BAESSLER-ARCHIV
BEITRÄGE ZUR VÖLKERKUNDE
Herausgegeben im Aufträge des
Museums für Völkerkunde Berlin
Staatliche Museen Preußischer, Kulturbesitz
von
K. KRIEGER UND G. KOCH
NEUE FOLGE BAND XXXI (1983)
(LVI. BAND)
Heft 1
Äusgegeben am 25. Oktober 1984
BERLIN 1983 • VERLAG VON DIETRICH REIMER
INHALT
Gerd Koch, Berlin
Nachruf für Hans Nevermann ................................................. 1
Bernd Herrmann, Göttingen
Bemerkungen zu den beiden Mumien von der Torres-Straße im Berliner Völker-
kunde-Museum ........................................................... 5
Norbert Krüger, Göttingen
Selbstmord in Samoa ........................................................ 17
Peter Probst, Berlin
Beobachtung und Methode — Johann Stanislaus Kubary als Reisender und
Ethnograph im Spiegel seiner Briefe an Adolf Bastian ........................ 23
Almut Hagemann, München
Bootsbau in Mali ........................................................ 57
Peter W. Schienerl, Wien
Vom Amulett zum Schmuckstück — Zur Typologie der ägyptischen ZuTa-
Amulette ................................................................. 137
Paula Ben-Amos, Philadelphia
Who is the Man in the Bowler Hat? — Emblems of Identity in Benin Royal Art 161
Midiei Graulich, Brüssel
Vues obliques et trois dimensions dans l’ärt Maya ....................... 185
„Baessler-Archiv“ Band XXXI ersdieint 1983 in 2 Heften zum Bandpreis von
DM 128,—. Bestellungen sind zu richten an den Verlag DIETRICH REIMER, Unter
den Eidien 57, 1000 Berlin 45, oder an jede Buchhandlung. Manuskripte werden
erbeten an: Redaktion des „Baessler-Archiv“, Museum für Völkerkunde, Arnim-
alice 23/27, 1000 Berlin 33. Für unverlangt eingehende Beiträge kann keine Haftung
übernommen werden. Die Mitarbeiter erhalten unberechnet 30 Sonderdrucke.
Für den Inhalt ihrer Beiträge sind die Autoren allein
verantwortlich
ISSN 0005-3856
Alle Rechte Vorbehalten
Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
1
Fians Nevermann 1902—1982
Am 13. November 1982 ist Fians Nevermann in Berlin gestorben. Als Mu-
seumsspezialist, Forscher und Lehrer hat Nevermann nicht nur einen ausge-
zeichneten internationalen Ruf in der Ozeanistik und weit darüber hinaus in
der Ethnologie allgemein. Vielmehr war es ihm besonders vergönnt, das Ver-
ständnis für ferne Völker der breiten Öffentlichkeit nahezubringen, Sympathie
für sie zu wecken.
Hans Paul Friedrich Wilhelm Nevermann wurde am 25. März 1902 in
Schwerin/Mecklenburg geboren. An den Universitäten Hamburg, Heidelberg
und München studierte er in den Jahren 1920—1924 Völkerkunde, orientalische
Philologie und Geschichte. Seiner ausgeprägten Sprachbegabung folgend, war
Nevermann schon frühzeitig mit Arabisch, Türkisch und Malaiisch beschäftigt.
Zielstrebig nahm er Ozeanien als Studienschwerpunkt. Zu seinen Lehrern zähl-
ten Georg Thilenius, Paul Hambruch und Emil Reche. Schon Ende des Jahres
1923 legte Hans Nevermann seine Dissertation „Die Schiffahrt in Ozeanien“
der Hamburgischen Universität vor und promovierte im Februar 1924.
I Baessler-Archiv XXXI
2
Nachruf für Hans Nevermann
Nach einigen Reisen zum Mittelmeer und zum Schwarzen Meer sowie nach
Skandinavien begann Nevermann im Dezember 1926 mit einem Werkvertrag
seine Arbeit am Museum für Völkerkunde in Berlin und erhielt nach dessen
Abschluß im Jahre 1928 von der Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft
ein Stipendium zur Untersuchung der indo-ozeanischen Weberei. Nach zeitwei-
ligen Anstellungen an den Völkerkundemuseen im Hamburg und Dresden
kehrte Nevermann wieder nach Berlin zurück und wurde hier im Jahre 1932
Leiter der „Südsee-Abteilung“ des Museums für Völkerkunde.
Schon ein Jahr später wurde ihm die Durchführung einer Forschungs- und
Sammelreise mit Mitteln der Baessler-Stiftung anvertraut, die nicht nur ein
großer Erfolg für das Museum wurde, sondern ihn auch für sein weiteres Leben
entscheidend prägte, welches die über viele Jahre erscheinende Fülle seiner dar-
auf beruhenden Publikationen und die Orientierung vieler seiner Lehrveranstal-
tungen bezeugen. Diese Expedition von 1933/34 führte Hans Nevermann nach
Süd-Neuguinea (zu den Marind-anim, den Makleuga, den Je-nan, den Kanum-
irebe und den Jabga) und anschließend auch nach Neukaledonien, zur Loyalty-
Gruppe (Lifou) und nach den Neuen Hebriden/Vanuatu (Efate, Santo, Aoba).
Mehr als 3000 Sammlungsgegenstände brachte Nevermann von dieser Reise
heim, dazu sprachliche Aufzeichnungen, Tonaufnahmen und eine zoologische
Sammlung. Schmunzelnd berichtete er noch Jahrzehnte danach vom Nevermann-
Vogel, einer zuvor unbekannten Webervogelart aus Süd-Neuguinea, der Lon-
chura nevermanni, die nach ihm benannt wurde.
Diese Expedition blieb, vor allem infolge der ungünstigen Zeitläufte, seine
einzige Südseereise. Nevermann arbeitete fortan rege an seinen Publikationen
und veranstaltete einige Sonderausstellungen im Museum — so z. B. mit den
Ergebnissen seiner Sammelreise oder auch aus Anlaß der Olympischen Spiele
von 1936.
Mit Beginn des Krieges im September 1939 wurden dann alle Museums-
aktivitäten sehr eingeschränkt. Im Oktober/November 1942 konnte Nevermann
zusammen mit J. Senkiv noch eine Sammelreise für die Eurasien-Abteilung des
Museums zu den Bojken, Podoliern, Pokutiern, Huzulen, Polen und Ungarn
unternehmen. Kurz darauf wurde er aber zur Wehrmacht eingezogen.
Im Herbst 1945 übernahm Hans Nevermann wieder die Leitung der Abtei-
lung Südsee in Berlin, dazu, kommissarisch, die Indische Abteilung (bis 1953).
In der Trostlosigkeit des zerstörten Berlin, in den Zeiten des Hungers und der
beginnenden Ost-West-Auseinandersetzungen, veranstaltete er mit verbliebenem
Museumsgut bald vergleichende Ausstellungen, so „Haus und Hausrat exotischer
Völker“ (1947) und „Die Schiffahrt exotischer Völker“ (1949).
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
3
Am 1. April 1951 wurde Hans Nevermann zum Honorarprofessor für Eth-
nologie an die Freie Universität Berlin berufen. Mit Freude und Eifer begann
er dort seine Vorlesungen, die an Anschaulichkeit nichts zu wünschen übrig
ließen und denen jede kühle Nüchternheit — bei aller wissenschaftlichen Kor-
rektheit — fremd war.
Schon ein Jahrzehnt zuvor hatte Nevermann sich um die Betreuung der
Zeitschrift für Ethnologie gekümmert und seit 1950 die Wiederzulassung der
Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte betrieben,
deren Vorsitz er im Jahre 1951 übernahm. Zudem war er eine der maßgeben-
den Persönlichkeiten bei der Wiederbegründung der „Urania“ im Jahre 1953.
Mit Wirkung zum 31. Januar 1957 wurde Hans Nevermann, derzeit Ober-
kustos am Museum für Völkerkunde Berlin, auf seinen Antrag wegen erheb-
licher Erkrankung in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. Seine Vorlesungen
führte er mit einigen Unterbrechungen noch bis 1969 weiter, und er unternahm
auch noch einige Reisen in die Türkei, deren Kultur ihn seit seiner Studentenzeit
fasziniert hatte.
Die Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte
ehrte Hans Nevermann im Jahre 1966 mit der Verleihung der Virchow-
Medaille und ernannte ihn im Frühjahr 1982 zum Ehrenmitglied.
Es ist nicht möglich, die immense Zahl von Publikationen hier aufzuzählen,
die Hans Nevermann in seinem reichen Leben hervorbrachte. Dieses soll in
einem entsprechenden Nachruf in der Zeitschrift für Ethnologie im einzelnen
geschehen. So sei hier nur vermerkt, daß Nevermann zunächst Monographien
aus den Ergebnissen der Hamburger Südsee-Expedition von 1908—1910 erar-
beitete („St.-Matthias-Gruppe“ 1933, „Admiralitäts-Inseln“ 1934, „Ralik-
Ratak“ mit A. Krämer, 1938), seine „Indo-ozeanische Weberei“ 1938 veröffent-
lichte und Ergebnisse seiner großen Südsee-Reise in etlichen Zeitschriften, vor
allem im Baessler-Archiv und in der Zeitschrift für Ethnologie, zwischen 1935
und 1960 publizierte. Für das Museum für Völkerkunde schrieb Nevermann
mehrere Führer, u. a. die vielgelesene „Südseekunst“ (1933) und mehrere Ab-
handlungen über wesentliche Sammlungsobjekte.
Hans Nevermanns Mitarbeit an Lehrbüchern und Sammelwerken war sehr
gefragt. So beteiligte er sich wiederholt am „Lehrbuch der Völkerkunde“ (1937,
1938, 1958, 1971), an „Die Große Völkerkunde“ von Bernatzik (1939, 1954,
1962, 1975) und am Fischer-Lexikon „Völkerkunde“ (1959, 1960, 1963, 1969),
wie er auch Beiträge für „Die heutigen Naturvölker im Ausgleich mit der neuen
Zeit“ von Westermann (1940), die „Saeculum Weltgeschichte“ (1965) und „Die
i*
4
Nachruf für Hans Nevermann
Religionen der Menschheit“ (1968) schrieb und am „Großen Brockhaus“ (1952
bis 1957) mitwirkte.
Sachbücher, populärwissenschaftliche Bände und Romane schrieb dieser Eth-
nologe mit poetischer Sprache in großer Zahl, es seien nur genannt „Kame-
hameha“ (1931), „Masken und Geheimbünde in Melanesien“ (1933), „Bei
Sumpfmenschen und Kopfjägern“ (1935), „Der Kopfjäger Gesigen und sein
Weib“ (1936), „Kulis und Kanaken“ (1942), „Götter der Südsee“ (1947), „Die
Reiskugel“ (1952), „Stimme des Wasserbüffels“ (1956), „Die Stadt der tausend
Drachen“ (1956) und „Söhne des tötenden Vaters“ (1957).
Hans Nevermanns reichhaltige Fachbibhothek, die er inhaltlich in ungewöhn-
licher Perfektion beherrschte, wurde dem Museum für Völkerkunde Berlin als
Stiftung übereignet.
Hans Nevermann war nicht nur ein ausgezeichneter Wissenschaftler. Als fas-
zinierender, poetisierender Erzähler verstand er die Zuhörer in seinen Bann zu
ziehen. Er hielt gern Vorträge, und deren Zahl — von 1925 bis 1981 — ist
kaum zu schätzen.
All diese Wirksamkeit erwuchs aus einer schlichten, zurückhaltenden Persön-
lichkeit, die ausgesprochen bescheiden im Auftreten erschien. Fast könnte man
meinen, daß mit ihm das Understatement Gestalt angenommen hätte. Obschon
Hans Nevermann über ein umfassendes Wissen verfügte, wie es nur noch ein-
zelne Ethnologen seiner Generation hatten, war er nie betont belehrend, sondern
auch dem Fremden gegenüber freundschaftlich informierend, wenn nicht gar
nur erzählend aktiv, jedoch mit der Kunst des Erzählers, der kaum merkbar
wesentliches Wissen vermittelt, zudem war er gütig, in Alltag und Wirkung
vielleicht allzu gutmütig, und wohl manchem geschäftigen Partner oder gar
Geschäftsmann kaum gewachsen. Seine Sicherheit und sein Selbstbewußtsein
waren dabei durchaus existent, doch nur leise, nur für den aufmerksamen Zu-
hörer erkennbar.
Gerd Koch
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
5
BEMERKUNGEN ZU DEN BEIDEN MUMIEN
VON DER TORRES-STR ASSE IM BERLINER
VÖLKERKUNDE-MUSEUM
BERND HERRMANN, Göttingen*
Das Berliner Völkerkundemusuem besitzt unter den Inventarnummern VI
4089 und VI 4090 zwei Kindermumien von der Insel Uga(r)1, Torres-Straße.
Innerhalb der Funeralpraktlken stellten diese Mumien nur Zwischenstadien dar.
Entsprechend finden sich nur wenige Exemplare in den völkerkundlichen Samm-
lungen. Haddon2 waren ganze 8 Exemplare bekannt; seitdem hat es offenbar
keine Neuzugänge gegeben. Obwohl beide Berliner Exemplare bereits im
Schrifttum abgebildet und teilweise beschrieben sind'5, scheinen mir einige er-
gänzende Bemerkungen zum Kenntnisstand über diese seltenen Exemplare ange-
bracht.
Für VI 4090 muß im wesentlichen auf die Beschreibung bei Haddonverwie-
sen werden, da sich die Mumie heute in einem sehr schlechten Zustand befindet
(Abb. 1). Von einer näheren Inspektion der Rückenpartie, insbesondere des
Nackens, wurde deshalb abgesehen, da hierzu die Mumie vom Holzrahmen
hätte entfernt werden müssen. Interessant ist das Vorhandensein von Haupt-
haaren und Wimpern bei diesem wohl nur wenige Tage alt gewordenen Mäd-
chen sowie ein Rest der Bauchnaht (s. u., Abb. 2).
Bei VI 4089 (Abb. 3) handelt es sich um ein gut Sjähriges Mädchen, nicht, wie
Haddon meint, um ein zwei- bis dreijähriges. Die Altersdiagnose ist durch den
* Die Unterlagen zu dieser Mitteilung wurden 1977/78 in Berlin gesammelt. Beteiligt
war daran Herr cand. rer. nat. G. Scholtz, Berlin, dem ich nicht nur für seine Mit-
arbeit, sondern auch für die Abb. 2, 4 und 5 zu danken habe.
Mein Dank gilt ferner Frau Waldtraut Schneider-Schütz und Herrn Graf, Foto-
atelier des Museums für Völkerkunde, für die Herstellung der Übersichtsaufnahmen
Abb. 1 und 3.
1 heute Stephens Island, 9° 31' S 142° 32' E.
2 Haddon, A. C. (ed.), „Report of the Cambridge Anthropological Expedition to
Torres Straits“, Voi. I, Cambridge 1935, pp. 327—328.
3 Haddon, op. cit., Voi. VI, Cambridge 1908, p. 137, Taf. XVIII; Dawson, W. R.,
„A Mummy from the Torres Straits“, Ann. Archeol. Anthrop. 11, Liverpool 1924,
pp. 92, Taf. XL
6
Herrmann, Mumien von der Torres-Straßc
Röntgenbefund des Gebisses und die allgemeine Skelettentwicklung gesichert,
das Geschlecht nach dem äußeren Aspekt zu beurteilen. Auch die Gesamtlänge
der Mumie entspricht mit 91 cm durchaus dieser Altersstufe. Radiologisch er-
scheint das Skelett altersregelrecht. Einzelne, unbedeutende Harris-Linien an den
Femora und eine deutliche Linie an der linken distalen Tibiametaphyse können
als Ausdruck einer Infektionskrankheit oder Ernährungsstörung im Alter zwi-
schen 3 und 4 Jahren angesehen werden. Die Haut ist bis auf regellos verteilte
Insektenfraßspuren intakt. Sie ist dunkel rotbraun gefärbt, im Kopfbereich na-
hezu schwarz und hat eine derb lederartige Konsistenz. Hauteinschnitte befinden
sich vorn über der rechten Kniescheibe (ca. 1,5 cm) und medial am linken Knie,
ein rund 10 cm langer, vernähter Schnitt an der linken Körperseite im Über-
gang zwischen Thoracal- und Abdominalregion (Abb. 4) und ein annähernd
5 cm langer senkrechter Schnitt im Nacken (Abb. 5). Dieser gibt den Blick frei
auf das Foramen magnum. Die ventrale Beugung des Kopfes steht hiermit in
unmittelbarem Zusammenhang. Schnittstellen oder Durchbohrungen der Haut
zwischen den Fingern und Zehen sind nicht zu erkennen. Die normale Oberflä-
chengliederung der Haut, wie Papillarleisten, Furchen, Runzelung ist erhalten,
desgleichen die Finger- und Zehennägel, wobei die Fingernägel einen glattran-
dig gepflegten Eindruck machen.
Über die Herstellung der Mumien auf den Inseln der Torres-Straße haben
sich Myers und Haddon4 und Hamlyn-Harris5 ausführlich geäußert:
Der Leichnam wird im Freien auf ein Holzgerüst gelegt. Nach zwei oder drei
Tagen, „when the skin of the body had become loose“6, wurde die Oberhaut
entfernt („strong skin he stop). Ein Schnitt in die seitliche Bauchwand ermög-
lichte die Entnahme der gesamten Thoracal- und Abdominaleingeweide. Die an-
schließende Einführung von Marksträngen einer Palme in den Hohlraum stabi-
lisierte die Form des Rumpfes. Über einen Schnitt in die Nackenhaut wurde mit
Hilfe eines Pfeiles das Gehirn entnommen: „The strong skin of the brain (the
dura mater) was first cut and then the ,soft skin‘ was pulled out“6. Anschlie-
ßend bestrich man den Leichnam mit einer Erdfarbenlösung, befestigte ihn auf
einer Rahmenkonstruktion aus Ästen, die senkrecht aufgehängt wurde. Haut-
4 in Haddon, Vol. VI, pp. 127.
5 Cit. in Haddon, Vol. I, pp. 322—323.
6 Haddon, Vol. VI, p. 136.
Herrn Kollegen G. Hoffmann, Institut für Meteorologie der Freien Universität Ber-
lin, habe ich für klimatologische Hinweise zu danken. Danach ist davon auszugehen,
daß das mittlere monatliche Temperatur-Minimum nicht unter 20 °C sinkt und die
relative Feuchte zwischen 70 % und 80% schwankt. Vom Klima her sind damit die
Voraussetzungen für einen raschen Fäulniseintritt gegeben.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
7
schnitte an beiden Knien und Durchbohrungen zwischen den Fingern und Zehen
dienten zur Erleichterung des Flüssigkeitsabganges aus der Leiche. Während der
ersten Tage, also noch vor der Evisceration, brannte ein Feuer neben dem Toten,
„not to dry the body but to the comfort of the dead“7. Während der Trock-
nungsphase auf der Rahmenkonstruktion wurde ein Feuer unter dem Körper
unterhalten, dessen Zweck nicht erwähnt wird. Haddon zitiert aber in diesem
Zusammenhang einen Informanten: „By ’n’by meat swell up“6. Nachdem der
Trocknungsvorgang fast abgeschlossen war, wurde der Leichnam einer erneuten
Leichentoilette unterzogen (Schmücken, Anbringen der Augenattrappen) und in
einer luftigen Hütte aufbewahrt.9 Nach dem allmählichen Verfall der Mumie
verbrachte man die Reste auf eine Plattform am Strand als endgültige Ruhe-
stätte9.
Aufgrund dieser Beschreibungen liegen thanatologisch gesehen mit den Mu-
mien von der Torres-Straße gar keine Mumifikationen s. str. vor. Die (soge-
nannte primäre) Mumifikation im eigentlichen Sinne läuft über flächenhafte
Austrocknungen der Haut so schnell, daß eine Oberflächenverhärtung auftritt
und Fäulnisvorgänge nicht Platz greifen können.10 Der Vorgang kann durch
Konservierungsmaßnahmen begünstigt werden (z. B. Alt-Ägypten), tritt jedoch
auch spontan, z. B. bei trockenluftiger Lagerung des Leichnams, auf. Kennzeich-
nend ist hier u. a. der Erhalt der Haare.
Davon zu unterscheiden ist die sekundäre Mumifikation, bei der zuerst Fäul-
nisphasen durchlaufen werden. Dies ist offensichtlich bei den Mumien von der
Torres-Straße der Fall: Nach dem Tode wird der Leichnam mehrere Tage im
Freien verwahrt, bis sich die Epidermis zu lösen beginnt*’. Dieser Vorgang be-
ruht auf den nunmehr eingetretenen späten Leichenerscheinungen. „Die Morpho-
logie der Fäulnis ist vor allem gekennzeichnet durch Erscheinungen der Diffu-
sion und Gasentwicklung. Das aus den Gefäßen diffundierende hämolytische
Serum bewirkt eine netzartig durchschlagende violette bis rötlich-grünliche Ge-
fäßzeichnung der Haut. Alsbald kommt es zu einer zunächst latenten Ablösung
der Epidermis, die vielfach erst beim Zufassen als faltige Verschiebbarkeit der
Oberhaut ln Erscheinung tritt und durch filmartige Ansammlung transsudieren-
' Haddon, Vol. I, p. 322.
8 Eine, vielleicht nicht unmittelbar von der Zielsetzung her, gewiß jedoch durch seine
Wirkung die Mumifikation unterstützende Maßnahme. Ein weiterer Hinweis in die-
ser Richtung bei Haddon, Vol. VI, p. 86.
0 Haddon, Vol. VI, pp. 148 —149.
10 Vgl. Berg, S.; B. Müller; F. Schleyer, Leichenveränderungen, in B. Müller (ed.),
Gerichtliche Medizin, Bd. I, pp. 86, Springer, Berlin, Heidelberg, New York, 1975.
Herrmann, Mumien von der Torres-Straße
der Flüssigkeit an der Cutis-Epidermisgrenze bedingt ist, an unversehrten Stel-
len wird die Epidermis auch vielfach blasenartig abgehoben.“10
Die von Haddon und Hamlyn-Harris beschriebene Entfernung der Epidermis
bei der Leichentoilette stellt sich somit eher als zwangsläufige Folge der Fäul-
nisprozesse dar denn als intendierter Bestandteil der Präparation. Die mehr-
tägige Exposition des Leichnams vor der Evisceration erleichtert diese sicherlich.
Vor den Fäulnisvorgängen setzen an der Leiche die Autolyseerscheinungen ein,
die dann in jene übergehen. Autolyse und Fäulnis bewirken schließlich den mat-
schigen Verfall und das breiige Zerfließen der inneren Organe.
Das Ruhenlassen der Leiche über mehrere Tage in unmittelbarer Nähe zu ei-
ner ständig unterhaltenen Wärmequelle bis zum Beginn der eigentlichen Mani-
pulationen ist wohl erfahrungsbedingt, indem sich bei eingeleiteter Autolyse
und Fäulnis die Entnahme der inneren Organe einfacher gestaltet. Die Schnitt-
breite am Abdomen gewährleistet das Einführen der Hand eines Erwachsenen.
Trotz der Zerfallsvorgänge müssen aber zum Ausräumen von Brust- und Bauch-
höhle erhebliche Gewebehindernisse beseitigt werden, ein Eingriff, den man sich
nur schwer von bloßer Hand durchgeführt vorstellen kann. In diesem Zusam-
menhang ist die präparatorische Leistung bei der Entnahme des Gehirns zu be-
tonen. Nach Anbringen des senkrechten Hautschnitts im Nacken sind die Sehnen
der Nackenmuskulatur und die dorsalen Anteile des ersten Kopfgelenks zu
überwinden („strong skin“?), ehe die unphysiologische Beugung des Kopfes auf
den Brustkorb den Zugang zum Foramen magnum freigibt.
Das Anbringen von Hautschnitten insbesondere an den bei vertikaler Auf-
stellung der Leiche abhängigen Partien (Schnitte an den Knien, zwischen den
Fingern und Zehen; hinzu kommen die unteren natürlichen Körperöffnungen)
begünstigte dann den Austritt der Fäulnistranssudate und beschleunigte damit
den Vertrocknungsvorgang. Die Formulierung „by’n by, meat swell up“ ist ein
sicherer Hinweis auf die noch in vollem Gange befindlichen Fäulnisvorgänge,
die durch das Feuer noch beschleunigt worden sein mochten. So bewirken fäul-
nisbedingter Flüssigkeitsentzug mit der Austrocknung bei luftiger Lagerung im
Ergebnis das Bild eines sekundär mumifizierten Leichnams.
Von den beiden Berliner Stücken läßt VI 4090 kaum mehr die Beantwortung
interessierender Fragen zu. Die Kopfhaare sind noch erhalten, die inneren Or-
gane des Rumpfes jedoch entfernt und der Hohlraum auf den o. a. Wegen ge-
füllt und vernäht. Hautschnitte sind nicht zu sehen, allerdings konnte die Nak-
kenregion auch nicht näher inspiziert werden, ohne dem Objekt weitere größere
Substanzverluste zuzufügen. Die Kopfhaltung scheint indes für eine Hirnent-
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
9
nähme durch einen Nackenschnitt zu sprechen. Daß die Kopfhaare noch erhal-
ten sind, spricht dafür, daß die Fäulnisvorgänge an diesem kleinvolumigen Ob-
jekt sicher sehr rasch der Mumifikation gewichen sind.
Das völlige Fehlen der Kopfhaare einschließlich der Brauen und Wimpern bei
VI 4089 ist dagegen sicher auf ausgedehntere Fäulnisvorgänge zurückzuführen.
Die Insektenfraßspuren, die als glattrandig perforierende Läsionen der Haut
imponieren, sind hingegen nicht als fäulnisbegleitend aufzufassen (was an sich
typisch wäre). Da ihnen die Trocknungsdehnung der an noch elastischer Haut
gesetzen Spuren fehlt, können sie erst nach der Verfestigung der äußeren Hülle
entstanden sein. Das schlaff-faltige Erscheinungsbild der ehemals mit Muskula-
tur unterfütterten Regionen (Oberarm und Oberschenkel) befindet sich in Über-
einstimmung mit dem bekannten Bild von Trockenmumien.
Die Oberflächenbeschaffenheit der Haut (Runzeln, Felderung, Papillarlei-
sten) kann noch beobachtet werden. Sie findet sich jedoch nicht nur in der Epi-
dermis, sondern auch in matrizenhafter Ausbildung im Corium („strong skin
he stop“). Die lapidare Feststellung von Dawson, daß an der von ihm beschrie-
benen Mumie von der Torres-Straße „the epidermis was not removed, and is
present in every part of the body“11, ist in dieser Form ohne Beweiswert, auch
wenn an der von ihm beschriebenen Mumie die Körperbehaarung noch wenig-
stens regional erhalten ist. Aufschluß liefert einzig der histologische Befund.
Es wurde daher versucht, eine histologische Beurteilung an VI 4089 durchzu-
führen. Entnommen wurden zwei Hautstanzen jeweils aus der Randzone einer
bereits bestehenden Beschädigung, um die Zerstörung so gering wie möglich zu
halten. Die Stanze, ca. 8x8 mm, durfte jedoch noch bei Lupenvergrößerung
keine erkennbaren Oberflächenläsionen aufweisen. Entnommen wurden Haut-
stücke vom linken Unterbauch und aus der rechten Kniekehle.
Die Probe der Kniekehle (Abb. 6) zeigt als einzige erhaltene Hautstruktur
nur noch das Corium (Lederhaut), wobei sich die Kollagenbündel in Azanfär-
bung rot (!) darstellen. Unmittelbar dem Corium aufliegend läßt sich ein schma-
ler Saum dunkler Partikel erkennen, den man auf das Bestreichen mit Erdfarb-
stoff wie anhaftende Staub- und Schmutzpartikel wird zurückführen dürfen.
Die Hautstanze der Bauchregion ist dagegen reicher an Strukturen (Abb. 7).
Auch hier ist bildbeherrschend das Stratum reticulare der Lederhaut, daneben
lassen sich vereinzelte Muskelfasern ansprechen. In der Azanfärbung sitzt dem
Str. reticulare ein durchgehend schwachblauer Saum auf, der aber wohl noch
11 Dawson, p. 90.
10
Herrmann, Mumien von der Torres-Straße
dem Corium zuzurechnen ist. Diesem aufgelagert findet sich eine schwach orange
gefärbte Schicht, die, neben zelligen Strukturen, im polarisierten Licht Eigen-
schaften des verhornten Plattenepithels aufweist. In dieser Schicht finden sich
auch wieder jene o. a. Färb-, Schmutz- und Staubpartikel. Sicherlich handelt es
sich nur um Epidermisreste, da durch Silberimprägnation keine Melanozyten
nachgewiesen werden konnten. Damit ist davon auszugehen, daß bei der Mani-
pulation an der Leiche die Epidermis tatsächlich weitgehend abgezogen worden
ist.
Interessant ist, daß es sich bei dem Farbauftrag auf VI 4089 um Hämatit
handelt12. Die Röntgenfluoreszenzanalyse zeigt als Hauptbestandteile Kalium,
Calcium und Eisen, als Nebenbestandteile (100—500 ppm) sind enthalten: Ar-
sen, Kupfer, Zink, Quecksilber; unter 100 ppm: Titan, Mangan, Strontium, Co-
balt, Nickel, Rubidium; der Nachweis von Barium, Silber und Zinn ist un-
sicher. Die hämatitische Matrix enthält damit eine Reihe von durchaus auch in
diesen geringen Konzentrationen antimikrobiell wirksamen Elementen. Der
Farbauftrag auf den Leichnam hat also eine zugleich konservierende Wirkung.
12 Für die Durchführung der Analysen danke ich den Herren Kollegen W. Franke,
Berlin, und K. H. Nitsch, Göttingen.
f*»#
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
11
Abb. 1. VI 4090, Frontalansicht. Deut-
lich sind die in den Leibeshöhlen be-
findlichen Palmenmarkstränge erkenn-
bar.
12
Herrmann, Mumien von der Torres-Straße
Abb. 2. VI 4090, Nahtreste, linke Abdominalseite, rechts Kopfseite, unten Rückenseite
des Kindes.
14
Herrmann, Mumien von der Torres-Straße
(c) Rückansicht
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
15
Abb. 4. VI 4089, vernähter
Bauchschnitt, ca. 10 cm Länge.
Übergangsregion zwischen Tho-
rax und Abdomen, links. Rechts
Kopfseite, unten Rückenseite des
Kindes.
Abb. 5. VI 4089, Nackenschnitt
zur Entnahme des Gehirnes.
Wundränder geben Einblick auf
das Foramen magnum frei.
16
Herrmann, Mumien von der Torres-Straße
Abb. 6. Schnitt durch Hautstanze der Knieregion, VI 4089, ca. 90fach,
Azan. Dunkler Saum an der Coriumsobergrenze durch unspezifische Reak-
tionen mit dem Ockerauftrag und Staubpartikeln.
Abb. 7. Schnitt durch die Bauchhaut, VI 4089, ca. 90fach, Azan. Die Zu-
ordnung der farblich oder strukturmäßig abgesetzten Schichten ist proble-
matisch, da die Epidermis der Abdominalregion ohnehin nur wenige Zell-
lagen aufweist. Vorhanden sind sicher jedoch nur Epidermisreste.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
17
SELBSTMORD IN SAMOA
NORBERT KRÜGER, Göttingen
Einleitung:
Seit den Tagen Bougainvilles gilt die Südsee in der Phantasievorstellung
von Europäern und Amerikanern als Ort größter Zufriedenheit, als ein Para-
dies, als eine Art „neues Kythera“1. Dort gebe es nur einen Gott: Die Liebe.
Zwischen den Bewohnern herrsche Frieden, denn Streit, Zwietracht, Haß und
Bürgerkrieg seien ihnen unbekannt. Die verlockende Sexualität war nicht das
einzige Motiv, das die Menschen unseres Jahrhunderts dazu trieb, sich am alten
Mythos der Südsee zu wärmen. Neue Beweggründe sind die Verzweiflung
über die Zerstörung unserer natürlichen Umwelt2.
Margaret Mead, ein Symbol des Südseemythos, fuhr 1925 nach Samoa, um
die Richtigkeit der These vom Kulturdeterminismus als entscheidende Kraft in
der menschlichen Entwicklung zu beweisen. Mead3 beschreibt die Samoaner als
unaggressiv, die Adoleszenz verlaufe sanft, problemlos und ohne Streß. Das
Leben der Samoaner sei durch Zwanglosigkeit charakterisiert. Für alle Kon-
flikte gäbe es Lösungen zuhauf3a. Als Mead 1963 die Frage gestellt wurde: Gibt
es irgendeine Ihnen bekannte Gesellschaftsordnung, in der die Menschen erheb-
lich glücklicher zu sein scheinen, als in anderen Gemeinschaften, antwortete sie,
daß eine glückliche Gesellschaft so wäre wie jene in Samoa4. Nach Mead findet
in der samoanischen Gesellschaft niemals eine große Repression statt, um beim
Individuum eine nennenswerte Reaktion auszulösen. Bei den Samoanern gäbe
es praktisch keinen Selbstmord und Selbstmord aus gekränktem Stolz existiere
nicht5. Es ist das Verdienst Fuertes de Cabeza6 und in der Folgezeit von Free-
1 Bougainville, L. A.: Voyage autour du monde, Seconde édition augmentée, Paris:
Saillant et Nyon, 1772.
2 R'tz, H.; Die Sehnsucht nach der Südsee, Muri — Göttingen, 1983, S. 20.
3 Mead, M.: Kindheit und Jugend in Samoa, DTV 1970.
,ia Mead, M.: Kindheit und Jugend in Samoa, DTV 1970, S. 122, S. 170.
4 Mead, M.: The human condition, in: R. Metraux (ed). Some personal views, New
York, 1979, S. 211.
■’ Mead, M.: Front the South Seas, New York, 1939, S. 219—234.
0 Fuertes de Cabeza, D.: Freudloses Paradies, Baessler Archiv, Neue Folge, Band
XXX, 1982, S. 363—381.
2 Baessler-Archiv XXXI
18
Krüger, Selbstmord in Samoa
man7, die Realität der samoanischen Kultur fundiert beschrieben zu haben und
Meads These als oberflächlich und unhaltbar zu entlarven.
Material und Methode:
Das vorliegende Material soll ein kleiner Beitrag zur Beschreibung der sa-
moanischen Realität sein. Während eines vierzehnmonatigen Arbeitsaufenthal-
tes als Arzt in Apia (National Hospital) und Tuasivi/Savaii (Regional Hos-
pital) wurden Angaben und Beobachtungen über Selbstmord und Selbstmord-
versuche gesammelt. Tabelle 1 stammt aus eigenen Unterlagen über die dort zu
betreuenden Patienten, während Tabelle 2 mit Hilfe von J. Bewies erstellt
wurde8.
Diskussion:
Die Literatur über Selbstmordraten und Selbstmordversuche hat deutliche
Unterschiede zwischen den verschiedenen Rassen, zwischen Mann und Frau,
zwischen Verheirateten und Unverheirateten und in verschiedenen Ländern
aufgezeigt9. Über Selbstmord in Samoa liegen in der Literatur nur sehr wenige
Angaben vor. Zwei Angaben sind von besonderer Bedeutung: Mead behauptet,
daß es in Samoa praktisch keinen Selbstmord gäbe10 11, während Freeman 22
Selbstmordfälle beschreibt73. Im Widerspruch dazu steht wiederum die offizielle
Angabe des Department of Statistics in Apia aus dem Jahr 198016a, daß 1979
nur 1 Selbstmord zu verzeichnen gewesen sei. Die während eines Jahres im
Regionalkrankenhaus von Tuasivi auf der Insel Savaii (Einwohner 40 000) zu
betreuenden 19 Patienten (davon 12 verstorben), die Selbstmord verübten bzw.
einen Versuch unternahmen, zeigen eine Rate von 1 : 3333 Einwohnern, die
damit höher liegt als in der Bundesrepublik (1 : 500011). King12 schätzt die
Selbstmordrate seit 1968 in West-Samoa auf 1 : 5000 und in Amerikanisch-
Samoa auf 1:15 000. Genaue Angaben lassen sich nur schwer erstellen, da
häufig, obwohl meldepflichtig, die Meldung an die Polizei nicht erfolgt und
einige Patienten nicht zur ärztlichen Betreuung bzw. Begutachtung gebracht
7 Freeman, D.: Liebe ohne Aggression, Kindler, München, 1983.
"a Freeman, D.; Liebe ohne Aggression, Kindler, München, 1983, S. 244.
7b Freeman, D.: Liebe ohne Aggression, Kindler, München, 1983, S. 242.
8 Bowles, J.; Personal communication, Apia, 1982.
9 Dublin, L. I.: Suicide: A sociological and Statistical study, New York, Ronald
Press, 1963.
10 Mead, M.: The role of the individual in Samoan culture, J. of the Anthropological
Institute 58, 1928, S. 494.
11 Statistisches Jahrbuch, Bundesgesundheitsministerium, Bonn, 1980.
12 King, J.: New Pacific Magazine 6, 1981, S. 28.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
19
Tabelle 1: Patienten mit Selbstmord oder Selbstmordversuch 1981,
Tuasivi Hospital
Name Alter Geschlecht Methode Wochentag Bemerkungen
1. T. E. 24 w Paraquat Sonntag verstorben
2. S. S. 26 w Paraquat Mittwoch überlebt
3. S. M. 26 w Paraquat Samstag überlebt
4, T. F. 27 w m. Benzin übergossen u. verbrannt Samstag verstorben
5. T. P. 16 w Benzin- ingestion Freitag verstorben
6. F. F. 20 w Paraquat Mittwoch gegen ärztl. Rat entlassen
7. T. P. 31 m Paraquat Donnerstag verstorben
8. LT. 23 m Paraquat Sonntag verstorben
9. J- F. 31 m Schrotflin- tenschuß Freitag überlebt
10. F. S. 23 m Schrotflin- tenschuß Sonntag verstorben
11. T. F. 13 m Paraquat Donnerstag überlebt
12. M. M. 16 w Paraquat Sonntag gegen ärztl. Rat entlassen
13. A. V. 25 m Sprung von Kokospalme Samstag verstorben
14. M. S. 20 m Paraquat Sonntag verstorben
15. I. T. 14 m Paraquat Donnerstag verstorben
16. F. T. 17 m Paraquat Samstag überlebt
17. F. A. 19 w Paraquat Freitag überlebt
18. A. A. 16 m Paraquat Donnerstag verstorben
19. F. S. 23 m Schrotflin- tenschuß Sonntag verstorben
2'
20
Krüger, Selbstmord in Samoa
werden. Auffällig ist das Alter der Patienten, das zwischen 13 und 31 Jahren
lag. Das Verhältnis zwischen männlichen zu weiblichen Selbstmördern ist aus-
geglichen. In fast allen westeuropäischen Ländern und in den USA steigt mit
fortschreitendem Lebensalter die Wahrscheinlichkeit, sich das Leben zu neh-
men13. In Samoa dagegen neigt die Jugend mehr zum Selbstmord. Bei den von
Freeman73 untersuchten 22 Fällen war nur ein Selbstmörder über 45 Jahre alt,
15, d. h. 68 °/o, waren zwischen 15 und 24 Jahren. Ob eine Dominanz für weib-
liche oder männliche Selbstmörder bestand, ist nicht erwähnt. Da die Lebens-
erwartung in Samoa bei 60,8 Jahren liegt14 scheidet eine statistische niedrige
Lebenserwartung für das Überwiegen von jugendlichen Selbstmördern aus. Bei
der Durchsicht der Wochentage, an denen der Selbstmord bzw. der -versuch
unternommen wurde, zeigt sich ein Überwiegen der Tage des Wochenendes
(Freitag bis Sonntag). Zusammen mit Bowles8 wurden die zur Verfügung ste-
henden Daten des National Hospitals in Apia (Einzugsgebiet 120 000 Men-
schen) daraufhin untersucht. Auch hier sind von 320 Selbstmorden bzw. -ver-
suchen in den Jahren 1978 —1981 über 50 % an Wochenendtagen begangen
worden. Die weitaus häufigste Methode, im heutigen Samoa Selbstmord zu
verüben, ist das Einnehmen des Unkrautvernichtungsmittels Paraquat (Gramm-
oxone). Vor der Zeit des Paraquat-Importes nach Samoa waren Erhängen und
Erschießen die häufigste Methode15’ 16. Da über die Selbstmordfrequenz in Sa-
moa aus den letzten Jahrzehnten keine Angaben bzw. nur ungenaue Angaben
vorliegen16a, kann spekuliert werden, daß die Rate evtl, zugenommen habe,
insbesondere nach der Unabhängigkeit als Ausdruck eines Kulturwandels mit
Angstentwicklung. Daß dies nicht so ist, belegen Aussagen von alten Samoanern
und lange in Samoa lebenden Europäern15- 17. Als weiterer Beweis hierfür dient
die Auswertung der Motivation zum Selbstmord: In fast allen Fällen (in Tua-
sivi) war ein Konflikt mit einer Autoritätsperson die Ursache. Das samoanische
Gesellschaftssystem ist nach Freeman7b derartig streng aufgebaut, daß die Men-
schen ihr Leben lang disziplinären Anforderungen und strafenden Maßnahmen
ausgesetzt sind. Aggressive Impulse von Individuen, die unter einer strengen
Disziplin leiden, richten sich nicht oder selten gegen eine Autoritätsperson, son-
dern primär gegen sich selbst. Dies macht sich besonders in der „Sturm- und
13 Clinard, M. B.; Sociology of deviant behaviour, New York, 1974, S. 635.
14 UN-Statistical Yearbook 1979.
lo Mertens, A.: Persönliche Mitteilung, 1981.
10 Tuasivi-Police: Persönliche Mitteilung, Tuasivi, 1981.
10a Annual Statistical Abstract, 1979, Dept. of Statistics, Apia, Western Samoa,
14th igsue, 1980, S. 83.
17 Stünzner, O.: Persönliche Mitteilung, Apia, 1981.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983) 21
Tabelle 2: Selbstmord und Selbstmordversuch (Apia, National Hospital) in Abhängigkeit vom Wochentag
Sonntag Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Samstag unbekannt total
1981 15 12 15 11 9 11 10 6 89
1980 11 7 9 5 6 16 12 2 68
1979 8 9 8 6 16 18 12 3 80
1978 15 8 11 10 7 14 15 3 83
total 49 36 43 32 38 59 49 14 320
Drangzeit“ eines Jugendlichen bemerkbar. Meads10 Ansicht, daß der emotionale
Charakter der samoanischen Gesellschaft niemals eine ausreichende Repression
ausübe, um eine bedeutsame Rebellion des Individuums hervorzurufen, und
daß die in anderen Teilen Polynesiens so üblichen Selbstmorde aus gekränkter
Eigenliebe in Samoa nicht existieren, ist falsch. Pratt18 wies im letzten Jahr-
hundert — er lebte von 1839—1879 in Samoa — darauf hin, daß Selbstmord
in Samoa durch Ärger mit der Familie bedingt sei. Hier bietet sich auch eine
Erklärung für die Dominanz der Wochenendtage Freitag bis Sonntag an. Der
Familienärger kommt besonders dann zum Tragen, wenn alle Familienangehö-
rigen einer ’aiga näher zusammen sind und die Mitglieder den Autoritäts-
personen noch direkter gehorchen müssen. Die Jugendlichen sind dann noch
mehr denjenigen ausgesetzt, denen die Gemeinschaft Macht über sie einräumt.
Anlässe für einen Selbstmordversuch bzw. für einen Selbstmord waren u. a.
Weigerung eines Kirchenbesuches, Verbot sich mit einem Freund bzw. mit
einer Freundin treffen zu dürfen. Dem Selbstmord geht häufig ein Gemüts-
zustand voraus, der musu genannt wird. Musu (wörtlich: erzürnt) ist ein Ge-
mütszustand von störrischem Trotz. Er ist ein unmittelbares Resultat einer psy-
chischen Belastung bei übergroßen Forderungen einer strafenden Autorität. Da
durch das traditionelle Erziehungssystem eine Rebellion unterdrückt werden
soll, verlieren die Menschen immer mehr die Fähigkeit, ihre tatsächlichen Ge-
18 Pratt, G.: Aufzeichnungen und Unterlagen von G. Brown, Mitchell Library, Sidney,
in: Freeman: Liebe ohne Aggression, Kindler, München, 1983, S. 243.
22
Krüger, Selbstmord in Samoa
fühle zu zeigen, die sich hinter einer undurchsichtigen Maske beherrschter Ge-
lassenheit verbergen19. Daß der soziale Streß nicht nur Jugendliche betrifft,
dürfte auch an der im Tuasivi Hospital gemachten Erfahrung bei älteren Pa-
tienten zu belegen sein, die nämlich im Alter von 30—40 Jahren sehr häufig
über Magenbeschwerden klagten, während bei über 40jährigen häufig pectan-
ginöse Beschwerden, Hypertonie und Folgen eines Schlaganfalles bestanden.
Maclaurin20 bestätigt diese Beobachtung mit dem Nachweis von 7,3 °/o eines
Ulcus ventriculi bei den Samoanern (Männer ; Frauen = 2:1). Wendt be-
schreibt „Häuptling zu sein, sei eine Einladung zu Dickleibigkeit, Magen-
geschwüren, Schlaganfällen und Herzattacken “19a.
Die Samoaner sind bei weitem davon entfernt, in einer konfliktfreien, ag-
gressionslosen Gesellschaft zu wohnen. Die hohe Selbstmordrate muß als Aus-
druck unterdrückter Aggressivität in einer Gesellschaftsform mit hoher Streß-
belastung der Heranwachsenden gesehen werden. Meads These, das Leben der
Samoaner sei vor allem durch Zwanglosigkeit und einen ganz sanften Lebens-
rhythmus charakterisiert, muß als unhaltbar zurückgewiesen werden21.
Herrn Dr. Horst Cain bin Ich für wertvolle Anregungen dankbar22.
19 Wendt, A.: Pouliuli, Wellington, 1977, S. 16.
1!|a Wendt, A.: Pouliouli, Wellington, 1977, S. 331.
20 Maclaurin, B. P., T. E. M. Wardill, S. T. Fa’ainaso and M. McKinnon: Geographie
distribution of peptic ulcer disease in Western Samoa, N. Z. Med. J. 89, 1979,
S. 341.
21 Mead, M.: Anthropologists and what they do. New York, 1965, S. 141.
22 Cain, H.: Persische Briefe auf samoanisch, Anthropos 70, 1975, S. 617—626.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
23
BEOBACHTUNG UND METHODE
JOHANN STANISLAUS KUBARY ALS REISENDER
UND ETHNOGRAPH IM SPIEGEL SEINER BRIEFE
AN ADOLF BASTIAN
PETER PROBST, Berlin
„Der echte Reisende muß geboren sein, wie
der Dichter, und fast noch mehr dürfte dies
von dem Ethnographen gelten.“
Adolf Bastian, Über ethnologische Samm-
lungen, 1885
„Ethnologie ist eine Wissenschaft, in der
sich der Forscher vielleicht persönlicher
verbürgt, als in jeder anderen Wissen-
schaft.“
Michel Leins, Cinq Etudes d’Ethnologie,
1969
I Einleitung
Wie in der Geschichte anderer akademischer Disziplinen, so finden sich auch
in der Geschichte der Ethnologie eine Vielzahl namenloser Außenseiter und
vermeintlicher „Dilletanten“, die — zu Lebzeiten bestenfalls belächelt — ihrem
Fach in Wirklichkeit um Längen voraus waren. Ihre Würdigung stellt sich bis-
weilen erst posthum ein. Schlichtweg ignoriert oder in Vergessenheit geraten,
erfahren sie eine späte Rehabilitierung erst lange nach ihrem Tod. Einen dieser
„Fälle“ möchte ich im folgenden vorstellen. Anlaß dafür gab eine Untersu-
chung über die Frühgeschichte der Feldforschung deutscher Ethnologen, in deren
Verlauf ich auf den Namen Johann Stanislaus Kubary stieß. Eine intensivere
Beschäftigung mit den Arbeiten Kubarys zur Ethnographie Mikronesiens, die
sich hinsichtlich Methode und Fragestellung markant von den gegen Ende des
19. Jahrhunderts durchgeführten Forschungen absetzten, brachte in weiteren
Nachforschungen einen im Archiv des Berliner Museums für Völkerkunde auf-
bewahrten Briefwechsel zwischen Kubary und Adolf Bastian zu Tage, den ich
erstmalig bearbeiten konnte1. Diese von Kubary in den Jahren 1884 bis 1887
1 Für die freundliche Bereitstellung der Kubary-Briefe bin ich Herrn Dr. G. Koch,
Leiter der Abteilung Südsee des Museums für Völkerkunde Berlin, zu Dank ver-
pflichtet.
24
Probst, Johann Stanislaus Kubary
nach Berlin geschriebenen Briefe vermitteln einen nicht nur für die Wissen-
schaftsgeschichte interessanten Einblick in die gesellschaftlichen Formations-
bedingungen der deutschen Ethnologie. Sie zeigen auch etwas von den persön-
lichen Schwierigkeiten eines bislang weitgehend unbekannt gebliebenen Ethno-
graphen, der für sich allein die Methoden der stationären Feldforschung und
der teilnehmenden Beobachtung entdeckt, praktiziert und zur Grundlage von
theoretischen Einsichten gemacht hat, die in manchem auch heute noch dem
Forschungsstand gerecht werden, obschon die Fachwelt die Bedeutung dieser
Entdeckungen zu seinen Lebzeiten nicht verarbeiten konnte. So ist denn der
folgende Bericht keine bloße Marginalie zur disziplinhistorischen Aufarbeitung
der deutschen Völkerkunde. Er will auch Anreiz sein, sich erneut in der Ge-
schichte des Faches umzusehen. Zu entdecken, dessen bin ich sicher, gäbe es viel.
Abb. 1. Johann Stanislaus Kubary. Aus: Internat.
Archiv f. Ethnographie. Bd. 10. 1897. S. 133.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
25
II Lehen und Lernen
Die Zeit, in die Johann Stanislaus Kubary hineinwuchs, war eine Epoche,
die ihre neu erschlossenen Räume nicht nur mit den nüchternen Zielen der
Realpolitik besetzte, sondern auch mit der ganzen heimlichen Kraft ihrer Phan-
tasie. An die überall aus dem Boden sprießenden Zeitschriften, Bücher und Ma-
gazine, die über die fernen Kolonien berichteten, hefteten sich die farbigsten
Vorstellungen über jene exotischen Länder, deren Bewohner in vielerlei Aspek-
ten den Stoff für manch abenteuerliche Geschichte abgaben2. So mag es möglich
gewesen sein, daß auch der junge Kubary, angeregt durch diese Lektüre, auf
den Gedanken verfiel, sich jener unsicheren Existenz eines wissenschaftlichen
Reisenden zu verschreiben, die zu dieser Zeit die Kolonien durchkreuzten. In-
des gab es andere, handfestere Gründe, die ihn dazu veranlaßten, seine polni-
sche Heimat zu verlassen, und bereits im Alter von 22 Jahren in die „deutsche
Südsee“ zu reisen.
Als erstes Kind einer Deutschen und eines Ungarn wurde Johann Stanislaus
Kubary am 13. November 1846 in Warschau geboren3. Im Alter von sechs
Jahren verliert er den Vater. Die Mutter heiratet wenig später einen Polen.
Ständig kränkelnd besucht Kubary das örtliche Gymnasium und soll dort nach
dem Willen der Mutter seine Matura absolvieren, um später Jura zu studieren.
Er findet jedoch Interesse an der Anatomie und wählt die Medizin, für die er
sich, gerade erst 17 Jahre alt, an der Warschauer Universität einschreibt. Be-
reits zu Anfang seines Studiums gerät er in Kontakt mit dem dortigen Revolu-
tionskomitee, und, kaum zwanzig, wird er wegen des Verdachts der Teilnahme
an einer Verschwörung von den russischen Behörden verhaftet. Seine Frei-
lassung erfolgt mit Rücksicht auf seine große Jugend und schwächliche Konsti-
tution, aber unter der Bedingung, daß er politischer Betätigung in Zukunft ab-
schwören solle. Kurze Zeit später findet man ihn jedoch erneut verwickelt, und
nur durch eine waghalsige Flucht kann er sich einer abermaligen Verhaftung
entziehen.
Kubary geht nach Berlin zu Verwandten seiner Mutter. 1866 arbeitet er
eine Zeitlang bei einem Stukkateur und Bildhauer. Der Versuch, sein Medizin-
2 1828 prägte Heinrich Heine den Begriff der „Europamüdigkeit“. Im gleichen Jahr
erschien die erste Nummer der Zeitschrift „Das Ausland“. Dieses Genre setzte sich
fort: 1852; „Die Natur“, 1853: „Die Gartenlaube“, 1862: „Globus“, 1870: „Aus al-
len Weltteilen“, 1880: „Vom Fels zum Meer“ etc.
3 Zur Lebensgeschichte Kubarys vgl. J. D. Schmelz, Nekrolog auf Kubary, in: Inter-
nationales Archiv für Ethnographie, Bd. 10, 1897, S. 132—136; A. Krämer, Palau,
Bd. 1, Hamburg 1917, S. 143—149; L. Paszowski, John Stanislaw Kubary — Natur-
alist and Ethnographer of the Pacific Islands, in: Australian Zoologist, 16, (2), 1971,
S. 43—70.
26
Probst, Johann Stanislaus Kubary
Studium in Deutschland zu benden, verläuft ergebnislos. Ohne Aussicht auf Er-
folg zieht er nach Hamburg. Hier besucht er die Gewerbeschule und belegt
einen Kurs zur Ausbildung als Restaurateur. In diesem Zusammenhang lernt er
Vertreter des Museums Godeffroy kennen, eines kleinen Natur- und Völker-
kundemuseums, das sich aus den Einnahmen des im Kolonialgeschäft tätigen
Gründers speiste. Durch Vermittlung und Fürsprache erhält Kubary schließlich
eine Anstellung als „Sammler“, und im Auftrag des Hauses Godeffroy verläßt
er 1868 im Alter von 22 Jahren Europa, um die nächsten Jahre als „Natur-
forscher“ in der Südsee zu arbeiten.
Am 1. April erreicht er Samoa. Diese seine erste Begegnung mit der tropi-
schen Inselwelt der Südsee verläuft allerdings enttäuschend und ist von Kon-
flikten begleitet. Die ansässigen Händler, auf deren Unterstützung er gerechnet
hatte, verweigern ihm die für seine Aufgabe notwendigen Schiffspassagen für
den Besuch weiter entfernt liegender Inselgruppen. Als Sonderling und poten-
tieller Konkurrent betrachtet, lebt er außerhalb des Distriktzentrums und be-
treibt unterdessen erste Studien. Ein knappes Jahr später findet sich eine Ge-
legenheit, auf die Karolinen zu kommen. Zusammen mit Nosi, seiner samoani-
schen Haushälterin, geht die Reise über die Marshall-Inseln und Ponape, seine
spätere Heimat, nach Yap, wo er im November des Jahres 1870 eintrifft. Nach
dreimonatigem Aufenthalt reist er weiter nach Palau. Hier bleibt er insgesamt
zwei Jahre, und die auf dieser Insel gesammelten Erfahrungen sollen später den
Hauptbestandteil seiner wissenschaftlichen Arbeit bilden. 1873 kehrt er zurück
nach Ponape, reich bepackt mit über 100 Kisten seiner Sammlungen. Er trennt
sich von Nosi, und im August des folgenden Jahres bricht er nach Hamburg
auf. Unglücklicherweise jedoch geht durch einen Schiffbruch das meiste seines
Materials verloren. Um Monate verspätet, trifft er schließlich im Mai 1875 in
der Hansestadt ein.
Hier hatten seine bisherigen Funde und Berichte Anlaß zu großen Hoffnun-
gen gegeben, und kurz nach seiner Ankunft betraute man ihn mit neuen Auf-
gaben. Im Herbst des gleichen Jahres ist Kubary bereits wieder auf Ponape,
das von nun an sein Standquartier bilden sollte. Dort heiratet er auch Yelirt,
ein Halbblut, deren Verwandte mütterlicherseits einer ranghohen ponapeischen
Familie angehören. Aus dieser Ehe gehen zwei Kinder hervor. Eine Tochter,
die auf den Namen „Pelau“ getauft wird, und ein Sohn, der aber schon in
jungen Jahren stirbt.
Kubarys Schwerpunkt liegt nun in der intensiven Erforschung des Karolinen-
Archipels. In den darauffolgenden Jahren besucht er Nukuor, die Mortlocks
und Truk, wo ihn 1879 die Nachricht vom Konkurs des Hauses Godeffroy er-
reicht. Verbittert, niedergeschlagen und völlig mittellos kehrt er nach Ponape
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
27
zurück und versucht, auf seinem Besitz eine Pflanzung anzulegen. Ohne Erfolg
jedoch. Er verpfändet Hab und Gut und reist nach Japan. In Tokio findet er
für ein paar Monate eine Anstellung am dortigen Museum. Als diese ausläuft,
wechselt er über Hongkong nach Guam. Dort trifft er auf ein Schreiben aus
Holland, mit dem Angebot, für das Reichsmuseum Leiden zu sammeln. Kubary
geht nach Palau. Indes kommt es wegen unterschiedlicher Vorstellungen hin-
sichtlich finanzieller Fragen zu keinem Engagement. Wiederum ohne Einkom-
men, ist er auf das Wohlwollen der ansässigen Händler angewiesen. Für die
nächsten zwei Jahre lebt er zu Gast bei befreundeten Häuptlingen.
Aus dieser Lage erlöst ihn 1884, auf Antrag Adolf Bastians, das Berliner
Völkerkundemuseum. Doch auch hier löst man das Verhältnis bald wieder auf,
und 1885 übernimmt Kubary schließlich den Posten eines Stationsvorstehers auf
Kurakaul/Neuguinea. Noch im gleichen Jahr wechselt er mit seiner Familie
nach Konstantinhafen, wo er in den Dienst der „Deutschen Neu-Guinea Com-
pagnie“ eintritt. Während dieser Zeit hört seine wissenschaftliche Arbeit fast
völlig auf. Und nachdem auch hier sein Vertrag ausgelaufen ist, reist er 1891
mit Frau und Kind noch einmal nach Deutschland. Ein letztes Mal, denn kurze
Zeit später kehren die Kubarys nach Neuguinea zurück. Als man am Ende aus
gesundheitlichen Gründen nach Ponape heimkehrt, ist Kubary kaum noch Im
Vollbesitz seiner Kräfte. Tief trifft ihn, seine vor Jahren angelegte Pflanzung
im Aufstand gegen die spanische Kolonialherrschaft zerstört zu sehen. Anfang
Oktober 1896 entfernt er sich ohne weitere Ankündigung von zu Hause. Als
sein Verschwinden bemerkt wird, findet man ihn schließlich ein Stück außerhalb
des Hauses. Auf seiner verwüsteten Plantage hatte er neben dem Grab seines
Sohnes Hand an sich gelegt.
Kubarys wissenschaftliche Hinterlassenschaft umfaßt das breite Spektrum
ethnologischen Interesses seiner Zeit. Sie reicht von archäologischen Untersu-
chungen, über Fragen der sozialen Organisation bis hin zu Studien der Tatau-
ierung in Mikronesien4. Seine besten Arbeiten stammen aber aus seiner Zeit auf
Palau. In ihrer Anlage und Struktur sprechen sie die Sprache desjenigen, der
mehr bemüht war, die Gesellschaft in ihrem Kern zu erfassen, als sie — wie
Bastian seine Zeitgenossen kritisierte — erlebnislos und ungewürzt gleich einer
„Wassersuppe“ zu präsentieren5 *. Dabei mag der intime Charakter seiner Schrif-
ten durch den Umstand geprägt worden sein, daß er in seiner Eigenschaft als
„rupak“ (Häuptling), wozu er während seines ersten Aufenthaltes 1871 durch
4 Vgl. die in der Bibliographie aufgeführten Arbeiten Kubarys.
5 Vgl. A. Bastian, Besprechung von Darwins „Descent of Man“, in: Zeitschrift für
Ethnologie, Bd. 3, 1871, S. 133 ff.
28
Probst, Johann Stanislaus Kubary
die Freundschaft mit hochgestellten Persönlichkeiten ernannt wurde, in das
komplizierte Netz der Ämter und Titel der palauanischen Gesellschaft einge-
gliedert war. Entscheidender und ausschlaggebender ist aber die Art und Weise,
wie er die ihm zugetragene Rolle annahm und ausfüllte. Noch zwanzig Jahre
nachdem Kubary die Insel verlassen hatte, erzählte man Augustin Krämer,
dem zweiten Leiter der „Hamburger Südsee-Expedition“, die in den Jahren
von 1908 bis 1910 Mikronesien und Teile des Bismarck-Archipels erforschte,
daß er wie ein „echter ,rupak‘“, nur mit dem traditionellen „usaker“ (T-Binde)
um die Lenden bekleidet und dem unvermeidlichen Betelkorb unter dem Arm,
zu den Ratsversammlungen kam, um dort an den Geschehnissen der prakti-
schen Politik teilzunehmen8. Dies bestätigt auch ein Bericht von dem Mitglied
einer britischen Expedition, die Palau 1883 besuchte:
„This evening we were most agreeably surprised by the arrival of Mr. Ku-
bary, the Polish Naturalist from Malegojok. He came as King Arrakly’s
fully accredited Ambassador to the Captain, to treat him in any matter.
He was a short dark man, with black hair and beard, and used a con-
siderable amount of gesticulation . . . He wore spectacles, the rhims of
which he had made himself of tortoise-shell; they were of prodigious size
and gave him a very ludicrous appearance. The only other thing remark-
able about him was the peak of his cap, which was a magnificent piece
of tortoise-shell.“7
Ob sich zu dieser Zeit Kubarys Hoffnungen auf eine Tätigkeit für das Lei-
dener Museum bereits zerschlagen hatten oder nicht, läßt sich nicht mehr genau
ermitteln. Sicher ist jedoch, daß er seinen Aufenthalt für die ethnographische
Bestandsaufnahme Palaus nutzte, denn trotz der äußerlichen Angleichung an
seine Gastgeber fühlte er sich doch in seinem Selbstverständnis als ein Mann
der Wissenschaft. Daß er dieses weder verhehlen konnte noch wollte, zeigt sich
besonders deutlich während Kubarys ersten Besuchs auf Palau. Unvertraut mit
der politischen Struktur des Inselkomplexes traf er dort 1871 ein. Aufgrund der
kolonialen Situation stieß er auf ein politisches Kräfteverhältnis zu Gunsten
der mit den Europäern Handel treibenden Bezirke, die mit den anderen weiter
entfernt liegenden in einem permanenten Kriegszustand lagen. Kubarys Be-
wegungsfreiheit war damit als Gast des Bezirks Koror erheblich eingeschränkt
und seine Versuche und Bitten, ihn in feindliches Gebiet reisen zu lassen, ver-
schlimmerten nur noch den Argwohn, den man Europäern gegenüber hegte.
Nur durch eine streckenweise äußerst leidvolle und in manchem sicherlich auch
mit den Zügen kolonialer Impertinenz versehenem Mut zur Selbstbehauptung,
8 Vgl. A. Krämer, a. a. O., S. 148.
7 G. R. Le Hunte, Six Letters from the Western Pacific, Colombo, 1884, S. 54 f.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
29
konnte er sich seinen Platz als angesehenes Mitglied der palauanischen Gesell-
schaft sichern. Als Beispiel dafür sei hier eine Stelle aus Kubarys 1873 erschie-
nenen „Bericht über meinen Aufenthalt auf Palau“ angeführt:
„Als ich Koror verließ, hielt ich in einer Versammlung der Häuptlinge
einen Vortrag in der Palau-Sprache, den ich hier wörtlich übersetze:
Ich spreche und Du, Koror, höre zu! Bevor ich Koror verlasse, muß ich
Euch sagen, dass, wenn ich auch nicht böse bin auf Koror, so haben doch
Eure Sitten und Gebräuche mich und alle Weissen schmerzlich beleidigt.
Euer Benehmen ist blos Lüge auf jeden Tritt, und unsere Guthmüthigkeit
rechnet ihr uns für Dummheit an. Ihr nennt uns Rupak (Häuptling, Herr)
vor den Augen und Tingeringer (dumm, verrückt) hinter dem Rücken . . .
ich war anfangs unwissend, heute aber spreche ich Eure Sprache, und will
Eurem Treiben ein Ende machen. Mein Benehmen wird jetzt hart wie
Stein sein. Die Zeit der Geschenke ist vorüber. Ich lebe in Malakal fern
von Euch und will mit Euch nichts zu tun haben . . . Ich gebe Niemand
etwas für nichts . . . Dieser Teil von Malakal, wo ich jetzt lebe, ist ein Land
der Alemano, und alle Eure Sitten und Gebräuche hören dort auf. Ich will
aber gerecht sein und für den, der für mich gut ist, auch gut sein.“8
Kubarys Hineinwachsen in die palauanische Gesellschaft war langwierig und
mit vielen persönlichen Entsagungen versehen. Das Ergebnis dieses Lernprozes-
ses läßt sich jedoch ermessen, wenn man Kubarys Abhandlung „Die Socialen
Einrichtungen der Pelauer“ vor dem Hintergrund der neueren Ethnographien
über das „moderne“ Palau liest9. Sie zeigen eine Gesellschaft, die sich geändert
hat, die aber in ihren traditionalen Überresten vieles von dem, was Kubary
gleichsam „funktionalistisch“ der „sozialen Ordnung“ zugehörig erklärte, be-
stätigt, und ihn einer Einsicht verpflichtet, die über die seiner Zeitgenossen weit
hinaus ging.
III Kapital und Sitte auf Palau
„Die Frauen sind stark, wir Männer sind schwach“, so lautet das traditionale
Selbstverständnis eines Palauaners, und abseits des modernen Distriktszentrums
Koror hat sich darin noch kaum etwas geändert. Draußen auf den Dörfern in
Ngardman oder Meiekok sind es noch immer die Frauen, die — wenn auch auf
8 J. S. Kubary, Bericht über meinen Aufenthalt auf Palau, in: Journal des Museums
Godeffroy, Bd. 1, Heft IV, 1873, S. 184—185.
9 Vgl. H. G. Barnett, Being a Palauan, New York 1960; R. und M. Force, Just one
House, A Description and Analysis of Kinship in the Palauan Islands, Honolulu
1972; De Veerne Reed Smith, The Palauan Story Boards, in: Expedition, Magazine
of Archaeology and Anthropology, Vol. 18, Nr. 1, 1975, S. 2—17; in der folgenden
Skizze habe ich mich hauptsächlich auf diese Arbeiten gestützt.
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Probst, Johann Stanislaus Kubary
den ersten Blick nicht immer ersichtlich — den Mitgliedern der kleinen Sied-
lungsgemeinschaften ihre Identität und ihren existentiellen Sinn verleihen. Über
sie erhält der einzelne seinen Status als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft,
und über sie vermittelt sich die Zugehörigkeit zu dem die Endlichkeit des Indi-
viduums aufhebenden Geist der Ahnen. Im Alltag jedoch beherrschen die Män-
ner das Bild. Während die Frauen auf den Tarofeldern arbeiten, präsentieren
sich die Männer in den Dörfern im Bewußtsein wichtiger Aufgaben ernst und
gemessen. Die von ihnen wahrgenommenen Ämter des Lineagevorstands, des
Dorfoberhaupts oder des Klubleiters verlangen streng geregelte Umgangsfor-
men, die mit der Höhe der erreichten Position auch eine zunehmende Distan-
zierung von der Gesellschaft der Frauen zur Folge haben. Doch hinter dieser
Maske von Würde und formaler Beherrschtheit lebt der Ehrgeiz und das Ver-
langen nach Macht und Einfluß, Reichtum und sozialem Prestige. Die Wege
dorthin sind allerdings erschwert durch das Netzwerk der vielfältigen finan-
ziellen und wirtschaftlichen Verpflichtungen, in die der einzelne eingebettet ist.
Einzelaktionen haben daher keine großen Erfolgsaussichten, denn gemäß der
traditionalen Sitte verlangen die zum Unterhalt erforderlichen Leistungen im-
mer einen An- bzw. Verkauf der erwünschten Güter. Deren Preis ist allerdings
fest und beständig, so daß die solcherart betriebenen Transaktionen eher einen
Tauschcharakter haben, der die an ihnen beteiligten Personen und Personen-
gruppen zueinander in ein Verhältnis der kontrollierten Rivalität setzt. Das
an uralte Mythen geknüpfte „Geld“ ist dabei auch heute noch im Umlauf. Es
umfaßt eine quantitativ begrenzte, aber dennoch verwirrende Vielzahl von
Glasperlen, Emaille- und Porzellanscheiben, alle von so unterschiedlicher Ge-
stalt und Wert, daß es beinah tröstlich wirkt zu hören, daß auch der einfache
Palauaner — heute mehr denn je — nur einen Bruchteil sämtlicher Geldsorten
kennt. Die Schwierigkeit, alle einzelnen Stücke genau zu identifizieren, ihren
Wert richtig einzuschätzen, sie von Fälschungen unterscheiden zu können und
vor allen Dingen richtig einzusetzen, stellt geradezu eine Kunst dar, die zwar
nur wenige wirklich beherrschen, die aber alle — so lautet zumindest die Ma-
xime — bemüht sind anzustreben. Das Streben nach Geld und dem damit ver-
bundenen Prestige ist denn auch bis heute das dominierende Element allen so-
zialen Handelns. Verwandtschaftliche Beziehungen werden unter diesem Ge-
sichtspunkt als ein Instrument gesehen, Status und Ansehen zu erlangen. In
ihren begrifflichen Unterscheidungen drücken sie dabei eher den Aspekt des
jeweiligen Grades an Macht aus, als Gefühle der Zuneigung und Solidarität.
Palauaner, die ihr Konzept der Matrilinearität versuchen in Worte zu fassen,
sagen daher, daß die Kinder der Schwester eines Mannes stärker sind als seine
eigenen. Und „Stärke“ bedeutet auf Palau soziale und politische Überlegenheit,
ßaessier-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
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letztlich immer Besitz des einheimischen Geldes. Die hierin zugrunde liegende
Gefahr der einseitigen Machtanhäufung findet ihre gesellschaftliche Reaktion
in dem diesem Konfliktpotential entgegenstehenden System des institutionellen
Gleichgewichts. So ist eines der hervorragendsten Merkmale Palaus ein auf
nahezu allen Ebenen ausgeprägter Dualismus. In diesem System fällt die soziale
und politische Ordnung weitgehend zusammen, und das sie prägende Prinzip
der Gegenseitigkeit zeigt sich besonders deutlich in der räumlichen Anordnung
eines Dorfes. Nähert man sich einem solchen von der Seeseite, so trifft man
zuerst auf die mit Steinen befestigte Uferanlage, an deren beiden Enden sich
die Anlegestellen für die zwei Hälften des Dorfes befinden, dessen Häuser sich
landeinwärts gegenüberstehen, um erst am Ende durch den in der Mitte liegen-
den Versammlungsplatz ein abgeschlossenes Ganzes zu bilden. An diese beiden
Sektionen der Siedlung knüpft sich der Landbesitz des Dorfes. Seine Aufteilung
erfolgt gemäß der Hierarchie der ansässigen Clans (meist zehn), deren Mit-
glieder in matrilinearen Abstammungsgruppen unterschiedlicher Größe (Linea-
ges/Sub-Lineages) zusammengefaßt sind, die ein eigenes Titelhaus („blai“) be-
wohnen. Auf die beiden Seiten des Dorfes verteilt, steht dabei ein „blai“ dem
anderen gegenüber, und gemäß einer genau geregelten Relation von Clan 1 zu
Clan 2, Clan 3 zu Clan 4, Clan 5 zu Clan 6 usw. ergibt sich so eine Trennung
in zwei unterschiedliche, miteinander konkurrierende exogame Allianzsysteme,
die als jeweils gleich stark angesehen werden. Die politische Autorität kommt
darin dem männlichen Oberhaupt des ranghöchsten Clans zu, der in seinen
Entscheidungsbefugnissen durch eine aus den Vorständen („rupak“) der anderen
„blais“ zusammengesetzten Ratsversammlung kontrolliert wird. Darin sind alle
Mitglieder gemäß der oben erwähnten Zuordnung durch ein vorgeschriebenes
Freundschaftsverhältnis mit dem ihnen auf der anderen Seite des Dorfes gegen-
überstehenden „rupak“ gebunden. Analog dazu sind die Frauen ebenfalls durch
eine Ratsversammlung vertreten. Ihr aktiv politischer Einfluß ist vergleichsweise
gering, doch sind sie es, die die sozialen Werte der Gesellschaft bewahren, und
bei den öffentlichen Zeremonien stellen sie die Protagonisten der rituellen Dra-
maturgie.
In solch einem palauanischen Dorf bildeten früher die nach Geschlecht und
Alter der Bevölkerung organisierten Klubs die Zentren des sozialen Lebens.
Doch der der westlichen Welt eigentümliche Individualismus hat auch die tra-
ditionale Gesellschaft Paulus erfaßt, und heute erscheint das das Gemeinschafts-
ethos pflegende Klubwesen stark geschwächt. Korrespondierend zu dem das Zu-
sammenleben prägenden Dualismus waren sie einst auf die beiden Seiten des
Dorfes verteilt — meist jeweils drei pro Seite und in einem gegenseitigen Kon-
kurrenzverhältnis zueinander stehend, das auch hier durch vorgeschriebene
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Probst, Johann Stanislaus Kubary
Freundschaftsverhältnisse kontrolliert war. In den geräumigen, reich verzierten
und nur den Männern zugänglichen Klubhäusern diskutierte man die ihnen auf-
getragenen Gemeinschaftsdienste, erörterte Pläne über eventuelle Kriegszüge in
benachbarte Dörfer, deren Erfolg das Prestige und Ansehen des Clubs nach-
haltig steigerte, oder vergnügte sich auch nur mit den im Hause anwesenden
„armengol“, jungen Mädchen, die eine Zeitlang — natürlich auch gegen Be-
zahlung — dem Klub als Gesellschafterin dienten. Diese Klubs („kaldehekel“)
verfügten über die Sanktionsgewalt im Dorf und waren in ihrer inneren Struk-
tur dem Muster des Dorfrats nachgebildet. Dies bedeutete, daß ihre Anführer
mit dem Dorfhäuptling verwandt waren, der sie einerseits mit der Überwa-
chung der sozialen Ordnung beauftragte — Verstöße wurden mit Geldbußen
bestraft —, wie sie ihn andererseits durch ihre weitgehende Eigenständigkeit
in der Ausübung seiner Pflichten kontrollierten.
Die in dieser Art organisierten Gemeinden waren, und sind es in gebrochener
Form bis heute, autonom. Sie bildeten jedoch mit den anderen Siedlungs-
gemeinschaften Konföderationen, innerhalb derer die einzelnen Dörfer, gemäß
der Rangfolge der in ihnen ansässigen Clans, hierarchisch geordnet waren.
Die hier gegebene Skizze gleicht weitgehend jenem Palau, wie es Kubary
gegen Ende des 19. Jahrhunderts vorfand, und in der Tat hätten hier an eini-
gen Stellen genauso gut Auszüge aus seinen Arbeiten stehen können. Was ihn
jedoch in erster Linie beschäftigte, waren die sozialen Beziehungen der Men-
schen untereinander, die er in ständigem Kontakt und Umgang mit ihnen
kennenlernte, und deren Handeln und Verhalten er im Kontext ihrer „Socialen
Einrichtungen“ zu erklären versuchte. Von der Tradition der evolutionistischen
Ethnologie geprägt, konnte er sich dabei zwar mitunter einer historischen Er-
klärung sozialer Tatbestände nicht enthalten, aber eben auch dieser Tradition
sind seine Beobachtungen der familiären Beziehungen zu verdanken.
Verwandtschaft, dies hat Kubary mehr intuitiv gespürt, als daß er es zum
Gegenstand einer analytischen Reflexion gemacht hätte, bildet die Grundlage
für die sozialen Beziehungen in Stammesgesellschaften. Wohl aber war er be-
müht, ihre Bedeutung für den einzelnen in bezug auf sein soziales Verhalten
hervorzustellen. Daß ihn in diesem Zusammenhang der Aspekt der ökonomi-
schen Organisation besonders interessierte, verdankt sich einerseits dem auf Pa-
lau ausgeprägten Streben nach Geld als Mittel zu sozialem Aufstieg, wie auch
Kubarys persönlichem Verhältnis zu Fragen des wirtschaftlichen Unterhalts.
Der leidvollen Erfahrung finanzieller Not am eigenen Leib bewußt, erschien
ihm dabei die palauanische Regelung des Problems von „Arbeit und Kapital“,
Bacssler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
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wie er es nannte, von solcher Tragweite, daß er ihr über das ethnographische
Interesse hinaus einen politischen Stellenwert beimaß:
„Die ausführliche Betrachtung der sozialen Verhältnisse der Pelauer, die
in einem anderen Aufsatze geschehen, weist in der primitiven Einrichtung
derselben manche Anklänge an die Tendenzen der europäischen sozialisti-
schen Regungen auf, deshalb dürften auch erstere nur von um so größerem
Interesse sein, als beweisend, daß das Streben nach einem gesicherten, ge-
ordneten und gleichberechtigten Dasein dem menschlichen Geschlechte schon
in sehr frühen Stadien seiner Existenz eigen war.“10 11
Tatsächlich spielen in dem erwähnten Aufsatz die beiden Begriffe des „Dua-
lismus“ und „Antagonismus“ eine zentrale Rolle. Eingehend beschäftigt er sich
dort mit der fein gegliederten Rangordnung innerhalb der Gesellschaft. Diese
sei zwar hierarchisch gestaffelt, aber:
„Von einem Eintheilen des Volkes in Stände oder Klassen, von Adel in
unserem Sinne, kann bei den Pelauanern keine Rede sein, denn wenn auch
die obersten Häuser eines Dorfes dessen Aristokratie bilden, sind sie an-
dererseits in Hinsicht auf ihre Rechte mit dem letzten Hause des Dorfes
gleichgestellt. Die hervorragendsten Züge der sozialen Ordnung sind Alter
und Federation und kann das Auffassen der Häuptlinge als Fürsten oder
Könige nur einen rein subjektiven Sinn haben.“11
Es war wohl, in abstrahierter Form, der Zusammenhang zwischen Geld und
Bewußtsein, der Kubary auf Palau faszinierte. Man kann die unterschiedlichen
„Entwicklungsstufen“ des „menschlichen Geschlechts“, die ihm hierbei vor
Augen standen, an zwei Zitaten verdeutlichen, deren Autoren, der eine dem
anderen quellenmäßig verbunden, jeweils für sich die entsprechenden Gesell-
schaftstypen charakterisierten. 1884 schreibt Kubary auf Palau, es bestehe:
„ . . . in dem Betragen der Menschen eine genaue Gemessenheit und Be-
rücksichtigung einer unerschütterlichen Ordnung, in welcher das Individu-
um seiner Stellung und der gebührenden Handlungsweisen sich immer be-
wußt ist . . . Andererseits wird ein jeder Vortheil als ein gemeinschaftlicher
betrachtet und wird dessen gemeinschaftliche Nutzniessung durch ein der
gestuften Anordnung proportionales Verthellen angestrebt.“12
15 Jahre später formuliert Georg Simmel, der die Arbeiten Kubarys kannte
und sich an einigen Stellen seiner „Philosophie des Geldes“ auf sie bezog:
„Das wachsende Selbstgefühl des modernen Arbeiters muß damit Zusam-
menhängen: er empfindet sich nicht mehr als Person untertänig, sondern
10 J. S. Kubary, Ethnographische Beiträge zur Kenntnis der Carolinen, Leiden und
Leipzig, 1895, S. 23.
11 Ders., Ethnographische Beiträge zur Kenntnis der Carolinischen Inselgruppe und
Nachbarschaft, Heft 1, Die Socialen Einrichtungen der Pelauer, Berlin 1885, S. 72.
12 Ebd., S. 71 f.
3 Baessler-Archiv XXXI
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Probst, Johann Stanislaus Kubary
gibt nur eine genau festgestellte — und zwar auf Grund des Geldäquiva-
lentes so genau festgestellte Leistung hin, die die Persönlichkeit, als solche
gerade um so mehr freiläßt, je sachlicher, unpersönlicher, technischer er
selbst und der von ihr getragene Betrieb ist.“13
Es war jene „sachliche Persönlichkeit“, jener „unpersönliche Betrieb“ der eige-
nen Gesellschaft, der Kubary die Besonderheiten der fremden Gesellschaft be-
wußt machte. Und in diesem Sinne waren es gerade die vielfältigen und häufig
spannungsgeladenen Verpflichtungen in einer Gesellschaft mit stark personali-
siertem Bezugsrahmen, die Kubary immer wieder hervorhob. Dabei bildete die
„Sitte“ für Kubary die Basis des Zusammenlebens, und vor deren Hintergrund
wollte er die Palauaner gesehen haben. Aber wie und auf welche Weise wird
sie von ihnen verinnerlicht, wie erhält sie ihre fraglose Gültigkeit? Daß er sich
diese Frage gestellt haben muß, geht aus dem Aufbau seiner Arbeiten hervor.
Wie ist die Familie beschaffen, wie wächst der einzelne heran, was für Institu-
tionen spielen in seinem Leben eine Rolle, wie sind sie intern organisiert, wel-
ches ist ihre Funktion, und wie greifen sie ineinander — dies sind die Punkte,
die zu beantworten er bemüht war. Im folgenden will ich eine exemplarische
Stelle dafür herausgreifen.
In seiner Abhandlung „Die Socialen Einrichtungen der Pelauer“ schildert
Kubary den Prozeß des Erwachsenwerdens. Indem er die unterschiedliche
Stellung der Geschlechter aufzeigte, betonte er den sozialökonomischen Wert
der Frauen, die bereits im Kindesalter auf ihre zukünftige Rolle in der Gesell-
schaft eingewiesen werden.
„Aehnlich wie der Knabe wächst das Mädchen in der ersten Periode des
Lebens unter der blinden Liebe seitens der Eltern auf, während jedoch der
Sohn bald sich selbst und dem gemeinschaftlichen Leben mit seinen Ge-
fährten überlassen wird, bleibt das Mädchen unter der steten Aufsicht der
Mutter. Schon als kleines Kind bekommt sie einen Vorderschutz, und kann
sie vollends gehen, so wird der Schutz kompletiert; der Knabe dagegen
läuft herum bis ca. 8 Jahren, ohne Anstoß zu erregen. Während der letz-
tere nun beinahe nutzlos für das Haus aufwächst, wird das Mädchen schon
frühzeitig nützlich, indem sie die Kinder wartet und das Haus bewacht
und sobald sie etwas größer wird, begleitet sie ihre Mutter und Groß-
mutter nach der Taropflanzung.
In fortwährender Berührung mit den ältesten Frauen des Hauses, deren
freie Redeweise sie hört und nachahmt, ist sie schon früh Gedanken reif
und sie ist sich ihrer Bedeutung und ihrer Aufgabe schon als unreifes Kind
bewusst. Sie weiß, dass sie die ,Gerger‘ die Quelle für das Haus werden
soll und sie weiss, dass ihre ,Gerger‘ wieder die Männer sein sollen.“14
13 G. Simmel, Philosophie des Geldes, München und Leipzig, 1922, S. 362.
14 Kubary 1885, a. a. O., S. 50.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
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Hier ist ein Konflikt vorgezeichnet, der im Spannungsfeld zwischen Abstam-
mung und Heirat zum Ausdruck kommt. Die Ehe war denn auch für Kubary
ein ständiger Anlaß, ihren „nüchternen“ Geschäftscharakter zu betonen. „Als
ein Instrument betrachtet“, so schreibt er, sichert sie „dem Manne den Unter-
halt und der Frau oder vielmehr den Eltern eine beständige Nutzniessung von
Vortheilen“. Statt emotionaler Zuneigung herrschten vielmehr „Rücksichten
der gegenseitigen Nützlichkeit vor und bei dem Abhandensein derselben kann
sie nicht bestehen“15. Wir müssen uns in diesem Zusammenhang noch einmal
vor Augen halten, daß beide Ehepartner aus unterschiedlichen matrilinearen
Abstammungsgruppen kommen — die Kinder gehören zur sozialen Gruppe der
Mutter, und das Eigentum wird in weiblicher Linie vererbt —, die Frau aber
bei der Heirat zu ihrem Mann zieht, wo sie zur Vermehrung seines Reichtums,
respektive des seiner Verwandten mütterlicherseits, arbeitet. Ein Umstand, der
letztere verpflichtet, eine Entschädigung an die Abstammungsgruppe der Frau
zu zahlen. Eingehend schildert Kubary die aus diesem Verhältnis entstehende
Regelung wirtschaftlicher Transaktionen, um schließlich auf die gespaltene
Rolle des Mannes zu sprechen zu kommen, dessen Weg von der Jugend bis ins
Alter er mit knappen Worten skizziert:
„Den Lebensgang eines Mannes verfolgend, finden wir dass er seine Ju-
gendzeit sozusagen ohne Unterkunft verbringen muss. In dem Haus des
Obuküls (Haushaltsvorstand, P. P.) oder der Eltern ist er nur ein täglicher
Gast, zur Nacht muß er in dem Bay schlafen, nicht bloss weil er ein Mit-
glied des Kaldebekels (Klub, P. P.) ist, sondern weil es die Sitte ist, die
jungen Angehörigen während der Nacht von dem Hause der Alten abzu-
halten. Auch der junge Ehemann kann nicht die Ruhe mit seiner Frau im
Haus der Schwiegereltern theilen, sie müssen für die Nacht weg nach einem
anderen verlassenen Haus, bis die Zeit kommt, dass er sich in seiner Hei-
math bequemer einrichten kann. Hier aber hat er es nicht besser, denn das
Kaldebekel-Wesen nimmt den grössten Theil seiner Zeit in Anspruch und
beherrscht vollständig seine Lebensart und seine Ansichten. Wie bei den
alten Griechen nehmen die Angelegenheiten der Gemeinde seine Aufmerk-
samkeit in Anspruch und alles ist ihm ,örryor‘, Staatsbeschäftigung, die
ihm kaum erlaubt, für das Haus einige Fische zu fangen. So lebt er fort,
umsonst sich bemühend die widerstrebenden Elemente in seiner Existenz
zu einem harmonischen Ganzen zu vereinigen. Der Begriff des Stammes
macht die eine Hälfte seines Lebens aus, sein Eheleben eine andere; zwi-
schen beiden geht er durch, ein Kind der Gegenwart, für die Zukunft
nichts leistend.“16
15 Ebd., S. 54 ff.
16 Ebd., S. 62 f.
3*
36
Probst, Johann Stanislaus Kubary
Kubarys Schilderung reflektiert die unterschiedlichen Verpflichtungen und
Normen, denen sich der einzelne als soziale Person gegenüber sieht. Gleichwohl
entwickelte er aus dieser Einsicht kein gesamtgesellschaftliches System der so-
zialen Beziehungen. Nach einem Verzeichnis der Verwandtschaftsnamen etwa
sucht man vergebens. Es erschien ihm dies auch gänzlich überflüssig, denn in
Kubarys Verständnis der palauanischen Gesellschaft war es allein die bindende
und alles regelnde Kraft der „Sitte“, die das Zusammenleben der Menschen ge-
staltete.
Kubary hat seine Beobachtungen und Ergebnisse nach dem Wert und der Be-
deutung dessen geordnet, was er vor Ort als wichtig erfuhr. Damit jedoch stell-
ten sich seine Schriften quer zu der Systematik der Forschungen seiner Zeit,
die ihre Objekte dem starren Schema ihrer Fragebögen unterwarfen, um durch
die so gewonnenen Daten eine größtmögliche Vergleichbarkeit zu erhalten, mit-
tels derer man hoffte, Aufschluß zu bekommen über Fragen der „Stufenbil-
dung“, „Variabilität“ und ähnliches mehr. Der langsam auftauchenden Einsicht
in die Komplexität und Kontextgebundenheit der einzelnen Fakten bemühte
man sich dabei mit der größtmöglichen Ausführlichkeit ihrer Erfassung gerecht
zu werden. Als sich Krämer eine Generation nach Kubary insgesamt neun
Monate lang auf Palau aufhielt, hatte er am Ende Material für fünf dicke
Bände erarbeitet, die an einigen Stellen die Kubarysche Hinterlassenschaft er-
heblich erweiterten17. Während jedoch Krämers Gegenstand, im Verein mit der
überwiegenden Mehrheit der damaligen Ethnologen, jene „Söhne der Wildnis“
waren, derer sich am besten ein „Kolonialwissenschaftliches Forscherheim für
Menschenbiologie und Naturwissenschaften“ annehmen sollte18, hat Kubary die
Eigenständigkeit der fremden Kulturen und die Herausforderung, die sie auf
die zivilisierte Welt darstellen, in der Teilnahme an ihrem Leben am eigenen
Leib erfahren. „Pelau“, dies war für ihn nicht nur der Name irgendeiner exo-
tischen Insel. Von ihren Menschen betroffen, benannte er nach ihr auch seine
Tochter.
IV Der „Fall“ Kubary oder „Gone Native“
Als einer der ersten seiner Zeit bleibt es Kubarys Verdienst, die primitiven
Objekte vorgeschichtlicher Historiographie von der kolonialen Peripherie ins
Zentrum eines neuen Fremdverständnisses gerückt zu haben. Nur wenige haben
diesen Wert seiner Forschungen erkannt und zu würdigen gewußt. Zu ihnen
17 A. Krämer, Palau, 1.—5. Teilband, Hamburg 1917, 1919, 1926, 1929.
18 Vgl. ders., Gouvernementale Übergriffe in ethnographische Arbeitsgebiete und Mittel
zur Abhilfe, in: Globus, Bd. 96, 1909, S. 266.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
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gehörte J. D. Schmelz, Leiter des völkerkundlichen Museums in Leiden und mit
Kubary seit dessen Zeit in Hamburg bekannt. 1897 veröffentlichte er im „In-
ternationalen Archiv für Ethnographie“ einen Nekrolog auf Kubary. Aus seiner
Feder erhalten wir das Portrait einer wechselhaft euphorisch-impulsiven, wie
wohl auch mitunter unerwartet depressiven Persönlichkeit, im sozialen Umgang
schwierig, aber dennoch gewinnend und liebenswert im Wesen. Seinen Nekrolog
widmete er Kubary als eine „Palme des Überwinders“, die er niedergelegt wis-
sen wollte auf „sein einsames Grab, auf ferner Insel im Stillen Ocean“19. Mit
dem Begriff des „Überwinders“ hatte Schmelz die Einsicht zum Ausdruck
gebracht, daß Kubary jenen Widerstand durchbrochen hatte, der in der Erfor-
schung der „Wilden“ als Teilnehmer an ihrem Leben nahezu alle Versuche dazu
an der Angst vor den Konsequenzen scheitern ließ. Nicht zufällig verbanden
sich denn auch die Verweise auf Kubarys späte Neigung zur Trunksucht häufig
mit der tadelnden Erwähnung seiner Ehe mit einem „Halbblut“. So beispiels-
weise in der bereits erwähnten vierbändigen Palau-Monographie Augustin
Krämers. In der kurzen Biographie Kubarys, die man im ersten Band dieses
Werkes findet, konnte Krämer nicht umhin, Kubarys offensichtlichen Alkoho-
lismus mit der Bemerkung zu kommentieren:
„Es ist so recht ein Beispiel, wie ein weißer Mann durch den schlechten
Einfluß eines Halbblut-Mädchens zugrunde gehen kann; eine Weiße hätte
ihn vor seinem Schicksal bewahrt.“20
Für die unter dem Einfluß der Rassenbiologie stehende Zeit übte eine solche
Verbindung eine unheimliche Faszination aus. Ein Leben in den Tropen schien
die Möglichkeit des Verzichts auf heimatliche Identitätsattribute auszuschließen
und diejenigen, die sich diesen Vorstellungen eines kolonialen Lebensstiles ent-
zogen, erregten immer wieder das nach Entartung und Verfall gierende Inter-
esse der Öffentlichkeit. Hinsichtlich des Zugangs zum ethnographischen Material
blieb dabei auch die akademische Gemeinde der Völkerkundler in jener Hal-
tung von moralischer Distanz und persönlicher Neugier verhaftet, die sich in
der Ambivalenz zum Gegenstand auf die Ambivalenz von wissenschaftlichem
Interesse und körperlich-geistiger Gesundheit reduzierte. In der Planung und
Durchführung der damaligen Expeditionen stand das physisch-psychische Wohl-
ergehen der Teilnehmer im Vordergrund und erst an zweiter Stelle rangierte
der Kontakt zu den „Eingeborenen“21. In der Tat gewinnt der Leser in Stil und
Gehalt einer großen Zahl der damaligen ethnographischen Berichte den Ein-
19 J. D. Schmelz, a. a. O., S. 136.
20 A. Krämer, 1917, a. a. O., S. 148.
21 So schrieb, wohl in Erinnerung an seine eigenen Erfahrungen in der Südsee gegen
Ende des 19. Jahrhunderts, der Inaugurator der Hamburger Südsee-Expedition Ge-
38
Probst, Johann Stanislaus Kubary
Abb. 2. Johann Stanislaus Kubary und seine Frau (geb. Yelirt) im Jahre 1882. Aus:
A. Krämer, Palau. 1. Teil-Bd. Erg. d. Südsee-Expedition 1908—1910. II. B. Bd. 3.
Hamburg 1917. Tafel 2.
druck des Flüchtigen, Beiläufigen und im nebenbei Erhaschten. In der Regel
begnügte man sich mit der sorgsamen Bestandsaufnahme der materiellen Kul-
tur, und abgesehen von der mehr oder weniger anekdotischen Erwähnung
org Thilenius: „Die körperliche Gesundheit des einzelnen ist . . . eine Voraussetzung
der vollen Erfüllung der gestellten Aufgabe, und so wird die uneingeschränkte Tro-
pentauglichkeit die Grundbedingung der Teilnahme an der Reise. Das tropische
Klima ist aber auch für die seelische Verfassung zumal des geistig arbeitenden Euro-
päers nicht weniger als unerheblich. Die kaum schwankende Luftwärme, die starke
Strahlung und die außerordentliche Luftfeuchtigkeit wirken nicht bloß auf den Kör-
per, sondern auch auf die psychische Arbeitsfähigkeit und Arbeitsleistung. Dabei be-
deutet die Versetzung aus dem gemäßigten in das tropische Klima eine Verschlechte-
rung des seelischen Befindens . . . Das gesamte Gleichgewicht wird durch Reizbarkeit,
rasche Ermüdung, Verdrossenheit und mancherlei andere Symptome der Erregung
und Erschlaffung aufgehoben, dazu kommen allerlei wiederum das subjektive Wohl-
befinden beeinträchtigenden physischen Störungen, wenn selbst eigentliche Erkran-
kungen ausbleiben.“ G. Thilenius, Der Plan der Expedition, in: ders. (Hrsg.), Ergeb-
nisse der Südsee-Expedition, Bd. 1, Allgemeines, Hamburg 1927; vgl. dazu auch den
eindrucksvollen Hintergrundbericht Hans Fischers, Die ITamburger Südsee-Expe-
dition, Über Ethnographie und Kolonialismus, Frankfurt 1981.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
39
naturvölkischer Stereotypen berichtete man über die sozialen Verhältnisse der
besuchten Kulturen nur knapp und stichpunktartig. Diese Reduzierung auf zu-
meist oberflächliche Fakten verdankte sich nun allerdings außer den zeitspezi-
fisch-wissenschaftlichen Fragestellungen nicht zuletzt auch den der damaligen
Zeit eigentümlichen Vorstellungen über das, was ethnographisch zumutbar er-
schien, respektive unzumutbar und darüber hinaus sogar als verderblich galt.
Denn die die Erhaltung der Arbeitsfähigkeit gefährdenden „Bakterien der
Wildnis“ glaubte man im Dunstkreis einer quasi physischen Infektion zu orten,
die auf eine — wie „Fälle“ wie Kubary zu belegen schienen — moralische
Unglaubwürdigkeit hinauslief. Diese Zweideutigkeit war nicht begrifflich aus-
gedrückt, man erlebte sie aber in der Qualität der halb physischen, halb psy-
chischen Furcht, der die Vorstellung des Unreinen und Schmutzigen anhaftete.
In diesem Sinne macht das symbolische Weiß des obligatorischen Tropenanzugs
die imaginäre Dimension „moralischer Befleckung“ sichtbar, deren Tilgung eben-
falls nur wieder symbolisch geschehen konnte22. Die Arbeit im Unreinen impli-
zierte die Betonung der Reinheit im davon Freigesetzten, und die innere Ver-
schmutzung im Feld korrespondierte mit den Zeichen der äußeren Sauberkeit
im Kreis der Gefährten23. Feldforschung im heutigen Sinn — und im Sinne
Kubarys — dies war in den Augen der überwiegenden Zahl der damaligen
Ethnologen eine Garantie für die Verrottung von Leib und Seele. Dabei muß
man sich vergegenwärtigen, daß die Verweigerung gegen diese Art ethnologi-
scher Forschung im Einklang stand mit den Einstellungen jener Zeit hinsichtlich
der tropischen Lebensbedingungen, die in Form des kolonisatorischen Problems
der „Acclimatisation“ und des „Tropenkollers“ seit dem Ende des 19. Jahr-
hunderts immer mehr in den Blickpunkt des öffentlichen Interesses gerieten.
22 In seinem Roman „Die Rettung“ hat Joseph Conrad einmal die stille Symbolik die-
ser Kleidung in dem Bild des alten Jörgensen festgehalten: „Von Kopf bis Fuß in
einen Anzug von makellosem Weiß gekleidet“, schildert er ihn dort „so fleckenlos
sauber, wie eine Geistererscheinung, die unzugänglich ist, für die unreinlichen Be-
rührungen mit der Materie.“ J. Conrad, Die Rettung, Frankfurt 1981, S. 212.
23 In dem kolonialen Selbstverständnis der damaligen Zeit stand die darin vorgege-
bene soziale und moralische Distanz zu den kolonisierten Gegenständen des Inter-
esses Im Widerspruch zu der wissenschaftlichen Pflicht des Forschers, sich auf sie
einzulassen. Der moralische Widerspruch, der in dieser Situation lag, fand dabei —
wie sich geradezu exemplarisch am Beispiel der Hamburger Südsee-Expedition zei-
gen läßt — seinen Niederschlag in den ritualisierten Waschungen, derer man sich nach
der „schmutzigen“ Arbeit im Feld unterzog, wenn man sich am Ende eines anstren-
genden Tages wieder auf das Expeditionsschiff begab: „Die Boote wurden gehißt,
die Gewehre und Revolver entladen und gereinigt und jeder ging in seine Kammer,
warf den stets triefenden Khakianzug in eine Ecke und erschien nach kurzer Zeit
gesäubert und im weißen Anzug zur Mahlzeit.“ H. Vogel, Eine Forschungsreise im
Bismarck-Archipel, Hamburg 1911, S. 36.
40
Probst, Johann Stanislaus Kubary
Als im Jahr 1885 Joseph Conrads Erstlingswerk „Almayers Wahn“ erschien,
war dieser bereits fester Bestandteil der medizinischen Forschung. Unter dem
Aspekt der fortschreitenden Kolonisation beschäftigte man sich mit dem Pro-
blem des „Tropenkollers“ und der „Acclimatisationsfähigkeit der weißen Rasse
an das tropische Klima“. Fragebögen wurden verschickt, statistische Erhebun-
gen über die Sterblichkeitsrate in den Kolonien gemacht und anatomische Un-
tersuchungen an in den Tropen Verstorbenen durchgeführt. Es verging kaum
ein Jahr, in dem nicht eine neue Theorie erstellt oder wieder verworfen wur-
de24. „Der Mensch in den Tropen“ war ein äußerst umstrittenes Problem. Aus
der Sicht der Rassehygieniker war die Frage nach einer dauerhaften Besiedlung
der kolonisierten Gebiete ein entschiedenes Nein. Denn selbst wenn man nicht
unbedingt anatomische Veränderungen feststellen könne, so leide doch die gei-
stige Fähigkeit des Europäers, und eine vollständige „Acclimatisation“ wäre
wohl auf lange Sicht nur durch „Rassenvermischung“ möglich — eine Aussicht,
die mit der damit verbundenen Schädigung des völkischen Erbguts alles Wei-
tere zu beantworten schien25. Doch auch aus anderen Ecken regte sich Kritik.
Virchow und Bastian beispielsweise lehnten zwar den rassehygienischen Gedan-
kengang ab, verhielten sich aber auch reserviert gegenüber der „Colonial-
schwärmerei“ ihrer Zeit26. Während es für Bastian eine schlichte “Colonial-
weisheit“ war, daß ein Deutscher in den ungesunden Breitengraden der Ko-
lonien nur begrenzt leben könne, ohne an Leib und Seele schaden zu nehmen27,
stellte sich für Virchow, der ebenfalls vor den Gefahren der Tropen warnte,
das Problem eher als eine Aufgabe der medizinischen Forschung28. Im Auftrag
der kaiserlichen Marine führte er ausgiebige Untersuchungen über die „Physio-
logie der Acclimatisation“ durch, mit dem Ziel, die „Bakterien der Wildnis“
zu finden, welche, einmal davon infiziert, bei den in den Tropen lebenden
Weißen pathologische Wesensveränderungen erkennen ließen29. Virchows For-
schungen blieben indes ohne Ergebnis, und von Seiten des Reichsmarineamtes
löste man das Problem schließlich mit dem alljährlichen Austausch der Schlffs-
24 Vgl. C. Andree, Geschichte der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie
und Urgeschichte 1869—1969, in: H. Pohle und G. Mahr (Hrsg.), Festschrift zum
hundertjährigen Bestehen der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie
und Urgeschichte, Bd. 1, Berlin 1969, S. 58 f.
25 Einen Überblick über die damalige Diskussion gibt F. Schulze, Der Mensch in den
Tropen, in: Zeitschrift für Ethnologie, Bd. 33, 1901, S. 394—400.
26 Vgl. A. Bastian, Einige Blätter zur Kolonialfrage, Berlin 1884; R. Virchow, Accli-
matisation, in: Zeitschrift für Ethnologie, Bd. 22, 1890, S. 590 ff. (Anlage).
