chiefly office.
Such a model would also partly account for both absolute variation and, in a long
occupied site, fluctuation in activity through time, correlating here the erection of
statues to chiefly importance and display.
152
Bruhns, Intermediate Area Sculpture in Thematic Perspective
many styles). They may occur as markers on top of platforms (perhaps
originally screened by a perishable building), flanking or encircling the
platform, buried in caches or in tombs with human remains, or placed at
the entrance of such tombs. Typical of such sites are San Agustín, Tierra-
dentro and Moscopán in Colombia (each consisting of a series of sites), the
sites of the Diquis Delta, the Línea Vieja, Las Mercedes and the Revantazón
regions of Costa Rica, and those of the Pacific watershed of Nicaragua
(encompassing both sites on the islands of Lakes Managua and Nicaragua
and on the adjacent mainland). Similar, but almost completely unknown,
sites exist in the Popayán region of Colombia, are rumored to exist in the
Cordillera Central and the Venezuelan Andes to the north, and are found
in Chiriqui in Panama and in the rest of lower Central America.1 The
present-know distribution of sites of this type runs from near the head-
waters of the Magdalena and Cauca rivers in southern Colombia to the
northwestern border of modern Nicaragua (Figure 1). They are apparently
not found either to the south of this area or to the northwest in those
regions which have been traditionally considered to be the southern frontier
of Mesoamerica.
As mentioneed above, few of these sites can be securely dated. This is due
both to extensive looting of many sites and to the problems of associating
sculptures securely with the ceramics which have formed the basis for most
chronologies. Radiocarbon dating too, with its rather large standard de-
viations, has not proven particularity useful in obtaining the kinds of small
units of contemporaneity needed to seriously talk about cultural inter-
change. For example, there exists a series of radiocarbon dates from ex-
cavations at San Agustín. These span almost 2000 years, from approximately
500 B. C. to the 16th century A. D. None can be used to date an particular
piece of sculpture more closely than within 300—400 years.7 8 Again, the
sites of the Nicaraguan lakes are known to contain abundant ceramics of
the Middle and Late Polychrome periods, but movement and re-use of the
sculptures combined with the very real problems of dating through fill and
the relatively rough ceramic chronology (the Middle Polychrome is dated
7 Bruhns n. d., Cubillos 1980, Duque Gomez and Cubillos 1979, Graham 1982,
Haberland 1960, Long and Yángüez B. 1970—1971, Lothrop 1963, Mason 1945,
Myers 1973, Nachtigall 1955, Preuss 1929, Reichel-Dolmatoff 1972, Squier 1856,
Stone 1972, 1977, Zelaya Hidalgo, Bruhns, Dotta 1974, inter alia.
8 There is some reason to think that much of the sculpture of the “expressionistic”
style pertain to the Isnos period (ca. 100—300 A. D.) This still leaves the majority
of the sculptures unaccounted for chronologically (Reichel-Dolmatoff 1972a).
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
153
ca. 800—1200 A. D. and the Late Polychrome from 1200 A. D. to an un-
known time after the European invasion and colonization) precludes any
close dating of the monuments. Even single component sites such as those of
Ometepe Island cannot be dated closer than to within 300 to 500 years.” The
best that can be said at the present is that the practice of erecting large
platforms associated with burials and stone statuary seems to have been
commonest between approximately 500—1200 A. D. and that, on present
evidence, the southern sites seem to have earlier initial occupations.
A pattern which emerges from those sites which contain quantities of
statuary is that the figures seem to have been erected over a considerable
span of time. In many of these sites one can see the development and rami-
fications of a single style. The forms change, the details change, but the
themes remain constant. What one sees in fact is a situation analogous to
that so brilliantly detailed by Erwin Panofsky in his study of European tomb
sculpture: stylistic change through time, differing by site and clearly related
to local developments and contacts, but an overall continuity of themes.9 10
With better temporal control one might also be able to delineate other
patterns such as changes in thematic preference through time, although this
is not now possible save in the most general manner.
On one level at least it would seem that these widely seperated sites are
all related. From both archaeology and ethnohistory it is evident that lower
Central America and the northern Andes were closely connected through
trade and through political relationships, sharing a number of cultural
traditions and elements.11 In the protohistoric period it can be demonstrated
that lower Central America and Colombia formed a cultural area very
distinct from either Mesoamerica or the central Andes. Archaeological
evidence indicates that this was a pattern of long standing. Within the
“Intermediate Area” the local cultures shared (and share) many of the same
features of subsistence, social and political structure, art and religion. These
varied in local details, but were all essentially related. It would appear that
the mound/statuary/cemetery complex and the idea set that this is a visible
remnant of was, at one time, another shared element.
The sculpture of the Intermediate Area reflects a complex of religious
ideas which owes very little to the religious systems of either post-Formative
9 Haberland, personal communication.
10 Panofsky n. d.
11 Helms 1979, Willey 1971: 307—348.
154
Bruhns, Intermediate Area Sculpture in Thematic Perspective
Mesoamerica or the Andean region. Contact with or influence from these
latter regions can be seen in the sculpture, but is almost entirely restricted
to the incorporation of minor motifs used in such a way as to suggest that
they were exotic elements, items used perhaps in much the same manner as
protohistoric Panamanian chiefs used foreign objects, i. e. to distinguish
themselves still further from ordinary people.12 For example, there are a very
few figures in the Chontales (Nicaragua) style which wear masks resembling
Mesoamerican dieties. These figures are completely within the local tradition
and the exotic elements conform to the canons of depiction of masked
figures in that tradition. There is little indication that Mesoamerican dieties
are intended.1" At San Agustín, on the southern border of the Intermediate
Area, there are two statues which show a similar borrowing of a foreign
motif, in this case the Peruvian Moon Animal, a minor, though persistent
diety of the central Andes. However, the Moon Animal of San Agustín is
transformed into a local theme, in this case a reptilian alter ego figure.14 15
The themes which characterize the sculpture of the Intermediate Area
evidence a religion which, far from celebrating political elites or a series of
dieties with astral/fertility/creator functions, is centered around shamanism,
transformational (perhaps hallucinogen assisted) contact with the super-
natural, special human/animal relationships, and a set of beliefs about death
which led to the placement of statues within and about burial areas as
markers for sepulchers and, perhaps, as guardians of the graves and of the
dead. Although local varients of this religion are legion, the large number of
shared themes in the sculpture provides a most telling arguement for the
basic similarity of religious ideas (Figure 3).
In all styles the majority of statues represent human beings, usually male
(Figures 4—6). Female figures do appear, but are definitely in a minority.10
Most of these human figures are naturalistic within the conventions of a
given style. Of the figures a greater or a smaller number (depending on the
site and the size of the sample) represent supernaturals; dieties, spirits, or
12 Helms 1979.
13 Zelaya Hidalgo, Bruhns, Dotta 1974.
14 Bruhns 1982.
15 The initial means of determining gender in these styles was to work with those
statues which portrayed nude humans and which showed the genitals in an un-
mistakable manner. It was then possible to correlate, in some styles, details of
hair or ornaments with sex and so arrive at gender determination for a number of
clothed figures.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
155
Figure 3 MAJOR 1 PHEMES OP INTERMEDIATE AREA SCULPTURE
THEME EIQUIS E. COSTA RICA CHONTALES ZAPATERA & BARRILES SAN AGUSTIN TIERRA-
DELTA MOMOTOMBO DENTRO
human male X X X X X X X
human female X X X X X
supernatural X X X X X X
alter ego figure: reptile X X X X X
feline X X
monkey X X
warrior X X X X(?) X X
masked figure: animal X X X X X X
other X X X X X X
staff dancer X X x X
musician X X X x(? ) X
shaman X X
master-slave X X
"offering": cup X X X X X
shell x(?) X X(?) X
trophy head:
holding in hand(s)X X X X X X X
on neckalce X X X X
hanging down back^ X X
trophy head eater^ X
table/metate/alter
with trophy head edging X X X X X X X
head as
complete sculpture X X x(?) X X
animals; reptile X X X X X X
toad/frog X X X X
feline X X X X X X
monkey1 X X X X X
bird X X
1: Monkeys seem to be anthropomorphized and the identification is tentative.
156
Bruhns, Intermediate Area Sculpture in Thematic Perspective
perhaps the dead who have attained supernatural status of some sort.
Supernatural status is commonly indicated by the inclusion of fangs within
the mouth of an otherwise human figure (Figures 7—8). No portraiture, in
terms of a lifelike representation of an individualistic human being, is
evident and most figures, natural or supernatural, are somewhat idealized,
anonymous representations, at least as regards facial features.
1 he human figures are shown in a series of standardized poses, whatever
the style. Usually they are standing, although a general tendency in many
styles to give little attention to the legs, makes differentiation of standing
from squatting figures difficult at times. A fewer number of figures are
seated, either on the ground or on a bench or stool (Figure 9). Arm positions
are limited, most occurring in all styles, although a given style will exhibit
a preference for one or two arm positions: arms may hang at the sides, be
held with elbows bent and forearms held horizontally over the chest or
abdomen, be bent at the elbows and held crossed over the chest, or one arm
may be held horizontally or hanging and the other held over the chest or
abdomen. The high degree of standardization of arm positions, especially
within a given group, suggests that these may have had some significence
as poses of respect or devotion.
Many of the humans and supernaturals hold an object or objects. Among
those objects which can be clearly identified and which have a wide areal
spread are cups, shells, animals, trophy heads and weapons. There are also
numbers of less detailed artifacts, some of which may be crystals or coca
paraphrenalia.16 17
Aside from these generalized figures, some of which may possibly be
offering bearers, all styles show humans wearing masks. The masks are often
clearly shown as such, sometimes being held in front of the face on a staff,
other times covering the face or even the entire head (Figures 9—10). Masks
represent both animals and supernaturals, but some are abstract face covers
made of leather (?) or metal.1' Persons holding staves, probably dancers, are
16 The cultivation of Erythroxylon coca and/or E. novogranadense and its use in
religious ceremonies is documented throughout the Intermediate Area. In historic
times the northern boundary of coca cultivation was in Nicaragua, although other
species of coca (e. g. Erythroxylon mexicana) grow wild in much of southern Meso-
america.
17 Metal working and/or use and trade in metal ornaments was common in the Inter-
mediate Area after approximately 500 A. D. The knowledge of metal working
and the use of metals is another feature which sets this area off from Mesoamcrica.
157
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
also shown and musicians likewise commonly appear, holding or playing
flutes (and trumpets?), panpipes, whistles and rattles (Figures 11 —12).18
Another major thematic category is that of animals. The total number of
species represented is not large and seems to be basically limited to those
animals which historically and ethnographically are known to feature in
myths and legends. Reptiles (both caymans and lizards, it is often difficult to
tell which) are the most common, both as subsidiary motifs and as individual
sculptures (Figure 13). Amphibians, frogs or toads, are the second most
common species represented, usually as free-standing sculptures unassociated
with humans. Felines and monkeys are also fairly common and there are a
very few birds and snakes, mainly in the southern styles. An occasional un-
identifiable quadruped and the rare fish also appear.
Animals are most commonly seen in those guises which show some sort of
animal/human relationship. Although they may appear as masks and as
“offerings”, their most common role is as “alter ego” figures: as a headdress
on a human, as a figure crouched on top of the head or headdress, or
crouched along the back of the main figure, peering over its head (Figures
14—16).19 Not all styles have alter ego figures; they are very common in
Colombia and Nicaragua, whereas they seem to be rather rare in Costa Rica.
Here, however, there is a concomitant rise in the number of represent-
ations of humans with animal heads or masks, which may well be the local
convention for the same general idea. Very often the alter ego is associated
with a warrior figure, either human or supernatural. Warriors appear in most
styles, being identified as such because they hold weapons; a club or spear
and, occasionally, a shield. Throughout this region the most common alter
ego figure is a reptile.’20 The others are felines or monkeys. These alter ego
18 Dancing with stamping tubes or staves as a part of religious ceremonies in which
a shaman takes part and which he and the assembled company ingest hallucino-
genic substances is known historically from Central America and survives today
among the Tukanoan tribes of the northwest Amazon (Reichel-Dolmatoff 1978,
Figures 6 and 7).
19 The depiction of the animal alter ego is quite different from the common Meso-
american animal headdress in which the face of the wearer is seen peering out of
the Jaws of an animal hood. The Mesoamerican headdress could be a re-working
of the alter ego idea in more directly representational style, perhaps with some
disjunction. Certainly the sculptors of Zapatera Island in Lake Nicaragua saw the
Mesoamerican headdress as analogous and used this motif for a number of alter
ego statues.
20 Absolute frequencies of themes are impossible to state because of the extremely
variable nature of the sample available. For this reason Figures 3 and 23 indicate
158
Bruhns, Intermediate Area Sculpture in Thematic Perspective
figures are usually interpreted as being graphic representations of the guard-
ian animal or animal soul of the human/supernatural who forms the main
figure. It is also possible that beliefs related to the animal aspect of a super-
natural or to concepts of the master of animals are being shown, and it has
been suggested (in other contexts) that such representations refer to the
familiar spirit of a shaman.21 Beliefs about these types of animal/human
relationships abound In the Americas and are often linked with transforma-
tional shamanism.22
Although many of these themes can be linked indirectly to beliefs or
practices associated with shamanism, there is also a series of sculptures which
are more direct in their reference. These are representations of humans
wearing or holding shaman’s paraphrenalia and people being attacked by
felines. The paraphrenalia can be identified by comparison with ethno-
graphic and historical accounts of Central and South American shamans and
includes such items as whistles, cigars (?), lime flasks and small bags for coca,
quids in the cheek (either coca or tobacco), feline skin headdresses, etc. The
attack statues feature a human being being overpowered by a feline. Al-
though these statues have often been identified as scenes of copulation
between a human female and a jaguar, this identification would appear to
be erroneous.22. The feline is shown grasping the figure or sitting upon it in
position which do not suggest the more tender sentiments (Figures 20—22).
A recurrent belief in South and Central America is that shamans do their
struggling with others (shamans, spirits, human enemies) in the guise of a
feline. A related motif is that a person receives the call to shamanistic status
by surviving a feline attack, thereby showing his power over a feared super-
natural (the feline being believed to be another shaman or an animal sent
to do another shaman’s bidding). Statues showing feline attack are the only
ones in the Intermediate Area which approach a group or narrative theme.
Elements which show social relationships or the result of bellicose activ-
ities are also common. A sporadic theme, so far clearly identified only in
Panama (Barriles) and Colombia (San Agustín), is the “master-slave” motif;
one person carrying another on his shoulders. Aside from warriors (and
only presence or absence of a theme or motif. With alter ego figures there does
seem to be a preference for one species of animal in any given style.
21 Furst 1965.
22 See especially Furst 1965 and 1968 and Reichel-Dolmatoff 1971 and 1972 for dis-
cussions of this set of beliefs.
23 Furst 1968, Reichel-Dolmatoff 1972, Davis 1978.
Baessler-Archiy, Neue Folge, Band XXX (1982)
159
prisoners, these being especially common in the Costa Rican styles), a re-
current theme is that of trophy heads. Figures hold trophy heads, they wear
them suspended around their necks hanging down on their chests or between
their shoulder blades, they have trophy heads attached to their belts and,
occasionally, trophy heads are represented alone as a complete sculpture.
A peculiar element also appears, the trophy head eater: a supernatural
figure who has a trophy head emerging from his mouth as a tongue
(Figures 17—18). Trophy heads also feature in another sculptured object
which is common to all these cultures: stools, altars, tables, or metates (they
are called different things by different people), flat topped round or
rectangular footed objects which are edged with sculptured trophy heads
(Figure 19).
Within certain limits all of these sculptural styles are very realistic and
show clearly details of dress, ornaments, and other objects. There is a great
similarity in costume and certain items, such as a conical hat, are wide-
spread, suggesting that they may have had some special significence
(Figure 23). Often representations are detailed enough that materials (i. e.
tapestry, netting, beadwork, feathers, fur) are suggested. Many of the orna-
ments figures wear are identical to archaeological specimens. One San
Agustín figure, for example, wears a flask suspended around his neck. This
flask is identifiable as being made of metal and as being of the Quimbaya
style, a style which centered some hundreds of kilometers to the northwest/4
Some Nicaraguan figures are shown wearing large nose pendants of a type
which was apparently manufactured in northern Colombia.2'" Beads, pec-
torals, and other ornaments can also be matched by archaeological specimens.
Perishable items such as feather and animal headdresses are likewise shown
in some detail. The closest analogues of the types of clothing, ornaments,
and objects shown on and with the statues are those which exist or existed
among the lowland tribes of South America, especially those of the north-
west Amazon. There is, in fact, a definite lowland flavor to all of the
sculptural depictions. This may well be emphasized because native culture
only really survives, even in a quasi aboriginal form, In Amazonia. However,
the prevalence of animals such as the cayman, the monkey, and the feline,
the frequency of elaborate feather ornaments, the types of weapons and
offerings held, details of clothing such as the penis string, etc. suggest that
these cultures were more closely related to those of the Amazonian low- 24 *
24 Bruhns 1969—1970, 1982.
23 Zelaya Hidalgo, Bruhns, Dotta 1974.
160
Bruhns, Intermediate Area Sculpture in Thematic Perspective
FIGURE 23 SHARED MOTIFS OP INTERMEDIATE AREA SCULPTURE
DIQUIS E. COSTA RICA CKONTALES ZAPATERA & BARRILES SAN AGUSTIN TIERRADENTRO
DELTA M0M0T0MB0
conical hat X X- X X X X
feather crown X X X X
headband X X X X X X
beanie X X X X X X
ear plugs X X X X
earrings X x(?) X
nose ring X X
nose hanger X X
bead collar X X X
multi-strand.
necklace X X X
pectoral:
zoomorphic X X
cruciform X X X X
"metal" X X X X X X
skirt X X X
loin cloth X X X X X
penis string X(?) X X
nude X X X X X X X
nude:erect
penis X X X X X X
belt X X X X X X
1: These are variable in form but are all closely analogous to metal ornaments
found in the specific area in which the statues occur.
lands than to the very different highland civilizations.Considering their
environmental setting some similarities of this type could be expected. But
there is also growing evidence of close interchange between many of the
lowland groups and trading relationships usually imply other sorts of in-
formation exchange.26 27 It is also worth considering that the lowland cultures,
far from being the barbarian outliers of the, perhaps, more complex civili-
zations of the highlands, were highly organized and complex cultures in
26 The prevalence of nude figures in Intermediate Area sculpture is another trait
which sets these cultures off from either Mesoamerica or the central Andes. In
these latter areas nudity was generally considered to be shameful and nude figures
in art are largely restricted to prisoners or other socially disgraced persons.
27 Renfrew 1975.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
161
their own right, not merely passive borrowers and incompetent re-inter-
preters of what was passed on to them from above. It seems also that some
of these cultures played important roles in the development of the early
non-tropical forest civilizations of nuclear America. No one today seriously
questions the lowland origin of either the Olmec or the Maya and con-
vincing arguements for the lowland origins of or lowland influence on the
subsistence and religion of Chavin have been presented.2S
To date inspection of themes shown in the sculptural art of the Inter-
mediate Area and the associations of this art suggest that these pieces are a
visible manifestation of a coherent system of religious beliefs which center
around shamanism, special relationships to animal species, perhaps the use
of hallucinogens or other drugs in contacting the supernatural, and trans-
formation, especially as these relate to beliefs and practices concerning the
dead. There is little reason to associate these sculptures with overt power
politics or to see them as somehow being pale reflections of other “higher”
cultures from without. The closest parallels in theme and placement of this
sculpture are, in fact, not with the monuments of the civilizations to the
north and south, but with the ceramic tomb figures of West Mexico, sculp-
tures for which Furst has convincingly argued much the same meaning and
function.“9
When we turn to Mesoamerica and, particularily, to those areas which
have a certain amount of “non-Maya” sculpture, we see a very different
situation. Temporally the “non-Maya” sculpture of Mesoamerica seems to be
rather earlier than the full development of the Intermediate Area styles
(Figure 3). Where there are sufficient associations to allow for something
other than guess dating, most of these pieces would seem to be Middle to
Late Formative in date. The sites with which these pieces, as well as others
in more obviously Mesoamerican styles, are associated are ceremonial cen-
ters, consisting of a series of platforms in formal, usually quadrilateral,
arrangements. The Mesoamerican pattern of arranging structures around a
plaza or a series of interconnecting plazas is present, even in the earliest
sites and the figures appear to have been erected in the open plazas, either
singly or in rows, or placed at the base of platform stairs. Few, if any,
were placed as center markers on platforms and, although many of these
statues have been found buried, either as caches or as fill, none seems to
have been associated with a tomb or cemetery in the Central American 28 29
28 Lathrap 1973.
29 Furst 1965, 1975.
11 Baessler-Archiv XXX
162
Bruhns, Intermediate Area Sculpture in Thematic Perspective
manner.'10 The ceremonial centers of Mesoamerica were often residential
centers as well, but the Intermediate Area practice of placing the cemetery
within or contiguous to the main ceremonial constructions is not present.
Many platforms in these centers do contain tombs, but there is little reason
to identify the ceremonial centers as necropolises. The dead in southern
Mesoamerica were usually buried within the house, with the more important
dead having elaborate burials in either their houses (the ‘‘palaces”) or in
religious structures. This latter practice, in the Late Classic, was further
elaborated Into the construction of large, primerily mortuary, structures
such as those at Palenque and Tikal, but the ceremonial centers themselves
were definitely multifunctional and members of all social classes did not find
their final resting place within them.
Functionally Mesoamerican sculpture Is very different from that of the
Intermediate Area. Although a number of different, perhaps regional,
stylistic trends can be seen, primerily it is relief sculpture for architectural
embellishment or on free-standing monuments (stelas) which are associated
with buildings or building complexes. Sculpture in the full round does occur
in some styles, but has the same sets of associations as the relief sculpture.
In the Intermediate Area, in contrast, relief carving is secondary to free-
standing monuments and in no case is primerily architectural embellish-
ment. Functionally there is very little overlap between Mesoamerican and
Intermediate Area sculpture.
Within the general Mesoamerican tradition of relief sculpture there appear
to be a number of stylistic traditions which are thematically linked. Be-
ginning in the Late Formative (at the latest) throughout Mesoamerica sculp-
ture which celebrates political/dynastic themes appears. Within the Maya
tradition the themes are definitely political and a series of standardized
scenes are found on stelas, lintels, wall panels, etc. which commemorate
events in the lives of rulers and their close kin. Despite the sophistication of
style there is, on the thematic level, an awful sameness as each ruler cele-
brates events such as accession, coronation, marriage, the birth of heirs,
notable victories and diplomatic events. Within this framework diety de-
pictions and religious motifs are largely restricted to the association of
rulers with the insignia of the major dieties in scenes which suggest that some
special relationship, such as status validation, was envisioned. In the slightly 30
30 The only monument for which such a placement is surely noted is Monument 4 at
Izapa, which may have been placed in the center of Early Classic Mound 113
(Norman 1976: 261—262).
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
163
different traditions of Izapa and Cotzumalhuapa a more narrative style is
present and a somewhat different series of scenes appears. Many of these
scenes too can be related to political events; others would appear to concern
mythical geneaologies of the elite and/or specific acts or ceremonies within
a reign. Certainly, as in the Maya area proper, there is recognizeable por-
traiture of individuals. There is also reason to think that the Late Postclassic
(Mixtec) idea of diety impersonators or re-incarnations was present and
that this played a potent role in the local political scene. The sculptural art
of the southeast can be shown to have been open to influences from a
number of areas, but there is no reason to think of it as being basically
different in function from the art of the rest of southern Mesoamerica.
The differences in subjects and functions of Intermediate Area and Meso-
american sculpture is doubtless related to differences in culture and society,
differences which have an extremely long history. During the Early For-
mative Mesoamerican society, like early farming societies in much of the
Americas, would appear to have been characterized by small groups prac-
ticing more or less extensive agriculture and having a religion based on the
natural elements, fertility, and shamanlstic control or manipulation of the
supernatural. Peter Burst has documented a number of beliefs that are ex-
tremely widespread in the Americas and has suggested that these beliefs are
extremely ancient.31 Transformational shamanism, magical flight, concepts
of the masters of animals and special man/animal relationships and the
origins of species are linked ideas in this complex. Although the case can
best be made for those cultures which were not part of the mainstream
Mesoamerican tradition (such as the Late Formative/Early Classic cultures
of West Mexico), elements which seem to be related to this set of beliefs are
present in the art of many Mesoamerican societies and, I would argue, are
paramount in the monumental art of the Intermediate Area.
In Mesoamerica itself, however, changes in the orientation of religion and
society are evident by the end of the Early Formative. The best example of
this change in focus and function is from the earliest known culture with
monumental art, the Olmec. Although the role, and even the identity, of the
Olmec is much disputed, a presence which might best be termed Olmec-related
is seen throughout much of Mesoamerica and is quite marked in the sites of
the Pacific piedmont and the southern periphery. It has been suggested that
this presence is related to the establishment of long distance trade networks
and that these, In turn, have a close relationship with the rise of elites and
31 Furst 1968.
il*
164
Bruhns, Intermediate Area Sculpture in Thematic Perspective
the growing complexity of society over southern Mesoamerica.32 It now
seems that by the end of the Early Formative some Mesoamerican societies
had made a transition from being simple tribal groups to a more hierarchi-
cally organized society with a clearly distinguishable elite who were actively
expanding their authority and importance through control of the manu-
facture and trade of, largely, sumptuary items. Whether one wishes to view
Olmec society at this point as being a chiefdom of some sort or an early state
is not particularly relevant. There was obviously an entrenched elite, how-
ever recruited and legitimated, who were in business for themselves.
In the Olmec heartland of Tabasco and southern Veracruz these people
built a series of impressive centers embellished these with monumental
sculptures. Away from this homeland a series of other sites such as
Chalcatzingo in Morelos, Oxtotitlán in Guerrero, Abaj Takalik in Guatemala,
and Las Victorias in El Salvador show that there was enough of an Olmec
presence, physical or intellectual, to be celebrated in the construction of
monuments in an Olmec style. Many of these monuments were prestigeful
enough to be reused by succeeding polities.
When the look at Olmec art thematically we can see a number of inter-
esting features. Echoes of a series of shamanistic beliefs are certainly present
in both monumental and small scale sculpture. Monuments like those of
Río Chiquito and Portrero Nuevo which show a feline attack theme are
definitely conceptually related to the feline attack sculptures of San
Agustín. Other shamanic themes are present as well, although these are
most prevalent in the mobiliary, not the monumental, art.33 The dis-
covery of quantities of Bufo marinus bones at San Lorenzo suggests one
method of arriving at transformation.34 But by the time the Olmec or an
Olmec presence can be identified archaeologically it is evident that this
society had radically changed in its concepts of the supernatural. In the place
of shamans, alter-ego figures, guardians of the dead, masters of animals, etc.
we see portraits of rulers and a series of themes which have their closest
analogues not in the celebration of shamanic concepts, but in the themes
of the later, politically oriented, art styles. These themes include the ruler
seated on a monster mask throne or seated or standing within the open
mouth of a serpent or feline (cf. painting C-l, Oxtotitlán, Stela 1, La Venta,
relief 1, Chalcatzingo), the ruler associated with the insignia of dieties (cf.
32 Coe 1965, Flannery and Marcus 1976, Pires-Ferreira 1976.
33 Furst 1968.
34 Coe 1968.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
165
San Martín Pajapán statue, Stela 2, La Venta), and diplomatic scenes of the
sort found in Classic Maya art (cf. Stela D, Tres Zapotes, Stela 1, Viejón,
Stela 3, La Venta). That is, political themes, themes which celebrate the elite,
their power, and their special relationship with the supernatural are coming
to the fore. If this special relationship and power was based upon shamanistic
manipulations, it is not specified in the public art.
The change in the focus of the public art suggests some fundamental
changes were taking place in Olmec society. Here, ethnographic parallel may
be pertinent. A study of religion in contemporary Africa indicates that as a
society grows more complex and hierarchical, ecstatic states, which may have
been central to religious practices, become increasingly less important and
restricted to full-time religious practitioners. Although elements of possession
may linger on in a religious system and, indeed, find a new popularity in
times of stress, one aspect of what some archaeologists call the change from
a tribal society or simple chiefdom to a more complex chiefdom or early state
is the institutionalization of religion, the limitation of direct access to the
supernatural and the increasing subordination of religion to the needs and
desires of the elite.3'’. This would appear to be what Olmec public art is show-
ing. Along with the emergence of political themes and the celebration of the
prestigeous individual through portraiture, we see the appearance of specific
dieties and elaborate cosmologies which relate these dieties to each other, the
world and the elite.33 Remnants of older religious forms and practices linger
on, but in a much reduced manner and are largely absent from the public
art of later Mesoamerican cultures.35 36 37 The success of these new formulas is
evident. By the Middle Formative they appear in monumental art through-
out southern Mesoamerica on the monuments associated with public con-
structions which evidence the power and wealth of the society as reflected
in its upper echelons.
35 Lewis 1971.
36 Joralemon 1971, 1976.
37 Both Joralemon (1974) and Furst (1976) have documented practices relating to
blood sacrifice and the attainment of ecstatic states among the Late Classic Maya.
The evidence at this time suggests that these practices were a part of elite culture,
important (and rare?) enough to be publically recorded as in Lintels 17 and 34 at
Yaxchilan or to be subjects of funerary art such as the vase reputedly from south-
ern Campeche illustrated by Coe (1975, plate 15). There is also good reason to
think that Late Classic Maya society was undergoing mounting social and economic
stress, which would correlate with Lewis’s hypothesis.
166
Bruhns, Intermediate Area Sculpture in Thematic Perspective
One important aspect of Mesoamerican societies from the Early For-
mative through the Late Postclassic was extensive trade with other cultural
groups. We can see from Late Classic Maya monuments that this trade also
included the movement of people, not just traders, but marriage partners
and diplomats as well. In this light the presence of non-Maya monuments
in the southeastern sites might well be analogous to the Teotihuacán style
building at Tikal or to the Oaxaca barrio at Teotihuacán, evidence of the
presence of important foreigners or foreign groups resident for some
purpose.
On the other hand, the non-Maya sculpture of the southern Mesoamerican
sites is not particularly typical, thematically, of the Intermediate Area, and
could just as well be evidence of purely local developments in art. For
example, piller statues, figures in the full round on top of a column, are
frequently cited as evidence of Mesoamerican infiltration into the Inter-
mediate Area. Most piller figures known are from Guatemala. Their major
southern extension is only as far as northwestern Nicaragua where they are
associated with pieces which show other Mesoamerican motifs, worked, how-
ever, into the local style.38
The “jaguar” head sculptures of the Pacific piedmont (especially El Salva-
dor) would appear to be a localized or regional theme (Figure 1, compass
rose). They are not found in the Intermediate Area and, although they can
perhaps be related to the full head sculptures of the south, the idea of a
sculpture which is a head alone is so widespread as to be valueless in deter-
mining contact or influence on that basis alone.39 The much discussed boulder
or “pot-belly” sculptures of the same area would again appear to be a later,
provincial, development of the Late Formative and definitely have no
analogues to the south.40
One of the most discussed subjects in this context is that of trophy heads.
Stone has suggested that the practice of taking trophy heads was of Central
38 The local style of Zapatera Island sculpture is such that figures on columns would
fit into local ideas of form and function. Many of the purely local style figures
are on semi-columnar bases and the piller figures simply utilize a higher base.
39 Full head jaguar and were-jaguar representations are known in Olmec art, but are
not particularly common in monumental sculpture (cf. Altar 1, Laguna de los
Cerros).
40 Demarest 1980. However Graham (1982) has argued for a reverse chronological
placement.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
167
American origin, spreading from there into Mesoamerica.44 However, there
is every indication that removal of peoples’ heads was associated with a
number of very different activities, being common in both Mesoamerica and
Andean South America long before the appearance of trophy heads in
Central American monumental art. Trophy head figures are known from
Late Formative or Early Classic contexts in the Pacific piedmont and deca-
pitated burials start to make their appearance in Maya sites in Early Chicanel
times, if not before.41 42 Decapitation of sacrificial victims was an integral part
of formal religion in many Mesoamerican cultures, apart from occurring in
raiding and warfare. The habit of head removal is so widespread and so
variable in motivation that it is best considered, not as a specific cult,
but as a reflection of a series of beliefs and practices which may not be linked
at all save in the most obvious way.
Free-standing figures of reptiles and amphibians are another shared theme
which may have only the most distant relationship. These figures are known
from many Intermediate Area sites where they are found in the same contexts
as other statues. In southern Mesoamerica these figures tend to serve as
altars or offering tables associated with stelas or architectural features. The
altar/stela grouping is not found in the Intermediate Area and, considering
the number of varient beliefs about reptiles and amphibians in both areas,
free-standing sculptures with this theme may be a parallel evolution; similar
forms with quite different meanings.
This is not to say that there was no significent interchange between Meso-
america and the Intermediate Area. There most certainly was and echos of
this can be seeen in the incorporation of Mesoamerican motifs in the sculp-
tures as well as in the numbers of imported artifacts found in both areas and
at many time periods. But the basic form of aboriginal Mesoamerican and
Intermediate Area society was very different and the culture histories of the
two areas show different courses. Such themes as are shared by the two
areas can be explained better on the basis of continuing contact, remnants
of an earlier set of beliefs (in Mesoamerica) or as parallelism than by hypo-
theses of migration and the imposition of religion from without. Throughout
history each of these regions followed its own path and the essential nature
of their public art is thematically and functionally distinct.
41 Stone 1972: 83—84.
42 Parsons 1969.
168
Bruhns, Intermediate Area Sculpture in Thematic Perspective
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the kind permission of Vanderhoeck and Ruprecht. Drawings by T. W. Weller.
the Fig. 5. Standing male figure, El Tablón, Fig. 6. Back view of same figure. Note
Tierradentro, Colombia. the double “skirt” and streamers on
the headdress.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982) 173
-r, •:•.
Fig. 8. Supernatural male figure, Disquis Delta, Costa Rica.
Fig. 7. Supernatural male figure, Alto de las Piedras, San
Agustín, Colombia. The figure holds a cigar or univalve
shell and a coca bag. From Preuss, 1929, plate 77.
174 Bruhns, Intermediate Area Sculpture in Thematic Perspective
Fig. 9. Seated male wearing leath-
er or metal mask. Chontales style,
San Pedro de Lovago, Nicaragua.
Fig. 10. Male figure with leather or metal
masks, on staff held in front of the face. Ul-
lumbe, San Agustín, Colombia. Preuss, 1929,
plate 6. This figure served as a carytid and the
projection on the top of the head is to support a
beam or lintel.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
13. Reptilian figure. Reputely found covering a sarcophagus. Alto de
Lavapatas, San Agustín, Colombia.
Fig. 12. Supernatural dancer with staves.
Mesita C, San Agustín, Colombia. The figure
wears an elaborate headdress (with a back
panel) and a stylized nose ornament of metal.
176 Bruhns, Intermediate Area Sculpture in Thematic Perspective
12 Baessler-Archiv XXX
Fig. 16. Supernatural figure with reptilian
alter ego. Punto de las Figuras, Zapatera
Island, Nicaragua.
Fig. 15, Warrior with reptilian alter ego.
Meseta B, San Agustín, Colombia. Note the
tasseled headdress similar to that of Fig. 7.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
Fig. 17. Trophy head eater figure. Farm
2 corral, Diquis Delta, Costa Rica.
Fig. 18. Trophy head eater, Ullumbe, San Agustín, Colombia.
Fig. 20. Feline attack figure, La Candela, San Agustin, Colombia. Note
the anthropomorphized paws holding the head of the small, limp figure.
The second figure, which may be that of a female, is shown in the stan-
dard pose of respect or devotion.
Fig. 19. Stool with pendant trophy heads. Alto de los Idolos, San Agus-
tín, Colombia.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982) 179
180
Bruhns, Intermediate Area Sculpture in Thematic Perspective
Fig. 21. Side view of same.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
181
THE WELL-DRESSED CAPTIVES:
SOME OBSERVATIONS ON
MOCHE ICONOGRAPHY1
ELIZABETH P. BENSON, Bethesda
In the ceramic art of the Moche people on the north coast of Peru, from
the last centuries before Christ to the eighth century A.D., in depictions found
mostly on stirrup-spout vessels, the dress and accessories of various creatures,
human and supernatural, tend to cluster in certain contexts (Benson 1979). In
some cases, specific characters seem to be indicated by dress; in other instances,
the cluster elements may infer interrelationships between figures who wear all
or some of them. It is clear that dress is occasion-specific, and that it denotes
status, role, a particular rite or event, and a particular moment therein. Moche
vessels may show a single modeled figure, a modeled and painted group, or a
complex painted scene. Depictions range from individual human portraits
through generalized figures in group scenes to polymorphs — usually human
bodies with animal heads and tails or wings — or warrior’s accoutrements
with human appendages. Warriors — human and polymorph — with clubs
and shields are frequently shown, singly, in procession, and in scenes of hand-
to-hand combat and of victors leading naked captives. Captives are also
shown singly. Different warrior dress in different contexts suggests more than
one martial occasion.
This paper will discuss two warrior costume clusters. The elements of the
first are: a “shirt” that seems to be armor made of metal plates, forming an
allover design of squares with or without one or two dots (which must have
indicated the means of attachment); a scarflike element that matches the shirt,
depends from it at the side or rear, and has what looks like “ball fringe”,
probably metal disks; a jagged (usually dark) lower edge of the shirt; a head-
dress that has a hemisphere (probably of sheet metal) over the brow, with a
head or face (often that of an owl, although it may also be feline or human)
attached to the center front, and two projections from the top of the head-
dress dividing the perimeter into thirds, or two overlays on the surface (on
some examples, the projections exist without the hemisphere) — the projec-
tions or overlays may be curving or right-angled; an alternative headdress, a
helmet that matches the plate-metal shirt and usually has on the top a double
182
Benson, Some Observations on Moche Iconography
step-motif with a knife-shape between the step elements; a scarflike element
depending from the headdresss; a necklace of large beads; and a nose orna-
ment. I shall refer to this as the “plate-shirt” cluster and to those who wear
it as “plate-shirt” figures (Figs. 1—7, 13).
Many figures — often supernatural — wear a plate shirt, sometimes with a
jagged lower edge; but, unless they also have other elements of this cluster,
they will not be considered here.
Christopher Donnan (1975; 1976: 117—129; 1978: 158—173“) has identi-
fied the Presentation Theme from a group of scenes with similar figures, objects,
and actions. The depictions show human sacrifice and the presentation of a
goblet of what must be sacrificial blood to one of the major figures, usual-
ly a figure whom Donnan designated Figure A, who is identified by a helmet
with a knife and a body- or back-surrounding pattern of fairly regular pro-
jecting radiances, which normally end in snakeheads. Figure C wears two or
more drooping headdress projections, and usually has snakes hanging out from
the body; this figure, who is sometimes, apparently, a woman, may hold a
goblet or a convex disk of unknown purpose. (The disk may be held frontally
or in profile, curved edge up.) In the first scene discussed by Donnan (1978:
Fig. 239), a bird-warrior is designated Figure B, and a fanged-mouth human
figure in plate-shirt dress with hemispherical headdress is Figure D (Fig. 1).
This is the only scene in which both of these characters appear; in it, Figures
A and D are the major figures, confronting each other, one on either side of
the vessel, with Figures B and C between them. In the scenes published by
Donnan, Figure D is shown once more (ibid.: Fig. 241), and Figure B is seen
in two other scenes (ibid.: Figs. 242, 254 — where it is the figure with the
club, not the figure with the goblet, which is Figure C). In other depictions, an
owl wearing plate-shirt traits with the hemispherical headdress is shown (ibid.:
Figs. 240, 248). There is some confusion between these figures, and I shall re-
fer to them as Figure B/D or the plate-shirt figure. Like Figure C, these fig-
ures may sometimes hold the disk and sometimes present the goblet; in one
case, in the absence of Figure A, the plate-shirt figure, seated on a platform,
is the recipient of the goblet (ibid.: Fig. 241). Other elements usually present
1 This material has been developed from a paper, “The Well-Dressed Prisoners”,
presented in the Symposium on Moche Iconography at the LXIII International
Congress of Americanists, Vancouver, 1979, and from a paper, “A Variant Moche
Presentation Theme in Bremen”, presented at the 20th Annual Meeting of the In-
stitute of Andean Studies, Berkeley, 1980.
2 These publications present essentially the same material.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
183
in the Presentation Theme are: one or more sacrificial victims, often being
beheaded (decapitation was the common form of sacrifice in the Andes); poly-
morph sacrificers; other attendant polymorphs; a dog; a bundle of weap-
ons; a human-headed war-club; snakes; and an as-yet-unidentified fruit
known as ulluchu (Larco Floyle 1938—39, I: Fig. 58; McClelland 1977). A
litter is seen in one version (Donnan 1978: Fig. 239), and, in another, a vic-
tim is shown on a rack (ibid.: Fig. 254).
In another version of the theme (Tello 1931; Fiocquenghem 1978: Fig. 9),
Figure A and the plate-shirt owl, with a feline head on the headdress, face
each other on one side of the vessel, as they stand on a “sky band” that goes
around the pot. On the other side are Figure C, a weapons bundle with hu-
man-headed club, and a nude sacrificial victim held by zoomorphs, one of
whom is a feline holding a goblet. Figure A holds the major goblet, and seems
to be presenting it to the plate-shirt Figure B/D, although it is possible that
Figure A has just received the goblet from the other figure. Figure B/D holds
a profile disk, and below it is another form of the same shape with three ul-
luchus in it. The explanation of the disk may be that it is a dish for the ul-
luchus.'1 There is also a stirrup-spout vessel between these two figures. Club-
heads sprout from the wing of Figure B/D, and behind him are the dog, anoth-
er dish of ulluchus, and then Figure C, holding a goblet and another disk. On
the lower level is a procession of warriors holding their clubs behind them;
this gesture will be discussed in the last section of this paper.
The Presentation Theme figures are also seen in other scenes. On a pot in
the American Museum of Natural Fiistory, New York (Donnan 1978: Fig.
59), an anthropomorphic owl, wearing the hemispherical headdress and hold-
ing the Presentation Theme disk, stands outside a structure — with clubheads
on the roof — which houses a warrior in plate shirt and helmet, holding a
club and goblet; nearby, a scene of human sacrifice is carried out by poly-
morphs. In another complex scene on a pot in the Staatliches Museum für
Völkerkunde, Munich (Fig. 2) — which includes Figures A and C (as a
woman), as well as vegetation and animated warrior’s paraphernalia —
Figure B/D, an anthropomorphic owl, stands on a high, stepped platform,
holding a large war club and wearing plate-shirt elements; a prisoner with a
huge, snake-ended rope crouches in front of him.
An anthropomorphic owl is thus a prominent wearer of the plate-shirt gar-
ments. Two roles of the anthropomorphic owl are notable: that of a warrior
3 Since no ceramic examples of such a shape have been found, these may have been
of metal. Gold bowls exist (Tushingham 1976: Nos. 51, 95).
184
Benson, Some Observations on Moche Iconography
and that of a sacrificer (Benson 1980). These aspects are indicated in the
scenes described above, but are even more specifically stated on other vessels.
In the warrior role, the owl holds weapons, but is not found in combat.
He may be seated or standing, depicted individually or in a scene; he may
wear a variety of costume, but is frequently seen in the plate shirt with step-
ped helmet or with the hemispherical headdress (Fig. 1). As sacrificer, the
owl — in non-plate-shirt garments, although he may wear a step-knife head-
dress — is sometimes depicted in the act of decapitating a small human being
on top of a high platform (Tello 1938: PI. 200; Kutscher 1950: Pi. 70), or,
wearing plate-shirt or other garments, he may hold a knife and/or trophy
head. In one example of the latter type, he wears plate-shirt garments with-
out a headdress (Donnan 1978: Fig. 205). The small polymorphs who are cut-
ting the victim’s neck in more complex scenes may also wear plate-shirt ele-
ments (ibid.: Fig. 239); the anthropomorphic owl is usually nearby.
In scenes with human beings, as in the platform-sacrifice depictions, the
anthropomorphic owl is often of much larger scale. On a fineline pot, of which
there is a roll-out drawing in the Archive of Moche Art (University of Cali-
fornia, Los Angeles), an anthropomorphic owl of supernatural size wears a
plate-shirt and helmet with matching step-motif projections; he carries a weap-
ons bundle in one hand, and, held by a tumpline over the shoulders, a small,
stepped throne on which is seated a human warrior wearing plate armor and
helmet, and holding weapons. Anthropomorphic owls may also be shown
seated on such thrones (Fuhrmann: 1922a: Pi. 20; Hocquenghem 1978: Fig. 62).4
A supernatural owl is thus strongly associated with sacrifice. He is usually
present in scenes depicting sacrifice. He is one of the few creatures shown with
human-sacrifice symbols, and the only one to perform sacrifice on top of a
high platform. Although the owl-sacrificer may wear other garments, he wears
plate-shirt costume in the Presentation Theme and other sacrifice themes, and
there seems to be a connection between these garments and sacrifice. As noted
above, scenes on Moche vessels may show animated weapons and warrior’s
garments (Fig. 2); the convention is the depiction of an oversized object with
small human head, arms, and legs attached. Various animated weapons are shown,
4 Human beings with one or more of the plate-shirt elements may also appear seated
on thrones, but, since these figures do not have a concentration of these elements,
I have not included them in this paper. Examples are a man wearing a hemispher-
ical headdress with owl head (Schmidt 1929: Pi. 146, lower right); a man wearing
a plate shirt (Donnan 1978: Fig. 141); and a man with a bag and a feline, wearing
a plate shirt and large-bead necklace (ibid.: Fig. 140).
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
185
usually chasing or capturing human figures (Bankmann 1980—81). On one
vessel, a plate helmet with scarf and knife is depicted (Kutscher 1950: Fig. 70;
Benson 1972: Fig. 3—13); the small human head attached to it has a hemi-
spherical headdress with two projections at the top. With one hand, the hel-
met holds a goblet with three drops of liquid (blood) above it; with the other
hand, it holds the hair of a naked captive. In the scene are plants — tilland-
sias and a cactus — and two weapons bundles.
The plate-shirt figure is prominent not only on pottery but also on Moche
metalwork from Loma Negra, in the far north, where a number of owl-head
headdress ornaments of gold, copper, and/or silver have been found (Lapiner
1976: Fig. 369), as well as figures (ibid.; Figs. 360, 363, 381, 382) and anthro-
pomorphic owls (ibid.: Fig. 385) who are shown as warriors and sacrificers,
and wear plate-shirt dress. Perhaps the most striking example is a gold nose
ornament in the shape of the hemispherical headdress with projections; this
has a full-bodied standing owl on the front (ibid.: Fig. 395). There are also
owl heads of carved wood (Donnan 1976: Fig. 7), which may have been used
as headdress ornaments.
There seem to be at least two supernatural versions of the plate-shirt figure.
In addition to the anthropomorphic owl, there is also an aspect that has
human attributes except for a fanged mouth. Both aspects may appear in
the Presentation Theme and other scenes. In non-Presentation Theme scenes,
this figure has a pattern of radiances behind it, reminiscent of Figure A’s
radiances, although less regular. A flaring-rimmed bowl (florero) displays
one example of this type, the only instance in which any of the plate-shirt
figures is doing battle (Larco Hoyle 1945: 11). This figure faces a super-
natural creature with jaguar headdress, step-motif shirt, and snake belt-ap-
pendages. Behind the plate-shirt figure are a pair of panpipers and a drum-
mer. Another example, in the Museum für Völkerkunde, Berlin (Kutscher
1954: PI. 54 A), has, in addition to the radiances, a starlike design that seems
to rest on the projections of the headdress. A third example, in the Übersee-
Museum, Bremen (Figs. 12, 13), has more regular radiances. He wears a helmet
(without step motif) instead of the hemispherical headdress, and stands at the
very top of a spout whose stirrup is decorated with animal-headed warriors;
on the body of the vessel is a scene of sacrifice. This will be discussed below.
On the other end of the continuum from the supernatural-owl sacrificer
and the glorified warrior are several human figures with plate-shirt elements
who appear as “prisoners”. Whereas prisoner figures are normally shown
naked or with minimal clothing, these figures — usually depicted on modeled,
186
Benson, Some Observations on Moche Iconography
open-spout, single-figure vessels — are often fairly elaborately dressed. They
have a rope around the neck which hangs in front, and the hands are tied
behind, dangling from their rope ties as if the wrists had been broken (Fig. 5).5
There is a broad range in the dress of these figures: a few wear the hemi-
spherical or step-knife headdress with the plate shirt (d’Harcourt and d’Har-
court 1924: Pi. 44, left; Saenz 1946—1947: Fig. 11; Donnan 1978: Fig. 60);
some wear only the plate shirt (Fig. 4; Schmidt 1929: Pi. 135; Donnan and
Mackey 1978: Pi. 8); and a figure in the Denver Art Museum is nude (Fig. 6),
but wears a headdress consisting of an owl head and two projections on a
headband.
Another group of plate-shirt is associated with musical instruments. There
are a number of existing clay trumpets, usually recurved; recurved trumpets
may be depicted with what are probably grave offerings (Engl and Engl 1967:
Pi. 15), but they are rarely shown being played. Recurved trumpets may have
various figures on the bell end; snakeheads are common, as are anthropomor-
phic figures — these are always figures of distinction, usually elaborately
dressed, and many have the fanged mouth that I believe to be a symbol of
sacredness in Moche art.6 Probably about half of the trumpet figures hold a
club and shield. A number of others are holding panpipes. One trumpet figure,
of which there are several examples, is playing panpipes that sometimes have
a human head on the end (Disselhoff 1967: 105, lower right). The figure
wears the plate shirt and hemispherical headdress with an owl face. There is
also a cape; capes seem to be particularly associated with musicians in this
complex. A number of musician figures also have a panache of feathers on the
headdress, including a clay whistle that is a human figure playing a snake-
ended straight trumpet (Kroebcr 1944: PI. 48 E).
None of these plate-shirt trumpet figures is obviously supernatural, but re-
lated figures that are clay whistles may be. An example in the Lowie Museum
of Anthropology, University of California, Berkeley (Menzel 1977: Fig. 142),
has a supernatural face,7 and wears a plate shirt and a headdress with a hu-
man face in the center and six swirls forming the outline of the hemisphere; he
5 The owl figure in Figure 3 has one arm behind his back, with the hand pointing
downward. This is an unusual pose in Moche art, and may relate to the tied hands
of the prisoner figures. It may also relate to the depiction of human warriors
holding clubs behind their backs.
6 In earlier papers, I have assumed the fanged mouth to be a sign of supernatural-
ness. I believe now that it can also signify sacredness; that is, it may appear on
an important human being in a moment of high ritual importance.
7 The face may be that of a bat, a creature also associated with sacrifice.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
187
is playing a straight trumpet with a snakehead end. A whistle in the British
Museum shows an anthropomorphic owl with stepped headdress, playing pan-
pipes. The plate-shirt cluster is again associated with music on the florero men-
tioned above (Larco Hoyle 1945: 11) and on a pot in the Staatliches Museum
für Völkerkunde, Munich (Engl and Engl 1967: Pi. 15), which shows a figure
in a step-knife headdress, holding club and shield, and facing two panpipe-
players; there is a recurved trumpet above. A less lavishly dressed plate-shirt
figure plays a drum on a single-figure, modeled pot in the Museo de America,
Madrid. The headdress hemisphere lacks projections, and the central face has
been broken off.
In a number of large scenes with the plate-shirt figure, vegetation is de-
picted. In several individual representations, a figure wearing a few plate-
shirt elements also appears with vegetation. A drawing in the files of the
Hamburgisches Museum für Völkerkunde und Vorgeschichte shows a vessel
that is a seated figure with fanged mouth, headdress hemisphere, large-bead
necklace, and plate shirt and kilt with jagged edge; he has an ear of maize at
the shoulder (Fig. 7). A mountain-setting vessel shows a man with headdress
projections and a plate shirt holding a stalk of maize in one hand and a man-
ioc plant in the other (Fuhrmann 1922a; Pi. 15). On a vessel in the Metro-
politan Museum of Art (Sawyer 1966: Fig. 64), an anthropomorphic owl with
jagged-bottom plate shirt, necklace, and headdress with two projections flies
or floats in a shower of ulluchu.
In the hierarchy here described, there is a supernatural anthropomorphic
owl who appears as a warrior, and a fanged-mouth warrior who may have
radiances (usually less regular than those of Figure A); with one exception,
these warriors do not actually fight, but only carry weapons. The owl and
the fanged-mouth warrior both appear in scenes of sacrifices and with objects
involved in sacrifice — trophy head, knife, and goblet of blood — although,
in this dress, they are not actually seen performing the sacrifice; lesser crea-
tures do the task. At the other end of the scale, human captives wear elements
of the cluster. In between, there are elaborately dressed figures associated with
music; these may be supernatural-appearing or human figures on whistles, who
play panpipes or straight trumpets, or human-appearing panpipers on recurved
trumpets. A more simply dressed figure plays a drum. In non-musical scenes,
vegetation may be found with similarly, but usually less elaborately, dressed
figures. A plate-shirt human warrior is seemingly not shown on individual
modeled pots, although he may appear in non-battle scenes with other fig-
ures. A human figure with a few of the plate-shirt attributes may be seen in-
dividually (with or without fanged mouth), but without weapons.
Benson, Some Observations on Moche Iconography
The pottery discussed here is Moche III—V.8 There is, however, a Moche I
pot (Donnan 1978: Fig. 227) that shows the plate-metal garment with jagged
bottom, lying among mountain peaks, with vegetation, a small house or box,
and a knife or chalchalcha (see below). The garment, therefore, is ancient, and
may have mountain associations. A late Early Fiorizon effigy vessel from Vi-
cus, on the far north coast (Sawyer 1968: No. 77) also shows a figure wearing
a plate shirt.
Another captive is even more splendidly dressed than the plate-shirt figure
at his best (Figs. 8, 9; Disselhoff 1967: 105, lower left). The elements in this
cluster are: a headdress with a rosette at either side and a “knife” at the top;
a shirt and kilt with edging (usually three-dimensional “ball fringe” or disks,
although several kinds of edging are possible); a bertha; and a round or cres-
cent nose ornament. In non-prisoner scenes (Fig. 10), the headdress usually has
a panache of feathers and/or a large feather fan behind, and the figure wears
a chalchalcha, the knife-shaped metal rattle that hangs at the rear of the waist
of many warriors (Muelle 1936; Sawyer 1966: Fig. 58; Tushingham 1976;
No. 116). The critical element here is the pair of rosettes on the headdress.
(When the figure is in profile, sometimes only one rosette is shown, but, in
other instances, both rosettes are depicted on one side, apparently to empha-
size the fact that there is a pair.) Unlike the plate-shirt figure, the rosette-
headdress figure is never shown with zoomorphic traits, although he may have
a fanged mouth.
The rosette-headdress figure appears as a warrior, frequently kneeling on
one knee, as the single figure in a number of stirrup-spout vessels (Muelle
1936: Fig. 3; Valcarcel 1937: 48, 50; Larco Hoyle 1937—38, II: Fig. 189;
Tello 1938: PI. 46, left). These warriors lack the feather panache, but most of
them wear a nose ornament and a chalchalcha. They tend to have a border of
plate-metal at the kilt edge, rather than “ball fringe”. The headdress has a tie
under the chin. The existence of individual human warriors in this dress is a
basic difference between this cluster and the plate-shirt cluster. The rosette-
headdress warrior also appears in complex painted scenes; for example, he sits,
probably in an up-valley setting, facing a Moche warrior who has behind him
two stripped, seated prisoners (Fig. 17). A somewhat more simply dressed war-
rior with rosette headdress and chalchalcha marches with a club (Fig. 13) or
leads a naked captive in a procession on a florero rim (Museo Amano n. d.:
8 For the seriation of Moche pottery, see Larco 1948; Donnan 1976, 1978.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
189
P1. 7); in only one scene is he possibly engaged in actual combat (Muelle 1936:
Fig. 1 b).
He is another (perhaps the other9) of the figures that appear on recurved
trumpet bells, but one difference between this figure and that previously de-
scribed is that the plate-shirt figure never appears on a trumpet as a captive,
whereas (within my sample) the rosette-headdress figure is shown as a cap-
tive only on trumpets. Not only is he more elaborately dressed than the plate-
shirt captive, but is hands are tied with more twists of rope (Fig. 9).
He may also be shown on a trumpet not as a captive, but as one of the most
elaborately dressed figures in Moche art, carrying a club and shield, and pos-
sibly with a necklace and with a jaguar head added to the headdress (Dissel-
hoff 1967: 104, left). He is also shown as a warrior on a whistle (Larco Hoyle
1938 — 39, II: Fig. 200). As far as I know, the rosette-headdress figure does
not appear on trumpets as a panpipe-player, but he is seen on whistles playing
panpipes (Kroeber 1944: Pi. 48 F; Kutscher 1954: Pi. 77 D) or a straight
snakehead trumpet (Donnan 1978: Fig. 169). On the three whistle examples,
the figure wears a cape and a kilt with jagged, or diamond, design on the
border (basically the same design as on the plate-shirt figure, but used differ-
ently — as part of the kilt border rather than as a shirt edging). The figure
is depicted with a cape on a gold whistle of unknown provenience (Jones 1979:
Fig. 15); he does not seem to appear in the Loma Negra metal material.
The figure is also seen with a “rattlepole” (see Kutscher 1950: Fig. 34; Ben-
son 1975: Fig. 15), a musical instrument, usually with a trophy or effigy head
on the top, which may be specifically associated with sacrifice.10 On the top
of a pot in the American Museum of Natural History (Donnan 1978:
Fig. 112), a full-round representation of the rosette-headdress figure
stands, holding a rattlepole; he is repeated in fine line on the body of the ves-
sel, facing two rattlepoles and another richly dressed figure. This second figure
has a shirt with dark rectangles at the bottom, a kilt with slit border, and two
dark projections that depend from the waist; these garments are characteristi-
cally seen in another costume cluster on deer-hunters and “badminton players”
(Kutscher 1958), whom I believe to be participating in related rituals (Benson
1975: 130; 1979). The “badminton” ritual seems to be associated with the
9 A trumpet figure published by Alan Sawyer (1975: No. 42), although lacking the
rosettes, may, nevertheless, represent the same personage.
10 A plate-shirt figure is also seen in a scene with a rattlepole, two panpipers, and a
recurved trumpet (Engl and Engl 1967: Pi. 15).
190
Benson, Some Observations on Moche Iconography
sacrificial death of the hunted deer. (Photographs in the Archive of Moche Art
show a “badminton” scene in which there is a deer head.)
The rosette-headdress figure has a fanged mouth in a scene in which several
figures are holding a streamer (Fig. 10). There are three other large figures on
the vessel; one of these, on the opposite side, and of almost the same size and
importance, is the plate-shirt figure, who does not have a fanged mouth. Two
slightly smaller figures in between are step-knife-headdress versions of the
plate-shirt figure. A tiny figure, standing before the rosette figure, is very
simply drawn, but wears the plate shirt and hemispherical headdress.
Another streamer scene, in the Museum für Völkerkunde, Vienna, shows
only plate-shirt figures (Becker-Donner 1962: Pi. 17), again with tiny figures
almost identical to those in the previous streamer scene. The largest figure has
a chalchalcha, whereas the four other major figures have the kilt and two pro-
jecting belt-elements that are associated with deer-hunt and “badminton” cer-
emonies. The small figures suggest people of token importance, possibly sacri-
ficial victims.
A third streamer scene (Benson 1975: Fig. 25) shows tiny figures with plate
garments and a headdress with projections, two quena-players in the same gar-
ments, and a large central figure whose headdress has a knife, a feather fan,
and a panache, with a variant design replacing the rosette;11 he wears a nose
ornament and bertha, but no bordered kilt. I suspect that this is an aberrant
rosette-headdress figure. In the background, there is a small, simple house with
pottery and a trophy head.
The streamer scenes may involve other characters, but it is my impression
that either the plate-shirt figure or the rosette-headdress figure is always
shown in them; the figures may appear together.
The rosette-headdress figure and the plate-shirt figure confront each other
at either side of the top of another kind of scene (Larco Hoyle 1938—39, II:
PI. XXIII), where, surrounded by floating beans, they sit holding bunches of
sticks. The rosette-headdress figure has a fanged mouth, is somewhat larger
than the plate-shirt figure, and seems more Important. The plate-shirt figure
is an anthropomorphic bird with an owl on the headdress. In the registers be-
low are a radiant litter and various anthropomorphs.
The hierarchy for the rosette figure consists of a rare supernatural or sacred
version with a fanged mouth, but without other animal associations (except
the occasional jaguar head on the headdress), and human versions who may be
11 This headdress is sometimes seen on supernatural figures in boats.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
191
warriors, musicians, or prisoners (all in warrior garments), with the musicians
the most elaborately dressed. I have found neither this figure nor the plate-
shirt figure playing panpipes or trumpets in fineline scenes, but only on mu-
sical instruments. The rosette-headdress hierarchy suggests a pattern somewhat
similar to that for the plate-shirt figure, but with important divergences. Al-
though the rosette-headdress figure and the plate-shirt figure confront each
other in certain instances, there are distinct differences and exclusions. The
plate-shirt owl is much older and more widespread; it seems ancient, totemic,
autochthonous; it is associated with raised platforms and with mythical scenes.
The elegant and more human rosette-headdress figure appears to be a late ar-
rival.
Whereas the plate-shirt figure is seen in Donnan’s Presentation Theme, there
is no obvious candidate for the rosette-headdress figure in the well-known
scenes. However, in a catalogue of the Orlandini Collection in Lima (Orlan-
dini 1955: Titlepage), in a drawing of a vase scene (this seems to be an odd,
but essentially accurate rendering of a scene that is probably in poor condi-
tion), there is a depiction of the Presentation Theme (Fig. 11). Figure B/D is on
the left, and Figure C on the right, and, in the center, the major figure stands
holding a cup. This figure has all the attributes of Figure A, including the rays
projecting from the headdress and back, but it wears the rosette headdress in-
stead of a helmet. Both Figure A and the rosette-headdress figure are charac-
terized by bertha, bordered kilt, nose ornament, and chalchalcha; only the
headdresses vary, and the rosette figure lacks the rays. The Orlandini scene is
the only one I know of in which the rosette headdress is combined with the
rays of Figure A.
The Orlandini drawing has other facets of unusual interest. There is no hu-
man-headed club, but the plate-shirt Figure B/D stands under a display of
weapons bundles. In front of him are three figures that I have elsewhere called
death-priests because they seem to have to do with mortuary offerings and cer-
emonies (Benson 1975). (They are characterized by soft headdresses with diag-
onal lines and tied elements, and white tunics which often have fringe or ver-
tical lines on the bottom.) These figures are not seen in other versions of the
theme, but they seem appropriate to a sacrificial scene. The victim is behind a
rack directly in front of Figure B/D (the rack image is found in one other ver-
sion of the theme), and next to him are two goblets. Figure A, in garments
with a step motif, which is as unusual for this scene as is the rosette headdress,
192
Benson, Some Observations on Moche Iconography
stands on a platform, holding another goblet, with an ulluchu just above it.12
In front of him are several vessels. Figure C has two small weapons bundles
above his head, in contrast to the five, mostly larger, examples seen with Fig-
ure B/D. A line of ulluchus runs down the back of Figure C.
It seems likely that a supernatural rosette-headdress figure is another aspect
of Figure A, or has some relationship to Figure A, but, aside from the Orlan-
dini example, they do not share the same contexts.
The death-priests and pottery in the Orlandini Presentation Theme suggest
another level of meaning for this scene and the likelihood that two stages in a
sequence of events are depicted.
One genre of scene that has not been discussed shows hand-holding figures,
probably dancing, and figures playing musical instruments. On a fineline pot in
the Museo Nacional de Antropología y Arqueología, Lima (Jiménez Borja 1955:
124, 126), the rosette-headdress figure faces a drummer anda group of hand-
holding death-priests. In addition to the expected attributes, the rosette-head-
dress figure wears a horizontally striped cape. He does not wear the chalchalcha,
but an immense, upturned object of this shape is placed directly behind him. The
chalchalcha, which, Muelle (1936: 76) observed, is associated with warriors and
with dancing, is, of course, a sound-making object, a rattle.
Other scenes with hand-holding figures have a spiral design. One of these
(Donnan 1978: Fig. 165) has two interlocking spirals of figures painted on the
vessel. At the head of one, the rosette-headdress figure is followed by a death-
priest, a drummer, and three death-priest flute-players; farther down the line,
and facing in the other direction, are streamer-holders, other death-priest mu-
sicians, and warriors. At the head of the other spiral is a figure wearing the
general attributes of Figure A; the rays, however, instead of projecting from
the body, project only from the helmet. He faces a line of hand-holding war-
riors, the first of whom is holding hands with him. There are also other war-
riors and death-priest musicians in this spiral. “Figure A”13 appears at the top,
under the stirrup spout, on one side; the rosette-headdress figure appears on
the other, so that they confront each other at the top of the scene.
A simpler spiral design in the Museo Nacional de Antropología y Arqueo-
logía, Lima (Jiménez Borja 1955: 119—121), shows the rosette-headdress fig-
12 Ulf Bankmann (1980—81) has noted the association between ulluchu and the gob-
let, or cup, as he calls it.
13 I shall use “Figure A” for any atypical personage with Figure A attributes.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
193
ure at the top of the pot, facing and holding hands with the first of a line of
warriors. These figures, with one leg extended, all seem to be dancing. Behind
the rosette figure, on the other side of the pot, are a drummer and a death-
priest flute-player. Farther down the spiral, facing a second group of warriors,
is a “Figure A”.
The plate-shirt figure does not appear in these spiral scenes.
At the top of the spout of a vessel in the Ubersee-Museum, Bremen, the
plate-shirt figure with fanged mouth and radiances (Figs. 12, 13) holds the
Presentation Theme goblet toward a facing figure on the other side of the
spout (Fig. 15), a somewhat smaller figure with fanged mouth, who is hel-
meted and dressed in the garments of Figure A, but lacks the rich pattern of
snake-headed radiances that are characteristic of that figure; instead, the plate-
shirt figure has the radiances. The plate-shirt figure in the published versions
of the Presentation Theme does not have this pattern of rays; in one example
(Donnan 1978: Fig. 241) — the only version in which Figure A does not ap-
pear — the plate-shirt figure has three small snakeheads projecting on thin
lines from his headdress, but they are not proper radiances. In this scene, the
plate-shirt figure wears an odd large nose ornament; a similar one is seen on
“Figure A” on the Bremen vase. The exchange of attributes is notable in the
Presentation Theme; different figures hold the disks, and different figures pre-
sent the goblet. The Bremen vessel demonstrates that the rays and the nose or-
nament can also be exchanged.
Presentation Theme depictions tend to be two-leveled, with the major fig-
ures — presumably deities — on the upper level, and the sacrifice on the low-
er. The spout and stirrup of the Bremen vessel repeat this arrangement, with
the major figures on the spout, and two levels of figures below on the stirrup.
