LA AZSò
BAESSLER-ARCH1V
BEITRÄGE ZUR VÖLKERKUNDE
HERAUSGEGEBEN AUS MITTELN DES BAESSLER-1NSTITUTS
UNTER MITWIRKUNG DER DIREKTOREN DER ETHNOLOGISCHEN
ABTEILUNGEN DES STAATLICHEN MUSEUMS FÜR VÖLKERKUNDE
IN BERLIN REDIGIERT VON
ALFRED MAASS
BAND VI
MIT 362 ABBILDUNGEN UND 2 KARTENSKIZZEN IM TEXT
SOWIE 2 EINFARBIGEN UND 2 BUNTEN TAFELN
1 \ AHk
VERLAG UND DRUCK VON B. G.TEUBNER • LEIPZIG • BERLIN 1922
ALLE RECHTE, EINSCHLIESSLICH DES ÜBERSETZUNGSRECHTES VORBEHALTEN
4
INHALTSVERZEICHNIS
Hermann Haeberlin: Das Flächenornament in der Keramik der alten Pueblo-Kultur. Mit 68 Figuren
WilhehnKiilsenberth: Beitrag zur Kenntnis der Tapirapö-lndianer. Mit 2 Karten und 37 Abbildungen
Anna Bernhardi: Chinesische Stempel.' Mit 116 Abbildungen im Text und 1 farbigen Tafel ....
Albert v. Le Coq: Bemerkungen zur türkischen Falknerei (Nachtrag). Mit 3 Abbildungen und
6 Figuren im Text.................._....................................................
Aih.rt v Le Coq- Eine Liste osttürkischer Pflanzennamen........................................
Aloen ^ Indices zu Grünwedel: Die Geschichten der vierundachtzig Zauberer............
Hans Jörgense . seinen verschiedenen Formen an der westafrikanischen Küste. Mit
Carl Spieß: Der Legoa-rvuu
i f. Abbildungen im Text..................
Soieß: Fünf Abhandlungen zum Kultus der Eweer in Togo. Mit 2 Abbildungen im Text . . .
Prnn7 Paulssen: Rechtsanschauungen der Wagogo..................................................
* D'nhhnm1 Hawaiische Baststoffe (Kapa) und Werkzeuge zu ihrer Herstellung. Mit 1 bunten
August mcnnun*.
Tafel und 108 Abbildungen im Text •••••••••••••• • * * • ; ’ •■.•*•**
Bernhard Ankermann: Gemusterte Raphiagewebe vom unteren Niger. Mit 1 Abbildung im Text .
Seite
1-35
36-81
87-113
114-117
118-133
134-139
143-154
155-160
161-175
176-203
204-206
MUSEUMSNOTIZEN
Eduard Seler: Präparierte Feindesköpfe bei den Jivaro-Stämmen des oberen Maranon und bei den
alten Bewohnern des Departements lea an der Küste von Peru. Mit 10 Abbildungen im Text
und 2 Tafeln......................................... ' ...............
Hans Jörgensen: Ein Bild zur Sumägadhalegende. Mit 1 Abbildung im Text......................
Bemerkung der Redaktion................................. ...................................
82-86
140-142
206
TAFELVERZEICHNIS
Tafel 11 . _ . . , . J
.. Präparierte Feindesköpfe der Jívaro usw.
J9 “
„ III Kaiserlicher Stempel, China.
„ IV Hawaiische Baststoffe.
KARTENSKIZZEN IM TEXT
Übersichtskarte zur Reise Kissenberths
Situationsplan der Tapirapé-Region . .
37
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BEITRÄGE ZUR VÖLKERKUNDE
HERAUSGEGEBEN AUS MITTELN DES BAESSLER-INSTITUTS
UNTER MITWIRKUNG DER DIREKTOREN DER ETHNOLOGISCHEN
ABTEILUNGEN DES KÖNIGLICHEN MUSEUMS FÜR VÖLKERKUNDE
IN BERLIN REDIGIERT VON
ALFRED MAASS
BAND VI. HEFT 1/2
H. Habberun: Das Flächenomament in der Keramik der alten Pueblo-Kultur.
Mit 68 Figuren im Text.
W. Kíssenberth: Beitrag zur Kenntnis der Tapirapé-Indíaner.
Mit 2 Karten und 37 Abbildungen im Text.
Museumsnotiz: E. Seler. Präparierte Feindesköpfe bei den Jivaro-Stämmen
des oberen Marañen und bei den alten Bewohnern des Departements
Ica an der Küste von Peru. Mit 10 Abbild, im Text und 2 Tafeln.
VERLAG UND DRUCK VON B.G.TEUBNER LEIPZIG • BERLIN 1916
li.
DAS BAESSLER-ARCH1V FÜR VÖLKERKUNDE
erscheint in zwanglosen Heften, von denen 6 einen Band von ca. 36 Druckbogen
zum Preise von 20 Mark bilden. Einzeln sind die Hefte zu einem je nach dem
Umfang bemessenen, etwas erhöhten Preise käuflich.
Das Baessler- Archiv ist bestimmt für Arbeiten aus allen Gebieten der Völ-
kerkunde mit Ausnahme der reinen Linguistik und physischen Anthropologie.
Seine Hauptaufgabe ist die wissenschaftliche Beschreibung und Verwertung
des in den deutschen Museen aufgespeicherten Materials nach seiner kultur-
geschichtlichen und technologischen Bedeutung, doch werden auch soziolo-
gische, mythologische, kunst- und religionsgeschichtliche Themata berücksichtigt,
soweit sie zur Erklärung von Museumssammlungen beizutragen geeignet sind.
Dementsprechend ist eine reichliche Ausstattung mit Abbildungen vorgesehen.
Das Honorar beträgt 80 Mk. für den Bogen von 8 Seiten;
außerdem erhalten die Mitarbeiter 50 Sonderabzüge.
Redaktionelle Sendungen, Zuschriften und Anfragen sind zu richten an den Redakteur
Professor Dr. Alfred Maaß, Berlin W, 10, Tiergartenstraße 18c.
Für umfangreichere wichtige Arbeiten werden nach Bedarf
BEIHEFTE
ausgegeben, die besonderen Vereinbarungen unterliegen und
den Abonnenten zu einem Vorzugspreise geliefert werden.
!. Beiheft: Sprichwörter und Lieder aus der Gegend von Turfan. Mit einer dort an-
genommenen Wörterliste von Albert von Le Coq. Mit 1 Tafel. [100 S.j 1911. Geheftet
M. 9.—, für Abonnenten M. 6.75.
2. Beiheft: Die Wagogo. Ethnographische Skizze eines ostairikanischen Bantustammes
von Heinrich Claus, Stabsarzt im Infanterie-Regiment Nr.48, früher in der Kaiserlichen
Schutztruppe für Deutsch-Ostafrika. Mit 103 Abbildungen. [IVu. 72S.3 1911. Geheftet
'( M. 8.--, für Abonnenten M. 6.—
3. Beiheft: Die Goldgewichte von Asante (Westafrika). Eine ethnologische Studie von
Rudolf Zeller. Mit 21 Tafeln. [IVu.77S.l 1912. Geh. M. 12.-, für Abonnenten M. 9.-
4. Beiheft: Mitteilungen über die Besiedelung des Kilimandscharo durch die
Dschagga und deren Geschichte. Von Joh. Schanz. [IV u. 56 S.l 1912. Geheftet
M, 8.—, für Abonnenten M. 6. —
5. Beiheft: Original Odzlbwe-Texts. With English Translation, Notes and Vocabulary
collected and published byJ.P.B, de Josselin de Jong, Conservator at the State Museum
of Ethnography, Leiden. [IV u. 54 S.j 1912. Geheftet M. 6.—, für Abonnenten M. 4.50.
6. Beiheft: Ein Beitrag zur Ethnologie von Bougainville und Buka mit spezieller
Berücksichtigung der Nasioi. Von Ernst Frizzi. [56 S.l 1914. Geheftet M. 9.—,
für Abonnenten M. 6.75.
7. Beiheft: Ein Beitrag zur Kenntnis der Trutzwaffen der Indonesier, Südseevölker und
Indianer. Von Hauptmann a, D. Dr. G.Fr i e d e ri ci. [78 S.] 1915. Geh. M. 8 -. Für Abonn. M. 6.-
:
DAS FLÄCHENORNAMENT IN DFR kuo»..
ALTEN PUEBLO KULTUR IK °ER
VON
H. HAEBERLIN,
Das ethnologische Material, das der folgenden AbhanHi.
Sammlung aller Pueblokeramik, die das Kgl. Museum für Vöfu Z“grUnde lieS‘. ¡st eine große
Zeit von dem Sammler Cole durch Kauf erworben hat fn f!"1* 2U ßerlin vor einiger
vorgenommen. Die Sammlung umfaßt annähernd 3000 Gefsn» 7 d'e AusIfabungen selL
Mexiko und Arizona, die in den Akten folgendem™«,. T “nd stammt aus Ruinen i„ Mo
Puerto Arizona, Closed Canon, Allanlown. White River Wid^T’’1 Werden: Puye- PajariJ
Canon de Chelly Ruins. Außerdem kommen noch einige n ’ 7°’ Wi"S]°W ^strikt und
Sammlungen desselben Museums zur Anwendung. Wo derTTTT ^ andere" feineren
Gegenstand gehört nicht ausdrücklich angegeben ist. handelt es 4hTr zu der ein
die Sammlung Cole. cu es SICn m dieser Arbeit st
Für die Bearbeitung des Materials ist es nun eine h~ 6 S Um
vorliegenden Ornamente einen einheitlichen Typus darstellen Tats^e. «¡aß die
vor allem nach ihrer Ornament k in mehrere leieh, . kann(l,ch lst die Puehlnu^
s,‘“ «S“»T
.... ..«.mes-; teilt sie
örtlich und m nie pramstorische, die Übergangs- und die moderne Periode ein.
nach der O..«»«““ per.ode geh.rt nun _ um das gleich ietzt vorauszuschicken - sowohl
Dem Stil der ^ Nordenskiöld auf der Mesa Verde2) ausgegrabene und beschriebene
unser wie auc der periode gteht die der zweiten») gegenüber, die vor allem
Material an. g jn dem a„en sikyatki und Awatobi ausgegrabenen Gefäßen vertreten
v0" denDIe°nOrnamentik der modernen Töpfe stellt endlich zum größten Teil einen degene-
W,r ■„ und unselbständigen Stil dar. Die Bezeichnung ..prehistoric“ ur die erste Periode hat
r'e relative Richtigkeit, denn auch Sikyatki ist prähistorisch.6) Jene ist jedoch allgemein
"Ur T ze» ich älteste anerkannt. Für sie ist die „black-and-white wäre“ charakteristisch; die
alS Lamentierte rote Ware ist in ihr verhältnismäßig selten. Die Ornamentformen dieser
SCTrln sind meistens komplizierter als die der „black-and-white“ Ware und die Herstellung
• sorgfältigere Hieraus hat man schließen wollen, daß die rote Ware im Gegensatz zu
ISt Lwöhnlichen weiß-schwarzen bei den Zeremonien gebraucht wurde.») Dies wird jedoch
der I . eine Vermutung bleiben müssen. Die polychrome Bemalung des Obergangsstiles
W01 t • der ersten Periode überhaupt nicht vor. Während die älteste Keramik als für den
N°rden 'des Pueblogebietes, bzw. für die Cliffdwellers charakteristisch hingestellt worden ist,
d ((arc nf the Ancient Pueblos, 4th An. Rep. Bur. Ethn. S. 273, 303-304.
1) Holmes, Pottery of tte ^ o{ the Mesa Verde.
2) G. Nordenskio » Houeh zwei Unterabteilungen; Archeological Field Work in Northeastern Ari-
3) Für diese Periode bring!inB
Smithsonian Institution,
--------ese renoae
zona, Smithsonian Institution, ^ E dition t0 Arizona in 1895, 17 th An. Rep. Bur. Ethn.
4) Fewkes, Archeology Culture of Tusayan, Am. Anthropologist, Vol. 9, 1896, S. 153.
5) Fewkes, The Preh>s ^ m
6) Holmes, Pottery of the ah
BAESSLER-ARCHIV VI, 1/2-
1
ll
2 H. HAEBERLIN
ersehen wir schon aus den Fundorten der Sammlung Cole ihre außerordentlich weite Verbrei-
tung. Vergleichen wir die Ornamentik unseres Materials mit der des Übergangsstiles, so finden
wir, daß jene im Gegensatz zu dieser einen reinen, von Symbolik freien Ornamentstil darstellt,
ja daß sie geradezu als der klassische Ornamentstil der Pueblokultur bezeichnet werden kann.
Für die Charakterisierung der Ornamentik unseres Materials scheint es mir das Entscheidende
zu sein, daß sie im Gegensatz zu der späteren Keramikornamentik im eigentlichen und engeren
Sinne des Wortes ihrem ganzen Wesen und Ursprung nach eine Flächenornamentik ist. Die
volle Tragweite dieses Begriffes kann sich erst im Laufe dieser Arbeit ergeben. Das Charak-
teristische für das Wesen der Flächenornamentik ist, daß eine ganze Fläche als solche orna-
mentiert wird, also im scharfen Gegensatz zu einer Ornamentik, die die Fläche von vornherein
als den Hintergrund des aufzumalenden oder sonstwie anzubringenden Ornamentes auffaßt.
Dem Flächenornament ist somit eigentümlich, daß alle Teile der ornamentierten Fläche von
koordinierter Wichtigkeit für das Gesamtornament sind. Bei ihm darf man also prinzipiell
nicht von einem Grund des Musters sprechen, wie dies von anderen, die die Keramik unseres
Stiles beschrieben haben, getan worden ist. Dabei muß nun aber im Auge behalten werden,
daß die Technik der Bemalung, wie wir sie bei unserer Keramik finden, notwendigerweise die
Tatsache mit sich zu bringen scheint, daß die Ornamente auf die ja schon vorhandene Fläche
der Töpfe als auf einen Hintergrund aufgemalt sind. Tatsächlich ist die Flächenornamentik
derjenigen Technik, welche eine Vorgefundene Fläche zum Teil bemalt, zum Teil unbemalt läßt,
wesensfremd. Dies ist eine Tatsache, welche auf dem Wesen dieser Technik beruht.
Durch diesen scheinbaren Widerspruch werden wir bei der Untersuchung unseres Mate-
rials über die Technik der Bemalung hinaus verwiesen, und es wird die Forderung gestellt,
diejenige Technik ausfindig zu machen, in der die Flächenornamentik ihren wesensinhärenten
Ursprung findet und von der sie auf die wesensfremde Technik der Bemalung übertragen ist.
Die einzige Technik der primitiven Völker, welche ihrer Natur nach unlösbar mit der Flächen-
ornamentik verbunden ist, ist die des Flechtens, und zwar die der einfachsten Geflechtsart, des
Stufengeflechts.1) Kein Teil eines Stufengeflechtes kann unornamentiert sein, denn die Maschen
machen ja selbst das Flächenornament aus. Dies hängt natürlich auf das engste mit der Tat-
sache zusammen, daß bei dieser Art von Geflecht nicht eine gegebene Fläche ornamentiert
wird, sondern daß die Musterung zugleich mit der Entstehung der Fläche selbst gegeben sein
muß. Die somit gestellte Aufgabe, die Flächenornamentik der alten Pueblokultur von dem
Wesen der Flechttechnik abzuleiten, soll nun in allen Einzelheiten in der vorliegenden Arbeit
durchgeführt werden.
Indem wir sehen, wie die in der einen Technik entstandenen Muster auf die andere, ganz
disparaten Bedingungen unterliegende übertragen werden, lernen wir die interessante Erschei-
nung kennen, die ich den Konflikt der Techniken nennen möchte. Während nämlich die Flächen-
ornamentik von den alten Pueblotöpferinnen mit erstaunlichem Beibehalten der Einzelheiten der
Urformen festgehalten wurde, hat sie doch gewisse Veränderungen erlitten, die aber gerade in
ihrer Unselbständigkeit vielleicht am deutlichsten klarlegen, wie die Töpferin ganz unter dem
zwingenden und einengenden Bann der Flechttechnik stand, und zwar nicht nur unter dem der
1) Der gebräuchliche Ausdruck für die in Betracht kommende Qeflechtsart ist „Palmblattgeflecht“ (siehe
M. Schmidt, Indianerstudien in Zentralbrasilien, S. 212). Da dieser jedoch mit besonderer Bezugnahme auf süd-
amerikanisches Material geprägt ist und da er deshalb bei der entsprechenden Technik der Pueblos leicht zu
Mißverständnissen hinsichtlich des Materials der alten uns erhaltenen Pueblogeflechte führen könnte, möchte ich
hier eine neutrale Bezeichnung wählen. Der beste Ausdruck wäre das englische „twilled basketry“; um aber
ein deutsches Wort zu gebrauchen, werde ich von „Stufengeflecht“ reden. Ich bin mir natürlich bewußt, daß
diese Bezeichnung mangelhaft ist. Da sie aber nichts über das verwendete Material der Geflechte aussagt, glaube
ich, daß sie für die vorliegenden Zwecke dem „Palmblattgeflecht“ vorzuziehen ist, indem sie nichts vorwegnimmt
in der Entscheidung der offenen Frage, ob und inwiefern die Geflechtsmusterungen der Pueblos speziell mit der
Bearbeitung von Palmblättern in Beziehung zu bringen sind.
DAS FLÄCHENORNAMENT IN DER KERAMIK DER ALTEN PUEBLO-KULTUR 3
einzelnen Geflechtsmuster, sondern auch besonders unter dem des inhärenten Wesens der
Flächenornamentik überhaupt, und wie weit sie entfernt war, die unendliche Erweiterung der
durch die unbegrenzte Bewegungsfreiheit der neuen Technik gegebenen Möglichkeit der Formen
zu erkennen und auszunutzen.
Gemäß dem allgemeinen Sprachgebrauch wäre unsere Ornamentik eine „geometrische
zu nennen. Dies ist jedoch für die wissenschaftliche Sprache eine ganz veraltete Bezeichnung.
Erstens ist der Begriff unbestimmt; gewöhnlich bezeichnet man mit ihm ein lineares Muster,
Linienkombinationen“ (siehe z. B. Riegl, Stilfragen, S. 32). Wir haben es aber hier nicht mit
linearen Mustern, sondern mit Ornamenten der Fläche zu tun. Zweitens weist der Ausdruck
auf etwas Abstraktes. Er stammt aus der Zeit, da man die einfachen geometrischen Figuren
für eine Art angeborene Axiome des menschlichen Denkvermögens hielt. In Wahrheit könnte
es indessen überhaupt keine „konkreteren“ Ornamente geben als die unsngen. Da der Begriff
geometrische“ Ornamentik für die entwicklungsgeschichtliche Betrachtung zum mindesten un-
zulänglich, wenn nicht geradezu irreführend ist, soll in der vorliegenden Arbeit an dem Be-
griff der Flächenornamentik festgehalten werden.
Die Behauptung, daß die Ornamentik gewisser Volker auf die Flechterei zuruckzufuhren
sei ist bekanntlich an und für sich nichts Neues. Auch für die Puebloornamentik ist sie wieder-
holt aufgestellt worden, so mit besonderer Entschiedenheit von Holmes.1) Dieser leugnet je-
doch die Möglichkeit der Klarlegung der einzelnen Entwicklungsstufen der komplizierteren
Ornamente z B des Mäanders (fret).s) Die Irrigkeit dieser Annahme wird aus den folgenden
Untersuchungen von selbst erhellen. Sodann hat Nordenskiöld (1. c.) einen Versuch gemacht,
die einzelnen Ornamente seines Materials aus der Flechttechnik abzuleiten. Der betreffende
Teil seines sonst so bemerkenswerten Buches ist unbefriedigend. Auf eine Kritik kann hier des
Raumes wegen leider nicht eingegangen werden
Bahnbrechend für die exakte Erforschung des Ursprunges einer Ornamentik in der Ge-
flechttechnik scheinen mir erst die an südamerikanischem Material vorgenommenen Unter-
j 3a sie beziehen sich einerseits auf die Ornamentik der
suchungen von ax andererseits auf gewisse Teile der altperuanischen Kultur.
Naturvölker des Schinguque.Igeb.e«es an ererse.ts auf gew ^ ^
weist unnsUkdenWegh0zu’dWer Erforschung der Ornamentik mancher anderen Kulturkreise. Im
Izelnen setmr diese Methode auf die zitierten Arbeiten von Schmidt verwiesen; hier können
nUr wenn hier von Geflechten die Rede ist,
immer nur die tvpischste und einfachste Art, das Stufengeflecht, welches in der amerikanischen
Literatur unter der Bezeichnung „diagonal or twilled basketry“1) bekannt ist gemeint wird.
Dieses entsteht dadurch, daß zwei senkrecht zueinander liegende Gruppen von Geflechtsstreifen
so verflochten werden, daß jeder Streifen eine bestimmte Zahl von Streifen der senkrecht zu
ihm gerichteten Gruppe - fast immer zwei oder drei - überspringt. Die Stufenflechtere, unter-
scheidet sich durch die Unmittelbarkeit ihrer Entstehungsweise von den anderen möglichen
Geflechtsarten, wie denen der „coiled“ und der „twined“ Technik. Sie ergibt sich bei den
Naturvölkern Zentralbrasiliens, wie Schmidt einwandsfrei nachgewiesen hat, mit Notwendigkeit
f the Ancient Pueblos. - Use of Textiles in Pottery Making and Embellishment, Am. Anthr. N. S.
1) P0Ue?h ° Evolution of Ornament, Am. Anthr. Vol. 3. 1890. - A Study of the Textile Art in its Relation to
the*Development o. Form and Ornament, 6U, An. Rep. Bur. Elhn.
2) On Ihe Evolution,°'. !;nerasTdie'n in Zentralbrasilien, Berlin 1905, S. 330-397. - Ober altperuanische Orna-
3) Max Schmi , n u j _ Ableitung südamerikanischer Geflechtsmuster aus der
mentik, Archiv für Anthropologie, N^R Bd.^, ^ ^
Technik des Flechtens, Zeitsc n . an gasj<e^ry) Smithsonian Institution, Nr. 128, S. 499. - Mason, The
4) 0. T. Mason Abor‘ga"aBasketryt Am. Anthr. N. S. Vol. 3, p. 110.
Technic of Abongmal American y
4
H. HAEBERLIN
aus der Palmblattflechterei. Wir treffen sie über einen sehr großen Teil der Erde verbreitet
an, wenn auch das Schinguquellgebiet uns Material bietet, das ganz besonders günstig für die
Erforschung der Technik ist. Neben den zwei- und dreimaschigen Geflechten gibt es noch
einmaschige. Diese scheiden aber für unsere Untersuchungen aus, da bei ihnen eine Variierung
der Bedingungen und somit eine Musterung ausgeschlossen ist, es sei denn, man wollte die
einzelnen Maschen als Schachbrettmuster auffassen. Erst bei dem zwei- und dreimaschigen
Geflecht ergibt sich mit innerer Notwendigkeit aus der Technik die typische Treppenmusterung
sowie die diagonale Streifung. Wenn zwei Gruppen von Geflechtsstreifen, die senkrecht zu-
einander liegen und deren Enden frei sind, verflochten werden, so entsteht ganz naturgemäß
ein rechteckiges Geflechtsviereck; und durch die Hinzufügung neuer Streifengruppen ergeben
sich immer neue solcher elementarer Einheiten. Die Geflechtsvierecke werden stets durch die
von Geflechtsstreifen einer und derselben Richtung gebildeten Maschen gestreift, und zwar ver-
laufen diese Maschenstreifungen im Winkel von 45° zu der Lage der Geflechtsstreifen. Dem-
gemäß können sich die Vierecke, - abgesehen natürlich von der unbegrenzten Möglichkeit,
die Zahl der Streifen zu variieren, und von der Beschaffenheit der Ecken, — nur dadurch
unterscheiden, daß die Streifung einmal von rechts unten nach links oben, das andere Mal von
links unten nach rechts oben verläuft.1) Die Streifung entsteht für das Auge durch die ver-
schiedene Spiegelung der in senkrechter Richtung zueinander liegenden Maschen, so daß zwei
verschiedenartige, aber parallele Streifungen immer miteinander abwechseln. Technisch sind
die Maschenstreifungen gleichwertig. Indessen faßt das Bewußtsein ganz nach der jeweiligen
Lichtspiegelung, sowie auch den Bewegungen des Auges das eine Mal die vertikalen, das andere
Mal die horizontalen Maschen als Musterstreifung auf, indem die anderen dazwischen liegenden
Reihen von Maschen nur als Zwischenräume, bzw. als Grund des subjektiv hervorgehobenen
Musters gesehen werden. Diese Erscheinung ist rein psychologisch und gehört in das Kapitel
der Phantasietätigkeit.1 2) Jener Wechsel in der Auffassung der Maschenstreifungen wird für
unsere Untersuchungen später eine große Rolle spielen. Als sekundäre Erscheinung gibt es
Geflechte, deren eine Gruppe von Geflechtsstreifen schwarz, die andere weiß ist. Dies ist eine
willkürliche Art, die durch die Technik gebotenen Bedingungen zu variieren, so daß die eine
Maschenstreifung zu ungunsten der anderen besonders betont wird. Wenn wir dasselbe in
unseren Schemata durch Schraffierung tun, so ist dies immer nur als ein leider oft unzulänglicher
Notbehelf aufzufassen, die in der Technik gleichwertigen, aber in ihrer Bedeutung für unsere
Aufmerksamkeit jeweilig wechselnden Maschenstreifungen dem Text gemäß zu verdeutlichen.
Indem sich nun die Geflechtsvierecke, ob zwei- oder dreimaschig, nur durch die Zahl der
Geflechtsstreifen einerseits und die Richtung der Maschenstreifung andererseits unterscheiden
können, ergibt sich rein mathematisch, daß jede mögliche Musterung eines Geflechtes von der
Beschaffenheit der einzelnen Geflechtsvierecke, sowie von der Art und Weise, wie sich mehrere
von diesen aneinander fügen, ausschließlich abhängt. Dies ist von Schmidt genau dargestellt
worden. Die Geflechtsmuster, die bei einer Mannigfaltigkeit von Geflechtsvierecken dadurch
entstehen, daß die Richtung der Maschenstreifungen an den Grenzen zwischen den einzelnen
Geflechtsvierecken wechselt, sind bei der Betrachtung des fertigen Geflechtes scheinbar das
Maßgebende. Deshalb sind es auch diese Gesamtmuster, die bei der Ableitung einer Ornamentik
aus der Flechterei früher irrtümlicherweise immer nur allein in Betracht gezogen worden sind.
Gewiß hat auch der Flechter selbst solche Musterungen bei seinem fertigen Produkt heraus-
gesehen und hat Wohlgefallen an ihnen gefunden. Entwicklungsgeschichtlich sind sie aber
nicht das Ursprüngliche; der Flechter konstruiert zunächst nicht ein Muster, sondern flicht die
technisch gegebenen Geflechtsvierecke, welche allein genommen immer nur jene parallelen
Streifen aufweisen, keine eigentliche Musterung, die sich ja erst sekundär aus einer Mannig-
1) Schmidt, Indianerstudien, Fig. 160ff.
2) Wundt, Völkerpsychologie, Bd. 3, S. 26ff.
DAS FLÄCHENORNAMENT IN DER KERAMIK DER ALTEN PUEBLO-KULTUR g
faltigkeit von Vierecken ergibt. Für uns spielen die Geflechtsvierecke keine Rolle, denn wir
sehen nur das fertige Geflecht, der Flechter aber sieht das werdende. Er flicht das Geflecht
mit der eigenen Hand aus den technischen Elementen. Dies im Auge zu behalten, ist außer-
ordentlich wichtig bei der Untersuchung einer Ornamentik, die aus der Flechterei abzuleiten
ist. Nur durch die Anwendung des Geflechtsviereckes als solches kann eine große Gruppe von
Ornamenten der alten Pueblos begriffen werden. Mit diesen wollen wir nun beginnen,
DAS MUSTER DES GEFLECHTSVIERECKES ALS SOLCHES.
Indem das in der Flechterei entstehende Geflechtsviereck als Einheit bei der Ornamen-
tierung von Tongefäßen seine Verwendung findet, erleidet es eine Verselbständigung, welche
es neue, in dem Geflecht nicht mögliche Kombinationen eingehen läßt. Als ein höchst lehr-
reiches Beispiel möge hier Fig. 1 angeführt werden. Hier zeigt sich ganz deutlich, wie die
einzelnen Geflechtsvierecke als solche aufgefaßt und in diesem Fall sogar Masche für Masche
genau wiedergegeben sind. Ihre Aneinanderreihung ist indessen eine, die in dieser Form bei
einem regelmäßigen Geflecht nicht Vorkommen kann. Sehr bemerkenswert ist auch Fig. 2, wo
die Geflechtsvierecke mit mehreren Maschenstreifungen fast genau dem Original entsprechend
wiedergegeben sind und in ihrer Wiederholung ein Bandornament darstellen. Ein ganz ähn-
liches Ornament ist abgebildet bei Fewkes, Two Summers Work in Pueblo Ruins1), Plate 69,
Fig. c. Für gewöhnlich gibt das Ornament auf der Keramik die einzelnen Maschen selbst
nicht so augenfällig wieder, wie in den oben angegebenen Fällen, aber die Behandlung der
Fläche als Gellechtsviereck bleibt deshalb nicht weniger unverkennbar. Manchmal durchzieht
eine Stufe das ganze Viereck, wie in Fig. 3, wo dies bezeichnenderweise abwechselnd in den
beiden Richtungen der Diagonalen geschieht. Wenn diese Stufe zu einer geraden Linie wird,
so haben wir das Ornament der Fig. 4. Wie die Geflechtsvierecke auch hier als solche auf-
gefaßt sind, erhellt an diesem Beispiel schön aus der zufälligen Unregelmäßigkeit bei „a“. Die
Ecken der Vierecke sind in den letzten beiden Figuren unverhältnismäßig groß wiedergegeben.
Weiterhin werden wir Gelegenheit haben zu sehen, daß auch die komplementären Streifungen
meistens nicht in dem richtigen Verhältnis der Stärke zueinander stehen. Diese Erscheinung
findet man auch in der Ornamentik des Schinguquellgebietes, wo sie von Schmidt, Indianer-
studien, S. 379 und 383 besprochen wird. Fig. 5 zeigt ein schönes Band, das aus Geflechts-
vierecken zusammengestellt ist, welche ganz denen der Fig. 1 entsprechen, nur mit dem Unter-
schiede, daß die Stufen hier schon gerade abgeschlossen sind. Sehr häufig ist es auf der
Pueblokeramik, daß die Stufen noch als kleine Punkte oder Striche ein rudimentäres Dasein
fristen, wie z. B. in Fig. 6, und daß ganze Maschenstreifungen zu Linien bzw. zu schmalen
Flächen, mit ebensolchen Andeutungen degenerieren, wie in Fig. 7. Die unverhältnismäßig
groß gemalten Ecken enthalten oft ein weiß gelassenes Auge, welches als Rudiment der anders
gerichteten Maschen der äußersten Ecke im Geflecht aufzufassen ist. Diese Erscheinung tritt
willkürlich auf, denn wir haben Beispiele, wo auf demselben Topf die Vierecke zum Teil mit,
zum Teil ohne Auge auftreten.
Wie aus den Fig. 2 und 6 zu ersehen ist, tritt uns noch eine andere interessante Erschei-
nung entgegen. Dort bilden die Geflechtsvierecke ein das Innere der Schale schmückendes
Band derart, daß zwischen den einzelnen Vierecken stets eine freie Fläche gelassen ist. Auf
diese einfache Weise entstehen eine ganze Reihe von Ornamenten, welche in zahllosen Varia-
tionen immer wieder Vorkommen. Fig. 8 zeigt uns eine charakteristische Form und entspricht
genau Fig. 6, nur daß die Stufen hier bewahrt sind. Oft fehlen bei diesem Ornament die Augen,
so z. B. bei Nordenskiöld 1. c. Tafel 29 Fig. 8. Die Treppe kann auch mit ihrer schmalen
1) 22 nd An. Rep. Bur. Ethn.