27 Bastian, 1884, a. a. O., S. 9.
28 Virchow, a. a. O., S. 590.
29 Ebd., S. 590.
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41
Besatzungen, eine Regelung, auf die denn auch Thilenius bei seiner Planung der
„Hamburger Südsee-Expedition“ zurückgriff. Das Syndrom des „Tropenkol-
lers“ blieb bei all dem immer noch Streitpunkt der unterschiedlichsten Meinun-
gen und Ansichten, so daß ein gewisser Kapitän Fedor Schulze zu Anfang die-
ses Jahrhunderts die These aufstellen konnte, der „Tropenkoller“ sei „eigens
von Laien erfunden, um je nach Meinung der Parteien Hass oder Gunst ver-
wertet zu werden“30. Zum Verständnis des so regen Interesses an dieser Erschei-
nung, erscheint es mir angebracht, ihr vermeintliches „Krankheitsbild“ einmal
näher zu betrachten;
„Es zeigt sich ein rapides Absinken des moralischen Urteils, der einzelnen
ethischen Prinzipien bei scharf pointiertem, oft ausartendem Selbstgefühl,
launenhaft, eigensinnig, sprunghaft wechselnden Stimmungen, auffallender
Reizbarkeit, rohen, oft unmotivierten Gewaltakten . . . Wollüstig-grausame
(sadistische) Handlungen sind allgemein.“31
Die hier geschilderten Symptome nehmen Bezug auf einen sozialen Norm-
charakter und verweisen auf das darin implizierte Spannungsfeld zwischen
Gesellschaft und Individuum. „Launenhaft“, „reizbar“, „unmotiviert“ und
„sprunghaft“ — hier wird das Bild des „Primitiven“ gezeichnet, das hier ge-
rade in seiner Verzerrung auf die implizite Erfahrung der Revidierung und
Aufgabe von Vorurteilen im Sinne von Distanzbewahrungen hindeutet, die
die mit der allmählichen Auflösung und Verkehrung ihrer Rollen konfrontier-
ten Kolonisten erlebten, und gegen die darin enthaltene Herausforderung man
sich von Seiten der normativen Wissenschaft nur wiederum durch Disqualifi-
zierung, sprich Pathologisierung, verschloß. Es war diese, wie H. J. Heinrichs
sie kürzlich bezeichnete, „Kaschierung der Angst im Namen der Objektivi-
tät“32, die denn auch innerhalb der ethnographischen Praxis der damaligen Zeit
jene Pseudomethodologien entstehen ließ, die — als wertfrei getarnt — zur
Begründung all der Distanzmechanismen und Abwehrtechniken herangezogen
wurden, derer man sich im Umgang mit den Eingeborenen vor Ort bediente.
Freilich, und das sei hier nicht bestritten, sind die vielfältigen Belastungen
und Entsagungen während einer Feldforschung in der Tat außerordentlich
schwer zu ertragen; nicht nur, sondern gerade für die seelische Befindlichkeit
des Forschers. Die im folgenden angeführten Auszüge aus den Briefen Kubarys
an Adolf Bastian dokumentieren dies. Auch Kubary hätte sich vielleicht der
30 F. Schulze, a. a. O., S. 396.
31 Meyers Konversationslexikon, Bd. 19, Leipzig und Wien 1909, S. 745.
32 FI. J. Heinrichs, Ein Leben als Künstler und Ethnologe — Über Michel Leiris,
Frankfurt 1981, S. 48.
42
Probst, Johann Stanislaus Kubary
sichereren Methode einer vielköpfigen Expedition bedient, wäre er nicht in fi-
nanziellen Nöten gewesen, die eine solche Art der Datenerhebung nicht erlaub-
ten. So aber mußte er unter den gegebenen Umständen darauf verzichten. Statt-
dessen entdeckte er für sich allein die Methode der stationären Feldforschung
und der teilnehmenden Beobachtung und machte sie zur Grundlage seiner
ethnographischen Einsichten. Dabei war er sich der Vorstellungen seiner Zeit
über seine ungewöhnliche Lebensweise durchaus bewußt, und wenn er sich da-
gegen zur Wehr zu setzen versuchte, dann mit der Kraft desjenigen, der die
Hoffnungslosigkeit dieses Unterfangens ahnte. In Kubarys Briefen an Bastian
spiegelt sich das Reich seiner Wünsche und Ängste, Phantasien und Projektio-
nen, denen er sich fernab der Heimat hingab und die sein Leben auf eine Art
bestimmten, daß man sich in der Tat der Erinnerung an die literarische Gestal-
tung jener an der tropischen Exotik gescheiterten „Kurtz“ und „Almayers“
nicht entziehen kann. Es war daher kein Zufall, daß er in seinen Mitteilungen
an Bastian stets darum bemüht war, solche Assoziationen zu korrigieren. So
beschwerte er sich bereits ganz zu Anfang ihrer Korrespondenz über die bös-
willigen Gerüchte, die man in Anbetracht seiner Verbindung mit einer Ein-
heimischen über ihn verbreitete. Er sei kein „von der Heimat verlassener Va-
gabund“, schreibt er 1884 in der Hoffnung auf eine eventuelle Anstellung nach
Berlin:
„Ich möchte nicht, daß der Umstand (verheiratet zu sein, P. P.) irgendwie
in ihrem Glauben meine augenblickliche Leistungsfähigkeit verringern thä-
te, denn ich kann nur aus den Folgen desselben zufrieden sein. Wie meine
Thätigkeit in Ruk und besonders jetzt in Pelau beweisen, hindert mich die
Gründung eines häuslichen Lebens in derselben nicht, im Gegentheil ist mir
die Frau, wie jede gute Frau für jedermann sein wird, eine enorme Hülfe
in meinem Streben und bei den Eingeborenen ist mir die Achtung und Ein-
fluß weit mehr gesichert, als je zuvor. Meine Frau ist die Tochter eines
Amerikaners und ich wurde mit ihr in Agana auf den Ladronen (heute
Guam, Marianen, P. P.) getraut und ich wünsche mir nichts sehnlicher, als
durch ehrliches Streben und Schaffen hier die Mittel zu erwerben, meine
Frau und das Kind meiner lieben alten Mutter zuzuführen. Die paar Wör-
ter, um etwaigen Mißverständnissen vorzubeugen.“33
33 Palau 15. 3. 1884. Die im folgenden zitierten Stellen stammen sämtlich aus den
„Acta betreffend die Sammlung Kubary“, die Akte enthält insgesamt 19 Briefe Ku-
barys an Bastian, incl. Rechnungen, kurze Notizen und Empfangsbestätigungen
Bastians und ähnliches mehr: Pars I B 11, 214/85, 268/85, 191/86.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
43
Er selbst sei, so ließe sich wohl der Tenor seiner ersten Briefe zusammen-
fassen, im Grunde nicht anders als alle anderen Menschen auch. Und, „um alle
möglichen Mißdeuthungen abzuschneiden“, betont er noch einmal die besonde-
ren Umstände, die ihn in seine jetzige Situation geführt hätten:
„Wenn das Museum Godeffroy schwerlich irgendjemand seiner Reisenden
zufrieden zu stellen verstand, so verstand es doch denselben mit gescheiten
Vorstellungen so lieblicher Bilder einer glanzvollen und glücklichen Zu-
kunft zu imponieren, daß es kein Wunder ist, daß ich, überhaupt zum
Abenteurer etwas geneigt, auf das Angebot einging.“34
Überhaupt war die Zeit während seiner Arbeit für Godeffroy geprägt von
unerwarteten Enttäuschungen und Hindernissen, die ihm insbesondere die auf
den Inseln ansässigen Händler in den Weg legten:
„Wo ich auch ankam, wurde Gefahr für das Geschäft gewittert, (dabei
liefert dies bloß Unkosten!) und der Agent sah mich als Eindringling,
dessen Schritte er möglichst zu kontrollieren suchte. Ein Agent sagte mir
z. B. daß er Herrn G. nicht kenne nur den Kapitän so und so, der sein
Vorgesetzter sei, ein anderer fluchte, daß ihm der Kapitän einen Missionar
auf den Hals brachte, der dritte wollte mir die Eingeborenen auf den Hals
hetzen u. s. w.“35
Zur Zeit der Niederschrift dieser Zeilen befand sich Kubary auf Palau. Seine
Lage, so berichtet er, sei „Dank des Leidener Museums eine äußerst bedrängte
und die mir nöthige Hülfe muß rasch und entschieden sein“. Er habe nicht vor,
ein „Naturleben“ zu führen und bittet um die Mittel, sich wieder gesund
ernähren zu können:
„Besonders fühle ich eine Abnahme der Kräfte in Hinsicht auf geistige
Beschäftigung, was ich der gänzlichen Veränderung der alten Lebensweise
zuschreibe.“36
Währenddessen arbeitet er ununterbrochen an der Fortsetzung seiner ethno-
graphischen Studien über Palau;
„Zu thun habe ich also genug und dieses ist mein Glück, denn anders
würde ich vielleicht eine Beute der Verzweiflung werden.“37
Zwar finden seine Aufsätze zu Hause einigen Anklang, indes zögert sich eine
ihm wunschgemäße Unterstützung von Seiten des Berliner Museums immer
mehr hinaus. Am 20. März 1884 schreibt er an Bastian:
„Indem ich nocheinmal den lebhaften Wunsch ausdrücke, daß die Umstän-
de es Ihnen erlauben möchten, eine für mich günstige Wendung anzubah-
34 Palau 20. 3. 1884.
35 Ebd.
3« Ebd.
37 Ebd.
44
Probst, Johann Stanislaus Kubary
nen, erlaube ich mir nebenbei im Allgemeinen mein Schicksal Ihrem hoch-
gestellten Wohlwollen zu empfehlen, denn Verhältnisse und Schutz habe
ich keinen und meine Freunde sind ebenso schwach wie ich. Ich habe eine
Frau und Kind, für die ich sorgen sollte, eine alte Mutter, der ich alles
schuldig bin, und der ich durch bessere Nachrichten eine Freude machen
möchte. Deshalb, wenn ein Zustandekommen einer Vereinbarung mit dem
Museum unmöglich werden sollte, so möchte ich Sie hochverehrter Herr
Professor ergebenst bitten, mir durch Ihren Einfluß und Empfehlung zu
einem anderen Thätigkeitsfelde zu verhelfen, was es auch immer sei. An-
derfalls wieder, wenn es zu einer Vereinbarung kommen sollte, so würde
ich Sie bitten davon meiner lieben Mutter in Warschau eine kurze Anzeige
zu machen, um ihr das lange Warten auf Nachricht von mir hier zu er-
sparen.“38
Weiterhin ohne Nachricht aus Berlin wechselt Kubary schließlich auf Grund
eines persönlichen Konflikts mit dem, das örtliche Transportmonopol inne-
habenden, irischen Kapitän „O’Keefe“ nach Yap, um hier auf das Eintreffen
einer Meldung zu warten. In der Klage über die „Unfähigkeit seiner Bewegun-
gen“ geht er auf die Bitte des Kommandanten eines einlaufenden deutschen
Kriegsschiffes ein, bei der Besitzergreifung der Karolinen als Dolmetscher und
Unterhändler mitzuwirken39.
In der Zwischenzeit hatte man von Berlin aus das „regelmäßige Verhältnis“,
wie man es dort offiziell nannte, gekündigt. Die Gründe dafür, obwohl aus der
Korrespondenz nicht eindeutig ersichtlich, scheinen finanzieller Natur gewesen
zu sein. Am 24. Oktober 1885 jedenfalls schreibt Kubary von Matupi aus:
„Einstweilen hoffe ich in dem von Ihnen gewünschten Sinn zu handeln,
indem ich den Gedanken auf eine unabhängige Thätigkeit hier . . . auf-
gebe. Ich werde danach trachten, mich hier geschäftlich zu sichern, wozu
mich schon die Rücksicht auf meine Frau und Kind drängen mußte (. . .)
Ich hoffe hochgeehrter Herr Professor, daß Sie in der Berücksichtigung der
sämtlichen Umstände unter welchen eine zeitige Verständigung unmöglich
wurde, mir das Herauskommen aus der falschen Lage, in welcher ich mich
augenblicklich befinde insofern erleichtern werden, daß wenigstens die in
Hongkong eingegangenen Verpflichtungen ... in Berlin berücksichtigt und
erfüllt werden, dagegen reflektiere ich nicht weiter auf fernere Geldzu-
schüsse seitens des Hülfscomitees, besonders der zuletzt erbetenen 1000 $,
da ich bestrebt sein werde, meinen Lebensunterhalt anders zu sichern (. . .)
Sollte es so werden, wie Sie wünschen und ich es hoffe, so wird der Geld-
punkt zwischen uns, uns niemals Sorge machen.“40
38 Ebd.
39 Die Fahrt geht über Palau, Uleay, Truk, Ponape, Pingelap und Kusai, wo Kubary
bei der Gestaltung der Verträge einen maßgeblichen Anteil hatte.
40 Matupi 24. 10. 1885.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
45
In den mittlerweile beinahe zwanzig Jahren seines Lebens in der Südsee
scheint sich von nun an ein Bruch zu vollziehen. Auf Kurakaul übernimmt er
den Posten als Geschäftsführer der Firma „Hernsheim & Co.“, die ihm von
deren Inhaber vermittelt worden war. Auch hier scheint ihm kein besonderes
Glück beschieden:
„Flerrn Hernsheims Vorstellungen über Neu-Britanien erweisen sich nach
meinen Erfahrungen als illusorisch. Ich wurde auf einer Stelle ausgesetzt,
wo ich beinahe regelmäßig zwei Mal die Woche Fieber habe, meiner Fa-
milie ergeht es nicht besser. So ergeht es uns seit Dec. 1885!. Der Copra-
handel ist ganz niedrig und ich kann nicht mal mein Leben bestreiten,
und doch gab mir Herr Hernsheim die Versicherung, daß die Gegend eine
gesunde und Copra ergiebig ist.“41
Angesichts dieser Umstände tritt er in den Dienst der „Neu-Guinea Com-
pagnie“ und wechselt über in die Astrolabe Bay nach Konstantinhafen, wo es
ihm, wenn man den Berichten eines Besuchers Glauben schenken will, endlich
besser zu gehen scheint42. Ohne Assistent und nur von gelegentlichen Abste-
chern nach Matupi und Yap unterbrochen, lebt er hier in den ersten Jahren als
einziger Weißer. Im Auftrag seiner Gesellschaft erwirbt er weite Teile des um-
liegenden Landes und ist darin so erfolgreich, daß man über die offensichtliche
Skrupellosigkeit, mit der er sich über die ihm wohl bewußten Eigentums-
vorstellungen der einheimischen Bevölkerung hinwegsetzte, nur staunen kann43.
Doch sein angeschlagener Gesundheitszustand macht ihm mit der Zeit immer
mehr zu schaffen, und vielleicht auch nicht zuletzt in Anbetracht seines Alters
— Kubary ist mittlerweile 45 — reist er noch einmal nach Deutschland. Dabei
mag er wohl den Gedanken gehabt haben, den Rest seines Lebens in einem
zivilisierteren Teil der Welt zu verbringen, doch seine Hoffnungen auf eine
Anstellung in einem Museum zerschlagen sich, und auch der Wunsch, seine
Schwester, die erst nach seiner Flucht aus Polen geboren wurde, mit in die
Südsee zu nehmen, scheitert am Einspruch der Mutter. Nach nur drei Monaten
Aufenthalt befindet er sich bereits wieder auf der Rückreise nach Neuguinea,
um hier seinen Dienst bei der Handelsgesellschaft erneut aufzunehmen.
In den letzten Jahren neigt Kubary zunehmend zu Alkohol, und es hat den
Anschein, daß sich nunmehr jenes eigenartige „Kurtz-Syndrom“ einzustellen
beginnt, wie es Conrad in der literarischen Fiktion seiner eigenen Erfahrungen
41 Kurakaul 12. 6. 1886.
42 Vgl. H. Zöller, Deutsch Neuguinea, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1891, S. 54.
43 Vgl. P. J. Hempenstall, Pacific Isländers under German Rule. A Study in the
Meaning of Colonial Resistance, Canberra 1978, S. 91.
Ш\Л\ч£1-л\>К>чекой lusVituV i« Letyftig.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
47
im Kongo in „Herz der Finsternis“ beschrieben hat. Kubarys wissenschaftliche
Arbeit kommt gänzlich zum Erliegen, und der jugendliche Idealismus, der ihn
anfangs noch in seinen Forschungen vorantrieb, schlägt hier, in der Isolation
und nahezu völligen Abgeschiedenheit von jeglicher Kommunikationsmöglich-
keit mit Europa, um in rücksichtslose Gier nach materiellem Besitz und Ge-
winn.
Hatte er 1885 hinsichtlich seiner Privatfehde mit O’Keefe noch an Bastian
geschrieben;
„Nimmt man ... in Betracht die näheren Umstände seines privaten Le-
bens, in welchem er ohne die geringste Rücksicht auf irgendwelchen An-
stand, obwohl in Savanna, Ga., U.S.A., eine Frau und Tochter habend,
hier öffentlich mit zwei Frauen mit denen er Kinder hat (6 Stück) lebt,
ich dagegen seit Jahren mit der Tochter eines Weißen ehrbar verehelicht,
ein liebliches Töchterlein habe und dabei noch die Familie meiner Frau,
einen Bruder und eine Schwester ernährend ein reines eheliches Familien-
leben führe, so ist es leicht verständlich, daß ein Zusammentreffen zwischen
mir und O’Keefe unmöglich war. Er wollte mich durchaus zu seinem
Niveau herabziehen.“44 —
so war die Kraft zur Distanzierung mittlerweile erschöpft. Wie Kurtz verliert
auch Kubary die „Beherrschung“. Nach der Aufgabe des Gedankens an eine
Rückkehr, nach dem Verlust der Hoffnungen auf eine Zukunft als ehrbarer
Bürger, an die sich ja auch seine eigenen moralischen Wertvorstellungen knüpf-
ten, steht er vor dem Nichts. Die Flucht in den Alkohol war ein Mittel, dieser
Erkenntnis wenigstens zeitweise zu entgehen. In dieser Situation, tief in der
„Dunkelheit der Südsee“45 *, wie er einmal an seine Mutter schrieb, erscheint auch
jede wissenschaftliche Tätigkeit allen Sinns beraubt. Als „Gottkönig der Astro-
lab Bay“ soll er sich während dieser Zeit bezeichnet haben45.
Solche Nachrichten müssen schließlich auch seinen Arbeitgebern zu Ohren
gekommen sein. Jedenfalls wird er 1886 aus seinem Vertrag entlassen. Kurze
Zeit später nimmt er sich auf Ponape das Leben.
44 Yap 31. 7. 1885.
45 Zit. nach A. Krämer, 1917, a. a. O., S. 145.
40 So berichtet jedenfalls C. L. Sentinella, der Herausgeber der Tagebücher Macloucho
Maclays, in: Macloucho Maclay, New Guinea Diaries 1871 —1883, Madang, Papua
New Guinea Press 1975, S. 327. Kubary und Maclay kannten sich nur sehr ober-
flächlich. In der Literatur und den Briefen Kubarys bleibt ihr Verhältnis zueinander
unerwähnt.
48
Probst, Johann Stanislaus Kubary
V Von Schürfern und Gräbern
In einem Brief an Adolf Bastian rechtfertigte sich Kubary einmal für die
ihm vorgeworfene Nutzlosigkeit seiner ethnographischen Berichte;
„In Hinsicht auf die Mittheilung, dass meine Manuskripte zwar gründlich,
mir aber praktisch nicht nützlich sind, so kann ich nicht helfen, ein aus-
drückliches Bedauern auszudrücken, da ich dieselben in Zeiten physischer
Noth ausarbeitete und in dem Wahne befangen war, dass sie bei uns er-
wünscht sein dürften.“47
Kubarys Verteidigung erscheint nur zu verständlich, ruft man sich nochmals
die Umstände seines Lebens auf Palau zurück. Bei einheimischen Freunden woh-
nend und von den ansässigen Weißen gemieden, drängte es ihn, seine in dieser
Situation gesammelten Beobachtungen und Erfahrungen mitzuteilen. Als Mittel
der Aufklärung sozusagen über jene schaurig-geheimnisvolle Welt der „Wil-
den“, deren Erforschung er sich in seinem Selbstverständnis als Mann der Wis-
senschaft vor Ort verschrieben hatte. Aber „Aufklärung“ verstand sich in der
Sicht der Ethnologie gegen Ende des 19. Jahrhunderts in gänzlich anderer
Weise. In einer Welt voll ständig wachsender Spezialdisziplinen und Fach-
berufe war man bemüht, sich eine bürgerliche Arbeitsexistenz zu sichern. Und
in strenger Anlehnung an die etablierten Naturwissenschaften versuchte man,
diesem Ziel mittels der Untersuchung der menschlichen Naturgeschichte näher
zu kommen. Kritik, wie die von Steinmetz, ging dabei im Kampf um Eigen-
ständigkeit weitgehend unter. Man fühlte sich als „Dienstmädchen der Anthro-
pologie“ behandelt und war doch gleichzeit in ihrem Bann;
„Von tiefgehender, contemplativer Liebe für ihren Gegenstand ist sogar
bei den Ethnologen oft wenig zu spüren. Das rein wissenschaftliche Inter-
esse und erst recht das ästhetische Interesse für die Naturvölker an sich
fehlte ihnen. Sie sind eben doch nur Evolutionsmaterial, bloss Stufe.“48
Unter diesem Blickwinkel mußten natürlich alle Abnormitäten und Mißbil-
dungen des Menschengeschlechts auf besondere Aufmerksamkeit stoßen. 1878
veranstaltete Hagenbeck in Berlin eine anthropologische Ausstellung, die unter
engagierter Mithilfe der „Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie
und Urgeschichte“ veranstalte wurde. Die Mitglieder der Gesellschaft unter-
stützten tatkräftig die Aktivitäten Hagenbecks, der ihnen dafür „lebendige“
anthropologische Objekte aus allen Teilen der Erde in die Stadt brachte. In
47 Matupi 24. 10. 1885.
48 S. R. Steinmetz, Die Aufgaben der Social Ethnologie, in; Korrespondenzblatt der
deutschen Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte, Jg. 34, 1903,
S. 139.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
49
diesem Klima hektischer Betriebsamkeit waren die Panoptikums von Passarge
und Castan eine Stätte voll kurioser Fundgegenstände, denen man sich mit
großer wissenschaftlicher Ernsthaftigkeit annahm. Fiier traten ein „scheckiger
Neger“ auf, eine „Frau mit Pferdegebiß“, ein „Hautmensch“, der sich durch die
Dehnfähigkeit der Epidermis auszeichnete, aber auch ein besonders „frühreifes“
Mädchen aus Charlottenburg49.
Bastian, der sich von derlei Forschungen eher distanzierte, hielt sich stattdes-
sen an die Sammlung seiner „Yölkergedanken“, die er auf seinen unzähligen
Reisen teils selbst, teils durch die von ihm angeworbenen Amateur- und
Hobby-Ethnographen, zu erstellen suchte. Die unmittelbare Beobachtung er-
schien ihm dabei zu subjektiv und damit unbrauchbar. Denn wenn man nur
die bloßen Fakten sammle, „so schreibt sich dann die Geschichte des Volkes
von selbst“50. Kubarys Arbeiten erschienen ihm jedoch als eine glückliche Syn-
these von individueller Anschauung und authentischer Berichterstattung, und
trotz aller Kritik an ihrer „praktischen Nutzlosigkeit“, die wohl auf die an-
ders gearteten Interessen seiner Zeit abzielten, nahm er ihn gegen die nicht aus-
bleibenden Vorwürfe in Schutz. Man müsse „manche Härte des Stil’s einem
Reisenden zu Gute halten, der ein halbes Leben von der Civilisation abge-
schlossen verbracht hat“, schreibt er im Vorwort zu Kubarys „Die Socialen
Einrichtungen der Pelauer“51. Und schließlich komme es „mehr als auf die Form
auf den Inhalt an, der sich in diesem Falle als reich genug erweist, um für
Äusserlichkeiten zu entschädigen“. In dieser Weise hatte Virchow die „Inter-
punktion“ und „die grammatikalische Richtigstellung“ bemängelt, die bei allen
einsehbaren Eigenheiten des Autors die „Herstellung eines lesbaren Textes“
hätten erwarten lassen können52. Ein anderer, Otto Finsch, der Kubary von
seinen Reisen in der Südsee persönlich kannte, gab zwar zu, daß die Arbeiten
ein „sehr wertvolles Material“ bilden, kritisierte aber die „häufige Verwendung
eingeborener Namen“, die eine „Benutzung ziemlich erschwert“. Und um sei-
nem Argument Gewicht zu verleihen, führt er auch gleich eine dafür typische
Stelle an: „In einem Falle sah ich den Aybadul von Korryor einem Kaldebekel
Strafgeld zahlen, weil einer seiner Ngaleki unter Blul Kabuy pflückte53.“
49 Vgl. Andree, a. a. O., S. 52.
50 A. Bastian, Über ethnologische Sammlungen, in: Zeitschrift für Ethnologie, Bd. 17,
1885, S. 42.
51 A. Bastian, in: Kubary, Die Socialen Einrichtungen . . . , a. a. O., S. 25.
02 R. Virchow, Rezension von Kubarys „Die Socialen Einrichtungen der Pelauer“, in:
Zeitschrift für Ethnologie, Bd. 17, 1885, S. 203.
53 O. Finsch, Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee, Wien 1883,
S. 449.
4 Baessler-Archiv XXXI
50
Probst, Johann Stanislaus Kubary
Abgesehen von solchen, bezeichnenderweise nur formalen, Einwänden war
die Reaktion auf Kubarys Schriften im allgemeinen nur positiv, wenngleich
man ihnen auch eher ratlos gegenüberstand. Man ahnte ihren Stellenwert,
wußte aber nicht recht mit ihnen umzugehen, denn die wissenschaftlichen Pro-
bleme, die die Fachdiskussionen beherrschten, waren an die historische Dimen-
sion der ethnographischen Monographien geknüpft und ließen sich mit Kubarys
Betonung der kontextgebundenen Funktion nur schwerlich verbinden. Yirchows
Rezension der „Socialen Einrichtungen“ drückt dieses Unverständnis Indirekt
aus, wenn er irritiert-bewundernd feststellt: „In der That sind die gesammten
gesellschaftlichen Stammes-Gebräuche der Pelauer von so verwickelter Natur
. . . , daß nur ein auf lange Erfahrung gestützter Beobachter ein so eingehendes
Bild davon entwerfen konnte.“54
Auch Bastian ging in seinem Vorwort nicht auf die konkreten Ergebnisse
Kubarys ein, sondern verlor sich in den vielfältigen Ähnlichkeiten, mit denen
sich das Material scheinbar nahtlos in die die Zeit beherrschenden Theorien über
Promiskuität und Gynaikokratie, über Frauenraub und Staatenbildung, ein-
fügen ließ. Dennoch verband ihn mit Kubary die rückhaltlose Hingabe zur
Ethnologie. In diesem ihrem Bemühen, das Fremde als das potentiell Gemein-
same zu begreifen, hatte Bastian einmal das aus diesem Versuch resultierende
Gefühl der Unzulänglichkeit in Worte gefaßt. Aus ihnen mag man die einsame
Faszination heraushören, in deren Bann sich beide geschlagen wußten: „Fremd-
artig ist’s, was dem Menschen aus umgebender Natur entgegentritt, fremdartig
zum Ich — im strikten Gegensatz, insofern, als Nicht-Ich“, schreibt Bastian
1888 in der Einführung zu seinem ersten Band „Allerlei aus Volks- und Men-
schenkunde“ — ein Titel, der für seine Sammlungen programmatisch erscheint:
„Die Sinne führen Eindrücke zu, die sich aus gewohnheitsmäßiger Ver-
trautheit zu Auffassungen gestalten, zu optischen Bildern im Auge, zu
Klangfiguren im Ohr, die sich fühlen, riechen, schmecken, aber für ihre
Ursächlichkeit unerreichbar bleiben. Und doch schwebt beständig auf den
Lippen die Frage nach dem Warum.“55
Kubarys Briefe an Bastian enden im Jahr 1887. Ob sie sich jemals persönlich
gegenüberstanden, ist ungewiß. Von einem Treffen der beiden ist nichts berich-
tet. Ihre unterschiedlichen Persönlichkeiten hätten ein solches wahrscheinlich
auch nur zusätzlich erschwert. Denn Bastian, emotional eher verschlossen, stand
im krassen Gegensatz zu dem von Ratzel einmal als „Feuer und Phlegma“
bezeichneten Charakter Kubarys56. Sicher ist, daß es Kubary seinen Freunden
54 Virchow, 1885, a. a. O., S. 204.
55 A. Bastian, Allerlei aus Volks- und Menschenkunde, Bd. 1, Berlin 1888, S. VI.
50 F. Ratzel, Nekrolog auf Kubary, Biographisches Jahrbuch, Bd. 1, 1897, S. 145.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
51
und Bekannten nicht immer leicht machte, mit ihm auszukommen. Einer von
ihnen, der bereits erwähnte J. D. Schmeltz, schreibt in seinem Nachruf von der
„Liebenswürdigkeit im Umgang“ und „dem ganz feurigen Wesen“, wobei letz-
teres, weil „leider sich nicht immer in richtigen Bahnen bewegend, sein Wirken
oft in bedenklicher Weise beeinträchtigte“. Aber, so fährt er fort, wie dem auch
immer gewesen sei:
„Wenn von jemand noch etwas zu erwarten war, so war es von Kubary,
der weil er die Gabe besass, zu den Eingeborenen herabzusteigen, und ihr
Vertrauen zu erwerben, in deren intimste Geheimnisse eindrang. Mit sei-
nem Tode ist diese Hoffnung vernichtet.“57
Als diese Zeilen 1897 erschienen, gehörte die stationäre Feldforschung vor
Ort noch zu den Ausnahmen in dem allgemein anerkannten Methodenapparat
der Ethnologie. Nur langsam überwand man die Distanzmechanismen, die sich
an die Vorstellung banden, längere Zeit inmitten der „Eingeborenen“ zu leben.
Ein Meilenstein in dieser Entwicklung, wenn nicht der Wendepunkt überhaupt,
war das Jahr 1922 mit der Publikation von Bronislaw Malinowskis „Argonau-
ten des westlichen Pazifik“. Das grundlegend Neue und Besondere hieran ist an
anderer Stelle bereits ausgiebig behandelt worden58. Unerwähnt blieben in die-
sem Zusammenhang jedoch Malinowskis Verweise auf eben jenen Johann Sta-
nislaus Kubary, mit dem ihn über die Art der ethnographischen Methode hinaus
auch eine biographische Gemeinsamkeit verband. Wie Kubary war auch Mali-
nowski gebürtiger Pole, und die kleine Notiz in der Einleitung zu den „Argo-
nauten“ :
„It is good for the ethnographer sometimes to put aside camera, notebook
and pencil, and to join in himself in what is going on. He can take part in
the native’s game, he can follow them on their visits and walks sit down
and listen and share in their conversations. I am not certain if this is
equally easy for everyone — perhaps the Slavonic nature is more plastic
and more naturally savage than that of Western Europeans — but though
the degree of success varies, the attempt is possible for everyone.“59 —
läßt die Erwähnung Kubarys als „concrete methodologist“ in seinem Tage-
buch wohl nicht nur als bloße wissenschaftliche Affinität zu seinem Landsmann
erscheinen60. Malinowski waren die Arbeiten Kubarys über Palau bekannt. In
" Schmelz, a. a. O., S. 135.
>K Vgl. die Beiträge in: R. Firth (ed.), Man and Culture, London 1957; A. Kuper, An-
thropologists and Anthropology — The British School 1922—1972, Penguin, New
York 1973.
,!l B. Malinowski, Argonauts of the Western Pacific, London 1922, reprint New York
1961, S. 21.
00 Ders., A diary in the Strict Sense of the Term, New York 1967, S. 155.
4*
52
Probst, Johann Stanislaus Kubary
Abb. 3. J. S. Kubary bei einer Verhandlung mit Häuptlingen einer Palau-Insel im
Jahre 1870. Aus; K. Graudenz, Die Deutschen Kolonien. München 1982. S. 268.
der moralischen Erosion auf Trobriand dürfte sich die Erinnerung an ihn zu
jener Formel des „konkreten Methodologen“ verdichtet haben, in der ihm seine
Methode der „teilnehmenden Beobachtung“ als von Kubary bereits vorgelebt
erschien. Seine Person und seine Ergebnisse waren ihm dabei der leibhaftige
Beweis seines Vorhabens, „to bring home the real life to the readers“. Wenn er
in diesem Sinne die früheren Ethnographen als bloße „prospectors“ bezeichnet
hat, so kann dieses Bild den Rahmen liefern für eine letzte, abschließende Be-
merkung61.
Die Disziplingeschichte hat sich bislang nur allzu häufig an den Gipfeln und
Leuchttürmen ihres Faches orientiert und dabei die Sackgassen und Niederungen
der konkreten Praxis beiseite geschoben. Wissenschaft ist jedoch eine bestimmte
Art und Weise, Phänomene in dem Konsens der an ihrer Erforschung beteilig-
ten Personen zu erklären. Ihre Methoden sind abhängig von bestimmten zeit-
spezifischen Problemen, die sich einer Epoche stellen, und ihr jeweiliger Stand
enthüllt sich plastischer und realistischer auf der Ebene der konkreten Erfah-
rung, als auf der des abstrakten Wissens und der der Ideale. Vor diesem Hin-
tergrund habe ich versucht, die menschliche Dimension innerhalb einer über-
61 EbcL, S. 155.
Baessier-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
53
wiegend geistesgeschichtlich konzipierten Disziplingeschichte an Hand eines Fall-
beispieles darzustellen. Wenn ich dabei die Auseinandersetzung mit den tradi-
tionellen Forschungsproblemen der Ethnologie vermieden habe, dann in dem
Glauben, daß ein Bild wie das Malinowskis von den „Schürfern und Gräbern“
einen ebenso eindringlichen wie notwendigen Zugang in die nicht nur als privat
zu verstehenden Schwierigkeiten der ethnologischen Praxis vermittelt. Im Ge-
gensatz nämlich zu der öffentlichen Geschichte des Faches zeigt sich der Cha-
rakter seiner Forschung gerade in den Schlupfwinkeln und Rückzugsmöglich-
keiten der Briefe und Tagebücher, in denen der intime Dialog miteinander rin-
gender Gefühle und Empfindungen gleichsam als Chiffren der Selbsterkenntnis
niedergeschrieben steht. Die Ethnologie steht hier vor authentischen Zeugnissen
ihrer Geschichte. In ihnen offenbart sich der Grad der Bewältigung jener Dis-
krepanz zwischen dem allem persönlichen Leid entzogenen wissenschaftlichen
Text und den Entsagungen des ethnographischen Alltags. Sie ernst zu nehmen,
hieße die eigene Geschichte mit den „Augen des Ethnographen“ (M. Leiris) zu
betrachten, und so gesehen kann die Disziplingeschichte der Ethnologie hier
noch manches entdecken. Dazu allerdings müßte sie von den Hochgebirgen der
ideengeschichtlichen Massive herabsteigen, auf den dort oben sich bietenden
Weitblick verzichten und stattdessen in den Tälern des Flachlandes wandern,
wo die kleinen Geister des wissenschaftlichen Alltags hausen. Sie könnte und
sollte sich umsehen, wie sich das Leben im Schatten der Gipfel gestaltet.
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Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
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BOOTSBAU IN MALI
ALMUT HAGEMANN, München
„Ich fühlte unendliches Behagen, als ich
mich auf diesem gepriesenen Strome . . .
eingeschifft fand“
— Heinrich Barth, als er am 20. Juni 1853
den Niger erreicht. —
1. Einführung
1.1/2 Einleitende Bemerkungen zur Arbeitsweise
Für die Materialsammlung zu dieser Studie hielt ich mich gut acht Monate in
der Region Mopti/Mali auf.
Meine Arbeit dort sah etwa folgendermaßen aus: Nach einer mehrwöchigen
Periode des Kontaktaufnehmens und Beobachtern in Mopti besuchte ich ver-
schiedene Dörfer der Bozo im Umland und nahm dort auch aktiv an den
Arbeiten der Bootsbauer teil.
War in Mopti eine Verständigung auf Französisch mit den Bootsbauern
möglich, so spielte in den Dörfern verbaler Austausch eine geringe Rolle: Nur
gelegentlich standen mir zufällig anwesende Personen als Übersetzer zur Ver-
fügung. Die hauptsächlichen Einsichten gewann ich über praktisches Vorführen
und Nachahmen. Auch wurden mir zur Erklärung Zeichnungen in den Sand-
boden geritzt oder aber zur Darstellung früherer Bootsformen kleine Modelle
geschnitzt.
Als weiße Frau, die sich für den Bootsbau interessiert, war ich eine Kuriosität,
und nur aufgrund der Toleranz der Malier gegenüber fremden Verhaltens-
weisen gewann ich Zugang zu den Bootsbauern. Nachdem man mich aber bei
der Ausführung verschiedener Holzarbeiten erlebt hatte, entwickelte man
Verständnis für mein Interesse, und das Verhältnis zwischen mir und den
Bootsfachleuten erhielt manchmal sogar die Form gegenseitigen Austauschs von
Kenntnissen.
58
Hagemann, Bootsbau in Mali
Da ich mich vor meinem Aufenthalt in Mali mit der Schreinerei beschäftigt
hatte, war der Ausgangspunkt der vorliegenden Untersuchung mein persön-
liches Interesse an malischen Holzbearbeitungstechniken; erst aus meinen durch
Beobachtung dieser Techniken entstandenen Fragen zur Arbeitsmethode und
zu verwendeten Materialien wuchs eine Darstellung von geschichtlicher Ent-
stehung und Veränderung der Bootsform.
Die sich daraus ergebende Aufteilung in zum einen die aktuelle Technik und
zum anderen die Geschichte des Bootsbaus ist die Grundlage zur Gliederung
dieses Aufsatzes.
Das Binnendelta des Niger war und ist hinsichtlich seiner Bevölkerung keine
einheitliche Region. Verschiedene Volksgruppen und damit auch unterschiedliche
Boote treffen hier aufeinander. Die Aufstellung einer unilinearen Entwicklungs-
reihe für dieses Gebiet ist also nicht möglich; außerdem ziehe ich es vor, statt
eines solchen idealisierten Evolutionsmodells die Bootsbaugeschichte als Teil
der gesamten kulturellen Entwicklung des Deltas darzustellen. Im Rahmen die-
ser Arbeit kann jedoch die Vielzahl der Einflüsse auf die Entwicklung des Boots-
baus nicht vollständig beschrieben werden, sondern nur auf eine Auswahl der
wichtigsten Aspekte beschränkt bleiben.
Außer meinem eigenen empirischen Material habe ich für die Bearbeitung
dieses Themas die im folgenden kurz besprochenen schriftlichen Quellen ver-
wendet.
Zu bemerken ist noch, daß ich für alle Ortsbezeichnungen die heute in Mali
übliche Schreibweise gewählt habe. Die ebenfalls französische Schreibung der
vereinzelt angegebenen Bozoausdrücke läßt sich damit erklären, daß ich als
Laie in linguistischer Methodik großen Wert auf die Überprüfung meiner
Niederschrift durch die Bozo selbst gelegt habe.
1.3. Quellen
Auf der Suche nach Grundlagenliteratur zum Bootsbau im Nigerdelta stieß
ich auf eine umfassende Beschreibung des Deltas „Le Delta Interieur du Niger
— étude de géographie regionale“ von Jean Gallais, erschienen 1967 und bisher
die einzige Arbeit dieser Art. Bei meinen Bemühungen, mir einen Überblick
über verschiedene Aspekte des Deltas zu verschaffen, leistete sie mir gute Dien-
ste. Zur Ausarbeitung meiner Untersuchung war sie jedoch In keinem der nöti-
gen Punkte ausführlich und gründlich genug.
Im weiteren stellte sich heraus, daß zu den Bozo als Bootsbauer, zur Holz-
technik im allgemeinen und zur Geschichte der Boote im Binnendelta des Niger
die Quellen gleichermaßen rar sind.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
59
Als Monographie der Bozo gibt es eine einzige ausführlichere Arbeit „Les
Sorko (Bozo) Maîtres du Niger, Etude ethnographique“ von Ligers1, erschienen
in fünf Bänden von 1964—1977. Ligers studierte während langjährigem Auf-
enthalt am Niger das Leben der Bozo bis in kleinste Details. Ich bewundere
seine unvoreingenommene Sympathie für die Bozo und seinen Versuch, sich in
ihre Lebens- und Denkweise hineinzuversetzen. Seine Arbeit behandelt die
Vermischung von Mythologie und Alltagsleben der Bozo über die Darstellung
von zahllosen konkreten Vorfällen. Als Quelle, die Aufschlüsse über die Ge-
schichte der Bozo und ihrer Boote, sowie die Organisation des Bootsbaus geben
könnte, scheint sie mir jedoch nicht geeignet.
Zur Bearbeitung von Holz sagt Janata1 2, daß „monographische Untersuchun-
gen technologischer Natur . . . kaum vorliegen“. Mir selbst fiel auf, daß Boote
in fast allen Beschreibungen des Fischfangs im Nigerdelta vernachlässigt wur-
den. Zum Bootsbau der Bozo selbst gibt es zwei Aufsätze3, die bereits vor 30
bzw. 20 Jahren veröffentlicht wurden.
Zur Aufarbeitung der Geschichte kann man sagen, daß die von Monteil4 für
1903 beschriebene Lage sich kaum geändert hat: „Nous ne savons à peu près
rien de l’histoire de la batellerie du Moyen-Niger.“ Eine einzige Ausnahme
bildet hier eine Arbeit von Tymowski5, in der die Rolle, die die Boote vor dem
17. Jahrhundert gespielt haben, herausgestellt wird. Im weiteren sind in der
arabischen Sudan-Geschichtsschreibung6 einige Hinweise auf die Bauart und
Verwendung der Boote zu finden (für das 13. — 17. Jahrhundert). Vom Ende
des 18. Jahrhunderts an spielen die Reisebeschreibungen der ersten Europäer7,
die zum Niger vordrangen, als Quelle eine wichtige Rolle. Sie werden dann
abgelöst von Berichten über die ersten französischen Militärexkursionen.
Zusammenfassend kann ich sagen, daß ich für das Kapitel zum heutigen
Bootsbau vor allem meine eigenen Beobachtungen verwendet habe. Die Grund-
lage zum historischen Teil bilden zahllose vereinzelte Hinweise aus den ver-
schiedensten Quellen, die ich anhand der mündlichen Aussagen der Bozo über-
prüfen konnte.
1 Der Ausdruck „sorko“ entspricht zwar eher als „Bozo“ der Eigenbezeichnung der
Volksgruppe, um die es in dieser Arbeit von Ligers geht. Er ist jedoch, im Titel
verwendet, irreführend, da die Fischer der Sonrhai ebenfalls als sorko bezeichnet
werden.
2 vgl. Hirschberg 1966, S. 104.
3 vgl. Champaut 1961 und Pitot und Daget 1948.
4 vgl. Monteil 1971, S. 243.
5 vgl. Tymowski 1967.
6 vgl. El-Bekri 1965; Es Sa’di 1900; Kati Mahmoud 1913; Léon L’Africain 1956.
7 vgl. Barth 1857; Caillé 1979; Park 1799.
60
Hagemann, Bootsbau in Mali
Zu ihrer eigenen Geschichte trugen mir die Bozo alte, mündlich überlieferte
Mythen vor, über die ich Zusammenhänge begriff und auch Aussagen zum
Bootsbau erhielt. Interpretation und Einordnung der Mythen fielen mir bis
auf den Gesang von einem alten Griot aus Mbuna nicht leicht. Aus diesem
Grunde habe ich, obwohl ich wie Westermann8 glaube, daß die „Berichte . . .
den natürlichen Gegebenheiten“ entsprechen und „ein hohes Maß von Ver-
trauen“ verdienen, nur wenige von ihnen in diese Arbeit aufgenommen.
Grundbegriffe zur Technik des Bootsbaus und Typisierung der Boote habe
ich nicht in Frage gestellt, sondern im Ganzen aus deutschen Nachschlagewerken
entnommen.
2. Das Binnendelta des Niger
2.1. Geographie
2.1.1. Grenzen
Die Grenzen meines Untersuchungsgebietes entsprechen denen des Binnen-
deltas des Niger (Karte 1) in der Republik Mali. Es wird gebildet von den
Flüssen Niger und Bani, die sich bei Ké Macina bzw. Djénné beginnend, in
einer Ebene mit sehr geringem Gefälle (0,05 %) Richtung Nord-Ost, in zahl-
reiche Arme verzweigen und sich auf der Höhe von Tombouctou zu einem
Hauptfluß vereinigen. Dieser beginnt hier seinen Lauf in einem großen Bogen
von Richtung Nord-Ost in Richtung Süd-Ost zu verändern. Die Flußläufe
dieser Ebene treten alljährlich während einiger Monate über das Ufer und über-
schwemmen ein Gebiet, dessen Grenzen von der Wassermenge, d. h. von der
Stärke der Regenfälle abhängt. Die Uferlmien des überfluteten Bereichs können
sich um mehrere Kilometer verschieben; mit Hilfe dieser Uferlinien definiert
Gallais die Grenzen des Deltas; er macht zur Flächenausdehnung folgende An-
gaben: „Une surface totale de 30100 qkm, 19450 qkm sont à l’intérieur des
limites atteintes par la crue, plaines effectivement inondées et tertres exondés.
10650 qkm sont à l’extérieur de cette limite et constituent la ceinture de terres
sèches périphériques du Delta1.“
2.1.2. Klima
Das Delta ist ein Teil der fast 1500 km langen schiffbaren Strecke des Flusses
zwischen Koulikoro und Ansongo2. Es liegt am Südrand der Sahelzone, die
8 vgl. Westermann 1952, S. 17.
1 Gallais 1967, S. 16.
2 vgl. Tymowski, a. a. O., S. 77.
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Karte 1: Westlicher Teil des Nigerbogens.
alljährlich während einiger Monate überschwemmtes Gebiet
Das Binnendelta des Niger
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VC,
Uf
nach; J. Bartholomew + Son Ltd., 1977 Edinburgh.
62
Hagemann, Bootsbau in Mali
Luftfeuchtigkeit ist für diese geographische Lage relativ hoch-'5. Die Nieder-
schlagsmenge liegt je nach Ort bei 330,9 mm (Niafounke, im Norden) bzw.
679 mm (San, im Süden), ist also innerhalb des Deltas recht unterschiedlich. Die
mittlere Jahrestemperatur liegt bei 28—29 °C.
Innerhalb des Deltas kann man nicht so einfach wie im Umland das Jahr in
eine Trocken- und eine Regenzeit unterteilen. Durch die zeitweise Überflutung
entsteht eine ganz eigene Reihenfolge von Saisons. Das Hochwasser im Delta
steht nicht in direkter Abhängigkeit von den Regenfällen im Delta selbst. Es ist
vor allem der Regen im Quellgebiet des Niger, der das starke Ansteigen des
Flusses und damit auch die Überschwemmung verursacht. Der Wasserstand, im
südlichen Delta bereits Anfang Oktober an seinem höchsten Punkt, steigt da-
durch, daß das weite Becken nur allmählich sich füllen kann, im Norden mit
(bis zweimonatiger) Verzögerung. Im Süden steigt das Wasser plötzlich an und
sinkt langsam ab, für den Norden gilt dies genau umgekehrt. Auf dieser Grund-
lage entsteht ein kompliziertes System von Strömungen und Wasserbewegun-
gen im gesamten Delta.
Die im Juni beginnenden Regenfälle zeigen noch wenig Wirkung, sie sind
kräftig, aber nicht von Dauer, normalerweise geht ihnen ein Sandsturm vor-
aus. Die Mittagstemperaturen sind um 35 °C. Im Juli bleibt der Boden schon
eine Zeitlang feucht, nach jedem Regen spürt man eine deutliche Abkühlung,
der Wasserspiegel des Flusses beginnt merklich zu steigen und auf dem vorher
blaßbraunen kahlen Land zeigt sich ein zartgrüner Schimmer. Im August sinkt
die durchschnittliche Mittagstemperatur auf 28 °C ab. Die starken Regenfälle
werden gegen Ende September seltener. Die Fuft ist sehr feucht und wirkt
schwül und drückend. Im Oktober begint die Zeit des Hochwassers, das Delta
ist zum großen Teil überschwemmt. Die Wasserflächen sind grün vom Bourgou-
Gras, das den Wasserspiegel überragt. Die Dörfer, vorher auf Hügeln inmitten
einer sandigen Ebene, stehen jetzt auf kleinen Inseln. Es ist meist windstill, die
Temperaturen sind gegenüber den vergangenen beiden Monaten wieder höher.
Im November beginnt das Wasser zu sinken, und es wird langsam kühler.
Dezember und Januar sind die kältesten Monate des Jahres (Mittagstemperatu-
ren liegen im Januar durchschnittlich bei 28 °C). Es gibt keinen Regen und
wenig Wind. Im Februar beginnt das Delta wieder auszutrocknen. Die Nächte
bleiben noch kühl, aber die Tagestemperaturen steigen langsam wieder. Die
heiße, trockene Jahreszeit fällt in die Monate März bis Mai (Mittagstemperatu-
ren um 37 °C). Im April und Mai hat es oft heftige Sandstürme, und es gibt
auch während der Nacht keine Abkühlung mehr. 3
3 vgl. Gallais, a. a. O., S. 58.
64
Hagemann, Bootsbau in Mali
2.1.3. Bevölkerung
Das Delta ist nicht Gebiet einer einheitlichen, sondern verschiedener Volks-
gruppen. Die Hauptgruppen sind die Fulbe4, Viehzüchter/Nomaden, die etwa
35°/o der Bevölkerung ausmachen, die Marka, die sich aus verschiedenen Eth-
nien zusammensetzen und über das Reich Mali als Mali-ka (Menschen von Mali)
zu einer Einheit wurden (17%) (unter ihnen sind sehr viele Händler), die
Bambara, Ackerbauern (16%), die Bozo, Fischer (16%). Ferner, als Minder-
heiten: Dogon, Sonrhai, Somono u. a.
Die Bevölkerungsdichte ist, verglichen mit der anderer afrikanischer Fluß-
täler, verhältnismäßig gering: Auf einen qkm treffen etwa 14 Bewohner,
(insgesamt: 423500 Menschen)’.
Der Lebensrhythmus der Deltabevölkerung ist ganz den saisonalen Ver-
änderungen angepaßt. Die Fulbe zum Beispiel entfernen sich zur Regenzeit vom
Fluß, kommen dann bei zunehmender Trockenheit langsam wieder zurück und
beweiden im Delta die „späten Grünflächen“. Ebenso die Fischer, die für jeden
Wasserstand und jede Wasserbewegung spezielle Fangmethoden kennen und
den Fischen auf ihren Wanderungen folgen, oder auch die Schiffahrt, für die
besonders die windarmen Monate und die Zeit des Hochwassers beliebt sind.
2.2. Geschichte
Das Delta wird uns in den alten Quellen weniger als Einheit von eigener
Bedeutung beschrieben, sondern vielmehr als Abschnitt des Flusses Niger oder
als Teilgebiet der verschiedenen aufeinanderfolgenden, westafrikanischen Groß-
reiche(i (Karten 2 und 3). Die am weitesten zurückliegenden Zeugnisse aus die-
sem Gebiet haben wir von den Römern, die in der Antike von Nordafrika bis
zum Niger vordrangen7. Dann ist eine etwa tausendjährige Lücke, bis die arabi-
sch Geschichtsschreibung einsetzt. Bis mindestens ins 14. Jahrhundert hinein wird
der Niger noch mit dem Nil in Verbindung gebracht: „Etliche wollen/daß die
Niger ihren Uhrsprung aus einem Meere nimmet/welches auf der Ostseite der
Wüste Deu/lieget/und von dar nach dem Abende zufließet/. . . Die Arabisch-
Afrikschen Landbeschreiber aber bezeugen/daß die Niger ein Arm des Nieles
sey;. . .“8
4 Soweit in Hirschberg 1965, Völkerkunde Afrikas enthalten, habe ich die Ethnien-
Bezeichnungen daraus entnommen.
5 alle Angaben vgl. Gallais, a. a. O., S. 19—22.
ß Allgemein übliche Bezeichnung der alten, zentral organisierten Staaten am Niger;
vgl. auch Kindert/Hilgemann 1971, Bd. 1, S. 222.
7 vgl. Tymowski, a. a. O., S. 78.
8 Dapper 1670, S. 325.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
65
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5 Baessler-Archiv XXXI
66
Hagemann, Bootsbau in Mali
Gana, ein vor dem 8. Jahrhundert möglicherweise von den Berbern gegrün-
detes, westlich des Deltas sich bis zur Küste hin erstreckendes Reich, erhielt
seine Bedeutung über den Handel zwischen den südlichen Regionen Westafrikas
und Ägypten sowie Nordafrika. Seine Hauptstadt galt als Knotenpunkt des
Handels, jegliche Ein- und Ausfuhr war mit Zöllen belegt9.
Im Osten des Deltas liegt die Stadt Gao, eine Gründung der Sonrhai-Fischer,
schon früh als bedeutende Handelsstadt und als Etappenpunkt auf der Handels-
straße zwischen Gana und Ägypten beschrieben; im 10. Jahrhundert bereits
spricht man im Zusammenhang mit Gao vom Islam10 11. Ob schon damals der
Fluß selbst als Transportweg benutzt wurde, ist unklar. Für Dia jedenfalls, an
einem Nebenarm des Niger, am Westrand des Deltas gelegen und im Zusam-
menhang mit den Handelsaktivitäten Ganas zu besonderer Bedeutung gekom-
men, ist bekannt, daß zum Transport der Handelsgüter nicht Boote, sondern
ausschließlich Esel verwendet wurden. Nach der Mythologie ist Dia die Grün-
dung eines Bozo-Jägers und eines Bozo-Fischers. Die Bozo sollen vor etwa 1300
Jahren noch die einzigen Bewohner des Deltas gewesen sein; eine Gruppe von
Sonrhai-Fischern erreichte etwa im 9. Jahrhundert das nördliche Delta auf einer
Wanderung von Gao flußaufwärts11 und begann sich dort niederzulassen. Die
große Macht Ganas läßt ab dem 10. Jahrhundert langsam nach, es wird unter
anderem durch die Ausbreitung der Almoraviden geschwächt. Im gleichen Maße
wie Gana geschwächt wird, gewinnt Mali, ein kleines Fürstentum der Malinke
am Oberniger, an Bedeutung. Ab 1235 ist das weitgehend zerstörte Gana dann
unter der Herrschaft von Mali12.
Mali und Gao dehnen ihren Einfluß gleichermaßen dem Flußlauf entlang
Richtung Norden aus. Djenne, eine Stadt am Bani, im Bereich des Deltas gele-
gen, wurde spätestens im 9. Jahrhundert von Bozo gegründet. Sie übernimmt
während der Schwächung Ganas langsam die Bedeutung Dias für den Handel;
gleichzeitig entwickelt sich Tombouktou im nördlichsten Teil des Nigerbogens
als Sammelpunkt der Handelswaren aus dem Norden. Es steht über die Fluß-
schiffahrt in engem Kontakt mit Gao und Djenne. Während des 12. Jahrhun-
derts beginnt eine Zuwanderung von Bambara-Ackerbauern aus dem Süden an
die Ufer von Bani und Niger. Der Ackerbau war im Delta bekannt, wird von
den Bambara aber intensiver und mit neuen Geräten betrieben. Angebaut wird
vor allem Hirse, Reis, Fonio und Baumwolle13. Ab dem 14. Jahrhundert wan-
9 vgl. Westermann, a. a. O., S. 73 ff.
10 vgl. Tymowski 1974, S. 18.
11 vgl. Westermann, a. a. O., S. 92.
12 ebd., S. 76.
13 vgl. Tymowski 1974, S. 23.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
67
5-
68
Hagemann, Bootsbau in Mali
dem Fulbc-Viehzüchter ins Delta ein (die Viehhaltung spielte bei den Bozo nur
eine sehr geringe Rolle) und gliedern sich in die vorhandenen Siedlungen ein.
Zwischen Bozo, Bambara und Fulbe beginnt ein FIsch-Cerealien-MiIch-Aus-
tausch. Djenne, bis dahin eine selbständige Einheit, wird im 14. Jahrhundert von
Mali unterworfen. Mali erreicht zu jener Zeit unter Mansa Mussa seine größte
Bedeutung und Ausdehnung (im Osten über Gao und Westen über Tekrur hin-
aus)14 15 *. Die Bevölkerung im Delta nimmt deutlich zu, verschiedene Volksgruppen
werden unter dem Namen Mali-ka zusammengefaßt. Minister werden zur Ver-
waltung bestimmter Gebiete eingesetzt; sie haben je nach ihrem handwerklichen
Können verschiedene Aufgaben1Die gesamte Bevölkerung muß Abgaben in
Form von Naturalien oder Dienstleistungen machen, die dann von staatlicher
Autorität verwaltet werden. Zum Beispiel wird ein Heer aufgestellt und von
diesen Abgaben unterhalten, städtische Lebensmittelspeicher werden eingerichtet.
Durch die geordnete und sichere Regelung der Flußschiffahrt, die die staatli-
che Organisation gewährleistet, entwickelt sich der Handel schnell und gut. Die
Händler und Waren kommen auf dem Landweg aus dem Süden nach Djénné
oder aus dem Osten nach Gao und aus dem Norden nach Tombouctou (Karte 4)
und werden zwischen diesen Hauptsammelstellen auf dem Wasser transportiert.
Im Austausch stehen als wichtigste Güter Gold und Salz, aber auch Reis,
Fisch, Baumwolle, Colafrüchte, Gewürze, Stoffe, Kupfer, Messing, Waffen10.
„Le Niger est devenu Faxe politique, économique et culturel du Mali17.“ Die
Stadtkultur gewinnt durch die zuwandernden Händler beständig an Vielfalt,
und das Handwerk kommt zu größerer Bedeutung18. Ebenso wie der Handel
sich durch die staatliche Organisation entwickelt, kommt Mali über den Handel
zu großem Reichtum und Einfluß bis weit über seine Grenzen hinaus.
Im 15. Jahrhundert liegt der Anfang einer langsam wachsenden inneren
Schwächung des Mali-Reiches. Das gesamte Deltagebiet gerät unter die Herr-
schaft der Sonrhai, die zunächst die staatliche Organisation in gleicher Lorm
weiterführen. Ende des 16. Jahrhunderts gelangen die Maroccaner zum Niger-
bogen, sie fassen zwar nicht für längere Zeit Fuß, doch findet die Zerstörung
durch ihre Angriffe ihre Fortsetzung in den Rückschlägen, die das gesamte
Gebiet um die Handelszentralen erlebt. „The development of sea borne trade
between Europe and the coast of the Gulf of Guinea from the sixteenth Century
14 vgl. Westermann 1952, S. 79.
15 vgl. Tymowski 1974, S. 47.
18 vgl. Gallais, a. a. O., S. 471.
17 Gallais, a. a. O., S. 82.
18 vgl. Tymowski 1974, S. 74.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
69
reversed the flow of goods and influences in the western Sudan19.“ Tymowski20
beschreibt die Faktoren, die sich gegenseitig und im Gesamten den schrittweisen
Zerfall der Großreiche bedingen: Kriege, Plünderungen, Anarchie, reaktionäre
Rolle der herrschenden, Lösung sozialer Bindungen, Sturz des Goldwertes, Stei-
gerung der Sklavendeportation, Verringerung landwirtschaftlicher Produktion,
allgemeine Verarmung, keine Reserven, um die Wirtschaft wiederherzustellen,
Hungersnöte und Epidemien, Schwächung der städtischen Wirtschaft.
Diese Situation nutzen die Bambara zur Machtübernahme aus: „Les Bam-
bara colonisent progressivement la bordure sud du Delta, entre Niger et Bani21.“
„Possesseurs d’outils et d’armes de bonne qualité, ces paysans-soldats sont des
colons estimés à une époque où l’absence d’un fort pouvoir public engage
chaque autorité locale à s’entourer d’une clientèle22.“ Infolge dieser Kolonisa-
tion halten die Bambara im 17./18. Jahrhundert große Teile des ehemaligen
Mali- und Sonrhai-Reiches unter Kontrolle. Eine Neuorganisation setzt sich
nicht durch, statt dessen wird das Land durch Plünderungen und Menschende-
portationen weiter verunsichert. Die Fulbe, bisher in Macina konzentriert, brei-
ten sich mehr und mehr im Delta aus. Die völlige Zerrissenheit des Deltagebiets
macht es ihnen leicht, die Macht zu übernehmen. Unter dem Fulbeherrscher
Cheikou-Ahmadou (1818 —1862) erleben die Bewohner noch einmal eine Phase
der staatlichen Organisation und Ordnung. Die Islamisierung wird vorange-
trieben und eine neue Hauptstadt, Hamdallaye, nicht weit von Mopti, gegrün-
det. Die Tuculor unter El Hadj Omar und später Tidiam zerstören die neue
Organisation und verlegen den Herrschaftssitz von Hamdallaye nach Bandia-
gara (ca. 60 km Luftlinie südöstlich von Mopti). Dort findet 1887 die erste
Begegnung zwischen Tuculor und Franzosen (Leutnant Caron) statt.
Der Franzose Archinard wird 1890 „Maître de Ségou“, und drei Jahre später
nehmen die Franzosen Djénné und Bandiagara ein. Die städtische Struktur von
Djénné und Tombouctou und ihre Verbindung untereinander waren zerstört
und viele Dörfer, während der Verwüstung des Deltas durch die Tuculor, ver-
lassen worden. Sie wurden jetzt seit dem Beginn der Kolonialzeit zum Teil
wieder besiedelt und andere, vor allem von den Bozo, neugegründet.
Die Franzosen wählen Bandiagara als Verwaltungssitz und richten in Mopti
einen kleinen Militärposten ein.
la Hiernaux 1974, S. 155.
20 vgl. Tymowski 1974, S. 136.
21 Gallais, a. a. O., S. 90.
22 ebd., S. 91.
70
Hagemann, Bootsbau in Mali
Mopti, ursprünglich „Saga Sire“, ein Fischereicamp der Bozo, wurde nach und
nach auch von Marka (die es „Isaca“ nennen) und Fulbe besiedelt. Seinen
Namen Mopti (Versammlung/sammeln auf Fulbe) bekam es erst wesentlich
später, als es beginnt, ein kleiner Handelsplatz zu sein. Anfang des 19. Jahr-
hunderts wird es von Caille als Stadt mit Häusern aus sonnengetrockneten
Ziegeln und 700—800 Einwohnern, die mit Djenne Handel treiben, Vieh halten
und vom Fischfang leben, beschrieben. Diese Beschreibung weist auf ein Zu-
sammenleben von Bambara, Marka, Fulbe und Bozo hin23. Ende des 19. Jahr-
hunderts war Mopti die Basis der Tuculor im Kampf gegen die Fulbe. Für die
Franzosen bekommt es erst seit der Fertigstellung der Eisenbahn Dakar —
St. Louis und Kayes — Bamako, als Flußhafen, der mit der Westküste in Ver-
bindung steht, größere Bedeutung. Während des Hochwassers alljährlich einige
Monate von der Umgebung abgeschnitten, bekommt es mit dem Bau eines
14 km langen Deiches (1905—1910) eine beständige Verbindung zum Hinter-
land und fängt an, sich zum Zentrum des Deltas zu entwickeln.
Die verkehrsgünstige Lage zieht europäische und libanesische Händler an.
Sie beginnen mit der Ausfuhr von Federn und handeln später vor allem mit
Wolle, Fellen und Reis. Nach 1930 erweitert sich der traditionelle Fischhandel
auf neue Märkte in Cote d’Ivoire; er hat bis heute nicht aufgehört sich aus-
zudehnen. Zu Beginn der „Unabhängigkeit“21 war Mopti der wichtigste Han-
delsplatz Malis, heute steht es in Bedeutung und Größe nach Bamako an zwei-
ter Stelle.
3. Die Bootsbauer
3.1. Im Zusammenhang mit dem Bootsbau stehende Gruppen
3.1.1. Handwerker
Als mögliche bzw. frühere Bootsbauer werden m Literatur und Überlieferung
verschiedene Gruppen genannt:
Koule (Bambarabezeichnung) oder Laobe (Fulbebezeichnung). „Les Laobe
sont des artisans du bois, de la race Toucouleur1.“
23 vgl. ebd., S. 488.
24 Die Unabhängigkeit der Entwicklungsländer ist ein üblicher und festumrissener Be-
griff. Inwieweit Mali allerdings mit der offiziellen Unabhängigkeitserklärung seine
Abhängigkeit von Frankreich verringert hat, müßte kritisch hinterfragt werden.
1 N’Diaye 1970, S. 75.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
71
Ich bekam verschiedene Auskünfte über diese Gruppe: sie seien vielseitige
Handwerker, die früher auch Boote hergestellt hätten; sie seien nur für das
Baumfällen zuständig gewesen; ein Mythos berichtet von einem Koulé, der nach
den Anweisungen eines Bozo einen Einbaum herstellt.
Ein Bootsbauer von Djénné berichtet mir, es seien früher die Schmiede ge-
wesen, die die Einbäume hergestellt hätten, ebenso stellt Malzy2 die Schmiede
der Bozo als Bootsbauer vor, was sich allerdings für die Zeit seiner Unter-
suchung als falsch herausstellt.
Tymowski3 erwähnt eine Gruppe, die sich „Tyindiketa (coupeurs
d’herbe)“ nennt und im Reich Mali als Sklaven verantwortlich für das Schnei-
den des Bourgou-Grases (Viehfutter) und für den Bau von Booten zuständig
gewesen sein soll.
3.1.2. Fischer
Im Allgemeinen aber sind es die Fischer des Deltas, die als traditionelle
Bootsbauer und Bootsleute gelten. Im Delta gibt es drei Gruppen von Fischern:
Die S o r k o. Sie sind etwa im 9. Jahrhundert aus dem Süd-Osten zuge-
wandert, gehören zur „ . . . caste des pêcheurs ... de la population songhay,
. . ,“4 und sind die Bauer der genähten Plankenboote.
Die Somono, Sie haben kein ausdrückliches Metier, obwohl sie zumeist
Fischerei betreiben, und keine eigene Sprache, sondern passen sich der vorherr-
schenden Sprache der Region, in der sie leben, an. Die größte Ballung von So-
mono ist in Ségou, sie siedeln aber auch in Dörfern verstreut im Delta, separat
oder gemischt mit den Bozo. Sie werden normalerweise nicht als Ethnie be-
zeichnet. In der französischen Literatur werden sie oft als „caste“ kategorisiert.
„ . . . leur origine ethnique est très diverse, et beaucoup de familles ont con-
servé le souvenir de leur ancêtre Bambara, Marka, Sonrhai, Samogo, Bobo,
Mossi, parfois Peul“5.
Über die Entstehung dieser gemischten Gruppe gibt es verschiedene Vermu-
tungen: Sie wurden unter der Herrschaft Malis zusammengestellt und zur
Kontrolle der Flußbevölkerung eingesetzt6. Oder aber sie sollten als zusätz-
liche Fischer zur Ernährung der wachsenden Bevölkerung des alten Mali bei-
2 vgl. Malzy 1943, S. 118.
3 vgl. Tymowski 1971, S. 19.
4 Rouch 1950, S. 5.
5 Daget 1949, S. 16.
6 vgl. Gallais, a. a. O., S. 109.
72
Hagemann, Bootsbau in Mali
tragen7. Häufig werden sie auch als eine während der Herrschaft der Bambara
gegründete Gruppe bezeichnet. Der Bambara-Herrscher Biton „begründete . . .
eine Flotte, indem er die . . . Somono in seine Dienste nahm, . . . und ihnen
ein Monopol auf Schiffahrt und Fischfang im Niger verlieh“8.
Es wäre wohl für einen modernen Somono heute möglich, im Bootsbau zu
arbeiten, ist aber unüblich und war früher ausgeschlossen, wie mir von Boots-
bauern erzählt wurde.
Die B o z o zählen als zahlreichste und älteste Fischergruppe im Delta.
3.2. Die Bozo als Fischer und Bootsbauer
3.2.1. Ethnische Einordnung
Die Bootsbauer, die ich kennengelernt habe, waren grundsätzlich Bozo und
auch in der Literatur werden sie meist als die einzigen Konstrukteure der
heutigen Boote bezeichnet9. „Les constructeurs de pirogues sont presque tou-
jours Bozo . . ,“10 11. Aus diesem Grunde will ich die Bozo etwas ausführlicher
beschreiben.
„Bozo“ ist eine Bambara-Bezeichnung für „Fischer“ und bedeutet eine An-
spielung auf ihren, sie überall verfolgenden Fischgeruch. Gemeint ist normaler-
weise eine ganz bestimmte Ethnie. „Bozo“ wird aber mitunter auch als Be-
zeichnung für Fischer schlechthin gebraucht.
Auf der Suche nach Hinweisen auf die Entwicklung der Boote habe ich mich
um eine ethnische Einordnung der Bozo bemüht, es ist mir aber nicht gelungen.
Bis heute ist man sich über die Herkunft der Bozo nicht im klaren, und es gibt
eine ganze Reihe sich widersprechender Aussagen:
— Die Bozo sind eine Untergruppe der Mande: „Mandé du Nord“17 ; „Nuclear
Mandé“12 13. Der Begriff Mande wird zuerst von Koelle (1954) als Abkürzung
von Mandénga (entspricht Mandingo, Malinke) und als Bezeichnung für
das Volk des alten Mali gebraucht1'*. Er scheint mir zur Einordnung einer
Ethnie, deren Geschichte wir bis vor die Entstehung des Mali-Reiches zu-
rückverfolgen können, keine Hdfe zu sein, auch wenn er später immer
mehr präzisiert wurde.
7 vgl. Tymowski 1974, S. 32.
8 Westermann 1952, S. 106.
n vgl. Monteil 1971, S. 243 ff.; Champaut 1961, S. 261 ; Tymowski 1971, S. 20.
10 Daget 1949, S. 13.
11 vgl. Delafosse 1972, S. 252/253.
12 Murdock 1959, S. 71.
13 vgl. Baumann 1975, S. 240.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
73
— Versucht wird auch, die Bozo als Autochthone des Deltas festzulegen.
Dazu verlockt die Mythologie der Bozo, die sie als aus den „Löchern“ oder
aus der Erde kommend bezeichnet14 * 16 17 18. Die Erläuterung allerdings, die mir die
Fischer dazu gaben, besagen, daß sie diese Erdlöcher nicht ursprünglich be-
wohnten, sondern sie lediglich zu Kriegszeiten, als Schutz vor dem Feind
benutzten10.
— Monteil10 bezieht sich auf Gironcourt mit der Vermutung, die Bozo seien
aus dem Süden zugewandert,
— wohingegen Cissoko erwähnt, daß sie möglicherweise aus dem Norden
gekommen sind: „Avec le dessèchement progressif du Sahara, des nombreu-
ses tribus noires se réfugièrent au sud et principalement dans la Vallée
nigérienne. Les peuples Mandingue, Soninké, Songhay et bien d’autres . . d'.“
— Eine weitere Variante ist die Ansicht, die Vergangenheit der Bozo weise
nach Ägypten1*. „La petite nation Sorko (gemeint sind die Bozo A. FI.) nous
a conservé les éléments de la plus grande civilisation que l’histoire ait connu,
celle de l’ancien Egypte. . . ., ils parlent aujourd’hui une langue dont les
mots anciens sont dérivés de l’égyptien tel qu’on le parlait il y a cinq mille
ans19.“
Es gibt keinerlei Hinweise auf ein Volk, das vor den Bozo im Nigerdelta
gelebt hat. Das aber reicht noch nicht aus, sie als älteste Bewohner zu bezeich-
nen. Allgemein zugestimmt wird bis heute lediglich der Aussage, daß die Bozo
das am frühesten ansässig gewesene aller heute im Delta versammelten Völker
sind.
3.2.2. Untergruppen
Die Bozo lassen sich in drei Hauptgruppen mit der Eigenbezeichnung „Tje“,
„Sorogo“ und „Tiguè“ einteilen.
Die „Sorogo“ haben sich von ihrem Zentrum Djénné aus im Delta verbreitet
und sich in verschiedene Gruppen aufgeteilt, wie zum Beispiel in die „Pone-
Sorogo“, die (um Kotia und Kadial) im Busch leben, die „Burgu-Sorogo“,
die in der G r a s-ebene um den Lac Debo leben und die „Nongi-Sorogo“, die
14 vgl. Gallais, a. a. O., S. 78.
13 Als Feinde wurden mir in diesem Zusammenhang einmal Fulbe und Bambara ge-
nannt, was eine zeitliche Einordnung ermöglichen würde.
16 Monteil 1971, S. 28/29.
17 Cissoko 1975, S. 154.
18 vgl. Sandte de Garmont 1977, S. 18.
19 Ligers 1964, Bd. 1, S. VII.
74
Hagemann, Bootsbau in Mali
auch Ackerbau betreiben und mit Marka gemischt in größeren Dörfern der
Region Kona leben. Ihr Dialekt wird mit „Sorogoama“ bezeichnet.
Die „Tjè“ waren um Dia und später Nouh-Bozo, einer Siedlung am Haupt-
strom des Niger, ca. 150 km flußaufwärts von Mopti, konzentriert und haben
von dort aus zahlreiche Fischereicamps im Deltagebiet gegründet, die vielfach
in diesem Jahrhundert zu festen Siedlungen sich entwickelten.
Die aktivsten und bekanntesten Bootsbauer kommen häufig aus dieser Grup-
pe. Ihr Dialekt nennt sich „Tjama-Nouhouma“.
Über die „Tiguè“ kann ich sebst nichts sagen, außer, daß sie um Dia konzen-
triert sind und ihr Dialekt „Diama“ heißt.
Die Kélinga20, in der Literatur oft als weitere Untergruppe der Bozo bezeich-
net21, gehören, nach der Aussage der Bozo selbst, nicht dazu, sondern sind aus
dem Süden eingewandert. Sie sprechen ein Gemisch aus Bambara und Bozo,
leben in der Gegend von Ségou, verheiraten sich nicht mit den Bozo und geben
sich zwar als Bozo aus, aber Gespräche über dieses Thema sind voll von ironi-
schen Anspielungen.
3.2.3. Ökonomie der Bozo
„Les Bozo ne sont pas que des pécheurs, . . .“22. Wenn die Bozo auch vor
allem die Fischerei betreiben, so tun sie es doch nicht ausschließlich. Ein wenig
Vieh wird gehalten, Schafe und Hühner im Hof, Rinder überläßt man zur Auf-
sicht den Fulbe. Reisanbau ist nicht selten, für die Feldarbeit werden jedoch
häufig Dogon-Ackerbauern, zu denen die Bozo allgemein in ganz spezieller
Beziehung (Scherzverwandtschaft) stehen, eingestellt. Schon traditionell wurden
verschiedene Güter (die Milch der Fulbe, die Hirse der Bambara) gegen Fisch
eingetauscht. Dies nahm aber immer mehr zu, so daß heute auch handwerkliche
Produkte (z. B. Fischfanggeräte) nicht mehr selbst hergestellt, sondern gekauft
werden. Da Fisch einer der bedeutendsten Exportartikel Malis ist, wird sich
diese Entwicklung wahrscheinlich auch noch einige Zeit fortsetzen. „Pour le
pécheur le plus gros de la production est vendu . . ,23.“ Deutliche Folgen der
Überfischung zeigten sich bereits in den letzten Jahren.
Der Lebensrhythmus der Bozo ist abhängig von den Saisons im Delta, d. h.
vom Steigen und Sinken des Wassers und den Fischwanderungen. „Les Bozo
20 vgl. auch Hirschberg 1965: „Kilinga“.
21 vgl. Gallais, a. a. O., S. 106; Daget 1949, S. 14.
22 Francis Boeuf 1931, S. 400.
23 vgl. Gallais, a. a. O., S. 460.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
75
sont loin d’être sédentaires24.“ „ . . . ils sont très étroitement liés au rythme du
fleuve dont ils tirent leurs ressources et mènent une vie nomade que les fait se
déplacer, eux et leur famille, vers les régions les plus poissoneuses du Delta“2’.
Es muß außer den genannten auch noch andere Gründe für den Ortswechsel
geben, die uns verständlich machen können, warum eine Familie von Djénné
auf Fischfang an den Lac Debo zieht und zur selben Zeit eine andere vom Lac
Debo mit der gleichen Absicht nach Djénné zieht26. „Die Fanggeräte (der Bozo,
A. H.) sind sehr vielfältig; sie sind sowohl auf die verschiedenen Fischarten
wie auch auf die örtlichen Verhältnisse des Fanggebietes abgestimmt. Unter den
Fanggeräten kann man vier Gruppen unterscheiden: Netze, Angelschnüre, Reu-
sen und Harpunen2'.“ Während die Männer (mit Hilfe von Jugendlichen) für
den Fang der Fische verantwortlich sind, sorgen die Frauen für die Weiter-
verarbeitung, das bedeutet, neben der täglichen Zubereitung für den direkten
Verbrauch müssen sie auch trocknen und räuchern. Auch die Vermarktung wird
vor allem ihnen überlassen28.
Zur gesellschaftlichen Organisation der Bozo Aussagen in der nötigen Kürze
zu machen, bin ich nicht in der Lage. Arbeiten mit ausreichend belegten Fakten,
die die Grundlage hierfür bilden könnten, sind mir nicht bekannt. Lediglich die
Regelungen bezüglich der Fischereirechte möchte ich erwähnen: „nayru kä ma
jugu jä Kuni jä binä (Bozo) — Les eaux du monde d’aujourd’hui et du monde
nouveau (. . .) seront dominées par les personnes29 30.“ —
Die Bozo haben traditionell und bis heute weitgehend unangefochten die
Rolle der „Herren der Gewässer“60, d. h. jeder Flußabschnitt, Kanal oder
Weiher ist einem Bozo unterstellt, der die Fischereirechte verteilt. Diese Funk-
tion leitet sich aus den Vorrechten ab, die ihnen als relativ ältester im Delta
ansässiger Volksgruppe zufallen und aus ihrem hervorragenden Kontakt zu den
übernatürlichen Wesen, die in den Gewässern des Deltas herrschen31 32 *. Dies be-
trifft das Gebiet des Flusses von Ségou bis Goundam32/33. Dorfchefs sind sie im
24 Daget 1949, S. 14.
25 Berron 1971, S. 76.
26 vgl. auch Macher 1973, S. 179.
27 Macher 1973, S. 181.
28 vgl. auch Gallais, a. a. O., S. 458; N’Diaye 1970, S. 62; Daget 1949, S. 14.
29 Griaule/Dieterlen 1951, S. 81.
30 vgl. auch Gallais, a. a. O., S. 415.
31 vgl. Tymowski 1971, S. 20.
32 vgl. Francis Boeuf 1931, S. 391.
vgl. Daget 1949, S. 13; Delafosse 1972, S. 253; Gallais, a. a. O., S. 415; Ligers
1964—1977.
33
76
Hagemann, Bootsbau in Mali
Gegensatz dazu, selbst wenn es sich bei dem Dorf um eine Bozogründung und
-mehrheit handelt, sehr selten; ebenso spielen Landrechte kaum eine Rolle.
3.2.4. Zum Wert- und Normensystem
Die Bozo sind ein „peuple heureux sans annales glorieuses“34 35 36. Sie hatten in der
Geschichte des Deltas nie die Rolle der Herrschenden, sind aber auch nicht als
Sklaven und Untertanen bekannt geworden. Normalerweise reagierten sie auf
jede Invasion von außen mit ihrem Rückzug in noch unbewohnte Gebiete.
Während die Ackerbauern sich bei Aufbau und Ausdehnung der alten Reiche
unterordnen, bewahren die Bozo weitgehende Unabhängigkeit und ein Leben
nach ihrer Tradition. „ . . . les pécheurs nomades échappèrent à l’influence poli-
tique et culturelle du Mali“3j. Francis Boeuf3'1 nennt es eine „independence
exceptionclle dans l’histoire des peuples africains“. Entsprechend sind auch heute
verhältnismäßig wenige Bozo unter den malischen Funktionären37. Die Bozo,
schon seit dem 14. Jahrhundert islamisiert3*, haben sich bis heute ihren ani-
mistischen Glauben erhalten39. Ortoli bezeichnet sie als „musulmans ignorants“40.
Sie richten sich zwar nach dem islamischen Kalender und verrichten (vor allem
in der Stadt) die vorgeschriebenen Gebete, aber ich hatte in ihrer Gesellschaft
nie das Gefühl, mich unter Muselmanen zu befinden.
Ich wurde mehrmals, als ich in ärgerlicher Stimmung war, darüber belehrt,
daß der Anlaß meines Ärgers es nicht wert sei, darüber die Fassung zu verlieren:
Die Bozo halten offenen Streit und gewaltsame Auseinandersetzung für eine
Untugend41. In einem Krieg sind sie nie die Angreifer, sondern ergreifen
normalerweise die Flucht. Die Flucht wird ihnen durch die Boote, über die
andere Volksgruppen nicht verfügen, ermöglicht.
So tauchten die Boote auch in allen Beschreibungen, die man mir zur ur-
sprünglichen Verwendung gab, als Mittel zur Flucht auf.
34 Francis Boeuf 1931, S. 391.
35 Gallais, a. a. O., S. 83.
36 Francis Boeuf 1931, S. 391.
37 vgl. Gallais, a. a. O., S. 83.
38 vgl. Delafosse 1972, S. 254.
39 vgl. Macher 1973, S. 178; Francis Boeuf 1931, S. 392.
40 Ortoli 1936, S. 152.
41 Die Charakterisierung der Bozo durch Ethnologen geht von friedlich bis gleich-
gültig; „The Bozo are a peaceful people.“ Murdock 1958, S. 2057.
„Toute les tyrannies, toute les calamités semblent le laisser indifférent.“ Monteil
1971, S. 125.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
77
Die Bozo wurden in vergangenen Jahrhunderten vielseitig auf ihre Funktion
als Bootsbauer und -fahrer festgelegt: Sie waren im Fulbe-Königreich Massina,
wo Art und Flöhe der Abgabe jeder Volksgruppe an die „Staatskasse“ genau
bestimmt waren, „ . . . wegen der Transportdienste — der Staat hatte sie dazu
verpflichtet — von manchen Abgaben entbunden“42 43. Als Bootsbauer trugen sie
auch zur Festigung des Reiches Mali bei: „La construction des barques était très
importante pour le transport efficace des unités militaires et du ravitaillement.“
Umgekehrt wurde der Bootsbau wiederum durch seine Organisation innerhalb des
Reiches gefördert. „De son côté la batellerie bozo . . . prit un grand développe-
ment tant pour le service de l’état du Mali que pour les besoins du commerce4,5.“
Die Bozo nehmen einerseits am allgemeinen Handel über den Bootsbau teil und
sind andererseits in ihrem Fischhandel durch die Transportmöglichkeiten in
eigenen Booten begünstigt.
Auffallend ist die große Offenheit der Bozo gegenüber Einflüssen von Außen.
In kürzester Zeit setzen sie meist Neues und Fremdes für ihren eigenen Bedarf
um und gliedern es in ihre Lebensweise ein.
3.3. Heutige Organisation des Bootshaus mit drei Beispielen
Die Bootsbauer haben in der Gesellschaft der Bozofischcr eine bevorzugte
Stellung. Zum einen wegen ihrer Sondereinkünfte, zum anderen wird ihnen
aufgrund ihres Könnens Achtung gezollt.
Jeder Bozo kann Bootsbauer werden; er bleibt immer nebenbei auch Fischer.
Ist der Vater Bootsbauer, lernen normalerweise alle seine Söhne auch dieses
Handwerk. Ist der Vater nicht ßootsbauer, wird einer seiner Söhne ausgewählt
und zu einem verwandten oder befreundeten Lehrmeister geschickt. So wird er-
reicht, daß in jeder Familie44 wenigstens einer das Bootsbauen beherrscht. Der
Raum, den die Ausübung des Handwerks dann später einnimmt, ist sehr unter-
schiedlich.
Der Lehrling verbringt mindestens 3—4 Jahre bei seinem Meister, oft wird
die Lehre auch schon als Kind begonnen und zieht sich dann über wesentlich
längere Zeit hin. Er beginnt als Zuschauer, wird später für leichte Hilfsdienste
herangezogen, bis er allmählich zum vollwertigen Mitarbeiter wird. Er wird in
dieser Zeit von seinem Meister ernährt und gekleidet4'*.
42 Ki-Zerbo 1978, S. 272.
43 Monteil 1971, S. 39.
44 Familie ist hier die Gruppe der Mitglieder einer Lebensgemeinschaft; auf keinen
Fall mit unserer Kleinfamilie vergleichbar; vgl. auch Ortoli 1936, S. 153.
40 vgl. auch Champaut 1961, S. 262.
78
Hagemann, Bootsbau in Mali
Ursprünglich war es angesehen, wenn der Bootsbauer die Arbeit von Anfang
bis Ende selbst erledigte. Ein Bozo gilt etwas, wenn er sich „die Hosen naß
macht“, d. h. wenn er zu fischen versteht; dieser Spruch wird aber auch auf die
Fähigkeiten in anderen Arbeiten übertragen. Trotzdem ist es üblich, das Fällen
der Bäume anderen zu überlassen. Früher waren es im nördlichen Delta die
Bella, im süglichen Delta die Bobo oder Koule, und heutzutage werden sowieso
nur noch fertige Planken gekauft.
In einer Arbeitsgruppe werden bestimmte Arbeiten ausschließlich vom
„Meister“40 gemacht: Auswahl des Holzes und auch des übrigen Materials,
Schnitzen der Steven, alle Messungen zur Formgebung und Ausmaß des Bootes
und sämtliche Verhandlungen mit dem Auftraggeber. Der Meister verfügt auch
über die Arbeitsgeräte. Von den gebräuchlichsten hat er mehrere Stücke, die
dann von den Helfern benutzt werden.
Eine Konkurrenz zwischen den verschiedenen Bootsbaugruppen gab es tradi-
tionell nicht, da die Boote als unterschiedlich galten, ohne in einer eindeutigen
Gütehierarchie zu stehen, und da die Auftraggeber normalerweise aus Familie
und Bekanntenkreis sich „ihren“ Bootsbauer auswählten. Der Kunde mußte dem
Dorfvorstand oder Familienältesten den Bootsbauer seiner Wahl nennen, jener
entschied dann über die Vergabe des Auftrags. Für jeden übergebenen Auftrag
war der Konstrukteur verpflichtet, sich seiner Autorität durch eine kleine Gabe
erkenntlich zu zeigen. Diese Organisation der Auftragsvergabe ist jedoch dabei,
sich aufzulösen, und Konkurrenz zwischen Bootsbauern ist in ihren Anfängen
zu beobachten.
Die Verteilung der Bootsbaugruppen im Delta läuft auf eine wachsende Kon-
zentration hinaus. Dies ist begründet durch die Ballung wirtschaftlicher Kraft in
Städten und einer allgemeinen und durch die Materialkosten bedingten Zu-
nahme der Arbeitsteilung. Aus dieser Konzentration wächst unter anderem die
Anonymität zwischen Konstrukteur und Auftraggeber, und durch die Möglich-
keit, das ganze Jahr über Aufträge zu erhalten, wird ihrerseits wieder die
Arbeitsteilung (in Fischer und Handwerker) gefördert.
In Produkt und angewandter Technik sind die Unterschiede bei den Boots-
bauern sehr gering, in Ausbildung- und Arbeitsgestaltung aber gibt es Abwei-
chungen. Ich möchte hier drei Orte im Delta und die unterschiedliche Art, wie
in ihnen Boote hergestellt werden, vorstellen:
4fi Als Meister habe ich den Vorstand einer Bootsbaugruppe bezeichnet. Er hat seine
Ausbildungszeit hinter sich. Er ist in der Familie der älteste, der das Bootsbauen
beherrscht, oder er hat mit Genehmigung der Familie und besonderer Eigen-
initiative eine „Werkstatt“ oder Bootsbaugruppe gegründet.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
79
Mopti
Die bedeutende Stellung Moptis als malische Handelsstadt habe ich bereits
erwähnt. Es ist als Markt, Transportknotenpunkt und Verwaltungssitz die
Zentrale des Deltas. Die Einwohnerzahl ist für 1960 mit 20 000 angegeben4'.
Die Familie des Bootsbauers Ibrahim Djennepo kommt ursprünglich aus
Djenne, ist aber schon seit vielen Generationen in Mopti ansässig. Sie war im
üblichen Maße am Bootsbau beteiligt, bis Ibrahims Großvater, der mit den
ersten Europäern um die Jahrhundertwende in Mopti zusammenarbeitete, be-
stimmte, alle seine männlichen Nachkommen sollten im Bootsbau ausgebildet
werden.
Ibrahim spricht gut französisch, er lebt mit seinem älteren Bruder, der das
Familienoberhaupt ist, mit Frauen und Kindern in einem großen Hof im Wohn-
viertel von Mopti. Obwohl Ibrahim der jüngere Bruder ist, sorgt er für den
Unterhalt der Familie. Er überwacht den Reisanbau, den eine Gruppe von
traditionell von seiner Familie abhängigen Arbeitskräften für ihn erledigt, ein
Fischereicamp am nahen Flußufer und vor allem die Bootsbauarbeiten. Sein
Atelier ist sehr günstig und zentral am Hafen gelegen, unter einem großen,
fest installierten Dach, das ganzjährig einen geräumigen Schutz vor Regen und
Sonne bietet. Unter dem gleichen Dach befinden sich außerdem ein Holzlager und
eine Reihe von Schmieden. Die etwa 30 übrigen Bootsbaugruppen Moptis ver-
fügen sämtlich nur über kleine Hangars und müssen mehrmals im Jahr wegen
des steigenden und fallenden Wassers ihren Platz wechseln, der grundsätzlich
abseits von Industrie-, Markt- und Hafenviertel liegt. Häufig hat Ibrahim
„fremde“ Kunden, von denen er nach halbwegs festgelegten Preisen und mit
Geld bezahlt wird. Weniger ins Gewicht fallen Aufträge aus der eigenen Ver-
wandtschaft. Ibrahim hat einflußreiche Verwandte und Kontakt zu staatlichen
Funktionären, die ihm den günstig gelegenen Bauplatz zur Verfügung stellen
und für Kunden sorgen; so hat er schon seit längerem ganzjährig Aufträge.
Diese nahmen im Lauf des letzten Jahres so zu, daß täglich gearbeitet und eine
zusätzliche Hilfskraft eingestellt werden mußte. Ibrahim besorgt normalerweise
das Bootsbaumaterial selbst. Das Holz kauft er entweder in Mopti oder, wenn
er Gelegenheit zum Transport sieht, in Bamako zu einem um 25 °/o niedrigeren
Preis.
Seine Baugruppe besteht aus ihm als Meister, Ali seinem ältesten Sohn, der
gute Schulbildung hat und seit etwa einem Jahr täglich mitarbeitet, entweder als
Hilfe oder in Ibrahims Abwesenheit auch selbständig, einem etwa 12jährigen
Sohn, der verschiedene Arbeiten schon sehr geschickt ausführt, fast täglich hilft
4' vgl. Gallais, a. a. O., S. 561.
80
Hagemann, Bootsbau in Mali
und nebenher auf die Koranschule geht, zwei sechsjährigen und einem drei-
jährigen Sohn, die in seiner, Ibrahims, Umgebung spielen, mit dem Werkzeug
experimentieren und für Hilfsdienste wie Wasser holen, Feuer schüren und
Arbeitsgerät zureichen herangerufen werden, und einem jungen Bootsbauer aus
der Familie Nazireh. Einen Teil seiner Aufträge gibt Ibrahim an Amidou und
Mama, zwei ältere Verwandte weiter, die sie dann unabhängig und mit eigenen
Hilfskräften (aber am gleichen Bauplatz wie Ibrahim) ausführen. Man hilft sich,
wann immer es nötig ist, und je nach Auftragslage wird auch von allen ge-
meinsam an einem Boot gearbeitet. Die Zusammenarbeit wirkt auf mich sehr
geschickt und harmonisch. Vor neuen Arbeitsgängen werden zum Teil kurze
Besprechungen abgehalten, im übrigen reichen knappe Gesten zur Verständigung
aus. Die ganze Gruppe ist von der Initiative Ibrahims abhängig, die Mitarbeiter
erhalten von ihm keinen festen Lohn, sondern nehmen täglich am Bauplatz
selbst an einem von Ibrahims Frauen zubereiteten Mahl teil und erhalten im
weiteren je nach Bedarf ausreichend Geld und Material zum Unterhalt ihrer
Familien.
Nouh-Bozo
Nouh liegt etwa 150 km flußaufwärts von Mopti und ist nur über den
Wasserweg erreichbar. Es ist die „größte zusammenhängende Fischereisied-
lung“48 im Delta und in seiner Geschichte mit Dia verknüpft. Es ist traditionell
ein bedeutender Bozo- und Bootsbau-Ort. Seine Vergangenheit ist durch mehrere
vollständige Auswanderungen oder Deportationen unterbrochen und dadurch
schwer nachzuvollziehen. Die Einwohnerzahl betrug 19 6 0 2 9 4 5 49. Das Dorf ist
durchzogen von überbrückten Kanälen, große Bäume spenden überall Schatten,
und es macht mit seinen geräumigen Höfen insgesamt einen wohlhabenden und
kultivierten Eindruck. Die zahlenreichen Bootsbauer von Nouh sind unge-
wöhnlich aktiv50, sie sind bis weit über die Grenzen des Deltas bekannt. In
Nouh gibt cs weder einen ansässigen Schmied, noch regelmäßige Versorgung
mit Bauholz. Der Baumeister wird noch nach traditioneller Art vom Auftrag-
geber ausgewählt, der Auftrag wird nicht direkt übergeben, sondern läuft über
den Dorfchef. Ebenso funktionieren die Ausbildung und die gesamte Organi-
sation nach alten Regeln und sind nicht der Eigeninitiative überlassen, wie es
in Mopti schon zum Teil der Fall ist. Da die Bootsbauer auch noch Fischer sind,
finden die Bootsarbeiten vor allem zu bestimmten Saisons statt; in dieser Zeit
ist dann jeder freie Platz im Dorf mit im Bau befindlichen Booten gefüllt. Zahl-
48 Macher 1973, S. 180.
49 vgl. Gallais, a. a. O., S. 431.
50 vgl. Champaut 1961, S. 261.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
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reiche halbfertige Boote liegen in den Kanälen und werden zu Transporten
innerhalb des Dorfes benutzt.
W omina
Zu Beginn der Kolonialzeit wurde Womina als Fischereicamp gegründet. Es
hat sich inzwischen zu einem ständig bewohnten Dorf mit festen Häusern und
etwa 3—400 Einwohnern entwickelt und ist auf dem Wasserweg und über eine
Deichstraße das ganze Jahr gut zu erreichen.
Lacinij Tjenta ist einer von mehreren Bootsbauern in Womina, war aber zu
Beginn meines Aufenthalts als einziger an der Arbeit. Er ist in Severi (30 km
nördlich von Womina) aufgewachsen und schon als Kind, auf Anregung seiner
Mutter, zu einem Marabut in die Lehre gegangen, um bei ihm das Koranlesen
und das Bootsbauen zu lernen. Nach beendeter Lehrzeit ging er für 4 Jahre
nach Segou zum „Geldverdienen“. Weil er dort ein Fremder war, konnte er
feste Preise für seine Boote machen und das verdiente Geld für sich behalten,
was beides unmöglich gewesen wäre, wäre er im Kreis seiner Verwandten ge-
blieben. Er arbeitete dort zuerst allein, später mit dem Sohn seines ehemaligen
Lehrmeisters. Hier in Womina lebt er jetzt mit zwei Frauen und deren Kindern
als Fischer wie alle anderen. Er baut nur gelegentlich Boote, vielleicht ein bis
zwei im Jahr. Aufträge erhält er von Verwandten und aus Dörfern der Um-
gebung. Die gewünschte Bootsform wird mit dem Auftraggeber vorher genau
abgesprochen. Dieser liefert auch das Material. Die Vergütung der Arbeit erfolgt
nicht in Form eines festen Geldbetrags, sondern wird bemessen durch Lacinijs
Bedarf an Lebensmitteln während der Zeit, die der Bau des Bootes in Anspruch
nimmt, oder der Auftraggeber bleibt in Schuld, bis er sich durch eine Arbeits-
leistung seinerseits revanchieren kann. Teilweise arbeitet Lacinij allein, teilweise
hat er Hilfe von seinem etwa 14jährigen Sohn und verschiedenen Dorfbewoh-
nern, die stunden- oder tageweise dabeibleiben.
Seine Arbeitsstelle ist unter einem Hangar auf einem großen, freien Platz
inmitten des Dorfes. Er hat während der Bauperiode von Tag zu Tag mehr
Zuschauer, die sich im Schatten seines Daches niederlassen und zum Teil ihre
Handarbeiten mitbringen, Kinder turnen auf den halbfertigen Bootsteilen,
Mädchen sammeln Holzspäne, die Alten kritisieren seine Arbeitsweise, aber
Lacinij läßt sich von all dem nicht stören, er arbeitet ruhig vor sich hin und
findet immer Zeit, mir Arbeitsschritte zu erklären und Einzelheiten zu zeigen.
4. Die Boote heute
Seit etwa 30 Jahren werden im gesamten Binnendelta des Niger, neben
wenigen, kleinen, genähten Plankenbooten, Boote eines einheitlichen Typs her-
6 Baessler-Archiv XXXI
82
Hagemann, Bootsbau in Mali
gestellt und benutzt. Ihre Form ist lang und schmal. Sie haben einen kiellosen,
platten Boden, der an Bug und Heck leicht hochgezogen ist, und bestehen aus
unbesäumten Planken aus schwerem, hartem Holz, die durch Nägel miteinander
verbunden sind. Auffällig sind die langen Steven, die Schnürung oder spezielle
Nagelverbindung mittschiffs und die bunte Bemalung der Bordwände. Ab einer
bestimmten Größe, die im Zusammenhang mit ihrer Verwendung steht, sind sie
mit einem halbrunden Mattendach bedeckt.
4.1. Verbreitung
Sie sind mittlerweile bis weit über die Grenzen des Deltas verbreitet. Man
berichtete mir in Mopti von Aufträgen, die bis aus Gao kamen, und ein junger
Bozo-Bootsbauer erzählte, er habe einige Jahre im Senegal gearbeitet und Boote
genau dieser Form für den Verkehr auf dem Senegalfluß hergestellt.
Die Fortbewegung der Boote erfolgt mit der Stakstange, dem Paddel, einem
zusätzlich eingesetzten Rah-Segel oder dem Außenbordmotor. Auf den Haupt-
armen des Flusses herrscht das ganze Jahr über lebhafter Verkehr, die Boote
beeindrucken trotz ihrer immer gleichen Form durch reiche und bunte Vielfalt.
4.2. Benennung
Die Boote werden von den Bozo „Hulu“, von den Bambara „Kuru“ genannt,
oder auf Französisch „Pirogue“. In der Literatur zum Bootsbau oder -verkehr
wird die gegenwärtig gebrauchte und von mir in diesem Kapitel beschriebene
Form meistens „Pirogue vom Typ Djenne“ genannt. „Pirogue“, eine Ableitung
vom spanischen „Piragua“ ist im Französischen sehr weit gefaßt: „Sous ce
vocable de ,pirogue“ il faut comprendre tous les types d’embarcations envisages
depuis les origines de la navigation.“ Das Floß, das Haut- und Rindenboot, den
Einbaum, das Auslegerboot, den Einbaum mit Plankenaufsatz und schließlich
das Bretterboot1. Im deutschen ist der Begriff Piroge nach Suder festgelegt auf
den Einbaum mit durch Planken erhöhtem Bordrand“; für die von mir be-
schriebene Form dagegen hat man sich auf den Ausdruck Bretter- oder Planken-
boot geeinigt. Das Bretterboot ist „ . . . ein aus Einzelteilen und Brettern (Plan-
ken) zusammengesetztes Fahrzeug ohne festes Rückgrat. Es ist auf diese Weise
vom massiven Einbaum, von der Piroge und vom Kielschiff zu unterscheiden.
Infolge seiner Bauart ist das B. in erster Linie auf küstennahe Gewässer und
Binnengewässer beschränkt. Die Fortbewegung erfolgt durch Paddel, Riemen
und Segel, ortsweise ist auch das Staken, Treideln und Wricken bekannt“'’’.
1 vgl. Bidault 1945, S. 12.
2 vgl. Suder 1930, S. 22.
3 Hirschberg 1965, S. 59.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
83
Obwohl mir nach meinem Aufenthalt in Mopti der Begriff „Pirogue“ natürlich
geläufiger und eindeutiger ist, möchte ich im weiteren das Wort „Plankenboot“
verwenden, um keine Verwirrung zu stiften.
4.3. Gebrauch
Die erwähnte Vielfalt dieser Boote besteht nicht nur im äußeren Eindruck,
sondern ist tatsächlich im Gebrauch vorhanden.
Es gibt fußgroße Spielzeugschiffchen für Kinder, die denen der Erwachsenen
genau nachgebildet sind oder spezielle, besonders lange und schmale Boote, die
für die häufig veranstalteten Rennwettkämpfe hergestellt werden; ein sehr
großer Teil der Boote wird zum Fischen verwendet, sie haben eine Länge von
ungefähr zehn Metern und sind damit die kleinsten der im Gebrauch stehenden
Boote. Man wirft vom Boot aus das Netz aus oder die Harpune, fährt zu den
aufgestellten Fischsperren und Reusen, transportiert den gefangenen Fisch und
so fort4.
Die nächstgrößeren Boote, die eine Länge von etwa 20 m haben und eine
Ladung von 3 t fassen, werden vor allem von Fischern benutzt, um zu einem
entfernten Fischgrund zu reisen. Die Fischer sind mit mehreren Familienmit-
gliedern unterwegs und wohnen während der Reise, die bis zu einigen Wochen
dauern kann, im Boot. Auf dem Rückweg werden dann große Mengen von
geräuchertem und getrocknetem Fisch mitgeführt. Boote von dieser Größe
werden auch von reisenden Händlern benutzt, die das Jahr über mit der Familie
darauf leben. Deutlich wird dies in der Aufteilung der Bootsbereiche: in einen
für die Küche bestimmten Raum, einen vorbestimmten Platz für das nötige
Feuerholz, einen anderen für die Handelsware. Der Hausrat ist meist auf dem
Dach untergebracht. Diese Händler beliefern die kleinen und vor allem schwer
zugänglichen Orte des Deltas. Die Boote dieser Klasse sind manchmal mit
Motoren ausgerüstet. Die großen Boote schließlich (sie können eine Länge von
40 m und eine Nutzlast bis 30 t erreichen) dienen zum Transport von Personen
und Handelswaren auf Flußläufen zwischen den größeren Marktplätzen. Sie
haben feste Routen und Abfahrtstage sowie festgelegte Preise für Person und
Last und befahren nur die Hauptarme des Flusses. Während der Fahrt stoßen
häufig kleine Boote dazu und es wird ohne anzulegen umgeladen und aus- oder
eingestiegen.
Heute ist nicht mehr der Verkehr zwischen Djenne und Tombouctou wichtig,
sondern man muß sich Mopti als Zentrum vorstellen, im Austausch befindlich
mit Tombouctou flußabwärts und Bamako flußaufwärts. Die hauptsächlichen
J vgl. Daget 1949; Gallais 1961 u. a.
6*
84
Hagemann, Bootsbau in Mali
Transportgüter sind Fisch, Hirse, Reis, Holz, Matten, Gummi, Häute, Wolle,
Salz, handwerkliche Erzeugnisse, Konstruktionsmaterialien und Treibstoff’. Der
Schiffsraum ist mit Ware angefüllt und obenauf nehmen bis zu 200 Reisende
Platz. Das Dach wird mit sperrigen Stücken wie Möbeln, Motorrädern und
ähnlichem beladen. Die Besitzer dieser Boote sind meist wohlhabende Kaufleute,
die zur Begleitung der Boote eine Besatzung einstellen. Die Organisation des
Transportwesens ist privat. Champauf’ schreibt von der Gründung eines „Syn-
dicat des Piroguiers“ im April 1959, von dem ich nicht sagen kann, ob es heute
noch besteht. Während der Kolonialzeit wurden größere Lastkähne aus Metall
gebaut, die zeitweise knapp 20 % des Transports übernahmen, heute aber eine
nur noch sehr geringe Rolle spielen.