The higher one goes on the vessel, the more sacred the creature. On the upper
level of the stirrup, a duck-billed warrior (Fig. 13) and a hummingbird-billed
warrior (Fig. 15) have a fanged mouth and carry weapons bundles. On the
level below, a fox-faced warrior (Fig. 13) and a warrior with a curving beak
(Fig. 15) hold weapons, but neither has a fanged mouth. Behind the fox war-
rior is another polymorph (his head looks foxlike, but his tail may be that of
a jaguar) who wears elements of the plate-shirt complex (Fig. 15); a plate shirt
with scarflike extension and jagged bottom, and a hemispherical headdress
with a projection on one side (there should be two projections, but there was
13 Baessler-Archiv XXX
194
Benson, Some Observations on Moche Iconography
space for only one). This figure holds the chin of a bare-headed man with a
cord tied around his neck and face paint that is often associated with defeated,
captured, or sacrificial figures; blood spurts from his nose (Fig. 12).
On the top of the vessel body, placed under “Figure A”, are several men
(Fig. 15) dressed at least partially in death-priest clothing. These figures carry
war clubs, however, and merge into a procession of club-carrying warriors.
This merging of death-priest and warrior elements is found in other scenes
(Kutscher 1950: Fig. 25; Museo Amano n. d.: Pi. 7), where such figures are
seen with naked captives. The combination of military and funerary attributes
may refer specifically to sacrifice. On the Bremen vessel, these figures file past
vegetation; there are various kinds of plants in the scene. (As noted above,
vegetation frequently appears in scenes with plate-shirt and rosette-headdress
figures.) The narrow, double-lined forms on the Bremen pot may represent
roads, with people running, walking, or sitting along them, and vegetation
growing alongside. It seems more likely, however, that they depict a river and
the streams that feed it, flowing down from the mountains — that is, from the
top of the pot. The most luxuriant vegetation is placed exactly at the edges of
these forms. The composition is reminiscent of the spiral scenes, and one
wonders if those also refer to rivers, and if the streamers might be a symbol
for “river” or “stream”.14 On the Bremen vessel, the figures go in both direc-
tions, with the change in direction often marked by a backward-looking figure.
The approximate lower half of the vessel depicts running warriors of vari-
ous sizes. At the very bottom, on the “Figure A” side, is one of the largest fig-
ures, a captive with an oddly drawn eye — bare-headed (his helmet is carried
by a warrior above) and wearing a chalchalcha. He is held by two large fig-
ures with chalchalchas, step-knife headdresses, and pendant, chalchalcha-shaped
ear ornaments; the larger figure wears a nose ornament (Fig. 15). This scene is
watched by a large figure at the side, with half-military, half-priestly gar-
ments. He wears a soft headdress with serrate motif, feather fan, and feathers,
a nose ornament, and fine clothing; he carries a weapons bundle; and a large
chalchalcha hangs at the rear (Fig. 12). The clothing of this figure is generally
similar to that of “Figure A”, above, while that of the major captor, in front
of him, relates to the plate-shirt cluster. Behind the watching figure, another,
smaller captive is led away by two men, one of whom is only half there. (This
14 The streamer scenes possibly have to do with ritual tying; grave goods are often
shown with ties or are tied in pairs; the garments of death-priests have various
tied elements. Whatever the interpretation, the streamers are used by figures with
war, sacrifice, and captive associations.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
195
is a curious convention; usually, the figure would be adjusted in size to fit the
space.) At the bottom of the other side of the vessel, under the plate-shirt fig-
ure on the spout, another large, bare-headed captive is held by three smaller
figures, one of whom grips his hair (Fig. 13). The captive has chalchalcha-
shaped ear ornaments and a step-motif shirt, usually seen on figures of im-
portance. In front of this group, another small, nearly naked figure is held by
the hair by warriors on both sides. At the bottom of the pot, therefore, below
each of the two supernatural figures on the spout, there are two captive fig-
ures. There seems to be some tendency to take prisoners in pairs (see Fig. 17).
The Bremen vessel is, in many ways, a rare and extraordinarily Informative
pot: it demonstrates further exchange-of-attribute possibilities for the Presenta-
tion Theme; it is the only vessel known so far that combines the Presentation
Theme with the taking of victims; and it is the only vessel that I have found
that apparently depicts a river in its landscape, strengthening a water-and-
agricultural-fertility association with the sacrifices of the theme.
One of its most unusual aspects, however, is that it contains — at the top
of the scene, under the feet of the stirrup and beneath the plate-shirt figure —
two figures of a kind normally seen alone as portrait-head or full-figure ef-
figy vessels. Portrait-head vessels are common. Many of them show recog-
nizable faces that are repeated in a number of examples. These are most fre-
quently human males of high status, but there are also examples of “captives”
from another costume cluster (Kutscher 1950: Fig. 24; Donnan 1978: Fig. 26;
von Schuler-Schomig 1979), and some portrait heads represent supernatural
beings. (I know of no portrait heads with rosette-headdress or plate-shirt attri-
butes.) Rarer than the high-status portraits heads are full-figure, seated effigy
vessels that show the same people (Hocquenghem 1977). To find such figures in
fine-line scenes is rarer yet. Both of the seated Bremen figures have the soft tied
headdress of a portrait vase, with feathers and feather fans; they wear short
garments, however, whereas the modeled portrait figures have garments pulled
down over the knees. The larger figure wears a plain white shirt and a
chalchalcha-shaped ear ornament;15 the smaller figure wears a step-motif shirt.
The two figures, who sit in front of a human-headed club, have traits in
common with figures on a vessel described above (Fig. 17), where a rosette-
15 The ear ornaments on the Bremen pot are unusual in that they are beaded or de-
corated, whereas such ornaments are usually plain. A chalchalcha, however, may
have this kind of ornamentation (Muelle 1936: Fig. 1 a).
13*
196
Benson, Some Observations on Moche Iconography
headdress figure is receiving prisoners. Costume and accessory details of the
larger figure are different, but the seated positions and the associations with
weapons and the taking of captives are constant, and there is a human-headed
club, which, were the Berlin roll-out drawing divided in a different place,
would be in the same position as it is on the Bremen pot, that is, behind and
facing the two seated figures. On the Berlin pot, the two figures are in reverse
order, but the scale difference remains the same, with the smaller figure on
each pot wearing the same step-motif shirt. There is an even more extraordi-
nary similarity in these smaller figures on the two pots; both figures are mis-
sing the right arm. This is quite clearly indicated on the Bremen pot, and ap-
pears to be so on the Berlin vessel16.
On the Berlin pot, the right arm is simply not shown; on the Bremen vessel,
the sleeve is clearly drawn and appears to be empty. In another ritual-costume
cluster, sleeved shirts are worn with both sleeves empty; the hands often show
in the lap below (Benson 1979). Another pose, seen on the Bremen vessel and
in certain processions of warriors, is to hold the war club behind the back
(Fuhrmann 1922b: PI. 14; Kutscher 1954: PI. 19 B; Donnan 1978: Fig. 266).
A rosette-headdress warrior just below the larger of the two seated figures on
the Bremen pot is in this position, which, in many examples, makes one arm
virtually disappear. (The pose is reminiscent of the plate-shirt owl in Figure 3,
but the supernatural owl is not holding a club.) Certainly, various positions
of arms are significant. The step-shirt figures on the Bremen and Berlin ves-
sels, however, seem to be genuinely one-armed.
Both seated figures on the Bremen pot hold a “spatula”17 and a bag, which
has a strap and soft ends. It is my impression that only two of the full-figure
portrait personages in soft headdress hold a bag in the lap. One of the most
frequently represented figures (Fig. 18) is depicted in portrait-head, full-figure,
and globular vessels. In some depictions, he wears a tiered, double, headdress
tie in front, which is seen on a plate-shirt figure in a Presentation Theme
(Fig. 1). The scarf that crosses over the shoulders is also worn by seated anthro-
pomophic owls in similar headdress and shift. These owl figures are not seen
as portrait heads, but may appear in large scenes (Kutscher 1950: Figs. 50, 66);
they do not seem to be directly associated with bags. The man in Figure 18
16 A step-shirt figure also appears with the giant chalchalcha and the rosette-head-
dress figure in the hand-holding death-priest scene described above (Jimenez
Borja 1955: 125). He has two arms.
17 These objects, of unknown use, have been called both “chisels” and “spatulas”,
with the latter the more recently preferred term.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
197
sometimes holds a bag very similar to that on the Bremen pot, with the ends
up, as on that pot; he also holds a spatula. The other bag-holding figure (Figs.
19, 20; Sawyer 1966: Fig. 50) has a deep bag. In two examples, he does not
appear to be holding anything in the other hand; in one example, he is hold-
ing an implement in the form of a miniature war club (Fig. 20), which may
also be held by a bag-holding anthropormorphic bird (Larco Hoyle 1938—39,
I: Fig. 177); I believe that this man does not hold the plain spatula. He wears
chalchalcha-shaped ear ornaments. Another effigy vessel represents a seated
warrior with closed eyes (Lapiner 1976: Fig. 339) with both hands on a bag
in his lap. He wears a crescent nose ornament, chalchalcha ear ornaments, and
a belt with a design of ulluchus. This may be the same figure seen as young
warrior. The larger Bremen figure may be one of these portrait personages.
The spatulas are probably depictions of objects that actually exist (Lapiner
1976: Figs. 346, 348; Donnan 1978: Figs. 28—30, 236; Jones 1979: Figs. 27,
28; Bankmann 1980—81). One of these objects, of copper, in the Museum für
Völkerkunde, Berlin (Bankmann 1980—81: Figs. 1—5), shows a figure wearing
a crescent nose ornament, a hemispherical headdress with an owl head in the
center, and a necklace of small owl heads. The figure holds a goblet and an
ulluchu; behind him is a four-faced human-headed club. The spatula shows a
condensed version of the Presentation Theme. A group of spatulas found in
a cache along with goblets of the Presentation Theme type have box rattles on
the top, with a version of the Theme engraved on the sides of the rattle
(Donnan 1976: PI. 12; 1978: 172—173; Jones 1979: 85).
Spatulas are unlikely to be depicted without a bag, but bags are frequently
seen without a spatula. Although bags of various types are important in Moche
iconography (Benson 1978), their use is unknown. Rafael Larco Hoyle (1938—39,
II: 121, Fig. 187) published llama-hide bags that he found in the Santa Valley.
Although he believed that the bags were used to carry beans, he stated that
those he found contained a white powder and a sharp pointed piece of quartz,
which he thought to have been used in the process of incising beans. Various
sources tell us, however, that such objects as the piece of quartz could, in Inca
times, be huaca, that is, sacred, ancestor-related. Today, quartz crystals can be
part of an Andean shaman’s kit (Sharon 1978: 154, 181). As for the white
powder, this may also have had ritual use.
Sea shells were the favorite offering to springs. Sometimes they were thrown
In whole, other times cut into small pieces, carved Into figures, or ground to
powder. They were offered after planting, with a prayer . . . that the spring con-
tinue to give its water. White maize flour and red ocher were offered to the
sea. . . . (Rowe 1946: 307)
198
Benson, Some Observations on Moche Iconography
Earlier use of a white substance might fit in with this Inca pattern. A bag
from the pre-Moche Paracas culture on the south coast was found to contain red
pigment (Anne Paul, personal communication). Given the presence of vegeta-
tion in the Moche scenes with bags, it is possible that they contained seeds
and/or shamanically important substances. If they were bags that were regu-
larly used to hold seeds, it would be appropriate, on the occasion of an agri-
cultural ritual, to fill them with other relevant material — ground shell, per-
haps, to encourage water flow, and a sacred crystal to confirm an ancestral
pattern. In one Presentation Theme (Fig. 1), a zoomorph at the far left of the
upper level carries a bag over one shoulder and holds an ulluchu fruit to his
mouth with the other hand.
This bag and the lap bags may be those that I have described as “ruffle-
topped” (Benson 1978), although they are not typical; it is possible that the
lap bags are the ruffle-topped bags when opened. The ruffle-topped bags are
found in deer-hunt (sacrifice) and “badminton” scenes, which include death-
priests. Such a bag is also seen on a vessel described above as showing the ro-
sette-headdress figure with a striped cape, giant chalchalcha, and death-priests
(Jimenez Borja 1955: 126). Ruffle-topped bags are associated not only with
death-priests, but also with death-priest warriors and captives; in the latter
context, it is shown with a human-headed club (which does not appear in
deer-hunt and “badminton” scenes). As noted, a human-headed club stands be-
hind the larger seated figure on the Bremen pot.
The human-headed club is an element of the Presentation Theme, where it
may appear in various forms. It may be a figure with a club-shaped helmet
(Fig. 1, far right, upper level); it usually is seen by itself or in a weapons
bundle, as a club with the head of a captive, facing the sacrifice scene; it may
have a bird wing and feathers (Bankmann 1980—81: Figs. 17, 18); it may be
four-headed (ibid.; Figs. 1—5); it may also have a fanged-mouth, seemingly
divine head (Dorman 1978; Fig. 241). In the latter instance, it is held by the
plate-shirt Figure B/D. In one instance, with captive head, it may possibly be
receiving the goblet of blood from Figure A (ibid.: Fig. 242; see Bankmann
1980—81; 123); here it wears a chalchalcha.
The head seems to refer generally to the decapitation victim, whereas the
club itself is the weapon and symbol of prowess of the warriors, the means by
which conquest is achieved. Thus, the human-headed club is both the con-
queror’s weapon and the prisoner-victim — and sometimes perhaps a super-
natural symbol of sacrifice.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
199
The human-headed club appears in other scenes with captives. In a scene
with a ruffle-topped bag (Donnan 1978: Fig. 268), three figures are shown
on either side of the vessel, in an ambiance of dripping blood and floating ul-
luchu. A large warrior with chalchalcha holds a goblet and looks back over
his shoulder, past a flying hawk with a weapons bundle, to a smaller figure
wearing a soft headdress with serrate design and a feather panache, who holds
a ruffled bag with one hand and points upward toward the bird with the
other, meanwhile looking back toward a club-headed captive, nude, with a
rope around his neck and blood pouring from his nose. The last figure is both
the victim and the club. The central figure is dressed in much the same style as
the larger seated figure on the Bremen pot. The fact that he holds the ruffle-
topped bag suggests that the Bremen bag is, indeed, the same object.
Related to these scenes is the Munich scence (Fig. 2) described above, in which
Figures A, C, and B/D of the Presentation Theme appear in a complex con-
fusion of anthropomorphs and animated objects bringing prisoners. Dominat-
ing one side of the vessel is the plate-shirt owl, standing on a high, stepped
platform and holding a large club. Directly in front of him is a nude captive
with a long rope around his neck that has two ends, each of which terminates
in a large snakehead. A dog with a small chalchalcha at its neck mounts the
platform, and behind it is a human-headed club, wearing a chalchalcha and
pulling a captive warrior by the hair. The anthropomorphized objects in the
scene go toward the owl, with sacrificial victims — nude men, clothed-but-
bare-headed warriors, and a deer. Notable among these objects are war clubs,
although an animated loincloth and a sling also pull captives, and a giant
chalchalcha topped by a mask (showing a weeping face?) fetches its prisoner.
The other side of the vessel is dominated by Figure A, with ulluchus behind
him, and a snake and a vegetation-sprouting animal at his feet. Anthropormorphs
— some in step-motif shirts — go towards him, as does an anthropomorphic
hummingbird with a bag. Human sacrifice and weapons are associated with
the plate-shirt owl, and anthropomorphs, object offerings, and vegetation are
associated with Figure A. The bag is also associated with Figure A. In front
of him, in “prayer pose”,18 is a seated human figure wearing a soft headdress,
necklace, and variant step shirt. The algarroba tree under which he sits puts
out roots below him, and it looks almost as if he and the plant were one. He
is reminiscent of the larger seated figure in the Bremen scene.
18 This pose is seen on one of the supernatural plate-shirt figures in a Presentation
Theme (Fig. 1).
200
Benson, Some Observations on Moche Iconography
It will be noted that several examples of human figures in soft headdresses
appear in scenes with the supernatural elements of the context described here,
figures who might be identified with portraits.
Another vessel with elements discussed here is in the Linden-Museum,
Stuttgart (Benson 1978: Fig. 4). A number of clubs appear, unheld, one
of which is human-headed. A diagonal line goes through the scene, which,
in this case, does not suggest a river; it might indicate a road or a hill or a
division of the scene. The two major figures are a plate-shirt figure, standing
on a two-stepped platform with one arm outstretched, and, facing him, a
dancing rosette-headdress figure. Directly beneath the feet of the rosette figure
is a ruffle-topped bag, and, near it, at the feet of the plate-shirt figure, is a jug
with a cord at the neck. Another bag and jug are shown at the bottom of the
scene of running and dancing warriors.
This cluster of scenes probably describes steps in one ritual or a series of re-
lated rites, which I believe to be distinct from the other clusters involving war-
riors. These various rites have been described as ritual warfare (Hocquenghem
1978), and, indeed, some of them may be (see von Schuler-Schomig 1979).
What is curious about the scenes discussed here is that they contain virtually
no evidence for actual combat, ritual or otherwise. Possible battle is suggested
on a pot with warriors and captives (Muelle 1936: Fig. 1 b; Kutscher 1950:
Figs. 22, 23), where a rosette-headdress warrior raises his club in the direction
of what appears to be a falling warrior who still wears his helmet and holds
his weapon intact. A vessel with a very large bird warrior, probably an owl,
standing over a sacrifice scene of two tiny figures — a plate-shirt sacrificer
and a human figure — has a battle scene below in which a warrior is hitting
a helmeted warrior on the head with a club (Hocquenghem 1978: Photo 5).
Otherwise, warriors are depicted in procession, often holding the club behind
their backs in a manner that would make it hard to use the club as a weapon;
or they are shown running or dancing. The emphasis in these scenes is on ritual
movements rather than on battle, on the captive rather than the capture. If
there was a battle in connection with these rites, it was of a different sort from
that described, for example, in coca-related rites (von Schuler-Schomig 1979),
where two warriors face each other in hand-to-hand combat, and the conquerors
knock away helmet and weapons, then grab the captive by the hair. Only in
the supernatural Munich scene are captives held by the hair, and they are not
held by human warriors but by animated objects. Battle is not, or is only
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
201
rarely, described as part of the ceremony here. It is possible that the sacrificial
victims were selected in some way other than by capture. There seems to be
little doubt that there was actual decapitation sacrifice, that this was not
merely ceremony. The presence of warriors and human-headed clubs suggests
that military prowess may have been attained or strengthened by the ritual;
the club was given power by the sacrifice.
Although a major sacrificial purpose seems to have been to improve or
maintain martial power, another aspect must relate to agricultural fertility
(see Hocquenghem 1978). Plant material is shown in most scenes, and the
ulluchu is a particularly important symbol; the association of ulluchu and
sacrificial blood is very strong. (Ulluchu also appears as an element — although
differently used — in the coca-ritual cluster, which also involves warriors and
sacrifice.) The relationship of military power and agriculture may be that
might was needed to control the sources of water in the upper valleys — or
even to conquer new valleys for planting. Agriculture depended on the defense
of the agricultural requirements.
If the ruffle-topped bag held seeds and/or offering or divinatory material
related to agriculture, the spatula that is held with the bag may have been a
tool for using the sacred material or for planting seed as part of the rite. The
fact that the spatula may be club-shaped or depict sacrifice-related scenes on
the finial suggests an association between agriculture and warlike blood sacrifice.
The chalchalcha also seems to belong to this dual world. Basically knife-
shaped, it is worn by figures in warrior dress, so it has associations with war
and/or sacrifice. It often has ulluchu in relief at the top (Sawyer 1966: Fig. 58;
Tushingham 1976: No. 116), so there is a relationship between this object and
the fruit. It is shown at least twice in enormous size, indicating suppernatural-
ness or special importance; In one of these depictions it is topped by what
appears to be a tear-streaked mask (Fig. 2). A rattle, the chalchalcha makes a
sound that may have been thought to evoke rain or rushing streams by sym-
pathetic magic.
It should be noted that goblets of the type seen in the Presentation Theme
exist in metal (Dorman 1976: Pi. 12; Tushingham 1976; Nos. 92, 93; Bank-
mann 1980—81: Fig. 13) and in ceramic (ibid: 124; Hocquenghem 1980:
Figs. 21—26), and that they have rattles in the base (see Hocquenghem 1980;
Bankmann 1980—81: 124—126). Like the chalchalcha, the goblet is sound-
making. Such goblets are always shown held by supernaturals; the goblets of
sacrificial blood make a rainlike sound in the supernatural world.
202
Benson, Some Observations on Moche Iconography
The sacrifice ultimately involved the deities of the Presentation Theme.
It is they who hold the goblets of blood. The human-headed club belongs
in their supernatural realm. The club is a means of transference of power
from their world to the military-agricultural world of the Moche. Whatever
else they stood for, these gods must have had astronomical identity, and their
depiction must have marked not only a critical time in the agricultural cycle,
but an important event in the movement of the heavens — equinox, solstice,
solar zenith or nadir, or conjunction. There are more apparent astronomical
symbols in these scenes than in any other cluster. The depiction of the Presen-
tation Theme gods on a “sky band” (Fig. 1; Hocquenghem 1978: Fig. 9) or
upper level (Donnan 1978: Fig. 240) implies this, as do the litters with a
snakehead at either end — these may also have radiances or snake-ended rays
— that appear in one of these scenes (ibid.: Fig. 239) and in related scenes
(Larco Hoyle 1938—39, II; Pi. XXIII; Kutscher 1950: Fig. 37). The plat-
form in which Figure A stands in the Orlandini scene is rayed, and, of course,
the radiances of Figure A generally add to the impression of a celestial being.
The star form that rests on the headdress of the plate-shirt-figure fragment in
Berlin (Kutscher 1954: Pi. 54 A) appears to be another astronomical symbol.
In attempting to fix the season of this rite cluster, Inca lore is suggestive,
but not necessarily helpful, for, throughout the Inca year, various ceremonies
were held, with sacrifices and dancing, celebrating various agricultural activ-
ities and astronomical phenomena (Rowe 1946: 305—312). One suggestive de-
tail is included in the January (Kamay) seqence, “a dance in which the perfor-
mers carried a great woolen rope of four colors” (ibid.: 309). The highland
agricultural pattern does not, however, fit the coastal one exactly, and I also
have the impression that there were shifts through the course of Andean his-
tory even within one culture — for example, the fairly late introduction of
the rosette-headdress figure—Figure A into the Moche belief system. There is
likely to have been considerable disjunction between the north coast and the
southern highlands over nearly a millennium, even though symbols may have
remained superficially similar. Whatever the identification of the gods or the
season of the rites, the Presentation Theme and related scenes must describe
astronomy (and astrology), gods, sacrifice, and military and agricultural ritual.
The Presentation Theme seems to show the celestial side of earthly ritual, but
it includes the sacrifice, which, like the human-headed club, is a bridge between
two worlds.
In these scenes, we have dealt with two costume clusters that are parts of
one ritual cluster. The plate-shirt figure with radiances and/or the plate-shirt
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
203
owl is/are undoubtedly celestial and divine. Musicians and certain other fig-
ures dressed in similar garments may be priests participating in sacrificial rites
involving this deity. The panpipes played by plate-shirt musicians may have a
trophy head on one end. Priestly activity is indicated by the fact that plate-
shirt dress is worn for ritual occasions only, not in combat. But what of the
“captives” dressed in some of the costumes elements of this deity? Of various
possibilities, I believe that the most likely is that these are actual sacrificial
victims. It is known that in certain other Pre-Columbian cultures sacrificial
victims were dressed as the gods to whom they were sacrificed, and much of
the evidence here seems to point to a similar ritual. It is clear that clothing is
highly symbolic in Moche iconography, and, moreover, that changes of clothing
were part of ritual. The variations in dress of the plate-shirt captives may
indicate moments in the sequence of the sacrificial ritual. Some figures are
fully dressed, with virtually all of the clothing of the deity figure; this may
designate the beginning of the ritual. One might then assume a sequence of
stripping the victim until he wore only one god attribute (Fig. 6) and is
virtually naked, as captives or victimes are usually shown. It is also con-
ceivable that the sequence may be shown the other way, with the stripped
victim slowly being dressed as the god.
The rosette-headdress figure is more complex. There is some evidence for a
supernatural figure, related to Figure A. Most of the depictions, however, are
human. Because he is seen in a number of individual human depictions,
because he appears in scenes of human activity, I believe that these figures are
likely to depict rulers — or a ruler — who, like Maya rulers in coeval Meso-
america, had divine aspects, and who may have been a royal counterpart of
Figure A, at least on certain sacred occasions. The “captive” versions of this
figure are much rarer than those of the plate-shirt figure; they do not have a
rope around the neck; they are always fairly fully dressed in the elements of
the cluster; and they appear only on recurved trumpets, where the only sign
of their captivity is the tying of the hands behind the back.
I would suggest that the vessels in this cluster may relate, among other
things, to royal ritual. Again, we know from coeval Mesoamerica that a ruler
had responsibility for agricultural fertility, that he had duties as commander-
in-chief, and that he underwent rituals of humiliation and purification. Maya
rulers were thought of as at least semi-divine, and, in certain instances, they
took on the attributes of gods. The number of portrait-head depictions makes
it clear that Moche rulers were important individuals. There is evidence later
in the Andes for sun associations for the rulers; some such belief may be part
204
Benson, Some Observations on Moche Iconography
of the astronomical complex seen here. The “captive” depictions may represent
the undergoing of a rite of humiliation, of purification, of taking on the oppo-
site of royal power. The human-headed club is both the sacrificial victime and
the powerful weapon. The plate-shirt sacrificial victim is dressed as the god
to whom he will be sacrificed. The ruler is powerful and divine, but to
maintain power and divinity, he becomes, briefly, a captive or victim. Moche
art indicates many such balancing oppositions.
The variations of dress in the rosette-headdress depictions may give some
notion of the sequence of the ritual. As a warrior, he is well-dressed, but no
more so than other warriors. He kneels on one knee in individual depictions —
is this an acknowledgement of the earth, in relation to a fertility rite? He sits
on the ground to receive captives in these garments, and he also wears them
when he himself appears as a captive. He dances before the plate-shirt figure
in these clothes. He is slightly more richly dressed, and may have a fanged
mouth, in the streamer scenes. He is most richly dressed in direct association
with music. As a warrior, he sometimes has a jaguar head on his headdress.
With musical instruments, he may also have a necklace and a cape. This is
true in the scene with the giant chalchalcha. The sound-making chalchalcha be-
longs to the general category of musical instruments, which are associated with
this complex. When he appears as a “captive” with tied wrists, the rosette-
headdress figure does not wear the chalchalcha.
Musical instruments seem to be agents of transformation in this complex.
The chalchalcha and goblet rattles exist in both the earthly and supernatural
realms. Both well-dressed figures become recurved trumpets and whistles, even
as they are playing musical instruments. The depiction of the plate-shirt figure
as a musical instrument may show the moment when he is transformed into
the god; but this is not the moment when he is shown as a victim. The rosette
figure is shown as a prisoner only when he is a trumpet; this is a moment of
transformation. Judging from evidence of dress and transformation, the danc-
ing sequences precede the high point of the ritual when music takes over.
It is clear that, in all the Moche clusters, there is a sequence of events. The
precise sequence and relationships of the cluster here, however, are not clear
to me. Vessel scenes read from top to bottom in importance. The Bremen vessel
seems to sketch a cosmological diagram, with the deities and supernatural
figures of the Presentation Theme sacrifice shown in order of importance on
the spout. The most important human figures are shown on the top of the
vessel body, presumably in a valley upland. The fact that the captives are
seen at the base coincides with further spatial evidence from this cluster:
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
205
wooden captive figures fund on the offshore Macabí Islands, where offerings
— and possible sacrifices — were made. A number of these figures wear the
hemispherical headdress with an owl head; they have a rope around the neck
or hands tied behind (Kubler 1948). If the sea was, indeed, thought of as the
entrance to the underworld (Benson 1975), this would suggest the journey to
the underworld by the sacrificial victim. Guano was probably used for ferti-
lizer on Moche crops; hence, the association of guano with agricultural ferti-
lity. The associations of water — of the sea with the rivers, perhaps — would
also relate to agriculture. And the westward journey of the river water might
echo a westward astronomical movement.
I am not sure how the scenes read in time. It is even possible that the mu-
sical ritual and the Presentation Theme sacrifice are not part of the same
ritual sequence, but only show the same characters at different times; this seems
unlikely, however. Many facets of the iconography here are also unclear to
me: the relationship of the rosette figure to Figure A, or even to the “Fig-
ure A” who has radiances only on the helmet, and may be mortal; the relation
of the rosette figure to the larger seated figure on the Bremen pot (although
I believe that this may be a matter of changing garments at a specific time);
the relation of that seated figure to the step-shirt figure who accompanies him.
I also do not know if the human rosette-headdress figure is one warrior-ruler
or whether he is a generic ruler.
Whatever the specific pattern may be, I believe that the well-dressed cap-
tives depict one real sacrificial victim and one royal pseudo-sacrificial “vic-
tim” and that they are related in a common and critically important ritual.
ACKNOWLEDGMENTS
I am grateful to Christopher B. Donnan for the use of the Archive of Moche Art,
University of California, Los Angeles, where I found unpublished examples of these
figures; to the Ubersee-Museum, Bremen, for furnishing me with a complete set of
photographs of their vessel; and to Gillett G. Griffin, who was kind enough to redraw
the Orlandini scene from a fuzzy original.
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212
MB BB
Benson, Some Observations on Moche Iconography
Fig. 3. Anthropomorphic owl warrior with plate-shirt
traits. Museo de Arqueología, Universidad Nacional de
Trujillo. Photograph courtesy of the Archive of Moche Art,
University of California, Los Angeles.
Fig. 4. “Captive” in plate shirt. Museo de Arqueología,
Universidad Nacional de Arqueología, Universidad Nacio-
nal de Trujillo. Photograph courtesy of the Archive of
Moche Art, University of California, Los Angeles.
Fig. 5. Rear view of Figure 4. Photograh courtesy of the
Archive of Moche Art, University of California,
Los Angeles.
Fig. 6. “Captive” with owl-face-and-two-projections head-
dress. Photograph courtesy of the Denver Art Museum.
Fig. 7. Drawing of a vessel depicting a man with fanged
mouth and maize cobs on the shoulders. From the files
of the Hamburgisches Museum für Völkerkunde und Vor-
geschichte. Photograph by the author.
Fig. 8. The bell end of a trumpet, showing a rosette-head-
dress “captive”. Museum of Mankind, Ethnography De-
partment of the British Museum, London. Photograph
courtesy of the Archive of Moche Art, University of Cali-
fornia, Los Angeles.
Lig. 9. Rear view of Figure 8. Photograph courtesy of the
Archive of Moche Art, University of California,
Los Angeles.
216
Benson, Some Observations on Moche Iconography
Fig. 10. Rosette-headdress figure with fanged mouth, hold-
ing streamers. There is a small plate-shirt figure at his
feet. Courtesy of the Art Institute of Chicago,
Buckingham Fund.
Presentation Theme. After Orlandini 1955: title
page. Drawing by Gillett G. Griffin.
Fig. 12. Stirrup-spout vessel with scene. Radiances of the
plate-shirt figure show on the spout. Photograph courtesy
of the Übersee-Museum, Bremen.
Fig. 13. The Bremen vessel showing the plate-shirt figure
on the spout. Photograph courtesy of the Übersee-Museum,
Bremen. Photograph by Flelmut Jäger.
Fig. 14. The Bremen vessel. The nose ornament of “Figure
A” appears above the cup held by the plate-shirt figure.
Photograph courtesy of the Übersee-Museum, Bremen.
Fig. 15. The Bremen vessel, showing “Figure A”. Photo-
graph courtesy of the Übersee-Museum, Bremen.
220
Benson, Some Observations on Moche Iconography
Fig. 16. The Bremen vessel, showing two seated figures.
Photograph courtesy of the Übersee-Museum, Bremen.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
221
Fig. 18. Vessel in form of a seated man with bag and
spattila. Museo Nacional de Anthropología y Arqueología,
Lima. Photograph by the author.
Fig. 19. Vessel in form of a seated man with bag and chal-
chalcha ear ornaments, with a cluster of feathers on his
headdress. After Tello 1938: Pi. 25.
Fig. 20. Vessel in form of a seated man with a bag and
club-shaped spatula, a cape, chalchalcha ear ornaments,
and feathers painted on the headdress. After Larco
1938—39, II: Fig. 186.
222 Benson, Some Observations on Moche Iconography
Beihefte zum BAESSLER-ARCHIV
Beiheft 1: KURT KRIEGER
Geschichte von Zamfara
Sokoto-Provinz, Nordnigeria
147 Seiten mit 12 Tafeln und einer Karte. 1959. Broschiert DM 21,—
Beiheft 2; HERMANN TRIMBORN
Archäologische Studien in den Kordilleren Boliviens (I)
76 Seiten mit 66 Abbildungen. 1959. Broschiert DM 18,—
Beiheft 3: HORST HARTMANN
Georg Catlin und Balduin Möllhausen
Zwei Interpreten der Indianer und des Alten Westens
156 Seiten mit 37 Lichtdruck-Reproduktionen, einer Tafel
mit Zeichnungen und zwei Karten. 1963. (Nachdruck in Vorbereitung)
Beiheft 4: Archäologische Studien in den Kordilleren Boliviens II t
HEINZ WALTER
Beiträge zur Archäologie Boliviens
Die Grabungen des Museums für Völkerkunde Berlin im Jahre 1958
361 Seiten mit 159 Abbildungen im Text und auf Tafeln und 20 Grabungsplänen. 1966.
Broschiert DM 50,—, Leinen DM 62,—
Beiheft 5t HERMANN TRIMBORN
Archäologische Studien in den Kordilleren Boliviens III
182 Seiten mit 138 Photos, Zeichnungen und Plänen. 1967.
Broschiert DM 40,—, Leinen DM 50,—
Beiheft 6t SIGRID PAUL
Afrikanische Puppen
VIII und 208 Seiten mit einer Farbtafel und 98 weiteren Abbildungen. 1970
Broschiert DM 45,-
Bciheft 71 HEIDE NIXDORFF
Zur Typologie und Geschichte der Rahmentrommeln
Kritische Betrachtung zur traditionellen Instrumententerminologie
286 Seiten mit 5 Abbildungen und 11 Tafeln. 1971. Broschiert DM 60,-
BeiheftSt BERNHARD ZEPERNICK
Arzneipflanzen der Polynesier
307 Seiten mit einer Kartenskizze. 1972. Broschiert DM 69,-
Verlag von DIETRICH REIMER in Berlin
Beiheft 3 1 zu „Afrika und Übersee*
DIE DIALEKTALE DIFFERENZIERUNG
DES BERBERISCHEN
von
Alfred Willms
139 Seiten. 1980. Einzelpreis broschiert DM 78,—; Leinen DM 92,—.
Der Verfasser geht in dieser Arbeit über die klassische Methode der Dialektforschung
hinaus, Dialektgrenzen durch die Verbreitung sprachlicher Phänomene zu bestim-
men. Er zeigt mit Hilfe eines anderen Verfahrens das Prinzip der dialektalen
Differenzierung des Berberischen (Nordafrika) auf; Die Dialektunterschiede be-
messen sich nach der Entfernung zwischen berberophonen Orten und nach dem Grad
der Intensität des Kontaktes zwischen den Sprechern. Im Nahbereich eines Gebietes
wirkt ferner die alte soziopolitische Ordnung der Berber aus vorkolonialer Zeit im
Idiolekt (der Sprache des Individuums) nach.
Beiheft 30 zu „Afrika und Übersee*
WÖRTERBUCH DER DUALA-SPRACHE
von
Johannes Ittmann t, bearbeitet von E. Kähler-Meyer
XXVIII + 676 Seiten (Duala-Deutsch-Französisch-Englisch) 1976.
Gebunden DM 165,—, broschiert DM 150,—.
Der Verfasser ist als Kenner der Völkerschaften des küstennahen Gebiets von
Kamerun bekannt. Er sammelte das Material bereits vor dem zweiten Weltkrieg,
zum großen Teil während seiner Reisen als Missionar. Es enthält unwiederbring-
liches volkskundliches und religiöses Gut, aber auch eine Sprache, die von den
mancherlei in der Zwischenzeit eingedrungenen Fremdeinflüssen frei ist und hier für
spätere Generationen bewahrt wird. Das Wörterbuch wird auf Grund der zahl-
reichen Beispielsätze, die eine Fülle von Redewendungen, Sprichwörtern, Ideophonen
und Bemerkungen aus dem täglichen Leben bieten, nicht nur Bantuisten, sondern
auch Völkerkundler, Soziologen und Religionswissenschaftler interessieren. Die 8.200
Stichwörter sind ins Deutsche, Französische und Englische übersetzt.
VERLAG VON DIETRICH REIMER . BERLIN
BAESSLER-ARCHIV
BEITRÄGE ZUR VÖLKERKUNDE
Herausgegeben im Aufträge des
Museums für Völkerkunde Berlin
Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz
von
K. KRIEGER UND G. KOCH
NEUE FOLGE BAND XXX (1982)
(LY. BAND)
Heft 2
Ausgegeben am 27. Januar 1984
T8 |45
BERLIN 1982 - VERLAG VON DIETRICH REIMER
INHALT
Gisela Lautz, Essen Verfahren der verschränkten Masche — Ein Problem der Terminologie be- stimmtet Textilien des präkolumbischen Peru 223
Barbara Braun, New York Teotihuacan and Cotzumalhuapa 235
Berthold Riese, Berlin Kriegsberichte der klassischen Maya 255
Horst Cain, Marburg Katzen und Affen in Ozeanien — Kulturkontakt und Sprachwandel 323
Dolores Fuertes de Cabeza, Cochabamba Freudloses Paradies — Eindrücke und Erfahrungen während eines Forschungs- aufenthaltes in West-Samoa 351
Sibylle Benninghoff-Lühl, Hamburg Wirkungsaspekte der Museumsarbeit in einem Entwicklungsland am Beispiel der Rezeption des Sahel-Museums in Mali/Westafrika 371
Ulrich Wegner, Berlin Afrikanische Musikinstrumente im Südirak 395
„Baessler-Archiv“ Band XXX erscheint 1982 in 2 Heften zum Bandpreis von DM 124,—. Bestellungen sind zu richten an den Verlag DIETRICH REIMER, Unter den Elchen 57, 1000 Berlin 45, oder an jede Buchhandlung. Manuskripte werden erbeten an: Redaktion des „Baessler-Archiv“, Museum für Völkerkunde, Arnim- allee 23/27, 1000 Berlin 33. Für unverlangt eingehende Beiträge kann keine Haftung übernommen werden. Die Mitarbeiter erhalten unberechnet 30 Sonderdrucke.
Für den Inhalt ihrer Beiträge sind die Autoren allein verantwortlich
ISSN 0005-3856
Alle Rechte Vorbehalten Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
223
VERFAHREN DER VERSCHRÄNKTEN MASCHE
EIN PROBLEM DER TERMINOLOGIE
BESTIMMTER TEXTILIEN
DES PRÄKOLUMBISCHEN PERU
GISELA LAUTZ, Essen
Aus dem Kulturbereich des präkolumbischen Peru kennen wir Textilien, die
„wie gestrickt“ aussehen. Gemeint sind hier die sogenannten Paracas-Borten,
die zum Teil dreidimensional gearbeitet sind. Die Bezeichnung für die Technik
ihrer Herstellung wird verschieden gehandhabt, was zu Unstimmigkeiten auch
in der Fachliteratur geführt hat.
In neueren Katalogen, Objektbeschreibungen und Publikationen finden sich
beispielsweise folgende Bezeichnungen;
„eine Art Stricktechnik“
(Ausstellungskatalog Köln 1959)
„dreidimensionale Nadelarbeit in Verschlingstichtechnik“
(Linden-Museum Stuttgart 1974)
„umfassendes Verschlingen“
(Völkerkundemuseum Berlin 1975)
„dreidimensionale Nadelarbeit“
(Völkerkundemuseum München 1977)
„Strickborte“
(Dr. Becher, Völkerkundemuseum Hannover,
in Textilkunst 1/81)
„dreidimensionale Maschenstickerei“
(Sammlungskatalog 2 d. Kunstgewerbemuseums
Zürich, o. J.)
Daß auf dem Gebiet der Textilsystematik und der zugehörenden Termino-
logie einige Verwirrung herrscht, ist keine neue Erkenntnis. Der vorliegende
Fall zeigt jedoch besonders eindringlich, wie notwendig es wäre, auf dem tex-
15 Baessler-Archiv XXX
224
Lautz, Verfahren der verschränkten Masche
tilen Sektor zu einer verbindlichen Sprachregelung zu gelangen. „Although
special terms may he required for phases and details that are peculiar to one
or another aspect of fabric study, a Basic vocabulary of essential terms, mu-
tually understandable and free of special connotations, is necessary if Infor-
mation from one field (or individual) is to be available to others for com-
parative or other purposes.“ (Emery, S. XI)1.
Im vorliegenden Fall ist es besonders schwierig, eine verbindliche Bezeich-
nung zu finden. Es handelt sich hier nämlich um textile Objekte, die zwar eine
identische Struktur aufweisen, deren Herstellung jedoch auf unterschiedliche
Weise, in drei verschiedenen Techniken erfolgt sein könnte.
Unser Problem ist nun, daß wir eine Bezeichnung finden müssen, die das
Erscheinungsbild — die Struktur — exakt definiert, ohne den Herstellungs-
prozeß hierbei festzuschreiben.
Die anschließenden Überlegungen basieren auf den beiden grundlegenden
Textilterminologien von Emery (Washington)1 und Bühler/Seiler-Baldinger
(Basel)2, die sich ergänzen, aber nicht ersetzen können und deren Synthese von
Bühler selbst als wünschenswert bezeichnet wurde: „Optimal wäre es ... ,
wenn es einmal gelänge, beide Ordnungsprinzipien durchgehend miteinander
zu kombinieren.“ (Seiler-Baldinger, 1973, Vorwort)
Irene Emery geht bei der Zuordnung und terminologischen Bestimmung
aller Textilien allein von der sichtbaren Struktur aus und damit von einem
objektiv feststehenden und beschreibbaren Tatbestand (Strukturanalyse). Im
Normalfall wird jede textile Struktur eindeutig benannt und erscheint an
entsprechender Stelle innerhalb ihres Systems — unabhängig vom, mitunter
nur theoretisch rekonstruierbaren, Herstellungsprozeß. In unserem speziellen
Fall haben wir einen jener wenigen Grenzfälle vor uns, in denen auch das
Emery’sche System für ein und dieselbe Struktur verschiedene — wenn auch
voneinander abgeleitete und aufeinander bezogene — Bezeichnungen angibt
und hierbei unterschiedliche Herstellungsprozesse berücksichtigt.
Die Baseler Terminologie geht dagegen grundsätzlich von der Herstellung
aus. Es ist daher bei Bühler ganz „normal“, daß die gleiche Struktur nach dem
Herstellungsverfahren eingeordnet, mehrfach und unter verschiedenen Bezeich-
nungen erscheint, wobei für die Terminologie der Sticktechnik auf Böser/
Müller3 verwiesen wird. Unser vorliegender Fall ist ein besonders gutes Bei-
1 Irene Emery, The Primary Structure of Fabrics. Washington 1966 (1980).
2 Annemarie Seiler-Baldinger, Systematik der textilen Techniken. Basel 1973.
3 Renee Böser / Irmgard Müller, Stickerei. Systematik der Stichformen. Basel 1968.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
225
spiel für die — von Bühler selbst erkannten — Nachteile dieses Systems bei
der Bestimmung musealer Textilien: wo, wie im vorliegenden Falle, die Her-
stellungsweise nicht nachgewiesen werden kann, müßten unter Umständen
mehrere Termini angegeben werden.
Mögliche Hersteilungstechniken
An dieser Stelle soll noch einmal zusammengetragen werden, was zur Tech-
nik der hier zur Debatte stehenden Textilien gesagt werden kann.
Prinzipiell sind folgende Verfahren möglich;
A Maschenstofibildung mit einem fortlaufenden Faden von begrenzter Länge
Technik des umfassenden Verschlingens (Seiler-Baldinger S. 13)
Cross-Knit-Looping (Emery S. 32)
B Maschenstoffbildung mit fortlaufendem Faden von beliebiger Länge
Technik des Strickens mit verschränkter Masche (Seiler-Baldinger S. 23)
Crossed Knitting (Emery S. 41)
C Stoffverzierung mit festem Material
Stickerei mit umfassendem Verschlingstich (Boser/Müller S. 70, vergl. auch
S. 62)
Cross-Knit-Loop-Stich (Emery S. 43)
Die Technik der beiden Maschenstoffverfahren zeigt grundlegende Unter-
schiede (vergl. hierzu D’Harcourt4 5 Abb. 73, Bühler S. 94;>):
A (umfassendes Verschlingen)
wird mit den Fingern, einer mit Loch versehenen Nadel oder einer Netz-
nadel von oben nach unten gearbeitet, ein weiteres Hilfsgerät ist nicht
nötig.
B (Stricken mit verschränkter Masche)
wird von unten nach oben gearbeitet, wobei die Maschen auf einem Hilfs-
gerät (Stricknadeln) gehalten werden müssen.
Die bei D’Harcourt im Kapitel „Network made with loopstitch“, S. 104/105
angeführten Schlußfolgerungen, z. B. daß bei Textilien, die im Verfahren B
4 Raoul D’Harcourt, Textiles of Ancient Peru and their Techniques. Engl. Ausgabe
1962 (1975).
5 Kristin und Alfred Bühler-Oppenheim, Die Textiliensammlung Fritz Ikle-Huber im
Museum für Völkerkunde Basel. Zürich 1948.
15'
226
Lautz, Verfahren der verschränkten Masche
hergestellt sind, Maschen laufen können, „herunterfallen“, bei A aber nicht,
sind meines Erachtens falsch. Wie aus Abb. 73 einwandfrei hervorgeht, hat er
außerdem seinem Vergleich nicht das Stricken mit verschränkter Masche zu-
grunde gelegt, sondern das Stricken mit glatter Masche (Emery: plam knittlng,
„stocking stitch“, S. 40).
Es wird inzwischen allgemein angenommen, daß unsere Objekte nicht durch
Stricken hergestellt wurden, obwohl es tatsächlich möglich ist, sie in der euro-
päischen Stricktechnik nachzuarbeiten, wie Louisa Bedinget vom Textile
Museum mit einer schönen Kopie bewiesen hat.0
Von D’Harcourt stammt die Behauptung, daß es keine der beiden Techniken
von Maschenstoffbildung mit einem fortlaufenden Faden von beliebiger Länge,
also Stricken und Häkeln, im alten Peru gegeben habe. (D’Harcourt, S. 105).
Diese Behauptung ist bislang von niemandem widerlegt worden.
Emery (S. 48) drückt sich vorsichtig aus: „Presumably true crossed knitting
. . . was not known in pre-conquest Peru“. Man darf annehmen, daß ihr Buch
— 1980 in 2. Auflage erschienen — die neuesten Erkenntnisse der amerikani-
schen Wissenschaftler berücksichtigt.
In ihrer profunden Arbeit über die Maschenstoffe in Süd- und Mittelame-
rika6 7 berücksichtigt Annemarie Seiler-Baldinger auch die hier zur Debatte ste-
henden textilen Objekte und ordnet sie ein als Belege zum „Verfahren der ver-
schränkten Masche“. Dabei unterscheidet sie zwischen „eindeutigen Maschen-
stoffen“ und „Grenzfällen“. Unter letzterem versteht sie durch Stiche nach-
weisbare Stickereien im Flechtstichverfahren. Das Problem einer möglichen
Herstellung in Stricktechnik wird von ihr nicht als solches herausgestellt.
Dennoch scheint es an dieser Stelle sinnvoll, die Argumente zusammenzu-
tragen, die zum Problem des Strickens im alten Peru vorgebracht werden kön-
nen;
— Es gibt nur zwei Techniken zur Herstellung von Maschenstoffen mit fort-
laufendem Faden von beliebiger Länge; Stricken und Häkeln. Für das
Häkeln hat man überhaupt keine Belege gefunden, für das Stricken keine
Beispiele in einer anderen möglichen Strickstruktur und dies bei einem Volk,
das so phantasievoll war beim Erfinden kompliziertester Variationen der
verschiedensten Textiltechniken.
6 Junius Bird / Louisa Belllnger, Paracas Fabrics and Nazca Needlework. Washing-
ton 1954.
7 Annemarie Seiler-Baldinger, Maschenstoffe in Süd- und Mittelamerika. Basel 1971.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
227
— Stricken ist eine verhältnismäßig schnell und einfach auszuführende Technik
und eignet sich gut für die Herstellung auch größerer Stücke. Man hat je-
doch keine größeren Stücke in unserer Struktur gefunden.
— Es sind zahllose hölzerne Stäbchen gefunden worden, beidseitig oder einsei-
tig zugespitzt, mit oder ohne Loch, in verschiedenen Formaten. Als Einlege-
stäbe bei komplizierten Webarbeiten, als Spindelstäbe sowie als Wirk-
nadeln zum Eintrag von Schußgarnen sind sie sicherlich in Mengen ge-
braucht worden. Es gibt keinen Beweis, daß einige von ihnen als Strick-
nadeln verwendet worden wären.
— Die Tatsache, daß wir durch Stricken das Erscheinungsbild eines derartigen
Textils rekonstruieren können, beweist noch nicht, daß das Original in
dieser Technik hergestellt ist. Denn mit der gleichen Methode könnte man
eben auch die anderen Verfahren beweisen.
Wir werden die Frage nach dem Stricken im präkolumbischen Peru weiter-
hin offen lassen müssen. Die Entscheidung wird wohl nur ein Zufall bringen
können: „But even complete specimens (and many ancient ones are fragmen-
tary) offer little reliable evidence of the process of fabrication. An unfinished
fabric wlth assoclated Implements would probably be necessary for positive
determination.“ (Emery S. 42)
Betrachten wir nunmehr das dritte mögliche Herstellungsverfahren, Stoff-
verzierung mit festem Material, d. h. Stickerei mit umfassendem Verschling-
stich.
Gegenüber den beiden Maschenstoffverfahren zeigt sich ein wesentlicher
Unterschied:
A und B (Umfassendes Verschlingen und Stricken)
Die Oberfläche selbst wird durch Maschen gebildet. Ob das so ent-
standene Textil um eine Einlage herum gearbeitet ist oder nicht,
oder ob sich flottierende Fäden darunter befinden, ist in diesem Zu-
sammenhang ohne Belang.
C (Stickerei mit umfassendem Verschlingstich)
Ein vorhandener Stoff wird mittels Nadel und Faden durch Schling-
stiche verziert. Hierbei kann diese Verzierung so dicht gearbeitet
werden, daß vom Untergrund nichts mehr zu sehen ist.
Immer — und nur dann — wenn eine solche Verzierung einer textilen
Unterlage vorliegt, können unsere Objekte als Stickerei bezeichnet werden.
228
Lautz, Verfahren der verschränkten Masche
Stickereien mit umfassendem Verschlingstich sind im alten Peru häufig zu fin-
den. D’Harcourt benutzt für diesen Stich den Ausdruck „loop stitch“ und be-
schreibt die unterschiedlichen Anwendungsmöglichkeiten: „It was most com-
monly made in horizontal rows . . . The embroidery produces columns of
meshes on one face of the fabric and a series of small horizontal lines on the
other. The columns may touch each other and cover the fabric with a com-
plete mesh, or they may be more widely spaced and leave the foundation
fabric visible. . . . The presence of a foundation fabric permits the making of
loops not only in horizontal rows, but also in oblique rows. . . . Loop stitch
can also be made in vertical rows . . (D’Harcourt S. 122/123)
Sowohl D’Harcourt als auch Bird/Bellinger nehmen an, daß die drei-
dimensionalen Borten sich aus der Stickerei entwickelt haben, und zwar aus
der waagerechten Reihung umfassender Verschlingstiche. „It is supposed that
the narrow finishes and comparatively wide turbans of Paracas as well as the
dainty three-dimensional Nazca borders of birds and flowers were all made
by working the same stem stitch. . . . Embroidery stitches were worked into
other embroidery stitches instead of into a ground fabric.“ (Bird/Bellinger,
S. 100 u. 104) (Louisa Bellinger benutzt die Bezeichnung „knit-stem stitch“ für
den umfassenden Verschlingstich.)
Die Schlingstiche haben sich also sozusagen verselbständigt, sie lösen sich
vom Untergrund und werden — in prinzipiell genau gleichem Arbeitsver-
fahren mit der Nadel — frei im Raum weitergebildet. Das heißt, das Stickerei-
Verfahren löst sich von der zu verzierenden Oberfläche und wird damit zu
einem stoffbildenden Verfahren. Eine ausführliche Analyse dieser Technik fin-
det sich sowohl bei Louisa Bellinger („Technical Analysis“, Bird/Bellinger
S. 91 —115) als auch bei D’Harcourt („Embroidery with loop stitch“, D’Har-
court S. 122—126). Danach liegt hier das Phänomen vor, daß genau der gleiche
Arbeitsvorgang einerseits als Stickereiverfahren, andererseits zur Maschenstoff-
herstellung benutzt wird, jedoch nach den bestehenden Terminologien unter
verschiedenen Bezeichnungen eingeordnet werden muß, wodurch unser Pro-
blem noch komplizierter wird (siehe auch Bühler, S. 99).
Zur Terminologie
Im Vorangehenden sollte klargestellt werden, daß es sich bei unseren kleinen
peruanischen Objekten um Textilien handelt, deren Struktur in verschiedenen
technischen Verfahren hergestellt sein könnte, wobei hier zusätzlich zwei dieser
Verfahren den gleichen Arbeitsvorgang aufweisen.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
229
Wir haben gesehen, daß selbst beim Emery’schen System sich hieraus Schwie-
rigkeiten für die Terminologie ergaben. Sie benutzt den Terminus „cross-knit“,
wendet ihn in Variationen auf alle Textilien dieser Struktur an und recht-
fertigt dieses Vorgehen ausführlich (Emery S. 48).
Für den deutschen Sprachraum wollen wir versuchen, einen Termmus zu
finden, der die Textilien unserer Struktur eindeutig bezeichnen kann, ohne
gleichzeitig eine Einschränkung auf eine einzige der möglichen Techniken zu
bedeuten.
Solange es eine Synthese der beiden vorliegenden Textilterminologien nicht
gibt, sollte man davon absehen, neue Bezeichnungen zu erfinden, sondern sich
an die vorliegende Baseler Terminologie halten. Den gewünschten Sammel-
begriff kann sie uns freilich ohne weiteres nicht liefern, da ein Terminus hier
stets die Herstellung impliziert und diese, wie dargestellt, nicht gesichert oder
nicht eindeutig zu bezeichnen ist.
In den Veröffentlichungen des Berliner Völkerkunde-Museums8 mit den
bisher sicherlich besten Strukturanalysen peruanischer Textilien in der deutsch-
sprachigen Literatur, wird die Technik von Objekten mit der hier zur Debatte
stehenden Struktur als „Umfassendes Verschlingen“ bezeichnet. Seiler-Baldin-
ger in „Maschenstoffe in Süd- und Mittelamenka“ benutzt den Terminus
„Verfahren der verschränkten Masche“.
In der Baseler Systematik werden beide Termini synonym benutzt. „Um-
fassendes Verschlingen“ erscheint eingeordnet in der Reihe der Verschlingtech-
niken, „Verfahren der verschränkten Masche“ ist in Klammern hinzugefügt.
Befreite man nun diesen letzteren Begriff von der Einengung auf ein Synonym,
so wäre er ausgezeichnet geeignet für unseren gesuchten Terminus:
— „Verfahren“ definiert nicht wie etwa „Verschlingen“, „Sticken“ oder „Strik-
ken“ eine Herstellungsmethode. Es ist ein übergeordneter Begriff, der mit
der zugehörenden Ergänzung sehr wohl mehrere Techniken umfassen
könnte.
— „Verschränkte Masche“ bezeichnet genau genommen eine textile Struktur
im Emery’schen Sinne, und zwar exakt das Strukturbild, um das es hier
geht.
Mit „Verfahren der verschränkten Masche“ bezeichnen wir also die Her-
stellungstechnik eines Textils mit der Struktur „Verschränkte Masche“, welches
durch Stricken, Sticken oder Verschlingen hergestellt sein kann.
Dieter Eisleb, Altperuanische Kulturen I. Berlin 1975.
230
Lautz, Verfahren der verschränkten Masche
In allen anfangs angegebenen Katalog-Zitaten hätte zur Bezeichnung der
Technik einfach „Verfahren der verschränkten Masche“ stehen können. Durch
die genaue Bezeichnung der vorliegenden Struktur, verbunden mit der bewuß-
ten Unschärfe der Benennung der Herstellungsmethode, wäre dem wissen-
schaftlichen Anspruch Genüge getan.
Es gibt im Bereich der ethnologischen und archäologischen Textilien weitere
Fälle mit ähnlich gelagerten Terminologie-Problemen. Vielleicht zeigt dieser
Beitrag einen Weg, wie man durch eine Synthese der strukturanalytischen Vor-
gehensweise (Emery) und der verfahrenstechnischen der Baseler Schule zu ver-
tretbaren Definitionen kommen kann.
Für die Herstellung der Muster (Abb. 3—5) und die Genehmigung zur Veröffent-
lichung danke ich Frau F. I. Pracht recht herzlich.
■■■i
-
■BS
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
231
Abb. 2. Maschenbild einer „Para-
cas-Borte“ im Detail.
Abb. 1. Teil einer ,Caracas-Bor-
te“. Das Objekt ist ohne Einlage
gearbeitet und läßt sich „aufreb-
beln“.
232
Lautz, Verfahren der verschränkten Masche
Abb. 3. Maschenbild. Muster, hergestellt in der Technik „Umfassendes Verschlingen“,
von oben nach unten gearbeitet.
Abb. 4. Maschenbild. Muster, hergestellt in der Technik „Stricken“, von unten nach
oben gearbeitet.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
233
Abb. 5. Maschenbild. Muster mit
„Laufmasche“, hergestellt in der Tech-
nik „Umfassendes Verschlingen“. (De-
tail aus Abb. 3).
Abb. 6. Maschenbild. Detail einer pe-
ruanischen Stickerei mit umfassendem
Verschlingstich.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
235
TEOTIHUACAN AND COT2UMALHUAPA
BARBARA BRAUN, New York
Paper presented at the Symposium,
“Interdisciplinary Approaches to Maya Studies:
Margins and Centers of the Classic Maya.”
XLIII International Congress of Americanists,
Vancouver, Canada, August 10—17, 1979.
Since the late nineteenth century, the Cotzumalhuapa style of southern Gua-
temala (ca. A.D. 400—900) has been identified with highland Mexican sources
from the Central Mexican Plateau. At first, the Aztec style was considered a
major influence on Cotzumalhuapa art. Subsequently, as the dates of the style
were pushed back in time, this identification was shifted to the Toltecs, and,
most recently, to Teotihuacan, in accord with Parsons’ report of his excava-
tions at Bilbao (1969). Also supporting this determination are Pipil migration
theories suggesting that waves of Nahuat-speaking groups originating in the
Mexican highlands migrated southwards via Veracruz to Guatemala, bringing
highland art traditions, religious concepts, and the ball game cult.
This paper disputes the idea that Mexican highland art was a generative in-
fluence on Cotzumalhuapa style. An examination of Pipil migration theories
demonstrates their irrelevance to Cotzumalhuapa culture. A comparison be-
tween Teotihuacan and Cotzumalhuapa art shows that each is characterized by
very different formal orientations and thematic concerns. Alternatively, I sug-
gest that a major neglected source of Cotzumalhuapa relief sculpture was the
Oaxaca valley culture of the Late Pre-Classic period. Another important
source of Cotzumalhuapa relief sculpture was the Izapan style. I conclude
that similarities between Teotihuacan and Cotzumalhuapa art may be credited
to their derivation from common sources In the Late Pre-Classic period, rather
than to direct contact, as has previously been supposed.
The Pipil Question
There is a good deal of controversy about the nature and dates of the various
Pipil-Nahuat migrations. It is, for example, unclear whether the name Pipil
designated a single ethnic group or was a collective term for the various ele-
236
Braun, Teotihuacan and Cotzumalhuapa
ments in the Mexican population who wandered south (Termer 1936). Pro-
posed dates for the migrations range from ca. A.D. 300 to 1511 (Borhegyi 1965:
38—9, n. 50). The distribution of the Pipil at the time of the Conquest Is de-
fined on the basis of linguistic evidence of Pipil dialects, but their presence in
earlier periods is based on vague, impressionistic responses to the archaeological
record.
Jimenez-Moreno, Thompson, Borhegyi, and Parsons have discussed the Pipil
migrations or similar theories with regard to the formation of Cotzumalhuapa
culture. Jimenez-Moreno is the foremost proponent of the Pipil migration theo-
ry. According to his reading of the ethnohistoric sources, after the fall of Teo-
tihuacan Nahuat-speaking Pipil, originally from Teotihuacan and Cholula,
settled In Veracruz at Cerro de las Mesas in the Tuxtlas region. These same Pi-
piles, now under the strong influence of Tajin, were subsequently forced out of
their Veracruz homeland by the historic Olmecs. Around A.D. 800, a mass
migration of Pipiles took them first to the Soconusco coast and then to Guate-
mala, El Salvador, Honduras, and Nicaragua, and also, though in lesser num-
bers, as far south as Peru. Accordingly, the ball game complex originated on
the Gulf Coast and was spread to the Pacific coast by the Pipil on their migra-
tion south. Some of these Pipil groups eventually returned from the south,
bringing a knowledge of metallurgy with them to Mexico, and helping to es-
tablish the Toltec empire (Jimenez-Moreno 1966: 65—71).
Thompson concurs with Jimenez-Moreno’s account of the Pipil migrations
and the diffusion of the ball game complex. According to his deductions based
on an interpretation of Torquemada, the original date of the Pipil migration to
Guatemala was ca. A.D. 700—850 (Thompson 1948: 11). At that time the Pi-
pil occupied a large continuous territory extending from around Escuintla, in-
cluding the Cotzumalhuapa area, through southeastern Guatemala, western El
Salvador, and the upper Motagua Valley. In the course of time, much of this
territory was recovered by local Maya inhabitants, the Cakchiquel, Pokomam,
and Xinca. By the Conquest period, the Pipil had become isolated into three
pockets: the narrow strip around Escuintla, east of the main Cotzumalhuapa
sites; most of western El Salvador and nearby Guatemala; and a region in the
central Motagua Valley (Thompson 1948: 11). They did not occupy the Cotzu-
malhuapa area, which was Cakchiquel during the late period (Thompson 1948:
49). Thus, Thompson reasons that the so-called Mexican style of art in the
Cotzumalhuapa area around Escuintla is attributable to the Pipil nation. This
attribution of Cotzumalhuapa art to Mexican sources is based on vague stylistic
criteria—the “sober realism” of the sculptures (Thompson 1941: 48) and prob-
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
237
ably also the numerous images of death and sacrifice which recall Aztec art—
and particularly on the presence of Mexican style glyphs, calendrics, and de-
ities, such as Tlaloc.
Taking into account new archaeological data proving Bilbao sculptures to be
in direct association with Late Pre-Classic and Early Classic period ceramics,
Borhegyi (1965) up-dated Thompson’s Pipil theory. He suggests that three
waves of Nahuat-speaking migrants invaded Guatemala between the fifth and
twelfth centuries A.D. (1965: 38—41). His revision of previous theories has
the migrations beginning at an earlier date (coinciding with the Middle Clas-
sic). Teotihuacan is seen as the ultimate source of all the migrations and, in ef-
fect, the civilizing force of the rest of Mesoamerica. Trophy head and decapi-
tation cults and, by implication, the ball game, are seen to originate in Vera-
cruz, around Tajin and Cerro de las Mesas, and spread in the second wave of
migration, ca. A.D. 700—900. The traditional version of the historical Quet-
zalcoatl is retained, and held accountable for the supposed Nahuat-Pipil cul-
tural elements in the early Post-Classic in both Yucatan and highland Guate-
mala.
Parsons basically follows Borhegyi’s account of Teotihuacan diffusion while
revising his dates and substituting for a Pipil migration the idea of a Vera-
cruz-based ball game cult spread southward by merchant traders. He has de-
fined two phases of the Middle Classic period on the basis of his stratigraphic
evidence at Bilbao.
The early phase, ca. A.D. 400—550, is considered the era of widespread
Teotihuacan control in Mesoamerica. During the fifth century trade routes were
established linking distant regions with Teotihuacan. In addition to the regu-
lar complex of traits considered Teotihuacan horizon markers, including cylin-
der tripoids, floreros, candeleros, thin orange ware, molding and stamping, and
talud-tablero architecture, Parsons attributes the farflung presence of certain
deities, whom he designates by Nahuat names (Ehecatl, Xiuhcoatl, Huehue-
teotl, Xipe, Tlaloc, and Tlalchitonatiuh), and iconographic motifs (warriors
with shield, spear, and atlatl, tabbed speech scrolls, pecten and snail shell pec-
torals, wrist and arm ruffs, rear belt ornaments with pendant plumes, reptile’s
eye (RE) glyphs, and tied flame bundle) to Teotihuacan influence (1973: 9). He
further proposes that the “formal features of the ball game” may have been
adopted by Teotihuacan envoys when they passed through the Gulf Coast area,
home of the game, en route to other regions of Mesoamerica. Stone yokes and
hachas are widely distributed during the early phase of the Middle Classic, with
Veracruz as the source. The diffusion of the yoke-hacha complex prior to the
238
Braun, Teotihuacan and Cotzumalhuapa
invention of the palma in Veracruz explains the absence of palmas in southern
Chiapas and Guatemala. Later, when palmas began to be manufactured, to-
wards the end of the Middle Classic, most of the interregional trade had ceased
(1969: 159—64; 1973: 8—9). The quirky presence of at least six palmas in
Salvador (Andrews 1970) is attributed to a divergent trade route involving
coastal navigation around Yucatan by way of the Motagua River (Parsons
1973: 15). The contemporaneity of palmas and a notched hacha in immediate
association in one grave (Andrews 1970) is not accounted for. Also overlooked
is the connection between coastal Salvador and Guatemala at this time, so that
palmas would surely have been known in the latter area as well.
The second “Teotihuacanoid” phase of Parsons’ Middle Classic, ca. A.D.
550—700, is considered the period of absorption and consolidation of Teoti-
huacan influence, interchange of diverse influences, and formation of new cul-
tural foci upon the disruption of Teotihuacan hegenomy (1969: 164—69; 1973:
10—14). At the end of this period, Classic Veracruz sculptural style became
fully developed with the addition of ball court architecture and the palma.
There is an eclecticism apparent in newly derived styles at such centers as
Xochicalco and Cotzumalhuapa, and cross-cultural connections back and forth
between the northern and southern sectors of the peripheral coastal lowlands.