6 H. HAEBERLIN: DAS FLÄCHENORNAMENT IN DER KERAMIK DER ALTEN PUEBLO-KULTUR
Basis mit der Grenzlinie verbunden sein, wie wir in Fig. 9 sehen, ohne daß das Wesen des
Ornamentes ein anderes würde. (Siehe entsprechendes Ornament auf dem Icatopf Fig. 26 bei
Schmidt, Altperu. Ornam.) Ein sehr schönes Stufenornament zeigt ferner Fig. 10 aus der
Sammlung Keam. •
Bei diesen Ornamenten schwankt unser Auge oft, welchen Teil der Bandfläche es als das
eigentliche Ornament auffassen soll. Daß das Bewußtsein nicht beide Teile koordiniert neben-
einander bestehen läßt, ist eine Folge der vereinheitlichenden Tätigkeit unseres Bewußtseins,
das immer zu einer Subordination der Inhalte neigt. Bei Fig. 8 wechselt z. B. unsere Auffas-
sung — vielleicht ist hierzu jedoch eine längere Beschäftigung mit dem Material nötig — zwi-
schen den beiden Möglichkeiten, entweder die kontinuierliche schmale weiße Fläche oder die
schwarzen Stufen als Muster zu sehen. Diese Erscheinung entspricht genau dem oben be-
sprochenen Wechsel der Auffassung bei der Betrachtung der Maschenstreifungen in dem wirk-
lichen Geflecht. Sie bringt uns auf die Tatsache, daß wir es mit einer typischen Flächenorna-
mentik zu tun haben. Die positiven und negativen Elemente dieser Ornamente sind eben kom-
plementär und ihrem Ursprung aus der Flechttechnik gemäß notwendigerweise gleichwertig,
d. h. koordiniert. Am deutlichsten ist natürlich der Wechsel der Auffassung der Flächenmuste-
rung bei dem Geflecht selbst. Das Überraschende ist die Tatsache, daß das Wesen der
Flächenornamentik sich auch bei den oben angeführten, abgeleiteten Keramikornamenten so
deutlich erkennbar macht; sind doch diese in ihren Kombinationen in dem Geflecht selbst nicht
möglich, sondern ergeben sich erst aus der freien Anwendung der Geflechtsvierecke als
solcher in der Technik der Bemalung. Da nun die Flächenornamentik, wie wir oben sahen,
der Technik der Bemalung der Keramik wesensfremd ist, indem in dieser Technik es eo
ipso gegeben ist, daß die bemalte, d. h. die bearbeitete Fläche gegenüber der unbemalten
dem Verfertiger als das Maßgebende erscheint und ihr somit die Koordination der positiven
und negativen Elemente nicht naturgemäß ist, kann man sich gar nicht genug über das
zähe Festhalten der Pueblotöpferinnen an dem Wesen der der Flechttechnik entnommenen
Flächenornamentik wundern. Die Eigenschaften gerade dieser Art von Ornamentik scheinen
der Phantasie eine ungeheure Fülle von Anregungen zu geben. Fig. 11 zeigt eine interessante
Variation, wo im Gegensatz zu Fig. 10 beide komplementären Elemente des Ornamentes durch
die Art der Bemalung betont sind, indem hier auch die zwischen den schwarzen Stufen lie-
gende Fläche durch die Einfügung paralleler Linien für sich hervorgehoben bzw. variiert wird.
Fig, 12 ist eine andere variierte Form von Fig. 10, wo die einfachen Stufen dieser letzteren
differenziert erscheinen. Fig. 13 entspricht der Fig. 12, bietet aber wegen der Unregelmäßig-
keit, welche den fließenden Übergang von der Anwendung der einzelnen isolierten Geflechts-
vierecke zu deren bandmäßigem Zusammenschluß verdeutlicht ein besonderes Interesse. Eine
von Fig. 10, 11, 12 verschiedene Art, wie sich die Geflechtsvierecke zu einem ornamentalen
Bande rhythmisch vereinigen können, sieht man in den Fig. 14, 15 und 16. Hier entstehen die
schönen S-Forrnen, indem die obere Stufe der einen Geflechtseinheit immer mit der unteren
der nächsten mittels einer Verbindungsfläche in Beziehung gebracht wird.
Gegenüber den bisher besprochenen Ornamenten, wo es sich um eine einfache Reihe von
Geflechtsvierecken handelt, weisen Fig. 17 und 18 eine symmetrische Anordnung zweier über-
einander liegender Reihen auf. Die Stufen bzw. die Maschenstreifungen der oberen Reihe von
Geflechtsvierecken sind senkrecht gerichtet zu denen der unteren Reihe, indem jene von oben
links nach unten rechts, diese von oben rechts nach unten links verlaufen. Während die ein-
zelnen Geflechtsvierecke der Fig. 17 je aus nur zwei Teilen bestehen, gerade wie die der Fig. 3,
sind die der Fig. 18 dreiteilig, wie auch in Fig. 1. In Fig. 19 entstehen die T-Formen durch
den paarweisen Zusammenschluß der Geflechtseinheiten. Im Grunde genommen unterscheiden
sich alle Muster des Geflechtsviereckes als solches allein durch die variierbare Art der An-
einanderreihung der einzelnen Vierecke einerseits und die wechselnde Richtung der Maschen-
ШШя
ЯШ
Fig. 1, IV В 9033.
Fig. 2. IV В 11091.
Fig. 5, IV В 11154.
Fig. 3, IV В 9029.
4, IV В 9107.
Fig. 6, IV В 11557.
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Fig. 8, IV В 10473.
Fig. 7, IV В 9827.
1% IÌÉ 11 ii
Т ШИШ Fig.11, IV В 9900. тпттттттт ШШЖ тшшш
ПЛЮШ
Fig. 9, IV В 9553.
Fig. 10, IV В 3378.
8 H. HAEBERLIN: DAS FLÄCHENORNAMENT IN DER KERAMIK DER ALTEN PUEBLO-KULTUR
Streifung andererseits. Wie fließend der Übergang zwischen verschiedenen Formen ist, zeigt
u. a. auch das unregelmäßige Ornament der Fig. 20.
Noch ein anderes recht häufiges Ornament dieser Art ist das Band Fig. 21. Hier sind die
Geflechtsvierecke nebeneinander und in zwei Reihen übereinander angeordnet; im Unterschiede
von Fig. 18 sind die Vierecke beider Reihen von oben rechts nach unten links gestreift. Wäh-
rend in der horizontalen Richtung die Vierecke durch Zwischenräume getrennt sind, liegen
sie in der vertikalen unmittelbar aneinander. Es tritt noch das Neue hinzu, daß die obere Reihe
gegenüber der unteren verschoben zu sein scheint. Wo dies letztere nicht der Fall ist, da
entsteht das ebenfalls sehr häufige Ornament der Fig. 22. Von dieser unterscheidet sich Fig. 23
dadurch, daß hier überhaupt keine Zwischenräume vorhanden sind, und daß die Streifung der
Vierecke der oberen Reihe in der entgegengesetzten diagonalen Richtung wie die der unteren
verläuft, also wie bei Fig. 17, von der sie nur durch die andere Wiedergabe der Streifungen
der einzelnen Gefechtsvierecke verschieden ist.
Auf die oben durchgeführte Weise finden alle besprochenen Ornamente, welche ohne die
Kenntnis ihres Ursprunges von ganz befremdender Eigenart wären und wohlmöglich zu sym-
bolischer Erklärung Anlaß geben könnten, eine so einfache und allen gemeinsame Erklärung.
Ihre Struktur scheint jetzt so klar und durchsichtig, beruhen doch alle auf verschiedener Va-
riierung eines und desselben Geflechtselementes: nämlich des in Fig. 1 noch in der ursprüng-
lichen Form erhaltenen Geflechtsviereckes als solches.
Was die degenerierten Stufen betrifft, welche ganz willkürlich auftreten oder fehlen, so
kommen diese immer nur an den diagonalen Linien vor, ganz entsprechend der Tatsache, daß
in dem Geflecht die Stufen nur in ebenderselben Richtung auftreten. Die vertikalen und hori-
zontalen Linien sind indessen als die in derselben Richtung wie die Geflechtsstreifen verlau-
fenden Abschlußlinien der Geflechtsvierecke aufzufassen.
Ehe wir zu einer neuen Gruppe von Ornamenten übergehen, möge noch die Aufmerksam-
keit auf die Fig. '24 gelenkt werden. Dieses Ornament erscheint uns zunächst als eine höchst
originelle Erfindung und als aus einer Aneinanderreihung von hochstehenden S-Formen ge-
bildet. Bei näherer Untersuchung zeigt sich jedoch, daß hier nichts Neues vorliegt, Fig. 24
ist nämlich, was indessen schwerlich aus der schematischen Wiedergabe des Originals erhellt,
genau dasselbe wie Fig. 22, nur daß bei dem einen Ornament — ursprünglich wahrscheinlich
durch unsorgfältige Bemalung hervorgerufen -, die schwarze Bemalung gegenüber der weiß
gelassenen Fläche mehr in den Vordergrund tritt als bei dem anderen und von uns unfehlbar
als Grund aufgefaßt wird, so daß das ungeübte Auge also die weißen S-Flächen als wesent-
lichen Teil des Ornaments sieht. Interessant ist, aus eigener Erfahrung feststellen zu können,
daß man nach längerer Beschäftigung mit dem Material selbst nicht mehr jene S-Formen als
Muster aus dem Ganzen heraussieht, sondern nur die übereinander und nebeneinander liegen-
den Geflechtsvierecke wahrnimmt, d. h. lediglich dasselbe Ornament erfaßt wie bei Fig. 22.
Wie viel mehr mußte dies bei den alten Pueblos der Fall sein, die zugleich flochten und
malten. Andererseits kann aber auch nicht geleugnet werden, daß ein Ornament wie das eben
besprochene eine Stufe der Entwicklung darstellt, wo schon deutlich sich das zu erkennen
gibt, was ich den Konflikt der Techniken genannt habe.
RAUTENORNAMENTE.
Nachdem wir die von dem einzelnen Geflechtsviereck als solchem abgeleiteten Ornamente
kennen gelernt haben, gehen wir nunmehr zu einer anderen Kategorie über, und zwar zu sol-
chen Ornamenten, die wir aus Ermangelung eines besseren Ausdruckes unter der Bezeichnung
von Rautenornamenten zusammenfassen werden. Die mathematisch gegebenen Voraussetzungen
dieser Ornamente in der Technik des Flechtens sind ausführlich schon von Schmidt in seinem
ичияияг
ЛВДИД1Д1
Fig. 12, IV В 9694.
Fig. 15, IVB 9273.
Fig. 14, IV В 9826.
Fig. 17, IV В 9326.
шшввш
Fig. 16, IV В 10513.
Fig. 22, IV В 11261.
Fig. 21, IV В 11235.
№ Fig. 20, IV В 9C Ш 31.
1 5 VB 10 27O. a
NNININ
Fig. 13, IV В 11616.
Fig. 23, IVB 11261.
BAESSLER-ARCHIV Vi, 1/2.
10 H. HAEBERLIN: DAS FLÄCHENORNAMENT IN DER KERAMIK DER ALTEN PUEBLO-KULTUR
Buch; „Indianerstudien“, S. 334f., behandelt worden. Hier sind die Gesetzmäßigkeiten erforscht,
die bei dem Zusammentreffen von vier Geflechtsvierecken mit gemeinsamem Zentralpunkt gel-
ten, wenn die Kombination aus verschieden gestreiften Vierecken besteht. Da nun, wie wir
oben schon sahen," jedes Geflechtsviereck entweder von unten links nach oben rechts oder
von unten rechts nach oben links gestreift sein kann, so sind bei einer Zusammensetzung von
vier Einheiten zwei diametral entgegengesetzte Musterungen, möglich; das einemal ergibt sich
eine Musterung von konzentrischen Quadraten, gebildet von den vier Geflechtsvierecken A1
A2 A3 A4 um den Punkt A (Fig, 25), das andere Mal eine kreuzförmige Musterung, bestehend
aus den ineinander gefügten Schenkeln rechter Winkel, entsprechend Blf> B2, B3, B4 um den
Punkt B. Für diese Tatsache ist es gleichgültig, ob es sich um ein zwei- oder dreimaschiges
Geflecht handelt. Nur fallen die einzelnen Stufen bei dem dreimaschigen Geflecht viel weniger
in die Augen als bei dem zweimaschigen.
Ein ausgezeichnetes Beispiel der auf die Keramik übertragenen Rautenmusterung ist Fig. 26.
Trotz den durch unsorgfältige Arbeit verursachten Unregelmäßigkeiten dieses Ornamentes
ist eine Verkennung der Identität mit dem Schema Fig. 25 ausgeschlossen. Auf diesem sind
die Geflechtsvierecke durch punktierte Linien hervorgehoben. Sie sind die Elemente der Flech-
terei, die sukzessive unter den Händen des Flechters entstehen müssen. Für ihn ist die Rau-
tenmusterung erst das Sekundäre; diese ergibt sich eo ipso, wenn vier Geflechtsvierecke einen
gemeinsamen Punkt haben, bei dem zweimaschigen Geflecht, wie wir später sehen werden,
sogar sobald überhaupt in vertikaler wie horizontaler Richtung eine Mannigfaltigkeit von Vier-
ecken vorhanden ist.
Halten wir ein Geflecht schräg gegen das Licht, so sehen auch wir infolge der verschie-
denen Spiegelung der Streifungen die Geflechtsvierecke und nicht mehr die sogenannte Muste-
rung, Nach längerer Beschäftigung mit Geflechtsmaterial ist diese Hilfe nicht mehr nötig. Dann
sieht man, gerade wie der Flechter bei seiner Arbeit es tun muß, eine schachbrettartige Auf-
teilung der Fläche in gestreiften Vierecken. Hiermit haben wir auch eine Erklärung für das
auf unserer Keramik so häufige Schachbrettmuster, welches auf den Töpfen in der Form wie-
dergegeben ist, daß die einen Vierecke weiß gelassen, die anderen schwarz gemalt oder schraf-
fiert sind. Neben dieser elementaren Wiedergabe der Geflechtsvierecke sind es aber auch die
Vierecke zusammen mit ihren Streifungen, die eine ornamentale Anwendung in unserer Orna-
mentik finden. Dabei ist zu bemerken, daß, während in der Musterung des Geflechtes, das
schmematisch in der Fig. 25 wäedergegeben ist, zunächst die konzentrischen Quadrate B B2
B B3 unserer Auffassung als das Wesentliche auffallen, für den Flechter die Musterung der ge-
samten Fläche der Geflechtsvierecke gilt {X1 A2 A3 AQ. Diese bleiben auch bei den abgelei-
teten Ornamenten als ganze erhalten. Als Beispiel hierfür kennen wir schon Fig. 26. Hier
sind auch die außerhalb der konzentrischen Quadrate liegenden Streifungen in das Ornament
aufgenommen. Dieses beobachten wir an allen Rautenornamenten.
Als Beispiele von Geflechten, auf denen das Zusammentreffen von vier Geflechtsvierecken
eine Rautenmusterung ergibt, möge das hier zum erstenmal veröffentlichte Exemplar IV B 7007
aus der Sammlung Seler (Berlin), Fig. 27, dienen, sowie IV B 7008 und IV B 7015 aus der-
selben Sammlung, und endlich das bei Nordenskiöld auf Tafel 45, Fig. 1 abgebildete Ge-
flecht. Punkt „A“ in Fig. 27 ist den vier Geflechtsvierecken gemeinsam und entspricht somit
„A“ in Fig. 26. Diese sind allerdings in der Fig. 27 unvollständig, denn sie werden frühzeitig
abgeschlossen, und zwar offenbar wegen der ursprünglichen Form des Korbes, von dem nur
das Fragment erhalten ist. Diese zufällige Erscheinung ist natürlich für unsere Betrachtungen
bedeutungslos.
Die Rautenornamente sind recht häufig in der Pueblokeramik zu finden. Dabei ist zu be-
merken, daß, so weit mir bekannt ist, die Maschenstreifungen nie als Treppen in ihnen wieder-
gegeben sind, sondern stets als Linien, oder richtiger gesagt als schmale Flächen, welche
Fig. 26, IV В 11638. Fig. 25.
12
H. HAEBERLIN
manchmal mit rudimentären Stufenandeutungen versehen sind. Entsprechend sind die oben an-
geführten Geflechte alle dreimaschig. Ein typisches Rautenornament ist in der Fig. 28 zu sehen.
In dem Ornamentbande, wo dieses vorkommt, sind immer nur die vier zusammentreffenden
Geflechtsvierecke als Einheit aufgefaßt. Die Ecken sind schwarz ausgefüllt, gerade wie wir
es schon so oft in der vorhergehenden Gruppe von Ornamenten haben kennen gelernt, ent-
sprechend den Ecken, die in dem wirklichen Geflechtsviereck sich durch die Eckmaschen der
einen oder anderen Gruppe von Geflechtsstreifen ergeben. Eine weitere interessante Variation
stellt Fig. 29 dar. Die konsequenteste Vereinfachung der Geflechtsmusterung zeigt endlich Fig., 30.
Hier sind die einzelnen Vierecke auf dieselbe Weise behandelt wie wir es schon bei der Fig. 4
gesehen haben, derart, daß jedes diagonal in zwei übergroße Ecken aufgeteilt ist. Bei Fig. 30
entspricht indessen im Gegensatz zu der Fig. 4 die Kombination der Elemente der tatsäch-
lichen Anordnung der Vierecke in dem Geflecht (vgl. Schema Fig. 25). Das Ornament ist sehr
oft auf unserer Keramik zu finden. Von genau demselben Ursprung ist das bekannte Mereschu-
muster der Bakairi (siehe Schmidt, Indianerstudien, S. 379ff.). Interessant ist in diesem Zu-
sammenhang eine Vergleichung unseres sog. Rautenornamentes Fig. 26 mit dem Beijuwender
Fig. 215 (ibidem). Die Identität ist hier besonders augenfällig.
Die andere Möglichkeit der Musterung, die bei dem Zusammentreffen von vier Geflechts-
vierecken mit einem gemeinsamen Punkt sich ergeben kann, ist die Form, die wir in Fig. 31
sehen. Wie wir aus unserem Schema Fig. 25 ersehen, ist dieses Ornament dasjenige, das sich
aus den Streifungen der um „B“ liegenden Geflechtsvierecke ergibt und kann gewissermaßen
als die Kehrseite von dem eben besprochenen Rautenornament mit den konzentrischen Qua-
draten aufgefaßt werden. Ein Geflecht mit entsprechender Anordnung der Vierecke findet man
abgebildet bei Mason, Aboriginal American Basketry, Plate 135.
DAS ZICKZACKORNAMENT.
Dieses findet sich in vielen Variationen sehr oft auf unserem Material. Auch diese Art
Ornament hat ihr Prototyp in dem zwei- und dreimaschigen Geflecht, gerade wie die bisher
besprochenen Ornamente. Im Grunde genommen ist die Scheidung von Rauten- und Zickzack-
ornament überhaupt nur eine äußerliche und hier nur aus praktischen Rücksichten vorgenom-
men. Ihrem Wesen und Ursprung nach stehen sie in genau demselben Verhältnis zueinander
wie das Mereschu- und Ulurimuster des Schinguquellgebietes (siehe Schmidt, S. 382-384).
Das Zickzackmuster ist die Hälfte des in dem vorigen Kapitel besprochenen Rautenmusters.
Diesem letzteren entspricht in dem Schema Fig. 25 die Musterung der zwei Reihen von Ge-
flechtsvierecken Bt A, A3 B4; jenes dagegen findet sein Prototyp in der Maschenstreifung der
einzelnen Reihe Bx A2 B A. In dem Geflecht ergibt sich das Zickzackmuster mit Notwendigkeit,
sobald eine Mehrzahl von Geflechtsvierecken in einer Reihe sich zusammenfinden, sobald also
überhaupt ein Wechsel der Streifung gegeben ist. Dabei ist nun zu bemerken, daß die Be-
zeichnung Zickzackmuster nur recht unzulänglich ist und nur gerechtfertigt wird durch den
Mangel an Begriffen, die dem eigentlichen Wesen der Flächenornamentik wirklich entsprechen.
Das Zickzack ist für uns ein Linienmotiv, und diese uns geläufige Form wird von uns erst
aus der Musterung der Gesamtfläche herausgesehen und irrtümlicherweise als Wesen der Sache
aufgefaßt. Die Ornamentik der alten Pueblo können wir nur hoffen zu verstehen, wenn wir
eine ornamentierte Fläche als Ganzes in unsere Erwägung ziehen. Diese Tatsache wäre wohl
zu beherzigen, ehe man etwa den Versuch machte, Ornamenten, wie den vorliegenden, einen
symbolischen Ursprung zuzuschreiben. Nehmen wir z. B. das Ornament der Fig. 32 und lassen
dessen Fläche in ihrer Gesamtheit bestehen, so kann kein Zweifel über die Herkunft sein.
Interessant ist ein Vergleich mit dem Ornament des Beijuwenders bei Schmidt, Fig. 206. Je-
des Viereck der Fig. 32 ist durch zwei Ecken und drei Maschenstreifungen, von denen sich
die mittleren immer treffen, wiedergegeben. Mit einer reduzierten Form ist ein Gefäß aus der
DAS FLÄCHENORNAMENT IN DER KERAMIK DER ALTEN PUEBLO-KULTUR 13
Sammlung Seler Fig. 33, geschmückt; hier sind die Ecken wiederum unverhältnismäßig groß
gemalt Das einfachste Ornament dieser Art ist schließlich Fig. 34, welches recht häufig vor-
komnit. Wie wir sehen, sind alle diese sog. Zickzackornamente bandartige Flächen. Sehr be-
zeichnend ist daß das, was uns zunächst als das Wesentliche an der Fig. 34 erscheint, näm-
lich das eigentliche Zickzack, hier gar nicht gemalt ist, sondern auf dem Topf erst als Zwi-
schenraum zwischen den gemalten ineinander greifenden Zacken entsteht, und zwar ist dies
die gewönliche Art, die entsprechende Geflechtsmusterung wiederzugeben. Dies halte ich für
einen treffenden Beweis dafür, daß das Ornament Fig. 34 nicht auf einem abstrakten Begriff
der «geometrischen Zickzacklinie oder gar auf ein naturalistisches Vorbdd zurückgeht, sondern
in einer fremden Technik sein konkretes Urbild hat. Hätte z. B. die Töpferin eine Schlange
oder die uns geläufige Zickzacklinie wiedergeben wollen, so hätte sie doch ganz einfach ohne
alles Beiwerk eine schwarze Zickzacklinie auf den Topf gemalt, gerade wie wir es in dem-
selben Fall tun würden. Niemals wäre es ihr aber eingefallen, das Zickzack als unbemalte
Fläche in einem sonst schraffierten Bande zu entwickeln. Für sie handelte es sich eben nicht
um ein Linienmotiv, sondern um eine als Ganzes ornamentierte Fläche, um eine Fläche, die
mit ihren Streifungen dem Geflecht entsprechen sollte. Wollten wir bei der wissenschaftlichen
Untersuchung der Puebloornamentik diejenigen Elemente des Ornamentes, die von unserem be-
fangenen Auge zufällig und willkürlich als Zickzackmuster, bzw. Zickzacklinie, herausgesehen
werden aus der Gesamtheit der Fläche zwecks Erklärung herausreißen - und dies ist die üb-
liche Methode mit der man in solchen Fällen an die Ornamentik herantritt -, so würden wir
uns ia den einzig möglichen Weg zu dem Verständnis des Flächenornamentes versperren. Die
Auffassung eines und desselben Ornamentes wechselt unumgänglich mit der Verschiedenheit
der psychischen Voraussetzungen bzw. Assoziationen des wahrnehmenden Subjektes, welches
in dieser Hinsicht ja nur ein historisches Produkt sein kann. Aus diesem Grunde hält es auch
oft so schwer für uns eine zutreffende charakterisierende Terminologie bei der Behandlung der
Flächenornamentik zu finden. Wie unzulänglich die Bezeichnung Zickzackornament ist, erhellt
ferner noch aus Fig 33. Dieses muß doch seinem ganzen Wesen nach zusammen mit den
5Z-» « *:» - «««—
l—» Und dennoch „ „lhl J, „
zacKmubieimig u doch m dem Geflecht ganz von
alten Pueblos ebenso natürlich als wenn sie es taten, r.eflechtsvierecke abhännin
der zufälligen Beschaffenheit und Größe der zusammentreftenden Geilech svierecke abhängig,
ob sich zwei senkrecht zueinander stehende Maschenstreifungen innerhalb der geflochtenen
Fläche treffen oder nicht. . . , ,.
Daß die abgeieitete sogenannte Zickzackmusterung nicht nur von der Flechterei auf die
Technik der Bemalung übertragen worden ist, sondern von jener auch auf die bei der „co.led
Ware oft angewendete Ritztechnik, geht schön aus einem coiled Topf in der Sammlung Cole
IVB 11516 hervor. Dieser ist mit mehreren horizontal übereinander verlaufenden Bändern ge-
schmückt welche ganz einfach abwechselnd von oben rechts nach unten links und von oben
links nach unten rechts fortlaufend gestreift, d. h. geritzt sind, so daß dem Wesen der Sache
nach dieselbe Musterung entsteht wie bei dem gemalten Ornament Fig. 32.
im Zusammenhang mit den oben besprochenen Ornamenten möge hier noch auf die höchst
interessante Variation Fig. 35 aufmerksam gemacht werden. In dieser sind überall dort, wo die
Maschenstreifung wechselt, also an den Grenzen der einzelnen Geflechtsvierecke die Winkel
Wie ich glaube, ist dies getan, um die vergrößerten Maschen anzudeuten, die in
ausgefü • e^geben, wo die Maschenstreifungen sich im rechten Winkel treffen,
tnipselhe Erscheinung bei dem typischen Mereschumuster der Bakairi!) Wenn auch die über
r Tstreifen (bei dem dreimaschigen Geflecht) laufende Masche eigentlich die Streifung nicht
verstärkt da sie die Verschmelzung von zwei Maschen darstellt, erzeugt sie dennoch auf dem wirk-
H. HAEBERLIN
j \
lichen Geflecht tatsächlich optisch den Anschein des aus-
gefüllten Winkels. Interessant an der Fig. 35 sind ferner auch
die wenigstens an der oberen Peripherie erhaltenen Dreiecke,
welche der Musterung an der Grenze jedes abgeschlossenen
Geflechtes entsprechen (siehe Fig. 25).
MÄANDERORNAMENTE.
Im folgenden soll nunmehr eine von allen bisher kennen gelernten Beispielen unserer
Ornamentik durchaus verschiedene Gruppe von Ornamenten behandelt werden, die außerordent-
lich viel Interessantes bietet, eine Gruppe, die wir kurz unter der Bezeichnung Mäanderorna-
mente zusammenfassen werden, wenn auch eine solche begriffliche Abgrenzung nur von rela-
tiver Richtigkeit ist. Diese Ornamente sind, wenigstens alle die, welche wir in diesem Kapitel
werden kennen lernen, unmittelbar und unverändert von der Flechterei übernommen, und zwar,
was für unsere Feststellungen von besonderer Bedeutung ist, von dem dreimaschigen Geflecht.
Bei dem zweimaschigen Geflecht sind nämlich rein mathematisch die Bedingungen nicht
möglich, die für die Entstehung einer Mäandermusterung, — wenn man selbstredend von dem
Zickzack des vorhergehenden Kapitels absieht, — gegeben sein müssen. Eine derartige Maschen-
streifung kann sich erst ergeben, wenn drei Geflechtsvierecke einen gemeinsamen Punkt haben.
Diese Anordnung ist aber technisch in dem zweimaschigen Geflecht ausgeschlossen; dieses
ist an die symmetrische Anordnung von vier, bzw. nur zwei, Vierecken gebunden. Bei dem
Zickzack- und dem Rautenmuster waren es immer zwei oder vier Geflechtsvierecke, die einen
solchen gemeinsamen Punkt, bzw. gemeinsamen Streifen hatten. Bei ihnen konnte deshalb das
Geflecht entweder zwei- oder dreimaschig sein.
Wie die Mäandermusterung ganz von selbst aus der Flechttechnik entsteht, sobald bei dem
dreimaschigen Geflecht die Vierecke nicht mehr schachbrettartig angeordnet sind, ersieht man
am besten aus einem Schema, welches genau die einzelnen Maschen wiedergibt.1) Nehmen
wir zu diesem Zweck die später ausführlich zu besprechende Fig. 40; hier sind die Reihen von
Geflechtsvierecken gerader und ungerader Zahl nicht mehr symmetrisch, d. h. nicht mehr
schachbrettartig angeordnet wie bei der Rautenmusterung der Fig. 25, und immer drei Ge-
flechtsvierecke haben einen gemeinsamen Punkt. Die Variierung der Richtung der Maschen-
streifung ergibt sich, wie wir wissen, eo ipso zusammen mit einer Mannigfaltigkeit von Ge-
flechtsvierecken. Und daß ein Geflecht eine solche aufweist, ist das Gewöhnliche. Es ist näm-
lich mehr als unwahrscheinlich, daß das ganze Geflecht hindurch unnötigerweise eine und
dieselbe Richtung der Streifung innegehalten wird, ganz be-
sonders, da es als das Gegebene zu betrachten ist, daß man
abwechselnd bald mit der einen, bald mit der anderen
Gruppe von Geflechtsstreifen flicht. Dabei ist höchst wesent-
lich festzustellen, daß der Flechter, bzw, die Flechterin, ur-
sprünglich immer nur drei auf drei nieder das ganze Ge-
flecht hindurch flicht. Somit ergibt sich auch die Konstruk-
tion der Winkel, wo sich zwei Streifungen im rechten Winkel
treffen und wo in dem dreimaschigen Geflecht stets ein Streifen
über fünf und ein anderer nur über einen Streifen der zu ihm
senkrechten Gruppe läuft, nicht durch Abzählen der einzelnen
Maschen, sondern allein durch die Art des Flechtens. Erläutern
Fig. 36, IV В 7021.
1) Auf die Art und Weise, wie eine Mäandermusterung in dem Ge-
flecht ohne bewußte Absicht des Flechters, sozusagen aus den gegebenen
Eigentümlichkeiten der Technik heraus entstehen kann, hat zuerst Max
Schmidt aufmerksam gemacht (siehe z. B. „Indianerstudien“ S. 345f.)
15
-L
DAS FLÄCHENORNAMENT IN DER KERAMIK DER ALTEN PUEBLO-KULTUR
wir diese bedeutsame^ Tatsache an unserem
Schema der Fig. 25. Nehmen wir z. B. an, daß von
dem Geflecht bis jetzt nur das Viereck B^AVBA
fertig ist und aus diesem die Streifen in allen
vier Richtungen frei herausragen. Die Flechterin
will nun ein zweites Viereck etwa A^B.AB hin-
zufügen. Für dieses sind die horizontalen
Streifen schon vorhanden; sie flicht deshalb in diese eine neue vertikale Gruppe von freien
Streifen ein, und zwar immer drei auf drei nieder. Indem sie aber dies tut und zugleich
einen Wechsel der Richtung der Maschenstreifung, gleichgültig ob willkürlich oder unwill-
kürlich, unternimmt, entstehen von selbst die horizontalen, zwischen Ax und B liegenden ein-
und fünfmaschigen Maschen. Auf diese Weise verfährt die Flechterin durch das ganze
Geflecht. Daß die Pueblos im Laufe der Zeit sich allmählich der Gesetzmäßigkeiten der Muste-
rung innerhalb der Flechterei bewußt wurden und nun darauf kamen, die Maschen nach einem
wirklichen oder gedachten Vorbilde abzuzählen und somit gleichzeitig zwei oder noch mehr
Geflechtseinheiten zu flechten, soll hiermit natürlich nicht bestritten werden. Es ist aber da-
durch zugleich als das Nichtprimäre gekennzeichnet. Nehmen wir z. B. das alte Pueblogeflecht
der Fig. 36. Sicherlich ist dessen komplizierte und symmetrische Musterung eine sekundäre
Form, die unter voller Beherrschung und Berechnung der gegebenen Möglichkeiten entstanden
ist. Man kann nicht sagen, daß ein derartiges Muster unmittelbar mit dem Wesen der Technik
der Stufenflechterei zusammenhängt, wie das bei den von uns später zu behandelnden Orna-
menten der Fall ist. In dieser Hinsicht ist es auch eine bemerkenswerte Tatsache, daß solche
freie Geflechtsformen in unserer abgeleiteten Keramikornamentik gar keine Rolle spielen. Ihnen
fehlt eben die Unmittelbarkeit der typischen Geflechtsmusterungen, die für unsere Ableitung
in Betracht kommen. Da es nun das Primäre, weil das technisch unmittelbar Gegebene ist,
daß die Flechterin bei allem Wechsel der Maschenstreifung immer drei auf drei nieder flicht,
erkennen wir, daß es irrig ist, wenn Mason schreibt.