Aufgezählt habe ich hier nur die drei üblichen Bootsklassen. Es sind jedoch
auch Zwischengrößen in allen Abstufungen im Delta zu sehen.
4.4. Bauart
Bevor ich die Bauart der Boote beschreibe, möchte ich die verwendeten
Materialien und Arbeitsgeräte darstellen.
4.4.1. Materialien
Holz: Allgemein üblich ist heute die Verwendung von maschinell gesägten
Planken des „bois rouge“, im Handel unter dem Namen „Cailcedra“ (Khaya
senegalensis) und bei den Bozo als „hgouala“ bekannt. Größere Exemplare
dieses Baumes sind im Delta kaum noch zu finden. Sie werden heute in der
Gegend von Kita in West-Mali und in Guinea gefällt, in Bamako geschnitten
und dann mit Hilfe von LKWs über den Holzhandel auf verschiedene Städte
vertedt. Das Holz ist hart und schwer und zum Bau von „embarcations legeres“
nach Parkan5 6 7 gut geeignet. Eine zweite Sorte ist das „Lingue“ (Afzelia afri-
cana), von den Bozo meistens ebenfalls als „Lingue“ bezeichnet. Es wird von
privaten Händlern aus Gote dTvoire importiert. Ein hartes, schweres, sehr
stabiles Holz von mittlerer Elastizität, widerstandsfähig gegen Xylophagen-
insekten und Termiten, das als „eines der besten Nutzhölzer der zone souda-
naise“ gilt8/9. Die Dicke der Planken beträgt je nach Bootsgröße 30—40 mm.
Der Bootskörper wird aus einheitlichem Holz gefertigt, bis auf die Steven, die
aus kleinen, im Busch der nahen Umgebung gewachsenen Bäumchen gearbeitet
5 vgl. Gallais 1967, S. 507.
6 vgl. Champaut 1961, S. 274.
7 Parkan 1973, S. 129.
8 Parkan 1973, S. 29.
9 Der Preis lag 1980 in Mopti für beide Sorten bei 200 Fr. M. pro kg.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
85
sind. In der Gegend von Mopti wird hierzu ein von den Bozo als „conomou“
bezeichnetes, sehr dichtgewachsenes, hartes Holz (Diospyros mespiliformis)
verwendet.
Nägel: Bozo: „koulumiemu“ oder „kinkamin“. Sie werden von einheimischen
Schmieden nach dem Vorbild von europäischen Nägeln aus Altmetall hand-
geschmiedet. Sie sind vierkantig und haben einen abgeplatteten Kopf. Im Ver-
hältnis zu unseren üblichen Drahtstiften sind sie sehr weich. Hergestellt werden
sie in einer Länge von 70—120 mm. Welche Nagelgröße gebraucht wird, hängt
wieder vom Ausmaß des Bootes ab10.
Schnur: Bozo: „shiu“ oder „noumot“. Für die Mittelschnürung ist noch zum
Teil das handgedrehte Hanfseil in Verwendung (Hibiscus Cammabimus), es
wird aber langsam ersetzt durch eine Schnur, aus Resten von gebrauchten
Nylonfischnetzen gedreht. Sie hat eine Dicke von etwa 4 mm.
Leim zur Kalfaterung. Bozo: „kiere“. Zur Abdichtung der Ansatzstellen
zwischen den Planken wird ein zähflüssiger Brei aus Baobab-Puder (aus den
Früchten des Baobab- bzw. Bu-hibab-Baumes, Adansonia digitata) und Wasser,
mit einem Zusatz von Karitebutter (Verhältnis 1 zu 5) (Butyrospermum parkii)
hergestellt und auf eingelegte Baumwollstreifen aufgetragen.
Fett zur Oberflächenbehandlung. Bozo: „chalentie“. Für den Innenraum des
Bootes wird erhitzte Karitebutter verwendet, für die Behandlung der Außen-
flächen wird eine Mischung aus Motoröl und feingestoßener Asche des Rhönier-
Palmlaubs (Borassus aethiopium) oder auch dem Graphitstaub aus verbrauchten
Batterien verwendet. Außer als wasserabstoßender Holzschutz wirkt diese
Mischung auch noch als schwarze Deckfarbe.
Als Farbe (Bozo: „peinturi“) für die schmückende Bemalung an den Bord-
wänden wird ganz gewöhnliche, europäische Industrie-Ölfarbe verwendet.
„Stempelschwärze“. Bozo: „kulupinpin“ oder „pimbiti“. Mit ihr werden
beim Einpassen der Planken Abdrücke gewonnen, die ein genaues Fügen er-
möglichen. Sie besteht aus einem Gemisch von feiner Asche und Wasser.
Zum Ausflicken von undichten Stellen wie Holzrissen und Ansatzstellen
zwischen den Planken werden kleine Büschel von Pflanzenfasern und Stoff-
stückchen eingedrückt oder Streifen aus dünnem Blech aufgesetzt.
10 Der Preis geht von 5 Fr. M. für den kürzesten Nagel bis 100 Fr. M. für den
längsten.
86
Hagemann, Bootsbau in Mali
4.4.2. Arbeitsgeräte
Unter Arbeitsgeräten fasse ich zusammen alle von den Bootsbauern ver-
wendeten Werkzeuge zur Formveränderung, sowie alle weiteren zur üblichen
Ausstattung gehörenden, mehr oder weniger für den Bootsbau spezialisierten
Hilfsmittel11.
Das am häufigsten und vielseitigsten verwendete Werkzeug ist die Dechsel
(Fig. 1). Bozo: „koumou“ oder „dere“. Sie wird zur groben Formgebung
massiver Holzstücke gebraucht, zum Längsteilen und Querabtrennen der Plan-
ken, zum Fälzen und Abschrägen der Verbindungsstücke und schließlich zum
Glätten von Flächen und Rändern. Sie liegt ähnlich wie ein durchlaufendes
Seil in der Hand, die Arbeitsbewegung geht vor allem aus dem Handgelenk
heraus. Die Arbeitshaltung ist entweder gebeugt stehend mit hängendem Arm,
das Werkstück am Boden, oder das Werkstück befindet sich auf gleicher Höhe
mit dem Körper, dann wird der Unterarm aufgestützt. Von Zeit zu Zeit wird
die Dechsel gedreht und auf den Schaftkopf geschlagen, um ein Lösen der
Klinge aus der Halterung zu vermeiden. Die beidseitig zu schleifende Klinge
ist handgeschmiedet und durch eine Stiellochschäftung mit dem hölzernen Schaft
für den gerne ein Astansatzstück gewählt wird, weil es sich selten spaltet,
verbunden. Für die Arbeit an schwer zugänglichen Stellen wird eine spezielle
Dechsel verwendet (Fig. 2). Ihr Schaft endet in einem Knie, das von der Klinge
in Form einer Lappenschäftung umgriffen wird. Bei dieser Form kann die
11 Zur Benennung und Beschreibung der Ausführung der Geräte habe ich mich auf
Hirschberg und Janata (1966) gestützt.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
87
Klinge von ihrer horizontalen in eine vertikale Stellung gedreht werden. Bei
den Tje wird diese letztere Form als „dere challo“ (Mann-Dechsel) und erst-
genannte als „dere yallo“ (Frau-Dechsel) bezeichnet; bei den Sorogo ist genau
umgekehrt die stiellochgeschäftete Dechsel männlich („komou kaigou“).
Neben diesen beiden gibt es noch eine Dechsel mit besonders schmaler, kaum
gewölbter Klinge, Bozo: „sogorisson“ (Fig. 3), die zum Ausschlagen von
Löchern verwendet wird.
1 --io
1 : 10
Fig. 4. Dorn, Bozo: polesson.
Weiterhin verfügt der Bootsbauer über einen holzgeschäfteten Dorn bzw.
eine Ahle aus Metall (Fig. 4), mit ihm werden die Nagellöcher vorbereitet. Er
wird im Feuer erhitzt und dann mit drehender Bewegung und Hammerschlägen
auf den Schaft in das Holz getrieben. Mitunter wird der Dorn auch zum Ab-
stützen noch nicht ausreichend befestigter Planken verwendet (als Stützen
dienen aber auch etwa armlange, an den Enden spitz zulaufende Eisenstangen
ohne Schaft). Dieser Dorn wird erst seit der Arbeit mit Nägeln benutzt. Ebenso
wurde ein Hammer gleichzeitig mit den genagelten Plankenbooten entwickelt.
Er nennt sich „kleiner Hammer“ (Fig. 5), Bozo: „bandara“ oder „bantala mig-
non“. Der Stiel ist aus Holz, der handgeschmiedete Schlagteil ist stiellochge-
schäftet, vierkantig und sehr schlank; seine Schlagfläche mißt nur etwa 10 auf
5 mm. Er wird zum Einschlagen der Nägel, kombiniert mit dem Dorn ver-
wendet. Er ist als Hammer angenehm leicht; beim Schlagen muß jedoch gut
gezielt werden.
Hagemann, Bootsbau in Mali
1
Mo
Fig. 6. Bozo-Hobel.
Zum Schleifen der Metallklingen dienen ausgewählte glatte Steine, Bozo:
„sirre“ oder „lacigisirre“, aus der Umgebung. Sie werden mit Wasser befeuchtet
und zum feinen Abziehen wird etwas Holzkohle auf den Stein aufgetragen.
Zum Aufträgen der „Stempelschwärze“ werden Pinsel, bestehend aus dem
Ansatzstück eines Palmzweiges oder auch Stoffreste verwendet. Für die Öl-
farbenmalerei stellt man eine Art Pinsel aus stoffumwickelten Holzstöckchen
her.
Für das Eindrücken des Kalfatmaterials hat man ein Werkzeug, was etwa
in seiner Form mit einem spitz zulaufenden Spachtel (Bozo bzw. Bambara:
„dinga wouru“) verglichen werden kann. Es wird heute weitgehend von Mes-
sern verschiedener Art ersetzt. Zum Glätten der Harpunenschäfte verfügt man
traditionell über einen spezialisierten Hobel (Bozo: „moulassi“) (Fig. 6) — eine
Metallklinge in hölzernem Kasten mit gewölbter Gleitfläche — der seit dem
Bestehen der genagelten Boote auch zum Abhobeln der Oberkanten der Bord-
wände benutzt wird. Viele Bootsbauer besitzen allerdings inzwischen einen
europäischen Hobel; auffällig ist, daß auch damit nur Kanten und niemals
Flächen gehobelt werden. Für mich ein Zeichen dafür, daß er ganz einfach den
traditionellen Hobel, der für die Flächenbearbeitung ungeeignet ist, abgelöst
hat. Dieser Hobel wird als „rabot“ oder auch als „tubabu moulassi“ (Hobel der
Weißen) bezeichnet12. Die Säge ist erst mit den Europäern bekannt geworden
12 vgl. auch Ligers 1972, Bd. 1, Abb. 95 u. S. 9.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
89
und jetzt etwa seit 30 Jahren in Gebrauch. Fast jeder Bootsbauer hat einen
großen Fuchsschwanz zum Zerteilen der rohen Planken. Dieser wird mit beiden
Händen auf und ab bewegt, wobei die Schneide des Sägeblattes in Richtung
vom Körper weg zeigt. Eine Feile zum Nachschleifen der Sägezähne ist selten
vorhanden, ebenso fehlt die Schränkzange, was zur Folge hat, daß das Säge-
blatt sich beim Sägen im Schnitt verklemmt. Aus diesem Grund wird zur Erwei-
terung des Sägeschnitts einer der Metalldorne als Keil in den Spalt geschlagen.
Manchmal steht dem Bootsbauer auch eine einfache europäische Bohrwinde
mit einigen wenigen Schlangenbohreinsätzen zur Verfügung. Sie ersetzt dann
den „sogorisson“. Zur Ausrüstung gehört fast immer auch ein mittelschwerer
europäischer Hammer. Er wird vor allem zum exakten Plazieren der Planken
verwendet.
Zum Ziehen von Nägeln benutzte man früher den Spalt der lappengeschäfte-
ten Klinge, heute wird dafür die europäische Kneifzange (Bozo:„campo“ oder
„kangemou“) verwendet.
Neben der traditionellen Grundausrüstung und den genannten europäischen
Werkzeugen, die eine Bereicherung, aber keine Notwendigkeit sind, hat der
Bootsbauer noch einige weitere Hilfsmittel: Eine Schnur für verschiedene
Messungen oder, mit „Schwärze“ getränkt, zum Ziehen von Linien13. Sie soll
möglichst wenig elastisch sein. Als Sägeböcke nimmt man normalerweise aus-
rangierte, große Ölfässer. Um den Boden des Bootes in der gewünschten Bie-
gung zu fixieren, bevor die Bordwände eingesetzt werden, legt man Gewichte,
Bozo: „hulukiene“ („ich hebe das Boot“) oder „sirre“ auf. Sie sind aus beliebi-
gem Material und wiegen von ca. 30 kg an aufwärts. Gleichzeitig zum Be-
schweren von oben unterstützt man von unten mit beliebigen Gegenständen (in
vielen Fällen werden alte Mörser aus Holz verwendet), die eine bestimmte
Höhe haben und immer wieder werwendet werden. Beim Biegen des Holzes
und Erhitzen der Dorne wird Feuer benötigt. Um es anzufachen wird ein
Schlauch gehläse, Bozo: „Fuufa“, das aus einem Fellbalg und einer Metalldüse
besteht, eingesetzt. Außerdem hat der Bootsbauer einige Gefäße, die zur Öl-
oder Leimaufbewahrung oder als Feueresse dienen.
4.4.3. Techniken und Arheitsahlauf
Zum besseren Verständnis des Bauvorgangs in der Reihenfolge seiner Arbeits-
gänge möchte ich vorneweg kurz einige der angewandten Techniken näher
erläutern.
13 Entspricht in der Anwendung der bei uns verwendeten „Kreideschnur“.
90
Hagemann, Bootsbau in Mali
Für die Messungen am Boot ist der Fuß des Bootsbauers die traditionelle
Maßeinheit und Grundlage. Mit dem Fußmaß werden Länge und Breite des
Bootes festgelegt. Bei einer festen Maßangabe variiert also die tatsächliche
Größe des Bootes von Baumeister zu Baumeister, die Relation zwischen Länge
und Breite aber bleibt gleich. Ein quergestellter Fuß wird als halber Fuß gezählt.
Zum Einhalten bestimmter Abstände werden dann während des Bauvorgangs
Finger- und Handbreiten und die Spanne zwischen den ausgebreiteten Armen
benutzt. Ein neueres Hilfsmittel zur Messung ist die Schnur14. Knoten in gege-
benen Abständen dienen statt einer festen Einteilung in gleiche Maßeinheiten
als Markierung für gewünschte Längen. Zur Bestimmung von Relationen wird
sie ein- oder mehrmals zusammengelegt, bis man den benötigten Bruchteil ihrer
Länge erhält. Auch wird sie entlang von gegebenen Fixpunkten (Nägel) ge-
spannt und gibt so Formrichtlinien für die weitere Arbeit vor. Für Maßver-
gleiche inerhalb des Bootes werden auch markierte Holzstöckchen oder Stroh-
stengel verwendet.
Die Holzverhindungen sind auf zwei Formen beschränkt: Für die Längsver-
bindung (Fig. 7) werden beide Planken mit einem gut randbreiten und halbe
Holzdicke tiefen Falz versehen. Die Überlappung wird anschließend mit 3
Reihen von Nägeln verbunden. Für die Querverbindung (Fig. 8) werden die
rvAv"
Fig. 7. Längsverbindung,
dreireihig genagelt.
DWV'I
Fig. 8. Querverbindung,
einreihig genagelt.
14 Sie wurde erst mit dem Bau der genagelten Boote eingeführt. Die genähten Plan-
kenboote wurden ohne vorherige Festlegung von Maßen Stück für Stück aufgebaut.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
91
Planken nur abgeschrägt, gefügt, und eine einzige Reihe von Nägeln wird
schräg hindurchgeschlagen.
Da die Planken nicht besäumt sind und somit ihr Rand noch in den natürlich
gewachsenen Wellenlinien erhalten ist und auch beim Ausfälzen keinerlei Hilfs-
mittel zur Präzision, wie Streichmaß oder Falzhobel, verwendet werden, wird
die Verbindung nach der groben Vorarbeit mit Hilfe des „Stempelahdrucks“
gefügt. Auf ein Verbindungsteil wird eine schwarze Flüssigkeit aus Asche und
Wasser aufgetragen und das dazugehörige zweite Teil der Verbindung kräftig
angedrückt. Hebt man es wieder ab, zeigen sich an allen Berührungspunkten,
d. h. besonders hervorspringenden Punkten schwarze Abdrücke, die mit der
Dechsel entfernt werden. Das „Stempeln“ und Abschlagen wird solange wieder-
holt, bis sich die schwarzen Punkte vielzählig und in gleichmäßiger Verteilung
auf der Holzfläche zeigen. Je nach Genauigkeitsanspruch und Geschicklichkeit
des Bootsbauers wird bis zu zwanzigmal „gestempelt“.
Die Nagelung erfordert vorgefertigte Löcher, weil die Nägel sehr weich sind.
Die Löcher werden auf eine Tiefe von etwa zwei Dritteln der Nagellänge ge-
schlagen. Der Nagel wird mit dem „kleinen Hammer“ eingeschlagen und ein
wenig versenkt. Er tritt, außer bei der Verbindung zwischen Bordwand und
Boden, immer auf der Kehrseite der Planke wieder aus. Die herausragende
Spitze wird winklig abgekröpft und wie ein Widerhaken umgelegt, so daß der
Nagel ähnlich einer Klammer im Holz sitzt.
Bei einer 3reihigen Nagelung werden jeweils 2 Reihen in gleicher Richtung
und die dritte in Gegenrichtung durchgeschlagen.
Die Verbindung der beiden getrennt hergestellten Bootshälften wird ge-
schnürt oder genagelt. Für die Mittelschnürung (Fig. 9) werden in einem hand-
breiten Abstand rechts und links des Spalts zwischen den Bordwänden Löcher
von gut 2 Fingern Durchmesser geschlagen oder gebohrt. Dann wird die Schnur
von unten nach oben in waagerechten und schrägen Windungen durch die Lcch-
paare gezogen. Zur Straffung der Schnur werden die Wicklungen im Spalt selbst
jeweils noch umwunden. Der Spalt wird am oberen Bordrand mit einem Quer-
riegel verschlossen, der ebenfalls mit Schnur umwunden und dadurch befestigt
wird. Die Schnur wird grundsätzlich doppelt genommen und vor der Verarbei-
tung angefeuchtet. Beim Trocknen zieht sie sich zusammen, und die Schnürung
wird auf diese Weise nachträglich noch gestrafft. Für die genagelte Mittelver-
bindung, die beim Motorboot die Schnürung ersetzt, gibt es verschiedenste Aus-
führungen. Zum Beispiel werden rechts und links vom Spalt die Bordwände
ausgefälzt, und kleine Holztafeln mit halber Plankendicke werden als Bedek-
kung des Spalts in die Falze gefügt und vernagelt. Um die Mittelverbindung
92
Hagemann, Bootsbau in Mali
zu verstärken, wird bei der Schnürung am oberen Bordrand eine zusätzliche
Drahtwicklung angebracht und bei der Nagelung eine gewinkelte Metalleiste
aufgesetzt.
Ihre nötige Rundung erhalten die Bordwände durch Biegen der Planken
über dem Feuer. Das Brett wird auf eine kleinflächige Unterlage gelegt, so daß
seine beiden Enden frei schweben. An der für die Biegung bestimmten Stelle
wird unter dem Brett ein Feuer entzündet und die Plankenenden werden
beschwert, daß sie sich senken. Häufig geschieht dies, indem sich einige Kinder
auf die Planke stellen und auf und ab wippen. Nach etwa 20 Minuten wird die
Planke vom Feuer genommen; sie behält ihre gebogene Form. Normalerweise
wird sie an mehreren Stellen erhitzt und gebogen, um eine leichte Gesamt-
rundung zu erzielen.
Arbeitsahlauf
Da es zwischen großen und kleinen Booten Unterschiede in der Konstruktion
gibt und der Ablauf der Arbeitsgänge von der Zahl der beschäftigten Leute ab-
hängt, möchte ich vorerst den Bau eines ganz bestimmten Bootes beschreiben
und später erst auf die Unterschiede eingehen.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
93
Es geht um die Arbeit eines Bootsbauers mit einem Helfer an einem 3-Fuß1'’
breiten (gemessen mittschiffs, wo das Boot seine größte Breite hat), 57 Fuß
langen und etwa 2Va—3 t Ladung fassenden Boot.
An einem möglichst ebenen Platz wird als erstes ein Hangar errichtet, der
den Bootsbauer vor Sonne und Regen und das Holz vor dem zu schnellen Aus-
trocknen schützen soll. Gebraucht wird knapp eine Tonne gut abgelagertes
(etwa 3 Monate altes) Holz, mit einer Brettdicke von 30 mm und ein Vorrat
von mehreren tausend Nägeln. Das Holz wurde vom Auftraggeber bereits
besorgt und liegt jetzt am Bauplatz bereit. Als nächstes wird im Busch ein
kleines Bäumchen geschlagen, aus dem die beiden Steven grob (Fig. 11), aber
— grobe Form
— fertig ausgefälzt
— Draufsicht
Steven
schon in typischer Form mit der Dechsel herausgearbeitet werden. Dann werden
die beiden größten vorhandenen Planken ausgewählt. Einer davon wird mit
Hilfe von einigen in die Erde geschlagenen Pflöcken ein fester Platz am Boden
gegeben. Durch die geschwungene Form von Booten ist es im Bootsbau nötig
und allgemein üblich, das Werkstück zu fixieren, um äußere Bezugspunkte zu
schaffen, da man sich hier nicht, wie beim Möbelbau, nach Geraden und rechten
Winkeln richten kann. Diese Planke wird den Boden der vorderen Bootshälfte
bilden. Gegenüber einer der Stirnseiten der Planke wird der Steven in insgesamt
16 Gemeint ist immer der Fuß des Bootsbauers, der in diesem Falle ca. 27 cm Länge
mißt. Die Boote werden allgemein nach diesem Maß ihrer größten Breite benannt.
Ich beschreibe hier also ein „3-Fuß-Boot“, d. h. mittleres Reise- und Transportboot.
\0
4»
Fig. 10. Die Skizze und die Wortliste entsprechen dem 3 t-Reiseboot ohne Motor,
das auch im Bau beschrieben ist.
Hagemann, Bootsbau in Mali
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
95
SOROGOAMA15 TJAMA-NOUHOUMA
Boot (15) Hulu
Plankenboot mit Mittelnaht Toundutu Lebehulu
1 Bugspriet Kinioun Hulusuontomo (->■ Krokodilsbrust) Hulutomosongu (->■ vorn, Kopf)
2 Achtersteven Flulupalasongu (->■ hinten, Kopf)
3 Bordwand Toilaperin Huluwanje
4 Boden Kinkede Hulukiene
5 Mittelnaht Kinmangandebe Hulutunuchorishiu
6 Plankenstück Tago Hulutacho
7 Plattform Huluparapara
8 Spant, Boden- Gaarabundu 1
querleiste Dabacala Gaarabamun j (sonray)
9 Spant, Bankstütze Keulin Bamuntiche
10 Spant, Bank Bamun Bamun
Bänke im Bug Hulutomopabo (->■ sitzen, hier)
Bänke in Mitte und Heck Huluberehe
11 Bug
Freier Raum zum Kochen Kinien Hulutomo(kiene)
12 und Ausschöpfen
des Wassers Hulusenela
13 „Platz der Mitte“ Hulubo
14 Heck Kintin Hulupala (kiene)
15 Bemalung Hulutomomat j ove
16 Dach Tan Hulugulumu
17 Fetisch Hulutangapon
Steuerrad Volant (französisch)
Ruder (Blatt u. Schaft) Lemu Lemu
Paddel Kumbe Humalo
Stakstange Kuo Hala
Segel Uiru
Bootsbauer Kimenio
Bozobezeichnungen der Bootsteile im Dialekt der Sorogo und Tje. Bis auf
das u, das wie ein deutsches u lautet, entspricht die Aussprache der fran-
zösischen.
15 Die Lücken bedeuten nicht das tatsächliche Fehlen des jeweiligen Ausdrucks im
Dialekt, sondern sind ein Mangel meiner Liste.
96
Hagemann, Bootsbau in Mali
28 Fuß Abstand zur anderen Plankenstirn — oder Schmalseite, die die Boots-
mitte bilden wird, plaziert. Planke und Steven werden nun in ein, mit Hilfe
einer gespannten Schnur gebildetes gleichschenkliges Dreieck mit der Höhe 28
Fuß einbezogen. Die Teile der so umrissenen Fläche, die von der Planke noch
nicht ausgefüllt werden, werden durch, in beschriebener Holzverbindungstechnik
gefügte und genagelte, Plankenstücke ergänzt, und überflüssige Teile werden
abgeschlagen. Der Scheitelpunkt des Dreiecks wird mit einer handbreiten Unter-
lage unterstützt und in dieser leicht gewölbten Form mit dem Steven durch
drei Nagelreihen verbunden. Die Schnur wird erneut gespannt (Fig. 12), diesmal
Fig. 12. Festgepflockte Bodenplanke und Steven mit
formgespannter Schnur.
bezeichnet sie den geschwungenen Umriß, den der Boden des Bootes erhalten
soll. Etwa 14 Nägel werden als Fixpunkte für die Schnur ganz leicht in die
Holzfläche eingeschlagen. Der Standort der Nägel wird verändert, bis der
gewünschte Schwung durch grobe Messungen und kontrollierendes Betrachten
aus der Ferne erreicht ist. Beim Betrachten gibt der Baumeister seinem Helfer
Anweisungen zur Umplazierung der Nägel. Die Schnur wird gelöst, in Aschen-
schwärze getränkt, aufs neue gespannt und auf die Holzfläche geknipst, so daß
eine schwarze Linie auf dem Holz entsteht (vergleichbar mit unserer europäi-
schen Kreideschnurtechnik). Dieser Linie entlang wird das Holz mit der Dechsel
eingekerbt und die Verbindung für die Bordwände ausgefälzt. Wenn nötig
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
97
werden jetzt undichte Stellen wie Risse oder Astlöcher ausgeflickt und auf
Wunsch des Auftraggebers können Querleisten zur Verstärkung oder als Unter-
stützung für einen doppelten Boden (der die Schiffsladung vor Nässe schützen
soll) (Fig. 10) am Boden angebracht werden. Als nächstes werden Planken für
die Bordwände ausgewählt und grob zurechtgeschnitten, so daß es zwei Paare
ergibt. Sie werden dann von den Helfern des Bootsbauers über dem Feuer
gebogen und an ihren Bestimmungsort rechts und links neben den Bootsboden
gelegt. Die Bodenplanke wird jetzt am Bug auf gut einen halben Meter hoch-
gezogen und an zwei bis drei Stellen unterstützt, so daß sie eine sanft aus-
laufende Rundung bildet und der vorher zur Spitze hin sich senkende Steven
(Fig. 13) waagerecht steht. Um der Rundung Ausgewogenheit zu geben, werden
Gewichte aufgelegt (Fig. 14), die das elastische Holz gegen die Unterlage
Fig. 13. Steven in leichter Schräge angesetzt.
Fig. 14. Hochgezogener Bootsboden mit Un-
terstützung und Gewichten.
drücken. Zur Verteilung von Stützen und Gewichten wird sehr viel Sorgfalt
verwandt: Beim Auflegen der Gewichte geht der Meister auf dem Schiffsboden
auf und ab, um die labilsten Stellen ausfindig zu machen. Dann läßt er den
Lehrling die Gewichte verschieben, während er selbst aus einer gewissen Ent-
fernung das Boot betrachtend Anweisungen gibt. Jetzt wird das Plankenpaar,
das den vordersten, am Steven ansetzenden Teil der beiden Bordwände bilden
soll, am Boden angehalten, und der benötigte Umriß eingeritzt oder mit einem
Kohlestückchen aufgetragen. Die Stücke werden erst mit der Dechsel grob
bearbeitet und dann mit Hilfe des Stempelverfahrens ganz exakt gefügt. Die
Dollborde werden vorerst vernachlässigt. Das Kalfatmaterial wird eingelegt,
die Plankenstücke in der gewünschten Neigung mit Metallstäben abgestützt
und mit einer Reihe von Nägeln am Bootsboden befestigt (Fig. 15). Auf genau
die gleiche Art werden die Planken des zweiten Paares, die bis zur Bootsmitte
reichen sollten, Umrissen, festgefügt und befestigt. Für die Plankenenden, die zur
^ Baessler-Archiv XXXI
98
Hagemann, Bootsbau in Mali
Fig. 15. Genagelte Verbindung zwischen Bordwand
und Boden.
Bootsmitte hin zeigen, werden solide, unbeschädigte Stücke mit geradem Ab-
schluß, die in ihrer Breite die Höhe der Bordwand erreichen, ausgewählt, weil
an ihnen später die Mittelnaht befestigt werden muß. Jetzt wird die mittschiffs
gewünschte Bordhöhe bestimmt und gekennzeichnet. Eine geschwärzte Schnur
wird zwischen diesem Punkt und dem Steven gespannt. Falls die Planken
stellenweise die nötige Höhe nicht erreichen, werden noch Holzstreifen in der
üblichen Verbindungsart angesetzt. Übersteigt die Höhe jedoch die der ge-
spannten Schnur, wird die Schnur geknipst und so eine schwarze Linie, die die
gewünschte Höhe der Bordwand anzeigt, erzeugt. Undichte Stellen der Bord-
wände werden geflickt, und dann wird die Oberfläche der Bordwände an allen
verkohlten und ausgebesserten Stellen mit der Dechsel sauber abgeschlagen und
geglättet. Die Bordwände bleiben während der Arbeit noch gestützt, oder sie
werden mittschiffs provisorisch durch ein Stück Draht miteinander verbunden.
Der Bootsbauer geht wieder in den Busch und sucht sich für die Herstellung der
Stützspanten zwischen den Dollborden, die später auch als Sitzbänke dienen,
geeignetes Holz. Er fertigt für diese Bootshälfte fünf Riegel, indem er den
Holzstücken eine Vierkantform gibt, sie glatthobelt und auf die richtige Länge
bringt. An den Enden werden sie entsprechend der Neigung der Bordwände
abgeschrägt und dann etwa fingerbreit unterhalb des oberen Bordrandes mit
mindestens drei Nägeln an jeder Seite befestigt. Jetzt wird die gesamte Boots-
hälfte nacheinander zur einen und zur anderen Seite gekippt und abgestützt,
so daß die Unterseite des Bodens frei wird. Die von oben durch den Boden
geschlagenen Nägel werden umgelegt, Schadstellen ausgebessert und der Boden
sowie die ausgefälzte Nagelung zwischen Bordwand und Boden sorgfältig
geglättet. Vernachlässigte Unebenheiten würden sich bei der Fahrt im Wasser
ungünstig bemerkbar machen und das Boot übermäßig beanspruchen. Jetzt wird
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
99
die fertige Vorderhälfte des Bootes umplaziert und gedreht, so daß die Spitze
in die entgegengesetzte Richtung zeigt und die Bootsmitte an der gleichen Stelle
zu liegen kommt wie zuvor, nur jetzt zur anderen Seite hin geöffnet ist. Da sie
so nicht mehr ganz im Schatten des Hangars liegt, wird sie mit Matten oder
feuchtem Stroh bedeckt. Die zweite Hälfte kann jetzt auf demselben Platz
und Untergrund und ebenso im Schatten des Hangars gearbeitet werden wie
die erste. Die zweite der anfangs separierten Planken wird nun als zukünftiger
Boden der hinteren Schiffshälfte auf den für sie bestimmten Platz auf die Erde
gelegt. Die genaue Ausrichtung des Achterstevens, der in 29 Fuß Abstand von
der Bootsmitte niedergelegt wird, wird mit Hilfe einer Schnur, die vom Bug-
spriet aus als gedachte Längshalbierung der vorderen Bootshälfte bis hin zum
Achtersteven geführt wird, bestimmt (Fig. 16). Die zweite Bodenplanke wird
Fig. 16. Ausrichtung des Achterstevens und der
zweiten Bootshälfte.
mit dem Boden des fertigen Vorderteils verbunden. Die zweite Bootshälfte
wird jetzt in der gleichen Art wie die erste aufgebaut. Eine Symmetrie mit einer
quer zum Boot verlaufenden Achse mittschiffs besteht jedoch nicht: Der Boden
der hinteren Hälfte ist zum Heck hin schmaler auslaufend und insgesamt einen
Fuß länger. Er wird außerdem auf etwa die doppelte Höhe gezogen, was die
größere Bodenlänge insofern ausgleicht, als die Länge der Dollborde von beiden
100
Hagemann, Bootsbau in Mali
Hälften sich wiederum entspricht. Außerdem wird im Heck eine Plattform an-
gebracht, d. h. auf zwei eng beieinander stehende Querriegel aufgelegt, die dem
Bootsmann, der die Stakstange bedient, als Standplatz dienen soll. Als nächstes
werden die beiden bisher nur am Boden zusammenhängenden Bootshälften
durch die Mittelnaht miteinander verbunden: Die Schmalseiten von jeweils zwei
halben Bordwänden stehen sich mittschiffs mit etwa einem Fingerbreit Abstand
auf Stoß gegenüber. Beidseitig dieses Spalts werden je vier rechteckige Löcher
mit dem Sogorisson geschlagen. Die Stellung der beiden Bootshälften zuein-
ander wird noch einmal korrigiert: Die Längsachse muß absolut gerade sein,
daß die zukünftige Manövrierfähigkeit nicht beeinträchtigt wird, und die
Stützen von Heck und Bug werden soweit erhöht, daß der Bootsboden mitt-
schiffs einen leichten Knick aufweist und der Spalt zwischen den Bordwand-
hälften sich nach oben hin verschmälert. Auf diese Weise kann sich die, durch
die Rechtecklöcher gezogene, Schnur beim Wegnehmen der Stützen nachträglich
straffen, und der Boden erhält so letztendlich seine ausgewogene Rundung
wieder. Die Mittelschnürung macht der Meister, wenn möglich, nicht allein,
sondern mit einem Helfer.
Im Anschluß daran wird der Innenraum des Bootes mit Hilfe eines Stoff-
stücks mit erhitzter, flüssiger Karitebutter ausgerieben. Für die Behandlung der
Außenflächen wird ein Gemisch aus Maschinenöl und Graphit gefertigt und auf-
getragen.
An den Bordwänden werden zu Bug und Heck hin kleine Flächen freige-
lassen, und das im übrigen schwarzglänzende Boot erhält hier eine bunte
Bemalung, für deren Form es keine Vorschriften gibt und bei der der Bootsbauer
seiner Phantasie und persönlichen Tradition folgen kann. Ist die Farbe getrock-
net, wird das Boot von 20 Mann ans Wasser getragen und gezogen und ohne
weitere Festlichkeiten zu Wasser gelassen.
Dieses Boot wurde für einen Verwandten gebaut, mit dem der Bootsbauer
eine bestimmte Abmachung bezüglich der Gegenleistung getroffen hat. Müßte er
einen festen Preis für dieses speziell gefertigte Boot nennen, so würde er seine
Arbeit mit einem Drittel des Materialpreises kalkulieren17.
Den Helfer habe ich in der Beschreibung des Bauvorganges nur erwähnt,
wenn es für einen Arbeitsgang nötig war, tatsächlich aber hatte der Bootsbau-
meister den größeren Teil der Zeit einen, mitunter auch zwei Gehilfen, die ver-
schiedene Arbeiten ausgeführt haben. Er hat für den Bau des Bootes insgesamt
einen Monat gebraucht. Die Arbeitstage hatten eine Länge von 3 bis 8 Stunden,
17 Der Gesamtpreis wäre in diesem Falle etwa 300 000 Fr. M. Im allgemeinen gilt:
Je größer das Boot, desto größer der Anteil der Arbeitskosten am Gesamtpreis.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
101
etwa 3 Arbeitstage sind ganz ausgefallen. Bei einer Arbeitsgruppe, die über
mehrere, aufeinander eingespielte Kräfte verfügt, werden immer einige der
hier nacheinander geschilderten Arbeitsschritte gleichzeitig erledigt.
Je nach Bootsbaumeister und Auftraggeber variiert das Verhältnis von Länge
und Breite, ebenso die Flöhe des Hecks und die Neigung der Bordwände. Die
Löcher für die Mittelschnürung werden von einigen Bootsbauern inzwischen
mit der Bohrwinde gemacht und sind infolgedessen nicht rechteckig, sondern
rund. Auch gibt es Unterschiede in der Befestigung der Bänke: Statt der, oder
zusätzlich zur Nagelung wird Draht oder Schnur verwendet, oder sie werden
von senkrechten an den Bordwänden befestigten Stützspanten gehalten. Auch
nach ihrer Größe unterscheiden sich die Boote in ihrer Bauart. Die kleinen
Fischerboote werden im ganzen, d. h. ohne Halbierung und Mittelnaht gebaut.
Die nächstgrößere Gruppe habe ich oben beschrieben und bei den großen
Transportbooten, etwa ab 4—5 Fuß Breite wird nicht die zweite Hälfte an die
erste angebaut, sondern beide Hälften völlig getrennt konstruiert, anschließend
in Wassernähe getragen und dort nachträglich zusammengesetzt. Ist das Holz
noch grün, werden die Boote auch gern in getrennten Hälften gefertigt; wäh-
rend die zweite Hälfte im Bau ist, wird die erste schon im Wasser gelagert und
so ein Sich-Werfen der Planken und damit die Überbeanspruchung der Nagel-
verbindung verhindert.
Die zum Antrieb mit dem Motor bestimmten Boote unterscheiden sich in
ihrer Konstruktion durch eine ganze Reihe von Details von der oben beschrie-
benen. Die Mittelnaht wird durch eine genagelte Verbindung ersetzt. Auf die
Plattform im Heck wird verzichtet. Der Motor ist am vorletzten Stützspant
befestigt. Sein Schaft wird durch eine Öffnung im Boden, die über der Wasser-
linie liegt, ins Wasser getaucht. Hierbei ist der hintere Teil des Bootes unter
dem vorletzten Stützspant abgeschottet, um eventuell eindringendes Wasser
abzuhalten. Durch diese Anordnung liegt der Motor weit genug vorne, um eine
stabile Befestigung zu ermöglichen, die Schraube liegt jedoch immer noch im
Strömungsschatten des Rumpfes. Die kleineren Boote werden durch die Bewe-
gung des Motors gelenkt, größere Transportboote haben zusätzlich ein Steuer-
ruder, was durch eine lange Kette mit einem Steuerrad im Bug der Bootes
verbunden ist. Diese Boote sind meist so hoch beladen, daß eine Übersicht und
damit direkte Steuerung mit dem Ruder im Heck nicht möglich ist18.
Die zum Reisen oder Transport benutzten Boote sind zum Schutz vor Sonne
und Regen mit einem halbrunden Mattendach ausgerüstet. An einer Bordwand,
die mit hierfür vorgesehenen Löchern ausgestattet ist, wird mit Draht ein
18 vgl. auch Gallais, a. a. O., S. 508.
102
Hagemann, Bootsbau in Mali
Bündel biegsamer Ruten befestigt, das im Halbkreis über den Bootsrumpf
geführt und an der gegenüberliegenden Bordwand wieder befestigt wird. Die in
etwa einem Meter Abstand gespannten Bögen werden untereinander, der Längs-
richtung des Bootes nach, durch eine Reihe von Bambusstangen verbunden, das
ganze wird von den Matten (heute mitunter auch von starkem Segeltuch)
bedeckt, die ringsum angenäht und nach Bedarf bis zur Bordwand herunter-
gezogen werden. Zu sehen ist manchmal auch die Bedeckung mit einem Flach-
dach auf schmiedeeisernem Gerüst. Für die Anbringung des Daches wie auch für
alle weiteren Extras ist der zukünftige Bootsbesitzer selbst verantwortlich.
Kleine Boote werden beim Anlegen einfach an Land gezogen, in den größeren
führt man eine kräftige Holzstange oder einen Metallstab mit, der am Anlege-
platz in den Boden gerammt wird und von einer am Bug befestigten Schnur
oder Kette umschlungen wird.
4.5. Fortbewegung und Navigation
In den meisten Fällen wird eine gut 4 m lange Stakstange aus Bambus, der
aus dem Süden geholt wird, zur Fortbewegung benutzt. Nur ganz selten werden
noch die früher üblichen Stangen aus einheimischem Holz geschnitten. Bevor-
zugt ist hierfür ein Baum mit dem Bozonamen „He“. Für kleine Boote reicht
eine einzelne Person mit Stakstange aus, die beim Staken auf der hierfür vor-
gesehenen Plattform im Heck steht oder das Boot über mehrere Schritte an der
in den Boden gedrückten Stakstange vorbei schiebt. Bei großen Booten werden
ganze Mannschaften eingesetzt. Im tieferen Wasser werden Stechpaddel, Blatt
und Schaft aus einem Stück, eingesetzt. Der Schaft ist selten länger als 1,50 m.
Belm Paddeln sitzt man im Bug des Bootes. Früher wurden die Transportschiffe
häufig getreidelt, es soll heute auch noch verkommen, ich selbst habe es nie
gesehen.
Nicht sehr bedeutend und häufig ist das Segel. Es ist grundsätzlich ein Rah-
segel. Der Mast wird für längere Reisen eingesetzt und danach wieder entfernt.
Sein Fuß steht in einem am Boden befestigten Querriegel, dem Kielschwein. Sein
zweiter Befestigungspunkt ist an einem der Stützspanten, die dritte Stütze
bilden die beiden auf halber Höhe des Mastes ansetzenden Wantbäume, die
ihren Gegenzug durch die Wanten erhalten. Die Rah hängt entweder in einer
natürlichen Astgabel an der Mastspitze, oder sie ist mit einer Schnur befestigt.
Das Segel selbst besteht aus Palmmatten oder grobem Sackstoff und ist meistens
sehr luftdurchlässig. Eine neue Form des Antriebs, die das Mannschaftspaddeln
und -staken und das Treideln abgelöst hat und erst für Boote mit einem Fas-
sungsvermögen ab 3 Tonnen interessant wird, ist der Außenbordmotor. Ende
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
103
1954 wurden die ersten von ihnen im Delta eingesetzt19. Es sind 4 PS oder
12 PS Motoren, die überwiegend aus Schweden importiert werden. Für Boote
mit über 10 t Ladung werden dann mehrere Motoren eingesetzt.
Das reibungslose Vorankommen im Delta stellt an den Bootsfahrer einige
Anforderungen. Zum einen ist es sehr schwierig, sich in den unzähligen Neben-
armen und Verzweigungen des Hauptstroms sowie auf den großen über-
schwemmten Flächen zurechtzufinden, zum anderen muß ständig auf Untiefen
geachtet werden. Normalerweise wird nur bekanntes Gebiet befahren, ist dies
aber nicht der Fall, achtet man zum Beispiel auf die Färbung des Wassers, um
seine Tiefe festzustellen. Auch eine beim Fahrtwegnehmen sich brechende Heck-
welle deutet auf eine Untiefe hin. Zur Markierung von Fischfangplätzen und
bestimmten Wegen wird auf überschwemmten Flächen das den Wasserspiegel
überragende Flußgras geschnitten. Muß man zwischen verschiedenen Flußarmen
wählen, ohne ihren Verlauf zu kennen, entscheidet man sich sicherheitshalber für
denjenigen mit der stärksten Strömung. Dies sind lediglich einige Regeln; ob es
ein umfassendes Navigationssystem gibt, kann ich nicht sagen.
Es erfordert auch viel Geschicklichkeit, mit der Flußströmung, besonders beim
Stromauffahren, fertigzuwerden. Bei niedrigem, halbhohem und Hochwasser
befolgt man jeweils verschiedene Regeln, um der Strömung auszuweichen bzw.
sie möglichst günstig auszunutzen20.
Sehr aufmerksam muß auch auf das Wetter geachtet werden, da zu bestimm-
ten Jahreszeiten sehr plötzlich ein starker Sturm aufkommen kann, der das
Boot leicht zum Kentern bringt21.
5. Die historische Entwicklung der Boote — Vom Schilffloß zum genagelten
Plankenboot
Der Bootsbauer Ibrahim, nach dem Grund für die Entwicklung der Boote
befragt, gibt mir zur Antwort, daß man als intelligenter Bozo des Nachts im
Schlaf und des Tages bei der Arbeit über die Boote nachdenke und dabei immer
neue Ideen zur Verbesserung entwickele.
Bei meiner Suche nach Einflüssen auf die Entwicklung der Boote im Delta
habe ich festgestellt, daß man das Delta ebensowenig wie man es nach außen
hin begrenzen kann, im Inneren als Einheit betrachten kann.
19 vgl. Champaut 1961, S. 267.
20 vgl. Pitot und Daget 1948, S. 16, 17.
21 vgl. BÄ 1960. Allg. zum mythologischen Hintergrund der Navigation.
104
Hagemann, Bootsbau in Mali
So wie Djénné im Delta über den Handel mit Tombouctou und Gao außer-
halb des Deltas in Verbindung steht, sind auch innerhalb des Deltas ver-
schiedene Boote, die der Eozo- und die der Sonrhai-Fischer, vertreten, ohne je-
doch gleichmäßig auf das Gebiet verteilt zu sein.
Vor der Kolonialzeit wurden im Delta drei Bootstypen verwendet, deren
Entwicklung und Gebrauch ich im Folgenden beschreiben möchte.
Den Anfang dieser geschichtlichen Betrachtung stellt das 8./9. Jahrhundert
dar, zum einen, weil aus dieser Zeit die ältesten Quellen stammen, die mir bei
der Arbeit zur Verfügung standen, zum anderen scheint mir dieser Anfangs-
punkt sinnvoll, da er die Bozo zu einer Zeit beschreibt, als sie noch einzige
Volksgruppe im Delta waren und langsam begannen, mit zuwandernden
Gruppen konfrontiert zu werden.
Es mag auffallen, daß ich in diesem Kapitel recht ausführlich zitiert habe; ich
wollte damit erreichen, daß alle meine Interpretationen des Quellenmaterials
(und auch eventuelle Deutungen, die sich unabsichtlich „eingeschlichen“ haben)
überprüfbar bleiben.
5.1. Das Schilffloß
Das einfachste und nach den Aussagen der Fischer auch ihr erstes Wasserfahr-
zeug bestand aus einem an drei Stellen zusammengehaltenen Bündel von „La-
ho“ — das können Binsen, Schilfrohr, Gras oder Stroh1 sein. Ligers beschreibt
dieses Floß als Nachen mit hochgezogener Spitze, der von Kindern und Erwach-
senen „geflochten“ wird, da es an diesem Material am Nigerufer nicht mangelt.
Nach Suder1 2 3 möchte ich dieses Floß als Schilffloß bezeichnen.
Diese Flöße wurden mit den Händen gepaddelt oder im Schwimmen gezo-
gen und geschoben. Sie wurden verwendet zur Überquerung des Flusses und
beim Fischen zum Transport des Fischers, seines Fischereimaterials und der ge-
fangenen Fische. Vom Ursprung der Schiffahrt erzählt Ligers;! einen Bozo-My-
thos: ,,1’idée même a été suggérée par le spectacle de gros paquets d’herbe en-
traînés par la crue des eaux, sur lesquels a pris place un serpent qui, tête re-
dressée, descend, de la sorte le cours du fleuve, à la recherche d’un autre habi-
tat.“
Heute sind diese Flöße im Delta nicht mehr zu sehen; es sind die etwa 30jäh-
rigen Fischer, die sich noch erinnern, sie in ihrer Kindheit hergestellt und be-
nutzt zu haben.
1 vgl. Ligers 1969, S. 24.
2 vgl. Suder 1930, S. 92.
3 Ligers 1969, S. V, VII.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
105
5.2. Der Einbaum
Als zweites möchte ich das aus einem ausgehöhlten Baumstamm bestehende
Boot, nach Suder als „Einbaum“, unter den Franzosen als „Pirogue d’un tronc
creusé“ und den Bozo aus Nouh als „béssé bali“ bezeichnet, vorstellen. Für Bi-
dault4 5 6 7 8 ist es die gebräuchlichste Form von Booten der „peuplades primitives“.
Der Einbaum ist bei Smith gemeint mit „the ,canoe' which the first writers of
West Africa describe as being in use up and down the coast and on the rivers
and lagoons, and which even today is still seen in great numbers“0.
Der Einbaum des Deltas hatte einen abgeflachten Boden und spitz zulaufende
Enden. Ein beliebtes Fiolz zur Herstellung war das Cailcédra, aus der nahen
oder bis zu 20 km entfernten Umgebung. Der Stamm wurde an Ort und Stelle
ausgehöhlt und dann erst zum Fluß getragen.
Ein etwas geräumigeres Boot entstand mit dem zusammengesetzten oder dop-
pelten Einbaum. Er bestand aus zwei, der Länge nach aneinandergesetzten und
durch eine Naht verbundenen Stämmen.
Der Einbaum wurde verwendet für Flußüberquerung und Fischerei, ebenso
wie schon das Schilffloß; hinzu kommt aber jetzt die Möglichkeit des Transports
über längere Strecken. Der Bootsraum ist geschützter gegen Feuchtigkeit und vor
Krokodilen oder Flußpferden. Die Fischer meinen, das „Reisen“ ganzer Bozo-
familien zu neuen Fischgründen habe mit dieser Bootsform begonnen.
Man erzählt, der erste Einbaum sei entstanden, als man den Schmieden beim
Holztransport über den Fluß zugesehen und dabei festgestellt habe, daß Holz
schwimmen könne.
Ich selbst habe diese Einbäume nicht mehr im Verkehr gesehen, das letzte
Zeugnis in der Literatur habe ich von Pitot und Dagetß, die sie aber auch schon
als sehr selten beschreiben. Zurückverfolgen läßt sich dann das Vorhandensein
der doppelten und einfachen Einbäume über Monteil‘, der „des pirogues d’une
seule pièce" um 1903 in der Region Djénné neben zwei anderen Formen beob-
achtet, und weiter über Jaime, der Ende des letzten Jahrhunderts von zwei
vorhandenen Bootstypen zwischen Koulikoro und Tombouctou berichtet. „Les
unes creusées dans un seul tronc d’arbre*, ..." Für den Beginn des 19. Jahrhun-
derts beschreibt Caillé9 eine Flußüberquerung in der Nähe von Djénné: „Nous
4 Bidault 1945, S. 146.
5 Smith 1970, S. 515.
6 vgl. Pitot und Daget 1948, S. 19.
7 Monteil 1971, S. 243.
8 Champaut 1961, S. 266.
9 Caillé 1979, Bd. II, S. 131.
106
Hagemann, Bootsbau in Mali
traversâmes le fleuve dans des frêles pirogues de trente pieds de long environ,
mais très étroites; elles étaient faites d’un seul tronc d’arbre (bombax) mais de
la plus grande incommodité, on courait risque à chaque instant de chanvirer.“
Und weitere 20 Jahre zurück wird uns eine Flußüberquerung nahe Ségou (was
nicht mehr selbst zum Delta gehört, aber ebenso von Bozo und Somono be-
wohnt ist) beschrieben: „Die Kanoen sind von einer sonderbaren Bauart, indem
jedes aus zwei ausgehoehlten Baumstaemmen besteht, die nicht nebeneinander
sondern in der Laenge aneinander gefuegt sind; so daß die Einfuegung genau
in der Mitte des Kanoes ist. Sie sind daher sehr lang und verhaeltnismaeßig
schmal, haben weder Verdecke noch Maste. Sie sind indessen sehr geraeumlich,
denn ich sähe in einem derselben vier Pferde und mehrere Menschen über-
setzen10 11.“
Von Leo Africanus erfahren wir, daß diese Boote in der ersten Hälfte des
16. Jahrhunderts auch zum Transport von Handelsgütern zur Zeit des Hoch-
wassers gebraucht wurden: „C’est a cette époque que les marchands de Tom-
butto ont coutume d’y venir. Ils apportent leurs marchandises dans des petites
barques très étroites, faites de la moitié d’un tronc d’arbre creusé11.“ Die älteste
schriftliche Aussage zur Existenz dieser Bootsform, die ich gefunden habe, ist
aus dem 14. Jahrhundert: „A Tonbouctou je m’embarquai sur le Nil (= Niger,
A. H.), dans un petit bâtiment, ou canot, fait d’un seul tronc d’arbre creusé.“
Sie wurde gemacht von Ibn Battouta, der sich auf der Reise nach Gao befand12 13.
Auch außerhalb des Deltas waren diese Boote in Gebrauch’”.
5.3. Das genähte Plankenhoot
Bis heute, wenn auch nur noch selten, im nördlichen Delta und weiter fluß-
abwärts verwendet, ist das von den Franzosen als „pirogue en fisseile“ und von
den Bozo als „Lébé-kounou“ bezeichnete Boot. Es ist eine der ältesten Formen
des aus Brettern zusammengesetzten Bootes. „Das Zusammenfügen der Bretter
geschieht in der einfachsten Ausführung durch Vernähen; . . ,14 15“. Ihre äußere
Form entspricht etwa derjenigen der genagelten Boote, lediglich ihre Oberfläche
ist weniger ebenmäßig, und die Breite ist relativ zur Länge größer. Die Planken
sind normalerweise aus dem Holz der Doum-Palme (Hyphaene Thebaica)10
10 Park 1799, S. 222.
11 Jean-Léon l’Africain 1956, S. 465.
12 vgl. Tymowski 1967, S. 83.
13 vgl. auch Dupuis-Yakouba 1921, S. 140; Barth 1857 Bd. IV, 244, 245; Rouch 1950,
S. 14.
14 Hirschberg 1965, S. 59.
15 vgl. Parkan 1973, S. 196.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
107
und haben einseitig eine konkav gewölbte Oberfläche. Die gewölbte Seite nach
außen gewendet, werden sie durch eine Naht verbunden, die durch eine zum
Plankenrand parallelstehende Lochreihe gezogen wird. Der Boden ist platt.
Der Bootskörper enthält keine Spanten, nur die oberen Ränder der beiden
Bordwände sind durch Querstreben miteinander verbunden. Die Boote werden
im ganzen konstruiert und enthalten nicht die, bei den genagelten Booten
übliche, Mittelnaht. Die Planken von Boden und Bordwand verjüngen sich zu
Bug und Heck hin und treffen sich dort mit einem massiven Holzstück, welches
aus einer natürlichen Gabelung eines Doum-Palm-Stammes hergestellt wird.
Die zum Nähen benötigte Schnur wird aus Fasern des Doumpalmlaubs herge-
stellt10.
Von Pitot und Daget werden drei verschiedene Formen dieser genähten
Boote beschrieben; zwei Varianten für den Delta-Bereich und eine für Gao, die
ich, aus Gründen des historischen Zusammenhangs, auf den ich später noch ein-
gehe, in die Darstellung mit einbeziehen möchte.
— Region Gao: Bei diesem Typ erheben sich Bug und Heck über den übrigen
Bootskörper. Der Achtersteven, von rechteckigem Querschnitt, läuft in einem
Bogen aus und weitet sich zu seinem freien Ende hin ein wenig. Der Bug, insge-
samt sanfter auslaufend und weniger hochgezogen als das Heck, endet in einem
langgestreckten und auf der Oberseite abgeplatteten, massiven Stück, das mit
einem Kreuzzeichen verziert ist. Am Boden sind gewinkelte Leisten seitlich
angefügt, die den Ansatz für die senkrecht stehenden oder leicht nach innen
geneigten Bordwände bilden. Die Verbindungsnähte sind zickzack-förmig durch
die im Wechsel stehenden, runden17 Löcher gezogen und durch eine Wicklung,
im Freiraum zwischen den Planken, gespannt. Die noch offenen Zwischenräume
werden mit Werg aus Blattfasern der Doumpalme geschlossen.
— Von Niafounke flußabwärts bis über Tombouctou hinaus:
Bug und Heck sind wie bei dem Boot von Gao verschieden geformt, aber nicht
zu verschiedener, sondern auf etwa gleiche Höhe hochgezogen. Die Verbindung
zwischen den Planken ist bei diesem Boot eine einfache Zickzacknaht, mit der
auch ein Bündel Pflanzenfasern gehalten wird, welches auf die Ritzen zwischen
den Planken drückt und so als Dichtung wirkt18.
16 vgl. Pitot und Daget 1948, S. 20.
17 vgl. Pitot und Daget 1948, S. 23.
Die Sonrhai-Bootsbauer verfügten möglicherweise über einen „Pumpenbohrer“
(Hirschberg 1966, S. 168), wie ihn Dupuis-Yakouba (1921, S. 51) für die Holz-
handwerker von Tombouctou beschreibt, den die Bozo meines Erachtens nie ver-
wendet haben.
18 vgl. Caille 1979, Bd. II, S. 170.
108
Hagemann, Bootsbau in Mali
— Region um den Lac Dého: In der Gesamtform besteht keine große Abwei-
chung von den anderen beiden genähten Plankenbooten. Auffallend ist ledig-
lich, daß Bug und Heck nicht erhoben sind und in ihrer Form sich gleichen. Ein
weiterer Unterschied liegt in der Art der genähten Verbindung: Sie ist doppelt19,
d. h. sie besteht aus einer ersten, die Planken lediglich zusammenhaltenden Naht
und einer zweiten, die zur Befestigung der ritzenabdichtenden Pflanzenbündel
dient. Diese Bündel werden zumeist an der Innenseite der Bordwand, manchmal
aber auch innen und außen gleichzeitig angebracht. Die Nahtlöcher sind recht-
eckig20.
Während es von den genähten Plankenbooten, „encore utilisées en aval du
Lac Débo tout au long de la boucle du Niger“21, zur Fischerei und Arbeit auf
dem überschwemmten Reisfeld („Der Reis wird in kleinen Booten eingesam-
melt . . .“") heute nur noch wenige gibt, tauchen sie in der Geschichte als wichti-
ger Bestandteil des Handelstransports zwischen Djénné, Tombouctou und Gao
auf. Pitot und Daget23 beschreiben Museumsstücke von bis zu 10 m Länge und
sprechen ihnen aufgrund ihrer Instabilität die Möglichkeit zu größerer Aus-
dehnung und großem Fassungsvermögen ab.
Im Widerspruch dazu stehen sämtliche Aussagen aus den alten Quellen.
Leutnant Caron begegnet einem dieser Boote auf seiner Reise von Djénné
nach Tombouctou Ende des 19. Jahrhunderts: „Nous rencontrâmes ensuite pour
la première fois, une pirogue de Tombouctou. Faites de morceaux de bois
cousus, elles atteignent quelquefois vingt mètres de long sur cinq mètres de
large. Elles calent environ un mètre et peuvent contenir plus de deux cents
personnes avec de nombreuses marchandises24.“
80 Jahre früher wurden sie von Caillé2’ beschrieben: „ ... je vais donner la
description des pirogues sur lesquelles on fait le trajet de jenné à Tombouctou
et qui servent à entretenir un commerce tellement activ . . . toutes richement
chargées de diverses produits. Une embarcation ... de 60—80 tonneaux a
environ quatre vingt dix à sept pieds de long, douze à quatorze de large à
milieu et six à sept pieds de cale.“
Ki-2erbo schließlich nennt sie im Zusammenhang mit den Märkten des 15.
Jahrhunderts: „Die Transporte wurden in großem Maßstab organisiert. Die
1» Vergleichbar mit der Mittelnaht der heutigen genagelten Boote der Bozo.
20 Zu ihrer Herstellung wurde der Sogorisson verwendet.
21 Gallais, a. a. O., S. 416.
22 Barth 1857, Bd. IV, S. 521.
23 vgl. Pitot und Daget 1948, S. 20.
24 Caron 1891, S. 228.
25 Caillé 1979, S. 170.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
109
Dschenne benutzten dazu auch Boote aus Holzplatten, die mit soliden Hanf-
seilen zusammengebunden waren. Es gab solche Boote bis zu einer Tragfähig-
keit von dreißig Tonnen, was ungefähr den Lasten einer Karawane von zwei-
hundert Kamelen oder tausend Trägern entsprach2'1.“
Wenn auch die Maßangaben von Caillé übertrieben sein dürften — nach den
Angaben der Fischer ging die Größe der genähten Plankenboote nicht über die
der heutigen genagelten Boote hinaus und sie wären auch für den Verkehr auf
dem Fluß, aufgrund ihres Tiefgangs und ihrer schlechten Manövrierfähigkeit,
in solch ernormer Größe ungünstig gewesen —, so waren sie doch von beacht-
lichem Ausmaß.
Aus diesem Grunde, und delhalb, weil es üblich war, die Handelsschiffe mit
einem halbrunden Dach, ähnlich dem der heutigen Boote, zu bedecken, gehe ich
davon aus, daß auch Barth die genähten Plankenboote mit folgender Beschrei-
bung gemeint hat: „ . . . eine ansehnliche Anzahl großer Boote . . ., die größten,
die ich bis jetzt im Negerlande gesehen, alle mit Mattenkajüten versehen, lag
hoch auf dem Wasser2“.“
Die Sonrhai, die in der Furcht vor einem Angriff der Maroccaner Ende des
16. Jahrhunderts den Hof von Gao evakuieren wollten, planten dies mit
Booten, von denen ich vermute, daß es genähte Plankenboote waren: „Däoüd
ben Ishäq se lèva alors et dit: ,comment? Mais cela pourrait se faire en trois
jours sans aucun doute, avec les embarcations . . . (dites) Kanta . . . qui sont des
barques de voyage et de transportß26 27 28“. In der weiteren Unterhaltung wird
zwischen diesen „Kanta“ und „ . . . petits pirogues, qui se trouvent au ménte
endroit . . .“ unterschieden, was auch ein Hinweis darauf ist, daß es zweierlei
Bootsformen gab29 30.
Im Tarikh el Fettach gibt es noch ein weiteres, in das 14. Jahrhundert zurück-
gehendes Zeugnis von der Verwendung zweierlei Bootsformen. Es handelt sich
um die Rückreise des Kankan-Moussa von Mekka: „Arrivé à Tombouctou, au
retour de son voyage, le Malli-Koi rassembla des barques et des pirogues sur
lesquelles on transporta ses femmes, ainsi que les familles et les bagages des
Qoreichites, jusqu’au pays du Malli . . ,'i0.“
Von der Verwendung von Booten stammt die älteste schriftliche Quelle
schließlich, die mir zugänglich war, aus dem 11. Jahrhundert: „ . . . on arrive à
26 Ki-Zerbo 1978, S. 178.
27 Barth in „Koröme“, nicht weit von Tombouctou, 1857, Bd. IV, S. 399.
28 Kati Mahmoud 1913, S. 270.
29 vgl. Tymowski 1967, S. 86.
30 Kati Mahmoud 1913, S. 64.
110
Hagemann, Bootsbau in Mali
un canal qui sort du Nil (= Niger, A. H.) et qui porte le Nom de Zoughou;
les chameaux le traversent à Gué et les hommes en bateau'*1.“ Welcher Bootstyp
hier gemeint ist, kann ich allerdings nicht bestimmen.
Das genähte Plankenboot wird in fast allen Arbeiten der Delta-Forscher aus
diesem Jahrhundert als „Pirogue vom Typ Niafounké“ bezeichnet, im Gegen-
satz zur genagelten „Pirogue vom Typ Djénné“31 32. Grundsätzlich ohne Erklä-
rung bleibt, wie es zu dieser Benennung kommt. Eine Möglichkeit wäre, daß
es die im Delta übliche Bezeichnung für die genähten Boote ist; davon habe ich
aber bei meinem Aufenthalt im Delta nichts gemerkt.
Eine Ausnahme bildet die etwas gewissenhaftere Unterscheidung von Dupuis-
Yakouba33: „Les pirogues sont ou clouées comme a Djénné, ou bien cousues
comme à Saraféré34.“
In den neueren Arbeiten über das Nigerdelta wird der Eindruck einer histori-
schen Entwicklung des genähten Plankenbootes aus dem Einbaum erweckt.
Gallais35 stellt fest, daß „A la fin du siècle dernier les pirogues en usage
étaient du type Niafunké“.
Er schließt aus dieser Tatsache und aus der, daß Jean-Leon l’Africain im
16. Jahrhundert nur von Einbäumen berichtet, daß zwischen dem 16. und 18.
Jahrhundert eine „révolution technique dans la batellerie“ des Deltas statt-
gefunden habe36 37.
Die Boote, aus Brettern genäht, waren zwar Ende des letzten Jahrhunderts
in Gebrauch, aber nicht ausschließlich, und von einer „révolution technique“
kann nach gründlicherem Quellenstudium nicht mehr die Rede sein. Mir persön-
lich bereitete die Einordnung der 3 Bootsformen des Deltas in eine Leiter von
Entwicklungsstufen, schon von der Technik her gesehen, allergrößte Schwierig-
keiten; auch die Bauweise der neuen genagelten Plankenboote schien eine solche
Stufenleiter in Frage zu stellen.
Also bemühte ich mich weiter um Hinweise auf den Ursprung der verschiede-
nen Typen.
Ligers3' hat seiner Arbeit zwei Photos von Felsmalereien aus der Umgebung
von Gourao und Soroba am Lac Débo beigefügt, die er als seine Entdeckung
31 El Bekri 1965, S. 332.
32 vgl. Malzy 1943, S. 118; Champaut 1961, S. 261; Gallais, a. a. O., S. 416.
33 Dupuis-Yakouba 1921, S. 140.
34 Saraféré und Niafounké liegen, mit einem Abstand von etwa 40 km voneinander,
beide nordöstlich des Lac Débo.
35 Gallais, a. a. O., S. 416.
36 vgl. ebd., S. 479.
37 vgl. Ligers 1969.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
111
ausgibt. Auf der Malerei von Soroba sind zwei mit Personen voll besetzte
Boote, mit stark hochgezogenem Bug und Fleck zu erkennen (Fig. 17). Der
Fig. 17. Felsmalerci: 2 Boote auf der Fahrt über
den Lac Debo von Gourao nach Soroba (nach
Ligers).
Bevölkerung schien dieses Felsbild tatsächlich unbekannt, zumindest konnte
niemand erklären, unter welchen Umständen es entstanden sein sollte. Sehr
genau konnte man hingegen deuten, was es darstellen soll: Es seien Boote, die
zum Anlaß einer Hochzeit von Gourao nach Soroba unterwegs sind. Der
Bräutigam fahre zur Braut, deren Familie das Hochzeitsfest veranstalte, im Bug
des Bootes stehe ein Griot und ein zweiter etwas weiter hinten, noch in der
ersten Hälfte des Bootes (wie es bei diesen Hochzeitsfahrten üblich gewesen sei)
und beide würden singen. Da der Griot immer an der Spitze des Bootes zu
stehen habe, erkenne man den Bug des Bootes. Auf der Zeichnung ist dieser
höher erhoben als das Heck, das bedeutet, daß das Boot gegen die Wellen fahre;
da die Wellen normalerweise von Soroba kommen, könne man schließen, daß
das Boot Richtung Soroba unterwegs sei. Zum Zwecke der Hebung des Bugs
wurden die Boote bei diesen Fahrten in der hinteren Hälfte beladen. Es handele
sich nicht um einen Einbaum, sondern aufgrund der hochgezogenen Steven, um
ein genähtes Plankenboot38.
Eine Bestimmung des Alters der Ferlsmalereien ist mir nicht möglich, was
mir hingegen für die folgende mündliche Überlieferung, eines meinem Dolmet-
scher Kassoum, von einem Griot aus Mbouna bei Kona vorgetragenen Mythos,
gelungen ist. In ihm geht es um eine zwischen Fono und Faran Maka statt-
findende Auseinandersetzung.
— Fono ( = Affe auf Sonrhai) ist ein mächtiger Fischer, Dorfchef von Gourao
und „Maître d’eaux“ am Südufer des Lac Débo. Faran Maka ist ein berühmter
Führer der Sonrhai-Fischer aus Gao, Dendi und Niamey; er gilt als Gründer
der Ortschaft Saraféré (= „Sare Faran“, auf Sonrhai und ßozo)39. Sie treffen
38 Da ein Einbaum in seiner geschwungenen Form durch die Dicke des Baumes, aus
dem er gemacht ist, begrenzt ist, ist es tatsächlich sehr unwahrscheinlich, daß die
Malerei einen Einbaum darstellt.
39 vgl. auch Macher 1973, S. 182.
112
Hagemann, Bootsbau in Mali
sich auf halbem Wege zwischen Gao und Gourao zum Kampf, der unentschieden
ausgeht. Darauf folgt eine jahrelang andauernde Feindschaft und gleichzeitige
Annäherung (Fono heiratet eine Tochter Faran Makas), während derer beide in
Gao leben. Der wiederaufgenommene Kampf endet letztlich damit, daß sie sich
in ihren Booten verfolgen, sich durch Blicke gegenseitig verletzen, was zur Folge
hat, daß Faran Мака erkrankt und nach kurzer Zeit (in Bamba) stirbt und Fono
sich in einen Affen verwandelt. In diesem Zusammenhang werden auch ihre
Boote beschrieben: Faran Мака hat ein Boot aus vernähten Holzstücken, was
von einem Bruder seiner Mutter, namens Bilali Tabakali, in Sakoera, nicht weit
von Tillaberi hergestellt wurde. Zur Herstellung wurden 3 Monate benötigt. Es
nennt sich „kalakoene“ (= „wo gehst du hin“) und ist ein magisches Boot, das
den Anweisungen seines Herren folgt. Es wird von 100 Lehrlingen Faran
Makas gepaddelt und faßt 333 Flußpferde. Fonos Boot ist aus einem Stück bzw.
Baumstamm gearbeitet, es wurde von Fono selbst hergestellt und faßt ebenfalls
100 Lehrlinge und 333 Flußpferde. — Soweit die mythische Darstellung.
Die Person des Faran Мака aus diesem Mythos läßt sich aufgrund zahlreicher
Einzelheiten als der von Delafosse40, Rouch41 und Tymowski42 43 erwähnte Faran
Мака Bote wiedererkennen. Er war nach ihren Aussagen der Anführer einer
Gruppe von Sonrhai-Fischern, die vom Süden flußaufwärts wanderten, Gao
gründeten und im 7. Jahrhundert im Delta „bis an den See Debo zogen, wo sie
zwar mit den dort ansässigen Soninke-Bozo zusammenstießen, sich aber doch
das Recht zur ungestörten Ausübung ihres Gewerbes sicherten“44/44.
Zum Bau des ersten genähten Plankenbootes in Djenne wurde mir folgender
Mythos erzählt: — Ein alter, weiser Bootsbauer aus der Familie Kontao befin-
det sich etwa 3 Tagesmärsche von Djenne entfernt in einem Wald auf der Suche
nach geeigneten Holzstangen für sein Netz. Er trifft dabei auf den „Teufel
Samarus“ (eine nur mit den islamischen Marabuten in Kontakt stehende mytho-
logische Gestalt), der dabei ist, ein Boot aus Holzstücken und Schnur zusammen-
zusetzen. Kontao beobachtet genau den Bauvorgang, nimmt sein Wissen mit
nach Djenne und beginnt dort diese neuartige Technik anzuwenden. Er ist
damit sehr erfolgreich, da für den Handelsverkehr große Transportboote ge-
braucht werden. —
40 vgl. Delafosse 1972, S. 63.
41 vgl. Rouch 1950, S. 7, 8.
42 vgl. Tymowski 1974, S. 14.
43 Westermann 1952, S. 92.
44 Lediglich Cissoko (1975, S. 156) interpretiert die Mythologie um Faran Мака und
sein Verhältnis zu Fono etwas anders, als ich es hier wiedergegeben habe.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
113
Monteil4'1 berichtet ebenfalls von der Einführung des ersten genähten Bootes
in Djenne: „A Djenne on attribue l’invention des Pirogues consues ä la famille
des Guite de Kabara“ (= Hafen von Tombouctou).
Die Erwähnung des Islam, des Handelstransports und des Tombouctou-
Hafens weisen darauf hin, daß diese Boote erst nach dem 11. Jahrhundert in
Djenne bekannt wurden. Aus dem Mythos von Faran Maka, aus der Fremdheit
die die genähten Boote für Djenne hatten46, den späteren Beschreibungen des
Handelsverkehrs auf dem Niger und aus der Tatsache, daß diese Boote Nia-
founke und Sarafere zugeordnet werden — und Sarafere eine Gründung der
Sonrhai ist, schließe ich, daß sie mit den Sonrhai ins Delta kamen und dort auf
die bereits vorhandenen Einbäume und Schilfflöße stießen, daß sie später als
Transportschiffe — möglicherweise erst durch den Aufschwung des Handels zu
beachtlicher Größe angewachsen — zwischen Djenne und Tombouctou einge-
setzt wurden und im südlichen Delta die zum Fischen verwendeten Einbäume
nicht verdrängten4'.
Der von Pitot und Daget beschriebene Typ des Plankenbootes aus der Region
um den Lar Debo, ist möglicherweise die von den Bozo nachgeahmte Form des
Sonrhai-PIankenbootes, da er wie der Einbaum keine hochgezogenen Enden
hat, die doppelte Schnürung an die heutige Mittelschnürung der Boote der Bozo
erinnert und die für die Konstruktionen der Bozo typischen Vierecklöcher auf-
* 48
weist .
Die drei im Delta verwendeten Boote also in eine Reihe im Sinne uniline-
arer Evolution zu setzen, kann nicht gelingen. Zur Erklärung der Geschichte
sollten alle möglichen Umweltfaktoren herangezogen und auf ihre Wirkung
hin, die sie auf eine bestimmte Entwicklung haben, untersucht werden. Der
Versuch, nur den Einfluß eines einzigen Faktors als entwicklungsbedingend zu
sehen, führt meistens zu falschen Gedankengängen und Erklärungsmodellen.
Ich hoffe, daß dies im Rahmen der folgenden Darstellung zur Geschichte des
Holzes als Bootsbaumaterial, der zum Bootsbau verwendeten Geräte, der Be-
deutung der Boote aus vorkolonialer Zeit und ihrer Anpassung an geographische
Bedingungen sichtbar wird.
15 Monteil 1971, S. 244.
46 Djenne war normalerweise in allen sonstigen Entwicklungen dem übrigen südlichen
Delta voraus.
47 In Nouh-Bozo zum Beispiel weiß man von keiner Periode, in der genähte Boote
hergestellt wurden. Dort fand ein direkter Wechsel vom Einbaum zum genagelten
Plankenboot statt.
48 Um der Feststellung dieser Eigenheiten willen habe ich oben auch die Form des
genähten Plankenbootes aus Gao beschrieben.
8 Baessler-Archiv XXXI
114
Hagemann, Bootsbau in Mali
5.4. Bedeutung der Boote im letzten Jahrtausend vor der Kolonialzeit
Den Gebrauch der Boote zum Personentransport und zur Fischerei habe ich
bereits erwähnt, ebenso welche Rolle die Boote bei der Eingliederung der Bozo
und Somono in die Organisation der verschiedenen Staaten im Nigerbogen
gespielt haben. Jetzt möchte ich noch etwas näher auf die hervorragende Be-
deutung der Boote für den Handelsverkehr und die Staatenbildung eingehen.
Das Zentrum der Großreiche, abgesehen von Gana, bildete stets der Niger.
Das lag zum einen daran, daß die Ufer des Flusses und das gesamte Delta als
fruchtbares Land geeigneten Lebensraum für die verschiedenen Volksgruppen
bot, zum anderen beruhte das Wachstum der Staaten auf der Entwicklung des
Handels, der mit der Schiffahrt auf dem Niger in enger Verbindung stand. Für
die Handelsschiffahrt war die staatliche Organisation des Wasserverkehrs eine
günstige Grundlage; umgekehrt waren wieder die Boote nötig, um die innere
Organisation der Reiche aufrechtzuerhalten.
Der Handel brachte für den Staat Einkünfte durch Weg-, Ein- und Ausfuhr-
zölle, bedeutete die Ansammlung verschiedenster Handelsgüter aus Nord und
Süd und die Entwicklung von Städten, die über die Niederlassungen der Händ-
ler an kultureller Vielfalt und materiellem Reichtum gewinnen.
„La conformité des frontières avec les possibilités d’exploration du Niger en
tant que voie commerciale, l’harmonie de ces deux facteurs, ont déterminé
l’accroissement continu du trafic fluvial qui atteignit son apogée dans l’état du
songhai49 50.“ Ihre große Bedeutung erreichen Djénné und Tombouctou also vor
allem aufgrund ihrer Lage am Fluß, als Endpunkte des zum Transport genütz-
ten Wegabschnitts. Alle Städte am Nigerbogen hatten ihren Hafen, dem ein
Hafenbeamter „hiokeu“ (Sonrhai) verstand; „hiokeu“ läßt sich nach BarthJ°
auch mit „Wasserkönig“ übersetzen.
„L’importance que l’état attribuait à ce genre de transport est attestée par le
fait que l’un des chefs militaires les plus hauts en grades à la cour des Askia
avait le titre de hi-koi (chef des pirogues)51 52.“ Um die Vorteile des Wasserweges
auszunützen, soll der Sonrhai-Herrscher Sonni-’Ali um 1483 sogar versucht
haben, Oualata durch einen Kanal mit Ras-el-Ma am Niger zu verbinden.
Dieser wurde jedoch nie fertiggestellt '2.
49 Tymowski 1967, S. 84.
50 Barth 1857, Bd. IV, S. 245.
51 Tymowski 1967, S. 86.
52 vgl. Es-Sa’di 1900, S. 114.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Baud XXXI (1983)
115
Zum Staken oder Treideln der großen Transportboote wurden Mannschaf-
ten zusammengestellt,3. Einzelne Boote schlossen sich nicht selten zu Flotten
zusammen und wurden dann von einem Chef angeführt, der für die Regelung
der gegenseitigen Hilfe, für Fahrtunterbrechungen, Bezahlung der Zölle und
ähnliches zuständig war53 54.
Neben den Handelsgütern5'0 wurden per Schiff die Naturalien aus verschie-
denen Regionen zu den städtischen Speichern transportiert. Febensmittel für
Tombouctou, das keine eigene Fandwirtschaft und nur wenig handwerkliche
Produktion hatte, wurden per Boot aus dem Süden herangeschafft. Per Schiff
fand der Transport von Reisenden und auch der Armee statt5'8 56. Feutnant Caron
wird während seiner Reise auf dem Niger berichtet, daß etwa 15 bis 20 Jahre
vor seiner Ankunft der Tuculor-Herrscher Tidiani mit 1500 Booten die Stadt
Diafarabé, im südlichen Delta gelegen, angegriffen habe57.
Es wäre ein leichtes, die Reihe der Beweise für eine organisierte Schiffahrt im
Nigerdelta noch fortzuführen. Ich meine aber, es ist ausreichend klargeworden,
daß ein vielseitiger Zusammenhang zwischen dem Bootsverkehr und dem Auf-
bau der großen Staaten im Nigerbogen besteht58.
5.5. Holz als Bootsbaumaterial — Zum Problem der Holzverknappung
Den Bau von Booten aus Holzstücken im Norden des Deltas als Folge des
Holzmangels zu sehen, wie Pitot und Daget59 und Rouch dies taten, scheint auf
den ersten Blick einleuchtend. „Depuis le Fac Débo jusqu’à Ansongo les sorko
fabriquent eux-mêmes leur pirogues avec des planches de palmier-doum cousues
ensemble par des coutures de corde. Fe manque des grandes arbres les empêche
53 vgl. Caillé in Tymowski 1967, S. 90.
54 vgl. Tymowski 1967, S. 90.
oi> Als typische Ladung eines Bootes von Djénné gibt man mir folgendes an: Calebas-
sen, Piment, Baobabpuder, Karitebutter, Honig, Baumwolle, Cola-Nüsse, Sklaven,
Gold und für die Touareg, die von unterwegs anlegenden Booten Abgaben verlan-
gen, dhiminta (= eine Erdnußsüßigkeit) und couscous.
56 vgl. Tymowski 1967, S. 84, 85.
57 vgl. Caron 1891, S. 131.
°8 Ziegfeld 1922, der sich um die Eingliederung der Boote in eine Entwicklungs-
hierarchie bemüht, zieht unter anderem das Kriterium der Yerwendungsform der
Boote dazu heran: er schätzt den Einbaum und das genähte Plankenboot des Niger-
bogens als lediglich zur Überwindung des Hindernisses Wasser gebrauchtes Fahr-
zeug ein. Sie tragen für ihn den „Stempel des Notbehelfs“ (H. 3, Blatt 16), und er
stellt ihnen entgegen Boote, von deren Benutzern das Wasser als ständige Verkehrs-
straße und „gegebener Weg zur Expansion“ genutzt wird. Ich meine, er irrt mit
seiner Beurteilung.
>!) Pitot und Daget 1948, S. 23.
ö*
116
Hagemann, Bootsbau in Mali
en effet de tailler directement un tronc60.“ Ursprünglich kann dies aber nicht
der Grund gewesen sein:
— Aus den Quellen wird ersichtlich, daß im gesamten Nigerbogen der Einbaum
und das genähte Plankenboot nebeneinander und gleichzeitig existiert haben.
— Die Tatsache, daß sie heute aus dem Holz der Doumpalme gemacht werden,
heißt nicht, daß sie daraus sein müssen. Die Bootsbauer berichten ganz im
Gegenteil, daß diese Boote aus verschiedensten Hölzern gearbeitet wurden.
Pitot und Daget61 glauben aufgrund des Holzmangels im Delta, und weil es
nur sehr wenige Exemplare gibt, daß der Einbaum aus südlichen Regionen
komme. Ich will nicht behaupten, daß dies unmöglich ist, aber die geringe An-
zahl der noch vorhandenen Einbäume, die sie als Begründung ihrer Vermutung
verwenden, ist eine neue Entwicklung in diesem Jahrhundert und hat nichts mit
der Entstehung der Einbäume zu tun. Alle drei Autoren machen den Fehler,
daß sie aus dem aktuellen Baumbestand des Deltas Rückschlüsse auf vergangene
Jahrhunderte ziehen.
Der Baumbestand an den Nigerufern und im Delta geht schon seit Jahr-
hunderten zurück. Hierfür gibt es verschiedene Gründe. Ursprünglich wurde
Holz, vor allem Feuerholz in einer Art geschnitten, daß der Baum wieder
nachwachsen konnte. Auch wurde häufig totes Holz verwendet, wovon es beson-
ders im Sahara-Randgebiet viel gibt. Die Bevölkerung des Deltas wächst seit
mindestens einem Jahrtausend, d. h. daß der Holz verbrauch ständig gestiegen
ist, was in einem so labilen Gleichgewicht wie dem der Sahelzone auf jeden Fall
Auswirkungen hat. Zum normalen Holzverbrauch kamen die Viehherden der
Fulbe, die junge Triebe abfressen und außerdem die vor etwa 200 Jahren neu
eingeführte Methode des Fischkonservierens, das Räuchern, zu dem Holz ver-
brannt wird.
Besonders kraß veränderte sich die Holzsituation aber erst im Verlauf der
Kolonialzeit.
Barth erwähnt für die Gegend um Tombouctou Mitte des 19. Jahrhunderts,
daß er „zahlreiche“, „schöne“ und sogar „große“ Bäume*’2 an den Flußufern
sieht63. Und noch Anfang dieses Jahrhunderts gab es große Bäume mit dickem
Stamm im Delta, die aber von den Franzosen in solchen Mengen verbrannt
,i0 Rouch 1950, S. 14.
01 vgl. Pitot und Daget 1948, S. 19.
62 Barth 1857, Bd. IV, S. 392.
63 Unter anderem die Tamarinde, von der ich annehme, daß sie dem Tamarindus
indica (Bozo: sala) entspricht, der auch zum Bootsbau verwendet wurde.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
117
wurden (zum Antrieb ihrer Dampfschiffe), daß heute keiner mehr davon zu
sehen ist04. „ et les acacias, abattus pour la navigation fluviale, disparaissent
des rives du fleuve6j.“
Den Kolonialherren wird selbst aufgefallen sein, daß der Holzbestand be-
denklich abnahm, jedenfalls wurde von ihnen schon bald das Holzfällen ohne
schriftliche Genehmigung verboten. Die Normalbevölkerung wußte sich eine
solche Genehmigung kaum zu beschaffen, d. h. der Fischer fällte sein Holz
illegal, und das heißt auch, daß sich eine Gruppe von professionellen Holz-
fällern (mit Genehmigung) entwickelte, die traditionell oft nichts mit Holz zu
tun hatte und ohne Rücksicht auf Regeneration bis heute ungehindert abholzt.
Der Teufelskreis hat sich geschlossen, der Baumbestand nimmt nicht nur bestän-
dig ab, sondern immer schneller. Je weniger Bäume, desto stärkere Erosion
fruchtbarer Bodenschichten, desto weniger Regen und infolgedessen noch weni-
ger Bäume und so weiter.
Schon vor 1903 wurden Planken für den Bootsbau auf den Märkten ange-
boten60 0'. Sie haben aber nichts zu tun mit den seit etwa 30 Jahren hergestell-
ten, maschinengesägten Planken aus einem Sägewerk in Bamako, die die Bozo,
entsprechend ihrer allgemeinen Situation, in eine stärkere Abhängigkeit von
Händlern und ausländischen Produktionsmitteln und Rohstoffen bringen68.
Die Verwendung von maschinengesägten Planken wurde also nicht freiwillig
begonnen und ist inzwischen nicht mehr nur von Gesetzen unterstützt, sondern
die einzige Möglichkeit für den Bootsbau überhaupt, nachdem im Delta keine
genügend großen Hartholzbäume mehr zu finden sind.
5.6. Entwicklung der Arbeitsgeräte
Smith sieht die Entwicklung der Boote Westafrikas folgendermaßen: „The
first boats may be assumed to have been the trunks of fallen trees on which
prehistoric man sat astride . . . The next step was taken in Neolithic, or possibly
Mesolithic times when ground and polished stone axes and adzes came into use.
The tree trunk could be shaped, giving it a tapered hüll, while the soft part of
the woods was hollowed out, . . ,69“ Er entspricht damit der Ansicht von Ligers:
1,4 vgl. Caron 1891, S. 102; Champaut 1961, S. 269.
80 Gallais, a. a. O., S. 494.
88 Sie wurden von den traditionellen Holzhandwerkern paarweise mit der Dechsel
aus einem Baumstamm geschlagen.
07 vgl. Monteil 1971, S. 246.
1,8 vgl. Gallais, a. a. O., S. 460.
89 Smith 1970, S. 515.
118
Hagemann, Bootsbau in Mali
„Effectivement tout le long du Niger, on trouve des anciens outils en pierre,
datant du néolithique, en quantité teile que aucun doute n’est possible quant á
leur utilisation pour la construction des bateaux: ces Instruments lithiques,
trouve en series completes, sont des prototypes réels des Instruments de con-
struction navale postérieurs, en metal'0.“
Ich habe keinen Grund, diese Annahme zu widerlegen, falsch ist nur, aus der
durch bestimmte Arbeitsgeräte gegebenen Möglichkeit, eine Notwendigkeit zu
schließen. Die tatsächliche Existenz von Booten im Nigerdelta zur Steinzeit
sollte gründlich überprüft werden, vor allem weil die Bozo von einer Zeit, da
ohne Boote gefischt und gejagt wurde, so sprechen, als läge sie noch nicht allzu-
weit zurück. Es werden auch heute noch bestimmte Fischfangtechniken ohne
Boot angewendet, und daß Boote für die Bozo lebensnotwendig gewesen seien,
wie Ligers70 71 behauptet, ist auf keinen Fall richtig. Hinzu kommt, daß die zum
Bootsbau verwendeten Geräte so allgemein für Holzarbeiten benutzt werden,
daß man sie nicht auf „instruments de construction navale“ festlegen kann.
„The earliest radiocarbon dates for indisputable evidence of iron smelting
in West Africa are 440, 300 and 280 BC7T73.“ Über die Einführung von Metall
und den Beginn einer eigenen Metallschmelze im Delta gibt es verschiedene
Theorien, auf die ich hier nicht weiter eingehen will. Sicher ist, daß eine im
Delta selbst nicht praktizierte Methode der Eisenerzverhüttung mit den Bam-
bara etwa im 17. Jahrhundert eingeführt wurde, und daß die Bozo zwar vor-
her keine eigenen Schmiede hatten, ihnen Metallgeräte und Waffen aber be-
kannt waren. Vor den heute gebräuchlichen Dechseln wurden zum Bootsbau,
vor allem für die Herstellung von Einbäumen, kleine Äxte verwendet74.
5.7. V eränderungen im Bootsbau seit der Kolonialzeit
Der Tag und Nacht nachdenkende Bootsbauer, mit dem ich meine historische
Untersuchung eingeleitet habe, paßt erst richtig eigentlich in diese Phase der
Bootsbaugeschichte.
Die bedeutendste Neuerung, die aus dem Kontakt zu den Weißen sich ergibt,
ist die Verwendung von Nägeln beim Bootsbau. Eisen als Bootsbaumaterial
habe man früher vermieden, berichtet mir ein Bozo, da die „Wasserteufel“ es
70 Ligers 1969, S. 1.
71 vgl. Ligers 1969, Bd. IV, S. V.
72 Alle Funde in Nigeria.
73 Hiernaux 1974, S. 153.
74 Eine Beschreibung der Grundausstattung an Werkzeugen für den Bootsbauer und
ihre Erweiterung seit der Kolonialzeit habe ich in Kapitel 4.5.6. gegeben.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
119
nicht mochten und ständig zerstört hätten75. Seit dem Eintreffen der Weißen
seien die Verhältnisse aber dermaßen verkehrt und verworren, daß diese „Teu-
fel“ keine Macht mehr hätten.
Anfangs waren es handgeschmiedete Vierkantnägel ohne Kopf, d. h. Huf-
nägel, die aus dem im Delta selbst gewonnenen Metall hergestellt wurden. Sie
wurden später durch Nägel, auch handgeschmiedet, aber jetzt mit abgeplatteten
Köpfen, aus wiederverwertetem Alteisen von europäischen Produkten, ersetzt.
Begonnen wurde mit den genagelten Booten in Djenne, von dort nahmen sie
ihren Weg über Mopti nach Nouh-Bozo und verbreiteten sich im ganzen Delta
und darüber hinaus. Anfänglich wurden in Djenne die Planken der Seitenwände
noch durch die traditionelle Schnürung verbunden und lediglich die Verbindung
zwischen Boden und Bordwand mit Nägeln hergestellt. Seither befinden sich
die Boote in ständiger Veränderung, bedingt durch die Verbesserungsversuche
einzelner Bootsbauer.
Die erste Konstruktion stellte nicht zufrieden, da die Nagelung zu Beginn
noch sehr wasserdurchlässig war. Die bei der Schnürung verwendete Abdichtung
mit Pflanzenbündeln war für die Nagelung nicht mehr brauchbar. Erst nach
und nach entwickelte man die Kalfaterung mit Stoffstreifen und Dichtungs-
masse und eine sinnvollere Form von Holzverbindungen. Danach wurden dann
auch die Planken der Bordwände durch Nägel verbunden. Vor Einführung der
Säge wurden jeweils zwei Planken mit der Dechsel aus einem Stamm geschlagen;
waren sie dazu bestimmt, Bordwände zu bilden, wurde für die Verbindung
zwischen Wand und Boden eine etwa 100° abgewinkelte Feder mitheraus-
gearbeitet. Die Wände wurden nicht an den Boden angesetzt oder eingefälzt
wie heute, sondern auf ihn aufgesetzt (Fig. 18). Im „Idealfall“ bestand ein Boot
dieser Konstruktionsweise aus 3 Baumstämmen: 2 Planken für den Boden und
4 für die Bordwände. Um das Biegen der Wände zu ermöglichen, wurden in die
Feder in bestimmten Abständen keilförmige Einschnitte gemacht. Diese Ideal-
form ließ sich allerdings nur für entsprechend kleine Boote verwirklichen. Zwei
Bootshälften wurden völlig getrennt hergestellt und nachträglich mit einer durch-
gängigen Mittelnaht verbunden. Um auch den Boden verschnüren zu können,
wurde unter der Mittelpartie des Bootes ein Graben in den Boden gezogen, um
dem Arm Platz bei der Schnürbewegung auch von unten zu geben. Diese Boote
erreichen nicht mehr als 16—18 m Länge und eine Tonnage von 10—12 t7(>.
Da das Holz am Niger selbst rar und teuer wurde, begann man es aus dem
Süden zu beschaffen und Bretter von unbrauchbar gewordenen Booten wieder-
Möglicherweise ist damit das Phänomen des Röstens beschrieben.
,ß vgl. Pitot und Daget 1948, S. 5.
120
Hagemann, Bootsbau in Mali
Fig. 18. Verbindung zwischen Bordwand
und Boden bei der alten Form des ge-
nagelten Plankenbootes. Bordwand mit
Feder und keilförmigem Einschnitt.
zuverwenden. Mangels geeignetem Schiffsbauholz kombinierte man verschiedene
Holzsorten für Boden und Bordwände. Vitex cuneata (Bozo: „sinin“), tama-
rindus indica (Bozo: „sala“), cordyla pinnata (Bozo: „tabara“), Faidherbia
albida (Bozo; „cunu“), Diospyros mespiliformis (Bozo: „conomou“). Nach
Champaut77 78 zusätzlich: Pterocarpus erinaceus und Butyrospermum parkii.
Die genagelten Plankenboote wurden anfangs mit Schnitzereien an den Bord-
wänden verziert, später kamen Ornamente aus Messingnägeln hinzu7S. Die
Ölfarbenbemalung gibt es erst seit etwa 1960.
77 vgl. Champaut 1961, S. 262.
78 vgl. Pitot und Daget 1948, S. 13.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
121
6. Technische Beurteilung der Boote
Nachdem ich die Grenzen, die die Materialien und Entwicklung der Arbeits-
geräte dem Bootsbau setzen, untersucht habe, möchte ich zum Abschluß noch
auf die Zweckmäßigkeit der modernen Bootsform des Deltas eingehen (und
soweit sie sich mit dieser decken, auch der der Formen des Einbaums und des
genähten Plankenbootes) und die Boote auf dem Hintergrund, die der Ge-
brauch im Delta als geographische Region an sie stellt, betrachten. Daß dies
nicht ganz problemlos ist, zeigt die Arbeit Ziegfelds über die Verbreitung und
Typisierung afrikanischer Boote, die er mit dem vielversprechenden Satz
beginnt: „Kaum ein Element aus dem Gebiet der materiellen Kultur scheint so
dazu geeignet, die Selbstverständlichkeit einer Verwandtschaft von Natur und
Technik zu belegen, wie das Wasserwesen1.“ Im Folgenden jedoch verschüttet
er die dadurch aufgeworfenen Fragen wieder, indem er von den speziellen
Gewässern auf das Wasser schlechthin abstrahiert und auf einer durchaus
platten Kausalität zwischen Natur und „technischen Bildungen“ beharrt.
Für eine erschöpfende Beurteilung technischer Stimmigkeit und Zweckmäßig-
keit bin ich weder Bootsfachmann noch Delta-Kenner genug — aber ich möchte
wenigstens die bisher von den europäischen Reisenden, Wissenschaftlern und
Technikern geäußerten Urteile kurz besprechen1 2 und sie mit den Erklärungen,
die die Bozo-Bootsbauer selbst zur Herstellung ihrer speziellen Boote geben, in
Beziehung setzen.
Die Haltung der Europäer gegenüber den Booten des Deltas veränderte sich
vom Staunen der ersten europäischen Afrika-Reisenden über die von Forschern
aus der Kolonialzeit geleistete strenge Kritik an den Booten hin zu zurückhal-
tender Beurteilung ihrer „Angepaßtheit“. Die tatsächliche Entwicklung der
Bootsform und eventuell hinzugewonnenes Wissen der Europäer spielt bei
diesem Haltungswandel meines Erachtens eine nur geringe Rolle; wichtiger
sind wahrscheinlich die Umstände der Begegnung insgesamt: Den ersten Reisen-
den waren die Boote vollkommen fremd. Gleichzeitig wurden sie Zeugen des
blühenden Bootsverkehrs auf dem Niger, was die Skepsis gegenüber dem
Fremden in Staunen verwandelte. Die Kolonialisten trafen in einer Zeit ein,
da der Handel zwischen Djenne und Tombouctou fast ganz zum Erliegen
gekommen war. Außerdem zerstörten sie durch ihre Eingriffe noch weitergehend
die vorhandenen Strukturen; sie sahen die Boote mit den Augen der „Kultur-
bringer“. Anstelle ihrer gewaltsamen Eroberung und direkten Machtausübung
1 Ziegfeld 1922, Ati. Africanus, Heft 3, Blatt 15.
2 Zumal sie auf genau die Details eingehen, die auch mir an den Booten fremd und
zunächst unerklärlich waren.
122
Hagemann, Bootsbau in Mali
findet seit der „Unabhängigkeit“ Malis unter dem Namen „Entwicklungshilfe“
eine sehr viel subtilere Wegbereitung für die Durchsetzung europäischer und
amerikanischer Wirtschaftsinteressen statt. Um die „Unabhängigkeit“ nicht in
Frage zu stellen, ist eine gewisse Zurückhaltung geboten, und für die Einrich-
tung der Entwicklungsprojekte sind technisch fundierte Analysen malischer
Kultur nötig. Außerdem hat man inzwischen Gelegenheit gehabt, einige Jahr-
zehnte lang mit nach französischer Vorstellung hergestellter Booten im Delta
Erfahrungen zu machen. Es sind Personenschiffe und flache Transportschiffe aus
Metall, die bis zu 120 t Ladung fassen, zum Teil motorisiert, zum Teil von
Schleppern — oder anfangs einer Mannschaft, die stakt oder treidelt — ab-
hängig. Diese Metallschiffe übernahmen in ihrer Spitzenleistungsperiode ledig-
lich ein Sechstel des gesamten Deltatransports'5 und verlieren schon seit minde-
stens 20 Jahren ständig an Bedeutung. Eine ernsthafte Konkurrenz für die
traditionelle Schiffahrt stellten sie zu keiner Zeit dar. „Dans l’etat actuel de la
navigation traditionelle, on peut affirmer, que la concurrence est tes faible;...3 4“
Aufgrund ihrer Größe können sie nur einige Monate des Jahres — zur Hoch-
wasserzeit — fahren und auch dann nur auf dem Hauptarm des Flusses. Außer-
dem fehlt es an Mitteln zur Reparatur, und sie werden nach und nach stillgelegt.
So ist ihnen die traditionelle Schiffahrt durch eine flexible, den saisonalen Ver-
änderungen angepaßte Organisation weit überlegen. Sie erreichen alle Orte und
Märkte des Deltas, und die Hauptzweige des Flußlaufs sind das ganze Jahr für
sie befahrbar.
Betrachtet man die Stabilität der traditionellen Boote im Wasser, fällt zu-
nächst auf, daß sie keinen Kiel haben. Das liegt im allgemein niedrigen Wasser-
stand begründet. Der flache Boden ermöglicht cs, in der Trockenzeit sämtliche
Abschnitte der Hauptflußarme und bei Hochwasser auch die überschwemmten
Gebiete zu befahren. Der flache Boden wiederum ist die Ursache dafür, daß
außer dem Rahsegel keine Besegelung möglich ist. Über den Antrieb mit der
Stakstange ist die besonders lange und schmale Form der Boote zu erklären.
Bei einem breiten Boot wäre die Abweichung von der vorgesehenen Richtung
durch das einseitige Einsetzen der Stakstange wesentlich größer. Möglicherweise
würde bei den motorangetriebenen Booten eine breitere Form ein günstigeres
Verhältnis zwischen Kraftstoffverbrauch und transportiertem Gewicht ergeben
— zumal das Erreichen hoher Geschwindigkeiten in der Verwendung kaum
eine Rolle spielt. Zu bedenken ist dabei, daß bis heute noch Stakstange und
Motor gleichzeitig bzw. abwechselnd eingesetzt werden und daß die Kanäle
3 vgl. Gallais, a. a. O., S. 508.
4 Champaut 1961, S. 291.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
123
stellenweise so schmal sind, daß breiteren Booten eine Durchfahrt nicht möglich
wäre. Hinzu kommt, daß das Einsetzen von Motoren noch neu ist. Einige
motorgemäße Veränderungen waren bisher schon zu beobachten, und von einer
abgeschlossenen Entwicklung kann nicht gesprochen werden.
Insbesondere sind es die genähten Verbindungen, die immer wieder die Auf-
merksamkeit der Eropäer auf sich zogen. Den genähten Plankenbooten wurde
allgemein Instabilität („Ces Pirogues, . . . sont généralement peu solides, et je
suis encore étonné qu’elles puissent porter d’aussi fortes cargaisons . . .“J)>
schlechte Manövrierfähigkeit und große Wasserdurchlässigkeit angelastet. Pitot
und Daget, die in diesem Jahrhundert nur noch relativ kleine Boote von dieser
Sorte zu sehen bekommen, sprechen ihnen sogar aufgrund ihrer Instabilität die
Möglichkeit größerer Ausdehnung ab und damit ein Fassungsvermögen, das sie
für Transportboote geeignet sein ließe.
Daß es diese Transportboote einmal gab, wissen wir. Die Tatsache, daß sie
zu Pitots und Dagets Zeit besonders klein waren, liegt eher daran, daß Sklaven,
die als Bootsleute arbeiten, nicht mehr zu finden waren und es Motoren noch
nicht gab.
Perfekt ist dann die Verständnislosigkeit der Europäer, als bei der Umstel-
lung von genähten auf genagelte Boote die Mittelverbindung weiterhin ge-
schnürt wird: „C’est cet assemblage, qui est défectueux. A lui seul il ruine pres-
que toute l’innovation . . . tout l’effort se répercute sur cette manière de char-
nière centrale . . .5 6.) Sie wird für ein Überbleibsel einer früheren Form gehalten:
„Während nun das Zusammennähen beim eigentlichen Zweibaum (gemeint ist
der zusammengesetzte Einbaum, A. H.) zweckmäßig war und sich aus dem
Mangel an genügend langen Baumstämmen erklären läßt, ist das gleiche Vor-
gehen bei der Herstellung von Plankenbooten sinnlos und offenbar nur aus
Tradition mitübernommen worden7.“ Daß die Bozo bei ihrer sonstigen Offen-
heit gegenüber technischen Neuerungen unreflektiert ein veraltetes, unnötiges
Detail in ihre neuen Konstruktionen übernehmen, ist nicht sehr wahrscheinlich;
aber ganz eindeutig ist, daß trotz ständiger Modifikationen an der Mittelnaht
selbst zäh festgehalten wird. Die Gründe, die die ßootsbauer, neben Vorteilen,
die die Halbierung beim Bau selbst bietet, für diese Bauweise angegeben, sind
vielseitig: Es liegt noch nicht lange zurück, daß bei Bedarf ein ganzes Planken-
boot geteilt und als zwei kleine Boote benutzt (das gleiche berichten auch Pitot
5 Caillé 1979, Bd. II, S. 170.
6 Monteil 1903, S. 109.
7 Hintermann 1930, S. 342.
124
Hagemann, Bootsbau in Mali
und Daget vom zusammengesetzten Einbaum)s und anschließend wieder zu
einem großen zusammengefügt wurde. Mittlerweile scheint dies aber keine be-
sondere Rolle mehr zu spielen. Ich sah selbst nur sehr selten halbe Boote im
Gebrauch. Außerdem werden die beiden Bootshälften heute nicht mehr mit einer
durchgehenden Naht verbunden, sondern am Boden genagelt, so daß sich das
ganze zum beliebigen Teilen und Zusammensetzen nicht mehr eignet.