During this phase at Cotzumalhuapa, narrative reliefs emphasize ball game
rituals and human sacrifice; tenoned stone heads appear in greatest number;
architectural ball courts become conspicuous adjuncts to ceremonial centers; and
ball game paraphernalia are widely distributed (Parsons 1969: 166; 1973: 12).
Parsons’ stress on the reverse flow of influence from south to north in this
phase, essentially an updating of Jimenez-Moreno’s conception of the returning
Pipiles, is an important aspect of his theory. In this view, Cotzumalhuapa nar-
rative relief is believed to inspire Tajin sculpture and Veracruz palma decora-
tion. Themes of human sacrifice, death, trophy heads, ball game, diving gods,
eagle and jaguar complex, vulture receiving sacrificial offerings, tree of life
emanating from death figures, and consulting figures are common to both Cot-
zumalhuapa and Veracruz, and to places in between, such as Tonala, Chiapas,
and Cerro de las Mesas (Parsons 1973: 12—13). This identity of themes is the
result of both a common derivation in Izapan art and a direct south-north dif-
fusion pattern beginning with a commercial impetus at Teotihuacan, proceed-
ing to the Gulf Coast area, continuing to the Pacific slope and related high-
lands, and finally returning to the Gulf Coast via southern Chiapas. The main
stimulus of the ball game cult is located at Teotihuacan.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
239
Reassessment
The traditional connection between Pipil migrations and Cotzumalhuapa
art, advanced by Jimenez-Moreno, Thompson, Borhegyi, and with certain
changes, Parsons, seems unwarranted. Arguments for the presence of Nahuat-
speaking groups on the Pacific slope in the Classic period seem circumstantial
at best, since they are primarily based on diffuse linguistic evidence of an unde-
termined date and on unclear documentary sources. According to Carmack, a
leading authority on Guatemalan documentary sources, “It now seems likely
that most remains from the region around Cotzumalhuapa are from the pre-
classic and classic cultural phases, and should not be associated with the Pipil
people of the documentary sources” (1973: 249). The “Titulo Pipil” contained
an account of Mexican incursion into Guatemala during the time of the Aztec
ruler, Ahuizotl (Carmack 1973; 74).
Behind the arguments for Pipil affiliation with Cotzumalhuapa lies a per-
petuation of a long-standing bias in favor of a highland Mexican origin of
Mesoamerican civilization. There seems no real reason to make Teotihuacan a
prime mover in Middle Classic trading networks. The Cotzumalhuapa area ap-
pears to be one of the first important cacao producing areas to be exploited in
Mesoamerica (Sanders and Price 1968: 168), and remained a primary cacao
producing area until the Conquest. It is possible that merchant trading net-
works could have arisen in the peripheral coastal lowlands quite independently
of an imperial presence. Thompson has argued for a similar circumstance among
the Chontal Maya, whom he considers to have been a specialized Classic period
mercantile culture, a group of merchant seamen and traders originating in the
Gulf Coast area and operating as middlemen within a farflung trading net-
work (1970).
Parsons’ argument on behalf of a strong Teotihuacan influence on Cotzumal-
huapa art in the early phase of the Middle Classic does not bear close scrutiny.
There is a radical divergence between these two traditions in both stylistic and
iconographic terms.
Cotzumalhuapa relief art is human-centered and realistic. Typical figures
are youthful, athletic in build, and dignified in bearing. They are generally re-
cognized as ball players by their callused knees, wide belts, and animated post-
ures; many also wear protective kilts, long hair queues, gloves, sandals and gar-
ters. There are very few grotesque or demonic forms on the reliefs, and even
supernaturals are represented in human guise, so that it is difficult to distinguish
them from men (Fig. 1).
16 Baessler-Archiv XXX
240
Braun, Teotihuacan and Cotzumalhuapa
A story-telling or anecdotal impulse characterizes the reliefs; they are prima-
rily concerned with the expression of narrative action. Figures are shown dy-
namically acting and interacting in a dramatic sequence of events. Certain ma-
jor themes and motifs recur with frequency in the narrative flow. These include
hall game rituals, which appear to encompass scenes of confrontation between
two gesticulating figures, sacrifice and death, as well as trophy heads, vegeta-
tion, jaguars and eagles, serpents, phallic figures, diving deities, and elemental
forces, such as wind and fire.
Cotzumalhuapa two-dimensional art is typically carved in low-relief tech-
nique, rendered with subtle gradations of plane and volume, and punctuated
with high-relief elements, such as the heads of diving deities on Bilbao Mons.
2—8, and textural incision. There are also several monuments that are exe-
cuted entirely in incision technique, for example, Bilbao Mon. 38. Contours of
forms are generally angular with rounded edges, severe and simple, and dis-
tributed rather openly on the field. Figures, with large heads and long well-pro-
portioned bodies, usually loom large in relation to the ground, and sometimes
spill over into the borders. They are usually arranged in simple compositions of
one, two or three figures, with space fillers in the form of vines or smoke, but
never scrolls, occasionally inserted between them.
The spare, direct, and expressive character of Cotzumalhuapa forms has
probably fostered the erroneous notion of a highland Mexican derivation of the
style, propounded by Waterman (1924), Thompson (1941; 1948), Parsons (1967;
1969), and others. Fiowever, it is unnecessary to postulate the intervention of
Teotihuacan in the fifth and sixth centuries to account for the flatness, spare-
ness, directness, and severity of Cotzumalhuapa relief art. To be sure, Teoti-
huacan art is overwhelmingly two-dimensional in format, but the prevailing
artistic canon at Teotihuacan is basically at odds with Cotzumalhuapa art; it is
characteristically hieratic rather than narrative, emblematic rather than realis-
tic, static rather than dynamic, repetitive and patterned rather than varied and
individualized, and fundamentally non-human in its orientation. Moreover, the
forms are squat rather than tall, geometric rather than organic, slack rather than
tense, and their disposition on the surface is at great variance with Cotzumal-
huapa style. Where resemblances do occur, as in frescoes at Tepantitla, they
seem to be the result of southern, perhaps Izapan, influence on Teotihuacan,
rather than the other way around (see Pasztory 1974).
Most of the isolated traits attributed by Parsons to Teotihuacan influence, in-
cluding eye scrolls, neck and wrist ruffs, tenoned heads, jaguars in procession,
blocky shapes, warriors with shields, tabbed speech scrolls, etc., can be located
in earlier Mesoamerican as well as Northern Andean (Braun 1979) styles. Cer-
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
241
tain forms, such as tenoned heads and pedestal sculptures, are far more charac-
teristic of southern Guatemala than Teotihuacan, where they are not normative
aspects of the style. Cotzumalhuapa supernaturals with familiar attributes have
been given Nahuat names in the literature because they resemble well-known
Aztec representations, but that does not mean that they necessarily originated
in Nahuat cultural contexts. The ball game is at the heart of the Cotzumal-
huapa style; it is impossible to consider one without the other. At Bilbao, it
was a major cult involving site planning, construction of architecture, erection
of monumental sculpture, and carving of stone paraphernalia, including ball
courts, carved stelae, tenoned heads, alley and pedestal markers, as well as yokes,
hachas, and handstones. There is no ball game cult at Teotihuacan. Isolated
examples of the presence of the game at the site, such as the La Ventilla stela or
the Tepantitla murals, are likely to be reflections of outside currents. Other
central themes of Cotzumalhuapa art, including trophy heads, death, and sacri-
fice, are almost entirely absent from Teotihuacan. Since these preoccupations
dominate Cotzumalhuapa art, it is difficult to see how Teotihuacan can be con-
sidered a major source of the style.
Oaxaca and Cotzumalhuapa
The narrative format and many of the themes and motifs characteristic of
Cotzumalhuapa art first appear in Mesoamerica at “colonial” Olmec sites, such
as Chalcatzingo and Oxtotitlan, in the Middle Pre-Classic period. While repre-
senting many Olmec heartland concepts, the reliefs and paintings at these sites
depict many radical new elements predicated on a new way of seeing the
world. These new elements embody a perceptual approach to reality, entailing
a careful observation of material phenomena and a realistic portrayal of figures
in a flat format. For the first time, figures are shown moving together in the
same space; they are reclining, enthroned, dancing, leaping, gesturing, devour-
ing, flying, and fighting. Naturalistic vegetation, elements, such as rain and
clouds, the serpent, and phallic imagery are also represented (Fig. 2).
This tradition was carried on and advanced at Dainzu, Monte Alban I and
II, and Izapa in the Late Pre-Classic period. I consider the Dainzu and Monte
Alban I and II styles, dating ca. 300—100 B.C., a significant source of Cotzu-
malhuapa relief sculpture. The ball game cult appears to have flourished at an
early time in the Oaxaca valley at Dainzu, and then at Monte Alban in late
period II, where the earliest known masonry ball court was erected. Striking
similarities between the monumental narrative representations of ball players
in action at Dainzu and Cotzumalhuapa suggest a relationship between these
two cultures.
16*
242
Braun, Teotihuacan and Cotzumalhuapa
Monumental relief carvings on large stone slabs decorate the lower platform
of the Pyramid of the Danzantes, dated to Monte Alban I. The carved figures
have rubbery postures and loose hand gestures, and may be swimming, dancing,
reclining in a trance, or—most likely—dead. There is also an emphasis on geni-
talia, which are decorated with scroll forms signifying blood or possibly plants.
A few slabs picture trophy heads with blood streaming from necks (Scott 1971:
152—3, 225). Numerical glyphs appear on some slabs, and certain figures have
speech scrolls issuing from their mouths. Individual figures are large in relation
to the ground, and their heads are big in proportion to their bodies.
Monte Alban II danzantes decorate Mound J and other buildings, and have
slightly different characteristics, associated with Dainzu and Izapan style carv-
ings. The latest phase of period II is the Incised style, in which special new
features of figures include jointed thumbs and big toes with nails, ear holes (in-
dicating absent earplugs), and tibia bones of the ankle. Some of these figures
also have dualistic faces tattooed only on one side, as well as different facial
types with oval eyes, long noses, open mouths, and teeth. New kinds of glyphs,
including house and plant symbols, are associated with the Incised style. There
is also at least one explicit representation of death in the form of a skeletal
head (Scott 1971: 130—7; PI. 90 [N—14]).
Approximately at the same time level as the Monte Alban II danzantes and
stylistically and thematically related to them are the reliefs at Dainzu. As at
Monte Alban I, rows of slabs were set up on the facade of a mound at Dainzu,
as well as at nearby Tlacochahuaya and Macuilxochitl (Bernal 1973: 13). They
are carved in piano relief and incision techniques, with active figures, trophy
and death heads, speech scrolls, and non-numerical glyphs. Entirely new is the
ball game theme presented in monumental form for the first time in Mesoame-
rica. Masked and helmeted ball players, holding balls and moving dynamically
—half-kneeling, tumbling, running—appear to be engaged in the game (Fig. 3).
Other figures are seated cross legged and hold sacrificial knives on which human
heads and hearts are impaled (Fig. 4). The breath of life seems to linger in some
of these offerings, and smoke from burning incense to accompany them. Com-
positions are simple and consist of one or two large figures which occupy a good
portion of the relief surface. Figures are elaborately costumed, wearing belts,
kilts, gloves, knee guards, masks, catcherlike helmets, or turbanlike headdresses
with frontal crests; and round disk earplugs with either holes or stoppers at
their centers (Bernal 1973: Figs. 5 and 7). At least one figure is adorned with
a trophy head and three pendant plaques. Some figures encased in jaguar skins
appear to be anthropomorphic jaguars, while others wear bird headdresses
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
243
(Bernal 1973: Figs. 10 and 11). Knots and bows are worn about necks. Facial
features include almond-shaped eyes, question-mark shaped ears, and crease
lines from nose to mouth.
The period between the end of the Olmec hegemony and the onset of the
Classic period has generally been regarded as one of artistic decline and deca-
dence. The new sculptural emphases on flat carving techniques and loose, im-
precise forms have been taken as signs of a low cultural level and a debasement
of high Olmec standards of craftsmanship (Scott 1971). Viewed from a dif-
ferent perspective, it seems equally possible that what appears to be an epigonal
manifestation may in fact represent a deliberately new approach embracing dif-
ferent values, based in changed social and economic conditions. While certain
continuities with “colonial” Olmec reliefs are apparent at Monte Alban I and
II and Dainzu, new elements have been introduced. Both the emphasis on mov-
ing figures and explicit male sex have been carried over from Chalcatzingo and
Oxtotitlan to the Oaxaca Valley. But now the thematic repertory has been ex-
tended to include the representation of death, in terms of sacrificed victims,
decapitated trophy heads, extracted hearts, and even skeletal imagery. Also,
more careful attention is now paid to costume and physical traits, such as joint-
ed thumbs and nails. In addition, human speech, in the form of speech scrolls,
the breath of life, and blood have been added to the vocabulary of elements.
Important new symbolic forms have also emerged, including linguistic and
calendric glyphs, and a conflict in the guise of a ceremonial ball game. Also
new is the use of stela-like slabs with individual or paired figures carved on
them, as well as a mixture of carving techniques (piano relief and incision), and
a looser, less precise execution of forms.
Many of these new traits appear directly related to the relief monuments of
Middle Classic period Cotzumalhuapa. Late Pre-Classic Oaxaca valley repre-
sentations of sacrifice, in the form of trophy head taking, as well as heart ex-
traction, and death, in the form of skeletal heads, are a likely precedent for
closely similar depictions at Cotzumalhuapa, although such imagery was more
fully developed at Izapa (see below). Representations of speech scrolls as signs of
human speech and vitality appear frequently at Cotzumalhuapa, as on Bilbao
Mons. 1 and 4 (Parsons 1969: Pis. 34a and 33 c), where scrolls issue from
figures’ mouths and also from decapitated heads and dismembered torsos (Fig. 5).
Physical traits such a jointed thumbs, tibia bones, nails, ear holes, teeth, and
dualistic faces introduced on Monte Alban II danzantes are specific characteris-
tics of the Cotzumalhuapa style. The presence of a similar type of glyphic and
calendric system, similarly positioned, in relief compositions at Cotzumalhuapa
and Oaxaca is also of Interest in this regard.
244
Braun, Teotihuacan and Cotzumalhuapa
Above all, the ball game at Dainzu appears to be directly linked with Cotzu-
malhuapa, both in general and specific terms. In both places representations of
one or two ball players in dynamic postures are carved on boulders and stela-
like slabs. In both areas ball players wear similar headdresses, helmets, masks,
broad belts, gloves, and garters. In both, figures dressed as anthropomorphic
jaguars appear to be associated with the game as patrons and other figures are
enthroned in similar fashion (cf. Dainzu 58 and Bilbao Mon. 21). In both,
sacrifice is associated directly with the game and players present decapitated
heads and extracted hearts as offerings (cf. Parsons 1969: Pi. 34a; Bernal 1973:
Figs. 10 and 11). In addition, many physical and ornamental details are shared
by figures in both styles, including facial structure, almond-shaped eyes, question-
mark shaped ears, crease lines from nose to mouth, types of ear ornaments,
multiple bows and knots, neck ruffs, and pendant ornaments consisting of
trophy heads and three dangling plaques (cf. Bernal 1973: Fig. 11; Parsons
1969: PI. 39a). Bernal (1968: 251) noted the similarity between the balls held in
the hands of the players on Dainzu reliefs and on El Baul Mon. 27, which has
been attributed to an early phase of the Cotzumalhuapa style (Fig. 6). More-
over, entire scenes are comparable; both El Baul Mon. 27 and Cerro Dainzu 5
(Parsons 1969: Pi. 52d; Bernal 1973: Fig. 7) show a victorious helmeted and
gloved ball player with a ball attacking a falling opponent. The animal helmet,
gloves and belt fastened with knots, knee garter, and scarflike streamer worn by
the El Baul player can also be found on many Dainzu figures. In addition, the
descending celestial deity on the upper left on Mon. 27 and the crossed-arm
figures at the bottom of the stela recall similar motifs on Dainzu and other
Oaxaca valley slabs.
Izapa and Cotzumalhuapa
The reliefs at the site of Izapa, which are datable to the first and second
centuries B. C. and contemporary with Monte Alban II and Dainzu (Scott
1971: 152—3), present a more systematic application of the perceptual concerns
and narrative themes first established in Middle Pre-Classic period reliefs.
Where the abovenoted scenes were limited to a few interacting figures, at Izapa
the subject matter seems to explode into highly complex scenes charged with
drama, crowded with characters performing a variety of actions and inter-
actions, and set in a landscape. Familiar themes and motifs are more highly
developed; flying figures become full-fledged diving figures; death figures are
now complete skeletons; phallic motifs are associated with skeletons and re-
presented separately; vegetation now takes the form of fruit-laden trees, and
also grows from serpents and decapitated heads; the serpent dragon is given
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
245
full-bodied form, and also represented in complex synecdotal ways (as serpent
maws, doubleheaded serpents and entwined, undulating serpents, which often
enclose or frame entire scenes); and scrolls now clearly signify liquid and fluid
natural elements, such as rain, water, blood, and smoke. Previously represented
in isolated and fragmentary terms, these themes and motifs have now been put
together and elaborated in complex compositions suggesting a subject matter of
myth or legendary history (Fig. 7).
But there are noteworthy distinctions between Izapan and previously cited
narrative scenes. Whereas Izapa Stela 21, for example (Fig. 8), represents a
decapitation suggestive of ball game ritual sacrifices, it does not appear to be
associated with the ball game, since no other ball game traits are found on
Izapan reliefs. Instead, the many conflicts between humanoid and serpentine
figures enacted on Izapan stelae, for example, Stela 3 and Kaminaljuyu Stela 19,
suggest different kinds of symbolic battles. In addition, anthropomorphic
jaguars occur at Dainzu and Monte Alban I and II, but do not appear in the
same form at Izapa, where anthropomorphic birds are stressed instead. There
are also no speech scrolls in evidence at Izapa, despite the many representations
of apparently conversing figures and profuse numbers of scroll forms, while
these appear with some frequency at Dainzu and Monte Alban. Finally, the
numerous grotesque heads and monster compounds that combine anthropomor-
phic and zoomorphic (serpentine-crocodilian-feline) attributes are uniquely
Izapan. Two separate traditions thus appear to be at work, one in the Oaxaca
valley, and the other at Izapa.
Cotzumalhuapa art shares the narrative framework and many themes and
motifs with Izapa, including diving-flying figures, skeletal figures, phallicism,
trophy head cult, botanical forms, conversing figures, serpent heads and maws,
and scrolls as signifiers of elements. Izapan conventions that appear to have had
a special impact on Cotzumalhuapa art include: forms of serpent representation,
such as diagonal bands, bifurcated tongues, crossed bands, trefoil leaves, and
an open crocodilian jaw, rendered both naturalistically and as a framing device;
the skyward orientation stressing diving-flying winged figures; skeletal figures;
and conversing figures. On the other hand, Izapan scenes of combat between
men and monsters, scenes with multiple figures and elaborate landscape settings,
and grotesque and compound figures do not have a place in Cotzumalhuapa art.
The style of Cotzumalhuapa art differs in many essentials from that of Izapa.
Cotzumalhuapa compositions are consistently less complex, with far fewer
figures and less indication of setting, and resemble only those Izapan represen-
246
Braun, Teotihuacan and Cotzumalhuapa
rations with relatively simple forms and large figures viewed close up. Certain
postures appear to be borrowed from Izapa, such as profile figures with frontal
chest and raised arm (cf. Izapa Stelae 3, 4, 10, 21 and Bilbao Mons. 1—7) and
frontal figures with displayed arms and feet (cf. Izapa Stelae 11 and 67 and
Bilbao Mons. 21 and 26), but figures are quieter, less exuberant, in their actions
and gestures than at Izapa. Cotzumalhuapa figures are also more robust and
athletic in build, with different proportions, bigger heads, and taller bodies.
As a rule, Cotzumalhuapa reliefs have a sense of austerity, sobriety, and spare-
ness; compositions are uncrowded, forms rarely overlap, they are more angular
than curvilinear, each has an individual clarity, and non-essential elements have
been eliminated. Scrolls are not used as filler, although vines sometimes function
in this way. As at Izapa, space is often divided into registers, but these are less
formally defined into distinctive zones at Cotzumalhuapa. Early Middle Classic
Cotzumalhuapa reliefs are framed all around like some Izapan scenes, and there
is frequent extension of forms into border areas in both styles. The range and
refinement of carving techniques is greater in the Cotzumalhuapa style, which
moves from high relief to incision with subtle gradations of volume and texture
in between, while most Izapan stelae are conceived in terms of silhouette.
Whereas stelae at Izapa are usually accompanied by altars, this is rarely the
case at Cotzumalhuapa.
Conclusions
Cotzumalhuapa relief art is thus indebted to a complicated blend of sources,
including “colonial” Olmec, Dainzu, Monte Alban I and II, and Izapan art
styles. It resembles Dainzu reliefs more closely than any others, in terms of
overall configuration—composition, figural proportion, facial features, a certain
angularity of line, etc.—content—the ball game, head and heart sacrifice—and
particular details, such as glyphs and speech scrolls. From Chalcatzingo, Oxto-
titlan, and Izapa come the descriptive format, encompassing dynamic figural
scenes, botanical, elemental, sexual, and skeletal representations; zonal com-
positions which seem to accompany a new skyward orientation involving diving
and flying figures; and innumerable variations on serpent head and maw motifs.
Representations of conflict, trophy heads, sacrifice, death, and sexual organs are
also common to Oaxaca styles. The emphasis on the serpent-cayman is attri-
butable to Izapa, but the grotesques and monsters of Izapan art do not appear
in Cotzumalhuapa reliefs, except on rare occasions in the form of subsidiary
figures, e. g., on Bilbao Mon. 42. They have been superseded by realistic heroes
and'gods in human form. Moreover, the exuberant Izapan crowd scenes, ela-
borate spacefilling, and ubiquitous scroll forms have no place Cotzumalhuapa.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
247
Finally, there is little evidence of Teotihuacan influence on Cotzumalhuapa
reliefs. The two traditions are stylistically and iconographically divergent.
Convergent motifs found at both sites, such as neck ruffs, heart sacrifice, anthro-
pomorphic jaguars, rear belt ornaments, speech scrolls, and deities such as Xipe
Totec, probably reflect a derivation from common sources in Late Pre-Classic
Oaxaca, rather than direct influence from Teotihuacan to Cotzumalhuapa in
the Middle Classic period. Thus, the traditional identification of the sources of
the Cotzumalhuapa style with the Valley of Mexico appears to be a distortion
of Mesoamerican culture history.
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Braun, Teotihuacan and Cotzumalhuapa
Fig. 2. a. Chalcatzingo Pe-
troglyph 4; b. Chalcatzin-
go Petroglyph 5. After Jo-
ralemon 1971, Figs. 261,
251
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
Fig. 4. a. Dainzu Relief 38; b. Dainzu Relief 40. After Bemal 1973, Figs. 10, 11.
Fig. 3. a. Dainzu Relief 7; b. Dainzu Relief 5. After Bemal 1973, Figs. 5, 7.
Fig. 5. El Baul Monument 4, detail. Photograph by
the author.
Fig. 6. El Baul Monument 27. Photograph courtesy
Joya Flairs.
I
252 Braun, Teotihuacan and Cotzumalhuapa
Fig. 8. Izapa Stela 21. Drawing after Garth Norman
1976, Fig. 3.20.
K>
Ln
Ln)
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
255
KRIEGSBERICHTE DER KLASSISCHEN MAYA
BERTHOLD RIESE, Berlin
Einführung
Über das Kriegswesen der klassischen Maya liegen reichhaltige bildliche und
hieroglyphische Hinweise vor. Seit Tatiana Proskouriakoff mit ihren Studien
über den historischen Bezug der Monumente von Piedras Negras (1960) und
Yaxchilan (1963 und 1964) auch die Kriegsthematik angesprochen hat, hat sich
unser Wissen hierüber beträchtlich erweitert. Eine systematische und kritische
Sichtung epigraphischer oder ikonographischer Kriegsberichte steht jedoch
noch aus. In diesem Beitrag soll das für die Epigraphie geschehen.
Meine Ideen und Thesen versuche ich so knapp wie möglich vorzutragen
und zu begründen. Widerlegungsversuche führe ich ebenso sparsam durch, in-
dem ich nur die mir am besten begründet erscheinenden Alternativen disku-
tiere. Oft habe ich jedoch nicht einmal das im Einzelnen durchgeführt, so daß
in diesen Fällen meine Argumentation noch plädoyerhaft ist und dort die
Kritik meiner Ergebnisbehauptungen ansetzen sollte. Ausführlich hingegen
bin ich in der bildlichen und tabellarischen Dokumentation verfahren in der
Hoffnung, daß dadurch Rezeption und Diskussion erleichtert werden. Hier
sind mir Herausgeber und Redaktion des Baessler Archivs großzügig ent-
gegengekommen, wofür ich ihnen danke.
Für die Transkription der Hieroglyphen benutze ich das Zimmermann-
Thompson-System in der Fassung von Thompson (1962) mit kleinen Abwei-
chungen dort, wo ich Zimmermanns (1956) ursprünglichen Vorschlägen folge;
so vor allem bei der Kennzeichnung der Infigierung durch einen hochgestellten
Kreis vor dem inflgierten Element (z. B. 756°528) und der Kennzeichnung der
relativen Lage von Einzelhieroglyphen innerhalb eines Blocks durch abgren-
zende Schrägstriche für die oben/unten-Relation und Bindestriche für die
links-rechts-Relation. Eine Neuerung meinerseits ist die Verwendung des Plus-
zeichens ( + ) zur Verbindung von hieroglyphischen Elementen in den Fällen,
wo es meines Erachtens unerheblich ist, ob die so verbundenen Elemente
einander vertikal oder horizontal zugeordnet sind.
Um zwischen verschiedenen sprachlichen Ebenen zu unterscheiden, verwende
ich einfache Anführungszeichen (, . . . ‘), wenn die Bedeutung des Wortes ge-
17 Baessler-Archiv XXX
256
Riese, Kriegsberichte der klassischen Maya
meint ist und doppelte Anführungszeichen („ . . . “), wenn der Lautwert eines
Maya-Wortes gemeint ist und entsprechende Kennzeichnung für die Über-
setzung solcher Maya-Wörter. Da die Schreibung der Maya-Sprachen nicht
standardisiert ist, bemühe ich mich in wichtigen Fällen, eine phonologisch ver-
tretbare Standardisierung durchzuführen und kennzeichne das, dem Brauch
der Linguisten folgend, durch Einschluß in Schrägstriche (/ . . . /). Lesungen
gebe ich möglichst in den Tieflandsprachen der Chol-Gruppe (Chontal, Chol,
Chorti) oder dem Yukatekischen. Diese Sprachen stehen mit hoher Wahr-
scheinlichkeit den Hieroglyphen am nächsten, wobei die klassischen Inschrif-
ten, um die es hier in der Hauptsache geht, vermutlich in einer Vorform des
Chol geschrieben sind, und die Handschriften vermutlich in yukatekischem
Maya mit starken Relikten von Chol-Eigentümlichkeiten. Ist keines der be-
sprochenen Merkmale zur Kennzeichnung der Transkription, Lesung oder
Sprachzuordnung beigegeben, so handelt es sich um konventionelle, also will-
kürliche Bezeichnungen oder um Klassennamen, aus denen Variablen auszu-
wählen sind, wie z. B. bei der Angabe Zahl, womit gemeint ist, daß eine
konkrete Zahl hier als Variable eintreten kann.
Seit ich 1974 bei meinen Studien der Inschriften von El Tortuguero auf die
Kriegsthematik stieß, habe ich dazu viele persönliche und briefliche Anregun-
gen erhalten. Zuerst waren es 1978 Claude F. Baudez und Peter Mathews,
deren Einsichten in die bildliche und hieroglyphische Darstellung von Ge-
fangenen auf Monumenten in Toninä und Palenque mich durch Konvergenz
der Ergebnisse in der inhaltlichen Ausrichtung meiner eigenen Studien be-
stärkten. Ihre Anregungen und Ideen kommen hier vor allem in Kapitel VII
zum Tragen. 1981 entwickelte ich dann einen Forschungsplan und trug ihn auf
der Tagung der Deutschen Gesellschaft für Völkerkunde in Münster vor und
habe anschließend kontinuierlich an der Ausarbeitung meiner Entwürfe ge-
arbeitet. Die nächsten Anregungen kamen jedoch nicht als Resultat meines
Münsteraner Vortrages, sondern durch Korrespondenz mit Stephen Houston
zustande, der unabhängig dieselbe Thematik bearbeitet. Seit 1982 stehe ich
mit ihm in brieflichem Kontakt und habe wesentliche Anregungen von ihm in
die Kapitel I und VI aufgenommen. Meiner Frau, Frauke J. Riese, und den
Hamburger Kollegen Maria Gaida und Nikolai Grube danke ich für die Ge-
samtdurchsicht des Manuskriptes und viele Hinweise zu formalen, inhaltlichen
und denkerischen Mängeln, um deren Ausmerzung ich mich bemüht habe.
Berthold Riese
Berlin-Lichterfelde
im Juni 1983
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
257
7 Zwei Hieroglyphen für gefangener11
1.1 Ausgangstage
Das Ergreifen von Gegnern, gebunden vorgeführte oder mit den Füßen ge-
trampelte Gefangene und ähnliche kriegerische Darstellungen sind häufige
Motive der klassischen Maya-Kunst aus dem zentralen Tiefland. Von solchen
Darstellungen ausgehend interpretierte Tatiana Proskouriakoff (1963 & 1964)
zwei bei ihnen häufig vorkommende Hieroglyphen als ,Gefangennahme1
(„capture“) und ,Gefangener' („captive“) (Tafelabbildungen 30: A3 und El
und 32: Gl und C3).
Die Interpretation der ,Gefangennahme'-Hieroglyphe wird in Kapitel III
diskutiert. Hier nur soviel, daß sie sprachlich als „chucah“, ,er wurde ergriffen'
entziffert ist und sich diese Entzifferung allgemein durchgesetzt hat. Die Hiero-
glyphe T 1 + 501 + 102, also die, die nach Proskouriakoff ,Gefangener' be-
deutet, wurde hingegen von der Forschung nicht einheitlich interpretiert und
entziffert. Konkurrierende Interpretationen und isolierte sprachliche Lesungen
ihrer Einzelbestandteile stehen unverbunden und unkritisiert im Raum. Hier ist
der Ansatzpunkt meiner Untersuchung, wobei ich mich auf die produktiven,
mündlich oder schriftlich bekanntgemachten Vorschläge beschränke.
1.2 Drei Interpretationen
Die ,Gefangenen'-Hieroglyphe T 1 + 501 + 102 wird von David H. Kelley
(1976: 185) „batab“ (</ba/ + /tab/) gelesen und semantisch als Titel von
Herrschern bestimmt. Kelley bedient sich in seiner Diskussion allerdings einer
von Thompson (1962) abweichenden Transkription. Er transkribiert T 1+335
+ 102 im Gegensatz zu Thompson, der T 1+307 + 102 transkribiert. Meinem
Eindruck nach betreibt Kelley eine Überdifferenzierung. Die ähnlichen Formen
T 501, T 556 und T 558 sind als Allographe aufzufassen. Ich standardisiere
daher im Folgenden auf die Form T 501.
1980 hat David Stuart in einem persönlichen Gespräch mir gegenüber vor-
geschlagen, die ,Gefangenen‘-Hieroglyphe als Agens beim Passiv zu interpre-
tieren. Wenn ich diese skizzenhafte Hypothese ausfolgere, bedeutet das, daß
die Hieroglyphe die dritte Person Singularis des Personalpronomens repräsen-
tiert, wenn man annimmt, daß die betreffenden Texte historische Erzählungen
sind, in denen kaum direkte Rede und Gegenrede, also andere Personen als
die dritte Singularis, Vorkommen dürften. Diese Klassifizierung ist von Linda
Scheie und Peter Mathews mit der Lesung „mal“ und der auch von Stuart
17*
258
Riese, Kriegsberichte der klassischen Maya
gegebenen Bedeutung ,by‘ (Agens beim Passiv) in ihre Unterrichtsmaterialien
und neuesten Veröffentlichungen übernommen worden.1
Die drei Vorschläge sind für einen in zwei Versionen aus Yaxchilän über-
lieferten Text (Lintel 8 und 41) in Textabbildung 1 (s. auch Tafelabbildungen
30 und 32) zusammengestellt.
0013 r:/ RS
Kelley Datum wurde gefangen genommen Juwelen Schädel (durch) den Batab Vogel Jaguar König in Yaxchilán
Prnsk. Gefangener des
Stuart u. a. durch
Abb. 1. Yaxchilán, Lintel 8, Textauszug
Wie man der Textabbildung 1 entnehmen kann, fügen sich alle drei Vor-
schläge zwanglos in die Syntax des Textes ein und sind daher plausibel. Sie
unterscheiden sich grammatikalisch dadurch voneinander, daß Kelleys Vor-
schlag die strittige Hieroglyphe zu einem Nomen als Attribut des Objektes
macht, und Stuart sie zu einer syntaktischen Partikel, die Objekt und Subjekt
verknüpft. Alle drei Vorschläge sind außerdem hier und auch sonst gelegentlich
in semantischer Übereinstimmung mit der begleitenden bildlichen Darstellung
(z. B. Tafelabbildungen 30 und 32). Diese Übereinstimmung ist jedoch kein
beweisendes Argument, da thematischer Gleichklang zwischen Bild und Text
nicht notwendig vorzuliegen braucht.2
1.3 Prüfung der drei Interpretationen
Eine Entscheidung zwischen den drei Vorschlägen ist von der systematischen
Auswertung der von den Autoren gegebenen Interpretationen und/oder sprach-
lichen Lesungen sowie der Untersuchung weiterer Kontexte syntagmatischer
1 William L. Fash hat mir freundlicherweise im Frühjahr 1982 Einblick in die Unter-
richtsmaterialien von Peter Mathews gewährt und Karl Herbert Mayer hat mir im
Januar 1983 das 1982er Notebook von Linda Scheies Hieroglyphen-Seminar zugäng-
lich gemacht. Siehe auch Scheie 1982; passim.
2 Diesen kritischen Hinweis danke ich Nikolai Grube.
259
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
und paradigmatischer Art zu erhoffen.3 Eine entsprechende Prüfung der
Interpretationen schließt sich nun an.
1.3.1 Syntaktisch-semantische Prüfung
In derselben syntaktischen Position wie die ,Gefangenen‘-Hieroglyphe T 1 +
501 + 102 auf Eintel 8 und 41 aus Yaxchilan findet sich die Hieroglyphe T 1 +
570+102 im Hauptbeitext der Grolier-Vase 26 (Tafelabbildung 7 und Coe
1973 sub nummero). Da in beiden nicht nur die syntaktische Stellung überein-
stimmt, sondern auch die Affigierung mit T 1 und T 102 gleich ist, kann sprach-
liche und damit auch semantische Äquivalenz der Hauptzeichen T 501 und
T 570 vorliegen. Diese Möglichkeit soll als Hypothese weiterverfolgt werden,
T 570, ein Allograph ist in Thompsons Katalog als Affix Till klassifiziert,
ist wahrscheinlich das Ikonogramm4 eines Knochens, wie schon Barthel (1968)
vorschlug. Diese Vermutung beruht im Wesentlichen auf der Äquivalenz von
T 570 mit einem bildlich dargestellten Totenschädel (T 1040, 1046 und andere
Allographe) in der Emblemhieroglyphe von Palenque (Berlin 1958). In Text-
abbildung 2 ist die Struktur der Hieroglyphe dargestellt.
1.3.2 Sprachliche Prüfung
In allen Maya-Sprachen ist das Wort für ,Knochen' /bäk/. Zeichen T 501,
das nach meiner Hypothese dem Zeichen T 570 äquivalent ist, wird aufgrund
einer Vielzahl unabhängiger Kontexte als /ba/ gelesen, zum Beispiel in T 1.526/
501 ,sein Honig' „ucab“ i> u + cab-pha und in T 679.501:669 ,Gürteltier'
„ibach“ > i + Z^ + cha. Diese unabhängig voneinander gewonnenen Lesungen
für beide Zeichen konvergieren mit /bäk/ und /ba/ sprachlich also recht gut.
Hinzu kommt bei beiden Zeichen das Suffix T 102. Es wurde von John G.
Fought (1965) mit guten kontextuellen und sprachlichen Gründen als /al/ ent-
ziffert John Justeson und James Fox haben es demgegenüber auf einer Tagung
1979 als /k(i)/ begründet und partiell gegenüber Foughts Vorschlag überprüft.
Das Präfix beider Hieroglyphen, T 1, beziehungsweise seine in Textabb. 2 und 3
nicht wiedergegebenen Allographe (T 204 u. a.), ist mit Sicherheit aufgrund
von Landas (1959) Überlieferung (Tafelabbildung 8: „u“) und vieler Kontexte
3 „Paradigmatisch“ wird hier gleichbedeutend mit „äquivalent“ bei Riese (1971) und
„Substitution“ bei nordamerikanischen Forschern, vor allem denen der Yale-Schule
um Floyd Lounsbury verwendet.
4 Ikonogramm = def in die Schrift übernommenes Abbild.
260
Riese, Kriegsberichte der klassischen Maya
als /u/ zu lesen. Wir haben dann für jede der beiden äquivalenten Hierogly-
phen zwei Lesungsmöglichkeiten (s. Textabbildung 2).
Hieroglyphe Lesung der Konstituenten Lesung im morphologischen Verbund
T 1 + 501 + 102 /u-ba-al/ /u-ba-k(i)/ (a) /uba(k)al/ (b) /ubak/
T 1 + 570 + 102 / u-bäk-al/ /u-bäk-k(I)/ (c) /ubäkal/ (d) /ubak/
Abb. 2. Lesungsalternativen der Hieroglyphe für ,Gefangener'
Lesungsmöglichkeit (a) ist wenig befriedigend. In ihr gibt die Hieroglyphe
T 1+501 + 102 das Wort /ubäkal/ nur defektiv wieder, denn es fehlt die hiero-
glyphische Repräsentation des Phonems /k/. Ein weiteres Argument spricht
gegen diese Alternative: Affix T 102 ist für Hauptzeichen T 501 obligatorisch,
für Hauptzeichen T 570 aber nur fakultativ. Diese Distribution des Affixes
T 102 wird am einfachsten dadurch erklärt, daß man es bei Hauptzeichen T 570
als sprachlich redundant ansieht, weswegen es dort hieroglyphisch fakultativ
ist, und bei Hauptzeichen T 501 als sprachlich nicht redundant, weswegen es
dort hieroglyphisch obligatorisch ist. Sprachlich redundant kann ein Affix aber
nur sein, wenn es ein Phonem oder eine Phonemfolge repräsentiert, die in
einem der Hauptzeichen schon enthalten ist. Diese Bedingung ist nur bei der
Entzifferung von Affix T 102 als /k(i)/ erfüllt.
Die somit für diesen Kontext als unplausibel nachgewiesene Foughtsche Ent-
zifferung von T 102 als /al/ wird im Folgenden daher nicht mehr berücksich-
tigt. Eine grundsätzliche Evaluierung der Foughtschen Entzifferung im Kon-
trast zur Fox-Justesonschen wäre dennoch angezeigt, da auch andere Forscher
die Foughtsche /aI/-Lesung verwenden und sie In anderen Kontexten als dem
hier zur Debatte stehenden durchaus Vorzüge gegenüber der /ki/-Lesung hat.5
Diese grundsätzliche Evaluierung bedürfte aber einer gesonderten umfäng-
lichen Studie und ist vermutlich In der schriftlichen Fassung des Fox-Justeson-
schen Vortrages enthalten, dessen Veröffentlichung ich nicht vorgreifen will.
5 Scheie (1982) verwendet die /al/-Lesung in ihrem Jüngsten Buch; und wie mir
Stephen Houston brieflich mitteilte, wird sie auch von ihm und Lounsbury weiterhin
bevorzugt. Da ich nirgends eine nach-Foughtsche Diskussion und argumentative Un-
terbauung feststellen kann, handelt es sich wohl um eine Schultradition der Yale-
Schule, die auch wegen der Gefahr dogmatischer Verhärtung dringend diskussions-
bedürftig ist.
261
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
Die sprachlichen Lesungen der Einzelzeichen ergeben im hieroglyphischen
Verbund folgende Gesamtlesungen und daraus abgeleiteten semantischen
Deutungen:
/bäk/ ist eine Nominalwurzel, die in allen Maya-Sprachen die Grundbedeu-
tung ,Knochen“ hat. Im Yukatekischen sind für /bäk/ als vermutlich abgeleitete
Bedeutungen ,Jagdbeute“ und ,Kriegsbeute“ belegt (Cordemex sub „bäk“ und
„chuk“). Ich konnte diese Bedeutungen allerdings in keiner anderen Maya-Sprache
lexikalisch nachweisen, was aber möglicherweise auf der mangelhaften lexika-
lischen Erschließung anderer Sprachen als dem Yukatekischen beruht. Wenn wir
die genannten Bedeutungen zugrundelegen, erhalten wir folgende Deutungen
der zusammengesetzten Hieroglyphen: /u-bäk/ ,der Knochen des“, ,die Jagd-
beute des“ und ,die Kriegsbeute des“, /ah-bäk/ ,der Knochenmann“, ,der Kno-
chenbesitzer“, ,der Jäger“ und ,der Fänger“. /ah-2AHL-bäk/ ,der Besitzer von
ZAHL Knochen“, ,der Herr von ZAHL Jagdbeute“ und ,der Herr von ZAHL
Kriegsgefangenen“. /ZAHL-bäk/ ,ZAHL Knochen“, ,ZAHL Jagdbeute“ und
,ZAHL Kriegsgefangene“.
1.4 Ikartographischer Kontext
Ikonographisch und syntaktisch besonders beweiskräftige Beispiele sind die
beiden Gefangenendarstellungen mit auf den Lendenschurz gravierten Beitexten
aus Yaxchilän (Tafelabbildungen 35 und 36). Bei ihnen ist die erste bzw.
zweite Hieroglyphe jeweils verschieden, die zweite bzw. dritte gleich. Diese
zweite bzw. dritte Hieroglyphe ist unsere /bäk/-Hieroglyphe, während die
vorangehenden Hieroglyphen die Gefangenen namentlich oder durch ihre
Titel identifizieren. Wegen Fehlen eines Komplementes nach /bäk/ kommen
von den hier diskutierten Deutungsmöglichkeiten nur die Titel-Deutung und
die ,Gefangenen“-Deutung in Frage. Die Ikonographie legt schließlich die Deu-
tung als ,Gefangener“ nahe.
Bilddarstellungen, die der Bedeutung ,Jagdbeute“ nahekommen, finden sich
in den Knochenritzungen von Miszellentext 51 aus Grab 116 in Tikal (Tafel-
abbildung 22). Es handelt sich dabei um zwei Ritzungen auf verschiedenen
Knochen, die aber wegen des gemeinsamen Fundzusammenhanges und großer
Ähnlichkeit quellenkritisch als zwei Versionen einer einzigen Text-Bild-Nach-
richt gelten können. Auf ihnen sind eine Bootsbesatzung von zwei Göttern (?)
und ein im Wasser watender oder schwimmender Gott (?) beim Fischen dar-
gestellt. Dies ist die einzige mir bekannte Darstellung von Jagd oder Fischfang,
die mit der /bäk/-Hieroglyphe assoziiert ist. Die Assoziation wird durch die
Bedeutung ,Jagdbeute“ gut erklärt.
262
Riese, Kriegsberichte der klassischen Maya
1.5 Ethnographische Daten
Schließlich gibt es noch einen möglicherweise schwachen ethnographischen
Abglanz früherer weiterer Bedeutungen von /bäk/ auch für nicht-yukatekische
Gruppen. Dieseldorff (1904) veröffentlicht einen Kekchi-Text kolonialzeitlichen
Ursprungs aus der Verapaz in Guatemala, in dem von der symbolischen Über-
sendung von Knochen und/oder Muscheln an unbotmäßige Untertanen durch
den Häuptling die Rede ist, um diese zur Ordnung zu rufen.
1.6 Ergebnis
Die vielfältigen Verzahnungen und unabhängigen Konvergenzen der sprach-
lichen Entzifferungen der Hieroglyphen Tl + 501 + 102 und T 1 +570+ 102 als
/ubäk/ im Kontrast zur kontextuell und syntaktischen Unproduktivität der
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
263
/batab/-Lesung von T 1 + 501 + 102 erlaubt es, die Kelleysche batab-Lesung
und die von ihr abhängige semantische Deutung als Herrschertitel zurückzu-
weisen. Methodisch korrekter wäre allerdings der explizite Nachweis ihrer
Unfruchtbarkeit, den ich mir aus Platzgründen hier erspare.
Die Präfigierung unserer beiden Hieroglyphen mit dem Affix /ah/ und mit
Zahlen (z. B. Aguateca, Stele 1: A10, Tafelabbildung 1) schließen Stuarts,
Scheies und Mathews Interpretation der Hieroglyphe 1+501 + 102 als Agens
beim Passiv aus, da solche Zahlenpräfixe in keiner Maya-Sprache beim Agens
Vorkommen. Infolgedessen ist auch die von ihnen vorgeschlagene Lesung als
/mal/ < /ma + al/ hinfällig.
II , F änged-Hieroglyphen
II.l Äquivalente Zeichen
Der fünfte Tag des zwanzigtägigen Kalenders, dessen Name in Mesoamerika
,Schlange1 bedeutet (Thompson 1950: 75), wird in der Maya-Schrift durch die
Zeichen T 508 und 764 wiedergegeben. T 114 ist die Affixform von T 508 und
daher als Forwäquivalent hinzuzufügen. Als bildliche Äquivalente sind diesen
Zeichen für ,Schlange" T 206, eine Schlange in Gesamtansicht, und T 566, der
Ausschnitt eines Schlangenleibes, anzuschließen. Anstelle von T 764 wird in
Titelausdrücken in Copän häufig T 561 verwendet. Es handelt sich also hierbei
um eine syntaktische, vermutlich auch semantische und vielleicht auch sprach-
liche Äquivalenz. Im Zusammenhang mit der Erwähnung von Gefangenen
findet sich die Zahl IV syntaktisch und vermutlich semantisch äquivalent zu
T 764.B Damit ergibt sich eine Gruppe äquivalenter Zeichen bestehend aus
T IV, 114, 206, 508, 561, 566 und 764 (s. Textabbildung 4).
//.2 Sprachliche Lesung der Zeichen
Unter der Annahme, daß ikonographisch Gleiches und semantisch sowie
syntaktisch Gleiches auch sprachlich Gleiches repräsentiert, was nicht notwendig
so sein muß, ist das Chol-Wort für Schlange /chan/ die beste Lesung für alle
diese Zeichen; denn sie sind alle durch mindestens eine der genannten Äqui-
valenzbeziehungen untereinander verknüpft. Diese Lesung ist nun in möglichst
vielen Kontexten zu prüfen und nur dann aufrechtzuerhalten, wenn die Prü-
fung kulturell sinnvolle und fruchtbare Ergebnisse bringt. Streng genommen
muß sie dann noch gegen konkurrierende Elypothesen kontrastiert werden und
6 Brieflicher Hinweis von Stephen Houston 1982.
264
Riese, Kriegsberichte der klassischen Maya
dabei am besten abschneiden, um beibehalten zu werden. Diesen Falsifizierungs-
versuch überlasse ich der Diskussion und Kritik und beschränke mich auf die
Begründung meines Vorschlages.
O
o
o
o
IV
114
206
508
561
566
Abb. 4. Äquivalente Zeichen für „chan“
11.3 Überprüfung der Lesungen
Nicht alle Verwendungen der Zeichen sind überprüfbar. Für T 206 ist jedoch
eine komplette Überprüfung möglich, da dieses Zeichen nur im semantischen
Kontext früheres Datum' (von Thompson 1950 funktional zutreffend als
,count backward' umschrieben) vorkommt. Hierfür gibt das Chol-Wort /cha’an/
eine passende Lesung, denn es bedeutet ,von'.7 Einige der zahlreichen Kontexte
von T 561 in den Handschriften ergeben mit der Lesung /chan/ guten Sinn;
vor allem dort, wo die Hieroglyphe, in der T 561 vorkommt, ,Himmel' oder
,Ehegatte' bedeutet. Himmel ist /chaan/ und Ehegatte /icham/ in Chol. Die
Zahl IV lautet auf Chol /chan/, so daß deren Verwendung in diesen nicht-
kalendarischen Kontexten ebenfalls ausgezeichnet paßt.
Ich will in diesem Kapitel jedoch nicht generell die /chan/-Lesungen begrün-
den, sondern mich auf den Kontext der Gefangennahme-Darstellungen und
-Texte beschränken. Die angedeuteten Überprüfungen dürften jedoch hinrei-
chend gezeigt haben, daß auch außerhalb meines Zielbereichs die Zeichenfamilie
in der Lesung /chan/ plausibel ist.
11.4 Bedeutung
Für das Hauptzeichen T 764 in der Affigierung mit T 1 und T 108 (oder
Äquivalenten gemäß Textabbildung 5) hat Proskouriakoff (1963/64) die Be-
deutung ,Fänger’ („captor“) ikonographisch und hieroglyphisch erschlossen. In
Textabbildung 5 sind ihre Ergebnisse um die im Vorangehenden diskutierten
Äquivalenzen erweitert.
7 Mündlicher Hinweis von Lyle Campbell um 1980.
Baessler-Archiy, Neue Folge, Band XXX (1982)
265
Position 1 Position 2
1 IV
11 508
13 561 + (23)
204 566
232 (108) +764 + (106)
Abb. 5. Struktur der Hieroglyphe
für Fänger
In unserem Zusammenhang besonders klare Texte sind die Inschriften von
Yaxchilän, Lintel 24 (CMHI, III,1: 53), Fintel 46 (Tafelabbildung 33) und
Stele 1 aus Aguateca (Tafelabbildung 1). Ihre Syntax ist in Textabbildung 6
dargestellt. Paraphrasiert würde ein solcher Text folgendermaßen lauten: ,Am
Tag A geschah das Ereignis B durch Person C/der Person C, welche Fänger (D)
von Person E ist und die Titel F trägt und aus dem Ort G stammt1.
Der Lesung der äquivalenten Hauptzeichen und der kontextuellen Bedeu-
tung der Texte und Bilder am nächsten kommt das Chontal-Wort /cham/
,holen, nehmen1. Ein vollständiger verbaler Ausdruck in dieser Sprache wäre
zum Beispiel /u-cham-e/, er holt/nimmt‘, wobei Position 1 des Strukturschemas
(Textabb. 5) dem /u/, Position 2 dem /cham/ entspräche. Die in der ,Fänger‘-
Hieroglyphe, Variante T 764 meist noch vorkommenden Affixe T 106 und
T 108 sind sprachlich uninterpretiert. Ihre Deutung stößt auf Schwierigkeiten,
da T 108 nur in der ,Fänger‘-Hieroglyphe, T 106 vornehmlich in ihr Vorkom-
men. Neben der Möglichkeit, daß es redundante Elemente sind, besteht die, daß
damit Suffixe oder ähnliche Partikeln repräsentiert werden.
/1.5 Folgerungen für das System der Maya-Schrift
Vorausgesetzt, daß die hier vorgetragenen Ergebnisse der Kritik standhalten,
schließen sich folgende allgemeine Einsichten in das Schriftsystem der klassi-
schen Maya an. Vokallängen und Glottisverschlußlaute werden nicht notwendig
in der Schrift dargestellt. Phonetisch eng benachbarte Phoneme, wie hier /m/
und /n/ können undifferenziert durch ein Zeichen dargestellt werden, bezie-
hungsweise die durch sie sprachlich differenzierten Silben oder Morpheme
werden hieroglyphisch nicht unterschieden. Diese zweite Beobachtung hat
sicherlich für /ml und In/ eine objektive Basis, da gerade diese beiden Konso-
nanten-Phoneme in einigen Mayasprachen partiell nicht getrennt werden (End-
stellung von Wörtern?) und auch gelegentlich frei fluktuieren.
syntaktische Positionen A BCD E F G
syntaktisc Kategorie IC Q Datum Ereignis Name der Hauptperson Fänger Name(n) des/der Gefan- genen Titel Emblem (der Hauptperson)
Texte Aguateca Stele 1 B6 A 7 A8 A9 links A9 rechts A10 links A10 rechts
Yaxchilán Lintel 24 Al—Bl Cl Fl links Fl rechts F2 — F3
Yaxchilán Lintel 46 Al—G2 F3 G5 F6 G6 — F7
Abb. 6. Syntax der Texte mit ,Fänger‘-Ausdrücken
Riese, Kriegsberichte der klassischen Maya
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
267
111 Die Hieroglyphe für ,Ergreifen‘
111.1 Struktur
Die Hieroglyphe für ,Ergreifen' ist in ihrer Struktur in Textabbildung 7
dargestellt. Syntagmatisch sind 3 Positionen festzustellen, paradigmatisch sind
für jede Position mehrere Allographe oder Äquivalenzen zu beobachten. Die
einzelnen Zeichen sind in Textabbildung 8 zusammengestellt.
Position 1 Position 2 Position 3
87 512 515 25 (25) 0528 Fischkopf 181 126 683b 0
Abb. 7. Struktur der Hieroglyphe für ,Ergreifen'
111.2 Bedeutungsanalyse
Diese Hieroglyphe steht meist unmittelbar nach nicht-runden Kalender-
daten (s. z. B. Tafelabbildungen 6:G4; 28:36 links und 32:C1). Wegen dieser
syntaktischen Stellung handelt es sich um eine thematische Hieroglyphe. Die
Verbindung mit nicht-runden Daten schließt rein kalender-chronologischen Ge-
halt aus und weist auf eher historischen Inhalt hin. Bildliche Kontexte (s. z. B.
Tafelabbildung 32) erlauben die Bedeutungseinengung auf ,Gefangennahme'.
Dies ist im Wesentlichen der Stand, den Proskouriakoff (1963; 150—152) er-
reicht hat. Es kommt nun darauf an, ihre Bedeutungsanalyse durch sprachliche
Entzifferung zu unterbauen oder gegebenenfalls zu revidieren.
111.3 Sprachliche Entzifferung
Position 1 beginnt mit Zeichen T 87, das oft, hinter dem folgenden Haupt-
zeichen verborgen, nur teilweise zu sehen ist. Durch dieses Zeichen werden die
Silben /te’/ oder /che’/ wiedergegeben. Die Phoneme /1/ und /ch/ sind in be-
stimmten Positionen verschiedener Maya-Sprachen lautgeschichtlich auf ein
einziges Phonem zurückzuführen. Es ist daher schwierig zu entscheiden, welcher
dieser beiden Konsonanten, oder ob gar die lautgeschichtliche Protoform als
Anlaut gemeint ist. In der yukatekischen Hieroglyphenschrift gibt es sowohl
Indizien für /1/ als auch für /ch/.
Im Codex Madrid, Seite 92 a ist im Bild ein Hirsch (Mazama Pandora?) in
einer Fallgrube sitzend wiedergegeben. Der Text dazu enthält an zweiter Stelle
das Ikonogramm der Grube mit suffigiertem T 87. Die Lesung dieser Hiero-
268
Riese, Kriegsberichte der klassischen Maya
glyphe ist wahrscheinlich „dzonot“ (Yuk.) < „dzonot + te“ (Tafelabbildung 9).
Hier dient T 87 als phonemischer Indikator für /1/, den auslautenden Konso-
nanten des Wortes „dzonot“ ,Dohne, Brunnen, Grube'. Auf Seite 102 derselben
Maya-Handschrift (Tafelabbildungen 10 und 11) ist mehrmals eine Frau be-
ziehungsweise ein Gerippe dargestellt mit untergeschlagenen Beinen auf dem
Boden sitzend und einen Hüftgurt-Webrahmen bedienend, dessen anderes
Ende um einen Baum gebunden ist. Die Hieroglyphe an zweiter Stelle der
begleitenden Texte ist jeweils T 59.87:542. Sie ist „ti-che“‘ (Yuk.) < „ti + che'
+ ’e“ zu lesen und bedeutet ,am Baum', womit das Weben mit dem hier dar-
gestellten Hüftgurt-Webrahmen im Gegensatz zum freistehenden Webstuhl
(„chuch“ T 515/515) charakterisiert wird. Hier ist T 87 klar mit dem konso-
nantischen Anlaut /ch/ zu lesen. Die beiden von Thompson (1962) separat
katalogisierten Zeichen T 512 und 515, die als nächste in Position 1 folgen, sind
wahrscheinlich Allographe. Ihre syllabische Lesung als /chu/ ist seit Thompsons
Entzifferung der „u-cuch-haab“-Hieroglyphe in den Handschriften gesichert
(Thompson 1950: hg. 43 passim und hier Textabbildung 8). Wenn wir die
,Gefangenen‘-Hieroglyphe sprachlich deuten und dabei eines der Zeichen in
Position 1 als phonemischen Indikator des anderen auffassen, muß für T 87 die
Lesung /che’/ angesetzt werden, da nur /ch/ der beiden Zeichen gemeinsame
Konsonant ist, nicht jedoch /t/.
Alle in Position 2 möglichen Zeichen und Zeichenverbindungen können als
phonemische Allographe aufgefaßt werden. T 25 ist nach Landa (1959, hier
Tafelabbildung 8) für das yukatekische Maya hinlänglich sicher als /ka/ zu
lesen. In den südlich angrenzenden Sprachen der Chol-Gruppe wäre entspre-
chend /cha/ anzusetzen. Die gelegentliche Verdoppelung von T 25 unterliegt
keinen erkennbaren Regeln und scheint eine graphische Variante ohne Lesungs-
wert zu sein. Der Fischkopf, der selten hier eintritt, ist bereits durch Thompson
(1950: 45—46) als Allograph zu T 25 geklärt. Für ihn gilt die Lesung /kay/
(Yuk.) beziehungsweise /chay/ in den Sprachen der Chol-Gruppe mit der Be-
deutung ,Lisch’. In einigen Lällen wird anstelle von T 25 dem Hauptzeichen in
Position 1 (meist T 515) ein T 528 eingeschrieben beziehungsweise dessen
charakteristische Merkmale, der Perlenkranz mit eingeschlossenem, nach unten
gekrümmtem Haken am rechten inneren Rand und am oberen inneren Rand
eine Traube (Textabbildung 8). T 528 hat zwei kontextuell relativ gut abge-
sicherte Lesungen, einmal /tun/, was offensichtlich eine eher semantische Lesung
für „tun“ Jahr’ ist und eine allgemeinere syllabische Lesung /ku/. Die Äqui-
valenz von T 25, dem Lischkopf und T 528 in Position 2 erlaubt hier, für die
Alternative /ku/ zu entscheiden, da nur so die äquivalenten Zeichen alle mit
/k/ anlauten.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
269
In Position 3 stehen mit T 181 und seltener T 683 b (Tafelabbildung 28:36)
zwei graphische Varianten desselben Zeichens; denn T 181 ist lediglich die
Halbierung und Streckung von T 683 b. Für diese Allographe wird von
Knorozov (1967 und frühere russische Veröffentlichungen) mit guten Gründen
die Lesung /ah/ vorgeschlagen. In seltenen Fällen steht anstattdessen T 126.
Es wird als /hi/ gelesen. In einigen Fällen ist Position 3 unbesetzt. Die Äqui-
valenz von T 181, 683 b mit T 126 ist sprachlich durch den gemeinsamen
Konsonanten /hl zu erklären oder, wozu die folgenden Sprachbeispiele Indizien
liefern, nur syntaktisch aufzufassen, sprachlich hingegen kontrastiv /ah/ versus
/(h)i/ zu deuten.
Die Hieroglyphe ist im Verbund ihrer Zeichen also als
/chuk/, /chuki/ oder /chukah/ < /che’/ + /chu/ + •( /kay/ > (-
1 /ku/ J
zu lesen, /chuk/ ist im Chol, Chontal und dem Yukatekischen die Wurzel für
das Verbum ,ergreifen, fangen, packen, im Krieg gefangennehmen1. Zwei Text-
belege hierzu aus dem Chontal (Paxbolon-Akten) sind: /chuk-k-i ak’-ki-i ta
pal-ib/ ,er wurde ergriffen, er wurde getan in Fesseln' und /u-chuk-e e kab-ob/
,er nimmt Dörfer ein'. Die sprachliche Lesung und die davon unabhängig ge-
wonnene semantische Deutung konvergieren also gut. Die Hieroglyphe kann
damit als entziffert gelten.
T 25
T87
T126
T181
T683
T5I2
T515
T528
T515°528 FISCHKOPF
U-CUCH-HAAB
Abb. 8. Verschiedene Zeichen und Hieroglyphen im Zusammenhang
mit der Hieroglyphe für ,Ergreifen'
270
Riese, Kriegsberichte der klassischen Maya
Detailprobleme stellt die Endung „ah“. Sie ist im Chontal und Chol, den
unseren Hieroglyphentexten vermutlich am nächsten stehenden Sprachen als
Verbalendung nicht belegt, im Yukatekischen hingegen eine häufige transitive
Präsensendung und eine passivische Vergangenheitsendung und in den Sprachen
der Quiche-Gruppe eine transitive Präsensendung. Dieses Problem wird aber
angemessen nur mit genauer Analyse der sprachgeographischen und sprach-
geschichtlichen Situation zu klären sein.
IV Die Struktur der Gefangennahme-Texte
In Kapitel I war die ,Gefangenen‘-Hieroglyphe, in Kapitel II die ,Fänger‘-
Hieroglyphe und in Kapitel III die Hieroglyphe für ,Ergreifen1 abgehandelt
worden. Diese drei Hieroglyphen stehen in den Texten nicht isoliert, sondern
sind oft untereinander verkettet. Solche Verkettungen sind Gegenstand dieses
Kapitels.
Vor allem für Yaxchilan und Dos Pilas* läßt sich eine Maximalfassung sol-
cher Texte abstrahieren. Sie ist in Textabbildung 9 dargestellt.
Positionen 3 und 6 bis 7 können mehrmals wiederholt werden, was in Text-
abbildung 9 durch die entsprechenden, aus der Notenschrift entnommenen Sym-
bole /: und :/ gekennzeichnet ist.
Zur Erläuterung ist in Textabbildung 10 die entsprechende Passage von
Eintel 46 aus Yaxchilan (s. auch Tafelabbildung 33) linearisiert wiedergegeben
(Zeile 2), den Kategorien zugeordnet (Zeile 3), sprachlich gelesen (Zeile 4) und
in einer Paraphrase frei übersetzt (Zeile 5). Mit Ausnahme der Hieroglyphen in
F4 und G4 ist dieser Textauszug mittels der Ergebnisse unserer bisherigen
Analysen interpretierbar.
Abweichungen von dieser Form behandle ich der Kürze halber hier nicht.
Doch sei bemerkt, daß sie nach meinem vorläufigen Eindruck die hier ausge-
führten Interpretationen nicht widerlegen, sondern lediglich syntaktische und
formale Varianten darstellen. Aus dieser syntaktischen Variabilität resultiert
allerdings eine forschungspraktische Schwierigkeit: Subjekt und Objekt können
zur Zeit entgegen Behauptungen in der neueren Entzifferungsliteratur (z. B.
Scheie 1982) rein positionell nicht identifiziert werden. Entweder sind mir und
anderen Forschern hieroglyphische Elemente (z. B. Affixe) entgangen, die diesen
8 Yaxchilan, Eintel 8 (Tafelabbildung 30), Eintel 41 (Tafelabbildung 32), Eintel 46
(Tafelabbildung 33), Struktur 44, Stufe I (Tafelabbildung 35); Dos Pilas, Hierogly-
phentreppe 2, Osttreppe (Tafelabbildung 6) und Westtreppe.
18 Baessler-Archiv XXX
1 2 / :3 : / 4 5 / ; 6 7: / 8
Datum ,Ergreifen' Name des Gefangenen ,Gefangener' Name des Fängers ,Fänger' Name des/ der Gef. oder ,Gefang.' Titel & Emblem des Fängers
HG-Folge ,Ergreifen'
HG-Folge ,Gefangener'
HG-Folge ,Fänger'
Abb. 9. Struktur der ,Gefangennahme'-Texte
1 F3 G3 I F4 G4 F5 G5 F6 G6 F7
2 g 8 ß s B
3 ,Ergreifen' Name des Gefangenen Agens? ? ,Gefangener von' Name des Fängers ,Fänger' Name des Gef. Emblem des Fängers
4 chukah Ah k’an tukal/ tuah muk/mutun ahaw/ahpo tun ubäk/ ubäkal Pakal Bahlum u...chan... ah ahaw- al ahaw al chan?
5 Es wurde gefangen Ah k’an von? P Gefangener von Pakal Bahlum Fänger von Ah Ahaw- (al) König aus Yaxchilän
Abb. 10. Yaxchilän, Lintel 46. Textauszug
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982) 271
272
Riese, Kriegsberichte der klassischen Maya
Unterschied anzeigen, oder es muß grundsätzlich aus dem Kontext erschlossen
werden, was Subjekt und was Objekt ist, was ja auch bei indianischen Texten
häufig vom Leser geleistet werden muß.
V Die Hieroglyphe Gefangennahme mit dem Beil
V.1 Die Struktur der Hieroglyphe
Zeichen T 190 ist Abbild eines Beiles. Es ist in Schrifttexten relativ selten.
In Inschriften erscheint es meist zusammen mit T 25 in einer komplexen Hiero-
glyphe. Wegen dieser engen Verknüpfung von T 190 und T 25 hat Thompson
(1962) sie zum Zeichen T 333 zusammengefaßt (Textabbildung 11). Die Struk-
tur dieser Hieroglyphe ist in Textabbildung 12 wiedergegeben, wobei ich ein-
malige Affixvarianten nicht berücksichtigt habe.
190 333
Abb. 11. Die Zeichen
T 190 und T333
1 2 3 4 5
25
190 25 variabel 501 7580281 126 181
683
Abb. 12. Struktur der Hieroglyphe
Gefangennehmen mit dem Beil
In den Inschriften steht diese Hieroglyphe immer unmittelbar nach nicht-
runden Daten. Es handelt sich also um eine thematische Hieroglyphe, die
sicherlich nichts mit der zyklischen Wiederkehr bestimmter Kalenderabschnitte
zu tun hat.
V.2 Bedeutungsanalyse
Ein Bericht aus der Petexbatun-Region gibt weiteren Aufschluß über die
Bedeutung der Beilhieroglyphe. Im inhaltlich gleichen, nur in der Formulierung
leicht abweichenden Text von Aguateca Stele 2 (Tafelabbildung 2) und Dos
Pilas Stele 16 (Tafelabbildung 5) folgt, ein Tag nach dem von einem Krieg
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
273
gegen Seibal berichtet worden ist (s. Kapitel VI, Anfang), ein neues Kalender-
rundendatum und unmittelbar darauf die Beilhieroglyphe (Tafelabbildung 2:
Dl und 5: D2) und ein Name, der nicht der des Herrschers ist, um dessen
Monument es sich handelt. Diese zeitliche Sequenz ist inhaltlich am plausibel-
sten so zu erklären, daß als unmittelbare Folge des Kriegsereignisses eine
Gefangennahme, eine Opferung oder ein Sieg über die genannte Person ver-
meldet wird.