I
mitive Culture, London 1895. S. 171. Fig. 3».
„It may safely be said that the
whole body of decoration that has come
out of the textile industry originated in
woman’s brain.“1)
Und an anderer Stelle;
„Many of the figures on savage
basketry contain intricate series of num-
bers, to remember which cost much
mental effort and use of numerals . . .
The ever-present geometrician of sava-
gery is the woman basket-maker. She
knew lines, triangles, squares, polygons
of all sorts, meanders and a set of cy-
cloidal curves.“ (ibidem S. 52).
Daß eine Wechselwirkung zwischen
der Flechterin und ihrer Technik statt-
gefunden hat und daß sie infolge eben
dieser Wechselwirkung die Formen tat-
sächlich mehr oder weniger klar in ihrer
Abstraktheit allmählich erfaßt hat, muß
1) O. T. Mason, Woman's Share in Pri-
16
H. HAEBERLIN
eine psychologische Tatsache sein, die entwicklungsgeschichtlich selbstverständlich ist. In dieser
Wechselwirkung ist die Flechterin das Subjekt, das auf Reize reagiert, nicht aber ist sie die
Schöpferin der Formen, noch sind diese ihr angeborene Bewußtseinsinhalte.
Um auf unsere Mäandermusterungen zurückzukommen, möge hier gleich mit dem be-
kannten Ornament unserer Fig. 37 begonnen werden. Das Schema des entsprechend ge-
musterten Geflechtes ist Masche für Masche genau in der Fig. 38 wiedergegeben. Aus diesem
ersehen wir, auf welch einfachen Formen die Mäandermusterung in dem Geflecht beruht; man
braucht dieses nur in seine Vierecke, also in seine konstruktionell gegebenen Grundelemente
aufzulösen. Wir haben es hier mit einem Geflecht zu tun, in dem immer eine Reihe von gleich
großen länglichen Geflechtsvierecken mit einer dieser gleich breiten, durchgeflochtenen Gruppe
von Streifen abwechselt. In dieser letzten findet somit überhaupt kein Wechsel der Maschen-
sifeifuhg statt. Die Anordnung der Geflechtselemente ist eine überaus klare und durchsichtige.
Als man eine Reihe von Geflechtsvierecken geflochten hatte und die freien Enden der Streifen,
mit denen man geflochten hatte, nun aus dem fertigen Teil herausragten, mußte es besonders
nahe liegen, die alten vertikalen mit neu eingefügten horizontalen Streifen zu einem einzelnen
durchlaufenden Viereck immer drei auf drei nieder zu verflechten. Die Maschenstreifung an
denselben Stellen wechseln zu lassen, wie in dem schon geflochtenen Teil, dazu lag ja in dem
dreimaschigen Geflecht kein Anlaß vor. Ganz entsprechend dieser Einfachheit der Konstruk-
tion dieses Geflechtes ist die Mäandermusterung der Fig. 37 in der Keramik der alten Pueblos
oft anzutreffen.
Wenn auf unserem Schema die eine Gruppe von Geflechtsstreifen schraffiert, die andere
weiß gelassen ist, so ist dies ein Mittel unsere Ausführungen zu erläutern. Es ist indessen
unzulänglich, denn auf dem wirklichen Geflecht sieht man in Wahrheit eine Fläche als Ganzes
ornamentiert, aus der erst das Bewußtsein des wahrnehmenden Subjektes die eine oder andere
Musterung heraussieht, derart also, daß die Aufmerksamkeit nicht wie bei unserem Schema
durch die dunklere Wiedergabe der einen Gruppe von Geflechtsstreifen in ihrer Bewegungs-
freiheit beeinträchtigt wird. Da es in Wirklichkeit komplementäre Muster sind, die die Strei-
fung des Gesamtgeflechtes ausmachen, so sind es immer zwei Vorstellungen, ein positives und
ein negatives Muster, die bei der Flächenornamentik des Geflechtes um unsere Aufmerksam-
keit werben. Das eine Muster wird gebildet durch die Maschen der vertikalen Geflechtsstreifen,
das andere durch die Maschen der horizontalen. Auf dem wirklichen Geflecht des Schemas
Fig. 38 würde man z. B. abwechselnd zwei Musterungen sehen: das eine Mal das hier schraf-
fierte Mäander, das andere Mal die weiß gelassenen ineinander greifenden Reihen von Haken.
Da die horizontalen und vertikalen Streifen gemäß der Technik von koordinierter Wichtigkeit
sind, so sind es die komplementären Muster auch. Diese Koordination muß der Flechterin
selbst, die doch abwechselnd mit beiden Gruppen von Geflechtsstreifen flicht, ganz besonders
zum Bewußtsein kommen. Bei gewissen Lichtspiegelungen tritt bald das eine, bald das andere
Muster deutlicher oder ausschließlich hervor. Wo dieser äußere Zwang nicht gegeben ist,
wechselt die Auffassung in einer merkwürdigen, für die Phantasietätigkeit interessanten Weise.
Ist die komplementäre Musterung eine ganz naturgemäße Erscheinung in der Flechterei,
wo doch Fläche und Ornamentierung identisch sind und eigentlich gar nicht unterschieden
werden können, so muß es interessant sein zu untersuchen, wie sich eine ganz andere Tech-
nik mit der abgeleiteten Form abfindet. Bei der Bemalung der Keramik liegt die Sache so,
daß eine schon vorhandene Fläche ornamentiert wird. Die schwarz gemalte Musterung muß
doch hier immer gemäß ihrem Wesen die Tendenz aufweisen, gegenüber der weiß gelassenen
Fläche in den Vordergrund der Aufmerksamkeit zu gelangen, zumal bei der Verfertigerin des
Ornamentes selbst, die die Bemalung ja mit der eigenen Hand vornimmt. In diesem Zusam-
menhang ist es für unsere Frage nach dem Wesen der Flächenornamentik auf der Pueblo-
keramik eine höchst bedeutsame Feststellung, daß es in der Sammlung Cole neben Töpfen,
% vsm\*
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DAS FLÄCHENORNAMENT IN DER KERAMIK DER ALTEN PUEBLO-KULTUR
die die Bemalung der Fig. 37 aufweisen, auch ein Exemplar gibt, das
die entsprechende komplementäre Musterung schraffiert wiedergibt, wie
in Fig. 39. Den Mäander der Fig. 37 sieht man also in der Fig. 39 als
weißen Zwischenraum zwischen den schraffierten ineinander greifenden
Haken. Wenn die Musterung in der einen Figur eine größere Drehung
um sich selbst zu machen scheint, so werden wir späterhin sehen, daß
dies in der Pueblokeramik nie einen prinzipiellen Unterschied bedeutet.
Pie komplementäre Zusammengehörigkeit der Fig. 37 und 39 scheint
mir so klar, daß sie allein genommen einen Beweis liefert, der schla-
gend genug wäre, um die Ornamentik unserer Keramik als typische
Flächenornamentik zu kennzeichnen und somit zu veranlassen, daß
man ihren Ursprung in der Flechttechnik sucht.
Ein der Fig. 37 sehr ähnlicher Mäander der Puebloornamentik er-
gibt sich auf eine etwas andere Weise. Er ist noch charakteristischer
für diese als jener zuerst besprochene Mäander. Das entsprechende Schema
der Geflechtsmusterung ist in der Fig. 40 wiedergegeben. Von den
komplementären Mustern dieses Geflechtes ist das der in dem Schema weiß gelassenen, verti-
kalen Streifen u. a. auch auf dem Topf IV B 10662 unserer Sammlung als schraffiertes Orna-
ment zu finden. Das Geflecht der Fig. 40 unterscheidet sich von dem der Fig. 38 dadurch, daß
nicht zwei Reihen von Geflechtsvierecken verschiedener Art miteinander abwechseln, sondern
daß überhaupt alle Vierecke gleich groß und quadratisch sind, indem alle aus 12 mal 12 Streifen
bestehen. Sie sind auch, wie die Beschaffenheit ihrer Ecken lehrt, alle gleich in der Anlage,
mit der einzigen Ausnahme natürlich, daß die Streifungen abwechselnd von unten rechts nach
oben links und von oben rechts nach unten links verlaufen. Von dem Geflecht mit der Rauten-
musterung der Fig. 25 unterscheidet sich das vorliegende dadurch, daß in diesem die Ge-
flechtsvierecke der aufeinander folgenden Reihen nicht symmetrisch übereinander angeordnet
sind, sondern immer um sechs Geflechtsstreifen gegeneinander verschoben zu sein scheinen.
An dieser Stelle möge gleich darauf aufmerksam
gemacht werden, daß, wenn wir hier von einer „Ver-
schiebung“ reden, wir diesen Ausdruck nur als ein
Mittel gebrauchen, um die Geflechtsschemata zu erläu-
tern. Unsere Methode darf dabei nicht - was zu be-
merken hoffentlich überflüssig sein wird - mit der von
Stübel in seiner Abhandlung über „altperuanische Ge-
webemuster“ (Dresden 1888) verwechselt werden. Stü-
bel s Ausführungen sind deshalb so unbefriedigend, weil
er die Entstehung der Mäander auf die ganz zufällige
Verschiebung von Teilen ursprünglich anders gearteter
Musterungen zurückzuführen versucht, indem er diese
durch eine etwaige Aneinanderreihung von Topfscherben
oder Gewebefragmenten zu motivieren vergebens bestrebt
ist. Ganz im Gegensatz zu einem solchen Vorgehen
sind unsere Ausführungen über die Anordnung der Vier-
ecke in dem Geflecht, welche zu veranschaulichen der
Zweck unserer Schemata ist, auf ganz realen, in der
Flechttechnik gegebenen Tatsachen aufgebaut. Wenn
wir daher sagen, daß eine Reihe von Geflechtsvierecken
gegenüber einer anderen verschoben ist, so ist dies nur als
Fig. 40. eme kurze Ausdrucksweise dafür zu betrachten, daß die
BAESSLER-ARCHIV VI, 1/2. 3
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H. HAEBERLIN
Flechterin in den aufeinander folgenden Reihen von Geflechtsvierecken nicht an denselben Stellen
die Richtung der Maschenstreifung wechselte. In dem dreimaschigen Geflecht, wohlbemerkt
aber nicht in dem zweimaschigen, ist ja der asymmetrische Wechsel ebenso leicht zu bewerk-
stelligen wie der symmetrische. Als die Flechterin eine Reihe von Geflechtsvierecken geflochten
hatte und die Streifen nun frei herabhingen, konnte sie in der zweiten Reihe die Streifung an
irgendeiner Stelle, oder richtiger ausgedrückt nach jedem dritten Streifen wechseln lassen.
Von dem Standpunkt der Flechterin ist von einer Verschiebung überhaupt keine Rede, sondern
erst für uns, die wir die Konstruktion des fertigen Geflechtes in Schemata analysieren. Daß
alle Geflechtsvierecke wie in unserem Geflechtsschema gleich groß sind, ist gewiß an und für
sich nichts notwendig Gegebenes. Ihr gegenseitiges Größenverhältnis kann willkürlich variiert
werden. In diesem Fall werden auch dieselben oder ganz ähnliche Musterungen entstehen, wie
in unseren verschiedenen Schemata, jedoch wird ihre Aufeinanderfolge eine ganz unregelmäßige
sein. Sobald man aber bei wachsender Beherrschung der in der Flechterei gegebenen Bedin-
gungen nach regelmäßiger und somit wohlgefälliger Musterung strebte — was sich ja not-
wendigerweise bei einem Volke, das Jahrhunderte lang geflochten hatte, einstellen mußte, -
ergab sich auch ganz von selbst eine geregelte Größe der Geflechtsvierecke.
Wenn man die Anordnung der Vierecke, wie wir sie in der Fig, 40 kennen gelernt haben,
beibehält, ihre Größe aber durchweg von 12mal 12 auf 6mal 6 Geflechtsstreifen reduziert, so
ergibt sich die Musterung, die in dem Schema der Fig. 41 zu sehen ist. Die von diesem Ge-
flecht abgeleiteten Keramikornamente sind außerordentlich häufig; ein Beispiel sehen wir in
der'Fig. 42. Interessant sind an diesem Ornament übrigens auch die an der oberen Peripherie
erhaltenen eingekeilten Dreiecke, welche, wie aus dem Schema der Fig. 41 zu ersehen ist, der
Anlage des wirklichen Geflechtes entsprechen. (Siehe die entsprechende Erscheinung in dem
Ornament der Fig. 35.) Die Musterung der Fig. 41 kann man damit beschreiben, daß man von
einem Zickzack spricht, von dem von oben und unten in entgegengesetzter Richtung weisend
Mäanderhaken ausgehen. Genau dieselbe Musterung sehen wir in den schraffierten Maschen
der Fig. 40. Während aber in dem Schema Fig. 41 sowohl die vertikalen wie die horizon-
talen Maschen dieselbe Zickzack-Mäanderhakenmusterung aufweisen, tun es in der Fig. 40 in-
folge der in beiden Richtungen verdoppelten Anzahl der Streifen der einzelnen Geflechtsvier-
ecke immer nur die horizontalen Maschen, während die vertikalen eine besondere Musterung
annehmen, und zwar die des kontinuierlichen Mäanders, der Musterung des schon erwähnten
Topfes IV В 10662. Dasselbe kann man auch so ausdrücken, daß man sagt, Fig, 40 stelle die-
selbe Musterung dar wie Fig. 41, jedoch mit dem Unterschiede, daß dort zwischen die gleichen
komplementären Muster dieser letzteren Figur noch ein diese beiden trennender Mäander ein-
geschoben sei. Wegen dieser Wesensverwandtheit der beiden Musterungen wähle ich auch für
die Haken in der Fig. 41 gerade wie für die entsprechenden der Fig. 40 den Ausdruck Mäan-
derhaken. In der Fig. 41 sind die beiden komplementären Muster, das positive und das nega-
tive, in dem Schema einmal schraffiert, das anderemal weiß wiedergegeben, deren Haken in-
einander greifen, ihrer Form nach identisch und unterscheiden sich nur durch die verschiedene
Richtung der einzelnen Maschen. Im Gegensatz hierzu sind die komplementären Musterungen
der Fig. 40 in ihrer Form verschieden und die Zickzacke mit dem Mäanderhaken, welche ge-
rade wie die der Fig. 41 immer ineinander greifen, werden von Geflechtsstreifen einer und der-
selben Richtung, und zwar in unserem Schema von den horizontalen, gebildet. Dieser Unter-
schied, wie trivial er auch zunächst erscheinen mag, ist ein prinzipieller für die Untersuchung der
betreffenden, abgeleiteten Ornamente der Keramik. Mit Rücksicht auf ihn ist es zweckmäßig,
die Musterung der Fig. 41 eine zweiteilige, die der Fig. 40 dagegen eine dreiteilige zu nennen.
Bei der Ableitung werden nämlich, wie wir wissen, die Streifungen der einen oder der anderen
Maschenrichtung schwarz gemalt bzw. schraffiert wiedergegeben, während deren komple-
mentäre Streifungen auf der Keramik überhaupt nicht in der Bemalung berücksichtigt werden,
DAS FLÄCHENORNAMENT IN DER KERAMIK DER ALTEN PUEBLO-KULTUR
19
ohne aber deshalb weniger wichtig für
die Gesamtheit des Flächenornamentes zu
sein. Demgemäß werden bei der Ablei-
tung der komplementären Zickzack-Mäan-
derhakenmusterungen derFig.41 die einen
durch die Bemalung ausgeführt, die an-
deren erkennt man wieder in den zwi-
schen jenen vorhandenen Zwischenräu-
men. (Siehe .die in einem anderen Zu-
sammenhang zu besprechende Fig. 60.)
Somit ist auch das abgeleitete Ornament
der Fig. 41 als zweiteilig zu bezeichnen.
Wird nun andererseits ein Keramikorna-
ment von dem Geflecht der Fig. 40 ab-
geleitet, so wird entweder der Mäander
oder dessen komplementäies Muster,
nämlich die Zickzack-Mäanderhaken, in der Bemalung unmittelbar wiedergegeben. In beiden
Fällen ist die Ornamentierung eine dreiteilige zu nennen; muß es sich doch immer um
drei Elemente des Ornamentes handeln, nämlich um zwei Zickzack-Mäanderhakenmuste-
rungen, deren Hakenreihen ineinander eingreifen, und den kontinuierlichen Mäander, wenn
auch immer nur eine dieser komplementären Seiten der Gesamtmusterung auf der Keramik
zu einer bemalten Wiedergabe gelangt. Die Wichtigkeit dieser Ausführungen wird sich später
erweisen.
Die Musterung, die wir als Zickzack-Mäanderhaken bezeichnet haben, ist wohl in ihren
mannigfaltigen Variationen das typischste aller Musterungen in der Ornamentik der alten Pueblos.
Mit dieser Tatsache steht in dem innigsten Zusammenhang, daß jene Musterung zugleich auch
rein mathematisch, und zwar sowohl in ihrer zwei- wie dreiteiligen Form, die typischste Mu-
sterung des dreimaschigen Geflechtes überhaupt darstellt. Wie groß auch immer die Geflechts-
vierecke gewählt werden und wie ihre gegenseitige Anordnung auch sein mag - so lange
diese nicht eine symmetrische ist von der Art der Fig. 25 oder eine einheitlich durchgefloch-
tene Gruppe von Geflechtsstreifen mit einer Reihe von Vierecken abwechselt wie in der Fig, 38
- fast ausnahmslos ergibt sich die eine oder andere Variation jener Grundmusterung, in der
von einem Zickzack Mäanderhaken ausgehen. Dabei ist es wichtig zu bemerken, daß, wäh-
rend das Zickzack naturgemäß immer dasselbe bleibt, die Mäanderhaken sich nach Größe und
Anordnung der Geflechtsvierecke differenzieren und variieren. Dies entspricht wiederum den
Variationen der abgeleiteten Formen in der Keramik. Wenn man z. B, die Größe der Vierecke
der Fig. 40 beibehält, die Lage ihrer Reihen aber dahin verändert, daß sie immer um drei Ge-
flechtsstreifen gegeneinander „verschoben“ sind, so ergibt sich das Geflecht, dessen Schema
in der Fig. 43 wiedergegeben ist. Wie wir sehen, ist hier der die Haken trennende Mäander
der Fig. 40 fortgefallen, dafür ist aber die Drehung der Haken um sich selbst eine größere
geworden. Die Haken sind
jetzt schon wirkliche Spiralen.
Auf diese Weise sind die in
mannigfachen Verbindungen
vorkommenden, sowie vielleicht
auch die manchmal isoliert an-
zutreffenden Spiralen zu er-
klären. Durch entsprechende
Größe und Anordnung der Vier-
3*
20
H. HAEBERLIN
ecke ergeben sich auch ferner Musterungen, in denen,
obgleich die Drehung der Haken bzw. Spiralen, eine be-
liebig große sein kann, der kontinuierliche Mäander den-
noch nicht fehlt. Ein schönes Beispiel einer abgeleiteten
Musterung dieser Art zeigt Fig. 44, welche, wie auch
unsere übrigen Zeichnungen, das Ornament nur im Aus-
schnitt wiedergibt. Hier sind die Zickzack-Mäanderhaken
in der Bemalung schwarz wiedergegeben, während die
weiße Fläche zwischen diesen dem bekannten Mäander
entspricht. Das Ornament ist, wie man sich leicht über-
zeugen kann, identisch mit der schraffierten Musterung
der Fig. 40, jedoch mit der Ausnahme, daß die Mäander-
haken sich durch eine größere Drehung unterscheiden.
Auf obige Weise findet ein Ornament wie das der Fig. 44,
welches uns zuerst so ungemein kompliziert und unver-
ständlich erscheinen mußte, eine einfache Erklärung sei-
ner Formen.
Fig. 44 weist ein für das Wesen der Flächenorna-
mentik typisches Beispiel auf. Mit ebenso großer Wahr-
scheinlichkeit hätte umgekehrt die den Haken komplemen-
täre Musterung in der Bemalung schwarz wiedergegeben
werden können. Sind doch in dem Geflechtsprototyp beide
komplementären Musterungen notwendigerweise von koordinierter Bedeutung. In diesem Zu-
sammenhang möge auf ein interessantes Gefäß aufmerksam gemacht werden, daß bei Holmes,
Pottery of the Ancient Pueblos, S. 336, Fig. 317 abgebildet ist. Hier tritt uns die höchst be-
zeichnende Erscheinung entgegen, daß in einem und demselben Ornamentbande sowohl die
positiven wie die negativen Bestandteile derselben Gesamtmusterung in schwarzer Bemalung
vertreten sind; das eine Mal hat die Pueblofrau den Mäander gemalt, das andere Mal die in-
einander greifenden Haken. Dies scheint auf die Tatsache hinzuweisen, daß die Pueblos die
beiden Muster nicht, wie wir es tun, als verschiedene auffaßten, sondern lediglich als variierte
Formen der Wiedergabe eines und desselben Flächenornamentes. Der anscheinend unmoti-
vierte Sprung der Malerin von der positiven auf die negative Musterung erinnert unmittelbar
an das Schwanken der Aufmerksamkeit zwischen den beiden komplementären Maschenstrei-
fungen bei der Betrachtung eines Geflechtes. Recht interessant ist in dieser Hinsicht übrigens
auch ein südamerikanischer Korb der entsprechenden Flechtart aus der Sammlung Koch-
Grünberg (Berliner Museum VB6165), welcher mit schwarzen Geflechtsstreifen der einen
Richtung und weißen der anderen geflochten ist. Auf diesem weist die Musterung der
schwarzen Streifen ebenfalls nebeneinander den kontinuierlichen Mäander und dessen komple-
mentäres Muster, die ineinandergreifenden Haken, auf.
Nachdem wir den Ursprung der Spirale bzw. der Mäanderhaken, sowohl der „zweiteiligen“
wie der „dreiteiligen“, in der Puebloornamentik kennen gelernt haben, möge hier kurz auf die
Ansichten von Fewkes betreffs jener eingegangen werden. Es ist ihm aufgefallen, daß die
Enden der ineinander greifenden Haken sich nie in der Mitte der Figur verbinden. Nach dem,
was wir über das Wesen der Mäanderhaken erfahren haben, erscheint uns diese Tatsache ganz
selbstverständlich. Daß die Enden sich nicht treffen, ist eben rein mathematisch in dem Ge-
flecht gegeben. So ist es doch z. B. einleuchtend, daß die Enden der Haken in der Fig. 40
getrennt bleiben; genau dasselbe gilt, wenn die Haken sich mehrmals um sich selbst drehen.1)
1) Siehe Geflecht bei Nordenskiöld, PI. 44, Fig. 2.
DAS FLÄCHENORNAMENT IN DER KERAMIK DER ALTEN PUEBLO-KULTUR
21
Fig. 44, IV B 11310.
Während die Sache im Grunde genommen so
einfach ist, wird Fewkes veranlaßt, seine Er-
klärung weit herzuholen. Er versucht nämlich,
obige Erscheinung mit der anderen in Zusammen-
hang zu bringen, daß bei einem gewissen Typus
von Pueblokeramik eine gerade Linie, die ein
Gefäß umfaßt, fast ausnahmslos an einer Stelle
eine Unterbrechung erleidet. Diese ist besonders
typisch für die Sikyatkikeramik1) und gibt Anlaß
zu symbolischer Deutung.") Bei Fewkes heißt es:
„lf any of the interlocking spirals on bowls or
vases are traced, it is found that they do not join
at the center of the figure. The same is true
when these spirals become frets. There is always
a break in the network which they form. This
break is comparable with the hiatus on encircling
bands and probably admits of the same inter-
pretation.“1 2 3) Ein derartiger Vergleich scheint mir
unfruchtbar, denn er beruht auf einer äußerlichen Analogie. Wie ich meine, ist er veranlaßt
durch den Versuch, die Ornamentalformen in Verbindung mit einer symbolischen Bedeutung
zu bringen.
Im Anschluß an die oben besprochenen Mäander möchte ich an dieser Stelle noch auf
zwei weitere Ornamentalbänder dieser Art aufmerksam machen. Beide finden sich auf Töpfen
unserer Sammlung. Nehmen wir zuerst das Ornament der Fig. 45. Auch dieses halte ich für
ein abgeleitetes Geflechtsmuster.4) ln Fig. 46 ist das Geflecht genau Masche für Masche aus-
geführt, das die entsprechende Musterung zeigt. Die Einfachheit der Anlage dieses Geflechtes,
welche' man aus der Anordnung der Geflechtsvierecke ersieht, scheint mir überzeugend für die
obige Behauptung über die Herkunft des Ornamentes der Fig. 45. Zwei Größen von Vierecken
kommen vor; die einen bestehen aus 6 mal 6, die anderen aus 6 mal 12 Geflechtsstreifen. Be-
merkenswert ist, daß die kleinen Vierecke einerseits und die großen andererseits alle gleich
sind, und zwar nicht nur in der Beschaffenheit ihrer Ecken, sondern auch in der Richtung
ihrer Maschenstreifungen, derart, daß alle kleinen Geflechtsvierecke von oben links nach unten
rechts und alle großen von unten links nach oben rechts gestreift sind. Die kleinen und großen
Vierecke wechseln innerhalb der Reihen miteinander ab. Die Reihen sind um sechs Qeflechts-
streifen, d. h. um die Länge eines kleinen Viereckes, gegeneinander „verschoben“. Bei dieser
Anlage treffen sich im Unterschiede von den Geflechten unserer früheren Schemata mit Mäander-
musterungen an gewissen Stellen auch vier Vierecke in einem gemeinsamen Punkt. Wenn
man die Anlage des Geflechtes der Fig. 46 Masche für Masche genau beibehält, nur die eine
Veränderung vornimmt, daß man nach jeder zweiten Reihe von Geflechtsvierecken ein langes,
ohne Wechsel der Streifung durchgeflochtenes, von oben rechts nach unten links gestreiftes
Viereck mittels sechs horizontaler Streifen einschaltet (vergleiche Fig. 38), so ergibt sich die
schöne Mäandermusterung der Fig. 47. Das entsprechende Geflechtsschema kann hier leider
des Raumes wegen nicht gegeben werden, aber die Richtigkeit der Behauptung kann leicht
1) Fewkes: Prehistoric Culture o! Tusayan, Am. Anthr. Vol. 9, S. 170.
2) Cushing; A Study of Pueblo Pottery, 4th An. Rep. Bur. Ethn. S. 510ff.
3) Fewkes; Archeological Expedition to Arizona in 1895, 17th An. Rep. Bur. Ethn. S. 705. — Siehe ferner:
ibidem p 569. - Fewkes: Ancient Pueblos and Mexican Water Symbol, Am. Anthr. New Series Vol. 6, S. 535f.
- Fewkes: Pacific Coast Shells from prehistoric Tusayan Pueblos, Am. Anthr. Vol. 9 Old Series, S. 361.
4) Geflechte mit der Musterung der Fig. 45 liegen tatsächlich aus Südamerika vor.
22 H. HAEBERLIN: DAS FLÄCHENORNAMENT IN DER KERAMIK DER ALTEN PUEBLO-KÜLTUR
nachgeprüft werden. Wir haben schon an anderer Stelle darauf aufmerksam gemacht, wie
nahe der Flechterin in der dreimaschigen Geflechtsart die Einfügung einer ohne Wechsel der
Streifung durchgeflochtenen Gruppe von Geflechtsstreifen nach Art des obigen Falles liegen
mußte. Die überaus nahe und unmittelbare Verwandtschaft von Fig. 45 und 47, welche doch
an und für sich so ganz unähnlich zu sein scheinen, halte ich für besonders bemerkenswert,
da sie einzig und allein auf die Weise zu erkennen ist, daß man die gegebenen Musterungen
in ihre mathematisch genau bestimmbaren Grundelemente im Geflecht auflöst.
Ehe wir zu einer weiteren Gruppe von Ornamenten übergehen, sei noch kurz auf die in-
teressante Fig. 48 hingewiesen. Ich glaube, dieses Ornament ist nichts anderes als eine Varia-
tion der Mäandermusterung. Betrachtet man nämlich die Musterung von Fig. 38 in einem wirk-
lichen Geflecht, so kann man die Maschenstreifungen auch so auffassen, daß man tatsäch-
lich Reihen von großen Haken auf einer Basis stehend oder von ihr herabhängend sieht. Diese
Erscheinung entsteht dadurch, daß man die in Schema Fig. 38 weiß gelassenen kleinen Haken,
welche von den vertikalen Geflechtsstreifen gebildet werden, zusammen mit den um diese her-
umlaufenden Teilen des kontinuierlichen Mäanderbandes als Ganzes, als große Haken, auffaßt.
Auch diese Erscheinung ist psychologisch auf die vereinheitlichende Tätigkeit unseres Bewußt-
seins zurückzuführen. Man beobachtet sie in noch komplizierterer Form bei einem Geflecht
der Sammlung Sei er, Fig. 49, wo das Bewußtsein, besonders wenn man das Original selbst
vor sich hat, die vielen Maschenstreifungen zu dem einfachen Bilde von zwei ineinander grei-
fenden Haken gestaltet.1) Das abgeleitete Ornament der Fig. 48 entspricht ganz dieser Er-
scheinung in der ganzen Anlage der Teile in der Fläche, wie auch in der bemerkenswerten
Tatsache, daß die beiden Reihen von Haken in richtigem Verhältnis zueinander und zu der die
Basis wiedergebenden Grundlinie in entgegengesetzten Richtungen weisen.
KOMBINATIONEN DER MÄANDERHAKENMUSTERUNG MIT DEM GEFLECHTSVIERECK
ALS SOLCHEM.
Bis jetzt sind, abgesehen von den Rautenornamenten des zweiten Kapitels, zwei große
Kategorien von Ornamenten zur Darstellung gelangt: erstens die, welche ich unter der Be-
zeichnung der „Ornamente des Geflechtsviereckes als solches“ am Anfang dieser Abhandlung
zusammenfassend besprochen habe, und zweitens die kurz als Mäander gekennzeichneten Or-
namente, welche (mit Ausnahme des Zickzackes) nur auf das dreimaschige Geflecht zurück-
gehen. Jetzt werden wir eine andere gleichfalls sehr verbreitete Gruppe von Ornamenten ken-
nen lernen, die auf einer Kombination von den beiden obigen Hauptarten beruhen. Führen
wir sogleich zur Erläuterung ein vortreffliches Beispiel an, wie es Fig. 50 zeigt. Offenbar ent-
sprechen in diesem Ornament die Mäanderhaken genau denen, die wir schon in der Fig. 39
kennen gelernt haben. Zur Bereicherung der Formen ist in die Mitte jeder Ornamentseinheit
als ein Zusatz das typische Ornament des Geflechtsviereckes als solches hineinkombiniert. In
dem vorliegenden Fall besteht dieses aus zwei Geflechtsvierecken, welche genau so aneinander
gereiht sind, wie in Fig. 1 die vertikal übereinander liegenden. Die Art der Kombination der
Fig. 50 trifft man sehr oft auf der Keramik unserer Sammlung an. Eine andere Variation sieht
man in Fig. 51. Dieses Ornament ist deutlich als das zu erkennen, was ich oben die Zick-
zack-Mäandermusterung genannt habe, vgl. Fig. 44. Die Mäanderhaken sind auch hier an ihren
Enden mit einer Form des Geflechtsviereckfes als solches verbunden. In diesem Falle handelt es
sich jedoch im Gegensatz zu Fig. 50 nur um die Wiedergabe eines einzelnen Viereckes.
Gerade wie bei dem einfachen Ornament des Geflechtsviereckes als solches können auch
bei diesen Kombinationen die die einzelnen Geflechtsmaschen wiedergebenden Stufen wegfallen,
, 1) Siehe auch Geflecht bei Nordenskiöld, PI. 45, Fig. 2.