Weiter erklären die ßootsbauer, daß man beim Auflaufen auf Sandgrund das
Boot leichter wieder losbekommen könne, wenn es hälftenweise anzuheben
geht. Außerdem würden die Boote mit einer Mittelschnürung vom Wind nicht
so sehr angegriffen, als wenn sie starr und aus einem Stück seien. Dieser letzte
Grund ist so zu deuten; Schon ein geringes Unwetter oder leichter Wind können
auf dem Fluß und besonders auf den Seen Wellen von für diese flachen Boote
gefährlicher Größe erzeugen. Die Untiefen ihrerseits verstärken noch Steilheit
und Kürze der Wellen (nicht zu reden von den gewaltigen, plötzlich aufkom-
menden Stürmen zu bestimmten Jahreszeiten, bei denen nichts übrigbleibt, als
sofort am Ufer anzulegen). Vor diesen Wellen schützt man sich, indem man die
Last in die hintere Bootshälfte verlagert und den Bug gegen die Wellen richtet.
Drückt die Welle nun gegen den Bug, hebt sich dieser ohne Schwierigkeit da-
durch, daß das Boot in der Mitte abknicken kann und nicht das Gewicht des
ganzen Bootes samt Ladung mitgehen muß. Es ist also gerade die „Scharnier-
wirkung“, die interessiert und die die Mittelnaht letztendlich auch wieder als
Reaktion auf die Flachheit des Wassers erkennbar macht. Da sich die Schnürung
für die motorangetriebenen Boote als ungünstig erwies, man aber auf die
Beweglichkeit nicht verzichten wollte, wird bei der Nagelverbindung, die bei
den Motorbooten die Schnürung inzwischen ersetzt, mit verschiedensten Formen
von genagelten Zwischenstücken experimentiert, um wenigstens einen gewissen
Bewegungsspielraum in der Mitte des Bootes zu erhalten.
Für den Bau der langen Steven, die nichts Althergebrachtes sind und sehr
häufig abbrechen oder abreißen, kann ich nach wie vor kein Verständnis auf-
bringen. Die Bootsbauer nannten mir nur ästhetische Gründe. Er wird auch als
„Krokodilskopf“ bezeichnet, und möglicherweise wollten die Bozo über seine
mythologische Bedeutung nicht sprechen (er muß aus ganz bestimmten Holz-
sorten gefertigt sein, sonst ist das Boot angeblich zu häufigem Kentern verur-
teilt).
Im ganzen war ich erstaunt, mit welch einfachen Mitteln und wie schnell die
Boote verhältnismäßig zu ihrer Haltbarkeit und Belastbarkeit gebaut werden
8 vgl. Pitot und Daget 1948, S. 20.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
125
können. „Im Binnenlande . . . stellt das Bretterboot einen Höhepunkt dar, der
mit primitiven Mitteln nicht mehr überboten werden konnte9.“
Gulbrandsen, ein Schiffsbaumeister, von der FAO beauftragt, den gegen-
wärtigen Stand des Bootsbaus zu studieren, um geeignete Werkstätten und Ver-
besserungen der Technik im Hinblick auf ein zukünftiges Entwicklungsprojekt
vorzuschlagen, kommt zu folgendem Ergebnis: „Les pirogues ,Djénné‘ peuvent
être considérés comme l’aboutissement d’une longue évolution et l’expert ne
peut que formuler des suggestions mineures pour leur amélioration . . .10“
7. Zusammenfassung
Zusammenfassend kann man sagen, daß diese Arbeit die heutige Form und
Herstellungsweise der im Binnendelta des Niger verwendeten Boote vorstellt.
Zur Frage der Bauart gesellt sich eine zweite: Warum werden sie in dieser Art
gebaut? Zur Beantwortung dieser Frage wird die Entwicklung zum heutigen
Bootsbau mit Hilfe der geschichtlich sich verändernden Faktoren, die den Boots-
bau beeinflussen, nachvollzogen.
Die Bozofischer, vor dem 9. Jahrhundert zumindest für einen gewissen Zeit-
abschnitt einzige Bewohner des Deltas, verwendeten das Schilffloß und den
Einbaum. Über die spätestens im 9. Jahrhundert eingewanderten Sonrhai wird
das genähte Plankenboot im Delta eingeführt. Zunächst wird es nur in geringem
Ausmaß von den im nördlichen Delta lebenden Bozo übernommen. Im Zusam-
menhang mit den Großreichen Mali und Sonrhai, die entlang des schiffbaren
Flußabschnitts im Nigerbogen entstehen, gelangen diese Plankenboote jedoch zu
großer Bedeutung (dadurch, daß sie in ihrer Größe nicht so begrenzt sind wie
der Einbaum) und breiten sich bis in das südliche Delta aus. Der Schiffsverkehr
ermöglicht oder erleichtert wenigstens die zentrale Organisation großer Gebiete
und zieht als günstige Transportmöglichkeit den transsaharischen Handel an.
Im Rahmen der staatlichen Organisation erhalten die Bozo als Bootsbauer
und Bootsbesatzung ihre besondere Stellung, und auch am Handel sind sie vor
allem über die Boote beteiligt.
Der Bau großer Boote läßt mit dem Verfall der Reiche und dem Bedeutungs-
verlust des Niger als Handelsweg nach; im Großen und Ganzen aber bleibt das
9 Suder 1930, S. 49.
10 Gulbrandsen 1968.
126
Hagemann, Bootsbau in Mali
jahrhundertelange Nebeneinander der drei genannten Bootsformen bis zum Ein-
treffen der Franzosen Ende des 19. Jahrhunderts erhalten1.
Als zur Kolonialzeit die traditionelle Form der Sklaverei abgeschafft wird
und damit sich Mannschaften für die Fortbewegung großer Boote nicht mehr
zusammenstellen lassen, verschwinden große Holzboote schließlich ganz und
tauchen erst mit der Einfuhr von Außenbordmotoren wieder auf.
Die von den Europäern eingeführte Idee des Nageins verbreitet sich rasch im
Bootsbau und ersetzt schon nach kurzer Zeit gänzlich die genähte Plankenver-
bindung. Diese Neuerung zieht eine ganze Kette von Veränderungen in der
Bootsbautechnik nach sich.
Der enorme Holzverbrauch der Europäer bewirkt einen fast gänzlichen Kahl-
schlag an den Ufern des Niger. Dadurch wird die Einfuhr von Holz für den
Bootsbau aus entfernteren Gebieten nötig. Der Weg zur Verwendung von
maschinengesägten Planken ist auf diese Weise geebnet. Trotz aller technischen
Veränderungen jedoch wird an der äußeren Form der Boote weitgehend fest-
gehalten. Sie hat sich bis heute immer wieder als die für dieses Gebiet und
Gewässer günstigste Form herausgestellt.
Die Bozofischer haben im uns bekannten Zeitraum ihrer Geschichte auf fremde
Invasoren statt mit Aggression oder Unterordnung immer mit Rückzug reagiert.
Auch heute noch gelten sie als eigenwillige und dem staatlichen Zugriff schwei-
zugängliche Volksgruppe. Dieses Verhalten wurde nicht zuletzt dadurch unter-
stützt, daß sie über Boote verfügen.
Es geht nicht um eine losgelöste und für sich stehende Betrachtung der Bozo-
Boote, sondern um das Verständnis für den Bootsbau als Element einer gesam-
ten Kultur, das seinerseits Prozesse der Veränderung und Entwicklung dieser
Kultur beleuchtet und verdeutlicht.
Schließlich sind es nicht die Boote selbst, die ihre Form und Herstellungsweise
verändern und bestimmen, sondern die Bootsbauer, die sämtliche vorhandenen
Bedingungen kombinieren und sie umsetzen in einen bestimmten Bootstyp.
1 Möglich ist allerdings, daß kleinere Modifikationen im Bootsbau durch die Infor-
mationsknappheit der Quellen einfach verlorengegangen sind.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
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9 Baessler-Archiv XXXI
130
Hagemann, Bootsbau in Mali
Abb. 1. Halbiertes genageltes Plankenboot mit geschnürtem Spiegel.
Abb. 2. Im Hintergrund neues Plankenboot bei der ersten Probefahrt. Zu beachten
ist der leichte Knick mittschiffs, den das ältere Boot im Vordergrund nicht mehr
aufweist.
Abb. 3. Bootsboden mittschiffs, ein Teil der ausgefalz-
ten Verbindung wird mit schwarzer Farbe bestrichen.
Abb. 4. Der zweite Teil der Verbindung wird aufge-
legt und angedrückt.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
Abb. 6. Die schwarzen Stellen werden abgeschlagen. Abb. 3—6 stellen
die verschiedenen Arbeitsgänge des Fügens mit Hilfe des „Stempel-
abdrucks“ dar.
Abb. 5. Die Verbindung wird aufgeklappt, und auf dem zweiten Teil
werden Berührpunkte als schwarze Stellen sichtbar.
132 Hagemann, Bootsbau in Mali
Abb. 7. Mittelnaht als Verbindung der beiden Boots-
hälften.
Genagelte
Mittelverbindung
Abb
Abb. 9. Der Bootsbauer Ibrahim bei der Herstellung
eines Stevens mit der Dechsel.
Abb. 10. Amidou beim Fertigen der Nagellöcher mit
dem Dorn.
Abb. 12. Lacinij geht auf dem Bootsboden auf und ab,
um den günstigsten Platz für das Auflegen der Gewichte
festzustellen.
' V* %
Abb. 11. Bozo-Hobel.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983) 135
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
137
VOM AMULETT ZUM SCMUCKSTÜCK
ZUR TYPOLOGIE DER ÄGYPTISCHEN
ZU’RA-AMULETTE
PETER W. SCHIENERL, Wien
Auf die enge Beziehung, die zwischen dem Amulettwesen und dem tradi-
tionellen Schmuck besteht, ist bereits mehrmals im Zusammenhang mit der
Dokumentation des rezenten islamischen Schmuckbrauchtums hingewiesen wor-
den. Amulette, die als magische Schutzmittel gegen Geister und andere nega-
tive Kräfte getragen werden, zeigen in allen Kulturen die Tendenz, sich all-
mählich zu Schmuckstücken zu wandeln, bei denen die ästhetische Komponente
immer mehr in den Vordergrund rückt. Andererseits gibt es in traditionellen
Gesellschaften aber kaum Schmuckstücke, die völlig ohne amulettwertige Ele-
mente sind.
Es ist daher oft äußerst schwierig, eine exakte Grenze zwischen dem, was
ein Amulett ist, und jenen Schmuckstücken zu ziehen, die sich daraus entwickelt
haben. Da derartige Wandlungsprozesse sich in der Regel über sehr lange Zeit-
räume erstrecken, stehen der vergleichenden Schmuck- und Amulettforschung
nicht immer alle Belegstücke zur Verfügung, durch die ein solcher Wandel
lückenlos bewiesen werden kann.
In traditionellen Gesellschaften ergibt es sich aber bisweilen, daß eine grö-
ßere Anzahl von verschiedenen Entwicklungsstufen eines Amulett- oder
Schmucktyps gleichzeitig verwendet wird, und solche Zufälle bieten uns dann
die Gelegenheit, anhand rezenten Materials den Wandel einer Amulettform
zu einem Schmuckstück glaubhaft zu machen.
Als Beispiel für einen solchen Wandlungsprozeß soll die Entwicklung des
ägyptischen zu’ra-Amulettes aufgezeigt werden, eines Amulettes, das mir beim
Studium einer privaten Sammlung islamischen Schmucks in mehreren Varian-
ten bekannt geworden ist. Anhand dieses Materials können nämlich die einzel-
nen Stufen der Entwicklung des Amulettes zu einem dekorativen Schmuckstück
recht klar aufgezeigt werden.
1. Verwendung des Amulettes
Zu Beginn dieses Jahrhunderts hat Hildburgh eine kleine, aber äußerst wich-
tige Sammlung von ägyptischen Amuletten aufgebaut, die er in drei kurzen
138
Schienerl, Vom Amulett zum Schmuckstück
Abhandlungen (1913, 1915, 1916) in der Zeitschrift „Man“ veröffentlichte.
In dieser Sammlung befanden sich auch zwei zu’ra-Amulette, über die er fol-
gendes schreibt (1916; 82):
„Fig. 15. — Silver pendant in form of a pointed loop, with a small depen-
dent bell within it, and five similar bells suspended from its lower edge. To be
worn by a child as a protection against evil supernatural beings. Although
I was given to understand that its protective value lay in the silver of which
it is made, I am inclined to believe that that value lies largely in the sound
produced by the little bells, and perhaps, to a certain extent, in the form of
the loop, a form which may, I think, possibly have phallic associations.“
Das von Hildburgh auf Tafel F abgebildete Amulett entspricht unserem Typ
B/2 (s. u. 149). Auf der gleichen Tafel ist ein zu’ra-Amulett des Grundtyps
A/2 dargestellt, und der Autor führt dazu nur folgendes aus:
„Fig. 16. — Silver pendant, similar in type and purpose to that of Fig. 15,
but having a ring in the place of the pointed loop. Several of the small bells
are missing.“
Zur Verwendung des zu’ra-Amulettes im Zusammenhang mit dem ägyp-
tischen Zar (eine Bibliographie zu diesem Brauchtum findet sich bei Khoury
1980) und über die dem Amulett zugeschriebene Fähigkeit, Mutter und Kind
zu beschützen, berichtet Mahmud Sidqi, ein Abschreiber der Khedivialbiblio-
thek in Kairo, in einem Manuskript, das er im Jahre 1910 im Auftrag von
Enno Littmann angefertigt hatte, folgendes:
„Zu’ra, das ist ein rundes Stück aus Gold oder Silber mit kleinen, runden,
feinen Plättchen, die es umgeben; dies wird für jede schwangere Frau gebraucht
(die den Zär hat), und zwar beräuchert die Schecha sie und hängt es ihr an die
Brust, wenn sie im siebenten Monat schwanger ist, und zuletzt, wenn Gott sie
bei der Hand nimmt und sie niederkommt, wird es um den Hals des Neu-
geborenen gehängt. Das Anlegen dieser Zu’ra ist notwendig; sonst ist die
Schwangere der Gefahr ausgesetzt, oder ihr Kind bleibt nicht am Leben, wenn
sie es versäumt, (die Zu’ra) herzustellen und anzulegen. Mir versicherte die
Schecha diese Aussage, da sie erprobt und bezeugt sei; denn sie habe einigen
Frauen geraten, die Zu’ras herzustellen, aber die hätten es nicht getan und da
seien ihre Kinder nicht am Leben geblieben; doch schließlich, als die (Frauen)
den Rat befolgten, da seien die Kinder am Leben geblieben; und sie nannte mir
die Namen einiger meiner Bekannten, die meine Kameraden in der Schule ge-
wesen waren.“ (Littmann 1950: 5; der arabische Text ist auf Seite 80 wieder-
gegeben.).
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
139
Dieser Text ist vor allem deshalb interessant, weil er auf die Existenz von
nicht aus Silber verfertigten zu’ra-Amuletten hinweist. Außer den aus Gold
verfertigten Stücken dürften hier auch von den Frauen selbst verfertigte Amu-
lette erwähnt werden, die wir uns wohl aus Perlengeflecht bestehend vorzustel-
len haben (s. u. 151 f.). Die Verwendung von runden Metallplättchen anstelle
von kleinen Schellen ist im ägyptischen Schmuck- und Amulettwesen öfters zu
belegen. Unter den Objekten, die als Grundlage dieser typologischen Abhand-
lung dienen, ist allerdings keines, das Plättchen als Anhängsel aufweist.
Rudolf Kriss und Hubert Kriss-Heinrich, die während der fünfziger Jahre
umfangreiche Feldforschungen zur Volksreligion in Ägypten durchführten, ver-
öffentlichten je ein kreisförmiges und ein tropfenförmiges zu’ra-Amulett (Kriss
1962; fig. 114, 1 u. 2). Zur Verwendung des von ihnen zu‘ra genannten Amu-
lettes äußern sie sich folgendermaßen:
„Die Reihe der Silberamulette (für den Zär) wird beschlossen von ring- oder
tropfenförmigen Schlingen „zu'cra“ genannt. Dieses Amulett ist besonders für
Knaben bestimmt, wegen deren Geburt die Mutter in Sorge war; es tritt jedoch
nicht nur beim Zär in Erscheinung, sondern kann auch ganz allgemein als
Schutzmittel für Schwangere verwendet werden . . . Auch hier ist die tropfen-
förmige Form „für den Kopf“ und die runde „für das Herz“ gedacht.“ (Kriss
1962: 153—154).
Bedauerlicherweise erwähnen die beiden Autoren nicht, ob es sich bei der im
letzten Satz gemachten Aussage um eine als gesichert geltende Mitteilung sei-
tens amulettkundiger Ägypter handelt oder ob hier nur eine Analogie zu den
runden und tropfenförmigen Zaramuletten mit Texten hergestellt worden ist,
die tatsächlich unter der Bezeichnung higab ra’s und higab qalb eine bedeut-
same Rolle während der Zär-Veranstaltungen spielen.
Auf die Frage, ob bedeutungsmäßig ein Unterschied zwischen den kreis-
gestaltigen und den tropfenförmigen zu’ra-Amuletten bestehe, teilte mir ein
Silberhändler in Beni Suef mit, daß die ersteren als magische Schutzmittel für
Mädchen bestimmt seien, während die tropfenförmigen Silberanhänger den
Schutz von Knaben gewährleisten sollen. Diese Angabe, die ich im Oktober
1976 erstmals registrierte, konnte ich im Laufe der Zeit des öfteren bestätigt
erhalten, wobei allerdings den Amuletten keine darüber hinausgehende spe-
zifische Wirkungsweise zugesprochen wurde. Sie wurden stets als Schutzmittel
gegen den „Bösen Blick“ bezeichnet. Da aber heute fast niemals ausdrücklich
auf die Getahr, die von Dämonen droht, Bezug genommen wird, ist dieser Aus-
sage keine allzu große Bedeutung beizumessen.
140
Schienerl, Vom Amulett zum Schmuckstück
Was den Unterschied zwischen kreisförmigen und tropfenartigen Anhängern
betrifft, so wird die im folgenden aufzuzeigende typologische Entwicklung der
zu’ra-Amulette ein gewichtiges Argument für die Richtigkeit der Angaben
über die geschlechtsspezifische Verwendung der beiden Amulettformen erbrin-
gen. Denn nur der kreisförmige Amulettyp weist eine zum Schmuckstück füh-
rende Entwicklung auf, während das für Knaben bestimmte tropfenförmige
Amulett keine Tendenz zu einer derartigen Entwicklung erkennen läßt.
2. Typologie der zu’ra-Amulette
Wie bereits erwähnt, sind prinzipiell die kreisgestaltigen zu’ra-Amulette (A)
von solchen in Tropfenform (B) zu unterscheiden.
GRUNDTYP A:
Typ A — 1:
Die typologisch einfachste und entwicklungsgeschichtlich wohl älteste (vgl.
u. S. 150) nachweisbare Form des für Mädchen bestimmten zu’ra-Amulettes
besteht aus einem simplen Reif aus stärkerem Silberdraht, der durch eine senk-
recht dazu aufgesetzte Metallöse zu einem Anhänger gemacht wird (Abb. 1).
Am unteren Rand sind drei weitere Ösen angebracht, an denen — mit Hilfe
von Verbindungsstücken — jeweils eine kugelförmige Schelle befestigt ist.
1
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
141
Eines der beiden abgebildeten Amulette zeigt Zwischenstücke, wie sie heute
hauptsächlich im oberägyptischen Schmuck festzustellen sind und uns noch auf
den Schmuckstücken der Typen A — 5 und A — 6 begegnen werden: eine aus
Silberdraht gebogene 8, in deren Zentrum ein rundes Silberplättchen aufgesetzt
ist. Das zweite abgebildete Amulett fällt dadurch etwas aus dem Rahmen, daß
es keine kugelförmigen Schellen als Anhängsel aufweist, sondern mit kleinen
massiven und flachgedrückten Anhängseln versehen ist.
Typ A — 2;
Das Charakteristikum des zweiten Grundtyps ist eine Öse, die an der Innen-
seite des Silberreifs gegenüber der Aufhängeöse angebracht ist und an der eine
kugelförmige Schelle hängt (Abb. 2). Das hier gezeigte, leicht deformierte
Exemplar entspricht etwa dem, das Hildburgh (1916: 82, hg. 16) veröffentlicht
hat.
2
Typ A — 3:
Durch die Anbringung eines Metallstegs im Zentrum des Silberreifs ist die
Möglichkeit geboten, weitere kugelförmige Schellen, deren Klang ja als magi-
scher Schutz gegen Angriffe seitens der Dämonenwelt empfunden wurde, anzu-
142
Schienerl, Vom Amulett zum Schmuckstück
bringen. Zwei Beispiele für derartige Anhänger sind auf Abbildung 3 zu sehen,
wobei auffällt, daß bei beiden Objekten jeweils noch eine ältere osmanische
Münze angebracht wurde.
Typ A — 4:
Der Verzicht auf die seit Typ A — 2 übliche oberste Anhängeröse ist für
diese Entwicklungsstufe des zu’ra-Amulettes kennzeichnend. Der Steg, an dem
die hohlen Kügelchen befestigt werden können, wird in das obere Drittel des
Reifes verlegt, wodurch dem Amulett eine größere optische Ausgewogenheit
verliehen wird (Abb. 4). Das von Kriss (1962: Abb. 114, Nr. 2) abgebildete
Amulett gehört gleichfalls diesem Typ an.
Die Tatsache, daß alle heute neu gefertigten zu’ra-Amulette diesem Typ ent-
sprechen (Abb. 5), ist als sehr wichtiger Hinweis darauf zu erachten, daß die
eben dargelegte typologische Entwicklungslinie richtig ist. Ebenso wie bei man-
chen anderen Amuletttypen — etwa bei den Zär-Amuletten (Schienerl 1980 b:
12) oder bei den Imitationen von spanischen „Kanonentalern“ (Schienerl 1982:
54) — ist auch bei den modernen zu’ra-Amuletten festzustellen, daß sie wesent-
lich kleiner und weniger massiv gestaltet sind als ältere Exemplare des gleichen
Grundtyps.
3
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
143
4 a 4 b
Das großformatige Amulett des Typs A — 4 (Abb. 4 b) muß als Vorläufer
jener in Oberägypten gebräuchlichen dekorativen Schmuckanhänger angesehen
werden, die wir hier unter den Typenbezeichnungen A — 5 und A — 6 zu-
sammenfassen.
Typ A — 5 :
Dieser großformatige Anhänger ist aus einem ziemlich dicken Silberstab von
rundem Querschnitt geformt und weist einen breiten Quersteg auf, an dem
vier kugelförmige Schellen befestigt sind (Abb. 6). Eine dreieckige mit Punkt-
dekor verzierte Silbcrplatte und eine auf den Steg aufgesetzte Steinfassung mit
einer roten Glasperle betonen den dekorativen Charakter des Anhängers. Im
Gegensatz zu den bisher besprochenen Amuletten sind die Schmuckanhänger
der Typen A — 5 und A — 6 stets mit zwei Aufhängerösen versehen.
Typ A — 6:
Dieser Grundtyp ist vor allem dadurch charakterisiert, daß das Segment
zwischen der oberen Begrenzung des Anhängers und dem Quersteg zur Gänze
durch dekorative Elemente verdeckt wird. Ein Exemplar (Abb. 7) zeigt Fili-
grandekor mit einer Fassung, in die ein roter Glasstein eingefügt ist. Über die
Bedeutung roter Glassteine und über die Verwendung von Karneolen im süd-
144
Schienerl, Vom Amulett zum Schmuckstück
6
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
145
7
ägyptischen Schmuckwesen ist bereits früher ausführlicher berichtet worden
(Schienerl 1984: 47—49).
Bei einem anderen Anhänger (Abb. 8) ist das Segment mit glattem Silber-
blech überdeckt, das lediglich am Rand einen simplen Dekor aufweist. Die drei
darauf aufgesetzten Steinfassungen enthalten zwei kleine blaue Perlen und eine
größere Glasperle von roter Farbe. Glasperlen dieser Art sind im südägypti-
schen Schmuckwesen recht häufig auch als Imitationen von Korallen festzustel-
len. Am bemerkenswertesten sind aber die beiden plastischen Vogeldarstellun-
gen, die dieses Schmuckstück flankieren. Ohne hier auf die Bedeutung von
Vogeldarstellungen näher eingehen zu wollen, muß festgehalten werden, daß
sowohl im nubischen Schmuck als auch im Schmuckwesen Oberägyptens der
bildlichen Wiedergabe von Vögeln eine beachtliche Rolle zukommt.
10 Baessler-Archiv XXXI
146
Schienerl, Vom Amulett zum Schmuckstück
Die Verwendungsweise der den Typen A — 5 und A — 6 zugehörigen
Schmuckanhänger wird am besten durch eine Haikette verdeutlicht (Abb. 9),
die aus Giregh oder aus Sohag kommen soll. Das Segment des Anhängers ist
mit einem Bogen aus Silberfiligran abgedeckt, dem drei Fassungen mit einem
grünen und zwei roten Glassteinen aufgesetzt sind. Der Filigranbogen, der das
Segment nicht völlig überdeckt, wurde aus einem sichelmondgestaltigen Fili-
grananhänger zurechtgeschnitten, wie er etwa bei Schienerl 1982: fig. 3 zu sehen
ist.
Anhand des eben vorgeführten rezenten Materials konnte die stufenweise
Entwicklung des kreisförmigen zu’ra Amulettes zu einem dekorativen Schmuck-
stück für Frauen nachgewiesen werden.
ßaessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
147
9
grundtyp b
Bei den für Knaben bestimmten tropfenförmigen zu’ra-Amuletten ist keine
zum Schmuckstück führende Entwicklung zu erkennen. Obwohl dieses Amulett
bei Silberhändlern sehr häufig zu sehen ist, lassen sich lediglich drei Formen
nachweisen, deren typologische Entwicklung vermutlich analog zu der der
kreisförmigen zu’ra-Amulette verlaufen ist und die den Typen A — 2 bis
A — 4 entsprechen.
io*
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
149
Typ B — 1:
Dieser analog zu den kreisförmigen Amuletten des Typs A — 1 rekonstru-
ierte Amuletttyp (ohne eine Schelle am Scheitelpunkt) ist bisher noch nicht nach-
zuweisen gewesen, doch ist seine Existenz als wahrscheinlich anzunehmen.
Typ B — 2;
Die einfachste durch Beispiele belegbare Variante des Grundtyps B besteht
aus einem tropfenförmig zurechtgebogenen Silberdraht, an dessen Scheitelpunkt
eine kugelförmige Schelle befestigt ist und an dessen Unterkante drei bis fünf
solcher Glöckchen hängen (Abb. 10).
Typen B — 3 & B — 4:
Das Flinzufügen eines Querstegs (= Typ B — 3; Abb. 11) und das entwick-
lungsgeschichtlich spätere Weglassen der Anhängeröse am Scheitelpunkt des
Amulettes (= Typ B — 4; Abb. 12) sind die Kennzeichen der weiteren Ent-
wicklungsstufen. Auch bei den für Knaben bestimmten zu’ra-Amuletten ist der
Umstand hervorzuheben, daß die heute hergestellten Exemplare (Abb. 13) un-
gleich weniger massiv gestaltet sind als die früher üblichen Amulette gleichen
Grundtyps.
12
13
150
Schienerl, Vom Amulett zum Schmuckstück
3. Einige typologisch mit den zu’ra-Ämuletten verwandte Objekte
Die in Abbildung Nr. 14 gezeigten Silberanhänger sind aller Wahrscheinlich-
keit nach aus dem Typ A — 1 des zu’ra-Amulettes abzuleiten. Beide stammen
aus dem südägyptischen Raum. Inwieweit das senkrechte Kreuz des linken
Anhängers auf die Glaubenszugehörigkeit der Trägerin schließen läßt, muß
vorläufig dahingestellt bleiben. Der zweite Anhänger ist durch ein Schrägkreuz
gegliedert, in dessen Zentrum sich ein blauer Glasstein in einer Fassung befin-
det; die blaue Farbe wird bekanntlich als Mittel gegen den gefürchteten „Bösen
Blick“ angesehen.
Ein Ohrring, der seiner Form nach mit den Amuletttypen A — 3 oder A — 4
verwandt sein dürfte, ist auf Abbildung Nr. 15 zu sehen.
Von besonderem typologischen Interesse ist ein Anhänger, der keine Glöck-
chen als Anhängsel auf weist (Abb. 16). Dieses Amulett bewahrt möglicherweise
die Erinnerung an einen bisher noch nicht nachgewiesenen Typ kreisgestaltiger
zu’ra-Amulette, bei dem die Amulettwertigkeit noch ausschließlich auf der
Kreisform des Anhängers beruhte. Entwicklungsgeschichtlich wäre ein derartiges
Amulett als Vorstufe zu Typ A — 1 zu werten. Die Schlüsseldarstellung, die
sicherlich nicht ursächlich mit dem zu’ra-Amulett im Zusammenhang steht, hat
14a
14 b
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
151
15 16
wie dieses eine dämonenabwehrende Wirkung und ist im Amulettwesen des
gesamten islamischen Raumes vielfach belegt (Schienerl 1980 a: 515—517).
4. Die zu’ra-Amulette des Ethnographischen Museums in Kairo
Im Verlaufe der Katalogisierung und Neuordnung der Amulettbestände des
Ethnographischen Museums der Geographischen Gesellschaft Ägyptens1 konnte
eine bisher nicht belegbare Variante des kreisförmigen zu’ra-Amulettes festge-
stellt werden. Das aus winzigen blauen seed-beads europäischer Herkunft ge-
formte Amulett, dessen Aufhängerschlaufe aus dem gleichen Material verfertigt
ist, beweist uns, daß Silber und Gold nicht die einzigen Materialien waren, aus
denen zu’ra-Amulette hergestellt worden sind. Zugleich erläutert es die oben
zitierte Stelle aus der Handschrift über den Zär, wo von Frauen gesprochen
wird, die sich zu’ra-Amulette hersteilen sollten (s. o. S. 138).
Da die Sammlung auch wegen anderer bisher nicht berücksichtigter Details
von Interesse ist, sollen die darin enthaltenen zu’ra-Amulette in ihrer Gesamt-
heit veröffentlicht werden.
152
Schienerl, Vom Amulett :::um Schmuckstück
a) zu’ra-Amulette aus „bead-work“
1. Vom Scheitelpunkt des kreisförmigen Anhängers läuft eine Schnur zum
unteren Rand, an der blaue seed-beads und eine etwas größere goldfarbene
Glasperle aufgefädelt sind. Fünf in gleicher Weise zusammengesetzte An-
hängsel sind an der unteren Kante befestigt (Abb. 17 a).
2. Ein zweites, aber nur sehr unvollständig erhaltenes Exemplar aus blauen
seed-beads zeigt Abb. 17 b.
3. An einer Kette aus roten, schwarzen und weißen seed-beads ist ein kreis-
förmiger Anhänger befestigt, der typologisch mit den zu’ra-Amuletten ver-
wandt ist. Kaurischnecken, die ja ein beliebtes Mittel gegen den „Bösen
Blick“ sind, ersetzen die bei Metall-Amuletten üblichen kugelförmigen
Schellen (Abb. 18).
4. Unter den Zär-Amuletten wird ein weiteres Beispiel für diesen Kettentyp
aufbewahrt.
17a
17b
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
153
b) zu'ra-Amulette aus Silber
5. zu’ra-Amulett des Typs A — 1. Eines der ursprünglich drei Anhängsel
fehlt. An der Aufhängeröse ist mit Hilfe einer Schnur eine Münzimitation
befestigt (Abb. 19).
6. zu’ra-Amulett des Typs A — 2 (Abb. 20).
7. Eine aus dunkelblauen und hellgrünen Glasperlen verfertigte Kette mit
einem zu’ra-Amulett des Typs A — 4 demonstriert die Tragweise solcher
Amulette (Abb. 21). Zwei Silberschellen mit Mittelwulst flankieren das
Zentralstück, und als weitere Bestandteile der Kette sind eine indische Anna-
Münze (1912) mit gelapptem Rand und ein in Konstantinopel geprägtes
40-para-Stück (1328 H = 19 10) zu nennen. Von ursprünglich zwei recht-
eckigen Leinensäckchen, in denen amulettwertige Substanzen eingenäht wa-
ren, ist nur eines erhalten geblieben.
8. Tropfenförmiges zu’ra-Amulett des Typs B — 2 mit einer Imitations-
münze, die 1223 (= 1808/9) datiert ist (Abb. 22 a).
156
Schienerl, Vom Amulett zum Schmuckstück
22 b
ANHANG I
Ein typologisch äußerst interessantes zu’ra-Amulett konnte kürzlich für das
Ethnographische Museum in Kairo (Inv. Nr. 1983 — 38) angekauft werden.
Wie der Abbildung 23 zu entnehmen ist, stellt dieser Silberanhänger eine Kom-
bination der beiden Grundformen (Ring- und Tropfenform) dar.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
157
ANHANG II
Als Beleg dafür, daß die Form der in Ägypten als zu’ra bekannten Amulette
auch außerhalb Ägyptens in der islamischen Welt verbreitet ist, seien hier noch
vier Amulettanhänger veröffentlicht, die Dr. Alfred Janata 1981 in Aleppo
für das Museum für Völkerkunde in Wien (Inv. Nrn. 163.341 — 163.344) er-
worben hat. Die aus zwei bis drei kreisförmigen Elementen zusammengesetzten
Exemplare des Grundtyps A (Abb. 24) und der tropfenförmige Anhänger
(Abb. 25) zeigen an Stelle der in Ägypten üblichen kugelförmigen Schellen
Anhängsel aus Filigran oder Silberblech, wie sie für das syrische Schmuckwesen
charakteristisch sind.
Es wird in Hinkunft notwendig sein, einerseits die Verbreitung dieser
Schmuck- und Amuletttypen innerhalb der islamischen Welt genauer festzule-
gen, andererseits sollten Informationen darüber gesammelt werden, ob den
Anhängern eine magische Bedeutung beigemessen wird, die natürlich von Re-
gion zu Region unterschiedlich sein kann.
24 a
158
Schienerl, Vom Amulett zum Schmuckstück
24 b
24 c
160
Schienerl, Vom Amulett zum Schmuckstück
ZITIERTE LITERATUR
Hildburgh, W. L.
1913 Some Cairene Amulets for Houses and for Horses and Donkeys. Man
1913, 1: 1—3.
1915 Notes on some Cairene Personal Amulets. Man 1915, 102: 177—180.
1916 Notes on some Cairene Personal Amulets. Man 1916, 52; 81 — 83.
Khoury, Rene
1980 Contribution ä une Bibliographie du „Zar“. Annales Islamologiques 16:
359—374.
Kriss, Rudolf & Hubert Kriss-Heinrich
1962 Volksglaube im Bereich des Islam II: Amulette, Zauberformeln und
Beschwörungen. Wiesbaden.
Littmann, Enno
1950 Arabische Geisterbeschwörungen aus Ägypten. Leipzig.
Schienerl, Peter
1980 a Eisen als Kampfmittel gegen Dämonen. Manifestationen des Glaubens
an seine magische Kraft im islamischen Amulettwesen. Anthropos 75:
486—522.
1980b Egyptian Zar-Amulets. Ornament 4/3: 8—12, 18.
1982 Spanish/Mexican Dollars in Egypt. Currency — Raw Material for
Silversmiths — Ornament — Amulet. Ornament 5/3: 12—15.
1984 Tierdarstellungen im Islam. Am Beispiel des Schmuck- und Amulett-
wesens. Göttingen.
ABBILDUNGSNACHWEIS:
Abb. 1 —16 u. 24—25 Foto; Fritz Mandl, Wien
Abb. 17—23 Foto: Hassan el Zeneiny, Caire
Diese Arbeit erfolgte im Rahmen eines von Dr. Alfred Janata (Wien) geleiteten For-
schungsprojektes zur Dokumentation des traditionellen ägyptischen Schmuck- und Amu-
lettwesens. Dem österreichischen Fonds zur Förderung wissenschaftlicher Forschung
sei hier der Dank dafür ausgesprochen, daß er jene finanziellen Mittel zur Verfügung
stellte, die zur Durchführung des Forschungsvorhabens nötig sind.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
161
WHO IS THE MAN IN THE BOWLER HAT?
EMBLEMS OE IDENTITY IN BENIN ROYAL ART
PAULA BEN-AMOS, Philadelphia
In Memory of Chief Ihama Ne-lgun Eronmwon
Introduction
The identification of individuals represented in royal art is one of the cen-
tral problems in the analysis of Benin iconography. It has long been possible
to recognize the political types, such as kings, warriors, and sword bearers.
The recognition of specific persons, however, has proved much more difficult,
although several attempts have been made using indirect evidence from oral
traditions or direct identifications by owners and producers of art in Benin1.
Of course, not all Benin sculptures are — or were meant to be — depictions
of individuals. Many are representations of idealized types, such as the royal
brass commemorative heads. When specific individuals are intended, however,
their identification is possible because each is characterized by insignia which
refer to events that occurred during his reign. For example, a royal scepter,
now in the Metropolitan Museum of Art, New York, depicts the 18th century
king Akenzua I on top of an elephant, a reference to his victory over the lyase
n’Ode, a rebel chief who magically transformed into an elephant (Paula Ben-
Amos 1980: 32—34). Benin craftsmen explicitly utilize this system of repre-
sentation, as members of the brass-casters’ guild told H. F. Marshall, a colonial
official;
Each Oba [king] has a symbol by which he is known so that by looking
at an old piece of brass the Igun Erovbon [brass-casters] can tell to what
Oba it refers and to what event in his reign.
(1939: Appendix “C”)
1 Philip Dark (1980) and Irwin Tunis (1978) both use oral traditions published by
the local historian Jacob U. Egharevba (1968) as guides to the identification of spe-
cific figures — a 17th century prince and a 15th century princess respectively. R.
E. Bradbury (1973: 251—270) and, more recently, Barbara Blackmun (1983) base
their identification of particular kings and warrior chiefs on interpretations by the
makers and users of the objects concerned. 11
11 Baessler-Archiv XXXI
162
Ben-Amos, Who ist the Man in the Bowler Hat?
Fig. 1. Royal altarpiece. Brass. Fi. 58 cm. Museum für Völkerkunde. Staatliche Mu-
seen Preußischer Kulturbesitz, Berlin. Ill C 8165. Photograph courtesy of the Mu-
seum für Völkerkunde.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
163
This utilization of insignia to mark individuality can be found elsewhere in
Africa: carvings of Kuba kings, for example, are similarly identified by their
personal symbols (Vansina 1972: 42—43).
An elaborate royal altarpiece in the Museum für Völkerkunde Berlin
(plate 1) portrays a 17th century monarch who played a pivotal role in the
history of the Benin Kingdom. The central figure on the altarpiece, the mon-
arch himself, wears a European-style hat and holds an unusual decorated staff
in his right hand. Fie is accompanied by two naked, emaciated attendants, one
male and the other female. These distinguishing characteristics — the foreign
headgear, the peculiar staff, and the emaciated attendants — are all insignia
which mark the central figure’s individuality and clearly identify him: he is
Oba Ewuakpe, who probably ruled in the late 17th century. The meaning of
these emblems which identify this monarch can be found in the oral traditions
about this period and the particular problems that Oba Ewuakpe faced2.
Oba Ewuakpe In Benin History
It is difficult to establish precisely when Oba Ewuakpe reigned, as is the
case for most of the kings who ruled in the pre-Colonial period (Bradbury
1973: 17—43). Scholars have suggested dates ranging from the mid-17th to the
early 18th centuries: 1660—1688 according to the German scholar Bernhard
Struck (1923: 135), 1685—1715 according to the British colonial official
P. Amaury Talbot (1969; 166) or 1700—1712 according to the Benin historian
Jacob U. Egharevba (1968: 37—39). Unfortunately, none of these three ex-
plains in detail how he arrived at his calculated dates.
European documents from the late 17th and early 18th centuries portray a
period of civil war. In a 1696 account, Italian Capuchins describe their dif-
2 My research on this topic was supported by a Temporary Exhibition Planning
Grant (1980—81) from the National Endowment for the Humanities, for which I
am very grateful. I would like to thank His Highness Oba Erediauwa for his en-
couragement and assistance. Among the many chiefs and craftsmen who helped me,
Chiefs Ihama of Igun Eronmwon and Ihama of Ihogbe deserve particular mention
for their information about the period of Ewuakpe. My research assistant, Osaren-
ren Omoregie, provided invaluable help in all facets of the research.
I would also like to acknowledge the assistance of Herr Professor Dr. Kurt Krie-
ger, Director, and Frau Dr. Angelika Rumpf, Abteilung Afrika of the Museum für
Völkerkunde, Berlin. They generously provided photographs, as did Frank Willett
and Barbara Blackmun. I benefited at various stages of the writing from comments
by Barbara Blackmun, Kathy Curnow-Amadi, and Frank Willett, and from the In-
formation, assistance in translation, and numerous other kindnesses of Irwin Tunis.
If
164
Ben-Amos, Who is the Man in the Bowler Hat?
ficulties in introducing Christian doctrine in the Benin Kingdom because “it
has been almost destroyed by the wars which have been waged . . . for more
than seven years” (Ryder 1969: 114). When the Dutch visitor David van
Nyendael visited Benin later in 1699 and 1702 he witnessed the aftermath of
this conflict:
The ruin of this town and the circumjacent land was occasioned by the
King’s causing two kings of the street to be killed, under pretence that
they had attempted his life, though all the world was satisfied of the
contrary, and thoroughly convinced that their overgrown riches were the
true cause of their death, that the King might enrich himself by their
effects, as he did indeed. After this barbarity, the King found also a third
man that stood in his way, who, being universally beloved, was timely
warned of that prince’s intention, and accordingly took his flight, ac-
companied by three-fourths of the inhabitants of the town . . . (he) inces-
santly continued for the space of ten years to rob the inhabitants of Great
Benin, till, at last, by the mediation of the Portuguese, a peace was con-
cluded betwixt him and the King, by which he was entirely pardoned all
that was past, and earnestly requested by the King to return to his former
habitation; however, he would not trust himself there, but lives two or
three days’ journey from Benin, where he keeps as great a court and state
as the King. The returning citizens were affably and amicably received
by the King, and preferred to honourable offices.
(1705:536)
In Benin oral traditions both Ewuakpe and his son Akenzua I are associated
with serious internal disturbances which parallel in some details van Nyendael’s
description and thus scholars have attempted to associate his account with one
or the other of these monarchs, Marshall (1936: 8) and Ryder (1969: 118) sug-
gesting that it relates to Ewuakpe, while Bradbury (1973: 28—29) and Kalous
(1970) prefer Akenzua I. If van Nyendael’s description does refer to the
troubles experienced by Ewuakpe, then he must have ascended the throne be-
fore 1689, by which time the civil war had begun according to the Capuchins.
If, on the other hand, the account refers to events in Akenzua’s time, then
Ewuakpe’s reign would be put back by a considerable number of years, perhaps
even to Struck’s (1923: 135) suggested dates of 1660—1688.
In Benin oral traditions, Oba Ewuakpe is a fascinating figure. He first ap-
pears on the scene after a long period of internal instability brought on by a
crisis in royal descent. As the Assistant District Officer J. Macrae-Simpson re-
lates from traditions he collected in the 1930s:
OROGBA . . . was succeeded in Benin by his son EHINBUDA whose
reign as that of his son OHUAN was peaceful. About this time the line of
Aramiyan died out, and the succeeding three Obas, EHENZAI, AHEN-
BAYI, and AKENZAMI, were not in the direct succession.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
165
On the death of Akenzami there was another dispute for the succession
between three families until EWUAKPE, the youngest brother of Aken-
zami, eventually asserted his superiority3.
(1936:8)
As a ruler, Ewuakpe is very different from his 15th and 16th century pre-
decessors, who appear in Benin oral history as ferocious warriors, powerful
magicians and lusty men. Ewuakpe, in contrast, is depicted in the lore as a
gentle soul, somewhat moody, who loves his mother and is adored by his wife
(see Dan Ben-Amos 1975: 44—45, 58—61 and 1979). It was his devotion to
his mother which, it is said, led to a rebellion by the chiefs and subjects. Ac-
cording to tradition, Ewuakpe was so overcome with grief at his mother’s
death that he ordered an inordinate number of human sacrifices in her honor.
The Benin people revolted and, in Egharevba’s words (1968: 37), “they would
not attend meetings in his palace neither would they provide him with food
nor supply upkeep of the royal buildings”. Abandoned by his people, Ewuakpe
retreated to Ikoka, his mother’s village, where he reached so lowly a status
that he had to do manual labor. An oracle told him that he could return to
power only if he offered a human sacrifice, an act he was unable to perform
as he no longer possessed slaves or prisoners. His only remaining wife, the
faithful Iden, volunteered, and on her self-immolation, Ewuakpe was able to
gain the support of the spirit world. His method for gaining the support of
his subjects was different. According to Chief Ihama of Ihogbe, a priest of the
royal ancestors, Ewuakpe was finally able to restore his authority by reaching
an agreement with the powerful chiefs. In exchange for revoking the law of
atoro, whereby the king customarily received all the chiefs’ property upon their
death, Ewuakpe was given the right to choose his own successor and, indeed, to
establish the rule of succession. He instituted primogeniture and, in so doing,
ended the dynastic crisis that had ravaged Benin for many years4.
The Berlin Altarpiece III C 8165
This royal altarpiece (plate 1) represents Oba Ewuakpe in his transitional
position between a period of political chaos and one of order. Comparison with
the Oba on an altarpiece, III C 8164, also in Berlin (plate 2) — a more con-
ventional royal depiction — reveals that the central figure on III C 8165
(plate 1) is lacking the full regalia of kingship. The monarch depicted on III
3 Jungwirth (1968: 204) also contains an account of the dynastic crisis.
4 For a discussion of the period of restoration following Ewuakpe and the art forms
associated with it see Paula Ben-Amos (in press).
166
Ben-Amos, Who is the Man in the Bowler Hat?
Fig. 2. Royal altarpiece. Brass. H. 63 cm. Museum für Völkerkunde. Staatliche Mu-
Museen Preußischer Kulturbesitz, Berlin. Ill C 8164. Photograph courtesy of the Mu-
seum für Völkerkunde.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
167
C 8164 (plate 2) wears a coral bead crown (ede), a coral bead choker (odigha),
and crossed coral bead straps (ekpen eghe eveva). Elsewhere in Benin art, from
various periods and in various media, the monarch is similarly attired. The
abundance of coral regalia reflects the fact that these beads are the defining
mark of Benin kingship. When right of succession is in dispute, it is possession
of the royal beads and other royal relics that can determine who ultimately
sits on the throne. These beads are not viewed as merely ornamental, but are
considered to have effective power (ase), that is, the power to cause any vow
or curse to come to pass.
Given the significance of coral beads in Benin culture, then, their absence on
the central figure is of crucial importance. He wears only a coral bead choker
(odigha), an ornament not restricted to rulers, and a few simple strands of
beads5 *. In place of a crown there is a hemispherical hat or helmet with a brim.
Elsewhere in Benin art, variations on this form of rounded headgear are part
of the costume of Edo court officials and soldiers and especially of Portuguese
visitors (see Wolf 1972: plates 20 and 21 and back cover)0. Under this hat/
helmet appears to be a coif7, a form of head-covering which was widely used
in Europe from about the 12th—14th centuries and was revived for use under
wigs in the 18th century (Wilcox 1945: 39—40). The hemispherical hat/helmet
itself is probably of European origin8. Rounded hats with brims were used in
Europe as early as the 13th century (Wilcox 1945: 5) and helmets of that shape
were known from at least the 16—17th centuries (Wilcox 1945: 72, 90). Portu-
guese trade records indicate that hats were an item of import into Benin from
the early 16th century on (Ryder 1969: 40).
The combination of a foreign hat/helmet and simplified regalia is the key
to the identification of this figure. In Benin oral traditions the people rebelled
5 So different is the regalia from the usual depiction of kings that Underwood
(1949: 30) in an early publication of the piece describes the central figure as prob-
ably representing a Shango priest (because of the “thunder-bolt” celt held in his
left hand). Both von Luschan (1968: 312) and Fagg (1963: plate 24) correctly iden-
tify this figure as a monarch but neither explains his unusual attire.
8 According to Abbass (1972: 42), the hemispherical silhouette is the most common
one in Benin art. Von Luschan (1968: 165) lists fifty-three plaques of figures wear-
ing “pot-shaped helmets”. An actual helmet, although with a much higher crown,
is in the Pitt Rivers Museum, Oxford (see Roth 1968: 231, figure 271).
7 Von Luschan (1968: 312) suggests that it resembles a European “sweat cap”.
8 Flemispherical hats with brims of various widths are portrayed elsewhere in Afri-
can art in areas of extensive European contact such as Sierra Leone (see Grotta-
nelli 1975: cover), Zaire (see Lips 1966: 125, figure 84) and Angola (see Lips 1966;
131, figure 90).
168
Ben-Amos, Who is the Man in the Bowler Hat?
against Oba Ewuakpe and despoiled the palace. As Egharevba (1968: 37) ex-
plains, “The elders and people indignantly left (Oba Ewuakpe) and went to
the palace and seized the royal property, and opened the doors of the harem
for the Oba’s wives ... to go to their homes” (italics mine). As a result of this
rebellion, Ewuakpe was left without the beads of kingship and, most especially,
without the royal crown. According to the late Chief Ihaza, Ewuakpe was
forced to resort to simple attire and on his head he wore a cap “that looked
like a European helmet” (okikun ne-eho). It was “a mark of shame”. The ab-
sence of royal regalia on this figure, then, is a reflection of the political turmoil
that existed during the early part of Ewuakpe’s reign, but other aspects of his
attire are symbolic of his eventual success.
The monarch wears a wrapper made of a woven material embroidered with
designs — a cross, a moon, a ceremonial sword, and a Portuguese head — all
of which have historical significance. The patterns on the bottom row refer
to temporal power and success: the ceremonial sword (ehen) is a symbol of
high rank and the Portuguese head recalls the wealth brought by these visitors
to the Benin Kingdom. The designs on the top row symbolize cosmic order. In
Benin thought the cross represents the four cardinal directions, the four days
of the traditional week, and the four parts of the day — morning, afternoon,
evening, and night — as it unfolded at the time of creation. According to the
late Chief Ihama of the brass-casters’ guild, “the moon means that everything
is cool (o fu re). It is a symbol of peace and joy. From time immemorial the
moon has been important in Benin, even more than the sun.” Above all, the
moon is considered a sign of royal ancestral approval, a particularly significant
sanction for the revived monarchy.
The theme of ancestral approval is reiterated in the ram’s head pendant
worn on the right hip of the king (plate 3). Rams are utilized in Benin for
sacrifice to paternal ancestors. Formerly, carved wooden ram’s heads were
placed on ancestral altars and they can be still be found in outlying Benin vil-
lages and in areas closely related to Benin, such as the Ishan chiefdoms (Fagg
1963: plate 105) and the Yoruba Kingdom of Owo (Willett and Picton 1967).
In Benin art, representations of rams appear along the bases of shrines of the
hand and ancestral altarpieces along with roosters, he-goats, and bulls — all
symbolizing the ample sacrifices offered by the owner to his shrine.
With its squat shape, tapering middle, and elaborate relief decoration, the
staff held in the monarch’s right hand is unique in the corpus of Benin brass
sculpture (plate 4). However, a staff of similar shape but different decoration
appears with some frequency on carved ivory tusks (see von Luschan 1968:
Baessler-Archlv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
169
Fig. 4. Detail of III C 8165 showing the
“pestle” staff. Photograph courtesy of
the Museum für Völkerkunde.
Fig. 3. Right side view of Fig. 1. Note
the ram’s head pendant on the central
figure’s right hip. Photograph courtesy of
the Museum für Völkerkunde.
H, figure 740 and Roth 1968: 194, figure 199). Of the over one hundred fig-
urative ivory tusks catalogued by Barbara Blackmun (1983: personal com-
munication) about one-quarter have an image of a fish-legged king holding
precisely this type of staff. Blackmun feels that this group of tusks includes
the earliest of the figurative ivories, which were probably made between 1702
and 1789. These same tusks share other motifs with the Berlin altarpiece, as
we shall see later, namely, the figure of a female attendant holding a rectan-
gular object and the image of an elephant’s trunk ending in a human hand
holding leaves.
Chief Ihama of the brass-casters’ guild identified this staff as ukhurhe ovbi-
odo, the “pestle staff”, which is used in revoking curses. In Benin the pestle
170
Ben-Amos, Who is the Man in the Bowler Hat?
is regarded as a symbol of the peaceful resolution of conflict, as Bradbury
(1983:258) explains:
(The pestle) is called ovhiodo ne-wi-y’okuo (the pestle that is not lost in
war) or ovhiodo gha y’ighina to-y’owa (the pestle that, when it has been
used in a fight, goes home). That such pestles were taken on campaigns
is widely known. The symbolism is as follows: when a quarrel breaks out
between neighbours or members of the same household it is not unusual
for one of the parties to pick up one of these heavy pestles and use It as
a weapon. But when the fight is over it returns to its mortar and its task
of pounding yam.
According to Chief Ihama, this pestle staff on the altarpiece is a reference
to Oba Ewuakpe’s revocation of the law of atoro, which gave the king the
right to confiscate chiefly property. In doing this, Ewuakpe was able to end
his conflict with the chiefs and establish a direct line of descent to the Benin
throne.
The imagery of the staff reflects the twin themes of triumph over obstacles
and the restoration of peace. Three designs are repeated: a mudfish, a croco-
dile, and an elephant’s trunk ending in a human hand9. Because they live by
the riverbanks, mudfish (ewi) are associated with Olokun, god of the great
waters, who brings health, wealth and fertility. Mudfish share that diety’s at-
tribute of peacefulness and are thus a prime offering for well-being and pros-
perity. As Osarenren Omoregie explained, “In Benin it is believed that by of-
fering a mudfish all future unforeseen obstacles will be scared away from the
offerer and his family. Hence we have the adage: “It is the hand that ties
the fish that also let it loose (oho ne o gbe ehen ere o rhan ehen).” Carved
wooden rattle staffs surmounted by a hand holding a mudfish — a reference
to this very adage — are found on royal ancestral altars. This appeal to an-
cestral sanctions is significant in light of Oba Ewuakpe’s struggle to restore
legitimate royal descent.
The crocodile depicted on the staff is eghughu, the short-nosed crocodile
(Rosevear 1948: figure 3). Eghughu is a docile, harmless creature, in sharp
contrast to the vicious aghaka, the Nile crocodile (Rosevear 1948: figures 1—2)
also depicted in the art (Chambers 1983: 94). Because of its passive nature
and association with the water, the short-nosed crocodile is considered to be
the symbolic equivalent of the mudfish. Like the mudfish, eghughu is sacrificed
to ensure successful ventures, in particular, it is offered to the shrine of the
hand to insure victory over enemies. As the late Chief Ihaza explained:
9 In an unpublished manuscript Philip Dark (n. d.: 21) suggests that the “constella-
tion of animals depicted on this staff and the pendant serve as particularizing sym-
bols, characterizing the particular Oba”.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
171
to offer eghughu to the shrine of the hand means you are pursuing an
enemy. When you have trouble with someone and want success over him
you use eghughu. When you want to kill eghughu it just sits there and
looks at you, so (sacrificing it) will render your enemy foolish and easy
to get. There is a curse in Edo: “Eghughu will keep its eyes open for its
enemy to tie it up.”
The power to pursue and capture is reiterated in the image of an elephant’s
trunk ending in a human hand holding leaves. In Benin thought, the elephant
is a powerful, dominant animal, a chief in the realm of the bush. Its trunk is
considered the equivalent of the human hand in its grasping aggressive power.
The leaves represent the magical herbs that grow in the bush which can be
used to vanquish enemies. This particular design is found most frequently on
altars of the hand and ancestral altars, linking the power of the individuals
with their ancestral source.
The central and one of the side figures behind the monarch have broken off
(plate 5). The remaining one, a female, wears a peaked, beaded cap, crossed
straps, and a skirt, and holds a rectangular object aloft in her right hand. She
is probably the attendant of a Queen Mother, ibierugha lye Oha (Ben-Amos
1983: 79—83). On other altarpieccs the central figure in the rear is a Queen
Mother and at her side is such a female attendant with a high beaded cap (sec
von Luschan 1968: Tafel 80) or beaded cap with a crest of large beads (see
Wolf 1970: Abb. D 18—20). She wears crossed straps and a skirt and holds
the same type of rectangular object aloft in her right hand. Next to the left
foot of the monarch is the single figure of a leopard, a symbol of kingship.
Two retainers support the arms of the central figure, a conventional pose in
Benin art indicating authority. Yet these retainers differ radically from the
robust, smooth-faced chiefs or court officials commonly attending the Oba
(plate 2). Their bodies are emaciated and their faces grotesque, marred by
heavy supraorbital ridges.
Their distinctive hairstyle, with half of the head shaven, is associated in
Benin with ritual title holders10. Although rare in Benin art, this hairstyle is
10 In former times this unusual hairstyle apparently was used by several types of
ritual titleholders. In his fieldnotes, Bradbury (1957: BS-94a) cites information that
the Ewaise-Esigie from Iwoki (a group concerned with celestial phenomena) used
to shave the “alternate sides of her head at each new moon”, as did members of
the Ewaise, the royal herbalists’ guild. According to Chief Obamwonyi of Ogbe-
laka, the Ekpate, a male and female who were caretakers of the Emotan shrine and
controllers of behavior in the Oba’s market, used to shave their heads “rotating
from side to side”. I would like to thank Barbara Blackmun for these references.
172
Ben-Amos, Who is the Man in the Bowler Hat?
Fig. 5. Back view of III C 8165. Photograph courtesy of
the Museum für Völkerkunde.
also depicted on a small figure carrying a presentation box (ekpokin) in a pro-
cession on a brass plaque in the Cleveland Museum of Art (see Dan Ben-Amos
1975: 31, plate 1). The hairdo has Yoruba parallels. As Johnson (1969: 62)
points out, among the Oyo Yoruba there is a group of male and female at-
tendants of the king called Ilari who “keep the head shaved, one half being
done from the middle line downwards alternately every fifth day”.
The female figure is naked except for a string of beads. She holds at her side
a rectangular object similar to that carried aloft by the female attendant on
ßaessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
173
the back of the altarpiecc. The representation of a female as an attendant of
the king is unique in Benin art. The Oba is never depicted with — nor does
he actually have — female attendants because of the Benin association of
women with states of ritual pollution. The male figure also lacks clothing, al-
though von Luschan (1968: 313) suggests he may be wearing a penis sheath.
Draped on his shoulder is a fly whisk (ughudian). The fly whisk is a symbol
of authority in Benin, but it is associated with elders not with kings, whose
attendants carry the more prestigeful swords (ada or ehen) or shields (asa).
As von Luschan (1968: 313) correctly points out the tribal marking of three
parallel lines beneath the eyes indicates that these retainers are foreigners:
the usual Benin pattern is three small lines above the eye. On the basis of their
obvious foreign origin and absence of costume it is possible to identify these
two attendants as slaves (see also Fagg 1963: plate 24).
The appearance of such unadorned, unattractive, and lowly retainers — one
even a female — is an indication of Ewuakpe’s reduced status. Yet at the
same time, these very slaves are signs of his future success. According to oral
accounts, the purchase of slaves was the first step taken by Ewuakpe on his
way to re-establishing his authority in Benin (Dan Ben-Amos 1975: 60—61).
In the traditional recitation these slaves have names of great significance:
(Ewuakpe) was ready to start buying slaves.
Who was the first slave he bought?
Would you not ask me how he was called?
Fie was called “One-enriches-himself-with-his-own-hands.”
Whom did he buy as his second?
What was his name?
Fie was called “One-has-to-advance-in-life-gradually11.”
(Dan Ben-Amos 1975: 60—61)
These names surely embody the essence of Ewuakpe’s life, for as Talbot
(1969: 167) points out, “though very poor on his succession, (Ewuakpe) grad-
ually accumulated great wealth and power”. These he accomplished with “his
own hands” after much hardship and political maneuvermgs. This altarpiecc
is a testimony to Ewuakpe’s long struggle and to his ultimate success.
11 The recitation (Dan Ben-Amos 1975: 61) mentions a third slave: ‘“Tortoise-does-
not-convene-an-assembly’ with which I used to fight the battle.” According to Dan
Ben-Amos (1975; 80) this is a reference to the name of an amulet that Ewuakpe
used for protection.
174
Ben-Amos, Who is the Man in the Bowler Hat?
The Berlin Altarpiece III C 8165 In Nigerian Art History
Using stylistic criteria, von Luschan (1968: 313) dated this altarpiece to the
early 17th century, while William Fagg (1963: plate 24) placed it in his Late
Period at about 1750—1800. Preliminary stages of thermoluminescence ana-
lysis at the Museum für Völkerkunde and the Rathgen-Forschungslabor of the
Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Berlin (Christian Goedicke and
Irwin Tunis 1983: personal communication) point to the second half of the
17th century12. These dates suggested by stylistic or physical analysis do not
correspond exactly with the calculations made by scholars for Ewuakpe’s reign,
Fig. 6. Semi-circular plaque. Bronze. H. 38.7 cm. Benin Museum. Photograph courtesy
of Frank Willett.
12 I am grateful to Herr Dr. Christian Goedicke of the Rathgen-Forschungslabor and
the Museum für Völkerkunde of the Staatliche Museum Preußischer Kulturbesitz,
Berlin, for providing me with information about the preliminary analysis of this al-
tarpiece. Provisional date (further testing planned): a. d. 1668 ± 18. This informa-
tion is not to be quoted without the explicit approval of these two institutions.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
175
but (with the exception of von Luschan’s dating) they do not conflict seriously
with a mid-17th century to early 18th century range of possibilities. The altar-
piece could have been cast during Ewuakpe’s lifetime13 to commemorate his
triumph, much as in earlier centuries plaques were made to record important
events, or it could have been cast afterwards, as a furnishing for the ancestral
altar, as are most of the rectangular altarpieces known today (see Dark 1973:
plate 58).
This altarpiece differs in its iconography from other royal altarpieces
(plate 2 is an example). Instead, it is closely linked to three fragmentary semi-
circular plaques (plates 6, 8 and 10) in the Benin Museum that may date to
the end of the previous century (Willett and Fleming 1976; 140—141). Frank
Willett (1967: 166—168; 1973: 11—15; and Willett and Fleming 1976: 140—
141) has discussed these pieces in detail for he considers them crucial to the un-
raveling of the historical ties between Ife, Benin, Tada, and other Nigerian
traditions. More recently, Susan Vogel (1983: 344) has suggested iconographic
relationships with a series of Yoruba bronze rings.
The most complete of these three plaques (plate 6) shows a figure in hieratic
pose, his arms supported by a less elaborately dressed attendant. Willett (1967:
166) suggests that the facial striations, neck beads, and wrapper with a pattern
of dotted lozenges are all paralleled in Ife art, while the disc-headed staff is
similar to one held by a cast male figure from Tada (see Eyo and Willett 1980:
figure 95). The frieze of the plaque consists of frogs and crickets, the latter
reminiscent of Igbo Ukwu imagery. Frogs arc commonly represented on semi-
circular plaques from Benin, appearing alone (see von Luschan 1968: Tafel 98
middle left), on the side of female attendant figures (see von Luschan 1968;
Abb. 585), between the feet of hieratic triads (see Paula Ben-Amos and Arnold
Rubin 1983: 101, figure 81), or underneath the image of a fish-legged figure
(see von Luschan 1968: Abb. 424 and 425). Frogs rarely appear on rectangular
altarpieces — the closely related altarpiece III C 8164 is the single other in-
stance — and their occurrence on the base of Ewuakpe’s altargroup (plate 7)
establishes a link between the altargroup and the plaque. In addition, the cen-
tral figure on the plaque wears a beaded choker, two loops of thick beads
falling to just above his indented navel, and a ram’s head pendant on his right
hip, all paralleled in the regalia of the monarch on the Berlin altarpiece.
13 Dan Ben-Amos (1983: personal communication) suggests that the altarpiece may
have been made by Ewuakpe himself to celebrate his triumph. A piece commis-
sioned by one of Ewuakpe’s successors would be less likely to have negative im-
agery.
176
Ben-Amos, Who is the Man in the Bowler Hat?
Fig. 7. Detail of III C 8165 showing the base of the altarpiece. Photograph courtesy
of the Museum für Völkerkunde.
The second plaque (plate 8) is damaged and only the central figure remains.
His face is now destroyed but was still partially extant in the 1930’s (see
Meyerowitz 1936: 251, plate 1—D). Like the central figure on the former
plaque, this one wears a choker, looped beads, and a ram’s head pendant on
the right hip. On his upper left arm is an unusual and intriguing band with a
flat disc on which a medicine calabash stands in high relief. It is the same arm-
let worn by the Oba on the Berlin altarpiece (plate 9) and, indeed, these are
the only two occurrences of this particular armlet in Benin and Benin-related
art.
In his left hand, the figure holds a leaf, “a motif commonly found in Ife
sculpture in terra cotta and also in the terra cotta sculptures excavated at
Owo” (Wdlett 1973; 13). In his right hand is a disc-headed staff, similar to
the one in the previously discussed plaque. Susan Vogel (1983: 344) has dis-
cussed the relationship of these three plaques to a group of ten Yoruba bronze
rings on which a crowned central figure with a fleshy belly and deep navel
holds a similar disc-topped staff. On the rings are “rapacious” birds and se-
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
177
Fig. 8. Semi-circular plaque. FI. 23 cm. Benin Museum. Photograph courtesy
of Frank Willett.
vered heads. The decapitated figures and shell designs of these rings are rem-
iniscent of designs on the base of the Berlin altarpiece (plate 7).
Little of the third plaque remains (plate 10) except for the frieze of animals,
probably monkeys, holding or eating an oblong layered object, and a simian
12 Baessler-Archiv XXXI
178
ßen-Amos, Who is the Man in the Bowler Hat?
Fig. 9. Detail of III C 8165 showing the
armlet with the medicine calabash re-
lief. Photograph: Paula Ben-Amos.
Fig. 10. Detail of semi-circular plaque.
Total ht. 44.5 cm. Benin Museum. Pho-
tograph courtesy of Barbara Blackmun.
attendant who has “a grotesque face with salient ridges above the eyes and an
exaggeratedly wide mouth. He is nude with a large flaccid penis” (Willett
1973: 13). This simian attendant shares distinctive features with the two re-
tainers on the Berlin altarpiece: all have a series of forehead ridges culminating
in a heavy supraorbital ridge and all are naked save a single strand of thick
beads around the neck. The male figures on the plaque and the altargroup
both have a large, slanted penis with raised horizontal lines.
As we have seen, the central figures on the plaques and the altargroup all
wear chokers and looped beads which fall to just above an indented navel.
More important, all have a ram’s head pendant on the right hip, a unique
feature in Benin art. Animal-headed pendants are commonly depicted in the
art, but they usually represent crocodiles or leopards and are worn on the
left hip. The single exception is a royal figure on a semi-circular plaque in
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
179
Berlin (see von Luschan 1968: Abb. 426), who wears a ram’s head pendant but
it is suspended from his waist in the front14.
Depictions of ram’s head pendants appear in Nigerian art outside the Benin
context, most notably on a terracotta fragment excavated at Ife (see Eluyemi
1975: plate 34), on the side of an enigmatic Yoruba spouted helmet mask in
the Museum of Mankind (see Dark 1982: illus. 4), and as a pectoral worn by
the “warrior” figure of the Tada group (see Eyo and Willett 1980: figure 93).
A number of actual ram’s head pendants are known as well. William Eagg
(1977: 48) has divided these into a Benin group, dating probably to the Middle
Period or early Late Period, which includes pendants in Hamburg, Berlin, and
one sold at Christies in 1977. A second group consists of
two aegides in the Benin Museum and a third in the British Museum,
excavated at the port of Apapa, Lagos, in the early thirties. This last
group are not in the Benin style and may well belong to one of the many
rich styles that seemed to have characterized the bronze industry of the
Yoruba town of Owo.
(1977:48)
According to Meyerowitz (1943: 244), these three semi-circular plaques were
discovered accidentally during the removal of a wall in the royal palace in
Benin City. She claimed that they were badges of office, two of them worn by
royal priests of Olokun, god of the great waters (plates 6 and 8). However,
there is little evidence either in Benin art or in present lore to indicate that
Olokun priests wore such regalia and thus the use and meaning of these objects
are still unknown. Two of the pieces have been dated by thermoluminescence
(Willett and Fleming 1976: 140—141): plate 6 to A.D. 1600 ± 35 and plate
10 to A.D. 1560 ± 40. If the thermoluminescent dates are correct, then these
castings could antedate the Berlin altarpiece by about 75—100 years. The par-
allels between these pieces — the grotesque attendants, the frogs, the ram’s
head pendants, and the calabash bracelet — are too strong to be accidental
and indicate that the Ewuakpe altarpiece deliberately utilizes the imagery of
the three plaques. The reason for this iconographic linkage is not clear but may
be revealed when more is known about the use and meaning of these plaques
and their relationship to other Nigerian artistic traditions.
14 The head of a ram appears with other images on semi-circular plaques. See von
Luschan 1968: Abb. 588, 590 and possibly Tafel 98 lower right.
12*
1 8C
Ben-Amos, Who is the Man in the Bowler Hat?
Conclusions
The Berlin altarpiece III C 8165 is intriguing in its historical relationships
and unusual in its iconography. Nowhere else in Benin art is an Oba portrayed
in such humble circumstances, with lowly attendants and no crown. This u-
nique characterization represents a turning point: in one image it encapsulates
both Ewuakpe’s “shame” and his success. The symbols of this turning point
are the emblems which mark Ewuakpe’s individuality: the “European helmet”
he wore at his lowest point, the slaves he purchased on his first step to re-
covery, and the staff he held to represent his reconciliation with the chiefs and
his affirmation of the rule of primogeniture in royal succession. This personal
turning point in Ewuakpe’s fortunes marks an historical turning point in the
Benin monarchy. The institution of primogeniture established once and for all
a clear rule of succession. Although it could not prevent disputes between
princes over seniority, it did totally eliminate both competition between dif-
ferent branches of the royal family and chiefly influence on the choice of
candidates for the throne. Thanks to Ewuakpe, Benin was never again to ex-
perience the “feeble government” (Ryder 1969: 19) that so plagued its course
in the years immediately preceding Ewuakpe’s reign.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
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VUES OBLIQUES ET TROIS DIMENSIONS
DANS L’ART MAYA
MICHEL GRAULICH, Brüssel
Vues obliques et trois dimensions dans l’art maya
Il y a bien plus d’un demi-siècle déjà, Schäfer (1919) publia une étude de
l’art égyptien qui reste un instrument extrêmement utile non seulement pour
l’égyptologue, mais aussi pour quiconque s’intéresse aux modes de représenta-
tion sans perspective. Dans son introduction à la version anglaise (1974) de
l’ouvrage, Gombrich n’hésite pas a écrire: « It constitutes indeed the only at-
tempt ever made of analyzing an artistic style as a mapping procedure. »
Schäfer, poursuit-il, nous enseigne les règles de transformation qu’il nous faut
appliquer pour traduire l’image égyptienne et pour la comprendre.
La thèse fondamentale de Schäfer, aujourd’hui, ne surprend plus. Tout en
voulant reproduire de leur mieux la nature, les Egyptiens construisent leurs
représentations en résumant les aspects physiques jugés essentiels ou les plus
caractéristiques des objets figurés. A cet effet, ils s’appuyent sur des images
mentales plutôt que sur une apparence incomplète et tronquée. Pour figurer sur
une surface plane ce qui se développe en trois dimensions, ils procèdent par
« vues frontales » de parties de l’objet : ce qui, vu frontalement de face ou de
profil, s’étend dans la troisième dimension est ramené dans le plan de l’image.
De là cette façon typique de présenter l’homme les épaules et les yeux de face,
la tête, les membres et le tronc de profil. Idéalement, dans une telle image,
« the at first sight confusing appearance of the parts on the two-dimensional
plane can in fact be shown to conform to the simple technical rule, that in
their two-dimensional projection, parts protruding from the three-dimensional
plane must be seen in profile, and parts extending on the plane en face » (Iver-
sen 1975: 35).
Cette thèse fondamentale, Schäfer la développe de façon magistrale, avec
d’innombrables exemples à l’appui. Il ne recule devant aucune difficulté. Il
démontre l’apparent manque d’intérêt des anciens Egyptiens pour la profon-
deur, les vues obliques, non frontales ; les raccourcis, les distorsions gênantes
étaient systématiquement ignorés, les procédés d’illusion bannis. L espace est
186
Graulich, Vues obliques et trois dimensions dans l’art Maya
fait de plans successifs, mais sans profondeur. Même là où il semble y avoir des
vues obliques, par exemple dans les séries de personnages se chevauchant régu-
lièrement, il ne faut voir, pour Schäfer, que des groupes vus frontalement mais
dont l’agencement est ordonné à l’extrême.
Certes, Schäfer va parfois trop loin. Il y a certainement davantage de rac-
courcis qu’il ne l’imagine dans l’art égyptien (Iversen 1975: 11,37), mais il est
vrai qu’ils ne donnent pas l’impression d’être perspectifs. Quoi qu’il en soit, là
où il nous intéresse le plus pour notre propos, c’est lorsqu’il affirme que ces
caractéristiques de l’image égyptienne sont aussi celles de tous les arts « pre-
grecs », entendons, de tous les arts, quelle que soit leur époque, qui n’ont pas
subi l’influence de la Grèce antique. C’est à elle en effet que remontent tous
les procédés d’illusion ; c’est au 5e siècle avant notre ère qu’y sont apparus les
raccourcis, les ombres, les vues-à-vol-d’oiseau, la perspective . . . Partout où
des artistes ont mis en œuvre ces procédés, ils sont tributaires des Grecs qui,
les premiers, se sont soumis au fait que les objets changent d’aspect selon leur
position, qui les premiers se sont sentis liés par leur sujet tel qu’il se présentait
à eux d’un certain point de vue (Brunner-Traut 1974).
Gombrich fait état d’études qui ont ouvert des brèches dans cette théorie,
sans la détruire pour autant. Or, parmi les exemples qu’on cite d’arts « pré-
grecs » ayant utilisé des techniques d’illusion, il y a les Mayas et particulière-
ment le célèbre vaincu « en raccourci » du mur d’entrée de la Chambre 2 de
Bonampak. Aux spécialistes de l’art maya de décider ce qu’il en est exactement,
dit Baines (1974; 365).
L’appel n’a guère été entendu. Généralement, on considère que les civilisa-
tions précolombiennes en général, y compris les Mayas, ignoraient les vues ob-
liques et les procédés d’illusion. Mon propos est de présenter dans cet essai un
certain nombre d’indications qui suggèrent au contraire qu’à leur apogée, au
Classique récent (600—900 P.G.), tout juste avant l’effondrement de leur ci-
vilisation, les Mayas multiplièrent les recherches dans le domaine de la troisième
dimension et même, qu’en certains endroits, ils étaient pratiquement parvenus
au même point que les Grecs de la fin du 6e siècle A.G. Plutôt que de démon-
trer péremptoirement, j’aimerais suggérer des directions de recherche. Toute dé-
monstration est, au demeurant, plus ardue dans un art qui, à l’inverse de l’égyp-
tien, est tout sinuosité, courbes, fluidité, liberté de trait, un art qui a ignoré
les contraintes des grilles, les systèmes de proportions rigoureux, les construc-
tions méticuleuses.
A ma connaissance, Grieder (1964) est le seul qui ait exploré de manière
systématique, quoique brève, le domaine de la troisième dimension dans l’art
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
187
maya. Il distingue les problèmes de « forme », c’est-à-dire de suggestion de la
masse et de la rondeur des objets, et les problèmes d’« espace » ou de suggestion
d’un vide à trois dimensions sur une surface plane. Pour rendre le volume, ex-
plique-t-il, les Mayas inventèrent sept procédés : les combinaisons de vues de
face et de profil, les chevauchements, les raccourcis, les demi-vues, les variations
dans l’épaisseur du trait, les ombres arbitraires et les contours détachés ; pour
suggérer l’espace, ils n’utilisèrent que l’échelonnement et le chevauchement.
Pour ce qui concerne la « forme » ou le volume d’abord, passons sur le pre-
mier procédé qui n’est certes pas d’illusion. Pour les chevauchements, Grieder
cite à titre d’exemples les bras, les vêtements ou les ornements qui cachent une
partie du corps. De tels éléments, toutefois, se chevauchent le plus souvent obli-
gatoirement et constamment dans la figure représentée, ils en font partie et sont
essentiels pour son identification. Il n’y a procédé d’illusion que lorsque le che-
vauchement résulte d’un point de vue particulier du spectateur. Quant au rac-
courci, on le définit comme un « procédé par lequel on rend l’aspect des objets
et des figures dont certaines dimensions sont réduites par l’effet de la perspec-
tive géométrique » (Principes d’analyse . . . 1978: 686). Comme tel, il est à la
base des vues obliques et de la perspective. Grieder toutefois l’emploie dans un
sens beaucoup plus large, puisqu’il voit des raccourcis dans une épaule ou un
nain présentés frontalement de profil. Certes, il illustre son propos d’une repré-
sentation d’un autre nain vu, lui, de trois-quarts, donc obliquement, mais il ne
s’étend pas sur le sujet. Or, d’autres auteurs parlent, pour les Mayas, d’un
« système de raccourcis complexe et bien compris » (Gioseffi 1966: 194) et nous
verrons que tel est bien le cas.
Les demi-vues consistent à retrancher de la chose représentée une partie « qui
se prolonge sur une surface invisible ou en retrait ». C’est ce qu’on fait notam-
ment lorsqu’on choisit de représenter quelque chose de face ou de profil : on
sacrifie nécessairement l’autre côté. Souvent d’ailleurs, pour présenter « de pro-
fil » un objet dont l’aspect le plus caractéristique est de face, on se contente de
retrancher une partie de la vue de face. Rien la-dedans qui ne soit « pre-
grec ».
L’épaisseur du trait variait, observe Grieder, selon qu’il s’agissait des grands
contours ou des détails à l’intérieur de ces formes. La différence s’explique ce-
pendant par la primauté du contour principal dans l’art mésoaméricain, non
par un désir de suggérer le volume. C’est également cette primauté du contour
externe qui explique pourquoi on le détachait sur des figures peintes en noir
qui sinon en auraient paru dépourvues. Ajoutons neanmoins que meme 1 épais-
seur d’un contour principal semble pouvoir varier (p. ex. Robicsek 1981: 54—5,
188
Graulich, Vues obliques et trois dimensions dans l’art Maya
vases 59, 60) : un examen approfondi s’impose, en tenant compte le cas échéant
d’éventuels repeints intempestifs de « restaurateurs » modernes.
Il y a enfin les ombres (ou les modelés de tons) arbitraires. Sur tel vase de
Tikal (Foncerrada de Molina et Lombarde de Ruiz 1979: 228—9), le ton plus
clair choisi pour les côtés du torse ou des bras du personnage principal ainsi
que pour les côtés d’un récipient ne s’expliquent, à mon sens, que par le désir
de bien marquer qu’il s’agit précisément des côtés, et donc de suggérer le vo-
lume. Tel est d’ailleurs l’avis de Michael Coe (1982) qui cite d’autres exemples
à l’appui (cf. aussi Robicsek 1981: 112 fig. 13, 189 fig. 61 = Coe 1978 n° 12).
Mais Täte (1983), s’en tenant aux idées reçues qui classent l’art maya parmi
les arts qualifiés par Schäfer de « pré-grecs », émet des réserves : « That the
Mayas manipulated light or used chiaroscuro, even in reverse, would be a start-
ling discovery about the Maya’s visual interprétation of their world-view. »
Pour elle, les zones foncées et les diaprures à l’intérieur d’un contour pour-
raient être un effet des techniques de peinture employées : « it is possible that
this mottling is due to an uneven loadmg and discharge of oxides from the
brush ».
Des études technologiques plus poussées pourraient faire la lumière sur cette
question, quoique l’hypothèse de Täte me paraisse peu vraisemblable. Nous ver-
rons que les recherches destinées à donner du volume étaient plus nombreuses
qu’on ne le croit. Il n’est pas inutile non plus de signaler qu’un même phéno-
mène de variation dans les tons est attesté dans la peinture égyptienne de la
19e dynastie (Schäfer 1974: 72). Comme chez les Mayas, la distribution sélec-
tive des diaprures exclut un effet non contrôlé. Schäfer refuse bien entendu d’y
voir un procédé tendant à donner de l’épaisseur : pour lui, on a voulu rendre
le ton plus chaud que les couleurs ont dans l’ombre. Mais le résultat de telles
tentatives pour tenir compte des ombres est en tout cas de donner davantage
de corps aux figures.
Pour ce qui concerne l’espace ensuite, Grieder ne mentionne que l’échelonne-
ment et le chevauchement, mais là aussi il y a plus. En somme, le point de vue
de Grieder est très traditionnel : il ne fait pas grands cas des raccourcis, des
vues obliques, il ne signale pas de recherches de perspective, aussi timides
soient-elles : pour lui, les Mayas ne s’écartent guère des canons « a-perspec-
tifs ».
Comme les anciens Egyptiens, les Mayas n’auraient probablement pas hésité
à définir l’art comme « la reproduction de la nature » (Schäfer 1976: 46). Au-
cun texte ancien n’étaie cette assertion, mais chez les Aztèques, qui, selon nos
critères, ont pourtant moins bien réussi que les Mayas à rendre le visuellement
ßaessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
189
perçu, on attendait du bon artiste qu’il « reproduise ce qu’il voit, sa réalité et
son apparence» (Seler 1902—23:2, 622—3; León-Portilla 1968: 165). L’évo-
lution de l’art maya se fait d’ailleurs dans le sens d’une fidélité de plus en plus
grande au réel. Si, au début, ils combinent vues de face et vues de profil dans
les figures des stèles, dès le premier siècle du Classique récent ils dominent
presque parfaitement les représentations entièrement de face ou de profil et,
cela maîtrisé, ils s’attaquent à l’étude du corps en mouvement. Dès le début
toutefois, ils paraissent heurtés par les oppositions arbitraires trop tranchées,
dans une même figure, entre parties de face et de profil : ils ont cherché à mé-
diatiser, à suggérer qu’on se trouve en présence d’une vue de trois-quarts. La
stèle miniature Flauberg, datant des 2e—3e siècles, en fournit un excellent
exemple (Before Cortès 1970: n° 169; Greene 1972: pi. 118). Le roi est montré
de profil, épaules de face, une main de face, l’autre de profil. Mais, à cette
époque, les membres inférieurs étaient figurés de profil, l’un derrière l’autre,
se chevauchant le moins possible. La petite jupe qui devait évidemment les
englober tous les deux paraissait dès lors beaucoup trop large pour une vue
de profil. Aussi a-t-on présenté les hanches de trois-quarts, en déplaçant vers
la gauche le pan ornant le milieu du pagne et en rétrécissant par là même un
des côtés de la petite jupe (Fig. 1). Le même phénomène s’observe sur la stèle 1
Fig. 1. Stèle miniature
Hauberg, détail.
de Tikal (W. Coe 1967:92; Jones et Satterthwaite 1982: figs. 1, 83a, b). Il
n’empêche que le trois-quarts reste construit a partir de vue frontales partielles.
190
Graulich, Vues obliques et trois dimensions dans l’art Maya
Au Classique récent, on assiste à une véritable explosion de recherches dans
tous les sens pour rendre le volume et, dans une moindre mesure, l’espace. La
preuve à la fois la meilleure et la moins bonne nous vient de Copan, où la
tendance à creuser de plus en plus profondément la pierre, jusqu’à faire du
haut-relief, voire de la ronde-bosse, est bien connue. Elle rend manifeste ce
souci de rendre compte du volume, mais c’est bien entendu au détriment de la
représentation en deux dimensions. Le même phénomène est attesté notamment
à Piedras Negras, où on va aussi jusqu’à ajourer le relief (Before Cortès 1970:
n° 174; Morley 1953: pl. 70a; Soustelle 1966: pl. 80) et à Yaxchilàn.
La volonté de rendre le volume étant bien établie, explorons les moyens qui
respectent la surface plane. Lorsqu’un personnage est vu de profil, le plus sou-
vent, on représente malgré tout le contour postérieur de la jambe cachée (pas
toujours : cf. la stèle de Bruxelles, M. et M. Graulich, s. d. n° 4). Ce chevauche-
ment n’est nullement inévitable et il n’a bien sûr pas pour but de signifier que
l’individu a bel et bien deux jambes, puisqu’on se contente d’autre part de ne
figurer qu’un seul œil ou une seule oreille. Sa principale raison d’être est d’at-
ténuer l’impression de manque de volume pour le bas du corps (panneaux des
Palenque, stèle de Tzendales, stèles 5, 19, 20, 21, 22, 30 de Tikal, etc.).
On signale, dans les peintures murales de Mul Chic, du modelé dans l’appli-
cation des couleurs (Gendrop 1971:56—9). Il est difficile d’en juger d’après
les relevés qui ont été publiés mais la chose n’aurait rien d’étonnant compte
tenu de ce qui a été dit plus haut au sujet des « ombres arbitraires ».
Ensuite, il y a les raccourcis perspectifs qui doivent contribuer à suggérer
qu’une figure se développe effectivement dans l’espace. On les observe très bien
chez les personnages de face assis en tailleur. Prenons la « stèle » dite de Ma-
drid (fig. 2) provenant du Palais de Palenque, cité qui se distingue du reste
très tôt par l’excellence de ses vues de face ou de profil. Le dignitaire est assis
sur un grand masque, une jambe repliée devant lui, l’autre, de profil, chevau-
chant le siège, ce qui confère déjà une première impression de profondeur. Mais
c’est surtout le raccourci des cuisses qui doit retenir l’attention. Elles sont vues
en oblique, fuyant vers le bas du tronc, et donc plus courtes qu’elles ne le sont
réellement. L’impression que les membres inférieurs occupent l’espace situé de-
vant le corps est très nette et elle est renforcée par le pagne qui, reposant sur
le siège, amorce une diagonale pour s’incurver ensuite et cacher la jambe droite.
D’autres raccourcis des membres inférieurs figurent par exemple sur un panneau
de Lacanhà, sur la stèle 1 d’Ixkun et la stèle 3 de La Mar (Greene 1972:
pli. 77, 165, 24) et sur l’autel 10 de Tikal (fig. 3). En peinture, citons tel captif
de la scène dite du « Jugement des prisonniers » de Bonampak (chambre 2, mur
ßaessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
19 J
Fig. 2. « Stèle de Madrid », Museo de America (S. Toscano,
Arte pre-colombino de Mexico y de la America Central,
Mexico 1944, p. 251).
d’entrée, premier prisonnier en haut à gauche (fig. 4), ou encore certains vases
de style codex (Robicsek 1981: 21 vase 18; 24 vase 111, etc.).
Jusqu’ici, seules les cuisses étaient vues en oblique. Mais, à l’instar des Grecs
lorsqu’ils s’engagèrent dans la voie qui allait les mener à la perspective, les
Mayas se sont aussi efforcés de dessiner des corps presque entièrement vus en
oblique. De telles vues de trois-quarts impliquent, faut-il le dire, une disposi-
tion dans trois dimensions, avec une partie du corps à l’avant-plan et l’autre
plus en arrière, donc plus loin, donc plus petite, raccourcie. Notons cependant
192
Graulich, Vues obliques et trois dimensions dans l’art Maya
Fig. 3. Autel 10 de Tikal, relevé (Jones et
Satterthwaite fig. 35).
qu’il semble y avoir quelquefois inversion de « perspective », la partie du corps
la plus éloignée du spectateur étant plus grande que l’autre. Rien n’est encore
systématique ni coordonné à cet égard dans cette période d’expériences qu’a
été le 8e siècle.
Prenons le panneau déjà cité de Lacanhà. Le dignitaire a la tête de profil
mais, pour le reste, il est légèrement de trois-quarts. Il suffit, pour s’en assurer,
Fig. 4. Détail du « Jugement des prisonniers », Bonampak (INAFI).
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
193
de constater combien le pagne est décentré et combien les vêtements envelop-
pant les hanches, l’épaule et le bras sont raccourcis du côté gauche du person-
nage. En fait, toute la partie gauche du corps est plus courte que le reste, mais
elle aurait dû l’être davantage encore pour que le trois-quarts fût à fait
évident et convaincant. Par ailleurs, si le torse est disposé en diagonale, c’est
parce que le personnage trônant se penche en avant, non vers sa gauche comme
on en a l’impression de prime abord. Il offre ou reçoit quelque chose de quel-
qu’un qui est censé être devant lui, mais qu’ordinairement on rabat latérale-
ment, dans le plan de l’image, ce qui justifie aussi la présentation de la tête de
profil. Nous aurons l’occasion de reparler de cette disposition en diagonale car
il s’agit d’un élément important pour la suggestion de la profondeur.
Un autre exemple de vue oblique nous est donné sur un linteau des environs
de Yaxchilàn (Greene 1972: pl. 66). Un prisonnier agenouillé y figure avec le
bas du corps de profil mais le haut, penché vers l’avant, de trois-quarts. Il lève
la tête vers son vainqueur qui le domine de toute sa hauteur. Son épaule gauche,
vers l’arrière, est plus haute que l’autre, soit parce que le prisonnier relève la
tête, soit parce qu’il est vu de haut.
Dans la peinture, des personnages de trois-quarts sont déjà attestés sur les
murs de la structure B XVIII d’Uaxactûn (Morley 1953: pl. 50) mais ils sont
surtout nombreux à Bonampak. Il y a par exemple le personnage à l’extrême
gauche du registre principal de la Chambre 1 (sur le mur face à l’entrée), per-
sonnage qui est vu légèrement en oblique, et puis surtout le vaincu gisant aux
pieds du roi dans la scène du « Jugement des prisonniers » (Chambre 2, mur
face à l’entrée) (fig. 4). S’il est placé en diagonale, c’est pour suggérer, non plus
qu’il est penché vers l’avant, mais couché vers l’arrière. Même certains person-
nages qui, à première vue, paraissent entièrement de face, sauf pour ce qui con-
cerne la tête, ont les épaules légèrement de trois-quarts, précisément pour adou-
cir la transition vers le visage de profil. Il y a aussi des mouvements de torsion,
pas toujours réussis d’ailleurs. Dans certains cas, les raccords sont complètement
ratés, comme chez tel personnage assis (Chambre 1, mur d’entrée, registre prin-
cipal, 3e figure à partir de la gauche) dont le bas du corps, parfaitement de
profil, est tourné vers la droite et le reste, presque entièrement de profil égale-
ment, vers la gauche. Parmi les figures les plus intéressantes en revanche, il faut
mentionner celles qui, insérées dans une file, semblent se pencher légèrement sur
le côté, sortant donc du plan défini par la file, pour voir ce qui se passe devant
eux (Chambre 1, mur de droite, 1er personnage à gauche ; Chambre 3, mur de
droite, 2ème personnage à partir de la gauche) (fig. 5), ou telle autre figure de
médaillon dont le coude paraît nettement dirigé vers le spectateur (Chambre 2)
(Ruppert, Thompson et Proskouriakoff 1955 : relevés de Tejeda ; Piraux 1983).
13 Baessler-Archiv XXXI
194
Graulich, Vues obliques et trois dimensions dans l’art Maya
Fig. 5. Musiciens de la Chambre 3, Bonampak (INAH).
Sur les vases, les figures de trois-quarts abondent, surtout dans l’exceptionnel
recueil constitué par Robicsek (1981). On y découvre d’abord de nombreux
animaux magistralement exécutés (p. 25 vases 30, 31 ; 26 vase 33 ; 28 vases 39,
Fig. 6. Personnage dans une mare ? Vase de style codex du Classique récent
(Robicsek 1981 p. 84).
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
193
40 ; 30 vases 46, 47 ; 32 vase 50). Assis ou debout, ils effectuent souvent un
mouvement de rotation très convaincant. Dans un cas (p. 33 vase 53), c’est une
chauve-souris, ailes déployées, qui est vue en oblique, dans tel autre exemple
(p. 170 vase 140), un cerf vu de profil paraît tourner son arrière-train vers le
spectateur. Il y a ensuite les hommes et les femmes partiellement ou entièrement
de trois-quarts (p. 28 vase 40 ; p. 57 vase 68, etc.). Le vase 110 de Robicsek
(1981: 84) présente un personnage couché sur le dos, les jambes repliées mais
ouvertes (fig. 6). Le tronc, malheureusement tout à fait de profil, est disposé en
oblique parce que l’homme est couché vers l’arrière. Le raccord entre les épaules
et la tête, tournée vers l’arrière également, est loin d’être parfait. Mais les mem-
bres inférieurs repliés, à l’avant-plan, dessinés avec un trait plus épais, présen-
tent des raccourcis exceptionnels, surtout quant au genou et à la jambe gauche,
nettement dirigés vers le spectateur.
Fig. 7. Vase du Classique récent, détail
(coll. privée).
13'
196
Graulich, Vues obliques et trois dimensions dans l’art May
Une autre vue oblique excellente est présentée à la fig. 7. Un personnage as-
sis, tenant un volumineux paquet cylindrique (ou un miroir ?) se retourne
comme pour voir ce qui se passe derrière lui. Les épaules sont toutes deux rac-
courcies et l’effet de profondeur résulte principalement de leur disposition en
diagonale, celle de l’arrière-plan étant une fois de plus nettement plus haute
que l’autre. Le raccord entre la tête et les épaules est parfaitement réussi.
Parmi les représentations de personnages de trois-quarts les plus belles à tous
égards, il convient de citer celle du dieu Soleil-Jaguar du « Vase à fond noir »
(Quirarte 1978:106) et un coquillage gravé du Cleveland Muséum of Art
(Robicsek 1978: 140 fig. 155).
Fig. 8. Visages de trois-quarts dans la peinture
murale et la peinture sur vase (Robicsek 1981 p. 84).
Une innovation remarquable du Sème siècle consiste à représenter, dans la
peinture sur vases, certains visages de face (Robicsek 1981: 19 vase 12, 20 vase
14, 21 vase 17, 69 vase 87). Rien ne démontre mieux la volonté des artistes de
tenir compte de ce qu’il y a en dehors du plan de l’image que cette façon de
s’adresser au spectateur. Parfois (Robicsek 1981: 84 vase 111) on a même tenté
de présenter des visages de trois-quarts : dans deux cas du moins le côté droit
du visage est incontestablement raccourci (fig. 8).
Un des moyens les plus couramment employés pour suggérer le volume du
corps consiste à incurver la ceinture de la jupe ou du pagne. Au début, on s’en
tenait à une ceinture droite, conforme à l’image mentale qu’on s’en faisait. Dès
le début du Classique récent (Proskouriakoff 1950: 65), la déformation qu’est
l’incurvation se répand et son but est certainement perspectif. La déformation
est en effet plus ou moins accentuée selon que le personnage est gros ou mince.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
197
Fig. 9. « Panneau des Esclaves » de Palenque (M. Covarrubias, Indian Art of Mexico
and Central America, New York 1957, p. 246).
Sur la stèle de Madrid par exemple (fig. 2), le dignitaire est élancé et la cein-
ture s’incurve peu. Il en va de même sur le panneau du Temple XIV de Pa-
lenque (Greene 1972: pl. 10). Sur le Panneau des Esclaves au contraire, tou-
jours dans le même site, le roi est bien en chair et la ceinture profondément in-
curvée épouse à merveille la rondeur du corps (Greene 1972; pl. 38 ; Anton
198
Graulich, Vues obliques et trois dimensions dans l’art Maya
1970: pl. 134) (fig. 9). A Piedras Negras l’arrondi de la ceinture chez un per-
sonnage de profil est déformé parce qu’il s’agit d’une vue oblique (fig. 10).
Palenque peut aussi s’enorgueilher d’une innovation tout à fait exceptionnelle,
car c’est un des rares sites où on marque les plis des vêtements, de manière à
rendre perceptible le volume du corps (Panneaux du Temple de la Croix, des
Esclaves, Stèle de Madrid . . .). Ces plis se retrouvent également sur certains
vases de style codex (Robicsek 1981: 50 vase 56, 67 vase 82). Qui plus est, cer-
tains peintres de vases ont aussi eu l’idée d’indiquer les plis ou les bourrelets de
ventres bien nourris par des lignes incurvées qui en rendent l’épaisseur (Robic-
sek 1981: 20 vase 15, 54 vase 59).
Le Panneau des Esclaves de Palenque, déjà cité, présente d’autres caractères
remarquables. D’abord, la vue oblique sur la main droite du roi et l’impression
de profondeur qui s’en dégage sont absolument remarquables (comp. à Robicsek
1981: 53 vase 56). Ensuite, le roi est paré de grands bracelets qui, en vue fron-
tale, affectent la forme d’un trapèze (p. ex. Panneau du Temple XIV de Pa-
lenque ; stèle 3 de La Mar ; Greene 1972 pl. 24 ; linteau 2 de Yaxchilàn :
Greene 1972: pl. 26 ; Proskouriakoff 1950: pli. 79, 85). Or, ici, ces bracelets
Fig. 10. Stèle 12 de Pie-
dras Negras, détail.
Fig. 11. Porteur de parasol,
Chambre 1, Bonampak.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
199
(fig. 9) sont vus obliquement et leurs bords, dès lors incurvés, soulignent la ron-
deur des bras. Des incurvations semblables, mais moins nettes, figurent sur la
stèle 1 de Chinikiha et sur le linteau 15 de Yaxchilan notamment (Greene 1972:
pli. 14, 33).
Schafer (1974: 262—7) qualifie de telles déformations, attestées aussi dans
l’art égyptien, où elles sont rares jusqu’au Nouvel Empire, de « perspective
apparente », d’exceptions qui n’infirment pas la règle de la frontalité. C’est
peut-être ainsi en Egypte, mais chez les Mayas elles font partie d’un contexte
de vues obliques trop vaste pour qu’on puisse parler d’exceptions. En effet, tel
collier de Bonampak (fig. 11), tel bijou de Cacaxtla (fig. 12) font aussi l’objet
de raccourcis perspectifs très significatifs. A Bonampak, dans la scène des musi-
ciens (Chambre 1), l’extrémité des grandes trompettes de bois est nettement
arrondie (fig. 13), tandis qu’elle est droite dans la scène de bataille (Chambre 2).
Fig. 12. Roi-aigle de l’Edifice A de Ca-
caxtla, détail.
Sur certains vases, on trouve non seulement des trompettes, mais aussi des réci-
pients dont l’extrémité est arrondie (M. Coe 1973: 72—3, 104—5 ; Robicsek
1981: 21 vase 17 ; sur un célèbre vase de Nebaj aussi : Morley 1953: pl. 89a,
et à Bonampak, sur le trône de la Chambre 3, on trouve des récipients au bord
supérieur arrondi, donc vus en oblique, mais dans ces deux cas, il s’agit d’er-
reurs dans les relevés). Dans la scène de bataille de Bonampak encore figurent,
comme l’a très bien remarqué Gendrop (1971: 104) au moins deux boucliers
complètement déformés parce que vus en oblique et, au demeurant, en perspec-
tive inversées ; de rectangulaires, ils sont devenus trapézoïdaux (fig. 14). Or,
200
Graulich, Vues obliques et trois dimensions dans l’art Maya
Fig. 14. Bouclier de la « Scène de bataille », Bonampak.
les boucliers comptent aussi parmi les premiers objets que déformèrent les pein-
tres grecs du 6e siècle avant notre ère : de ronds qu’ils étaient, on les représenta
oblongs (White 1956: 22).
Toujours à Bonampak, les danseurs de la Chambre 1 sont parés de grandes
coiffures de plumes qui, vues de face, devraient être rectangulaires ; elles aussi
sont volontairement déformées. Puis, dans les trois pièces, on voit des sortes de
grandes bannières-parasols, montrées tantôt de profil, en demi-vue, tantôt de
face. Elles sont garnies, sur leur pourtour, de franges que normalement on rabat
dans le plan, de sorte qu’elles paraissent rayonner autour de l’objet (cf. aussi
Fig. 15. Parasol, Cham-
bre 1, Bonampak.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
201
Robicsek 1981: 189 fig. 61 = M. Coe 1981: n° 58). Dans les relevés de Tejeda,
et les rares photos confirment (Bernai 1958 : pl. 18), les franges de bannières
vues de face retombent toutes, de sorte que sur les côtés, elles se raccourcissent
au fur et à mesure et se chevauchent, pour redevenir ensuite de nouveau plus
longues vers le bas (Piraux 1983). L’effet de perspective est très net (fig. 15).
Pour ce qui concerne la distribution des figures dans l’espace, Grieder faisait
état de deux procédés destinés à suggérer la profondeur : l’échelonnement et le
chevauchement, l’un n’excluant d’ailleurs pas l’autre, comme dans la scène de
bataille de Bonampak. Dans cette scène, le chevauchement est prononcé ; il est
encore net sur un vase (Robicsek 1981: 143 fig. 47) à scène de trône où figurent,
au premier plan, trois guerriers l’un derrière l’autre, mais se recouvrant partiel-
lement, et, en face d’eux, deux personnages assis, également l’un derrière l’autre
et se chevauchant. Le recouvrement partiel signifie qu’aussi bien les guerriers
que les deux autres personnes doivent être pensés comme placés l'un à côté de
l'autre, formant deux rangs affrontés. Parfois aussi, le chevauchement est très
discret, voire inexistant. Même dans ce dernier cas, les figures doivent fréquem-
ment être imaginées l’une à côté de l’autre, comme chez les Egyptiens qui pla-
cent l’un derrière l’autre le roi et la reine assis côte à côte dans un même fau-
teuil. Mais habituellement, pour signifier que des personnages disposés en file se
jouxtent, on leur fait faire un geste, de sorte que leur main, leurs doigts ou
l’objet qu’ils tiennent empiètent légèrement sur leur voisin. Il en est ainsi des
guerriers du bas de la scène du « Jugement des prisonniers ». Probablement
faut-il dès lors comprendre qu’ils se trouvaient côte à côte, formant une haie
menant vers l’escalier où avait lieu le « Jugement » (Piraux 1983). Dans cer-
tains cas, c’est l’objet tenu dans la main (ou celle-ci même) qui est en partie
caché par le voisin (vase de Chama : Morley 1953: pl. 88a). Ajoutons que,
comme pour tout ce qui concerne les trois dimensions, les procédés ne sont pas
appliqués systématiquement, partout et toujours, et qu’il y a quelquefois che-
vauchement latéral alors que les personnages forment plus que probablement
une file (Morley 1953: pl. 88b, vase de Ratinlixul).