Auch die Inschriften aus der Regierungszeit von Two-Legged-Sky in Quiriguä
geben weiteren Aufschluß über die Bedeutung der Beilhieroglyphe. Der Name
dieses Herrschers wird zweimal durch ,Fänger‘-Hieroglyphen mit dem Copaner
Herrscher „18 Kaninchen“ verknüpft (Quiriguä, Stele E: D 19 und Stele A:
CIO—DH), wobei kontextuell klar ist, daß Two-Legged-Sky „18 Kaninchen“
gefangennahm (Riese 1980 MS). Dreimal steht an entsprechender Stelle anderer
Berichte in Quiriguä die Beilhieroglyphe (Textabbildung 13, Nr. 14, 16, und 17
und Tafelabbildungen 17 bis 19). Die Bedeutung der Beilhierglyphe kann daher
auf ,Gefangennahme' eingegrenzt werden.
Alle mir bekannten Vorkommen der Beilhieroglyphe in den klassischen In-
schriften sind in Textabbildung 13 zusammengestellt. Wiewohl nicht alle Vor-
kommen kontextuell hinreichend geklärt sind, scheint die überwiegende Zahl
von Fällen die ,Gefangennahme‘-Interpretation zu stützen oder wenigstens nicht
auszuschließen. Ein demgegenüber schwerwiegendes Problem im Rahmen der
rein semantischen Deutung bilden die Vorkommen von Beilhieroglyphen in den
nachklassischen Handschriften. Die Kontexte sind dort sehr diffus und lassen
sich nicht unter die Interpretation ,Gefangennahme' subsumieren.
V.3 Sprachliche Lesung
Die Tatsache, daß im Yukatekischen aus der Wurzel für Beil /bat/ Verben
mit der Bedeutung ,bekriegen, kämpfen' („ba’te’el“ und „ba’te’eltah“) abgeleitet
werden (Cordemex, sub voce) eröffnet die Möglichkeit, das Beilzeichen in den
Beilhieroglyphen phonemisch aufzufassen. Dann bliebe nur der Nachweis zu
führen, daß von dieser Wurzel auch in den Chol-Sprachen in klassischer Zeit
Ausdrücke für ,Gefangennahme' abgeleitet wurden und daß die diffusen seman-
tischen Kontexte der Handschriften alle sprachlich mit Ausdrücken gedeutet
werden können, die die Phonemfolge /bat/ beinhalten. Schließlich müßten noch
die anderen Zeichen in den Beilhieroglyphen im Verbund eine korrekte Sprach-
form erzeugen.
Dieser Ansatz einer sprachlichen Deutung ist um so vielversprechender, als
die Austauschbarkeit von T 190 mit T 501 und T 758°281 in klassischen Texten,
18'
274
Riese, Kriegsberichte der klassischen Maya
darauf hinweist, daß hier sprachliche Äquivalenz auf der Basis der Phonem-
folgen /ba/, /bä/ oder /ba’/ vorliegt. Denn T 758°281 und T 501 sind aus
anderen Kontexten als in diesem Sinne äquivalent nachgewiesen.
Dennoch führt die sprachliche Lesung vorerst zu keinem Ergebnis. Die Wur-
zeln /bä/ oder /bät/ sind in Sprachen der Chol-Gruppe nicht für Ausdrücke
der Bedeutung ,Gefangennahme' belegt. Die Gesamtlesung der Hieroglyphen
in denen T 190 vorkommt, ergeben keine fruchtbaren lexikalisch belegten Aus-
drücke, obwohl oder gerade weil wir in T 25 eine weitere sprachliche Veranke-
rung haben und somit hypothetisch /ba . . ka/ oder auch /ka . . ba/ als Anfang
der ,Gefangennahme‘-Ausdrücke rekonstruieren können. Die Lösung dieses
Problems bleibt zukünftiger Forschung Vorbehalten.
Lfd. Assoziiertes
Nr. Ort, Monument: Textstelle Transkription Datum
1 Aguateca, St. 2: Dl 190:25-?. ?:501:? 9.15. 4. 6. 5
2 Dos Pilas, St. 16: D2 190:25-1 :?:501:24 9.15. 4. 6. 5
3 Itzán, St. 17: K5 190:25. ?:528 9.17.15. 5.14?
4 Ixkún, St. 2: C4 190:?-25:683b 9.17. 9. 0.14
5 La Mar, St. 3: A6 190:?-?:?.? 9.18. 1. 8.18
6 Naranjo, St. 12: C9 190.683? 9.18. 8. 8.16
7 Naranjo, St. 12: B15 190.683 9.18. 8. 8.18
8 Naranjo, St. 12; E8 190.683 9.18. 8.16. 2
9 Naranjo, St. 12: D12 190.683 9.18. 9. 0.13
10 Naranjo, St. 24: E12 190.25.738a 9.13. 7. 3. 8
11 Naranjo, St. 35; D9 190:?-?;501 9.18. 9. 0.13
12 Palenque, HG-Treppe: CI 190.?:501 9.11. 1.16. 3
13 Palenque, Schöpfungsstein: Al 679:190.25:575 ?
14 Quiriguá, St. E, West: B13 95:190:25-758o281:136 9.15. 6.14. 6
15 Quiriguá, St. F, Ost: Al7 25.190/1.7580281 9.14.11.13. 0
16 Quiriguá, St. F, West: A12 190. ?: ? / 25. ? 9.15. 6.14. 6
17 Quiriguá, St. J: F3 190:25-7580281:126 9.15. 6.14. 6
18 Tortuguero, M. 8: 38 190:25.181.25 9.10.17. 1. 2
19 Tortuguero, M. 6: B 14 679:190?:/25;.181 9.10.12. 3.10
20 Tortuguero, M. 6; CI 679:190?:25.181 9.10.16.13. 6
21 Yaxchilán, L. 24: D’2 1000:190:526:23 9.13.17.15.12
Abb. 13. Vorkommen der Beil-Hieroglyphe in den Inschriften
VI ,Kriegs‘- Hieroglyphen
VI.1 Ausgangsberichte und ihre Deutung
Die Berichte auf Stele 2 von Aguateca (Tafelabbildung 2 und Textabbildung
16, Nr. 1) und Stele 16 von Dos Pilas (Tafelabbildung 5 und Textabbildung 16,
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
275
Nr. 5) stimmen fast wörtlich überein. Sie werden daher quellengenetisch als ein
Text behandelt. Dieser Text hat folgende Struktur:
Datumt—Ereignis X—Distanzzahh—Datum*—Gefangennahme—..
(Distanzzahlo—Datum*—weiteres Ereignis . . .)
Zwischen Datumi und Datum2 wird mittels Distanzzahl, ein Abstand von
einem Tag genannt. Wegen dieser zeitlich engen Nachbarschaft der zu den
Daten 1 & 2 gehörenden Ereignisse und weil Ereignis X dem Ereignis ,Gefan-
gennahme1 zeitlich vorausgeht, vermute ich, daß X die Ursache für die Ge-
fangennahme bezeichnet, also ,Krieg“ oder etwas ähnliches.
Im Bericht von Stele 2 aus Aguateca bezeichnet die Doppelhieroglyphe
T 51 Ob:575-59: Emblem von Seibal das Ereignis X. Da Embleme Toponyme
oder Namen lokalisierter Lineages sind (Berlin 1958), konnte in obiger Trans-
kription bereits der durch das Emblem identifizierte Ort, nämlich Seibal, ein-
getragen werden. Dem Emblem ist das Affix T 59 „ta“ oder „ti“ superfigiert,
welches unter anderem die grammatikalische Funktion der Richtungsangabe
,hin, nach“ hat, während der zweite Teil, also das Emblem im engeren Sinn,
den Kriegsgegner bezeichnet. Von der komplexen Hieroglyphe bleibt dann
der Teil T 510b:575 als Träger der Bedeutung ,Krieg“ übrig. Der ganze Aus-
druck ist als ,Krieg gegen Seibal“ zu deuten.
Abb. 14. Zusammensetzung der Hieroglyphe
für ,Krieg“
276
Riese, Kriegsberichte der klassischen Maya
Es gibt zahlreiche Fälle ähnlich konstruierter Kriegsausdrücke. In ihnen
scheint zusätzlich Affix T 325 oder eine ähnliche Form als Prä- oder als Prä-
Postfix auf. Ein solcher Fall ist zum Beispiel Nr. 3 in Textabbildung 16 (s. auch
Tafelabbildung 3: F3). Wiederum etwas abweichend, da ohne T 59 konstruiert,
sind die Fälle 5 (s. auch Tafelabbildung 5: CI), 8 (s. auch Tafelabbildung 6:
A4), 15, 24 und 26 (s. auch Tafelabbildung 21: B4).
VI.2 ,Kriegs*-Hieroglyphe mit infigiertem T 526
Eine weitere Gruppe ähnlich aufgebauter Hieroglyphen hat anstelle des
Emblem-Hauptzeichens als Infix das Zeichen T 526. Es sind die Fälle 3, 12, 20,
27—30 und 32 bis 37. Die strukturelle Entsprechung T 526 = Emblem ist in-
haltlich nicht unzweifelbar belegbar.
Im Ort Ixtutz gibt es mit Stele 4: B4 und Tafel 1, Fragment II, Hierogly-
phe 3 (CMHI III, 3:181 und 183) zwei Fälle, wo man T 526 als Emblem
dieses Ortes auffassen könnte. Bei anderen Emblemen ist die Häufung an einem
Ort allerdings größer als hier mit nur zweimaligem Aufscheinen. Die Identifi-
zierung von T 526 als Emblem von Ixtutz bleibt daher zweifelhaft. Es müssen
also weitere Deutungsmöglichkeiten erwogen werden.
Eine solche eröffnet sich, wenn wir die regionale Verteilung der mit T 526
konstruierten Kriegshieroglyphcn untersuchen. Sie treten gehäuft um Palenque
herum auf, jedoch nicht in Palenque selbst, so daß T 526 in diesen Konstruk-
tionen möglicherweise den Kriegsgegner Palenque bezeichnet.
Von sprachlicher Seite gesehen gibt es die Möglichkeit, T 526 als Zeichen mit
der morphemischen Lesung „cab“, beziehungsweise in der entsprechenden Be-
deutung ,Erde, Landc zu interpretieren. Denn pan-mesoamerikanisch bedeutet
der siebzehnte Tag des 20tägigen Kalenders, der von den Tiefland-Maya mit
T 526 wiedergegeben wird, ,Erdec und ,Erdbeben'. Im Yukatekischen (Corde-
mex, sub voce) ist „cab“ außerdem ein Wort um ,Herrschaftsgebiet', Territo-
rium' zu bezeichnen. Bei der Kriegshieroglyphe mit infigiertem T 526 würde
das eine Bedeutung von ,Krieg gegen ein (unspezifiziertes) Land' ergeben, was
durchaus Sinn macht. Der Stand der Diskussion erlaubt zur Zeit jedoch noch
keine Entscheidung für eine dieser drei Alternativen. Hierzu werden wir erst
in Kapitel IX in der Lage sein.
Fälle, in denen der Kriegsgegner überhaupt nicht erwähnt wird, wo also nur
die Kriegshieroglyphe steht, sind die Nr. 7, 9, 10, 16, 22 und 42.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
277
VI.3 Sprachliche Lesung
Eine sprachliche Lesung für die konstanten Grundbestandteile der Kriegs-
Hieroglyphe (Textabbildung 14), nämlich T 510b + 325 + 575, die in dieser Zu-
sammensetzung und Reihenfolge eine auch lexikalisch belegte Form für ,Krieg'
oder einen verwandten Ausdruck ergäbe, vermag ich nicht vorzuschlagen. Die
Deutung als ,Krieg1 scheint mir aber dennoch gesichert, da einige Indizien dafür
sprechen;
1. Wegen der Verknüpfung mit anderen, dem Bedeutungsfeld der Kriegs-
führung zugeordneten Ausdrücken in den Inschriften, wie ich den Fall Agua-
teca/Dos Pilas zum Ausgangspunkt genommen habe. Weitere gute Fälle dieser
Art sind Dos Pilas, Hieroglyphentreppe Ost (Tafelabbildung 6: A4 und Text-
abbildung 16, Nr. 8) und Yaxchilán, Lintel 41 (Tafelabbildung 32: A2 und
Textabbildung 16, Nr. 42).
2. Wegen der inhaltlichen Assoziierung von ,Kriegc bei den Vorkommen in
der Dresdener und der Pariser Handschrift (Textabbildung 16: Nr. 11 und 18).
Die Kriegshieroglyphe tritt dort in Kapiteln von Katun-Prophezeiungen auf,
und es ist ethnohistorisch überliefert, daß zu bestimmten Katun-Enden ver-
heerende Kriege befürchtet wurden.
3. Wegen der durchgängigen Assoziierung mit nicht-runden Daten, was zu-
mindest rein kalendarischen Charakter der Ereignisse ausschließt.
VIA Alternative Interpretationen
Das konstant in der Kriegshieroglyphe auftretende Zeichen T 510b und die
Verbindung mit nicht-runden Kalenderdaten brachten Kelley und Kerr (1973)
auf die Idee, in diesen Berichten Ephhemeriden des Planeten Venus zu sehen.
T 510b und sein Allograph T 2 werden traditionell als Zeichen für den Plane-
ten Venus oder allgemeiner für ,Stern' aufgefaßt. Da Venus aber zumindest in
der Dresdener Handschrift durchweg als T 109+ 510b geschrieben wird, was
als „chac ek“ (Yuk.) ,roter/großer Stern' zu lesen ist und T 510b als „ek“ ge-
lesen, ja durchaus auch phonemisch und nicht primär semantisch gedeutet wer-
den kann, schien mir dies keine hinreichende Indizienbasis für eine Deutung zu
sein. Kelley und Kerrs Argumentation in Bezug auf Venus-Daten war mir
außerdem undurchsichtig geblieben, so daß ich die Venus-Interpretation nicht
weiter verfolgt und in meinen ,Kriegs‘-Interpretationen der Inschriften von
Tortuguero (Riese 1978 und 1980) nicht berücksichtigt habe. Neuerdings werden
Kelleys Venus- und meine Kriegs-Interpretation von anderer Seite zu einer
278
Riese, Kriegsberichte der klassischen Maya
Synthese vereinigt.9 Die Grundannahme scheint dabei zu sein, daß die klassi-
schen Maya ihre Kriegszüge nach wahrsagerischen Gesichtspunkten terminierten,
und daß hierbei der Planet Venus als kriegerisch vorgestellte Gottheit (Riese
1982) eine wesentliche Rolle spielt. Ich hatte noch keine Gelegenheit, diesen
Syntheseversuch zu überprüfen, da er mir bisher nur gesprächsweise und ln se-
kundärer Verarbeitung zur Kenntnis gelangt ist. Eine Prüfung müßte sich be-
sonders auf die Verträglichkeit bestimmter Venusphasen (z. B. Venus als Mor-
genstern wie im Codex Dresden oder Venus als Abendstern wie im Grober
Codex) mit den Kriegsdaten in Textabbildung 16 konzentrieren.
VI.5 Kriegsausdrücke mit ,Klinge und Schild‘
Eine andere Art von Kriegsausdrücken besteht in der Beifügung einer aus
den Zeichen für Feuersteinklinge (T 112, 245 oder 257) und Schild (T 624)
zusammengesetzten Elieroglyphe zur Grundhieroglyphe für ,Kriegc. Doppel-
hieroglyphische Ausdrücke dieser Art sind die Fälle 14, 31, 33 und 34 von
Textabbildung 16.
,Angriffs- und Verteidigungswaffe* sind pan-mesoamerikanisch wesentliche
Bestandteile von Metaphern für ,Krieg*. Einige Beispiele:
Aztekische Bilderschrift
C. Aubin F.14v und 19r: Schwert und Schild gekreuzt umgeben von Fuß-
spuren.
Aztekische Sprache
„yn tlahuiztli yn espada yn omoman chimalli“ auf Deutsch „man hat nieder-
gelegt die Waffen, das Schwert, den Schild“ (Chimalpahin nach Simeon 1889:
194—195).
Cakchiquel-S prache
„ah chay, ah (unleserlich), ah pocob“ auf Deutsch „der Herr des Steinmes-
sers, der Herr . . . , der Herr des Schildes“ (Wörterbuch BNP/FA 7).
Die bildliche Ausdrucksweise der Hieroglyphen und die sprachlichen Meta-
phern korrespondieren also gut. Dies und die enge Assoziierung der bildlichen
9 Mündliche Mitteilung von John B. Carlson auf dem 44. Internationalen Amerika-
nistenkongreß in Manchester im September 1982. Carlson berichtete wohl im Wesent-
lichen Gedanken von Floyd Lounsbury. S. auch Scheie (1983: 94—95).
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
279
Maya-Hieroglyphe mit der Grundhieroglyphe stützen deren Interpretation als
,Krieg“.
Da in diesen Doppelhieroglyphen offenbar eng verwandte Begriffe in zwei
Arten ausgedrückt sind, wäre es von der Verständlichkeit her problemlos, diese
Redundanz durch Unterdrücken einer der beiden Hieroglyphen zu beseitigen.
Die Nummern 6, 11, 13, 18, 23, 24, 40, 41 und 46 sind solche Fälle. In ihnen
ist jeweils nur die ikonische Hieroglyphe ,Feuersteinklinge und Schild1 vorhan-
den.
Die beiden bildlichen Teile der Hieroglyphe ,Feuersteinklinge und Schild“
können nach Houston (1983MS) durch äquivalente Zeichen ersetzt werden, wie
es in Textabbildung 15 dargestellt ist.
Abb. 15. Struktur der Hieroglyphe ,Feuersteinklinge und Schild“
Diese Äquivalenzen erlauben eine sprachliche Lesung, da für jede Position
mindestens eines der Zeichen mit großer Sicherheit gelesen werden kann. Die
Einzellesungen, die auf Landa (1959), Knorozov (1967), Keiley (1976) und
Lounsbury zurückgehen, sind in Textabbildung 15 zuunterst in phonemischer
Schreibung wiedergegeben. Die Gesamtlesung ist nach Houston /tok’ pakal/ und
bedeutet in den Sprachen der Chol-Gruppe, im Yukatekischen und anderen
Maya-Sprachen ,Feuersteinklinge und Schild“. Diese Lesung und ihre semantische
Deutung führt uns wieder zu den eingangs vorgeführten unabhängig belegten
Metaphern für ,Krieg“.
280
Riese, Kriegsberichte der klassischen Maya
Lfd.
Nr. Ort, Monument: Textstellc
1 Aguateca, St.2: Al—A2
2 Altar Sacrif., Skulpt.Taf. 2: F1
3 Altar Sacrif., Skulpt.Taf. 4: pC6
4 Caracol, St. 3: F2—F5
5 Dos Pilas, St. 16: Al—C1
6 Dos Pilas, St.16: D4
7 Dos Pilas, St.25: II—N1
8 Dos Pilas, HG-Treppe 2, Ost: A4
9 Dos Pilas, HG-Treppe 2, West: A2
10 Dos Pilas, FIG-Treppe 2, West: A3
11 Codex Dresden: 60a
12 Naranjo, St.22: E19
13 Naranjo, St.23: G14
14 Naranjo, HG-Treppe: B1
15 Naranjo, HG-Treppe: N1
16 Palenque, Inschriften Taf., M: G7
17 Palenque, IS-Vase
18 Codex Paris: 6b
19 Piedras Negras, St.12: A18
20 Piedras Negras, St.12: C1—D6
21 Piedras Negras, St.37: C6—CIO
22 Piedras Negras, Thron 1: E’6
23 Pusilhá, St.D: C14
24 Tikal, T.I, L.3; B4
25 Tikal, T.IV, L.2:B7—B15
26 Tikal, T.IV, L.3: B4
27-30Tikal, Miszellen-Texte 38A/B/C/D
31 Tonina, Monument 91: pAl—pBl
32 Tonina, Monument 122: A3
33 Tortuguero, Monument 6: A10—All
34 Tortuguero, Monument 6: C4—D4
35 Tortuguero, Monument 8: 41—59
36 Tortuguero, Jade: A3
37 Tortuguero, Jade: A9
38 Yaxchilán, St.21: A4—A5
39 Yaxchilán, L.10: A4
40 Yaxchilán, L.10: A6
41 Yaxchilán, L.25: C1
42 Yaxchilán, L.41: A2
43 Yaxchilán, L.45: C6
44 Yaxchilán, L.46: F8
45 Yaxchilán, HG-Treppe 3, Stufe 1: D8
46 Yaxchilán, HG-Treppe 3, Stufe 3: C3
Assoziiertes
Datum
9.15. 4. 6. 4 ? 9.14. 2. 0.14? 8 kan 17 Muwan
12 ix 17 Muwan
9. 9.18.16. 3 7 akbal 16 Muwan
9.15. 4. 6. 4 8 kan 17 Muwan
9.15. 4. 6. 5 9 chicchanlS Muwan
9.14. 5. 3.14 8 ix 2 Cumku
p 6 /akbal/ 2 Kayab
9.12. 0. 8. 3 4 akbal 11 Muwan
9.12. 5. 9.14 2 ix 17 Muwan
4 ahaw 8 Cumku ?
9.13. 1.13.14 5 ix 17 Muwan
9.13.19. 6. 3 3 akbal 16 Zip
9.10. 3. 2.12 2 eb 0 Pop
9. 9.18.16. 3 7 akbal 16 Muwan
9.12. 0. 0. 0 10 ahaw 8 Yaxkin
9.18. 9. 4. 4 7 kan 17 Muwan
Katun 7 ahaw
9.17.16.14.19 1 cauac 12 Zac
9.11.16.11. 6 5 cimi 9 Pop
9.17.10. 6. 1 3 imix 4 Zodz
9. 8. 0. 0. 0 5 ahaw 3 Ch’en
9.13. 3. 7.18 11 edznab 11 Ch’en
9.15.12.11.13 7 been 1 Pop
9.15.12. 2. 2 11 ik 15 Ch’en
9.14.11.17. 3 6 akbal 16 Zac
9.13.19.13. 3 9.14.12. 0. 3 13 akbal 16 16 Yax Ceh
9.10.11. 9. 6 13 cimi 14 Zec
9.10.17. 2.14 13 ix 17 Muwan
9.10.17. 2.14 13 ix 17 Muwan
9.10.17. 2.14 13 ix 17 Muwan
9.11. 2.17. 4 ? 9.18.17.12. 6 10 kan 17 Yax
7 cimi 14 Zip
9.18.17.12. 6 7 cimi 14 Zip
9.12. 9. 8. 1 5 imix 4 Mac
9.16. 4. 1. 1 7 imix 14 Zec
9.12. 8.14. 1 12 imix 4 Pop
9.14. 1.17.14 5 ix 17 Kankin
9.14.17.15.11 2 chuen 14 Mol
9.12. 8.14. 1 12 imix 4 Pop
Abb. 16. Vorkommen der ,Kriegs‘-Hieroglyphi
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
281
VII Eine Hieroglyphe für ,Sieger
Monument 27 aus Tonina (Tafelabbildung 23) ist wahrscheinlich Teil einer
Treppenstufe. Auf ihrem Fall ist eine liegende menschliche Gestalt skulptiert.
Ihre Oberarme sind mit Seilen auf den Rücken gebunden, so daß es sich klar
ersichtlich um einen Gefangenen handelt. Auf dem rechten Oberschenkel des
Gefangenen sind die Hieroglyphen T 758 + 109?.82:585a angebracht. Nach
ethnohistorischer Überlieferung war die Bemalung bzw. Tätowierung des Kör-
pers mit Hieroglyphen bei den Maya üblich. Nach der Struktur von Darstel-
lungen auf einigen Steinskulpturen, zum Beispiel Monument 122 aus Tonina
(Tafelabbildung 26), und vielen Vasenmalereien (s. z. B. Coe 1973, 1978) ent-
halten solche kurze, auf Personen geschriebene oder sie begleitende Hierogly-
phenfolgen vermutlich deren Namen oder einen klassifikatorischen Begriff, der
auf sie hinweist. Auf Monument 27 von Tonina dürfte T 758 + 109?.82:585a
also den Namen des Gefangenen oder den Begriff ,Gefangener' wiedergeben.
Eine kurze Begleitinschrift neben dem Gefangenen enthält in C2 die Hiero-
glyphe T 74.184.?:1045. Aufgrund ihres Präfixes T 74.184 („makinah“) ist sie
als Namenshieroglyphe eines Toninä-Herrschers zu identifizieren. Es ist Herr-
scher III nach der Aufstellung von Mathews (apud Baudez & Becquelin II), der
auch in anderen Inschriften in Tonina erwähnt wird (Mayer & Riese 1983).
Die Hieroglyphe des Gefangenen bzw. des Begriffs ,Gefangener' und die des
Herrschers sind verschieden, was also in Einklang mit der vorgeschlagenen
Deutung steht.
Dem Herrschernamen der Begleitinschrift geht die Hieroglyphe T 78:514
voraus. Diese Hieroglyphe tritt ausschließlich in Texten auf, die Gefangenen-
darstellungen begleiten (Baudez & Mathews 1979). Ihre Struktur ist unter Be-
rücksichtigung seltener Affixvarianten in Textabbildung 17 dargestellt.
Aufgrund der erwähnten ikonographischen Assoziation ist die Bedeutung der
Hieroglyphe im Begriffsfeld ,Gefangennahme' anzusiedeln. Als extreme Mög-
lichkeiten bieten sich Deutungen als ,Gefangener' oder als ,Sieger/Fänger' an.
Die ,Sieger/Fänger‘-Deutung kommt am ehesten infrage, da, wie ich an Monu-
ment 27 aus Tonina demonstriert habe, ein enger syntaktischer Anschluß an die
Person des ,Siegers' besteht, während kein entsprechender Anschluß an die Per-
son des Gefangenen oder Besiegten herzustellen ist.
Diese ikonographisch gewonnene Grundbedeutung ,Sieger' kann nun auf an-
dere Fälle angewendet werden und zwar auch auf solche, die unbebildert sind.
Alle sind in Textabb. 18 zusammengestellt, und ich habe dort noch zusätzlich
die relevanten nominalen Kontexte angegeben. Auf viele von ihnen läßt sich die
282
Riese, Kriegsberichte der klassischen Maya
vorgeschlagene Interpretation zwanglos anwenden, bei einigen gewinnt sie wei-
tere Stützung durch deren unabhängig geklärte Thematik (vor allem die Fälle
aus Yaxchilän). Bei einem großen Teil aber sind mir die Texte insgesamt so
unklar, daß ich sie als offene Problemfälle ansehen möchte. Wenn wir uns auf
die klaren Fälle beschränken, ist auffällig, daß keine strenge Abfolge der drei
Teile Siegername, ,Sieger*, Name des Besiegten zu beobachten ist. In Yaxchilän
(Tafelabbildung 31) scheint die Abfolge Siegername-,Sieger'-Name des Besieg-
ten vorzuherrschen; in Toninä die Abfolge ,Siegerc-Siegername, und der Besiegte
wird nicht hieroglyphisch sondern bildlich dargestellt. Die auf ihn bezogene
Inschrift befindet sich entweder auf seinem Körper oder am Fuße seiner plasti-
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
283
sehen Darstellung (Tafelabbildung 24). Diese in Tonina zu beobachtende Ab-
folge gilt auch in Palenque (Tafelabbildung 15) und Tortuguero (Tafelabbil-
dung 29). Inwiefern hierin regionale und/oder zeitliche Besonderheiten zu er-
kennen sind, oder ob es sich um grundsätzliche Wahlmöglichkeiten der Syntax
handelt, bleibt weiterführenden Untersuchungen Vorbehalten.
Weder für den Kern der Hieroglyphe, Positionen 2 & 3, noch für die Erwei-
terungen vermag ich eine Lesung vorzuschlagen. Dies ist ein dringendes
Desiderat zukünftiger Forschung.
Nr.
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
Ort, Monument: Textstelle
Lausanne, Frag.: pCl
Palenque, Pal. Taf.: Q17
Palenque, Pal. Schr. 1: A5
Palenque, Pal. HG-Tr.: C6ru
Palenque, Kreuz, Taf.: K1
Palenque, Inschr. W: Til
Palenque, Totenkopf: D2
Palenque, Pal. Frag. DO 39 :G
Tikal, T.4, L.2: A15
Toniná, M.27:C1
Tonina, M.31: Al
Toniná, M.52: Al
Toniná, M.65: Al
Toniná, M.72: Al
Tortuguero, M.6: C6
Tortuguero, Jade: All
Tzendales, St.l: A6
Yaxchilán, L.35: A3
Yaxchilán, L.35: A5
Yaxchilán, L.35: C1
Yaxchilán, L.35: C5
Yaxchilán, L.37: A3
Yaxchilán, L.37; C1
Yaxchilán, L.37: C4
Yaxchilán, L.37: D6
Yaxchilán, L.49: Al
Yaxchilán, L.49: A5
Yaxchilán, L.49: C1
Yaxchilán, L.49: C6
Yaxchilán, L.49: D7
Yaxchilán, FIG-Tr. 3, IV: B2
,Sieger‘-FIieroglyphe im nominalen Kontext
220.?:514:69 „Makinah“ Jaguar'
220.78:514 „Makinah“ . . . Palenque
220.78 ? :514 „Chaac Zudz" (Palenque)
„Makinah Pacal" (Palenque) 78:514.4?
78:515:188 „“'Chan Bahlum“ (Palenque)
IX.78:514 „Makinah Ahaw" Palenque
514-78:513 „Kinah Chan’ Bahlum“ (Palenque)
196.78:514:?
78:514.4?: 126 Batab
78:514 „Makinah“ Schädel (Toniná) Flerrscher III
78 ? ;514 ?
IX.78:514
IX?.78?;514 „Zac Balam“
IX.78:514 IV.74: ? 12.?: Kopf
78:514var?.181 ,Fierr Jaguar“ (Tortuguero)
78:514 ,Herr Jaguar' (Tortuguero)
78:514:4?
„Makinah“ Schädel (Yaxchilán) 78:514 Be-
siegter: „Ah Tun“
78:514 Besiegter: N.N.
220.78:514 Besiegter: Knoten Jaguar Bonampak
78:514 Besiegter: N.N.
220.78:514 Besiegter: Schildkrötenpanzer
Piedras Negras
Knoten Jaguar (Yaxchilán) 220.78:514
Besiegter: Feder Bonampak
78:514 Besiegter: Feder Bonampak
78:514 Besiegter: Jaguar Tatze Schädel (II?)
Tikal
78:514 Besiegter: N.N.
78?;514? Besiegter: N.N.
Schädel (Yaxchilán) 220.78:514 Besiegter:
Vogel Jaguar Bonampak
Schädel (Yaxchilán) 78:514 Besiegter: Schild-
krötenpanzer Piedras Negras
78:514 Besiegter: N.N.
74:514:142 Besiegter: N.N. Schild Jaguar
Yaxchilán
Abb. 18. Vorkommen der ,Sieger‘-Hieroglyphe
284
Riese, Kriegsberichte der klassischen Maya
VIII Von Einzelnachrichten zu längeren Berichten
Bisher hatten wir im Wesentlichen einzelne hieroglyphische Ausdrücke des
ßegriffsfeldes ,Krieg' untersucht, aber in einer Zwischenbilanz (Kapitel IV)
schon festgestellt, daß Einzelnachrichten oft verkettet werden. Daß diese Ver-
kettungen auch bei den in Kapitel V, VI und VII behandelten Ausdrücken zum
Tragen kommen und daß sie außerdem gelegentlich mit den in Kapitel I, II
und III besprochenen zu längeren Ketten zusammengesetzt werden, sei an
drei Texten erläutert: Dem Petexbatun-Bericht, der in zwei Versionen auf
Stele 2 aus Aguateca (Tafelabbildung 2) und auf Stele 16 aus Dos Pilas (Tafel-
abbildung 5) überliefert ist; einem Bericht auf Eintel 41 aus Yaxchilän und
einem Bericht auf einem Jade-Ohrring aus Tortuguero (Textabbildung 19).
Im Text von Aguateca Stele 2 folgen die Namen früherer Gefangener der
Hauptperson und das Emblem des Fängers nicht unmittelbar auf den aktuellen
Kriegsbericht sondern nach einem Einschub erst in F5—F7. Der Name des
Fängers und seine Titel folgen selbst erst am Schluß des Gesamttextes in
G4—G7.
Im Text von Dos Pilas Stele 16 folgen auf die Teilsequenz ,Ergreifen‘-Name
des Gefangenen in D3—D4 einige unanalysierte Hieroglyphen, bevor die Se-
quenz, wie in Textabbildung 19 angezeigt, fortgesetzt wird.
Auf dem Jadeohrring aus Tortuguero sind hintereinander zwei verschie-
dene Kriege berichtet. In Textabbildung 19 ist der zweite, ausführlichere dar-
gestellt.
Auf Yaxchilän Fintel 41 ist die Abfolge innerhalb der Sequenz „Namen
früherer Gefangener-Fänger-Name des Fängers“ umgekehrt wie in Textabbil-
dung 19 durch die Spalten vorgegeben. Das Emblem des Fängers, vermutlich an
letzter Stelle, ist nicht erhalten aber in Textabbildung 19 rekonstruiert.
IX Der räumliche Kontext von Kriegsberichten
Unter Hintanstellen noch verbliebener Reserven gegenüber den Interpreta-
tionen der vorangegangenen Kapitel soll jetzt der Versuch einer räumlichen
Synthese der Kriegsberichte gemacht werden. Nach Feststellung der räum-
lichen Verteilung der Berichte und der in ihnen erwähnten Kriegsgegner kön-
nen aufgrund beobachteter Konsistenz oder Inkonsistenz eines Syntheseversuchs
die Kriegsinterpretationen beurteilt werden. Alle Bezugsorte von Kriegsberich-
ten sind daher auf Tafelabbildung 37 in eine Karte eingetragen.
Auswertbar im geschilderten Sinn sind Berichte, in denen beide Kriegs-
parteien bekannt und lokalisierbar sind. In praxi bedeutet das mindestens die
Datum! ,Krieg“ Gegner DN Datum, Ergreifen“ / :Name(n) d. Gefangenen:/ ,Gefangener“
Aguateca St. 2 Al— B1 A2 links A2 rechts B2 1 B2—Cl Dl C2
Dos Pilas St. 16 Al— B6 Cl Cl Dl C2 D2 C3
Tortuguero Jade Al—A2 A3 A4
Yaxchilan L.41 Al—B1 A2—B2 Cl C2 C3
Name d. Gefangenen oder e. früheren Gef. ,Fänger/ Sieger“ Name des Fängers/ Siegers Titel des Fängers Emblem des Fängers
Aguateca St. 2 F6 F5 F7
Dos Pilas St. 16 C5 D5 C6
Tortuguero Jade All A12
Yaxchilan L. 41 C4 El—E3 [E4]
Abb. 19. Die Syntax von Kriegsberichten
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982) 285
286
Riese, Kriegsberichte der klassischen Maya
Identifizierung des Namens oder des Emblems des unterlegenen Gegners, denn
für den siegreichen Gegner kann man stillschweigend annehmen, daß er in dem
Ort oder in der Provinz, wo der Text errichtet wurde, beheimatet ist. Unter
dieser Bedingung fällt ein Großteil der Kriegsberichte für die Auswertung aus,
denn die in Kapiteln I bis V behandelten Berichte nennen meist nicht den Her-
kunftsort des auswärtigen Kriegsgegners. Gelegentlich erlaubt der weitere
hieroglyphische und/oder bildliche Kontext jedoch diese Information zu ex-
plizieren, die auf den ersten Blick nicht vorhanden zu sein scheint. Die wich-
tigsten derartigen Fälle sind: Auf Lintel 45 aus Yaxchilan (CMHI, 111:99) ist
die Gefangennahme bildlich dargestellt. Der teilweise zerstörte Text ist dem
Herrscher Schild-Jaguar aus Yaxchilan zuzurechnen, und es ist in ihm das
Emblem von El Peru verzeichnet. Dieses Fremdemblem ist also wahrscheinlich
das des unterlegenen Kriegsgegners; es sei denn, der Text parallelisiert die
Abbildung überhaupt nicht sondern spricht von ganz anderen Dingen. Auf
Monument 122 aus Yonind (Tafelabbildung 26) redet der Beitext zur Gefan-
genenskulptur nur von Krieg, ohne die Gegner zu spezifizieren. Die Gefange- -
nenskulptur selbst trägt eine Oberschenkelaufschrift, die als (König) Kan-Xul
aus Palenque zu deuten ist. Der Sieg des Quirigud-Herrschers Two-Legged-Sky
über „18 Kaninchen“ von Copän gehört zu den durch kontextuelle Kenntnis
der Dynastien beider Orte geklärten Berichten (Riese 1980 MS). Stele A in
Copdn (Tafelabbildung 4) enthält in einer langen, noch- nicht hinreichend ge-
klärten Passage von B3—CIO eine Aufzählung verschiedener Gefangener des
dortigen Herrschers „18 Kaninchen“, darunter in B8rechts-C8 die abschlie-
ßende Hieroglyphenfolge T 204.?:87.5.5:135.126-211.178:738a:74-528K:116.
Die erste Hieroglyphe ist die in Kapitel III diskutierte Hieroglyphe Ergrei-
fen', die zweite kann sprachlich vollständig gelesen werden und ergibt die
Form /ah + la-|-kay + ma-t-tun4-ni/ > /ah lakamtun/, also „Person von
Lakamtun“. Nun ist Lakamtun eine beschreibende Ortsbezeichnung der Be-
deutung ,großer Felsen', die im 16. Jahrhundert für eine Inselsiedlung im See
von Miramar im Tiefland von Chiapas gebraucht wurde. Mit diesem Kriegs-
gegner von Copän ist also sicherlich ein Ort ähnlicher Felsenlage gemeint.
Außer dem schon genannten Felsen im See von Miramar kommen auch Orte
auf Spornen im zerfurchten Hochland von Guatemala in Frage. Wegen der
ungesicherten Lage des Kriegsgegners ist dieser Feldzug in Tafelabbildung 37
in seiner Ausrichtung willkürlich eingezeichnet und mit einem Fragezeichen
versehen. Alle räumlich gesicherten Kriegszüge sind ohne Fragezeichen ein-
gezeichnet. Der Ausgangspunkt des Pfeils gibt die siegreiche Partei, der Pfeil-
kopf die unterlegene wieder. Mit durchgehender Pfeillinie sind die explizit
gesicherten, mit punktierter Pfeillinie die kontexteil erschlossenen Kriegszüge
eingezeichnet.
287
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
Die jetzt anschließende räumliche Analyse der Kriegszüge geht von der
Grundannahme aus, daß in erster Linie unmittelbare Nachbarn Krieg gegen-
einander führen, seltener solche, die durch mehrere fremde Territorien ge-
trennt sind. Unter dieser Annahme sind die auf der Karte rekonstruierten
Kriegszüge plausibel, und die Kriegsinterpretationen der vorangegangenen
Kapitel, auf denen sie beruhen, werden in ihren Flauptergebnissen bestätigt.
Andererseits können in einem allerdings teilzirkulären Schluß nun die in
Kapitel VI offengelassenen Möglichkeiten, daß das Zeichen T 526 eine Va-
riante des Emblems von Palenque oder Ixtutz ist, verworfen werden. Zwar
häuft sich sein Gebrauch in unmittelbarer Umgebung von Palenque, nämlich
in Tonina und Tortuguero; es gibt jedoch drei besonders entfernt gelegene
Orte, Altar de Sacrificios, Tikal und Naranjo, die in ihren Kriegshieroglyphen
ebenfalls dieses Zeichen verwenden, und es ist wegen der Entfernung unwahr-
scheinlich, daß sie damit den Kriegsgegner Palenque meinen. Dasselbe trifft
für die Alternativannahme von Ixtutz als Ort, dessen Emblem-Hauptzeichen
T 526 sein könnte, zu. Hier sind es die Orte Tortuguero und Tonina, die für
Kriege gegen Ixtutz unwahrscheinlich abgelegen sind. Es bleibt dann nur noch
die dritte in Kapitel VI angebotene Alternative für T 526 übrig, die besagt,
daß es sich um den Begriff ,Land, Territorium4 handelt, also nicht um einen
spezifischen Ort. Kriegsberichte mit T 526 konnten daher in Tafelabbildung 37
nicht durch Pfeile dargestellt werden, da die Kriegsgegner räumlich nicht spezi-
fiziert sind.
X Ausblick
Die hieroglyphische Identifizierung zahlreicher Personen und Orte in den
Kriegsberichten sollten Anlaß geben, sie mit den überlieferten Orts- und Per-
sonennamen der frühen Kolonialzeit und der vorspanischen Traditionen zu
konfrontieren, um so einerseits diese Hieroglyphen sprachlich zu entziffern und
andererseits festzustellen, wie groß die Kontinuität der Namen in die Kolo-
nialzeit hinein ist. Um eine solche Studie abzurunden, wären allerdings ge-
nealogische Texte und die Emblem-Hieroglyphen miteinzubeziehen.
Die Zählung von Gefangenen (Zahlen-Präfixe, s. Kapitel I) und die Er-
wähnung früherer Gefangener eröffnen weitere Anwendungs- und zugleich
Prüfmöglichkeiten für die hier vorgeschlagenen Interpretationen. Sollten die
Zählungen und die Anlässe nicht fiktiv und willkürlich sein, müßten über die
Zuordnung der Gefangenen zu ihren Fängern und die zeitliche Abfolge ihrer
Gefangennahme konsistente personalbiographische Nachrichtenketten etwa in
dem Sinne entstehen, daß bei einem Fänger die Anzahl der ihm zugewiesenen
19 Baessler-Archiv XXX
288
Riese, Kriegsberichte der klassischen Maya
Gefangenen zeitparallel, entsprechend der von ihm vermeldeten Gefangen-
nahmen wächst. Für Untersuchungen in dieser Richtung eignen sich wegen der
Fülle einschlägiger Daten vor allem die Steinbildwerke der Petexbatün-Gegend
(Aguateca, Arroyo de Piedras, Dos Pilas, El Duende, Tamarindito), der Groß-
region Yaxchilän (Yaxchilän, Bonampak, Lacanjä, La Pasadita) und der Ein-
flußsphäre von Piedras Negras (El Cayo, Piedras Negras und Verflechtungen
mit Yaxchilän).
Freilich sind auch mit diesen beiden skizzierten Untersuchungen die Mög-
lichkeiten des Kriegskomplexes zur Erhellung der vorspanischen Tiefland-
Maya-Kultur und -Geschichte noch nicht erschöpft. Die zeitliche Auswertung
dürfte einiges zur Erhellung der allgemeinen politischen Lage im Spannungs-
bogen von friedlicher Koexistenz bis hin zu militaristischer Kleinstaaterei er-
bringen. Auch die Frage Heirats- versus Kriegs-politik, beziehungsweise die
Möglichkeit der Verbindung von Kriegszügen und in deren Folge erzwun-
gener Heiratsallianzen, für die es Indizien gibt, ist der Untersuchung wert.
Und schließlich habe ich die reiche Ikonographie der Bildwerke fast gar nicht
berücksichtigt. Schon allein um die einseitige Ausrichtung gegenwärtiger ikono-
graphischer Studien auf rituelle Themen zu kompensieren, wäre die Unter-
suchung kriegerischer Thematik in den Bildwerken und ihre Verflechtung mit
dem Ritualismus (Opfertod von Kriegsgefangenen) angezeigt.
LITERATUR
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Bandez, Claude François & Mathews, Peter
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Riese, Kriegsberichte der klassischen Maya
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nach Maudslay 1889/1902, I.
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20 Baessler-Archiv XXX
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Riese, Kriegsberichte der klassischen Maya
i
Taf. 20. Tikal, Tempel IV, Lintel 2. Aus Jones 1977.
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Riese, Kriegsberichte der klassischen Maya
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в
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982) 307
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Riese, Kriegsberichte der klassischen Maya
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Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
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Zeichnung von lan Graham.
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Riese, Kriegsberichte der klassischen Maya
LO
CO
Taf. 28. Tortuguero, Monument 8, Zeichnung des Verf.
QO a
10
11 12
JD
m
63
cTTXJ
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
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Riese, Kriegsberichte der klassischen Maya
Taf. 30. Yaxchilán, Lintel 8. Aus CMHI, III.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
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Riese, Kriegsberichte der klassischen Maya
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318
Riese, Kriegsberichte der klassischen Maya
Taf. 34. Yaxchilán, Lintel 53. Aus CMHI, III.
m,
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982) 321
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
323
KATZEN UND AFFEN IN OZEANIEN
Kulturkontakt und Sprachwandel
HORST CA IN, Marburg
Die Feststellung, daß die Geschichte der Menschheit einen Entwicklungspro-
zeß darstellt, der auf Auseinandersetzung beruht, ist eine Binsenweisheit. Wenn
aber Entwicklung, und das heißt Veränderung, Wandel, durch Auseinander-
setzung bewirkt wird, dann ist die notwendige Bedingung der Auseinander-
setzung Bekanntschaft und Vertrautheit durch Kontakt. So wie die Ausein-
andersetzung des Menschen mit seiner natürlichen Umwelt Kultur produziert,
so erzeugt die Auseinandersetzung zwischen den Angehörigen einer Kultur
sowie zwischen den Trägern unterschiedlicher Kulturen Veränderung oder
Wandel. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Kulturen ergeben sich einmal
durch die Verschiedenheit der natürlichen Umwelt, in der sie entstanden, zum
anderen aber auch durch das Aufeinanderwirken unterschiedlichster endogener
und exogener kultureller Faktoren. Geschichte ist also ohne den ständigen
Kontakt unterschiedlicher Völker und Kulturen sowie ihrer gegenseitigen Beein-
flussung und Durchdringung undenkbar. Dabei ist Kulturkontakt nicht etwa
nur ein Epiphänomen, sondern eine Conditio sine qua non dieses historischen
Prozesses. Da dieser Mechanismus überall und zu allen Zeiten am Werk ist,
kann man eine zweite Binsenweisheit formulieren, nämlich die, daß alle empi-
rischen Kulturen Ergebnisse von Wandlungsprozessen sind und sich ihrerseits
durch Kontakte mit anderen Kulturen kontinuierlich weiter wandeln. An die-
sem Wandlungsprozeß sind prinzipiell alle Bereiche einer Kultur beteiligt, und
Veränderungen in einem Bereich können einen Wandel in einem, einigen oder
allen anderen bewirken. Alles, was uns gegenwärtig als spezifisch für eine
Kultur erscheint, war nicht notwendigerweise schon immer ein Charakteristikum
dieser Kultur, sondern möglicherweise einer ganz anderen oder auch gar keiner,
weil es erst im Zusammentreffen zweier oder mehrerer unterschiedlicher Kul-
turen entstand.
Natürlich ist auch die Sprache, die ja der vollkommene Ausdruck der mate-
riellen und geistigen Existenz eines Volkes ist, in allen ihren Aspekten von
Veränderungen durch Kulturkontakt betroffen. Dieser Sprachwandel bedeutet
eine kontinuierliche Anpassung der Darstellungs- und Ausdrucksmöglichkeiten
an die sich verändernde Realität, so daß die Sprache diese Realität immer ad-
324
Cain, Katzen und Affen in Ozeanien
äquat erfaßt und wiedergibt. Dabei besteht zwischen Sprache und Welt oder
Erfahrung eine Wechselwirkung, die Sapir so beschreibt: „Language is not
merely a more or less systematic inventory of the various items of experience
. . . hut is also a self-contained, creative symbolic organization, which not only
refers to experience largely acquired without its help hut actually defines ex-
perience for us hy reason of its formal completeness and because of our un-
conscious projection of its implicit expectations into the field of experience“1.
Inventarcharakter wird man am ehesten dem Vokabular einer Sprache zu-
erkennen, auf das es mir hier besonders ankommt und das Sapir so charakte-
risiert: „It is the vocabulary of a language that most clearly reflects the physical
and social environment of its speakers. The complete vocabulary of a language
may indeed be looked upon as a complex inventory of all the ideas, interests,
and occupations that take up the attention of the community, and were such
a complete thesaurus of the language of a given tribe at our disposal, we might
to a large extent infer the character of the physical environment and the
characteristics of the culture of the people making use of it“2. Daraus ergibt
sich eine dritte Binsenweisheit, nämlich die, daß auch jede empirische Sprache
das Ergebnis eines Wandlungsprozesses ist und sich ständig weiter wandelt. Da-
mit nun aber nicht der Eindruck entsteht, ich habe mir vorgenommen, nur
Binsenweisheiten von mir zu geben, wende ich mich meinem konkreten Thema
zu und lasse in mäeutischer Weise zunächst erst einmal die Katze aus dem Sack.
Während der Arbeit an einem Lexikon der Lehnwörter im Samoanischen
hatte ich mich mit der Einführung fremder, meist europäischer Kulturgüter und
deren Niederschlag im Vokabular der samoanischen Sprache zu beschäftigen.
Ein wichtiger Teil der frühen europäischen Importe nach Ozeanien, speziell
Polynesien und Mikronensien, auf die ich mich im wesentlichen beschränken
will, waren Tiere, vor allem Elaus- und Nutztiere, von denen die Ozeanier in
voreuropäischer Zeit nur Schweine, Hunde und Hühner besaßen. Nach Urban
waren aber auch diese drei Haustiere nicht überall gleichzeitig verbreitet oder
bekannt3. So hatten z. B. die Tonganer zur Zeit der europäischen Kontakt-
nahme keine Hunde4, die Maori und Mangarevaner keine Schweine5 und die
Osterinsulaner nur Hühner6. Auf Pukapuka, Niue, Manihiki und den sog.
1 Sapir, 1931, S. 578.
2 Sapir, 1912, S. 228.
3 Urban, 1961, S. 13 ff.
4 Ibid., S. 18.
5 Ibid., S. 26, 31.
8 Ibid., S. 33.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
325
polynesischen Outliers waren Haustiere sogar gänzlich unbekannt und wurden
erst durch die Europäer eingeführt oder wiedereingeführt'. Allgemein gilt es als
sicher, daß alle drei polynesischen Haustiere und sogar die fast überall vor-
kommende Ratte von den frühen, aber nicht unbedingt ersten Besiedlern dieser
Inseln aus Asien mitgebracht bzw. eingeschleppt wurden7 8, so daß in diesem
Gebiet außer einer Fledermausart kein Landsäugetier unabhängig vom Men-
schen heimisch war oder geworden ist.
Die Aussagen über die Fauna Polynesiens und Mikronesiens sind Legion,
unterscheiden aber häufig nicht zwischen der Situation vor und nach Ankunft
der Europäer und sind keineswegs immer zuverlässig, sondern eher ungenau,
wenn nicht gar unzutreffend. Wilkes schreibt z. B. über Samoa: „There are no
traces among these islands of any native quadruped, nor any other of the mam-
malia, except a species of hat . . . Swine have now become abundant, and the
missionaries have introduced cattle . . . Horses have also been brought to the
islands. The first large quadruped ever seen by these islanders was a mule“9.
Dagegen behauptet Churchward: „With cats, rats, and mice in plenty, a com-
plete list of Samoa’s four-footed occupants is supplied“10 und suggeriert damit
die Bodenständigkeit dieser Tiere. Über Tahiti heißt es bei Bougainville in
deutscher Übersetzung: „Wir haben keine anderen vierfüßigen Tiere bei ihnen
gesehen als Schweine, kleine niedliche Hunde und eine große Menge Ratten“11,
und Radiguet bemerkt über die Marquesas: „Des chèvres, introduites par Porter;
quelques ânes d’importation récente, un grand nombre de porcs, des chiens,
des chats, des rats et des souris, sont les seuls quadrupèdes connus de l’archi-
pel“12. Von Tuvalu berichtet Koch: „In alter Zeit gab es keine Haustiere auf
den Inseln. Schwein, Huhn, Hund und Katze wurden erst im Laufe der letzten
150 Jahre, verschiedentlich von Europäern, eingeführt“1'1. Und zur Situation
in Kiribati stellt er fest: „Auch Hunde (kiri) und Katzen (katama) sind im
Besitz der Gilbert-Leute . . . Diese Haustiere gelten als von Europäern in frühe-
rer Zeit importiert“14.
Ich will die ohnehin eher zufällige Auswahl von Äußerungen über die Ein-
führung oder das Vorkommen von Haustieren auf den Inseln Ozeaniens hier
7 Ibid., S. 20, 36, 159.
8 Ibid., S. 156, 174, 205.
9 Wilkes, 1851, S. 196 f.
10 Churchward, 1887, S. 356.
11 Bougainville, o. J., S. 200.
12 Radiguet, 1929, S. 228.
13 Koch, 1961, S. 58.
14 Koch, 1965, S. 73.
326
Cain, Katzen und Affen in Ozeanien
nicht unnötig vergrößern, sondern verweise stattdessen auf das bei Urban zu-
sammengefaßte Material15. Interessant Ist dabei die Tatsache, daß nur die drei
voreuropäischen Haustiere der Polynesier einer systematischen Behandlung
gewürdigt wurden. Darüber hinaus geben die Quellen auch Aufschluß über die
Einführung von Rindern, Ziegen, Schafen, Pferden, Eseln, Maultieren, euro-
päischen Schweinen und Hunden sowie einigen Geflügelarten16.
Demgegenüber bleibt die Herkunft der Katze in Ozeanien entweder un-
erörtert oder es wird angenommen, sie sei durch Europäer eingeführt worden.
Außer den bereits zitierten Stellungnahmen zu dieser Frage gibt es noch eine
Reihe anderer, in denen die Katze eindeutig als europäischer Import deklariert
wird. So teilt Rivers mit, daß die erste Katze ebenso wie die Papaya von
einem Walfangschiff nach Tikopia gebracht wurde1', und Rollin, der sich auf
Cooks Reise von 1774 bezieht, stellt für die Marquesas lapidar fest: „Potu:
chat. Introduit par Cook“18 19 20 21. Zu Samoa heißt es bei Wegener: „Auch Katzen
sind neuerdings in Samoa eingeführt und zum Teil schon verwildert zu tref-
fen“t9, und Koch erklärt für Tonga: „Die von den Europäern eingeführten
Katzen fanden nur vereinzelt hei den Tonganern Interesse“w oder „Katzen,
die vor längerer Zeit gleichfalls von den Weißen nach dem Archipel gebracht
worden sind, werden nur vereinzelt von Eingeborenen gehalten, um die Vor-
räte vor Mäusen zu schützen. Im Buschland kommen verschiedentlich verwil-
derte Katzen vor“'11. Ebenso eindeutig schreibt Chamisso über Mikronesien:
„Es finden sich auf keiner der Inseln Mikronesiens andere Haustiere, als die,
so die Europäer dahin gebracht. Nach Kadu ist vor langer, langer Zeit ein
großes Schiff auf Mogemug gekommen, welches daselbst Katzen zurückgelassen
hat. Die Art dieser Tiere hat sich von Mogemug aus nach Westen bis Pelli,
nach Osten bis Ulea verbreitet. Sie werden auf diesen Inseln mit dem spani-
schen Namen ,Gato‘ benannt“22. Zwei Mitteilungen, die ich zu diesem Thema
aus Fidschi erhielt, sollen hier nicht fehlen, weil sie zeigen, daß die Frage nach
der Herkunft der Katze in jener Region auch heute noch nicht sicher beant-
wortet werden kann. Paul Geraghty schreibt: „There seems to be no doubt but
that cats are introduced“23, und Fergus Clunie äußert sich zu dem Problem der
15 Urban, 1961, passim.
16 Ibid, S. 205 ff.
17 Rivers, 1914 I, S. 333.
18 Rollin, 1929, S. 50.
19 Wegener, 1903, S. 36.
20 Koch, 1955, S. 168.
21 Ibid., S. 172.
22 Chamisso, 1925, S. 249.
23 Geraghty, Brief vom 20. 9. 1982,
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
327
Katzen und Affen in Ozeanien wie folgt: „Both are almost certainly European
introduced to the area, and no monkey has ever established in the wild here.
Cats were commonly kept aboard ship in the eighteenth and nineteenth
centuries, and monkeys were often kept as pets by sailors. Actual recorded
introduction dates are a problem however, although I am sure the cat was
present at least by the early nineteenth century. Certainly Captain Cook
carried cats aboard his ships and the Tongans were obviously keen to get them
... I can’t recall any early references to cats and monkeys in Fiji . . . Certainly
cats must have established in the early part of the nineteenth century, and were
widespread and feral by mid century“24. Diese Auffassung bestärkt Schütz,
indem er schreibt; „According to Waterhouse’s historians, the trade produced
such items of European origin as ,a quantity of knives and hatchets, a pig . . .,
a pair of geese, a large monkey, and ... a cat‘ . . . But no one recorded the
linguistic effects of these first imports . . . Sometime during 1811 Captain
Richardson collected a word and phrase list of about three hundred items,
. . ,“25. Und aus den sechziger und siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts
berichten Graeffe und Kleinschmidt von z. T. verwilderten Katzen, die von den
Fidschianern gejagt und gegessen wurden'26 27 28.
In einigen Fällen wird nur angemerkt, daß auf bestimmten Inseln Katzen
verkommen, und darüber hinaus angedeutet, daß dies nicht immer so war.
So schreibt Ellis über Tahiti: „Cats are now domesticated in most of the
houses, and appear great favourites with the people“2', oder es werden Hin-
weise wie der folgende über Tongatapu gegeben: „Captain Wilson, in his second
visit, has left us eight goats, three cats, and an English dog, of which the natives
are very fond, . . .“2H.
Ob Katzen nun aber ebenso planmäßig wie andere Tiere von den Europäern
nach Ozeanien eingeführt wurden oder nicht, braucht uns hier nicht über Gebühr
zu beschäftigen. Tatsache ist, daß alle europäischen Schiffe schon wegen der vie-
len Ratten und Mäuse möglichst viele Katzen an Bord hatten, die dann bei den
Landungen auf verschiedenen Inseln entweder entliefen, absichtlich ausgesetzt,
von den Eingeborenen eingetauscht oder gestohlen wurden. So heißt es z. B.,
daß Cook außer einer Reihe anderer Nutztiere auch Katzen in Menge an Bord
hatte, von denen die Tahitier und Tonganer einige stahlen bzw. zu stehlen ver-
24 Clunie, Brief vom 3. 11. 1982.
25 Schütz, 1978, S. 3.
26 Graeffe, 1868, S. 9, 25; 1869, S. 62, 66. Tischner, 1965, S. 374, 379.
27 Ellis, 1969: Polynesia, S. 72.
28 Wilson, 1966, S. 279.
328
Cain, Katzen und Affen in Ozeanien
suchten, und daß spanische Schiffe nach 1774 auf Tahiti Katzen zurückgelassen
hatten, die bei Cooks Besuch im Jahre 1777 bereits verwildert waren29 30. Aber
gleichviel, ob die Aussagen über die Herkunft der Katzen in Ozeanien nun
eindeutig oder interpretierbar sind, mir ist kein Fall aus der ethnographischen
Literatur bekannt, in dem ihre Bodenständigkeit in diesem Gebiet ernsthaft
behauptet wird. Die Tiergeographen von Wallace bis Darlington stellen im Ge-
genteil die Verbreitung von Katzen in der australischen Region, zu der Ozeanien
gehört, in Abrede20.
Nehmen wir also an, die Katze wurde von den Europäern in Ozeanien ein-
geführt. In diesem Fall könnte man erwarten, daß ihre Bezeichnungen in den
einzelnen ozeanischen Sprachen dies widerspiegeln, denn fremde Kulturelemente
erfordern auch Benennungen, die nach bestimmten Regeln und Prinzipien ge-
funden bzw. gebildet werden können.
Hans Fischer hat aufgrund seiner Forschungen in Nordost-Neuguinea Regeln
für die sprachliche Reaktion auf fremde Kulturgüter zusammengestellt, die auch
allgemein anwendbar sind. Sein Katalog umfaßt folgende Möglichkeiten;
„1. Ein bisher unbekanntes Objekt wird mit dem Wort für ein in der eigenen
Kultur bereits vorhandenes bezeichnet. Die Bedeutung des Wortes wird
also ausgeweitet oder (wenn das alte Objekt auf gegeben wird) verändert
und auf das neue übertragen . . .
2. Funktional und formal mit alten Dingen weitgehend übereinstimmende
neue werden ... z.T. nur durch einen differenzierenden Zusatz unter-
schieden, . . .
3. Die Übertragung eines alten Wortes auf eine neue Sache kann auch deutlich
die Einstellung des Sprechers ausdrücken, so etwa bei dem Azera-Wort für
,Pferd1 (gabes), das eigentlich ,üngeheuer‘ bedeutet.
4. Es werden auch neue Wörter aus dem Material der eigenen Sprache gebil-
det . . . Bright {1932) unterscheidet zwischen Ableitungen, Zusammen-
setzungen und deskriptiven Neubildungen, . . .
3. Nur ein Beispiel konnte . . . für die von Haugen so genannten ,loan
translations‘ gefunden werden.
6. Theoretisch bestünde noch die Möglichkeit, als Reaktion auf ein neues Ob-
jekt ein völlig neues Wort zu bilden . . .“31
29 Förster, 1781, S. 20. Zimmermann, 1781, S. 12. Cook/King, 1784 I, S. 22, 26, 358.
Bcaglehole, 1967, S. 108 Anm. 3, 133 Anm. 2, 973, 1040, 1371. Vgl. Urban, 1961,
S. 208.
30 Wallace, 1876 II, S. 218 f. Darlington, 1957, S. 397 f.
31 Fischer, 1962, S. 28 f.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
329
Eine ganz ähnliche Liste sprachlicher Reaktionsmöglichkeiten auf fremde
Kulturelemente ist die folgende von Ulrike Mosel:
„1. derivations from already existent wordstems,
2. circumlocutions,
3. extension of old designatives to imported objects or concepts,
4. onomatopoetica for objects that are characterized by a particular sound,
5. loanwordsit32.
Beginnen wir mit der zuletzt genannten Möglichkeit, dem Lehnwort. Die im
Pazifik wohl verbreitetste Bezeichnung für Katze ist pusi und damit verwandte
Formen. Pusi erscheint in Samoa'5'5, Tonga'54, Rotuma3”, Niue"1’ und Fidschi'57.
Möglicherweise ist pusi im Fidschianischen ein polynesisches Lehnwort, denn die
in Lidschi gebräuchliche Lorm ist vusi38. Auf Palau ist eine der beiden Bezeich-
nungen für die Katze bus, das ebenfalls aus dem Englischen stammt und etymo-
logisch zweifellos mit dem polynesischen pusi identisch ist'5”.
Obgleich in keinem der mir verfügbaren Wörterbücher erwähnt, scheint die
Etymologie des Maori-Wortes poti für Katze mit der von pusi übereinzustim-
men; jedenfalls zählt es Williams zu den Lehnwörtern aus nichtpolynesischen
Sprachen, ohne jedoch die Ursprungssprache zu nennen1". Soweit sich Autoren
überhaupt zur Etymologie des Wortes pusi äußern, führen sie es vorwiegend
auf das englische pussy zurück41. Milner ist der einzige, der diese Lrage offen
läßt42, und Krämer sagt wörtlich: „Pusi Katze, wie die Muränen pusi mit den
Schnauzbärten . . ,“43, womit er den Terminus für Katze anscheinend auf die
Ähnlichkeit ihrer Physiognomie mit der der Muräne zurückführt und für
autochthon hält.
:!2 Mosel, 1979, S. 11 f.
33 Pratt, 1862, S. 222; 1878, S. 49, 376; 1911, S. 28; 1960, S. 28. Violette, 1879,
S. 115, 221, 362. Sierich, 1890, S. 24. Funk, 1893, S. 46. Neffgen, 1902, S. 90,
125, 145; 1918, S. 104, 139, 155. Newell, 1905, S. 28. Stair, 1897, S. 187. Krämer,
1902/3 II, S. 432 f. Marsack, 1962, S. 177. Milner, 1966, S. 194, 341.
34 Churchward, 1959, S. 424, 601.
35 Churchward, 1940, S. 291.
36 McEwen, 1970, S. 289.
37 Capell, 1957, S. 188. Schütz, 1978, S. 6.
38 Capell, 1957, S. 188, 321.
39 McManus, 1977, S. 29, 357.
40 Biggs, 1966, S. 34. Williams, 1971, appendix.
41 Capell, 1957, S. 188, 321. Marsack, 1962, S. 177.
42 Milner, 1966, S. 194, 341.
43 Krämer, 1902/3 II, S. 432.
330
Cain, Katzen und Affen in Ozeanien
Unklar ist der Ursprung des hawaiianischen pöpoki. Nach Pukui und Elbert
ist es „said to he derived from Eng. ,poor pussyccc44, aber Andrews behauptet:
„Pöpoki applies to that which is short and thick; and a cat is so called from its
plump, short, thick head“4o und definiert es adjektivisch als „short and thick in
Opposition to lang and slender“4<i. Einige andere Autoren geben pöpoki ohne
jeden Kommentar mit Katze wieder44 45 * 47. Die Bezeichnung pöpoki wäre demnach
entweder ein Lehnwort aus dem Englischen oder ein deskriptiver Terminus aus
der hawaiianischen Sprache selbst.
Es ist interessant, daß bei den bisher behandelten direkten Entlehnungen aus
dem Englischen immer die Koseform pussy als Etymon diente, nie aber das nor-
male Nomen cat. Das zeigt m. E., daß das Wort aus der gesprochenen Sprache
und bereits sehr früh übernommen wurde, als die englischen Sprachkenntnisse
der Eingeborenen noch sehr begrenzt waren. Eine Ausnahme könnte die zweite
Bezeichnung für Katze auf Palau, katüu, sein, die nach McManus ebenso wie hus
aus dem Englischen abgeleitet sein soll48. Andererseits hat der spanische Einfluß
in dieser Region sehr viel früher eingesetzt als der englische, so daß eine Ab-
leitung der Form katuu von dem spanischen gato, das nach Chamisso dort die
übliche Bezeichnung für Katze war49 50 51, sehr viel wahrscheinlicher ist.
Eine zweite Gruppe ozeanischer Bezeichnungen für Katze sind onomatopoeti-
sche Wörter, die sich außer vielleicht in einem Fall auf die Stimme der Katze
beziehen. Die einzige Ausnahme scheint auf den Marquesas vorzukommen, wo
die Katze potu genannt wird, was eigentlich „hruit produit dans les intestins“
oder „borborygmes“ bedeutet’" und anscheinend wegen der Ähnlichkeit Ihres
Schnurrens auf die Katze übertragen wurde.
In Hawaii heißt Katze außer pöpoki auch ’oau oder 5owau, was tatsächlich
miauen bedeutet. Bei Pukui und Elbert heißt es dazu: „a cat, so called because
of its cry“, „to mew‘‘o1.
In den austronesischen Sprachen Formosas oder Taiwans, dem Proto-Tsou
und den daraus hervorgegangenen Sprachen Tsou, Kanakanavu (Kanakanabu)
44 Pukui/Elbert, 1957, S. 316; 1964, S. 23.
45 Andrews, 1974, S. 484.
4(i Ibld.