24
H. HAEBERLIN
derart, daß die betreffenden dreieckigen Flächen durch gerade diagonale Linien abgeschlossen
werden (also wie in Fig. 5 und 6). Dies ist z. B. der Fall in der Fig. 52,
Da dieses Ornament, wie wir wissen, nicht unmittelbar in dieser Form als Ganzes in dem
Geflecht technisch möglich ist, eben wegen jener Kombination von Bestandteilen verschieden-
artiger Herkunft, ist die Tatsache höchst bemerkenswert, daß auch die komplementäre Musterung
von dem Ornament der Fig, 52 auf den Gefäßen zu finden ist, Fig. 53. Die weiße Fläche der
Fig. 52 entspricht der schwarzen der Fig. 53 und vice versa. Dies ist psychologisch so be-
deutsam für unsere Betrachtungen über die Flächenornamentik, weil die Pueblofrau das Orna-
ment der Fig. 53 unmöglicherweise einem wirklichen Geflechtsvorbild hat absehen können, wie
das doch bei den früher besprochenen Mäandern der Fall war. Vielmehr hat sie auch das
kombinierte Keramikornament in seiner Wesenheit als Flächenornament erfaßt und somit die
komplementäre Musterung der Fig. 52 schwarz wiedergegeben. Dies scheint mir ein gutes
Beispiel dafür zu liefern, daß die Flechterin und Töpferin bei den alten Pueblos ein solches
Ornament gewissermaßen mit anderen Augen ansah, als wir es tun. Für sie stand die Mal-
technik eben noch ganz in dem Bann der Flechttecknik, derart, daß sie auch bei der Mal-
technik die bemalte wie die unbemalte Fläche als gleichwertige und auswechselbare Fak-
toren eines Flächenornamentes auffaßte und sie auch tatsächlich als komplementäre Muste-
rungen sah, wie die Koordination der Streifungen ja in der Flechttechnik in dem Wesen der
Sache liegt.
Bei Fig. 50 und 51 und deren Variationen erscheint das Ornament des Geflechtsviereckes
als, solches in das Mäandermuster als ein an und für sich selbständiger Zusatz hineinkombi-
niert, der lediglich der Bereicherung und Differenzierung des Ornaments dient. Von diesen
muß eine andere Gattung von Kombinationen unterschieden werden — wenn auch die Grenze
vielleicht nicht immer scharf gezogen werden kann —, wo es sich eigentlich nicht um einen
Zusatz handelt, sondern um eine Variabilität in der Anwendung zweier verschiedener Elemente.
Hier treten Mäanderhaken und Geflechtsvierecke als auswechselbare Bestandteile der Orna-
mente auf. Da die Mäanderhaken ihren Ursprung in einer bestimmten Anordnung einer Mehr-
heit von Geflechtsvierecken, beziehungsweise in deren Maschenstreifungen haben, das Muster
des Geflechtsviereckes als solches dagegen auf das einzelne Viereck, also auf die Geflechts-
einheit selbst mit ihren einzelnen Maschen zurückgeht, kann man von einer Angleichung ver-
schiedener, der Herkunft nach ungleichartiger ornamentaler Elemente sprechen. Diese Anglei-
chung wird, wie mir scheint, vermittelt durch die Verwandtschaft der „Rollen“, welche die Mä-
anderhaken und das Geflechtsviereck als solches in der Kombination spielen; vielleicht kann
man, ohne eine zu kühne Terminologie anzuwenden, von einer Verwandtschaft ihrer ornamen-
talen „Funktionen“ sprechen. So kann man sagen, daß die „Funktion“ der Mäanderhaken cha-
rakterisiert wird durch ihr gegenseitiges Ineinandergreifen, das, wie wir wissen, sich notwen-
digerweise aus den Gesetzmäßigkeiten des Geflechtes ergibt. Auf ganz analoge Weise ist dem
Muster des Geflechtsviereckes als solches gewöhnlich das Zusammengefügtsein, unter Umstän-
den ebenfalls das Ineinandergreifen der sich gegenüber stehenden Stufen bzw. der gezahnten
Dreiecke, charakteristisch. (Siehe z. B. Fig. 14, 15, 16.) Dies entspricht dem Wesen des Mu-
sters des Geflechtsviereckes, dessen Bestandteile doch eine Einheit bilden müssen, welche
durch Maschenstufen oder deren rudimentäre Ansätze uns besonders veranschaulicht wird.
So erklärt sich die Möglichkeit, einen Mäanderhaken in eine Stufe und umgekehrt diese in
jenen übergehen zu lassen, ohne das Charakteristische des Ornamentes qualitativ zu ändern.
Die Auswechselung jener Bestandteile ergibt sich, wie mir scheint, zum mindesten sehr oft
aus dem unbewußt wirkenden Willen zur anschaulichen Wiedergabe eben dessen, was bei
dem betreffenden Ornament als das Charakteristische empfunden werden muß, aus dem Stre-
ben, die ornamentale Wirkung quantitativ zu verstärken. Nehmen wir z. B. die von dem
Schema der Fig. 41 wohl bekannten, ineinander greifenden einfachen, nicht um sich selbst
DAS FLÄCHENORNAMENT IN DER KERAMIK DER ALTEN PUEBLO-KULTUR
25
%
Fig. 55,
IV B 8994.
Fig. 54, IV B 11612.
Fig. 59, IVB 11218.
Fig. 56,
IV B 8931.
Fig- 57,
IV B 10671.
Fig. 58,
IV B 8931.
1-------------—---------
drehenden Mäanderhaken, so besteht für mich kein Zweifel, daß das Ineinandergreifen bzw.
das Zusammengefügtsein der Haken zur anschaulicheren Wiedergabe gebracht wird, wenn
jene einfachen Haken in die Musterung des Geflechtsviereckes übergehen, wie wir das in
Fig. 60 sehen. (Wohlbemerkt ist in dieser Figur wie gewöhnlich die weiße Fläche das kom-
plementäre Muster der schraffierten.) Andererseits scheint mir aus demselben Beweggründe
heraus die kompliziertere Mäanderhakenmusterung, in der sich die Haken spiralenmäßig um-
einander drehen, wiederum ihrerseits an die Stelle des Geflechtsviereckes zu treten. Nehmen
wir zur Erläuterung dieser Behauptung die recht interessante Serie von Ornamenten, die uns
die Fig. 54, 55 und 56 zeigen. Von diesen ist besonders das letzte bei den alten Pueblos un-
gemein häufig. Es scheint mir die höchst entwickelte Form zu sein. Fig. 54 gehört noch in
die bei Fig. 8f. besprochene Gruppe von Ornamenten, die aus einer ornamentalen Zusammen-
setzung einzelner Geflechtsvierecke bestehen, aber in der Ausführung der Flächen zwischen
und neben diesen nicht den Geflechtsvorbildern unmittelbar folgen. So ist das vorliegende
Ornament eine geschickte Anordnung von Grundelementen der Flechterei, die abwechselnd
von oben links nach unten rechts und von unten links nach oben rechts gestreift sind. Seine
nahe Verwandtschaft mit dem Ornament der Fig. 55 scheint mir unverkennbar. Dieses stellt
schon ein typisches Beispiel des Stufen-Mäanderhakenmusters dar. Fig. 54 und 55 unterschei-
den sich dadurch, daß in letzterer jedes zweite Geflechtsviereck zu zwei ineinander greifenden
Spiral-, bzw. Mäanderhaken geworden ist. Die oben besprochene Angleichung besteht darin, daß
das Ineinandergreifen, welsches schon in Fig. 54 durch die Art der Zusammensetzung der Vierecke
gewonnen ist, zur anschaulicheren Darstellung in den Haken der Fig. 55 gelangt. Aus diesen
Erwägungen heraus scheint mir Fig. 55 eine sekundäre Form gegenüber Fig. 54 darzustellen,
welche nicht wie jene eine Kombination heterogener Bestandteile aufweist, sondern allein aus
Geflechtsvierecken als solchen besteht. Fig. 56 ist deutlich als eine Variation der Fig. 55
Baessleh-Archiv VI, 1/2. 4
aus
zu
26
H. HAEBERLIN
erkennen, wo die Maschenstufen der Vierecke nur noch rudimentär angedeutet sind. Als eine
noch weitergehende Variation dieser Serie ist schließlich auch die schon bekannte Fig. 52 an-
zuführen, wo, die Mäanderhaken an ihren Enden wiederum in ein Muster des Geflechtsvier-
eckes als solches auslaufen.
Daß die Spiralen in Fig. 55 und 56 im Gegensatz zu den Mäanderhaken des Geflechtes
rund sind, ändert nichts an dem Sachverhalt; sind doch zweifellos die runden Spiralen aus
den eckigen entstanden. Als Beweis ihrer eigentlichen Identität möge hier die interessante
Fig. 57 angeführt werden. Hier treten beide Formen der Spirale, die runde und die eckige, in
demselben Ornamentbande unmittelbar nebeneinander als koordinierte Erscheinungen auf. Diese
Figur ist übrigens außerdem noch dadurch bemerkenswert, daß eine Verdoppelung der Ge-
flechtsvierecke zu beiden Sehen der Spiralen als, Mittel die Ornamentsformen zu bereichern
und differenzieren vorgenommen ist. Somit ‘stellt Fig. 57 zugleich auch eine weitere Variation
des Stufen-Spiralhakenmusters dar.
Noch ein weiteres Ornament, welches in dieses Kapitel über die Kombinationen gehört,
zeigt Fig. 58. Es ist eins der allerhäufigsten Ornamente unserer Sammlung. Dabei weist es
vielleicht das vortrefflichste Beispiel für die Angleichung von Mäanderhaken und Muster des
Geflechtsviereckes als solches auf, das wir überhaupt geben können. Das Ornament geht
sicherlich auf die bekannte Musterung des Schemas der Fig. 40 zurück. Dies geht aus der
eigentümlichen Anlage des Ornamentes hervor. Die schwarzen, ineinander greifenden Haken
entsprechen denselben Gebilden des Schemas, wo sie in der schraffierten Streifung der hori-
zontal liegenden Maschen wiederzuerkennen sind. Die diagonale Richtung der Haken, ihre
gegenseitige Lage und die Dreiecke, von denen sie ausgehen, entsprechen dem Geflechtsprototyp.
Die weiß gelassene Fläche der Fig. 58 entspricht somit, wie wir aus dem Schema ersehen,
genetisch genommen, dem bekannten Mäander, welches ja die komplementäre Musterung der
Haken ist. Was uns hier in diesem Zusammenhang besonders interessiert, ist das Geflechts-
viereck, in das die Haken übergehen. Die einfachen Haken sind zu Dreiecken mit angedeu-
teten Stufen geworden, so daß sich dieselbe Musterung ergibt, wie wir sie schon in Fig. 6
kennen gelernt haben. Das Ineinandergreifen der Haken vermittelt die Verdichtung zu einer
neuen Einheit in dem Geflechtsviereck. Daneben ist noch zu bemerken, daß die die Stufen an-
deutenden Zähne die Tendenz aufweisen, wie Zahnräder ineinander einzugreifen, also gerade
wie die ursprünglichen Maschenstufen. Diese Tatsache ist wegen der oft flüchtigen Bearbei-
tung in den einzelnen Fällen manchmal weniger ersichtlich, jedoch bei der Betrachtung von
zahllosen Beispielen solcher rudimentärer Stufen ist sie mir immer wieder aufgefallen.
Besonderes Interesse verdient, weil so sehr bezeichnend für das Wesen der Ornamentik
der alten Pueblos, im Anschluß an die Fig. 58 das Ornament der Fig. 59. Hier ist das kom-
binierte Geflechtsviereck in seiner Ursprünglichkeit erhalten, indem es einfach als gestreiftes
Viereck wiedergegeben ist. Die Identität der beiden Figuren ist unverkennbar, stimmen sie
doch bis auf die variierte Behandlung des Viereckes überein. Während das Geflechtsvier-
eck in der Fig. 58 entsprechend der Mäandermusterung auf eine dreiteilige Form reduziert
ist, besteht es in Fig. 59 aus seiner primären Mannigfaltigkeit von Streifungen. Es möge dar-
auf hingewiesen werden, daß die Streifungen der Fig. 59 in derselben diagonalen Richtung ver-
laufen, wie in Fig. 58.
Während die Fig. 58 auf das Schema der Fig. 40 zurückzuführen ist, findet Fig. 60 ein
Vorbild in dem Geflecht der Fig. 41. Der betreffende Unterschied ist oben S. 18 ausführlich
erörtert worden. Dort ist auch darauf hingewiesen worden, wie ungemein wichtig es für eine
Charakterisierung der Flächenornamentik ist, die von Fig. 40 abgeleiteten Ornamente als drei-
teilig, die von Fig. 41 abgeleiteten dagegen als zweiteilig zu bezeichnen. Diese Kennzeichnung
ist auch wesentlich für den Vergleich von Fig. 58 und 60. Beide Ornamente sind abgeleitete
Mäanderhakenmusterungen, aber eins ist dreiteilig, das andere zweiteilig. Eben deshalb sind
DAS FLÄCHENORNAMENT IN DER KERAMIK DER ALTEN PUEBLO-KULTUR
27
Fig-60, IV B 11294.
Fig. 61, IV B 10558.
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im Gegensatz zu Fig. 58 die schwarze und die weiße Fläche, d. h. die komplementären Muste-
rungen der Fig. 60 identisch. Entsprechend diesem Sachverhalt sind auch naturgemäß die an
die Stelle der Mäanderhaken tretenden Geflechtsvierecke in der Fig. 60 zweiteilig, so daß diese
gleichfalls im Unterschiede von denen der Fig. 58 den Vierecken der Fig. 3 und 4 ent-
sprechen.1)
Derartige kombinierte Ornamente, wie wir sie bisher in diesem Kapitel kennen gelernt
haben, stellen zweifellos eine Entwicklungsstufe dar, wo die in der Maltechnik gegebene Be-
wegungsfreiheit im Gegensatz zu den dem Geflecht unmittelbar entnommenen Musterungen eben
wegen der Kombination schon zur Geltung kommt. Diese beginnende Befreiung aus dem Banne
der Flechttechnik ist aber in der Durchsichtigkeit der konstituierenden Bestandteile der Orna-
mente eine derart befangene, ich möchte beinahe naive sagen, daß gerade sie selbst am klar-
sten das in allen Einzelheiten bewahrte Festhalten der alten Pueblos ah den Vorbildern der
Flechterei beweist. (Siehe das oben in der Einleitung S. 2 Gesagte).
Alle bis jetzt besprochenen Kombinationen setzten sich aus Bestandteilen zusammen, von
denen jeder für sich auf ein ganz bestimmtes Geflechtsvorbild zurückzuführen war. Dasselbe
möchte ich nicht von zwei anderen ähnlichen Ornamenten behaupten, die der Vollständigkeit
halber hier nicht unerwähnt bleiben sollen. Die Kombinationen der Fig. 61 und 62 ergeben
sich, wie mir scheint, nicht so unmittelbar wie in den früheren Fällen. Diese Ornamente be-
stehen in ihrer Anlage aus einem horizontalen Streifen mit angesetzten Hakenarmen nach oben
und unten. Es wäre ja vielleicht möglich, daß auch diese Art der Anordnung ihr Prototyp in
dem Geflecht hätte, aber dies scheint mir mehr als problematisch. Deshalb sollen die Orna-
mente auch als eine Klasse verhältnismäßig frei kombinierter Formen angesehen werden. Da-
bei ist aber nicht zu verkennen, daß sie nichtsdestoweniger unter dem Bann der Flechttechnik
1) Die an der obersten Reihe von Haken vorgenommene Unregelmäßigkeit ist eine von den vielen Flüchtig-
keiten in der Bemalung, die auf der schematischen Zeichnung immer mehr auffallen als auf dem Original, wo
man stets leicht zwischen sorgfältiger und schlechter Bearbeitung der Töpfe unterscheiden kann. Daneben werden
Unregelmäßigkeiten nicht selten durch fremde, nicht aus der Zeichnung ersichtliche Momente veranlaßt, so durch
die Wölbung des Gefäßes und ähnliches, ln unserem Fall stoßen zum Beispiel die obersten Haken hart an den
Rand des Gefäßes, was vielleicht den mittelbaren Anlaß zu der abweichenden Wiedergabe der Haken gegeben
hat. Die obersten Haken scheinen den anderen mit dem Unterschiede zu entsprechen, daß die Stufen fortgefallen
sind. Auf jeden Fall wird das Wesen des Ornamentes nicht im geringsten durch die Unregelmäßigkeit beein-
/ trächtigt, geht doch dieses klar aus dem übrigen Teil hervor.
4*
H. HAEBERLIN
erwachsene Formen sind. Dies geht schon aus der ganzen Anlage
hervor, in der das Wesen der Flächenornamentik voll und ganz
bewahrt ist. Haben doch die schraffierten Haken ihr komple-
mentäres und gleiches Muster in der weiß gelassenen Fläche,
welche somit streng genommen auch hier nicht als Grund des
Ornamentes aufgefaßt werden darf, sondern als koordinierter Teil
der Gesamtfläche. Die einzelnen Haken sind zweifellos für sich
allein genommen dieselben wie die bekannten Mäanderhaken des
Geflechts, und zwar wie die der zweiteiligen Musterung. Die an
die Haken kombinierten Geflechtsvierecke als solche lassen vollends
keinen Zweifel in bezug auf die abgeleitete Natur unserer vorliegen-
den Ornamente aufkommen. Sehr bemerkenswert ist der Vergleich
von Fig. 61 mit Fig. 62. Die Übereinstimmung beider Ornamente
ist unverkennbar. In Fig. 62 sind die Stufen fortgefallen und zu
länglichen Dreiecken geworden, in welcher Form sie so ungemein
häufig in allen möglichen Verbindungen auf der Pueblokeramik zu
finden sind. Daß die Haken der Fig. 62 eine viertel bzw. halbe
Drehung mehr um sich selber machen als die der Fig. 61, ändert
nichts an dem Wesen der Sache, sondern spricht im Gegenteil nur
für die nahe Verwandtschaft der Haken dieser beiden Ornamente
mit den Mäanderhaken des Geflechtes. Haben wir doch gesehen,
daß die Größe der Drehung dieser einfach durch die willkürlich veränderliche Anzahl der Geflechts-
streifen der einzelnen Geflechtsvierecke bedingt ist. Folge dieser Tatsache ist, daß es auf unserer
Keramik nie genau mit der Größe der Drehung der Haken genommen wird, so daß es zahllose Exem-
plare gibt, auf denen Haken von verschiedener Größe der Drehung unmittelbar nebeneinander
sich befinden, — eine Erscheinung, die uns wegen der beeinträchtigten Rhythmisierung des
Ornamentes befremdet, an der sich aber die alten Pueblos wegen der engen Beziehungen ihrer
Ornamentik zu der Flechterei nicht zu stoßen schienen. Interessanterweise wechselt auch inner-
halb der Fig. 62 die Größe der Drehung der Haken. (Siehe ferner Fig. 16). Die beiden obigen
Ornamente scheinen mir deshalb so bemerkenswert, weil sie, obgleich freiere Kombinationen,
dennoch so deutlich das Wesen der Flächenornamentik aufweisen, was doch an und für sich
gar nicht der Fall zu sein brauchte.
SVASTIKAARTIGE ORNAMENTE.
Viel Interessantes für die Erscheinung der Umbildung mancher Geflechtsmusterungen in
der Technik der Bemalung der Keramik bieten die als Svastika oder richtiger svastikaartig zu
bezeichnenden Ornamente. Sie bestehen aus einer kreuzförmigen Anordnung von vier Haken,
bzw. Hakensystemen, deren Drehung um sich selbst gerade wie die anderer Mäanderhaken
verschieden groß sein kann, und welche mit oder ohne Kombination mit dem Muster des Ge-
flechtsviereckes als solches auftreten. Diese Ornamente unterscheiden sich für uns auf den
ersten Blick von allen bisher kennen gelernten dadurch, daß man kein Ornamentband vor sich
hat, das theoretisch genommen aus einer endlosen Reihe von wiederholten gleichen Elementen
besteht, sondern eine fest begrenzte und vierfach aufgeteilte ornamentierte runde Fläche. Wäh-
rend einem Ornamentalband, z. B. jedem Mäander, eine fortlaufende Bewegung innewohnt, ent-
spricht unseren svastikaartigen Ornamenten eine radmäßige, um sich selbst laufende Bewegung,
Dieser Unterschied charakterisiert auch unsere Ornamente, wenn man sie als fertige Produkte
nimmt. Indessen sieht man dabei nur die kristallisierten Formen eines Entwicklungsprozesses,
nicht das Werden selbst. Ein für die entwicklungsgeschichtliche Betrachtung wertvolles Krite-
rium ist obige Unterscheidung meines Erachtens nicht. Die svastikaartigen Ornamente unserer
28
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Fig. 62. IV B 9767.
DAS FLÄCHENORNAMENT IN DER KERAMIK DER ALTEN PUEBLO-KULTUR
29
Pueblokeramik, glaube ich, stellen vielmehr
eine erfolgreiche Lösung des rein techni-
schen Problems dar, ein Ornamentband in
eine verhältnismäßig kleine konkave Fläche
zu kombinieren. Ihrer Form entsprechend
sind sie nur in dem Inneren der Schalen
und „ladles“, welche ja nichts anderes als
kleine mit langen Henkeln versehene Schalen
sind, zu finden, da hier nach der Beschaffen-
heit unserer Keramik die einzigen rund ab-
geschlossenen Flächen gegeben sind. Wo
die Töpferin überhaupt mit der Form der
zu ornamentierenden Fläche rechnet, ist es
bei der Ornamentierung einer konkaven
Fläche das Naturgemäße, daß das Ornament
bandmäßig um das Innere der Schale her-
um parallel mit dem Rande angebracht wird.
Wo das Band im Verhältnis zu der Gesamt-
fläche klein ist, da verursacht die Wölbung
keine merklichen Veränderungen in dem Ornament. Sobald die Töpferin sich aber nicht mehr mit
einem solchen relativ kleinen Bande zufrieden gibt und einen möglichst großen Teil der konkaven
Fläche ornamentieren will, kommt sie unfehlbar in Schwierigkeiten. Dies ist aus zahlreichen Unregel-
mäßigkeiten in der Ornamentierung ersichtlich, welche ganz offenbar durch die ungeschickte
Lage verursacht sind, in die die konkave Fläche die Töpferin gebracht hat. Sie sind jedem
bekannt, der sich mit ähnlichem Pueblomaterial beschäftigt hat. Mit Hinsicht auf jenen tech-
nischen Zwang glaube ich nun, daß es bei dem naturgemäßen Streben nach Gleichmaß in der
Aufteilung der Fläche nicht einen allzugroßen Schritt bedeutete, zu einer kreuzförmigen Um-
formung der Elemente des ursprünglichen Ornamentbandes zu gelangen, —■ zu einer Anord-
nung, in der diese Elemente statt in einer kontinuierlichen Reihe zusammengesetzt zu sein
immer im rechten Winkel sich aneinander anschließen. Eine Musterung dieser Art zeigt das
Ornament der Fig. 63, wo die Haken tangentenartig von dem mittleren Viereck ausgehen.
Speziell diese Form der kreuzmäßigen Anordnung findet sich außerordentlich häufig auf unserem
Material sowie auch in der Literatur. Das weiß gelassene Viereck in der Mitte erweist sich
als letzter Rest der von dem ursprünglichen Ornamentbande überhaupt unberücksichtigt ge-
lassenen Fläche und somit als außerhalb der eigentlichen ornamentierten Fläche stehend. Das
weitere Schicksal dieses Viereckes glaube ich in dem Ornament der Fig. 64 deutlich erkennen
zu können. Hier ist es nicht nur viel kleiner, sondern hat auch seine Eigenschaft als Basis der
vier sich wiederholenden Mäanderhaken eingebüßt. Statt, daß die Haken, wie in der vorigen
Figur, als Verlängerung der Seiten dieses Quadrates erscheinen, gehen sie nunmehr symme-
trisch von den Ecken aus. Die Anlage von Fig. 64 würde somit dieselbe bleiben, wenn das
Rudiment ganz fortfiele, wenn also die Haken ein reines Kreuz in der Mitte der Fläche bildeten.
Dieser Endpunkt der Entwicklung ist auf vielen Exemplaren vertreten, so z. B. in Fig. 65 und
66, wo die unornamentierte Fläche ganz verschwindet und das Ornament die gesamte konkave
Fläche aufnimmt. Hiermit ist nach meiner Ansicht erst das fortlaufende Band wirklich in sein
Gegenteil, in die radmäßige Anordnung umgewandelt, in der die Bewegung des Bandes in
sich selbst zurückläuft.
Kehren wir zu der Fig. 63 zurück, so nehmen wir wahr, daß die vier senkrecht zueinander
angeordneten Elemente des svastikaartigen Ornamentes ihre Herkunft nicht verleugnen können;
sie haben auch hier ihr Wesen als Mäanderhaken um nichts verloren. Ein Vergleich dieser
H. HAEBERLIN
mit den entsprechenden Haken der Fig. 51 ist lehrreich.
Wie dort haben wir es auch in Fig. 63 mit einer „drei-
teiligen“ Mäandermusterung zu tun, d. h. mit einer, die aus
zwei ineinander greifenden gemalten, bzw. schraffierten Haken
nebst einer zwischen diesen liegenden, trennenden Fläche
besteht. Die eine Reihe von Haken der Fig. 63 geht von der
Mitte des Ornamentes aus, die andere von der Peripherie.
Wie in Fig. 51 fehlt auch das an oder in die Mäanderhaken
hineinkombinierte Geflechtsviereck als solches nicht, wenn
auch seine Verhältnisse hier durch die Eigentümlichkeiten
der konkaven Fläche etwas verschoben , sind. Ich möchte
auch auf die merkwürdigen .eingekeilten Dreiecke an dem
Rande der ornamentierten Fläche aufmerksam machen. Diese machen zunächst denEindruck, einfach
Flächenfüllungen darzustellen. Entsprechend dem ganzen Wesen der Puebloornamentik glaube ich
aber, daß sie ihren ganz realen Ursprung in der Beschaffenheit der entsprechenden Mäandermuste-
rung des Geflechtes haben. Diese besteht in ihren gewöhnlichsten Formen, wie uns bekannt, aus
einem Zickzack, von dem Mäanderhaken ausgehen. (Vgl. Fig. 44 und 51.) Wenn nun, wie bei
Fig. 51 gut ersichtlich, ein Ornamentband horizontal abgeschlossen ist, ergeben sich natur-
gemäß, gerade wie dies der Fall bei der Musterung eines an entsprechender Stelle abge-
schlossenen Geflechtes selbst sein muß, zwischen den Hakensystemen eingekeilte Dreiecke,
welche immer aus je zwei Schenkeln eines Zickzackes gebildet sind. Der ganzen Anlage des
Ornamentes gemäß halte ich jene Einkeilungen in der Fig. 63 genetisch für Rudimente eben-
derselben Erscheinung, welche aber durch die neuen Umstände notwendigerweise eine Um-
wandelung erlitten hat. Das Hauptmerkmal ist bewahrt: die eine Reihe von Haken, die schwarze,
geht aus von den Dreiecken, bzw. von einem ursprünglichen Zickzack, und zwar derart, daß
jeder Haken als Fortsetzung des einen der beiden Schenkel erscheint. Bemerkenswert ist, daß
die schraffierten Haken ihrerseits als Verlängerungen der Seiten des Quadrates von diesem
ausgehen. Auch in der Fig. 65 sieht man die Einkeilungen noch angedeutet. Das Ornament
dieser Figur ist ganz unsorgfältig hingeworfen und macht keinen Anspruch auf regelmäßige
Ausführung. Aber gerade deshalb scheint mir ein Vergleich dieser Figur mit der vorher-
gehenden (Fig. 63) recht interessant zu sein. Man sieht nämlich, daß sogar bei der unsorg-
fältigen Arbeit der Fig. 65 die Einkeilungen für wesentliche Bestandteile des Ornamentes
gehalten und nicht vergessen wurden. Die Figur ist noch wegen der Art und Weise bemerkens-
wert, wie die Stufendreiecke unmittelbar an das Kreuz angesetzt sind.
Wenn man zuerst geneigt sein möchte, Ornamente von der Art der Fig. 63 als freie For-
men der Ornamentierung zu betrachten, und zwar aus dem Grunde, daß die Art der Anord-
nung der einzelnen Teile zueinander keineswegs einem Geflechtsvorbild unmittelbar entspricht,
so erkennen wir jetzt, wie unfrei dennoch im Grunde genommen solche Formen eigentlich
sind. Indem wir sie in dem Gesamtzusammenhang der Ornamentik der alten Pueblos unter-
suchen, verstehen wir, daß sie nicht die schöpferischen Produkte
autonomer Willensimpulse sind, als welche meistens die Ästhetik
derartige Erscheinungen zu erklären bestrebt ist. Das Ornament
der Fig. 63 entsteht vielmehr unter dem autoritären Zwang äuße-
rer, der Flechttechnik fremder Bedingungen, Dieser Zwang löst
erst zwischen der primitiven Künstlerin und ihrer Materie eine
Wechselwirkung aus, welcher eine so hohe technische Beherr-
schung der Formen der Musterung innerhalb der gegebenen
Fläche, wie sie das Ornament der Fig. 63 aufweist, entstammt.
Sobald man die Ornamentierung einer konkaven Fläche mit einem
I«
DAS FLÄCHENORNAMENT IN DER KERAMIK DER ALTEN PUEBLO-KULTUR
O 1
verhältnismäßig zu großen Ornamentbande unternahm, mußten
naturgemäß neue Bedingungen sich ergeben. Diese sind also
Faktoren in dem oben besprochenen „Konflikt der Techniken“,
in dem, wie wir wissen, die langsame Umbiegung der ur-
sprünglichen Formen der Geflechtsmusterungen vor sich geht.
Diese vollzieht sich unabwendbar trotz des überaus zähen
Festhaltens an dem eigentümlichen Wesen der Flächenorna-
mentik.
In diesem Zusammenhang ist auch die Fig. 64 recht be-
merkenswert. Hier sind die Haken offenbar wiederum nichts
anderes als Mäanderhaken, welche an ihren Enden mit Mustern
des Geflechtsviereckes kombiniert sind. Genau wie in Fig. 62
entsprechen den Geflechtsvierecken die dreieckigen Zacken. Wie dort haben wir es auch hier
mit einer „zweiteiligen“ Musterung zu tun. Bei dieser ist gemäß den Gesetzmäßigkeiten des
Geflechts eine Gleichheit der komplementären Bestandteile das Gegebene. Während diese
Gleichheit in dem Ornament der Fig. 62, wo die bandartige Form der ornamentierten Fläche es
nicht hindert, daß die Eigentümlichkeiten der Flächenornamentik zur Geltung kommen, vollauf
bewahrt ist, können sich in Fig. 64 der positive und negative Teil der Gesamtmusterung rein
technisch nicht in demselben Sinne entsprechen, weil die eigentümliche Beschaffenheit der ge-
gebenen konkaven Fläche jene Gleichheit nicht zuläßt. Also auch hier eine Umbiegung der
ursprünglichen Formen durch den Wechsel der technischen Voraussetzungen.
Eine andere Variation derselben Erscheinung zeigt schließlich das Ornament der Fig. 66.
Auch dieses ornamentiert die konkave Fläche eines Gefäßes. Die Mäanderhaken sind hier
interessanterweise dreieckig. Daß diese Form in ihrem Wesen durch nichts von der gewöhn-
lichen viereckigen sich unterscheidet, lehrt eine ungemein interessante Schale unserer Samm-
lung (IVB 10959). Deren Ornament verrät unverkennbar die technischen Schwierigkeiten, in
die die Töpferin verfällt, wenn sie ein allzu breites Band von viereckigen Mäanderhaken, bzw.
Spiralen, in eine verhältnismäßig kleine konkave Fläche hineinzwängen will. Das Ornament
dieses Topfes besteht aus vier kreuzförmig sich gegenüberstehenden Spiralen; unter diesen
sind nebeneinander vertreten die viereckige und die dreieckige Form, sowie eine Übergangs-
form, deren Windungen bezeichnenderweise zum Teil viereckig, zum Teil dreieckig sind, und
man sieht deutlich wie diese Unregelmäßigkeiten durch die gegebene Fläche erzwungen sind.