Ceci dit, nous voilà parés pour examiner les recherches effectuées par les Ma-
yas au Classique récent et d’abord, ce que Proskouriakoff qualifie avec raison
d’« experiments in scenic composition », le linteau 3 et la stèle 12 de Piedras Neg-
ras. Ce sont deux de ces scènes qui posèrent le plus de problèmes aux Mayas et qui
donnèrent lieu à bien des solutions différentes dignes d’une étude particulière :
je veux parler des scènes de trône. On peut dire sans exagérer qu’elles jouèrent
dans l’évolution de l’art maya au 8e siècle un rôle comparable à la représenta-
tion du quadrige dans l’art grec des années 550 à 400 A.C. (White 1956). Il
s’agit de scènes où des personnages viennent se présenter devant un haut digni-
202
Graulich, Vues obliques et trois dimensions dans l’art Maya
taire, sans doute le roi, qui est assis sur une sorte de grande table rectangulaire
ou sur un grand coussin recouvert de peau. Tantôt ce peuvent être des ambas-
sadeurs, ou des roitelets des environs, ou des vassaux venant rendre hommage
ou apporter des dons, tantôt des prisonniers dont le roi fera justice, on ne sait
trop. La façon la plus simple de traiter le sujet est de le présenter de profil,
comme pour le quadrige. Mais on voulut varier, notamment parce que, de plus
en plus, on tenait à montrer le personnage principal d’une scène — le roi en
l’occurrence — de face. Que faire alors des visiteurs pour qu’ils cachent le
moins possible le souverain trônant ? Dans la plupart des cas, on les rabattait
sur le côté et on les disposait l’un derrière l’autre, éventuellement se chevau-
chant peu ou prou. Cette solution boiteuse avait l’avantage qu’on pouvait con-
tinuer à présenter le visage royal de profil puisqu’il devait être tourné vers les
invités. Mais elle ne devait pas satisfaire entièrement les Mayas puisqu’ils cher-
chèrent autre chose.
D’Harcourt (1962: 100) dit du linteau 3 de Piedras Negras (fig. 16) que les
lois de la perspective y trouvèrent un début d’application. Il exagère à peine.
D’une part, la solution proposée par ce chef-d’œuvre se rapproche de celle que
les Copanèques ont mis en œuvre pour rendre le volume : on creuse davantage
la pierre, mais cette fois pour y créer des plans différents. Elle est bien dans la
tradition de Piedras Negras, où on avait depuis longtemps l’habitude de loger
les personnages royaux dans des niches qui permettaient de hausser leur relief,
et où on tendait aussi vers le relief pictural (p. ex. bas de stèle 14, Morley 1953:
Fig. 16. Linteau 3 de Piedras Negras (P. Kelemen, Medieval American Art, New
York 1943, pl. 77 b).
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
203
pl. 66). L’artiste a donc creusé une large niche représentant la pièce de récep-
tion et il y a placé au centre le roi, de face, sur un trône également de face,
flanqué de part et d’autre de hauts dignitaires. Le trône rectangulaire repose
sur une estrade en saillie proche du plan d’épannelage de la dalle. Devant l’es-
trade, donc à l’avant-plan, figurent 7 personnages assis, ceux que le roi reçoit.
Quoique placés devant le trône, ils sont de profil, répartis en deux groupes se
faisant face de part et d’autre du roi ; ils regardent dans la direction du roi
et doivent être pensés tournant le dos au spectateur.
La profondeur est donc obtenue en premier lieu au détriment du support.
Mais il y a plus, et ici, deux interprétations sont possibles selon qu’on veut y
voir plus ou moins de perspective. Le roi, c’est presque certain, se penche en
avant vers les personnes qu’il reçoit. Pour rendre la troisième dimension que
suppose ce mouvement, on a disposé le corps en diagonale, comme s’il était vu
obliquement par un spectateur se trouvant tout à fait à droite, soit à la gauche
du roi. Or, les 7 visiteurs ont été fortement décentrés vers la gauche et le trône
vers la droite, ce qui est logique si toute la scène est effectivement conçue
comme vue par un spectateur se trouvant à /’extrême-droite. On a en outre
créé une diagonale supplémentaire en présentant de trois-quarts de dos le pre-
mier visiteur à la gauche du roi et de trois-quarts de face le premier dignitaire
à sa droite. Bien entendu, pour qu’il y ait une perspective plus ou moins cor-
recte à partir de ce point de vue unique, il aurait fallu bien davantage, notam-
ment une vue oblique du trône et de tous les personnages ainsi qu’une déforma-
tion du mur latéral gauche. Mais on n’en était pas encore là. Le trône est en
vue frontale, le roi a le visage de profil, de même que les invités. Il faut un réel
effort d’imagination pour comprendre ce que l’artiste a voulu faire. Il n’em-
pêche qu’il serait absolument extraordinaire que les Mayas aient tenu compte,
pour la disposition des invités, du trône et de deux des visiteurs, de l’angle sous
lequel était vu le roi. Ajoutons à cela quelques belles vues obliques de mains.
L’autre interprétation est plus simple et plus vraisemblable à première vue.
Le roi est certes vu en oblique, mais on a veillé à ce qu’il soit assis au milieu
du trône et à ce que son visage se trouve exactement au milieu de la composi-
tion. Dès lors, son corps étant en diagonale, il fallait déplacer le trône vers la
droite et c’est pour compenser le déséquilibre ainsi créé qu’on aurait décentré
les visiteurs vers la gauche. A cela on peut toutefois objecter que ce second dé-
centrage est excessif, tandis qu’il est normal dans la première interprétation.
J’avoue ma perplexité. Prudent, je pencherais plutôt pour la seconde inter-
prétation, s’il n’y avait l’objection que je viens de formuler et, surtout, les
autres exemples de tentatives de perspective dont il sera fait état plus loin.
204
Graulich, Vues obliques et trois dimensions dans l’art Maya
Mais n’est-il pas également possible que les deux interprétations se complètent
et que l’artiste ait tiré parti des contraintes que lui imposaient la vue oblique
du roi et la nécessité de le placer au centre, pour innover ? Quoi qu’il en soit,
on a du moins ici une nouvelle illustration de l’importance des diagonales pour
suggérer la profondeur.
La scène du trône de la stèle 12 (fig. 17) présente une solution toute diffé-
rente qui respecte mieux la bidimensionnalité du support. L’artiste reprend
néanmoins le procédé très efficace de la disposition en diagonale. Pour montrer
un groupe de prisonniers amenés devant le roi de face, il a recouru à l’échelon-
nement et au chevauchement, d’autant plus justement qu’il s’agit d’une stèle,
soit d’un monument tout en hauteur. Dans le bas, les captifs sont assis étagés
et se chevauchant mutuellement. Au milieu figure le captif le plus important. Il
a la tête tournée vers le haut, autrement dit vers le roi, et est flanqué de deux
guerriers en armes, debout et de profil. Au sommet, et dès lors le plus loin du
spectateur, le roi est négligemment assis sur son trône : il est de face, les épaules
légèrement de trois-quarts. Son relief est nettement plus prononcé puisque, pla-
cé comme il l’est au haut d’une grande stèle, il risquait sinon d’être moins vi-
sible que les autres personnages de rang inférieur. On tient donc bien compte
du point de vue du spectateur.
Le roi a le visage de profil tourné vers le bas : il se penche en effet vers les
prisonniers et son mouvement en avant est rendu, comme sur le linteau 3, par
la disposition de son tronc raccourci légèrement en oblique, comme s’il était
vu depuis la droite. Le sommet de la pyramide que forment les captifs étagés
est décentré vers la gauche, comme c’était le cas pour les visiteurs du linteau 3,
d’abord parce que le prisonnier principal doit être face à face avec le roi, en-
suite, peut-être, parce que le point de vue du spectateur est à droite.
Deux formules originales, donc, pour présenter une scène de trône avec,
comme point commun, le désir de rendre un espace, soit en creusant la pierre
et en créant une profondeur réelle, soit en étageant et en s’approchant d’une
vue-à-vol-d’oiseau ; et, dans les deux cas, la disposition du roi en diagonale
pour suggérer qu’il se penche en avant. Rappelons-nous qu’à Bonampak, la
diagonale du Jugement des prisonniers représente un personnage couché vers
l’arrière. Sur un vase de style codex déjà mentionné (fig. 6), la position oblique
d’un personnage couché le situe aussi dans un espace profond. Cet espace est
suggéré par un autre moyen : l’homme est en effet entouré d’ovales concentri-
ques. Compte tenu du contexte, une scène de chasse mythique en pleine nature,
il est fort possible que les ovales représentent les cercles d’eau autour du per-
sonnage étendu dans une mare et que ces cercles sont déformés pour des raisons
de perspective.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
205
Fig. 17. Stèle 12 de Piedras Ne-
gras (Robicsek 1975 p. 180).
Mais revenons aux scènes de trône et à une expérimentation tout à fait ori-
ginale due à un artiste de Yaxchilan, expérimentation dans laquelle, par une
déformation d’objet semblable à celle des boucliers de Bonampak ou des cercles
d’eau susmentionnés, on essaie de créer un véritable espace à trois dimensions,
une perspective rudimentaire. Le panneau du Metropolitan Muséum of Art
206
Graulich, Vues obliques et trois dimensions dans l’art Maya
(fig. 18) présente un roi de face dont le visage de profil est tourné vers deux
dignitaires qui lui tendent des insignes. Le problème est toujours le même : com-
ment faire comprendre que ces dignitaires se trouvent devant le trône, et non
à côté ?
Les visiteurs sont l’un derrière l’autre, mais la main du second, à gauche,
chevauche la jupe de son compagnon. Il faut donc les imaginer l’un à côté de
l’autre et, plus précisément, vus en oblique par un spectateur se trouvant à peu
près au milieu, à en juger d’après le fait que la jambe droite du second est assez
fort en retrait par rapport à l’autre. Quant au trône du roi, il est en vérité
Fig. 18. Linteau des environs de Yaxchilan (The Metropolitan Museum of Art, The
Michael C. Rockefeller Memorial Collection, Bequest of Nelson A. Rockefeller, 1979)
(1979.206.1047).
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
207
aberrant : apparemment vu de face, il penche considérablement vers sa gauche,
de sorte que la patte gauche est nettement plus courte que l’autre. Simpson
(1976:97) parle à ce sujet d’un « curions sloping effect » tandis que Greene
(1972: 146) se contente de souligner son caractère « inhabituel ». Sommes-nous
en présence d’une grossière erreur de l’artiste ? Mais la qualité du relief est
excellente à bien des égards. Le trône était-il vraiment incliné latéralement ?
Il aurait été des moins confortables. La seule explication valable doit être trou-
vée à la lumière de tout ce qui précède : il s’agit d’une vue oblique du trône,
qui doit être pensé en face des deux dignitaires. Le roi lui-même est également
vu en oblique, depuis le centre, d’abord parce qu’il adhère à une surface in-
clinée, ensuite parce que son épaule droite, la plus éloignée du spectateur, est
raccourcie et plus basse que l’autre, et enfin parce que le pectoral est déplacé
vers la gauche — assez maladroitement il est vrai. A noter que la patte droite
du trône aurait dû être plus courte ; si on l’a prolongée jusqu’au bord, ce ne
peut être qu’en vertu du principe d’attraction de la ligne de terre.
Le roi étant (mal) figuré de trois-quarts sur un trône oblique vu de haut,
puisque le côté le plus éloigné est le plus élevé, on doit imaginer une ligne de
fuite partant de la droite vers le centre, tandis que la disposition des visiteurs
doit suggérer une seconde ligne (ou plutôt un plan) de fuite croisant la pre-
mière. Ici, nous nous rapprochons considérablement de ce qu’on entend habi-
tuellement par une perspective.
Le relief provient des environs de Yaxchilan, probablement d’un site mineur.
Peut-être que dans les grands centres, on pouvait moins se permettre de telles
libertés avec l’image hiératique du roi trônant. Remarquons par ailleurs qu’on
ne montre pas les côtés du trône. Des cas analogues sont attestés dans l’art chi-
nois à l’aube de la perspective. Je songe en particulier à telle stèle de Bouddha
Maitreya assis, datant de 471 P.C., dont le revers orné de reliefs présente plu-
sieurs scènes de la vie du Bouddha. L’une de ces scènes présente le Maitreya dans
la lune, s’apprêtant à pénétrer le corps de sa mère endormie à l’intérieur d’une
maison figurée à côté du disque lunaire (fig. 19). Pour bien signifier que le Mai-
treya doit pénétrer dans la maison, qu’il se trouve donc devant la façade et non
à côté, l’artiste a déformé la maison qui, de rectangulaire, est devenue un paral-
lélogramme (Trésors d’art de la Chine 1982: 169 fig. 136). Ici non plus, les cô-
tés de la figure déformée ne sont pas montres.
Le trône des environs de Yaxchilan n’est pas un cas isolé. Un vase du
Muséum of the American Indian, publié par Robicsek encore, présente une
scène comparable (fig. 20). Un roi est figuré assis sur son trône, regardant vers
la droite. Le corps est présenté de trois-quarts, comme l’indiquent surtout le
208
Graulich, Vues obliques et trois dimensions dans l’art Maya
Fig. 19. Stèle de Bouddha Maitre-
ya, détail du revers.
pectoral tourné du même côté que le visage et le fait que les membres inférieurs
repliés sont disposés en oblique. Il y a donc volonté manifeste de suggérer de la
profondeur. Or, dans ce cas-ci également, le trône, un gros coussin recouvert
d’une peau de jaguar, est déformé de manière à accuser une inclinaison sem-
blable à celle du trône décrit plus haut. Certes, de telles déformations de
Fig. 20. Vase gravé à scène de trône (Robicsek
1975 fig. 78).
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
209
coussins sont fréquentes sur les vases peints et elles résultent le plus souvent du
style cursif de l’artiste (Robicsek 1978: 186 fig. 208 p. ex.). Mais il s’agit tou-
jours de scènes où le roi est présenté de profil et non de trois-quarts. En outre,
la scène du Muséum of the American Indian n’est pas peinte, mais en relief,
et l’explication du style cursif ne tient pas donc. La déformation du trône ne
s’explique dès lors que par la vue oblique, comme pour le relief du Metro-
politan. (Ceci, bien entendu, pour autant que le relevé soit fidèle.)
Il existe un autre exemple très intéressant de tentative de créer un espace
profond par déformation d’un motif qui, dans un art a-perspectif, devrait être
rectangulaire (fig. 21). Sur un vase à scène de trône aberrante, un homme est
agenouillé devant une pièce contenant un trône (?) en forme de jaguar, sur-
monté d’une tête de la divinité mexicaine Tlaloc. Le trône-jaguar se dresse sur
ce qui paraît être, de prime abord, une estrade supportant un dais pourvu de
rideaux. Mais l’estrade affecte une forme trapézoïdale alors qu’il n’y a rien de
semblable ni dans l’art, ni dans l’architecture mayas. Qui plus est, les pattes du
félin ne reposent pas sur la ligne supérieure de cette forme trapézoïdale, mais
en plein milieu. Il me semble dès lors que c’est une surface vue en perspective,
rendue trapézoïdale, qui est représentée, et non une estrade vue en élévation,
même si le montant vertical supportant le dais repose bien, lui, sur la ligne su-
périeure du trapèze. Reste qu’il peut s’agir d’une erreur de l’artiste, mais peut-
être étaient-ce des erreurs de ce genre qui ont ouvert la voie vers la perspective.
Par ailleurs, un vase grec de 425 A.C., publié par Richter (s. d.: fig. 157), pré-
sente une déformation assez comparable à celle qui nous occupe.
La volonté maya de suggérer également l’espace et la profondeur sur une
surface plane paraissant bien claire, il n’est pas sans intérêt d’examiner atten-
Fig. 21. Vase à scène de trône (Robicsek 1981 p. 172).
210
Graulich, Vues obliques et trois dimensions dans l’art Maya
tivement une des scènes principales des peintures murales de Bonampak. On sait
que ces peintures sont représentées sur trois chambres contiguës. Dans chaque
chambre, la scène principale, celle que le spectateur a devant lui en entrant,
se prolonge sur les murs latéraux ; la scène du mur d’entrée, qui pour être vue
requiert un mouvement de rotation du spectateur, forme une unité distincte.
Dans les chambres 2 et 3, la scène principale occupe toute la hauteur des
trois murs, à l’exception d’un registre séparé au sommet. La chambre centrale,
n° 2, a ceci de particulier que le mur d’entrée est lui aussi entièrement occupé
par une seule scène. Les figures y sont échelonnées et, dans la scène de bataille
surtout, elles se chevauchent fortement : on tend vers une vue-à-vol-d’oiseau.
L’échelonnement sur le mur d’entrée, en revanche, s’explique principalement par
le fait que les personnages se répartissent sur des gradins, ce qui est également
le cas pour la scène principale de la Chambre 3 (fig. 22).
Ce sont ces scènes sur des gradins qui doivent retenir notre attention. Celle
du mur d’entrée de la Chambre 2 est souvent qualifiée, à tort ou à raison, de
« Jugement des prisonniers », tandis que la scène principale de la Chambre 3
représente une grande danse solennelle. Dans la première, les gradins sont figu-
rés par une série de bandes rouges d’égale longueur, dans la seconde, les gradins
se rétrécissent vers le haut, de sorte qu’ils évoquent une pyramide à degrés.
Fig. 22. Scène de danse, Chambre 3, Bonampak (INAH).
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
211
Précisément, on interprète traditionnellement ces gradins comme étant ceux
d’un soubassement pyramidant. Il me paraît, au contraire, qu’il s’agit d’esca-
liers : en effet, la hauteur des différents échelons ne dépasse pas, et est souvent
nettement inférieure, à la longueur d’une jambe, ce qui convient pour les mar-
ches d’un escalier mais non pour les massifs superposés d’une pyramide, massifs
qui sont habituellement beaucoup plus hauts. Ensuite, dans la Chambre 3, le
pied d’un personnage assis sur une marche touche la marche située juste en-
dessous. Quant aux bandes rouges marquant les différents degrés, non seule-
ment les massifs superposés des pyramides pouvaient en être pourvus, mais
également les escaliers (fig. 23). Puis, en supposant qu’il s’agisse réellement de
gradins d’une pyramide, on devrait conclure que des actions aussi importantes
que des « Jugements de prisonniers » ou des danses solennelles avaient Heu sur
les côtés des pyramides, et non sur leurs faces principales, puisque celles-ci
étaient toujours munies d’escaliers en leur milieu et que les « pyramides » figu-
rées à Bonampak n’en présenteraient pas ! Une telle conclusion est inconcevable
(pour la représentation d’une pyramide avec son escalier central dans l’art
maya, voir le linteau 3 du Temple IV de Tikal : Jones et Satterthwaite 1982:
fig. 74). C’étaient les escaliers qui se prêtaient à merveille aux grandes cérémo-
nies religieuses, non les gradins, c’était au sommet d’escaliers que les chefs se
montraient dans toute leur gloire, c’était sur les marches des escaliers qu’on dan-
sait, car elles permettaient aux danseurs d’évoluer à la fois latéralement et de
haut en bas ou de bas en haut. De tels effets choréographiques étaient exclus sur
Fig. 23. Vase à scène de jeu de balle (Robicsek 1981, p. 189).
212
Graulich, Vues obliques et trois dimensions dans l’art May
les massifs élevés des pyramides, massifs qui d’ailleurs devaient souvent être
occupés par les spectateurs, comme c’est encore le cas de nos jours au Népal.
Enfin, nous l’avons vu, les trois murs de la Chambre 3 forment une seule scène.
Or, à hauteur des danseurs situés au sommet des marches, on voit, d’une part,
un spectateur important porté dans une litière et, d’autre part, des personnages
de haut rang installés sur un trône. Où ces différents spectateurs se trouvent-
ils ? A mon sens, au sommet de la plate-forme auquel est accolé l’escalier. Ce-
lui-ci est large et bas ; à Bonampak même, il y a un endroit qui devait se prêter
à merveille à des cérémonies du genre de celles reproduites dans la Chambre 3 :
c’est le grand escalier qui ferme la place principale au sud, tout en donnant
accès à des terrasses supportant les principaux édifices, et notamment l’édifice
aux trois chambres peintes. Peut-être est-ce cet escalier-là qui est figuré dans la
pièce 3.
Dans la Chambre 2, l’escalier est droit, sans décrochements latéraux, car l’exi-
guïté de l’espace offert ne le permettait pas. Au sommet de l’escalier, à gauche
et à droite, on aperçoit deux marches supplémentaires qui ne s’expliquent que
par la nécessité de surélever les personnages figurant là, au-dessus des poutres
à la base de la voûte (Piraux 1983). La composition est plutôt statique et il y a
assez peu de chevauchement, pas assez, en tout cas, pour donner l’impression
que l’escalier s’éloigne au fur et à mesure du spectateur. Pour créer une profon-
deur, il fallait donc autre chose : aussi a-t-on disposé en diagonale, sur trois
marches, la figure centrale du prisonnier couché.
Dans la Chambre 3, les dix personnages richement parés qui dansent sur ou
devant l’escalier semblent tous d’égale importance, aussi ne se chevauchent-ils
guère. D’autre part, le sujet ne permettait pas d’y disposer harmonieusement un
personnage en oblique au centre. Cette fois, il convenait d’innover réellement
pour suggérer un espace : on a donc déformé l’escalier, mais d’une façon qui
ne pouvait choquer personne, puisqu’on lui donnait une forme familière : celle
d’une pyramide à degrés.
Il n’est pas douteux, on l’a vu, qu’il s’agit bien d’un escalier. Mais les esca-
liers, chez les Mayas, sont toujours à flancs droits, comme dans la Chambre 2,
ou comme sur tel vase maya déjà cité (fig. 23, à gauche). Autrement dit, ils ne
sont pratiquement jamais pourvus de décrochements latéraux d’une marche à
l’autre, sauf lorsque les marches font tout le tour d’un édifice, comme au terrain
de jeu de balle de Copan. Dans la région de Bonampak et à Bonampak même
en tout cas, les côtés des escaliers sont toujours droits. Dès lors, si l’escalier de
la Chambre 3 se rétrécit vers le haut, ce ne peut être que pour des raisons de
perspective, parce que le haut est plus éloigné du spectateur que le bas. En le
rétrécissant, on donne une impression de profondeur, on crée ces diagonales
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
213
qu’on ne pouvait introduire autrement. La déformation de l’escalier en trapèze
permettait aussi de présenter davantage de danseurs à la base (7) qu’au sommet
(3) (ou, en ne tenant compte que du seul mur du fond, 4 à la base), ce qui ac-
centuait l’impression de rétrécissement vers le haut et multipliait les obliques.
Certes, l’effet de profondeur est considérablement atténué par le fait que les
décrochements se déployent sur les murs latéraux de la chambre. On ne le per-
çoit que lorsqu’on déplace le regard vers l’un des angles de la pièce. Mais tout
porte à croire que l’artiste préparait son projet sur une surface plane. Il ne
tenait que fort peu compte, en tout cas, des contraintes exercées par la struc-
ture de l’édifice qu’il lui fallait décorer.
On pourrait objecter que les décrochements sont l’effet d’une combinaison de
vues de face et de profil comme il s’en produit quelquefois dans les codex mexi-
cains. Dans ceux-ci, en effet, le mode de représentation est résolument « pré-
grec ». Cependant, la combinaison face-profil n’y est attestée que d’un côté
d’un escalier, jamais de part et d’autre, pour l’excellente raison qu’il n’y a pas
lieu de présenter à deux reprises un même profil (fig. 24). Ensuite, c’est sur le
mur gauche de la Chambre 3 de Bonampak, sur la gauche de l’escalier qui pour-
rait être « de profil » que figure le personnage assis sur une marche ; or, il est
assis sur la marche même, non sur le profil aux décrochements. Enfin, même si,
malgré tout, on se trouvait en présence d’une combinaison de vues de face et
de profil, il est certain qu’elle était employée ici pour donner de la profondeur
à la scène.
Les Mayas auraient probablement représenté l’escalier de la Chambre 2 éga-
lement en « perspective » si le sujet et la largeur du mur le leur avaient permis.
Ils ne l’ont pas fait et ça ne pouvait les choquer, puisque l’image correspond
effectivement à un escalier à flancs droits vu de face. En revanche, s’ils avaient
voulu représenter une pyramide, il est douteux qu’ils se seraient permis de cou-
per des décrochements essentiels pour la structure figurée.
Fig. 24. Dessin de temple, Codex Nuttall p. 8.
214
Graulich, Vues obliques et trois dimensions dans l’art Maya
A Bonampak aussi donc, des diagonales doivent créer de la profondeur.
Nous avons vu que la disposition des danseurs créait également des obliques
vers le haut, c’est-à-dire vers le fond. La composition en diagonale est attestée
dans la céramique. Sur un vase bien connu provenant d’une sépulture sous le
Temple I de Tikal (W. Coe 1967: 102 ; Foncerrada de Molina et Lombarde de
Ruiz 1979: 232—3), le roi trône sur une estrade composée de deut degrés en
décrochement l’un par rapport à l’autre. Le trône et les degrés introduisent
dans la composition une diagonale qui est accentuée par le fait que le premier
« visiteur » du roi est à demi-agenouillé au sommet de l’estrade, tandis que le
second a un pied sur l’estrade et l’autre sur la première marche, et que les
autres, enfin, se trouvent sur la ligne de sol. Si les relevés sont corrects, force
est de constater que les angles supérieurs extérieurs du trône et des marches
sont alignés presque parfaitement, tandis que les extrémités du pied gauche du
roi, du genou gauche du premier visiteur, du pied gauche du second visiteur et
des pieds gauches des troisième et quatrième visiteurs se trouvent exactement
sur une même oblique, excluant ainsi le facteur hasard pour la diagonale. Le
vase de Tikal présente en outre une autre particularité : pour accentuer l’effet
de profondeur, l’artiste n’a pas hésité à masquer partiellement le trône par des
personnages agenouillés, de profil, mais devant être pensés de dos, tournés vers
le roi. Remarquons bien qu’il s’agit d’un vase cylindrique et que la disposition
en diagonale doit y faire aussi peu d’effet que les décrochements de l’escalier
sur les murs latéraux de Bonampak : pour de tels vases, à la composition aussi
savamment étudiée, on devait sans doute également faire d’abord un projet sur
papier (voir aussi Robicsek 1981: 143 fig. 47a).
Les anciens Grecs recouraient à l’échelonnement pour représenter des indivi-
dus plus éloignés dans l’espace. Ce n’est que très tard qu’ils se sont décidés à
les figurer plus petits. Peut-être les Mayas se sont-ils également hasardés à
faire quelques tentatives de réduction des personnages éloignés. Taylor (1978;
85) publie en effet un vase sur lequel deux rangées superposées de personnages
font face à un être anthropo-zoomorphe. Or, les personnages de la rangée supé-
rieure — donc, la plus éloignée — sont systématiquement un peu plus petits
que les autres. Une explication en fonction de l’importance hiérarchique des
figures ne peut être retenue, car les personnages du haut sont manifestement
les doublets de ceux de la première rangée. D’autres exemples de réduction de
figures existent (p. ex. Robicsek 1981; 143 fig. 47a) et la question mérite d’être
approfondie.
En conclusion, il me paraît certain qu’au Classique récent, les Mayas multi-
plièrent les expériences en sens divers pour rendre la troisième dimension dans
le relief et la peinture. Ils semblent avoir développé un riche répertoire de pro-
215
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
cédés plus ou moins complexes, et si des études détaillées des différents points
abordés dans le présent article devaient confirmer cette façon de voir, il fau-
drait admettre qu’ils se trouvaient au seuil de la perspective. Car, chez les an-
ciens Grecs, ce sont les mêmes procédés qui furent mis en oeuvre vers la fin du
6e siècle et qui conduisirent à la découverte de la perspective. C’est d’alors que
datent les vues obliques de personnages, les déformations d’objets, les raccour-
cis au coup par coup, non systématiques. C’est vers 475 A.C. seulement que les
Grecs parvinrent à faire des vues convaincantes de corps de trois-quarts ; en-
suite, l’évolution fut extrêmement rapide.
L’art maya ne serait donc plus tout à fait « pré-grec » dans le sens où l’en-
tendait Schäfer, et les Grecs ne seraient donc pas les seuls au monde à s’être
engagés indépendamment dans la voie des trois dimensions. Pour autant qu’on
sache, en effet, il n’est pas démontrable jusqu’à présent que la Mésoamérique
ait subi une quelconque influence de l’ancien monde. Sans doute n’est-ce pas
par hasard que les recherches dans le domaine de la troisième dimension aient
en lieu dans la civilisation la plus développée de l’Amérique précolombienne
et à son apogée. Si la civilisation maya ne s’était pas brusquement effondrée,
serait-on allé plus loin, aussi loin que les Grecs ? C’est évidemment impossible
à dire, quoiqu’il soit permis d’en douter, car en Grèce la perspective n’est
qu’un des éléments du « miracle grec », avec la naissance de l’esprit scientifique,
le recul par rapport à soi, etc., éléments certainement absents chez les Mayas.
Mais la perspective est-elle vraiment inimaginable sans ces autres facteurs ?
D’autre part, on imagine mal pourquoi, s’il n’y avait pas eu déclin, les Mayas
auraient interrompu brusquement leurs recherches et comment leur art ouvert,
non intégré, plein de promesses, aurait pu rester figé.
* Je tiens à remercier MM. F. Robicsek et J. Kerr, qui m’ont aimablement autorisé
à reproduire plusieurs illustrations, ainsi que M. Ph. Smets pour ses documents et
Melle M. Piraux et MM. Rivera Dorado, P. Philippot et R. Tefnin pour leurs ob-
servations utiles.
216
Graulich, Vues obliques et trois dimensions dans l’art Maya
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Beihefte zum B AE SSLER-ARCHIV
Beiheft 1: KURT KIMEGER
Geschichte von Zamfara
SokotO'Provin*, Nordnigeria
147 Seiten mit 12 Tafeln und einer Karte. 1959. Broschiert DM 21,—
Beiheft 2: HERMANN TRIMBORN
Archäologische Studien in den Kordilleren Boliviens (I)
76 Seiten mit 66 Abbildungen. 1959. Broschiert DM 18,—
Beiheft 3s HORST HAR1MANN
Georg Catlin und Balduin Möllhausen
Zwei Interpreten der Indianer und des Alten Westens
156 Seiten mit 37 Lichtdrude-Reproduktionen, einer Tafel
mit Zeichnungen und zwei Karten. 1963. (Nachdruck in Vorbereitung)
Beiheft 4t Archäologische Studien in den Kordilleren Boliviens II:
HEINZ WALTER
Beiträge zur Archäologie Boliviens
Die Grabungen des Museums für Völkerkunde Berlin im Jahre 1958
361 Seiten mit 159 Abbildungen im Text und auf Tafeln und 20 Grabungsplänen. 1966.
Broschiert DM 50,—, Leinen DM 62,—
Beiheft 5: HERMANN TRIMBORN
Archäologische Studien in den Kordilleren Boliviens III
182 Seiten mit 138 Photos, Zeichnungen und Plänen. 1967.
Broschiert DM 40,—, Leinen DM 50,—
Beiheft 6t SIGRID PAUL
Afrikanische Puppen
Will und 208 Seiten mit einer Farbtafel und 98 weiteren Abbildungen. 1970
Broschiert DM 45,-
Beiheft 7t HEIDE NIXDORFF
Zur Typologie und Geschichte der Rahmentrommeln
Kritische Betrachtung zur traditionellen Instrumententerminologie
286 Seiten mit 5 Abbildungen und 11 Tafeln. 1971. Broschiert DM 60,-
Beihett 8t BERNHARD ZEPERNICK
Arzneipflanzen der Polynesier
307 Seiten mit einer Kartenskizze. 1972. Broschiert DM 69,-
Verlag von DIETRICH REIMER in Berlin
Mensch,
Kultur und
Umwelt
im zentralen Bergland
von West-Neuguinea
Beitrage zum interdisziplinären
Schwerpunktprogramm der
Deutschen Forschungsgemeinschaft
Herausgegeben von
K. Helfrich, V. Jacobshagen,
G. Koch, K. Krieger,
W. Schiefenhövel und W. Schultz
Folgende Disziplinen sind in das
Programm integriert; Physische
Anthropologie, Zahnmedizin,
Allgemeinmedizin, Tropenmedizin,
Ethnopsychologie, Humanethologie,
Anthropogeographie, Linguistik,
Ethnologie, Wirtschaftsethnologie,
Ethnosoziologie, Ethnomedizin,
Musikethnologie, Archäologie,
Geologie, Photogeologie,
Paläontologie, Geomorphologie,
Seismologie, Hydrologie, Boden-
kunde, Klimatologie, Botanik,
Kulturpflanzenkunde, Zoologie und
Haustierkunde.
Ergebnisse innerhalb des Schwer-
punktprogramms (SPP) der
Deutschen Forschungsgemeinschaft
(DFG) „Interdisziplinäre Erfor-
schung von Mensch, Kultur und
Umwelt im zentralen Hochland
von West-Irian (Neuguinea)“
veröffentlicht.
Bitte fordern Sie unseren ausführ-
lichen, deutsch/englischen Sonder-
prospekt anl
Mit Resümees in Englisch (bzw.
Indonesisch).
Alle Bände sind broschiert und
haben ein Format von 21 x 29,7 cm.
Dietrich Reimer Verlag
Unter den Eichen 57
D-1000 Berlin 45
BAESSLER-ARCHIV
BEITRÄGE ZUR VÖLKERKUNDE
Herausgegeben im Aufträge des
Museums für Völkerkunde Berlin
Staatliche Museen Preußischer, Kulturbesitz
von
K. KRIEGER UND G. KOCH
NEUE FOLGE BAND XXXI (1983)
(LYI. BAND)
Heft 2
Ausgegeben am 7. August 1985
18 f+5
BERLIN 1983 • VERLAG VON DIETRICH REIMER
INHALT
Alberto Rex Gonzalez, Buenos Aires
Nota sobre religión y culto en el Noroeste Argentino prehispánico ............ 219
Wolfgang Wickler und Uta Seibt, Seewiesen
Die alt-peruanische „Zackenschlange“: Ein ikonographisches Mißverständnis .... 283
Claudius Giese, Berlin
Cerro Mulato, Felsbilder eines „encanto“ im Norden Perus ................. 299
Elisabeth Walther, Berlin
Ritzzeichnungen der Eskimo Nordwest-Alaskas
Drillbohrer-Bügel aus der Abt. Amerikanische Naturvölker
des Museums für Völkerkunde, Berlin .......................................... 313
Barry Craig, Adelaide
A Conversation with Yige, Postscript to „The Keram Style in the
Abau Area of the Upper Sepik, Papua New Guinea“..................... 351
Rainald Simon, Offenbach
Zum chinesischen Schattentheater ........................................... 357
Barbara Paxson, St. Joseph, Michigan
Mammy Water: New World Origins? .............................................. 407
„Baessler-Archiv“ Band XXXI erscheint 1983 in 2 Heften zum Bandpreis von
DM 128,—. Bestellungen sind zu richten an den Verlag DIETRICH REIMER, Unter
den Eichen 57, 1000 Berlin 45, oder an jede Buchhandlung. Manuskripte werden
erbeten an: Redaktion des „Baessler-Archiv“, Museum für Völkerkunde, Arnim-
allee 23/27, 1000 Berlin 33. Für unverlangt eingehende Beiträge kann keine Haftung
übernommen werden. Die Mitarbeiter erhalten unberechnet 30 Sonderdrucke.
Für den Inhalt ihrer Beiträge sind die Autoren allein
verantwortlich
ISSN 0005-3856
Alle Rechte Vorbehalten
Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
219
NOTA SOBRE RELIGION Y CULTO
EN EL NOROESTE ARGENTINO PREHISPANICO
— A propósito de unas figuras antropomorfas del Museo de Berlín —
por
ALBERTO REX GONZALEZ, Buenos Aires
0. Objetivos de este trabajo.
Esta nota tiene por objeto, en lo particular, dar a conocer cuatro piezas
arqueológicas excepcionales, talladas en madera, procedentes del Noroeste
Argentino, que se guardan en el Museum für Völkerkunde (SMPK), Berlín
Occidental1. Pero una simple descripción de estas piezas no sería de por sí
una monografía de arqueología científica en el momento actual del desarrollo
de esta ciencia. Para que este escrito tenga tal carácter se impone la inter-
pretación del hallazgo dentro de su contexto específico y también dentro del
proceso cultural autóctono del N.O.A., tema que constituye la segunda parte
— general — de esta Nota. Como las piezas en cuestión parecen pertenecer a
la última etapa de las culturas de aquella región (Período Tardío — Imperial
e Hispano Indígena), es imprescindible acudir también a la información etno-
histórica.
Lejos estamos de pretender agotar el tema de la segunda parte. Por lo con-
trario, sólo aspiramos a contribuir al conocimiento de algunos aspectos muy
olvidados, de las culturas autóctonas, delimitando a grandes rasgos su proble-
mática esencial y reactivando, de alguna manera, su olvidado interés. Por
falta de estudios adecuados, carecemos hasta ahora de datos analíticos funda-
mentales. En este difícil problema de la religión autóctona resulta muy difícil
intentar una síntesis general, cuando aún nos faltan contribuciones sobre
cronología, contextos y proceso cultural, de vastas regiones del N.O.A. De
cualquier manera éste puede ser el comienzo de esta clase de estudios.
1 Agradecemos muy especialmente las facilidades que gentilmente nos brindara el Dr.
Dieter Eisleb, Director de la Sección Americana del Museo de Berlín, quien hizo
ademas, tomar las fotografías que ilustran el trabajo. Agradecemos también la
colaboración de la Dra. Immina von Schüler, de la misma Sección del Museo. No
podemos dejar de agradecer igualmente la dedicación con que nuestra colaboradora
de mucho tiempo, Lie. Marta Baldini, pasó en limpio el manuscrito.
1 Baessler-Ardiiv XXXI
220
Gonzalez, Nota sobre Religion y Culto
Por otra parte no se puede tratar el tema de la religión y el culto autóc-
tono del N.O.A. sin referirnos, aunque sea de paso, a los aspectos socio-
políticos de sus culturas, estructuralmente relacionados con aquel tema. Por
desgracia, también, en este aspecto nos hallamos en los comienzos.
En resumen, el trabajo presenta tres partes diferentes:
1) Descripción de los especímenes de madera, junto con el análisis del con-
texto al que pertenecen, y su comparación con otras piezas similares; 2) la
información etnohistórica sobre religión, culto y sociedad; 3) esquema del
proceso cultural del N.O.A., en el que se inscriben estas piezas.
1. Figuras de Madera.
1.1. Descripción.
Las figuras talladas en madera que describimos pertenecen al Museum für
Völkerkunde (SMPK), Berlín Occidental. Fueron adquiridas por esta institu-
ción en el año 1906 a Manuel Zavaleta, traficante tucumano de antigüedades,
que hizo con este comercio una considerable fortuna.
En dicho Museo tuvimos la ocasión de estudiar estas piezas durante dos
viajes, realizados en 1967 y en 1983 respectivamente por gentileza del Direc-
tor de la Sección Americana del Museo, Dr. Dieter Eisleb. También foto-
grafiamos y estudiamos otros materiales arqueológicos que se guardan en la
misma institución, coleccionados por Max Uhle en el Noroeste Argentino
entre Noviembre de 1892 y Noviembre de 18932.
Las cuatro piezas, objeto de nuestro interés, integran dos pares distintos
de ejemplares similares o idénticos entre sí. Uno de estos pares parecería for-
marlo una pieza masculina y otra femenina. El otro par es más difícil de
definir como pareja, ya que ambos especímenes carecen de todo indicio de
sexo.
De tres de las piezas en cuestión se anotan en el catálogo dos procedencias
diferentes. Pero por razones que luego veremos, las cuatro piezas debieron
2 Las piezas de la colección Uhle del Museo de Berlín, proceden de las siguientes
localidades: Pucará, Posta Vipos, Arenal, San José de Trancas, Belén, Amaicha,
Fuerte Quemado, Bañado, Colalao del Valle, Tolombón, San Isidro de Cafayate,
Quilmes, Animaná, Angastaco, Angostan, Conchas, Cerrillos, La Merced de Cerri-
llos, Curtiembre, Palomayaco, Sierras de Córdoba, Amadores, Tinogasta, Aimo-
gasta, Amllaco, Flualfin, La Toma, El Eje. Las referencias al viaje de Uhle se
hallan en Rowe, 1954.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
221
a b c d
Fig. 1, a y b: Pieza de madera no. 1717, en anverso y reverso; figs c y d: figura V C
4847 (1718) en anverso y reverso. Las medidas se proporcionan en el texto. Fotografías
gentileza del Dr. Dieter Eisleb, director de la sección Americana del Museum für Völ-
kerkunde SMPK de Berlín, Rep. Federal de Alemania.
i
222
Gonzalez, Nota sobre Religion y Culto
hallarse juntas, seguramente en algún sitio del Sur del Valle Calchaquí o en
el Valle Yocavil.
Los cuatro especímenes están talladas en una madera de pulpa blanquecina
muy compacta. Por desgracia, en nuestra situación actual nos es muy difícil
conseguir por razones múltiples una expertización sobre la especie arbórea
de la que se obtuvo la materia prima utilizada en su fabricación3.
Fig. 1; a, b.—№ 1717.
Esta pieza lleva el № 1717 en el catálogo del Museo de Berlín; figura
como única información del hallazgo: Tucumán. Esta es, sin embargo, la
pieza más interesante de las cuatro por las complejas pinturas faciales que
lleva; por el diseño del collar y la forma del tallado de los brazos. Es también,
la más naturalista de la serie, siempre dentro del alto grado de esquematismo
y síntesis que caracteriza al grupo.
Las medidas son: 83,5 cm de alto total; 12 cm de ancho máximo y 2,1 cm
de espesor.
La cabeza tiene forma rectangular con los bordes redondeados. La frente
muy corta, está pintada de negro. La nariz en relieve es saliente, filosa, de
dorso rectilíneo. Los ojos miden 10 mm de ancho, son ovales y pequeños,
lo mismo que la boca, y están apenas marcados mediante incisiones.
El rostro, hasta la línea transversal que pasa por el borde inferior del ta-
bique nasal, está dividido en cuatro campos. Cada uno de ellos es de forma
rectangular y tiene en su interior una serie de motivos escalonados dispuestos
en pares horizontales con dos colores contrapuestos: negro y rojo, siendo este
último muy oscuro. El cuello es rectangular con tres líneas transversales
formadas por series de pequeños rombos, posible representación de un collar.
Los hombros son redondeados, y lleva en el izquierdo una mancha bien
notable de color azul-verdoso. Este color no se encuentra en piezas pre-
colombinas del N.O.A. y creo que tampoco se lo halla en el Area Central
Andina. Los brazos se desprenden del hombro y están flexionados a la altura
del codo, de manera que el antebrazo se dirige hacia arriba. El brazo derecho
está mutilado pero pudo encontrarse completo, pues en el lugar de la frac-
tura hay restos de mástic. El único brazo provisto de mano lleva cuatro
3 En el momento de escribir estas líneas (1980) tenemos, por razones impuestas pol-
la dictatura militar que domina la Argentina, vedado nuestro acceso al Museo de
La Plata, y al mismo tiempo a gran parte de las instituciones que podrían haber
colaborado, en nuestro país, en esta expertización.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
223
dedos tallados. Sobre ambos brazos se prolonga la línea de pintura verdosa.
El pecho y gran parte del cuerpo están pintados de rojo. No tiene indicación
de sexo.
Las piernas son muy delgadas y largas, terminando en puntas aguzadas.
Presentan en su extremo distal una coloración oscura.
En el reverso se observan en la cabeza restos de color rojo y sobre los
hombros la línea ancha de pintura verdosa y luego hacia abajo, está pintada
de color rojo descolorido.
La pieza lleva un agujero en cada hombro y en cada ángulo cefálico su-
perior.
En el cuello y en la parte alta de la cabeza, donde el pulido no hizo de-
saparecer las huellas del tallado, se notan claramente los cortes de un instru-
mento muy filoso, seguramente de metal, que se utilizó en la tarea de dar
forma al bloque original de madera. En otras partes, el alisado o pulido final
borró esas huellas.
Fig. l;c. yd. V C — 4847 (1718)
En el catálogo del Museo junto con el número se lee: “Grabpfahl aus Holz;
Tucumán. Slg. Zavaleta; 685/06”. Como detalle adicional figura en el catá-
logo escrito con lápiz “moderner” (?) (Boman). La pieza debió ingresar al
Museo junto con el resto de la colección en 1906. En la ficha correspondiente
figura como procedencia “Los Quilmes, Amaicha, Tucumán”. No cabe duda
de que la inscripción “Grabpfahl aus Holz” (Palo funerario o indicador de
tumba) es una calificación arbitraria colocada en la época en que la pieza
ingresó al Museo.
El alto máximo de esta pieza es de 86 cm., y el ancho máximo, hacia el
centro de la cabeza, 9,2 cm.; el espesor 2 cm.
La cabeza tiene forma rectangular, curva en el borde superior; está pintada
en el anverso de negro hasta el límite de los ojos. En el reverso la cabeza y
el cuello están pintados de rojo. La nariz, como en el caso anterior, es de
dorso muy recto, en relieve, y forma en la unión de su borde inferior con el
plano facial un ángulo agudo; lleva sobre el dorso huellas borrosas de pintura
azul. Los ojos son pequeños, rectangulares, miden 7 mm. de ancho. No son
visibles en la fotografía. La boca es igualmente, muy pequeña. Hacia el
centro des rostro, lo que correspondería a las mejillas, lleva una línea negra
o roja decolorada, que atraviesa la cara transversalmente. Se asemeja en esto
a las figuras que siguen en la descripción.
224
Gonzalez, Nota sobre Religion y Culto
El cuello es desproporcionadamente largo, rectangular; lleva una serie de
puntos que forman líneas transversales, borrosas, que posiblemente indican
un collar. Los hombros apenas sobresalen del cuerpo y de ellos penden hacia
abajo, en ángulo recto, los brazos extremadamente cortos, rematan en ma-
nos que llevan tres dedos tallados. Entre ambos brazos, en lo que corres-
ponde al pecho, aparece una banda borrosa de color verde claro, la que con-
tinúa en el reverso de la figura. El cuerpo, desde los brazos al pubis, está
pintado de color rojo intenso. Las piernas, delgadas, sin indicaciones de pies
son iguales a las de la Figura 1, a.; sus extremos están ennegrecidos y man-
chados en la mitad de su largo, dando la impresión de que este espécimen
debió estar enterrado hasta media pierna, cosa que también pudo ocurrir con
el ejemplar antes descripto.
El reverso o cara posterior de esta pieza es liso y lleva pintado a partir de
los hombros dos líneas onduladas o quebradas, una negra y otra roja, que se
prolongan, la negra sobre la pierna izquierda, y la roja sobre la derecha.
No existe indicación de sexo. Lleva un agujero pequeño en cada uno de los
ángulos superiores de la cabeza y en ambos hombros. Sobre los hombros
pueden observarse restos de pintura azul-verdosa.
La talla de este ejemplar debió hacerse con un instrumento de mucho filo a
juzgar por las huellas remanentes; fue terminado alisándolo cuidadosamente.
Fig. 2; a—b: V C 4849 (1719) y c—d: V C 4850 (1730).
Estos dos especímenes son casi idénticos, varían en detalles mínimos y en
el grado en que se ha decolorado o borrado la pintura de superficie. El ca-
rácter antropomorfo puede deducirse por detalles del rostro, pero el grado
de simplificación es extremo, habiéndose eliminado toda representación de
extremidades, formando cuello y cuerpo un todo continuo.
La forma de ambas piezas es triangular y muy alargada, cuya base, que
correspondería a la parte alta de la cabeza, es curva, y el extremo opuesto,
correspondiente a las’ piernas, muy aguzado. La cabeza, hasta la línea de los
ojos está pintada de negro; estos son muy pequeños. La nariz, en relieve, es
rectilínea. Sobre las mejillas y todo el rostro debió existir una capa de color
verde malaquita, actualmente borrada en su mayor parte. En cada mejilla,
paralela a la nariz, hay una línea algo más ancha que ésta, pintada en negro.
Otra línea de igual color y ancho es transversal y perpendicular a la línea
nasal. Sobre la zona que correspondería al cuello, se encuentra una línea for-
mada por pequeños rombos en negro, que deben representar un collar. De
estos rombos, salen en forma irregular hacia abajo, dos líneas oscuras.
226
Gonzalez, Nota sobre Religion y Culto
La pieza de la Fig. 2, a y b, lleva el número V C 4849 (1719). La ficha cor-
respondiente dice: “Acten No. 685/06. Los Quilmes, Amaicha, Tucumán”
(colección Zavaleta) y luego lleva la misma inscripción que las anteriores.
Mide 66 cm. de alto, 9,4 cm. de ancho y 2,5 cm. de espesor.
Se trata de una pieza bien alisada, con ojos rectangulares, pequeños de
8 mm. de ancho, los que aparecen en negativo dentro de la pintura negra de
la parte alta de la cara. En el borde del ojo derecho hay restos de pintura
azulverdosa. La nariz, muy afilada, es igual a la de las otras piezas. El extremo
inferior está decolorado, lo que sugiere pudo estar enterrada, lo que probaría
que los agujeros cefálicos sirvieron a otros fines diferentes que el de mantener
la pieza suspendida mediante hilos o cuerdecitas. Lleva tres o cuatro líneas
como “chorreadas” de las que dos se ven en la fotografía.
El espécimen de la figura 2, c, d, lleva el número V C 4850 (1730) y la
ficha dice: “Acten No. 685/06, Fuerte del Rodeo, Tacuil, Molinos, Salta” y
agrega “dudosa”. Queda, entonces en claro que Zavaleta dió dos lugares dis-
tintos sobre las procedencias de estas piezas. En este caso figura también la
inscripción “moderner”, debida al parecer a Boman.
Este ejemplar mide 67 cm. de alto, 9,3 cm. de ancho máximo y como las
anteriores es una tabla plana y pulida de 2 cm. de espesor. Sus ojos son muy
pequeños, ovales, y miden 6 mm. de ancho. Sobre la mejilla tuvo un diseño
vertical escalonado, a juzgar por los restos que quedan sobre el lado derecho.
No se observa boca. El dorso de la figura es de color rojo intenso. El extremo
cefálico está descolorido por haber estado sometido a la acción de agentes
naturales, que lavaron por completo la pintura original, lo que sugiere que la
pieza estuvo al descubierto por algún tiempo. Presenta manchas de pintura
como una chorreadura bien notable, la que podría imitar, con pintura, el
asperjado ritual de sangre.
A pesar de la indicación o sugerencia de Boman, según la inscripción del
catálogo que hemos transcripto, y aún sin descartar su posible cronología
post-hispánica, nosotros no dejamos de apreciar el alto interés de estas pie-
zas. De allí las notas y fotografías que tomamos en el Museo de Berlín en
nuestra primera visita. Si bien las distintas procedencias que se atribuían a
estos especímenes contribuían a complicar el problema. No dudábamos — por
lo excepcional del hallazgo y la similitud que guardan entre sí — que las
piezas debieron ser halladas todas en el mismo lugar o muy cerca unas de
otras y aún podían ser el producto de la misma mano artesanal. Pero carecía-
mos de argumentos valederos, fuera de la pura inferencia intuitiva. La ca-
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
227
sualidad quiso que seis años después de nuestra visita al Museo de Berlín
pudiéramos confirmar nuestras sospechas.
1.2. Origen y colección.
Con motivo de reunirse en Septiembre de 1973 en Chicago, E.E.U.U., el
IX Congreso Internacional de Ciencias Etnológicas y Antropológicas, fuimos
invitados por sus organizadores a concurrir al mismo. Aprovechamos nuestra
estada en esa ciudad, para, de acuerdo con una norma que nos habíamos
impuesto desde hace años, revisar y documentar las colecciones arqueológicas
argentinas que allí pudieran encontrarse. Así en el Field Museum of Natural
History, supimos se guardaba excelente material arqueológico del N.O.A. de
la colección Zavaleta. El Dr. Donald Collier, jefe, entonces, de la División
de Arqueología Sudamericana, nos permitió, con toda deferencia, no sólo el
acceso a las colecciones y la posibilidad de fotografiarlas, sino que también
puso a nuestra disposición documentos e informaciones que acompañan a
esas colecciones. Entre estos documentos figura un álbum con fotografías de
sitios y hallazgos, aunque sin indicación de los nombres o situación de esos
sitios. Con toda probabilidad,, esta fué una actitud preconcebida del vende-
dor. Cual no sería nuestra sorpresa, cuando en este álbum encontramos una
fotografía donde el conocido “huaquero” mostraba nada menos que las
cuatro piezas talladas en madera, que nos llamaron la atención seis años antes
en el Museo de Berlín (¡)
La fotografía en cuestión, que reproducimos en nuestra Fig. 3, debió ser
tomada en el terreno immediatamente después de realizado el hallazgo, así lo
sugieren los dos peones provistos de pala que acompañan al “huaquero” jefe.
A su lado aparecen también, reunidas en un haz, una serie de “varillas” del-
gadas, de función desconocida y, seguramente, producto del misma hallazgo.
Ante esta evidencia quedaban ahora pocas dudas que las piezas tuvieron una
sola procedencia. Las posibilidades de ser éste un auténtico hallazgo arqueo-
lógico aumentaron considerablemente. Zavaleta dió al Museo de Berlín dos
procedencias distintas, debido, probablemente, a su deseo de preservar para
sí los lugares de origen de sus saqueos y despistar a los estudiosos. La cir-
cunstancia que tampoco la fotografía tiene indicación del lugar donde fué
tomada, corrobora esta inducción ya que se trataba de alguien cuyo único
interés era el comercio de especímenes arqueológicos, base de su fortuna per-
sonal, hecho agravado por las circunstancias de ser Zavaleta comisario de
policía de una de las localidades del valle.
El lugar exacto donde se encontaron las figuras de madera es, de cualquier
manera, muy difícil de ubicar a ciencia cierta. Por referencias de Quiroga
228
Gonzalez, Nota sobre Religion y Culto
Fig. 3: El “huaquero” Zavaleta, posando con las figuras de madera objeto de este
artículo. Fotografía del álbum que acompañaba a la colección vendida por Zavaleta
al Field Museum of Natural History de Chicago, lll. E. E. U. U. Atención del Dr.
Donald Collier. Field Museum, negativo no. 32822.
(Quiroga, 1896; pp. 179) sabemos que Zavaleta excavó entre otras localidades
en Tafí, Amaicha, Colalao, Cafayate, San Carlos, Molinos, Chiquimíl, Cachi,
Tolombón y Quilmes. Además en una de las fotografías del álbum nosotros
creemos reconocer las grandes “cólicas” circulares incaicas de las ruinas del
Potrero de Payogasta, en la localidad de este nombre en la provincia de
Salta. Vale decir que las depredaciones de Zavaleta habrían abarcado casi
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
229
todo el valle Calchaquí, el valle de Tafí y buena parte del de Yocavil. El
mayor número de objetos habrían sido encontrados en las tres primeras lo-
calidades antes mencionadas, es decir del territorio de la provincia de Tucu-
mán. Podría especularse que los especímenes a que nos estamos refiriendo
procederían de alguna de esas localidades. Quizás algunas otras referencias
apoyarían esta posibilidad.
La colección Zavaleta tenía en la época en que Quiroga escribe su artículo
(1896) 1.800 objetos, los que debieron aumentar sin duda por millares cada
año. La colección, por lo que sabemos, se dividió en tres partes principales4.
Una parte pasó en 1906 al Museo de Berlín, en Dahlem, donde la vió Boman,
según las anotaciones del catálogo. Posteriormente fueron examinadas por
Debenedetti. Otra parte fue exhibida en la Exposición Mundial de San Luis
(Missouri), E.E.U.U., en 1904. Comprendía la friolera de 4.500 ejemplares
(Compárese con las 1.800 piezas vistas por Quiroga). Como en la Exposición
hubo un pabellón argentino es de suponer que la colección fue llevada a los
E.E.U.U. con el auspicio oficial, lo que no impidió a Zavaleta suscribir con
fecha 14 de Octubre de ese mismo año un contrato con el Field Museum,
por la venta de su colección en la suma de 17.000 dólares. Una verdadera
fortuna para su época. Una tercera parte de la colección ingresó al Museo
Nacional Bernardino Rivadavia y cuando las autoridades de turno resol-
vieron eliminar del mismo a la sección Arqueología, ésta pasó a engrosar los
depósitos del Museo Etnográfico de la Facultad de Filosofía y Letras de la
Universidad de Buenos Aires.
1.3. Conservación.
La conservación de los cuatro especímenes es perfecta. Salvo el proceso de
eliminación de parte de la pintura, sobre todo la de color verde y de la im-
pregnación de manchas de los extremos distales, el resto de las piezas se con-
serva intacto. La madera presenta una textura firme, la superficie se halla
muy bien pulida, lisa, sin restos de polilla o cualquier otro deterioro.
No hay duda de que la buena conservación de los especímenes gravitó
sobre la opinión de Boman, quien al parecer colocó en el catálogo la designa-
ción “reciente” (moderner) aunque señalando su duda con un interrogante.
No creemos que el criterio de conservación pueda ser utilizado como ele-
mento diagnóstico temporal de valor. Nosotros hemos reproducido un pe-
queño canasto del Período Tardío o Medio, hallado en el valle Calchaquí, de
conservación perfecta (González, 1977; Fig. 266) y en las cavernas de Las
Pirguas hemos encontrado varios canastos de la cultura Candelaria, fechados
230
Gonzalez, Nota sobre Religion y Culto
entre el 500—550 AD con el mismo excelente estado de conservación. Las
figuras de madera debieron hallarse en las proximidades o en el mismo sitio
donde se tomó la fotografía de la Fig. 3. Esta muestra en el último plano
una pared de roca. No sería difícil, entonces, que el hallazgo se hiciera en
una especie de alero o abrigo que contribuyó a la preservación de las piezas.
Quizás estos especímenes estuvieron originalmente vestidos o llevaron
adormos de pluma en la cabeza, los que pudieron sujetarse mediante cordeles
que pasaban por los agujeros superiores de los hombros y el extremo cefálico.
Es difícil imaginar otra función para esos agujeros salvo que se los hubiera
usado para colgar las piezas de alguna manera, hipótesis que se contrapone
con la coloración oscura de las extremidades inferiores, que sugiere que se
las usó enterradas por el extremo inferior, a fin de mantenerlas en pié.
1.4. Comparación.
Estas son las únicas figuras antropomorfas de madera policromada que co-
nocemos en la arqueología del N.O.A. Sin embargo, otros ejemplares antro-
pomorfos han sido hallados en las investigaciones arqueológicas y descriptos
en la literatura. Es posible que en las colecciones de distintos Museos se hallen
otros ejemplares inéditos, pero una revisión museística sistemática está, por
el momento, fuera de nuestras posibilidades.
Una pieza antropomorfa de madera, por desgracia en muy mal estado de
conservación, fué hallada por Ambrosetti en la tumba No. 72 de La Paya.
Esta tumba a pesar de corresponder al Período Imperial de este sitio sólo
contenía objetos de madera. La tumba debió pertenecer, según su descubri-
dor, opinión que compartimos, a “. . . un personaje dedicado al culto á juzgar
por los objetos que lo acompañaban” (Ambrosetti, 1907; pp. 144). Junto con
la figura de madera aparecieron palillos y tablillas de función desconocida,
restos de un tambor de madera, una serie de seis cascabeles de nueces, y un
kero de madera policromada.
La figura antropomorfa mide 23 cm. de largo. Se trata, solamente, de restos
de la cabeza, del cuello y de parte del cuerpo. El contorno simplificado de la
figura, el tratamiento de la nariz y del rostro se asemejan al de nuestras
4 No pudimos consultar el catálogo de la colección Zavaleta que se guarda en la
biblioteca del Museo Etnográfico (Moreno-350) de la Universidad de Buenos Aires,
por las interminables restricciones de toda índole impuestas por las actuales auto-
ridades de esa casa, a cargo del Dr. Jean Vellard, a investigadores y estudiantes.
Cualquiera que haya concurrido a dicho establecimiento en estos últimos años
(1976—1980) dará fé sobre esta afirmación.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
231
figuras de mayor tamaño (Fig. 1, a, b), pero se diferencia por completo de
ellas, en que esta figura de La Paya es bifronte, pues en cada cara plana de la
pieza se encuentra un rostro, al igual de lo que occurre con las urnas antro-
pomorfas del Período Tardío. Otro rasgo diferencial es que las figuras de La
Paya llevan los ojos incrustados de cuentas de malaquita. La parafernalia de
los cascabeles y el tambor creo que señalan claramente la función de shamán,
que debió ejercer el usuario del sepulcro, shamán que debió pertenecer a las
etnías locales pese al kero de madera. La figura antropomorfa debió jugar un
rol importante en el culto y en el ritual que este personaje administraba.
Otras dos figuras antropomorfas de madera fueron halladas también en
otros sepulcros de La Paya. Ambas son femeninas, que al igual a otros es-
pecímenes hallados en los valles calchaquíes, tienen una mano dirigida al
mentón o a la boca y la otra hacia los genitales (Ambrosetti, Op. cit.; pp.
491). Este tipo de figura es muy distinto al aquí descripto, nosotros hemos
reproducido un ejemplar de 9,4 cm. de alto perteneciente a este grupo (Gon-
zález, 1977; Fig. 311).
En los yacimientos de la Quebrada de Humahuaca se han hallado, también,
figuras antropomorfas de madera. Procedente de Angosto Chico, Casanova
menciona . . varias figuras antropomorfas de cabezas triangulares u ovales,
con ojos y nariz bien marcados faltando, a veces, la boca. El cuerpo es rect-
angular, presentando frecuentemente dos pequeños agujeros debajo de los
hombros que debieron servir para pasar un cordelillo y llevarlas suspendidas”
(Casanova, 1942 a; pp. 83, Lam. VIII). Excepto por la simplificación extrema,
los detalles de estas figuras, como el tamaño, forma del contorno cefálico, re-
presentación de brazos, las apartan de las aquí descriptas. El yacimiento en que
fueron halladas se ubica en el Período Tardío de la Quebrada.
En el Pucará de Hornillos el mismo autor encontró otras dos figuras antro-
pomorfas de madera (Casanova, 1942 b; pp. 261), muy semejantes a la citada
anteriormente. Por contraste con las informaciones sobre asociación de hal-
lazgos que brinda Ambrosetti, en los tiltimos trabajos mencionados es im-
posible establecer asociaciones de ninguna clase.
Dos pequeñas figuras antropomorfas de madera fueron encontradas en
Tastil. Miden 9,5 y 11,3 cm. Una lleva perforaciones en los hombros al igual
que las piezas de la Quebrada. Otra (No. 37) presenta en la reproducción
fotográfica (Figs. 55 y 56) manchas blancas en los ojos y el pecho (Cigliano,
1973; pp. 172, 180, 181, 203). Las asociaciones se hacen en un caso (No. 37)
con “. . . tres mandíbulas (de adultos?), restos de huesos largos, un tubo de
232
Gonzalez, Nota sobre Religion y Culto
hueso . . (Op. cit.: pp. 101). Una de las figuras pudo ser parte de un peine.
El contexto pertenece a la cultura Tastil, del Período Tardío.
En el Norte de Chile, en la zona Atacameña, se han hallado figuras antro-
pomorfas de madera en el área del Loa. Ryden ha dado a conocer tres ejem-
plares (Ryden 1944; pp. 201, Fig. 120). Dos de ellas son claramente femeninas,
están provistas de largas trenzas bilaterales y de rasgos faciales en relieve.
Otro ejemplar (Fig. 120, a) lleva agujeros que a juzgar por el marcado des-
gaste de los bordes indicarían una prolongada utilización mientras estaban
suspendidas mediante un cordel. Este ejemplar lleva en sus manos la represen-
tación de un objeto rectangular no identificado.
Ryden, siguiendo a Latcham, califica a estas figuras como muñecas, según
una referencia etnohistórica sobre los Changos (Ryden, Op. cit.; pp. 202).
Latcham menciona haber encontrado especímenes semejantes en Pisagua,
Chiu-Chiu, y Quillagua, de los que reproduce dos ejemplares. Un ejemplar
femenino lleva el brazo flexionado sobre el pecho y al igual que el reprodu-
cido por Ryden, parece haber estado suspendido y largamente utilizado
(Latcham, 1938; pp. 150, Fig. 51). También menciona dos ejemplares proce-
dentes de Antofagasta.
Del extremo Norte, Dauelsberg reproduce dos ejemplares de figuras antro-
pomorfas de madera, una de ellas de 21,5 cm de alto, es de la época Colonial
temprana y parece reproducir una imagen cristiana. Otra hallada en Playa
Miller, pertenece a la fase Gentilar, mide 14,5 cm de alto (Dauelsberg, 1972;
pp. 168, Fig. 4).
De este corto resumen se deduce que las piezas antropomorfas conocidas
pertencen, tanto en territorio Chileno como en Argentina, al Período Tardío
y que las formas más comunes son muy distintas, en forma, detalles, y tama-
ño a las aquí descriptas. Un detalle en común lo darían los agujeros en los
ángulos cefálicos y en los hombros. En algunos casos esos agujeros proporcio-
nan evidencias de prolongado uso, hecho que conspira, creemos, con la inter-
pretación de que se trata de muñecas.
1.5. Contexto y cronología.
Carecemos de pruebas directas que nos permitan ubicar las piezas aquí des-
criptas en un contexto cultural determinado. Ya vimos que la única asocia-
ción arquelógica presumible es el haz de “varillas” o astiles que aparece en la
fotografía reproducida en la Fig. 3. Por otra parte las diferencias tipológicas
con las piezas publicadas por otros autores no permiten tampoco ninguna
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
233
deducción de carácter contextual. De esta manera sólo algunos detalles es-
tilísticos nos pueden orientar en esta búsqueda. En efecto, uno de los rasgos
más notables de una de las piezas aquí descriptas (Fig. 1, a, b) es el de las pin-
turas faciales que ostenta, formadas por escalonados en color negro y rojo
contrapuestos. Este motivo aparece con gran frecuencia en la alfarería santa-
mariana y aún específicamente en el rostro de figuras antropomorfas. Entre
estas últimas, Krapovickas ha descripto una interesante pieza en la que una
línea negra divide la cara de la figura modelada, pasando algo por debajo
de la nariz, tal como ocurre en tres de nuestros ejemplares. Por otra parte
y al igual que lo que ocurre en las piezas No. 1717 y 1730, encontramos en
ese espécimen cada mejilla decorada con motivos escalonados pintados en
negro sobre el fondo blanquecino del vaso (Krapovickas, 1961; pp. 89). La
diferencia radica en que los escalonados son aquí campos llenos y verticales,
mientras en nuestra pieza los escalonados son horizontales, y el fondo no es
blanquecino sino verdoso. Otra similitud, pero de carácter muy general y,
por lo tanto de escaso valor comparativo, es la presencia de collares en una
y otra pieza, si bien en el ejemplar del Museo de Tucumán, ese collar remata
en un pectoral de contorno circular.
Difícilmente puede dudarse que la pieza descripta por Krapovickas per-
tenece a la cultura Santamariana, lo mismo que la urna Quiroga. No sería,
por lo tanto muy difícil que la pieza aquí reproducida pertenezca a la misma
cultura aunque a una fase muy tardía de la misma. Por otra parte es muy
posible que los ejemplares del Museo de Berlín procedan del valle Calchaquí
o Yocavil, es decir del centro geográfico de la cultura Santamariana, hecho
que afianzaría considerablemente su pertenencia a ese contexto. La fase más
reciente de la cultura Santamariana es la que recibió el impacto de la cultura
hispánica. Pero por entonces, ya había sufrido este pueblo, por lo menos
tres cuartos de siglo de influencia incaica, la que no llegó, sin embargo, a mo-
dificar sustantialmente los patrones culturales locales, sobre todo en lo refe-
rente a lengua y religión (González, 1980). Por lo tanto es importante realizar
una rápida revisión de las informaciones suministradas por las crónicas para
luego relacionar sus resultados con los datos sobre los patrones sociopolíticos
con los que, el tema religión, tiene estrechas relaciones estructurales.
2. INFORMACION ETNOHISTORICA.
2.1. Generalidades.
Es muy escasa la información sobre religión y culto de los pueblos históri-
cos del N.O.A. que encontramos en las síntesis etnográficas conocidas (Már-
234
Gonzalez, Nota sobre Religion y Culto
quez Miranda, 1946; Serrano, 1947; Canals Frau, 1953 pp. 483). Uno de los
problemas que presentan estas síntesis es que no se atienen exclusivamente a
las fuentes etnohistóricas sino que mezclan la información documental con
los datos arqueológicos pertenecientes a diferentes épocas y culturas, algunas
de ellas alejadas por muchas centurias del momento de la conquista. Faltan
estudios sistemáticos y críticos sobre el tema religión prehispánica y este
artículo sólo pretende esbozar su compleja problemática esperando que sea
retomado a fondo por la joven generación de investigadores.
Examinaremos algunas crónicas, la mayoría de las cuales son conocidas,
pero a las que se han agregado en los últimos años algunas otras. No hay
duda de que todas esas fuentes pueden proporcionar información útil de los
Períodos Fíispano-Indígena, Imperial y aún Tardío. En lo que respecta a los
Períodos Temprano y Medio, la información tiene que basarse fundamental-
mente en la arqueología.
Por supuesto que se impone, desde el comienzo y dentro de lo posible,
discriminar qué es lo realmente autóctono o local y qué es lo de origen in-
caico. Dado este primer paso fundamental el problema de la evolución y
cambio religioso en los pueblos del N.O.A. debe ser planteado en profundidad
temporal según las evidencias de algunos indicadores, relacionándolo con la
totalidad del proceso cultural, tal como lo hemos y intentado con la tecno-
logía metalúrgica (González, 1979). En este caso, un ejemplo muy illustrativo
lo proporcionan las placas metálicas5 de indudable función cúltico-religiosa
y en cuyas series iconográficas se puede establecer un cierto grado de con-
tinuidad y de cambio en las ideas fundamentales que originan sus represen-
taciones, en una secuencia que abarca 1.500 años. Con estas bases estaremos
más cerca de poder elaborar una “arqueología explicativa” de lo que nos
encontramos ahora. Esto si es que realmente podemos encontrar exclusiva-
mente, con ayuda de la arqueología, una explicación causal de los hechos
culturales.
2.2. Valle Calchaquí
2.2.1. “Idolos, varillas y templos”.
Analizaremos en distintas fuentes etnohistóricas lo referente a la religión
y culto de los pueblos autóctonos del valle Calchaquí, y aledaños, colocando
5 Un extenso trabajo sobre el tema fue presentado en la sección Metalurgia del
X Congreso de la Unión Internacional de Ciencias Antropológicas, reunido en la
ciudad de México en Octubre de 1981 (González, M. S., 1981)
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
235
las informaciones en orden corrido, para finalmente, hacer una valoración
etnográfica de las mismas.
Una de las primeras informaciones sobre religión y culto de los pueblos
del valle Calchaquí se debe a Sotelo de Narváez, quien en su bien conocida
Relación de 1583 al referirse a los habitantes del valle Calchaquí puntualiza
. . saben servir como los del Perú, y es gente de tanta razón como ellos.
Tratan en idolatrías y ritos; tienen maneras de vivir como los del Perú”
(subrayado nuestro) (Sotelo de Narváez, 1965; pp. 390 y 393). La referencia,
como puede apreciarse es muy escueta y se refiere en general a las proba-
ciones del valle y no a un grupo específico. De cualquier manera la informa-
ción es importante pues Sotelo fue un testigo conocedor de la zona y buen
observador como puede apreciarse en el resto de su famosa Relación. Otro
detalle para ser tenido en cuenta es que Sotelo hace una clara distinción
entre los pueblos de las provincias de Tucumán, es decir la actual provincia
de ese nombre y aledaños y en general de los pueblos selvícolas al oriente de
los Andes, y las problaciones del valle Calchaquí. Al referirse a los primeros
dice en marcado contraste: “Los indios destas provincias (del Tucumán)
es gente humilde, idólatras de idolatrías no intrincadas” (subrayado nuestro)
(Op. cit., pp. 390); coincide aquí en un todo con la información que cerca
de treinta años antes nos dejara Bibar referente a los pueblos de Santiago del
Estero, la que veremos más adelante. No hay que olvidar que Sotelo residía
en Santiago y allí escribe su Relación.
Muy importantes testimonios directos son los dejados en las Cartas Anuas
por los jesuítas evangelizadores del valle Calchaquí, pues ellos conocieron,
directamente, tratando de convertirlos al cristianismo, a numerosos pueblos
del valle. Una de estas Cartas, quizás la más difundida, es la cuarta Carta del
Padre Diego de Torres, escrita en Santiago de Chile pero que se refiere a
sucesos del valle Calchaquí en 1612. En esta Carta se incluyen párrafos de
una Carta anterior del P. Juan Darío quien, al pasar, hace referencia a la
religión y culto de los habitantes del valle Calchaquí, diciendo . . quemá-
rnosle algunos Idol ([y]) (y) (Hos), de Varyllas y Plumas con mucho senti-
miento de ellos, y el Curacalohizo mui bien Porq’ acoto no se conquantos
yndios y Con Voz alta dixo . . .” (Diego de Torres, XIX, 1927; pp. 199). Más
adelante agrega “. . . en el camino ser(r)ca de Lunacatao (Luracatao) derriba-
mos una Piedra blancagrande, q era muchadero6 mui antiguo deellos co sus
6 Este término se menciona con frecuencia en las crónicas peruanas: “Medraban es
palabra Kedrwa castellanizada, viene de muchay o mucha, que significa ‘beso’. Y del
vocablo mucha se deriva muchani, que quiere decir ‘adorar, reverenciar, rogar,
2 Baessler-Archiv XXXI
236
Gonzalez, Nota sobre Religion y Culto
Varas y Plumas . . (Op. cit., pp. 199) y en otro párrafo dice, además:
. . pero fue particulas loq me sucedió en Tucumanagao7 adoquemas Una
cassa o mochadero famoso q estava puesto muy defiesta q nunca he visto
otro también aderezado y con el mochadero quemamos muchísimas Varillas
con sus plumas, y tengo guardados unos ydolillos para mostrar a los señores
Obispos, y Gobernador; lo hecho aprouecho mucho, porq corrida Voz q los
pes uenian resuelto de quemar los ydolos” (Op. cit.; pp. 200).
La referencia no deja lugar a dudas sobre la frecuencia en el culto de las
“varillas y plumas” y también la existencia de casas especiales (mochaderos)
donde se guardaban las “varillas con sus plumas”. También queda implícita
la frecuencia de estas casas en la expresión “. . . q nunca he visto otro tam-
bién aderezado . . .”. Por desgracia, no es posible sacar ninguna conclusión
sobre la naturaleza de los “ydolillos” guardados por el Padre.
Otra referencia confirmatoria sobre las “casas de ydolos” se encuentra en
otra carta anua donde un Curaca “. . . quemó antes del bautismo, con sus
propias manos una casa que tenía de ydolos, y otras se han quemado con
mucho sentimiento de los biejos . . .” (Tercera Carta Anua del P. Diego de
Torres [XIX; 1927, pp. 96]).
En una carta, en la que se hace también referencia a la acción de los mi-
sioneros en “los diaguitas” volvemos a encontrar datos similares: “. . . y to-
honrar, venerar’, según González Holguin. Conviene advertir que mucha, propia-
mente no era la acción de pegar los labios al objeto venerado con breves, repetidas
absorciones, era el beso al aire, muy repetido solamente, próximo y en dirección al
ídolo o a la persona adorada.” (Nota 31, pp. 35, de Francisco Loayza; en Molina:
“Fábula y ritos de los Incas”. Molina, 1953).
Murúa dice textualmente “Finalmente, adoran cualesquiera otros mochaderos de
piedras donde hayan haberse hechado piedras, coca, maíz, sogas, trapos y otras
cosas diferentes; y en algunas partes de los llanos aún hay esto hoy en día entre
los yungas, especialmente en los antis y otros indios que viven en tierra donde hay
montañas” (Murúa, 1946; pp. 164). Como puede verse el término tiene una conno-
tación muy amplia.
7 En el Noroeste Argentino hay por lo menos una media docena de lugares o pobla-
ciones denominadas Tucumanao. Nosotros conocemos cerca de Hualfín (Belén,
Catamarca) una quebrada de este nombre que no figura como tal en las cartas
geográficas corrientes. Otra localidad homónima estaba en el valle Calchaquí y
figura repetidas veces en las crónicas (Levillier, 1926; I; pp. 316). Según un docu-
mento de 1659, Tucumanao estaba donde se levanta actualmente la población de
San Carlos (Piosek Prebisch, 1976; pp. 146). Reyes Gajardo lo coloca cerca del
actual dique de Los Sauces. Su información sobre Tucumanao es muy completa
(Reyes Gajardo, 1958; pp. 41 y ss.). Fortuny lo ubica al Norte, cerca de Santa
Rosa, entre esta localidad y Angastaco (Fortuny, 1972; pp. 28).
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
237
paron (los misioneros) dos mochaderos queson donde los ydolatras offrecen
algunos dones asus ydolos. para alcanzar dellos buen Viaje ypara otros fi-
nes . . .” (Carta del P. Diego de Torres, 1927; XIX, pp. 519).
Puede observarse, al comparar las differentes citas que el término mocha-
dero no es siempre una “casa de ídolos” sino lugares de distinta naturaleza,
según la definición variada del término, tal como lo transcribimos en la
nota 6. En un expediente del Obispo Cortázar en el que se refiere a su visita
al valle Calchaquí podemos encontrar la referencia de que los indígenas
. . son ydolatras ynfieles y como tales viuen en sus ritos suerticiones y cere-
monias gentílicas y tienen sus casas de ydolos donde el demonio abla con
ellos . . (en Levillier, 1926; pp. 325).
Lozano al referirse a los Calchaquíes dice: “. . . Adoraban al trueno, y al
rayo, á quien tenían dedicadas unas casas pequeñas, en cuya circunferencia
interior clavaban varas rociadas con sangre de carnero de la tierra, y vestidas
de plumage de varios colores, á los cuales por persuación del padre de la
mentira atribuían virtud de darles cuanto poseían. No adoraban solas estas
deidades en aquellos sus Tiempos, pues rendían culto también en ellos á
otros ydolos, que llamaban CAILLES, cuyas Imágenes labradas en láminas
de cobre traían consigo, y eran las joyas de su mayor aprecio; y así dichas
láminas, como las veritas emplumadas, las ponían con grandes super-
ticiones en sus casas, en sus sementeras, y en sus Pueblos, creyendo
firmemente, que con estos instrumentos vinculaban á aquellos sitios la
felicidad, sobre que decían notables desvarios, y que era imposible se acer-
cara por allí la piedra, la langosta, la epidemia, ni otra alguna cosa que les
pudiese dañar” (Lozano, 1754, I; pp. 425). Queda en esta cita en claro la
fundamental importancia de las “varillas y plumas” por un lado y de las
placas metálicas por otro, y, al parecer unas y otras eran representaciones de
deidades relacionadas con la lluvia (rayo y trueno) a los que se rendía culto,
llevándolos personalmente o colocándolos en casas y sementeras. Se deduciría
además, de esta cita que sus incipientes templos tenían planta circular. En
otro capítulo de la misma obra, Lozano menciona la existencia de “adora-
torios”, denominados zupca, que significa “lugar de sacrificios” (Lozano,
1755, II; pp. 295, Cap. V). La descripción bien clara de Lozano debió corres-
ponder a una cita de alguno de sus compañeros de la Compañía de Jesús que
catequizaron en el valle Calchaquí. Posiblemente de los PP. Romero y Mon-
toy. En otro escrito del Obispo Cortázar volvemos a hallar mencionadas
prácticas que pueden relacionarse con el ritual del uso de varas. Dice Cortá-
zar: que al llegar a Tolombón encontró que los indígenas “. . . auian hecho
una ramada paxi^a como las demás de los dichos pueblos en forma de yglesia
238
Gonzalez, Nota sobre Religion y Culto
y dos ahogúelas a medio hazer limpio por allí a la redonda como en los de-
más pueblos, para hacer sus danqas y el camino hasta casi una legua adere-
zado y una cruz al parecer recién puesta y la dicha tramada acauda de regar
y a la puerta dos baras incadas como las que acostumbraban poner para ha-
cer arcos y rrama de árboles por allí que significaua era para componerla y
otras haras tendidas en el suelo en otras partes de la dicha forma . . (Le-
villier, I; 1926, pp. 314).
No resulta claro en que consistían estas ramadas. Quizás puede conjetu-
rarse que se trata de las estructuras como aleros o corredores descriptos por
Ambrosetti para Quilmes (Ambrosetti, 1897). Lo importante de la cita es la
repetición del uso de las varas en los aspectos ceremoniales.
De la información que precede pueden sacarse algunas conclusiones de
interés. En primer lugar el uso de “varas” y “varillas” emplumadas, las que
por su frecuencia, por la consternación de los indígenas ante su destrucción,
por guardarse en sitios especiales y por las ofrendas o aspersión de sangre
que recibían, jugaban un rol fundamental en la religión y culto de estos
pueblos. No sabemos con exactitud la forma de esas “varas” y “varillas”
pero en una designación genérica no sería difícil poder incluir en ellas espe-
címenes como los del Museo de Berlín aquí descriptos.
Otro punto de interés es el posible vínculo de “varas” y “varillas” con el
culto de la fertilidad y la lluvia (rayo y trueno) según la cita de Lozano y
también por el hecho de que entre estas prácticas se colocaban estos objetos
en las sementeras.
Ofrendas de sangre y de plumas estuvieron muy extendidas entre los pueb-
los andinos y perduraban en la época incaica. Durante las fiestas que Molina
llama Yahuira y que se celebraban en el mes de julio nos dice que “. . . los
sacerdotes del Hacedor quemaban por la mañana un carnero blanco y maíz
y coca y plumas de pájaros de colores del mullo . . . rogando al Hacedor
diese un buen año . . .” (citado por Millores y Schaedel, 1980; pp. 67) pero es
difícil saber a ciencia cierta hasta que punto corresponde esta información
con las plumas utilizadas en el ritual del N.O.A.
Arriaga y Villagomes mencionan ofrendas de plumas de flamenco y otras
aves también en la época incaica y aún se siguen usando las plumas de fla-
menco en el curso de fiestas primaverales que se realizan actualmente en la
puna de Jujuy (Mariscotti, 1978; pp. 82 y 109).
Un segundo punto muy importante es la mención repetida de casas de
ídolos o adoración. No sabemos si estas casas se diferenciaban por su arqui-
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
239
tectura o eran iguales a las viviendas comunes. Cumplían sí, con una fun-
ción propia, la de contener a las varillas y plumas y servir de sede para el
ritual según se desprende de la información transcripta. Es decir, no hay
duda de que fueron formas elementales de templos. Ahora bien, debemos
ser muy cautos en la interpretación pues la distinción entre templo y simple
lugar de culto, permanente o circunstancial al aire libre, puede ser objeto
de confusión cuando los cronistas utilizan el término “mochadero” en forma
indiscriminada. Con la definición que nos brinda Murúa, queda en claro la
gran amplitud con que se usa el término mochadero. Por eso eran mocha-
deros tanto una casa, como una piedra blanca grande, seguramente una
especie de estela que en nuestra arqueología hemos llamado menhires y al
que se refiere el P. Darío.
La arqueología del Período Tardío no ha llegado a identificar ninguna
estructura arquitectónica que se distinga netamente del resto de los asenta-
mientos y que por sus rasgos pueda clasificarse como templo. Es posible que
excavaciones cuidadosas futuras logren identificar estos mochaderos o templos
incipientes. Aquí queda establecida la necesidad de su búsqueda arqueológica.
Problema que en la práctica nos lo hemos planteado desde hace muchos
años. Su identificación en el Período Tardío resulta difícil, porque al parecer,
la diferenciación arquitectónica no era muy notable. Cosa muy diferente a
la identificación de los centros ceremoniales de los Períodos Temprano y
Medio donde, según veremos, estos están diferenciados en varios casos y en
distintas culturas.
Hay un documento que podría inducir a error sobre lo que precede y nos
marcaría una variante de considerable interés. Se trata de la descripción de
una “huaca” o entierro situada en el pueblo de Quilmes . . fundación an-
tigua de los reyes Incas”8 ”... I en la dicha huaca está llena de estatuas de
indios e indios de cuerpo grande entero, hechas en madera de algarrobo y
muchos carneros de la tierra, cabezas de leones y otros animales destron-
cados de piedra tosca” (Piosseck Prebisch, 1976; pp. 126). Quizás algo del
8 Aunque no puedan utilizarse los datos de Bohorquez será de enorme interés esta-
blecer la relación, magnitud y carácter del asentamiento incaico de Quilmes, sobre
todo para comparar este asentamiento con los sitios del Norte del valle Calchaquí
como La Paya o Potrero de Payogasta. No hay duda que con motivo de las
amplias excavaciones — cuyos resultados esperan ansiosos los arqueólogos — prac-
ticadas al efectuarse las recientes tareas de restauración de la célebre ciudad (1979)
muchos de estos problemas podrían quedar perfectamente aclarados, ya que según
la regla de oro de toda restauración, la investigación científica exhaustiva debe
preceder o ser paralela a aquélla.
240
Gonzalez, Nota sobre Religion y Culto
documento sea utilizable en lo que se refiere al nombre de los caciques y sus
pueblos que se mencionan en otro párrafo, pero en lo referente a lo trans-
cripto la información debe rechazarse por completo, no sólo porque nin-
guna otra fuente lo confirma sino porque la información se debe al más
insigne mentiroso que alguna vez pisara el N.O.A.: el famoso falso Inca Don
Pedro Bohorquez.
2.2.2. Shamanes
Otra conclusión fundamental que puede extraerse de los testimonios pre-
cedentes es la ausencia de toda información a sacerdocio organizado. Pero no
sólo es la información negativa la que define este punto. Hay datos afirma-
tivos que nos permiten inferir que el culto y las prácticas religiosas estaban
en manos de shamanes, que las crónicas individualizaban simplemente como
hechiceros. La intervención de los shamanes para protección de las sementeras
y contra las pestes está también descripta en las crónicas. Así el P. Torre-
blanca escribe en 1656 . . una de las “borracheras” en cuyo transcurso . . .
hechiceros, entre muchachas livianas que se afeitan y adornan a su usanza
les dan música para los convidados . . . , ofreciendo juntamente inmundos
sacrificios al demonio cuya defensa imploran para el resguardo de sus semen-
teras” (Aparicio, 1951; pp. 63).
La intervención de los shamanes en épocas de peste queda también esta-
blecida en el mismo testimonio: “. . . Es costumbre tradicional de estas gen-
tes en los tiempos que la peste más le aflige, concurrir todos a desterrarla
de sus pueblos, que ejecutan con medios nada proporcionados al fin preten-
dido, porque juntos los hechiceros con los indios más graves y ancianos
entran por las casas de los enfermos con ciertas vasijas en las manos en que
recogen sumamente solícitos cuantas inmundicias y asquerosos humores
pueden hallar, y llenos los vasos, en proseción bien poco apacible lo llevan
por los caminos reales hasta parajes muy remotos donde erigen aras a sus
ídolos y entre perfumes y yerbas olorosas que, no sin grande fatiga, acarrean
de las más levantadas cumbres por sierras inaccesibles, las ofrecen con sacri-
ficios a sus dioses declarando con tal acción más que otra cualquier protesta
. . . inmundo en sus deidades a quien suplican rendidos no permita infec-
ciones más la peste a su pueblo. Acabados sus sacrificios con espinosas cam-
broneras atajan las bocas de los caminos, para que, impedido el paso, no se
les vuelva el contagio a casa y con esta diligencia se vuelven al pueblo, a su
parecer seguros, si no encuentran en el camino persona humana, porque
recibiendo de hallarla infausto agüero, ponen en ella las manos y la despojan
crueles de la vida . . .” (Aparicio, Op. cit.; pp. 64).
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
241
Esta información es de algo mas de un siglo posterior a la llegada de los
primeros españoles al valle, pero no hay duda creencias, ideas y rituales de
los aborígenes se mantuvieron junto con la libertad que defendieron con
indiscutible valor y heroísmo. En cuanto al testimonio de Torreblanca, es
muy valioso pues no sólo residió por años en el valle Calchaquí, sino que
dominaba el kakan al grado de servir de intéprete entre los indígenas y el
Gobernador Mercado y Villacorta.
A las informaciones que hemos transcripto es necesario agregar otras, que
nos muestran variantes o aspectos distintos a los conocidos. Así el P. del
Techo afirma que los valles Calchaquíes adoraban al sol como dios principal
y al trueno y relámpago como divinidades menores y también a los árboles
adornados de plumas (Techo, II; pp. 397—398). Es cierto que Techo no
estuvo nunca en el valle Calchaquí, pero escribió en base a documentos de
los compañeros de su orden que recogieron la información de manera directa
y son, por lo tanto, dignos de crédito (Aparicio, 1951; pp. 59).
Ahora bien, la información que nos brinda del Techo no coincide con la
examinada anteriormente. No sabemos exactamente donde fueron recogidas
sus datos, ni quienes los proporcionaron. Pero un detalle importante es que
Techo se está refiriendo a las deidades primarias y secundarias del pantéon
incaico. Se impone, entonces, deslindar que es lo incaico en esas referencias
y que es lo local autóctono, tarea por demás difícil.
Los incas no parece que impusieran totalmente su religión en el N.O.A.,
por lo contrario en general parecieran haber estimulado las prácticas religi-
osas locales, cuando estas no contrariaban la religión imperial. (González, 1980).
De cualquier manera, creemos que el estímulo de los cultos locales fué sólo
una primera etapa sutil de la penetración incaica. Un cierto número de cura-
cas locales y (o) sus hijos debieron ser llevados al Cuzco e iniciados en la
cultura, y por ende en la religión oficial según la práctica del dominio im-
perial. Además un cierto número de servidores escogidos debieron acom-
pañar a aquéllos en el largo viaje. Por otra parte los jesuítas recogen sus in-
formaciones a más de un siglo del pasaje de Almagro y Rojas y de los pri-
meros intentos de colonización. Un buen número de soldados incas debieron
quedar en el N.O.A.9 difundiendo, dentro de ciertos límites, lengua y cre-
encias. En que grado influyó entonces la religión y el culto incaico en las
9 El apellido Inga figura en las crónicas repetidas veces. En Tucumán se cita un
Quispe Titu Inca y hasta un Siche Cañar (¡), seguramente de origen ecuatoriano al
servicio de los incas (Citado por Strube, 1958; pp. 281). Pero ignoramos la época
en que estos personajes se asentran en N.O.A.
242
Gonzalez, Nota sobre Religion y Culto
antiguas prácticas locales no lo sabemos. Quizás podría establecerse — a muy
grandes rasgos — un paralelo con el idioma. Si bien los hombres locales
entendían el quichua, sólo un cierto número de ellos lo hablaban (Balmori,
1959; pp. 590).
La referencia de del Techo sobre el culto heliolátrico se ha pretendido
relacionar con otra del P. Barzana: . . cuando mataban a algún enemigo
le cortaban la cabeza y la mostraban al sol como quien se las ofrecía” (Op.
cit.; pp. 80). Pero el culto de la cabeza trofeo estuvo muy extendido en el
N.O.A. desde el Período Temprano y es mas fácil suponer una perduración
en el tiempo que una práctica introducida en épocas tardías. Por otra parte
la religión solar parece tener raíces muy antiguas en los Andes y aún en el
N.O.A.
De lo que precede, y como balance etnológico, podemos extraer algunas
conclusiones. Estas nos interesan sobre todo en su comparación con el resto
del área andina y especialmente con los Andes centrales.
No hay dudas de que el complejo templo-ídolo-sacerdocio organizado en
clase social de las altas culturas andinas no se dió en el N.O.A. Uno de los
detalles en que todas las evidencias coinciden es en la sencillez del culto y la
religión, manifiesta en el uso, tantas veces repetido de las “varillas y plumas”.
AI describir nuestras figuras de madera hemos visto que los agujeros que
llevan en los ángulos cefálicos superiores podrían sugerir el uso de diademas
de plumas y los agujeros de los ángulos del hombro, vestiduras. Ahora bien,
la calificación de “varillas” o simplemente idolillos podría aplicarse a estas
piezas de acuerdo con el carácter impreciso con que esos elementos se de-
finen en las crónicas. Más aún si consideramos el manojo de verdaderas va-
rillas que según la fotografía que ¡Ilustramos debió encontrarse junto a las
piezas de madera. Aunque queda la duda de si no fueron astiles de flecha.
Pero en este caso, tuvieron que estar acompañadas por el respectivo arco10.
En definitiva no podemos asegurar pues que las citas acotadas se refieren es-
pecíficamente a esta clase de objetos, pero tampoco hay una drástica dife-
rencia descriptiva. En todo caso, dentro de lo que hasta ahora conocemos,
estos son los especímenes que mejor cuadran a las definiciones aludidas. La
conservación tan perfecta de los mismos, que llevaron a Boman a calificarlos
de “modernos” es válida dentro de ciertos límites. Pero nosotros, por los
argumentos ya expresados, no dudamos en asignar estas figuras como per-
10 En las serranías de Las Pirguas (Prov. de Salta), en una urna que contenía los
restos de tres niños posiblemente sacrificados, la ofrenda fúnebre consistió, entre
otros objetos, en un manojo de flechas y su correspondiente arco.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
243
tenecientes a la cultura Santamariana muy tardía, o lo que de ella quedaba
en el Período que, hace años llamamos por vez primera, Hispano-Indígena,
en nuestra periodificación arqueológica del N.O.A.
En cuanto al primer término del complejo religioso andino — el templo —
ya vimos que, por lo que hasta ahora sabemos, habría existido en las culturas
del N.O.A. una forma incipiente de templos. La existencia de estos “mocha-
deros” como casas “bien aderezadas” y con un contenido especial de objetos
rituales puede interpretarse como el sitio donde el shaman celebraba deter-
minados ritos y guardaba su parafernalia. De ninguna manera alcanzan estas
casas la imponencia del montículo ceremonial de Tafí, el patrón constante de
las plataformas de Alamito, ni la planificación del centro ceremonial de
Aguada que excavamos en La Rinconda (Catamarca). Pero bien puede ser
que estos templos del Período Tardío estén confundidos con la arquitectura
general, mas compleja, de paredes de piedra, que presentan los sitios Tardíos.
Quizás la falta de excavaciones exhaustivas son la principal causa del des-
conocimiento de estos “templos”.
Otra conclusión importante es la falta de sacerdocio organizado como
grupo o clase social. Las prácticas religiosas estuvieron, entonces, en manos
de shamanes, quienes actuaban como típicos intermediarios entre la deidad
y el pueblo. Señalamos dos casos de estas intervenciones, una en caso de peste
colectiva y otra de invocación de buenas sementeras. Dentro del grupo de
shamanes debieron existir los comienzos de un cierto grado de organización,
pese a que estas prácticas, son por definición individuales. El P. Techo nos
informa que el shaman ofrendaba al sol una cabeza de ciervo, cubierta de
flechas, símbolo que se pasaba luego a otro “hechicero” quien de recibirla
debía presidir la próxima ceremonia (Techo, 1897; pp. 401). Los shamanes
utilizaban una curiosa parafernalia sacra de “varillas, plumas e ídolos”, que
asperjaban con sangre de caza o sahumaban con yerbas olorosas según ocurre
en otras regiones de los Andes (Mariscotti, 1978; pp. 95—97). Los objetos
sagrados recibían un alto grado de respeto y veneración y no puede descar-
tarse que algunos, muy calificados, fueron verdaderos ídolos. La posibilidad
de que nuestras figuras de madera recibían ofrendas de sangre asperjada se
insinúa en las chorreaduras de pintura roja que ostentan, chorreaduras que,
en este caso, imitaban la sangre.
Finalmente, un carácter negativo de la información etnohistórica es la
ausencia en las crónicas de referencia al uso de alucinógenos para la zona
diaguita-calchaquí, pese a que se señala su utilización en épocas históricas
tanto en el Chaco como en las sierras de Córdoba. Más aún cuando la arque-
244
Gonzalez, Nota sobre Religion y Culto
ología nos muestra la existencia de una rica parafernalia de tabletas y tubos,
en la cultura Santamariana preincaica y también a lo largo de una prolon-
gada historia cultural. Si la práctica había entrado en desuso, cosa de que
no estamos del todo seguros, habría que indagar las causas. Por de pronto
parece que los utensilios destinados al ritual alucinógeno, predominan en la
etapa preinca de La Paya, y desaparecen en el siguiente Período. El problema
requiere una monografía específica, y sería por demás interesante llegar a
saber que rol jugaron los incas en tal desaparición.
2.3. Santiago del Estero y Córdoba.
Resulta interesante para nuestros fines y antes de considerar la informa-
ción arqueológica y el proceso cultural, realizar una comparación de la in-
formación etnohistórica de la región central del N.O.A. con las de la sub-
región aledaña de Tucumán y Santiago del Estero. Pero por desgracia la
información etnohistórica que disponemos para ambas regiones es harto
escasa.
Con respecto a Santiago del Estero y sus poblaciones autóctonas, tenemos
unos breves, pero muy precisos datos del gran cronista que fue Bibar. Re-
sulta realmente lamentable que el pasaje de Bibar a Chile, por nuestro Nor-
oeste, se hiciera por el camino situado al Oriente de los valles Calchaquíes.
En efecto, Bibar entró por la Quebrada de Humahuaca, siguiendo luego por
el valle de Lerma a Esteco y luego a la zona del río Dulce. De haber venido
por el valle Calchaquí contaríamos quizás con tan valiosa información etno-
gráfica para esta zona, como la que nos dejó para comechingones y arauca-
nos.
Con respecto a los pobladores de la zona de Esteco, Bibar nos dice “Es
lengua por sí ...” y respecto a su religión establece claramente “No tienen
ídolos ni casa de adoración” (Bibar, 1966; pp. 161).
De la provincia de los Xuríes, que al parecer sitúa al Sur de la anterior,
al referirse a la religión vuelve a repetir: “No tienen casa de adoración ni
ídolos. Adoran al sol” (Op. cit., pp. 162). Quedan claramente establecidas
las diferencias con las prácticas del valle Calchaquí.
Datos confirmatorios de los anteriores, en líneas generales, son los que
nos brinda el P. Barzana en su conocida carta al P. Provincial. Estas afirma-
ciones de Barzana han sido, alguna vez, atribuidas erróneamente a los pueblos
de la región Calchaquí. Pero sin duda Barzana se refiere a la región selvática
de Tucumán y Santiago del Estero. Al igual que la clara diferencia que So-
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
245
telo establece explícitamente en su Relación entre Tucumán y Calchaquí en
materia de religiones autóctonas.
Las informaciones de Barzana coinciden en este punto, en lo fundamental,
con los datos de Sotelo y Bibar y son por completo diferentes a los que nos
proporcionan los jesuítas sobre el valle Calchaquí y Yocavil, ya analizadas.
La carta del P. Barzana, al P. Sebastián, su Provincial, está fechada en
Asunción del Paraguay el 8 de Septiembre de 1594, es decir cuatro años
antes de su muerte (Barzana, 1965; pp. 78). Allí nos dice textualmente:
“Acerca de la religión o culto de todas las naciones que pertenecen a la
provincia de Tucumán no he hallado que tengan ídolos ninguno a quien
hayan adorado; hechiceros si tienen y han tenido muchos de los cuales al-
gunos les hacían adorar al mismo Demonio y siempre les aparecía negro y
que les imponía temor. La immortalidad del alma ninguno la duda de cuan-
tos indios infieles y bárbaros he hallado, antes todos responden quel alma
no se acaba con el cuerpo ni muere; pero no saben decir adonde va salida
dél. Lo ques cierto desta gente es que no conocieren Dios verdadero ni falso,
y ansí son fáciles de reducir a la fe y no se teme su idolatría, sino su poco
entendimiento para penetrar las cosas y misterios de nuestra fe o el poder
ser engañados de algunos hechiceros. Algunos engaños hemos decubierto y
aún castigado, por orden de el ordinario, de algunos indios y indias o otro,
que se había fingido un alma que venía del otro mundo a decir cosas a los
indios y otro que se había fingido un ángel que venía a revelar misterios,
otra india que había muerto dos veces y resucitado otras dos, a la cual venían
diversos santos del cielo a hablarla; y si no se atajacen estos engaños, y como
es gente fácil, incurrirían en muchos errores. Pero ninguna cosa de religión
o culto suyo es o cosa antigua o de algún fundamento” (Op. cit., pp. 79—80).
Una información de Cieza dice al referirse a los indígenas de Santiago del
Estero “Cuando se mueren hacen por los collados sus sepulturas, a donde
son metidos, y en ellos hincan un grueso é cumplido madero, en la cual la
figura del demonio está esculpida de la manera que en vida lo veían cuando
les hablaba”. Mas adelante agrega: “En Tucumán creían y tenían por Dios
al sol; todos, unos y otros tienen que las cosas tuvieron principio y que uno
solo fue hacedor, al cual hacían sus sacrificios”. (Cieza, II; pp. 318 y ss.). Al
referirse a la provincia de Soconcho, Cieza dice “. . . tienen diferentes mane-
ras de religiones e hablan muchos lenguajes . . .” (Op. cit., pp. 335).
246
Gonzalez, Nota sobre Religion y Culto
Se ignora quien pudo ser el informante de Cieza. El culto heliolátrico
pudo ser de importación incaica, si es que Cieza se está refiriendo al “Tucu-
mán” en sentido genérico.
En una carta anua del P. Vasquez Trujillo, al referirse a los indígenas de
Santiago del Estero, según una misión de cuatro meses cumplida por los
religiosos de su orden dice: . . quitáronles algunos ídolos e instrumentos
que les podían ocasionar este vicio, y les afearon las supersticiones que
usauan con los difuntos, que demas de ser detestables y bárbaras, eran al-
gunas muy crueles y sangrientas para los suius; hallaron también muchos
hechiceros muy perniciosos, que conjurando a sus cosas al demonio (que
ellos llamaban Cacanchiq) engañaron miserablemente al pueblo, con los orá-
culos que deste ellos sensiblemente les responde y allí ofrecen sus dones y
sacrificios para solicitar su ayuda, y el buen suceso {en) sus negocios y se-
menteras, y para el servicio del demonio le dedican muchas vírgenes con las
cuales uive muy torpemente el hechicero. Una destas se fue a confessar con
uno de los Padres, el qual aunque no la conocía, le preguntó (por ser uicio
que entre ellos corre) si auia consultado con el Cacanchig, y ella le respondió
sinceramente con grande sentimiento y lágrimas, que en su niñez la auia
dedicado su cacique al seruicio del demonio a quien siruió algunos años . .
(Vázquez Trujillo, Decima Tercera Carta, 1929; pp. 394).
De las citas anteriores se desprende el carácter shamanístico de la religión
y práctica de las etnías santiagueñas, posiblemente entre el grupo Xuri-
tonocoté. Nuevamente el carácter de intermediario del shaman está clara-
mente manifiesto como sus intervenciones en ritos propiciatorios, curas, etc.