47 Judd, 1939, S. 114. Hitchcock, 1968, S. 40.
48 McManus, 1977, S. 99, 357.
451 Chamisso, 1925, S. 249.
50 Rollin, 1929, S. 50. Dordillon, 1931, S. 336 f.; 1932, S. 90.
51 Pukui/Elbert, 1957, S. 253, 271; 1964, S. 23, 96. Vgl. Judd, 1939, S. 111. Hitch-
cock, 1968, S. 40. Andrews, 1974, S. 524.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
331
und Saaroa heißt die Katze onomatopoetisch rjiau52 *, ein Wort, das in vielen
polynesischen Sprachen in unterschiedlicher Form vorkommt und miauen be-
deutet03. Ebenso wie auf Taiwan bezeichnet dieses Wort in unterschiedlicher
Form auf verschiedenen Inseln der Cook-Gruppe die Katze selbst. Nach Fuentes
soll sie z. B. auf Mangaia auch kiao und auf Aitutaki r/iao heißen54 55 * 57.
Eine nach Tregear moderne Maori-Bezeichnung für die Katze ist tori, ein
Wort, dessen adjektivische Bedeutungen „strenuous, energetic, husy, hustling“'"'
deskriptiv für die Eigenschaften von Katzen sind.
Ebenfalls auf eine charakteristische Eigenschaft oder Verhaltensweise der Katze
scheint sich die dritte Maori-Bezeichnung, ngeru, zu beziehen. Tregears Vermu-
tung, sie sei „perhaps a modern or foreign word“5fi, trifft sicher nicht zu, wie
ich noch zu zeigen versuchen werde. Sehr wenig überzeugend erscheint auch der
von ihm postulierte semantische Zusammenhang mit den Maori-Wörtern ngeru
oder ngerungeru in der Bedeutung „fat“ und den hawaiianischen Wörtern nein,
nenelu oder nelunelu in den Bedeutungen „flahhy fat“, „soft plumpness“ bzw.
„fat, fleshy, full fed, plump“5T. Obgleich eine derartige Interpretation von ngeru
der des hawaiianischen Wortes pöpoki durch Andrews nahe käme, können doch
alle diese Eigenschaften kaum als charakteristisch für Katzen gelten. Viel realisti-
scher wären m. E. die Bedeutungen „sleek“ im Maori58 und „springy“ im Ha-
waiianischen59. Am überzeugendsten erscheint indessen prima vista die Erklä-
rung von ngeru durch die für Katzen typischen Verhaltensweisen, wie sie in
phonologisch ganz ähnlichen, Verwandtschaft suggerierenden Wörtern fast überall
in Polynesien zum Ausdruck kommen, von den Maori aber anscheinend nicht
oder nicht mehr mit dem Wort ngeru assoziiert werden. So geht Tregear davon
aus, daß ngeru mit dem tahitischen ’eru, das er mit „scratch“ wiedergibt, ver-
wandt ist60. Diese Annahme erweist sich allerdings bei näherer Betrachtung als
52 Jen-Kuei Li, 1972, S. 21.
33 Englert, 1938, S. 88. Fuentes, 1960, S. 185, 271, 503, 993 „niau“. Newell, 1905,
S. 92; Pratt, 1960, S. 92. Fuentes, 1960, S. 241 „gau“. Jaussen, 1949, S. 377 „niao“.
Savage, 1962, S. 195. Strickland, 1979, S. 36 „ngiao“. Savage, 1962, S. 123 „iao“.
Pukui/Elbert, 1964, S. 96 „niao“. Dordillon, 1931, S. 191; 1932, S. 331 „inao, inau“.
Churchward, 1940, S. 209 f., 291 „gäne, giava“. Churchward, 1959, S. 387, 707
„ngau, miau“. Capell, 1957, S. 338, 413 „yaso“.
54 Fuentes, 1960, S. 241. Vgl. Savage, 1962, S. 103.
55 Tregear, 1891, S. 534. Biggs, 1966, S. 34. Williams, 1971, S. 438.
so Xregear, 1891, S. 283.
57 Ibid. Pukui/Elbert, 1957, S. 244. Andrews, 1974, S. 416.
58 Williams, 1971, S. 233 und appendix.
59 Pukui/Elbert, 1957, S. 244.
60 Tregear, 1891, S. 283.
332
Cain, Katzen und Affen in Ozeanien
Irrtum. Zwar haben die tahitischen Wörter ’eru, heru oder beruhtem und ihre
zahlreichen polynesischen Entsprechungen Bedeutungen wie „creuser“, „gratter“,
„dig“, „scratch“, „rake“ oder „comb“61, die die Aktivitäten oder das Verhalten
von Katzen z. T. sehr treffend beschreiben, aber kaum etwas mit ngeru, dafür
um so mehr mit dem Maori wort „heru“ in den Bedeutungen „comb, dress with a
comb“62 63 zu tun haben.
Eine Klärung von ngeru erscheint dennoch möglich, denn auf der Osterinsel
ist tjeu, vielleicht auch *ye’u synonym mit niau in der Bedeutung „to mew“6S
und weist — wenn man eine Verwandtschaft der Termini unterstellt — auf den
ursprünglich onomatopoetischen Charakter von ngeru für Katze bei den Maori
hin. Daß es sich bei yeu nicht um ein neues Wort handelt, wie Fuentes meint,
ergibt sich aus seiner direkten Ableitbarkeit von dem UAN *\‘]ijuy, das Demp-
wolff mit „Katzenstimme“ wiedergibt und das in verschiedenen Varianten in der
Bedeutung miauen in indonesischen und philippinischen Sprachen vorkommt64.
Die malaiische Form yeuy bzw. ngeong ist ebenso synonym mit ngiau wie
yeu und niau auf der Osterinsel6'1.
Damit scheint mir bewiesen zu sein, daß yeu auf der Osterinsel ein altes Wort
ist und daß auch die Maori-Bezeichnung ngeru weder ein modernes noch ein
fremdes Wort sein muß, sondern durchaus ein alter onomatopoetischer Terminus
für Katze sein kann. Es wäre dies formal und funktional eine Parallele zu dem
weiter oben behandelten Wort yiau und seinen polynesischen Varianten66 *.
Einen sehr interessanten Hinweis auf den generischen Charakter bzw. den un-
spezifischen Gebrauch von Tierbezeichnungen in austronesischen Sprachen ver-
danke ich Hans Fischer, der mir die Wörter für Hund in einigen austronesischen
Sprachen Nordost-Neuguineas mitteilte. In verschiedenen Dialekten am unteren
Watut River heißt Hund kiyum, kiyim, iyam, kiyam, im Wampar idzum, im
Azera iyam und im Tabu iyau‘. Für die Derivation dieser Bezeichnungen aus
dem UAN gibt es zwei Möglichkeiten, entweder von *‘ajam in der Bedeutung
61 Andrews, 1944, S. 31, 59, 239. Jaussen, 1949, S. 126, 139, 279, 341. Savage, 1962,
S. 64. Churchward, 1959, S. 219. Stimson, 1964, S. 133. Pukui/Elbert, 1957, S. 61;
1964, S. 135. Judd, 1939, S. 181. Andrews, 1974, S. 157.
82 Williams, 1971, S. 46.
63 Fuentes, 1960, S. 185, 503, 993.
84 Dempwolff, 1934, S. 82 f., 86 f.; 1937, S. 21 f., 61; 1938, S. 67. Vgl. Karow/
Hilgers-Hesse, 1962, S. 259.
85 Wilkinson, 1959 II, S. 804.
88 Vgl. oben und Anm. 54.
87 Fischer, Brief vom 22. 1. 1983; vgl. Fischer, 1963, S. 251; 1966, S. 882.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
333
„Zahmsein“6*, für die sich Fischer entschieden hat, oder von *[‘]ijur), die mir
ebenso realistisch erscheint68 69 70 71 72. Orientiert man sich strikt an Dempwolffs Regeln
für den Lautwandel, so sind beide Ableitungen nicht unproblematisch, denn nach
diesen Regeln gibt es keinen Wandel von a nach i oder u und von u nach a
oder i. Möglicherweise handelt es sich dabei aber nur um Scheinprobleme, die
darauf beruhen, daß Dempwolff bei seinen Rekonstruktionen nur eine relativ
begrenzte Zahl austronesischer Sprachen berücksichtigt hat.
Außer den bisher behandelten Arten der Bezeichnung für die Katze war in
Polynesien auch die Übertragung einheimischer Tiernamen üblich, die teilweise
mit charakterisierenden Epitheta versehen wurden. Die drei vorhandenen poly-
nesischen Bezeichnungen für Landsäugetiere, die auch auf alle neu eingeführten
europäischen Säugetiere übertragen wurden, waren die für Schwein, Fiund und
Ratte. Ein frühes Beispiel für solche Übertragungen gibt der Missionar Williams,
der selbst eine Reihe europäischer Flaustiere nach Rarotonga einführte und von
dessen Bewohnern sagt: „Like their brethren of the Tahitian islands, they called
them all pigs. The horse was e huaka apa tangata, the great pig that carries the
man; the dog they called e huaka aoa, or the harking pig; and the ass, e huaka
turituri, or the noisy pig. This last, however, was honoured with another name,
which was, e huaka taringa roa, or the long-eared pigAbgesehen von den in
diesen Beispielen enthaltenen Hörfehlern und Übersetzerfreiheiten, sind diese
und ähnliche Bezeichnungen noch heute gebräuchlich. Savage schreibt: „puaka n.
a general term for quadrupeds: hyphenated with the appropriate attributes,
denotes a particular animal, puaka-aoa n. literally, an animal that harks;
denotes, a dog . . . puakanio n. literally, an animal that has horns: denotes, goat,
puaka-oro-enua n. literally, an animal that runs over the land: denotes, a horse
. . . puaka-toro n. literally, an animal that walks about: denotes, cattle“11.
In gleicher Weise wurde mit der Katze verfahren. Auf der Osterinsel, auf der
der polynesische Hund unbekannt, die Bezeichnung dafür aber bekannt war,
heißt Katze kun, und Fuentes Kommentar lautet: „It seems that in old times
the word kurl was used to designate the dog, as it still happens in other islands
in the Pacific, later it was substituted by the word paiheija thus leaving kurl to
designate only the cat“1'2.
68 Dempwolff, 1934, S. 56 f.; 1937, S. 22; 1938, S. 13.
69 Dempwolff, 1934, S. 82 f., 86 f.; 1937, S. 21 f., 61; 1938, S. 67.
70 Williams, 1846, S. 350.
71 Savage, 1962, S. 269 f. Vgl. Strickland, 1979, S. 37, 40.
72 Fuentes, 1960, S. 241, 908. Englert, 1938, S. 73.
334
Cain, Katzen und Affen in Ozeanien
Mit der Erörterung des Begriffes kurl und seinen polynesischen Abwandlungen
beginnt man am besten auf den Cook-Inseln, weil dessen generischer Charakter
dort besonders deutlich hervorgehoben wird. Savage definiert: „kuri n. dog:
a name applied to any quadruped“ und registriert dann: „kuri-iao n. literally
means, a quadruped that mews, i. e., the cat‘“'\
Auf den Gesellschaftsinseln heißt ’urii u. a. zunächst Hund, aber Andrews
definiert es darüber hinaus als „a generic name for small mammals“ '4. Zur Be-
zeichnung der Katze wird dieses Wort mit Erläuterungen versehen, die entweder
ihr Verhalten oder ihre Funktion charakterisieren. Nach ihrem typischen Ver-
halten wird sie als ’uripi’ifare, d. h. wörtlich „dog, climhs house“ oder nach
ihrer Funktion als Vernichterin der Ratten als ’uri’iore, d. h. „Rattenhund“ be-
zeichnet73 74 75 76. Ebenso wie in einigen Sprachen das Wort für miauen, so wird auch
hier das Epitheton pi’ifare, das aus pi’i „to climh“ und fare „house“ besteht,
allein benutzt77, und auf den benachbarten Tuamotu-Inseln scheint die Ent-
sprechung pikiafare oder pikiahare überhaupt die einzige Bezeichnung für Katze
zu sein78.
Das Wort für Ratte, das auf Tahiti als Bestimmungswort des Kompositums
’uri’iore erscheint, ist auf den Cook-Inseln das Grundwort des ebenfalls für die
Katze gebräuchlichen Kompositums kiore-niao. Kiore definiert Savage als „gen-
eral name of the rat or an animal of that description“ und kiore-niao wörtlich
als „a rat that mews, meaning the cat“79.
In dem bis hierher präsentierten Material wird die Katze in keinem einzigen
Fall expressis verbis für autochthon erklärt, sondern meist eindeutig als europä-
ischer Import angesehen, wenn ihr Vorhandensein nicht überhaupt kommentarlos
registriert wird. Auch die Analyse ihrer ozeanischen Bezeichnungen spricht sehr
stark für einen rezenten Import der Katze durch die Europäer, denn alle bisher
erörterten Termini sind entweder Lehnwörter, Onomatopoetika, Circumloku-
tionen oder Übertragungen autochthoner Bezeichnungen für Landsäugetiere, die
mit oder ohne Deskriptiva bzw. Determinativa benutzt werden.
Umso erstaunlicher ist nun die folgende Bemerkung in einem von dem Missio-
nar Thomas Powell bereits im vorigen Jahrhundert in samoanischer Sprache ver-
73 Savage, 1962, S. 123.
74 Andrews, 1944, S. 187. Jaussen, 1949, S. 213.
75 Andrews, 1944, S. 187.
76 Ibid., S. 187, 204.
77 Ibid., S. 120. Jaussen, 1949, S. 168, 261.
78 Stimson, 1964, S. 385.
79 Savage, 1962, S. 105, 195. Vgl. Strickland, 1979, S. 36.
335
ßaessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
faßten Kompendium der Zoologie. In meiner eigenen Übersetzung heißt es dort:
„Die Katze ist allen Samoanern wohlbekannt gewesen. Vielleicht wurden einige
Katzen von den Samoanern mitgehracht, die aus Asien zuerst in dieses Land ka-
men. (Es ist) nur nicht genau bekannt. Es wäre gut, die alten Leute zu fragen,
{seit) wann dieses Tier in Samoa ist“80.
Drei Dinge sind an dieser Äußerung bemerkenswert: einmal die Behauptung
des Autors, daß Katzen in Samoa schon sehr früh allgemein bekannt waren, zum
anderen, daß er ihre Einführung aus Asien durch die ersten polynesischen Ein-
wanderer suggeriert und schließlich die Bezeichnung gose, die bisher noch in kei-
nem Gebiet in irgendeiner Variante aufgetaucht, ihrer Form nach aber allem An-
schein nach original samoanisch ist. Der Versuch, sich über diesen Begriff Auf-
schluß zu verschaffen, führt m. E. zu neuen Erkenntnissen hinsichtlich der vor-
europäischen ozeanischen Landfauna.
Die samoanischen Wörterbücher geben gose, soweit sie es überhaupt verzeich-
nen, mit „cat“ wieder und erklären es zu einem Synonym von geli8'. Beide Wör-
ter werden Ihrerseits als Synonyma des offenbar rezenteren Lehnwortes pusi be-
zeichnet, das die beiden anderen inzwischen verdrängt hat. Wir haben damit in
Samoa drei Wörter für Katze, von denen das eine eine rezente Entlehnung aus
dem Englischen ist, die beiden anderen aber anscheinend ältere einheimische Be-
griffe sind.
Außer in den Lexika werden gose und geli in der Samoaliteratur nur noch von
Stair und Krämer erwähnt. Bei Stair heißt es: „The cat, Ngosi, or Ngeli, was
also known as pusi, and largely domesticated, being found in most houses. These
animals have also become wild in great numbers, and prove most destructive to
many kinds of birds, . . . “82 Und Krämer, der sich auf Pratt bezieht, hält die
Katze für Importiert und verzeichnet gose, geli und pusi als alternative Benen-
nungen83. Auffällig ist die unterschiedliche Schreibung des Wortes gose durch
Stair, wobei ich mich nicht auf die phonetische Schreibung ng statt g, sondern auf
das auslautende i beziehe, das unter Umständen nicht ohne Bedeutung ist. Insge-
samt erscheint es mir sehr merkwürdig, daß die Begriffe gose und geli von allen
80 Powell, 1886, S. 294 f.; vgl. das samoanische Original „Ua lau iloa e Samoa uma le
gose. Atonu na au mai ni gose e alii Samoa na muamua mai i le atunuu nei nai
Asia; na ona le iloa lelei. E lelei ona fesili i alii matutua pe na faatoa iloa anafea i
Samoa nei lea manu.“
81 Pratt, 1862, S. 29, 127; 1878, S. 49, 211 f.; 1911, S. 151 f.; 1960, S. 28, 162.
Newell, 1905, S. 28. Violette, 1879, S. 114 E, 221.
82 Stair, 1897, S. 187 f.
83 Krämer, 1902/3 II, S. 432 f.
22 Baessler-Archiv XXX
336
Cain, Katzen und Affen in Ozeanien
Autoren ganz selbstverständlich und völlig kommentarlos zur Kenntnis genom-
men werden, obgleich es doch mehr als ungewöhnlich erscheint, daß semantisch
mit keinem anderen Wort verwandte autochthone Termini ein Objekt bezeich-
nen, das den Samoanern mindestens bis zur Ankunft der ersten Europäer völlig
unbekannt gewesen sein soll. Da eine Klärung der beiden Begriffe aufgrund des
samoanischen Materials allein unmöglich ist, müssen wir sie mit Hilfe der Be-
funde auf den benachbarten Inselgruppen versuchen und beginnen mit gose.
In Tonga, wo für Katze nur pusi verzeichnet Ist, gibt es ein möglicherweise
verwandtes Verb, nämlich ngohe, ngonghohe oder ngohengohe in der Bedeutung
„to speak in an affectedly soft or mild or affectionate or sorrowful manner“SA.
Da das tonganische h häufig dem samoanischen s entspricht, wären gose und
ngohe formal identisch. Schwierig ist es allerdings, einen semantischen Zusam-
menhang zwischen beiden herzustellen, es sei denn, man sähe eine Ähnlichkeit
zwischen der Bedeutung von ngohe und der Art der akustischen Äußerung von
Katzen. Ngose wäre in diesem Fall eine ursprünglich onomatopoetische Bezeich-
nung, eine Möglichkeit, die jedoch weniger real als an den Haaren herbeigezogen
erscheint.
Der einzige Ansatzpunkt für eine plausible Erklärung des Begriffes gose
scheint sich in Fidschi zu bieten. In einer von Joseph W. Osborn kompilierten
fidschianischen Wortliste von 1833 erscheint das orthographisch völlig verball-
hornte Wort coos in der Bedeutung „cat“, das von Geraghty mit dem realen
fidschianischen Wort kosi mit derselben Bedeutung assoziiert wirds,>. In einer
persönlichen Mitteilung äußert er sich zu gose folgendermaßen: „I know of no
sure cognates, hut there is a similar-looking word for ,catc in Fiji, kosi, which is
widespread throughout NW + NE Vitilevu, Western V anualevu, and Kadavu.
Blust {1970) reconstructs Proto Austronesian 'rku{C + T)iy, hut I don’t know on
what evidence“84 85 86.
Während in allen bisher zitierten Aussagen über die Katze in Fidschi deren
Import durch die Europäer entweder expressis verbis bzw. impllcite postuliert
oder ihr Vorkommen einfach konstatiert wurde, blieb der von Geraghty ge-
nannte Name kosi unerwähnt. Seine Erklärung scheint aufgrund des fidschiani-
schen Materials allein nicht möglich zu sein, und auch ein Vergleich mit phono-
logisch identischen Wörtern in anderen polynesischen Sprachen führt nicht weiter.
Nur das Tonganische kennt zwei gleichlautende, aber semantisch verschiedene
84 Churchward, 1959, S. 390.
85 Geraghty, 1978, S. 63, 65.
80 Geraghty, Brief vom 20.9.1982. Vgl. Wurm/Wilson, 1975, S. 31. Blusts Arbeiten
von 1970 und 1971 standen mir leider nicht zur Verfügung.
337
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
Wörter, von denen das eine „to cut“ bedeutet und das andere ein Lehnwort aus
dem Englischen mit der Bedeutung „goat“ ist8'. So erscheint die Rekonstruktion
der proto-austronesischen Wurzel :'rku{C +T)itj bzw. die Derivation des fidschi-
anischen kosi von dieser Wurzel durch Blust die wahrscheinlichste Erklärung
dieses Begriffes zu sein. Das würde bedeuten, daß das fidschianische kosi und das
samoanische gosi oder gose ebenso wie ngeru bei den Maori in der Tat autoch-
thone Bezeichnungen für die Katze oder eine Art Katze sind. Es muß dagegen
nicht heißen, daß in den betreffenden Gebieten zur Zeit ihrer Entdeckung durch
die Europäer tatsächlich auch Katzen vorkamen, sondern nur, daß die dort
lebenden Völker aus ihrer Vergangenheit eine lebendige Erinnerung an Katzen
hatten oder sie wenigstens aus anderen Gegenden so gut kannten, daß sie eigene
Bezeichnungen dafür besaßen. Das einzige weitere mit den fidschianischen und
samoanischen Termini verwandte Wort für Katze in einer der modernen ozea-
nischen Sprachen scheint die Bezeichnung kuuj auf den Marshall-Inseln zu sein87 88 89.
Daran ändert auch nichts das Vorhandensein des Maori-Wortes ngohe in den
Bedeutungen „supple, soft“, „quivering“, „pliable“, „lithe, active“, „easy,
agreeable“ (Williams, 1971, S. 234), die für die Eigenschaften von Katzen sehr
treffend sind, schließlich aber auch dem fidschianischen kosi zugrunde liegen
könnten. Wenn man unterstellt, daß Blusts Rekonstruktion der proto-austrone-
sischen Form *ku(C + T)iij als Etymon des fidschianischen kosi korrekt ist, dann
kann auch an der Verwandtschaft der drei ozeanischen Begriffe mit dem malai-
ischen kuching bzw. kutjing89 kein ernsthafter Zweifel bestehen. Es dürfte damit
also klar sein, daß den Fidschianern ebenso wie anderen Ozeaniern in voreuropä-
ischer Zeit Katzen bekannt waren, auch wenn sie zur Zeit der Entdeckung dieser
Gebiete durch die Europäer nirgends mehr vorkamen. Wenn Urban sagt,
daß die Polynesier ihre aus Südostasien stammenden Haustiere z. T. „verloren“
und später über Fidschi und Samoa wiederbekamen90, so könnte die Katze
durchaus eines dieser Haustiere gewesen sein, das sie indessen nicht zurückerhiel-
ten. Gegenüber dem fidschianischen Wort kosi stellt das samoanische gosi, oder
häufiger gose, zweifellos eine Weiterentwicklung dar, so daß der von Urban
postulierte Weg der polynesischen Haustiere von Fidschi nach Samoa auch durch
die Sprache an Wahrscheinlichkeit gewinnt.
Es bleibt nun noch die Klärung des dritten samoanischen Terminus für Katze,
geli, übrig. Auch dazu müssen wir die Sprachen der Samoa benachbarten Archi-
87 Churchward, 1959, S. 272.
88 Abo u. a., 1976, S. 370.
89 Wilkinson, 1959 I, S. 617. Karow/Hilgers-Hesse, 1962, S. 192. Pino/Wittermans,
1966 I, S. 55; II,„S. 82.
90 Urban, 1961, S. 192, 199, 205.
22*
338
Cain, Katzen und Affen in Ozeanien
pele zu Hilfe nehmen. Capell registriert gell im Fidschianischen als „monkey“,
fügt aber hinzu: „old word, now maqe {Eng.) is used“91, In derselben Bedeu-
tung, aber ohne den Zusatz, daß es obsolet sei, erscheint ngeli in Churchwards
tonganischem Wörterbuch92. Tregear irrt, wenn er das fidschianische und samoa-
nische geli und das tonganische ngeli mit dem weiter oben bereits erörterten
Maori-Wort ngeru in Zusammenhang bringt93.
Eine Zusammenstellung der Bezeichnungen für Affen, die weder in Polynesien
noch in Mikronesien freilebend Vorkommen, zeigt entweder Lehnwörter aus dem
Englischen oder Komposita aus einheimischen Sprachelementen. Das moderne
fidschianische Wort für Affe, maqe, habe ich bereits erwähnt. Eine ähnliche Form
hat es nur noch auf den Marquesas, wo es make lautet94, und auf den Marshall-
Inseln, wo es manke heißt, gleichzeitig aber auch in den adjektivischen Bedeu-
tungen „naked, nude, bare, shirtless“ gebraucht wird9'1 * 97 98.
Aus demselben Etymon entstanden in Samoa und Hawaii völlig andere Lehn-
formen. Abgesehen von den durch Powell in das Samoanische eingeführten zoolo-
gischen Fachtermini papuna vom englischen „hahoon“, lemnra vom englischen
„lemur“ und ’ape vom englischen „ape“9(i, die hier außer acht bleiben können,
wurde im vorigen Jahrhundert zunächst die Form manikl oder nach der als
korrekter empfundenen Aussprache manitl gebildet9', die inzwischen jedoch nur
noch von historischem Interesse ist. Die einzige heute in Samoa gebräuchliche
Form dieses Lehnwortes ist mannkl9H.
Die hawaiianische Form desselben englischen Wortes ist mäkinikä. Neben
„monkey“ bedeutet dieser Terminus auch noch „ugly person“, „ugly“ und ist im
Jargon hawaiianischer Walfänger eine despektierliche Bezeichnung für Eskimo99 100.
Auf Tahiti und der Osterinsel werden Affen dagegen mit dem Kompositum
’urita’ata bzw. ’uri-ta’ata bezeichnet, das für die Osterinsel ausdrücklich als
Lehnwort aus dem Tahitischen vermerkt wird und aus den Komponenten ’url,
Hund, und ta’ata, Mensch, besteht190. Aus den von Beaglehole veröffentlichten
91 Capell, 1957, S. 81, 160, 415.
92 Churchward, 1959, S. 389, 710.
93 Tregear, 1891, S. 283.
94 Dordillon, 1931, S. 251; 1932, S. 488.
95 Abo u. a., 1976, S. 213, 406.
98 Powell, 1886, S. 311.
97 Ibid. Sierich, 1890, S. 7.
98 Milner, 1966, S. 130, 400.
99 Pukui/Elbert, 1957, S. 212; 1964, S. 98.
100 Andrews, 1944, S. 187, 228. Jaussen, 1949, S. 213, 442. Fuentes, 1960, S. 354, 509,
878, 889, 995.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
339
Tagebüchern der Entdeckungsreisen Cooks geht hervor, daß Omai, der Schütz-
ling Cooks, bei seiner Rückkehr einen Affen mit nach Tahiti nahm. In einer
Tagebucheintragung Blighs heißt es dazu: „Omai had a monkey with him which
created great mirth among the Natives, they called it Oroo Tata or Hairy
Man“101. Bei der Bezeichnung oroo tata handelt es sich um eine der in jener Zeit
häufigen Verballhornungen polynesischer Wörter, nämlich von huru ta’ata,
huruhuru ta’ata oder auch rouru ta’ata, einer Bildung aus huru oder huruhuru =
„hair, feathers, wool“, „für“102 * bzw. rouru = „hair of the headtcl0,! und ta’ata,
Mensch.
Eine weitere autochthone, aber nach Judd moderne Bezeichnung für Affe ist
das hawaiianische Wort keko, zu dem es bei Pukui und Elbert heißt, es sei
„said to he an ancient name for a small and ugly creature, especially with a pug
nose“ und das nach Andrews ursprünglich „a little short man“ bezeichnete104.
Damit ist es klar, daß keko zunächst einen kleinwüchsigen, häßlichen und da-
durch stigmatisierten Menschen meinte und dann auf den Affen übertragen
wurde.
Alle diese Bezeichnungen tragen jedoch absolut nichts zur Klärung der Begriffe
geh in Fidschi und ngeli in Tonga bei. Auch das tonganische Verb und Adjektiv
ngeli bzw. ngengeli in der Bedeutung „eating almost anything that comes along,
esp. green fruit“105 106, von dem man annehmen könnte, es beschreibe ein für Affen
nicht ganz unübliches Verhalten, hilft aufgrund seiner formalen Ähnlichkeit
nicht weiter.
Den entscheidenden Hinweis auf eine mögliche Lösung des Problems verdanke
ich Paul Geraghty, der mir zu geli mitteilte: „In Fiji, it is apparently syno-
nymous with veli (hut prohahly with a different geographical distribution)
meaning ,hairy human-like creature believed to live in the forest' ... a possible
cognate is Maori ngeri ,look fierce or savage; rhythmic chant with actions'.
I suspect this term was applied to monkeys, who fit the description fairly well.
. . . This could well have been borrowed into Tongan. How it came to mean
,cat' in Samoan is your problem, but 1 would tend to suspect lexicographical
error, unless you have supporting evidence from other than Pratt“100. Die Fid-
schi betreffende Bemerkung bestätigt Brewster folgendermaßen; „About Suva
101 Beaglehole, 1967, S. 242 Anm. 1.
102 Andrews, 1944, S. 68, 220. Jaussen, 1949, S. 143, 261, 404.
503 Andrews, 1944, S. 142, 220. Jaussen, 1949, 181, 261.
104 Judd, 1939, S. 100. Pukui/Elbert, 1957, S. 132; 1964, S. 98. Hitchcock, 1968, S. 137.
Andrews, 1974, S. 268.
105 Churchward, 1959, S. 389.
106 Geraghty, Brief vom 20. 9. 1982.
340
Cain, Katzen und Affen in Ozeanien
monkeys were called eng-eli, which is also the local name for the Veil or
fairies. When they saw a monkey for the first time they at once said it was akin
to their woodland sprites"107 108 109. Abgesehen von der absurden Schreibweise eng-eli
statt geli, wird Geraghtys Vermutung dadurch voll bestätigt. Nach Capell be-
deutet Veli zunächst „a curl" oder als Adjektiv „curly, of hair or a pig’s tail",
dann aber auch „a kind of fairy or gnome, said to he found in the mountains of
Viti Levu; it has long hair and is smaller than a man"10s. Bei Brewster findet sich
die folgende ausführliche Beschreibung der Veli: „The natives of my time used
to maintain that the forests and waste spaces were still inhabited by a dwarf or
pygmy people, . . . handsome little folk with large fuzzy mops of hair, . . .
These little sylvan creatures were called Veli . . . They loved the woods, the
open grasslands and the sparkling brooks, and dwelled in hollow trees, caves
and dugouts. They had their own bananas, kava and other wild plants from
which the varieties now in cultivation have been evolved ... It may be, too,
that the Veli are also a misty memory of the former inhabitants of Viti"100.
Etwas später assoziiert er diese Zwerge wie Williams, der allerdings den Namen
Veli nicht nennt, mit Poesie, Musik und Tanz110. Schließlich sei noch angemerkt,
daß die von Reed und Harnes herausgegebene Sammlung fidschianischer Mythen
und Legenden einen Text enthält, der die bisher zitierten Beschreibungen der
Veli nicht nur bestätigt, sondern noch um manches Detail erweitert111.
Zwerge, die denen von Fidschi sehr ähneln oder gar gleichen, sind aus fast
allen Teilen Ozeaniens bekannt. Es ist hier aber nicht der Ort, um darauf aus-
führlich einzugehen. Stattdessen verweise ich auf Luomalas spezielle Arbeit zu
diesem Thema, in der alle wesentlichen Quellen verarbeitet sind112.
Ein Beispiel von Rennell und Bellona will ich indessen hier anfügen, weil es
in Luomalas Arbeit nicht enthalten ist, aber eindrucksvoll zeigt, wie realistisch
die für Fidschi postulierte Identifikation von Zwergen und Affen ist. Elbert und
Monberg berichten über ihren eingeborenen Informanten: „When Taupongi went
to the Honululu zoo in 1961 he was fascinated by two baby gorillas, whom he
straightway called ,two hit'T. This is what he said of the hiti: . . . And the hiti
are short people, their hair is very long and reaches the soles of their feet, their
107 Brewster, 1922, S. 230.
108 Capell, 1957, S. 306.
109 Brewster, 1922, S. 88 f.
110 Ibid., S. 223, 228. Williams, 1858, S. 240.
111 Reed/Hames, 1967, S. 151.
112 Luomala, 1951, S. 9 ff., 69 ff. und passim. Vgl. Pukui/Curtis, 1960, S. V ff. und
passim.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
341
skin is hairy, hairy like the flying fox, but their skin is light brown“ n,!. Flier
stimmt die Beschreibung der Hiti, d. h. Fiti bzw. Viti, also der Fidschianer, die
im übrigen noch wesentlich ausführlicher ist, mit der der Veli überein, und sie
werden darüber hinaus auch tatsächlich mit Affen Identifiziert.
Obgleich der Glaube an gleichartige zwergenhafte und behaarte Wesen in
Ozeanien weit verbreitet ist oder war, sind doch Ihre Namen sehr verschieden
voneinander, so daß es in den übrigen polynesischen Sprachen nur zwei Wörter
zu geben scheint, die phonetisch und semantisch mit geli bzw. veli verwandt sein
können. Das eine ist das von Geraghty genannte Maoriwort ngeri in den Bedeu-
tungen „look fierce or savage“ und „rhythmic chant with actions“AA4, das auf-
grund seiner ersten Bedeutung kaum etwas mit den in Fidschi als „handsome“
charakterisierten Veli gemein zu haben scheint. Dennoch ist eine Verwandtschaft
der Wörter plausibel, denn im Unterschied zu den Fidschianern ist starke Kör-
perbehaarung bei den Polynesiern selten und wird, zumindest in Samoa, als
häßlich empfunden. Außerdem kann man bei Luomala allenthalben nachlesen,
daß die ozeanischen Zwerge in der Regel zwar als gutmütig und freundlich an-
gesehen, äußerlich aber als häßlich und abstoßend geschildert werden. Das zweite
verwandte Wort ist der Eigenname Weil des sogenannten „sherijf for the chief“
Maoli-ku-laiakea, der das hawaiianische Zwergenvolk der Menehune angeblich
nach Neuseeland geführt hat, wodurch die Maori ihren Namen erhalten haben.
Beckwith sagt dazu wörtlich: „A how-legged, deep-voiced Menehune named
Weli is sherijf for the chief and planted the breadfruit trees on the plain of
Lumahai“110. Der von Tregear postulierte Zusammenhang zwischen dem fidschi-
anischen geli und dem tonganischen ngeli einerseits und dem Maori ngeru an-
dererseits, den ich bereits weiter oben in Frage gestellt habe, dürfte angesichts
dieser Belege gänzlich unhaltbar geworden sein.
Nachdem nun aber klar ist, daß es sich bei dem fidschianischen Wort für Affe
um die Übertragung eines Terminus aus der autochthonen Glaubenswelt handelt,
der dann höchstwahrscheinlich in das Tonganische übernommen wurde, bleibt
noch immer die Frage, warum derselbe Terminus in Samoa zu einer der Be-
zeichnungen für die Katze geworden Ist. Eine eindeutige Antwort scheint es
darauf nicht zu geben, denn ein lexikographischer Irrtum, wie ihn Geraghty
anzunehmen geneigt ist, wäre wohl möglich, wenn das Wort geli nur bei Pratt
und den ihm verpflichteten Autoren Violette und Krämer auftauchte. Da es
aber auch Stair erwähnt und durch seine Schreibung des Wortes gose als ngosi —
113 Elbert/Monberg, 1965, S. 200.
114 Williams, 1971, S. 233.
115 Beckwith, 1940, S. 327.
342
Cain, Katzen und Affen in Ozeanien
gosi Unabhängigkeit von Pratt demonstriert, muß man auch die Möglichkeit in
Betracht ziehen, daß der Begriff geli von Fidschi oder Tonga nach Samoa ge-
langte, ohne daß dort gleichzeitig das damit bezeichnete Objekt, also der Affe,
bekannt wurde. Die Beschreibungen des den Samoanern unbekannten Tieres
durch reisende Landsleute oder Ausländer mag dann in Samoa zu einer Ver-
wechslung der beiden in bezug auf mancherlei Charakteristika trotz aller Ver-
schiedenheit ähnlichen Tiere, Katze und Affe, geführt haben, bis gose und geli
Synonyma wurden. Wie wir gesehen haben, waren Übertragungen einheimischer
Tiernamen auf sehr deutlich unterscheidbare Tiere in Polynesien durchaus gang
und gäbe und um so eher möglich, wenn das neu zu benennende Tier nur vom
Flörensagen bekannt war.
Zusammenfassend läßt sich folgendes feststellen: Es besteht kein Zweifel, daß
die Katze durch die Europäer nach Ozeanien gebracht wurde, wie es ziemlich
allgemein angenommen und durch ihre Bezeichnungen weitgehend dokumentiert
wird. Die Bezeichnungen selbst sind entweder Onomatopoetika, Transpositionen
einheimischer, oft generischer Begriffe, die teilweise mit qualifizierenden Attri-
buten versehen sind, adjektivische oder verbale Descriptiva und Lehnwörter aus
anderen ozeanischen bzw. europäischen Kontaktsprachen. Andererseits ist es
sicher, daß den oder einigen ozeanischen Völkern Katzen in voreuropäischer
Zeit keineswegs unbekannt waren, wie das möglicherweise mit der Maoribe-
zeichnung ngeru für Katze zusammenhängende Verb ijeu = miauen auf der
Osterinsel und seine direkte Ableitbarkeit aus dem UAN sowie das samoanische
Wort gose oder gosi, das zweifellos mit dem fidschianischen kosi verwandt ist
und damit — wenigstens nach Blust — eine protoaustronesische Wurzel hat, zu
beweisen scheinen.
Die samoanische Bezeichnung geli für Katze ist offensichtlich direkt oder über
Tonga aus Fidschi eingedrungen und dann entweder von Lexikographen oder
den Samoanern selbst irrtümlich auf die Katze angewendet worden. In Fidschi
selbst ist es ohne Zweifel eine regionale Variante aus der Gegend um Suva auf
Vitilevu für die häufiger Veli genannten Zwerge in den Bergen und Wäldern.
Nach allem Gesagten wäre eine nicht nur denkbare, sondern auch realistische
Einschätzung der Situation in bezug auf die Geschichte der Katze in Ozeanien
die, daß sie in voreuropäischer Zeit entweder allgemein oder regional bekannt
gewesen sein muß, dann aber „verschwand“ und erst durch die Europäer wieder
eingeführt wurde.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
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Wenn auch der folgende Artikel stilistisch von den bisher in dieser Zeitschrift ver-
öffentlichten Abhandlungen — ausnahmsweise — abweicht, so scheint solche Behand-
lung eines lange verkannten Themas in diesem Fall berechtigt, zumal eine langfristige
Forschungsarbeit diesen Ausführungen zugrundeliegt. (Hg.)
FREUDLOSES PARADIES
Eindrücke und Erfahrungen während eines Forschungsaufenthaltes in West-Samoa
DOLORES FUERTES DE CABEZA, Cochabamba
Die Suche nach einem Paradies auf Erden und die Hoffnung, es schließlich zu
finden, sind uralt. So hoffnungslos aber die Suche danach ist, so unsinnig ist
auch die Erwartung, daß sie eines Tages tatsächlich von Erfolg gekrönt werden
könnte. Und dennoch, die Menschen geben nicht auf, denn sie finden immer
Gründe, mit ihrer eigenen Umgebung und dem, was sie kennen und haben, un-
zufrieden zu sein, und es fehlt ihnen vor allem auch nie an Mitmenschen, die
ganz genau wissen, wo das Paradies liegt, schon dort waren und ihnen freund-
licherweise den Weg dorthin weisen. Einer dieser Wegweiser in die Glückselig-
keit ist der seit dem Ende der 60er Jahre wieder zu neuen, aber kaum verdienten
Ehren gekommene Erich Scheurmann. Er wäre sicher verschollen geblieben, priese
er nicht ein Paradies an, das zu den traditionellen Traumbootzielen der Europäer
gehört und vor allem weit genug entfernt liegt, als daß irgendeiner seiner neuen
Jünger eine Vorstellung von dem Locus Amoenus seines Meisters haben könnte.
Seitdem sie den Papälagi, so heißt Scheurmanns Werk, gelesen, ach was, ver-
schlungen und seinen Geist von Mund zu Mund weitergeatmet haben, ist ihnen
sonnenklar, daß nur Samoa das ersehnte Paradies sein kann. Erstaunlich viele
haben, nachdem sie die letzte Seite in sich aufgesogen hatten, das Büchlein je
nach Überzeugung oder Ideologie, sozialer Herkunft oder Aspiration in den
Rucksack oder Lederkoffer gepackt und sich spornstreichs auf die alternativen
Socken gemacht.
Zwei Wege stehen zur Wahl, auf denen aber wie im Märchen abscheuliche
Schrecknisse der „Wanderer zwischen den Welten“ harren. Entweder man reist
durch die Höllen von Los Angeles oder San Francisco, das ekelerregende Pseu-
doelysium verwöhnter und nörgelnder Millionäre, Hawaii, und dann — ein
letzter Schauer läuft über den Rücken — das Veteranenasyl Amerikanisch-
Samoa oder durch den Glanz und das Elend Asiens, die selbstzufriedene,
23 Baessler-Archiv XXX
352
Cabeza, Freudloses Paradies
spießige Wohlhabenheit Australiens und Neuseelands zunächst nach Fidschi, wo
man, vorausgesetzt man nimmt sich die Zeit, anhand der schlimmen Folgen
menschlichen Wirkens in Geschichte und Gegenwart noch ein letztes Mal auf den
Augenblick vorbereitet wird, in dem der Schmerz dann endlich nachläßt. In dem
unabhängigen Staat West-Samoa, dem Ziel ihrer Sehnsucht, fallen die Glücks-
sucher dann aus dem Jet, einem der leider unverzichtbaren, aber um so ver-
achtenswerteren Attribute ihrer bisherigen Misere, und können kaum glauben,
daß sie endlich da sind. Noch verhindert der Kerosin-Gestank zwar den reinen
Genuß, aber jenseits der noch zu nehmenden bürokratischen Hürden von Paß-
und Zoll-Kontrolle wird er sich zweifellos einstellen. Radebrechend oder in
wohlgesetzter Rede versuchen sie nun, auf Englisch die ersten Kontakte mit den
Bewohnern des Paradieses aufzunehmen. Samoanisch hat natürlich keiner von
ihnen gelernt, denn das hätte ja Mühe gemacht. Es ist aber auch gut so, weil man
sich auf diese Weise ohne störendes Verstehen ausschließlich am ästhetischen
Klang der exotischen Sprache berauschen kann. Rauhe Töne, mürrische Gesichter
oder unsanfte Stöße, die man nicht selten und ohne ein Wort der Entschuldigung
erhält, werden entweder überhaupt nicht wahrgenommen oder routiniert dem
unheilvollen Einfluß jener Welt zugeschrieben, der man gerade glücklich ent-
ronnen ist. Schließlich befindet man sich ja trotz allem noch immer in ihrem
Dunstkreis, und das Im doppelten Sinne des Wortes.
Die Tatsache, daß man unversehens in einem Taxi sitzt, auf einer richtigen
Straße fährt und wie irgendwo sonst auf der Welt Abgase einatmet, wird gleich-
falls, und zweifellos zu Recht, auf dieses Konto gebucht. Nachdem man das
Taxi — häufig genug viel zu teuer, aber in jedem Fall gutwillig — bezahlt hat,
findet man in Apia, der Hauptstadt des Paradieses, entweder eine sehr teure,
dafür aber angenehm kühle, oder aber eine äußerst dürftige, heiße und mücken-
verseuchte Unterkunft, die eher einem Verschlag gleicht. Zu Hause würde man
selbstredend sofort dagegen protestieren, aber hier . . . ? Nein, man ist zu einer
durch und durch positiven Einstellung fest entschlossen und findet alles roman-
tisch oder sonst Irgendwie reizvoll. Schließlich ist man ja gerade erst angekom-
men und weiß zuverlässig, daß alles nur besser werden kann.
Am nächsten Tag sieht man sich in der Stadt um und reibt sich die Augen.
Eigentlich ist alles wie zu Hause, nur dürftiger, ungepflegter, schmuddeliger.
Man sieht Autos aller Größen, Baujahre und Erhaltungszustände, Menschen, die
sich, Plastiksandalen made in Japan über unterschiedlich gut oder vielmehr
schlecht gepflegte Straßen schleifend, schwitzend und meist viel zu behäbig durch
die Stadt quälen. Nicht gerade ein besonders paradiesischer Anblick. Der Para-
diessucher weiß es zwar noch nicht, aber in ihm keimt eine Frage, deren präzise
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
353
Formulierung ihm ein Passant, braunhäutig oder bleich wie er selbst, abnimmt.
Auf seinem T-Shirt ist zu lesen: „Where the hell is Samoa?“ Ja, zum Teufel,
wo ist es denn?
Meist ist den Glückssuchern das Glück aber tatsächlich hold, und sie finden
alsbald einen einheimischen „Freund“, der ganz genau weiß, wo Samoa noch
Samoa und folglich das Paradies zu suchen ist, in den Dörfern nämlich, weitab
vom störenden und zerstörenden Einfluß der sogenannten Zivilisation und ganz
besonders natürlich in seinem eigenen Heimatdorf. Hingerissen von der Offen-
heit, mit der ihm dieser Geheimtip verraten wird, macht sich der Besucher —
Tourist wird er ungern genannt — allein oder ln Begleitung seines neuen
„Freundes“ auf den Weg, nachdem ihm wiederholt und glaubhaft versichert
worden ist, daß er in der Familie seines „Freundes“ und im Dorf, wo dessen
Vater eine bedeutende Persönlichkeit ist, freudig aufgenommen und beherbergt
werden würde. Hocherfreut, aber auch ein wenig erleichtert über die so prompte
Erfüllung seiner durch die Lektüre des Papälagi geweckten Erwartungen zahlt
er alle Ausgaben und kauft womöglich noch kleine, besser aber größere Ge-
schenke ein, denn von zu Hause weiß er, daß sie angeblich die Freundschaft
erhalten sollen. Was er noch nicht weiß und in den meisten Fällen auch nie er-
fährt ist, daß sie in Samoa Freundschaft oder das, was man dafür zu halten
bereit ist, in aller Regel überhaupt erst ermöglichen.
Unterwegs sieht er zwar auffällig viele trübselige, freudlose Gesichter, die er
zu Hause ohne zu zögern den aufgezwungenen, unnatürlichen Lebensumständen,
der Hektik und dem Streß des täglichen Einerleis zuschreiben würde, denkt sich
aber hier nichts dabei. Auch stellt er fest, daß es im Paradies weit mehr unge-
heuer feiste, fast formlose Gestalten gibt als anderswo. In den Ländern der
Papälagi gilt dies, anders als im Vademecum der Paradiespilger, dem Papälagi,
zu lesen ist, als Zeichen unästhetischer, ethisch nicht zu rechtfertigender Ge-
fräßigkeit und wird von der schlanken Umwelt entsprechend quittiert, indem
füllige Menschen als fette Schweine und Inbegriff der Verkommenheit west-
licher Zivilisation beschimpft werden. Hier dagegen werden Übergewicht und
Fettsucht ohne weiteres den selbstverständlich zu jedem Paradies gehörenden
schlaraffischen Lebensbedingungen zugute gehalten. Von fetten Schweinen, die
möglicherweise mangels anderer Befriedigungen einer pathologischen Völlerei
frönen, kann hier natürlich keine Rede sein. Fett ist eben nicht gleich fett. Aber
man muß schon Samoaner sein, um sich den Wanst nach Herzenslust vollschlagen
zu dürfen und dafür auch noch beglückwünscht zu werden.
Woher, fragt sich der Reisende vielleicht verwundert, mag es wohl kommen,
daß West-Samoa zu den ärmsten Entwicklungsländern der Welt gezählt wird?
23*
354
Cabeza, Freudloses Paradies
Offenbar liegen dieser Beurteilung aber ganz andere Kriterien zugrunde als der
ständig übervolle Bauch seiner Bewohner.
Endlich kommt der Paradiespilger an das Ziel seiner Träume, in das entlegene
Dorf, und wird erwartungsgemäß sehr freundlich empfangen. Eine riesige Kin-
derschar, Zeichen ungebrochener Fruchtbarkeit und Lebensfreude, umringt Papä-
lagi schreiend und sich um die besten Plätze balgend den Ankömmling und läßt
davon auch nur während der kurzen Nächte ab oder wenn der Matai, das Fa-
milienoberhaupt, gütig, aber bestimmt darum ersucht. Den giftigen Ton nimmt
der paradiesisch gestimmte Gast entweder überhaupt nicht wahr oder traut
seinen ansonsten guten Ohren und seiner universitätserprobten Interpretations-
fähigkeit nicht mehr. Häßliche und lächerlich machende Bemerkungen über ihn
selbst oder Erörterungen über den aus der Gastfreundschaft zu ziehenden Nutzen
stören Ihn Gott sei Dank auch später nicht, denn seine Unkenntnis der Sprache
schützt ihn zuverlässig vor solcher Ernüchterung. Im Gegenteil, die Reden klin-
gen gut und sind zweifellos auch so gemeint, wie der Gast dem herzlichen Lachen
über die meist entsetzlich billigen und geschmacklosen Scherze auf seine Kosten
unschwer entnehmen kann.
Es wird reichlich gegessen, wobei die erzeugte Geräuschkulisse aus Schlürfen,
Schmatzen, Würgen und Rülpsen nur erneut bestätigt, wie natürlich man hier
Mensch ist und sein darf. Die Nötigung nimmt großzügigerweise kein Ende,
denn man will die Leistungsfähigkeit des Gastes ergründen. Dieser, den Ini-
tiationscharakter des Mahles erkennend oder zumindest ahnend, ergibt sich in sein
Schicksal und frißt, ohne es jedoch in aller Regel hinsichtlich Menge und Ge-
schwindigkeit seinen Gastgebern auch nur annähernd gleichtun zu können. Man
ist eben nicht mehr in der natürlichen Übung, hat man sich doch zu Hause, wo
Essen mittlerweile lebensgefährlich geworden ist, langsam und vorsichtig — gut
gekaut ist halb verdaut — mehr von Rettich und Spinat, Mangold und roten
Rüben statt von fettem Schweinefleisch, meterlangen Fischen und entsetzlich
stärkehaltigen Knollenfrüchten ernährt, so daß man der von Vitaminen kaum
getrübten Kalorienflut im Paradies relativ hilflos gegenübersitzt. Die Gastgeber
ziehen in jedem Fall Nutzen aus dem Verhalten des Gastes. Frißt er wie sie, Ist
ihr materieller Verlust zwar empfindlich, wird aber durch ihren Gewinn an Ehre
und Prestige, vor allem in den Augen der Nachbarn, kompensiert. Streckt er
die Waffen dagegen beizeiten, sind sie zwar unsinnigerweise darüber gekränkt,
was dem Gast wiederum verborgen bleibt, behalten aber wenigstens ihr Essen
und können sich obendrein über den Schlappschwanz lustig machen.
Glaubt der ahnungslose, die Glückseligkeit nach und nach etwas monoton und
beschwerlich findende Gast, daß Leistungen im Paradies für Gottes Lahn zu
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
355
haben sind, wird sein Geiz zur bleibenden Erinnerung. Gibt er dagegen frei-
willig und reichlich, fühlen sich die Gastgeber geschmeichelt und halten ihn
gleichzeitig für einen Trottel, den man nach Herzenslust ausnehmen kann. Man-
cher Besucher ist schon recht unmißverständlich und sogar unsanft auf seine Ver-
pflichtung zur Nützlichkeit hingewiesen worden, und in einigen Fällen hat dies
sicher zum Verlust des naiven Paradiesglaubens geführt. Hartnäckige Pilger sind
aber auch dadurch nicht zu entmutigen, sondern buchen auch diese unparadiesi-
sche Erfahrung nach dem palmströmschen Motto, daß nicht sein kann, was nicht
sein darf, auf das ohnehin schon hohe Schuldkonto der Papälagi.
Während ich alle diese finsteren Gedanken spinne, sitze ich selbst mitten in
diesem Paradies und warte darauf, auf natürliche Weise verrückt zu werden.
Um hier auch nur einigermaßen allein sein zu können, braucht man viel Geld
für eines der teuren Hotelzimmer oder ein eigenes Haus, weit entfernt von den
nächsten samoanischen Nachbarn. Allerdings bin ich hier nicht zur Erholung,
sondern um die Sprache, Sitten und Gebräuche des Landes zu studieren, und
bekomme dafür Geld. Ich gehöre also zu den Überglücklichen, denen es ver-
gönnt ist, das Paradies bereits zu Lebzeiten und aus erster Hand kennenlernen
zu dürfen und dafür auch noch bezahlt zu werden. Seit vielen Jahren fühle ich
mich diesem Land und seinen Menschen verbunden und habe so ziemlich alles
darüber gelesen. Zwar ist mir auch früher schon manches an der Art der Sa-
moaner unerträglich und abstoßend erschienen, aber in meiner naiven Befangen-
heit suchte ich damals und noch viele Jahre später die Schuld für diesen Eindruck
ausschließlich bei mir selbst. Inzwischen habe ich seit fast einem Jahr Gelegen-
heit, meine Eindrücke zu vertiefen, und kann kaum noch begreifen, warum ich
einst so freudig erregt die Reise hierher antrat.
Schweißgebadet sitze ich in einem geschlossenen Raum und versuche, wenig-
stens meinem Herzen Luft zu machen. Der geschlossene Raum ist meine eigene
Wahl, aber die Worte sind irreführend. Wenn man von einem geschlossenen
Raum spricht, den man freiwillig zu seinem Aufenthalt wählt, so weckt dies
leicht die Vorstellung von einem behaglichen Zimmer, in das man sich zurück-
zieht, um ungestört zu sein. Nichts von alledem trifft auf meinen geschlossenen
Raum zu. Von Behaglichkeit kann überhaupt keine Rede sein, und geschlossen
ist er auch nur im Prinzip, denn zugunsten einer möglichst optimalen Belüftung
läßt man in den im europäischen Stil gebauten Häusern die dünnen Bretter-
wände weit unterhalb der Decke enden. Hinzu kommt noch, daß das Fenster
zerbrochen ist und die Tür mühelos von außen aufgedrückt werden kann. Die
Geborgenheit, die mir mein Raum gewährt, ist also nur eine sehr relative. Wäh-
rend ich hier sitze, umgeben mich ein ständiges, ohrenbetäubendes Geschrei von
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Cabeza, Freudloses Paradies
Paradieskindern, deren aggressive Sprache nichts Gutes verheißt, und die dau-
ernden, ebenso schrillen wie ohnmächtigen Versuche der Erwachsenen, die zän-
kischen Kinder zur Ordnung zu rufen. Dazu summieren sich noch das unent-
wegte Krähen zahlloser Hähne und das Gekläff ganzer Rudel halbverhungerter,
verwahrloster Köter. Auch während der Nächte herrscht kaum je Ruhe, denn
während die letzten Nachtschwärmer gerade schlafen gehen, stehen andere Haus-
bewohner und Nachbarn bereits wieder auf, und dazu immer wieder Hähne und
Hunde. So herrscht eine ständige Unruhe, und jeder ist gezwungen, zu jeder
Tages- und Nachtzeit an allen Lebensäußerungen der Mitbewohner und näch-
sten Nachbarn wenigstens akustisch teilzunehmen. Man weiß bald, welche Kin-
der nachts weinen, wer schnarcht, im Schlaf spricht oder mit den Zähnen
knirscht, wer unter Blähungen leidet und wer wann, wie oft, wie lange und zu
welchem Zweck welchen Besuch empfängt. Das ist das unentrinnbare Schicksal
dessen, der sich darauf eingelassen hat, unter Samoanern zu leben, um die Hand
ja immer am Puls des Volkes zu haben. Dabei ist es noch ein großes Glück, daß
in der Familie, bei der ich wohne, wenigstens nicht barbarisch geprügelt wird wie
sonst allenthalben. Die Brutalität, mit der samoanische Kinder geschlagen wer-
den, wobei ihnen gleichzeitig das Weinen verboten wird, ist unerträglich, wird
aber von fast allen Samoanern für selbstverständlich gehalten. Aber ich will
mich nicht beklagen und dem Selbstmitleid überlassen. Immerhin habe ich einen
Raum, der zwar weder schallgedämmt noch verschließbar ist, mich aber wenig-
stens einigermaßen vor allzu neugierigen Blicken schützt. Andere haben es da
viel schlechter. Samoaner können nämlich nicht selbstverständlich damit rechnen,
jede Nacht in ihrem eigenen Zimmer oder gar Bett zu schlafen. Nach dem
Grundsatz, wer zuerst kommt, mahlt zuerst, legt man sich nieder, wo gerade
Platz ist und einen der Schlaf übermannt. Ein samoanisches Haus sieht daher
nicht selten wie ein Bahnsteig voller Flüchtlinge gegen Kriegsende in Deutschland
aus. Da ist es wohl einsichtig, daß das, was der verwöhnte Bourgeois aus Europa
Privatsphäre nennt, nicht zu haben ist. Die Masse der Bevölkerung scheint die-
sen Mangel nicht als so störend zu empfinden, daß sie sich nachhaltig um dessen
Beseitigung bemühte. Die Papälagi aber und Samoaner, die eine Ahnung davon
haben, welcher Freuden ein Papälagi teilhaftig wird, wenn er sich zurückziehen,
unbeobachtet und unbelauscht für sich sein kann, haben in diesem Paradies
nichts zu lachen. Jeder Versuch, allein sei zu wollen, wird entweder vereitelt
oder, wenn das nicht möglich ist, argwöhnisch und gehässig beobachtet und kom-
mentiert. Wer sich so verhält, hat etwas zu verbergen, kann nichts Gutes im
Schilde führen. Gut ist dabei natürlich nur das, was die in unreflektierten
christlich-puritanischen und althergebrachten Konventionen befangene Allge-
meinheit dafür hält, und den absurden Wunsch nach individueller Freiheit kann
Baessler-Archlv, Neue Folge, Band XXX (1982)
357
man weder dulden noch überhaupt begreifen. Extremer, pharisäerhafter For-
malismus ist hier Trumpf, und frei sein kann nur, wer sich mit seinen Gedanken,
Gefühlen, Wünschen und Sehnsüchten in diesem engen Rahmen einrichten kann.
Es ist wie unter totalitären Regimen, wo auch nur der frei ist, der der von der
Partei verordneten ideologischen Linie in allen ihren Windungen immer folgen
kann. Die Ideologie in Samoa ist die Sitte, die Rolle der Partei übernimmt die
angepaßte Gesellschaft, und die Funktionäre, die unnachsichtig über die Ein-
haltung der Linie wachen, sind die Matai und Pastoren. Alle, die weder das
eine noch das andere sind, und das ist die Masse der Bevölkerung, haben wenig
bis nichts zu melden. Sie haben vor allem die Pflicht, die pausenlos auf sie
einprasselnden Befehle prompt und ohne Widerspruch auszuführen. Was sie da-
bei denken oder empfinden, interessiert keinen Hund. Kann es da wunder-
nehmen, wenn die so strapazierten dienstbaren Geister, oft genug Kinder, erst
auf jeden fünften bis zehnten Ruf reagieren und wenn irgendmöglich ganz dar-
auf verzichten? Barsche, ungeduldige Befehle und Drohungen, die in ihrer Ag-
gressivität kaum zu überbieten sind, werden ausgestoßen und entsprechend der
traditionell strengen Hackordnung von oben nach unten weitergereicht. Der
letzte in der Hierarchie ist in jedem Fall der Dumme und wird selbst noch auf
der Toilette, einem beliebten Refugium unlustiger Laufburschen, aufgespürt.
Hier ist zwar kein Schlaraffenland, aber ähnlich ist es schon, zumindest für
Personen von Rang und, wie immer, natürlich auf Kosten der Kleinen. Da der
größte Teil der Samoaner im wesentlichen zu leben scheint, um zu essen und zu
trinken oder, wenn gerade nicht gegessen wird, stundenlang darüber zu reden,
hier ein schlichtes Beispiel aus diesem Bereich zur Illustration:
Sitzt ein Pastor oder Matai satt und selbstzufrieden In der Nähe eines Was-
serhahnes — ja, den gibt es hier inzwischen leider auch schon — und wünscht
zu trinken, dann steht er nicht etwa auf und bedient sich, wie es ein verrückter
Papälagi täte, sondern ruft nach einem weit entfernten und womöglich schla-
fenden oder mit etwas anderem beschäftigten Befehlsempfänger, ihm unverzüg-
lich zu einem Glas Wasser zu verhelfen. Wird sein Ruf wie üblich nicht sofort
befolgt, wachsen seine Ungeduld und Wut von Mal zu Mal, und seine Stimme
nimmt einen drohenden Ton an. Der so Herbeizitierte kann die Order natürlich
mit gleicher Rücksichtslosigkeit und Aggressivität an den Nächstschwächeren
weitergeben, solange der Dürstende nur zu seinem Wasser kommt. Die Dienen-
den sind derart daran gewöhnt, angeschnauzt und herumkommandiert zu wer-
den, daß jemand, der sich wie ich nicht zu diesem Ton überwinden kann und
höflich um etwas bittet, kaum darauf hoffen kann, von ihnen ernstgenommen
zu werden. Meist kommt dem rücksichtsvollen Fremden jedoch sofort eine Re-
358
Cabeza, Freudloses Paradies
spektsperson zu Hilfe und verschafft der höflichen Bitte durch deren Umwand-
lung in einen barschen Befehl Nachdruck. Der Erfolg stellt sich zwar prompt
ein, aber der daraufhin servierte Kaffee hat einen höchst unangenehmen Bei-
geschmack.
Angesichts dieser Verhältnisse habe ich mich, aber auch andere, darunter
viele Samoaner, nach dem Schicksal der Alten, Siechen, Kranken und Behinder-
ten gefragt, die nicht oder nicht mehr in der Lage sind, für sich selbst zu sor-
gen oder ihre Wünsche und Bedürfnisse zur Geltung zu bringen. Traditions-
bewußte, konservative samoanische Matai und Pastoren pflegen in diesem
Zusammenhang wortreich und beruhigend darauf hinzuweisen, daß mitmensch-
liche Solidarität und die seit rund 150 Jahren sogar auch noch christlich unter-
mauerte Caritas zu den traditionellen Tugenden der Samoaner gehören. Das
Fa’asamoa, die überkommene Lebensform der Samoaner, garantiert danach
idealerweise jedem Mitglied der Gesellschaft, was es zum Leben benötigt. So-
ziale Einrichtungen, wie es sie in den Ländern der Papälagi gibt, wären daher
in Samoa ohne Aufgabe und folglich überflüssig, ja sogar schädlich. Die pro-
testantischen Kirchen zum Beispiel haben dieser Tatsache voll Rechnung ge-
tragen und sich bis heute vor allem bei der Errichtung von Kirchen und sonsti-
gen Repräsentationsbauten hervorgetan, und die katholische Kirche wird aus
demselben Grund für die Einrichtung eines Alten- und Pflegeheimes in Mapui-
fagalele östlich von Apia kritisiert. Die Realität desavouiert diese Haltung
allerdings in eklatanter Weise, wie ich sowohl aus eigener Erfahrung als auch
aus Berichten von Freunden und Bekannten weiß.
In einem meiner früheren Domizile wurde zum Beispiel ein schwer asthma-
kranker Verwandter aufgenommen, weil seine medizinische Betreuung dort
besser gewährleistet war. Abgesehen davon, daß der Kranke aus einem Dorf
stammte, in dem die Barmherzigen Samariter handfeste Interessen verfolgen,
wurde mir gegenüber auch ganz offen von der Lästigkeit dieser Verpflichtung
gesprochen. Auch mehr oder weniger deutliche Anspielungen auf die recht
lange Dauer der Krankheit wurden so gemacht, daß sie auch für den Patienten
nicht in jedem Fall zu überhören waren.
Eine Lehrerin aus Deutschland, die längere Zeit in West-Samoa gelebt hatte,
erzählte von dem Schock, den sie bekam, als sie miterleben mußte, wie eine
kranke, hilflose alte Frau von ihren Angehörigen kaum etwas zu essen bekam
und sich völlig selbst überlassen wurde. Als besonders abstoßend habe sie es
empfunden, daß gesunde Verwandte, wenn sie sich unbeobachtet wähnten, der
wehrlosen Patientin das wenige Essen sogar noch Wegnahmen, obwohl keiner
von ihnen Hunger zu leiden hatte,
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
359
Diese beiden Fälle passen zu der Bemerkung eines katholischen Priesters aus
Europa, der aber schon über 50 Jahre in Samoa lebt und seine Schäfchen aus-
gezeichnet kennt. Er stellte bedauernd fest, daß samoanische Familien ihre
Kranken nur für kurze Zeit angemessen pflegen und versorgen, sie aber bei
längerem Siechtum bis zur Verwahrlosung vernachlässigen. So erklärt sich
auch, daß das erwähnte und angeblich völlig überflüssige Alten- und Pflege-
heim, das übrigens nicht nur Katholiken aufnimmt, immer voll belegt ist und
darüber hinaus lange Wartelisten anlegen mußte. Einige sehr alte Bewohner
habe ich gefragt, warum sie nicht in ihren Familien und Dörfern leben, und
ihre Antwort war immer die gleiche: Man wolle seine Ruhe haben, regelmäßig
versorgt sein und bei Krankheit gut gepflegt werden. Wie es ihnen dagegen zu
Hause ergehen könnte, schildert der in seiner Heimat nur von wenigen ge-
schätzte samoanische Schriftsteller Albert Wendt meisterhaft in seinem Roman
„Pouliuli“, d. h. „Finstere Nacht“.
Die samoanische Schwiegermutter einer australischen Bekannten wäre sicher
eine Anwärterin auf einen der raren Heimplätze. Sie ist unglücklich, weil sie
nach dem plötzlichen Tod ihres Mannes dessen Dorf verlassen mußte und in der
Familie ihrer Tochter nur unwillig aufgenommen wurde. Obwohl sie sich
nützlich zu machen versucht, läßt man sie ständig spüren, wie wenig willkom-
men sie ist.
Wie zartfühlend und verständnisvoll man in West-Samoa mit Behinderten
umzugehen pflegt, zeigen die folgenden typischen Beispiele. Ich kenne einen
Rollstuhlfahrer, der von seiner Familie immer abgelehnt wurde und im Kran-
kenhaus von Apia um Asyl bitten mußte. Obwohl er hochintelligent und ein
ausgezeichneter Maschinenschreiber ist, vegetierte er dort jahrelang auf einem
kleinen Schlafplatz am Boden, bis er kürzlich im Büro einer ausländischen
Hilfsorganisation Arbeit und Lohn fand. Sofort forderte ihn die Familie auf,
wieder in ihren Schoß zurückzukehren, was er mit bittersüßen Gefühlen tat.
Natürlich weiß er ganz genau, daß er nur attraktiv ist, weil und solange er
etwas zu bieten hat.