Dasselbe Orhament wie das der Fig. 66 ist noch auf einem anderen Topf unserer Samm-
lung vertreten (IV B 8860) nur mit der bemerkenswerten Variation, daß die Spiralen sich nicht
in der Mitte der Fläche zu einem Kreuz vereinen, sondern von den Begrenzungsstreifen eines
nicht ornamentierten Quadrates als deren Fortsetzungen ausgehen, also wie in Fig. 63.
Sowohl Fig. 66 wie deren Variante (IV B 8860) stellen die erfolgreiche Lösung eines tech-
nischen Problems dar.
DAS UMRAHMTE KREUZ.
Wir sind jetzt am Ende dessen angelangt, was ich über die beiden großen, für die Flächen-
ornamentik der alten Pueblos charakteristischen Hauptkategorien von Ornamenten feststellen
wollte: nämlich einmal über alle auf das Geflechtsviereck als solches zu-
rückzuführenden Ornamente, das andere Mal über die Ornamente, die
von Geflechten, die aus einer Mannigfaltigkeit von Vierecken bestehen, ab-
geleitet sind (Rautenmuster, Zickzack, Mäander). Anhangsweise möchte
ich noch einige Worte über ein außerordentlich interessantes Ornament
sagen, das sich nicht in jene Hauptgruppen einreihen läßt, sondern eine
gesonderte Stellung für sich einnimmt. Ich halte es für ein wichtiges
H. HAEBERLIN
Glied in der Ableitung unserer Ornamentik aus der
Flechterei. Es ist das dann und wann auf den Töpfen
vorkommende umrahmte Kreuz, wie es in der Fig. 67
wiedergegeben ist. Es kommt auch in der Form vor, daß
das Kreuz mehrere parallele Umrahmungen hat. Wenn
sich vier Geflechtsvierecke so treffen, daß die Maschen-
streifungen eine Musterung nach Art der Fig. 31 aufwei-
sen, also sich so treffen wie bei „B“ in der Fig. 25 und
wenn die vier sich vereinigenden Ecken dieser Geflechts-
vierecke ein Kreuz bilden, was ja ein spezieller Fall der
verschiedenen möglichen Figuren bei einem solchen Zu-
sammentreffen ist1), so sieht man neben der genann-
ten Rautenmusterung noch ein anderes Muster aus der
Geflechtsfläche heraus. Dies ist eine Erscheinung, auf die
Max Schmidt schon aufmerksam gemacht hat: siehe „In-
dianerstudien“ S.342, Anmerkung. Dasin Betrachtkommende
Muster entspricht im wesentlichen demjenigen, das sich ergibt, wenn man sowohl in der horizontalen
wie in der vertikalen Gruppe von Geflechtsstreifen diese abwechselnd hell und dunkel wählt,
also wie dies in unserem Schema der Fig. 68 durchgeführt ist. Ein solches Schema kann in-
dessen nur als Notbehelf angesehen werden, die Erscheinung zu verdeutlichen, da man diese
eigentlich nur an den Geflechten selbst untersuchen kann. So klar heben sich nämlich die
einzelnen in der Aufmerksamkeit bevorzugten Maschen nicht hervor, wie das auf dem Schema
durch die Schraffierung bewirkt, wird. Man hat vielmehr eine mehr oder weniger deutliche
Vorstellung von einem Kreuz mit Umrahmungen, welche nach der Peripherie zu wegen der
wachsenden Kompliziertheit des Bildes schnell an Deutlichkeit abnehmen. Dabei ist noch zu
bemerken, daß die in dem Schema gleichfalls schraffierten, einzeln aus den geschlossenen
Umrahmungen herausweisenden Maschen sich auf dem wirklichen Geflecht gewöhnlich nicht
der Aufmerksamkeit aufdrängen, also nicht als zu dem Muster gehörig gesehen werden. Das
umrahmte Kreuz findet sich sowohl auf zwei- wie dreimaschigen Geflechten. Auf dem zwei-
maschigen Geflecht sind die Arme des Kreuzes alle gleich lang, was, wie wir sehen,
nicht der Fall auf dem dreimaschigen ist. Daß das umrahmte Kreuz in dem Bewußtsein der
Indianerinnen eine Rolle spielte, ist durch die Tatsache erklärt, daß für sie als Flechterinnen
die das Kreuz konstituierenden Ecken der vier zusammentreffenden Geflechtsvierecke als rein
technische Faktoren des Geflechtes von Bedeutung waren. Hier wie sonst sahen sie nicht, wie
wir, nur das fertige Geflecht, sondern vor allem auch das werdende.
Von Abbildungen von Geflechten, auf denen das umrahmte Kreuz zu sehen ist, sind aus
der Literatur ein „Hopi twilled basket“, bei Mason, Aboriginal American Basketry, Plate 16,
Fig. a, und ein südamerikanischer Korb bei Koch, Zwei Jahre unter den Indianern, S. 217,
Fig. 1, zu nennen. Auf diesen Beispielen fällt die besprochene Musterung in die Mitte des
Korbes. Dies ist selbstverständlich nicht notwendigerweise der Fall, es ist aber um so öfter
gegeben, da der Punkt des Zusammentreffens von vier Geflechtsvierecken sehr häufig auch als
Mittelpunkt des Korbes genommen ist, namentlich wenn dieser aus nur vier solchen Einheiten
besteht. Ferner ist das Kreuz naturgemäß besonders auffällig, wenn es in der Mitte eines
Korbes zu sehen ist. Auf jeden Pall ist es mit Hinsicht hierauf eine höchst bemerkenswerte
Übereinstimmung, daß die Fig. 67 an der Außenseite mitten auf dem Boden einer Schale zu
finden ist. Bekanntlich trifft man nur äußerst selten bei der Keramik unseres Typus auf eine
Schale, die überhaupt auf der Außenseite ornamentiert ist, geschweige denn auf der Stelle, wo
32
1) Siehe Schmidt, „Indianerstudien“, Fig. 170.
DAS FLÄCHENORNAMENT IN DER KERAMIK DER ALTEN PUEBLO-KULTUR
33
das auch unten konvexe Gefäß der Stabilität halber in dem Sande zu stehen pflegte. Auf diese
Stelle ist aber nun gerade Fig. 67 isoliert angebracht. Daß das Ornament zufällig an diese
für die alte Pueblokeramik ganz einzigartige Stelle geraten wäre, kann doch wohl kaum an-
genommen werden.
SCHLUSSBETRACHTUNGEN.
Indem wir alle Ergebnisse im Auge behalten, die wir aus dem Studium des vorliegende
Materials gewonnen haben, möge zum Schluß noch ein kurzer Vergleich mit den Untersuch °
Schmidts über die Ornamentik der alten Icakeramik1) vorgenommen werden. Die all u^en
Feststellung, die hier zu machen ist, ist, daß die von Schmidt behandelte Ornamentik ^ d
die der alten Pueblos, obgleich gemäß ihrer gemeinsamen Herkunft aus der Technik d”
Flechtens nahe verwandt, dennoch in ihrem Stil in vielen Beziehungen voneinander abweichie^
In dieser Hinsicht ist es eine bedeutungsvolle Tatsache, daß es in der Ornamentik der ic”*
keramik fast keine auf das dreimaschige Geflecht zurückzuführende Mäandermusterungen gibt'
also ganz im Unterschiede von unserem Material, wo diese gerade die charakteristischsten Or-
namente ausmachen. Auf den Icagefäßen Schmidts finden sich von Mustern, die auf die
mehreren Geflechtsvierecken bestehenden Geflechte zurückgehen, vorwiegend’ das sogenannte
Rautenornament und das Zickzack, also beides Musterungen, die, wie wir wissen, sowohl in
dem zwei- wie in dem dreimaschigen Geflecht möglich sind. Obgleich Raute und Zickzack
sowie das Muster des Geflechtsviereckes als solches bei den Pueblos und in Ica gemeinschaft-
lich vertreten sind, besteht doch der wichtige Unterschied, daß die einzelnen Maschenstufen
dieser Ornamente eine ungleich größere Rolle auf dem Material von Schmidt spielen als auf
dem unsrigen, wo sie, wie wir sahen, meistens ganz fortfallen oder nur rudimentär angedeutet
sind. Wie Schmidt (Über altp. Ornamentik, S. 30) ganz richtig hervorhebt, sticht bei der
zweimaschigen Geflechtsart „die Stufenform der diagonalen Streifung viel mehr in die Augen“
als bei der dreimaschigen. Nehmen wir zu diesen Tatsachen hinzu, daß „es sich bei den uns
erhaltenen Icageflechten der in Frage stehenden Geflechtsar ausschließlich um ein zwei-
maschiges Geflecht handelt“ (ibidem S. 25) und, daß demgegenüber die mir sowohl aus der
Literatur, wie aus der Selerschen Sammlung des Berliner Museums bekannten Geflechte der
alten Pueblokultur zum allergrößten Teil dreimaschig sind, so wird man auf den Schluß hin-
gewiesen, daß die Icaornamentik in allererster Linie auf die zweimaschige, die der alten Pue-
blos dagegen, wenn nicht ausschließlich, so doch hauptsächlich auf die dreimaschige Ge-
flechtsart zurückzuführen ist. Dieser Vergleich ist sehr interessant, zumal er so recht deutlich
vor Augen führt, in welche Einzelheiten hinab wir auf die hier verfolgte Methode den Ursprung
der Flächenornamentik aus der Flechttechnik zurückverfolgen können, - eine Tatsache die
mir selbst erst bei der Bearbeitung des Materials allmählich unerwarteierweise zum Bewußt-
sein kam.
Was die merkwürdige, für Ica so bezeichnende Erscheinung betrifft, daß die Geflechts
muster sich zu naturalistischen Figuren metamorphosieren, daß diese in jene „hineingesehen“
werden, so kann mit bezug auf unsere Ornamentik nur hervorgehoben werden daß diese Er
scheinung auf dem großen mir bekannten Material überhaupt nicht vorkomm’t Ich sprecht
wohl gemerkt immer nur von unserem speziellen Stil, für den die alte „black-and-white“ Ware
besonders charakteristisch ist. Die Entwickelung, so hat man das Empfinden, ist bei den alten
Pueblos bis hart an die Grenze der Umdeutung der nichtfigürlichen in die figürlichen Muste
rungen gediehen, aber hat diese nicht überschritten. Das Fehlen jener Erscheinung verleiht
der Puebloornamentik gegenüber der altperuanischen eine große Nüchternheit der Formen
Nehmen wir z. B. das Ornament wie das bei Holmes, Pottery of the Ancient Pueblos S 354
1) Max Schmidt, Über altperuaniche Ornamentik, Archiv f. Anthropologie, N. F. Bd 7
Baessler-Archiv vi, 1/2. 5
34
H. HAEBERLIN
Fig. 353 abgebildete, so ist es leicht einzusehen, daß es von diesem nur ein kleiner Schritt wäre zu
der für Ica so charakteristischen Figur eines Vogelkopfes. Fordert doch das hier wie so oft
in unserer Ornamentik vorhandene Auge, welches im Gegensatz zu der umliegenden dunklen
Fläche den anders gerichteten und folglich anders beleuchteten Maschen entspricht, zu einer
naturalistischen Umdeutung geradezu heraus. Es wäre der einfache Schritt, der zwischen den
Fig. 33 und 34 bei Schmidt in Ica vollzogen ist. Da zweifellos, wie an der Icaornamentik
ersichtlich, die Stufen eine überaus wichtige Rolle bei dem „Hineinsehen“ naturalistischer For-
men spielen, könnte man die Frage aufwerfen, ob nicht vielleicht das Fehlen dieser Erschei-
nung bei den alten Pueblos ebenfalls in Zusammenhang mit der Tatsache steht, daß die zwei-
maschige Geflechtsart, für deren abgeleitete Ornamente die beibehaltenen Stufen besonders
charakteristisch sind, bei ihnen von viel geringerer Bedeutung war als in Ica.
Wer den Typus der „black-and-white“ Ware kennt, weiß, daß neben den charakteristischen
Flächenornamenten auf dieser Keramik auch noch naturalistische Figuren, wenn auch vereinzelt,
zu finden sind. So treten hier und da kuriose Geschöpfe mit vier Extremitäten auf, von denen
man oft nicht recht weiß, ob sie Menschen oder Tiere darstellen sollen. Auch Schlangen und
Vögel lassen sich finden. Alle diese unterscheiden sich ganz typisch von den Formen der
Flächenornamentik, aus welchem Grunde sie auch nicht in dieser Abhandlung besprochen
worden sind. Bezeichnenderweise findet man die hier in Betracht kommende Art von natura-
listischen Figuren vor allem an den Stellen der Gefäße, die schlecht für Flächenmusterungen
geeignet sind, so vorzugsweise auf den Henkeln; auf jeden Fall aber immer isoliert außerhalb
der von der Flächenornamentik eingenommenen Fläche. Über die verschiedene Herkunft der beiden
Arten von Verzierungen kann nicht der geringste Zweifel bestehen. Während die Flächenorna-
mentik eine Fläche als solche ornamentiert, sind die naturalistischen Figuren unserer Keramik
ihrem ganzen Wesen nach als Darstellungen auf einen „Grund“ gemalt. Somit haben sie auch
nicht die geringste Verwandtschaft mit den aus den Geflechtselementen entstandenen, bzw. in
diese hineingesehenen naturalistischen Formen der Ornamentik von Ica. Mit Rücksicht auf
obige Tatsachen wäre es eine ganz verfehlte Fragestellung, ob in der alten Pueblokultur dem
Flächenornament, bzw. dem sogenannten „geometrischen“ Ornament, oder dem naturalistischen
die genetische Priorität zuzusprechen sei. Haben wir es doch mit zwei heterogenen Erschei-
nungen zu tun, die einfach nicht in eine geschichtliche Aufeinanderfolge gebracht werden
können, sondern die nur rein äußerlich sich in räumlicher Nähe auf den Gefäßen zusammen-
finden.
Wenn Max Schmidt für Südamerika zwei Hauptgruppen von Ornamenten feststellt, „die
zwei ganz verschiedene Ausgangspunkte haben, einmal die von der Geflechtsornamentik unab-
hängige naturalistische Darstellung und sodann die zunächst als Geflechtsmuster entstandenen
und erst sekundär auf Flächen überhaupt übertragenen Flächenornamente im engeren Sinn“
(Altp. Ornamentik S. 23), so kann man nach dem, was wir jetzt über die Ornamentik der alten
Pueblos kennen gelernt haben, genau dieselbe Einteilung für diese feststellen.
Um die beliebte Frage nach der Symbolik der Ornamentik zu streifen, so genügt hier ein
Hinweis auf das Wesen der Flächenornamentik, um sie in unserem Fall als unzutreffend hin-
zustellen. Die Elemente unserer Ornamentik haben naturgemäß immer nur einen relativen
Wert, und zwar einerseits in dem Verhältnis zueinander, andererseits innerhalb der Gesamtheit
der ornamentierten Fläche, stehen somit in einem scharfen Gegensatz zu dem isolierenden,
einen absoluten Wert fordernden Symbol. Dabei ist mir wohl bekannt, daß eine Ornamentik
von Symbolik durchsetzt und durch sie umgewandelt werden kann. Daß dieser interessante
Prozeß auch bei den Pueblos eingegriffen hat, ergibt sich schon aus einem oberflächlichen
Vergleich unseres Stiles mit dem von Sikyatki. Das Entscheidende für uns ist, daß wir die
Flächenornamentik der alten Pueblokultur gewissermaßen in ihrer „klassischen“ Reinheit unter-
DAS FLÄCHENORNAMENT IN DER KERAMIK DER ALTEN PUEBLO-KULTUR 35
sucht haben.1) Dies wurde uns ermöglicht durch die Beschaffenheit unsereres Materials, welches
die Ursprünglichkeit der Formen so klar erkennen läßt.
Aus derartigen Erwägungen heraus erscheint mir die Methode mancher Autoren unrichtig,
wenn sie z B den Mäander der Pueblos damit glauben abtun zu können, daß sie ihn einfach
als ein Wassersymbol interpretieren. Sogar wenn wir annehmen sollten, daß die Mäander, die
wir kennen gelernt haben, zu einer gewissen Zeit wirklich mit irgendeiner symbolischen Be-
deutung verbunden gewesen wären, so würde die Aufdeckung dieser Bedeutung noch nicht im
geringsten eine Erklärung des Ursprunges der Ornamente bieten.
ln der vorliegenden Abhandlung sind wir immer von der Voraussetzung ausgegangen, daß
nur diejenige Metlrode in der Erforschung der Ornamentik von dauerndem Wer sein kann, die
sich an die gegebenen Erscheinungen eines bestimmten Ornamenttypus halt und erst von
dessen Untersuchung aus allmählich neue Perspektiven gewinnt, indem ebenso sorgfältig be-
arbeitetes Vergleichsmaterial herangezogen wird. Diese Methode steht denen,gen diametral
-ber die ohne Berücksichtigung der nötigen Vorarbeiten an dem Gipfel der Pyra,-
ge.®enU fängt indem sie nach den „Anfangsgründen jeder Ornamentik“ fragt und sie auch
mide ana g, ^ glaubt.1) Mittels dieser Methode läßt sich meiner Meinung nach nur aus-
gefun en zu a ^ ^ WeMen der Ornamentik sich gemäß unserer allgemeinen Anschau-
etnander se , ^ hä(te eigentlich gestalten sollen, nicht wie es wirklich war. Wenn
UI1^tpnGegebenen Tatsachen entspricht, so genügt uns bei der Erforschung einer Ornamentik
es nen g s ckene Nüchternheit technischen Zwanges“ oder die „armselige Übertragung
tlmder Motive“ wie sich Schmarsow S. 348 ausdrückt, auch wenn sich in seiner „Ausdrucks-
Inernetik“ uns ein lebhafteres Reizmittel für unsere eigne Phantasie böte. Auf S. 348 heißt es:
nJ Niederschlag geregelter Ausdrucksbewegungen in sichtbaren Zeichen ist der gemeinsame
Wannsgrund aller Ornamentik“. Wie unfruchtbar würde sich ein derartiger verallgemeinerter
Satz erweisen wenn man wirklich damit Ernst machen wollte, von ihm aus ein Verständnis
oLmente und ihrer Zusammenhänge zu erstreben. Auch nicht die geistreichsten Er-
unserer Ornam Symmetrie und Proportionalität ließen uns die eigentümlichen For-
wägungen über y . weniger fremd erscheinen. Nach dem, was wir über das Wesen
men beispielsweise der F.g. 58 wemger fremd ^ ^ unzutreffend die allgemeine ße_
der Flächenornamentik kennen^ ^ wicht.gsten >iAnfangsgründe aller Ornamentik die klare
hauptung ist (S.35 ■), Muster“ sei. Haben wir doch gesehen, daß gerade das Gegenteil
Sonderung von Grün un das'Wesen unserer Ornamentik erkennen läßt. Wären wir
dieser Sonderung die Herkunft undda-Wteen“ ^ ^ über den An_
von einem derartigen „ n angsgr die ngtigen Spezial- und vergleichenden Vorarbeiten
fang hinausgekommen sein. Ornamentik aller Völker zusammenfassend in ihren be-
L“ siund SSÄ-—und “„en-bSo,cher Tf bereSl
m uns endlich von den unzulänglichen Methoden der Ästhetik zu betreien und diese Wissen-
h f. durch die Zuführung von frischem Lebensblut von außen auf eine neue und gesichertere
Grundlage zu bringen. Im Sinne einer solchen großen Endaufgabe ist die vorliegende Abhand-
lung als ein bescheidener Beitrag anzusehen.
“ ^DÜTräg^nach der etwaigen Symbolik mancher naturalistischen Formen unseres. Materials gehört nicht
^ ‘‘“('stehe'deTg'eirtbeHteUeTAufsalz von Aug. Schmarsow, Zeitschrift f. Ästhetik, Bd. 6.
(
5 *
BEITRAG ZUR KENNTNIS DER TAPIRAPÉ-INDIANER.
VON
Dr. WILHELM KISSENBERTH.
HISTORISCHES.
Das seither mit dem dichtesten Schleier des Geheimnisses umwobene Gebiet der Tapi-
rapé-Indianer und seiner Bewohner, eines ganz isoliert in Zentralbrasilien hausenden Tupi-
Stammes, das ersehnte Ziel so manches Forschungsreisenden, soll, wie eine brasilische
Zeitung meldete1), keine „terra incognita“ mehr sein.
Im Laufe des Jahres 1912 soll es demnach einer brasilischen Expedition* 1 2) unter Leitung
des Dr. Francisco Mandacarü gelungen sein, in das gegenwärtig von Tapirapé bewohnte
Territorium einzudringen und friedliche Beziehungen mit ihnen anzuknüpfen.
Leider liegen einstweilen noch keine genaueren Nachrichten über die Ergebnisse der Reise
vor. Die darauf bezügliche Zeitungsnotiz soll am Schlüsse dieses Teiles der Abhandlung ihren
Platz finden.
Die Quellen über die Tapirapé-Indianer und ihre Herkunft fließen recht spärlich. Doch
dürfte uns aufmerksame Lektüre und Studium der über sie in der Literatur hie und da ein-
gestreuten Notizen den Weg zeigen zu einer ganz befriedigenden Lösung für ihre Provenienz
und ihre Wanderungen, die sie schließlich dauernd in ihre noch heutigentags behaupteten
Wohnsitze in dem Urwaldgebiet zwischen dem Rio Tapirapé und dem Rio Naja (ca. 10° bis
11° s. Br.) geführt haben (Fig. 1).
Soweit ich vorläufig3) in Erfahrung bringen konnte, wird der Tapirapé-Indianer zum ersten
Die unruhigen Zeiten des Weltkrieges haben es mit sich gebracht, daß eine unvorhergesehen lange
Verzögerung in der Drucklegung der vorliegenden Arbeit eintreten mußte.
1) „O Paiz“; 9. Oktober 1912, Rio de Janeiro. Der „Protec9äo aos Indios“ überschriebene Artikel ist der
in Goyaz erscheinenden Halbmonatsschrift „Estado de Goyaz“, 15. September 1912, entnommen.
2) Durch die Initiative des bekannten brasilischen Pioniers und warmherzigen Indianerfreundes Coronei
Candido Mariano da Silva Rondon, dessen im Staatsauftrage in den Jahren 1908—1910 ausgeführte Expedition
einen großen Teil Innerbrasiliens wissenschaftlich und wirtschaftlich erschlossen hat, wurde im Jahre 1910 der
„Service de Protec9äo aos Indios“ begründet und die „Nova Inspectoria Federal de Proteccäo Fraterna dos In-
digenas do Brasil“ als besondere Sektion dem Ackerbauministerium angegliedert. Das Programm dieser Insti-
tution, die übrigens nicht mehr bestehen soll, ist darauf gerichtet gewesen, mittels einer auf positivistischen
Ideen aufgebauten Laienkatechese (catechese leiga) die unzugänglichen und großenteils noch feindlichen In-
dianer Brasiliens zu pazifizieren. In alle in Frage kommenden Gebiete beschloß man zu diesem Zwecke Indi-
anerinspektoren zu schicken. Als einer der „Laienmissionare“ erhielt Dr. Mandacarü den Auftrag, vor allem
die Javajé, Zawazé [sprich z — j im Franz.!] auf der Insel Bananal und die Tapirapé-Indianer der Zivilisation
zuzuführen.
3) Einen Beleg für das Gerücht, es seien bereits im 17. Jahrhundert Jesuitenmissionare mit den Tapi-
rapè in Berührung gekommen, konnte ich nicht finden. Daß aber die Tapirapé zeitweilig wohl unter dem Ein-
fluß christlicher Katechese gestanden haben mögen, das scheint mir aus dem Worte maheira, mäejrä = Weißer,
Christ hervorzugehen, das nach Überlieferung mancher Autoren in anderen Tupi-Guarani-Dialekten von nachweis-
bar katechisierten Stämmen: tupan rayra (Qoncalves Dias), tupana ray’ra (Martius), tupana ray’ra (Montoya),
parania (bei den Anambé) usw. lautet. Vielleicht ist parania nur eine durch die so häufig vorkommende Konsonanten-
umstellung entstandene Form, und das Wort hieße dann pan-aria oder päaria. Der Lautwandel von ,,p“ zu „m“
und umgekehrt gehört ebenfalls zu den allerbekanntesten Tatsachen. So ergäbe sich denn mäaria, das dem
mäejm direkt entsprechen dürfte.
W. KISSENBERTH: BEITRAG ZUR KENNTNIS DER TAP1RAPÉ-INDIANER
37
Male1) in einem die Grenzregulierung zwi-
schen Goyaz und Matto Grosso betreffenden
Schreiben Erwähnung getan, das der Gou-
verneur von Goyaz, José d’ Almeida de
Vasconcellos, am 10, Dezember 1774 an
seinen Staatssekretär Martinho deMello rich-
tete, und in dem erwähnt wird, daß in dem
Stromgebiet des Tocantins außer den Indios
Silvestres, Crayaz, Cururarés, Curuombarés
und Xavantes auch Tapirapés wohnen.1 2)
In dem bekannten Berichte Jozé Pinto
da Foncecas über die friedliche Unterwer-
fung der „Carajäs“ und „Javaés“ erhalten
wir dann eine bestimmtere Angabe über die
Tapirapé. Hierauf komme ich in einem an-
deren Zusammenhänge noch zu sprechen.
Das erste geschichtlich bekannte Zu-
sammentreffen der Tapirapé-Indianer mit der
portugiesischen Bevölkerung, bzw. den Kriegs-
scharen der portugiesischen Eroberer, er-
eignete sich, wie aus folgendem klar er-
sichtlich ist3), in den Wintermonaten von
1742 auf 1743.4)
Die große Expedition, die Antonio Pires
de Campos nach Abschluß eines Kontraktes
mit Don Luiz Mascarenhas (am 12, Oktober
1742) zunächst zur Bekriegung und Unter-
werfung der „Caiapos“ unternahm, führte
ihn bis nach Camapoam.5) Bekanntlich be-
reitete er den Kayapö eine vernichtende
Niederlage und kehrte mit tausend Gefan-
genen nach Goyaz zurück.
Sein bis in so entlegene Landesteile
gefördertes Eroberungswerk führte Joäo de
1) Es ist nicht recht verständlich, wie Dr. Fr. Krause (In den Wildnissen Brasiliens, Leipzig 1911, S. 403)
zu der Ansicht kam, die Tapirapé seien schon 1773 von Fonceca erwähnt worden. Denn: 1774 erfolgte im Auf-
träge des Gouverneurs von Goyaz 1. de A. Vasconcellos (1773-1778) die Expedition des Capitào José Machado
an den Araguaya, wo er mit nur wenigen Karafä zusammentraf, die ihm Freundschaft versprachen. Der offizielle
Bericht über die als Folge der ziemlich resultatlosen Exkursion Machados im Juni 1775 unternommenen Expedi-
tion Jozé Pinto da Foncecas, mit der Nachricht über die Tapirapé erschien erst im August des gleichen Jahres
Zu bemerken ist, daß die geschichtlichen Darlegungen Dr. Krauses über die Tapirapé im allgemeinen ungenau
sind. Sie beruhen wenigstens für die älteste Zeit, seit man überhaupt Kenntnis von ihrer Existenz hat, zum Teil
auf Irrtümern und Mißverständnissen.
2) Der Titel der von mir im Historischen Institut in Rio de Janeiro unter: Goyaz, Correspondencia do
Governador, 1750-1784, Doc. 243 kopierten Abschrift des Originalbriefes lautet; „Carta do Governador José
d’ Almeida de Vasconcellos ao Provedor da Facenda Martinho de Mello e Castro: Sobre a divisào de limites
entre as duas Capitanias de Goyaz e Matto Grosso.“
3) Siehe Rev. trim. 27, 1864, 1. M. P. de Alencastre, Annaes da Provincia de Goyaz, p. 79.
4) Krause verlegt Pinto da Silveiras Zusammenstoß mit den Tapirapé ziemlich willkürlich in die Jahre
1746-1748.
5) Auch Camapuam, Camapoan, Camapuan. Nach Moreira Pinto (Apontamentos zu der von Custodio Pe-
reira da Veiga Unterzeichneten Manuskriplkopie der Silva e Souzaschen Geschichte von Goyaz (vgl. S. 4, Anm. 1)
%
38
W. K1SSENBERTH
Godoy Pinto da Silveira weiter. Er schlug die Kayapó in anderen Gegenden, wo Pires de
Campos mit seinen verbündeten Boróro^-Indianern nicht hatte hingelangen können.
Bei einer bis zum Rio Araguaya hin ausgedehnten Streifexpedition überfiel er die Dörfer
der friedlichen „Tapirapés“ und nahm - als einziges Ergebnis seiner Expedition — hundert
dieser Indianer mit sich, die alle, wie der Chronist meint, vielleicht an Hunger in Goyaz zu-
grunde gingen.2)
Das ebenso kühne wie beispiellos brutale Vorgehen der beiden Eroberer hatte eine stetig
wachsende Unsicherheit im Lande erzeugt, und um künftigen Grausamkeiten der durch die
zwei Schreckensexpeditionen von Campos und Silveira aufs äußerste erregten Kayapó und
anderer Stämme vorzubeugen, gründete der Gouverneur „Abenteurerkompagnien, die er in ver-
schiedene fliegende Detachements organisierte und mit der Polizeigewalt für jene Punkte be-
traute, denen Gefahr für die Zukunft drohte“.
Alle diese Maßnahmen wurden durch königlichen Erlaß bereits am 26. März 1742 genehmigt.
Die Expedition Silveiras gegen die Tapirapé hatte es offenbar nicht vermocht, sie dauernd
aus ihren Wohnsitzen am Oberlaufe des Araguaya zu vertreiben. Jedenfalls finden wir sie in
der Zeit, als Tristäo da Cunha Menezes die Präsidentschaft in Goyaz führte (1783—1800),
wieder oder vielmehr noch in jenen Gegenden. Dies geht wenigstens aus dem kurzen Bericht
hervor, den Luiz Antonio da Silva e Souza über die Tapirapé noch 1812 gibt.3) Er schreibt;
„Tapirapés, eine am Rio Grande, noch bevor dieser den Namen Araguaya annimmt4), an-
sässige Nation. Sie sind friedliebend, legen Pflanzungen an, verstehen zu spinnen und zu
weben. Es steht fest (consta), daß sie aus dem Sertäo von Rio de Janeiro in diese Gegen-
den gekommen sind. Unter der Regierung Sr. Exz. Tristäo da Cunhas kamen Angehörige dieser
Völkerschaft in friedlicher Absicht und versicherten, daß ihr Gebiet großen Goldreichtum auf-
weise. Sie versprachen wiederzukommen und Rohrbehälter voll solchen Metalls mitzubringen.
Aber sie kehrten nicht wieder zurück.“
Und die Tapirapé wären sonach als ein versprengter Rest der von den Konquistadoren,
vor allem wohl dem Potugiesen Mendo de Sa5) und seinen Scharen, weit in das Innere der
Provinz Rio de Janeiro nordwärts getriebenen Tupi-Horden6) anzusprechen. Kämpfe mit allerlei
feindlichen Nachbarstämmen führten sie allmählich an den oberen Araguaya. Ob man sie aber
nur dort zu lokalisieren hat zur Zeit, als sie die ersten Weißen trafen, das ist nicht fest-
zustellen.
Einige Quellen nämlich geben der bestimmten Auffassung Raum, daß, als die Tapirapé
lag dieser Ort im Stromgebiet des Paraguay, am Zusammenfluß des Camapuan-assu mit dem Camapuan mirim,
unter 19° 35' 114" s. Br. und 323° 38'4" ö. L. v. Ferro; nach Milli et (Diccionario geographico do Imperio do
Brazil, 1845) unter 15° 35' s. Br. und 56° 10' w. L.
1) Nicht „Bororo“, wie einige Autoren angeben. Vgl. As Missoes Salesianas em Matto Grosso, Säo Paulo
1808 (Helvecio de Oliveira).
2) Siehe Rev. trim. 12, 1849, p. 448.