Aquí se agrega la colaboración de oficiantes, aparentemente mujeres desig-
nadas por el cacique. La falta de templos permanentes está claramente esta-
blecida en las crónicas para esta región, por lo contrario a lo que vimos para
los pueblos de los valles Calchaquíes. Esto está perfectamente de acuerdo con
el grado de complejidad tecnológica y socio-política de las respectivas etnías.
Lo que resulta diferente y en parte único en el N.O.A. y en las etnías del
Area Andina Meridonial, es el uso de postes de madera esculpidos, mencio-
nados más arriba. El dato es de gran interés, sobre todo por proceder de un
cronista como Cieza de León, quien, no sólo escribe en época temprana
(1548 —1550) sino por la calidad de su información. Es probable que la refe-
rida costumbre no haya pertenecido a los Tonocotés sino a los Lules o grupos
afines.
En una conocida ceremonia, descripta en un documento del Archivo de
Córdoba, transcripto por el P. Cabrera, se hace mención a postes esculpidos
con figuras de animales diversos, colocados alrededor de donde los indígenas
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
247
realizaban sus bailes rituales (Cabrera, 1931; pp. 110 y ss.)11. Los indígenas
en cuestión debieron ser Sanavirones invasores en Córdoba o una parcialidad
de los Lules de Santiago del Estero. No sería difícil que lules y sanavirones
poseyeran afinidades étnicas. No hay duda que los postes funerarios o los
postes ceremoniales antes mencionados, nada tienen que ver con las figuras
aquí descriptas. Estas, creemos, se vinculan claramente con las “varas y
varillas” citadas para el valle Calchaquí.
3. ORGANIZACION SOCIO-POLITICA DE LAS ETNIAS DEL N.O.A.
El ritual y el ceremonialismo son expresión de las creencias que las nutren.
Pero, a su vez, las creencias religiosas y su expresión sistematizada en culto
socializado se vincula, en mayor o menor grado, a la organización socio-
política de los pueblos. Una religión con grupos sacerdotales organizados de
función permanente y continuidad en el tiempo, con templos de arquitec-
tura sobresaliente, sólo se encuentra en organizaciones estatales de imperios,
reinos o señoríos de cierto nivel general de desarrollo. La simple banda y la
tribu carecen habitualmente de esas expresiones religiosas.
El tema de la organización socio-política de las etnías del N.O.A. es de por
sí un importantísimo capítulo (o una obra entera) que espera aún ser escrita.
De cualquier manera, no podemos tocar el tema de la religión del N.O.A.
prehispánico sin referirnos a su organización socio-política básica, aunque
esta referencia sea harto somera. Así que, aunque fuera de los límites aquí
impuestos, a ella nos referiremos brevemente.
A la llegada de los españoles los pueblos habitantes del N.O.A. hacía ya
más de medio siglo que se hallaban bajo la férula del imperio incaico. Los
incas debieron influir en muchos aspectos fundamentales de las culturas
autóctonas. La influencia más importante debió ejercerse en la organización
socio-política. De manera que una cosa fue esa organización cuando llegaron
11 Se trata de un pleito, cuyas pruebas se recogen en la ciudad de Córdoba en Marzo
de 1620 y en el que deponen numerosos testigos. Francisco Rodríguez Mansilla
dice que “. . . fue a buscar indios del dicho pueblo de Quilino, que andaban huidos
en una borrachera y vio que tenían hecho un cerco de ramas y dentro del, por un
callejón, que tenían hecho de ramas de guayacán, con hurones, y unos papagayos,
y figuras de lagartos y dijeron que allí avía una vieja desnuda, con pellejos de
tiguere y en la apariencia parecían idólatras que hazían y ansí, dezía . . .” (Cabrera,
1931; pp. 111). La lectura del documento no resulta clara respecto al tipo de cere-
monia o ritual aunque sí parece que la práctica se efectuaba frente a figuras de
animales labradas en madera.
248
Gonzalez, Nota sobre Religion y Culto
los españoles y se produjo el colapso del imperio incaico y otra cosa fue la
organización socio-política previa a la penetración incaica en el Noroeste.
En los años que siguen a la conquista todos los misioneros, especialmente
de los valles Calchaquí y Yocavil, están acordes en señalar la hostilidad
guerrera que los indígenas desplegaban entre sí (Márquez Miranda, 1942—43).
De la lectura de estas referencias de deduce que los grupos que luchan
entre si son grupos relativamente pequeños. Esta no debió ser la situación
existente durante la época ¡mediatamente prehispánica regida por los incas.
Para que las actividades imperiales pudieran funcionar normalmente se re-
quería paz y seguridad en el interior del territorio y protección de las fron-
teras. El desplazamiento normal y constante de ejércitos y grupos incaicos
requería seguridad en los caminos y cuidado de los tambos, que según todos
los testimonios eran servidos por los grupos locales. Esto no hubiera sido
posible en un estado de guerra interna semipermanente como el que pintan
las crónicas. Estas guerras fueron quizás el producto de una situación anó-
mala de anarquía, que siguió al desmembramiento de la fuerza que instauró
el equilibrio y dió cohesión a buena parte del N.O.A. durante algo mas de
medio siglo. La desesperada esperanza traída por Bohorquez en nombre del
Inca, volvió a unir a gran parte de las tribus beligerantes contra el gran
opresor común. Esta es una prueba de que la anarquía era producto de la
desaparición del elemento aglutinante básico — fuerza y creencia —: el
Estado Imperial Inca. Pero esta misma anarquía y su expresión en la lucha
armada, significó la existencia previa de una situación que favoreciera esa
subdivisión de grupos no muy grandes. En una palabra, que si bien es muy
probable que la conquista incaica diera una cierta unidad socio-política
general al N.O.A., esta no era la situación generalizada que debieron encon-
trar los incas a su llegada al N.O.A.
La organización previa más común debió ser la tribal, con tribus más o
menos independientes regidas por un cacicazgo hereditario o bien un grupo
de tribus reunidas bajo un sólo cacique formando un pequeño señorío. Los
españoles distinguían claramente la existencia de distintas “provincias” indí-
genas. Pero ignoramos en qué medida estas provincias corresponden a sub-
divisiones culturales o socio-políticas locales, o a curacazgos establecidos por
los incas en base a nuevas subdivisiones creadas por ellos o establecidas sobre
bases preexistentes. En Chile se ha podido establecer el nombre y la delimita-
ción geográfica de los curacazgos incaicos del valle del Mapocho. Para nuestro
Noroeste no estamos del todo seguros si Chicoana fue una provincia neta-
mente incaica o si los incas impusieron — como intuimos — un curacazgo
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
249
incaico sobre una subdivisión étnica preexistente12. En este caso se trata de la
etnía de los pulares, distinta de los calchaquíes de Quire-Quire. Es muy po-
sible que los pulares, aunque de habla kakana, tuvieran un fuerte componente
atacameño.
En algunos valles del N.O.A., la reunión de un grupo de tribus bajo un
solo jefe dió origen a pequeños señoríos. Tales debieron ser los de los calcha-
quíes, yocaviles, hualfines, abaucanes, etc., que si bien estaban divididos en
varios pueblos con sus respectivos caciques, estos dependían de un cacique
general.
De la información del P. Barzana puede inferirse que los calchaquíes con-
stituían un señorío con varios pueblos bajo el mando de un solo cacique
(Barzana, 1965; pp. 80).
Sotelo dice al hablar del Valle Calchaquí: “. . . Han hecho despoblar por
fuerza de armas a los españoles tres veces y muertos muchos de ellos, respeto
de que obedece este valle y otros de su comarca a un Señor que Señorea
todos los caciques y mas de 2.500 indios y están los indios en mucha parcia-
lidades” (Sotelo de Narváez, 1965; pp. 393). Ya en un párrafo anterior
Sotelo nos había dicho, refiriéndose a los diaguitas: “. . . siembran poco por
las guerras que tienen unos con otros; porque aunque tienen caciques y
es gente que los respetan, son behetrias, que no hay mas de señores en cada
pueblo o valle o son muchos valles y pueblos pequeños . . .” (Idem, pp. 392).
Lo importante es saber si estos caciques generales fueron impuestos por los
incas o preexistían en una organización anterior, como ya lo suponía Serrano
hace años (Serrano, 1944).
En otros documentos que tratan del valle Calchaquí se hacen referencias
al “cacique principal”. Así el P. Torreblanca menciona que el cacique Pivanti
era “. . . Jefe principal del Valle Calchaquí . . .” (Torreblanca, M. S., folio 10).
Este cacicazgo, parece tenía carácter hereditario (Torreblanca, M. S.; folio 48).
En un “Informe” del Gobernador Luis de Cabrera sobre la guerra de Cal-
chaquí, se enumeran los pueblos de cada cacicazgo (naciones) (Larrouy, 1923;
pp. 243 y ss.). Así los pulares tenían nueve pueblos, con 400 indios de
pelea. Los quilmes tenían en 11 sitios 300 indios de guerra. Los yocaviles
tenían 10 “puestos” (sitios?) con 300 indios de guerra. Más “adentro” de
Calchaquí (el valle?) se mencionan 14 “pueblos”, a saber: Cafayates, 2ama-
lamaos, Chuquigastas, Amimanas, Anguingastas, Guarípolanes, Ampascachas,
12 Hemos desarrollado el tema de la occupación incaica del N.O.A., en tres trabajos
aún inéditos.
250
Gonzalez, Nota sobre Religion y Culto
Gualfines, Taquigastas, Pamponas, Sichagastas, Ingamanas, Colalaos, y To-
lomhones, los que en total disponían de 1.200 guerreros. El documento no
aclara sobre la relación política que estos pueblos pudieron tener entre sí.
Por otros testimonios sabemos sin embargo que Tolombón fue el centro del
señorío Calchaquí. En cambio los Quilmes figuran como teniendo once sitios,
por lo que puede inferirse que se trata de un pequeño señorío, con centro
en la población del mismo nombre. Eos Yocabiles, con diez “puestos” debió
ser otro señorío.
En otro documento se lee; “. . . Aprisionamos al curaca y los principales
mandones de los Acábanos . . .” (Idem), es decir que queda explícita la exis-
tencia de un jefe principal y de jefes secundarios. Por desgracia este docu-
mento es de la segunda mitad del siglo XVII (1662), de la época de la última
gran rebelión indígena, cuando la lucha contra los españoles había ya cam-
biado las estructuras políticas originales y a 125 años de la primera entrada
de estos al N.O.A., de manera que quedan muchas dudas sobre la organiza-
ción política original. Es posible que la arqueología pueda en el futuro con-
tribuir con evidencias a aclarar el problema. Pero es necesario tener en
cuenta las grandes dificultades que se presentan al querer obtener inferencias
de orden político del dato puramente arqueológico, según los ejemplos ex-
puestos por Gordon Childe hace años (Childe, 1980).
La organización en señoríos pequeños debió ser estimulada, y aún, en ciertos
casos, establecida por los incas, puesto que favorecían a la dominación im-
perial, evitando la excesiva atomización política. Pero en qué medida pre-
existió la organización señorial a la llegada de los incas es muy difícil esta-
blecerlo con sólo los testimonios arqueológicos que disponemos hasta ahora,
en que estos estudios han estado muy lejos de encarar este problema.
Gran parte de las etnías del Noroeste son herederas de una misma raíz
cultural. Esto se revela en la existencia de un idioma común, el kakan, y del
análisis de su cultura material. En la arqueología de esa zona, se advierte
que tanto en los temas de la decoración como en las técnicas utilizadas en
cerámica o metalurgia, o en los patrones de poblamiento, existan una serie
de elementos que son comunes entre sí y coinciden con el idioma. Los ar-
queólogos distinguen, no obstante esas similitudes, una serie de culturas dife-
rentes: Santamaría, Belén, Angualasto, etc. Sin embargo dentro de cada una
de esas culturas existen una serie de subdivisiones políticas en el momento
de la conquista: a la cultura Santamariana pertenecían, entre otros, los yoca-
viles, calchaquíes y pulares. En una palabra las subdivisiones culturales no
coinciden con las lingüísticas ni estas con las socio-políticas. Cada tema debe
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
251
ser estudiado independientemente para que, en una síntesis general, alcance-
mos a comprender las respectivas interrelaciones que existen entre ellos.
Si a pesar de los diferentes matices que poseen las culturas de Santa María,
Belén, Angualasto, etc., todas ellas reconocen un substratum común, incluida
la lengua, es importante determinar cuál fue la cultura común de la cual se
originaron y cuáles fueron las causas que dieron origen a las distintas enti-
dades étnicas que encuentran primero los incas, luego los conquistadores es-
pañoles y finalmente identifican los arqueólogos y etnohistoriadores. Pero
para orientar esta investigación, ya que por el momento y por la com-
plejidad del problema, no podemos esperar mayores resultados, debemos
referirnos al proceso cultural reconstruido por la historia arqueológica. Re-
servando para otro capítulo, el estudio del proceso en lo estrictamente
religioso.
En el Período Temprano, la gran diversificación cultural — Condorhuasi,
Ciénaga, Candelaria, Abaucán, Tafí, Alamito, Tebenquiche, Campo Colorado
y Kipón — con rasgos diferenciables muy variados, pueden llevarnos a creer
que la atomización tribal fue la regla predominante en materia de organiza-
ción política. Sin embargo la extensión geográfica de algunas entidades como
Ciénaga, podría indicar que existieron ya en esta época algunos señorios. Nos
faltan aún muchos conocimientos para poder llegar a conclusiones válidas pero
es necesario plantear el problema y ser concientes de su existencia. Además
debemos elaborar un instrumento metodológico sólido para utilizar lo en
forma precisa.
De cualquier manera, resulta de interés comparar los distintos Períodos
del proceso arqueológico del N.O.A. para establecer algunas hipótesis en
este campo.
No hay duda que a la extensa diversificación cultural del Período Tem-
prano sigue una mayor unidad cultural en el Período Medio (ver González,
1977; pp. 172 y ss.). Más aún teniendo en cuenta el lapso mucho más corto
que abarca este Período y el mayor espacio que ocupa, según el ámbito
geográfico de la cultura de La Aguada. Es cierto que aún dentro de este
Período hay una diferenciación espacio-temporal bastante definida (sectores
Norte, Oriental y Sur de Aguada) (González, Idem). Sin embargo, en con-
junto, en el aspecto tecnológico, y más aún en el iconográfico, existen en
esta época, una serie de elementos comunes que indicarían una difusión de
ideas básicas, como no existió nunca en la etapa precedente, y resulta apenas
comparable con la etapa que le sigue. Podría pensarse, entonces, que esa
comunidad de ideas y de técnicas compartidas, refleja de alguna manera, una
3 Baessler-Archiv XXXI
252
Gonzalez, Nota sobre Religion y Culto
cierta uniformidad del poder político. Más aún por la circunstancia de que
la religión en esas representaciones gráficas, está íntimamente relacionada
con otros aspectos de la cultura, especialmente con la guerra. Resulta así di-
fícil imaginar que ese despliegue guerrero que nos muestran la alfarería de
Aguada en sus diferentes subdivisiones, estaba dirigido únicamente a enfren-
tar grupos de la misma cultura y lengua. Esa extensión en lo geográfico y
cohesión interna en las expresiones culturales, especialmente iconográficas,
sugieren la fuerza expansiva de un grupo bien estructurado y suficiente-
mente fuerte para imponer sus costumbres y técnicas a los grupos pre-
existentes y aledaños. Por eso hemos emitido la hipótesis provisoria de la
existencia de señoríos organizados en la cultura de La Aguada.
Es probable que junto con las rasgos culturales aludidos se diera también
una cierta dispersión uniforme de la lengua que hablaba la etnía portadora
de esa cultura. Es decir que el substratum lingüístico que da origen al kakan
debió alcanzar su máxima dispersión geográfica en este momento. Aunque
de cualquier manera, el ámbito ocupado por Ciénaga final se acerca al que
después posee Aguada.
4. RELIGION Y CULTO EN EL PROCESO CULTURAL DEL N.O.A.
Carecemos de estudios sistemáticos referentas al proceso evolutivo de los
patrones de poblamiento del N.O.A. Por lo tanto no tenemos hasta ahora
información específica de los cambios ocurridos en lo que, dentro de los
asentamientos humanos, reflejan la religión y el culto. Aquí trataremos de
bosquejar algunos puntos básicos de esa problemática analizando las pocas
evidencias conocidas.
Buscaremos complementar los testimonios proporcionados por el estudio
de los patrones de asentamiento con la información arqueológica de la icono-
grafía desplegada en la cerámica y en piezas metálicas. Especialmente en las
placas, cuyo rol en la religión y culto del N.O.A. fue tan importante como
el de las “varillas y plumas” (González, M. S.; 1981) para cuyo uso y función
existen algunas referencias escritas de la época Hispano-indígena.
4.1. Período Temprano.
Un hecho de suma importancia en la historia cultural del N.O.A. es que
las manifestaciones cúltico-religiosas más claras se dan por lo que hasta ahora
sabemos, en la arqueología de los Períodos Temprano y Medio.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
253
4.1.1. Vaquerías, San Francisco y Candelaria.
Pocas investigaciones se han hecho hasta ahora de las culturas iniciales.
Sobre todo de aquéllas situadas en la zona de las Selvas Occidentales y el
Valle de Lerma, como son las nombrades en el comienzo de este capítulo.
De Vaquerías sólo conocemos la fina cerámica polícroma de este nombre.
No sabemos si esta alfarería corresponde o no a una cultura con rasgos pro-
pios. Las diferencias de esta tradición cerámica con otros tipos conocidos
insinúa la existencia de una nueva cultura. La antigüedad de Vaquerías la
establece su posición muy temprana en el Valle del Hualfín, anterior al tipo
Condorhuasi Polícromo. Este último tipo incorporó muchos rasgos de la
alfarería Vaquerías, la que habría llegado al valle del Hualfín en la fase
Río Diablo dando luego origen a la fase Barrancas (González y Cowgill,
1970—1975). Recientemente se han hallado en el valle de Lerma piezas de
tipo Vaquerías asociadas a material del Complejo San Francisco, reafirmando
la hipótesis de su origen Temprano13. Lo poco que conocemos de Vaquerías
algo nos sugiere, sin embargo, sobre prácticas relacionadas quizás con su
religión. En la colección Abeledo (Buenos Aires) hemos examinado un vaso
que reproduce, modelada, una cabeza trofeo, sorprendentemente parecida a
las reproducidas en vasos de la cultura Nazca, excepción hecha de un cuello
muy particular, constreñido hacia el centro, cuello que aparece, también,
en piezas Candelaria. Este espécimen sugiere la práctica de sacrificios hu-
manos, seguramente vinculados a ritos agrícolas tempranos, puesto que la
agricultura debió estar ya bien desarrollada en este momento. Este culto in-
dicaría la presencia de ideas que se desarrollan en las culturas posteriores.
Otra pieza Vaquerías representa modelados en cerámica tres gasterópodos
terrestres (Strophocheilus?) (González, 1977; Fig. 67). Las conchas de estos
caracoles fueron utilizadas con gran frecuencia como recipientes para alma-
cenar el polvo del cebíl (Anadenánthera) según lo comprueban ejemplos etno-
gráficos. Se hallan restos de estos mismos moluscos en tumbas de San Pedro
de Atacama, adonde fueron llevados desde las zonas boscosas subtropicales
donde habitan los gasterópodos mencionados y donde crecen las plantas de
cebíl. Por estos motivos no es demasiado aventurado suponer que la pieza de
referencia haya cumplido la función de reservorio de alucinógeno. El uso
temprano del cebíl está comprobado en el N.O.A. desde épocas precerámicas
(Fernández Distel, M. S.; 1977),
13 El Director del Museo de Arqueología de Salta, Lie. Vito Márquez, nos mostró ese
material, el que procede de un sitio de General Güemes (Pcia. del Salta) donde se
da esta asociación. Agradecemos su gentileza y la del Sr. Flores, autor del hallazgo.
254
Gonzalez, Nota sobre Religion y Culto
Del complejo cultural San Francisco poseemos igualmente conocimientos
limitados. No hay sitios exhaustivamente excavados. Se conocen algunas
grandes pipas con figuras antropo-zoomorfas modeladas que seguramente
sirvieron para fumar alucinógenos (González, 1977; pp. 106 y 107).
De la cultura de La Candelaria tenemos una secuencia bastante completa
(Heredia, Tesis, M. S.) pero nos falta completar el cuadro patrimonial de
cada fase. Hasta ahora no se han identificado lugares de culto religioso.
Nosotros hallamos en la serranía de Las Pirguas, cerca de Pampa Grande
(Peía, de Salta), una urna que contenía los cadáveres de tres niños de alrede-
dor de 2 a 4 años. Dos de ellos estaban perfectamente conservados por
desecación natural y mostraban claros indicios de muerte violenta. Sobre
todo el que se halló supepuesto a los otros dos, el que fue ultimado por un
golpe brutal en el centro del cráneo. Los fechados de C14 colocan este ha-
llazgo entre el 500 y 550 de la e. C., testimoniando las prácticas tempranas
del sacrificio de niños, la que, según parece, se prolongó hasta la época de la
conquista hispánica.
Las dos etapas más antiguas de Candelaria, fases El Mollar y Chuscha de
Heredia (Op. cit.) poseen, en su cerámica modelada, frecuente simbiosis de
elementos antropomorfos con otros de origen zoomorfo, los que segura-
mente se relacionan con sus creencias religiosas o míticas (González, 1977;
Figs. 76, 77, 78).
4.1.2. Alamito.
El P. A. tipo Alamito es uno de los mejor estudiados en la arqueología del
N.O.A., tanto por el número de sitios excavados como por lo sistemático del
trabajo efectuado (Núñez Regueiro, 1971).
En el P. A. Alamito las manifestaciones cúlticas son muy claras, definidas
y constantes. El montículo artificial que se halla en el lado occidental de cada
sitio fue en gran parte el producto de la acumulación de residuos, pero sus
adatamentos, como los muros de contención, escaleras y agregados, nos
hablan de otros usos. Al pié y sobre el frente oriental del montículo se hallan
dos plataformas rectangulares, construidas con gruesas paredes de piedra,
muy constantes en presencia, forma y orientación. Son evidencias muy claras
del uso del conjunto montículo-plataformas con fines religiosos y célticos.
Estas plataformas se disponen en pares simétricos que dejan entre sí un
espacio abierto dirigido hacia el centro del montículo. En este espacio se
halló, en uno de los sitios, una figura femenina tallada en piedra de 98 cm
de alto, que lleva sobre sus espaldas una figura zoomorfa a manera de “alter
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
255
ego”. El hallazgo de un plato de piedra a los pies de esta escultura sugiere
claramente un depósito de ofrendas que señalan su importancia en el culto.
En Tiahuanaco, salvando las diferencias de monumentalidad, elaboración
técnica y estilo, volvemos a encontrar una idéntica relación funcional: a los
pies del gran monolito Bennett, se halló un plato circular de piedra con
magníficos bajorrelieves.
Alrededor de las plataformas, se encontraron restos óseos humanos muti-
lados. Hallazgos similares se hicieron en el espesor de los montículos, lo que
sugiere se trata de despojos de un cruento ritual. Esta inducción se reafirma
con la evidencia de que los entierros normales de los pobladores de estas
aldeas son completamente diferentes. El hallazgo de cabezas humanas escul-
pidas en piedra, alrededor de las plataformas puede afianzar la idea de sacri-
ficios.
La doble plataforma y el hallazgo de algunas figuras bifrontes talladas en
piedra sugieren conceptos de dualidad en la cosmovisión de este pueblo.
El patrón de montículos-plataformas de piedra, repetidos cuidadosamente
en cada uno de las decenas de sitios prospectados o excavados en la zona de
La Alumbrera (Alamito), demuestran que el culto y el ritual tienen un carác-
ter particular y específico para los pequeños núcleos de población habitante
de cada asentamiento. Es decir, nos indican la existencia de prácticas limi-
tadas a cada grupo aldeano, fuera este grupo una familia extensa, un linaje,
una gens, etc., etc.
Otras evidencias relacionadas con la religión de Alamito son las esculturas
de piedra. Entre estas sobresalen los extraordinarios “suplicantes”. Son figu-
ras que no reproducen especies biológicas reconocibles sino criaturas pro-
ducto de la imaginación o del simbolismo creador, no obstante lo cual se
hallan estabilizadas en su concepción y repetidas las formas de su anatomía
esencial (González, 1977, Fig. 183, 184 etc.). Su significado y el mensaje de
su sentido religioso debió estar claramente definido para sus emisores y
receptores. Es difícil evitar la hipótesis de que no se trata de la reproducción
material de una deidad o una de las deidades de estos pueblos. Hay formas
de “suplicantes” masculinos y otros femeninos. Entre estos últimos un ejem-
plar muestra evidentes indicios de gravidez, sugiriendo ideas de fertilidad
La nariz de estas piezas por su tamaño y forma parecen a veces picos de ave,
repitiendo una vez más la frecuente simbiosis de rasgos anatómicos humanos
mezclados con rasgos animales. Esta simbiosis subsiste en gran parte de las
culturas posteriores del N.O.A. Abundantes platos y recipientes de piedra
con relieves antropo o zoomorfos sugieren la molienda y uso de alucinó-
genos.
256
Gonzalez, Nota sobre Religion y Culto
4.1.3. Tafí.
Dentro del Período Temprano y en la región Valliserrana, un rol histórico
muy importante correspondió a la Cultura Tafí, la que posee un regular
grado de complejidad. Este se manifiesta en los restos que expresan su or-
ganización religiosa y su culto, como en el número de sus asentamientos, el
desarrollo de diversas técnicas, y la forma de utilización de la tierra (Gon-
zález y Núñez Regueiro, 1962).
Una estructura importante perteneciente a la cultura Tafí fue un mon-
tículo artificial, sin duda ceremonial, formado por la acumulación de rodados
del tamaño de un puño o algo más grandes, sedimentos terrosos, restos de
ceniza y alfarería fragmentada. Este montículo medía 30 m de largo y 3 m
de alto. Hacia el centro, en su parte más profunda se halló a 3,20 m un en-
terratorio de dos sujetos adultos sin ajuar. Alrededor del montículo se en-
contraron una serie de estelas de piedra trabajadas total o parcialmente.
Estas estelas pueden ser lisas o llevar diseños grabados y alcanzan hasta 3,5 m
de altura.
Además del montículo, se excavó dentro del mismo sector, un gran recinto
de planta circular, formado por paredes de piedras escogidas, con puertas de
entrada de jambas monolíticas. En el centro de este recinto se encontraron
sepultados en los sedimentos, dos estelas, una de las cuales tenía esculpido
un rostro antropomorfo del que nace una línea ondulada serpentiforme. Es
un motivo muy similar al que se halla en un vaso de saponita, posiblemente
de la cultura Ciénaga, del que hemos reproducido una fotografía (González,
1977; Figs. 225 y 226). El diámetro de 20 m no deja lugar a dudas que el
recinto tenía capacidad para albergar en su interior, a un crecido número de
asistentes y oficiantes. Pocas dudas caben de su carácter ceremonial (Gon-
zález y Núñez Regueiro, 1962; pp. 492).
El P. A. Tafí ha sido descripto en otro lugar (González y Núñez Regueiro,
Op. cit.); se trata de pequeños núcleos dispersos en los campos, seguramente
ocupados cada uno por una familia extensa. Pero la sociedad Tafí reconoció
lazos más amplios que los vínculos familiares, como lo revelan obras que
sólo pudieron realizarse mediante el trabajo mancomunado de varios grupos
familiares. Por otra parte la existencia del montículo y la cantidad de estelas
en sus alrededores, junto con los recintos próximos, sugiere un centro cere-
monial al que debieron acudir seguramente gran parte de la población del
valle y aún de las regiones vecinas. Resulta evidente el contraste con las ex-
presiones cermoniales del patrón Alamito.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
257
Por otra parte debieron integrar también aspectos del ceremonial Tafí, las
elaboradas máscaras de piedra, quizás mortuorias, y los morteros con figuras
felínicas esculpidas (González, 1977; Figs. 28, 29, 30). Como en los casos an-
teriores, es probable que estos morteros fueran usados en la preparación de
alucinógenos.
Las variantes de los motivos grabados de los monolitos se relacionan, se-
guramente, con variantes sincrónicas o diacrónicas del culto al que estaban
dedicados. Hay motivos geométricos; otros son antropomorfos, de grandes
rostros fantásticos, felínicos, realistas o estilizados. A menudo estos rostros
están en una sola de las caras de las estelas y (o) dispuestos en pares sugirien-
do idea de dualidad. La gran imagen que corona la estela Ambrosetti pudo
ser un motivo antropo-zoomorfo de rasgos felínicos (Bruch, 1911; pp. 6,
Figs. 4 y 4). Los motivos superpuestos, debajo de esa figura, podrían tener el
mismo carácter. El significado de alguna de esas imágenes de las estelas debió
ser muy importante. Se los halla en otros lugares alejados, como en los petro-
glifos de Laguna Blanca. A veces el felino tiene rasgos claramente realistas.
Es posible que el centro geográfico de estas ideas religiosas deba buscarse en
la olla del Titicaca, desde donde habrían irradiado en distintos momentos,
hacia el N.O.A. Aquí fueron incorporadas por las culturas locales con las
consiguientes adaptaciones y modificaciones, pero de manera que aún puede
reconocerse su origen. Una cuchara de madera hallada en San Pedro de Ata-
cama, perteneciente a la época Tiahuanaco, cultura que influyó notablemente
en ese oasis, lleva cuidadosamente tallada en su mango una figura muy pare-
cida a la grabada en uno de los monolitos de Tafí. La imagen barbada de otro
de los monolitos, puede compararse con una figura de Tiahuanaco. Aunque
la falta de destreza del escultor impuso limitaciones de ejecución. Pero la
práctica de erigir estelas y recintos ceremoniales tiene en el area altiplánica
un origen bastante más remoto que el Tiahuanaco Clásico. Sus raíces están
en viejas culturas andinas como Qualuyo, más de un milenio anterior al
comienzo de la e. C.14. Por eso no resulta del todo sorprendente que estas
manifestaciones cúlticas tiahuanacotas o no, aparezcan en el N.O.A., en fechas
tempranas.
14 No sería difícil que esta forma de culto con utilización de monolitos sea mas
extendida en el arca andina de lo que suponemos. Nosotros hallamos en la hacienda
Cangalle, en Santa Rosa, Melgar, en Perú, un gran montículo ceremonial inédito,
de la época Pucara, con estelas esculpidas y lisas. Por otra parte sería muy inter-
esante tener un fechado de los grandes recintos y monolitos de Queneto.
258
Gonzalez, Nota sobre Religion y Culto
4.1.4. Condorhuasi.
Desgraciadamente el conocimiento de gran parte de la cultura Condor-
huasi deriva de materiales que se hallan en colecciones particulares proce-
dentes de excavaciones practicadas por “huaqueros”. La alta calidad estética
de los especímenes Condorhuasi y su alto valor en el mercado incentivó la
avidez de los comerciantes de antigüedades15. No existe ningún sitio de vi-
viendas Condorhuasi exhaustivamente excavado. En estas condiciones no se
han podido identificar sus centros ceremoniales y cuídeos. Muchos sitios de
aldeas Condorhuasi se encuentran a orillas del río Hualfín, en el valle de su
mismo nombre. Sin embargo, la mayor cantidad de tumbas, con inhumados
a los que acompaña un rico ajuar fúnebre, se concentra en la falda de los
cerros de la localidad epónima; lo que sugiere una preferencia geográfica
quizás de origen cúltico. Por desgracia esos sitios han estado sometidos a un
despiadado saqueo y nunca fueron estudiados científicamente en la medida
necesaria.
Muchos de los especímenes cerámicos y de piedra Condorhuasi sugieren
un rico y complejo culto religioso. Algunas hachas de piedra de tipo semi-
lunar llevan esculpidas en el talón elaboradas figuras humano-felínicas (Gon-
zález, 1972; Fig. 5)16, muy parecidas, sino idénticas, a las que se encuentran
en los platos y morteros de piedra que debieron usarse creemos, en la pre-
paración de alucinógenos (Idem, Fig. 4, abajo). A esto debe agregarse las
grandes pipas ceremoniales de piedra destinadas, probablemente, a fumar la
droga.
Es muy posible que el contexto pipas, hachas de piedra esculpidas, mor-
teros y platos muy elaborados con parecidas representaciones figurades, nos
señalen una posible función común; y esta parece ser un culto cruento con
el uso de alucinógenos y sacrificios humanos. Estos están comprobados con
evidencias directas, según vimos en los sitios de Alamito, cultura que posee
un buen número de elementos Condorhuasi (González y Núñez Regueiro,
1958—1959; Núñez Regueiro, 1971). Muchos de los Ítems culturales mencio-
15 Mientras la casi totalidad de los Investigadores de los distintos países e instituciones
han condenado unánimemente el comercio de antigüedades, en una publicación
reciente, sin embargo, y por increíble que parezca, se coloca al comercio de restos
arqueológicos a la par de los institutos de investigación !! (Historia del Arte Argen-
tino, Vol. I, pp. 19, Bs. As., 1983).
16 En un viejo trabajo incluimos tentativamente un ejemplar de estas hachas en el
contexto Aguada; haciendo la salvedad de que podría pertenecer a una cultura más
antigua (González, 1961—1964; Fig. 19). Hoy reafirmamos el último punto de
vista.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
259
nados y otros agregados, como hachas y placas de metal muy elaboradas,
pipas con relieves y (o) pintadas, se encuentran, posteriormente en el Período
Medio y continúan, más o menos transformadas, en el Tardío, excepción de
las pipas que desaparecen por completo.
La sociedad Condorhuasi reconoció diferencias de estatus bastante mar-
cadas. Así nos lo muestran las tumbas diferenciadas por el contenido de sus
ofrendas. Además el atuendo personal muy lujoso de algunos sujetos, como
narigueras de oro muy elaboradas, pinturas corporales complejas, aportan
evidencias en el mismo sentido17.
Es probable que esas jerarquías fueran de carácter socio-político, o bien
religioso o ambas a la vez. La actitud postural de algunas representaciones
humanas modeladas en alfarería, como sujetos en actitud de “gatear”, su-
gieren la simbiosis humano-felínica, la que se afianza en otros testimonios.
Distintas evidencias señalan para Condorhuasi el extendido sentido dual de
la cosmovisión andina (González, 1974; pp. 39 y ss.).
Asociadas a esta cultura se han hecho repetidos hallazgos de placas ovales
de oro, con caladura geométrica central. Son idénticas a las halladas en con-
textos culturales muy alejados, como la Isla Pariti, en el Titicaca y Alto de
Ramírez, en Arica, Chile; y también en otras culturas del N.O.A. como
Candelaria, Kipón, etc. La constancia formal de estas placas señala un muy
posible contenido simbólico cuyo significado es muy difícil llegar a conocer.
Describimos estas placas en el trabajo ya mencionado (González, M. S., 1981).
4.1.5. Ciénaga.
Esta cultura parece originarse por el contacto de por lo menos dos tradi-
ciones diferentes. Si bien conservó algunos elementos Condorhuasi en su
alfarería (como los tigrillos modelados) poseyó una cerámica negro-gris y
otra pintada de rojo sobre color ante que poseen un sello muy particular.
El arte alfarero de Ciénaga pone en sus comienzos énfasis en la decoración
geométrica profana de probable origen eskeiomórfico. Con el transcurso del
17 Será interesante estudiar la distribución geográfico-cultural de las narigueras de oro
muy complejas que aparecen en el Area Andina Meridional. En Tiahuanaco
aparece la nariguera compleja en el monolito del templete semisubterráneo. En el
Período posterior, Clásico, las orejeras reemplazan, como símbolo jerárquico, a la
nariguera. Quizas en el N.O.A. ocurrió algo parecido. Los discos de tipo Lafone
Quevedo, parecen llevar narigueras; en cambio, los diseño antropomorfos del
final de Aguada llevan grandes orejeras (González, 1961—1964; l ig. 27/2).
260
Gonzalez, Nota sobre Religion y Culto
tiempo incorpora en su alfarería elementos figurados de posible contenido
religioso; en estos elementos, se perfilan, a medida que esas figuras se hacen
más complejas, rasgos humanos y felínicos o ambos mezclados, que configu-
ran más tarde la rica iconografía de Aguada. Esto no quiere decir que el
pueblo portador de la cultura Ciénaga tuviera una religión menos rica o
compleja que las de las culturas que la precedieron o siguieron. Lo concreto
es que esa religión — si existo — no nos dejó, salvo en las últimas etapas,
evidencias arqueológicas de su existencia. En determinado momento la cul-
tura Ciénaga del valle de Hualfín estuvo bajo las influencias de la cultura
de Aguada, que se encontraba instalada ya en el valle del Ambato. Ciénaga
alcanza entonces, junto con influencias que llegan desde San Pedro de Ata-
cama, la plenitud de su desarrollo tecnológico y artístico y, posiblemente,
socio-político y religioso, y termina por constituir la cultura de La Aguada
del valle del Hualfín. Los hallazgos de la última década en la zona de Los
Várelas y Los Castillos, en la provincia de Catamarca imponen algunos cam-
bios en las ideas mantenidas hasta ahora sobre el desarrollo de estas culturas.
Las evidencias parecen apuntar ahora influencias de la zona del Ambato
hacia el valle del Hualfín. Pero se necesitan muchos fechados radiocarbónicos
y definir muy bien las diferentes fases de cada sector para determinar la di-
rección exacta de las influencias respectivas.
En la cultura de La Ciénaga del valle del Hualfín aparecen distintas evi-
dencias posiblemente relacionadas con el tema que aquí nos interesa. Entre
esas evidencias hay que mencionar los hornillos de pipas con rostros humanos
fantásticos y expresiones finamente modeladas (González, 1977; Fig. 92)18 y
de vasos de saponita con rostros antropomorfos y serpientes adosadas (Idem,
Ligs. 225 y 226). Habrá que analizar en detalle su iconografía para deter-
minar la importancia numérica y jerárquica de sus representaciones y esta-
blecer su posible contenido religioso.
En resumen, si bien encontramos algunos elementos que sugieren clara
continuidad entre el ceremonialismo y la religión del Período Temprano, los
que culminan en la cultura de La Aguada, no resulta claro porqué desapare-
cieron las manifestaciones monumentales como las estelas de piedra de Tafí,
o las esculturas de Alamito (suplicantes). Tampoco sabemos porqué un culto
colectivo al parecer muy extendido en Tafí dió paso luego a un culto pura-
mente local, reducido a los grupos de cada asentamiento aldeano, como el
18 Al igual que lo sucedido con las hachas de piedra, deben eliminarse del contexto
de Aguada los hornillos de pipa como los publicados en las Figs. 34 y 35 del trabajo
respectivo (González, 1961—1964).
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
261
que se halla en Alamito. Las evidencias ceremoniales y religiosas del proceso
cultural del N.O.A. no muestran una línea progresiva hacia una mayor com-
plejidad en el tiempo. Gráficamente no se trata de una curva regular ascen-
dente, sino de un trazo sinusoidal con muchas variantes, en lo que a com-
plejidad y desarrollo se refiere. Lo mismo se advierte en los aspectos tecno-
lógicos y artísticos y posiblemente en la mayoría de los componentes cul-
turales. No hubo una evolución progresiva debida a los mecanismos internos
de las propias culturas. Creemos mas bien, que hubo coyunturas históricas
externas que influyeron en el proceso cultural del N.O.A., según hemos ex-
puesto en un trabajo específico sobre este tema (González, M. S.).
En general, en arqueología andina, hay tendencia explícita o implícita, a
trazar secuencias evolutivas, de complejidad creciente. De esta manera re-
sulta mas fácil el hallar aparentes relaciones causales, de origen económico
o social. La coyuntura o vínculos históricos de contactos, y sobre todo
aquéllos que producen pauperización cultural, son mucho mas difíciles de
detectar y, por lo tanto, reciben generalmente menos atención.
4.2. Período Medio.
Repetidas veces hemos señalado las diferencias notables que el Período
Medio tiene con el precedente (González, 1977; González y Pérez, 1972) y
cómo la cultura de La Aguada es un verdadero jalón cultural en la historia
arqueológica del N.O.A.
Por lo que hasta ahora sabemos la cultura de La Aguada tuvo tres divisio-
nes geográflcas-culturales bien diferenciadas. Puede tratarse, quizas, de tres
culturas distintas que comparten elementos comunes. Toda depende de la
extensión de la categoría que usemos, es decir, de la amplitud que otorgue-
mos al término “cultura”. Las tres divisiones muestran, sin embargo, una
similitud básica en la iconografía simbólica, sin duda de carácter religioso.
En los detalles técnicos de fabricación, en la forma de la cerámica y en los
patrones de asentamiento hay diferencias sensibles en cada uno de los sec-
tores geográficos. Plasta ahora sólo conocemos bastante bien uno de estos
sectores, el correspondiente al valle del Piualfín. El sector oriental del valle
del Ambato, recién comienza a ser estudiado. Del sector Sur sólo sabemos
que proporciona especímenes arqueológicas bastante diferentes a los que pro-
ceden de los otros sectores.
El sector Septentrional, en el que se ubica el Valle del Hualfín, fué el pri-
mero en ser conocido y el que se utilizó para definir la cultura. Entre otros
rasgos se caracteriza por su cerámica de color gris-plomizo grabada, con
262
Gonzalez, Nota sobre Religion y Culto
líneas muy finas y de formas características. Esta cerámica se asocia a otros
tipos pintados en dos o tres colores. Un carácter negativo de este sector es
la ausencia de pipas y de figuras antropomorfas macizas modeladas en barro
cocido. Las habitaciones fueron de material perecible y el patrón de asenta-
miento es prácticamente desconocido.
Hasta ahora se ha estudiado un sólo sitio ceremonial en lo alto de un cerro
previamente preparado para tal fin.
El sector Sur se halla en la provincia de La Rioja. Posee una cerámica
policromada con motivos y formas que le son propias. Aquí se hallan figuras
antropomorfas de barro cocido y de piedra. El patrón de poblamiento en la
fase final de Aguada de este sector lo forman agrupaciones de 3 a 5 recintos
de planta rectangular y paredes de piedra.
El sector Ambato se caracteriza por su cerámica negra lustrosa con mo-
tivos a veces grabados por técnica “negativa”. Otra cerámica, característica
de una fase más reciente, está pintada en colores negro, rojo, y a veces ama-
rillo, sobre fondo blanco (tipo Portezuelo). Lleva notables figuras entre las
que se reconoce el personaje de los dos cetros y el personaje con máscara
felínica. Se encuentren aquí, pipas grandes de barro cocido con figuras mo-
deladas o pintadas (González, 1977; pp. 100).
En otras oportunidades hemos señalado que algunos tipos cerámicos de
Aguada tienen dentro del N.O.A. una dispersión geográfica que no conoció
ninguna otra alfarería, excepto la de influencia incaica. Vestigios de esos tipos
cerámicos se hallan desde el Sur de Valle Calchaquí y en el Valle de berma111
hasta la provincia de San Juan. Es cierto que en muchos casos la presencia
de esa alfarería refleja relaciones de intercambio, como lo indican los frag-
mentos de tipos cerámicos Aguada que se hallan en yacimientos de San
Pedro de Atacama. Pero este intercambio está indicando una cualidad di-
námica de gran intensidad que excepcionalmente encontramos en otras cul-
turas del N.O.A. Geográficamente Aguada o su tradición, abarcaba una
buena parte de la región Valliserrana y de su prolongación hacia el Sur,
pero resulta difícil evaluar esta extensión geográfica de su cerámica y, aún
de la cultura, en términos de su significado socio-político y religioso. La
1!) Hemos visto fragmentos de cerámica de tipo Portezuelo procedentes de un sitio
arqueológico del Valle de Lerma. Estos fragmentos no se mezclaban con otros de
diferente clase o cultura. Pudimos realizar este examen por gentileza de los autores
del hallazgo, Sres. Peyret y la Sra. Marilú Schlegel, de la ciudad de Salta. Es
indudable que la expansión de la cultura de La Aguada no fue igual en sus dife-
rentes fases.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
263
escasez de estudios sistemáticos conspira contra las posibilidades de deduc-
ciones más amplias.
Con respecto a la religión de Aguada tenemos, merced a su rica icono-
grafía figurativa, una serie de evidencias que carecemos para otras etnías.
Algunos hallazgos arqueológicos contribuyen, también, a complementar as-
pectos de su ceremonial religioso. Sabemos que el arte alfarero de Aguada es,
esencialmente, un arte sacro, por oposición al de las culturas tempranas, que
por lo general poseen un arte alfarero profano, como las primeras etapas de
Ciénaga.
Como aún no se han publicado en detalle daremos una somera descripción
de los centros ceremoniales de Aguada. Uno de los centros se encuentra en
lo alto del cerro Loma Larga, en el vallecito de Shincal, en las proximidades
del actual pueblo de Londres en el Depto. de Belén, Catamarca. Dicho cerro
se halla dividido en tres pequeñas cumbres en las que existen restos de con-
strucciones con cimientos de piedra, de planta rectangular o circular muy
mal conservadas. La cumbre central del cerro fue aplanada artificialmente
obteniendo una superficie de unos 150 m2, reforzada mediante muros de
sostenimiento y a la que se llegaba mediante una escalera. En otra de las
cumbres se destaca una estructura de paredes de piedra asentadas en barro
y con planta en forma de U, cuya excavación proporcionó abundantes frag-
mentos cerámicos de Aguada.
Otro sitio ceremonial, correspondiente al sector Oriental, lo excavamos
en la zona de Ambato, en la estancia La Rinconada, a 76 km al Norte de la
ciudad de Catamarca. Se encuentra situado en la margen derecha del río de
Los Puestos. Se distingue este sitio de otros asentamientos, que abundan en
los alrededores, por sus mayores dimensiones y algunos rasgos característicos.
El sitio abarca una superficie rectangular de 100 por 80 m. Las distintas
estructuras de planta rectangular o cuadrada, se identifican por líneas de
piedra y están ordenadas simétricamente como si su distribución hubiese
sido planificada previamente. Sólo los sitios de la cultura Alamito o los in-
caicos, como Simbolar y Pucará de Andalgalá, etc., revelan un orden dis-
tributivo con planificación regular previa.
Las estructuras de paredes de piedra se disponen, en La Rinconada, alrede-
dor de una plaza o espacio abierto sobre su lado Oeste y adosadas las unas a
las otras, sobre los lados Norte y Este de ese espacio. El lado Oeste carece
de restos superficiales visibles y el Sur está delimitado por un montículo
artificial, y algunas otras pequeñas estructuras sobre el lado Sureste. Las ex-
264
Gonzalez, Nota sobre Religion y Culto
cavaciones fueron muy limitadas en relación con la magnitud del sitio20
y pusieron al descubierto, en uno de los pequeños montículos del lado Norte,
una habitación de planta rectangular. Las paredes de esta habitación estaban
formadas por bloques de tapia en las que se intercalan columnas de lajas o
rodados planos superpuestos, a una distancia regular unas de otras. Estas
columnas se mantenían en pie mediante mortero de barro y por estar in-
cluidas en el espesor de la tapia. No hay duda que sirvieron para apoyar
los grandes troncos de alisos — hallados quemados — que soportaban el
techo, que fue de paja, y el que debió tener una caída de dos o cuatro aguas
según la planta casi cuadrangular. Sobre el piso se hallaron restos de fogones.
Uno de ellos, junto a la pared Oeste, tenia un pequeño muro de piedra,
incluido en esa misma pared. Los fogones contenían cantidad de huesos par-
tidos, carbón y ceniza. Dentro de esa habitación se hallaron varios fragmen-
tos de huesos humanos destrozados. Habitaciones como las mencionadas,
pero no excavadas se hallan también en el lado Norte y en el Este, formando
dos o tres filas, según las evidencias superficiales.
La estructura más notable de todo el asentamiento es el montículo que
mide 30 m de largo por 12 m de ancho y 3,50 m de alto. Es íntegramente
artificial, construido de una sola vez con sedimentos arcillosos, mezclados
con fragmentos de alfarería y pocos huesos y ceniza. La orientación del lado
Este es de 17° NE-SO. Rodea al montículo una pared de piedra. Por el lado
Norte, el que mira a la plaza o espacio abierto, esta pared está formada por
lajas escogidas y canteadas en los bordes, muy regulares, que miden 1 a
1,20 m de largo por 20 a 25 cm de ancho y 5 a 6 cm de espesor. Fueron
colocados en una fila con su cara plana hacia el frente del montículo y el eje
mayor en sentido vertical. Están rematadas por 3 o 4 filas de las mismas
lajas, colocadas con su eje mayor transversalmente. La base de las lajas se
aseguró mediante rodados pequeños; la pared posee un lienzo muy parejo,
de notable efecto estético, obtenido, sin duda, intencionalmente. En la
cumbre del montículo quedan restos de dos filas de piedras rectilíneas de 1,20
por 1,40 m de largo, las que debieron delimitar una especie de plataforma
algo más larga. Esta plataforma debió servir para las ceremonias que, sin
duda, se realizaban en lo alto del montículo. A ella se accedía mediante una
rampa que corre de Norte a Sur y que desciende hacia el llano por el án-
gulo noroeste.
20 Habíamos proyectado realizar la excavación exhaustiva de este importantísimo
sitio. Circunstancias diversas, largas y difíciles de enumerar, impidieron concretar
estos deseos hasta ahora.
265
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
Algunos hallazgos de huesos humanos fragmentados, hechos en los sedi-
mentos de la periferia y cima del montículo indicarían que en el ceremonial
figuraban la inmolación y mutilación de sujetos adultos, prácticas que, según
otras evidencias, fue muy común en el pueblo de La Aguada.
La presencia del montículo y del espacio abierto sobre su frente Norte,
el tamaño y la distribución de las estructuras, las diferencias que tiene con
los asentamientos próximos, según puede apreciarse en el simple reconoci-
miento, revelan que, en lo fundamental, este fue un sitio ceremonial. Las
habitaciones podemos conjeturar que debieron servir a los oficiantes de las
ceremonias, presumiblemente shamanes o aún un cierto número de individuos
pertenecientes a un incipiente grupo sacerdotal.
El culto religioso de La Aguada parece centrarse en la representación de
una imagen felínica y de otra antropomorfa menos frecuente, o bien de una
figura que reúne los atributos desarticulados de ambas reunidos en una nueva
imagen. Parece culminar en Aguada la elaboración compleja de motivos y
temas más simples, inspirados en la iconografía de las culturas Tafí y Condor-
huasi.
La figura felínica, representada de manera naturalista o por sus atributos,
se encuentra tanto en los grandes vasos pintados o grabados como en las
pequeñas superficies de los torteros para hilar, en los rostros de las figuras
humanas modeladas, y en la superficie de las figuras de sapos, modelados
también en barro cocido. La imagen felínica es polifacética en sus atributos
y en su simbiosis figurativa. Mezcla sus rasgos anatómicos con los antropo-
morfos y con los de diversos animales. Las fauces del felino llegan a formar
las alas de un extraño pájaro que posee también rasgos humanos (González,
1974; Fig. 2.1.). De muy difícil interpretación son las insólitas figuras en las
que cola y patas se han transformado en otras tantas cabezas felínicas mons-
truosas (González, 1977; Fig. 140). La existencia de imágenes muy parecidas
en otras culturas andinas, especialmente en Recuay, indicaría ideas similares,
cuya complejidad y extensión apuntan a comunes lazos genéticos más que a
posibles reinvenciones. Aunque por ahora resulta muy difícil trazar los ca-
minos y etapas de su difusión original.
Con los rasgos felínicos de Aguada pueden asociarse ofidios, sapos y pá-
jaros. Curiosamente el cóndor no aparece con gran frecuencia (González,
1977; Fig. 130). En cambio la serpiente de dos cabezas vuelve a aparecer
unida en compleja representación, a grandes rostros humanos. Estas ser-
pientes pueden tener rasgos monstruosos o casi felínicos (Por ej.: en la figura
ilustrada por nosotros, 1977; Fig. 130). El tema, rostro humano-serpiente,
266
Gonzalez, Nota sobre Religion y Culto
estaba presente ya en un monolito de Tafí y en un vaso de piedra Ciénaga
(González, 1977; Fig. 225 y 226). El anfisbena es, posteriormente, un tema
representado con harta frecuencia en la alfarería y en los discos metálicos
de Santamaría y Belén; pocas dudas quedan que en estas últimas culturas
esta imagen deriva de la similar de Aguada.
Al lado de las figuras felínicas se hallan personajes antropomorfos repetida-
mente reproducidos con sus emblemas y adornos. Entre estos personajes
sobresale el de “los dos cetros”. Otra figura importante es la del “sacrifica-
dor” que junto con la primera tienen amplia distribución geográfica y tem-
poral en la región andina. Las variantes estilísticas con que se representan
esas figuras son muy grandes entre una y otra cultura. Pero la idea básica
esencial que originaba la creación de esa figura debió tener algunos aspectos
en común en las diferentes regiones. Resulta de difícil explicación el hecho
de que el sentido y función que representa el sacrificador, o el personaje de
los dos cetros, tan extendido en el mundo andino, desde Chavín, Pucara y
Tiahuanaco, no dejara recuerdos tangibles e identificables en las culturas
históricas de la misma región. La falta de estas representaciones en la cultura
inca nos lleva a preguntarnos si la desaparición de esos personajes y de su
significado no fué en gran parte obra de la expansión incaica. Otros per-
sonajes, aparte de los recién mencionados, que hallamos en Aguada son los
guerreros provistos de lujosos y complicados atuendos, portadores o no de
atributos felínicos.
El carácter anatrópico, a veces muy complejo de algunas figuras (Gon-
zález, 1974), nos habla frecuentemente del sentido dual de la cosmovisión
de este pueblo.
Durante algún tiempo creimos que la imagen humano-felínica de la icono-
grafía de Aguada representaba, básicamente, el “rito de transformación” del
shaman en felino debido a la acción de los alucinógenos (González, 1974).
Hoy, gracias a nuevas evidencias, sobre todo de orden etnohistórico, nuestras
ideas han cambiado y creemos que el culto religioso de Aguada fué algo mas
complejo de lo expuesto anteriormente. Si bien los shamanes o aún sacerdotes
iniciados pueden representar a la deidad en el momento del trance y en el
“rito de transformación”, hoy creemos que es la deidad misma la que se
halla representada en buen número de las figuras reproducidas en la icono-
grafía conocida (González, M. S.; 1981).
EIn conjunto de elementos como hachas de hoja metálica y mango de
madera, tallados, con imágenes alusivas, debieron usarse en los cruentos sa-
crificios realizados en los sitios ceremoniales.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
267
La gran importancia de los símbolos religiosos utilizados creemos se ex-
presa en la perduración reconocible de muchos de ellos. Los encontramos en
la parafernalia del Período Tardío y aún en el Hispano-Indígena, especial-
mente en las grandes placas circulares Santamarianas, Belén y las halladas
en el Pucará de Tilcara en la Quebrada de Humahuaca (González, M. S.,
1981). El hecho de que los mismos elementos simbólicos (cabezas trofeos,
ofidios simples y anfisbenas) se encuentran en contextos de culturas diferentes
(Santa María, Belén) del N.O.A., pero del mismo Período indica por un lado
un origen común. Por otro lado señala cierta comunidad de creencias gene-
ralizadas, mantenidas en el orden religioso.
4.3. Período Tardío.
En el Período Tardío parecen continuar, según ya dijimos, algunos temas
básicos figurados en la iconografía de La Aguada. Estos temas aparecen con
frecuencia en las culturas Belén, Santamaría, y también en sitios Flumahuacas
y aún en La Puna. Las dos primeras comparten otros muchos Ítems en co-
mún, especialmente la lengua. Sin embargo variantes estilísticas permiten
individualizar una cultura de otra.
Rasgos comunes en la alfarería Santamariana en sentido amplio (urnas
escutiformes tipo Pampa Grande-Lerma, urnas pintadas en negro y rojo
sobre blanco, etc.) y la alfarería Belén, son los vasos bifrontes, con rostros
antropomorfos reproducidos en relieve o (y) pintados, la división tripartita
del vaso, la representación del anfisbena y el motivo escalonado. Santamaría
presenta en sus urnas rasgos propios como los brazos a los costados de la
urna, los que pueden sostener, en algún caso, un recipiente entre las manos.
En Belén se representa, y con mucho menos frecuencia que en Santamaría,
rostros aislados de otros atributos anatómicos, los que ocupan una posición
diferente al de las urnas Santamarianas.
Los guerreros provistos de grandes escudos, representados en urnas o pla-
cas metálicas santamarianas parecerían continuar, transformado, el tema del
sacrificador de las placas metálicas de Aguada. Lo mismo ocurre con los
batracios y el anfisbena. Batracios, aparecen modelados en Aguada y pintados
en Santamaría y aún en urnas San José. En Belén se reproduce la figura de
un animal fantástico no identificadle, que no sería imposible represente una
perduración, muy deformada, del felino del Período Medio.
En resumen el anfisbena, los grandes rostros antropomorfos, las figuras
felínicas, las figuras de aves que acompañan al personaje principal, las figuras
de guerreros armados, son elementos iconográficos que pueden reconocerse
4 Baessler-Archiv XXXI
268
Gonzalez, Nota sobre Religion y Culto
como temas básicos recurrentes, pese a las variantes regionales y estilísticas
que presentan. Aparecen en la iconografía del Período Medio y perduran en
el Tardío. Si las figuras representadas en la cerámica no fuesen suficiente-
mente claras para trazar la continuidad temática entre el Período Medio y
el Tardío otras evidencias muy claras se encuentran en las piezas de metal
donde a la similitud de temas se agrega, inclusive la similitud de detalles.
Estos especímenes de metal son siempre objetos no utilitarios y seguramente
relacionados con el ceremonial. Entre estos tenemos, en primer lugar las
hachas de cobre o bronce. Tipológicamente aparecen en el Período Tardío
tipos de hachas desconocidos previamente, como las hachas con alvéolo para
encastrar el mango y las hachas con mango fundido junto con la hoja en una
sola pieza. Resulta notable que algunos de los rasgos reproducidos en las
hojas de esas hachas (como los “rayos” de la “corona” felínica, fauces con
dientes y ojos) (González, 1977; Fig. 264), son sin duda detalles derivados
directamente de la figura felínica del Período Medio. Las figuras de guerreros,
representadas en las pictografías o en la cerámica, portadores de cráneos
cercenados sugiere la muy probable función de esas hachas. A su vez el
hallazgo hecho dentro de una urna Sanagasta, del Período Tardío, de un
cráneo humano cuidadosamente envuelto en finos tejidos, prueba la existen-
cia de un complejo ceremonial sacrificatorio. Más aún en el caso de la men-
cionada urna, que curiosamente lleva caras antropomorfas bifrontes en re-
lieve; uno de esos rostros tiene los ojos abiertos, la opuesta los tiene cerrados.
(González, 1977; Figs. 271—272). Los rostros de las urnas Belén parecerían
llevar también unas veces los ojos cerrados y en otras abiertos (Idem,
Figs. 306 y 307).
Junto con las hachas se debe asociar, en el mismo complejo ritual-funcio-
nal, los tan-tanes o grandes campanas y las placas de metal, predominante-
mente circulares o rectangulares de los valles Yocavil-Hualfín. Las placas
circulares del Período Tardío presentan algunos rasgos comunes generalizados
y variantes regionales. Un análisis de los mismos lo hacemos en el trabajo ya
mencionado (González, M. S., 1981). De cualquier manera conviene recalcar
que en los discos ceremoniales del Período Tardío son muy comunes los
rostros humanos y (o) humanos felínicos, los ofidios de cabeza simple o doble
o de cuerpo bifurcado a partir de una sola cabeza. Nosotros creemos que los
rostros antropomorfos con líneas verticales submentonianas figurados en los
discos metálicos del Período Tardío, representan cabezas de sujetos sacrifi-
cados (cabezas trofeos en general). Basamos nuestra hipótesis en el hecho de
que la imagen del “sacrificador” de la placa del Beni (González, 1974; Fig. 44)
lleva una cabeza trofeo, no en la mano, como es lo corriente, sino colgando
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
269
de su pecho. Esta cabeza lleva una serie de líneas idénticas a las que se obser-
van en la gran mayoría de las representaciones de cabezas figuradas en las
placas del Período Tardío21. Estas mismas imágenes aparecen en la superficie
de los grandes tan-tanes o campanas, de manera que, podemos suponer, que
la similitud figurativa indica también un cierto vínculo funcional. Este con-
junto de elementos de la parafernalia ritual se articula, creemos, bastante
exactamente, con el mismo complejo del Período Medio.
Ha resultado difícil, hasta ahora, probar que algunos de los restos de niños
contenidos en las urnas Santamarianas o Belén corresponden a sujetos que
fueron sacrificados. Sólo podemos afirmar que la práctica sacrificatoria existía
ya en la cultura Candelaria entre el 500 y 600 A. D., según ya hemos ex-
puesto. Que este ritual perduraba hasta el Período Tardío y aún Imperial lo
prueban los hallazgos de Salinas Grandes y los de los cerros del Toro, Las
Tórtolas, etc.
Pero si las cabezas trofeos figuradas en los discos metálicos sugieren sacri-
ficios rituales o bien prácticas guerreras; las figuras de guerreros armados
representandos tanto en las urnas Santamarianas como en las pictografías y
en los discos, reafirman la existencia de esas prácticas.
Vasos como la urna Quiroga (González, 1977; Figs. 293 y 294) que llevan
personajes modelados tocando una flauta de pan, sugieren seguramente prác-
ticas shamánicas rituales que no sabemos si estuvieron o no relacionadas con
las anteriores o fueron por completo ajenas a las mismas, como pudieron ser
los rituales curativos o similares (Krapovickas, 1961).
Las variantes regionales cúlticas y religiosas, debieron ser bastante notables
en el Período Tardío. En la Puna jujeña, en la localidad de Pozuelos, hicimos
un hallazgo muy interesante. Se trataba de una figura antropomorfa tallada
en piedra terminada en un extremo cónico, que mide 176 mm de largo. Esta
figura se apoyaba cuidadosamente sobre una laja plana. Junto a la figura se
21 En otros casos, de la reglón submentoniana se desprenden líneas curvas, o quebra-
das, que indicarían distintas formas de llevar el cráneo trofeo.
En tejidos Paracas hemos observado que se reproducen cabezas trofeos que llevan
líneas verticales submentonianas como las ya mencionadas.
En las campanas o tan-tanes metálicos del N.O.A. la cabeza aparece con el
vertex hacia abajo, es decir en la posición que tendría un cráneo cuando se lo
toma del aditamento correspondiente citado en el párrafo precedente. Aunque no
puede descartarse que la campana, careciendo de badajo, se hiciera sonar por
percusión directa. En este caso tenían que usarse con la abertura o boca hacia
arriba, quedando, de esta manera, la cabeza en posición normal.
270
Gonzalez, Nota sobre Religion y Culto
halló una bola de piedra perfectamente esférica y rodeando al conjunto se
habían colocado una serie de 15 o más vasos de alfarería lisa, sin decoración.
La mayoría estaban colocados boca abajo, extrañamente metidos unos dentro
de otros a partir del fondo que había sido fracturado (González, 1963;
Fig. 10, p. 381).
En Santiago del Estero las variantes iconográficas locales de la cerámica
son muy grandes. En las primeras etapas de las culturas agro-alfareras apare-
cen diseñadas en la alfarería unas figuras fantásticas que sugieren pueden
tener algunos vínculos con la cultura de La Aguada. Debió haber influencias
culturales recibidas de los centros de la cultura Aguada establecidos en la
serranía de Ancasti.
La cultura santiagueña de Sunchituyoc elaboró un estilo propio muy carac-
terístico. El tema central es la figurada de un ave estilizada. Se ha querido
relacionar esa figura con algunas leyendas del folklore santiagueño sin que,
por el momento, tengamos mayores elementos para fundar esa hipótesis.
La cerámica tardía santiagueña posee muy pocos elementos figurados.
Comparte algunos escasos temas comunes con las culturas de la región Valli-
serrana; el más conocido es el de la anfisbena. En la serranía santiagueña
había en el siglo XVI grupos de habla kakana, lo que permitiría suponer la
existencia de otros vínculos culturales.
4.4. Período Imperial.
Después de la ocupación incaica debió extenderse en el N.O.A. el culto
de la deidad solar, si es que este o algunos vestigios del mismo no existían
desde época preincaica, como lo sugieren diferentes evidencias (González,
M. S., 1981). En varios sitios se ha identificado el ushno, que sabemos cumplía
funciones cívico-religiosas en época incaica (González, 1980). También se han
descripto en detalle numerosos sitios calificados como “santuarios de altura”,
los que contenían ofrendas variadas, inclusive restos de niños o jóvenes sacri-
ficados. La literatura al respecto es muy abundante y ya nos hemos referido
a ella (González, 1980). Estos santuarios debieron corresponder a un viejo
culto andino de origen seguramente preincaico, que continuó luego en el
Período Imperial. Parece se conservaba aún después de la conquista en pleno
siglo XVII, pues según el testimonio del P. Torreblanca el falso inca Bohor-
quez “. . . cuando regresaba a Calchaquí con los caciques que lo habían acom-
pañado a Poman (para su célebre entrevista con el gobernador español)
junto con ellos hizo un sacrificio pagano a un cerro muy famoso que estaba
a la entrada del Valle” (Torreblanca, M. S.; folio 33).
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
271
Carecemos hasta ahora de testimonios que prueben la existencia en el
N.O.A. de un culto imperial organizado con templos, acllahuasis, etc., como
parece existió en Chile. Sus restos no los ha identificado la arqueología, ni
las crónicas los mencionan, pero y sabemos que de la época incaica la infor-
mación histórica es harto escasa paralel N.O.A.
La religión de las etnías locales con sus shamanes y mochaderos, sus “va-
rillas y plumas” y sus discos y placas metálicas, prosiguieron hasta el mo-
mento de la conquista europea según las evidencias anotadas en el acápite
2.2.1. de esta monografía. Con posterioridad a la conquista continuaron las
prácticas anteriores por lo menos durante el Período Hispano-Indígena y
aún después, algunas creencias y prácticas debieron proyectarse y persistir en
el folklore (Mariscotti, 1978). Se ha buscado correlacionar los calendarios
festivos locales con las prácticas del centro neurálgico del Imperio incaico.
Pero en esto es necesario tener muy en cuenta que la cultura incaica presenta
muchos rasgos que eran únicamente privativos del centro capitalino y ale-
daños, como por ejemplo la arquitectura de la élite o las fiestas del Intiraymi,
etc.
Esta centralización era uno de los tantos medios organizados del dominio
imperial que no se extendía por igual a todas las provincias marginales.
Bolivia y Ecuador presentan notables diferencias con el N.O.A. Lo que per-
duró en el folklore de nuestras provincias fué la práctica má sencilla y
popular como el culto de la Pachamama (Mariscotti, 1978) o rituales de grupos
pequeños, carentes del fasto y del sentido que poseían las impresionantes
prácticas imperiales cuzqueñas. Cuando en las provincias incaicas alejadas
hubo un culto religioso complejo con sacerdocio organizado, estas se hallan
en regiones en las que existieron grandes señoríos (paramount chiefdom) desde
épocas preincaicas cuyas prácticas y organización religiosa fué más compleja
que las correspondientes a las etnías del N.O.A. Tal es el caso que nos ates-
tiguan las ruinas de Ingapirca en Ecuador y Pillkocaima en Bolivia. La or-
ganización sociopolítica-religiosa de los señoríos aymaras y cañaris era bas-
tante más compleja que la de los simples grupos tribales o pequeños señoríos
del N.O.A.
5. RESUMEN.
No existen casi estudios sobre las prácticas religiosas y célticas de los an-
tiguos habitantes del N.O.A. Sin embargo, puede obtenerse información,
hasta ahora dispersa, en los informes de trabajos arqueológicos y en el ma-
terial cerámico, en metal y arte rupestre. Por otra parte las crónicas almace-
272
Gonzalez, Nota sobre Religion y Culto
nan buena cantidad de datos utilizables. Pero el tema de la religión no ha
atraído aún la atención de los jóvenes investigadores pese a su indudable in-
terés. Por esto hemos querido resumir algunas observaciones en la presente
nota. Usamos como punto de partida unas figuras de madera antropomorfas,
que se guardan en el Museum für Völkerkunde de Berlín. Hemos demostrado
la autenticidad de esas piezas mediante una fotografía que fue tomada, según
todas las evidencias, en el momento del hallazgo. Esta fotografía se encuentra
en el Field Museum de Chicago, de los Estados Unidos, y perteneció al
mismo “huaquero” que vendió las piezas de madera al Museo de Berlín. La
segunda parte de la monografía está dedicada a establecer es posible contexto
cultural en que deben ubicarse los especímenes antes mencionados y, en lo
posible, la cronología relativa y absoluta de dicho contexto.
Determinada la correspondencia contextual de las figuras antropomorfas
con los últimos momentos históricos de las culturas locales, immediatemente
prehispánicos o en los primeros después de la conquista española, hemos
buscado en las crónicas testimonios sobre las prácticas religiosas autóctonas
de esa época. Estamos muy conscientes de que este es sólo un comienzo de la
Investigación de estos problemas y que mucho falta para agotar el tema que,
por otro lado, se irá enriqueciendo a medida que progrese la investigación
arqueológica y etnohistórica. De cualquier manera es muy posible que las
piezas descriptas integren un conjunto de elementos célticos, repetidamente
mencionados por los frailes que catequizaron el Valle Calchaquí, bajo el
nombre genérico de “ídolos” y “varillas”. De las fuentes históricas analizadas
se deduce la existencia en el Valle Calchaquí y Yocavil de estructuras arqui-
tectónicas permanentes para la celebración del culto, al parecer formas in-
cipientes de templos. Al lado de estos existen otros sitios de carácter tempo-
rario o esporádico. La religión y el culto parece se encontraba en manos de
shamanes, según testimonios etnohistóricos y arqueológicos, sin que podamos
ampliar demasiado la información sobre este punto.
La tercera parte del trabajo estuvo dedicada a examinar las evidencias
arqueológicas relacionadas con el culto y la religión, sabiendo de antemano
lo exiguo y dispar conque estas evidencias quedan en el registro arqueológico.
El análisis cultura por cultura puede revelar relaciones corológicas de in-
terés. El examen, más amplio, de cada Período, visto el desarrollo de las
evidencias religiosas y célticas en el Proceso cultural, resulta también, suma-
mente demostrativo sobre el cambio y la transformación en el tiempo de
este importante aspecto simbólico de las culturas. El análisis parcial de temas
culturales, simbólicos o tecnológicos de los diferentes Períodos, visto a través
del Proceso cultural, nos dará, finalmente, una visión integral del mismo,
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
273
facilitando en conjunto, una mayor comprensión histórica y una mejor ex-
plicación de las causas que se hallan en la base de los mecanismos que impul-
san la dinámica cultural. Se advierte ya cuales son los momentos en la
historia arqueológica del N.O.A. en que existe continuidad cultural y cuales
son los que revelan interrupción dentro de la secuencia histórica.
Ciertos cultos y prácticas, como el que indican las imágenes felino-antro-
pomorfas, y las cabezas trofeos, quizás originadas en cultos relacionados
con la fertilidad y la producción agraria, están ya presentes en las primeras
culturas agro-alfareras del N.O.A., como Vaquerías. El uso correlativo de
alucinógenos se halla en esta época, y evidencias arqueológicas lo retrotraen
aún a la Etapa precerámica. Estas creencias y prácticas se acentúan aún más
en la cultura Condorhuasi a juzgar por los testimonios arqueológicos. El
culto en el que interviene el felino, asociado estrechamente a sacrificios
humanos cruentos y al uso ritual de alucinógenos, deja numerosas evidencias
en esa cultura. El sentido de dualidad está presente en las figuras anatrópicas,
en las plataformas ceremoniales dobles y en otros testimonios arqueológicos.
La cultura Tafí posee expresiones cúlticas que no hallamos en otras cul-
turas arqueológicas del N.O.A. anteriores o posteriores. Los grandes mono-
litos o estelas, lisas o esculpidas, tienen un carácter particular y único en la
historia arqueológica de esta región. Las estelas se emplazan en sitios escogi-
dos y previamente preparados. El mayor número de estelas estaba alrededor
de un montículo artificial. La amplitud del sitio ceremonial demuestra la
existencia de cultos generalizados, quizás en todo el valle o aún en las regio-
nes vecinas.
La idea de la dualidad está presente también en la cultura Tafí en la figura
bastante frecuente de dos grandes rostros superpuestos en una de las caras
de los monolitos. En un caso los grandes rostros se asocian a la imagen
ofídica, asociación, que bajo otros estilos, perdura hasta el Período Tardío.
Tafí tiene indudables influencias culturales procedentes del Titicaca, sean
estas tiahuanacotas o anteriores.
En Alamito encontramos evidencias de manifestaciones cruentas y otras
expresiones de religión y culto. Pero su rasgo más saliente es que en esta
cultura se vuelve a aspectos menos colectivizados de la religión, la que se
concentra en actividades practicadas independientemente por cada grupo
aldeano.
El climax religioso y cúltico parece se alcanzó en el Período Medio, con un
complejo ritual, con sitios ceremoniales bien elaborados y un panteón de
274
Gonzalez, Nota sobre Religion y Culto
formas variadas en el que el hombre-felino parece ser la figura predominante,
junto con una intensa actividad guerrera íntimamente ligada a la religión y
al culto. En la actualidad, diversas evidencias analizadas en otro trabajo,
permiten formular la hipótesis que la deidad principal de este Período debió
tener carácter solar, tema que es necesario seguir investigando. Es probable
que la organización religiosa y socio-política de Aguada sea la causa funda-
mental de la cohesión y expansión que muestra esta cultura.
En el Período Tardío parece producirse un retroceso general en lo que
se refiere a capacidad tecnológica y grados de complejidad religiosa o de
expresividad artística. Quizás ocurrió otro tanto en el campo socio-político.
En el aspecto religioso, si bien perduran en el Tardío algunos elementos
del Período Medio, creemos que también se producen cambios parecidos a
los ocurridos en el arte y la tecnología. Mucho nos falta por conocer en este
sentido, pero no hay duda de que las modestas “varas” y “varillas” y los
manojos de plumas del Período Tardío no se pueden comparar con las estelas
de Tafí, ni las placas circulares Santamarianas o Belén con los discos de
Lafone Quevedo o Pucarilla. También en el terreno religioso parece reflejarse
el gran cambio que experimentaron las culturas del N.O.A. al finalizar el
Período Medio. Surgen en el nuevo Período estilos desconocidos previamente,
como Santamaría, Belén, San José y Sanagasta y con ellos una diferente
iconografía que sólo posee algunos temas nuevos y otros que perduran del
Período anterior, temas remodelados en su forma por los nuevos estilos. No
hay duda de que existe una discontinuidad que pone de manifiesto la pene-
tración de nuevas influencias culturales cuyo origen y gravitación histórica
no se han valorado aún suficientemente, tema que tratamos en otro trabajo.
A su vez, las culturas del Período Tardío sufrieron el impacto histórico de
la conquista incaica dando origen al Período Imperial. Hay sin embargo
notables diferencias entre los cambios culturales ocurridos al final del Período
Medio y los ocurridos después de la conquista incaica. En el primer caso
aparecen varias culturas independientes diferenciadas a partir de una raiz
común. Las causas dinámicas de este cambio, los elementos desintegradores
y reintegradores no dejaron evidencias demasiado claras en el registro arqueo-
lógico y parecen fundirse con los elementos locales desde el primer mo-
mento de contacto. Por lo contrario, después de la conquista incaica el
N.O.A. parece adquirir una integración cultural progresiva y la culturas de
los invasores, causas del cambio, puede identificarse perfectamente en el
registro arqueológico. Este cambio significó un mayor grado de complejidad
cultural y mayor unificación en la organización política, por lo contrario a
lo que ocurrió al final del Período Medio y comienzos del Tardío.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
275
6. CONCLUSIONES.
1. — El estudio de las evidencias cúltico-religiosas del N.O.A. revela que
no existe en sus manifestaciones arqueológicas un proceso evolutivo de
complejidad creciente en el tiempo. Por lo contrario aspectos muy complejos
en relación con la religión y culto estaban presentes en las culturas más
tempranas.
2. — Prácticas religiosas y cúlticas de posible origen agrario están pre-
sentes desde las primeras culturas agroalfareras. Entre estas encontramos
sacrificios cruentos de víctimas humanas, el uso de alucinógenos, el concepto
de la dualidad en la cosmovisión y de símbolos en los que aparecen con fre-
cuencia imágenes humano-felínicas, unidas o separadas, representadas en
forma naturalista o por sus atributos simbólicos.
3. — Los elementos antes mencionados culminan en su variedad y canti-
dad en la iconografía del Período Medio que es paralelamente la etapa de
mayor complejidad tecnológica y artística y quizás también la de mayor
complejidad socio-política y económica. Son de recurrente aparición en este
Período, las figuras del “sacrificador”, el personaje de “los dos centros”, feli-
nos, anfisbenas y algunas figuras de carácter fantástico. Es posible que todas
ellas integren un ciclo más complejo y organizado de los cultos agrarios
originales, aunque considerablemente transformados.
4. — En los Períodos Temprano y Medio se encuentran los centros cere-
moniales más elaborados de la historia arqueológica del N.O.A., especial-
mente en la cultura Tafí, Alamito y Aguada (Sitios de El Mollar, Shincal,
La Riconada).
5. — En el Período Tardío la expresión simbólico-figurativa ha decaído
en cuanto a variedad y cantidad; paralelamente decae la calidad artística y
técnica de sus producciones. Según datos históricos se hallan en este Período
formas incipientes de templos. Encontramos, en este momento, figuras cuyas
raíces se hallan en períodos anteriores, si bien bastante diferentes. Así la
cabeza trofeo se la representa en la alfarería, arte rupestre, placas metálicas
y grandes campanas. Atributos de rasgos felínicos son claramente recono-
cibles en las hachas ceremoniales, y el anfisbena ocupa ahora un lugar muy
importante entre los temas figurados. Debieron perdurar los sacrificios
cruentos, especialmente de párvulos. Algunas manifestaciones cúlticas fueron
relativamente sencillas como el uso de “varillas” y “plumas”, las que se
individualizan con piezas descriptas al comienzo de este trabajo, las que en
nada pueden compararse con las grandes estelas de piedra del Período
Temprano.
276
Gonzalez, Nota sobre Religion y Culto
6. — En el Período Tardío no se conoció el sacerdocio institucionalizado
y la religión debió estar en manos de shamanes. Es muy difícil decir qué
ocurrió, en este punto, en períodos anteriores. De la época incaica se conocen
prácticas locales, quizas de origen más antiguo, como los “santuarios de al-
tura”. No se conocen en la arqueología expresiones arquitectónicas religiosas
del Período Imperial excepto el ushno.
7. — A pesar de los cambios manifiestos, se advierte a través de las di-
ferentes culturas y Períodos un cierto grado de continuidad en las creencias
y prácticas religiosas que nos han llegado, no obstante sus variantes estilísti-
cas, corológicas y cronológicas.
8. — Es muy interesante advertir como a partir de determinados temas
simbólicos, como por ejemplo los utilizados en la cultura de La Aguada, al
ser retomados en momentos posteriores del Período Tardío se diversifican
y transforman en cada una de las diversas culturas de este Período sin perder
su relación formal con los temas originales. Esto se observa en el personaje
central antropomorfo del disco Lafone, las figuras de felinos o pájaros acom-
pañantes, las figuras de saurios o reptiles laterales, etc. Estas evidencias de-
muestran, creemos, al mismo tiempo que un cierto grado de continuidad en
las ideas religiosas, que esas figuras simbolizaban, la línea de cambio que
siguieron las mismas.
9. — Evidencias etnohistóricas no analizadas en este trabajo, permiten
formular la hipótesis de que la deidad principal del Período Medio, que sub-
siste, muy transformada en el Período Tardío, tuvo carácter solar.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
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Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
283
DIE ALT-PERUANISCHE „ZACKENSCHLANGE“:
EIN IKONOGRAPHISCHES MISSVERSTÄNDNIS
WOLFGANG WICKLER und UTA SEIET, Seewiesen
In der Ikonographie altperuanischer Kunstwerke spielen mehrere Lebewesen
eine hervorragende Rolle; sie werden immer wieder dargestellt, werden oftmals
kunstvoll stilisiert und werden als Bestandteile in der Komposition zusammen-
gesetzter sogenannter Dämonen verwendet. Eine befriedigende Deutung der
zuweilen recht bizarren Dämonenbilder ist freilich noch nicht gelungen. Das
mag zum Teil daran liegen, daß die darin enthaltenen Lebewesen selbst noch
nicht richtig identifiziert wurden und damit das Vorstellungs-Umfeld, in das
der Dämon gehört, noch fraglich bleibt.
Eins der vielfach dargestellten, merkwürdigen Tiere hat Seler (1923, 1961)
„Zackenschlange“ getauft. Man findet sie in den farbigen Stickereien der
großen Totentücher („Mantos“), vor allem der späteren Paracas-Kultur (etwa
300 v. Chr.), sowie in den polychromen Bemalungen von Tongefäßen aus der
anschließenden Nazca-Kultur (200 v. bis 600 n. Chr.). Deren Träger waren
direkte Nachfahren der Schöpfer der Paracas-Kultur und entwickelten sowohl
Bild- wie Stil-Elemente ihrer geistigen Vorgänger weiter. Die Stadt Nazca
liegt etwa einen Breitengrad südlich der (heute wüstenhaften) Halbinsel
Paracas in Peru.
Die Totentücher hüllten Mumien ein, die man in Gräberfeldern auf der
Paracas-Halbinsel fand. Auch die Tongefäße sind Grabbeigaben gewesen. Die
hervorragende künstlerische Gestaltung der Malereien wie der Stickereien läßt
vermuten, daß diese Grabbeigaben professionell hergestellt wurden, etwa wie
heute unsere Grabsteine. Die Götter- und Dämonenfiguren der Farbstickereien
werden versuchsweise als bildhafte Gebete (H. Ubbelohde-Doehring) oder als
Mondkalender (J. C. Tello) gedeutet. Sie enthalten häufig Bilder von Früchten
und nützlichen Pflanzenteilen, z. ß. die besonders rasch wachsenden Bohnen,
sowie Bilder von Kaulquappen, die regelmäßig kurze Zeit nach dem Regen
auftreten. Die Dämonen gelten deshalb als Fruchtbarkeitsdämonen. Einer die-
ser Dämonen, der an seinem Körper — meist als überdimensional großen
Rückenschmuck — die „Zackenschlange“ trägt, heißt danach auch „Zacken-
schlangendämon“.
5 Baessler-Archiv XXXI
284
Wickler/Seibt, Die alt-peruanische „Zackenschlange
Das Formenfeld der „Zackenschlange“
In der Ikonographie geht es oft ganz basal um die Frage, welche Lebewesen
dem Künstler für seine Stilisierungen und mythischen Überformungen als Vor-
lage gedient haben. Um das zentrale Lebewesen zu identifizieren, um das sich
die Mythen ranken, muß man ein möglichst breites Spektrum der Bildvarian-
ten zusammenstellen, bevorzugt aus einer umschriebenen geographischen Ge-
gend und einem definierten Kulturbereich. In günstigen Fällen bekommt man
dann Reihen abgestufter Ähnlichkeiten, die, nach verschiedenen Merkmalen
geordnet, ein mehrdimensionales heterogenes Kontinuum bilden können. Oft
umfaßt ein solches Variationenfeld verschiedene Typen, deren Schwerpunkte
durch Übergangszonen miteinander verbunden sind, wie Hochs und Tiefs auf
einer Luftdruckkarte. Sodann muß man als Arbeitsregel vor aller mytholo-
gischen Interpretation davon ausgehen, der Künstler habe ein bestimmtes Lebe-
wesen korrekt dargestellt. Das heißt: Treten an einem Tier Bestandteile auf,
die als künstlerische Zutat erscheinen, so muß man nachprüfen, ob es nicht ein
anderes Tier im Umfeld des Künstlers gegeben hat, das diese mutmaßlich
fantastische Zutat als normalen Bestandteil seines Körperbaus oder Verhaltens
tatsächlich an sich trägt (Wickler u. Seibt 1979). So gelingt es oft (zuweilen in
mehreren Schritten), Typenschwerpunkte mit Hilfe zoologischer Kriterien zu
definieren. Weil die so beschriebenen Typenschwerpunkte der Phantasie weni-
ger Spielraum lassen als die Übergangszonen, begeht man weniger Irrtümer,
wenn man in einem solchen Variationenfeld diese Typen gut erfaßt und zu-
nächst Deutungen im Umfeld lieber offen läßt. Beginnt man stattdessen mit
herausgegriffenen Übergangsformen, geht die Deutung um so leichter in die
Irre, je weiter zeitlich oder kulturell der Interpret vom Hersteller des Bild-
werks entfernt ist. Wir haben das an Beispielen aus dem alt-peruanischen
Bereich bereits früher vorgeführt (Wickler & Seibt 1982, 1984).
Eine umfangreiche Formensammlung der „Zackenschlange“ hat E. Seler in
seiner Abhandlung über die bunt bemalten Nazca-Gefäße zusammengetragen;
die gewünschte geographische und kulturelle Einheitlichkeit ist in diesem Fall
selbstverständlich gegeben. Wir beziehen uns hier vorrangig auf diese Samm-
lung von Abbildungen sowie auf den ausgezeichnet bebilderten Sammlungs-
band über Nazca von D. Eisleb (1977). Dank schulden wir den Herren
Dr. D. Eisleb und Dr. H. Schindler, die uns auch die Nazca-Sammlungen in
Berlin und München zugänglich machten, und vor allem Herrn H. Kacher, der
die mühevolle graphische Gestaltung für diese Arbeit übernahm.
Da es uns um die „Zackenschlange“ geht, ist sie hier jeweils aus der ur-
sprünglichen Bildkomposition herausgelöst und möglichst allein dargestellt; wo
Bacssler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
285
nötig, ist am Rand eine Bildfortsetzung angedeutet. Im Anhang geben wir eine
Liste, wo die vollen Abbildungen zu finden sind. So ließ sich das hier Wesent-
liche hervorheben und der Abbildungsaufwand in Grenzen halten.
In den Abbildungen 1 und 2 geben wir eine Übersicht der vorkommenden
„Zackenschlangen“-Formen. Abb. 2 enthält die typischen stilisierten „Zacken-
Abb. 1: Variationen der „Zackenschlange“. Glatt wurmförmig Nr. 1—7, darunter
doppelköpfig, Nr. 11—13. Doppelköpfig ist auch die mit Borsten versehene Version
Nr. 17 (sowie die typische Zackenschlangenform, Abb. 2, Nr. 11 und 12). Borstentra-
gende Formen Nr. 8—10 und 14. Borstenwurm mit Pfoten Nr. 16, die Borsten zu
Zacken „verklebt“ und Fühler am Kopf Nr. 15. Fühler-ähnliche Gebilde am Kopf
gibt es mit und ohne Borsten am Rumpf, s. Nr. 17 und 18. Zackensaum am Rumpf
mit fühlertragendem Kopf Nr. 19—22.
286
Wickler/Seibt, Die alt-peruanische „Zackenschlange
schlangen“, Abb. 1 die uns zur Identifizierung wichtigen Formen. Das ganze
Formenfeld läßt sich zunächst nach zwei Merkmalsausprägungen sortieren, so
daß ein zweidimensionales Variationenfeld entsteht, wie in Abb. 3 schemati-
Abb. 2: Typische „Katzendämon-Zackenschlangen“ (nach Seler); ohne Säugetier-
Rumpf und ohne Hinterbeine Nr. 7—12, als Rückendevise über einem vierbeinigen
Katzendämon Nr. 3—6, an anthropomorph aufrecht stehendem Dämon Nr. 1 und 2. —
Die „Zacken“ können fehlen (1), unterschiedlich spitz (2, 7, 10—12) oder rund
(4, 8, 9) sein; zwischen die Borstenfelder (3) bzw. Zacken werden stilisierte Köpfe
eingefügt (5, 6). Die Längszeichnung des wurmförmigen Rumpfes entspricht manchmal
der natürlichen Wurmzeichnung (1, 8, 9, 3, 5, 6), wird aber auch ornamental gestaltet
(10, 11) und zeigt zuweilen die ganz vereinfachte Punkt-Punkt-Strich-Gesichts-
andeutung (4, 12).
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
287
siert: Untereinander haben wir geordnet drei Ausbildungsformen der „Zacken“
(I bis III), nebeneinander geordnet drei Ausbildungsformen des Kopfes
(A bis C). Die Nummern in den Feldern bezeichnen Beispiele der entsprechen-
den Formen aus Abb. 1 und 2.
Kopf
A B C
einfach rund bis dreieckig mit Tentakeln säugetierhaft
I glatt Abb. 1: Nr. 1—7 Abb. 1 : Nr. 12, 18 Abb. 2: Nr. 1
Rumpf II mit Stacheln Abb. 1: Nr. 8—10 Abb. 1 : Nr. 17 Abb. 2: Nr. 3
III mit Zacken- rand Abb. 1: Nr. 21 (links) Abb. 1 ; Nr. 15, 19—22 Abb. 2: Nr. 7 Abb. 2: Nr. 9—12
Abb. 3: Zweidimensionales Schema zur Einordnung der zunehmend stärker stilisierten
Kopf- und Rumpfformen.
Der Name „Zackenschlange“ hat sich in der Literatur eingebürgert (s. Seler
1961, A. Lommel 1977, D. Eisleb 1977, H.-D. Disselhoff & S. Linné 1979). Er
bezeichnet „eine seitliche Begrenzung des Leibes durch je eine Reihe stark vor-
springender Zacken“ (E. Seler), die drei- oder viereckig sein können und als
kontinuierlicher Saum den dargestellten „Schlangen“-Leib umziehen. Das ent-
spricht unserer Kategorie III. Statt der stilisierten „Zacken“ sieht man in Kate-
gorie II einfache Stacheln, die paarweise oder gruppenweise angeordnet sind,
oder „seitlich stehende halbkreisförmige schwarze Flecke, die noch von einem
schwarzen Strahlenkränze umgeben sind“ (Seler zu Abb. 1, Nr. 10); „die
kammartigen Gebilde, die die Schlangenleiber rings umgeben, vermag ich nicht
zu deuten“ (Seler zu Abb. 1, Nr. 17). Kategorie I bilden schlangenförmige
Wesen mit glattem, ungezacktem und unbestacheltem Rumpf.
Weitgehend unabhängig von der Bezackung des Rumpfes variiert das Kopf-
ende des dargestellten Lebewesens. Das Vorderende der Seler’schen „Zacken-
schlange“ mündet in der Regel in einen stilisierten Säugetierkopf, unter dem
noch zwei Pfoten oder Hände hervorschauen. Das bezeichnen wir hier als
Typ C. Seler erkennt in diesem Gesicht den Kopf eines Katzendämons. Ein
288
Wickler/Seibt, Die alt-peruanische „Zackenschlange
Säugergesicht mit Pfoten gehört selbstverständlich zu keiner echten Schlange;
aus der ganzen Komposition kann man außerdem ersehen, daß es sich um eine
weitgehend stilisierte Darstellung handelt. Man findet aber auch einen ganz
anderen Kopftyp, hier Typ A, nach Seler an „Schlangen“, die gekennzeichnet
sind durch einen dreieckig rundlichen „Trigonocephalus-Kopf“ und eine vor-
ragende „dünne, peitschenartige, ungespaltene Zunge“. Als weiteren Typ (B)
zeigen wir hier einen ganz ähnlichen Kopf, der aber paarige Fühler oder
Tentakeln aufweist. Die Zunge kann vorhanden sein oder fehlen.
Es gibt drei Argumente, warum wir alle diese Formen zu einem Variationen-
feld zusammenfassen.
Erstens: Übergangsformen vermitteln zwischen ihnen, und die hier erfaßten
Rumpf- und Kopfformen kommen in verschiedenen Weisen miteinander kombi-
niert vor; Es gibt alle Kopfformen an völlig glattem Rumpf (IA, IB, IC); es
gibt sowohl glatte, wie bestachelte, wie zackenumsäumte Rümpfe kombiniert
mit dem Tentakelkopf (IB, IIB, IIIB) wie auch mit dem Säugetierkopf mit
Pfoten (IC, IIC, IIIC). Die Pfoten sind sogar unabhängig klassifizierbar, denn
es gibt auch den einfachsten Trigonocephalus-Kopf mit Pfoten am bestachelten
Rumpf (Abb. 1, Nr. 16).
Zweitens: Fast alle Formen werden sowohl als selbständiges Wesen dar-
gestellt, aber auch als Bestandteil eines Dämons (meist des Seler’schen Katzen-
dämons). Dabei vertreten die verschiedenen Formen des „Schlangen“wesens
einander an der gleichen Stelle in der Dämonenkomposition. Beispiele:
Am Dämonenleib (in unserer Abbildung weggelassen) hängt entweder ein
Wesen vom Typ IA (Abb. 1, Nr. 5), oder vom Typ I1A (Abb. 1, Nr. 8 —10),
oder vom Typ IIIC (Abb. 2, Nr. 2). — Die nach Seler dem Katzendämon
„über den Rücken fallende Schlange“ ist entweder vom Typ IIIA (bei Seler
1923 Abb. 32), oder vom Typ IB (Abb. 1, Nr. 18), oder vom Typ IIC (Abb. 2,
Nr. 3), oder vom Typ IIIC (Abb. 2, Nr. 4).
Drittens: Verschiedene dieser Formen kommen nebeneinander am gleichen
Dämonenbild vor. Beispiele: Auf dem Kopf Typ IA und am Leib Typ IIA
(unsere Abb. 1, Nr. 4 und Nr. 9 stammen vom selben Dämon). — Am Leib
links IIA, rechts IIIC (unsere Abb. 1, Nr. 10 und Abb. 2, Nr. 1 stammen vom
selben Dämon). — Auf dem Arm kriechend (tätowiert?) IIB, über den Rücken
hängend IIC (unsere Abb. 1, Nr. 15 und Abb. 2, Nr. 3 stammen vom selben
Dämon). — In solchen Fällen wird die Formen-Übersetzungshilfe direkt mit-
geliefert. Dazu gehört auch eine Tonschale aus der Sammlung des Museums
für Völkerkunde in München (hier unsere Abb. 4), auf deren Boden Lebe-
wesen vom Typ IIA abgebildet sind, direkt darüber aber eine Form ähnlich
wie in Abb. 1, Nr. 16.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
289
Welche Lebewesen dienten als Vorlage für die „Zackenschlange“?
Ein Schlangenwesen mit Säugetierkopf vereinigt nur künstlich und künstle-
risch kombinierte biologische Merkmale, so abstrus wie eine Sphinx oder das
Flügelpferd Pegasus. Zur Kategorie C kann es keine lebende Vorlage geben.
Zur Form IA könnte man sich mehrere natürliche Vorlagen denken, in erster
Linie Schlangen oder Würmer. Gegen Schlangen als Vorlage spricht, daß
— wie schon Seler betont — die lange Zunge nie zweispitzig wiedergegeben
ist. Wir wissen auch nicht, weshalb Schlangen für die damaligen Menschen eine
besondere Rolle gespielt haben sollten. Als Nutztiere kamen sie wohl kaum in
Betracht, Giftschlangen könnten beachtet worden sein. In jedem Falle wären
es Landschlangen gewesen, denn die Seeschlangen, die besonders giftige Arten
enthalten, kommen in so weit südlichen Meeren nicht vor. Schlangen mit Füh-
lern oder Tentakeln am Kopf, oder mit Borsten oder anderen zackigen oder
spitzen Rumpfauswüchsen gibt es nicht. Ein Typenschwerpunkt „Schlange“
bliebe auf die Form IA begrenzt. Würmer gäbe es freilich in so mannigfacher
Gestalt, daß man für jede Form der Typen A und B ein existierendes zoo-
logisches Pendant finden könnte. Nur müßte auch plausibel sein, daß diese
Lebewesen den Künstlern damals bekannt waren und zudem eine hinreichende
bedeutsame Rolle spielten, um derart massiv in die Kunst einzugehen.
Gerade diese Zusatzbedingungen allerdings lenken den Blick auf eine ganz
bestimmte Gruppe von stattlichen bis riesigen Würmern, die zum Stamm der
Annelida (Ringelwürmer) und darin zur Klasse der Polychaeta (Vielborster)
gehören (Abb. 5). Sie kommen kosmopolitisch in allen Meeren, nicht aber im
Süßwasser vor. Alle Küsten- und Inselvölker kennen diese Tiere und nutzen
sie in verschiedener Weise, sei es als Angelköder oder direkt als Speise. Aber
selbst wenn sie nicht genutzt werden, machen diese Tiere doch zumal in wärme-
ren Zonen auf sich aufmerksam, weil sie lunarperiodisch faszinierende Fort-
pflanzungs-Schauspiele bieten. Wir nehmen an, und werden es im folgenden
begründen, daß diese Tiere als Vorbild der „Zackenschlange“ dienten. Als
Typenschwerpunkt ergibt sich dann die Form IIB, die übrigens auch die na-
turalistischsten Darstellungen bietet. Das Typenfeld, in dem zwar Abwand-
lungen durch Reduktion und Stilisierung Vorkommen, aber nichts biologisch
völlig Falsches auftritt, umfaßt dann alle Formen unserer Übersicht mit Aus-
nahme des biologisch „unmöglichen“ Typs C; diese Würmer als Vorlage ge-
dacht, passen also zu den meisten abgebildeten Variationen.
Wie werden nun diese Meereswürmer auffällig und für Küstenbewohner
bedeutsam?
290
Wickler/Seibt, Die alt-peruanische „Zackenschlange'
Von der Biologie der Polychaeten
Diese Borstenwürmer sind weltweit in allen Meeren verbreitet. Es gibt etwa
5000 verschiedene Arten, darunter kleine von weniger als einem Zentimeter
bis hin zu meterlangen Riesen. Gängige Größen liegen zwischen 20 und 100 cm.
(Eine Kreuzotter wird kaum länger als 75 cm und etwa 3 cm dick; der Poly-
chaet Hediste diversicolor aus dem Mittelmeer wird 1 m lang und 2 cm dick.)
Die größte Art, Eunice gigantea aus dem Atlantik, wird 3 m lang. Wir zeigen
in Abb. 5 eine Formenauswahl mariner Polychaeten, wie es sie in allen Ozeanen
gibt. Wir wissen nicht, welche Arten an der Küste Perus verkommen.
Die großen Polychaeten sind oft sehr farbig: Nereis pelagica (Abb. 5, Nr. 1),
nahezu kosmopolitisch, ist grün bis rotbraun oder metallisch bronzefarben.
Eunice viridis (Abb. 5, Nr. 3) ist leuchtend grün, Phyllodoce lamelligera
(Abb. 5, Nr. 5) oberseits irisierend blau, unterseits rosa, mit olivgrünen Borsten-
büscheln. Nereis virens (Abb. 5, Nr. 6) ist oberseits blaugrün, purpurrot irisie-
rend, die grünen Parapodien (s. u.) sind gelb gerandet. Die Körperzeichnung
vieler „Zackenschlangen“, von der Seler annahm, sie sei naturgetreu von be-
stimmten Schlangen übernommen, paßt tatsächlich besser zu manchen Poly-
chaeten; man vergleiche Abb. 5, Nr. 4 mit Abb. 1, Nr. 19.
Der Polychaeten-Körper besteht aus vielen aneinandergereihten Segmenten.
Die Segmente tragen je ein Paar Parapodien, als Hebel wirkende Extremitäten,
die mit Borstenbüscheln besetzt (wie „von einem Strahlenkränze umgeben“)
sind und von kräftigen Muskeln wie Ruder bewegt werden. Je nach Größe
und Art des Wurms sind sie als „kammartige Gebilde“ oder einfache Stachel-
gruppen recht naturgetreu wiedergegeben (s. Abb. 1, Nr. 9, 10, 16). Mit per-
fekt koordinierten Ruderbewegungen dieser Parapodien können die Poly-
chaeten sehr elegant schwimmen, unterstützt von leichten Schlängelbewegungen
des Körpers. Das sieht man, sobald die räuberischen Formen (meist in der
Dämmerung) zur Jagd ins freie Wasser gehen, oder in den Fortpflanzungs-
schwärmen.
Am Körperbau sind vor allem der Kopf- und die Fortbewegungsorgane be-
merkenswert. Der rundliche Kopf ist oft deutlich vom Körper abgesetzt, trägt
ein Paar (oder mehrere Paare) langer Fühler und vor allem hochentwickelte
Augen (Abb. 5, Nr. 4 u. 7). Unabhängig von anderen Tiergruppen haben näm-
lich auch die Polychaeten Linsenaugen entwickelt, die bereits ein Bildsehen er-
möglichen. Von den räuberischen und freilebenden Arten tragen einige mitten
am Kopf einen vorragenden Kopflappen (das Protostomium) und können einen
kräftigen Rüssel ausstülpen (wie eine „ungespaltene Zunge“). Die räuberischen
Arten haben zudem kräftige Kiefer und können empfindlich beißen. (Das
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
291
wissen die Sportangler, die am Meeresufer solche Würmer aus dem Sand holen
und sie nur dicht hinter dem Kopf anfassen.)
Auffällig werden viele der Polychaeten durch ihr besonderes Fortpflanzungs-
verhalten. Auch sonst am Boden lebende Arten steigen dazu oft in ungeheuren
Scharen an die Meeresoberfläche und stoßen dort ihre Geschlechtsprodukte aus.
Sie tun das an bestimmten Orten und zu ganz bestimmten Zeiten, und zwar in
strenger Abhängigkeit vom Mondrhythmus. An der amerikanischen Pazifik-
küste erscheinen fast 2 m lange Nereis-Arten nur in den Frühlings- und Som-
mermonaten bei Neumond und höchstem Flutstand an der Oberfläche. Das
Schwärmen kann sich auf nächtlich 1—2 Stunden beschränken. Am berühm-
testen ist das wohl vom Palolowurm (Eunice viridis) der Südsee: Im Oktober
oder November erscheinen 2—3 Tage nach dem dritten Mondviertel die mit
Eiern und Spermien gefüllten Flinterkörper dieser Würmer in unübersehbaren
Mengen an der Meeresoberfläche. (Der weiterlebende Wurm-Vorderkörper
bleibt am Boden.) Abhängig vom Eintreten der Springfluten beträgt der Ab-
stand zwischen den jährlich einmal auftretenden Schwärmen 353 oder 382 Tage,
also 12 oder 13 Mondmonate. Die Schwärme treten örtlich auf die Stunde
genau auf, an verschiedenen Orten aber zu verschiedenen Stunden. Die Be-
wohner von Samoa und den Fidji-Inseln holen die Würmer als beliebte
Leckerbissen mit Körben ein. Eine entsprechende Art, Tylorhynchus osawai,
die ebenfalls mondperiodisch in Massen auftritt, wird in China und Japan
gefangen und gegessen.
Bodenlebende Arten benutzen ihre Sinnesorgane und ihre Ruder-Extremi-
täten vorwiegend für die Fortpflanzungsaktion. Deswegen werden zu dieser
Zeit die Augen, die Antennen und Sinnespalpen (Fühler) größer, und die
Parapodien bekommen kräftige, schaufelähnliche Borsten. Dann sieht der Wurm
so verändert aus, daß Zoologen für die geschlechtsreifen Tiere zunächst eine
besondere Gattung (Hcteronereis) aufgestellt hatten. Vermutlich ist dieses
Heteronereis-Stadium die „Zackenschlangen“-Vorlage, zeigt es doch die be-
tonten Merkmale am deutlichsten.