Ein amerikanischer Freund und seine mikronesische Frau engagieren sich
ehrenamtlich bei der Neueinrichtung einer Blindenschule, die schon mehrfach
wegen unhaltbarer hygienischer und pädagogischer Zustände sowie unfähiger
und korrupter Verwaltung geschlossen worden war und deshalb in der lokalen
Presse immer wieder für negative Schlagzeilen gesorgt hatte. Gleichzeitig
helfen sie einem blinden Ehepaar bei der Errichtung eines Hauses, indem sie
Material kaufen und für schwierige Arbeiten Handwerker stellen. Die Ange-
hörigen und Nachbarn sehen dagegen seelenruhig zu, wie sich das blinde Ehe-
360
Cabeza, Freudloses Paradies
paar die meiste Zeit allein plagt, und rühren keinen Finger. Meine Freunde
und ich sind empört, aber die Hauptbetroffenen erklären dieses Verhalten für
völlig normal und jede Form positiver Anteilnahme für absolut ungewöhnlich.
Schließlich seien sie weder Matai noch Pastoren noch haben sie Nahrungsmittel
zu verteilen, so daß sich das Zupacken für die Helfer in keiner Weise, weder
materiell noch ideell lohne. Als Behinderte seien sie außerdem ohnehin daran
gewöhnt, immer zurückgesetzt zu werden, und haben keinerlei Ursache, sich
über zu viel Verständnis und einen Mangel an grausamen Hänseleien zu be-
klagen. Aus solchen Äußerungen, die man schon von den Kindern in der Blin-
denschule hören kann, sprechen Trauer und Resignation, vielleicht auch Bitter-
keit. Mir machen sie klar, daß Behinderte im Paradies Samoa zweifellos noch
weit weniger zu lachen haben als in den Ländern der Papälagi.
Beispiele dieser Art ließen sich zu Hunderten aneinanderreihen, aber auch
diese wenigen zeigen schon deutlich genug, daß es mit der Solidarität, der Ge-
rechtigkeit und der mitfühlenden Anteilnahme in Samoa nicht allzuweit her
sein kann. Wenn es dennoch den Anschein des Gegenteils hat, so hegt das vor
allem an der außerordentlich großen Konfliktscheu der Samoaner, die eine kri-
tische Auseinandersetzung mit prekären Verhältnissen und Situationen so lange
verhindert, bis der psychische Druck so stark ist, daß es zu einer Explosion
kommt. Die aufgescheuchte Verwandtschaft hat dann nichts Eiligeres zu tun,
als durch kurzfristiges Eingehen auf die vorgebrachten Beschwerden die Wogen
zu glätten. Da man stets darauf bedacht ist, den Nachbarn keinen Redestoff
zu bieten, und nach Möglichkeit alles unter den Teppich oder besser unter die
Matte kehrt, dauert es nie sehr lange, bis alles wieder beim alten ist. Daß
in Samoa unparadiesisch viel gelitten wird, ist nicht nur mein subjektiver Ein-
druck, sondern geht schließlich auch aus der großen Zahl von Selbstmorden
hervor, die Ärzte und Polizeibeamte, aber auch andere Samoaner, mit denen
ich gesprochen habe, für besorgniserregend halten und die kaum aus dem Über-
mut glückstrunkener Paradiesbewohner erklärt werden kann. Mir persönlich
fällt, so sehr ich mich auch bemühe, kein Ort und kein Land ein, wo ich einen
ähnlich starken Eindruck von Leiden und Gewalt hatte wie in West-Samoa,
und ich bin weiß Gott schon viel in der Welt herumgekommen.
Alles, was dem aufgeklärten, sozial oder gar sozialistisch denkenden, sozio-
logisch, pädagogisch und psychologisch ebenso versierten wie sensibilisierten,
von der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen angewiderten Papälagi
in seiner Heimat an den antiautoritären Nerven zerrt, seinen Sinn für Gerech-
tigkeit verhöhnt und seinen emanzipatorischen Geist zur Rebellion aufstachelt,
findet er hier viel intensiver und ungebrochener im Schwange. Aber seltsam.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
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viele, wenn nicht gar die meisten Paradiespilger finden wenig bis nichts dabei.
Anscheinend halten sie das, was sie selbst in viel geringerer Dosierung zu Hause
nie akzeptieren würden, in Samoa für angemessen. Sie selbst sind sogar bereit,
ihre eigenen Überzeugungen zu verleugnen, ihre mühsam gezüchteten Protest-
bärte zu opfern, ihre in der Heimat mit Stolz getragenen Mähnen auf para-
dieswürdiges Maß zu stutzen, Kleiderordnungen einzuhalten und sich sonn-
tags zum Lobe des Herrn und zum Wohlgefallen der Herren Pastoren und
Matai tödlich zu langweilen. Weder Arbeit noch Sport, Spiel oder Tanz sind
am Sonntag gestattet. Kirchgang, am besten mehrmals, Ist dagegen Pflicht,
deren Vernachlässigung vielerorts mit Geldstrafen geahndet wird, es sei denn,
man habe als Hüter des Hauses Dispens. Auf ein Zeichen des Herrn Pastors
verschwinden alle Dorfbewohner jeden Abend in ihre Häuser und wehe dem,
der sich danach noch herumtreibt und dabei erwischen läßt. Der ahnungslose
Papälagi, der sich etwa vorstellte, die herrlichen Tropennächte im Freien, wo-
möglich gar noch in angenehmer Gesellschaft zu zweit, verbringen zu können,
wird leider arg enttäuscht. Hier herrscht nämlich Ordnung, denn jeder wacht
über jeden, und darüber hinaus gibt es sogar besondere Komitees, die diese
Aufgabe bei Tag und Nacht ebenso gern wie gewissenhaft wahrnehmen. Keine
Angst, niemand gönnt hier niemandem etwas, das er selbst nicht hat oder
haben kann. Die Folgen dieser muffigen, gehässigen Art, sich das Leben mitten
im Paradies gegenseitig zur Hölle zu machen, sind wie nicht anders zu erwar-
ten pathologische Verhaltensweisen und zahllose Übertretungen aller Art.
Die unbefangene Einstellung zur Sexualität, wie sie zum Graus der Alt-
vorderen etwa heute bei der jüngeren Generation der Papälagi vorherrscht und
von vielen Samoapilgern geteilt wird, ist hier absolut undenkbar. Sex ist
offiziell auf die Ehe beschränkt, wo er im wesentlichen jedoch nur zur Ver-
mehrung stattfindet. Ansonsten wird er unter unwürdigsten Bedingungen heim-
lich auf Friedhöfen oder hastig und möglichst geräuschlos in irgendeinem Ge-
büsch abgewickelt oder in direktester Weise verbal praktiziert. Voyeurtum,
Vergewaltigungen und das sogenannte Moetolo, das Schlafkriechen, das dann
besteht, daß junge Männer zur Triebabfuhr bei Nacht und Nebel nackt in
fremde Häuser zu den Mädchen schleichen, sind daher ausgesprochen häufig.
Die Gefahr, dabei erwischt und zum Krüppel geschlagen zu werden, schreckt
die so unter Druck Stehenden offenbar wenig. Es scheint vielmehr, als gäbe
sie dem armseligen Unternehmen erst eine gewisse sportliche Note und das
Flair eines Abenteuers. Selbst wenn man unterstellt, daß im Paradies andere
Maßstäbe gelten, wird man unter solchen Umständen Befriedigung höchstens
für die Männer erwarten, während das Los der meisten Frauen nur Frustration,
häufige Schwangerschaften und schließlich Frigidität sein können. Eine koreani-
362
Cabeza, Freudloses Paradies
sehe Ärztin, die die Sexualgewohnheiten der Samoaner studiert hat, stellte
dazu in einem Rundfunkvortrag bedauernd fest, daß samoanische Frauen
kaum je sexuelle Befriedigung erfahren, weil ihre Partner nicht daran gewöhnt
sind, auf sie einzugehen, sondern in egoistischer Weise „kommen“ und gehen,
und die äußeren Lebensumstände insgesamt ein kultiviertes Liebesieben in kei-
ner Weise begünstigen. Mir erklärten junge Samoanerinnen ebenso unumwun-
den wie resigniert, daß das Durchschnittsmaß samoanischer Männer ohnehin
nur drei Minuten sei und sie, die jungen Frauen, an Sex deshalb kaum Inter-
esse haben. Es ist also wieder einmal nichts mit den braunen, samthäutigen
Schönen in warmen Tropennächten, an weißen Stränden, unter flüsternden
Palmen und einem sternenklaren, südlichen Himmel. Trost bietet da allenfalls
die Hafen- und Hotel-Szene von Apia, zwischen Matautu und Mulinu’u, wo
zwischenmenschliche Beziehungen mit größtem Freimut aufgenommen und wie-
der abgebrochen werden, Menschen aus aller Welt in atemberaubendem Tempo
solide Fremdheit in flüchtige Intimität verwandeln und Freundschaft weniger
ein qualitatives als ein quantitatives Phänomen ist.
Aber die Familie oder ’Aiga, sie ist doch wohl wenigstens noch intakt, oder?
Ja, das ist sie in der Tat. Hier kennt man seine Verwandtschaft noch, und
zwar bis an die äußersten Grenzen der genealogischen Möglichkeiten. Hier
hält man auch noch gegen alle zusammen, die nicht zur eigenen Mischpoke
gehören. Sie sind die Anderen, die Rivalen und potentiellen Feinde, denen man
alles zutraut und denen gegenüber man deshalb besser auf der Hut ist. Sa-
moaner sind verwandtschaftsorientiert, und jedes samoanische Gesicht hellt
sich auf, sobald sich herausstellt, daß man es mit einem, wenn auch noch so
entfernten Verwandten zu tun hat. Man kann, so glaube ich, ohne Übertrei-
bung sagen, daß einem „normal“ empfindenden Samoaner der fremdeste Ver-
wandte immer noch näher steht als der vertrauteste Fremde. Das heißt nun
aber keineswegs, daß in einer ’Aiga normalerweise Frieden und Eintracht
herrschen. Sie ist vielmehr eine psychologisch höchst labile soziale Ingroup, die
bei aller Zwietracht und sogar Feindseligkeit im Innern nach außen Geschlos-
senheit zur Schau stellt. Man fragt sich, wo da wohl der gewaltige, wohl-
tuende Unterschied zu dem so viel beklagten desolaten Zustand in den Län-
dern der Papälagi sein soll. Einen Unterschied gibt es allerdings; er liegt in
der absoluten Diktatur jeder samoanischen ’Aiga über das Individuum. Ver-
wandte kann man sich weder in den Ländern der Weißen noch in Samoa aus-
suchen, aber während ein Papälagi wenigstens die Möglichkeit hat, notfalls
auf Freunde auszuweichen, ist ein Samoaner auf Gedeih und Verderb mit
seiner ’Aiga verbunden und kann in aller Regel nur um den Preis völliger
Isolierung und seines gesellschaftlichen Todes seine wenigen Sachen packen
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und gehen, vorausgesetzt er weiß wohin. Es gibt, wie ich aus zahlreichen, zum
Teil vertraulichen Gesprächen weiß, viele Samoaner, die sich danach sehnen,
ihr Leben ohne die ungebetene und lästige „Assistenz“ zahlloser Verwandter
zu gestalten. Aber ihre Chance ist praktisch Null, und so bleibt ihnen nichts
weiter übrig, als sich mit der Ausweglosigkeit ihrer Situation abzufinden und
realistischerweise mit den Wölfen zu heulen.
Nur relativ wenige, und auch hier sind es wieder nur diejenigen, die ohne-
hin das Sagen haben, können es sich erlauben, den vielen Zwängen von der
Wiege bis zur Bahre und rund um die Uhr von Zeit zu Zeit ins Ausland zu
entfliehen. Ausländern gegenüber erklären sie sogar offen, daß sie diese Eska-
paden zur Regeneration ihrer nervlichen und seelischen Kräfte unbedingt brau-
chen. Ähnliche Wünsche derjenigen, die am meisten unter den Verhältnissen zu
leiden haben und am ehesten eine Streßpause nötig hätten, werden entweder
gar nicht oder nur dann berücksichtigt, wenn sich die Matai etwas davon ver-
sprechen. Die Unterprivilegierten und Frustrierten, die Zurückbleiben müssen,
suchen in Samoa wie überall auf der Welt Trost und Vergessen im Alkohol
und ruinieren damit ihre Gesundheit, werden gewalttätig und schließlich gar
straffällig. Es ist übrigens interessant zu beobachten, daß Samoaner im Aus-
land einen zwar etwas naiven und wenig gedanklichen Tiefgang verratenden,
aber durchaus ausgeglichenen und charmanten Eindruck machen, während die-
selben Samoaner bei sich zu Hause je nach Rang oder Status laut, autoritär,
ungeduldig, mürrisch oder linkisch erscheinen. Meine Erklärung dafür ist, daß
sie sich im Ausland entspannen können und die Zwänge, denen sie dort aus-
gesetzt sind, im Vergleich zu denen in ihrem heimischen Paradies kaum wahr-
nehmen.
Da es inzwischen immer mehr Samoaner gibt, die im Ausland gelebt und
eine Ausbildung erfahren haben, wird jedoch die Einsicht in die Misere ihres
heimischen Daseins sowie die Fähigkeit ihrer intellektuellen und emotionalen
Bewältigung ständig wachsen und schließlich den Zusammenbruch des gesamten
Systems herbeiführen. Schade fände ich das nicht, obwohl das Schuldkonto der
Papälagi dadurch unvermeidlich weiter belastet würde. Geht dieser Prozeß
langsam vonstatten, dann besteht die Chance, daß aus kadavergehorsamen
Duckmäusern mit nur heimlich, hinter dem Rücken geballten Fäusten selbst-
verantwortliche Menschen mit eigenem Willen werden. Findet aber eine Re-
volte oder Revolution statt, was bei der wachsenden Ungeduld in der Bevöl-
kerung nicht auszuschließen ist, dann geht es im samoanischen Paradies ent-
weder drunter und drüber oder eine neue Entmündigung der Mehrheit der Be-
völkerung, wahrscheinlich totalitär-politischer Art und möglicherweise von au-
ßen gesteuert, tritt an die Stelle der traditionellen. Ich wünsche den Samoanern
364
Cabeza, Freudloses Paradies
und damit auch mir selbst das Beste, d. h. die erste Variante. Den Samoanern
könnte sie, so ist zu hoffen, jene Entfaltungsmöglichkeiten bringen, die die
Papälagi schon heute für selbstverständlich halten, und mir könnte sie gelas-
senere, entkrampfte, von Rangbesessenheit und Prestigesucht freie Gesprächs-
partner bescheren, die zur Unterstreichung ihrer eigenen Bedeutung nicht mehr
der moralischen und sozialen Degradierung und Disqualifikation anderer be-
dürfen.
Einstweilen leuchtet das Licht, das „Die Lichtbringer“, ein anderer Scheur-
mann-Titel, auf diese grünen Inseln gebracht haben, jedoch noch nicht sehr hell.
Aber das ist es ja gerade! Was von all dem, das die Papälagi im Laufe der
Geschichte ge- oder vollbracht haben, könnte denn schon leuchten? Sie hätten
die Linger von den Paradiesen Afrikas, Asiens, Amerikas und natürlich erst
recht Ozeaniens lassen und sich auf ihren eigenen Teil der Welt beschränken
sollen. Die Völker dieser Erdteile haben einander doch geliebt und geachtet und
in Frieden und Harmonie miteinander gelebt. Kriege, Zwietracht, Haß, Grau-
samkeit, Habgier, gegenseitige Ausbeutung und Versklavung haben sie als
„gute Wilde“ doch überhaupt nicht gekannt und wären besser in diesem Zu-
stand reiner Unschuld belassen worden. Die Samoaner z. B. haben doch auch
kein fremdes Land gesucht und okkupiert. Im Gegenteil, sie sind, wie es ihre
Mythen ja eindeutig beweisen, in ihrem heutigen Paradies erschaffen worden
und immer brav zu Hause geblieben. Auch haben sie anderen gegenüber nie
mit ihrem technischen Fortschritt und ihren überlegenen Kulturgütern geprotzt,
wie es die Art der Papälagi ist. Nein, sie haben sie aus Rücksicht auf ihre
Nachbarn und in der weisen Voraussicht, daß daraus ohnehin nur Unheil für
die Welt entstehen kann, erst gar nicht hervorgebracht. Es braucht sich daher
niemand zu wundern, wenn sie die Pseudoerrungenschaften der Papälagi, nach-
dem man sie nun schon einmal, und zweifellos in unredlicher Absicht damit
bekannt gemacht hat, heute zwar eifrig benutzen, aber aus Einsicht in deren
Unwert kaum Zeit damit verschwenden, sie auch noch zu begreifen.
Die Germanen etwa haben es seinerzeit, als sie von den Römern kolonisiert
wurden, ganz und gar falsch gemacht, indem sie von den Eindringlingen
alles lernten, was zu lernen war. Und von den Japanern wiederum weiß man
ja, daß sie die Papälagi noch bis in die jüngste Zeit so hemmungslos imitierten,
daß sie bald ebenso weit waren wie ihre Vorbilder. Zur Strafe für ihre Cha-
rakterlosigkeit müssen alle diese Völker heute die Welt dominieren und werden
dafür und für ihre Gedankenlosigkeit, die es dazu hat kommen lassen, mit
Recht an den Pranger gestellt. Die Japaner verloren obendrein ihre Identität
und sind heute nur noch ein Schatten ihrer selbst. Vor solchen Entwicklungen
sind die Samoaner völlig gefeit, solange sie nur auf diejenigen Papälagi hören,
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
365
denen es in schweißtreibender Forschungsarbeit gelungen ist, den Stein der
Weisen zu finden und alle diese Zusammenhänge klarer als jeder andere zu
durchschauen, und die auf der Suche nach ihrem verlorenen Paradies Samoa
unsicher machen. Samoaner müssen Samoaner bleiben, und das heißt, sie dürfen
weder sich noch ihre Kultur verändern, indem sie etwa Dinge, die die Papä-
lagi haben und tun, auch bei sich einführen, sei es nun zu ihrem Vor- oder
Nachteil.
Es ist doch geradezu abstoßend, mit ansehen zu müssen, wie die Papälagi
z. B. ihre Tierliebe ins Groteske steigern, indem sie Tiere regelmäßig füttern
und pflegen, während ihre Verwandten und Nachbarn kaum ungebeten in den
Genuß ihrer „Fürsorge“ kommen. Da ist es doch viel natürlicher, wenn man,
wie die Samoaner, Tiere sich selbst überläßt oder sich nur zum Zweck der
Selbsterhaltung ihrer erinnert und sich im übrigen voll darauf konzentriert,
Verwandte, Nachbarn und sonstige Mitmenschen zu übervorteilen, öffentlich
zu lobpreisen, heimlich aber zu verachten, ihnen bei jeder passenden Gelegen-
heit beiläufig ein Bein zu stellen und das alles mit großer Würde und Poli-
tesse. Ja, im Paradies Samoa nimmt man Rücksicht aufeinander. Das geht
so weit, daß man, um seine Nachbarn zu beleidigen, lieber seine eigenen Kinder
auf so wohlklingende Namen wie Pua’aelo, d. h. stinkendes Schwein, Mata-
pua’a, d. h. Schweinegesicht oder häßlich, ’aitae, d. h. friß Scheiße, usw. kirch-
lich taufen läßt, anstatt plump und direkt, unter Mißachtung der Etikette
vorzugehen. Die Nachbarn wissen auch so, daß sie gemeint sind und revan-
chieren sich bei nächster Gelegenheit in gleicher oder ähnlich delikater Weise.
So bleibt man einander nichts schuldig, wenn man seine Kinder liebevoll beim
Namen ruft. Wer da von Falschheit oder Heuchelei spricht, hat keine Ahnung
von Rücksichtnahme, Höflichkeit, Würde und Grazie. Nein, es ist nicht so
einfach, das Paradies Samoa und seine Bewohner kennenzulernen sowie ihre
Handlungen und deren Beweggründe richtig zu verstehen. Wenn aber die
Eeserschar des Papälagi, wie zu erwarten ist, weiter wächst, ist zum Pessimis-
mus kein Anlaß.
Leute wie ich, die hierher kommen und versuchen, den Samoanern ihre tau-
send paradiesischen Geheimnisse zu entlocken und sich von ausländischen Agen-
turen bedenkenlos dafür bezahlen lassen, ohne dieses Privileg schätzen zu kön-
nen, sind aus gutem Grund und Gott sei gepriesen nur sehr wenige aktenkun-
dig geworden. Bei ihrer Einstellung brauchen sie sich natürlich nicht zu wun-
dern, wenn die Samoaner ihnen ihre finstere Tätigkeit in keiner Weise er-
leichtern, sondern mit vollendet gespielter Unzuverlässigkeit, Indolenz und
Arroganz fast unmöglich machen. Trotz aller Frustration und der täglichen
Konfrontation mit einer Realität, die einem ein Höchstmaß an Selbstverleug-
366
Cabeza, Freudloses Paradies
nung abverlangt, darf man Samoa selbstredend nur preisen, wenn man es
denn schon nicht meiden konnte. Negative oder auch nur differenzierende
Antworten auf die ständig gestellte Frage, wie es einem denn in Samoa ge-
falle, werden von Samoanern absolut nicht geschätzt, obwohl dieselben Sa-
moaner sehr oft selbst eine kritische oder gar negative Einstellung zu ihren
Lebensumständen haben. Auch ausländische Samoafans hören kritische Töne
nur äußerst ungern. Sie fürchten eine Desillusionierung und die Erkenntnis,
auf ihrer Suche nach dem Paradies wieder einmal nur einer Schimäre nach-
gejagt zu sein. So ist es nur logisch, daß jemand, der die Repressivität, Mono-
tonie und Aggressivität der samoanischen Gesellschaft und Lebensweise sowie
die sich daraus ergebenden negativen physischen, psychischen, intellektuellen,
sozialen, ökonomischen und politischen Konsequenzen öffentlich beim Namen
nennt und erörtert, alsbald zwischen sämtlichen Stühlen sitzt. Ich kenne das
Risiko, und es geschähe mir nur recht. Der Beifall der Romantiker unter den
Papälagi, und das ist die große Masse, wäre mir ja sicher gewesen, wenn ich
mich nur dazu hätte verstehen können, einmal mehr die süße alte Lüge vom
Paradies zu kolportieren. Aber ich habe mich anders entschieden. Den Samoa-
nern kann man es ohnehin kaum recht machen, denn sie sind fest davon über-
zeugt, daß sie die einzigen legitimen Interpreten ihrer selbst und ihrer Kultur
sind.
Aufschlußreich ist in diesem Zusammenhang das Schicksal Margaret Meads,
deren idealisierende und deshalb schlechte Samoabücher in keiner noch so mick-
rigen, aber auf Modernität und Fortschrittlichkeit bedachten pädagogischen,
psychologischen oder soziologischen Bibliothek fehlen, die aber in Samoa selbst
zu den meistgehaßten Personen gehört. Samoanische Leser konstatieren unzu-
treffende Fakten und falsche Interpretationen und unterstellen sofort eine ab-
sichtliche Entstellung ihrer Realität. Wenn Frau Mead z. B. fälschlich die
sexuelle Freiheit der samoanischen Jugend lobend hervorhebt und ihr Fehlen
anderen Gesellschaften zum Vorwurf macht, dann genügt es den Samoanern
nicht festzustellen, daß die Autorin irrt, sondern man nimmt ihr übel, daß sie
die Existenz einer solchen Freiheit, in Samoa als Libertinage verdammt, für
etwas Positives hält und den Samoanern überhaupt zutraut.
Es ist schon merkwürdig, wie schwer es Einheimischen und Fremden fällt,
ein irritationsfreies Verhältnis zu Samoa zu finden. Während viele Samoaner
ihre eigene Kultur und Lebensweise im Vergleich mit denen der Papälagi
einerseits als besonders kompliziert und fordernd empfinden, andererseits aber
gerade diese Charakteristika zu Überlegenheitsmerkmalen stilisieren, werden
sehr viele Ausländer im Umgang mit Samoanern dadurch verunsichert, daß
alle ihre psychologischen, sozialen, ethischen, intellektuellen und emotionalen
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
367
Maßstäbe plötzlich nicht mehr zu stimmen scheinen. Die meisten Samoaner
bewahren in dieser Situation ihr labiles seelisches Gleichgewicht dadurch, daß
sie aus einem als Not empfundenen Zustand eine Tugend machen. Die Papä-
lagi dagegen, daran gewöhnt, ihre eigene Kultur und Lebensweise gnadenlos
zu kritisieren und im Vergleich mit denen der „Dritten Welt“ in fast jeder
Hinsicht negativ zu beurteilen, sind zunächst ratlos, fahren dann aber entweder un-
verdrossen in ihrer einseitigen Kulturkritik fort oder finden schließlich zu einer
angemesseneren Einstellung zu beiden Kulturen, der eigenen und der samoa-
nischen.
Ich sehe z. B. nicht ein, warum ich überschwenglich von samoanischer Gast-
freundschaft sprechen soll, wenn ich doch weiß, daß bei der Aufnahme und
Bewirtung von Gästen durchaus Kalkül im Spiel ist und auf den eigenen Vor-
teil geachtet wird, was nicht nur materiell zu verstehen ist. Auch bin ich fest
davon überzeugt, daß Samoaner einander nicht nur aus reiner Sympathie be-
suchen, sondern meist ein mehr oder weniger erkennbares Ziel verfolgen.
Schließlich habe ich mehr als einmal miterlebt, wie „fromme“, „würdige“ Per-
sönlichkeiten die Ankunft einer Malaga, einer der traditionellen, manchmal
aus einer ganzen Dorfbevölkerung bestehenden Reisegesellschaft, mit herz-
haften Flüchen und Verwünschungen bedachten, um sie zwei Minuten später
freudestrahlend willkommen zu heißen. Umgekehrt weiß jeder Samoaner
ebensogut wie ich oder besser, daß viele Malaga in der maliziösen Absicht un-
ternommen wurden und werden, die gastgebenden ’Aiga oder Dörfer zu über-
raschen, in Verlegenheit zu bringen und zu schädigen. Die Überrumpelten hal-
ten sich dann eben wieder anderswo schadlos, indem sie ihrerseits auf Malaga
gehen. Das Perpetuum mobile dieser gehaßliebten Einrichtung kommt auf
diese Weise nie zum Stillstand. Spontane, freundschaftliche gegenseitige Besuche
benachbarter Würdenträger sind dagegen nicht sehr üblich, und so kommt es
nicht selten vor, daß zwei Matai würdevoll und gelangweilt in ihren nahe bei-
einander stehenden Häusern sitzen und so tun, als nähmen sie einander nicht
zur Kenntnis oder bestenfalls ein paar konventionelle Floskeln austauschen.
Aus dem Munde betroffener und beteiligter Samoaner hörte ich schließlich
auch, wie wohl kalkuliert und wenig ehrlich all die Artigkeiten sind, die man
einander bei tausend zeremoniellen Anlässen sagt. Und nicht nur ein Matai
hat mir gestanden, daß ihm all das Gerede zum Halse heraus hängt, er aber
seine wahren Gefühle ohne Gesichtsverlust und schädliche Folgen für das An-
sehen seiner Familie nicht zeigen kann. Macht jemand in der Handhabung der
komplizierten Rituale, wie z. B. der Kavazeremonie, einen kleinen Fehler,
kann er nicht mit Nachsicht rechnen, sondern erntet je nach Rang Spott und
Hohn oder noch schlimmeres. All diese Verhaltensweisen, die im krassen Ge-
24 Baessler-Archiv XXX
368
Cabeza, Freudloses Paradies
gensatz zu den ständig in penetranter Weise propagierten christlichen Grund-
sätzen stehen und die Frömmigkeit vieler, wenn nicht der meisten Samoaner
als Bigotterie entlarven, werden aus dem Fa’a’samoa, der samoanischen Sitte
erklärt und von den Mächtigen meist gerechtfertigt, von den Ohnmächtigen
aber als Last empfunden und gehaßt. Während die Mächtigen ihre Macht er-
halten wollen, hoffen die Ohnmächtigen, sie eines Tages übernehmen und in
gleicher Weise ausüben zu können. So bleibt die Ordnung einstweilen erhalten,
die Ordnung einer Gesellschaft, die ich nur als eine Gesellschaft von „Rad-
fahrern“ bezeichnen kann.
So wie ich das Paradies Samoa kenne, ist es freudlos im doppelten Sinne.
Hier gibt es weder Freude, wenn man von der über die Mißgeschicke anderer
einmal absieht, noch einen Freud. Der aber wäre in Samoa ebenso nötig wie
anderswo auf der Welt, wenn nicht noch viel nötiger.
Damit nun aber niemand glaubt, ich wollte die Samoaner verteufeln, füge
ich hinzu, daß mir nichts ferner liegt. Die Samoaner sind keine Teufel, son-
dern Menschen, die ich als meinesgleichen erkenne, anerkenne, achte und be-
handle. Im Gegensatz zu vielen oder gar den meisten Papälagi bin ich daher
auch nicht bereit, sie durch Zubilligung eines Primitivitäts- bzw. Infantilitäts-
bonus zu diskriminieren, sondern betrachte sie als Partner mit gleichen Rechten
und Pflichten. Mit anderen Worten, ich halte es für schizophren, wenn man für
die Gleichberechtigung und Selbstbestimmung der Völker und Menschen ein-
tritt, gleichzeitig aber von dem paternalistischen Protektionismus der Kolonial-
herren unseligen Andenkens nicht loskommt. Das bedeutet, daß ich den Sa-
moanern gegenüber offen bin, mich ihrer Beurteilung und Kritik stelle und
ihre Gefühle, soweit ich sie kenne — hier liegt ein Problem —, respektiere,
so wie ich es auch gegenüber anderen Menschen tue oder zumindest zu tun ver-
suche. Die Samoaner scheinen diese Einstellung zu schätzen, denn sie haben
mich seit Jahren akzeptiert. Die Problematik des Verhältnisses tritt jedoch oft
dann zutage, wenn ich von meinen Partnern ein ebensolches Verhalten mir ge-
genüber erwarte. Dazu scheinen sie aber in der Regel entweder nicht bereit
oder nicht in der Lage zu sein. Das Verhältnis bleibt auf diese Weise einseitig,
denn man wird als ernsthaft um Partnerschaft, ja Freundschaft bemühter
Fremder ständig verunsichert und frustriert. Diese Erfahrung teile ich mit
vielen nachdenklichen Samoabesuchern, die sich nicht nur oberflächlich mit
Land und Leuten eingelassen haben und von denen einige, auch wenn sie in der
Nähe sind, Samoa inzwischen meiden.
Noch ein weiteres Mißverständnis sollte gar nicht erst aufkommen. Ich bin
nicht der Ansicht, daß die mir für Samoa typisch erscheinenden Merkmale in
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
369
den Ländern der Weißen gänzlich unbekannt sind. Aber es geht mir ja auch
nicht um die Propagierung irgendeines Paradieses, sondern eher um die Über-
windung des Mythos vom Paradies Samoa. Angesichts einer prosaischen und
harten Realität erscheint die Sehnsucht nach einem Paradies zwar menschlich
verständlich und als Impuls zur positiven Fortentwicklung von Individuum
und Gesellschaft durchaus notwendig, darf aber keinesfalls die Erkenntnis ver-
hindern, daß diese Welt weder in der Südsee noch irgendwo sonst ein Paradies
enthält oder je enthalten hat. Samoa jedenfalls wäre für mein Gefühl auch in
keiner Weise geeignet, solche Hoffnungen und Sehnsüchte zu stimulieren. Alle
denkbaren menschlichen Schwächen sind hier nicht nur vorhanden, sondern
treten besonders häufig und verstärkt in Erscheinung. Vielleicht liegt das an
der räumlichen und geistigen Isolation und Enge, die ja nicht nur in Samoa
derartige Folgen zeitigen. Erstaunlich ist dabei allenfalls die Tatsache, daß so
viele Papälagi sie ignorieren, verdrängen oder verbrämen, während sie in
ihrer eigenen Umgebung dagegen eifern und daran verzweifeln. Ich kann mit
diesen Paradiesideologen, die in den Samoanern engelhafte Sonderwesen sehen
und deren eher negative Charakterzüge, falls sie sie überhaupt bemerken, nur
mit dem schlechten Vorbild der Papälagi erklären, nicht übereinstimmen, son-
dern bin fest davon überzeugt, daß die Samoaner ihre Identität weitgehend
bewahrt haben und nicht wesentlich die Produkte fremder Einflüsse sind. Aber
wie dem auch sei, Menschen mit den hier ironisch oder sarkastisch geschilderten
Eigenschaften und Verhaltensweisen kann ich nur sehr schwer längere Zeit
ertragen, und das gilt für Samoaner ebenso wie für Papälagi. Auch wenn man
die Ursachen für solche Eigenschaften und Verhaltensmuster kennt und ver-
steht, warum Menschen so sind wie sie sind, wird der Umgang mit ihnen kaum
angenehmer.
Und noch eine Bemerkung zum Schluß. Trotz meiner hier wiedergegebenen
eher trostlosen Eindrücke und Erfahrungen, die ich in jedem einzelnen Fall
durch Namen und Daten komplettieren könnte und die, so schmerzlich sie auch
sind, ich nicht missen möchte, kenne ich doch auch einige Samoaner, die nicht
nur bei den hier üblichen oberflächlichen Kontakten, sondern auch nach län-
gerer intensiver Bekanntschaft gleichbleibend freundlich, unaufdringlich, ein-
fühlsam und hilfsbereit sind. Ich weiß aber auch, daß diese Samoaner ebenso
wie ich oder, wegen der Unentrinnbarkeit ihrer Lage, sogar noch stärker un-
ter den hiesigen Verhältnissen leiden. Es ist daher meine große Hoffnung, daß
wenigstens sie mich nicht verdammen für das, was ich mir, und ich wage zu
sagen ihnen, hier von der Seele geschrieben habe. Ihre Sympathie bedeutet mir
mehr als der Beifall der Mehrheit, sei sie nun braun oder weiß.
24*
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
371
WIRKUNGSASPEKTE DER MUSEUMSARBE I T
IN EINEM ENTWICKLUNGSLAND AM BEISPIEL
DER REZEPTION DES SAHEL - M USEUMS
IN MALI/WESTAFRIKA
SIBYLLE BENNINGHOFF-LÜHL, Hamburg
Das Erziehungsministerium in Mali beschloß im Mai 1976 auf einer Tagung
in Bamako die Gründung mehrerer Regional-Museen. Die Einrichtung eines Mu-
seums in Gao mit dem thematischen Schwerpunkt „Sahel-Zone“ wurde für den
Zeitraum 1981/82 anvisiert und in der Folge mit finanzieller Hilfe des Aus-
wärtigen Amtes sowie der Stadt Bremen realisiert.
Mitarbeiter des Bremer Überseemuseums halfen bei der Vorbereitung des Pro-
jektes, indem sie eine Ausstellung über das Leben der Kel Adrar-Tuareg konzi-
pierten und zusammenstellten, die nach zweijähriger Arbeit im Dezember 1981
eröffnet werden konnte1.
Das Besondere und Neuartige dieser ersten Ausstellung liegt in einem erzie-
herischen Anspruch. Neben den traditionellen Museumsaufgaben, dem Sammeln
und Forschen, dem Erhalten, Archivieren und Ausstellen soll das Sahel-Museum
explizit ein Ort nonformaler Erziehung sein, eine Informations- und Lernstelle
für die Regionalbevölkerung, die Aufklärungsmöglichkeiten für ökonomische
und soziale Probleme anbietet und einen Diskurs über bisherige Fehlschläge und
künftige Aufgaben der Entwicklungshilfe einleitet.
Wie verhielt sich nun das Publikum, um dessenwillen das Museum eingerich-
tet war, zu diesem Bildungsangebot, und welche Rückschlüsse lassen sich aus der
bisherigen Resonanz für eine künftige Museumsarbeit ziehen?
Zur Beantwortung dieser Frage will ich zunächst versuchen, einige Wirkungs-
aspekte des Sahel-Museums zu beschreiben und auszuwerten, um anschließend
zu praktisch-inhaltlichen und konzeptionellen Neuvorschlägen zu kommen.
1 Skizze und Beschreibung der Ausstellung vgl. Anhang S. 386/87. Vgl. auch den Ka-
talog „Vivre au Bord du désert“, Première exposition sur les Kel Adrar, (Hrsg.):
Musée d’Outre-Mer, Bremen 1981. Vuilleumier, J. P.; Museum programming and
development policy, in: Museum, hrsg. von UNESCO, H. 138, S. 94—97, Paris
1983.
372
Benninghoff-Lühl, Wirkungsaspekte der Museumsarbeit
Publikum
Die Einwohner Gaos reagierten auf das neueröffnete Sahel-Museum mit Em-
phase. In der Anfangszeit zählte ich zwischen 200 und 250 Besucher während
der zweistündigen Öffnungszeit, Menschen aller Bevölkerungsschichten, Bil-
dungsgrade und Altersklassen.
Später, d. h. nach 14 Tagen, pendelte sich die Besucherzahl auf 30 bis 50 ein,
was verglichen mit anderen afrikanischen Museen2 ein bemerkenswertes Ergeb-
nis ist.
Auch die Wanderausstellung in Bourem (100 km nördlich von Gao) zog in-
nerhalb von 10 Tagen über 2000 Menschen an.
Affekte
Für die große Menge des Publikums war dies die erste Begegnung mit einem
Museum. Angst und Freude sind als affektive Reaktionen gleichermaßen zu ver-
zeichnen.
Die meisten Zuschauer sind nach anfänglichem Zögern schlagartig begeistert,
brechen in ein befreiendes Lachen aus bzw. äußern ihre Zufriedenheit in dem
Augenblick, wo sie die Objekte nicht als „lebend“ oder „tot“, sondern als „künst-
lich“ identifizieren, durch beifälliges Kopfnicken, Handbewegungen, zustimmen-
de Bemerkungen („formidable“, „magnifique“). In wenigen Fällen überwiegt
die Scheu vor dem Dargestellten besonders in figürlicher Form derart, daß auf
einen vollständigen Besuch der Ausstellung verzichtet wird. So flieht eine Frau
entsetzt durch die Räume über den Hof auf die Straße, weil sie glaubt, die Pup-
pen seien Teufel/Geister. Bis auf zwei Personen sind jedoch alle Besucher, die
sich anfänglich bedroht fühlten, zu wiederholten Malen wiedergekommen, um
ihrer Neugier auf das Fremde nachzugehen.
Mit einer Gewöhnung an die Darstellungsform wächst die Zustimmung.
W iedererkennen
Das Wiedererkennen und Erinnern spielt in der Rezeption eine Schlüsselrolle.
Die Tamashek, um die es in der Ausstellung geht, kennen bereits aus anderen
Zusammenhängen die gezeigten Objekte und die Inhalte der Fotos.3 Diese lösen
2 Vgl. Statistik Im Anhang S. 388.
3 In den Figuren erkennen sich hauptsächlich die Personen wieder, die verkörpert sind,
d. h. der Hirte im „Hirten“ etc. Es ergeben sich Situationen, in denen sich mit den
Figuren nahezu identisch gekleidete Besucher gegenüberstehen und verblüfft ausru-
fen „Mais, fa c’est moi!“ Die Ausstattung der Puppen wird in der Regel schöner
gefunden als die eigene Erscheinung. Man möchte auch so aussehen und am liebsten
die Sachen tausdien.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
373
einen Gedankenfluß in ihnen aus, sie beginnen zu reden, anderen Besuchern,
auch den Songhay mitzuteilen, wie sich ihr Lebensraum gestaltet. Vielfach werden
auf den Abbildungen Verwandte, Bekannte, ganze Landstriche, Tiere — auch
wenn sie noch so miniaturhaft auf den Fotos erscheinen — wiedererkannt. Be-
sonders der Anblick, ja sogar der Geruch des naturalistisch nachgebauten Leder-
zeltes lösen bei den Betrachtern Nostalgie-Gefühle aus. Vorübergehend seßhaft
gewordene Nomaden, die ihre Verwandtschaft im Adrar zurücklassen mußten,
erklären im Anschluß an den Museumsbesuch, umkehren zu wollen, um ihr tra-
ditionelles Leben weiterzuführen.
Ein Tamashek, dessen Lebensweg zur Seßhaftigkeit in jüngerer Zeit wohl ty-
pisch ist, formuliert, daß ihn die durch Fotos hervorgerufene Erinnerung an die
Zeit vor der Trockenkatastrophe von 1973 in tiefe Konflikte stürze. Er habe
das Bedürfnis, seine nomadische Lebensweise wiederaufzunehmen, andererseits
wisse er, daß seine finanzielle Unsicherheit diesen Wunsch nicht zuläßt. In die-
ser und der folgenden Weise besitzt die Ausstellung eine bedrückende Kompo-
nente. So werden z. B. auch Erinnerungen an eine Vergangenheit belebt, die der
Generation der 30—50jährigen noch in der grauenvollen Niederschlagung des
Aufstandes gegen die Regierung Modibo Keitas (1962) und in der Dürreperiode
1973/74 präsent ist. Über beide Ereignisse vermeidet man zu sprechen, beides
ist einer Art kollektiver Verdrängung aus Angst vor staatlicher Repression aus-
gesetzt. Um so stärker brechen Gefühle beim Anblick der Objekte und Bilder
auf.
Neben der Traurigkeit und dem Verlangen, daß es wieder so werden soll wie
früher, gibt es aber auch noch eine andere Richtung der Gedanken, die weniger
lähmend und traumatisch ist und vor allen Dingen von den Viehzüchtern ge-
äußert wird, denen das Leben in der Stadt fremd ist. Die Ausstellung bestätigt
die angegriffene Heimatgebundenheit und den Traditionallsmus der Tamashek.
Sie macht Aussagen über die Entstehung und den Verlust von Authentizität und
versucht, indem sie schönes und qualitätsvolles Handwerk zeigt, ein Gefühl für
das Echte und Sinnvolle wiederherzustellen. Gerade aber das Echte liegt für die
Nomaden außerhalb einer Ausstellung. Es läßt sich nicht nachkonstruieren, son-
dern eben nur erleben.
„Dies ist nur eine Ausstellung, eine Sammlung fürs Museum“, sagt ein Tama-
shek, „aber die Wirklichkeit ist viel besser. Ihr müßt uns einmal besuchen . . . “
Die Bilder ermutigen, einen Erfahrungszusammenhang, der verlorenzugehen
droht oder schon verloren ist, zu rekonstruieren, indem sie auf die Lust speku-
lieren, die beim assoziativen Gedanken an ein gelungenes „Zurückgelassenes“
bzw. „Vergangenes“ freigesetzt ist.
374
Benninghoff-Lühl, Wirkungsaspekte der Museumsarbeit
Unverständnis
Bis auf einige wenige Intellektuelle haben die meisten Zuschauer den Sinn des
Museums und die Aussage der Ausstellung nicht verstanden. Häufig sind Fragen
wie; „Warum habt ihr das gemacht? Was soll das?“ Ohne weitere (mündliche)
Erklärung wird und kann auch nicht begriffen werden, weswegen in Räumen,
die offenbar nicht bewohnt sind, „tote“ Gegenstände aufbewahrt werden, die
nicht zum Gebrauch oder zum Verkauf, sondern nur zum Anschauen bestimmt
sind. Die Objekte sind zwar in ihrem Funktionszusammenhang präsentiert, je-
doch um ihren eigentlichen Zweck, Menschen das Leben zu ermöglichen, zu er-
leichtern und zu verschönern, gebracht. Diese Nutzlosigkeit wird als um so
stärker empfunden, je größer die eigene Bedürftigkeit ist. Es entsteht eine Ent-
fremdung gegenüber den Gegenständen, die noch durch das Verbot vertieft ist,
das Begehrte zu berühren bzw. auszuprobieren. So kann eine mögliche Ergrif-
fenheit auf ästhetischer Ebene nicht in der von den Veranstaltern geforderten
Erkenntnis münden, nämlich, daß zunächst einmal der gesellschaftliche Zustand
hergestellt werden müßte, der eine Anschaffung der ehemals selbstverständ-
lichen Wertsachen erlaubt.
Die von der Ausstellungsorganisation Vorausgesetze Seh- und Lernweise kann
in einem Maße als „europäisch-didaktisch“ bezeichnet werden, wie sie auf „stati-
scher Objektrezeption“4 besteht.
„Das traditionelle afrikanische Kunstwerk, ob Dichtung, Drama, Plastik oder
Maske ist nur ,vollständig', wenn es im sozialen Zusammenhang Funktion be-
sitzt, wobei aber nicht der Zweck, sondern der Sinn des Objektes wesentlich er-
scheint ... so ist die Maske nicht vollständig, solange sie keiner trägt, solange
sie nicht benutzt wird . . . Eine Maske als solche hingegen, so wie sie im Mu-
seum hängt, ist ein ,Dingc: ein Stück Holz . . . oder woraus sie immer bestehen
mag.“5
Nicht, daß Puppen, oder auch die Nachbildung von Tieren, so wie sie im Mu-
seum ausgestellt sind, unbekannt wären. Befremdlich ist hingegen, daß keine
Kinder mit ihnen spielen und sie dadurch ihrer ursprünglichen Bestimmung zu-
führen dürfen.
Das Konzept der Ausstellung, Objekte möglichst in ihrem Kontext zu zeigen,
durchschauen einige Zuschauer, stellen dabei aber auch fest, daß dieses Prinzip
nicht durchgehalten ist. „Wir sehen Kinderspielzeuge, aber keine Kinder, ihr
4 Rejholec, Jutta: Zur Umstrukturierung Kolonialer Kulturinstitutionen, Phil. Diss.
Frankfurt/M. 1980, S. 18.
5 J. Jahn zit. nach Rejholec, J.: a. a. O., S. 16/17.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
375
zeigt uns Schmiedewerkzeuge, aber wo sind die Schmiede?“ Auf Vollständig-
keit, aber auch auf die Belebung einer Szene wird Wert gelegt. Beim Anblick
der Kamel-Attrappe fragt ein Jugendlicher: „Beginnt das Kamel zu laufen,
wenn man es an die Stromsteckdose anschließt?“
Daß die Ausstellung von westlichen Rezeptionsgewohnheiten ausgeht und in
dieser Weise afrikanischen Kommunikationsformen entgegenläuft, läßt sich ent-
lang ihrer Elemente nachweisen.
Die lebensgroßen Figuren, die Farbbilder und Texte sollen als Beispiele her-
ausgegriffen werden.
Figuren
Eine schon beschriebene Scheu des Publikums vor den als Tamashek gekleide-
ten Puppen (vgl. S. 372) drückt die Verletzung eines religiösen Gefühls aus, das
bei 99 °/o der Besucher vorausgesetzt werden kann. Geister, die sogenannten
Holeys (Übersetzung vielleicht richtiger: „Die Verrückten“), spielen in der Meta-
physik von Songhay und Tamashek eine das soziale Eeben regulierende Rolle.
Sie sind, wenngleich unsichtbar, überall ansässig, und es gilt, sie nicht herauszu-
fordern, sondern sie durch bestimmte Kulthandlungen, wie z. B. dem Entzünden
von Räucheressenzen im Haus, zu versöhnen. Holeys können sich in vielerlei
Gestalt materialisieren**, die Erscheinung von Tieren und Menschen annehmen.
Daß das Museum Holeys beherberge, war besonders in seiner Anfangszeit ein
weit verbreitetes Gerücht. Die Wesen aus Gips und Draht wurden als personi-
fizierte Geister identifiziert.
Songhay wie Tamashek sind islamisiert. Sie glauben an die Vorschrift des
Korans, die es verbietet, Menschen abzubilden. Die Kraft Allahs, Menschen zu
erzeugen, sei durch den Prozeß der Abbildung nachgeahmt und die Nachbildung
selbst ein Objekt der Vergötterung. Figürliches Denken ist den Einwohnern
Gaos seit dem 11. Jhdt. weitgehend fremd. Sie stehen der plastischen Imitation
von menschlichen Körpern mit Ausnahme vielleicht der Herstellung von Puppen
als Kinderspielzeug relativ orientierungslos gegenüber.
Letztendlich kommen bei der Rezeption von synthetischen Menschengestalten
Assoziationen zum Tragen, die selbst europäische Besucher für einen Museums-
besuch nicht ausschließen können und die zum wesentlichen Wirkungseffekt der
sogenannten Wachsfigurenkabinette geworden sind: Der Gedanke nämlich, daß
6 Zur religiösen Struktur und speziell zum Holey-Kult vgl. Jean Rouch: La Religion
et la Magie Songhay, Paris 1960.
376
Benninghoff-Lühl, Wirkungsaspekte der Museumsarbeit
es sich bei den Wesen um „echte“ Tote, um Kadaver also, handeln könne. Der
Bedrückung durch eine Friedhofsstimmung können sich einige Besucher beim
Gang durch die Ausstellung nicht entziehen.
Fotografien
Auch das fotografische Vermittlungsverfahren ist von religiösen Tabus einge-
schränkt. Wie bei allen islamisierten Völkern besteht bei Songhay und Tama-
shek die Überzeugung, daß die Seele eines Fotografierten im Bild festgehalten
bleibt und nach dessen Tod sein Bild zerstört werden muß, um dem Verstorbenen
eine Aussöhnung mit dem Jenseits zu ermöglichen.
Erst seit etwa 15 Jahren ist den Bewohnern der Region Gao das Fotografiert-
werden überhaupt vertraut, zuvor, in der Kolonialzeit (ab 1900) sind nach
Aussagen eines örtlichen Marabouts Fotoapparate oft als Gewehre getarnt be-
nutzt und in der Folge als Waffe schlechthin interpretiert worden. Unter der
Regierung Modibo Keita (1960—1968) war ein generelles Fotografierverbot er-
lassen. Erst durch den Kontakt mit dem Transittourismus' erfolgte eine Ge-
wöhnung an die bedrohliche Kamera. Die Aufnahmesituation wird nun in der
Regel akzeptiert, bei Jugendlichen auch oftmals begehrt, Voraussetzung aller-
dings ist das Versprechen, das eigene Abbild besitzen zu können. Über die Re-
sultate des Aufnahmeverfahrens will man berechtigterweise verfügen.
Die Bildinhalte zu erkennen und zu lesen, bringt den Betrachtern, selbst bei
technisch mangelhaften Aufnahmen oder auch bei Schwarz-Weiß-Abzügen keine
Schwierigkeiten. Fotografien gelten also als mittlerweile akzeptierte europäische
Ausdrucksmittel. Es gilt allerdings zu beachten, daß durch die relative Neu-
artigkeit des Mediums der Betrachter den Bildinhalt in europäischer Weise nicht
analysieren kann.
Schrift
Vierzig Bild- und Schrifttafeln sind In der Ausstellung etwa gleichwertig ver-
treten. Während die Fotografien im Personen, Dinge und Tiere wiedererkennen-
den Sinn unproblematisch dechiffriert werden können, ergeben sich durch die
Konfrontation mit französischen Textinformationen strukturelle Schwierigkei-
ten.
Schriftliche Erklärungen bdden den Leitfaden der Ausstellung. Dieser Text-
lastigkeit stehen die geringen Bildungschancen der Regionalbevölkerung als po-
7 Sowie wahrscheinlich auch durch den Paßzwang.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
377
tentieller Zuschauergruppe gegenüber. Dort, wo Bild- und Textaussage ausein-
anderlaufen, beispielsweise in den Passagen, in denen es um abstrakte historische
Zusammenhänge geht, kann die Informationsvermittlung ohne sprachliche Er-
läuterung zum Bild nicht gelingen. Flilfestellungen in Form verbaler Erklärun-
gen eines Führers werden notwendig, denn die für das Verständnis der Texte
erforderliche Vorbildung kann beim größten Teil der Besucher nicht vorausge-
setzt werden.
Die Analphabetenquote liegt in Gao bei 90 °/o, Bemühungen zur Alphabeti-
sierung von Tamashek und Songhay sind noch nicht in dem Maße fortgeschrit-
ten, daß deren Funktionalisierung im Sinne des Museums versucht werden
könnte. Nur schulgebildete Einwohner ab der 3. Klasse der staatlichen Grund-
schule8 aufwärts sind theoretisch in der Lage, die Texte zu lesen und zu verste-
hen. Unter diesen derzeit ca. 3000 Schülern (3.—12. Klasse) sind allerdings nur
400 Tamashek, zuzüglich der 280 Schüler aus Nomadenschulen außerhalb Gaos.
Es bestehen gleichzeitig 15 Ausbildungszentren der Alphabetisierungsstelle9 für
je 25 Schüler. In dieser „Elitetruppe“ der Alphabetisierten befinden sich die Tua-
reg also in einer verschwindenden Minderheit, eine Tatsache, die auch in der ge-
nerellen Schulfeindlichkeit der Nomaden ihre Gründe hat.
Auffallend ist noch, daß sowohl von der nichtstaatlichen Alphabetisierungs-
kampagne, als auch von den staatlichen Schulen kaum Nomadenfrauen profi-
tieren. So gibt es im Augenblick nur eine Tamashek-Frau, die das Gymnasium
besucht und sich auf ihre Abschlußprüfung vorbereitet.
Der Schwierigkeitsgrad der Texte selbst ist uneinheitlich. Sind Einleitung und
Schlußbemerkung relativ anspruchsvoll in Wortwahl und Grammatik, bemüht
sich der Hauptteil um unkomplizierte Sätze, die dem Schema von Subjekt-Prä-
dikat-Objekt folgen, in ihrer Konstruktion überschaubar und einprägsam sind.
Der Mittelteil erhält durch die Kombinierung mit Fotografien und Objekten eine
zusätzlich erklärende Dimension.
Zwei Beispiele können helfen, dies zu erläutern:
Der Eingangstext bezieht sich auf die neue Museumspolitik Malis und erklärt
deren historische Anfangsgründe. Er ist durch eine Aufnahme des Bremer Über-
seemuseums illustriert, die in keinem interpretierenden Bezug zur Aussage steht.
8 Daneben existieren für die Bevölkerung gleichberechtigt die Koranschulen, in denen
in arabischer Sprache und Schrift unterrichtet wird.
0 DRAFLA, d. h. „Direction Regionale de l’Alphabétisation Fonctionelle et de la
Linguistique Appliquee“.
378
Benninghoff-Lühl, Wirkungsaspekte der Museumsarbeit
L Expérience Muséale du Mali.
Dès le début du siècle l’expérience muséale avait
intéressé l’administration coloniale.
En 19C0, il fut question de créer un Musée Colonial
à Kayes. En 1917, un Musée ethnographique du -, r i -,
_ ----------------— ---was ist ethnografisch?
Soudan fut envisagé à Bamako. Il aurait dû
sauvegarder les manifestations typiques de l’Art
indigène Soudanais, servir de source d’inspiration
à l’industrie européenne et faciliter le ravitaillement
des Musées européens en Collections d’Objets.
Il faut attendre 1950 pour voir un embryon de . ~ i -,
------------- ---was ist ein Lmbryo?
musée. La première exposition fut organisée par
Marcel Griaule à la maison des Artisans Soudanais. , , , „ .
Ce n’est qu’en 1955 que le Musée disposa de ses
propres locaux, au pied de la colline du Point
G. à Bamako. En 1975, le Musée National dut
abandonné ses locaux au profit de l’I.P.G.P., pour
s’établir à l’I.N.A.
En 1980 débutait les travaux de Construction
du Musée National du Mali financés par la France.
Die gewählten Formulierungen, d. h. der Gebrauch von Fremdwörtern, Ab-
kürzungen, sowie unbekannten Namen/Bezeichnungen provozieren Verständ-
nisfragen. Außerdem ist der Lerneffekt einer derartigen Vermittlung gering.
Weder auf mehrfache Fragen meinerseits noch in den von mir ausgewerteten
schriftlichen Berichten kam zum Ausdruck, daß ihr Inhalt verstanden bzw. be-
halten wurde.
Anders hingegen bemüht sich der aus dem Mittelteil gegriffene folgende Text
um eine bündige Aussage, die mit dem Inhalt der dazugehörigen Fotos korre-
liert.
Alimentation
Le Kel Adrar a pour base de l’alimentation les
produits de l’élevage (lait, fromage, viande, beurre).
Il utilise également des produits importés comme
les céréales, le sucre, le thé etc.
Le thé mérite une mention spéciale. Sa consom-
mation abusive peut être nuisible à la santé.
Cependant c’est autour du thé que s’organisent
les rencontres et les échanges culturels.
Bild eines Tamashek,
der ein Kamel melkt
Bild einer Teerunde
-wer war Marcel Gnauie?
---was bedeutet I.P.G.P.
und I.N.A.?
Baessler-Archlv, Neue Folge, Band XXX (1982)
379
Daß die letzte Passage begreiflich und einprägsam ist, zeigt ihre Wiedergabe
und Interpretation in einem Schulaufsatz der 9. Klasse: „On a constaté, que le
thé qu’on considère comme stimulant de distraction est objectif dans le milieu
des touaregs. C’est le milieu des informations et des discussions, c’est aussi le
moment précieux.“
Die Schülerin hat vertanden, daß die Teezeremonie nicht nur einen anregen-
den Zweck hat, sondern daß sie für die Tuareg der Kern einer Geselligkeit ist,
um den herum der Austausch von Meinungen und Stimmungen erst möglich wird.
Den Maßstab größtmöglicher öffentlicher Zugänglichkeit zur Ausstellungs-
aussage angesetzt, lassen sich mit Bezug auf den Textteil folgende Schlüsse zie-
hen:
— Geschriebene Sprache überfordert generell das Fassungsvermögen des Publi-
kums. Sie kann sparsamer und vernünftiger eingesetzt werden.
— Die Sätze sind in ihrer Aussage auf Fotografien und Objekte abzustimmen.
— Die Texte sollten, falls sie für eine Ausstellung überhaupt notwendig wer-
den, auch für die Menschen formuliert sein, um die es inhaltlich geht, d. h.
in diesem Fall für die Tuareg.
Weil die traditionelle Schriftsprache der Tamashek, das Tifinagh10, von fast
allen Kel Adrar beherrscht wird, bietet sich ihre Verwendung an. (Eine
Übersetzung der Texte auf Songhay könnte ebenfalls realisiert werden, ge-
gebenenfalls beides in Kooperation mit den örtlichen Schulen bzw. mit der
Alphabetisierungsstelle.)
Gerade in linguistischer Hinsicht könnte das Museum seine konservatorische
Funktion erfüllen, indem es nämlich die einzige Schriftsprache Westafrikas
(vom Arabischen abgesehen) als Verkehrssprache ernst nimmt und dadurch
mithilft zu verhindern, daß die Tifinagh-Schrift durch eine Alphabetisierung
mit europäischen Lettern in Vergessenheit gerät.
Lernen
Da ich davon ausgegangen bin, das Sahel-Museum als Bildungsort anzusehen,
möchte ich nun auf die Lerneffekte der Ausstellung sowie auf die generelle Mu-
seumsrezeption eingehen, die ich zum einen an Zuschauerberichten im Anschluß
10 Vom Tifinagh ist in der Ausstellung selber die Rede. Es handelt sich um eine Ber-
ber-Schrift, die etwa 3000 Jahre alt ist. Herkömmlicherwelse wird sie von Noma-
denfrauen an die Kinder überliefert.
380
Benninghoff-Lühl, Wirkungsaspekte der Museumsarbeit
an den Museumsbesuch, zum anderen an Schulaufsätzen messe, die von 50
Schüler(n)/innen der 9. Klasse zum Thema „Sahel-Museum“ verfaßt wurden.11
Um von der mißlungenen Kommunikation einmal abzusehen, waren meine
Verständnisfragen gezielt an vorgebildete Songhay gerichtet, die die fraglichen
Texte entschlüsseln können.
Von den Songhay kann ein Defizit an Aufklärung über die Tamashek vor-
ausgesetzt werden, darüber hinaus eine vourteilsbelastete, distanzierte Haltung
gegenüber den Nomaden.
Mir ging es darum zu erfahren, inwieweit die Ausstellungsaussage zu den
Problemen der Kel Adrar und den Veränderungen der nomadischen Lebens-
weise vor und nach der Trockenzeit 1973 verstanden und auch umgesetzt wur-
de. Hier einige typische Resultate:
— Songhay, die ihr Leben in Gao verbracht und noch nie die Stadt verlassen
haben, formulieren, daß sie von der Bevölkerung im Adrar nun einen Ein-
druck bekommen hätten. Verblüfft wird festgestellt: „Das sind ja gar keine
Wilden!“
— Lehrer, Funktionäre, die aus anderen Teilen Malis nach Gao versetzt sind,
äußern ihr Erstaunen darüber, daß es im Adrar nach Aussagen der Fotos
durchaus fruchtbare Regionen mit Gartenbau gibt. Man habe gedacht, „im
Norden sei nichts mehr“, außer Sand, Wüste und Viehherden.
— Schüler mit dem Bildungsgrad der 9. Klasse sind in der Lage, alle Elemente
der Ausstellung im Nachhinein noch einmal aufzuzählen, darüber hinaus die
verschiedenen Problemkreise: Mit der Veränderung des Klimas habe sich die
Bevölkerung verringert, die Tier- und Pflanzenwelt sei verarmt, ebenso
hätten sich die materiellen Bedingungen der Nomaden verschlechtert. Der
Entzug der Ernährungsgrundlage Viehzucht durch den Mangel an Wasser sei
für alle weiteren sozialen Schwierigkeiten Verursacher. Sie zwänge die No-
maden zum Verkauf ihrer Herden, zur Auswanderung und zu vielfältiger
kultureller Umorientierung.
— Die SaheTZone, das Lebensgebiet der Nomaden, wird von den Schülern als
historischer Raum erkannt. Aus den abgebildeten Felszeichnungen und der
Ansicht von Ruinen der mittelalterlichen Handelsstadt Es Souk schlossen sie
auf das Bestehen einer ihnen vorher unbekannten afrikanischen Zivilisation.
11 Das Aufsatzthema lautete: „Le Musée est considéré par une certaine catégorie des
gens comme dépositoire d’objets anciens. Etes-vous de cet avis? Selon vous quelle
importance peut-il avoir dans notre société d’aujourd’hui?“
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
381
Es kann also festgehalten werden, daß zumindest bei einigen im westlichen
Sinne vorgebildeten Aussteliungsbesuchern eine Irritierung ihrer vorherigen
Haltung gegenüber den Tamashek stattfand. Zudem kann von einer Wissens-
bereicherung in bestimmten Punkten gesprochen werden.
Zu den wichtigsten Erfolgen der Ausstellung möchte ich rechnen, daß sie es
schaffte, auch tiefsitzende Vorurteile ins Bewußtsein zu rufen12, über die dann
im Anschluß diskutiert werden konnte.
Zur Frage, was denn ein Museum sei, schreiben die Schüler der 9. Klasse:
— Das Museum ist dazu da, an die Nomaden zu erinnern: „Le musée fait con-
naître le tamashek à ceux qui l’oublient dans leurs rêves.“ Es soll den Re-
spekt für die Nomaden wiederherstellen.
— Es ist eine Institution, die andere Kulturen vorstellt;
— die über Lebensunsicherheiten dieser Kulturen informiert und ein Gefühl
für sie vermittelt;
— die Möglichkeit, eine Kultur wie die der Tuareg zu entmystifizieren;
— die Möglichkeit, afrikanische Geschichte zu illustrieren und ein Bewußtsein
für sie zu entwickeln;
— ein Atelier für Künstler und Wissenschaftler des Landes, das mit Künstlern/
Wissenschaftlern des Auslands verbindet;
— eine Gelegenheit für Handwerker, traditionelle Produkte herzustellen und
zu verkaufen;
— ein Ort, an dem traditionelle Produktionsweisen vorgestellt und weiterent-
wickelt werden können. „Donc, le musée n’est pas un simple dépositoire
d’objets anciens. Il permet aux générations de se rendre compte de leur mode
de production et par conséquence II ne leur restera que de prendre le mo-
dèle et de faire tout simplement des perfectionnements afin que s’ensuivre
un mode de production nouveau.“
Die Feststellungen der Schüler zeugen vom Weiterdenken und Kombinieren.
Das Museum könnte demnach neben seiner historischen Orientierung auch eine
Entwicklungskomponente haben, indem es nicht nur Informationsstelle ist,
sondern auch praktisch-technische Neuvorschläge macht.
12 Diese schreiben die Tamashek auf eine unberechenbare Bösartigkeit fest, weswegen
sie von den Songhay gefürchtet und gemieden werden.
382
Benninghoff-Lühl, Wirkungsaspekte der Museumsarbeit
Es ist vorstellbar, daß Schüler, die in dieser Weise den abstrakten Sinn
eines Museums begreifen, zu Übermittlern der Ausstellungsintention werden
und auch Freunde/Verwandte zu einem Museumsbesuch motivieren. Es könnte
also bei einer zukünftigen Öffentlichkeitsarbeit darum gehen, den Schülern als
Publikumsgruppe eine besondere Aufmerksamkeit zukommen zu lassen.
Kritisieren
Meine subjektiven Beobachtungen und Analysen bedürfen noch einer Er-
gänzung durch die Publikumskritik. Diese läßt sich folgendermaßen zusam-
menfassen:
— Formal/Konzeptionell
Das Museum sollte größer sein, ähnlich dem Niamey-Freilichtmuseum.
Seine Gestaltung müßte lebendiger sein. Wunsch nach wilden Tieren.
Das Sahel-Museum sollte reichhaltiger sein.
Es sollte in unmittelbarer Nähe zur Innenstadt liegen.
Eine Songhay-Ausstellung wäre zur Initiierung des Museums begrüßt worden,
zumal die Songhay die zahlenmäßig stärkste ethnische Gruppe in Gao sind.
Für eine Vollständigkeit der einzelnen Szenen müßte gesorgt sein. Illusioni-
stisch-echte Aufbauten wären ideal.
Aussagen sollen anschaulicher sein. Mehr archäologisches Material, Musik-
instrumente, Heilkräuter etc.
Die Verbesserungsvorschläge im Schlußteil sollte man mit Bildern oder
Modellen illustrieren. So beispielsweise erläutern, was selbstregenerierende
Energiequellen sind. Gewünscht werden Ansichten von Sonnen- und Windener-
giemaschinen, Pläne für den Brunnenbau etc. Alles in allem pragmatischere
Darstellungen, die besser verstanden und diskutiert werden können.
— Inhaltlich
Mehrere Besucher bemerken, daß die Bilder einen anderen Eindruck vermit-
teln als die Texte, nämlich den eines glücklichen sorgenfreien Lebens. Auf die
Wirklichkeit bezogen sei dieser Eindruck falsch. So sei die Trockenkatastrophe
in ihrer ganzen Schrecklichkeit und mit ihren ganzen Verheerungen nicht bild-
lich gezeigt.
Die jüngere Geschichte der Tamashek ist unter dem Aspekt ihrer Entwick-
lung durch eine (schicksalhafte?) klimatische Bedrohung nachgezeichnet. Sie
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
383
könne aber nicht an den politischen Auseinandersetzungen vorbei-rekonstru-
iert werden. So müsse die Rede sein von dem seit der Kolonialzeit immer
wieder vorgetragenen Autonomieanspruch, von der Rebellion der Kel Adrar
gegen Fremdbestimmung. Einige Besucher verweisen in diesem Zusammenhang
auf Bilder und einen Film, den sie an anderer Stelle zur „Politik gegen die
Nomaden“ gesehen haben und die sie sich für die Ausstellung wünschen wür-
den.