3) Siehe Rev. trim. 12, 1849, 4. trim., p. 429 ff.: Memoria sobre o Descobrimento, Qoverno, populacäo, e
cousas mais notaveis da Capitanía de Goyaz pelo Padre Luiz Antonio da Silva e Souza. — In der Manuskripten-
sammlung des Historischen Instituts in Rio befindet sich unter Doc. Lata 6, Nr. 394 eine Abschrift des am
30. September 1812 beendeten Originals, das aber nicht den Namen des Verfassers trägt, sondern von dem
Vereador (Mitglied des Stadtrates) Custodio Pereira da Veiga unterzeichnet ist, und das von der
in der Revista publizierten Form des öfteren abweicht. Wie mir Dr. Capistrano de Abreu (Rio) mitteilt, wurde
genanntes Memoirenwerk zuerst ohne Autorenangabe in der 1811 erschienenen Zeitung ,,0 Patriota“ gedruckt,
erschien zum zweiten Male im „Jornal de Cambio“ und erfuhr nachher erst einen Neudruck in der Revista do
Instituto Histórico.
4) Vor der Vereinigung mit dem Rio Vermelho bei Santa Leopoldina.
5) Im Jahre 1567.
6) Auf der Karte von Matth. Seutter aus dem Jahre 1745 (Recens elaborata Mappa Geographica regni
Brasiliae etc, per Matth. Seutterum, Augustae Vindel.) ist ersichtlich, daß am linken Ufer des Rio Paraná, heut-
zutage etwa entsprechend der Gegend von Sta. Rita am Paranahyba im Staate Minas Qeraes, Tupin Imbas
saßen. Die Distanz von dort bis zum oberen Araguaya beträgt nur etwa 50—60 Leguas (ca. 330-400 km).
BEITRAG ZUR KENNTNIS DER TAPIRAPÉ-INDIANER
39
auf ihrer Nordwestwanderung den oberen Araguaya erreicht hatten, eine größere Abteil
des damals zweifellos noch sehr zahlreichen Volksstammes nordwärts, sei es durch feindlich^
Stämme gezwungen oder freiwillig, weiter zog und zunächst an der Nordspitze der Insel Ba6
nanal auf dem or. rechten Araguayaufer ansässig wurde.1)
In der von mir kopierten Fassung des Fonceca-Berichtes vom 4. August 17751 2) die i
vielen Punkten eine merkliche Abweichung zeigt gegenüber dem in der Revista trimensal3)
erschienenen, heißt es nämlich: „Die Nation der Javaes besteht nur in einem großen Dorfe
das sich drei Kanoa-Tagereisen flußabwärts befindet, und unterhalb dieses, wo unser Fluß4) • *
den Araguaya einmündet, wohnt5 6 7 8 9) die Nation der Tapirapes, un.d ihr gegenüber auf dem
anderen Araguayaufer ist ein großes Reich der Araguis0), vermutlich der Name einer Nation
die Corimbare7) genannt wird, die niemals existierte, indem nämlich dieser Name auf einen
Carajä-Indianer, den Antonio Pires mit sich nahm, zurückzuführen ist, und der Corimbare hieß “
Die am Rio Grande-Araguaya zurückgebliebene Masse des Stammes war es, von der Silva
e Souza berichtet, und deren Gesandte Tristäo da Cunha Menezes in der Zeit nach 1783
empfing.
Wenn der Gouverneur Cabral de Almeida in einem am 7. Mai 1878 an seinen Amts-
nachfolger gerichteten Relatorio") von dem Goldreichtum des von den „Tapirapes“ bewohnten
Gebietes spricht, so denkt er hierbei vielleicht auch an den von Amaro Leite dem Jüngeren
etwa um 1739 entdeckten und auch heutigentags noch als goldreich geltenden Landstrich öst-
lich des Araguaya, ungefähr von der Gegend des Ortes Amaro Leite am Rio do Ouro9) an-
nähernd bis zum Beginn des nördlichen Drittels der Insel Bananal.
Von den Tapirape des oberen Araguaya hat man späterhin nie mehr etwas erfahren und
so liegt die Annahme nahe, daß sie ihren Stammesgenossen nordwärts gefolgt sind und sich
mit ihnen wieder vereinigt haben.
. . ' aon Aracrnava überschritten und sich nur wenige Tagereisen westlich
• H WaGebS zwischen Rio Tapirapä und Najä niedergelassen haben, das läßt sich nicht fest-
m dem Gebiet Wende des achtzehnten Jahrhunderts geschehen sein. Doch hatte
stellen, mag abe zunächst noch keineswegs ihr Ende erreicht. Jedenfalls
ihre Wanderung nach wiederholt zu heftigen Kämpfen mit den
kam es bei ihren ersuc , deren Übermacht sie in ihr sicheres Waldgebiet zurück-
angrenzenden Kayapo-Stammen,
flüchteten.
1) Dr. P. Ehrenreich, Die Einteilung und Verbreitung der Völkerstämme Brasiliens usw., in Petermann'
Mitteilungen 1891, S. 84: „Wir haben ja Beispiele, daß Stämme und Horden, um ihren Feinden zu entgehen oder
günstigere Länder aufzusuchen, sich von ihren Genossen getrennt haben und nach weit entlegenen Ge ei d
gewandert sind.“ ë
2) Copia da Carta, que d’ Aldeia do Gentio de Naçào Carajâ dirigio ao Governador e CanT r
Capitania de Guayaz o Älteres de Dragôes Jozé Pinto da Fonceca. - 11ha de Sant’ Anna 4 de A 03
Das Manuskript befindet sich im Historischen Institut in Rio unter: Govaz Corrpçnrmdo™- U,S 6 775‘ ~
1750-1784, Doc. 243, p. 203 ff. ’ respondencia do Governador,
3) Copia da Carta que o Älteres José Pinto da Fonseca escreveu ao Exmo General Ho r
lhe conta do descobrimento de duas naçôes de Indios, dirigida do sitio onde nortm, _ i,h Ü.°ya^es’ dando'
2 de Agosto de 1775. - In Rev. trim. 8, 1846; segunda sérié, tomo primeiro p 388 * ^ San<a Anna’
4) Der „Braco Menor“, der die Insel Bananal im Osten bespülende Araguayaarm
5) Auf dem östlichen Ufer des Araguaya, also auf (heute) goyanischem Gebiet
6) Möglicherweise eines Stammes der Aruaken, deren Verbreifnno-und Qrf^i • / Ir ,
wie neuere ^Forschungen, z. B. von Corone, C. M. i.
Paressi-Kabisi in Baeßler-Archiv, Bd. 4, 1914, Heft 4/5) sowie von Erl. v. Nor denskiöld Ko i ^ ’ (D,e
zu bestätigen scheinen, auf viel bedeutendere Ländergebiete erstreckten als man anzunehmen nfleL TUnbeTZ
7) Nach Candido Mendes de Almeida, Atlas do Imperio do Brazil, Rio de Janeiro 1868 rL’o „ „
heißt die Insel Bananal „11ha Caruonaré“ oder I. de Sta. Anna. ’ ’ und ^ A
8) Rev, trim. 27, 1864, Parte segunda, p. 297 ff.
9) Nebenfluß des Rio Maranhäo-Tocantins.
40
W. KISSENBERTH
Nach den mir von den Stammesältesten
der Mekubeñokré1)- Kayapó gewordenen Mit-
teilungen haben die letzten feindlichen Zu-
sammenstöße zwischen diesen und den Ta-
pirapé ungefähr in den fünfziger Jahren des
vorigen Jahrhunderts stattgefunden. Doch
konnte ich mir nach der Erzählung der Alten
kein klares Bild davon machen, wo damals
die beiden Stämme aufeinandergeprallt waren.
Seitdem lebten die Tapirapé, von feindlichen
Stämmen rings umgeben, in völliger Abge-
schiedenheit in Ausübung friedlicher Betäti-
gung, aus der sie gelegentlich räuberische
Überfälle herausschreckten, vor allem von
Seiten ihrer, wie es heißt, ursprünglich guten
Freunde, später erbittertsten Feinde, der
Karajä.
Dem letzten ihrer Überfälle vor ca. zwölf
Jahren (von dem auch Krause erzählt wurde)
fiel nach Karajä-Berichten das eine der drei
Tapirapé-Dorfer, die sogenannte „Aldeia Pe-
queña“, vollständig zum Opfer. Von der
männlichen Bevölkerung habe man nur einen
Knaben am Leben gelassen, während Frauen
und Kinder mit in ihre Dörfer am Araguaya
entführt wurden.
Bezug auf diesen letzten Raubzug der
Karajä nahm eine im Dorfe Kurfhäua statt-
findende Tanzmaskenzeremonie, an der ich
leider nicht teilnehmen konnte. In portugie-
sischem Kauderwelsch erklärte mir ein
Häuptling die Zeremonie als „defuncto dos
Tapirapé“ und meinte damit „Begräbnis
der Tapirapé“.
Die eigentümlich geformten hierfür zur
Verwendung kommenden Maskentanzhelme
bestanden in palmstrohgeflochtenen, offenen,
ca. 80 cm hohen Zylindern, die sich nach abwärts mit Buriti-Palmblattstreifen überdeckt trichter-
artig erweiterten und nur ein Gesichtsloch freiließen. Die hinteren oberen Zylinderränder setzten
sich in mächtigen etwa 1,50 m bis 2 m hohen geflochtenen, federverzierten spitzen Aufsätzen
fort (Fig. 2). Die Gesamthöhe solch einer Tanzmaske betrug somit etwa 2,80 m bis 3,30 m.
Ob die von mir im Januar 1909 am „Morro dos Kayapó“ gefundenen Tongefäßscherben,
die an den Hängen und auf der Höhe des Hügels weithin zerstreut lagen, „prähistorischen“
Ursprungs") sind oder einer relativ modernen Kulturepoche angehören und wirklich vielleicht
als Erzeugnisse der keramischen Industrie der Tapirapé anzusehen sind, das läßt sich einst-
weilen noch nicht entscheiden. Jedenfalls kann mit der Möglichkeit solcher Tapirapé-Provenienz
gerechnet werden. 1 2
1) Sprich Mekubengokrä.
2) Aber auch in diesem Falle müßte man sie wohl einem Tupi-Stamme zuschreiben.
'» ar ' \^m\üß
BEITRAG ZUR KENNTNIS DER TAPIRAPÉ-1ND1ANER
41
Ich komme weiter unten noch kurz auf die Scherbenfunde zu sprechen. Nach überein-
stimmenden Aussagen von M.-Kayapö-Indianern sollen sich auch in dem den Ribeiräo Salobr
begleitenden Urwäldern und darüber hinaus vielfach ähnliche Gefäßstücke vorfinden
Wenn auch meine Vermutung einer so außerordentlich weit nach Norden erfolgten Wan-
derung der Tapirapé zunächst noch auf recht schwachen Füßen steht, so ist immerhin die
Möglichkeit des einstigen Vordringens dieser Zentraltupi bis in jene Gegenden, ja sogar bis
ins Quellgebiet des Itacayunas, nicht von der Hand zu weisen. Die ersten bedeutenderen rechts-
seitigen Zuflüsse des Itacayunas tragen die echten Tupinamen Kateté und Tapirapé, Nach
den Erzählungen der M.-Kayapö soll heutzutage gerade in jener Region, in den Urwäldern des
Itacayunasquellgebiets, ein Volk von Anthropophagen hausen: die Kubënépre (= Fledermaus
Indianer), die nach ihrer Beschreibung dem Volk der Tupi angehören müssen.
Daß sich die Wanderung der Tapirapé-Indianer und überhaupt von Tupi-Stämmen vom
Araguaya-FIußgebiet aus bis zum Xingü hin ausgedehnt haben könnte, das ist zwar nicht als
völlig ausgeschlossen zu betrachten, ist aber doch recht unwahrscheinlich.
Bisher ließen sich auch meines Wissens noch keine Spuren dafür auffinden, daß Bezie-
hungen etwelcher Art zwischen Tapirapé und anderen Tupi-Stämmen am mittleren und oberen
Xingü bestanden hätten.
Keinem Zweifel dürfte es übrigens unterliegen, daß die Tupi des Xingü, so vor allem die
Kamayurä und Aueto, vom Unterland des Stromes, bzw. vom unteren Amazonas eingewandert sind
Nach der kurzen Abschweifung wieder zurück zu den Quellenangaben!
Fünfzehn Jahre lang nach Foncecas denkwürdiger Expedition wußte man dann nichts
mehr von der Existenz der Tapirapé. Erst Thomaz de Souza Villa Real erwähnt1) in seinem
Berichte über seine Araguayareise (1792 auf 1793) wieder des Stammes, den er Tapirassé
nennt. Ihm sind die Namen von acht ihrer Häuptlinge bekannt, die folgendermaßen heißen-
Macarasseu, Camaira, Uarinim, Cauerena, Itaira, Iborahi, Auacatu, Yauarayu.
In einem 1815 erschienenen Berichte2) über eine von Francisco de Paula Ribeiro an
die Grenzen der Kapitanie Maranhäo und Goyaz unternommenen Reise werden unter den am
Tocantins und seinen Zuflüssen wohnenden Völkerschaften zwar auch die Tapirapé erwähnt,
ihre Wohnsitze aber nicht näher angegeben.
Auf der im Jahre 1817 erschienenen Karte Brasiliens von C. F. Klöden3) sind Tapira-
peques-Indianer nördlich eines dem heutigen Rio Tapirapé entsprechenden Zuflusses des Ara-
guaya verzeichnet.
Auch auf der A. Bruéschen Karte4) von 1826 finden sich Tapirapeques nördlich des
nunmehr Rio Farto genannten Araguayazuflusses. Ein Rio Tapirapes findet sich auf dieser
Karte nördlich der Insel Bananal etwa unter dem 9.°. Und südlich dieses linksseitigen Ara-
guayatributärs sind Wohnsitze von Tapirapés-Indianern verzeichnet.
Der österreichische Forscher I. E. Pohl erwähnt5) bei der Aufzählung der unzivilisierten
Indianer von Goyaz auch die Tapirapez. Den Silva e Souzaschen Bericht über den Zug des
Silveira zu den Tapirapé gibt Pohl fast im gleichen Wortlaut wieder.
In der Chorégraphia brasilica von M. Ayres de Cazal0) aus dem Jahre 1833 figuriert
unter den Provinzen von Matto Grosso auch die Tappiraquia, die den Namen nach des Autors
1) Rev.lrim,, 1891, p. 411 fl. (Segunda Serie): Diario de navigaçào que lez Thomaz de Souza vu,
Real pelos rios Tocanlins, Araguaya e Vermelho, desde Villa Boa, capital de Qoyazes alé a cidade do Pa
2) Roteiro da viagem que fez o capilào Francisco de Paula Ribeiro às fronleiras da capilania do Ma
ranhao e da de Goyaz no anno de 1815 em serviço de S. M. Fidelissima; Rev. trim. 9 1848 1 fr v
3) C. F. Klöden, Das Königreich Brasilien, Berlin 1817. ’ ’ ‘ ’
4) Siehe Atlas Universel de Géographie etc. par A. Brué, Géographe du Roi, Paris 1830 No 65- GaH. h
Brésil, Paris 1826. ’ * ’ dne au
5) I. E. Pohl, Reise im Innern von Brasilien, Wien 1832, 1. Teil, S. 341.
6) Manoel Ayres de Cazal, Corographia brasilica, ou Relaçào historico-geographica de Brasil 2 tom
Rio de Janeiro, 1833, p. 250/51. ’ mos’
BAESSLER-ARCHIV VI, 1/2. 6
42
W. K1SSENBERTH
Angabe mit Rücksicht auf die innerhalb ihrer Grenzen wohnenden Tappiraques oder Tappi-
rapes erhalten haben soll.
Milliets1) Diccionario Geographico gibt nur eine referierende kurze Notiz über die von
einigen Autoren ausgesprochene Behauptung, die Tapirapé oder Tapiraqué genannten Indianer
stammten aus der Provinz Rio de Janeiro.
Den Nachrichten zufolge, die Castelnau 1844 erhielt1 2), befand sich ein Tapirapé-Dorf an
einem linksseitigen Araguayanebenfluß. Auf seiner Karte ist das Dorf jedoch weiter westwärts
ins Quellgebiet des Rio Tapirapé eingezeichnet.
Der brasilische Reisende Dr. Rufino Theotonio Segurado, der 1846/47 von Pará aus
den Araguaya aufwärts fuhr, erwähnt die Tapirapé überhaupt nicht.
Ganz auffallend ist der Bericht Baenas.3) Nach ihm wohnten in dem Gebiet von der
Mündung des Araguaya in den Tocantins bis zum ersten Karajä-Dorfe, also etwa bis zur Mitte
der Stromstrecke zwischen dem Travessäo da Pedra Preta und dem Travessäo das Andorin-
has nicht weniger als vierzehn Völkerschaften, und darunter auch Tapirapé. Eine genauere
Angabe über die Wohnsitze des Stammes zu machen, ist ihm jedoch nicht möglich. Baena
steht mit seiner Lokalisierung der Tapirapé an den Unterlauf des Araguaya vereinzelt da. Und
alle Autoren nach ihm, die der Tapirapé Erwähnung tun, verlegen den Stamm mit mehr oder
weniger Abweichung in das Quellgebiet des legitimen Rio Tapirapé.
Spärliche, meist nur übernommene Notizen finden sich bei Alencastre, Martius.
Gelegentlich setzten nach Cunha Mattos4) die Tapirapé über den Braco Maior des Ara-
guaya und ließen sich zu kurzem Aufenthalt auf der Insel Bananal nieder.
Moraes Jardim5) hatte erfahren, daß die Tapirapé eine ziemlich hohe Kultur aufwiesen
und gewerbefleißig wären.
Durch Ehrenreichs Erkundungen ergänzte sich die Charakteristik dieser, wie es hieß,
von jeder Kultur abgeschnittenen Horde der Tupí dahin, daß sie sanftmütig seien und Gast-
freiheit übten6) und daß sie wenigstens indirekt durch Vermittlung der Karayahi mit den
Weißen in Verkehr zu treten wünschten, es im übrigen aber doch für sicherer hielten, ihre
Schlupfwinkel nicht zu verlassen.
Während sie Moraes Jardim als von jeder europäischen Kultur noch unberührt be-
trachtet, sollen nach Ehrenreich auf Grund einer allerdings unverbürgten Nachricht die Tapi-
rapé bereits im 18. Jahrhundert mit den Kolonisten in Verkehr gewesen sein.7)
Der Vollständigkeit halber ist hier auch die gänzlich unbrauchbare und irreführende Notiz
H. Coudreaus8) über die Tapirapé zu registrieren. Infolge von falsch verstandenen Mitteilungen
von Seiten der Karajá oder auf Grund eigener etwas grotesker Kombination kam der franzö-
sische Reisende zu dem Schlüsse, „Tapirapés“ sei lediglich eine explikative Ergänzung zur
genaueren Kennzeichnung einer am Tapirapéflub selbst und im Mündungsgebiet dieses Flusses
1) J. C. R. Milliet de Saint-Adolphe, Diccionario Geographico, historico e descriptivo do Imperio do
Brazil; trasladado em portuguez do Manuscripto inedito francez pelo Dr. Caetano Lopez de Moura, Pariz
1845, 2 Bde.
2) Fr. de Castelnau, Expédition dans les parties centrales de l’Amérique du Sud, Bd. 2, p. 114.
3) Sobre a communicacäo mercantil entre a dita provincia (Pará) e a de Goyaz, dada pelo Sr. tenente-coro-
nel Antonio Ladislao Manteira Baena, 11. Juli 1847 in Rev. trim., Seg. serie, tomo terceiro 1848, p. 98.
4) Chorographia Historica da Provincia de Goyaz por Raymundo José da Cunha Mattos, Rev. trim.
tom. 37, 2. trimestre, 1874, p. 393.
5) Moraes Jardim, O Rio Araguaya, Rio de Janeiro 1880.
6) Dr. P. Ehrenreich, Südamerikanische Stromfahrten, Globus Bd. 62, 1892, S. 39.
7) Siehe Ehrenreich, Die Einteilung und Verbreitung der Völkerstämme Brasiliens, in Petermanns Mit-
teilungen 1891, 37. Bd., S. 88. — E. hat mit seiner Auffassung ja einesteils ganz recht. Doch geht auch er von
der irrigen Annahme aus, dieses Zusammentreffen mit den Weißen sei am Rio Tapirapé erfolgt.
8) Henri Coudreau, Voyage au Tocantins Araguaya, 31. Dez, 1896 bis 23. Mai 1897, Paris 1897, p. 174,
185, 186.
BEITRAG ZUR KENNTNIS DER TAP1RAPE-1NDIANER
43
hausenden Horde der Karajä, die er Carajas-Tapirapes oder einfach Tapirapes nennt.
Fünf Kanu-Tagereisen Tapirape aufwärts sollte sich nach Coudreau eine von zwanzig Men-
schen bewohnte „Caraja-Tapirape-Maloka“ befinden, eine zweite von nur zehn Einwohnern an
der Tapirapemündung.
Die in der Literatur zuletzt bekannt gewordenen Mitteilungen über die Tapirape stammen
von Dr. Fritz Krause, der im Spätsommer 1908 gelegentlich seiner beschwerlichen Reise
den Tapirapefluß aufwärts bis an die Grenze der Schiffahrtmöglichkeit den vergeblichen Ver-
such gemacht hat, sie in ihren Wohnsitzen aufzufinden.
Auf Grund fleißiger Erkundungen und eigener Beobachtungen in Karajä-Dörfern und im
Tapirape-Gebiet konnte Krause aber einiges ethnologisch interessante Material sammeln und
beschreiben.1)
Bei seinem Vormarsch nach Osten stieß er auf drei verlassene Dörfer, die er als Sommer-
siedlungen der Tapirape ansprechen zu dürfen glaubte. Zwar schweifen die Horden der als
äußerst zahlreich geltenden Chavante-Indianer (Akue) vom Rio das Mortes bis zum Mittel- und
Oberlauf des Rio Tapirape, und ihre zeitweilige Niederlassung in der von Krause betretenen
Gegend wäre wohl denkbar. Verschiedene seiner Beobachtungen und Funde sprechen wohl für
die Richtigkeit seiner Annahme.
Mein eigener Versuch im Frühjahre (April) 1909 auf demselben Wege wie Krause zu den
Tapirape vorzudringen, mußte wegen des ungewöhnlich hohen Wasserstandes des Rio Tapirape,
dessen flache Ufer weithin überflutet waren, und vor allem wegen der strikten, von Furcht
diktierten Weigerung meiner zum Teil aus Karajä-Indianern bestehenden Mannschaft, mich
fernerhin zu begleiten, schon am zweiten Tage der Flußreise abgebrochen werden.
Wie ich nachher von Karajä und späterhin von Mekubenokre.-Kayapö erfuhr, bietet der
allerdings nur in der Trockenzeit praktikable bedeutend kürzere Landweg die günstigste Mög-
lichkeit unter indianischer Führung die Siedlungen der Tapirape zu erreichen.
Auch mein Tapirape-Material ist teilweise durch Erkundungen bei den Karajä und den
M.-Kayapö, der wertvollere Teil desselben ist aber direkt von einigen in deren Dörfern an-
getroffenen Tapirape-Indianern und Tapirape-lndianerinnen erworben worden.
Es möge nur als ein weiterer bescheidener Beitrag zur Kenntnis dieser Tupihorde gelten.
Von Dr. Mandacarüs Reise zu den Tapirape ist, wie schon erwähnt, kein offiziell-authen-
tischer Bericht herausgekommen. Das Wenige aber, was über seine Reiseergebnisse bekannt
geworden ist, fand sich in dem goyanischen Blatte „O Estado de Goyaz“ (15. Sept. 1912)
und ist, wie mir scheinen will, immerhin mit einiger Vorsicht aufzunehmen.
Aus dem Artikel, der am 9. Oktober 1912 in einer Zeitung in Rio de Janeiro abgedruckt
wurde und außerhalb Brasiliens wenigstens in wissenschaftlichen Kreisen kaum bekannt ge-
worden sein dürfte, mögen einige vor allem den Besuch bei den Tapirape betreffende Notizen
hier Platz finden:
„Während der zehn Monate dauernden Expedition besuchte Dr. Mandacarü achtzehn
Carajäs-Dörfer, mit ca. 1000 Einwohnern, alle am Ufer oder besser auf den Sandbänken des
Araguaya; ferner sechs an verschiedenen Punkten der Insel Bananal gelegene Dörfer der Ja-
vahes, mit 600 Bewohnern, und ein Tapirape-Dorf, das 6% Leguas (= ca. 40 km) abseits vom
gleichnamigen Flusse liegt und 268 Einwohner zählt. Er besuchte die aufblühende Stadt Con-
ceicäo do Araguaya. Dort fand er eine Tapirapefrau und ihr zwölfjähriges Söhnchen in Sklaverei.
Er kaufte sie sofort los und führte beide persönlich wieder dem Stamme zu.
Unterwegs erkrankte die Frau und mußte sechs Leguas weit in einer Hängematte trans-
portiert werden. Daß er selbst hierbei mit Hand anlegte, das lohnte ihm die Indianerin mit
dankbarer Ergebenheit. Bei der Ankunft im Dorfe berichtete sie ihren Stammesgenossen, was
1) Dr. Fritz Krause, In den Wildnissen Brasiliens, Leipzig 1911, S. 114-129, 403 ff.
6*
44
W. K1SSENBERTH
sich zugetragen hatte, und diese empfingen ihn, feierten ihm zu Ehren lärmende Feste und über-
häuften ihn mit Aufmerksamkeiten aller Art. Obwohl das Dorf als geradezu wild (feindselig)
galt, so trat es nunmehr unserem Apostel mit Vertrauen entgegen. Dr. Mandacarü schenkte
allen denen, die zu ihm kamen, Kleider; alle zogen sie an und zeigten sich zufrieden.
In diesem Dorfe wurde, im dichten Urwald, eine photographische Aufnahme der Indianer
gemacht, solange sie noch nackt waren, eine weitere sodann auf einer Lichtung, nachdem sie
sich in die Kleider gehüllt hatten.
Nach den Schilderungen, die uns Dr. Mandacarü gibt, können die Javahes und Tapirapes
als Beispiel guter Sitte und als Muster ehrenhafter Gesinnung gelten. Ihre Elternliebe ist aufs
höchste entwickelt, nicht minder ihre Gattenliebe. Sie bewahren sich gegenseitig absolute ehe-
liche Treue. Die Verwandten bringen einander Achtung entgegen, und ein Dorf besteht fast
immer nur in einer zahlreichen Familie. Die Kinder sind ihren Eltern in blindem Gehorsam
ergeben. Sie leben gewöhnlich in völliger Nacktheit und gebrauchen Gürtel mit Gehängen zur
Bedeckung der Schamteile nur bei festlichen Gelegenheiten, und auch hierbei lediglich zum
Schmuck nicht als Kleidungsstücke.
Geistige Fähigkeiten, Sitten und Gebräuche sind jenen der Javahes und also auch Carajäs
völlig ähnlich. Die Javahes verkaufen oder besser vertauschen die Produkte ihres Gewerbe-
fleißes: Gürtel, Taschen, Tacapes (Keulen) und eine Menge kleiner Kunsterzeugnisse, vorzüg-
lich Webereien, in deren Beherrschung sie es zur unübertrefflichen Meisterschaft gebracht
haben. Für die Tapirapes gilt dasselbe, doch geben diese sich im Gegensatz zu den Jahaves weit
mehr der Jagd hin auf Kosten gewerblicher Tätigkeit.“
Das ist alles, was wir einstweilen nach dem Zeitungsbericht über den ersten Besuch
wissen, den die Tapirape in ihren gegenwärtigen Wohnsitzen von den Weißen erhielten. Etwas
unglaubwürdig muß die in der Mitteilung behauptete Tatsache von der angeblich so engen
Kulturverwandtschaft der Tap^ape zu den Karajä-Stämmen erscheinen.
Leider decken sich die brasilischen Pazifierungsbestrebungen gewöhnlich recht wenig
mit den Wünschen der ethnologischen Forschung. So kann man also zunächst nur der Hoff-
nung Ausdruck verleihen, die Mandacarüsche Expedition, die zur Zeit, als der Bericht erschien,
Vorbereitungen für eine neue Reise zu den von ihr bereits besuchten Stämmen traf, möge
nicht in den Fehler so manch früherer brasilischer „kulturbringender“ Staatsmissionen ver-
fallen sein und sich nicht mit ungeschickten Händen vor allem an den Schätzen des hoch-
interessanten materiellen und geistigen Kulturbesitzes der Tapirape vergriffen haben, deren
genaue Kenntnis ohne Zweifel von größter Bedeutung für die historische Entwicklung und
Ethnographie der weitverzweigten Tupifamilie ist.
ETYMOLOGISCHE UND ANTHROPOLOGISCHE NOTIZEN.
Über den eigentlichen Stammesnamen der Tapirape läßt sich keine bestimmte Angabe
machen. Jedenfalls ist es noch nicht gelungen, direkt aus dem Munde von Tapirape-Indianern
zu erfahren, wie sie sich selbst heißen. Mit Sicherheit darf aber angenommen werden, daß sie
sich nicht mit dem Namen nennen, unter dem sie auch heute noch bekannt sind.
In jener Zeit, da sie sich von der Hauptmasse ihres längs der atlantischen Küste hausen-
den, den europäischen Eroberern als Tupi, Tupinambä usw. entgegengetretenen Volkes los-
gelöst und ins Innere der Provinz Rio de Janeiro zurückgezogen hatten, mag ihnen dann eine
besonders charakteristische Eigentümlichkeit von seiten ihrer Stammesverwandten den Namen
Tapirape eingetragen haben. Vielleicht stellte dieser eine ehrenvolle Bezeichnung dar oder
schloß die Bedeutung einer harmlosen Neckerei oder bewußten Spottes in sich und wurde so
zu einer Art von Spitzname.
Die Etymologie des Wortes Tapirape ist keineswegs sicher. Es scheint aber wohl iden-
BEITRAG ZUR KENNTNIS DER TAP1RAPE-INDIANER
45
tisch mit tapiira-pe zu sein. Guazazära ^-Indianer, die ich im Innern des Staates Maranhäo in
Barra do Corda am Rio Mearim, ein paar Tagereisen fern von ihren Wohnsitzen am oberen
Flußlauf, antraf1 2), bezeichneten mir die Milchstraße als „tapiira-pe“. Das bedeutet: Tapirweg,
Tapirwechsel. Während die nördlichen, östlichen und zentralen Tupi, soweit bekannt ist, den
Tapir (tapirus americanus) sämtliche als tapiira, tapira, tapyira und ähnlich bezeichnen, nennen
die südlichen Tupi-Guarani das Tier neben tapii vorzugsweise mborebi. Und mborebira-pe ist
bei diesen auch die Milchstraße.3 4) Wer die breiten, zerstampften Tapirpfade in der südameri-
kanischen Wildnis kennen gelernt hat, der versteht, daß für den Indianer beim Betrachten
dieses überwältigenden Himmelsphänomens ein Vergleich mit der Wegspur des genannten
Tieres nahelag.
Vielleicht ist nun zur Erklärung des Namens Tapirape die Mutmaßung erlaubt, er sei
diesen Indianern als eifrigen Tapirjägern, die gewohnt waren, den Fährten und Pfaden der Ta-
pire zu folgen, beigelegt worden.
Nach Ehrenreich1) werden die Tapirape von den Karajä uohü genannt, nach Krause5)
üöhu. Und dem Uhübero, wie es Krause als Namen des Tapirape-Flusses von den Karajä
erhielt, entspricht völlig das von mir notierte oübero.
Eine Begrüßungsanrede nun, die einigermaßen sprachkundige Karajä-Indianer nach Aus-
sage Alfredos, des Häuptlings von Kurehäua, beim Zusammmentreffen mit den Tapirape an-
1) Sprich z wie / in französ. „jour“.
2) Siehe Wilhelm Kissenberth, Über die hauptsächlichsten Ergebnisse der Araguayareise in Z. i. E. 44
1912, Heit 1, S. 40.
3) Ruiz de Montoya (Visconde de Porto Seguro), 1876, Tesoro S. 216: mborepirape — camino de anlas;
y assi llaman la via lactea.
4) P. Ehrenreich, Die Sprache der Caraya (Qoyaz), Z. f. E. 1894.
5) F. Krause, In den Wildnissen Brasiliens, S. 456.