Das Auftauchen dieser Massen von Würmern, die in grazilen Schwimm-
bewegungen umeinandertanzen, manche mit Leuchtorganen an den Parapodien,
ist auf jeden Fall ein markantes Ereignis. Auch wenn die Tiere nicht vom
Menschen gegessen werden, so locken sie doch Fische und andere Feinde an.
Und es gibt an manchen Arten dieser Würmer auch noch andere auffallende
Besonderheiten im Zusammenhang mit der Fortpflanzung. Einige Arten schnü-
ren am Hinterende Jungtiere ab, die zunächst (bis zu 50 Stück) schon fast voll
entwickelt in einer Kette am Vordertier hängen. Bei anderen sprossen Jungtiere
seitlich am Körper. Auf manchen Nazca-Malereien kann man solche Ver-
292
Wickler/Seibt, Die alt-peruanische „Zackenschlange'
mehrungsphasen dargestellt vermuten; und die Abb. 374 bei Seler (1923) zeigt
fast lehrbuchgetreu den U-förmig gebogenen Gang im Sand oder Schlick, in
dem manche dieser Würmer leben; doch sollte man wohl da zunächst mit
Spekulationen vorsichtig sein.
Folgerungen
Wir sind sicher, daß die Küstenbewohner des alten Peru die Polychaeten-
Würmer gekannt haben. Als Fischer, die mit dem Meer vertraut waren, werden
sie mit den Polychaeten-Schwärmen vertraut gewesen sein. Selbst wenn sie
diese Tiere nicht zu Nahrungszwecken einsammelten, müßte ihnen die Mond-
phasenabhängigkeit des Phänomens aufgefallen sein. Man kann das deswegen
annehmen, weil bis heute die Anwohner entsprechender Meeresküsten darüber
recht genau Bescheid wissen (genauer als viele Binnenland-Wissenschaftler).
Andererseits gibt es zahlreiche Flinweise darauf, daß die Küstenbewohner Alt-
Perus wetter-, gezeiten- und kalender-orientiert waren, und dafür spielt der
Mondrhythmus ja die entscheidende Rolle. Der Lunarzyklus beeinflußt im
Meer die Verteilung vieler Organismen: Je dunkler die Nächte, desto näher
an die Oberfläche kommen Plankton-Organismen, und in ihrem Gefolge
kleine Fische und Tintenfische und wiederum deren Feinde, bis hin zu den
Robben, speziell den Seebären, und den Flaien, die ihrerseits Seebären anfallen.
Je heller die Nächte, ln desto größeren Tiefen bleiben die Tiere; sie wären
in den helleren oberen Wasserschichten für ihre Feinde zu auffällig. Seebären
bleiben ln mondhellen Nächten an Land; sie setzen sich den Ffai-Angriffen
nicht aus und müßten auch unter ihre maximale Tauchtiefe hinabgehen, um an
ihre Beute zu kommen. (Weitere Details kann man bei Trillmich & Mohren
1981 finden.) Der Mondzyklus steuert das ganze marine Leben und natürlich
auch die Erträge und Taktiken der Fischer. Die Polychaeten-Würmer sind
wahrscheinlich das markanteste Signal-Lebewesen dafür. Es lohnt wohl, da-
nach zu forschen, ob sich weitere Zeugnisse für die Kenntnis dieser Meerestiere
bei den vor-inkaischen Küstenbewohnern finden lassen. Die Paracas-Kultur
verfügte nachweislich über große medizinische Kenntnisse und beherrschte
chirurgisch Schädel-Trepanationen. Man kann wohl annehmen, daß damals
auch der im Mondrhythmus laufende, etwa 28-tägige Menstruationsrhythmus
der Frauen bekannt war. Zwar verweist er nicht auf bestimmte Mondphasen,
aber doch mit einem elementaren menschlichen Phänomen wiederum auf den
Mondkalender.
So hätte es denn Gründe genug gegeben, die Polychaeten-Würmer als Ka-
lender- und Fruchtbarkeits-Symbol aufzugreifen. Und als solches treten sie
ja neben Kaulquappen und Bohnen tatsächlich auf. Die Bohnen konnte man
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
293
essen, die Kaulquappen sicher nicht, die Würmer vielleicht (Zeugnisse darüber
scheinen zu fehlen).
Die sogenannte „Zackenschlange“ stellt sicher kein Wirbeltier und auch kein
Landtier dar. Einem Binnenländer und Nicht-Zoologen fällt wohl kein an-
deres langgestrecktes, geschlängeltes Lebewesen ein als eine Schlange. Lind so
deutet Seler (1923) das Tier in Abb. 1, Nr. 15 als „Figur einer Zackenschlange
mit einem einfachen angerundeten dreieckigen Giftschlangenkopf“ (S. 200), ob-
wohl weder die Rumpfsegmentierung, noch die „Zacken“, noch die Fühler am
Kopf dazu passen; viel eher wäre schon an einen Fdundertfüßer zu denken.
Der Formenvergleich verweist aber auf eine ganz andere Tiergruppe, nämlich
die zoologisch gesehen höchstentwickelten Würmer, und auf ihren Lebensraum,
nämlich das Meer. Deshalb ist wenig verwunderlich, daß die „Zackenschlange“
als Borstenwurm typisch für eine Küstenkultur ist. Seler beschreibt einige
Nazcabilder, die seiner Meinung nach den Zackenschlangendämon „in das
Marine verkehrt zeigen“ (S. 197), nämlich als Seeungeheuer mit Fischen. Wenn
unsere Borstenwurm-Deutung richtig ist, wäre das Marine durchaus nichts Ver-
kehrtes.
Allerdings werden die „Zackenschlangen“-Leiber stilistisch sehr weit vom
Wurmhaften weg bearbeitet. Es scheint, daß die damaligen Künstler eine Vor-
liebe für formale Analogien hatten. Tentakelbündel und Borstenbüschel sind
wohl die Basis, die zu Schnurrhaaren und gefingerten Pfoten umgedeutet und
dann umgestaltet wurde, zunächst am Vorderende des Wurms (vgl. in Abb. 2
die Nr. 7 vor allem mit Nr. 2 und 12), dann aber auch an den Parapodien
(Abb. 2, Nr. 6). So kommen Kopfreihen an die Wurmflanken, und diese Köpfe
werden schließlich zu menschlichen Gesichtern (Abb. 2, Nr. 5). Der Menschen-
kopf als Zutat des „Zackenschlangen“-Motivs hat sicher eine besondere Ursache,
denn z. B. in Abb. 2, Nr. 3 ist ein einzelner (Trophäen-P)Kopf angefügt. Flier
nicht abgebildet, aber bei Seler (1923, 1961) und Eisleb (1977) leicht zu sehen,
ist eine Umdeutung des glatten, ungeborsteten Wurmvorderendes: die zunächst
einzeln stehenden, noch geschlängelten, kurzen Wurm-Kopfstücke (wie in
Abb. 1, Nr. 2, 4) werden vereinfacht, geradegestreckt und lückenlos aneinander-
gerückt und ergeben so ein Bild einer Federfläche an Schwingen oder Schwanz
eines Vogelwesens bzw. Vogeldämons (z. B. Seler Abb. 72 bis 76, 84 bis 86,
98 bis 115, oder Eisleb S. 44, 51, 56). Als Kennzeichen ihrer graphischen Fier-
kunft behalten diese Federn das endständige Rüsselfädchen sowie das Pünkt-
chen-Pünktchen-Strich-Gesicht (Abb. 2, Nr. 4, 12; Rumpflängszeichnung) des
Wurmkopfes, doch kann das in ein menschliches Strichgesicht umgewandelt
werden, und das auch wiederum nur an den Flügelfedern eines „Katzendämons
als Vogel“, während die Schwanzfedern wurmgesichtig bleiben (Seler Abb. 73).
294
Wickler/Seibt, Die alt-peruanische „Zackenschlangc
Zunächst treten solche „Federn“ statt der Zacken am Rumpf der „Zacken-
schlange“ auf, „dem langgestreckten Vogelkörper sitzen seitlich Federn an, die
mit Punktdreiecken und Spitzen versehen sind“ (Eisleb S. 57). Wieweit diese
Form-Umwandlungen und Formspielereien am Rumpf des „Zackenschlangen“-,
Katzen- oder Vogeldämons gehen, zeigen die detaillierten Abbildungen bei
Seler und Eisleb. Viele der Details sind bislang rätselhafter Fierkunft und
warten noch auf plausible Deutung.
Wichtig dafür ist es, die Suche nach weiteren Zusammenhängen in die ad-
äquaten Bereiche zu lenken. Wenn die „Zackenschlange“ ein mariner Borsten-
wurm ist, dann werden beispielsweise einige Darstellungen auf Nazca-Tüchern
anders als bisher üblich aufzufassen sein; etwa die „fliegenden oder von oben
herabkommenden“ Gestalten Seler’s (1923, S. 189 f, seine Abbildungen 32—34),
die von „Zackenschlangen“ umgeben sind, aber „nicht von vorn, sondern von
oben gesehen sind, die Fialtung die von Fliegenden und der Kopf, um das Ge-
sicht von vorn zu zeigen, nach hinten geworfen“. Diese Stellungen, auch die
nach hinten gestreckten Beine und die wie in Oranten-Ffaltung nach vorn ge-
streckten Arme werden aber zwanglos plausibel, wenn die Figuren schwimmend
statt fliegend gemeint sind. Disselhoff deutet sie als „auf- und abschwebende
Dämonen, die Schlangen aus ihren Mündern speien“ (Disselhoff & Linné 1979,
S. 156). Die Bezeichnung „schweben“ ist physikalisch zwar auch im Wasser
korrekt, scheint aber doch nicht so gemeint zu sein. Eine ganze Reihe solcher
angeblich fliegenden Wesen muß man wohl eher als im Wasser schwimmend
auffassen; doch gibt es auch deutlich vogelartige Wesen, die vermutlich wirklich
fliegend gemeint sind. Wir werden wohl diese phantastischen Gestalten erst
dann in ihrer mythischen Bedeutung zu verstehen lernen, wenn wir genauer
wissen, aus welchen Bestandteilen sie zusammengedacht sind.
296
Wickler/Seibt, Die alt-peruanische „Zackenschlange
Abb. 5: Typische Polychaetenformen. 1 = Nereis pelagica, 20 cm; 2 = Tylorhynchus
osawai, japanischer „Palolo“; 3 = Eunice viridis, 40 cm, Palolowurm; 4 = Autolytus
pictus, voll entwickeltes Männchen; 5 = Phyllodoce lamelligera, 60 cm; 6 = Nereis
virens, 60 cm; 7 — Trypanosyllis zebra.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
297
ANHANG
Quellen zu den hier nur in Teilen wiedergegebenen Figuren der Abb. 1 und 2.
EI = Eisleb 1975; EU = Eisleb 1977; S = Seler 1923 (1961); SA = Sawyer 1966.
Abb. 1 Abb. 2
Nr. 1 — S, Abb. 119 Nr. 1 S, Abb. 27 b
Nr. 2 = SA, Abb. 209 Nr. 2 — S, Abb. 29 und EU, S. 46
Nr. 3 = S, Abb. 91/92 Nr. 3 = S, Abb. 46 und EU, S. 39
Nr. 4 = S, Abb. 28 Nr. 4 = S, Abb. 39
Nr. 5 = S, Abb. 30 Nr. 5 = S, Abb. 40
Nr. 6 = S, Abb. 31 Nr. 6 = S, Abb. 45
Nr. 7 = S, Abb. 317 Nr. 7 EU, Abb. 86 und S. 67
Nr. 8 == S, Abb. 28 Nr. 8 = S, Abb. 58
Nr. 9 = S, Abb. 27c Nr. 9 = S, Abb. 59 und EU, S. 61
Nr. 10 = S, Abb. 29 und EU, S. 46 Nr. 10 = Eli, Abb. 80 und S. 63
Nr. 11 = SA, Abb. 129 Mitte Nr. 11 = S, Abb. 64 und EU, Abb. 82 u. S. 64
Nr. 12 = EI, Abb. 175a Nr. 12 = S, Abb. 62
Nr. 13 = S, Abb. 314
Nr. 14 = S, Abb. 331
Nr. 15 = S, Abb. 46 und Eil, S. 39
Nr. 16 = Eil, Abb. 77
Nr. 17 = S, Abb. 316 a, b
Nr. 18 = S, Abb. 38
Nr. 19 = S, Abb. 34
Nr. 20 = EI, Abb. 182
Nr. 21 = EI, Abb. 172
298
Wickler/Seibt, Die alt-peruanische „Zackenschlange
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S. Finne
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Eisieh, D.
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(Boehringer Mannheim GmbH)
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
299
CERRO MULATO
FELSBILDER EINES nENCANTO“
IM NORDEN PERUS
CLAUDIUS GIESE, Berlin
Im Zusammenhang mit meinen Studien über die „curanderos“ (traditionelle
Heiler) an der nordperuanischen Küste stieß ich auf den Artikel „Felsbilder
des Cerro Mulato bei Chongoyape“ des verstorbenen Professors Gerdt Kutscher
(1963). In dieser Arbeit verwendet Kutscher bis dahin unpubliziertes Material
von Walter Lehmann und von Hans D. Disselhoff.1
Angeregt durch diese Veröffentlichung entschloß ich mich, im April 1984 den
Berg Cerro Mulato aufzusuchen, da er zu einer ganzen Reihe von Bergen ge-
hört, die von den „curanderos“ und „brujos“ des Nordens während ihrer
Arbeit angerufen und für ihre Zwecke eingesetzt werden, worauf ich später
noch etwas näher eingehen werde.
Der Cerro Mulato liegt direkt bei der Ortschaft Chongoyape, 59 km östlich
von Chiclayo, im Departament Lambayeque.2 Es ist ein sehr kleiner, aus zwei
etwa gleich hohen Bergspitzen bestehender Berg, der übersät ist von mehr oder
minder großen Felsblöcken rostbrauner Färbung.3
Auf diesen Felsen sind nun die verschiedenen Felsbilder „eingeschabt“
(Lehmann in Kutscher, 1963 : 34) und „ausgepickt“ (Bennett, 1939 : 118).
Entstanden sind sic zum großen Teil vermutlich dadurch, daß die rostbraune
Oberfläche des Steines durch Schaben entfernt wurde. Auf diese Weise trat
eine darunterliegende hellere, oder die eigentliche gräulich-blaue Farbe des
Steines hervor.
Nun war aber nicht Walter Lehmann — der am 16. Dezember 1929 neun-
undzwanzig der Felszeichnungen kopierte — der erste Forscher, der sich um
die Erfassung dieses Bildermaterials bemühte, wie es noch Kutscher (1963) dar-
1 Von Lehmann verwendete Kutscher Bleistiftskizzen und von Disselhoff photogra-
phisches Material und erhielt so dreiundsechzig Einzelfiguren und Figurengruppen.
2 Nicht, wie Kutscher (1963:31) irrtümlicherweise angibt, 15 km westlich von Chongo-
yape. Chongoyape soll schon während des „Frühen Horizontes“ „pueblo-like“ be-
siedelt gewesen sein. (Rowe, 1963:10.)
3 Nach Bennett (1939) vulkanischen Ursprungs, nach Lehmanns Notizen granitartig
(Kutscher, 1963:31—34).
6 Baessler-Archiv XXXI
300
Giese, Cerro Mulato
stellte, sondern bereits 1907 der Hamburger Forscher Hans Heinrich Brüning,
der von den Petroglyphen 21 photographische Platten anfertigte. Wenn man
Hinweisen aus Brünings Feldtagebüchern folgt, hat er wohl schon auf einer
Reise im Jahre 1882 die Felsbilder am Cerro Mulato gesehen.4
Der wenig bekannte Brüning lebte 50 Jahre lang im Norden Perus und
widmete seine autodidaktischen Studien den dort heimischen Menschen, ihrer
Geschichte und ihrem Lebensraum. Der größte Teil seiner archäologischen
Sammlung befindet sich heute im archäologischen Museum in Lambayeque,
welches Brünings Namen trägt. Der Nachlaß seiner Dokumente wird dagegen
vom Hamburger Museum für Völkerkunde verwaltet.5
Professor Richard Schaedel, der in mühseliger Arbeit den Nachlaß von
H. H. Brüning bearbeitet und eine Biographie über diesen vorbereitet, stellte
mir freundlicherweise aus dem ungeheuren Schatz an photographischem Bild-
material von circa 1700 Negativen, welche Brüning zu Beginn unseres Jahr-
hunderts im Norden von Peru anfertigte, die hier z. T. veröffentlichten Photo-
graphien des Cerro Mulato zur Verfügung. Sie wurden wahrscheinlich alle
während Brünings Reise nach Chongoyape am 6. Juli 1907 aufgenommen.
Sieben dieser Felszeichnungen erschienen schon in der Publikation von
Kutscher. Bei den übrigen vierzehn (davon sind zwei doppelt) handelt es sich
also um noch unveröffentlichtes Material. Ihr großer Wert besteht außerdem
darin, daß die Petroglyphen durch die frühe Dokumentation (1907) noch recht
gut erhalten sind, auch wenn Brüning in seinen Feldnotizen vermerkt, daß
sich ihr Zustand seit 1882 bereits verschlechtert hat. (Abb. 1 —12)
Möglicherweise existieren manche Zeichnungen heute gar nicht mehr, denn
Lehmann machte darauf aufmerksam, daß viele der Steine von Arbeitern auf
einer kleinen Schienenbahn fortgeschafft wurden. Verhältnisse, wie ich sie
glücklicherweise nicht antraf. Jedoch mußte ich feststellen, daß viele Petro-
glyphen bereits bis zur Unkenntlichkeit verwittert sind.
4 Die bisherigen „Forschungsreisen“ zum Cerro Mulato:
1882 Hans Heinrich Brüning
1907 Hans Heinrich Brüning
1929 Walter Lehmann
1930 Ronald 1. Oison
1936 Wendel C. Bennett
1953 Hans D. Disselhoff
1958 Anden-Expedition. Direktor: Eiichiro Ishida.
Zu den entsprechenden Veröffentlichungen vgl. die Bibliographie.
5 Näheres zu Hans Heinrich Brüning in: Leticia Gonzalez y Richard Schaedel, 1977.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
301
Nun scheint es, daß sämtliche bisher veröffentlichten Abbildungen — ein-
schließlich der Aufnahmen von Brüning — vom unteren bzw. mittleren Teil
des Abhanges stammen. Alle von mir photographierten Petroglyphen stammen
dagegen vom oberen Teil des Berges und finden sich in keiner der Dokumenta-
tionen, so daß man sagen kann, daß die Anzahl der Felsbilder wesentlich
größer ist als bisher angenommen wurde. Zumal es durchaus möglich ist, daß
weitere Zeichnungen meiner Aufmerksamkeit entgangen sind beziehungsweise
mir durch die starke Vegetation — infolge der ungewöhnlichen Niederschläge
in den letzten zwei Jahren — unzugänglich waren.6 7 (Abb. 13)
Eine Interpretation der dargestellten Felszeichnungen möchte ich hier nicht
vornehmen. Zur zeitlichen Einordnung der Petroglyphen sagt Kutscher, daß
diese von sehr verschiedenem Alter sein müssen. In Anlehnung an Notizen
von Walter Lehmann verweist er auf das deutliche „Chavin-Element“ einiger
Zeichnungen, was „zum mindesten für einen Teil der Werke ein sehr ehrwür-
diges Alter“ ergibt. Jedoch hat sicher auch Olson nach Bennett (1939:118) nicht
unrecht, wenn er zahlreiche der Werke des Cerro Mulato für „relativ modern“
ansieht.
Schließlich möchte ich noch etwas näher auf die Bedeutung eingehen, die
diese „encantos“ (wörtk: Zauber) genannten Berge für weite Kreise der Be-
völkerung haben. Besonders die „curanderos“ (Heiler), die „brujos“ (Flexer)
und die „maleros“ (Schadenszauberer) tradieren dieses Wissen, da es direkt mit
ihrer Arbeit verbunden ist.”
„Encantos“ sind Orte der Macht (poder) (Sharon 1980:179), ein Begriff,
der von den „curanderos“ selbst in diesem Zusammenhang verwendet wird.
„Encantos“ können neben bestimmten Bergen auch Seen, „huacas“ (präkolum-
bische Zeremonial- und Beerdigungsanlagen), das Meer und seltener Flüsse sein.8
6 Auf zwei flache Steine möchte ich noch aufmerksam machen. Bei dem einen handelt
es sich sehr wahrscheinlich um das Unterteil eines großen Mahlsteines (batan), wie
auch Brüning einen in seinen Feldnotizen erwähnt. Der andere — in unmittelbarer
Nähe — hat eine ganz flache und glatt bearbeitete Oberfläche. Er scheint mir
zeremoniellen Charakters, z. B. zur Darbringung von Opfergaben. Beide Steine
befinden sich auf der Seite des Berges, wo eine kleine Straße über den neuen Be-
wässerungskanal führt.
7 Der „curandero“ ist derjenige, der seine Arbeit der Behandlung von Kranken und
Hilfesuchenden widmet; die „brujos“ oder „maleros“ üben Schadenszauber aus, und
man sagt von ihnen, sie seien im Bund mit dem Teufel. Die Grenze zwischen „cu-
randero“ und „brujo“ ist in der Realität jedoch fließend.
s So wurde mir im Chulucanas berichtet, daß man während der Osterwoche nicht im
Fluß Rio Piura badet, da zu dieser Zeit die Gefahr bestehe, daß dieser „encanto“
302
Giese, Cerro Mulato
Man stellt sich diese Orte als Sitz bestimmter geistiger Kräfte oder Wesen-
heiten vor, die, einigen Hinweisen zufolge, auch von weiteren geistigen Wesen,
bzw. von Seelen Verstorbener umgeben sein können. Diese Orte werden be-
sonders respektiert, wenn nicht sogar gefürchtet, vor allem dann, wenn sie als
böse (malo) bekannt sind und in dieser ihrer negativen Eigenschaft von den
„brujos“ in ihrer Arbeit eingesetzt werden.
Ein solcher, als böse bekannter Berg, ist nun auch der Cerro Mulato.9 Nur
selten werden diese Berge bestiegen, da ein „encanto“ in der Lage ist, einen zu
„fressen“ (comer). „Gefressen werden“ bedeutet, daß die „sombra“ — eine
Art Schattenseele der Person — an diesem Ort zurückgehalten wird.
Manchmal ist der Auslöser dieses Seelenverlustes ein Schreck (die in Amerika
so bekannte Ursache von Krankheit, welche „susto“ oder „espanto“ genannt
wird) oder aber ein „brujo“, der diesen Berg „dominiert“, ruft die Seele und
liefert sie dem Berg aus. Der so zu Schaden gekommene Mensch verliert an
Kräften, er wird krank oder verrückt und kann schließlich sogar sterben, wenn
er nicht von einem erfahrenen „curandero“ oder auch „brujo“ behandelt wird.
Die Behandlung beim „curandero“ findet während eines nächtlichen Heil-
rituals statt, bei welchem der „curandero“, seine Gehilfen, die Patienten und
häufig auch deren Begleiter einen Absud trinken, dessen Grundsubstanz aus
dem meskalinhaltigen „San Pedro“ Kaktus (Trichocereus pachanoi) besteht.
Zu Beginn baut der „maestro“10 auf dem Boden seine „mesa“ oder „banco“
auf. „Mesa“ oder „banco“ heißt die Gesamtheit seiner „artes“ genannten ma-
gischen Paraphernalien, welche ihm bei der Behandlung seiner Patienten helfen.
Unter diesen Gegenständen sind nun auch Berge vertreten, meist in Form von
Steinen, welche der „maestro“ von dem jeweiligen Berg mitgebracht hat. Dieser
Stein, als „Pars pro toto“ ist Träger der Eigenschaften des Berges und wird in
einem hier nicht näher zu beschreibenden Verfahren auf die „mesa“ des
den Badenden in einen Fisch verwandle. Man sagt, daß sich während der Karwoche
(Semana Santa) die Erde und die „encantos öffnen“, ein Bild dafür, daß sie ihre
Kräfte voll entfalten. So enthüllt z. B. ein Berg eine riesige Goldmaske, oder die
präkolumbischen Beerdigungsanlagen (huacas) geben ihre Schätze frei; ein Um-
stand, der besonders von den Ausgräbern (huaqueros) genutzt wird, um während
der nächsten drei Wochen vermehrt nach Grabbeigaben zu graben.
9 Die Zuordnung in gut und böse ist jedoch nicht eindeutig. So verwenden z. B.
„curanderos“ zur Verteidigung von sich selbst und ihren Patienten auch Berge wie
den Cerro Mulato.
10 „Maestro“ werden all diejenigen „curanderos“ und „brujos“ genannt, welche ihre
Lehrzeit abgeschlossen haben und selbständig arbeiten.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
303
„maestros“ eingestimmt und mit Kräften geladen. Mittels dieses Steines ruft
der „maestro“ im Verlauf der Sitzung den entsprechenden Berg bzw. die Macht
oder Kraft dieses Berges an.
Stellt der „maestro“ im Laufe des „rastreo“ genannten Diagnoseverfahrens
— während seiner rauschmittel-induzierten Trance — fest, daß die „sombra“
(Schattenseele) des Patienten von einem Berg zurückgehalten wird, so treten
unter Umständen ein oder zwei Berge des „curanderos“ in Aktion: Dazu wird
dem Patienten der Stein oder die Steine, durch welche die Kräfte der Berge
kanalisiert werden, über den Körper gestrichen, vom Kopf zu den Füßen, an
allen vier Seiten des Körpers entlang. Gegebenenfalls werden noch die „silba-
dores“ geblasen. Diese pfeifenden präkolumbischen Keramiken sind weitere
Machtgegenstände (artes) der „mesa“, die in diesem Fall dazu dienen, sowohl
den „susto“ zu entfernen als auch die Schattenseele zurückzuholen von dem
Ort, an welchem sie festgehalten wird.
Am Ende dieser „limpia“ (Reinigung) genannten Behandlung wird den
Kräften, welche durch die verwendeten „artes“ wirken, eine Opfergabe in Form
von Duftstoffen (z. B. eine Art Kölnisch Wasser) dargebracht.
Die Behandlung bei einem „brujo“ erlaubt keine der erwähnten „limpias“.
Er heilt seine Patienten, indem er dessen Seele dem Berg abringt, im Tausch
mit einer anderen Seele, so daß zwar sein Patient geheilt, eine andere Person
jedoch gleichzeitig geschädigt wird.
Die „encantos“ bedürfen in gewisser Weise der „Nahrung“ aus der Welt
der Menschen, sei es in Form von Opfergaben, sei es durch „fressen“ von
menschlichen Seelen, ja manchmal „verzaubert“ (encantar) so ein Berg eine
ganze Ortschaft, wie es der Cerro Chaparri mit dem Ort Ferrehafe Antiguo
(Dept. Lambayeque) getan haben soll. Dies bedeutet, daß die ganze Ortschaft
ausstirbt und daß die Seelen der betroffenen Menschen immer im Bann dieses
Berges stehen, der sie nicht von sich läßt. Eine Legende erzählt weiterhin, daß
der kleine, aber mächtige Cerro Mulato die bei ihm hegende Ortschaft Chongo-
yape beschützt, indem er einer Verzauberung durch den Cerro Chaparri Ein-
halt gebietet.
Dabei zeigt sich noch ein anderer Aspekt, nämlich, daß „encantos“ für eine
bestimmte Bevölkerungsgruppe, Dorfgemeinschaft etc. eine Schutzfunktion
übernehmen, wie es in der Fachliteratur besonders für die südperuanische
Sierra bekannt ist. Aber auch die Chronisten berichten über die präkolum-
bische Zeit, daß jedes „ayllu“ und jede Dorfgemeinschaft lokale Gottheiten
oder Wesenheiten verehrte, von denen sie beschützt wurde und welche sie
304
Giese, Cerro Mulato
„huaca“ nannten. Diese wurden in der Form von Gestirnen, Bergen, Seen,
Schluchten, Felsen etc. und Idolen verehrt.
Für mich liegt es nun nahe, daß alle heute noch von den „curanderos“, „bru-
jos“ und „maleros“ angerufenen „encantos“ schon in präkolumbischer Zeit als
„huacas“ verehrt wurden. Auf der Suche nach vorspanischen Spuren im Zu-
sammenhang mit den „encantos“ sind die Felsbilder des Cerro Mulato eines
von vielen Indizien für die Richtigkeit meiner Hypothese, denn die Petro-
glyphen wurden gewiß nicht aus einem rein künstlerischen Impuls heraus an-
gefertigt, sondern entstanden vielmehr in einem rituellen Kontext.11
Auch wenn z. B. einem „curandero“ wie Don Ruperto, der den Cerro Mu-
lato in seiner Arbeit einsetzt, die Bedeutung der Felszeichnungen unbekannt
ist, so wäre es im Zusammenhang mit einer detaillierten Dokumentation und
Katalogisierung der gesamten Petroglyphen des Cerro Mulato zweifellos ein
fruchtbarer Ansatz, einen lokalen „curandero“ aus der Gegend von Chongo-
yape mit heranzuziehen, einerseits, um weiteres ethnographisches Material zu
erhalten12, andererseits, um eine gewisse lokale Sanktionierung dieser Arbeiten
zu ermöglichen. So wird es z. B. leichter sein, Hilfskräfte aus der naheliegenden
Ortschaft zum Aufsuchen und Freilegen der Felszeichnungen anzuwerben, wenn
sie diese Arbeiten unter dem Schutz eines „curanderos“ wissen, da die Gefahr
zu erkranken aus den vorgenannten Gründen für sehr groß erachtet wird.
11 Ebenso schreibt H. H. Brüning in seinem „Lexico Folklorico“ (unveröffentlicht)
unter anderem zu dem Begriff „huaca“: . . se llama a veces tambien a los cerritos
naturales huaca.“ Diese Verwendung des Begriffes „huaca“ ist heute nicht mehr
Üblich, sie weist aber auf die Verbindung zwischen „encanto“ und der alten Be-
deutung des Wortes „huaca“ hin.
12 Vielversprechende Ansätze dieser Art plant der peruanische Archäologe Dr. Rodri-
guez Suy Suy von der Universidad Nacional de Trujillo.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
305
BIBLIOGRAPHIE
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Sharon, Douglas: „Magier der vier Winde“, Freiburg i. Br. 1980.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
3C7
Abb. 4
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
309
Abb. 8
Abb. 13
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
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RITZZEICHNUNGEN DER ESKIMO
NORDWEST-ALASKAS
DRILLBOHRER-BÜGEL AUS DER
ABT. AMERIKANISCHE NATURVÖLKER
DES MUSEUMS FÜR VÖLKERKUNDE, BERLIN
ELISABETH WALTHER, Berlin
Im Gegensatz zu Skulpturen und geometrisch verzierten Gegenständen aus
Walroßelfenbein sind realistische Ritzzeichnungen in diesem Material, seltener
in Knochen oder Karibugeweih, eine spät entwickelte künstlerische Ausdrucks-
form der Eskimo. Erste Berichte über Ritzzeichnungen stammen aus dem Jahre
1816, von Teilnehmern an der Alaska-Expedition unter Otto von Kotzebue.
Neben anderen Gegenständen der materiellen Kultur der Eskimo wurden zwei
Drillbohrer-Bügel mit eingravierten figürlichen Darstellungen erworben1. Wei-
tere Faktoren sprachen früher für die These, daß diese Kunst erst zu Beginn
des 19. Jhs., nach Kontakten mit Europäern und Amerikanern, entstanden war:
— die Beschränkung derart verzierter Gegenstände auf den Nordwesten
Alaskas, dessen Bewohner seit den ersten Jahrzehnten des 19. Jhs. intensive
Handelsbeziehungen zu den Russen unterhielten,
— das vorläufige Fehlen vergleichbarer Objekte in prähistorischen Fundstätten
dieser Region2.
Im Jahre 1922 jedoch entdeckte T. Mathiassen in einer der Thule-Kultur
zugerechneten Fundstätte aus dem 10./11. Jh. in Naujan, Zentral-Kanada, sie-
ben Elfenbeinfragmente mit einfachen Einritzungen, z. B. den Darstellungen
eines Karibus und eines Umiaks. Später wurden auch in Alaska, bei Point
Barrow und 1938 in der Nähe von Cape Prince of Wales, Ritzzeichnungen
zum Teil prähistorischen Ursprungs entdeckt.
Heute geht man davon aus, daß diese Art der Ornamentierung in einer Spät-
phase der Thule-Kultur entstand. Erst im 19. Jh. erlebte die Kunst ihren
Höhepunkt in den feineren und komplexeren Gravierungen auf Geräten aus
1 Ray 1977:78, Abb. 2.
2 Hoffman (1897) 1975:765; Mason 1927:252—253; Ray 1975:91.
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Walther, Ritzzeichnungen der Eskimo
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Elfenbein, vorerst meist auf den Bügeln von Drillbohrern3. Besonders aus-
geprägt und von hohem künstlerischen Niveau sind laut Ray die Ritzzeichnun-
gen aus dem Gebiet nördlich von St. Michael am Norton-Sund4. Mason gibt
als Flerkunftsgebiet der besten Darstellungen den Raum südlich der Bering-
Straße bis zur Alaska-Flalbinsel an: Norton-Sund, Bristol Bay und das Gebiet
zwischen den Flüssen Yukon und Kuskokwim. Als deutlich schlechter charak-
terisiert er die Stücke, die in der Region nördlich des Kotzebue-Sundes an-
gefertigt wurden. Die nordöstliche Grenze des Vorkommens von Ritzzeichnun-
gen liegt bei Point Barrow5.
Nach den dargestellten Motiven und der Ausführung sowie der Art der ver-
zierten Gegenstände unterscheidet Ray vier stilistische Phasen dieser Kunst:
— old engraving style,
— modified engraving style,
— Western pictorial style,
— Contemporary style6.
Gravierungen des alten Stiles finden sich fast ausschließlich auf Bügeln von
Drillbohrern, Taschen und Eimern. Charakteristisch ist die stark schematische
Darstellungsweise. Neben einfachen Auflistungen von Tieren, die zum Teil
als Register des erlegten Jagdwildes zu betrachten sind, wurden auch kom-
plexere Szenen abgebildet. Dabei handelt es sich vor allem um die Jagd auf
Karibu und Seesäuger, häusliche Tätigkeiten, Tanz und Wettkampf.
Bei einer Auszählung der Motive auf Objekten, die in den 20er und 70er
Jahren des 19. Jhs. erworben wurden, stellte Ray eine deutliche Bevorzugung
bestimmter Themen fest. An erster Stelle steht das Karibu und die Jagd auf
dieses Tier. Sehr häufig sind auch Zeichnungen von Hautbooten, Kajaks wie
Umiaks, Behausungen sowie der Jagd auf Walroß und Wal. Sehr viel seltener
sind Abbildungen schamanistischer Zeremonien, Kampfszenen und mythischer
Wesen. Auf den Objekten der jüngeren Sammlung sind Themen vertreten, die
auf denen der älteren fehlen: vor allem Darstellungen von Europäern, euro-
päischen Schiffen (Walfangschiffen) und Hundeschlitten.
3 Ray 1961:13—14, 19—21. Vgl. auch Collins et al. 1973:21—23, die eine genaue
Beschreibung der prähistorischen Ritzzeichnungen von Cape Prince of Wales an-
führen.
4 Ray 1961:22; Ray 1977:24.
5 Mason 1927:252—253; vgl. auch Hoffman (1897)1975:804.
6 hier und im folgenden Ray 1977:24—28, 43—45. 7
7 Baessler-Archiv XXXI
316
Walther, Ritzzeichnungen der Eskimo
Erscheinen die älteren Ritzzeichnungen dem Betrachter oft unzusammen-
hängend, so weisen die jüngeren größere, in sich geschlossene und leichter
interpretierbare Szenen auf.
Für die Phase des modifizierten Stiles sind bestimmte Gegenstände typisch,
die speziell als Souvenirs angefertigt und verkauft wurden. Große Pfeifen aus
Elfenbein und ganze Walroßzähne wurden etwa von 1870 bis 1900 vor allem
in St. Michael als einem der bedeutendsten Handelsstützpunkte geschnitzt
und ornamentiert7. Diese Souvenirproduktion wurde von der Alaska Commer-
cial Company gefördert, die den Künstlern das Material lieferte und die fertig-
gestellten Gegenstände aufkaufte.
Die Zeichnungen dieser Phase unterscheiden sich von den älteren in Art und
Inhalt der Darstellung. Statt der kleinen „Strichmännchen“ erscheinen größere,
fülligere Figuren. Schattierungen erzielte man durch dichte vertikale, horizon-
tale und schräge Linien. Neben den traditionellen Themen wurden nun auch
vordem nicht dargestellte Motive abgebildet: schamanistische Eleilungsrituale
und Kriegsszenen. Als früher tabuisierte Themen sind sie nach Rays Ein-
schätzung Anzeichen der Desintegrierung der traditionellen Eskimo-Kultur.
In den 90er Jahren des 19. Jhs. entstand der westliche Stil, der sich zuerst
vornehmlich auf die Verzierung ganzer Walroßzähne und crihhage hoards7 8
beschränkte. Später wurden auch Brieföffner, Serviettenringe und Schmuck-
gegenstände hergestellt, ganz auf den Geschmack und Bedarf der europäisch-
amerikanischen Käufer abgestimmte Artikel. Die Zeichnungen wurden mög-
lichst naturalistisch und detailliert ausgeführt. Eine Neuerung war die genaue
Übertragung europäischer graphischer und photographischer Vorlagen auf
Elfenbein. An die Stelle der anonymen Zeichner traten nun einzelne bekannte
Künstlerpersönlichkeiten9.
Der neue Stil wurde in den 20er Jahren dieses Jahrhunderts vor allem von
Künstlern auf King Island und den Diomede Inseln entwickelt. Linien und
Schattierungen in Zickzacktechnik dienten zur Wiedergabe traditioneller Mo-
tive und von Tierfiguren.
Bügel von Drillbohrern wurden vornehmlich aus Elfenbein gearbeitet, d. h.
hier, aus den Stoßzähnen des Walrosses. In der Vergangenheit wurde an der
7 Vgl. auch Ray 1975:242—243.
8 Crihhage hoards sind figürlich gestaltete oder in einen ganzen Walroßzahn gearbeitete
Markierbretter für das crihhage-Kartenspiel.
9 Einer der bekanntesten war Happy Jack. Ein Beispiel seiner Kunst zeigt und be-
spricht Van Stone 1962.
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sibirischen und nordamerikanischen Küste in größeren Mengen auch fossiles
Elfenbein, vom Walroß und vom Mammut, gefunden und verwendet10. Es ist
an seiner dunkleren, von Orange bis Dunkelbraun reichenden Tönung zu er-
kennen. Neben diesem unterscheidet Ray grünes und neues Elfenbein, d. h.
frisches, noch nicht abgelagertes bzw. abgelagertes Material11.
Bis ins 20. Jh. wurden bei der Bearbeitung von Elfenbein noch traditionelle
Geräte, zum Teil auch mit Stein- oder Knochenklingen, verwendet. Jedoch
waren den Eskimo Metallgeräte schon seit langem bekannt. Neuere Unter-
suchungen über den Gebrauch von Metall und metallurgische Techniken der
prähistorischen Bevölkerungsgruppen Nordamerikas haben gezeigt, daß die
Eskimo im Bereich der Beringstraße etwa seit der Zeitenwende im Besitz von
Eisen- oder sogar Stahlgeräten waren. Dieses Resultat erbrachten Analysen
der Bearbeitungsspuren an Elfenbeinschnitzereien. Objekte aus verschiedenen
Kulturepochen dieser Region, aus Old Bering Sea Style, Ipiutak und Punuk,
zeigten Kratz- und Schnittspuren, die von scharfkantigen Klingen, keinesfalls
von Steinwerkzeugen, herrühren. In prähistorischen Fundstätten wurden laut
Witthoft und Eyman korrodierte Teile von Stahlgeräten (carhurized furnace
Steel) geborgen, die vermutlich auf dem alten Handelsweg über die Aleu-
ten von Sibirien, vielleicht auch von China aus nach Nordamerika gelangt
waren12.
Nach der Kolonisierung Sibiriens durch die Russen im 18. Jh. wirkten die
nordostsibirischen Tschuktschen als Zwischenhändler zwischen Russen und den
nordwestamerikanischen Eskimo und führten unter anderem auch russische
Eisengeräte nach Amerika ein. Seit der russischen Präsenz im Nordwesten
Alaskas, den ersten Jahrzehnten des 19. Jhs., war eine weite Verbreitung
russischer Waren gewährleistet13. Auf seinen Reisen durch Alaska in der ersten
10 Ray 1961:31.
11 dies.: 34—35.
12 Witthoft/Eyman 1968:20—21.
13 Alaska war im Jahre 1732 von dem Russen Gwozdez entdeckt worden. 1741 er-
forschte eine Expedition unter Vitus Bering die Küste Süd-Alaskas. Schon wenig
später kamen die ersten Pelzhändler ins Land. Die Russisch-Amerikanische Handels-
gesellschaft wurde gegründet und errichtete Niederlassungen in Süd-Alaska. Nach
einigen Vorstößen in den Norden stieg das Interesse an diesem Gebiet erst zu An-
fang des 19. Jhs. Nach Fort Alexander am Nushagak entstand im Jahre 1833 Fort
St. Michael auf der gleichnamigen Insel im Norton-Sund. Von dort aus begann die
russische Erschließung Nord-Alaskas mit dem Ziel, die besten Handelswege und Um-
schlageplätze für den Pelzhandel zu lokalisieren. Ray 1961:21—38, 121 —130.
318
Walther, Ritzzeichnungen der Eskimo
Hälfte des 19. Jhs. bemerkte jedoch Zagoskin, daß die Eskimo das russische
Eisen als unrein betrachteten und ablehnten14.
Die ältere Literatur über die materielle Kultur und traditionelle Technologie
der Eskimo berücksichtigt diese Erkenntnisse über die vermutlich begrenzte
frühe Verfügbarkeit von Eisenwerkzeug nicht, sondern geht bei der Beschrei-
bung von Herstellungsprozessen von der Einführung von Eisengeräten in dieses
Gebiet im 19. Jh. aus. Zur Fertigung eines Drillbohrer-Bügels wurde ein Wal-
roßzahn der Länge nach in vier Teile gespalten. Ursprünglich gebrauchte man
dazu Quarzkristalle, nach der Verbreitung von Eisenwerkzeug feine Sägen15 *.
Die rohe Form des Bügels wurde nun mit Steinen geschliffen, mit Sand ge-
glättet und schließlich mit einem Stück Elfenbein poliert10. In späterer Zeit
wurden für diese Arbeitsgänge verschiedene Messer und Feilen verwendet. Mit
dem Drillbohrer, bestehend aus einem Griff mit Metallspitze, einem Mundstück
und einem Bügel mit Sehne, perforierte man die beiden schmalen Enden des
Bügels.
Vor der weiteren Bearbeitung wurde das Stück in Urin eingeweicht, um
der Oberfläche die Sprödigkeit zu nehmen. Diese Behandlung wiederholte
man mehrmals während des Arbeitsprozesses17. Die Einritzungen führte man
;tatt mit den früheren Flint- und Chalcedonspitzen mit speziellen Geräten
aus, die meist aus einem zylindrischen Griff mit einer Eisen- oder Stahlspitze
bestanden. Schließlich wurden die eingeritzten Linien mit einer Mischung aus
verbranntem Gras und öl, bzw. nach Nelson aus Schießpulver und Blut, ein-
gefärbt. Später verwendete man hierzu Graphit, vermutlich aus eingeführten
Bleistiften18.
Die Abteilung Amerikanische Naturvölker des Museums für Völkerkunde
in Berlin besitzt 18 mit Ritzzeichnungen verzierte Drillbohrer-Bügel der
Eskimo Nordwest-Alaskas, von denen im folgenden 15 ganz oder in Aus-
schnitten beschrieben werden sollen. 16 Bügel stammen aus der Sammlung des
Johan Adrian Jacobsen, der in den Jahren 1882 und 1883 im Auftrag des
Museums Alaska bereiste und eine umfangreiche Kollektion von Ethnographika
der Eskimo anlegte19. Alle Bügel sind nach ihrer Entstehungszeit und der Aus-
führung der Ritzzeichnungen der Phase des alten Stiles zuzurechnen.
14 Zagoskin 1847:64, zit. in Ray 1961:95.
15 Zu den Arbeitsgeräten s. Hoffman (1897)1975:782—790, Taf. 15, 17, 19, Abb. 5—8;
Nelson (1899)1971:80—81, Tafel 36.
18 Mason 1927:253.
17 Nelson (1899)1971:196.
18 Mason 1927:253—254; Nelson (1899)1971:196.
19 Hartmann 1973:223—225. Die beiden anderen Bügel, IV A 7175 und 7178, sind mit
den Namen der Sammler Paul bzw. Dr. Sander eingetragen.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
319
Nach den dargestellten Motiven lassen sie sich vier Gruppen zuordnen:
Bügel mit reinen Tierdarstellungen, Abbildungen von Jagd und häuslichen
Szenen, Bügel, die neben anderen auch Zeichnungen religiös-mythischen Inhalts
aufweisen sowie solche mit Motiven aus der europäisch-amerikanischen Kultur.
Bügel, die ausschließlich Tierfiguren oder Abbildungen von Fellen oder
Geweihen tragen, werden mitunter als Zählstab (hunting tally, hunting score)
für die Anzahl der Tiere aufgefaßt, die von dem Besitzer des Bügels bzw.
Zeichner erlegt wurden20. Laut Murdoch sollen vor allem die Eskimo des Ge-
bietes um den Norton-Sund ihre Jagdbeute genau auf Drillbohrer-Bügeln ver-
zeichnet haben21. Ray weist jedoch darauf hin, daß diese Stücke meist symme-
trisch und vollständig mit Tierfiguren bedeckt sind. Dies lasse weniger auf
eine sukzessive Aufzeichnung von erlegten Tieren schließen als auf eine ästhe-
tisch bestimmte Ornamentierung22.
Ein Bügel, der als Jagdregister gedient haben könnte, trägt die Inventar-
Nummer IV A 2791 und stammt aus dem Mündungsgebiet des Selawik am
Kotzebue-Sund (Abb. 1). Der lange, schwere Bügel hat einen trapezförmigen
Querschnitt23. Auf der breiten Oberseite sind mit groben, kräftigen Linien
23 Tierfelle eingeritzt. Die breiten, kurzen Felle mit kurzen Beinen und run-
den, buschigen Schwänzen könnten nach Jacobsens Meinung vom Wolf oder
Vielfraß stammen24.
Der unterschiedliche Grad der Abnutzung und die verschiedenartige Färbung
der Ritzzeichnungen lassen vermuten, daß zuerst eine Gruppe von 13 Fellen
20 Hoffman (1897)1975:932—933.
21 Murdoch 1892:177, 360—364. Vergleichbare Darstellungen auf Objekten seiner
Sammlung aus der Point Barrow-Region deutet Murdoch nur mit Vorbehalt als
Jagdregister. In diesem Gebiet soll das Auflisten von Beutetieren weniger üblich ge-
wesen sein.
Hoffman (1897)1975:874, Abb. 94, 880, Abb. 101 legt auch die Darstellung ganzer
Jagdszenen nach der Haltung der abgebildeten Tiere auf Jagderfolg oder -mißerfolg
aus. Wendet sich das Tier dem Jäger zu, so handelt es sich um ein erlegtes Wild.
Vgl. auch Mason 1927:267.
22 Ray 1961:22—23.
23 Maße: L. 45,8 cm, B. 2 cm, H. 1 cm.
24 In Hoffman (1897)1975:932, Abb. 153 gezeigte schematisierte Bärenfelle haben eine
längere, schmalere Form mit längerem Schwanz. Jacobsen, der die von ihm erwor-
benen Stücke zum Teil ausführlich beschrieben hat, stützt sich dabei offenbar nicht
auf Angaben von Informanten. Seine inhaltlichen Interpretationen sind mitunter
spekulativ, oft stellt er sie selbst in Frage. Die mögliche Funktion der vorliegenden
Bügel als Jagdregister wird von ihm nicht berührt.
320
Walther, Ritzzeichnungen der Eskimo
auf der Mitte der Seite eingraviert wurde. Diese Zeichnungen sind schwarz-
braun gefärbt. Weniger abgegriffen, also jünger erscheinen die beiden Gruppen
von vier bzw. sechs Fellen zu beiden Seiten, die rotbraun pigmentiert sind.
Handelt es sich hier um eine nachfolgende Auflistung von Jagdwild oder um
eine bloße Vervollständigung der Ornamentierung?
Als Jagdregister kann man auch den Bügel IV A 2792 aus der Region Nor-
ton-Sund deuten (Abb. 2). Zwei Seiten dieses zierlichen Bügels mit recht-
eckigem Querschnitt25 tragen figürliche Einritzungen. Je zwei parallele Linien
markieren die Mitte der Seiten, wo sie als Basis für die Zeichnungen dienen.
Auf der einen Seite sind über die ganze Länge Karibugeweihe abgebildet:
Trophäen getöteter Tiere? Auf der anderen, nicht abgebildeten Seite sieht man
von links nach rechts wieder sechs Geweihe, drei schlanke, Mardern oder Ottern
ähnliche Tiere, neun Karibus, acht schwimmende Robben26, zwei kaum erkenn-
bare Figuren, vielleicht Vögel, und sieben schwimmende, langhalsige Vögel.
Der dritte Bügel dieser Gruppe, IV A 3767, kommt aus dem Gebiet des
Kotzebue-Sundes, von den Malemiut27 (Abb. 3).
An den Seitenkanten des schweren Bügels mit halbrundem Querschnitt28
befinden sich in regelmäßigen Abständen flache Einbuchtungen, vielleicht Griff-
mulden. An diesen Stellen ist jeweils eine sehr plumpe Karibufigur eingraviert
worden. Die flache untere Seite ist mit den Abbildungen elf großer Wale und
eines Jungtieres verziert. Die Tiere sind schematisch gezeichnet mit ellipsen-
förmigen Körpern und den charakteristischen großen Schwanzflossen. Die Ritz-
zeichnungen auf der leicht gewölbten Oberseite (ohne Abbildung) fallen im
Vergleich zu anderen Stücken durch ihre Anordnung und die grobe Aus-
führung mit wenigen, tiefen Kerben auf. Infolge der schlechten Typisierung
sind manche Figuren kaum kenntlich.
Links sind zwei Karibus und vier große Vögel zu sehen, rechts eine Anzahl
von Meerestieren.
25 Maße: L. 33,7 cm, B. 1,2 cm, H. 0,85 cm.
28 Die Darstellung läßt den Betrachter zuerst die Abbildung schwimmender Wasser-
vögel vermuten. Hoffman (1897)1975:929, Abb. 150 weist jedoch auf diese konven-
tionalisierte Art der Wiedergabe hin. Auch Jacobsen identifiziert die Tiere als See-
hunde.
27 Nach Jacobsen 1884:166 bewohnten die Malemiut die Region zwischen Norton-Bay
und Kotzebue-Sund.
28 Maße: L. 34,2 cm, B. 2,2 cm, H. 1,1 cm.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
321
Dieser Bügel läßt weniger an eine Funktion als Jagdregister denken. Die
symmetrische Aufreihung der Tierfiguren auf den Seitenkanten und auf der
Unterseite wirkt rein dekorativ. Auch die Streuung der Darstellungen auf der
Oberseite läßt nicht auf eine Fixierung von Jagdbeute schließen.
IV A 3152 ist ein Bügel mit rechteckigem Querschnitt29 aus Singrak nahe
Cape Prince of Wales auf der Seward-Halbinsel. Wie bei den meisten Bügeln
sind hier die Seiten entlang der Längskanten durch gerade Linien eingefaßt.
Diese dienen als Ebenen für die Ritzzeichnungen.
Auf der rechten Hälfte der konkaven Seite erkennt man zehn Felle mit
relativ langen Beinen und buschigen Schwänzen, die sie als Wolfs- oder Fuchs-
felle ausweisen könnten. Ganz links ist ein ähnliches Fell abgebildet. Auf der
Mitte der Seite eine Karibuherde in einer bei den Eskimo, mehr noch bei den
nordamerikanischen Indianern üblichen Darstellungsweise, der Synekdoche30
(Abb. 4). Die zusammengedrängt laufenden Tiere scheinen nur einen über-
langen Rumpf zu besitzen, über bzw. unter dem der Künstler eine Vielzahl
von Köpfen und Gliedmaßen gezeichnet hat.
Eine ähnliche Abbildung befindet sich auf der rechten Hälfte der konvexen
Seite.
Während eine der beiden schmaleren, hier ebenfalls nicht abgebildeten Seiten
nur die kleine Figur eines am Boden kauernden Jägers aufweist, ist auf der
anderen eine Jagdszene eingeritzt: Zwei Jäger in Kajaks steuern auf eine
Gruppe schwimmender Walrosse zu.
Dieser Bügel leitet zur zweiten thematischen Gruppe über, den Darstellungen
von Jagdgeschehen sowie Szenen aus dem häuslichen und gesellschaftlichen Le-
ben der Eskimo.
Der Bügel IV A 78 mit trapezförmigem Querschnitt31 stammt vermutlich
aus der Region Kotzebue-Sund. Drei Seiten tragen Ritzzeichnungen. Mit rela-
tiv feinen, zum Teil aber tief eingegrabenen Linien wurden die realistisch wir-
kenden Karibufiguren auf zwei Seiten des Bügels ausgeführt (Abb. 5). Er-
wachsene Tiere und Kälber wurden in verschiedenen Stellungen wiedergege-
ben: äsend, witternd, laufend.
29 Maße: L. 37,2 cm, B. 1,5 cm, H. 0,9 cm.
30 ‘The representation of part of an object to represent the whole or vice versa . . .’
Hoffman (1897)1975:798—799.
31 Maße: L. 34,5 cm, B. 1,5 cm, H. 1,1 cm.
322
Walther, Ritzzeichnungen der Eskimo
Eine Siedlung aus elf Winterhäusern und zugehörigen Vorratsspeichern32,
wohin einige Jäger zurückkehren, ist auf der konvexen Oberseite des Bügels
abgebildet (Abb. 6). Die Männer scheinen fünf Fellboote zu ziehen, zu schieben
oder zu tragen, die gewöhnlich bei der Reise über Land auf Schlitten trans-
portiert werden. Vor dem Dorf werden die Heimkehrer von einer Anzahl
von Personen, an ihrer Spitze drei Männer mit Trommeln, empfangen.
Aus den Deckenöffnungen einiger Häuser dringt Rauch, der in Form eines
Bäumchens markiert ist33. Über den Eingangstunneln mehrerer Häuser sind
Stangen befestigt, an deren oberen Enden sich schwer erkennbare Aufsätze
befinden. Im Fall des ersten, größten Hauses scheint dieser Aufsatz tiergestaltig
zu sein. Ähnliche Abbildungen interpretiert Hoffman als Stäbe, die zur Erinne-
rung an verstorbene Angehörige auf den Häusern errichtet wurden34.
Dreht man den Bügel um 180°, so entdeckt man am rechten Ende der-
selben Seite eine kurze Jagdszene: Ein von sechs Männern geruderter Umiak
verfolgt einen Wal.
Die beiden Seiten des Bügels IV A 2793 aus dem Gebiet des Kotzebue-Sun-
des35 sind ganz mit kräftig eingravierten und dunkel gefärbten, dabei feinen
und lebendig wirkenden Zeichnungen bedeckt.
Auf der konvexen Oberseite des Bügels (Abb. 7) ist die Jagd vom Boot aus
auf eine Karibuherde wiedergegeben, die gerade ein Gewässer durchquert.
Rechts und links zielen zwei Jäger am Ufer mit Bogen und Pfeil auf die Tiere,
die sich in zwei Gruppen getrennt haben und von zwei Männern in Kajaks
verfolgt werden. Eines der Tiere scheint getroffen zu sein. Auf der rechten
Hälfte dieser Seite die Darstellung einer Eisbärenjagd vom Umiak aus
(Abb. 8). Der im Bug des Bootes sitzende Jäger stößt seine Lanze in den
Rücken eines von drei Bären, während seine beiden Jagdgefährten die Riemen
bedienen.
32 Vgl. die Abbildung und Beschreibung eines Vorratshauses aus der Gegend von
St. Michael in Nelson (1899)1971:243—244, Abb. 75; dort generell die Haustypen
der behandelten Region: 241—263. Dazu siehe auch Hoffman (1897)1975:843—845,
Tafel 60.
33 Mason 1927:257: ‘The same sign resembling a tree is employed by the Eskimo to
represent the spouting of the whale, smoke, breath, wind and all similar pheno-
mena.’
34 Hoffman (1897)1975:927—928, vgl. auch 891, Abb. 108. Er bezeichnet diese Stäbe
als ‘votive offering’ und ‘shaman’s stick’. Nelson (1899)1971 und andere Mono-
graphien über diese Region erwähnen derartige Stäbe oder Pfosten bzw. dieses
Brauchtum nicht.
35 Der Bügel mit ovalem Querschnitt hat die Maße: L. 33,4 cm, B. 1,55 cm, H. 0,9 cm.
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323
Die Ritzzeichnungen entlang der anderen Kante erscheinen zum Teil un-
zusammenhängend. Die rechte Hälfte wird von der Abbildung einer Karibu-
herde eingenommen (Abb. 7). Nach rechts hin wird ein Karibu von einem Wolf
von der Herde getrennt. Ganz rechts sind die Figuren eines Mannes, der eine
Waffe quer vor seinem Körper hält, und vierer Wale eingeritzt. Die Zeichnun-
gen der linken Hälfte behandeln Themen, deren Darstellung nach Ray erst in
einer späteren Phase des alten Stiles auftrat. In einer halbrunden Behausung
ist eine erotische Szene abgebildet, die von einer Person am Eingang belauscht
wird (Abb. 8). Ein von links an das Haus anschleichender Mann wird von
zwei anderen erwartet und mit Stöcken oder Lanzen angegriffen. Neben dem
Haus sind auch zwei ringende Männer zu erkennen. Eine Person, die aus
einer kleinen, kegelförmigen Hütte oder einem Zelt kriecht, wird von einem
vor dem Eingang stehenden Mann attackiert. Hinter der Behausung lehnen
zwei weitere Männer und beobachten das Geschehen. Ohne Beziehung zu dieser
kämpferischen Szene schließt sich links die Darstellung einer Karibujagd an.
Offenbar mit einem Gewehr zielt ein Mann auf ein übergroß gezeichnetes
Karibu mit einem Kalb. Ganz links erscheinen eine kleine menschliche Gestalt
mit einem Hund und zwei undeutlich eingeritzte Karibuhguren.
Die Abbildungen auf der konkaven unteren Seite beinhalten vor allem die
Jagd auf Seesäuger. Eine der Figurenreihen zeigt eine größere Gruppe von
Walrossen und anderen Robben auf dem Eis liegend (Abb. 9). Inmitten der
Tiere schleicht sich ein Jäger an. Zu beiden Seiten sind einige Karibus ab-
gebildet, rechts auch ein großes Winterhaus und zwei kleinere Hütten. Eine von
vier Personen steht auf dem Eingangstunnel des Hauses und hält Ausschau
(Abb. 10).
Die Gravierungen entlang der anderen Kante stellen vornehmlich die Wal-
roßjagd vom Umiak aus dar. Vier dieser großen Fellboote werden jeweils von
vier bis sechs Personen gerudert. Der Harpunier eines Bootes erhebt seine
Waffe, um sie auf ein Walroß zu schleudern, das neben anderen auf einer Eis-
scholle liegt. Daneben umstehen drei erfolgreiche Jäger ihre Beute, ein riesiges
Walroß. Ganz rechts eine Gruppe von drei Tänzern und drei Trommlern
(Abb. 9). Auf der Mittelachse dieser Seite sehen wir einen Umiak mit vier-
köpfiger Besatzung auf einige schwimmende Robben zusteuern. Eine weitere
kleine Szene zeigt einen Jäger, der sich in gebückter Haltung an Robben heran-
pirscht, die um ein Einschlupfloch im Eis lagern.
Besondere Interpretationsprobleme werfen infolge der mangelnden Infor-
mantenangaben und der schlechten Literaturlage zu diesen Themen Darstcllun-
324
Walther, Ritzzeichnungen der Eskimo
gen religiös-mythischen Inhalts auf, wie bei den folgenden Bügeln deutlich
wird.
IV A 5934 ist ein langer, schwerer, stark gebogener Bügel36 mit rechteckigem
Querschnitt von King Island im Beringmeer.
Alle Selten tragen zahlreiche relativ grob und tief eingeritzte, gut erkenn-
bare Zeichnungen.
Diejenigen auf der rechten Hälfte der konvexen Oberseite des Bügels
(Abb. 11) sind zum Teil schwer interpretierbar. Dargestellt sind offenbar reli-
giöse Rituale, die in Zusammenhang mit den sonst abgebildeten Jagdszenen
stehen mögen. Diese religiösen Szenen sind voneinander und von den Zeichnun-
gen anderen Inhalts durch senkrechte Linien getrennt. Ganz rechts ist neben
einem Jäger in seinem Kajak, einem Wasservogel und zwei Walrossen eine
untersetzte menschliche Gestalt mit Vogelkopf oder -maske, vielleicht ein
Tänzer, zu sehen. Hoffmann zeigt ein ähnliches Motiv mit kleinen Zacken
unterhalb der Armkonturen, die er mit der befransten Kleidung bestimmter
Indianergruppen vergleicht. Dagegen verweist Ray, ausgehend von Zeichnun-
gen, die menschliche Figuren mit Karibuköpfen oder -masken abbilden, auf die
bei Maskentänzen getragenen langen Handschuhe der Eskimo, die mit Schnäbeln
von Papageitauchern besetzt sind37.
Der nächste Abschnitt zeigt neun ähnliche Gestalten mit Menschenkörpern
und Vogelköpfen. Sie stehen mit erhobenen und seitlich angewinkelten Armen
um einen tisch- oder altarähnlichen Gegenstand.
Auf der linken Hälfte des Bügels erscheinen dagegen Motive der Walroß-
jagd (Abb. 12).
Die breite konkave Unterseite (Abb. 13, 14) weist zwei Reihen von Dar-
stellungen auf. In der einen ganz links ein großes Karibu, neben ihm eine
Gruppe von 15 schematisch gezeichneten Robben und sechs Eisbären. Alle Tiere
sind in der gleichen Stellung nebeneinander aufgereiht. In der zweiten Reihe
sind zwei Jäger in Kajaks inmitten einer Walroßherde zu sehen. Beide Männer
zielen mit ihren Harpunen auf die Tiere. Rechts daneben sind sechs Vorrats-
häuser abgebildet, zwischen deren Stützpfählen buschige Schwänze herabhän-
gen: Hinweise auf erbeutete Felle, die dort gelagert werden?
36 Maße: L. 47,8 cm, B. 1,9 cm, H. 0,8 cm.
37 Hoffman (1897)1975:914, Abb. 139; Ray 1977:96, Abb. 27, vgl. auch 165, Abb. 144
und 166, Abb. 145. Menschengestalten mit Vogelköpfen sind auch auf Bügeln ein-
geritzt, die Fagg 1972:20 und Collins et al. 1973:89 zeigen. In Collins et al.
1973:103—104 sind zwei hölzerne Masken in Form von Vogelköpfen aus dem Ge-
biet Norton-Sund abgebildet. Vgl. auch unten, Anm. 45.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
325
Auf einer der beiden Seitenkanten ist eine große Walroßherde eingraviert,
links und rechts eingerahmt von kleinen Gruppen von Seevögeln. Auch die
vierte Seite zeigt Walrosse und einen Jäger in seinem Kajak, der seine Harpune
auf ein Tier geworfen hat.
Auf dem Bügel IV A 5917 findet sich eine auffallende Häufung religiös-
mythischer Darstellungen38. Der Bügel mit rechteckigem Querschnitt39 wurde
am Cape Prince of Wales auf der Seward-Halbinsel erworben. Die klaren und
kräftigen Zeichnungen sind dunkel eingefärbt worden.
Auf der rechten Hälfte einer der beiden Seiten erkennt man fünf halbrunde,
unterschiedlich große Behausungen (Abb. 15). Darin sitzen Personen, die auf-
geregt zu gestikulieren scheinen. Im Inneren des linken Hauses halten sich um
eine Feuerstelle zwei Trommeln schlagende Männer und zwei Tänzer sowie
zwei nicht identifizierbare Figuren auf. Handelt es sich hierbei um die Dar-
stellung einer schamanistischen Zeremonie, durch die vier große, Walrossen
ähnliche Ungeheuer vertrieben werden sollen? Neben dem Haus ist eine große,
fliegende, menschenähnliche Gestalt abgebildet, deren ausgestreckte Klauen sich
gegen die Monstren richten40. Diese haben Walroßkörper mit buschigen Schwän-
zen und tragen Hörner oder Geweihe (Abb. 16). Im Vergleich dazu auf dem
Kopf stehend sind links erheblich derber und ungeschickter sieben Figuren ein-
geritzt. Der abgebildete Mann scheint eine europäische Kopfbedeckung zu tra-
gen. Die sechs Tiergestalten sind, da sonst nicht Jdentifizierbar, vielleicht als
Fabelwesen zu deuten.
Auch auf der anderen Seite (Abb. 17, 18) sind elf Ungeheuer zu sehen. Ihre
phantastischen Gestalten ähneln Pilzen, Krabben und Insekten. Auf einem
zwölften, offenbar getöteten Monstrum stehen sieben Personen mit ausgebrei-
teten Armen. Von links nähern sich drei Hundeschlitten. Sie sind jeweils mit
drei bis fünf Personen besetzt, von denen sich die vorderste von ihrem Sitz
erhoben hat und mit ausgebreiteten Armen dasteht, was vielleicht als Geste
des Erstaunens oder Erschreckens zu interpretieren ist.
Ganz links sind einige Figuren eingeritzt, die thematisch und in der Art der
Ausführung nicht mit den bisher besprochenen übereinstimmen. Es handelt
sich um vier Männer, die offenbar mit Gewehren bewaffnet sind, zwei Rin-
38 Hoffman (1897)1975:912 weist auf die Seltenheit solcher Abbildungen hin.
39 Maße: L. 43 cm, B. 1,4 cm, H. 0,8 cm.
40 Eine ähnliche Figur, die aber mit dem Ausführenden einer religiösen Zeremonie
durch eine Linie verbunden ist, interpretiert Hoffman (1897)1975:923—924,
Abb. 144 als Hilfsgeist des dargestellten Schamanen.
326
Walther, Ritzzeichnungen der Eskimo
gende, eine kleinere Person und einen Hund (Abb. 18). Die beiden Seiten-
kanten weisen jeweils nur einige schematisch dargestellte Robbenfiguren auf.
Einige Zeichnungen auf dem Bügel IV A 717841 sind wohl wieder als my-
thische Wesen zu deuten (Abb. 19). Es handelt sich um ein bzw. vier Geschöpfe
in Krokodilsgestalt, die eine Walfangszene einrahmen. In einiger Entfernung
von diesen Ungeheuern ist ganz rechts eine menschenähnliche, waagerecht
schwebende Figur mit nach vorn ausgestreckten Armen zu erkennen. Die Dar-
stellung, die auf die Vertreibung der Monstren durch ein Geisterwesen schließen
läßt, ähnelt der oben beschriebenen, auf dem Bügel IV A 5917 befindlichen
Zeichnung (vgl. Abb. 16). Nelson weist auf die Abbildungen von Krokodilen
ähnlichen Figuren hin, die im Bereich von Yukon und Kuskokwim auf den
Seitenwänden von Umiaks und im Inneren hölzerner Gefäße häufig zu finden
waren. In mythischer Vorzeit sollen diese menschenfressenden Ungeheuer,
pal-rai-yük, vor allem in der Nähe des Kuskokwim gelebt haben42.
Als ein solches Wesen kann man auch eine Figur auslegen, die auf einer
Seitenkante des nicht abgebildeten Bügels IV A 2795 aus der Region Kotzebue-
Sund erscheint und die Jacobsen als Krabbe interpretiert. Die Gestalt hat einen
gewölbten Rumpf mit vier kurzen Beinen und einen großen Kopf mit riesigem,
zahnbewehrtem Rachen.
Phantastische Gestalten und Szenen religiösen Inhalts erscheinen auch auf
einer Seite des Bügels IV A 3341 aus Singrak nahe Cape Prince of Wales. Der
lange, schmale Bügel hat einen rechteckigen Querschnitt43. Seine vier Seiten
sind zum Teil mit sehr feinen, zart schattierten, zum Teil mit gröberen, tief
eingegrabenen und kräftig gefärbten Ritzzeichnungen bedeckt, die wahrschein-
lich von verschiedenen Künstlern stammen.
Auf der leicht konvexen oberen Seite (Abb. 20) sehen wir rechts phan-
tastische Wesen. Auf ein Geschöpf mit Robbenkörper und kleinem, rundem
Kopf, das Jacobsen als Seeungeheuer mit Menschenkopf bezeichnet, zielt ein
Mann offenbar mit einem Gewehr. Ray, Nelson und Spencer beschreiben der-
artige Mischwesen mit Robbenkörper und Menschenkopf als Meerjungfrau
(rnermaid) oder Wassermann (merman), deren zufälliger Fang nach dem Glau-
41 Maße: L. 39,7 cm, B. 1,2 cm, H. 1 cm.
42 Nelson (1899)1971:444—445, Abb. 155, 156. Ray 1977:21 vermutet eine Be-
ziehung zwischen diesem Wesen und dem tirisuk, einem gewaltigen Drachen, dessen
Vorstellung bei den Eskimo Nord-Alaskas beheimatet war.
43 Maße: L. 43,7 cm, B. 1,15 cm, H. 0,7 cm.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
327
ben der Eskimo dem Jäger großes Unglück bringen soll14. Links daneben eine
schmale Gestalt, die der eines Hundes ähnelt, zwei Wesen, die nur aus einem
großen Kopf und Armen zu bestehen scheinen, ein krokodilähnliches Wesen
(s. o.) sowie eine halbrunde Figur mit Hörnern. Daneben sind sechs menschliche
Gestalten mit Karibugeweihen oder -masken in verschiedenen Tanzstcllungen
abgebildet. Ähnliche Darstellungen tragen zwei bei Fagg und Ray publizierte
Objekte, ein Pfeilstrecker und ein Bohrerbügel. Die sechs großen Figuren mit
Karibugeweihen deutet Ray als Menschen mit Karibumasken. Auffallend ist
die ganz ähnliche Komposition der Szenen: Vier Figuren sind frontal mit seit-
lich erhobenen Armen, zwei von der Seite mit nach vorn gestreckten Armen
gezeichnet43. Masons Deutung einer vergleichbaren Figurengruppe als Masken-
tänzer ist durch den Kontext (Siedlung, Trommler) gesichert. Mit Bezug auf
Murdoch interpretiert Mason den abgebildeten Tanz als ,,‘wood’ or ‘tree
dance’“, in dem nach der mimischen Darstellung des Verfolgern und Tötens
von Jagdtieren Tänzer in der Maske verschiedener Tierarten auftreten44 45 46.
“The five men who wore these mittens [mit Rasseln besetze lange Hand-
schuhe] . . . wore on their heads the stuffed skins of various animals, the
wolf, bear, fox, and dog, which they were supposed to represent. These
articles were never offered for sale, as they were probably too highly
valued.”47
Auf der linken Hälfte der Seite befindet sich die Abbildung eines Gerüstes
oder einer Brücke zwischen zwei Bäumen, auf dem/der 26 menschliche Figuren
stehen, die Hörner oder Geweihe auf dem Kopf bzw. Tiermasken tragen. Links
daneben beobachtet eine ähnliche Gestalt mit Karibugeweih oder -maske hinter
Bäumen verborgen ein äsendes Karibu mit zwei Kälbern. Abweichend von der
sonstigen schwarzbraunen Pigmentierung sind zwei der Figuren rotbraun ge-
färbt.
Auf der Mitte der Seite sind sieben Tierfelle eingraviert, die in ihrem grö-
beren Stil und auch inhaltlich mit den anderen Zeichnungen auf dieser Seite
kontrastieren.
44 Ray 1977:21—22; Nelson (1899)1971:447—448, Abb. 161, 163; Spencer (1957)
1976:261—262.
45 Fagg 1972:24, Abb. 15 h; Ray 1977:96, Abb. 27.
40 Mason 1927:249 (Abb.), 255—257, 260; Murdoch 1892:374.
47 Murdoch 1892:366 in bezug auf das messenger-Fest der Eskimo von Point Barrow.
Spencer (1957)1976:191 erwähnt die owamiit genannten Tänze, in denen Jagdtierc
imitiert werden.
328
Walther, Ritzzeichnungen der Eskimo
Wie oben schon ausgeführt, erscheinen in den Ritzzeichnungen der Eskimo
seit der Zeit der intensiveren Kontakte besonders mit den Russen in der zwei-
ten Hälfte des 19. Jhs. Abbildungen von Objekten der europäisch-ameri-
kanischen Kultur.
Schon in Zusammenhang mit oben beschriebenen Bügeln wurde auf mögliche
Darstellungen von Gewehren48 hingewiesen (vgl. IV A 2793, 5917, 3341). Fünf
Bügel zeigen klar erkennbare Abbildungen von Gewehren, Behausungen frem-
den Typs und (Walfang-)Schiffen. Ein besonders schönes Stück ist der Bügel
IV A 7175, zu dem leider keine genaue Herkunftsangabe vorliegt (Abb. 21
bis 26).
Die beiden Seiten des ungewöhnlich langen, geraden Bügels mit ovalem
Querschnitt49 sind mit klaren, feinen und sehr naturalistischen Zeichnungen in
ausgewogener Anordnung bedeckt.
Eine Seite (Abb. 21, 22) ist durch eine längsseits gezogene Mittellinie in
zwei Hälften geteilt. Auf der unteren ist ganz links ein Winterhaus abgebildet,
von dessen Eingangstunnel aus eine Person einen zurückkehrenden Jäger
beobachtet, der eine erlegte Robbe hinter sich herzieht (Abb. 21). Rechts
daneben scheint ein Mann bei abgelegtem Gepäck oder getötetem Wild Wache
zu halten, während seine beiden Jagdgefährten ihre Gewehre auf einen riesigen
Bären anlegen (in der Vergrößerung in Abb. 25).
Die Ritzzeichnungen auf der mittleren Partie haben die Walroß- und Wal-
jagd zum Thema. Ein Umiak nähert sich einer Walroßherde auf einer Eis-
scholle. Während der Mann im Bug schon ein Tier erlegt hat, wirft der hinter
ihm sitzende gerade seine Harpune auf ein anderes Tier. Ein dritter Jäger hält
seine Waffe zum Wurf bereit. Der im Heck des Bootes sitzende, rudernde
Mann trägt vermutlich einen Augenschirm.
Der Harpunier eines anderen Umiaks stößt gerade seine Waffe in einen Wal.
Drei Männer der Besatzung halten die luftgefüllten Schwimmer der Harpunen-
leine.
48 Teilnehmer der russischen Expeditionen der frühen 20er Jahre des 19. Jhs., unter
Shishmarev und Lazarev, stellten fest, daß die Eskimo des nordwestlichen Alaska
schon im Besitz von Gewehren waren. Feuerwaffen zählten zu den begehrtesten
Handelsartikeln. Doch war es den Russen selbst verboten, sie an die Eskimo zu
verhandeln. Neben anderen Waren wurden sie von amerikanischen Händlern, Wal-
fängern und sibirischen Kontaktpersonen eingeführt. Nach der Übernahme Alaskas
durch die Vereinigten Staaten im Jahre 1867 wurde der Handel mit Alkohol und
Feuerwaffen in Alaska auch von amerikanischer Seite gesetzlich untersagt. Ray
1975:bes. 64—69, 168—169, 185—194.
49 Maße: L. 52,5 cm, B. 2 cm, H. 0,9 cm.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
329
Rechts sind einige Winterhäuser zu erkennen, auf die ein Hundeschlitten
zufährt (Abb. 22). Daneben eine Gruppe von Tänzern, von denen der mittlere
eine gehörnte Tiermaske trägt. Neben ihnen sitzt ein Mann, der eine runde
Trommel schlägt. Links davon steht ein kegelförmiges Sommerhaus oder Zelt,
vor dessen Eingang eine Person mit Arbeiten über zwei großen Gefäßen oder
Eimern beschäftigt ist.
Auf der anderen, im Bild jeweils oberen Hälfte sieht man ganz rechts wieder
zwei mit Gewehren bewaffnete Jäger, die sich einem großen Bären nähern
(Abb. 21). Die anderen Zeichnungen dieser Seite behandeln die Walroßjagd.
Zwei Umiaks, deren Besatzungen ihre Waffen aufgenommen haben, fahren
von beiden Seiten auf eine Gruppe schwimmender Walrosse zu. Zwei Tiere
bringen sich durch Untertauchen in Sicherheit. Auf der Mitte der Seite sind
von der Robbenjagd heimkehrende Jäger abgebildet. Sie werden von einigen
vor zwei Hütten stehenden Personen erwartet. Daneben sind mehrere Männer
mit dem Transport erlegter Robben beschäftigt (Abb. 22).
Die rechte Hälfte der zweiten Seite trägt Darstellungen der Karibujagd
(Abb. 23). Auf eine Gruppe von äsenden und witternden Tieren zielt ein Jäger
mit Bogen und Pfeil. Hinter ihm stehen zwei alte, gebeugte Männer, die sich
auf lange Stäbe stützen. Ungewöhnlich sind die ganz rechts eingeritzten Fi-
guren zweier großer, hochbeiniger und langhalsiger Vögel, die Kraniche dar-
stellen könnten50 (in der Vergrößerung in Abb. 26).
Die Zeichnungen auf der linken Hälfte zeigen Motive der Waljagd (Abb. 24).
Der Harpunier eines Umiaks hat gerade einen riesigen, sich aufbäumenden Wal
mit seiner Waffe verwundet. Von links nähert sich ein großer, besegelter
Umiak51. Zwei weitere Boote transportieren einen getöteten Wal. Ein am
Ufer stehender, auf einen Stock gestützter Mann beobachtet das Jagdgeschehen.
Grober und undeutlicher sind die Figuren ganz links, die vielleicht ein sehr
laienhaft gezeichnetes Karibu52 und eine tanzende Person wiedergeben sollen.
Der nächste Bügel, IV A 3157, ist ein zierliches Stück mit trapezförmigem
Querschnitt53 und stammt von den Kaviaremiut, den Bewohnern der Seward-
50 Vgl. Fagg 1972:26, die Abbildungen ähnlicher Vogelgestalten auf einem Walroß-
zahn, und die Flinweise in Ray 1975:116 auf das häufige Vorkommen von Kranichen
in wasserreichen Gebieten Nord-Alaskas.
51 Vgl. Hoffman (1897)1975 Tafel 28, der ein Modell genau dieses Bootstyps zeigt.
52 Mason 1927:281, Abb. S. 278 würde eine ganz ähnliche Figur auf einem Bügel vom
Cape Prince of Wales, die er sonst nicht zu deuten weiß, als Bergziege identifizieren,
wenn diese Tierart in dem betreffenden Gebiet verkommen würde.
53 Maße: L. 33,2 cm, B. 1,2 cm, H. 0,9 cm.
330
Walther, Ritzzeichnungen der Eskimo
Halbinsel. Drei Seiten weisen detaillierte, lebendig wirkende Ritzzeichnungen
auf, die mit kräftigen, exakten Linien eingraviert und fast schwarz gefärbt
worden sind.
Auf einer Seite (Abb. 27) ist eine Karibuherde abgebildet. Ganz links, in
geringer Entfernung von den Tieren, kauern zwei Männer mit angelegten
Gewehren.
Die zweite Seite (Abb. 28) zeigt eine Aufreihung schematisch dargestellter
Robben.
Auf der dritten Seite (Abb. 29) sind jeweils abwechselnd konische Behausun-
gen, Hütten oder Zelte, und Menschengestalten eingeritzt.
Auch der flache, stark gebogene Bügel IV A 3148 von der Seward-Halb-
insel54 55 weist auf einer Seite die Abbildung eines Jägers mit einem Gewehr auf.
Er steht mit der Waffe in der Hand inmitten einer Karibuherde. Die Zeichnun-
gen auf der anderen Seite zeigen die Ankunft zweier Hundeschlitten in einer
kleinen Siedlung. Die Bewohner zweier Winterhäuser stehen erwartungsvoll
vor und auf ihren Häusern. Neben diesen sind die zugehörigen Vorratsspeicher
und ein auf einem Gestell liegender Elmiak zu sehen. In der Nähe der Siedlung
stehen ganz rechts vier Häuser europäisch-amerikanischen Typs: zwei kasten-
förmige mit flachen Dächern und zwei kleinere mit Satteldächern53 (Abb. 30).
Zwischen den Bauten erkennt man eine kleine menschliche Figur mit europä-
ischer Kopfbedeckung56.
Sechs Häuser dieses Typs sind auch auf dem Bügel IV A 3147 abgcbildet,
der ebenfalls bei den Kaviaremiut der Seward-Halbinsel erworben wurde57
(Abb. 31). Nur eine Seite trägt auf einer Hälfte diese feinen Einritzungen.
Zwischen den unterschiedlich großen Häusern mit Satteldächern sind kurze
und längere senkrechte Linien eingekerbt, die Zaunpfosten oder Fahnen- bzw.
Telegraphenstangen andeuten könnten.
Jacobsen selbst interpretiert die Zeichnungen als Abbildungen von Gebäuden,
die während einer Expedition der Amerikanischen Telegraphen-Gesellschaft
errichtet worden waren. Ray beschreibt, daß in den Jahren 1865 bis 1867
Abteilungen der Western Union Telegraph Expedition in das Gebiet des Yukon
und des Norton-Sundes mit dem Stützpunkt St. Michael sowie nach Port
54 Maße: L. 34,5 cm, B. 1,6 cm, H. 0,55 cm.
55 Zwei Häuser dieses Typs, allerdings bedeutend undeutlicher und laienhafter aus-
geführt, siehe in Hoffman (1897)1975:844, Abb. 51.
50 Vgl. IV A 5917.
57 Maße: L. 33,5 cm, B. 1,5 cm, H. 0,9 cm.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
331
Clarence auf der Seward-Halbinsel entsandt wurden, um diese Regionen an
das Telegraphennetz anzuschließen. Die Abteilung von Port Clarence erbaute
einige Fiäuser in einem Ort Libysville58.
Deutlich verschieden von diesen Fläusern sind vier einheimische Behausungen,
drei konische und eine trapezförmige Konstruktion. Die sechs Bewohner dieser
kleinen Siedlung befinden sich offensichtlich in großer Aufregung. Auf das
flache Gebäude läuft ein alter Mann zu. Ein anderer erklettert auf einer Leiter
eines der amerikanischen Häuser. Jacobsen deutet diese Szene als Überfall.
Schon bald nach der Entdeckung Nord-Alaskas und den ersten Berichten über
den Reichtum des Beringmeeres an Seesäugern kamen die ersten Walfangschiffe
in diese Gewässer. Im Jahre 1848 durchsegelte erstmals ein solches Schiff die
Beringstraße. Neben dem Wal wurde auch das Walroß besonders wegen seiner
Stoßzähne gejagt. Die Abbildungen zweier großer Walfangschiffe sieht man
auf dem Bügel IV A 2794 aus der Region Kotzebue-Sund59 * * * * (Abb. 32). Auf
dem Heck des einen Schiffes sind drei Mitglieder der Besatzung zu erkennen.
Sie scheinen einen herannahenden Umiak zu beobachten oder sich mit dessen
Insassen zu verständigen.
Überschaut man alle 18 Drillbohrerbügel auf bestimmte eingeritzte Themen
oder Motive, so fällt die große Anzahl der Darstellungen von der Jagd oder
von einzelnen Jagdtieren auf. Neun der 18 beschriebenen Bügel zeigen Abbil-
dungen größerer Gruppen von Karibus90, acht von Walrossen oder anderen
Robben81. Aufgrund der Bedeutung dieser Tierarten als wichtigste Jagdtiere
und Lieferanten von Nahrung und Rohmateralien für die Herstellung von
Kleidung und anderen Gegenständen des täglichen Gebrauchs kann dies nicht
verwundern. Bevor die Karibus um 1860 aus verschiedenen Gründen, von
denen immer wieder die Jagd mit Feuerwaffen genannt wird82, nach Süden
abwanderten, waren sie auch in den Küstenregionen Nord-Alaskas in großen
Herden anzutreffen.
Bedeutend seltener als diese Abbildungen sind diejenigen von Walen oder
von der Jagd auf diese Seesäuger, die nur auf vier Bügeln vertreten sind83,
58 Ray 1975:157—169.
59 Maße: L. 36,7 cm, B. 1,55 cm, H. 1,2 cm.
80 IV A 3152, 78, 2793, 2795, 7175, 3157, 3148, 2794, 2792.
81 IV A 3152, 2793, 3156, 5934, 3341, 7175, 3157, 2795.
82 Ray 1975:164, 174.
83 IV A 3767, 3156, 7178, 7175.
8 Baessler-Archiv XXXI
332
Walther, Ritzzeichnungen der Eskimo
obwohl der Walfang eine ähnlich wichtige und besonders prestigereiche Sub-
sistenzaktivität war.
Als Transportmittel bei der Jagd auf Wale und Robben, aber auch auf
Karibus, waren die Hautboote, Kajaks und Umiaks, von besonderer Bedeutung.
Dementsprechend sind sie auf zwölf Bügeln zu sehen64. Darstellungen ein-
heimischer Haustypen finden sich auf elf Bügeln65. Es sind die halb unter-
irdischen Winterhäuser wie auch kegelförmige Zelte oder Hütten, die als
Sommerhäuser bzw. Reiseunterkünfte dienten.
Diese Verteilung der Motive gleicht der oben genannten, die Ray bei ihrer
Überprüfung von Sammlungen der Smithsonian Institution feststellte. Auf-
fallend ist dagegen die relativ große Anzahl von acht Bügeln mit Darstellun-
gen religiöser Zeremonien, Maskentänzer und mythischer oder phantastischer
Wesen66.
(Photos: Dietrich Graf)
64 IV A 78, 2793, 3156, 2795, 3152, 7178, 5934, 3341, 3150, 7175, 3148, 2794.
65 IV A 3152, 78, 2793, 3156, 5917, 3341, 3150, 7175, 3157, 3148, 3147.
66 IV A 3156, 2795, 7178, 5934, 5917, 3341, 3150, 7175.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
333
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Abb. 2. IV A 2792.
338
Walther, Ritzzeichnungen der Eskimo
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
341
342
Walther, Ritzzeichnungen der Eskimo
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1S83)
343
Abb. 20. IV A 3341, Ausschnitt.
Abb. 21,22. IV A 7175.
344 Walther, Ritzzeichnungen der Eskimo
348 Walther, Ritzzeichnungen der Eskimo
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
351
A CONVERSATION WITH YIGE
POSTSCRIPT TO
“THE KERAM STYLE IN THE A B A U AREA
OF THE UPPER SEPIK, PAPUA NEW GUINEA”
BARRY CRAIG, Adelaide/Australien
In an article entitled “The Keram Style in the Abau Area of the Upper
Sepik, Papua New Guinea” (Baessler-Archiv 24: 181 —195, 1976) I offer the
observation that it is fallacious to regard an art style as a monolithic pheno-
menon and that various aspects of style — such as form, technique, com-
position and motifs — have differing mobility and durability over space
and time.
These observations were based on data obtained in 1969 in the Upper
Sepik area of New Guinea. A man named Yige, of Kambaramba (Kombo-
lomba, Kumbragumbra) — a village on the Lower Sepik — had taught
some men at a village named Baio in the Upper Sepik area, a shield design
and a carving technique that was entirely untraditional for those people.
Observers from villages upstream from Baio copied the Baio shields, their
versions varying in such a way that it was inferable that differing aspects
of style have differing mobility/durability. These inferences, however, were
based partly on assumptions I had to make where the data were insufficient
— for example, what was Yige’s prototype?
A search of the literature led me to believe that perhaps the prototype
was a shield similar in form to those of the Yige-inspired Baio copies —
that is, flat, board-like, oval-shaped planks. I therefore suggested that Yige may
not have originated from Kambaramba (Kambot speakers) but from the middle
Keram (Banaro speakers). In fact, I have since been told that, long ago in
the past, there had been a quarrel over a crocodile at Kambaramba that
resulted in the renegade group settling up on the middle Keram. They went
first to a place named Bonegara (this is probably Laycock’s “Bangapella”,
speakers now of the Banaro language — Laycock 1973: 38,39). They said
they have since moved to Munyiten, which is Banaro-speaking according to
Laycock.
Thus I suggested that certain shields from in and around Bunaram (Ba-
naro speakers) (Kelm 1968, Plates 395, 399) were the possible prototype that
352
Craig, The Keram Style in the Abati area
Yige had in mind when he was at Baio. Kambaramba shields are relatively
tall, narrow and thick — quite unlike the oval, board-like shields of the
Banaro.
Another assumption I made was that not all the Yige-inspired shields in
the Abau area were made with the benefit of Yige’s direct tutelage, but only
those of Baio; or at best, one of the Baio shields may have been taken up-
stream for the men of Baiwai to copy.
In November 1983 I was at last able to track down Yige at Kambaramba.
I believe it is necessary to report the data I obtained from him since it in
some cases contradicts, and in others confirms, my assumptions. However,
the information does not affect negatively the conclusions arrived at in 1976.
First of all, Yige said the design was one his father had drawn on two
pieces of paper and which he had shown to the Baio carvers; they copied
the designs from these pages. He still possessed the drawings so I was able
to photograph them (see Fig. 1).
Fig. 1. Designs drawn on paper by Yige’s father
Secondly, Yige said he was born in Kambaramba and that the designs are
Kambaramba designs. However, they are only part of a total shield design
and the form of the shields is relatively tall and narrow, with a tendency
to serial repetition of motifs along a vertical axis (cf. Schmidt 1929, Plate
2,2). They are not the flat, board-like, oval shields of the Middle Keram/
Ramu area.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
353
Yige said he actually demonstrated to the Baio carvers the incised-line
(infilled with white lime) technique common to the Lower Scpik but quite
foreign to the Upper Sepik. He also said that men from the upstream vil-
lages of Baiwai and Bifrou came to Baio, looked at the new Baio shields and
returned to their villages to carve their versions from memory; a Baio shield
was not taken upstream to copy, at least as far as he was aware. As I as-
sumed correctly, he himself did not go to the other villages and teach the
carvers the motifs or the incised-line technique.
The crucial assumption, for my conclusions to be valid, was that the
shields carved upstream from Baio were done from memory, or at least
without the benefit of Yige’s direct tutelage. This provides the conditions
for the traditional style elements to assert themselves against the foreign
elements. It is the variation with which differing aspects of style are able
to replicate the characteristics of a foreign prototype that is the crux of my
conclusions. Since the assumption was confirmed, my conclusions stand.
conclusions. Since the assumption was confirmed, my conclusions stand,
the Abau to produce a relatively tall, narrow, thick shield like those of
Kambaramba, form is a much more enduring or less mobile aspect of style than
motif; the data are unable to clarify whether technique or structure are more
or less enduring or mobile than form. Content or meaning is shown to be a
more enduring or less mobile aspect than motif because Yige’s explanation of
the elements of the design were either not sought or ignored by the Abau
carvers, who made up their own meanings (see Fig. 2).
354
Craig, The Keram Style in the Abati area
Fig. 3. Carving washed up on beach at Watam, Sepik East Coast — said to be of
Indonesian origin
(PNGNMAG Neg. No. FT 142: 7)
Fig. 4. aken, village guardian, named “Akenabep”, of Kopar, Sepik mouth
(PNGNMAG Neg. No. FT 140: 35)
In the context of a discussion of the acceptability of foreign motifs, it is
of some relevance to record the following observation made at the village
of Watam on the coast east of the mouth of the Sepik River, in September
1983. I noticed a wooden carving (Fig. 3) set up as a shrine figure in a men’s
house, corresponding to the aken (small male figures, said to be village
guardians, set up in chairlike baskets — see Fig. 4). The carving I saw had a
distinctly Indonesian appearance — an opinion coinciding with that of the
villagers. I was informed that it had been washed up on the beach. A carver
told me that he is interested in trying to do a copy — in particular he is
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
355
fascinated by the flaring wing-like forms and claimed that certain elements
of their own design repertoire include such extravagant forms. Should this
carver attempt to make a copy, the results may provide further data of
relevance to my 1976 conclusions.
(November 1983)
REFERENCES
Craig, B.
1976 “The Keram Style in the Abau area of the Upper Sepik, Papua New
Guinea”. Baessler-Archiv 24: 181—195.
Keim, H.
1968 “Kunst vom Sepik III”. Berlin.
Laycock, D.
1973 “Sepik Languages — Checklist and Preliminary Classification”. Pacific
Linguistics, Series B, No. 25.
Schmidt, E. W.
1929 “Die Schildtypen vom Kaiserin-Augusta-Fluß und eine Kritik der Deu-
tung ihrer Gesichtsornamente”. Baessler-Archiv 13: 136—177.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
357
ZUM CHINESISCHEN SCHATTENTHEATER
RAINALD SIMON, Offenbach
Zum chinesischen Schattentheater (S. T.)
1. Kurze Rekapitulation des Forschungsstandes
2. Nachträge zur Geschichte des Schattentheaters
2.1 Das Standardzitat: Legende oder Faktographie?
2.2 Weitere Aussagen zur Entstehung
2.3 Das S. T. in den Dynastien Yuan und Ming (1279—1644)
2.4 Das S. T. der Qing-Dynastie (1644—1911)
2.5 Das S. T. nach 1911
3. Die Verbreitung des S. T. in dem Zeitraum 1957—1966
3.1 Shaanxi
3.2 Hunan
3.3 Hebei
3.4 Beijing
3.4.1 Unterschiede zwischen Beijing Ost- und Weststadt
3.4.2 Zur Frage der Datierung Beijinger Figuren
3.4.3 Zeitgenössische Figuren aus Beijing
3.4.4 Beschreibung einer modernen Beijinger Figur
3.5 Heilongjiang
3.6 Zhejiang
3.7 Jiangsu
3.8 Shandong
3.9 Qinghai
3.10 Shanxi
3.11 Guangdong
3.12 Hubei (Wuhan)
3.13 Sichuan
3.14 Taiwan
4. Die Herstellung der Figuren
4.1 Schnitt der Figuren
4.2 Einfärbung
5. Das Verhältnis des S. T. zur klassischen Oper
5.1 Die Fächer des S. T.
5.2 Die Farbsymbolik der Gesichter
5.3 Die Wechselwirkung von S. T. und Oper
6. Der Naturalismus des S. T.
7. Die Funktionen des S. T.
8. Schlußbemerkung
9. Literaturverzeichnis
10. Deutsch-Chinesisches Glossar
358
Simon, Zum chinesischen Schattentheater
Zum chinesischen Schattentheater
1. Kurze Rekapitulation des Forschungsstandes:
Die Tradition der ersten europäischen Bearbeiter des chinesischen Schatten-
theaters (S. T.) wie Bertold Läufer, Wilhelm Grube, Georg Jacob, Hans Jensen
und Ferdinand Lessing wurde durch den Weltkrieg II unterbrochen und da-
nach bis auf eine Ausnahme von den Sinologen und Ethnologen Deutschlands
nicht mehr aufgenommen. Ein Grund dafür mag darin bestehen, daß durch
die gesellschaftliche Umwälzung Chinas und die in ihrem Gefolge zu ver-
zeichnende tendenzielle Elimination dessen, was Maspero (1932: 252) „Die
Mythologie des modernen China“ nannte, der Volkskunde der Boden entzogen
wurde und somit auch eine Entfremdung von Ethnologie und Sinologie statt-
fand, die erst in jüngerer Zeit überwunden wird.
Eine rein philologische Arbeit zum S. T. der Song-Zeit verfaßte Liu Maocai
(Liu 1967). Er brachte zum ersten Mal chinesische Sekundärliteratur in die
Diskussion ein. 1981 setzte dann Sven Broman mit dem Katalog der von
Gösta Montell 1931 in Beijing erworbenen Schattenspielsammlung des Ethno-
grafiska Museet in Stockholm einen neuen Maßstab. Allerdings ist sein Titel
„Chinese Shadow Theatre“ insofern irreführend, als es sich bei den Stockholmer
Figuren ausschließlich um solche des Beijing-Oststadt-Typus handelt. So
scheint es mir notwendig zu sein, auch auf die übrigen Stile hinzuweisen und
sie — soweit sie im Deutschen Ledermuseum vorhanden sind — photographisch
zu dokumentieren. Ein weiteres Anliegen ist es, Ergänzungen zum augenblick-
lichen Forschungsstand zugänglich zu machen, wie sie sich aus meiner Arbeit
am Katalog der Offenbacher Sammlung ergaben.
2. Nachträge zur Geschichte des S. T.
2.1 Das „Standardzitat“ — Legende oder Faktographie?
Die älteste und gleichzeitig am meisten zitierte Erwähnung des S. T. hndet
sich in den Historischen Aufzeichnungen des Sima Qian (145—68 v. u. Z.) (Shi
Ji 1975: 458). Die von Jacob vorgenommene und oftmals wiederholte Cha-
rakterisierung dieser Stelle als Legende hat schon Läufer (Grube 1915: IX)
zurückgewiesen. Liu Maocai betont die Zuverlässigkeit des Shi Ji und führt
zudem an, daß in seinem Heimatdorf (?) Berichte von vergleichbaren Erschei-
nungen von Ahnen umliefen (Liu 1967: 134). Das Problematische des Zitats
liegt eher darin, daß mit keinem Wort gesagt wird, ob überhaupt ein Gegen-
stand vor eine Lichtquelle gebracht — also das Prinzip des Schattentheaters
angewandt wurde. Es heißt da; Im darauffolgenden Jahr trat Shaoweng — ein
Mann aus Qi — mit der Kunst der Dämonen und Gottheiten vor den Kaiser.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
359
Der Kaiser hatte eine Lieblingsfrau namens Wang. Als die Frau gestorben war,
ließ Shaoweng — so heißt es — mit Hilfe seiner Magie in der Nacht die
Gesichter der Gattin Wang und des Herdgottes erscheinen. Der Himmelssohn
betrachtete sie hinter einem Vorhang (sitzend). Darauf ernannte er Shaoweng
zum „General der vollkommenen Bildung“, beschenkte ihn reichlich und be-
handelte ihn nach der Etikette für Staatsgäste (vgl. de Groot 1901: Bd. IV, 87).
Die Unschärfe des Berichts führte zu einer ebenso phantasievollen wie unzu-
lässigen Ausschmückung des Urtextes:
(Krafft 1964: 6): Da bittet ein Mann um Audienz. Man flüstert, er
wisse ein Tor hinüber in die andere Welt . . . Aber er hat das Bild der
toten Kaiserin auf Pergament gemalt . . .
Katerine Ke (Mayer 1981: 29) schildert den gleichen Vorgang wie folgt;
Die Anfänge des chinesischen Schattenspiels liegen im Dunkeln, weil
keine schriftlichen Quellen die mündliche Überlieferung stützen. Die
ersten sagenhaften Nachrichten weisen in die Westliche Han-Zeit
(141—87 v. Chr.) zurück. Nachdem die Gemahlin des Kaisers Wu-ti ge-
storben war, wartete er jeden Abend voll Trauer auf die Rückkehr der
geliebten Toten. Der taoistische Magier Li Shao-weng versprach, sie aus
der Unterwelt zurückzurufen. Er ließ am Jahrestag des Hinscheids eine
Hofdame, die der Verstorbenen an Gestalt und Antlitz glich, hinter
einem Seidenvorhang Platz nehmen, zündete eine Kerze an und warf
ihren Schatten auf den Vorhang . . .
Eduard Erkes (1922: 60) bemüht sogar die Laterna magica, um den
Vorgang zu erklären:
So gewann ein solcher Zauberer das Herz Kaiser Han Wu-ti’s, indem
er ihm das täuschend nachgeahmte Bild seiner verstorbenen Geliebten per
Laterna magica hinter einem Vorhang erscheinen ließ . . .
Die Wichtigkeit, die man diesem Bericht in China selbst beimaß, zeigt die
Tatsache, daß er u. a. in die
Geschichte der Früheren Han-Dynastie (Qian Han Shu)1,
die Neuen Aufsätze des Huan Tan2,
die Legendensammlung Sou Shen Ji3,
die Urkunden aus der Nördlichen Halle4 und in die
Aufgelisteten Quellen zu den Dingen5
aufgenommen wurde.
1 Qian Han Shu von Ban Gu 23—92 n. u. Z. Die erscheinende Dame heißt hier
fälschlich Li. Siehe dazu Liu 1967: 134, Anm, 33.
2 Huan Tan Xin Lun. Von Huan Tan 23 v. bis 50 n. u. Z.
3 Sou Shen Ji von Gan Bao (317 n. u. Z.). Vgl.: de Groot 1901: IV, 87.
4 Bei Tang Shu Chao von Yu Shinan 558—638.
5 Shi Wu Ji Yuan von Gao Cheng. Er lebte in der Yuanfeng-Ära 1078—1085.
360
Simon, Zum chinesischen Schattentheater
Er ist in der Literatur der autoritative Text zum Ursprung des Schatten-
theaters. Deshalb verwundert es nicht, wenn über ein halbes Jahrtausend nach
dem Geschehen Xiao Qi aus dem Staat Liang (502—537) in seinem „Bericht
aufgesammelter hinterlassener Schriften“ die genannte Undeutlichkeit durch
eine sehr genaue Beschreibung beseitigt:
In der ersten Zeit nach dem Tode seiner engsten Nebenfrau sehnte er
sich ständig nach ihr und träumte von ihr. Wenn ihm zufällig der
Wunsch kam, seine Frau zu sehen, nahm sein Gesicht einen niedergeschla-
genen Ausdruck an. Zofen und Diener konnten ihn nicht beruhigen, und
er ließ Li, den Kleinen Herrn, an den Hof rufen und sagte zu ihm: „Ich
sehne mich nach Madame Li, kann er sie wohl herbeiholen?“
Der Kleine Herr sagte: „Du kannst sie von weitem sehen, kannst aber
nicht mit ihr hinter dem Vorhang zusammen sein. Im Dunklen Meer
gibt es den Stein der verborgenen Blüte, seine Farbe ist dunkelblau, er
ist federleicht und bei vollkommener Kälte ist er warm und bei voll-
kommener Wärme kalt. Wenn man ihn zu einem beseelten Bild schnitzt,
dann ist das seelische Bewußtsein nicht anders als bei einem wirklichen
Menschen.
Wenn ich diese Steinfigur gehen lasse, dann ist Ihre Frau wieder da.