Mit einer „Funktionellen Alphabetisierung“, so wie sie in den Lösungsvor-
schlägen unterstützt wird, sind mehrere Tamashek auf mein Befragen hin nicht
einverstanden. Seit 1968 werden die Tuareg zwar in ihrer Sprache, jedoch mit
lateinischen Buchstaben alphabetisiert, das Bestehen der autochthonen Schrift-
sprache dadurch mißachtet. Deren Verlust sollte durch Weitervermittlung und
Weiterentwicklung verhindert werden.
Zusammenfassung und Verbesserungsvorschläge
Das Sahel-Museum in Gao ist ein von vielen Sach- und Finanzproblemen1'’
bedrängtes Experiment.
Als solches stellt es eine gelungene, aber auch verbesserungswürdige Initia-
tive außerschulischer Bildung im Regionalberelch dar.
Gelungen, weil sie es schaffte, die Aufmerksamkeit und Phantasietätigkeit
des Publikums zu mobilisieren und Zusammenhänge bereitzustellen, in denen
sich die Nomaden wiedererkennen und durch die sie zu einer Wiederaufnahme
ihrer herkömmlichen Lebensweise ermutigt werden.
Zumindest für die Gruppe der vorgebildeten Songhay vermittelte die Aus-
stellung Lehrinhalte, die eine Korrektur und Bereicherung von rudimentärem
Wissen über die Kel Adrar bedeuten.
13 Die Fertigstellung und Arrangierung der Ausstellung erfolgte unter Terminschwie-
rigkeiten sowie unter extremen klimatischen Bedingungen.
Da das Museum keinen Jahresetat besaß, oblag sein finanzieller Unterhalt den
Mitarbeitern und vor allen Dingen dem Direktor, der als malischer Staatsbeamter
nur unregelmäßig ein geringes Gehalt beziehen konnte.
Gelder, die vom amerikanischen Konsulat an das Museum gehen sollten, blieben
im Kultusministerium in der Hauptstadt hängen und sind bis zum heutigen Tag
nicht ausgezahlt worden. So wirtschaftete die Museumsleitung ohne die notwendigen
Mittel. Weder gab es eine Schreibmaschine, noch einen Arbeitstisch geschweige denn
ein eigenes Transportmittel.
In Anbetracht dieses Dilemmas kann die Forderung nur sein, auswärtige Finan-
zierungsmittel künftig direkt an die Museumsleitung, und nicht erst an die Verwal-
tung in der Hauptstadt zu überweisen.
25 Baessler-Archiv XXX
384
Benninghoff-Lühl, Wirkungsaspekte der Museumsarbeit
Hier insbesondere wurde verstanden (wenn auch nur von einer Minderheit),
daß in der aktuellen Situation der Nomaden eine Verschlechterung gegenüber
dem Zustand vor der Trockenheit eingetreten ist und daß staatliche und indi-
viduelle Hilfeleistungen mit sofortiger Wirkung erfolgen müssen.
Von den Einheimischen mit westlicher (französischer) Schulbildung wird der
Zweck des Museums als Informations- und Diskussionsstelle erkannt und ak-
zeptiert.
Die Mängel in der Realisierung des Museumsplans14 sind struktureller Art.
Sie lassen sich m. E. durch eine Verfahrensänderung bei der Gestaltung fort-
räumen.
So ist an der Ausstellung über die Kel Tamashek ablesbar, daß sie als
europäische Kulturentwicklungshilfe konzipiert und ausgeführt ist. Wie an
einzelnen Elementen nachgewiesen, können ihre Inhalte vom großen Teil des
Publikums nicht verstanden werden, weil sie traditionellen Sehgewohnheiten
entgegenlaufen.
Zwar kann eine Gewöhnung an die fremden Vermittlungsformen stattfinden,
doch darf es nicht darum gehen, kulturelles Empfinden zu kolonisieren, sondern
darum, Distributionsformen zu finden, die von der Regionalbevölkerung selber
entwickelt worden sind.
Wie verschiedene Beispiele zeigen, ist das Prinzip „Ausstellung“ in Gao nicht
unbekannt. Auf Märkten, Schulmessen und in einem Ausstellungszelt während
der regionalen Kulturwochen werden Objekte von den Produzenten selber an-
geboren und erklärt. Zur Vermittlung der Arbeitsergebnisse kann auf Text,
Bild oder Figur verzichtet werden, weil die Verarbeiter den Zuschauern als
Experten für Fragen zur Verfügung stehen.
Es ist denkbar, daß das zukünftige Museum in ähnlicher Weise den noch
existierenden Widerspruch zwischen Distribution und Rezeption aufheben
könnte. Das didaktische Problem der Führungen und Texte wäre damit ebenso
aufgehoben wie dasjenige der fragwürdigen Menschenabbildungen. Der pädago-
gische Aspekt läßt sich durch einen moralischen und finanziellen Aspekt auf-
runden. Traditionelle Handwerksprodukte, durch Billig-Importe vom Markt
gedrängt, würden in ihrer Entstehungssituation gezeigt und aufgewertet. Zudem
wäre eine Weiterentwicklung der handwerklichen Fähigkeiten im Museumsrah-
men möglich, d. h., es wäre denkbar, daß örtliche Handwerker sich an der Aus-
führung angepaßter Technologien (Biogasanlagen etc.) beteiligen.
14 Zum ursprünglichen Plan vgl. Ministère des Sports, des Arts et de la Culture
(Hrsg.): Creation du Musée du Sahel à Gao, Bamako 1980.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
385
Zur Realisierung bietet sich an, direkt von regionalen Initiativen zu lernen,
u. U. das Museum aus einer örtlichen Kooperative hervorgehen zu lassen. Schü-
ler, Frauengruppen, Handwerker usw. müßten in die Planung miteinbezogen
sein. Nicht über diese hinweg, sondern mit ihnen zusammen sollte Museums-
arbeit funktionieren.15
Angestrebt werden muß m. E. also eine größere Demokratisierung, die sich
nicht nur auf das Fortlassen von Eintrittspreisen beschränkt, sondern bis in den
Gestaltungs- und Verwaltungsbereich hineindefiniert ist, so daß das Museum
eine Einrichtung wird, die von den Einheimischen emotional und praktisch-
inhaltlich mitgetragen wird. Indem es zu einem Instrument der Selbstartikula-
tion wird, kann das Museum zugleich ein Forum politischer Forderungen sein,
die in Anbetracht der dramatischen Situationsverschlechterung in der Sahel-
Zone nicht dringend genug vorgetragen werden können.
Zur Eindämmung der Desertifikation, der Abwanderung, der Bildungs- und
Gesundheitsprobleme haben Songhay und Tamashek wie z. T. beschrieben,
Vorschläge geäußert, die in ihrer Aussagekraft über die jetzige Ausstellungs-
aussage hinausschießen.
Ich schlage vor, Bauern und Nomaden als „Entwicklungsexperten für Hand-
lungsstrategien“ heranzuziehen.
Im Sinne einer derartigen Ausdeutung des demokratischen Verfahrens bei der
Planung und Gestaltung möchte ich die Arbeit am Sahel-Museum sowie an
ähnlichen Initiativen in anderen Regionen weiter ermutigen.
15 Auf politisch-administrativer Ebene ließe sich m. E. durch Einbeziehung und Mit-
spracherecht der regionalen Kulturverwaltung ein Teil des Unbehagens aufheben,
welches gegenüber der musealen Neuerscheinung für die Dauer der ersten Ausstel-
lung bestand. Für die Funktionäre trug das Museum den Stempel einer Importware,
die geduldet, aber nicht geliebt ist. In dem Maße, wie sich die malische Kulturpoli-
tik von der Négritude-Philosophie herleitet und den Anspruch vertritt, kulturelles
Leben an der Basis zu unterstützen (Biennale!), kann sie das Museum mit seinen
Vorgesetzten Inhalten nicht in ihr Programm integrieren.
25*
386
Benninghoff-Lühl, Wirkungsaspekte der Museumsarbeit
ANHANG
A14 sstellungshe Schreibung
Das Sahel-Museum ist provisorisch in den Räumen eines afrikanischen Wohn-
hauses, 10 Minuten zu Fuß von der Innenstadt Gaos gelegen, untergebracht.
Seine Ausstellung zeigt auf 155 m2 Objekte, Bild- und Schrifttafeln sowie
Figuren.16
Der Eingangsflur, in dem in Wort und Bild zunächst über die neue Museums-
politik in Mali, dann über Geschichte, Geografie und Demografie des Adrars
informiert wird, führt in einen Raum, der ein Nomaden-Zelt beherbergt. Im
Zelt sitzend: die Figur einer Tamashek-Frau, vor dem Zelt stehend mit dem
Gesicht zur Frau eine Puppe, die als Hirte gekleidet ist. An den Ästen eines
Dornbuschs hängt das Arbeitsmaterial des Hirten.
Im zweiten, ebenfalls vom Flur abgehenden Raum, dem größten des Hauses,
ist eine Schmiede aufgebaut sowie eine Ecke mit Kinderspielzeug der Nomaden.
Gegenüberliegend werden auf einem Tisch die Produkte der Schmiede vorge-
stellt.
Den Mittelpunkt des Raumes nehmen zwei Kamel-Attrappen ein (Schwarz-
Weiß-Vergrößerungen der Aufnahme eines sitzenden Kamels auf Holzplatten
aufgezogen). Das Publikum erkennt in den dazugehörigen Figuren ein Tamashek-
Paar in traditioneller Ausstattung. Auf Stellwänden hinter den Figuren finden
sich erklärende Texte zur Familien- und Sozialstruktur, zur Ernährung, zu
Kleidung und Schmuck.
Durch eine Tür zur Veranda gelangt man zum Schlußteil der Ausstellung, der
die wirtschaftlichen und kulturellen Veränderungen im Leben der Kel Adrar
nach 1973 beschreibt und illustriert. Eine mit Sonnenbrille, Armbanduhr und
Plastikschuhen versehene Nomaden-Figur steht für den Typ des „modernen“
Tamashek, der als Arbeiter-Emigrant aus Libyen zurückgekehrt durch seine
Kleidung die Attribute des „Wohlstands“ demonstriert.
Auf zwei Texttafeln sind abschließend Gedanken zur Abhilfe der dringend-
sten sozialen Probleme vorgetragen.
16 Sämtliche Texte und Bilder finden sich im Katalog wieder. Vgl. „Vivre au bord du
Desert“, op. cit.
ßaessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
387
Grundriß und Plan der Ausstellung
A — Skorpion und Modell eines Käfers
B — Dornbusch mit Arbeitsmaterial des Hirten
C — Dornbusch mit Arbeitsmaterial des Hirten
D — Dornbusch mit Arbeitsmaterial des Hirten
E — Lederzelt
F — Kinderspielzcug 1
G — Kamelattrappe 1 2
H — Kamelattrappe 2 3
I — Schmiede 4
J — Produkte der Schmiede 5
Frau Im Zelt sitzend
Hirte
Frau auf Kamel sitzend
Tamashek in traditioneller Kleidunt
Tamashek in moderner Kleidung
Die Pfeile markieren die Laufrichtung
Besucherstatistik
Dezember März April Mai Juni Juli
A nach-
morgens mittags 20
1 X 150 250 15 25
2 X 100 335 25 45 11
3 X 160 — Montag 42 31
4 X 50 50 48 m. Schülern 21 27
5 X 70 46 35 24 Montag
6 250* 100 8 34 8 53 32
7 250-'- 50 28 44 41 Montag 30
8 250* 20 88 30 4 33 24
9 250* 64 36 26 23 12 20
10 250* 120 m. Schülern 113 — Montag 20 24
11 250;:‘ 143 m. Schülern X 43 m. Schülern 21 67
12 250-' 63 X 13 29 Montag
13 250* 46 X 28 geschlossen* 42
14 258 74 X 43 m. Schülern Montag
15 200 Montag X 16 25
16 200* 170 m. Schülern X 26 24
17 200* 45 25 Montag 17
18 38 17 43 31
19 170 m. Schülern Montag 13 15
20 42 31 40 57
21 42 17 12 Montag
22 23 24 Ausstellung in Bamako Montag 22 ^ 40 29 11 Schulmesse 8 16 Montag 20 30 22 22
25 bis linde 29 21 12 37
26 Februar 32 | Wunder- Montag 10 29
27 X aus- 17 40 m. Schülern 7
28 X Stellung 24 20 Montag
29 X Bourem: 41 12 38
30 X nach- 18 Montag 24
31 morgens mittags 30 * = Wahlen
* = geschätzt 150 250
12 Tage i = 2858 20 Tage = 1710 21 Tage = 1877 26 Tage = 636 25 Tage = 863 11 Tage , = 318
388 Benninghoff-Lühl, Wirkungsaspekte der Museumsarbeit
318
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
389
Programm des Sahel-Museums 1981/82
6. Dez. 1981
Januar 1982
Februar 1982
6. März 1982
Im März 1982
31. März bis
IC. April 1982
Im April 1982
18. Mai 1982
Mai/Juni/
Juli 1982
Ende Juli/
Anf.Aug. 1982
August 1982
Ab Okt. 1982
1983
— Ausstellungseröffnung. Beginn eines einwöchigen Seminars
zur „Rolle des Sahel-Museums in Gao“
— Ausstellung wird in Bamako gezeigt
— Wiederaufbau in Gao
— Wiedereröffnung
— Organisierte Besuche von Schülern der 9.—12. Klasse.
Führungen. Diavorträge.
— Ausstellung in Bourem anläßlich der regionalen Kultur-
woche
— Organisierte Besuche von Schülern der 8. Klasse
— Aus Anlaß des Internationalen Museumstages Konferenz
mit Handwerkern von Gao
— Besuche von Schülern, Führungen, Aufnahme von tradi-
tioneller Musik zur Vervollständigung des Museums-
archivs.
— Foto/Textausstellung in Kidal
— Ferien
— Vorbereitung der Songhay-Ausstellung
— Songhay-Ausstellung
LITERATUR
Musée d’Outre-Mer (Hrsg.)
1981 Vivre au Bord du Desert, Premiere exposition sur les Kel Adrar, Bremen.
Rejholec, Jutta
1980 Zur Umstrukturierung kolonialer Kulturinstitutionen, Phil. Diss. Frank-
furt.
Rouch, Jean
1960 La Religion et la Magie Songhay, Paris.
Ministère des Sports, des Arts et de la Culture (Hrsg.)
1980 Creation du Musée du Sahel à Gao, Bamako.
Abb. 1. Ein „falscher Tuareg“ mit einer Kamelattrap-
pe. Das Tuareg-Mädchen im Hintergrund ist eine Be-
sucherin.
Abb. 2. Ein Tuareg-Schmied, der einige Objekte für die
Ausstellung anfertigte, beim Zusammensetzen des Kamel-
Sattels.
c
C/5
o
C
3
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P
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er
390 Benninghoff-Lühl, Wirkungsaspekte der
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
391
Abb. 3. Songhay-Schüler der 6. Klasse beim Studieren der Schrifttafeln.
392
Benninghoff-Lühl, Wirkungsaspekte der Museumsarbeit
Abb. 4 und 5. Unterricht im Freien: Der Direktor des Museums, Egleze ag Foni, erklärt
einer Schulklasse den Aufbau des Tuaregzeltes und berichtet über die Funktion des
Zeltes während der Regen- und Trockenzeit.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
393
Abb. 6.
Hier wird der komplizierte Mechanismus einer Tierfalle demonstriert.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
395
AFRIKANISCHE MUSIKINSTRUMENTE
IM SÜDIRAK
ULRICH WEGNER, Berlin
Wer sich, dem Musikleben des Landes seine Aufmerksamkeit schenkend, vom
Norden her dem südirakischen Bezirk um die Stadt Basra nähert, dem wird
nicht entgehen, daß mit den landschaftlichen und klimatischen Gegebenheiten
auch die musikalische Praxis nahe dem Persischen Golf1 eine Wandlung erfährt.
Es ist weniger das in aller Öffentlichkeit sich darstellende städtische Musikleben,
das an dieser Stelle unser Interesse beansprucht: Die städtische Musikpraxis
zeigt, getragen von den regional übergreifend wirkenden Massenmedien des
Landes, in vielerlei Hinsicht ein überregional gültiges Erscheinungsbild. Auf-
fällig ist dagegen, daß der Einfluß des im Mittel- und Südirak auf dem Lande
zu hörenden Solosängers, der ln nicht-metrlsierter Form irakische Gesangsstile
wie abüdiya und mhammadäwl zu Gehör bringt, dort endet, wo der Persische
Golf mit einer in den arabischen Anrainerstaaten relativ homogen in Erschei-
nung tretenden Musikkultur an Gewicht gewinnt. Gleichzeitig erfährt das Mu-
sikinstrument eine neue Bewertung: Weiter im Norden von der bäuerlichen und
kleinstädtischen Bevölkerung an Euphrat und Tigris dem moralisch fragwürdi-
gen Bereich der Tanzmusik zugeschrieben und daher — wenn überhaupt — nur
zurückhaltend verwendet, bildet es in der golfnahen Region des Landes einen
wesentlichen Bestandteil großer gemischt vokal/instrumentaler Ensembles. Und
wendet man schließlich seinen Blick der auf schwarzafrikanische Vorfahren zu-
rückgehenden Bevölkerungsgruppe am Golf zu, so tritt einem das Musikinstru-
ment unter Umständen als ein im Zentrum ritueller Praktiken stehendes, als
Verkörperung übernatürlicher Kräfte geltendes und in diesem Sinne verehrtes
Objekt entgegen.
Die unter der schwarzen Bevölkerung Basras angetroffenen Musikinstru-
mente, ihre morphologischen Kennzeichen und ihre Herkunft, sollen im Zen-
trum der folgenden Ausführungen stehen, die durch eine viermonatige Feldfor-
1 Hier und im folgenden soll — in Anlehnung an den deutschen Sprachgebrauch —
von ,Persischem Golf' die Rede sein. Der Iraker selbst spricht allerdings vom Ara-
bischen Golf'.
396
Wegner, Afrikanische Musikinstrumente
schung, die ich zusammen mit meiner Frau Mary 1978 im Südirak durchführte2,
angeregt wurden.
Sklaverei und Sklavenhandel am Persischen Golf
Die Stadt Basra am Auslauf des Persischen Golfes besaß seit jeher als End-
punkt auf dem Handelsweg zwischen der ostafrikanischen Küste und der ost-
arabischen Welt, zugleich aber auch als Umschlagplatz im Handel mit Indien,
eine große handelsstrategische Bedeutung. Aus Ostafrika verschleppte Sklaven,
die auf diesem Wege gehandelt wurden, galten viele Jahrhunderte lang als be-
gehrte Ware. Im Südirak nutzten schon die Sassaniden in vorislamischer Zeit
schwarze Sklaven in großer Zahl als Arbeitskräfte für die Trockenlegung der
ausgedehnten Sumpfgebiete und die Entsalzung des Bodens3. Auch die Araber
waren schon vor der Entstehung des Islams mit der Haltung von Sklaven ver-
traut. Wenn man den arabischen Quellen Glauben schenken darf, so war die
Zahl der schwarzen Arbeitssklaven, die auf den großen Landgütern im Süden
des heutigen Irak arbeiteten, im 8. und 9. Jahrhundert n. Chr. auf mehrere
Tausend angewachsen4.
Im November und Dezember jedes Jahres verließen die arabischen Dhaus in
großer Zahl — die günstigen Winde des Nordost-Monsuns nutzend — die Hä-
fen des Persischen Golfs und der Südküste der arabischen Halbinsel, um an der
Küste Ostafrikas die mitgebrachten Waren gegen Gold, Elfenbein und Sklaven
einzuhandeln. Der Südirak exportierte auf diesem Wege in erster Linie Datteln
und gesalzenen Fisch. Der Südwest-Monsun des folgenden Frühjahres begün-
stigte die Rückkehr der arabischen Handelsflotte. Einen enormen Aufschwung
nahm der Sklavenhandel am Ende des 17. Jahrhunderts, als die Oman-Araber
Zanzibar und Pemba eroberten und insbesondere Zanzibar zu einem Haupt-
umschlagplatz für schwarze Sklaven ausbauten5. Oman und später Muskat in
seiner handelsstrategisch wichtigen Lage am Ausgang des Persischen Golfs wur-
den zu wichtigen Zwischenstationen für die zurückkehrenden Dhaus. Hier er-
folgte die Weiterverschiffung eines Großteils der aus Afrika importierten Wa-
ren. Ein Teil der Sklaven trat von hier seinen Weg nach Indien an, was zumin-
dest für die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts belegt ist6.
2 Vgl. Ruhnke/Wegner 1981.
3 Rotter: 24—25.
4 Rotter: 62.
5 Kelly; 412.
8 Kelly: 416—417, 439.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
397
Dhaus, die mit ihrer Ware ihre Reise entlang der Küste des Persischen Golfs
fortsetzten, entluden ihre Fracht an schwarzen Sklaven allerdings in erster Li-
nie am Ende ihrer Fahrt im Hafen Basras7 8. Der englische Reisende John Jackson
berichtet nach seinem Besuch Basras im Jahre 1797, daß männliche und weib-
liche Sklaven öffentlich auf dem Markte der Stadt verkauft wurden*. Dem Rei-
sebericht von John Peters aus dem Jahre 1897 ist zu entnehmen, daß sich an
dieser Situation auch ein Jahrhundert später nichts geändert hatte9. Überdies
ist Wirths Bemerkung aufschlußreich, daß in der Mitte des 19. Jahrhunderts in
dem im Norden Basras liegenden Örtchen Süq as-Suyüh Sklavenhändler aus
Muskat ihre Geschäfte betrieben hätten10. Wirths anschließende, für weite Teile
des arabischen Raums gültige Feststellung, daß man dem schwarzen Sklaven
überwiegend unter den Dienern und Hausverwaltern der Stammessaihs begeg-
ne11, verdeutlicht, daß die Situation des Schwarzen weiter im Norden eine
grundsätzlich andere gewesen ist als in einer Stadt wie Basra: Vereinzelt oder
in Kleingruppen zusammenlebend war der Sklave — sei es als Diener eines
saih oder als Haussklave im Dienste eines arabischen Herren mehr oder weniger
integriert. In Basra hingegen machten die Schwarzen einen nicht unerheblichen
Teil der Bevölkerung der Stadt aus und konzentrierten sich zumindest seit dem
18. Jahrhundert, wahrscheinlich aber schon lange zuvor, in bestimmten Stadt-
teilen wie in dem mahalla al-ahid, dem ,Stadtviertel der Sklaven', das noch
heute bei einigen Basräwls diese Bezeichnung trägt12.
Neben der oben beschriebenen Sklavenhändlerroute zwischen der ostafrika-
nischen Küste und dem Persischen Golf nahm der Handel mit schwarzen und
weißen (abessinischen) Sklaven allerdings noch eine andere Richtung: Die Skla-
ven wurden von Zanzibar aus zum Teil nach Hadramaut, nach Mekka und
Hodaida im Yemen und entlang der Küste des Roten Meeres in den Higäz
transportiert13. Doughty weiß zu berichten, daß männliche und weibliche
schwarze Sklaven bzw. Freigelassene in jedem Stamm und in jeder Stadt der
7 Kelly: 414.
8 Jackson: 33.
9 Peters: 333.
10 Wirth: 61.
11 Wirth: 61.
12 Diese unterschiedliche Position des Schwarzen in der arabisch-islamischen Gesell-
schaft veranlaßte Rotter zu der Unterscheidung zwischen ,Haussklaven' und ,Grup-
pensklaven'. Nur der ,Gruppensklave' war ohne Ausnahme schwarzafrikanischer
Herkunft und wurde fast ausschließlich im Süden des heutigen Irak eingesetzt (Rot-
ter: 62 ff.).
13 Kelly: 412.
398
Wegner, Afrikanische Musikinstrumente
arabischen Halbinsel anzutreffen waren14 15 16. Als Hauptumschlagplatz für den Ne-
gersklaven-Handel diente Mekka, wo zur Zeit der Pilgerschaft Gläubige aus
allen Teilen der islamischen Welt zusammenströmten. Wellsted spricht von Tau-
senden von Sklaven, die alljährlich dort verkauft wurden10, wobei nicht wenige
anschließend zu Lande ihren Weg nach Mesopotamien fanden. „The town Cara-
vaners“, schreibt Doughty, „with the profit of their sales ln Mecca, use to buy
slave children in Jidda, to seil them again in el-Kasim, or (with more advan-
tage) in Mesopotamia“10. Schwarze Sklaven gelangten also aus zwei verschiede-
nen Richtungen in das Zweistromland. Für den Golf-Bereich des heutigen Irak
dürfte allerdings der Seeweg der entscheidende gewesen sein.
Arabischen Quellen ist zu entnehmen, daß die Araber sechs verschiedene
Arten von Sklaven entsprechend ihrer Herkunft unterschieden. Als hauptsäch-
liche Herkunftsgebiete finden Erwähnung17: harharä (Somaliland), hahas
(Abessinien), huga (Nordostsudan zwischen Nubien und Abessinien), nüha
(Nubien), zagäwa (die mittlere und östliche Sahara) und das zang-Land (die
von Bantu-Populationen bevölkerte ostafrikanische Küste). Den Angehörigen
dieser sechs Kategorien wurden bestimmte Eigenschaften zugeschrieben. Daß
der Somali-Sklavin eine besondere Begabung als geistreiche Unterhalterin und
Sängerin im häuslichen Kreise zugesprochen wurde und daß die zang-Sklaven
als von Natur aus zu Musik und Tanz begabt galten18, sei nur am Rande
bemerkt.
Wo in früherer Zeit die Grenzen der zang-Region, des hiläd al-zang (,Land
der zang‘), gesehen wurden, ist auf Grund der widersprüchlichen Angaben
heute nicht mehr eindeutig zu rekonstruieren. Bezeichnet worden ist mit dem
Begriff in etwa das ostafrikanische Küstengebiet zwischen den Flüssen Juba
und Zambezi19. Ein Großteil der in Richtung Basra verschifften Sklaven dürfte
zu der Gruppe der zang gehört haben. Allerdings wurde der Begriff zang wohl
eine Zeitlang im Südirak auf den schwarzen Sklaven im allgemeinen, d. h. ohne
regionale Spezifizierung, angewandt20, so daß mit einer ethnisch wesentlich
gemischteren Zusammensetzung gerechnet werden muß, als der Terminus es vor-
gibt21 *.
14 Doughty1: 603.
15 Wellsted 18401: 145.
16 Doughty2: 374—375.
17 Rotter: 29.
18 Rotter: 58.
19 Stigand: 7.
20 Rotter: 21.
21 Bekannt ist, daß an dem berühmten und sich für die arabische Herrschaft im Süd-
irak als gefährlich erweisenden ,Aufstand der Zing‘ in den Jahren 869—883 n. Chr.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
399
Ein im Hinblick auf die Frage der Bewahrung musikalischer Traditionen
nicht ganz unwichtiger Umstand kennzeichnete den Sklavenhandel auf dem
Markt in Muskat und — wie zu vermuten ist — auch andernorts: Da man den
oben erwähnten Kategorien von afrikanischen Sklaven besondere Fähigkeiten
bei der Verrichtung spezifischer Arbeiten zuerkannte, wurden, um das Waren-
angebot' übersichtlich zu gestalten, auf dem Sklavenmarkt Männer und Frauen
einer ethnisch bzw. regionalen Zugehörigkeit in Gruppen zusammengefaßt2'
und, was im Falle der als ,Gruppensklaven“22 eingesetzten Zimg-Neger des
öfteren vorgekommen sein dürfte, zuweilen auch als Gruppe an einen arabi-
schen Herren verkauft. Die auf diese Weise bewahrte ethnische Homogenität
innerhalb von Sklavengemeinschaften schuf eine Voraussetzung für eine gewisse
kulturelle Kontinuität auch in dem anders gearteten kulturellen Umfeld der
islamischen Gesellschaft Ostarabiens.
Daß eine derartige kulturelle Kontinuität möglich war, ist vor allen Dingen
aber dem Umstand zuzuschreiben, daß das Los des Sklaven unter seinem arabi-
schen Herren ein relativ leichtes war. Unter gewissen Umständen konnte der
Sklave sogar mehr Macht und Reichtum erlangen als ein freier Araber24. Die
Freilassung eines Sklaven galt als ein im religiösen Sinne verdienstvoller Akt.
Auch in kultureller Hinsicht ist daher wohl ein gewisses Maß an Toleranz auf
seiten des arabischen Herren vorauszusetzen, eine Toleranz, die gerade dort, wo
die Schwarzen in großen Gruppen relativ abgeschlossen von ihrer arabischen
Umwelt lebten wie in Basra, die Bewahrung eines schwarzafrikanischen musika-
lischen Erbes ermöglichte.
In Ausnahmefällen scheinen sogar Musikinstrumente zusammen mit den
Sklaven auf den Sklavenjägerschiffen ihren Weg in den Vorderen Orient ge-
funden zu haben. Captain Colomb, der an der englischen Kampagne gegen die
Sklaverei zur See teilnahm und die diesbezüglichen britischen Aktivitäten —
unter anderem das Aufbringen der mit Sklaven beladenen arabischen Dhaus —
schildert, berichtet in diesem Zusammenhang von einem interessanten Erlebnis
auf einem britischen Segler:
There were some native negro drums of ‘tom-toms’ on board, taken out of slave
dhows; and here it behoves me to inquire — what I never did think of inquir-
ing after, until the publication of this book was settled — how did these ne-
gro drums get on board a slave dhow, and what were they used for? They are
auch Nubier beteiligt waren (Rotten 37). Zum ,Aufstand der Zing“ siehe u. a.:
Popovic 1967.
22 Wellsted 18401: 58.
23 Rotter: 61.
24 Levy: 74. 26
26 Baessler-Archiv XXX
400
Wegner, Afrikanische Musikinstrumente
African drums, no doubt of that; familiar to many on board; who readily drive
one frantic by their performance on them25 26.
Wie außergewöhnlich diese Entdeckung war — afrikanische Trommeln an
Bord eines Sklavenjägerschiffes, auf dem die Schwarzen übereinstimmenden
Berichten zufolge den härtesten Bedingungen ausgesetzt waren —, zeigt nicht
zuletzt die Ratlosigkeit des Autors:
The picture of a slave cargo of trodden-down, manacled, starved, beaten
wretches, closing their miserable day at sea, in a slave dhow, by the ringing and
eternal chorus to the drum accompanigment I know so well, is so absolutely in-
congruous that I reject it. Yet the drums came out of a slave dhow on her way
to the Persian Gulf — there is no question of that26.
Eine detailliertere Beschreibung der Instrumente durch den Autor erfolgt
leider nicht. Doch selbst wenn man eine Verwechslung unterstellt — auch die
aus Angehörigen der unterschiedlichsten Nationen zusammengesetzten Dhau-
Besatzungen mögen ja Trommeln mit sich geführt haben —, zeigt Colombs
Beobachtung mit aller Deutlichkeit, wie die als Sklaven Verschleppten die erste
sich ihnen bietende Gelegenheit nutzten, ihre musikalischen Aktivitäten wieder-
aufzunehmen.
Dem Schwarzen wird später das relativ freizügige Leben als Sklave eines
arabischen Eierren in vielen Fällen die Möglichkeit gegeben haben, das in der
Heimat zurückgelassene Musikinstrument in der Fremde zu rekonstruieren. Die
Materialbeschaffung bildete bei einem solchen Unterfangen wohl kaum Schwie-
rigkeiten. Was im Lande selbst nicht erhältlich bzw. durch vergleichbares Mate-
rial zu ersetzen war, konnte man in einer Hafenstadt vom Range Basras, die
von Schiffen unterschiedlichster Nationen angelaufen wurde, sicher ohne weite-
res auf den Märkten der Stadt einkaufen.
Das Musikleben der schwarzen Basräwis in der Gegenwart
Obgleich in ihrer gesellschaftlichen Position den übrigen Bewohnern Basras
gleichgestellt und in einigen Fällen durch Heirat mit der arabisch-stämmigen
Bevölkerung der Stadt vermischt, leben die Schwarzen auch heute noch über-
wiegend in größeren Gemeinschaften und in bestimmten Vierteln der Stadt —
besonders in den alten Stadtteilen Basras — zusammen. Das Wissen um ihre
afrikanische Abstammung hat sich bei den Betreffenden, den mindestens in
zweiter Generation auf arabischem Boden Geborenen, bis heute erhalten. Das
Bewußtsein einer eigenen kulturellen Identität konnte sich und kann sich mit
25 Colomb; 280—281.
26 Colomb: 281.
401
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
Einschränkungen auch heute noch nicht zuletzt auf ein ganz der afrikanischen
Musikpraxis verpflichtetes Musikleben stützen.
Der Schwarze als Musiker und als Teilnehmer an den mit der Musikausübung
verbundenen Tänzen und rituellen Handlungen ist vielen arabisch-stämmigen
Basräwls allerdings nicht ganz geheuer. Einen arabischen Begleiter für einen
Besuch in den entsprechenden Häusern zu finden, erwies sich als eine schwierige
Aufgabe. Die dem Schwarzen zugeschriebene Neigung zur Ekstase flößt dem
Araber Angst ein — ungeachtet der Tatsache, daß ja auch die arabisch-islami-
sche Religionsausübung in den sw/i-Gemeinschaften die Ekstase (allerdings als
Ausdruck mystischer Vereinigung) kultiviert2'. Der südirakische Dialekt kennt
den Ausdruck tangara, der in etwa mit ,die Gewalt über sich verlieren', ,in
einen unkontrollierten Zustand geraten' zu übersetzen ist. Der allgemein ver-
wendete Terminus ist in seinem inhaltlichen Kern jedoch im Sinne von tanägir
al-abld (,der ekstatische Zustand des Schwarzen') auf den im Südirak ansässi-
gen Schwarzen bezogen, dem solche Bewußtseinszustände in besonderem Maße
zugeschrieben werden.
Weder über das Alter noch über die Entwicklung eines ausgeprägten Musik-
lebens unter den in Basra wohnenden Schwarzen läßt sich mit einiger Sicherheit
etwas aussagen. Die Informanten wiesen jedoch darauf hin, daß die musikalische
Praxis vor noch nicht allzu langer Zeit wesentlich vielgestaltiger als heute
gewesen ist. Der 21jährige Musiker Mulla ‘Abd al-Razzäq ‘Abd al-Galll aus
Basra wußte von insgesamt elf verschiedenen, unter den Schwarzen früher ein-
mal gebräuchlichen Musikgattungen zu berichten, deren jede von einem halt
(,Haus‘, ,Sippe', ,Familie') gepflegt wurde27 28: nühän, laiwa, gitänga, wanylka,
ingröka, säda, wäya, ginyäsa, ndöndö, warlma und yäwd29. Die fünf von ihm
zuletzt genannten Gattungen kannte er nicht mehr aus eigener Anschauung und
wußte auch niemanden zu benennen, der detailliertere Auskünfte zu geben in
der Lage gewesen wäre. Eigene Nachforschungen ergaben, daß das Musikleben
27 Nur am Rande sei darauf hingewiesen, daß auch vielen europäischen Orientreisen-
den bei ihrer Begegnung mit schwarzafrikanischen Musikern deren Neigung zu ek-
statischen Zuständen besonders ins Auge fiel. Vgl. u. a.; Wellsted 18381: 28—29
u. Wellsted 18401: 17—18.
28 Obgleich es sich bei diesen Begriffen mit Ausnahme von säda (Sg. sayyid — ,Herr‘)
um keine arabischen Ausdrücke handelt, wird hier und im folgenden eine Umschrift
gewählt, die sich an der In der irakischen Literatur eingeführten Schreibweise orien-
tiert. Die Schwarzen in Basra tradieren schon seit mehreren Generationen Lied-
texte und Termini einer ihnen nicht mehr verständlichen Sprache, so daß mit erheb-
lichen Abweichungen in der Lautung der Ausdrücke zu rechnen ist.
29 As-Saräf erwähnt überdies die folgenden, oben nicht genannten raqsät (,Tänze'):
tlka, mazküra, gihyäda, waklndü, ahü zlra und marzük (as-Saräf: 160).
26*
402
Wegner, Afrikanische Musikinstrumente
der Schwarzen in jüngerer Vergangenheit enormen Veränderungen unterworfen
gewesen sein muß, hervorgerufen durch eine fortschreitende Austrocknung der
eigenständigen musikalischen Praxis, die ein gänzliches Verschwinden afrikani-
scher Musizierformen in Basra schon für die nahe Zukunft befürchten läßt30.
Die Gründe für diesen schnell um sich greifenden Auflösungsprozeß sind in der
wachsenden Desintegration der in ihren Wurzeln schwarzafrikanischen und
ehemals relativ festgefügten Bevölkerungsgruppe im Golfbereich zu suchen.
Staatliche Initiativen zur Modernisierung Basras ließen im Zuge städtebaulicher
Maßnahmen Neubaukomplexe entstehen, wo ehemals alte Stadtteile nicht zu-
letzt auch die Gemeinschaften schwarzer Basräwls beherbergt hatten. Durch die
wachsende Mobilität der jüngeren Generation kam häufig die Weitergabe des
musikalisches Wissen durch die Älteren ins Stocken, was unter Umständen
zur völligen Austrocknung des Reservoirs an Musikern in einer Familie {halt)
und damit zum Ende einer musikalischen Tradition führen konnte. Zudem
erfaßte eine in der südirakischen Golfregion ganz allgemein zu verzeichnende
Abwanderungsbewegung ins wirtschaftlich lukrativere Kuwait auch die Schwar-
zen, und mit einer Familie verließ unter Umständen auch deren spezifische
musikalische Ausdrucksform für immer die Stadt.
Die Betrachtung der Veränderungen und Auflösungstendenzen, denen das
Musikleben der schwarzen Bewohner Basras in letzter Zeit unterworfen war,
macht deutlich, daß dem Musikethnologen zur Dokumentation nur noch Frag-
mente einer ehemals vielgestaltigen und umfassenden Musizierpraxis verbleiben.
Eine Einordnung des noch zu Dokumentierenden wird durch diese Tatsache
erheblich erschwert. Im Basra des Jahres 1978 erlangte ich Zugang zu den
folgenden vier halt:
1. dem bait nübän (= makid al misr) im Stadtteil al-Gibla,
2. dem halt wanylka {— makid wanylka) im Stadtteil Bustän Kasab,
3. dem halt säda im Stadtteil al Mgaibra und
4. dem halt gitänga (= makid Abu Matlik) im Stadtteil al-Mgaibra.
Die Musikausübung der Schwarzen in Basra konzentriert sich heute im
wesentlichen auf zwei Formen, auf nübän, die Musik der nübän-Familie (bait
nübän), und auf laiwa, einen Musikstil, der seine Bindung an ein bait inzwi-
schen verloren hat. Die Musikinstrumente, die ich im bait gitänga — in einer
Ecke des Innenhofes übereinandergestapelt — antraf, entsprachen zum über-
wiegenden Teil denen des /¿tm^-Ensembles. Die Instrumente waren allerdings
30 Eine Aufstellung von ,Musikhäusern' in Basra, die auch ältere, heute nicht mehr
benutzte Örtlichkeiten umfaßt, gibt as-Saräf (as-Saräf: 160).
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
403
nahezu das einzige, was von der c;itänga-Tradition zu dokumentieren noch
möglich war. Tod und Auswanderung der (¡itänga-Musiker hatten die musika-
lische Praxis zum Erliegen gebracht'31 32 33. Nicht möglich war es mir, Zugang zu den
Instrumenten des bait wanylka zu erhalten. Sie werden — beaufsichtigt von
einer alten Angehörigen der wanylka-Familie — in einem Raum des Hauses auf-
bewahrt und keinem Familienfremden gezeigt"2. Die folgenden Ausführungen
werden sich aus diesem Grunde im wesentlichen auf das Instrumentarium der
beiden Musikformen nübän und laiwa konzentrieren, die 1978 noch in nennens-
wertem Umfang praktiziert wurden und zugleich den ost- bzw. nordostafrika-
nisch beeinflußten Bereich des Basraer Musiklebens repräsentieren.
Die Musikinstrumente des nübän-Ensembles
Im allgemeinen bilden sechs Musiker ein nü^dn-Ensemble, ein Leierspieler,
vier Zylinder- bzw. Kesseltrommel-Spieler und ein Musiker, der einen um die
Hüften gebundenen Rasselgürtel in Bewegung setzt.
mgadda farmal maradi
Abb. 1. Vorder- und Rückansicht einer tanburayi.
31 Hassan spricht nicht von çitànga, sondern von jatänka und katango (Hassan: 153
bis 154) bzw. gatdngo (Hassan: 149).
32 Vgl. Hassan: 143. Zur Besetzung des wanylka-Ensembles siehe: Hassan: 154.
33 In Abweichung von dem oben angegebenen Schema bezeichnet Hassan den Instru-
mentenkorpus als mansab und die Querjochumwicklungen als muhädld (Hassan;
404
Wegner, Afrikanische Musikinstrumente
Die Leier tanhüra bildet den Mittelpunkt der nühän-Gruppe. Sie gehört dem
Typus der symmetrischen Schalenleier mit horizontaler Jochstange an und
besitzt mit einer Höhe von manchmal mehr als 130 cm ein Ausmaß, das auch
in Nordost- und Ostafrika — dem eigentlichen Verbreitungsgebiet der Leier
in der Gegenwart — in nur wenigen Fällen erreicht wird. Eine kleinere Version
der tanhüra heißt samsimlya. Ihre Größe — das einzige Instrument, dem ich
begegnete, maß in der Höhe 78 cm — erlaubt ein Tragen der Leier bei Um-
zügen.
Die südirakische tanhüra setzt sich aus den folgenden Teilen zusammen:
Der aus einem Stück Teakholz {sag) gearbeitete schalenförmige Korpus
(gadah)34 wird von einem Kuhhautstück überspannt. Die drei runden und
geraden Arme der Jochkonstruktion {marädl, Sg. mardl)^a werden terminolo-
gisch unterschiedlich benannt: digla heißt der Arm des divergierenden Längs-
stangen-Paares30 und farmal das Querjcch, das auf die Längsstangen aufgesteckt
ist. Die oberen Enden der sechs dicken Darmseiten sind zusammen mit Stoff-
streifen knäuelartig zu sechs Spann- und Stimmringen (mgadda) um die Quer-
stange gewunden.
Wie eine solche Konstruktion zur Anbindung des oberen Saitenendes geschaf-
fen wird, demonstrierte mir Mullä ‘Abd al-Razzäq vom halt wanylka: Man
reißt einen etwa einen Meter langen und zwei Zentimeter breiten Baumwoll-
streifen von einem großen Tuch ab und legt ihn doppelt übereinander. Die
Schlaufe des in seiner Länge halbierten Doppelstreifens schlingt der auf dem
Erdboden sitzende Musiker um den großen Zeh seines linken Fußes. Das andere,
zweiteilige Ende des Doppelstreifens wird zwischen die beiden Handflächen
gelegt. Durch fortwährendes Aneinanderreiben derselben in einer Richtung dreht
man den Doppelstreifen nach und nach zu einem Strick. Dieser wird nach
Vollendung des Arbeitsganges an seinem oberen, offenen Ende festgehaltcn, um
ein Lösen der ineinandergedrehten Hälften zu vermeiden, während der oben
beschriebene Vorgang mit einem zweiten abgerissenen Baumwollstreifen zu
wiederholen ist. Die beiden auf diese Weise entstandenen Stoffstricke sind nun
aneinanderzulegen und nahe den unteren Enden zwischen großem und zweitem
Zeh des linken Fußes einzuklemmen. Das Doppelstrickende umrundet den
79). Meinen Informanten zufolge kennzeichnet der letztgenannte Terminus das
Tuch, in das die Jocharme eingeschlagen sind. Mansah hingegen soll eine alte Be-
zeichnung für das Leierinstrument sein.
34 Hassan gibt als Korpusmaterial Sisamholz an (Hassan: 78).
35 mar dl (PL marädl) auch: die zum Staken eines Bootes verwendete Holzstange.
36 digla auch: ,Schiffsmast'. Hassan nennt als Terminus für den Längsarm ragl (,Bein‘)
(Hassan; 79—80).
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
405
großen Zeh von unten und wird mit seinem Abschluß von oben ein zweites Mal
zwischen den Zehen fixiert. Wie oben beschrieben, dreht man nun zwischen
seinen Fiandflächen aus beiden Tuchstricken einen neuen, dicken Strick. Zu
Beginn des Befestigungsvorganges werden Stoffstrick und Saite nebeneinander
um die Querstange gewickelt. Erst allmählich überlagern sich die beiden Be-
standteile. Ist der Stoffstrick nach einer Weile ganz aufgedreht, wird die Saiten-
schnur alleine in kreuzweiser Überschneidung weitergewickelt.
Die Saiten der tanbüra verlaufen über einen massiven Steg (kursiy7 aus
Teakholz (säg) und sind an einem als unterer Saitenhalter fungierenden Ring
aus Eisen oder pflanzlichem Material (targia) festgebunden, der seinerseits
mittels eines Lederriemens über den Schalenrand hinweg an einem auf der
Schalenaußenseite ruhenden Spannring (‘agäl, habl)3H befestigt ist. Letzterer
wird zumeist aus Fasern der Dattelpalmenrinde gedreht. Mit dem auf die
Schalenaußenseite umgeschlagenen Hautrand ist die Membran durch Spann-
riemen gegen den ‘agäl-Ring ausgespannt"9. Zu beiden Seiten des Steges sind
zwei große Schallöcher von acht bis zehn Zentimetern Durchmesser in die Haut
geschnitten. Sie werden als ‘uyün (Sg. ‘ain), als ,Augen' bezeichnet. Nahe der
Jochwinkel waren bei den meisten von mir besichtigten tanbüra-Instrumenten
ein oder zwei eiserne Klöppelglöckchen an die Querstange gebunden, die bei
jeder durch das Spiel auf der Leier bedingten Bewegung des Musikers in un-
kontrollierter Form zum Tönen gebracht wurden.
Der Ausschmückung der tanbüra kommt in den Augen des Einheimischen eine
große Bedeutung zu, obwohl die einzelnen Instrumente in Art und Umfang des
Schmuckwerks erhebliche Unterschiede aufweisen. Alle drei Arme der Joch-
konstruktion sind im allgemeinen in einfarbiges — meist weißes oder grünes
— Tuch (mandil, mhädid)37 38 39 40 eingeschlagen, wobei das Querstangentuch in der
Mitte — dort, wo die Stoffknäuel um das Joch herumgewunden sind — ausge-
spart bleibt. Zwischen den Schenkelpaaren der beiden Jochwinkel sind überdies
gleich- oder andersfarbige Stoff-Flächen ausgespannt. Einzelne oder zu Ketten
gereihte Dreiecksbeutel aus Stoff oder Leder, die vielfach zur Aufbewahrung
von Amuletten dienen, können von den Jochstangen herabhängen.
37 kursl auch: ,Stuhl'.
38 ‘agäl auch; der schwarze Ring, der von den Männern über das Kopftuch fafiya
gestülpt wird, hahl auch: ,Strick'.
39 Bei einer von mir untersuchten Leier war der Hautrand allerdings einfach auf der
Außenseite des Schalenrandes angenagelt worden. Ziernagelreihen liefen — wohl
als stilisierte Darstellung des Spannschnurverlaufs — vom Korpusrand in Richtung
des Scheitelpunktes der Schalenwölbung.
40 mandil: ,Tuch‘. mhädid (Sg. mhadda): ,Polster' (Ph).
406
Wegner, Afrikanische Musikinstrumente
Abb. 2. Der sangak Nagim ‘Abbud Gum'a beim Solospiel (bait) auf der tanhüra.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
407
Abb. 3. Der sangak Mulla !Abd al-Razzäq ‘Abd al-Gahl beim Stimmen seiner tanbüra.
Format und Gewicht der südirakischen tanbüra zwingen dem als sangak
titulierten Leierspieler eine bestimmte Spielhaltung auf. Das Instrument in der
Hand zu halten, ist ihm nicht möglich. Mit untergeschlagenen Beinen auf der
Erde sitzend, setzt er die taitbura zu seiner Linken auf dem Boden auf. Der
linke Arm des Musikers fährt unter eine zwischen den beiden Längsarmen der
Leier ausgespannte Halteschnur. Der Unterarm ruht — auf ein angebundenes
Kissen {mhadda al-mansab)41 gestützt — auf der Schalenwölbung und fixiert
somit zusätzlich das Instrument in seiner leicht nach vorne geneigten Position.
Nach Aufrichten des Unterarms erreichen die Finger der linken Hand die sechs
unterschiedlich dicken Saiten (autär, Sg. watar) aus gedrehtem Kuhdarm, die
sie in der für das Leierspiel charakteristischen Weise durch Berührung dämpfen
bzw. durch Abheben des Fingers frei schwingen lassen. Die rechte Hand führt
das zwischen Daumen und Zeigefinger gehaltene Plektrum (siläb, miswäk)42,
die massive Spitze eines Tierhorns oder ein ähnlich geformtes Holzstück. An-
gerissen werden die Saiten jedoch — im Gegensatz zu vielen anderen Leier-
41 mhadda al-mamab: ,das Korpuskissen'.
42 siläb auch; ,Waffe', miswäk auch; Holzstück zum Reinigen und Polieren der Zähne.
408
Wegner, Afrikanische Musikinstrumente
zupftechniken Ostafrikas — fast ausschließlich einzeln. Der gedämpfte Klang
der Saite — etwa beim Durchschlagen aller sechs Saiten, also auch der fünf
nicht frei schwingenden — wird musikalisch nicht genutzt.
Die fünf Finger der linken Fiand verteilen sich im allgemeinen wie folgt auf
die sechs Saiten der tanhüra:
Abb. 4. Die Haltung der linken
Hand des tanhüra-Spielers.
Die Zeichnung macht zweierlei deutlich: Sie zeigt zum einen, daß die dem
Musiker am nächsten liegenden beiden Saiten (sarär — dihäna) enger zusam-
mengerückt werden, als das bei den anderen Saiten der Fall ist. Dieses rein
äußerliche Merkmal findet beim Einstimmen der Saiten eine musikalische Ent-
sprechung: Das Saitenpaar erklingt im Abstand einer Oktave. Zum anderen
ist der Zeichnung zu entnehmen, daß die fünf Finger sich nicht gleichmäßig auf
die fünf verschieden eingestimmten Saiten (vier Saiten und einen Saitenchor)
verteilen: Der Handballen dämpft das im Oktavabstand stehende Saitenpaar,
das immer gemeinsam gedämpft bzw. nach dem Abwinkeln der Hand in
Schwingungen versetzt wird. Das erste Fingerglied des Daumens ruht auf der
folgenden Saite (hüm), die vorderen Glieder von Zeige-, Mittel- und kleinem
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
409
Finger hingegen auf der vierten (mutakallam), fünften ('radud) und sechsten
Saite (mugannl). Der Ringfinger bleibt auf diese Weise ohne Funktion.
Die Saiten der tanbura sind halbtonlos pentatonisch eingestimmt:
Wenn der Leierspieler (sangak) seinen Vortrag beendet hat, entspannt er,
bevor er das Instrument in die Ecke eines Raumes stellt oder an die Wand
hängt, alle Saiten der tanbura.
Zur Rechten und Linken des tanbura-Spielers sitzen jeweils zwei Trommler,
die auf Instrumenten musizieren, welche wie die musikalische Gattung nübän
genannt werden (vgl. Abb. 8). Der Terminus bezeichnete 1978 nach Aussagen
der Musiker erst seit kurzem auch die Trommeln. Hassan erwähnt lediglich den
älteren Trommelnamen kwendai4, der Jahre später in Basra nur noch für die
älteren Instrumente verwendet wurde. Die terminologische Änderung beruhte
auf der Einführung neuen Konstruktionsmaterials. Wurde die Trommelmem-
bran bei den kwenda-Instrumenten über einen aus Ton geformten, zum Boden
hin leicht konisch zulaufenden und manchmal auch schalenförmig abgerundeten
Korpus gespannt, so findet neuerdings bei den nübän-Trommeln ein zylindri-
scher Blechkanister Verwendung, dessen Boden man herauslöst und mit Kuh-
haut überspannt: 43 44
43 Die Anordnung innerhalb der Graphik basiert auf einer Anregung Gerhard Ku-
biks.
44 Hassan: 37. Zu hören war manchmal auch swenda.
410
Wegner, Afrikanische Musikinstrumente
Abb. 6. Zwei Trommeln des nuban-Ensembles.
Beide Trcmmeltypen45 können innerhalb eines Ensembles nebeneinander
auftreten. Gemeinsam ist ihnen die Art der Fellspannung, die im wesentlichen
mit der bei der Leier beobachteten Membranspannungsvorrichtung identisch ist:
Auf der Korpusunterseite ruht ein aus Fasern der Dattelpalmenrinde gedrehter
Spannring {‘agäl). Ein Spannriemen aus Fell wird abwechselnd durch Perfora-
tionen im Rand des umgeklappten Trommelfells und um den Spannring herum
geführt und abschließend zu einer Y-(A -)Schnürung gewunden. Der Musiker
hält in der rechten Hand einen geraden runden Flolzstab, mit dem er das
Trommelfell rechts von der Mitte in Schwingung versetzt. Die linke Hand
schlägt links von der Mitte flach auf die Membran bzw., in den Fingergliedern
gewinkelt, auf den Korpusrand. Bei manchen nübän-Trommlern sah ich einen
Handgriff, der mit dem letzten Ende des spannenden Fellriemens angeflochten
worden war. Bei Umzügen (zaffa) können die Instrumente auf diese Weise von
den Musikern beim Spielen hinter der kleinen samsimlya-Leier hergetragen
werden, wobei jedoch nur die rechte Hand für die Klangerzeugung zur Verfü-
gung steht.
Ein ein Rasselinstrument (mangür) betätigender Musiker vervollständigt das
nübän-Ensemble. Er trägt einen um die Hüften gelegten und vorne zweifach
45 Höhe der gemessenen Instrumente: 17—21 cm; Durchmesser der Membran: 26—
36 cm. Vgl. Hassan: 37.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
411
zusammengebundenen, dick gepolsterten Stoffgürtel von etwa 25 cm Breite, der
dicht mit Schnurrasselteilchen besetzt ist. Jedes einzelne Schnurrassel-Element
setzt sich zusammen aus einem Lederriemen, der an einem Ende im Polster des
Gürtels befestigt ist und an seinem anderen, freien Ende einen Schlußknoten
trägt, sowie aus zwei Schafshuf-Teilen (dilif, Pl. dulüf), die — einmal perfo-
riert — auf den Lederriemen aufgezogen werden und bei der kreisenden Hüft-
bewegung des Musikers gegeneinander und gegen Nachbarteile schlagen.
Abb. 7. Konstruktion eines
Schnurrassel-Elements.
Der Spieler des auch hirhas (,Rassel') genannten Rasselgürtels hält in seiner
rechten Pfand einen Holzstock mit gekrümmtem Griff von etwa einem Meter
Länge (rriaddiha), der im Basraer bait nübän mit besonders reichhaltigem
Schnitzwerk versehen war. Der Musiker stützt sich mit dem Stock auf dem
Boden ab oder hält ihn in Kopfhöhe. Die Praxis des mangür-Spielens scheint
im Aussterben begriffen zu sein. 1978 erklärte sich nur nach einigen Über-
redungsversuchen jemand bereit, den mangür-Gürtel umzubinden, denn die
zur Erzeugung des Rasselgeräusches notwendigen Hüftbewegungen erinnerten
die im halt nübän anwesenden Männer nach eigenen Aussagen an weibliche
Bauchtanzbewegungen und galten ihnen daher, obgleich Bestandteil der eigenen
Musiktradition, inzwischen als unziemlich46 * 48. Der mangür-Sp\t\ex steht —
während alle anderen Musiker auf einem Teppich in einer Reihe Platz ge-
nommen haben — schräg zur Linken des Leierspielers.
46 Insbesondere die Aussicht, beim mangür-Spielen photographiert zu werden, ließ
die Anwesenden nur zögernd zum Rasselgürtel greifen. Touma berichtet aus Bah-
rain, daß die mangür-Spieler dort Homosexuelle seien (mündliche Mitteilung, Dez.
1977).
412
Wegner, Afrikanische Musikinstrumente
Von einer gewissen geschichtlichen Tiefe in Bezug auf die Tradition des
Leierspiels unter den schwarzen Sklaven in Basra zeugt Claudius James Richs
folgende, 1811 gemachte Beobachtung:
The day before I left Bussora, on my return to Bagdad, the Musselleem gave me
an entertainment, consisting of a public exhibition of dancing, feasts of dex-
terity, &c. . . . The Nubian Party attracted my attention. One of them played
on an instrument, exactly resembling the ancient lyre. Their dance was military,
and represented attacking and skirmishing47.
Daß das Leierspiel in seiner geographischen Verbreitung keineswegs auf den
Golfbereich des südlichen Irak beschränkt war, zeigt ein Blick auf das Musik-
leben der anderen arabischen Länder, die von den beiden Sklavenhandelswegen
per Schiff zum Persischen Golf und über die arabische Halbinsel von Mekka
aus berührt wurden. Wellsted stellt im Rahmen seiner Schilderung von Reise-
erlebnissen in Oman aus dem Jahre 1838 der Erkenntnis, daß die arabischen
Muslime bei der Musikausübung eher Zurückhaltung üben, die folgende Beob-
achtung gegenüber:
They however neither object nor refuse to listen to slaves playing on such (in-
struments, d. Verf.) as they use, which are brought from Africa; the principal
one being a rude guitar possessing six strings, which pass across a piece of parch-
ment, spread over a wooden bowl, and produces notes by no means unpleasing.
The drum, an invention of Arabia, is still used by the same class, an earthen jar
being very frequently substituted for the belly of the instrument48.
Wellsteds ,sechssaitige Gitarre1 dürfte wohl mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit eine Leier mit hölzernem Schalenkorpus gewesen sein49.
Unsicher ist hingegen die nähere Bestimmung der im Zitat erwähnten Trommel.
Aufschlußreicher im Hinblick auf die dem Basraer bait nühän eigene Ensemble-
Zusammensetzung ist eine Schilderung eines „ ,slaves' club“ in Kuwait, die uns
Freya Stark 1938 in einem ihrer Reiseberichte gibt. Die von ihr als tanhura
bezeichnete Riesenleier ist auf einem Photo abgebildet50: Die Maße des Instru-
ments, die Fellverschnürung auf der Schalenrückseite, die Verkleidung der Joch-
arme mit Stoff, die von den Jochwinkeln herabhängenden Ketten von Drei-
ecksbeuteln und auch die Fingerhaltung der die Saiten greifenden Musikerhand
bestätigen meine 1978 in Basra gemachten Beobachtungen. Die Autorin spricht
47 Rieh: 392.
48 Wellsted 18381: 345—346.
49 Als sechssaitiges Musikinstrument mit membranüberspanntem Schalenkorpus kommt
für den ost- bzw. nordostafrikanischen Raum außer dem oben genannten nur eine
Harfe in Frage. Doch dann hätte der Autor wohl nicht vermerkt, daß die Saiten
die Membran überqueren.
50 Stark: Abb. 36.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
413
überdies von „two holes for resonance“31. Das Photo zeigt zur Linken des
Leierspielers einen stehenden Musiker mit umgeschnalltem Rasselgürtel und
einem langen Stab in der Hand. Außerdem ist von einigen kleineren Trommeln
die Rede®'2, so daß ein Vergleich mit dem nübän-Ensemble Basras in allen
diesen Punkten durchaus nahe liegt.
Für unsere Belange von außerordentlichem Interesse ist auch die Beobachtung
des Orientalisten Christiaan Snouck Hurgronje, der Ende des 19. Jahrhunderts
für mehrere Monate in Mekka, dem damaligen Hauptumschlagplatz für Skla-
ven aus Ostafrika im Higäz, weilte und von den afrikanischen Sklaven folgen-
des berichtet:
Am Donnerstag Nachmittag bis Freitagmorgen feiern sie, und ergötzen sich an
ihrer Nationalmusik mit Sang und Tanz. . . . Das Negerorchester besteht aus
der geflederten sechssaitigen T umbur ah und einigen Trommeln (Tubül). Ein
Sklave trägt außerdem einen aus Schaafshufen gemachten Klappergürtel, womit
er tanzend und den Körper nervös bewegend großen Lärm macht51 52 53 54 55.
Während der Name der Leier dem des südirakischen Instruments entspricht,
nennt der Autor als Bezeichnung für den Rasselgürtel Chuschchejschah bzw.
Schuchschejchah34. Mehr noch als diese 1889 veröffentlichte Beschreibung Hur-
gronjes zeigt eine Abbildung des Ensembles („Negersklaven mit Tumburah-
orchester“) in dem vom Autor beigefügten Bilderatlas50 (vgl. Abb. 9) die
Parallelen zum Basraer nübän-Ensemble auf°6. Die Art, Zahl und räumliche
Anordnung der Musikinstrumente, die ein zusammengerücktes Saitenpaar um-
fassende Besaitung der Leier, die Grifftechnik des Leierspielers (angedeutet)
sowie die Schlagtechnik der Trommler entsprechen den südirakischen Verhält-
nissen. Obgleich die Trommeln in ihrer langen zylindrischen Form und durch
die doppelfellige Bespannung (bei allerdings ähnlicher Fellschnürung) nur be-
dingt einen Vergleich mit den Basraer kwenda- und nzii’iän-Instrumenten zu-
lassen und die Leier in Hurgronjes Abbildung einen anderen Schmuck trägt als
im Irak, steht doch ganz außer Frage, daß das Mekkaer Ensemble aus dem
Jahre 1889 und das Ensemble des bait nübän in Basra aus dem Jahre 1978
derselben afrikanischen Wurzel entspringen.
51 Stark: 209.
52 Stark: 211.
53 Hurgronje2: 12—13.
54 Hurgronje2: 13, Anm. 3.
55 Hurgronje3: Abb. XVIII.
58 Wahrscheinlich diente bei Anfertigung dieser Zeichnung ein Photo als Vorlage. Der
Bildband besteht ansonsten fast ausschließlich aus Photographien.
414
Wegner, Afrikanische Musikinstrumente
Für die gegenwärtige Musikpraxis sei schließlich auf einige Belege aus Bahrain
hingewiesen. Olsen schreibt:
Le chant avec lyre demande la participation de deux tambours cylindriques et
d’une large ceinture en ongles de chèvre appelée „manjour“, portée par un dan-
seur57 58.
Die Ensemblezusammensetzung gleicht wiederum der der südirakischen nübän-
Gruppen'A Die auch in Bahrein tanbüra genannte Leier entspricht in Konstruk-
tion und Schmuck der Basraer Leier völlig59, obgleich die Spieltechnik sich
gewandelt zu haben scheint:
Le musicien place l’instrument perpendiculairement à lui et ébranle les cordes
avec ses ongles (trois cordes jouées par la main gauche, les trois autres par la
main droite). Un grand plectre en corne est attaché à l’instrument, mais il ne
semble pas qu’on l’utilise jamais pour faire sonner les cordes60 61.
Hingewiesen sei auch auf eine Abbildung aus Hyderabad, Deccan, Indien, ein
mit „Sudanese musicians, formerly of the Nizam’s orchestra, playing the
tambura . . betiteltes Photo51. Es führt uns unsere Schalenleier von neuem in
der Mitte von Trommeln (kleinen Kesseltrommeln) vor Augen, die mit der
linken Hand und rechts mit einem Schlagstock gespielt werden. Die Ausdehnung
des Sklavenhandels durch die neuerliche Verschiffung der Schwarzen von Basra,
Muskat und Oman aus in Richtung Indien läßt sich damit auch anhand der
instrumentenkundlichen Belege nachvollziehen.
Es bleibt somit festzuhalten; Die Tradition des Leierspiels mit Trommel- und
Rasselgürtel-Begleitung ist oder war unter den schwarzen Sklaven bzw. deren
Nachfahren in Arabien und den arabischen Ländern des Persischen Golfes, zum
Teil wohl sogar in Indien verbreitet. Faktoren wie Ensemblezusammensetzung,
-aufstellung, Spieltechnik und Detailkonstruktion der Instrumente erwiesen sich
im Einzelfall als von erstaunlicher Konstanz sowohl in historischer als auch in
geographischer Hinsicht. Es ist zu vermuten, daß die hinter diesem Phänomen
stehende schwarzafrikanische Musizierpraxis nicht nur eine Randerscheinung im
Musikleben Afrikas darstellt bzw. dargestellt hat. Daß wir es im vorliegenden
Fall mit einer ursprünglich ost- bzw. nordostafrikanischen Musizierform zu tun
haben, zeigt nicht nur die historische Betrachtung der Sklavenhandelswege auf
57 Olsen 1967: 29.
58 Vgl. auch: Tourna: [1].
59 Olsen 1968; Abb. 4.
60 Olsen 1968: [7]. Eine Abbildung bei Tourna (Tourna 1979, Schallplattencover)
zeigt allerdings einen Leierspieler aus Bahrain, der seine die Saiten dämpfende
Hand in der für die irakische tanbüra geltenden Art und Weise hält.
61 Jenkins/Olsen: 52.
416
Wegner, Afrikanische Musikinstrumente
Abb. 9. „Negersklaven mit dem Tumburah-orchester“ (Hurgronje3: Abb. XVIII).
dem afrikanischen Kontinent; auch die Beschränkung der heutigen Leierspiel-
Praxis auf die östlichen bzw. nordöstlichen Regionen Afrikas läßt diesen Schluß
zu.
Nordostafrikanische Belege als Vergleichsmaterial: tanbüra und mangür.
Zwei dem zär-Kult verpflichtete Musikinstrumente.
Trifft man in Afrika auf Schalenleiern, die in ihrer Gestalt an die irakische
tanbüra erinnern? Auch die afrikanische Leier tritt fast ausschließlich als
symmetrische Schalenleier in Erscheinung — lediglich der Korpus der äthiopi-
schen begana-he'ier kann die Form eines Kasten besitzen. Der vereinheitlichende
Begriff Schalenleier löst sich jedoch bei näherer Betrachtung des ostafrikanischen
Instrumentariums in eine Vielzahl unterschiedlicher Leierformen auf, deren
Schalenkorpus von verschiedenster Gestalt sein kann.
Als charakteristisch für die tanbüra im Südirak sind vor allen Dingen zu
bezeichnen ihre großen Ausmaße, die Membranverschnürung gegen einen Spann-
ring, die beiden rechts und links vom Steg annähernd symmetrisch angeord-
neten, runden und ungewöhnlich großen Schallöcher sowie die obere Saiten-
anbindung mit mehrfach gedrehten Stoffschnüren. Belege aus Nordostafrika
417
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
weisen nun allerdings — soweit bisher vorhanden — für eine Leier dieses Typs
und dieser Bezeichnung (tanbüra, tambura, tumbara, tambira, timbira) Ver-
breitungsgebiete in Ägypten (Kairo), dem Zentralsudan (Omdurman), dem
Südsudan sowie an der Somali-Küste aus'’2. Die Ausschmückung des Joch-
gestänges übertrifft jedoch im allgemeinen das, was ich 1978 in Basra bei der
tanbüra antraf, und nimmt bei den Somali, wo über der Querstange ein großer,
stoffverkleideter Aufbau aufgetürmt ist'’'5, ganz eigenständige Formen an.