46
W. K1SSENBERTH
zuwenden pflegen; „oü hama ci kantoä = die Tapirapé sind gut“,
nötigt indessen zur Annahme, daß oü die im Volke der Tapi-
rapé übliche eigene Namensbezeichnung sei.
Wäre es ja doch zumindest recht undiplomatisch von den
Karajä, wenn sie das Volk, mit dem sie ungeachtet der gelegent-
lich aufflackernden Feindschaft zweifellos weitere Handels-
beziehungen unterhalten, im Moment der Begegnung mit einem
der Tapirapé-Sprache nicht angehörenden, also dann sicherlich
„unangenehmen“ Namen apostrophierten.
Von den Mèkubehokré-Kayapó des Ribeirào do Pao d’arco
und des Ribeirào das Arraias wurden mir die Tapirapé als nökrat-
kretük bezeichnet. EineWort- und Sinnerklärung dieses Stammes-
namens konnte von den M.-Kayapö nicht in Erfahrung gebracht
werden. So ist man zunächst also nur auf Kombination angewiesen.
nökrät nennen die M.-Kayapö die als Speise- oder Trink-
schale oder anderen Zwecken dienende Cuyenschale, die hal-
bierte, vom Inhalt gereinigte und getrocknete Frucht einer Bigno-
niazee, des Kürbisbaumes (Crescentia Cujete).
kré ist Loch im weitesten Sinne und bekommt dann unter anderm die spezielle Bedeu-
tung: Wasserloch, Wasserlauf, Fluß, See.
Den Ribeirào das Arraias nennen die M.-Kayapö beispielsweise Mie{d)nfetkré, d. h. Fluß
der Rochen.
tuk bedeutet „schwarz“, allgemein ist es so viel wie; dunkel, düster.
Nökratkretuk ließe sich dann etwa übersetzen mit: „Schwarzer See der Kalebassen-
schale.“
Möglicherweise fanden einstmals M.-Kayapö-Horden beim Vordringen in das Gebiet der
Tapirapé als erstes Zeichen der Nähe dieses Volkes am Ufer des Gewässers eine Kalebassen-
schale, nach der dann der tiefdunkle Urwaldsee seinen Namen erhielt.
Daß die Tapirapé-Indianer an einem von Urwald umgebenen See, bzw. unweit davon ihre
Niederlassungen haben, das geht im Kerne auch aus dem teilweise wohl ein wenig phantastisch
aufgebauschten Berichte des Häuptlings Alfredo über die Reise hervor, wie sie sich gestalte,
vom „Fecho do Tapirapé“ in ihr Gebiet (Fig. 3).
Zehn Tage lang dauere die Fahrt im Ubä den Tapirapé-Flufi hinauf, bis man den Hafen
jenes Volkes erreiche. Einen vollen Tag lang und noch ein Stück Weges müsse man dann
wandern und komme so zum Morro Grande, den die Karajä „Ouhäucizo“ nennen. Über den be-
waldeten Morro Grande müsse man hinüber. Dann werde der Wald immer dichter. Dann
komme man an eine Lagoa mit dunklem Wasser.
„Zuerst“, erzählt Capitäo Alfredo, „reicht das Wasser bis zu den Waden, dann bis zum
Knie, dann bis zur Brust, dann bis an den Hals. Ein furchtbares Ungeheuer lebt in der Lagoa.
Auch sind zahllose Krokodile darinnen. Dort gibfs kein Kanoa. Man muß durch den schwarzen
See. Dann kommt man zur Aldeia-Grande der Tapirapé, die versteckt im Urwald liegt.“
Die Annahme ist wohl gerechtfertigt, daß der von Alfredo erwähnte See den M.-Kayapö
bekannt und ebenderselbe war, den sie als „nökratkretuk“ benannt hatten. Als Nokratkrètuk-
Indianer galt ihnen dann auch das unbekannteVolk, das im Bereich des tief dunklen Waldsees wohnte.
In diesem meinem Erklärungsversuch liegt durchaus nichts Erkünsteltes und darum Ver-
wunderliches. Er läßt sich zum mindesten gar wohl mit dem Wesen und den Äußerungen der
indianischen Psyche in Einklang bringen.
Die Benennung eines Stammes oder der Abteilung eines Stammes nach einer Örtlichkeit
entspricht ganz und gar indianischer Gepflogenheit. So schreibt beispielsweise Don Felix de
BEITRAG ZUR KENNTNIS DER TAP1RAPÉ-INDIANER
47
Fig. 5 a.
Azara über die Gu-
arany folgendes1):
„Die Guaranys wa-
ren durchwegin sehr
kleine voneinander
unabhängige Hor-
den eingeteilt, wo-
von jede einen an-
deren Namen führte,
densieentwedervon
ihrem Kaziken, oder
von der Gegend,
in der sie wohn-
te, hergenommen
hatte.“
Von Tapirape-In-
dianern sind mir ins-
gesamt nur sieben
Individuen zu Ge-
sicht gekommen:
Der ungefähr sech-
zig Jahre alteNroati
Fig. 5 b.
¿I^JdlllCdUcmuau
(sprich: Ngroaü), den ich in einem am Rib. Salobro, einem Nebenflüsse des Pao d’Arco, ge-
legenen und Orörögjakamkikre genannten Dorfe der M.-Kayapó antraf (Fig. 4 u. 5);
zwei Knaben, deren einen ich im Besitz eines den Araguaya hinabreisenden Kautschuk-
händlers sah, deren anderer ein Sklave Tamanakos, des Häuptlings im Karajá-Dorfe Woudó2)
war- ferner drei Frauen und ein Mädchen, Sklavinnen des Häuptlings Chrysostomo3) im
' ‘ • T T r 1 • -1 ~ 4\ ri no ------- ------- | Er ist identisch mitDr.Krau-
ses Walatá.6) Der Häupt-
ling ist aber nicht, wie dieser
Forscher meint, „ein Misch-
blut zwischen dem Portu-
giesen Walatá in Leopoldina
und einer Tapirapé-Frau“,
sondern ist Tamanakos Halb-
bruder, mit dem er einen
echten Karajá zu gemeinsa-
mem Vater hat. Der Portu-
giese Valladares (vulgär;
2) Woudg — terra de sapos,
Land der Frösche.
3) Crisote, wie ihn Krause
(ln d. Wildn. Bras.s, S. 81) nennt,
ist eine verstümmelte Form von
Chrysostomo.
4) Weheriadg bedeutet; Ort
des Karajá Weheria.
5) Dgzahdkä, großer See (z wie
„th“ in engl, „this“ zu sprechen).
6) Krause, ln den Wildnis-
sen Brasiliens, S. 82.
Dorfe Weheriadö4), des
Häuptlings Tamanako und
des Häuptlings Iwanä im
Dorfe Dozahäkä5);
Kökökre ist Halbblut-
tapirape. Sie ist eines der
drei Kinder des alten Nroati,
Der am ganzen Ara-
guaya bekannte und berüch-
tigte Karajvä-Häuptling Val-
ladär des Dorfes Wau
stammt mütterlicherseits von
einer Tapirape-lndianerin ab.
1) Reise nach Südamerika
von Don Felix von Azara in
den Jahren 1781 bis 1801. Aus
dem Spanischen mit Anmer-
kungen und einer Nachricht von
dem Leben des Verfassers, her-
ausgegeben von Walkenaer.
Aus dem Französischen über-
setzt von Ch. Wey 1 an dt. Mit
einer Karte, in der Vossischen
Buchhandlung 1810.
№1
MS!
48
W. K1SSENBERTH
Vallada(r) ausgesprochen) hatte ihm, einem häu-
figen Brauch im Verkehr zwischen Zivilisierten und
Indianern entsprechend seinen Namen gegeben, den
der Häuptling in der verkürzten Form „Valladär“ trägt.
Vier Tapirape-Personen konnte ich verschiedent-
lich auf der photographischen Platte festhalten, außer-
dem noch Kökökre, Nroatis Tochter (Fig. 6 u. 7).
Meine anthropologischen Beobachtungen be-
schränken sich nur auf wenige Bemerkungen.
Schon aus der oberflächlichen Betrachtung der
Photographien ist für den Beschauer einerseits eine
gewisse Gemeinsamkeit im Typus der Individuen
unter sich, andererseits eine ausgesprochene Ver-
schiedenheit den Karajä und M.-Kayapö gegen-
über — mit denen beiden mir ein Vergleich am
nächsten lag — leicht erkennbar.
Was die körperliche Erscheinung der Tapirape betrifft, so scheint nach dem, was mir er-
zählt wurde, und nach den bekannten Erfahrungen, wonach man das Volk der Tupi gewiß
nicht zu den schöneren Indianerrassen Südamerikas wird zählen können, ein edlerer und ein
gewöhnlicherer, häßlicherer Typus im Stamme herrschend zu sein. Ein ähnliches Verhältnis
besteht übrigens, soweit ich feststellen konnte, beispielsweise auch bei den Guazazära.
Die Vertreter des gewöhnlicheren Typus scheinen sich vor denen des edleren vor allem
durch geringere Körpergröße, etwas dunklere Hautfarbe, kleinere und schrägere Lidspalte und
auch strafferes Kopfhaar zu unterscheiden, das bei Marehä als wellig zu bezeichnen ist, wäh-
rend bei Nroati sogar ganz deutliche Lockenbildung konstatiert werden kann.
Von den Karajä werden, wenn das Gespräch auf Tapirape-Frauen kommt, in der Regel
als ihre hauptsächlichste Besonderheit ihre ungewöhnlich entwickelten Pudenda betrachtet,
5. „ -J: -
Fig. 7.
*
Kokokre
'
JtiA1 ■
X ...
ft’
m ,■
■ *’iy ■ .. ; V, 4.
• :• t':
■Hi
Fig. 8.
Fig. 9.
Fig. 10.
BEITRAG ZUR KENNTNIS DER TAPIRAPE-INDIANER
49
deren Größenverhältnisse jene der Karajä-Frauen um vieles "
überträfen. Ob diese mir von den Karajä meist unter Zu-
hilfenahme recht drastischer mimischer Darstellung mit-
geteilte Beobachtung als ein Stammesmerkmal der Tupi-
Guarani aufzufassen ist? Azara berichtet wenigstens von
den Weibern der Guarani, die er am Rio Paraguay besuchte,
die gleiche, wie er übrigens mit Unrecht annimmt, allen
Indianerfrauen zukommende Eigentümlichkeit.1)
Marehä (Fig. 8 u. 9), Chrysostomos Sklavin, und Nroati
gehören zweifelsohne dem edleren Typus ihres Stammes an.
Ganz in Übereinstimmung mit anderen Berichten, die
von Tupi-Stämmen, die wenig oder gar nicht mit Europäern
in Berührung gekommen waren, zu erzählen wissen, sie
seien kleinmütig, beinahe scheu im Wesen, schien es auch
mir, als läge in der Natur der Tapirape, die ich kennen
lernte, etwas Zaghaftes, das ich nicht nur als eine Folge
und Begleiterscheinung ihrer im allgemeinen recht milden
Gefangenschaft erachten zu müssen glaubte. Nroati hat zu-
dem längst nicht mehr das Bewußtsein, ein Tapirape zu
sein und erinnert sich nur noch schwach seiner Entführung ^
aus der alten Heimat. k_________________ "
Das Unsichere im Wesen schwand aber bei Nroati eben- Fi«-n-
so wie bei Marehä in der Unterhaltung sofort, um einer liebenswürdigen Heiterkeit und Offen
heit im Benehmen Platz zu machen.
1) In der deutschen Ausgabe der Reisen Azaras von Ch. Weylandt heißt es S. 210: „Auch hat noch eine
andere Sonderbarkeit bei ihnen Statt, die sie mit allen indianischen Völkerschaften gemein haben, und die darin
besteht, daß die Geschlechtsteile der Mannspersonen niemals von mehr als mittlerer Größe sind, dahingegen die
der Weibspersonen sehr breit und ihre Schamlefzen außerordentlich angeschwollen sind.“
Fig. 12.
Fig. 13.
Baessler-Archiv vi, i'2.
7
50
W. KISSENBERTH
Für den gewöhnlicheren, unschönen Tapirapé-Typus schien die Sklavin des übelbeleumun-
deten, als gewalttätig bekannten und gefürchteten Häuptlings Iwana im Dorfe Dpzahäkä (= großer
See) ein geradezu klassisches Beispiel zu bilden. Ich widmete ihr in meinem Tagebuch fol-
gende Notiz:
„Ein merkwürdiges Geschöpf, das sich im Gegensatz zu des Häuptlings Lobpreis ihrer
Schönheit geradezu als ein Ausbund von Häßlichkeit erweist, und deren Gesicht sich in der
knallroten Ölbemalung als groteske Fratze darbietet. Das Weib ist auffallend klein von Statur.
Auf niedrigem Hals sitzt ein kleiner Kopf. Auffallend niedrig ist die Stirne, in die die straffen
schwarzen Haare wirr hereinhängen. Ihre leicht schräggestellten Lidspalten, die ungewöhnlich
klein sind, verleihen dem Gesicht ein etwas mongoloïdes Gepräge. Plattgedrückt und breit ist ihre
Nase. Unverhältnismäßig klein sind ihre Ohren. Auf den Wangen, direkt unter den Augen, trägt sie
die ringförmige mit Genipaposaft blauschwarz gefärbte Tätowierung der Karajä, was ganz gegen
die sonst übliche Sitte ist, wonach dieses Stammeszeichen nur eigentlichen Karajä zukommt.“1)
Iwanäs Sklavin hatte sich übrigens allem Anscheine nach leicht in ihre Rolle als Dorf-
dirne gefunden und in dem Maße, wie sie Gefallen an ihrem neuen Leben zu finden schien,
ihre alte heimatliche Zurückhaltung abgestreiit. Für den Häuptling hvanä bildete die Tapirapé-
Frau eine willkommene und weidlich ausgenützte Einnahmequelle.
Im wesentlichen gleichen Typus wie diese, wenn auch nicht von so ausgesprochener
Häßlichkeit, zeigen Marehäs höchstens fünf bis sechs Jahre altes Töchterchen Maral - von
den Karajä: Kojiherero genannt (Fig. 10 u. 11) - und die Sklavin des Häuptlings Tamanako in
Woudo.
Ich fand dieses arme Weib in bedauernswertem Zustande, totkrank an einem Leiden, wo-
für ich keinen Namen erhielt, in einem kleinen, nur notdürftig mit Palmblättern bedeckten Hütt-
chen, Wind und Wetter preisgegeben, weit vorm Dorfe draußen (Fig. 12 u. 13). Beinahe völlig
zum Gerippe abgemagert, an dem nur schlotternd noch die Haut hing, erwartete hier die Tapi-
rapé-Indianerin, unfähig mehr sich vom Lager zu erheben, in stiller Resignation den Tod.
LINGUISTISCHES.
VORBEMERKUNGEN.
Als ich mich Ende April 1909 nach einem Besuche
Araguayainsel Bananal liegenden Karajä-Dörfer auf der
guaya befand und meine
durch unbestimmte Alarm-
gerüchte von einer Re-
volution stromabwärts un-
ruhig gewordene Mann-
schaft sich deshalb mei-
nem Plane eines längeren
Verweilens an verschie-
denen Indianersiedlungen
widersetzte, konnte ich mir
nur auf Grund besonderer
Versprechungen wenig-
stens einen anderthalbtägi-
gen Aufenthalt in Wehe-
riadö „erkaufen“. Marehä.
das erste authentische linguistische Material dar, das wir
der im Bereiche der Nordhälfte der
Rückreise nach Conceicäo do Ara-
Mein Interesse galt dort
in erster Linie der Sklavin
des Dorfhäuptlings Chryso-
stomo, der Tapirape-Frau
Marehä. Ihr verdanke ich
nebst den phonographisch
aufgenommenen Tapirape-
Gesängen und einigen Fa-
denspielen ihres Volkes
das vorliegende Wörterver-
zeichnis, einige Ausdrücke
und Sätze. Sie stellen das
zwar wenig umfangreiche,
aber immerhin, soweit ich in
Erfahrung bringen konnte,
von den Tapirape-Indianern besitzen.
1) Vgl. s. 73.
BEITRAG ZUR KENNTNIS DER TAP1RAPÉ-INDIANER
51
Die Schwierigkeiten der Vokabularaufnahme waren recht beträchtlich, da kein Karajä im
Dorfe imstande war, mir Dolmetscherdienste zu leisten. S.ehr nützlich erwiesen sich nun meine
Kenntnisse gerade in der Guazazära-Sprache. Und wo diese nicht ausreichten, da mußten
zeichnerische Darstellung und Zeichensprache zur Verständigung beitragen. Schon damals war
wenigstens in lexikalischer Hinsicht, die enge Verwandtschaft des Tapirape mit dem Guajajära
leicht zu erkennen. Aus meiner Gegenüberstellung des Tapirape-Vokabulars und den entsprechen-
den Wörtern, wie wir sie bei den bekanntesten mir zugänglichen Tupi-Guarani-Wörterlisten finden
ist übrigens ein entschiedenes Hinneigen zum sogenannten reinen Tupi ohne weiteres ersichtlich
Im Tapirape werden Vokale und Diphthonge selten rein, sondern fast durchgängig mehr
oder minder nasaliert ausgesprochen, und im Verhältnis zu den übrigen Tupi-Guarani-Dialekten
scheint die Nasalierung im Tapirape, soweit aus dem kleinen Vokabular zu entnehmen ist, viel
häufiger zu sein.
Für das Tapirape charakteristisch ist der Palatal-Frikativlaut / an Stelle der in den sonst
bekannteren Dialekten der Tupi-Garani-Gruppe im Anlaut oder Inlaut stehenden Laute: c, g,
i, y, j, s, z, t oder n, n, ny, nh, gn.
Da, wo in dem Tapirape-Wörterverzeichnis sich von den Vergleichswörtern stark abwei-
chende Aufzeichnungen finden, kann mit ziemlicher Sicherheit auf ein Mißverständnis gelegent-
lich der Aufnahme geschlossen werden,
Fritz Krause teilt übrigens in seinem Reisewerk einige Tapirape-Wörter mit1), wie er
sie von Karajä-Indianern „in deren vielleicht verderbten Aussprache“ notieren konnte. Es sind
dies die folgenden:
bädumä Tabak
käa Uruku
höölä Penisstulp
küwää Kamm
iwürä Keule
küita Cuye: Vollcuye: Cu-
yenflasche
käsedi Halbcuye
diöho1 2) Puppe aus weißem
Stein, eine Jung-
frau darstellend
aklili Name eines Gesanges
der Tapirape
Das Tapirape-Vokabular enthält 155, mit einigen Varianten 168 Wörter. Daran schließen
sich 10 Ausdrücke und Sätze, wovon ich die Hälfte von dem bei seinen Stammesgenossen
als gutem Kenner der Tapirape-Sprache bekannten Karajä-Häuptling Alfrede in Kurehäua
(= Ort der Mangaba) erfuhr.
LAUTLEHRE.
Vokale:
u = wie im Deutschen.
= ein Laut zwischen e und i.
= entsprechend dem deutschen ä oder dem offenen französischen è, wie in „mère“.
= deutsches offenes o, wie in „Pforte“ oder franz. o, wie in „fort“.
= Kehlkopfverschlußlaute, stark guttural gesprochen.
= Kehlkopfverschlußlaut, guttural gesprochen, aber mit ziemlich heller Klangfärbung.
= nasalierte Vokale.
= konsonantisches u, wie in engl, „walk“.
= konsonantisches z, entsprechend dem englischen y in „youth“.
= diphthongische Laute.
= nasalierte diphthongische Laute.
Alle anderen Doppel- und Tripellaute werden getrennt gesprochen.
a = Wortakzent. à = Nebenakzent im Worte. ä = Länge. ä = Kürze.
(fl) = eingeklammerte Vokale sind nur schwach hörbar.
a, e, i, o,
e
e
o
e, i, u
q
ä, ö, ü, $
w
y
ai, oi
au, oh e\
1) s. 405, 406, 469.
2) Doch wohl Karajä-Wort! Vgl. Krause, Reisewerk S. 444: Puppe aus Ton, Karajä darstellend: l(j)loho (N).
7*
52
W. KISSENBERTH
• l’VAKHSiTrtrS-
UflMJOTHEK
[ BERLIN
Konsonanten.
b, g, h, k, m, n, p, t = wie im Deutschen, doch werden p, t ohne Aspiration gesprochen.
kw = k + konsonantisches u. c — deutches tsch.
f = palataler Reibelaut, deutsches d + französisches / in „jour“, oder wie der
Anfangslaut beispielsweise im italienischen Worte „giorno“.
n = deutsches ng in „Angel“.
r = nicht gleich dem deutschen r, sondern ein Laut, der durch rasches Her-
vorstoßen der Luft und einmaliges kurzes Anschlägen der Zungenspitze
am vorderen harten Gaumen kurz hinter den mittleren oberen Schneide-
zähnen entsteht, in der Wirkung aber ungefähr einem Mittellauf zwischen
/ und r, jedoch mit größerer Hinneigung zu r, gleichkommt.
ZUM VERGLEICHE HERANGEZOGENE TUPI-GUARANÍ-LITERATUR.1)
Dr. Wilhelm Kissenberth, Die Sprache der Guaza-
zära-lndianer; von ihm 1908 in Zentral-Maranhäo
aufgezeichnetes, bisher noch nicht veröffentlichtes
Material (G).
Dr. Paul Ehrenreich, Materialien zur Sprachenkunde
Brasiliens; Vokabulare der Guajajära und Anambe
(Para); in der Zeitschrift für Ethnologie 1894 (Ge,
Ae).
Dr. Karl von den Steinen, Unter den Naturvölkern
Zentral-Brasiliens; Reiseschilderung und Ergebnisse
der zweiten Schingü-Expedition, 1887-1888; Berlin
1894, S. 535 u. 537; Auetö-Vokabular (A) und Ka-
mayurä-Vokabular (K).
P.(ere) C. Tatevin, La langue Tapihiya dite Tupi ou
Neehgatu (Belle langue); Grammaire, dictionnaire
et Textes, Band II der „Schriften der Sprachen-
kommission“ (Kaiserl. Akademie der Wissenschaf-
ten), Wien 1910 (T). „
Gurt Nimuendajü-Unkel, Vocabularios da lingua
geral do Brazil nos dialectos dos Manaje do Rio
Ararandeüa, Tembe do Rio Acarä-Pequeno e Turi-
wära do Rio Acarä Grande, Estado do Para; Z. f. E.
1914, Heft IV u. V.
A. Qoncalves Dias, Diccionario da lingua Tupy,
chamada lingua geral dos indigenas do Brazil,
Lipsia, Brockhaus 1858 (Qd).
Dr. Ernesto Ferreira Franca, Chrestomathia da lin-
gua brazilica, Leipzig 1859 (Ff).
Dr. Carl F. Phil. v. Martius, Beiträge zur Ethno-
graphie und Sprachenkunde Amerikas, zumal Bra-
siliens, 1867, Bd. II: Diccionario portuguez e bra-
ziliano, obra necessaria aos Ministros do Altar etc.;
wahrscheinlich aus der Feder des berühmten Jesuiten
Joao Daniel 1795 (M).
Julius Platzmann, Das anonyme Wörterbuch (Dic-
cionario portuguez e brasiliano); Tupi-Deutsch und
Deutsch-Tupi. Leipzig, Teubner 1901 (AW).
Henry Coudreau, Vocabulaires méthodiques des lan-
gues Guayana, Aparaï, Oyampi, Émérillon. Intro-
duction par L. Adam. In Bibliothèque linguistique
américaine, tome 15; Paris 1892 (Coy).
Dr. C. F. Ph. v. Martius, Das Oyambi-Vokabular, auf-
genommen von Adam de Beuve et Ferré, Bd. II
der Beiträge z. Ethn. 1867; zuerst publiziert in Bull,
de la Soc. de Géographie, Paris 1834 (Moy),
P. Antonio Ruiz de Montoya, Gramática y diccio-
narios de la lengra Tupi ó Guarani. Nueva edición
(Visconde de Porto Seguro); Viene-Paris 1876 (Mo)-
Dr. Baptista Caetano de Almeida Nogueira, Vo-
cabulario das palavras guaranis usadas pelo tra-
ductor da „Conquista espiritual“ do Padre A, Ruiz
de Montoya; Annaes da Bibliotheca Nacional do
Rio de Janeiro, Vol. VII, 1879-1880; Rio 1880 (Mn).
VOKABULAR.
A. KÖRPERTEILE.
1. Mund jane-Jurú.
2. Oberlippe, Rinne über der Oberlippe jane-ama-
bi ra.
G: sane-zum Ff: furû G: sane-kué Coy: é-rembé
Ae: hä yum M: jurú Gd: tembê Moy: irémé, erembé
T: yum AW : jurû Ff; xeapüà (unsere Mo : aquâ (labio de ar-
Ma: hejurú Coy: é-yourou M: tembé [Oberlippe riba)
Te: hezurú Moy: ecourou AW; tembê (Guaranisch; Mn; áqua; ambapi = a
Tu: jura Mo: yurub meine Unterlippe parte superior
Qd: jurú Mn: yurú cherembé)
1) Zum Vergleich mit dem linguistischen Tapirape-Material wurde nur die wichtigste, aber vollkommen
ausreichende und zweckdienliche Literatur herangezogen.
BEITRAG ZUR KENNTNIS DER TAP1RAPÉ-INDIANER
3. Unterlippe jane-remë (teme).1)
lèvres
sane-remé
intembe, Mund
yereme
teméh'iwa i
remeh'iiva J
heramé
heremé
nenamé
tembê
Zahn (jane-roj
sane-rêji
seranya
indâi
Ff: tembê (xerembé,
meine Lippe)
M : tembê
AW: tembê
Coy: é-rembê
Moy: irémé, erembê
Mo: tembê
Mn: tembê
(toi), Jane-rom (toi a).
henami
nenami
namby
nambí
namby
namby'
Ohrloch als Gehörgang jane-äpuakw ärä
53
Coy: é-nami
Moy: nami, inami
Mo; nambí, ynambí (che
nambí = mis cie-
los)
Mn: nambí
Ff:
yenerai n-
taina, saína, raina C
: herë M
herái M
neráí M
: tánha
5. Nase jane-äpoJ, jane-ápoía. )
Gd: tím
tanha (xeranha
meo dente)
çainha
çainha, tanha
é-ragne, raí
erái
tai
tai
sane-epi(a)kwár(a) Ff;
hä aupihä
intenyabükuát AW:
yenamikuat Mo:
apyça coára Mn:
apuçâ, apyça (ouvi-
dos)
apyçâ coára (Gehör)
quâ (agujero Loch)
apïçà quar
10. Stirne Jane-rehapukáña (tehapukáña).
sane-cí
wasí
hä tsi
iambü(i)
yetsí (Nasenspitze)
ti
he api}
heapyiguá
nein
Mn:
ti
tím
tím
i-n-ci
inci
ty (iy ape' = nariz
tuerta)
tím
sane-rehapuikáña
yeripükang
>y; é-rapoucan
ay: erouivapé
a: tepapica ñai (Stirn-
11. Kopf jane-akáña. s)
akaña
;; akä
;: akánga
yeakang
akañga, akañ
a: heaky
; heakä
: neakánga
12. Kopfhaar jane-áñ(a).
sane-áo
!: yara
!: yanäa
partie über den
Augenbrauen)
Mn; teçapîcang (Augen-
höhle)
Qd: acánga
Ff: acanga
M; acánga
AW : acanga
Coy: êancang
Moy; eacang
Mo: acang, acanga
Mn; acang
6. Nasenloch jane-äpoj war a. A: iap, yeap AW: aba I
G ; sane-(a)puiñára Ff: apunha (as ventas K: yeap Coy : é-apirawe 1
A: iambüinkuát do nariz) T; awa Moy: apira 1
K : yeapükuat, yeapüa- AW: apy'nha Ma; heá Mo: á (che á = mi ca- I
kuat Coy; apoui-ngonare Te: áwa bello) 1
T: ti kuara Mo: apiínguá (ventana Tu: nereáiva Mn; ab 1
de narizes) 7. Auge Jane-rehá (tehá). 13. G; Augenbrauen jane-rawahaá(a) (tawahaá(a).1 2 3 4) 1 sane-hepukeráu M: ceçà pecánga 1
0 : sane-rehá Gd: teça A: itetaapeap AW: cepa pecánga 1
Ge; ha Ff: fepá K: yereopükarap Coy; é-rapoui-pi-rawe 1
Ae: ere há M : teçà, ceçd T: sesapekañ Moy: eropoukaraba ]
A : iteta AW : teçâ Gd: cepá pecánga Mo: tíbitá I
K: yerea T : sesa, res a Coy : é-réa Moy: ere a Ff; tepa pycanga Mn: tepa picará 1
Ma: herehá Mo: teçà 14. Augenwimpern jane rapehaú(a) (tapehaú(a). 1
Te : herehá Mn; teçà G: sane-ropeáu M: topeó 1
Tu : nerehá A: intombemboa AW; Jandé repá pába 1
8. Ohr Jane-inamí. K ; yenarni K: T; yeropeap sesarerupe awa Coy: é-rapoui-pi-rawe 1 Mo: topeó (cheropé á — 1
G : sane-inamí Gd; cepá titic mis pestañas) [
Ge: inamí T : nami (pavillon de Ff; pepa raba (xerepa Mn; tepáráb (cabellos ou 1
Ae: hä nambí A : intenyambe l’oreille) Ma: henami raba= minhas pe- stañas) pellos dos olhos) I
1) Analog wie in anderen Tupi-Guarani-Dialekten verwandeln die mit „t“ beginnenden Substantiva in Ver-
bindung mit den Possessivpräfixen jane und Je ihren Anfangsbuchstaben in „r“, z. B. teme = Unterlippe,
jane-reme = unsere Unterlippe, topu = Vater, Je-ropu = mein Vater.
2) Vgl. Montoya; apyi; cheapyi mi punta de nariz, meine Nasenspitze.
3) Für „Kopf“ wurde auch das Wort Jane-äbina gegeben, was zweifellos ambi, estar endefluxado, ver-
schnupft, erkältet sein, nach Mont.-Nog., entspricht.
4) Vgl.Luis Figueira, DerSprachstoff der brasilian.Grammatik 1687(Neudruck von J.Platzmann 1899):tybytäba.
54 W. KISSENBERTH
15. Bart, Schnurrbart amataú{a). 23. Finger janekwé.
G: amotáu M: amotába G: sane-kwé Ff: pó a canga
A; iampotap, ambotap AW: amotába A; ipü M: pó
K: yeamotap, Kinnbart Coy: é-néoua-rawe K: yehua AW: pó
Gd: amataba (bigodes) Moy: nemeraba (in labio) Ma: hepü Coy; é-po-ahi
Ff: tendé vába (barba) Mo; ambot á Te: hekivä Moy: epoua
xepyaaba{bigodes) Mn: amotá, ambotá Tu: nekivä Mo: qüá
16. Schamhaar teneivabaña, Jane-rewahaua {te- Gd; pó Mn: quá (dedo da mäo)
wahaüa).1)
24. Daumen íane-kwehú.
G: sane-rekwomutáu °
Ff; gaba (cabellos que nao sao da cabe9a) G: sane-kwehú AW: pó acanga oqú
Mo: tendíbaá K: yehua Coy: é-poan
T; dedo (port.) wasu Mo: quá guafú
17. Arm Jane-jiwa. Gd : pó acanga opú Mn; quá (dedo da mäo)
G: izuwá Ff: gybá M: pó acánga ofú
Ge: iua M; jybá
T: yiwa AW: jybá, juba 25. Zeigefinger jane-pákeña.
Ma; hejywá Coy: é-youa
Te: hejywá Mo; yíbá G; sane-kwehühehewe- M: pó acánga opú
Tu; nejywáwa Mn: yíbá hd (Daumen)
Gd: jyba {piba) K: yehua-ipöpüat Coy: é-pn-yaita
r Qd; pö acanga (dedo da Mo: qña pobee' ngába
18. Oberarm je-Jiwa. mäo) Mn: puá, quá (Finger)
G: sane-z.waipi M: jyba Ff; po a canga (knochi-
Ge: iua (Arm) AW: jybá ge Teile der Hand)
A; iköva Coy: é-youba oupoui
K: yeyüva Mo: yíbá (cheiíbá mein 26. Mittelfinger jane-p ámetérá.