Diese Steinfigur ist in der Lage, gesprochene Worte zu übermitteln, sie
hat eine Stimme, jedoch keinen Atem. Daher weiß ich, daß sie etwas
übernatürlich Wunderbares ist.“
Der Kaiser sagte: „Ist eine solche Steinfigur zu erlangen?“
Der Kleine Herr sagte: „Ich wünsche ein Schiff mit Hochdeck und die
große Kraft von tausend Mann zu erhalten. Sie sollen schwimmen und
auf Bäume klettern können. Alle sollen veranlaßt werden, sich in den
daoistischen Praktiken auszukennen und das Mittel gegen den Tod
mitzubringen: dann erreichen wir das Dunkle Meer.“ Als sie nach zehn
Jahren zurückkehrten, waren von den einst Ausgezogenen einige ent-
weder auf Wolken gestiegen und nicht zurückgekehrt oder waren durch
Umwandlung ihrer Gestalt nur scheinbar gestorben. Diejenigen, die
zurückgelangten, waren vier oder fünf Männer. Nachdem man diesen
Stein bekommen hatte, beauftragte man Handwerker, nach einem
früheren Abbild die Gestalt der Gattin aus dem Stein zu schneiden. Als
sie fertig geschnitzt war, stellte man sie hinter einen Vorhang aus leichter
Seidengaze, und es war, als sei sie lebendig. Der Kaiser war sehr erfreut.
Er fragte den Kleinen Herrn: „Kann ich mich ihr nähern?“ Der Kleine
Herr antwortete: „Wenn man beispielsweise mitten in der Nacht ein
Traumgesicht hat, kann man sich ihm denn bei hellem Tag nähern? Die-
ser Stein ist giftig, und es wäre besser, ihn von weitem zu betrachten;
man darf sich nicht an ihn herandrängen. Mit nicht weniger als der
Hochachtung (für einen Herrscher, der über) zehntausend Streitwagen
(gebietet), sollte man dieses Geistwesen wahrnehmen.“ Der Kaiser folgte
dann seiner Ermahnung, und nachdem er seine Gattin betrachtet hatte,
ließ der Kleine Herr dann diese Steinfigur zerstampfen und Pillen daraus
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
361
hersteilen. Er gab sie ihm ein, und der Kaiser hatte nicht wieder sehn-
suchtsvolle Träume. Danach ließ er eine Geisttraum-Terrasse bauen und
brachte ihr dort die Jahreszeiten-Opfer dar. (Nach Dong 1983: 101)
Es ist durchaus möglich, daß Xiao Qi aus einer anderen Linie der Über-
lieferung schöpfte, deren frühere Formen nicht mehr existieren. Mir scheint der
Bericht die Vermutung Jacobs (1925: 8) zu belegen, daß der von Läufer an-
genommene spiritistische Ursprung des S. T. fraglich sei. Auch die Annahme
Liu Maocais, das S. T. gehe auf den Totenkult zurück (Liu 1967; 129) kann
nicht unwidersprochen bleiben. Die abgeschiedene Seele wird eher als Hauch
(Hun) vorgestellt denn als Schatten. Wichtiger allerdings ist, daß derartige
Schattenbeschwörungen in den rituellen Vorschriften zum Begräbnis und zur
Ahnenverehrung gänzlich fehlen.
Dieser Bericht stützt die Ansicht chinesischer Theaterwissenschaftler (Dong
1983: 12), zwischen Schattentheater und Marionettenspiel bestünde eine Art
Kind-Eltern-Beziehung. Von der Beobachtung der von tanzenden Puppen
entworfenen Schatten ausgehend, seien zweidimensionale Puppen, die Schatten-
figuren, geschaffen worden. Für einen solchen Zusammenhang spricht der Um-
stand, daß das eindeutig aus dem Westen (Griechenland) nach China gebrachte
Marionettenspiel früher als das S. T. weit verbreitet war. Eine Hochblüte
erlebte es bereits in der Tang-Zeit (705—907). Marionetten wurden um 630
in den „Annalen der Tang-Dynastie“ (Tang Shu nach Dolby 1978: 102) er-
wähnt.
2.2 Weitere Aussagen zur Entstehung;
Die bereits von Liu (Liu 1967: 134) referierte These, daß sich die Schatten-
figuren von den Demonstrationstafeln herleiten, die buddhistische Mönche zur
Illustration ihrer Predigten verwandten, ist nach Sun Kaidi (Sun 1952: 63)
so vorzustellen, daß zuerst Zeichnungen auf Papier verwendet wurden
(tuxiang), dann in einem weiteren Schritt die dargestellten Figuren als „Papier-
menschen“ (zhiren) ausgeschnitten wurden, und man schließlich statt Papier
Pergament für „Ledermenschen“ (piren) verwendete. Die aus der ganzen Haut
des Wasserbüffels gearbeitete Pergamentscheibe des thailändischen Nang yai
(und kambodschnischen Nang Sbek) stellt eine vergleichbare Form dar und
wurde deshalb als Urtypus des Schattenspiels angesprcchen (Gail 1979: 353).
Sun Kaidi stellt weiterhin eine formale Beziehung zwischen frühen Schatten-
theatertexten und den im Jahre 1900 in Dunhuang gefundenen buddhistischen
Predigttexten fest. Man fände in beiden Formen Gesangspartien vor, die aus
fünf Versen mit jeweils fünf oder sieben Worten bestünden. Eine Über-
362
Simon, Zum chinesischen Schattentheater
Prüfung der mir zugänglichen Originaltexte'*, die alle um 1930 entstanden
sein dürften, erbrachte, daß die Gesangspartien weitgehend in 7-Wort-Versen
geschrieben sind, daß allerdings die Begrenzung auf fünf Verse bei weitem
überschritten wird. Eine spezifischere, beiden Literaturgattungen gleiche Form
von fünf Versen mit folgender Aufteilung der Wortzahlen: 3/3/7/7/7, die
„Zanziju — Versfolge im Stil der Preisgesänge“ genannt wird, findet sich in
den späten Schattentheatertexten nicht.
Dong Meikan (Dong 1983: 103) weist darauf hin, daß auch die „Laternen
der galoppierenden Pferde“ zu einer modifizierten Form ihres Prinzips an-
geregt haben mögen: In einer geschlossenen Laterne wird von der heißen Luft
der Kerze ein Rad in Bewegung gesetzt, an dem verschiedene Figuren befestigt
sind. Sie zeichnen sich als Schattenfiguren auf den Papierwänden der Laterne
ab (Abb. 1). Solche Laternen wurden bis zur Kulturrevolution, besonders um
Neujahr herum, angefertigt. Ihre Existenz ist seit der Südlichen Songdynastie
(1127—1279) belegt. In dem Werk Alte Dinge aus Hangzhou6 7 heißt es:
Außerdem gibt es noch die Lampen der spielenden Schatten aus mit
Wachs (präparierten) Blättern des Bodhi-Baumes; in ihnen kreisen Pferde
und Menschengestalten wie im Flug.
Auch das einfache Spiel mit den Händen als verwandlungsfähige Schatten-
geber vor einer hellen Fläche, die von einer Lichtquelle angestrahlt wird, könnte
eine der Quellen darstellen. Dong Meikan berichtet (Dong 1983: 103; vgl.:
Liu 1967: 137), daß in den fünfziger Jahren in Guangzhou ein alter Herr
lebte, der sich auf dieses Spiel sehr gut verstand und oft Vorstellungen in
öffentlichen Parks gab.
Gesicherten Boden betritt man in der Song-Zeit (960—1279), deren litera-
rische Quellen von Liu (1967) und Dolby (1978) weitgehend vorgestellt wur-
den.
2.3 Das Schattentheater in den Dynastien Yuan und Ming 1279—1644;
In der folgenden mongolischen Yuan-Dynastie wurde das S. T. als Unter-
haltung für die Soldaten eingesetzt und von den Heeren Dschingis Chans
(1155?—1227) nach Westen gebracht (Yu Zheguang 1958: 5). Für die Ming-
Zeit gibt es einen Beleg in einem 1953 entdeckten Grab, dessen Wandmalereien
6 Grube 1915: Textband; drei Texte des Etnografiska Museet, Stockholm: Huoyan-
shan; ju Da Gang; Oiao Yun Yuan. Vgl.: Broman: 1981: 29, 29, 28.
7 Wulin Jiu Shi von Zhou Mi 1271 —1368. Nach Dong 1983: 103.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
363
n
Abb. 1. Lampe der spielenden Schatten
u. a. Schattenspielfiguren auf einem papierbespannten Fenster zeigen. Ein Ge-
dicht des Qu Gu (1334—1427) beschäftigt sich mit dem S. T. wie folgt:
Auf dem Töpfermarkt hat jüngst ein Schattentheater eröffnet.
In der Halle wirft die Kerzenlampe ihr helles Licht auf das Auf und Ab
des Lebens.
Sieh! Sieh! — das Spiel kommt zum Übergang über den Rabenfluß . . .
und wie sie den Helden namens Ba Wang8 zur Hand nehmen . . .
Im 13./14. Jh. soll sich das S. T. nach Yu Zheguang (1958; 5) mit der Entfal-
tung des Seeverkehrs nach Thailand, Birma und der malaiischen Halbinsel aus-
8 Eine Gestalt aus der Erzählung „Qin Elan Yanyi.“
10 Baessler-Archiv XXXI
364
Simon, Zum chinesischen Schattentheater
gebreitet haben. Ein Problem stellen dabei allerdings die sehr unterschiedlichen
Formen des Spiels in diesen Ländern dar: Das javanische Wajang-Spiel ent-
spricht am ehesten in der Beweglichkeit der Figuren sowie ihrer Handhabung
dem chinesischen Spiel. Der viel stabilere und über die gesamte Länge der Vor-
und Rückseite der Figur verlaufende Haltestab, zwischen dessen beide Hälften
die Figur eingesteckt wird, läßt allerdings auch an eine Weiterentwicklung der
großen Bildscheiben Südostasiens denken. Die nach chinesischem Vorbild ge-
fertigten Figuren des Wajang Titi (Broman 1983: 89—124) weisen eine be-
trächtliche Vergröberung im Vergleich mit Figuren beider Hauptstile Chinas
auf. Ein ähnlicher Prozeß läßt sich auch im Falle der Übernahme türkischer
Figuren im Maghreb nachweisen9. Eine einfache Übernahme der vollem! alteten
Form ist daher wohl auszuschließen; vermutlich übertrug man nur die höhere
„Technologie“ auf authochtone Entwicklungen.
2.4 Das Schattentheater in der Qing-Dynastie 1644—1911:
In der Qing-Dynastie, deren Träger die nichtchinesischen Mandschuren waren,
erreicht das Schattentheater zwischen 1800 und 1850 den Höhepunkt seiner
Entwicklung. Nicht nur, daß jetzt die große umgangssprachliche Literatur wie
„Die Reise nach dem Westen“ oder „Die Geschichte der Weißen Schlange“ in
dramatisierter Form verbreitet wird, sondern auch die Instrumentierung des
kleinen Begleitorchesters ist nun vollständig. War das Instrument des Anfangs
der von den buddhistischen Mönchen übernommene „Holzfisch“ (Abb. 2) — ein
Abb. 2. Holzfisch (Muyu)
Schlaginstrument, dessen trockener Klang die volkstümlichen Predigten unter-
malte — so wurden beispielsweise zwischen 1723—1735 die Bambusquerflöte
Di sowie in der folgenden Periode Qianlong 1736—1795 die viersaitige Geige
9 Siehe die Beschreibung bei Hoenerbach 1959: 22 ff.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
365
eingesetzt. In dieser letzten Dynastie Chinas erlebt das Schattentheater den
Zenit seiner Entwicklung. Chinesische Theaterwissenschaftler sprechen von
einem nördlichen und einem südlichen Stil. Das Spiel des Nordens wird noch
in zwei Untergruppen aufgeteilt: In das der Weststadt und das der Oststadt
Beijings. Das Spiel der Oststadt ist in der Periode Wanli (1573—1620) von
Huang Suzhi in Luanzhou in der Provinz Flebei geschaffen worden. Huang
hatte das kaiserliche Examen in der Hauptstadt nicht bestanden und sich
darauf der Verbesserung der Texte, der Musik und der Technik des Schatten-
theaters in seiner Heimatstadt gewidmet (Yu Zheguang 1958; 6). Das Spiel
hat sich dann in neun Kreisen10 im Nordosten verbreitet und ist zu Beginn
der Qing-Zeit auch in Beijing aufgenommen worden.
Die Figuren der Oststadt-Richtung sind relativ klein (bis 30 cm). Sie wur-
den nach der Einfärbung mit einem aus dem Holzölbaum Paulownia tormen-
tosa gewonnenen Firnis überzogen und mit Reismehl bestäubt, um das Zu-
sammenkleben zu verhindern.
Figuren des Weststadt-Typs wurden nur gefärbt, erhielten aber keinen Firnis.
Zentrum dieses Stils ist Zhuozhou in der Provinz Hebei. Er breitete sich nach
der Stadt Yuncheng in Shanxi, in die Provinz Henan, nach XIan in Shaanxi
und nach Gansu aus.
Nach Zhuozhou soll das S. T. um 1500 aus den Bezirken Lanzhou und
Huating gekommen sein.
Die südliche Richtung des S. T. ist vor allem in Sichuan verbreitet. Die
vielen Einwanderer von Shaanxi nach Sichuan um 1740 brachten die größeren
Figuren des Weststadttyps mit, so daß sich die weiterentwickelten Figuren
Sichuans durch ihr großes Format (70 cm) auszeichnen. (Dong 1938: 105 f.)
Das südliche Spiel ist weiterhin durch eine weichere Musikbegleitung gekenn-
zeichnet. Ein frühes südliches Zentrum war Jianqiao in der Provinz Zhejiang.
Dort verfertigte man die Figuren aus Schafshaut.
Um 1800 ist es üblich, Schattentheatergruppen an Fest- und Feiertagen vor
Konkubinen und den kaiserlichen Prinzen spielen zu lassen. Wohlhabende
Adelshäuser erwarben auch ganze Spielsätze und banden berühmte Spieler mit
viel Geld an ihre Häuser. Die besten Truppen wurden „Palastschatten“ (Gong-
ying) oder Palasttheater (Gongxi) genannt.
Daß das S. T. jedoch nicht immer als harmlose Angelegenheit angesehen
wurde, zeigt, daß man Truppen gegen Ende der QIng-Dynastie in Verbindung
10 Yueting; Baodi; Yutian; Jixian; Pinggu; Changli; Fengrun; Zunhua; Qianau.
io *
366
Simon, Zum chinesischen Schattentheater
zur Geheimgesellschaft des Weißen Lotos brachte und ihnen vorwarf, sie er-
weckten Geister zum Zwecke der Rebellion zum Leben. Es wurden Spieler
inhaftiert und als „Übeltäter der schwarzen Laterne“ bezeichnet (Yu Zhe-
guang 1958: 6).
Lu Jingping aus der berühmten Familie Lu in Beijing, die seit 1800 die
Tradition des Schattentheaters aufrechterhält, berichtet, daß der Hof die
Spieler 1835 während eines Aufstandes des Weißen Lotos alle für Rebellen
gehalten habe (Terrapietra 1983: 15).
Als im Jahre 1908 Kaiser Dezong gestorben war, gab es im Nordwesten
folgendes Edikt der Verwaltung (Yu Zheguang 1958: 6);
Das Land ist in einem großen Unglück.
Das Volk ist nicht von natürlicher Friedfertigkeit.
Wenn noch einmal Aufführungen stattfinden,
werden die Ausrüstungen verbrannt werden!
Unmittelbar vor der Revolution 1911 wurde das Schattentheater in der Stadt
Jiaxing in Zhejiang verboten, weil es Gelegenheit zu nächtlichen Massenver-
sammlungen bot, die Ort demokratisch-revolutionärer Agitation waren.
2.5 Das Schattentheater nach 1911:
Nach der Revolution 1911 setzte — zumindest im Zentrum Beijing — ein
Niedergang des S. T. ein, einmal weil nun auch Frauen Aufführungen der
großen Opernbühnen besuchen konnten, zum anderen weil im Kino eine
Konkurrenz entstanden war, die allerdings vorerst auf wenige Großstädte
beschränkt blieb. Doch konnte man sich noch in den dreißiger Jahren eine
gesamte Abendvorstellung für zehn Dollars in seinen eigenen Räumen vor-
führen lassen (Allen 1930: 53). Dong Meikan (Dong 1983: 106) berichtet,
daß es in den vierziger Jahren in Beijing einige zehn Schattentheater gegeben
habe. Zentren waren die Bohnenkäse-Gasse und der Große Pfeil- und Bogen-
hof nahe der Straße Dongsi (Terrapietra 1983: 15). Sie hätten allerdings — so
Dong — nach und nach ihre Aufführungen einstellen müssen, weil sie „. . . von
den feudalistischen Regierungen geringgeschätzt worden seien . . .“. Er führt
die Deshun-Truppe an, deren Mitglieder fahrende Gemüsehändler geworden
seien, weil ihre Vorstellungen ihnen kein Auskommen mehr boten. Sie haben
jedoch nie ganz aufgehört zu spielen.
Die politisch unruhige Zeit brachte es mit sich, daß mehrere Bestände an
Schattenspielfiguren in den Westen verkauft wurden. So gelangten z. B. in
den dreißiger Jahren eine 1000 Figuren umfassende Sammlung an das damalige
Institut für Theaterwissenschaft in Köln, 1931 die Yin Beile-Sammlung und
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
367
1934 die Qianlong-Gruppe in das Deutsche Ledermuseum, konnten 1931/32
die Sammlung des Völkerkundemuseums in Flamburg von Dr. Samson und
ebenfalls 1931 die des Etnografiska Museet in Stockholm von Dr. Monteil er-
worben werden.
Die chinesischen Kommunisten hatten großes Interesse an der aus dem Volk
stammenden Kunst des S. T. Sie setzten es als Mittel der politischen Agitation
ein, wozu es sich aufgrund der Mobilität und der wenigen Requisiten — be-
sonders unter den Bedingungen des Bürgerkrieges — vorzüglich eignete. In der
berühmten Konferenz über Literatur und Kunst in Yanan 1949 wurde auch
die Rolle des S. T. festgelegt.
Ohne eine Unterstützung des S. T. durch die Stadt Beijing in den späten
fünfziger Jahren und die Tätigkeit des Künstlers Lu Jingda11 an der Zentralen
Kunstakademie in Beijing hätten für die Zukunft des S. T. keine guten Aus-
sichten bestanden. Lu Jingda hatte bereits vor 1949 eine Gruppe unterhalten,
die jedoch ihre Arbeit einstellen mußte, weil „. . . unsere Zuhörerschaft immer
kleiner und kleiner wurde... (Folk Arts of New China 1954: 15). In den
frühen fünfziger Jahren spielte er dann Stücke, die die neue Politik zum
Inhalt hatten: So fanden eine Kampagne für Flygieneerziehung und die Land-
reform Eingang ins S. T. Neben Schattentheatern aus den Provinzen Hebei,
Hunan und Shaanxi ging auch die Truppe Lu Jingdas nach Korea, um vor
„Kriegsfreiwilligen“ zu spielen.
Das S. T. war in den späten fünfziger Jahren noch in den Provinzen Henan,
Hubei, Hunan, Shanxi, Shaanxi, Sichuan, Liaoning, Guangdong und Fujian
verbreitet (Dong 1983: 105).
1955 fanden die ersten Festspiele zum Erfahrungsaustausch des Puppen-
und Schattenspiels statt, an denen 31 Gruppen teilnahmen. Im gleichen Jahr
wurden 1054 Puppen- und Schattenspielgruppen gezählt (Eberstein 1983: 288).
Der deutsche Theaterwissenschaftler und Opernregisseur Max Bührmann,
der auch mit einer eigenen Truppe chinesische Schattenspiele mit Original-
figuren aus Sichuan vorführte, berichtet von seiner Reise nach China 1957,
daß es allein in der Provinz Shanxi noch über 200 Gruppen mit etwa 2000
Spielern gegeben haben soll. Ihnen stand ein Fundus von 400 Spielen, unter
ihnen etliche berühmte, zur Verfügung (Bührmann 1972: 91).
Die landesweite Blüte des S. T. im Jahrzehnt von 1957—1966 fand ihr
Ende im Bildersturm der Kulturrevolution. Nach dem Sturz der linken Linie
(„Viererbande“) wurden die traditionellen Künste wieder zum Leben erweckt.
11 Von ihm stammen die Figuren in dem Folioband Beijing Piying (Pekinger Schatten-
spiel), Peking 1953.
368
Simon, Zum chinesischen Schattentheater
1980 gründete man die Nationale Puppenspiel-Gesellschaft unter dem
Schirm der Nationalen Theaterassoziation.
In diesem Jahr soll es 100 000 Berufs- und Amateurpuppenspieler gegeben
haben (Eberstein 1983; 288). Im folgenden Jahr fanden die Dritten Festspiele
des Puppen- und Schattentheaters statt. Das Repertoire bestand auch wieder
aus traditionellen Stücken.
1982 gab es 18 professionelle Gruppen mit folgender Verteilung auf die ver-
schiedenen Provinzen:
Hebei = 4; Shanxi = 1; Shaanxi = 2 oder 3; einige (?) in Hunan, einige
in Sichuan und der Rest in anderen Provinzen (Humphrey 1983).
3. Die Verbreitung des S. T. in dem Zeitraum 1957—1966
Die Aufzählung folgt Yu Zheguang (1958: 9—18) und dient dem Zwecke,
die Vielfalt innerhalb des S. T. zu dokumentieren, wenn auch leider keine
ausreichenden Bildbelege vorhanden sind.
3.1 Shaanxi
In dieser Provinz soll das S. T. von Zhang Liang im dritten Jahrhundert
vor u. Z. als ein Kriegsmittel gegen die Truppen eines feindlichen Generals
namens Xiang Yu erfunden worden sein. Er ließ vor den Unterführern Xiang
Yus ein Stück vorführen, dessen böse Charaktere alle sehr häßliche Gesichts-
züge aufwiesen. Xiang Yu selbst war aber auch häßlich, so daß die Unter-
führer das Stück auf ihn bezogen und ihn verließen. Aus der gleichen Provinz
wird berichtet, eine Konkubine des Kaisers Wen der Han (179—157 u. Z.)
habe kleine Schattenfiguren aus Baumblättern ausgeschnitten und hinter einer
papierenen Fensterbespannung für ein Kind gespielt (Pimpaneau 1976: 56).
Früher begann man in Shaanxi zu Anfang der Winterperiode im Oktober zu
spielen und beendete die allabendlichen Aufführungen im März des neuen
Jahres.
Betrachtet man die Offenbacher Figuren (Abb. 3), so ist im Vergleich mit
den Beijinger Figuren beider Richtungen eine Vereinfachung der Verzierung
— insbesonders der Kopf- und Gesichtspartien — auffallend. Dennoch ist der
Schnitt von fortwährend hoher Qualität. Die Farbigkeit der Figuren ist ge-
steigert, oft werden ganz im Geschmack der späten Qing-Zeit Komplementär-
farben kombiniert, um starke Kontraste zu erreichen. Der Schnitt der Figuren
orientiert sich an plastischen Darstellungen der Han- und Tang-Zeit. Die Aus-
arbeitung der Gewänder entspricht Lösungen der chinesischen Malerei. Ins-
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
369
Abb. 3. Figuren aus Shaanxi. östlicher Stil. Anfang 20. Jh. Gefangener, H. 27 cm;
Reiter mit Szepterhelm, H. 37 cm; Ambulanter Schwertverkäufer mit Filzhut, H. 34 cm.
besondere die Gestaltung der Typen der lokalen Opernform (Donglu Wanwan-
Qiang) ist sehr gelungen.
Humphrey (1983) berichtet von zwei verschiedenen Stilen, die sich vor allem
in Größe und Detailausformung des Gesichts unterscheiden. Der östliche Stil
(Donglu) sei 33 cm kleiner als der westliche (XIlu). Leider gibt sie keine abso-
luten Größenangaben. Die kleineren östlichen Figuren werden in der Nähe von
Xlan als Souvenirs für Touristen produziert. Ein in den fünfziger Jahren sehr
berühmter Schneider von Figuren war Fan Chunqi. 1982 galt der 72jährige Li
Zhanwen (Fiumphrey 1983) als Kapazität für den östlichen Stil.
Die begleitende Musik gehört zur „Klapperoper“ (Bangzi-Qiang). Sie
zeichnet sich durch große Vielfalt der Melodien aus. Vor der Kulturrevolution
galt diese Provinz als ein Zentrum des S. T. 1956 hatten sich mehr als 20 lokale
S. T. in Xian versammelt, die 60 unterschiedliche Programme auf die Bühne
brachten.
3.2 Flunan
Im Berichtszeitraum gab es 150 Theatergruppen. Die Figuren unterscheiden
sich vollkommen von dem nördlichen Stil. Sie sind etwas größer und die Ge-
370
Simon, Zum chinesischen Schattentheater
siebter werden in fast völliger Frontalstellung ausgeführt. Ihre Augen sind
mit beweglichen Lidern ausgestattet. Aus Mangel an Pergament verwendet man
Wachspapier.
Das Provinzschattentheater von Hunan mit Sitz in Changsha gilt heute als
die beste professionelle Schattentheatergruppe der Welt (Humphrey 1983). Ihre
seit 1948 in der eigenen Werkstatt aus Kalbshaut angefertigten Figuren sind
66—76 cm groß. Bewegliche Augen und Kiefer werden aus Kunststoff ge-
arbeitet. Das Repertoire umfaßt 25 Stücke. Insgesamt soll es nach Humphrey
(1983) allein in Fiunan 1000 Truppen mit 5000 Spielern geben.
3.3 FFebei
ln dieser Provinz liegen Luanzhou und Zhuozhou, die Fleimatorte des
Beijingers S. T. Nach dem Material heißt das S. T. hier „Eselshaut-Schatten“
(Lü Piying). Die Gestaltung der Figuren orientiert sich sehr stark an Typen der
Beijing-Oper. Dem bäuerlichen Publikum ist vor allem die viele Einflüsse zu-
sammenfassende Gesangsweise in diesem Spieltyp wichtig.
3.4 Beijing
Nach einer Legende, derzufolge Guanyin, die Gottheit des Erbarmens mit
allem Lebenden, ursprünglich ein Schattenspieler gewesen sei, der seine Er-
leuchtung auf einem Meditationsteppich knieend erfahren habe, wurde das
buddhistisch geprägte Spiel in Beijing Gebetsteppichspiel genannt (Terrapietra
1938: 12). Diese Form wurde von 1639 bis 1820 gepflegt. Im Beijingcr Spiel
gab es die Figur eines einfältigen Burschen mit großem Mund, der Guanyin
verkörperte. Für seinen Auftritt galten besondere Regeln: Diese Figur zu
führen stand dem Leiter der Truppe oder seinem Stellvertreter zu, und nur
bei ihrer Abwesenheit durfte die Aufgabe anderen Mitgliedern des Ensembles
übertragen werden. War die Figur, die nicht von Gesang begleitet werden
durfte, auf der Bühne, galten hinter der Bühne besondere Verhaltensregeln:
Es durfte nicht gegessen, getrunken oder geraucht werden, und sich zu setzen
oder hinzuknien war verpönt ebenso wie Lachen oder Unterhaltungen.
Die enge Verflechtung mit dem Buddhismus kommt auch darin zum Aus-
druck, daß den Schattenspielern gestattet war, die Fierbergen für buddhistische
Wandermönche (Guadan) zu benutzen (Guan Junzhe 1959: 7).
Eine Beijinger Familie — die Lus — tradierte die Kunst des (Weststadt-)
Schattentheaters von 1800 bis heute.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
371
Abb. 4. Student mit der Kopfbedeckung Shifangjin. H. 6,5 cm. Beijing/Oststadt
1875—1908.
3.4.1 Unterschiede zwischen Peking Ost- und Weststadt:
Das immer gleichartige „griechische Profil“ und der lange Bogen der Augen-
brauen guter Charaktere unterscheiden die Köpfe des Oststadt-Typus (Abb. 4)
von denen eher die Verschiedenheiten der Gesichtszüge betonenden Köpfen
(Abb. 5) der westlichen Richtung. In der Oststadt benutzt man Messer ohne
Spitze, so daß die Schnittenden fast immer mit einer kurzen Begrenzungslinie
enden. Die spitz zulaufenden Messer der Weststadt erlauben es, die beiden
Schnittlinien halbmondförmig zusammenzuführen (Abb. 6).
Den wichtigsten Unterschied beider Stile macht aber die Verschiedenheit der
musikalischen Begleitung aus: Die westliche Form bevorzugt den Gao Qiang-
372
Simon, Zum chinesischen Schattentheater
Abb. 5. Dämonenanführer mit Lotoskrone. H. 16 cm. Beijing/Weststadt vor 1790.
Stil, der — ursprünglich aus dem Süden stammend — schon im 16. Jh. in Bei-
jing zu hören war. Die Texte wurden in den dörflichen Dialekten gesungen, was
der volksnahen Kunst des S. T. entgegenkam. Derartige Musik galt als nicht
besonders elegant; ein mandschurischer Prinz schrieb im 19. Jh. „ . . . its cymbals
are very noisy and its sung sections disorderly and clamorous. It is really hard
on the ears of a refined person“ (Mackerras 1972: 5).
Die Musik der Oststadt bedient sich einer „Nie Sang“ genannten Gesangs-
technik. Ihre Sänger singen im Gegensatz zu den auswendig Vortragenden der
Weststadt nach den Textbüchern.
3.4.2 Zur Frage der Datierung Beijinger Figuren:
Ein interessanter Kopf des Offenbacher Yin Beile-Satzes zeigt europäische
Züge und als Kopfbedeckung ganz eindeutig einen Bowler (Abb. 7). Diese
Figur ist mit Sicherheit nach 1850 geschnitten worden, da William Bowler den
nach ihm benannten Hut in ebendiesem Jahr ln London kreiert hat.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
373
Abb. 6. Schnittmesser. Oben: Oststadt — unten; Weststadt-Messer.
Mit großer Wahrscheinlichkeit sind alle Figuren dieses Satzes zur gleichen Zeit
in einer Werkstatt entstanden und somit jüngeren Datums als bisher angenom-
men. Solche europäischen Elemente sind wertvolle Anhaltspunkte der Datierung,
wenn andere Quellen fehlen.
Als ein weiteres sehr gutes Hilfsmittel haben sich ethnographische Berichte
erwiesen. Insbesondere die „Pekinger Volkskunde“ von Wilhelm Grube (1901)
hat sich für die Bestimmung der Beijinger Figuren bewährt. So schreibt Grube
in der Deskription eines Leichenzuges eines mandschurischen Bannermannes der
ersten Klasse „ . . . Eine weitere Eigentümlichkeit chinesischer Leichenzüge (im
374
Simon, Zum chinesischen Schattentheater
Abb. 7. Kopf eines Europäers mit Bowler. EI. 7 cm. Beijing/Oststadt 1875—1908.
Unterschied zu mandschurischen R. S.) sind die Banner mit Darstellungen der
24 Beispiele kindlicher Pietät. . . , doch ist dies eine Neuerung, die sich erst seit
etwa zwanzig Jahren eingebürgert hat“. Offenbach besitzt im Begräbniszug des
Generals Xue Rengui (614—683) 24 Fahnenträger mit den genannten Bannern
(Abb. 8). Man käme demzufolge auf eine Entstehungszeit zwischen 1870 und
1890 — ein Zeitraum, in dem auch der angesprochene Bowler in der Fiauptstadt
allgemein bekannt gewesen sein dürfte.
Ein glücklicher Umstand ist es, wenn eine Datierung als integraler Bestandteil
einer Figur auftritt. Das Glückssymbol einer Fledermaus (fu homonym mit fu =
Glück) mit Münze (Abb. 9) trägt auf der Darstellung der Kupfermünze die
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
375
Abb. 8. Fahnenträger. Auf der Fahne Darstellung der Legende „Guo Ju vergräbt
seinen Sohn“. H. 28 cm. Beijing/Oststadt 1875—1908.
Angabe „Guangxu zhong bao“ = „allgemein gültiges Zahlungsmittel der Ära
Guangxu 1875 —1908“.
Alle Indizien belegen, daß der Yin Beile-Satz im letzten Viertel des vorigen
Jahrhunderts entstanden ist. Ein intensiver Vergleich der Offenbacher und
Stockholmer Figuren zeigt, daß in vielen Fällen die Stockholmer Figuren einen
etwas feineren Schnitt aufweisen. Aber auch bei völlig identischem Schnitt
— beispielsweise des „Großen Blumenkübels“ (Broman 1981: 74; Nr. 77: 2) —
weist das Stockholmer Exemplar eine feinere Bemalung auf. (So tragen z. B. die
Blüten dunkle Punkte, die am Offenbacher Stück fehlen.) Exakte Erklärungen
für die Qualitätsunterschiede lassen sich nicht angeben. Möglicherweise ist die
Abb. 9. Glückszeichen Fledermaus mit Münze. 10x14 cm.
Beijing/Oststadt 1875—1908.
Stockholmer Sammlung etwas älter. Dies bedeutet, daß sich von der Mitte des
19. Jahrhunderts bis 1911 die Qualität der Detailgestaltung verringert hat.
3.4.3 Zeitgenössische Figuren aus Beijing:
Heute (1983) gibt es wieder eine Beijinger Theatergruppe für die Kunst des
S. T. Sie unternahm 1983 eine erfolgreiche Westeuropa-Tournee. Spieltechnik
und Figuren sind stark weiterentwickelt worden. Die Figuren sind bis 100 cm
groß; nur die Körper bestehen immer aus Pergament, Figurenteile und die ver-
gleichsweise sehr großen Kulissen sind aus Kunststoff gearbeitet. Zu den drei
Führungsstäben kommen z. T. noch zwei für die Füße hinzu, so daß eine Figur
von zwei Spielern geführt werden muß. Neuartig ist auch der Einsatz von
Dampf, der, bei Yerwandlungsszenen eingesetzt, die magische Atmosphäre
solchen Geschehens sehr gut zum Ausdruck bringt. Neben pyrotechnischen Effek-
ten werden besonders Lichteffekte aus eigens konstruierten Lampen verwendet.
Humphrey (1983) stellte fest, daß heute alle professionellen Gruppen größere
Figuren verwenden. Daß das Amateur-S. T. in den Provinzen alle diese Ver-
änderungen übernommen hat, muß allerdings bezweifelt werden.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
377
Abb. 10. Moderne Figur aus Beijing (1982), H. 56 cm
3.4.4 Beschreibung einer modernen Beijinger Figur:12 (Abb. 10)
Die Figur stellt einen Krieger dar. Der Kopf ist mit der Ying Luomao-Kopf-
bedeckung des Soldaten versehen. Sie ist mit Pompons und dem Mut-und-
Tapferkeits-Symbol (Pfeilkraut-Emblem) versehen. Das Gesicht ist in der Form
des „Gesichts des dreigeteilten Ziegels“ rot geschminkt. Rot signalisiert Loyalität
und Aufrichtigkeit. Die „Kleidung“ besteht aus einem langen Übergewand über
der vorn geknöpften Weste und Hose. Es wird von einer lang nach unten fallen-
12 Die Figur wurde dem Deutschen Ledermuseum anläßlich des Gastspiels der Pekinger
Schattentheatergruppe am 20. 11. 1983 überreicht.
378
Simon, Zum chinesischen Schattentheater
den Leibbinde umgürtet. Die Verzierung des Gewandes besteht aus zwei blauen
Schmetterlingen und blauen Blüten (Chrysanthemen?) auf pergamentfarbenem
Grund. Beamtenstiefel vervollständigen die Garderobe.
Das Pergament ist infolge starker Pressung fast glasklar. Die Farben sind
sehr leuchtkräftig, und die Figur ist mit einem glänzenden Lack (Acryl?)
überzogen. Die Ausarbeitung der Kostümierung schließt sich an traditionelle
Formen an, auch die Gestaltung des Gesichts als bemalte Fläche ist bereits
früher vorhanden gewesen. Die modernen Beijinger Figuren sind fast so groß
wie die aus Sichuan, behalten jedoch die geringe Stärke des Pergaments der
Figuren alten Stils bei (0,1—0,5 mm). Der Kopf wird nicht in eine Hals-
manschette gesteckt, sondern ist über ein Fadengelenk mit dem Körper verbun-
den. Das Drehgelenk in der Mitte des Körpers ist nach wie vor als Rosette ge-
arbeitet, die die Transparenz an der Verknüpfungsstelle nicht behindert. Eine
gewisse Vereinfachung des Dekors besonders der Körper läßt sich vor allem im
Vergleich mit Exemplaren des Qianlong-Satzes nicht übersehen.
3.5 Heilongjiang
Die Figurenform geht auf den Stil aus Luanzhou in Hebei zurück. Man ver-
wendet Pergament aus der Haut von Rind und Maulesel. Durchbrechen gearbei-
tete Figuren stellen Rebellen dar, die übrigen gute Charaktere.
3.6 Zhejiang
Die aus Rinder- und Schafshaut geschnittenen Figuren werden zum größten
Teil als nicht durchbrochene Arbeiten ausgeführt. Auch die Gesichter sind nicht
so fein geschnitten wie im Norden. Die Musterung der Kleidung wird aufge-
malt. Nur zwei Führungsstäbe lassen nur einfache Bewegungen zu.
3.7 Jiangsu
In den fünfziger Jahren gab es in den westlichen Vororten von Shanghai
einige Schattentheatergruppen. Die Figuren glichen in der Qualität denen der
Provinz Zhejiang. Auch sie wurden mit nur zwei Stäben geführt. Als hervor-
ragend wird die musikalische Begleitung mit ländlichen Instrumenten der
Region geschildert. Nach der Kulturrevolution war von diesen Ansätzen nichts
mehr vorhanden.
3.8 Shandong
Das Spiel geht von dem Luanzhou-Stil aus. Es zeichnet sich durch eine ge-
schickte Führung der Figuren aus. Die Figuren sind monochrom.
Baessler-Archlv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
379
Abb. 11. Generalin mit Zajin-Kopftuch und Hartem Panzer (Yingkao). Wuhan,
Anfang 20. Jh. H. 48 cm.
3.9 Qinghai
In der westlichen Provinz Qinghai heißt das S. T. „Lampenschatten“ (Deng-
ying). Figuren und Spielweise orientieren sich am S. T. der Provinz Shaanxi.
In Qinghai treffen die Spieler auf die Schwierigkeit, daß besonders Frauen der
islamischen Minderheiten untersagt ist, solche Aufführungen zu sehen.
3.10 Shanxi
In dieser Provinz gab es zwei Ausformungen des S. T.: Im Süden existierte
eine lang tradierte Form im Gebiet um Xiaoyi, deren Figuren relativ grob
11 Baessler-Archiv XXXI
380
Simon, Zum chinesischen Schattentheater
geschnitten waren. Man verwendete noch den Papierschirm. Im mittleren Teil
der Provinz gab es eine gegen Ende der Qing-Zeit hineingebrachte Form, deren
Figuren einen feinen Schnitt aufweisen und in deren Instrumentierung Saiten-
instrumente eine wichtige Rolle spielen.
3.11 Guangdong
Diese Provinz hat eine Mischform von Marionettentheater und S. T. hervor-
gebracht. Puppen mit Holzköpfen werden mit drei Führungsstäben direkt vor
dem Publikum geführt. Es ist also kein S. T., sondern Puppenspiel, das sich die
Führungsweise des S. T. zu eigen gemacht hat.
3.12 Hubei (Wuhan) (Abb. 11)
Die Figuren liegen größenmäßig zwischen dem nördlichen Stil und den
Figuren aus Sichuan. Ihr Pergament ist dünner als das der Sichuan-Figuren.
Schnittränder werden oft schwarz hervorgehoben. Bei neueren Figuren um 1957
(Bührmann 1963 Abb. 17) kommt diese Besonderheit noch stärker zum Tragen.
In den späten fünfziger Jahren unternahm man Modernisierungsversuche. So
berichtet Bührmann (1963: 21) von Figuren aus ölgetränktem, starkem Papier
neben solchen aus Pergament. Die Figuren aus Wuhan erinnerten ihn an türki-
sche Figuren.
3.13 Sichuan
Die großen Sichuan-Figuren (70—80 cm) (Abb. 12) gehen auf den Typ der
Weststadt zurück. Sie sind aus dickem Rinderpergament gefertigt und werden
Niupi Wawa — Federpüppchen — genannt.
Nach anderen chinesischen Angaben hat es das S. T. in Sichuan bereits in der
Song-Zeit gegeben (10.—13. Jh.). Es sei zunächst am Hof gespielt worden und
habe sich dann im Volk ausgebreitet (Bührmann 1957: 35).
Weiter spricht Bührmann von kleinen Figuren, „die im 17. Jh. aus der Shansi-
Provinz nach Nord-Szetsch’uan kommen“ und von Figuren in der Größe der
Beijinger. „Sie kommen im 16. Jh. nach Szetsch’uan“.
Aufgrund der sehr schwierigen Quellenlage läßt die Geschichte des S. T.
dieser Provinz noch viele Fragen offen. Die im Deutschen Federmuseum gesam-
melten Figuren sind 1930/31 aus Chengdu nach Deutschland gebracht worden.
Der größere Teil des Bestandes mit 530 kompletten Figuren und 504 Zubehör-
teilen befindet sich heute in der Puppentheatersammlung der Stadt München.
Ein Teil der Münchener Figuren ist veröffentlicht (Krafft 1964). Darunter
381
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
Abb. 12. Hoher Beamter. H. 73 cm. Sichuan, Anfang 20. jh.
befindet sich eine „Türbekrönung“, die den Namen der Gruppe trägt, die mit
diesem Satz spielte: Tonga! Ban — Theatergruppe Gemeinsame Freude.
3.14 Taiwan
Das S. T. wurde vor 200 Jahren aus Guangdong und Chaozhou nach Süd-
taiwan gebracht. Bestanden anfangs 15 Gruppen, so existiert heute nur noch
eine Bühne, die Donghua (Ostblüte) heißt. Sie wird seit fünf Generationen von
Angehörigen der Familie Zhang geleitet. Ihr heutiger Leiter Zhang Decheng
hat den Kulissen- und Figurenbestand modernisiert. Im bäuerlichen Rahmen
ii *
382
Simon, Zum chinesischen Schattentheater
scheint das Spiel in Taiwan noch starke religiös-kultische Bindungen aufzu-
weisen; so finden die Aufführungen oftmals vor Tempeln statt und sollen als
Opfer für den Gott des Schattenspiels Tian Hua Guan Shi gedacht sein
(Ke 1979: 36).
4. Die Herstellung der Figuren:
Unter den chinesischen Schattenspielfiguren gibt es Exemplare, die sich aus
relativ wenig beweglichen Teilen zusammensetzen bis zu solchen, die aus neun
Einzelelementen und Gruppen von gleichen Teilen (rechte und linke Hand z. B.
gelten als ein Teil usw.) bestehen. Bemerkenswert ist, daß heute die Köpfe
nicht mehr ln dem Maße ausgewechselt werden, wie dies bei den Spielsätzen
des 19. Jh. möglich war. Neuere Figuren bestehen aus sieben bis neun Teilen;
1. Kopf; 2. Körper; 3. Gesäßteil; 4. Oberarme; 5. Unterarme; 6. Flände;
7. Füße.
Es gibt allerdings — vor allem aus dem 19. Jh. — auch Figuren, die aus
einem Stück gearbeitet sind. Das grundlegende Verfahren bei der Verwendung
von Pergament ist für alle Spielarten des S. T. in China gleich, es gibt jedoch
Unterschiede in der Feinbehandlung.
4.1 Schnitt der Figuren:
Als Beispiel für die Herstellung der Figuren soll hier die Verfahrensweise
in der westlichen Provinz Shaanxi dargestellt werden. (Nach Yu Zheguang
1958: 19 ff.)
Ausgangsstoff ist die Haut von Rind, Maulesel oder Schaf. Man bevorzugt
die Haut von Mutter- oder Jungtieren, da sie relativ dünn und von heller
Färbung ist. (In Hangzhou benutzte man hauptsächlich Schafs-, in Chengdu
Rinds- und in Luanzhou Eselshaut.) Die Haut wird im Wechsel viermal ge-
wässert (3—4 Tage) und abgeschabt. Nach diesem Vorgang des Schärfens ist
die Haut auf eine Stärke von 0,1 — 1 mm herabgesetzt. Sie wird dann mit
Schnüren fest in einen Rahmen gespannt und an der Sonne getrocknet. Der
folgende Schnitt der Figuren beginnt mit der Zerteilung des großen Pergament-
bogens in kleinere Abschnitte. Eine Umrißzeichnung der Figur wird sodann mit
Hilfe einer Stahlnadel auf das Pergament übertragen. Dieser Umriß wird mit
einem Messer herausgeschnitten. (In Beijing legt man dazu das Pergament auf
eine Wachsschicht, um eine nachgiebige, aber nicht zu weiche Unterlage zu
haben.) Nach dem Schnitt wird die Figur wieder gewässert, danach läßt man
sie im Schatten trocknen. Die njcht zu trockene Figur wird dann mit einem
speziellen Messer (Dattelholzmesser) geglättet, bis das Pergament glänzt. Der
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
383
nächste Schritt besteht in der Übertragung des Binnenmusters, das ausgeschnitten
wird, nachdem das Pergament mit einem nassen Tuch wieder angefeuchtet
wurde. Es werden fünf verschiedene Instrumente verwendet: Dao (Messer),
Ren (Messer), Yan (Hohlmesser), Zao (Bohrer) und Qin (?). Ist der Schnitt
beendet, wird die Figur unter einem Holzbrett glattgepreßt und danach von
Staub usw. gereinigt, weil die Farbe sonst nicht haftet.
4.2 Die Einfärbung:
Im nun folgenden Färbeprozeß werden vor allem Naturfarben verwendet,
die in einem recht aufwendigen Verfahren hergestellt werden müssen. So nimmt
man zur Herstellung der Farbe Grün pflanzliche Rohstoffe (Wurzel des Berbe-
ritzenstrauchs, Polygonum tinctorium etc.), die in heißem Alkohol oder Essig,
denen noch siedendes Wasser hinzugegeben wird, eingelegt werden. Nach Besei-
tigung des pflanzlichen Rohstoffes und einer Klärung des Gemisches wird Feim
als Bindemittel hinzugefügt. Gelb liefert die Gattung Gardenia (Krapp-
gewächse). Ihre Früchte, die als „Gelbschoten“ oder „Wongshy“ im 19. Jh. auch
nach Europa geliefert wurden, enthalten eine orangegelbe, im Wasser aufquel-
lende Gewebemasse. Der gelbe Farbstoff ist mit dem des Safrans identisch, also
Polychorit, Crocin. Außerdem enthalten die Gelbschoten Rubichlorsäure und
zwei Gerbsäuren.
Hat sich der Farbstoff in lauwarmem Wasser gelöst, wird Leim hinzugefügt.
Zum Färben muß das Gemisch erhitzt werden. Das Pergament wird beidseitig
eingefärbt, wobei man darauf achtet, möglichst kräftige, leuchtende Farbtöne zu
erreichen. Nach der Einfärbung läßt man das Werkstück im Schatten trocknen
und plättet es dann mit einem nicht zu heißen Holzkohlebügeleisen. Die Tem-
peratur darf keinesfalls zu hoch sein, da sonst Verfärbungen und Verbrennun-
gen entstehen.
Nach dem Plätten wird das Pergament in einer Papierpresse eine Zeit lang
gepreßt, damit es dauernd flach bleibt. Danach werden die verschiedenen
Einzelteile einer Figur zusammengesetzt. An den Gelenken werden die Teile
mit Geigensaiten verknotet. Als nächstes werden die Führungsstäbe am Hals
und an den Händen befestigt und zuletzt die zusätzliche Ausstattung wie
Bärte aus Haar oder Details des Kopfschmucks wie aus Hühnerfedern geschnit-
tene Nachbildungen der langen Federn des Fasans angebracht.
Heute verwendet man künstliche Farben, um den Herstellungsprozeß zu
vereinfachen. Auch benutzt man verschiedene Ersatzstoffe für Pergament
(Kunststoff, Papier); allerdings weiß man, daß die Festigkeit und Haltbarkeit
des Pergaments von keinem anderen Stoff übertroffen wird.
384
Simon, Zum chinesischen Schattentheater
5. Das Verhältnis des Schattentheaters zur klassischen Oper:
Man könnte das S. T. als Oper en miniature bezeichnen. Die verschiedenen
Musikstile (u. a. Gao Qiang; Bangzi Qiang; Donglu Wanwan-Qiang) die
Kostümformen, der Kanon symbolischer Bewegungen und die geschminkte
Maske wurden von der großen Bühne übernommen. Die immer mit Rhomben
gemusterte Weste der daoistischen Nonne beispielsweise kleidet die Schauspie-
lerin ebenso wie die Schattenspielfigur (Abb. 13).
Abb. 13. Gewand der Nonne. H. 21,5 cm. Beijing/Oststadt 1875—1908.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
385
Anders als die Opernbühne benutzt das S. T. zahlreiche Kulissen, wenn auch
die folgende Aufzählung der Fächer13 des alten S. T. zeigt, daß die größeren
Kulissenstücke wohl erst relativ spät eingeführt wurden.
5.1 Die Fächer des Schattentheaters:
Das alte S. T. umfaßte zwölf Fächer, deren eines für kleinere Kulissen vor-
gesehen war. Die Einteilung leitet sich von den Rollen der Oper her, erreicht
aber nicht deren Grad der Differenzierung. So lassen sich sicherlich nicht die
über zwei Dutzend Barttypen der Huzi Sheng — des Faches der Männerrollen
mit Bart — oder die noch zahlreicheren Variationen der Rollen mit geschmink-
ten Gesichtern vollständig wiederfinden. Die zwölf Fächer sind:
1. Die zivile Frauengestalt (Wen Dan)
2. Die militärische Frauengestalt (Wu Dan)
3. Die militärische Männerrolle (Wu Sheng)
4. Zivile Männerrolle (Wen Sheng)
5. Kanzler mit Shamao-Hut (Shamao-Xiangdiao)?
6. Die Generäle (Jiang)
7. Kaiser und Könige (Di, Wang)
8. Rebellenkönig (Fanwang)
9. Götter, Geister und Ungeheuer (Shen, Gui, Guai)
10. Glückszeichen (Jixiang)
11. Nebenrollen (Shang-u. Xiashou)
12. Tische und Stühle (Zhuo, Yi)
Dazu kommen noch die architektonischen Kulissen und topographischen
Prospekte (Palast, Flöhle, Zelt, Wasser etc.), die Tiere, die Pflanzen und anderes.
5.2 Die Farbsymbolik der Gesichter:
Im großen Theater spielt das geschminkte Gesicht seit der Ming-Zeit (1368
bis 1644) eine große Rolle. Im Fach der Jing ist die geschminkte Maske ein
unverzichtbarer Bestandteil. Es gibt hunderte Variationen über eine Reihe
grundsätzlich festgelegter Schminkformen. Dabei wird nach den Farben, dem
Gesamteindruck des Gesichts und der Gestaltung von Details (Augenbrauen,
Augenhöhlen) sehr genau unterschieden. Über die Entstehung dieser Eigenart
des chinesischen Theaters gibt es eine Reihe Hypothesen, die alle mehr oder
weniger Gültigkeit beanspruchen können. Eine These besagt, daß die früher im
13 Der Begriff Bao — Fach — ist ursprünglich die Bezeichnung für die Mappen aus
stoffüberzogener Pappe, in denen die Figuren aufbewahrt wurden.
386
Simon, Zum chinesischen Schattentheater
Abb. 14. Intaktes Gesicht. H. 11 cm. Beijing/Oststadt 1875—1908.
Gesicht gebrandmarkten Kriminellen versuchten, ihre Stigmata durch Über-
schminken zu verbergen. Andere führen das Schminken auf die Praxis indischer,
religiös gebundener Tänzer zurück. Wie in allen Bereichen versucht das S. T.
auch hier seinem Vorbild gleichzukommen. Dabei ist eine Vereinfachung der
bisweilen höchst komplizierten Schminkformen unumgänglich. Die Figuren-
schneider der Beijing/Oststadt-Richtung versuchen am ausgeprägtesten, die
Schminkformen nachzuahmen. Die symbolischen Werte der Farben sind im
einzelnen folgende: (Xu Muyun 1977: 276 ff.)
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
387
Abb. 15. Gesicht des dreigeteilten Ziegels. H. 9 cm. Beijing/Oststadt 1875—1908.
Rot
ist die Farbe des loyalen, aufrechten, treuen und gerechten Charakters
Blau
drückt Hartnäckigkeit und kaum zu zügelnde Wildheit aus,
Hellgrün (Lü)
ist die Farbe der leicht zu erschütternden Charaktere und der (in den Wäldern
lebenden) Räuber,
Dunkelgrün (qing)
ist die Farbe übler Geister und Dämonen,
388
Simon, Zum chinesischen Schattentheater
Abb. 16. Positiver Feldherr. H. 17 cm. Beijing/Oststadt 1875—1908.
Braun
steht für Eigensinn und Hartnäckigkeit und
Weiß
symbolisiert Verrat, „Gift“ und Verschlagenheit. Es ist die Farbe mit dem
negativsten Wert; alle anderen können von guten Charakteren benutzt werden,
Weiß nicht.
Schwarz
bezeichnet den integren, tapferen und treuen, bis zur Grobheit einfachen und
auf direktem Wege handelnden Charakter.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
389
Abb. 17. Zerbrochenes Gesicht. H. 10 cm. Beijing/Oststadc 1875—1908.
Nach der Verteilung der Farbflächen im Gesicht unterscheidet man verschie-
dene Schminkformen. Unter den Schattenfiguren sind folgende vertreten:
1. Das intakte Gesicht (Zheng Lian) (Abb. 14):
Das gesamte Gesicht außer den Augenbrauen ist in einer Farbe gehalten.
2. Das Gesicht des dreigeteilten Ziegels (Sankuaiwa Lian) (Abb. 15):
Durch Verbreiterung der Augenbrauen und Augenpartien entstehen drei
Sektoren: Stirn und die beiden Wangen.
3. Das völlig weiße Gesicht (Da Hua oder Da Baifen Lian).
390
Simon, Zum chinesischen Schattentheater
4. Das zerbrochene Gesicht (Sui Lian) (Abb. 17):
Das Gesicht wird so unregelmäßig und vielfarbig geschminkt, daß es wirkt,
als sei es zerbrochen.
5.3 Die Wechselwirkung von Schattentheater und Oper:
In der Spätzeit des alten S. T. um 1920 sangen Spieler der klassischen Oper
ihre Rollen hinter den Schirmen, meist nach der Musik der Stile Xipi und
Erhuang. Auch der große Darsteller Mei Lanfang (1894—1961) soll seine
Stimme dem S. T. geliehen haben. Die Oper soll Kulissen und ganze Stücke
aus dem S. T. übernommen haben (Terrapietra 1983: 15), wie es „...über-
haupt . . . einen ständigen Austausch in beide Richtungen . . .“ gegeben habe.
Abb. 18. Ladenschilder eines Weinhauses. Beijing/Oststadt 1875—1908. 24 x 16 cm.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
391
Abb. 19. Stelzenläuferin Yang Tou oder „Die Fiseherin“ (Yupo). H. 40 cm.
Beijing/Oststadt 1875—1908.
6. Der Naturalismus des Schattentheaters:
Der kulturhistorische Wert umfangreicher Sammlungen chinesischer Schatten-
spielfiguren beruht außer auf den kunsthandwerklichen Qualitäten auch auf
der Tatsache, daß die Figuren und Kulissen sehr genau die soziale Realität der
ausgehenden Kaiserzeit um 1900 widerspiegeln. Details wie die beiden Laden-
schilder (Puhuangzi) des Weinhauses (Abb. 18) stimmen genau mit den Vor-
bildern überein14.
14 Die bei Dunkel 1984: 15 abgebildete Kulisse ist damit eindeutig als Weinbaus, das
Gelben Wein anbietet, zu bestimmen.
392
Simon, Zum chinesischen Schattentheater
Abb. 20. Apotheke. 56 x 78 cm. Beijing/Oststadt 1875 —1908.
Die Stelzenläufergruppe dokumentiert den längst verschwundenen Brauch
der Bauern, im Frühjahr, sobald die Getreideschößlinge herausgekommen
waren, als Komödianten auf Tempelfesten aufzutreten. Die Prozessionen er-
hielten durch sie einen fast karnevalistischen Anstrich. Diese Figuren (Abb. 19)
können ohne weiteres als Illustration zu Grubes Beschreibung (1901: 109) sol-
cher Feste gesehen werden.
Der Apotheke aus dem Stück „Die Geschichte der Weißen Schlange“
(Abb. 20) ähneln noch heutige Einrichtungen.
Die Höllenstrafen des Yin Beile-Satzes orientieren sich ebenfalls an Vor-
bildern der Realität, wie der Vergleich einer Darstellung von Delinquenten im
Holzkragen (Lauterer 1910: 129) und der Schattenspielfigur (Abb. 21) zeigt.
Die Marter der Zertrümmerung (Abb. 22) nimmt einen Mörser zum Zer-
kleinern von Reiskörnern zum Vorbild (Zhongwen Dazidian 1979: 10 1S8).
Aber auch phantastisch anmutendes Gerät der Dämonen läßt sich auf reale
Vorbilder zurückführen. So haben die vier Feuerwagen (Abb. 23) in dem
Stück „Die Höhle der Feuerwolken“ aus dem Themenkreis des Romans „Die
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
393
Abb. 21. Delinquent im Holzkragen. Beijing/Oststadt 1875—1908.
Reise nach dem Westen“ ihr Vorbild in dem altchinesischen Kriegsgerät eines
Wagens, der beim Fahren Feuer verstreute (Zhongwen Dazidian 1979: 8642).
7. Die Funktionen des Schattentheaters:
Es lassen sich vier Hauptfunktionen des S. T. aufzeigen (siehe dazu Bascom
1954):
1. Es war im dörflichen wie im Rahmen des Kaiserhofes und der (mand-
schurischen) Adelsfamilien Unterhaltung für Jung und Alt. Die Wirkung der
Aufführungen im privaten Kreis wird in zwei Beschreibungen aus den dreißi-
ger Jahren deutlich:
394
Simon, Zum chinesischen Schattentheatcr
Abb. 22. Feuerwagen. Altchinesisches Kriegsgerät. 20 x 26 cm.
Beijing/Oststadt 1875—1908.
There is nothing more delightful on a winter’s evening than to sit at
ease in one’s own drawingroom and see these tiny forms flit through the
scenes of some familiar historic or religious play, or on a summer night,
in a shadowy mysterious garden, to watch their lifelike movements
across the shining screen (Allen 1930?: 53).
Otto Fischer schreibt 1933 (in der Neuen Zürcher Zeitung vom 4. 8. 1933):
Wem einst in Peking das Glück zuteil wurde, im Hofe eines chinesischen
Hauses, unter blühenden Oleanderbüschen behaglich ruhend, oder unter
den uralten Parkbäumen eines Mandschupalastes in der lauen Nacht das
Spiel einer chinesischen Schattenbühne mit Aug und Ohr zu genießen,
dem bleibt der Zauber der bunt durchleuchteten Figuren, die immer
wechselnd in lebendigster Bewegung vorüberschweben, der unerschöpflich
mannigfachen, bald heitern und bald ernsten Handlung, der gesungenen
Dialoge und der begleitenden instrumentalen Musik wie der köstliche
Traum eines zum Kunstwerk gereinigten Abbildes des spielenden Lebens
selber in unvergeßlicher Erinnerung . . .
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
395
Abb. 23. Höllenmarter des Zertrümmerns. 31 x 52 cm. Beijing/Oststadt 1875—1908.
2. Das S. T. wirkte als eine Stärkung der Tradition, indem es überlieferte
Mythen, Erzählungen und historische Berichte weitergab, die gemeinsam die
Grundlage der kulturellen Identität darstellten.
3. Nicht zu übersehen ist die „pädagogische“ Aufgabe des S. T. Volkskunst
hat — besonders in analphabetischen Kulturen — sittliche Standards und ge-
sellschaftlich richtige Verhaltensweisen zu übermitteln. Was Maspero (1932:
374) über die Höllendarstellungen der Stadttempel schrieb, trifft auch auf die
Höllenszenen des S. T. zu:
Dies ist wahrscheinlich für viele Kinder und sogar Erwachsene — beson-
ders unter den einfachen Leuten — die eindrucksvollste und klarste
Lektion in Moral, die sie jemals bekommen werden.
4. Schließlich hat das S. T. einen utopisch-phantastischen Zug, dessen Grund-
lage auch die Kritik an den bedrückenden Verhältnissen der Realität ist. Ein
Beispiel stellen die geradezu als Frauenstücke zu bezeichnenden Texte dar, die
das Leben der Frau in der alten Gesellschaft von der Brautwerbung über die
Hochzeit zu den Formen der Ehe bis zum Verstoß durch den Ehemann (oder
anderem Leid) realistisch schildern. Der konkret sehr eingeschränkten Rolle
der Frau wird eine heroische Frauengestalt gegenübergestellt, die u. a. ihren
Gatten nach eigenem Gutdünken auswählt. Solche Verstöße gegen normatives
Verhalten in der Fiktion sind (nach Bascom 1954: 340) als Kompensationen
erlittener Enttäuschungen zu verstehen. Auch scheint bis heute in der Projektion
12 Baessler-Archiv XXXI
396
Simon, Zum chinesischen Schattentheater
der eigenen Person auf eine starke Figur wie den Affenkönig (Sun Wukong),
der sich mit den Mächtigen ebenso mutig wie anarchisch auseinandersetzt, ein
Grund zu bestehen, warum derartige Geschichten so populär sind.
8. Schlußbemerkung
Das S. T. erfreut sich heute in der Volksrepublik China einer Wieder-
belebung. Dabei ist zwischen professionellen und Amateurgruppen zu unter-
scheiden. Professionelle Gruppen nahmen eine Weiterentwicklung vor allem
der Technik des Spiels vor, um vor einem größeren Publikum und gegen die
Konkurrenz von Film und Fernsehen bestehen zu können. Die ländlichen
Gruppen haben sicher nicht im gleichen Umfang diese Änderungen übernom-
men. Für die weitere Existenz des S. T. in China werden immer auch die
grundsätzlichen Entscheidungen der Kultusbürokratie wichtig sein.
Bildnachweis
Abb. 1 aus;
Tun Li-Ch’en. Annual Customs and Festivals in Peking. Peiping 1936.
Abb. 2—5 und 7—23:
Christel Knetsch, Deutsches Ledermuseum, Offenbach (DLM).
Abb. 6:
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10. Deutsch-Chinesisches Glossar
Ba Wang JU Tyrann aus der Erzählung „Qin Han Yanyi“
Bangzi qiang ^ Ht „Klapperoper“
Bao t (Mappe), Opernfach
Baodi f if Stadt im Bezirk Tianjin
Beijing it i Peking
Beijing plying Pekinger Schattentheater
Beitang Shuchao „Urkunden aus der Nördlichen Halle“
Changli % | Kreis in Hebei
Changsha Hauptstadt der Provinz Hunan
Chaozhou Präfektur in Guangdong
Chengdu & if Provinzhauptstadt von Sichuan
Da baifen lian ¿SUM*. Weiß geschminktes Gesicht
Da hualian Weiß geschminktes Gesicht
Dan 0 Zivile Darstellerin
Dao 73 Messer
Deshun 11. HSl Name einer S. T.-Truppe
Dezong \% % Kaiser. Reg. 1875—1908
Dengying /•t F „Lampenschatten“ Bezeichnung des S. T.
Di a? Bambusquerflöte
Di, Wang t * Kaiser, König
Donghua Name einer S. T.-Truppe. Ostblüte
Donglu t & „Ostprovinz“
Donglu wanwan qiang %. $ QjL Opernform
Dunhuang ik *1 Tempelhöhlen in Gansu
Erhuang -th ~ * Opernstil
Fanwang Æ £ Rebellenkönig
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
401
Fengrun j ;W Ortschaft in Hebei
Fujian U it Provinz
Gaoqiang % Opernstil
Gongxi Palasttheater
Gongying % h Palastschatten(-Theater)
Guadan H f Buddhistisches Hospiz
Guanyin % t Göttin der Barmherzigkeit
Guangdong A t Provinz
Guangxu zhong (tong) bao „Münze der Ära 1875—1908“
Guangzhou fa I)) Stadt in Guangdong
Mann der Jin-Zeit (265—420).
Guo Ju f 1 Vorbild für Pietät gegenüber
n\ .Ü- der Mutter.
Han ifL Dynastie 206 v. u. Z.—220 u. Z.
Hangzhou kh B) Stadt in Zhejiang
Hebei fa lb Provinz
Heilongjiang t * Fluß im Norden Chinas
Hubei m 4b Provinz
Huzisheng II i t Darsteller mit Bart
Huating f $ Stadt in Gansu
Huan Tan Xinlun ii if M it „Neue Aufsätze des Huan Tan“
Huang Suzhi * j r Reformer des S. T.
Hun it Hauchseele
Hunan ti ip Provinz
Jixian s 1 Kreis in Tianjinshi
Jixiang * tf Glüdcszeichen
Jiaxing % ^ Stadt in Zhejiang
Jianqiao iL ^ Stadt in Zhejiang
402
Simon, Zum chinesischen Schattentheater
Jiang n General
Jiangsu ilt- Provinz
Jing ># Fach der geschminkten Dar- steller
Lanzhou *•») Stadt in Gansu
Li Zhanwen % Figurenschneider
Liaoning n i Provinz
Lu Jingda S. T.-Spieler
Lu Jingping Älf S. T.-Spieler
Luanzhou •))) Stadt in Hebei
Lii t grün
Liipiying „Eselhautschatten“. Bez. für das S. T.
Mei Lanfang l&ji i Darsteller der Beijing-Oper 1894—1961
Ming Dynastie 1368—1644
Muyu „Holzfisch“, Schlaginstrument
Niesang Gesangstechnik (Falsett)
Niupi wawa „Lederpüppchen“. Bez. für S. T.
Piren jL /- Ledermensch (S. T.-Figur)
Pinggu f % Stadt im Bezirk Beijing
Puhuangzi Ladenschild
Qi k Region In Shandong
Qianan )L$ Stadt in Hebei
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
403
Qian Hanshu % ill- Frühere Geschichte der Han- dynastie
Qianlong ft ft Ära (nianhao) 1736—1796
Qin Messer (?)
Qing A 1Î dunkelgrün
Qing 'A Mandschurische Dynastie 1644—1911
Qinghai Provinz
Qu Gu Ht Dichter, 1334—142 7
Ren Messer
Sankuaiwa lian - 4« Schminkform: Gesicht des drei- teiligen Ziegels
Shamao xiangdiao V) ti Ü fä Kanzler mit Shamao-Hut
Shandong Provinz
Shanxi Jj ft Provinz
Shaanxi ft s Provinz
Shanghai F m
Shaoweng i 1 Kleiner Greis (Name)
Shen, Gui, Guai it i ft Götter, Geister und Dämonen
Shiwu jiyuan H m Aufgelistete Quellen zu den Dingen (Buchtitel)
Sima Qian Historiograph
3$ jL 145—68 v.u. Z.
Song * Dynastie 960—1279
Sou Shen JI it Legendensammlung des 4. Jh. n. u. Z.
Sui lian if k Schminkform; Zerbrochenes Gesicht
404
Simon, Zum chinesischen Schattentheater
Taiwan i, A A x / g Republik China
Tang jl Dynastie 618—907
Tonga! Ban § 1’k „Gemeinsame Freude“, Name einer S. T.-Truppe
Tuxiang Bildrolle
Wanli & .fit Ära (nianhao) 1575—1620
Wang t König
Wen der Han (Han Wendi) Kaiser, regnavit 179—157 v. u. Z.
Wensheng yuanwai X X k Darsteller eines hohen Zivil- beamten
Wuhan fi'fi Hauptstadt von Hubei
Wulin jiushi t 1* 18 f „Alte Dinge aus Hangzhou“ (Buchtitel)
Wunii (dan) C*) Militärische Darstellerin
Wusheng Militärischer Darsteller
Xilu Ê № „Westprovinz“
Xipi Opernstil
Xiashou 'ft Nebenrolle
Xian ft# Hauptstadt von Shaanxi
Xiang Yu ii General 232 v. u. Z.—202 v. u. Z.
Xiao Qi Autor aus dem Staat Liang 502—683
Xiaoyi 4x Stadt in Shanxi
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
405
Xue Rengui General 614—683
Yan BR (Auge) besonderes Messer
Yanan IL? Stadt in Shaanxi
Yangtou tf* Stelzenläufer
Yin Beile (Graf) Yin, mandschurischer Adliger
Yingkao gepanzerte Kriegstracht
Ying Lemao H ti fl „harte“ Seidenmütze
Yupo 'yx Fischerin
Yutian % ffl Stadt in Hebei
Yuan /O Dynastie 1279—1368
Yueting Stadt in Hebei
Yuncheng Stadt in Shanxi
Zajin 11 Aufgebundenes Kopftuch
Zanziju Versfolge im Stil der Preis- gesänge (3/3/7/7/7)
Zao f (Bohrer) Locheisen
Zhang Decheng S. T.-Spieler
Zhejiang >1 Provinz
Zhenglian $ flL Schminkform: Intaktes Gesicht
Zhiren 01 /G Papiermensch (Figur)
Zhou Mi (S t Autor 1271—1368
Zhuo, yi i ^ Tisch, Stuhl
Zhuozhou ;fc 41) Stadt in Hebei
Zunhua Stadt in Hebel.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
407
MAMMY WATER:
NEW WORLD ORIGINS?
BARBARA PAXSON, St. Joseph, Michigan
Mammy Water is a water spirit found in every country of the Guinea
Coast of West Africa and in areas of the Caribbean. Who is she? Where
does she come from? What does she mean in terms of Afro-American
civilization? Where does she go?
408
Paxson, Mammy Water
IMAGES:
Images of Mammy Water occur in two modes: a mermaid with a fish tail,
and a snake-handling woman, both often having fair skin and long, lux-
uriant hair. The mermaid image is thought to have been inspired by ships’
figureheads of mermaids — early American and European vessels which
plied the Guinea Coast from the 1500’s to the end of the 19th century.
Figureheads may have provided an initial glimpse of European culture to
West African people, who may have thought of them as the spirits of the
Europeans. According to Jean Lipman, European sailors also apparently
looked upon the figureheads as spirits, in some cases carrying fragments of
them in their pockets as protective talismans (Lipman: 1948: 25).
The snake-handling woman image of Mammy Water is taken from a
chromolithograph from India which is sold in the markets of many West
African cities, and often serves as a template for African artists’ portrayals
of Mammy Water, their rendition often cleaving closely to the original in
many details. Who this spirit represented to East Indians is not entirely
clear, although several possibilities exist, including Manasa (a snake-handling
spirit or goddess), the Nagas (spirits also associated with serpents), and the
Apsaras (celestial water spirits mentioned in the Vedas). Another remote pos-
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
409
sibility is the first avatar of Vishnu, the Preserver of the Hindu pantheon, iu
which he appears as a human emerging from a brilliant, golden fish. In this
form, he was said to have rescued the Vedas from a flood caused by an evil
demon. However, it seems most likely that the snake-handling woman repre-
sents Manasa, who is described by J. Vogel as follows:
. . . the goddess Manasa ... is identified with the sister of the serpent
king Vasuki ... is believed to afford protection against snake bite,
and is hence called Vishahari, poison destroyer. She is represented as a
handsome female of a golden color, sitting on a water lily and coiled
with snakes (Vogel: 1926: 278).
In the catalogue Three Rivers of Nigeria, Marceline Wittmer and William
Arnett discuss 19th century contact between India and the Ibibio area of
410
Paxson, Mammy Water
Fig. 4. Dan, Liberia. Wall-painting. (Himmelheber & Fischer)
Nigeria. They include a photograph of a woodcarving of the Hindu monkey
god Hanuman, which was said to have been in a Kalahari I jo shrine in the
eastern Delta region, but which probably came from a southern Ibibio
group, perhaps the Anang, and probably dates from the last half of the
19th century. The prototype of such an image may have made its way to
Ibibioland on board a south India trading ship, such vessels often carrying
religious shrines and stopping frequently along the Nigerian coast. The
image of the snake-handling woman may have come to Nigeria in a similar
way (Arnett; 1978: 60).
The presence of East Indians in both Africa and the Caribbean is a long-
standing reality. In Africa, East Indians are often merchants, as are Lebanese
and Syrians. Exactly how their culture interacted with African and Afro-
American culture is an area which requires further investigation on my part.
Whether Africans saw prints of the Indian snake goddess and made their
own interpretation of her, or if there really was cultural exchange between
Indian and African, is a question requiring fieldwork. Jill Salmons suggests
that the print served to “gel” existing notions of water spirits, providing a
visual vehicle:
It appears, however, that the introduction of the foreign print, fol-
lowed by the carved figure derived from it, served to gel previously
diffuse visual concepts of such spirits among the people of southeast
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
411
Nigeria. In this way the print and the carving have been agents in the
diffusion of the belief of a particular kind of water spirit, Mammy
Water (Salmons: 1977: 14).
The types of relationships Mammy Water forms with humans — often a
kind of secret marriage — resemble those between the djinns of African Islam
and their human spouses (see Bravmann, D’Azevedo, Diop and Collomb). In
the literature of Islam is a type of story in which people are often wed to
djinns, spirits of nature mentioned in the Qur’an which may predate Islam in
Arabia. Such stories occur in the Thousand and One Nights. In Ibn al-Nadim’s
fihrist which includes night entertainments (asmar) and fanciful tales (khurafat),
he includes a chapter with forty-nine tales about love affairs between humans
13 Baessler-Archiv XXXI
412
Paxson, Mammy Wate
Fig. 6. Zaire. Popular painting. (Szombati-Fabian & Fabian)
and djinns. This literary genre enjoyed such popularity under the Abbasids and
especially during the reign of al-Maqtadir (295-320/908-32) that book sel-
lers fabricated stories to meet the constant demands of their customers (Rice:
1959: 207-220). These highly mannered literary genres probably mirrored
folk practices. Djinns are described in the literature as being wispish, “trailing
smoke”, “like fire”.
The djinns for Muslims are airy or fiery bodies (adjsam), intelligent,
imperceptible, capable of appearing under different forms and of car-
rying out heavy labors. They were created of smokeless flame, while
mankind and the angels, the other two classes of intelligent beings,
were created of clay and light (Brill: 1971: 90).
In Africa, djinns (like Islam itself) take a variety of forms, some of them
quite unique. René Bravmann describes a danced masquerade called “Gyinna-
Fig. 7. Zambia. Popular painting. (Jules-Rosette)
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
413
Fig. 8. Krou, Ivory Coast. Wall painting. (Holas)
Gyinna” among the Islamized Zara or Bobo Dyula of Upper Volta, in which
tall, slender men in white body suits and multiple-spindled headdresses move
eerily in the moonlight to the music of flute, balaphone, and den-den-sa (pres-
sure-drum). Evanescent and ghostly, these Gyinna-Gyinna are intended to
“erase the footsteps of the deceased”, thus helping to create an harmonious
relationship between the living and the dead (Bravmann: 1977). Bravmann
notes that d]inn are described as caprious, dual-natured: “taunting and
13 *
414
Paxson, Mammy Water
Fig. 9. Figurehead, U.S.A. (Mariners Museum, Newport News, Virginia)
confusing one moment, then mysteriously altering their characteristics to help,
guide and teach” (Bravmann: 1977: 46). If a person thinks a djinn is trying to
contact him, he may seek the counsel of a Karamoko, a learned Islamic scholar
who may help to control and interpret the djinn. These spirits may also invade
peoples’ sexual fantasies as beautiful but ephemeral beings, and many successful
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
415
Fig. il. Gouro, Ivory Coast (Segy)
or powerful people are considered to have strong relationships with djinns,
turning them into personal servants (see also D’Azevedo: 1973; and Diop and
Collomb: 1965).
Although I found no precise instance of Mammy Water herself being one
with a djinn of African Islam, the descriptions of both are close: the dual-
nature, the powerful and exclusive sexual liaisons, the bondage with promise
of gifts.
IDEAS:
Ideas of Mammy Water revolve around several interrelated spheres: social
change / culture contact; divination / healing / communication; sex; money.
She often appears in a society when it is changing from traditional values
416
Paxson, Mammy Water
to modern ones, sometimes easing the transition and other times complicat-
ing it. Mammy Water has to do with healing in the sense that it might be
defined as social equilibrium and balance: she helps people to cope with the
upheavals which are a concomitant of urbanization and change. One of
Mammy Water’s gifts to humans is clairvoyance, and in many instances
this is seen in conjunction with long-distance communication — telephones,
radios, records, and other technology. In some cases she has come to supplant
the role of the diviner in traditional societies, providing services that he
once did (see Cole: 1968). In terms of sex, Mammy Water is significant for
several reasons: She often appears to persons first in a dream, offering them
wealth, talent, and other blessings in exchange for a secret liaison, a “mar-
riage”, which must be exclusive. If the partner betrays the secrecy, or
any of the other taboos, then he may be cursed with insanity or even
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
417
Fig. 15. Gouro, Ivory Coast. (National
Museum of African Art, Wash., D.C.) Fig. 16. Baule, Ivory Coast. (Segy)
death (Wintrob: 1968:307; 1970:145-6, 149). For women, Mammy Water
relationships may serve as a kind of “deprivation cult” (see Salmons),
bestowing honor and respect otherwise unafforded women in a male-domin-
ated society. Mammy Water often occurs at that critical juncture in a so-
ciety when it is changing from a gift-giving to a money economy, with all
the accompanying shifts in values and patterns of behavior. She often
bestows wealth in the form of money, and is used to “explain” sudden
wealth. In Shaba, Zaire, she serves as a kind of socio-economic marker,
since she is the first thing (in the form of a painting) which upwardly
mobile urban people can afford which is not a necessity. After they have
418
Paxson, Mammy Water
Fig. 17. Chromolithograph from India of snake handling woman
risen above that level, they tend to scorn the idea and image of Mammy
Water, so she really acts as a social indicator (see Szombati-Fabian and
Fabian).
NEW WORLD ORIGINS: EVIDENCE
After examining many examples of Mammy Water-related artistry in
West Africa, I was alerted to some evidence which suggested that Mammy
Water may have come from the New World, and was carried to Africa in
the 19th century with repatriated freed slaves, where she spread subsequent-
ly to neighboring areas (see Neumann: 1961: I thank Robert Farris Thomp-
son for alerting me to this article.). The assertion of her New World origins
is based on evidence of the following nature:
1. Historic: There is a calabash from Surinam dated 1831 which has three
incised images of “Watramamma”. This predates any African evidence, all
of which occurs within the 20th century. The images of Watramamma
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
419
on the Surinam calabash portray her as a mermaid with a fish tale. In her
hands, she holds various objects which Neumann suggests are the gifts she
gives to humans: the comb signifies wealth, the leafy twig signifies the know-
ledge of healing plants, and the Indian-style club symbolizes freedom (Neu-
mann: 1961). Neumann further suggests that this type of carving is typical
of city people rather than bush people (Neumann: 1961:496). Flerskovits
says that both in coastal cities and in the interior, Watramamma is ce-
lebrated (Herskovits: 1934: 87). There is also an early traveler’s account
from 1750, describing a “Waturmamma” dance in Haiti and Surinam
(Simpson: 1970: 234). Mention is also made of “Watra Mama” in the river
Surinam in an early account by J. G. Stedman (Stedman: 1796:316). The
early chronology of these pieces of evidence suggests Mammy Water’s New
World origins.
In Africa, an Ibibio carver named Akpan Chukwu may have been the
first to carve a Mammy Water figure in the style of the East Indian litho-
graph of the snake-handling woman. Salmons collected the story of this
from Joseph Chukwu, brother of the artist:
420
Paxson, Mammy Water
Akpan first saw the print when a British District Officer named “Hud-
son” brought it to him to ask if he would produce a wooden carving
of the snake charmer so that he could take it home as a present when
he went on leave. Joseph assured me that “Hudson” was in the area
before “Ntokon” (“hot pepper”), which was the nickname of M. D. W.
Jeffreys, an anthropologist who became a district officer. As Jeffreys
was in the area as early as 1922, it is possible that the “Hudson”
Joseph talks of was G. F. Hodgson, who first came to the area in 1909
(Salmons: 1977: 13).
This would roughly date the first carvings of Mammy Water in Africa
to the first or second decades of the twentieth century. The earliest piece of
African folklore I could find which makes mention of “Mami Ouata” is in
“Contes Popo”, collected by René Trautmann, La Littérature Populaire à la
Côte des Esclaves, Travaux et Mémoires de l’Institut d’Ethnologie, IV. pp. vii,
plus 105. 1927.
2. Ethnographie: There is a legend in Surinam of “the Great Mother of
the Inland Waters, who delivered the Blacks from slavery, up a river, in a
boat with six paddlers . . .” and there is a shrine to her on the Mamadam
River there (see Herskovits: 1934: 87).
3. Folklore: There is a folktale from Haiti collected in the 1930’s entitled
“Maman dTEau”, which includes an episode in which the old mother of
Fig. 19. Ibibio, Nigeria. “Boat with six paddlers”. (Salmons)
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
421
Fig. 20. Dan, Liberia. “Cat-transformation”. (FFimmelheber & Fischer)
the waters transforms herself into a cat: this cat transformation occurs in
Liberia and in several other areas of the New World, but not in any other
African contexts, suggesting to the folklorist its New World origins (Com-
haire-Sylvain: 1937:73). In another part of this Haitian tale, magic spoons
figure prominently; and in a case history from Liberia, Mammy Water
gives a magic spoon to her human spouse, which when he put it to his ear,
enabled him to hear into the future and over long distances (see Comhaire-
Sylvain, Wolkstein, and Wintrob: 1970: 148).
4. Linguistic: The name “Mammy Water” itself is a Krio name, Krio being
a language created of necessity by slaves from many ethnic backgrounds who
were thrown together speaking mutually unintelligible languages (see Koelle,
Peterson, Todd, Turner).
5. Artistic: Twentieth century Haitian artists have created images in
paintings and sculptures of Maitresse La Sirène, a mermaid, who shares
many attributes, appearances, and behaviors with Mammy Water. Why a
fair-skinned mermaid is the Haitian goddess of the sea and wife of Agoué
rather than Yemanja of the Yoruba pantheon may further suggest her
New World origins.
422
Paxson, Mammy Water
Those countries affected by repatriation of freed slaves — Nigeria, Li-
beria, and Sierra Leone — have a stronger web of connections with New
World Mammy Water ideas and images than those that did not receive
freed slaves. Although Mammy Water exists in Ivory Coast, Ghana"', Zaire,
and Zambia (and probably in other countries as well), she appears in a di-
luted form and often as but one of a host of lesser spirits.
In Africa, Mammy Water occurs more often in those societies which
are democratic, acephalous, and receptive to change, such as the Ibo, Ibibio,
Krio, and Fante, rather than in those societies with divine kingship and
centralized authority, such as the Yoruba, Bini, and Asante. This may be
because in a culture such as the Yoruba there exists an internally coherent
set of orishas who fulfill the role that Mammy Water does in other cultures.
Yemanja, the Yoruba goddess of the sea, also bestows wealth on those who
* Dr. Sandra Greene informs me that there were repatriated slaves in Ghana, whose
descendants call themselves “Brazilians”. I had some difficulty finding specific inform-
ation on repatriated slaves — who, what, where, when, and so forth — and this calls
for further investigation.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
423
Fig. 22. Haiti. Metal sculpture of Maitresse La Sirene by Murat Brierre
424
Paxson, Mammy Water
Fig. 24. Owerri Ibo, Nigeria. Mhari House Mammy Water. (Cole)
worship her, as does Oshun, goddess of fresh water. Paula Ben-Amos found
that among the Bini of Benin City, the East Indian lithograph of the snake-
handling woman appeared in a shrine to Olokun, god of the sea. When she
inquired of the bystanders who the image in the print represented, one
person answered that it was Mammy Water, but this was quickly amended
by others who said it represented one of the traditional wives of Olokun
(Ben-Amos: 1979).
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
425
FORMS:
What follows is a table showing some of the motifs associated with
Mammy Water and their locations in the New World and in Africa, and a
chart showing some of the materials in which she is made manifest. These
are by no means complete or definitive, and I invite other points of view.
After this list of “hard” evidence, I will attempt to activate it into a process
of identification with the spirit of Mammy Water, by focusing on some of
her praise names.
Paxson, Mammy Water
(Indiana University Slide Library)
Baessler-Archiy, Neue Folge, Band XXXI (1983)
427
Fig. 27. Dan, Liberia. Wall painting. (Himmelheber & Fischer)
Fig. 28. Krio, Freetown, Sierra Leone. Odaylay “Zorrow Unity”. (Nunley)
428
Paxson, Mammy Water
Fig- 29■ Temne, Sierra Leone. Auyaro. (Lamp)
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
Flg. 30. Brong, Ghana. Shrine figures. (Warren)
14 Baessler-Archiv XXXI
Paxson, Mammy Water
Nigeria. Olokun shrine. (Ben-Amos)
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
Fig. 32. Oyampi woman, South America. (Mattioni)
14
432
Paxson, Mammy Water
Hg. 33. Calabar, Nigeria. Brass tray with Mammy Water and Christ’s College,
Cambridge (Nicol)
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
433
MOTIFS 1. Equality or Deliverance: NEW WORLD Surinam (Neumann: 1961) Haiti & Surinam (Simpson: 1970) AFRICA Sierra Leone (Nunley: 1979; 7—8 “Equal Rights”) Liberia (Wintrob: 1970: 150; Loma man: “make everyone equal”) Nigeria (Salmons: 1977: 15; Joseph Chukwu employs women; “depriv- ation cult”)
2. “Canoe with six paddlers”: Surinam (Neumann: 1961; Herskovits: 1934; 87) Nigeria (Salmons: 1977: 9, 12, 15; Amankulor: 1977: 68)
3. Cat trans- formation: Haiti Puerto Rico South Carolina (Comhaire-Sylvain: 1937: 73) Liberia (Comhaire-Sylvain and Himmelheber & Fischer)
4. “Need vs. greed”: Haiti (Comhaire-Sylvain: 1937; Wolkstein: 1980) Guiana (Roth: 1915:246) Nigeria (Talbot: 1915: 77)
5. Mermaids: Haiti, St. Croix, Surinam, Guiana, others? Sierra Leone, Liberia, Ivory Coast, Ghana, Nigeria, Zaire, Zambia, Chad, others?
6. Snakes: ? Sierra Leone, Liberia, Ivory Coast, Nigeria, Zaire, Zambia
7. Christian Symbols: Surinam( Neumann: mons- trance, baldachine) Haiti (cross) Nigeria (Cole; Moore & Beier) Sierra Leone (Fraser: 1972; 277; Afro-Port, ivory, Sherbro) Nigeria (Nicol: 1950’s, brass tray, Calabar) Liberia (Wintrob: 1970, “Meru”)
8. Music and musical Instru- ments: Haiti (Pierre & Liautaud’s golden trumpets, La Sirene) Haiti & Surinam (Watur- mamma dance, 1750; Sim- pson, 1970: 234) Surinam (Herskovits; drums) Nigeria (Salmons: golden trumpet) Sato & Yoruba drums (Thompson: 1980; Fraser: 1972: 272) Guinea (high life song in Susu- Mandinka language taped 1982) Ghana (“packet boat” songs; Wilks: 1982) Sierra Leone (Nunley: 1980, reggae music) Nigeria (thumb piano, calabar)
9. Twins or two Heads: Haiti (Pierre: two headed goat) (twins are often associated with water spirits in both Africa and the New World) Mhari house twins (Delange: 1967) Agbogho Mwuo (DeYoungMuseum, San Francisco, 1971,twinsonmask) Odaylay mask (Nunley: 1979, two heads on side of mask)
434
Paxson, Mammy Water
MOTIFS NEW WORLD AFRICA Two Igala MW masks with twins (Indiana u. Slide Library) Krou wall painting w/two heads, Ivory Coast, Holas, 1969) Brong (Warren: 1976, shrine figure to Mframa with twins)
10. Changing roles of women: Surinam (Neumann; Herskovits) Nigeria (Salmons: 1977) Zaire (Szombati-Labian & Fabian: 1976) Zambia (Jules-Rosette: 1977 & ’79)
11. Poles: Surinam (Herskovits: 1937: 84, shrine to great mother of the inland waters) Haiti (Pierre: poteau-mitan) Nigeria (Salmons: 1977: 11, 13) Sierra Leone (Nunley: 1979)
12. Spoons: Haiti (Comhaire-Sylvain: 1937: 1, 2; Wolkstein: 1980; and Brown: 1976: 92) Liberia (Wintrob: 1970: 148)
13. Play & Taboo: Guiana (Roth: 1915; 252) St. Croix (Paxson: 1967) Nigeria (Salmons: 1977) Sierra Leone (Paxson: 1972) Liberia (Wintrob; 1968: 307; Win- trob: 1970: 145—6. Bassa; Wintrob: 1970: 149, Loma) Nigeria (Delange: 1967: twins and glasses)
14. Marriage: Haiti (Liautaud & Pierre: La Sirene as spirit-wife) St. Croix (Paxson: 1967; Mermaid of Friedensborg) Guiana (Lashley) others? Sierra Leone (Nunley: 1979, Zor- row Unity “bride”) Liberia (Wintrob: 1970: 145, Gissi) Nigeria (Salmons: 1977) Ivory Coast (Holas: 1969: 316) Others?
15. Eggs: Haiti (Comhaire-Sylvain: 1937; Wolkstein: 1980, egg offerings to water spirits) Surinam (Herskovits: stones resembling eggs on shrine to Great Mother of the Inland Waters) Nigeria (Salmons: 1977: egg offer- ings to water spirits)
16. Combs: Grenada (Beck: 1973: 252) Surinam (Neumann: 1961: calabash) Haiti (Comhaire-Sylvain: 1937; Hippolite: painting of La Sirene with comb) Sierra Leone (Paxson: 1972, stu- dents at MMTC) Liberia (Wintrob: 1966: 2—3; Win- trob: 1968:307;Wintrob:1970: 144, Vai; 145, Bassa. HImmelheber & Fischer: 1976)
17. East Indians: Surinam (De West Indische Gids., v. 1, part 1, 1919; v. 2, part 2, 1920) Also probably Haiti, Trini- dad, and others? Nigeria (Salmons: 1977) Also probably other West African nations. Guiana
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
435
MOTIFS 18. Birds: NEW WORLD Haiti (Pierre, FFippolite) Surinam (Neumann) AFRICA Nigeria (DeYoung Museum, 1971, Agbogho Mwuo mask) Others?
19. Name: Surinam (Neumann & Herskovits “Watramamma” and Stedman: 1770’s) Guiana (Roth: “Watra- mamma”) Haiti & Surinam (Simpson: “Waturmamma dance”) “MAMMY WATER” Guinea, Sierra Leone, Liberia, Ivory Coast, Ghana, Nigeria, Zaire, Zambia, Chad, others?
20. Weapons: Surinam (Neumann: Indian - style club apotoa) St. Croix (Paxson: knife) Zaire (Szombati-Fabian & Fabian: knives, 1976) Liberia (Himmelheber & Fischer, 1976, man with gun; Wintrob; 1966: 7: Loma; 1968: 311: Loma)
MATERIALS Wood: NEW WORLD Haiti (20th century) Nacius Joseph (see Stebich) AFRICA Sierra Leone, Ivory Coast, Nigeria
Mud: Nigeria (Mbari)
Plaster or stucco: St. Croix (Friedensborg) Ghana (Fante, asafo posuban, Cole & Ross, 1977)
Cement: Ghana (Brong, Warren; 1976)
Brass or metal: Haiti (Maitresse La Sirene) Nigeria (Nicol, brass tray from Calabar, 1950‘s)
Paint: Haiti (Maitresse La Sirene) Sierra Leone, Liberia, Ivory Coast, Nigeria, Zaire, Zambia, Chad
Calabash or incised wood: Surinam (calabash, 1831) Nigeria (thumb piano) Nigeria (Sato & Yoruba drums, Thompson & Fraser)
Ivory; Sierra Leone (Afro-Port. Ivory vessel, 1743, Sherbro, Fraser, 1972)
Cloth: Sierra Leone (Nunley, Odaylay mask)
Dreams: Haiti (Liautaud) Sierra Leone? Liberia; (Wintrob 1966: 253; 1966; 2; 1968:307; 1970: 145, Bassa and Gissi, 147, Mano)
436
Paxson, Mammy Water
PROCESS:
Because there is a fluidity in African thought between the material and
the spiritual realms, it might benefit us to enter into sympathetic parti-
cipation with the processes that surround the existence, the idea and the
event of Mammy Water. Just as the Mhari house process exists as a long-
term means of resolving conflicts and revivifying the community, so Mammy
Water exists as a cross-roads character (somewhat like Eshu Elegba, Trickster
of the Yoruba), occuring at moments of great transition, at crisis situations.
Slavery in the New World was a crisis, to be sure. In order to survive the
horrors of these events, persons must have psychic defense mechanisms. A
traditional African means of attaining social and psychic harmony and
balance has been spirit possession. One mechanism of spirit possession is
role-reversal: when you become the other, and walk in his/her shoes, you
acquire both empathy for his/her point of view and some of his/her power.
Men become women in Gelede; young men become elders in Okumpka; all
become loas, orishas, or other gods in worship; members of the Hawka cult
become the “crazy masters”. In Haiti, slaves developed two sets of gods:
Rada and Retro squads. Rada are close, familial, personal, and are associated
with Africa; Retro loas, by contrast, are hot tempered and swift, and are as-
sociated with the world of slavery, sometimes acting as the masters them-
selves. They will make you get rich quickly, but at a very dear price — often
the life of someone you love (Brown: 1976).
Maitresse La Sirène partakes of both spirit realms: she makes you rich and
has white skin, like the Retro gods, but like the Rada loas she is immersed in
the cooling and healing waters, considered to be Guinea, the ancestral home,
Paradise. Also, she is looked upon as a liberator, if we are to take seriously
the legend from Surinam of the “Great Mother of the Inland Waters, who
delivered the Blacks from slavery, up a river, in a boat with six paddlers . . .”
One of her praise names might be the Deliverer from Slavery, and it is possible
that there was a real woman, perhaps a Surinam! Indian woman, who showed
some slaves a watery route to freedom, and was praised and magnified for
this heroic feat through the vehicle of oral history, and was carried to Africa
in the 19th century with repatriated freed slaves, where she spread sub-
sequently to neighboring areas.
A second praise name might be the Defier of Categories: she does not fit
either the Retro or the Rada squads in Haiti, nor does she fit traditional
categories in Africa: sometimes she appears in a sacred context, as in Mhari,
where she may be either a nncm (spirit), or an aghara (goddess), other times
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
437
in secular, humorous ones, as in the puppet plays of the Ibibio. Sometimes she
is portrayed in materials considered a royal prerogative, such as the brass
tray from Calabar, and other times in ordinary materials, such as wood-
carvings. Both mermaid and snake-handling woman modes appear, some-
times within the same culture (as in Calabar), and she is made manifest in
materials as permanent as architecture and as ephemeral as dreams. She
occurs in traditional African monoxyl carving techniques, and in forms
made by the technique of joinery (which is said to have been the carving
method used by American and European ships’ figurehead carvers). The
Ibibio bring together influences from the East (the Indian lithograph) and
the West (the technique of joinery) in a single work of Mammy Water
artistry. Sometimes she is portrayed in new or foreign styles or media, as in
the wall paintings among the Dan, oil paintings and metal sculptures in
Haiti, bright polychrome masks from Ivory Coast, Nigeria, and Sierra
Leone, and the emblem of Christ’s College, Cambridge, on the Calabar tray,
to name but a few examples. This fluidity of definition and refusal to be
categorized suggests her relative newness in Africa.
She also defies categories because she brings change. In Ibibioland, Joseph
Chukwu broke with past traditions by inviting women and children to
participate in the creation of Mammy Water images, thus bringing them
into the economic sphere. Before this, women and children were forbidden
to know that spirit images were carved by men, much less actively con-
tribute to the process (Salmons: 1977: 15).
A third praise name is the Bestower of Gifts. Some are material, such as
money, and others are invisible, such as talent, inspiration, and clairvoyance.
The change from a gift-giving to a money economy is an extremely dis-
ruptive thing, often fraught with radical shifts in values and meanings.
A gift is thought to carry with it a network of relationships and reciprocity.
By contrast, money has neither relationship nor memory (Brown: 1976).
The objects held by the Watramamma on the Surinam calabash were her
gifts to humankind: the comb signifies wealth; the leafy twig signifies the
knowledge of healing plants; the Indian style club signifies freedom or
deliverance from slavery (Neumann: 1961). What kind of medicine is it
that heals those who have escaped from slavery or oppression? The leafy
twig may be a sign of peace — not simply the absence of fear, but rather
the presence of joy. Watramamma made the fugitive confident.
A fourth praise name for Mammy Water might be the Transcendent Being.
She is transcendent because she set men free. She is from the New World
438
Paxson, Mammy Water
and has white skin, but she is not a master; rather, she is a liberator (in the
manner of Harriet Tubman, who helped over 300 slaves escape to Canada
from the United States via the Underground Railroad), who transcends
the categories of master and slave, of victim and victimizer, of black and
white. She traverses the barriers of language, culture, race, ethnicity, time
and space, and unites rather than separates the hemispheres through her
watery medium, as a true spirit of liberation and unity.
Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XXXI (1983)
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BAESSLER-ARCHIV
BEITRÄGE ZUR VÖLKERKUNDE
Herausgegeben im Aufträge des
Museums für Völkerkunde Berlin
Staatl. Museen Preußischer Kulturbesitz
von
K. KRIEGER UND G. KOCH
NEUE FOLGE BAND XXXI
(LVI. BAND)
BERLIN 198 3 VERLAG VON DIETRICH REIMER
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dieser Zeitschrift darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form
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die einzelnen Zahlungsmodalitäten zu erfragen sind.
ISSN 0005-3836
Alle Rechte Vorbehalten
Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft
INHALT
Gerd Koch, Berlin
Nachruf für Hans Nevermann ................................................ 1
Bernd Herrmann, Göttingen
Bemerkungen zu den beiden Mumien von der Torres-Straße im Berliner Völker-
kunde-Museum .................................................................. 5
Norbert Krüger, Göttingen
Selbstmord in Samoa .......................................................... 17
Peter Probst, Berlin
Beobachtung und Methode — Johann Stanislaus Kubary als Reisender und
Ethnograph im Spiegel seiner Briefe an Adolf Bastian ......................... 23
Almut Hagemann, München
Bootsbau in Mali ............................................................. 57
Peter W. Schienerl, Wien
Vom Amulett zum Schmuckstück — Zur Typologie der ägyptischen Zu’ra-
Amulette .................................................................... 137
Paula Ben-Amos, Philadelphia
Who is the Man in the Bowler Hat? — Emblems of Identity in Benin Royal Art 161
Michel Graulich, Brüssel
Vues obliques et trois dimensions dans Part Maya .......................... 185
Alberto Rex Gonzalez, Buenos Aires
Nota sobre religion y culto en el Noroeste Argentino prehispanico.......... 219
Wolfgang Wickler und Uta Seibt, Seewiesen
Die alt-peruanische „Zackenschlange“: Ein ikonographisches Mißverständnis .... 283
Claudius Giese, Berlin
Cerro Mulato, Felsbilder eines „encanto“ im Norden Perus..................... 299
Elisabeth Walther, Berlin
Ritzzeichnungen der Eskimo Nordwest-Alaskas
Drillbohrer-Bügel aus der Abt. Amerikanische Naturvölker
des Museums für Völkerkunde, Berlin ....................................... 313
Barry Craig, Adelaide
A Conversation with Yige, PostScript to „The Keram Style in the
Abau Area of the Upper Sepik, Papua New Guinea“ ........................... 351
Rainald Simon, Offenbach
Zum chinesischen Schattentheater ............................................ 357
Barbara Paxson, St. Joseph, Michigan
Mammy Water: New World Origins? ............................................. 407
Beihefte zum BAESSLER-ARCHIV
Beihefll: KURT KRIEGER
Geschichte von Zamfara
Sokoto-Provinz, Nordnigeria
147 Seiten mit 12 Tafeln und einer Karte. 1959. Broschiert DM 21,—
Beiheft 2: HERMANN TRIMBORN
Archäologische Studien in den Kordilleren Boliviens (I)
76 Seiten mit 66 Abbildungen. 1959. Broschiert DM 18,—
Beiheft 3: HORST HARTMANN
Georg Callin und Balduin Möllhausen
Zwei Interpreten der Indianer und des Alten Westens
156 Seiten mit 37 Lichtdruck-Reproduktionen, einer Tafel
mit Zeichnungen und zwei Karten. 1963. (Nachdruck in Vorbereitung)
Beiheft 4: . Arehäologisehe Studien in den Kordilleren Boliviens II:
HEINZ WALTER
Beiträge zur Archäologie Boliviens
Die Grabungen des Museums für Völkerkunde Berlin im Jahre 1958
361 Seiten mit 159 Abbildungen im Text und auf Tafeln und 20 Grabungsplänen. 1966.
Brosdjiert DM 50,—, Leinen DM 62,—
BeiheftS: HERMANN TRIMBORN
Archäologische Studien in den Kordilleren Boliviens III
182 Seiten mit 138 Photos, Zeichnungen und Plänen. 1967.
Broschiert DM 40,-—, Leinen DM 50,—
Beiheft 6: SIGRID PAUL
Afrikanische Puppen
VIII und 208 Seiten mit einer Farbtafel und 98 weiteren Abbildungen. 1970
Broschiert DM 45,-
Beiheft?: HEIDE NIXDORFF
Zur Typologie und Geschichte der Rahmentrommeln
Kritische Betrachtung zur traditionellen Instrumententerminologie
286 Seiten mit 5 Abbildungen und 11 Tafeln. 1971. Broschiert DM 60,—
Beiheft 8: BERNHARD ZEPERNICK
Arzneipflanzen der Polynesier
307 Seiten mit einer Kartenskizze. 1972, Broschiert DM 69,-
Verlag von DIETRICH REIMER in Berlin
Mensch,
Kultur und
Umwelt
im zentralen Bergland
von West-Neuguinea
Beiträge zum interdisziplinären
Schwerpunktprogramm der
Deutschen Forschungsgemeinschaft
Herausgegeben von
K. Helfrich, Y. Jacobshagen,
G. Koch, K. Krieger,
W. Schiefenhövel und W. Schultz
Folgende Disziplinen sind in das
Programm integriert; Physische
Anthropologie, Zahnmedizin,
Allgemeinmedizin, Tropenmedizin,
Ethnopsychologie, Humanethologie,
Anthropogeographie, Linguistik,
Ethnologie, Wirtschaftsethnologie,
Ethnosoziologie, Ethnomedizin,
Musikethnologie, Archäologie,
Geologie, Photogeologie,
Paläontologie, Geomorphologie,
Seismologie, Hydrologie, Boden-
kunde, Klimatologie, Botanik,
Kulturpflanzenkunde, Zoologie und
Haustierkunde.
Ergebnisse innerhalb des Schwer-
punktprogramms (SPP) der
Deutschen Forschungsgemeinschaft
(DFG) „Interdisziplinäre Erfor-
schung von Mensch, Kultur und
Umwelt im zentralen Hochland
von West-Irian (Neuguinea)“
veröffentlicht.
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