Andere Merkmale hinwiederum unterstützen mit Nachdruck die Annahme
einer historischen Verwandtschaft zwischen diesen und den Basraer Instrumen-
ten: Sowohl im Sudan als auch bei den Somali weist das Instrument in seiner
Saitenbespannung an der dem Musiker zugewandten Jochseite zwei näher zu-
sammengerückte Saiten auf62 63 64 65, die — hier gleichfalls in Entsprechung zu meinen
Basraer Beobachtungen — beide mit dem Handballen gedämpft werden’’0. Eine
1899 ins Museum für Völkerkunde Berlin gelangte große Leier aus Nordost-
afrika66 weist eine entsprechende Saitenpaarung auf. In Omdurman werden die
beiden kreisrunden Schallöcher in der Korpusmembran wie im Südirak ,Augen'
genannt67, und die Querstange des Jochs ist in beiden Fällen und beim Muse-
umsinstrument mit Klöppelglocken behängt68. Der Terminus für die kleinere
irakische Leier (samsimlya) ist hingegen in Afrika nur für die ägyptischen
Fellachen belegt69 70 71. Sarär, der Name der am höchsten eingestimmten Saite der
Basraer tanbüra, ist auch im Sudan bekannt (sarära)‘° und bezeichnet dort wohl
gleichfalls die höchste Saite ‘L
Auch eine Betrachtung der in Afrika mit der Leier in Zusammenhang ge-
brachten rhythmischen Begleitinstrumente stützt die Vermutung einer auf musi-
kalischem Gebiete sich dokumentierenden kulturhistorischen Verbindung zwi-
schen Ostarabien und Nordostafrika. In Kairo und in Omdurman ist die Be-
gleitung des Rasselgürtels mangür (ägypt.: mangür) bekannt. Ziegenhuf-Teile
62 Siehe u. a.: Kriß/Kriß-Heinrich; 144, 182—183, Abb. 130, 139, 141 u. 142; Zen-
kovsky: 74—81; Hickmann 1960; 532, Abb. 16; Hickmann/Mecklenburg: 49—50;
Plumley: 42—43; Tintori: Taf. XXIII; Karsten 1908 und Simon: 19 (Photo 36),
291—292.
63 Plumley: 42; Tintori: Taf. XXIII.
34 Hickmann/Mecklenburg: 50; Tintori: Taf. XXIII.
65 Vgl. auch: Hickmann: 532, Abb. 16.
66 Das Instrument trägt die Signatur III E 7633.
67 Zenkovsky: 74; Kriß/Kriß-Heinrich: 183.
68 Zenkovsky: 75.
69 Hickmann: 529. Auch die arabische Bevölkerung der Sinai-Halbinsel im Küsten-
bereich des Roten Meeres kennt eine samsimlya-Leier (vgl. Shiloah 1972).
70 Karsten: 95.
71 Vgl. die Stimmungsangaben bei Karsten (Karsten: 95) und Shiloah (Shiloah: 19).
27*
418
Wegner, Afrikanische Musikinstrumente
bilden — wie im Südirak, so auch hier — die gegeneinanderschlagenden Teile.
Kriß und Kriß-Heinrich berichten aus Kairo:
Zu den wichtigsten Personen der tumbüra-Gruppe gehört der sutarT, der nach
seinem charakteristischen Kleidungsstück auch mangür genannt wird und als
Vortänzer fungiert. Er trägt . . . um die Lenden einen großen Ledergürtel, eben
jenen mangür, von etwa 20 cm Breite, der mit Kaurimuscheln eingefaßt und mit
über hundert Ziegenklauen behängt ist, welche beim Tanze klappernd aneinan-
derschlagen . . . Zu den wesentlichsten Elementen seines Tanzes gehört das Dre-
hen der Hüften, im strengen gleichmäßigen Rhythmus, welches jenes Geräusch
zur Polge hat, das die Teilnehmer am Tanze rasch in Ekstase versetzen kann72 73.
Die Autoren beobachteten darüber hinaus auch in Oradurman den mangür-
Gürtel an der Seite der großen Leierl,! und bestätigen damit eine Beobachtung
von Zenkovsky74 und die Erfahrungen von Hickmann und Mecklenburg bei
Aufnahmen mit einer „Groupe de musiciens populaires soudanais“75 *.
Leier und Rasselgürtel werden auch in Afrika meistens durch Zylindertrom-
meln zu einem vollständigen Ensemble ergänzt. In Kairo wurden 1957 zwei
Musikerinnen beobachtet, die tahla tumbüra genannte, mit Fell bespannte
Trommeln aus Holz von ca. 40 cm Höhe und 30 cm Durchmesser mit einem (!)
Holzstab schlugen71’. Auch in Omdurman fanden zwei Trommeln Verwendung,
a big and a small, made of round iron tins covered with goat hides on both
sides. They are beaten by either men or women with short thick hippo whips
sharply: . . . 77 78 79
An anderer Stelle ist von einer musmär genannten Rahmentrommel die
Rede™. Und schließlich zeigt auch die Abbildung von „menestrelli somali“ bei
Tintori zu beiden Seiten eines stehenden Leierspielers zwei Musiker an zwei-
felligen Zylindertrommeln, deren eines Fell dem Erdboden als Stellfläche zu-
gewandt ist’1'. Beide Trommler verwenden rechts einen Holzstab als Schlegel
und schlagen links mit den fünf Fingerspitzen auf das Trommelfell80. Es ist also
weniger die Form der Trommeln als vielmehr die Art und Weise der Klang-
erzeugung, die zu Vergleichen mit dem nühän- und ^wetzöG-Trommelspiel in
72 Kriß/Kriß-Heinrich: 144—145.
73 Kriß/Kriß-Heinrich: 183 u. Abb. 138.
74 Zenkovsky: 74—76.
75 Hickmann/Mecklenburg: 49, Nr. 82. Vgl. dort auch die Abbildung eines mangür-
Spielers (Abb. 21).
78 Kriß/Kriß-Heinrich: 145.
77 Zenkovsky: 74.
78 Kriß/Kriß-Heinrich: 183.
79 Eine dritte Trommel ist ungenutzt am Bildrand zu sehen. Zeigt die Abbildung das
ganze Ensemble?
80 Tintori: Taf. XXIII.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
419
Basra anregt. Allerdings darf noch einmal daran erinnert werden, daß ja auch
Hurgronjes „Tumburah-orchester“ aus Mekka vier doppeiielVige Zylindertrom-
meln umfaßte (vgl. Abb. 9), die ganz denen der Somali-Musiker vergleichbar
sind*1.
Auf eine ganz andere, wenngleich für den Vergleich südirakischer und afri-
kanischer Leierensembles nicht weniger lohnende Ebene der Betrachtung begibt
man sich, wenn man die Funktion der Instrumente in der einheimischen musi-
kalischen Praxis ins Auge faßt. Fast ausnahmslos ist die Leier — soweit sie die
für unsere Untersuchung relevante morphologische Struktur besitzt — Bestand-
teil der in weiten Teilen Nordostafrikas praktizierten und als zär bezeichneten
rituellen Krankenheil-Zeremonien. Ungeachtet der zahllosen eigenständigen
Entwicklungen, die der zär im Faufe seiner wohl von Äthiopien ausgehenden,
weitgreifenden Ausbreitungsperiode in den einzelnen Regionen und Kulturen
genommen hat, blieb der Glaube an die Möglichkeit der Geist-Besessenheit des
Menschen eine gemeinsame Grundlage aller zär-Formen. Gewisse Krankheits-
symptome wie Lähmungserscheinungen, Krämpfe, Gliederzittern etc. gelten dem
Einheimischen, zumal, wenn sie bei Frauen auftreten, als Flinweis darauf, daß
ein zär-Geist in den Menschen gefahren sei. Die Behandlung des ,Patienten'
durch einen Heilkundigen umfaßt drei Phasen: l.die ,Diagnose“, d. h. die
Feststellung, welcher Geist aus der großen Gruppe der zär-Geister die Besessen-
heitssympteme hervorruft und was er zu seiner Besänftigung an Musik und
anderen Opfergaben (Speisen, Opfertieren, Kleidung, Parfüm, etc.) verlangt,
2. die Durchführung der eigentlichen zär-Zeremonie zur Besänftigung des zär-
Geistes, zugleich eine Art Initiationszeremonie, mit der die Kranke in die Ge-
meinschaft der Geistbesessenen aufgenommen wird, und 3. die in bestimmten
Zeitabständen zu wiederholenden, weniger umfangreichen Folgezeremonien, die
eine fortwährende Friedfertigkeit des zär-Geistes, von dem man besessen ist,
gewährleisten. In allen drei Phasen — zumindest aber in den letzten beiden
sind Musik und Tanz wesentliche Bestandteile des zeremoniellen Ablaufs.
Detailliertere Beschreibungen über die Mitwirkung des tanbüra-Ensembles an
2<2r-Zeremonien besitzen wir aus Kairo und Omdurman81 82 83. Die tanhüra-{tum-
hüra-)Gruppe wurde in Kairo 1957 allerdings nur teilweise zur musikalischen
Ausgestaltung der z5r-Veranstaltung herangezogen, denn „die Vielheit der
,Sultane“, mit welchem Ehrentitel man die Zärgeister benennt, um sie zu er-
freuen, macht dreierlei Arten von Musikkapellen notwendig““8,5. Neben dem
81 Hurgronje3: Abb. XVIII.
82 Kriß/Kriß-Helnrich: 144—145, 160—179 und 181 —190 sowie Zenkovsky 1950.
83 Kriß/Kriß-Heinrich: 144.
420
Wegner, Afrikanische Musikinstrumente
tanhüra-Ensemble, das in Anspielung auf die Herkunft der Leier auch südäni
genannt wurde84, fanden ein aus Frauen gebildetes Rahmentrommelensemble
und die Gruppe um den Tänzer Abü l-Get, die zwei Flöten (suffära) und eine
Schellentrommel (riqq) umfaßt, Verwendung85. Welche Gruppe Tanz und Ge-
sang zu begleiten hatte, richtete sich nach der Art des zär-Geistes, der sich, im
allgemeinen mit der Zunge der in einen außerwachen Zustand versetzten
Patientin sprechend, zu erkennen gibt. Entscheidend ist bei der musikalischen
Wahl oft die Herkunft des Geistes86. Diese kann sich in seiner Zugehörigkeit zu
einer der nach regionalen Kriterien voneinander geschiedenen Gruppen von
zär-Geistern offenbaren. Neben den abessinischen, den oberägyptischen, den
arabischen und den maghrebinischen Geistern kennt man in Ägypten auch eine
sudanesische Gruppe von zA-Geistern, zu der interessanterweise ein Südäni
Tumhüra genannter Geist gehört87. Zur Behandlung der von einem sudanesi-
schen zA-Geist Besessenen diente 1957 in erster Linie wohl das um die tanhüra-
Leier gruppierte Ensemble und dessen Musik. Im Gegensatz zu den Kairoer
Verhältnissen unterschied man in Omdurman zur gleichen Zeit nur zwei Formen
des zA, zär hori und tamhura, wobei in letzterer Zeremonie die tanhüra-Leier
— dort rabäha genannt — von zentraler Bedeutung war88.
Daß ich es 1978 in Basra mit einem fernen Zweig nordostafrikanischer zär-
Zeremonien zu tun hatte, zeigt — mehr noch als ein Vergleich der äußeren
Erscheinung afrikanischer und südirakischer tanhüra-Leiern und iher Einbettung
Erscheinung afrikanischer und südirakischer tanhüra-Leiern und ihrer Einbettung
mens und der Stellung, die die Leier in diesem Zusammenhang innehat. Ohne
an dieser Stelle näher auf den nordostafrikanischen zär in seinen vielfältigen
Erscheinungsformen eingehen89 und den zeremoniellen Ablauf und die damit
verbundene Vorstellungswelt in Basra detailliert schildern zu können — meine
Erkenntnisse hierzu entsprechen weitgehend den von Hassan 1980 beschriebe-
nen90 —, sei auf die folgenden Punkte hingewiesen, die die Annahme eines
historischen und inhaltlichen Zusammenhangs zwischen zär und nühän unter-
mauern: Auch bei nühän handelt es sich um eine Krankenheilzeremonie, der sich
84 Kriß/Kriß-Heinrich: 144.
85 Kriß/Kriß-Heinrich: 145.
8G Kahle: 7.
87 Kriß/Kriß-Heinrich: 146. Im Nordsudan gelten die tumbüräwi als zA-Geister, die,
wenn sie von einem Menschen Besitz ergriffen haben, besonders heftige Krankheits-
symptome hervorrufen (Constantinides; 72).
88 Zenkovsky: 73—81.
89 Siehe u. a.: Kriß/Kriß-Heinrich: 140—200, Zenkovsky 1930, Kahle 1912, Litt-
mann 1950, Constantinides 1977 und Cerulli 1934.
99 Hassan; 136—145, 151—152.
Baessler-Archiy, Neue Folge, Band XXX (1982)
421
ein von einem Geist Besessener zu unterziehen hat. Wie beim zär so ist auch
hier eine Besänftigung, nicht eine Austreibung, das Ziel der Zeremonie, das
durch Gaben in Form von Tieropfern, Kleidungsstücken, Nahrungsmitteln,
Räucherwaren, bestimmten Melodien und Tänzen zu erreichen ist. Auch für
die schwarze Bevölkerung in Basra ist jeder Geist eingeordnet in eine unter den
Geistern etablierte hierarchische Ordnung91 92 und verlangt im Falle der Be-
sessenheit die ihm darzubringenden Gaben in einer für sein Wesen charakteristi-
schen Form. Die für den zär typische Aufteilung des Heilverfahrens in einen der
Diagnose und einen der Behandlung vorbehaltenen Abschnitt kennzeichnet auch
den Ablauf einer nühän-'Zeremome. Wie beim ostafrikanischen zär so wird auch
in Basra dem Fieilkundigen das Diagnostizieren unter anderem dadurch ermög-
licht, daß der zu Behandelnde ihm zusammen mit etwas Geld ein getragenes
Kleidungsstück überläßt, das — während der folgenden Nacht unter dem Kopf-
kissen des Heilkundigen deponiert — diesem in einem Traum den Geist erschei-
nen läßt und Aufklärung über die Voraussetzungen für einen erfolgreichen
Verlauf der Behandlung bringt. Überdies übernimmt auch in Basra der Kranke
zu Beginn der Behandlung die Funktion eines Mediums, durch das der fragliche
Geist sich artikuliert. Ja selbst der Terminus zär ist, wenngleich nicht auf die
gesamte Institution der Krankenheilung, sondern nur auf einen Teil der Geister-
welt — auf die guten, Bessesenheitssymptome zuvorderst verursachenden
Geister — angewandt, dem schwarzen Basräwl durchaus geläufig ’“.
Von ähnlich zentraler Bedeutung wie beim zär in Omdurman ist die tanhüra-
Leier bei den nühän-Zeremonien im Südirak. Hier wie dort stellt sie nicht nur
eines der durch die Tradition festgelegten musikalischen und nicht-musikalischen
Werkzeuge zur gezielten Besänftigung eines zär-Geistes dar, sondern ist selbst
— anders als die meisten anderen bei einem zär gebrauchten Objekte — mit
bestimmten Kräften aufgeladen. Ja sie gilt in gewisser Hinsicht als Verkörpe-
rung des zär-Geistes, sie stellt ein Bindeglied zwischen der Welt der Menschen
und der der Geister dar. Zwar ist die in Omdurman mit der Leier verbundene
Vorstellung eines durch den zär-Ge ist belebten Instruments, das durch die bei-
den ,AugeiT, die Schallöcher, die Umwelt betrachtet und zu sprachlichen und
91 Eine für den ost- bzw. nordostafrikanischen zär bezeichnende Flexibilität bei der
Entwicklung regional-spezifischer zär-Geisthierarchien findet ihren Ausdruck auch
in der Geisterordnung, wie sie von den Schwarzen Basras als gültig anerkannt
wird: Die für den Süden des Irak charakteristische religiöse Auffächerung in Mus-
lime, Sabäer, Juden und Christen findet ihre Entsprechung in der Struktur der
Geistwesen-Gemeinschaft (vgl. Hassan: 139).
92 Hassan: 140. Hassan versäumt es allerdings, auf Grund dieses Sachverhalts die
naheliegenden Rückschlüsse auf die Herkunft der nübän-’Zeremonle zu ziehen.
422
Wegner, Afrikanische Musikinstrumente
emotionellen Äußerungen befähigt ist93, in Basra ohne Parallele, doch deuten
einige in der Terminologie zu den einzelnen Bestandteilen der Leier sich
äußernde anthropomorphe Vorstellungen (Schallöcher: Augen, Jccharme: Beine)
in eine ähnliche Richtung wie auch die Auffassung des schwarzen Basräwls, die
tanhüra ,trinke' (tisrah), wenn sie nahe den ,Augen' mit Opferblut benetzt
wird94 95 *.
Das an die Jochstangen gebundene ,Schmuckwerk' besitzt bei der afrikani-
schen und bei der irakischen tanhüra über die Aufgabe der Ausschmückung hin-
ausgehende Funktionen. In Omdurman sind es Opfergaben von Gläubigen, die
in Form von Glöckchen und Perlen bzw. Perlenketten von verschiedener Größe
und Farbe der Leier als Verkörperung eines zär-Ge'istes offeriert werden9’.
Überdies ist der eine tanhüra in seinem Hause Beherbergende und über das
Instrument Wachende fortwährend um die weitere Ausschmückung der tanhüra
bemüht99. Die Dreiecksbeutel aus Stoff oder Leder, die einzeln oder zu Ketten
aneinandergereiht von dem Jochgestänge herabhängen, beherbergen oft Amu-
lette. Freya Stark beobachtete 1938 in Kuwait, wie von den Beutel-Ketten bei
Berührung eine affektdämpfende Wirkung ausging:
. . . little triangulär things like pin-cushions, of many colours hang in Streamers
all about it, evidently sacred, for when, in the ardour of the dance, one or
other of the men feel that they are becoming „possessed“, they Stretch out their
hand and touch the little cushions, and stroke their head with the same hand,
and obviously feel better; or drag themselves prostrate and waggle their heads
under the swaying Streamers97.
Ein ähnlicher Brauch wird aus Omdurman berichtet, wenngleich ohne Bezug
zum Jochstangen-Gehänge: Nähert sich der Trance-Zustand des Patienten —
Zeichen der irdischen Anwesenheit eines ,herabgestiegenen' zär-Geistes —
seinem Ende, lehnt sich der zu Heilende mit dem Rücken gegen die rahäha-
Leier, deren Saiten der Musiker im weiteren nur mit einer Hand zupft. Die
andere bestreicht die Spitze des Instruments sowie Kopf und Schultern des
Patienten98.
In Omdurman wie in Basra besitzt jedes tanhüra-lnstrument einen individu-
ellen Namen99. Die drei von mir im Basraer halt nühän angetroffenen Leiern
93 Zenkovsky: 74, 76—77; Kriß/Kriß-Heinrich: 183, 185.
94 Hassan: 143.
95 Zenkovsky: 74, Kriß/Kriß-Heinrich; 183.
98 Zenkovsky: 74, Kriß/Kriß-Heinrich: 184.
97 Stark: 209.
98 Zenkovsky: 79.
99 Zenkovsky: 74, Hassan: 81.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
423
trugen die folgenden Bezeichnungen: masri (,aus Ägypten stammend“), kwaitl
(,aus Kuwait stammend“) und rumaiya (Ort in Südirak). Auffallend und die
Annahme historischer Zusammenhänge weiter stützend sind überdies gewisse
Parallelen in der Terminologie, wie sie beim ägyptischen bzw. sudanesischen zär
und beim südirakischen nühän Verwendung findet. In Basra trägt der tanhüra-
Spieler den Beinamen sangaku>0, in Omdurman besitzt der Obersaih über alle
Tumhüra-Häuser des Ortes dieselbe Bezeichnung100 101 102. Das in Rhythmus und
Melodik auf einen bestimmten zär-Geist zugeschnittene und ihm vorbehaltene
Musikstück nennt der schwarze Basräwl dagg (Pl. dgügY'12, eine gleichklingende
Bezeichnung gleichen Inhalts überliefern Littmann und Kahle aus Ägypten1"'“;
und auch Kriß und Kriß-Heinrich berichten vom zär hori in Omdurman: „Jede
Geistwesenheit hat ihren eigenen ,Schlag“, . . .“104, ohne allerdings den arabi-
schen Terminus zu nennen. Zaffa bezeichnet in Basra eine bestimmte Musizier-
form des nühän-Ensembles, die bei Umzügen zu Gehör gebracht wird. Zu die-
sem Zweck greift der Leierspieler auf die kleinere, tragbare samsimlya-Leier
zurück. Auch in den Aufzeichnungen von Rudolf Kriß anläßlich eines für ihn
abgehaltenen zär in Kairo wird der Terminus zaffa für eine Prozession ver-
wendet:
Als sich alle Teilnehmer, etwa 20 Frauen und die Musikkapellen eingefunden
hatten, wurde das Zeichen zum Beginn gegeben. Eine der Frauen stieß jenen
hohen Trillerlaut aus, der auch jedesmal dann ertönt, wenn die Tänze ekstatisch
zu werden beginnen. Hierauf erfolgte der feierliche Einzug, die sogenannte
zaffa. Sie bestand darin, daß ich dem vor mir hertanzenden mangür folgte, wo-
zu die tumbüra-Musik einsetzte105 106.
Eine Übersicht über die zur Zeit vorliegenden Erkenntnisse zur zär-Zeremo-
nie in Afrika legt somit die Vermutung nahe, daß in unserem Fall der nicht-
arabische Sudan den Ausgangspunkt für die Verbreitung afrikanischer Musik-
formen im Südirak darstellt. Einiges spricht dafür, daß die vom Sudan aus-
gehende Verbreitung des zär in Ägypten, die sich wahrscheinlich im 19. Jahr-
hundert vollzog103 und für einige z^r-Formen ja auch die Weitergabe der tan-
hüra-Leier und des Rasselgürtels einbegriff, ebenfalls unter Vermittlung sudane-
100 Hassan übersetzt den Terminus mit „étendard““ (,Standarte“) (Hassan: 80).
101 Kriß/Kriß-Heinrich: 182.
102 Der Terminus ist abgeleitet vom hocharabischen Wortstamm d-q-q {daqqa: ,schla-
gen“, ,klopfen“). In den südirakischen und In anderen arabischen Dialekten bezeich-
net das Verb jedoch auch das Musizieren auf Musikinstrumenten, z. B. yiduqq in-
näi: ,er musiziert auf der Längsflöte näh. Vgl. Hassan: 141, Anm. 8.
103 Littmann: 60, Kahle: 4.
104 Kriß/Kriß-Heinrich: 192.
105 Kriß/Kriß-Heinrich: 166.
106 Cerulli: 1318.
424
Wegner, Afrikanische Musikinstrumente
sischer Sklaven vonstatten ging. Klunzinger berichtet 1877 aus Oberägypten,
daß die Leiterin (saiha) eine z/zr-Veranstaltung meist eine Sklavin, „eine durch
ihre Neigung zu ekstatischen Zuständen bekannte Person“107, sei. Aus dem
Kairo des 19. Jahrhunderts, von einer nach dem Saih Bidak benannten Grab-
stätte, wird darüber hinaus an anderer Stelle berichtet:
... les négresses libérées avaient coutume de s’y réunir pour se livrer à leur fé-
tiche (. . .) qui consiste à chasser le démon du corps des possédées par des cris,
de la musique, et des sacrifices de moutons108.
Noch 1957 sollte die Saiha in Kairo „von dunkler Hautfarbe sein, ein An-
haltspunkt dafür, daß der ganze Brauch aus dem Sudan eingeschleppt wurde“1'09,
und auch der tanbüra- und der wrmg^r-Spieler verwiesen Kriß und Kriß-Hein-
rich gegenüber auf ihre schwarzafrikanische Abstammung110. Eine Verbindung
zum Sklavenmilieu scheint also bei den zär-Yeranstaltungen sowohl in Ägypten
als auch im Südirak bestanden zu haben. Die in der Literatur vielfach betonte
Tendenz des zär, als „ego-centred curative ritual“111 den Härten unter sozial
benachteiligten Gesellschaftsgruppen (Sklaven, Frauen in der islamischen Ge-
sellschaft) ausgleichend entgegenzuwirken und ethnische Barrieren zu über-
brücken, dürfte hier wie dort wirksam gewesen sein.
Für die von Schwarzen in Kuwait und Bahrain geäußerte Ansicht, die
Schalenleier-Musik sei nubischen Ursprungs112 — auch die irakische Gattungs-
bezeichnung nübän läßt sich ja eventuell von nüba (,Nubien“) ableiten — ergibt
sich beim derzeitigen Stand der Erkenntnisse kein Anhaltspunkt. Die große
Leier scheint in Nubien unbekannt gewesen zu sein113.
Die Musikinstrumente des laiwa-Ensembles
Die ganze Komplexität der schwarzafrikanischen Musizierpraxis im Süden
des Irak wird deutlich, wenn man seine Aufmerksamkeit der zweiten heute
unter der schwarzen Bevölkerung Basras noch weitlichst praktizierten Musik-
form zuwendet. Die laiwa-Musik, von der im folgenden die Rede sein soll,
verlangt eine instrumentale Besetzung, die mit der des oben besprochenen
nübän-Ensembles nichts gemein hat und, wie im weiteren noch zu erläutern
107 Klunzinger: 388.
108 Artin Pascha: 184—185 (Anm. 1).
109 Kriß/Kriß-Heinrich: 143.
110 Kriß/Kriß-Heinrich: 144—145.
111 Constantinides; 62.
112 Stark: 208, Tourna: [1].
113 Aus Hurgronjes Bericht aus Mekka ist überdies deutlich zu ersehen, daß das „Tum-
burah-orchester“ sich aus Sudanesen nicht-nubischer Abstammung zusammensetzte
(Hurgronje2: 11—12).
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
425
sein wird, unsere Nachforschungen in bezug auf die afrikanischen Herkunfts-
gebiete regional und ethnisch in eine ganz andere Richtung lenkt. Von Bedeu-
tung ist für das gegenwärtige Musikleben der Stadt überdies eine weitere, den
funktionalen Aspekt der Musik berührende Unterscheidung: In früheren Zeiten
— so die Aussagen einiger Informanten — sollen laiwa und nühän primär im
Dienste der Krankenheilung gestanden haben; heute jedoch wendet sich der
laiwa-Musiker in erster Linie an ein größeres, Unterhaltung suchendes Publi-
kum. Während nühän für den Araber den Charakter des Geheimen, absolut
Unzugänglichen auch in der Gegenwart nicht verloren hat — und in der Tat,
kein Araber würde als Beobachter zu einer Krankenheilzeremonie zugelassen —,
hat die laiwa-Musik ihre religiös-zeremoniellen Bindungen weitgehend abge-
streift. Die meisten Basräwis sind irgendwann einmal mit laiwa-Vorführungen
als Zuschauer oder als spontane Mittänzer in Berührung gekommen111, zumal
der laiwa-Tanz nur wenige fest vorgeschriebene Bewegungsabläufe kennt11’.
Auch bei laiwa bildet ein melodiefähiges Instrument, die Oboe surnäg, den
Mittelpunkt des Ensembles. Über Herkunft und Bedeutung ihres Namens sind
keine gesicherten Aussagen zu machen. Eine sprachliche Ableitung aus zurnäi —
der im Süden gebräuchlichen Bezeichnung für die arabische Oboe, mit der die
surnäg äußerlich allerdings wenig gemein hat — erscheint immerhin möglich,
zumal die Lautverschiebung i ->■ g ein Kennzeichen südirakischer Dialektformen
ist. Das Instrument besitzt einen mehrteiligen Aufbau:
„hösa bzw.
mäsüla
]__minära
iga
mtakü
Abb. 10. Die Bestandteile
einer surnäg.
114 Infolge einer Konsonantenverschiebung 1 h spricht die arabischstämmige Bevölke-
rung Basras allerdings von haiwa (vgl. Hassan: 150, Anm. 18).
115 Vgl. as-Saräf: 155.
426
Wegner, Afrikanische Musikinstrumente
Das zweifache Doppelrohrblatt {hösa oder mäsüla116) unterscheidet die surnäg
grundsätzlich von allen anderen vorderorientalischen Oboen. Etwa vier Zenti-
meter breit ausgeschnittene Streifen aus dem Blatt der Dattelpalme {tamur hind)
bilden das Rohmaterial zur Rohrblatt-Herstellung. Aus dem in der Mitte ge-
falteten Blattstreifen werden an dem Falz zwei übereinanderliegende und durch
die Faltung deckungsgleiche Teile (A) herausgeschnitten, die — nun ihrerseits
in der Mitte gefaltet — zwei Rohrblatt-Paare ergeben (B):
Abb. 11. Die Ausschnittsform und die Faltung des Rohrblatt-Materials.
Die beiden Paare werden links und rechts an dem schmalen Auslauf einer
konischen Metallröhre11 ‘ durch Schnurumwicklungen festgebunden. Zuvor streift
man allerdings eine glatt-runde Fippenscheibe aus Metall118, die in früheren
Zeiten aus Kokosnußholz (gdz hind) geschnitzt war, soweit über die konische
Metallröhre, wie die Perforation in der Scheibenmitte es zuläßt. Der in dem für
den oberen surnäg-Abschnitt verwendeten Terminus minära zum Ausdruck
kommende Formvergleich (minära — ,Minarett1) ist auch für einen Außen-
stehenden optisch ohne weiteres nachvollziehbar. In die obere Öffnung einer
diga genannten Holzröhre aus Teakholz (s^g)119 ist das minära-Teil eingesteckt.
Bei dem oben abgebildeten Instrument120 verläuft die Bohrung der c/fg^-Röhre
zylindrisch, aber auch konische Bohrungen konnten beobachtet werden. Das
Holzrohr trägt sechs vorderständige Grifflöcher, zuweilen auch nur fünf121.
Hassans Beschreibung eines hinterständigen Grifflochs sowie einer Verstopfung
des ,vierten* vorderen Grifflochs122 fand ich in keinem Fall bestätigt. Das diga-
116 As-Saräf: 157. hösa auch: ,Palmblatt1, mäsüla wörtlich: ,Festverwurzeltesc.
11' Länge der Metallröhre: 19 cm. Die Größenangaben beziehen sich hier und im fol-
genden auf das oben abgebildete Instrument. Vergleichsangaben sind nachzulesen
bei; as-Saräf: 157 und Hassan: 60.
118 0 etwa 4 cm.
119 Länge: 186 mm, 0 : 34 mm.
120 Das Instrument befindet sich im Besitz des Verfassers.
121 As-Saräf: 157.
122 Hassan: 60.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
427
Rohr steckt seinerseits in der schmalen Öffnung der Oboen-Stürze (mtakü)
aus Aprikosenholz (mismis)1'23. Um die emgesteckten Rohrteile gewundene
Baumwollstreifen sichern die doppelte Steckkonstruktion; Metallbeschläge
schützen das Holz an den entsprechenden Stellen vor dem Reißen. Das minära-
Rohr ist im allgemeinen mit farbiger Schnur oder Plastikklebeband umwickelt.
Geschmückt wird insbesondere auch die Oboen-Stürze, die Ziernagelung tragen
oder mit Fell ummantelt sein kann. Andere Holzarten, die beim diga- und
mtakü-Teil manchmal Verwendung finden, sind Ebenholz (ähnüs), Kokosnuß-
holz (göz hind)123 124 125 126 127 und das Holz des Mastixbaums (häsuraky2>.
Der die surnäg blasende Musiker, dem die von dem arabischen zürnä-Sp\e\er
praktizierte Technik des ,circular breathing‘ weitgehend fremd ist, wird in
Basra fundi genannt. Die Grifflöcher deckt der Musiker — oben mit der linken
Hand beginnend — mit den Zeige-, Mittel- und Ringfingern beider Hände ab.
Sein Vortrag ist über das rein Musikalische hinaus durch bestimmte bewegungs-
mäßige Abläufe gekennzeichnet. Unabhängig von den im Kreise um das En-
semble sich bewegenden Tänzern umherwandernd, ihre Kreisbahn kreuzend,
den Oberkörper nach vorne schwingend und — besonders bei hohen Tönen —
hcchaufgereckt die Oboe gen Himmel richtend, demonstriert der surnäg-Spieler
auch in seinen Bewegungen die Sonderstellung seiner Person unter den Anwe-
senden. Zuweilen steht ein besonderer Stuhl für ihn bereit, den zu verlassen ihm
jederzeit möglich ist121’, oder er kniet, den Oberkörper hin- und herschwingend,
zwischenzeitlich auf dem Erdboden. Die Vorstellung, die surnäg stehe in Ver-
bindung mit der Geisterwelt12', scheint heute zusammen mit der zeremoniellen
Bindung der laiwa-Musik an Gewicht verloren zu haben128.
Der surnäg an die Seite gestellt ist ein Ensemble aus vier Schlaginstrumenten,
drei Membranophonen und einem Idiophon. Die Termini msönd.ö und gigänga
bezeichnen zwei schlanke einfellige Röhrentrommeln annähernd gleicher Form.
Der Musiker, der die Kuhhaut-Membran mit beiden Händen schlägt, hat den
Instrumentenkorpus — meist einen ausgehöhlten Dattelpalmen-Stamm — mit
einer Schnur oder einem Lederriemen um seine Hüften gebunden und setzt die
Trommel, die zwischen seinen gespreizten Beinen hindurchläuft, hinter sich
123 Länge; 157 mm, 0 oben; 40 mm, 0 unten: 104 mm.
124 As-Saräf: 15.
125 Hassan: 59.
126 As-Saräf: 157.
127 Hassan: 144.
428 Eine surnäg zu erwerben, war mir ohne weiteres möglich, während mein Ansin-
nen, eine tanbüra-Le'ier des halt nübän zu kaufen, bei den Betroffenen in Anbetracht
der außerordentlichen Stellung der Leier als Bindeglied zwischen Geist und Mensch
als Ungeheuerlichkeit empfunden worden wäre.
428
Wegner, Afrikanische Musikinstrumente
schräg auf den Boden auf. Nicht das Äußere der beiden Trommeln gibt Anlaß
zur terminologischen Unterscheidung, sondern die abweichende musikalische
Funktion der Instrumente im laiwa-Ensemble129 130 131. Größenvergleiche zwischen
vier msöndö- und drei cpgüngiZ-Instrumenten ergaben allerdings für die letzte-
ren eine geringere Höhe1,10. Die Form der Trommelröhre ist relativ variabel:
Abb. 12. Zwei msondo-/
gigänga- Trommeln.
Trommel ß besitzt einen Korpus aus Blech (ginkö). Partielle Blechbeschläge
finden sich allerdings auch an den hölzernen Trommeln (A). Die Membran
wird durch eingeschlagene Fiolzpflöcke befestigt, die bei den meisten Trommeln
zusätzlich von einem umlaufenden Fellriemen einmal umwunden werden, wohl
um das Abstreifen des nur auf der Schlagfläche enthaarten Fells zu verhindern.
Pflockspannung mit Fellriemenumlauf kennzeichnet auch das dritte Membra-
nophon im laiwa-Ensemble, die zuweilen auch plp genannte hlba, eine ein-
fellige offene Bechertrommel. Nachstehend sind drei Formvarianten abgebil-
det1'51. Bei C hat die Trommel die seltener anzutreffende Form eines Zylinders
mit Fuß angenommen:
129 Hassan schreibt über die msöndö-Trommeln: „Les exemplaires les plus grands sont
connus sous le nom jatânka ou katàngo, car ils font partie d’un ensemble qui porte
le même nom“ (Hassan: 34).
130 msöndö: Höhe: 96—119 cm, 0 Membran: 24—31 cm, 0 Fuß: 14—16 cm. gigänga:
Höhe: 85—90 cm, 0 Membran: 25—27 cm, 0 Fuß: 13,5—17cm.
131 Höhe: 56—76 cm, 0 Membran: 34—45 cm, 0 Fuß: 20—25 cm (vier gemessene
Instrumente).
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
429
Abb. 13. Drei Formvarianten
der blba-Trommel.
Der Instrumentenkorpus aus Dattelpalmen-Holz {tamur hind)132 ruht mit
seinem vier rechteckige, runde oder halbrunde Perforationen tragenden Fuß
(A, B) auf dem Boden und ist schräg gegen ein Gestell aus kreuzweise zu-
sammengeschnürten Holzstäben oder gegen Stützen anderer Art gelehnt. Der
hinter dem Instrument sitzende oder hockende Musiker versetzt das Kuh- oder
Kamelfell mit zwei langen Gummi-Schlegeln — meist Gummischlauch-Frag-
menten — in Schwingung. Zuweilen können auch andere Trommeln größeren
Formats — in Abb. 15 z. B. ist eine einseitig geschlagene doppelfellige Zylinder-
trommel {käsar kabir) zu sehen — an die Stelle der hlha treten.
Das Aufschlaggefäß pätü, ein mit zwei dünnen Holzschlegeln geschlagener,
eckiger Petroleum-Kanister, vervollständigt das laiwa-Ensemhle. Der Instru-
mentenkorpus ruht in einem seinem Format angepaßten Holzrahmen, der das
Rutschen des Kanisters während des Spiels verhindern soll:
132 Hassan erwähnt auch Maulbeerbaum-Holz und gäwi (?) (Hassan: 34).
430
Wegner, Afrikanische Musikinstrumente
Abb. 14. Das patu.
Aber auch jede andere Form von Blechkanister (tanaka) kann bei Bedarf zu
einem p<2i#-Instrument umfunktioniert werden (s. Abb. 15), vor dem der
Musiker gewöhnlich auf der Erde oder auf einem kleinen Hocker sitzt.
Ähnlich wie bei nühän so ist auch für die laiwa-Musik eine Verbreitung an
anderen mit dem Sklavenhandel in Berührung gekommenen Küsten des Persi-
schen Golfes zu konstatieren. Touma und Olsen weisen auf Beispiele aus Bah-
rain hin133. Olsen beschreibt überdies laiwa-Musik aus Dubai134 Auch im
Kuwaiter Fernsehen bestritten /¿uW^-Ensembles, wie ich 1978 feststellen konnte,
einen nicht unwesentlichen Teil des Unterhaltungsprogramms. Die Ensemble-
Besetzungen in Kuwait, Bahrain und Dubai und die Form der einzelnen Instru-
mente bestätigen allerdings oft nur zum Teil meine Basraer Erfahrungen.
133 Siehe die beiden Abbildungen auf dem Schallplattencover von Touma 1979 (laiwa-
Musik ist auf der Schallplatte allerdings nicht zu hören) und Olsen 1967: 35—36.
134 Olsen 1967: 30—35.
431
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
Abb. 15. Ein laiwa-Ensemble in Basra.
Ostafrikanische Belege als Vergleichsmaterial
Schon die im folgenden wiedergegebene Äußerung eines laiwa-Musikers aus
Basra, eine Beschreibung der musikalischen Funktionen der /¿dwtf-Instrumente
im Ensemble, macht deutlich, daß die laiwa-Musik den Prinzipien vorder-
orientalischen Musizierens fremd gegenübersteht. Der surnäg-Spieler, so gab
mein Informant zu verstehen, sei der Leiter des Ensembles, der über ein großes
musikalisches Wissen zu verfügen und den musikalischen Ablauf in seiner durch
die Aneinanderreihung mehrerer melodischer Abschnitte gekennzeichneten groß-
formalen Anlage zu steuern habe. Der den Blechkanister pätü schlagende Musi-
ker gebe mit seinen regelmäßig ablaufenden Schlagfolgen das Tempo an, an
dem sich alle anderen Musiker strikt zu orientieren hätten. Lediglich der hlha-
Trommler, nach dem Oboisten der zweitwichtigste Musiker des Ensembles,
habe seinen Vortrag nicht auf dem des p5ta-Spielers aufzubauen, sondern könne
frei improvisieren. Sein Trommelspiel sei „wie die Creme auf dem Keks“. Von
einer musikalischen Aufgabenteilung wußte der laiwa-Musiker somit zu berich-
ten, wie sie vielen schwarzafrikanischen Perkussionsensembles eigen ist, deren
Musik sich in dem Spannungsverhältnis zwischen master-drummer, time-keeper
28 Baessler-Archiv XXX
432
Wegner, Afrikanische Musikinstrumente
und anderen, die time-line rhythmisch ausgestaltenden Trommlern vollzieht. Auf
das /¿wte^-Ensemble übertragen, heißt das — und eine in diesem Rahmen nicht
zu leistende musikalische Analyse würde den Vergleich bestätigen —: Der pätü-
Spieler erfüllt die Funktion eines time-keepers, sein musikalischer Antipode, der
¿^¿¡-Musiker, hingegen die eines master-drummers.
Wo jedoch in Ostafrika — die geschichtlichen Gegebenheiten des Sklaven-
handels schränken unser Blickfeld ja wiederum auf die östlichen Regionen des
Kontinents ein — ist der historische Vorläufer des /¿zAt^-Ensembles zu suchen?
Die Aussagen einiger Informanten, laiwa hätte früher wie nühän der Kranken-
heilung gedient, bieten erste Anhaltspunkte. Auch Olsen berichtet ja, eine laiwa-
Vorführung in Dubai könne manchmal zu einem zär werden135. Von Kranken-
heilzeremonien, die sich eines aus einer Oboe und Perkussionsinstrumenten
zusammensetzenden Musikensembles bedienen, wird an mehreren Stellen im
Zusammenhang mit den Swahili sprechenden Bevölkerungsgruppen der ost-
afrikanischen Küstenregion berichtet. Die Parallelen zu den weiter im Norden
Ostafrikas praktizierten z^r-Veranstaltungen sind sowohl, was die Methoden
des Krankenheilverfahrens als auch die geistigen Grundlagen desselben anbe-
langt, unübersehbar, obgleich nicht mehr vom zär- sondern vom pepo-Geist die
Rede ist: Gewisse, besonders bei Frauen auftretende Krankheitssymptome wer-
den als Folgen einer Besessenheit durch einen pepo interpretiert. Dieser — ein-
gegliedert in eine nach ethnischen bzw. regionalen Kriterien strukturierte
Geisterhierarchie und durch bestimmte Handlungen des Heilkundigen (mganga
ya pepo) dazu veranlaßt, in den Kopf der Erkrankten zu steigen und mit ihrer
Zunge zu sprechen — stellt bestimmte Forderungen in bezug auf Opfergaben
und musikalisch-tänzerische Präsentationen (ngoma ya pepo), deren Erfüllung
ihn besänftigt bzw. aus dem Körper der Patientin fahren läßt1"6.
Insbesondere Velten und Skene verweisen für einige dieser Geisterbeschwö-
rungszeremonien auf Musikensembles, in denen neben Trommeln und einem
blechernen Aufschlagidiophon die Oboe als melodisch führendes Instrument zu
hören ist137. Daß wir im Begriff sind, bei unserer Suche die richtige Richtung
einzuschlagen, zeigt die folgende terminologische Parallele: Die Bezeichnung
fundi — der Titel des an der Spitze des Basraer /<zm;tf-Ensembles stehenden
135 Olsen 1967: 31.
136 Einzelheiten des Krankenheilverfahrens berichten u. a.: Koritschoner 1936, Velten:
176—206, Skene: 420—434, Ingrams: 453—455, Dale: 219—222, Stigand: 125 u.
Prins: 114.
137 Skene; 428—429 u. Velten: 189, 194, 195, 199, 205.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
433
surnag-Bläsers — ist unter den Swahili-Sprechern ein Terminus für den die
Patientin behandelnden Heilkundigen:
The exorcising of the pepo is conducted by a Professional man or elderly wo-
man known as a fundi or mganga who specializes in certain kinds of pepo138 139.
Ja selbst der Terminus lewa (laiwa) begegnet einem als Name eines pepo-
Geistes in Ostafrika wieder, zu dessen Zeremonie es eines aus einer Oboe und
drei Trommeln zusammengesetzten Musikensembles bedarf1,59. Die Trommel-
instrumente unterscheiden sich jedoch grundsätzlich von denen des südirakischen
laiwa-Ensembles.
Zu welchen Ergebnissen führt ein Vergleich der Basraer surnäg-Oboe mit den
fraglichen Oboen aus Ostafrika? Die dort verwendete Bezeichnung zomari
(zumari) bezeugt historisch und sprachlich eine größere Nähe zur vorder-
orientalischen Musikkultur, als die morphologischen Merkmale des Instrumentes
es vermuten lassen: Die dreiradikalige Wurzel z-m-r bezeichnet im Arabischen
als zamr, zummära und mizmär eine Vielzahl vorderorientalischer Oboen- und
Klarinettenformen. Die Bestimmung der zomari in der Literatur als Klari-
nette140 wird durch Ingrams Beschreibung und photographische Abbildung des
Instruments141 ebenso widerlegt wie durch Skenes Hinweis auf das Doppelrohr-
blatt der zomari142. Burton bezeichnet die zomari als „flageolet“143. Velten und
Dale sprechen von einer Flöte144 bzw. von einer Trompete145, ohne allerdings
die einheimischen Bezeichnungen zu nennen. Der inhaltliche Kontext gibt jedoch
zu der Vermutung Anlaß, daß auch in diesen Fällen die Mißdeutung eines
Oboen-Instruments vorliegt146.
Ingrams Beschreibung eines zowrzn-Instruments aus Pemba zeigt, daß zomari
und surnag sowohl, was ihre mehrteilige Konstruktion als auch das Material der
einzelnen Konstruktionsbestandteile anbelangt, beachtliche Übereinstimmungen
zeigen: Die zomari aus Pemba besitzen ein Rohrblatt aus dem Raphiapalm-
138 Skene: 421. Zur Bedeutung des Swahili-Ausdrucks fundi in anderen Zusammen-
hängen siehe: Prins: 72.
139 Velten: 195.
140 Inrgams: 328, 400 u. Skene: 416.
141 Ingrams: 400 u. nach 416.
142 Skene: 414.
143 Burton2: 137.
144 Velten: 179, 186, 187, etc.
145 Dale: 220.
146 Leider war es mir nicht möglich, in die folgende, von Gerhard Kubik im Litera-
tur-Verzeichnis seiner jüngsten Publikation (Kubik 1982) angeführte Arbeit Ein-
blick zu nehmen: Boyd, A.: The zumari in Northern Swahili Music, Phil. Diss. (?),
University of Indiana, Bloomington 1979.
28*
434
Wegner, Afrikanische Musikinstrumente
Blatt mwale, eine Lippenscheibe aus Kokosnußholz, einen Abschnitt aus Metall
sowie ein die Grifflöcher tragendes Rohr, das wie die Stürze aus Holz gefertigt
ist147. In der nachstehenden Abbildung sind der surnäg aus Basra (A) drei
zomari-Oboen (B—D), die vor bzw. kurz nach der Jahrhundertwende in das
Museum für Völkerkunde Berlin gelangten148 und dem für uns interessanten
Küstengebiet Ostafrikas entstammen, zur Seite gestellt. Zwei Instrumente, die
stellvertretend für andere in Afrika verwendete Oboentypen abgebildet sind,
eine algaita aus West- (E) und eine gaita aus Nordafrika (F)149, werfen in ihrer
andersartigen Detailstruktur ein besonderes Licht auf die Übereinstimmungen
der vier links zu erkennenden Oboen. Die gaita (F) entspricht in ihrer Grund-
konstruktion überdies weitgehend dem primär ostarabischen, auch im Irak an-
zutreffenden zürnä-Typ:
surnag
zoman
algaita
gaita
Abb. 16. Afrikanische Oboenformen an der Seite der
surnag.
Obgleich von den drei ostafrikanischen Oboen nur die beiden unteren Ab-
schnitte aus Holz erhalten sind, zeigen sich weitgehende formale Übereinstim-
mungen mit der südirakischen surnäg (A), die sich auch in Maßzahlen wie dem
äußeren Durchmesser des mittleren Rohrs (A: 35 mm/B—D: 29—35 mm), dem
unteren Durchmesser der Stürze (A: 105 mm/B—D: 93—124 mm) und dem
147 Ingrams: 328, 400.
448 Sie tragen die Inventarnummern III E 3744 (B), III E 4037 (C) und III E 8737 (D).
149 Museum für Völkerkunde Berlin, III C 26 878a (E) und III B 765a (F).
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
435
Grifflochdurchmesser (A: lOmm/D: 10 mm), der sich jedoch bei B und C ab-
wärts sukzessive vergrößert, deutlich manifestieren. In technologischer Hinsicht
legt das bei surnäg und zomari (B und C) angewandte Ausbrennverfahren bei
der Schaffung der Grifflöcher einen Vergleich beider Oboentypen nahe. Daß
das bei den abgebildeten Oboen aus Ostafrika fehlende konische Metallrohr
mit Rohrblatt und aufgesteckter Lippenscheibe in etwa der Höhe des ent-
sprechenden surnäg-Auh&lzes gleichkommt, zeigt die Abbildung bei Ingrams1"0.
In zweierlei Hinsicht unterscheiden sich allerdings die südirakische und die
ostafrikanische Oboe voneinander: Zum einen besitzt die surnäg mit ihren sechs
Grifflöchern eines mehr als die zomari. As-Saräf spricht allerdings auch von
5-Loch-Instrumenten im laiwa-Ensemble1'’1 und Hassan von einer Verstopfung
des ,vierten1 Grifflochs152. Zum anderen offenbart die surnäg mit ihrem zwei-
fachen Doppelrohrblatt eine Besonderheit, wie sie bisher meines Wissens weder
im schwarzafrikanischen noch im vorderorientalischen Bereich bei Oboen-
instrumenten angetroffen wurde. Ohne an dieser Stelle näher auf die Theorien
eines südostasiatischen bzw. chinesischen Einflusses auf Ostafrika eingehen zu
können — für uns interessant, wenngleich nicht unbedingt schlüssig, ist Grota-
nellis Formvergleich zwischen zwei Somali-Oboen, die ihrerseits den zomari-
Instrumenten in vielem verwandt sind, und Oboen aus Borneo und China1 —,
sei darauf hingewiesen, daß vierblättrige Oboeninstrumente für den südost-
asiatischen Raum belegt sind. Dort repräsentiert die sralay (pey, in Thailand:
pi nai) als Bestandteil des piphat-TLnsemhles in Kambodscha, Laos und Thailand
den Typ der Vierblattoboe154, ohne jedoch mit ihrer zylindrischen Bohrung
und der im Zentrum und zu den Enden hin sich verbreiternden Form an die
surnäg zu erinnern.
Auch für andere Instrumente des Basraer /¡mevz-Ensembles lassen sich Be-
ziehungen zum Instrumentarium der ostafrikanischen Swahili-Küstenregion
ohne große Schwierigkeiten entdecken. Das /»¿¿¿-Instrument — im Südirak ein
mit zwei Holzschlegeln gespielter Blechkanister — begegnet uns bei den meisten
der von Velten und Ingrams beschriebenen Instrumentalensembles105 als upatu
wieder. Ingrams spricht von einem „brass gong used in most dances. When not
obtainable a kerosene tin is used“ und bildet eine runde Metallscheibe mit zwei
iso Ingrams: nach 416.
151 As-Saräf: 157.
152 Hassan: 60.
153 Grottanelli: 174—177.
154 Becker: 329, 332, 333.
iss Ingrams: 401—408 u. Velten: 144—175, 182—206.
436
Wegner, Afrikanische Musikinstrumente
Schlegeln(P) ab156. Velten beschreibt das upatu als ein Blechinstrument oder
Blechgefäß und erklärt zu den mit dem kilima-Gtist in Zusammenhang stehen-
den musikalischen Vorführungen, das ,Blechinstrument4 werde auf eine umge-
stülpte Mulde gesetzt, um einen kräftigen Klang zu geben15'. Burtons Be-
schreibung aus Zanzibar ruft in besonderem Maße Erinnerungen an das Basraer
Instrument wach:
On occasions which justify full orchestras, an ‘Upatu’ or brass pan, is placed
upon the ground in a wooden tray, and is tapped with two bits of palm-
frond158.
Upatu-Gongs werden einer Beobachtung von Prins zufolge mit zwei ge-
flochtenen, shupatu genannten Schlegeln gespielt1 ■>il. Koritschoners Erwähnung
zu ngoma ya sheitani-Zeremonien „drummers and a man beating an empty
petrol tin“160 * und ein anderer Hinweis, daß bei den Wanyamwezi und Many-
ema der upatu-Gong durch eine mit einem Stock geschlagene Blechbüchse ersetzt
werden könne1111, machen von neuem deutlich, daß auch die Verwendung eines
Ölkanisters in Basra ostafrikanische Gegebenheiten widerspiegelt162. Die unge-
heure Verbreitung, die das upatu — in welcher Form auch immer — in den
fraglichen Regionen Ostafrikas gefunden hat163, entspricht also seiner grundle-
genden musikalischen Funktion als time-keeper, die das Instrument auch im
südirakischen laiwa-Ensemble zu einem unverzichtbaren Bestandteil jeder musi-
kalischen Vorführung werden läßt. In Skenes Beschreibung der „Arab and
Swahili Dances and Ceremonies“ vermißt man jedoch das upatu. Andere
metallene Idiophone haben dort dessen Funktion übernommen164.
Obgleich in der Literatur zum ostafrikanischen Musikleben kein Instrumen-
talensemble beschrieben wird, das dem Basraer laiwa-JLmemhle in seiner Zu-
sammensetzung gleicht, sind auch die msöndö- und (pgdrzg^-Trommeln der
laiwa-Musik in dem fraglichen Küstengebiet Ostafrikas keineswegs unbekannte
Instrumente. Prins zählt die „msondo or chondo“ als eine der unter den Swa-
hili-Sprechern Zanzibars und der ostafrikanischen Küste gebräuchlichen Trom-
meln auf165, und Allen gibt an, die „hohe, aus dem Teil eines Baumstammes
156 Ingrams: 400 u. nach 416.
157 Velten: 161, 186.
158 Burton1: 430. Vgl. auch: Burton2: 137.
159 Prins: 113.
160 Koritschoner: 214.
101 Stigand: 200.
iß2 Vgl. auch: Dale: 219.
103 Vgl. auch: Pakenham: 113.
164 Skene 1917.
165 Prins: 112.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXX (1982)
437
geschnitzte msondo“ sei besonders auf Lamu ein charakteristisches Musik-
instrument166 167. Skene gibt die folgende Beschreibung der Trommel:
One end only is covered with goat-skin, struck with the player’s hands. The
open end of the drum rests on the ground while the drummer Stands astride
the other end which is supported by a cloth round his waist, and he plays it in
the position187.
Diese und eine weitere vom Autor beschriebene msöndö-Trommel168 sind in
ihren Ausmaßen, die Skene überschlägig angibt, etwas größer als die Basraer
msöndö-Instrumente. Die oben beschriebene Spielhaltung jedoch entspricht ganz
der bei den laiwa-Musikern beobachteten169. Von einigem Interesse ist für uns
überdies eine photographische Abbildung eines mscNifö-Instruments aus Zanzi-
bar170. Zum einen läßt die Form der Trommel einen Vergleich mit der süd-
irakischen msöndö ohne weiteres zu171 172 173 174, zum anderen aber zeigt das Photo an der
Seite der msöndö-TrommeX ein nahezu gleich geformtes, jedoch etwas kleineres
Membranophon, das die Bezeichnung kinganga trägt. Sollte es sich hierbei um
die von der msöndö nur durch etwas kleinere Ausmaße sich unterscheidende
gigänga-Trommel des laiwa-HLnsemhles handeln? Eine Elision des n-Konsonan-
ten und eine Umwandlung von k q, wie sie südirakische Dialektformen
sonst häufig praktizieren, sind immerhin denkbar. Skene berichtet darüber
hinaus von einem aus Anlaß der pepo ya ki-nuhi-Beschwörung verwendeten
Ensemble aus drei wscwdö-Trommeln und einer zomari-Oboe1'“, das in seiner
Zusammensetzung dem Basraer /¿w'tt^-Ensemble zumindest nahekommt.
Bemerkenswert ist auch, daß Skene als Herkunftsregion der von der msöndö-
Trommel begleiteten Tänze das Nyassa-Gebiet angibt1'3 und die Verbreitung
der Tanzformen in Zanzibar und an der ostafrikanischen Küste importierten
Sklaven zuschreibt. Die von Gerhard Kubik geäußerte Ansicht1'4, daß für die
msöndö- und (pgdrzgtf-Instrumente des Südirak, aber auch für die hlha-Trommel
— nach ihrer Form und der Art der Pflockspannung der Membran zu urteilen
— wohl das Nyassa-/Rovuma-Gebiet als Ursprungsgebiet anzunehmen sei,
scheint sich hier zu bestätigen. Nachfahren von Nyassa-Sklaven machen ja noch
166 Allen: 23.
167 Skene: 418.
168 Skene: 414.
189 Eine Abbildung von msöndö-Spielern bei Ingrams (Ingrams: nach 400) bestätigt in
dieser Hinsicht ganz die Aussage des obigen Zitats.
170 Ingrams: nach 400.
171 Vgl. Abb. 12, Instrument A.
172 Skene: 431.
173 Skene: 418, 420.
174 Mündliche Information, Mai 1980.
438
Wegner, Afrikanische Musikinstrumente
heute einen gewissen Prozentsatz der Bevölkerung von Pemba und Zanzibar
aus1'5. Das afrikanische Vorbild für die Basraer laiwa-Ensembles dürfte somit
— angesiedelt in einem durch den Handel mit dem Nahen und Fernen Osten
und durch einen regen Sklavenimport ethnisch äußerst vielfältigen Gebiet der
ostafrikanischen Küste — selbst das Produkt relativ heterogener Einflüsse
sein1 ,H.
Zusammenfassung
Die Musikpflege der schwarzen Bevölkerung Basras reflektiert somit das
Musikleben Ost- und Nordostafrikas in zwei ethnisch und regional ganz
unterschiedlich anzusiedelnden Bereichen. In Anbetracht einer Musikpraxis, die,
wie zumindest 1978 zu befürchten war, vom Aussterben bedroht ist und nur
noch fragmentarisch ein Bild von der praktischen Musikausübung und ihren
sozialen Bezügen zu geben vermag, ist es vor allen Dingen das Musikinstru-
ment, das bei einer eingehenderen Untersuchung der morphologischen, techno-
logischen und terminologischen Gegebenheiten Hinweise auf größere kultur-
historische Zusammenhänge zu vermitteln in der Lage ist. Die Musikinstrumen-
te der nur im Golfbereich als Bevölkerungsgruppe ins Gewicht fallenden
Schwarzen weisen einerseits in Richtung des Mittel- und Südsudan (nühän) und
zeigen andererseits eine deutliche Verwandtschaft zu Instrumenten in den
Händen der Swahili sprechenden Bevölkerung an der ostafrikanischen Küste
bzw. auf Zanzibar und Pemba, dem alten Umschlagplatz für den Sklaven-
handel mit Zimg-Negern zum Persischen Golf {laiwa).
Dieser Differenziertheit im Hinblick auf die afrikanische Heimat der süd-
irakischen Musikformen steht jedoch als gemeinsames Element der soziale und
zeremonielle Kontext gegenüber: In Afrika sind die Instrumente hier wie dort
Bestandteile von Krankenheilzeremonien {zär, ngoma ya pepo), die in ihrer
Struktur untereinander eine enge Verwandtschaft zeigen. Soziale Benachteili-
gungen kompensierend, wendet sich der Heilkundige in erster Linie an unter-
privilegierte Gesellschaftsgruppen (ethnische Minderheiten, Sklaven, Frauen).
Es erscheint daher nur folgerichtig, daß sich die Ausbreitung dieser primär
schwarzafrikanischen Musikpraxis auch in Nordostafrika und Ostarabien im
Sklavenmilieu vollzog und daß unter den Sklaven und ihren Nachfahren in
Basra lange Zeit eine kontinuierliche Weiterführung dieser Tradition gelang.
175 Prins: 18, 19.
176 Zu ergänzen ist, daß auch die Bezeichnungen einiger in Basra inzwischen ausgestor-
bener Musikformen auf das für die laiwa-Instrumente in Ostafrika ermittelte Ver-
breitungsgebiet bzw. seine Nachbarschaft hinweisen, z. B. wanylka (wa-nylka),
finyäsa {ki-nyassa) und warlma (wa-rlma). Ein Ki-Nyasa-Tanz wird auch von
Skene beschrieben (Skene; 418—419).
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BAESSLER-ARCHIV
BEITRÄGE ZUR VÖLKERKUNDE
Herausgegeben im Aufträge des
Museums für Völkerkunde Berlin
Staatl. Museen Preußischer Kulturbesitz
von
K. KRIEGER UND G. KOCH
NEUE FOLGE BAND XXX
(LV. BAND)
BERLIN 1982 VERLAG VON DIETRICH REIMER
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ISSN 0005-3836
Alle Rechte Vorbehalten
Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft
INHALT
Sibylle Benninghoff-Lühl, Hamburg
Wirkungsaspekte der Museumsarbeit in einem Entwicklungsland am Beispiel der
Rezeption des Sahel-Museums in Mali/Westafrika ............................ 371
Elizabeth P. Benson, Bethesda
The Well-Dressed Captives: Some Observations on Moche Iconography......... 181
Frank Bliss, Bonn
Das Kunsthandwerk der Oase Siwa (Ägypten) ................................ 1
Barbara Braun, New York
The Serpent at Cotzumalhuapa.............................................. 125
Barbara Braun, New York
Teotihuacan and Cotzumalhuapa ............................................ 235
Dolores Fuertes de Cabeza, Cochabamba
Freudloses Paradies — Eindrücke und Erfahrungen während eines Forschungs-
aufenthaltes in West-Samoa .......................................... 351
Horst Cain, Marburg
Katzen und Affen in Ozeanien — Kulturkontakt und Sprachwandel............. 323
Gisela Lautz, Essen
Verfahren der verschränkten Masche — Ein Problem der Terminologie be-
stimmter Textilien des präkolumbischen Peru ............................... 223
Karen Olsen Brunns, San Francisco
A View from the Bridge: Intermediate Area Sculpture in Thematic Perspective 147
Bcrthold Riese, Berlin
Kriegsberichte der klassischen Maya ........................................ 255
Hans Ruppert, München
Zur Verbreitung und Herkunft von Türkis und Sodalith In präkolumbischen
Kulturen der Kordilleren ................................................... 69
Ulrich Wegner, Berlin
Afrikanische Musikinstrumente im Südirak ................................... 395
Beihefte zum B AE SSLER-ARCHIV
Beiheft I: KURT KRIEGER
Geschichte von Zamiara
Sokolo-Provinz, Nordnigeria
147 Seiten mit 12 Tafeln und einer Karte. 1959. Broschiert DM 21,—
Beiheft 2: HERMANN TRIMBORN
Archäologische Studien in den Kordilleren Boliviens (I)
76 Seiten mit 66 Abbildungen. 1959. Broschiert DM 18,—
Beiheft 3: HORST HARTMANN
Georg Catlin und Balduin Möllhausen
Zwei Interpreten der Indianer und des Alten Westens
156 Seiten mit 37 Lichtdruck-Reproduktionen, einer Tafel
mit Zeichnungen und zwei Karten. 1963. (Nachdruck in Vorbereitung)
Beiheft 4: Archäologische Stadien in den Kordilleren Boliviens II:
HEINZ WALTER
Beiträge zur Archäologie Boliviens
Die Grabungen des Museums für Völkerkunde Berlin im Jahre 1958
361 Seiten mit 159 Abbildungen im Text und auf Tafeln und 20 Grabungsplänen. 1966.
Broschiert DM 50,—, Leinen DM 62,—
Beiheft 5: HERMANN TRIMBORN
Archäologische Studien in den Kordilleren Boliviens III
182 Seiten mit 138 Photos, Zeichnungen und Plänen. 1967.
Broschiert DM 40,—, Leinen DM 50,—
Beiheft 6t SIGRID PAUL
Afrikanische Puppen
VIII und 208 Seiten mit einer Farbtafel und 98 weiteren Abbildungen. 1970
Broschiert DM 45,-
Bciheft 7: HEIDE NIXDORFF
Zur Typologie und Geschichte der Rahmentrommeln
Kritische Betrachtung zur traditionellen Instrumententerminologie
286 Seiten mit 5 Abbildungen und 11 Tafeln. 1971. Broschiert DM 60,-
BeiheftS: BERNHARD ZEPERNICK
Arzneipflanzen der Polynesier
307 Seiten mit einer Kartenskizze. 1972. Broschiert DM 69,-
Verlag von DIETRICH REIMER in Berlin
Beiheft 31 zu „Afrika und Übersee“
DIE DIALEKTALE DIFFERENZIERUNG
DES BERBERISCHEN
von
Alfred Willms
139 Seiten. 1980. Einzelpreis broschiert DM 78,—; Leinen DM 92,—.
Der Verfasser geht in dieser Arbeit über die klassische Methode der Dialektforschung
hinaus, Dialektgrenzen durch die Verbreitung sprachlicher Phänomene zu bestim-
men. Er zeigt mit Hilfe eines anderen Verfahrens das Prinzip der dialektalen
Differenzierung des Berberischen (Nordafrika) auf: Die Dialektunterschiede be-
messen sich nach der Entfernung zwischen berberophonen Orten und nach dem Grad
der Intensität des Kontaktes zwischen den Sprechern. Im Nahbereich eines Gebietes
wirkt ferner die alte soziopolitische Ordnung der Berber aus vorkolonialer Zeit im
Idiolekt (der Sprache des Individuums) nach.
Beiheft 30 zu „Afrika und Übersee“
WÖRTERBUCH DER DUALA-SPRACHE
von
Johannes Ittmann t, bearbeitet von E. Kähler-Meyer
XXVIII + 676 Seiten (Duala-Deutsdi-Französisch-Englisch) 1976.
Gebunden DM 165,—, broschiert DM 150,—.
Der Verfasser ist als Kenner der Völkerschaften des küstennahen Gebiets von
Kamerun bekannt. Er sammelte das Material bereits vor dem zweiten Weltkrieg,
zum großen Teil während seiner Reisen als Missionar. Es enthält unwiederbring-
liches volkskundliches und religiöses Gut, aber auch eine Sprache, die von den
mancherlei in der Zwischenzeit eingedrungenen Fremdeinflüssen frei ist und hier für
spätere Generationen bewahrt wird. Das Wörterbuch wird auf Grund der zahl-
reichen Beispielsätze, die eine Fülle von Redewendungen, Sprichwörtern, Ideophonen
und Bemerkungen aus dem täglichen Leben bieten, nicht nur Bantuisten, sondern
auch Völkerkundler, Soziologen und Religionswissenschaftler interessieren. Die 8.200
Stichwörter sind ins Deutsche, Französische und Englische übersetzt.
VERLAG VON DIETRICH REIMER . BERLIN
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