Gd: jyba (júba) Arm)
Ff: giyba Mn; yíbá G: sane-kwemeter{a) AW: pópitéra (das Innere
r K: yehua-mutet der Hand)
19. Ellbogen ¡ane-paraiva. T: dedo (porl.) pitera- Coy: é-po-an moutére
G: sane-ziwanemaná Ff: poraké pira Mo; müá mbí tépeguára
A: ikóveampat M: jybá moapirepába Qd: piterpe, pytera {mit- qámbíteréra
K: yeparatsíüp AW: jybá moapyrefába ten) Mn: pítér=mbíter{Miüc)
T; ríibanga, yiwa muc- Coy: sirimina M: pytera (in der Mitte)
pifisawa Mo: tenybanga
Gd: jyba moapyrepába Mn: tenybangá 27. Ringfinger Pä (?).
20. Hand jane-po.
G: sane-pó, ypó Ff: pó
Ae: pó M: pó
A: ipo AW: pó
K; yepo Coy: né-po
T: pu Moy: epapoui
Ma; hepó Mo: pó, mbo
Te: hepó mi mane
Tu: nepó Mn: pó
Gd: pó (dedo, mäo)
21. Handknöchel jane-pokéña.
G; sane-kwemirihewehára
K: yehua-ipépuat
Mo: qua myrí ybíri chuära (dedo del coraipon)
28. Fingernagel jane-piiape.
G: sane-poapé
A: imboa
K: yehuape
Gd: pó apém
Ff: póápé
M: pó apém
AW: pó apém
Coy: é-po-ampé
Mo: poapé'
Mn: póapé
G: sane-pgakáña Moy: epouakang
Gd: pó acanga (dedo da Mo: poacang (artejo
mäo) la mano
Coy: é-po-an cassae-con Mn; pó acang
22. Handfläche Jane-pop utéra.
Q; sane-popetéra M: po pytéra
A; ipouva AW: pópitéra
K: yepó-pütet Coy: é-po-rouá.peu
Gd; pó pytéra Mo: popité
Ff: popyréra Mn; popí tér
29. Bein fane-retemä (tetemá).
G: sane-retema Ff; tetyma (xereiymá
T; sétima = minha perna)
Ma: heretemaky (Schien- M: cetymá
bein) AW: cetymá
Te: heretymá (Schien- Coy: é-rétouman
bein) Moy; evakoua
Tu: netywä (Schienbein) Mo: tyma, tetyma (che
Gd: cetyma retymá) Mn: tetímá
1) Mo; eheraquá ambotá, foemina dicit.
BEITRAG ZUR KENNTNIS DER TAPIR APE-1NDIANER
55
30. Oberschenkel jane-öwa.
G;
A:
K:
Ma:
Te;
Tu:
Gd:
Ff:
G
A
K
T
Qd
Ff:
sane-wipi
iup
yeup
heû
heû
neûwy
iba (quadril
knochen)
vba
Hüft-
31.
Knie jane-kanaivä.
ipenardh
impöa
yeperenan
riip'ia
jenepydm
tenepyä (xere-nepyä
unser Knie)
32. Fuß fane-pi.
Q:
Ae:
A:
K:
T:
Ma:
Te:
Tu;
Gd:
sane-pi
Pî
ipokut
yepü
P'i
hepÿi
hepij
nepÿi
PP
M: yba (Griff irgend-
eines Werkzeuges)
AW; yba
Coy: e-iou-touman
Moy: evakoua
Mo: u{ubacdng — hues-
so del muslo)
Mn: uba-cang (femur)
M ; jenepydm
AW: jenepy'am
Coy: égnanpé
Moy : énénépouang
Mo: tê'nÿpÿà'
Mn: tenypid
Ff: py
M: pÿ
AW: py'
Coy; é-poui
Moy: epoucoiipé
Mo; pi mbi (che pi —
mi pié)
Mn: pi
36, Bauch jane-rewéka (tewéka).
G;
A:
K:
Gd:
Ff:
sane-rié
itôa
yerevek
righe
teghe
37. Nabel jane-pîrue.
M : marie a
AW: marica
Coy : i-rié-pou (bas ventre)
Moy: eroué
Mo : tìé (che
né
Mn:
nä mein
[Bauch)
G: sane-pirue AW: poruam,
A; ipülup pyruà
K: yepürua Coy: é-powoiian
Gd: pontóni Moy; epouroua
Ff: purüd Mo: ibi tymbó
M: pontóni Mn: pinta
38. Penis takunya, tdkùnya.'
G: tema Ff; taconha
Ge: a rimò M : taconha
A: ituöp AW ; taconha
K: yerakiiai Coy: é-nw
T: talmud Mo: taquâ
Gd; taconha Mn: taedi, taqud
39. Vagina tam ac id.
Q: tamashiâ Gd : tamatiàn
Pyniäa,
Oe:
A:
amisahä
kunya-yaonsi,
denda
kunya-rama
tamatid
Pu-
Mn;
40. Labia maiora täp up ir a.
33. Brust jane-p a cid. T: tïpipura (parties se- Ff:
G: sane- pushid, sane- Ff: potiâ (motiâ), pytid xuelles)
puciâ (xepytiâ = meo Ma: neapd (membrum Mo
A : ipozeat M: potyà [peito) muliebre) Mn
K : yepotsüa AW: poiâ Te: huwÿ (membrum
T:
Ma;
Te;
Tu:
Od:
putta, potia
hepucid
hepucid
nepytyd
potid
Coy: é-pocia
Moy: epocia
Mo: potid (mbotiä) (che-
potid — mi pecho)
Mn: potid
muliebre)
41. Haut jan e-pira.
Ff: tamatid (pudenda
muliebria)
Mo: tamatid (vaso natu-
ral da mujer)
tambatid
tapupir (virilhas da
mulher)
tapipi
tapipi (membrum
muliebre)
34. Weibliche Brust jane-(Hkdma, jane-kijma.
G: ikàma,kiizèi-kàm(a)
Ge: akdma
T: kami
Ma: nekä
Te : ikdma
Tu : ikama
Gd: cdma
Ff:
cdma (xecdrna =
meos peitos)
cdma
cdma
i-ssoussou
Moy: assoussous
Mo: cavia
Mn; cam
M:
AW:
Coy:
G:
Ae:
A:
K:
T:
Ma:
Te:
Tu:
sane-pirera
ipira
ipit
yepit
pira
hepiré
hepiré
nepiréra
Gd:
Ff:
M:
AW
Coy
[pelle
pirera
jândé pyra (nossa
piréra
pirêra
é-pirère
Moy; pirera
Mo: pi, piréra
Mn; pirér
42. Knochen jane-manô (?).*)
35. Weibliche Brustwarze jane-kukwe.
Q:
A;
K:
Gd:
M:
ikdmakwe
kunya-ivham
kunya-kam
kytavi
kytdm
AW:
Mo:
Mn:
kytdm
cdma qûd (peçon
de las tetas)
camaqud
G: ikaiiwera
Ge: kängire (Schienbein)
A: näkanmut
K: ikanget
T: käwera
Gd: cangoera
Ff: cangöera (wenn;
außerhalb des Flei-
sches)
M:
AW:
Coy;
cangoéra
cangoéra
cangouère
Moy; canguera
Mo: cängue (huesso sin
carne)
Mn; canguér
1) Diese Angabe entspringt zweifellos einem Mißverständnisse. Vgl. beispielsweise:
T: manu (mourir) Gd: manö (morrer) AW: manö (sterben, Guaranisch: mdno)
Ff: amano (morrer) Mn: mand (morrer), che marid (sou morto, ich
M: manö (morrer, sterben), jamanü (morior, bin tot, matam-me, man tötet mich),
mori, ich sterbe, sterben)
Der Gedankengang der Indianerin war der: „Wenn wir gestorben sind, dann sehen unsere Knochen so aus“, -
wie ich ihr einen zeichnerisch dargestellt hatte.
56
W. KISSENBERTH
43. Atem jurupeka.
50. Wind iwetü.
Q: zumpeka Coy: ecourou
Gd: juru neme (mao ha- Moy: ; é-yourou
lito) Mo: pytu (yurupeca
Ff: xepüä boca abierta)
M: juru pituceme Mn: yurú pítu
AW: jeru pitu ceme
B. ELEMENTE UND NATUR.
44. Wasser i.
G: i Gd: yg
Ge: mani Ff: y
Ae: i M: yg, hy
A: ü AW; y'g
K: ü Coy; eu
T: hi Moy: ; ih
Ma: ü Mo; i
Te: y Mn: i
Tu: ya
45. Feuer tatd.
G; tatä Gd: tatá
Ge: tata Ff: tatá
Ae: tata M: tatá
A: tara AW: tatá
K: tata Coy: tata
T; tata Moy: tata
Ma: tatä Mo: tatá
Te: tatä Mn: tatá
Tu: tatä
46. Großes Feuer tatäjambahü.
G: tatä hü AW: tatá opu
Gd: tata ofü Mo: tata ípi (fogon)
Ff: tata upaba Mn: tatá uqú
M: tatä opu
G: iwetü
A: ivüt
K: ivütu, ivitu
T; hiwetu, wetn
Gd: ibytú, ybytü
Ff: ybytü
51. Sonne kwärä{n)he.
G: kwarahi
Ge: kurahe
karahi
kuat
kuat
kwarasi
Ma: kwarahy
Te: kwarahy
kwarahy
Ae
A:
K:
T:
Tu:
52. Mond iahe.
zahé
yahé
yahi
tatú
yaü
yasi
G:
Ge:
Ae:
A:
K:
T:
Ma: jahy
Te: zahy
Tu: jahy
53. Berg iw¡tira.
G: iwitír{a)
T: hiwatera
Ma: ywyty
Te: ywyty
Tu: ywytyra
Gd: ibytyra
M: ybytú
AW: ybytú
Coy; ouitou
Moy: wetu
Mo; ibítú
Mn; ibitu
Gd: coaracy
Ff: coaráfy
M: coaracy
AW: coaracy'
Coy: couaraeu, couara
Moy: cay are'
Mo: guaraní
Mn; quarahí, quaraci
Gd: jacy
Ff: jücy
M: jacy
AW: jacy'
Coy: yaeu
Moy: yáé
Mo: yací
Mn: yací
AW: ybyty ra
Coy: ioutire
Moy: iwitira
Mo: ibití {íbitirufú =ser-
ranía, cordillera
Mn: ibítir
47. Kleines Feuer jahütatai. Ff: ybytyra
Q: tatápishíka (zahetataé = kleiner Stern) 54. Stein, Metall itä.
K: yantata-i, Stern
Gd: tatá merim G: itä Tu: itá
Ge: ita Gd: itá
48. Himmel uwáka, yaká. Ae: ita Ff: itá
G: iwáka Gd: ibáke A; küta, köta M: itá
Ae: iwa Ff: ybáka K: ita AW itá
A: hüvapit M: ibáka T: ita, ta Coy ita
K; hüvak AW: ybáke Ma: itä Mo: ytá
T: h’iwaka Coy: iouae Te: itä Mn: itá
Ma: ywá Mo: ibag
Te: ywaága Mn: íbág
Tu: ywága C. HAUSGERÄT, KANU, WAFFEN usw.
49. Regen amana.
G: amána Gd; amána 55. Hängematte im, jere-kwaüä.
Ae: amana Ff: amána 0: kiháu Ff: kycaba
A: aman M: amána Ge: manihü M: kycába
K: aman, haman AW: amána Ae: kisaua AW kyfába
T: amana Coy; amane A: hene, hene(i), ini Coy ini, kéawe
Ma: amá Moy: amanne K: heni (Baumwolle) Mo: y ni', quíhá
Te: amána Mo; ama T: kisawa Mn: ini, quiháb
Tu: amána Mn: ama Gd: kyfába
BEITRAG ZUR KENNTNIS DER TAPIRAPÉ-INDIANER
57
56. Langer Tragkorb ârambahe.1)
0 : paputû
Ff; goaturâ (cesto que levâo as mulheres, quando
vâo a roça)
arocô (tragen)
Mo: arahâ (tragen)
57. Mandiokapresse tepetî.-)
G: tepeci Coy: tépéci (couleuvre à
T:, tipiti manioc)
Qd: typyti Mo : tepiti
M: typyti, tipiti Mn: tipiti
58. Topf zum Kochen , läe.
G: sapepg Ff: nhaé popó
Ae : nyaä M : nhaém pepò
A: makúla AW ; cambócy
K: nyäe Coy : touroua
Ma: jae Moy: touroua
Te: zapepó Mo: yapepó
Tu: fapepo Mn: yae
Gd: nhaéni pepò
59. Kleiner Topf jäeuri.
A: makula-yet Moy : touroua missig
K; mavikuru-i Mo: yapepó myri
Ff: nhae popomiri
60. Beil ji.
G: itäzi Ff : gí
Ae : yika M: gy
A: kü Steinbeil AW; gy
K: (d)yü Steinbeil Coy: yi
T; ui Moy: you, wiwi
Ma: iu Mo: yi acdngud (hacha
Te: JiJ itazy de cortar)
Tu: itajy Mn: yi
Gd; 99
61. Steinbell Hai tau
G: itäitazi Mo: ytaîi
Coy; apocico Mn : itáci
62. Stiel des Steinbeils itajù{h), itáitaijüh.
G: itajiiu M: ÿba
T: yi-hiwa AW : y'ba
Gd: y'ba Mo: yit (hastil, cabo de
Ff: gyijba (cabo de ma cuña)
chado) Mn : yiib
63. Kamm kewaüwa.
Q: kiwdu AW : kybdba
A: kiüvap Coy : ouira-keaoua
K; kiüvap Mo: quiguâ, quigûa
T; kewawa Mn; quiguar (quib-guar
Gd: kybdba = o que caca piol-
Ff: kyvaha hos)
M; kybdba
64. Kanu iärä.
Q: iamoomkanú Ff: ÿgâra
K : hüat M: ygdra
T: ñgara AW: ygdra
Ma : y ja Coy: igare
Te: yá Mo: igdra
Tu ; yára Mn: igdr (îb-cara = cas-
Qd : ygára ca de arvore)
65. Einbaum pepa, i ambe bä.
G; ubá Coy: igare-oû
A: maambe, maampe Mo; igápepó (bordos de
Kanu canoa)
T: uba Mn: igá (ib-cara = cas-
Ae; igára ca de arvore)
M: ubá (canoa de urna
só peca)
66. Bogen uwerapara, werapára.
G; werapára Gd: uirapdra
Ge: irapa Ff: ybyra para
Ae: irapa M: uirapdra
A; rapat AW: uira pdra
K: urapat Coy: paira
T : wirapara, mira para Moy : paira
Ma: yrapá Mo: guirapá
Te: wyrapára Mn: uirapá, guirapár
Tu: yrapára
67. Pfeil gíwa, uíwa.
G: wtwa Gd: uy’ba
Ge; presi Ff: vyba
Ae: uíra M: uÿba
A: uöp AW: uy’ ba
K : hüüp Pfeil (ubá) Coy: ouirapara
T: uhiwa Moy ; ourapara
Ma: m er eré Mo: bui
Te: uy Mn: uib, ui
Tu: heruywa
68. Angelhaken kwdcí:i)
69. Fadenspielfigur tarekanfaa.
70. Tabak petúma.
Q: pitümpiára Gd : pytyma
Ge: pitamidra Ff : timbori (= Rauch)
Ae : peterne M : pytyma
A: pd, pòh AW : pytyma
K: petii m Coy: petimore (pied d
T: p itima tabac)
Ma: peti} Moy; petemma
Te: petéma Mo: petÿ
Tu; petÿma Mn; petÿ, petim
1) Vgl. rafia, tragen; bei P. A. Ruiz de Montoya (Platzmann), Der Sprachstoìf der guaranischen Gram-
matik, Leipzig 1898; ferner: araçô, tragen; bei Luis Figueira, Sprachstoff.
2) Ärmelartige Strohmattenpresse zum Auspressen des Saftes der Mandiokamasse.
3) Fremdwort, dem Karaja entlehnt, wo es lautet: wasi; wasi (Krause), wasi (Ehrenreich), ouachi (Ca-
stelnau) usw.
BAESSLER-ARCHIV VI, 1/2.
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W. KISSENBERTH
D. FAMILIE usw.
71. Mann apigaüa.
Q: apetäua Gd: apiába
Ge: aniha Ff: apyaba
Ae ; apiga M: apiába
A: kaminuat AW: аруdba
K: akuamae Coy: téco
T; apihawa, apigawa Moy : yo, teco
Ma: awá (diz a mulher) Mo: cuimbaé, abá
Те: awá Mn: apiábae
Tu; awá
72. Vater je-ropú {topü)d)
Q: tu Ff; tuba (vulgarmente;
Ae ; papa paia)
A; apdi M: paya
K: yerup (= ye-tup) AW: túba
T: tuba, t'hva Coy : to yi (les pére et
Ma; papa mère)
Те; neru Mo: túba
Tu; tuaü (velho ?) Mn: tú, hú
Gd: tüba
73. Mutter häpi.
G: amal Gd; суд
Ae : mä Ff: су (vulgarmente:
A: ange M; maya [maio)
K: hama AW; hai, máya, Су
T: mana Coy; pipi (mère de ma
Ma: mäi femme)
Те; nehy Mo; hai (madre verda-
Mn: ci [dera)
74. Knabe Je-rhemuri.
G: imimirai (Säugling) Tu: hemembyra (diz a
А: imembüt Kind mulher)
К; yemememüt Sohn; Gd: curumím
auvdi miri Knabe Ff: cerere coara (meo
T: kurumi M: curumím [rapaz)
Ma: hememy (diz a AW; curumím
mulher) Coy: counoumi ékeure
Те: hememy (diz a Mo: curíümí
mulher) Mn: cunumi, cunan i
75. Bruder der Frau je- kewéra.
G; he-rewira (jüngerer Ff: xecuyra{meu irmäo,
Bruder) diz a mulher)
Т: kiwera, frere M: kebyra
Tu: kywyra (diz a mu- AW: kevíra
lher) Mo: chequíbí
Gd: kebyra, kevyra Mn: quib iquir
76. Schwester der Frau Je-kebeira.
G: hereiner{a) (Schwiegertochter)
Qd: kebyra(Bruder oder Coy: ené pipi (soeur de
Vetter der Frau) ma mère)
Ff: xerendyra meniby- Moy : niania
ra (= cunhado da Mo: chequìpìì (sagt die
mulher) ältere Schwester
M: kebyra (Bruder der zur jüngeren)
Frau) Mn : quipii
AW: membyra t'y .
77. Weib kufä, näti.
Q: kunyä Tu; kunä
Ge: ameriko Gd: cunhä
Ae : kunya Ff: cunhda
A: kunya M: cunhdm
K: kunya AW : cunhä
T: kunä Coy: cougnan (soeur)
Ma: kuji Mo; cuna'
Te: kuze Mn: cuna {= cuyä)
78. Weißer, Christ (christäo) mäevrä, mäöir(a)-), mahéira.
Ae : porania AW ; tupanäray’ra,tupdn
Gd: tupan r ay г a Coy: parainci [a rayra
M: tupána rayra Mn: tupa raí
79. Karajá-lndianer karajá.
80. Kayapó-lndianer grájahú, krüjahú.
81. Tapirapé-Indianer ou.
82. Name eines Tapirapé-Madchens mar ai.
83. Name einer Tapirapé-Frau marehä.
E. SÄUGETIERE.
84. Affe käi.
Q: kai Tu: kai
Ge: kahi AW: macdca
Ae ; kai Coy : cahi
A: kayöt, makako Moy : cohi
K; kai, makako Mo: caí
Ma; kai Mn: caí
Те: kai
85. Große Affenart kör ob z.
86. Fledermaus añera.
G: anirá M: andirá
Ge: inirä AW: andyra
A: tatsia Coy: andéouroa
K: arua Moy: amira
T: an dir a, añera Mo: mbopí
Qd: andirá Mn: andírá
Ff: andyra
1) L. Figueira: (üba; xerub, ich habe einen Vater.
2) In der von Gurt Nimuendajü Unkel mitgeteilten Tembe-Sage: Die Zwillingssage und die Karu-
wära (Zeitschr. f. Ethn. 1915, H. IV u. V, S. 281 ff.) heißt der Vater der Zwillinge Maira, auch Mairatä = ,,Mai-
ra der Wanderer“, mäeira ist vermutlich wesensgleich mit maira. Diese Bezeichnung geht möglicherweise auf
einen Weißen, Nichtindianer, zurück, der als Kulturbringer bei einem Stamme der Tupi-Guarani eine große
Rolle gespielt hat, und dessen Person im Laufe der Zeit von Sagen umwoben unter die Volksheroen ein-
gereiht worden ist. Zweifellos steht mäeira auch in Zusammenhang mit Maire Monan. So hieß der Weltbildner
in der Mythologie der alten Osttupi.
BEITRAG ZUR KENNTNIS DER TAPIRAPÉ-IND1ANER
87. Gefleckter Jaguar (Felis onza) (i)jaüärohu,
jañarohú.
Q: saòruhii Gd: jagoára eté
Ge: yauarihü Ff; jagoarate
Ae : yauarete M: jagoara eté
A: tauvat AW: jagoára ete
K: yauat Coy: yaouare
T: yawara-te Moy: yawara
Ma: jáwá Mo: yagúareté (onca,
Те; zawára tigre)
Tu: jawára Mn: yaguar eté
88. Kamphirsch (Cervus campestris) meara.
G: arapuhá M; puapú ápara
Ge: arap-haïo AW: puapuapára
Ae : arapohä Moy: eassou
Gd: çuaçù, çuaçù apára Mo: guapü abará
Ff: çuaçû Mn: guapú abará
89. Tapir (Tapirus américains) tapiira.
G: tapiira M : tapyíra caapóra
Ge: tapiira (Ochse im Walde)
Ae : tapiri AW : tapyíra
A: tapiit Coy: tapiira
K: tap Ut Moy; tapiira
T: tapihira ete Mo : tapii [grande)
Qd; tapy'ra Mn; tapiirupu (= anta
90. Tapirjunges tai reho.
91. Ameisenbär (Myrmecophaga jubata) tamanóahú, tamanuahú.
G: tamanuahú Te: tamandúa
Ae : tamandua Tu: tamanuá
A: tamayuá Gd: tamanduá
K: tamanua Coy; tamanoi
T: tamandúa Mo: tamanduá
Ma: tamanuá Mn: tamanduá
92. Coatipuru-ähnliches Tier wäwere, wàweréi.
T; wawiru Ratte
93. Ochse anökö (?).')
94. Hund Jawärä.
G: zawára M : jagoára
T: yawara AW ; jaguára
Üd: jagoára Coy: yaouare
Ff: jaguáupú (cäo de Moy: yawar
agua) Mo: yagúa, yágúaraí
95. Ziege ocina.
Mo: guagi, cabra montesa
F. VÖGEL.
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97. Feder ipepokwéra.
G: pepokwéra AW pypó, pepó (die
A: uvai Flügel)
K: ipepokúi Coy i-pépo
T: pepu aile Moy : ipepo
Gd: PUPO Mo: pepó cué (pluma del
Ff: güyra ragöera ala)
M: pgpó Mn: pepó cuér
98. Vogelei opea, obiä.
G: hupiá M: popiá
K: upia AW: popiá
T: supiá, rupiá Coy: pia, roupiya
Gd: popiá Mo: hupiá
Ff: pupiá Mn: hupiá
99. Arara (Macrocercus spec.) arärä.
G: ararakáña Gd: arára
Ge; araraká (roter A.) Coy: arara
A: tavitsi Moy arara
K: kanine Mo: aráráca (Guaca-
T: arára Mn : arara [mayo)
100. Periquito (Psittacula spec.) toi'.
O: toi M: periquito
Ge: peripñ Mo: tui
T: tui Mn : tui
101. Größere Periquitoart (Psittacula spec.) toiehü.
102. Papagei äjurti.
G: asurú Coy: couré arara
Ge: arirú Moy courey
T: ayuru Mo: ayurú
Gd: jerú Mn: ayurú
AW; jerû
103. Mutum (Crax spec.) rnetii.
ü; metúm T; mutü
Ae : mutun uosïï Gd: mutum
A: muintu Moy : rnountou
K: rnui tu
104. Strauß Janohú.
G; wiranú Mo: ñandú
T: ñandú Mn: ñandú
Ff: nhandu guapú
105. Straußart aräkori.
106. Ente upewó.
96. Vogel aüarä. M: guirá Q: urumá Ff : ipeca
G; auará Ge: ipék M: ipéca (ein Ganser)
A; mura AW: guyrá Ae : ipd AW : ipecú (Gans)
K: hura Coy: ouira A: nepet Coy; aranpono
T: wira Mo; guirá K: tsuvet, tsüve Moy; ampona
Gd; guirá Mn: guirá {oirá, uira, vi- T: ipeka ; uruma (Mart.) Mo: ipeg (mbigua)
Ff: güyra ra, urá,hurá, huirá) Gd: ipecú Mn; ipeg
1) Vermutlich ein Mißverständnis; anökö bedeutet vielleicht: „ich weiß nicht, ich kenne (das Tier) nicht.'«
Coudreau gibt für savoir, wissen; a-coa, ne pas savoir, nicht wissen: n-a-coa-ye im Oyampi. - Bei Mar-
tius: saber, wissen = aycud, acuab. - Im An. Wörterb.: wissen =coaub (Guaran.), ich weiß es und verstehe es:
ayquaä; nach Unkel im Tembe und Turiwära: nakwäwa usw.
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107. Henne urenjapukáya.
G; sapukàikuzé AW : çapucàia
Ge: sapukaya Coy : ouaimi massacara
T: sapukaya Moy: massacará
Gd: çapucàia Mo : uruguaçù
Ff: çapocâêa Mn : çapucài
M; çapucàya
G. FISCHE, REPTILIEN UND ANDERE TIERE
108. Fisch ipirä.
G: ip irá Ff : pirä
Ge: pira M : pirá
Ae : pira AW : pyra
A: piraüt Coy : pira
K; ipira Moy: pira
T: p irá Mo : pirá
Gd; piró, pyrá Mn : pirá
109. Rochen (Raya) Jäwewira.
G: zawèwir(a) Ff : jabebyra
Ge: yauera M : jababyra
A: nurepe AW : jabybúra
K: yavevüt Coy : caramaki
T: yawewera Mo: yabebi
Gd: jabybùra Mn : yabebir
110. Alligator (Crocodilus spec.) jâkaré, jânkarë.
G: zakaré große Eidechse,
Ae ; yakare welche die Eier der
A: tapepiret Haushühner stiehlt)
K: yakare Coy: yacaré
T: yakare Moy: yakaré
Gd: jacaré Mo: yacaré (= lagarto)
M: jacaré Mn: yacaré
AW: jacaré arú (eine
111. Große Alligatorart (Crocodilus spec.) jákaréhú.
112. Schlange mgya.
G: mgya Ff: boia
Ae; mbuä M: bo'ya
A: moi AW: böya, möya
K; möi Coy: moy-oü
T: boya, mboya Moy: mohiou
Gd: boya Mo; mboi (vibora, cule- Mn: mböi lt>ra)
113. Biene hejraurera.
G: heirenera M: yra mdya
Qe: yatahi AW: y'ra mdya
A: neküt Biene, Honig Coy: eire
K: heit Moy: eirarouwa
T: eirena, eiru Mo: eins
Gd: yra maya Mn: eir
114. Bienenart Üra.
Ge; tamaira l(Martius) Gd: nra Berne-Fliege
T: uru;uranupe abeille Ff; yrazuba
115. Honig hetra.
G: Mira AW: y'ra
Ae : di Coy; eire
T: ira Moy: eira
Gd: yra Mo: etrete, ibiraei
Ff; ira Mn: eir
M: yra
116. Spinne Jano.
G: sanú AW: jandú
T; yändu Coy: yandou
Qd: jandú Mo: ñandú
Fí: nhandú Mn: ñandú
M: jandú
117. Fliege (sehr kleine Art) Jijino.
H. PFLANZEN.
118. Baum uwira, uwird, ukaä.
G: nwira Ff; ybym úba (tambem
Ae : imira se diz cáa, mas he
A; ivira isso propriamente
K; ivira-i mato)
T; hïwa (arbre fruitier, M: ymirá
fruit), mira AW: ymy'ra
Ma: ywyrá Coy: iouira
Te; ywyra Moy : iwira
Tu: iwira Mo: íbirá
Qd: ymyrâ, imÿra Mn: ibirá, ímírá
119. Blatt kaä, hàké.
G: kaá M: caá
K: iva AW: caá
T: kaa Coy: ove, caa-rowe
Gd: caá [herva) Mo: caabó, caaó
Ff: câa roba (foiba de Mn: caá
120. Ast iaáa.
Gd: caá Mo: caabo
Ff: cdá, ybyra racanga Mn: yábae (o que da
Coy; ouira-nancan fructo)
121. Wurzel häba.
T: sapu AW: cepo
Qd: çapô Coy: apo, ouira-rapo
Ff: çapô Mo: hapó
M: çapô Mn: hapó
122. Stamm iúwa.
Ff: ijbyrá úba Mo: íbira-ípí-cué (tronco
Coy; o-tenain Mn: ipi [de árbol)
123. Mais (Zea Mays) äwaci.
G: awací Tu: awaci
Ge: osi Qd: abaty, abatijé, abaxi
Ae : awati Ff: abatí
A: avatsi, hauatsi M: abatyi antam
K; avatsi AW: abaty’antám
T: awat’i Coy: aouassi
Ma: awací Mo: abatí
Te: awaci Mn; abáti
124. Mandioka (Jatropha Manihot) maniäko.
G: manié k Tu: manióka
Ge: manióka Gd: maniçoba (foiba da
Ae : manióka mandioca)
A: maniok, min Coy: eyimo ouyat mani-
K: maniok hove
T: maniaka Moy : manihoc
Ma: manió Mo; mandióg
Te: manióga Mn: mandiió, mandióg
BEITRAG ZUR KENNTNIS DER TAPIR APE-IN DI ANER
125. Mandiokamehl ouia.
G; pasecurûiwa (farin- Gd: ui
ha secca) Ff : vi
Ge; ponga M : ui, uÿ
Ae : UÏ AW : uy
T: kuhi. uhi Coy: couakeu
Ma: manió uci Moy: meyou
Te: tirdma Mo: hui, hid été
Tu: tirdma Mn: ui, vi
126. Banane jetäumä, jätd.1)
127. Batate jetúka.
G: zitíka, sitíka Gd: jetyca
Ae: gitika AW : jety'ca
A: teriik, yeto Coy: yètic
K; yetük Moy: ictig
Ma: jeté Mo: yeti
Te: j'etyga Mn: yetig
J. PRONOMINA, ADJEKTIVE, FARBEN usw.
128. mein, ich je.
G: ihé M: xe (ich)
K: ye AW ; xê
T; sa, moi Coy: yé
Gd: xe Mo : ehe
Ff: xe Mn: che
129. unser jáne.
G; sáne AW : jandé
T: yane Coy: contépé
Gd: iánde Mo: ñándé
Ff: j an de Mn: ñandé
M: jandé
130. Ding, Sache, etwas mai.
G; rnae M: mbaé
T: maä AW : mbaé
Gd: mbae Mo: mbaé
Ff: mbäd Mn; mbaé
131. groß h ü.
0: uhü, nwü AW : uçû, oçû
Ae : towihä Coy: tourou
T: asu, ivasu Moy: tourou
Gd: ofü, gimpu Mo: uçû
Ff: güafü Mn : uçû
M: oqü, assü
132. klein i.
G: hi Mo: í {abdí = hombre
T: hi cilio)
133. gut kätdä, kantdä.
G: ikatú M : catú
Ge: pragatö AW : catú
Ae: ikatü Coy; catou
T: katu Moy: icatou
Gd: catu [dade) Mo: catú
Ff: angaturama (bon- Mn : catú
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134. weiß jiña.
G: shinatü M: morotinga (weiße
Ae : tinga Sache)
A: intsingatu AW: tinga
K: tsinga-mad Coy: sing, ting
T: tinga Moy: sing
Gd: tinga Mo: ty
Ff: tinga Mn: ti
135. schwarz itapu.
0; ipixunaxe Ff: vna
Ge: tapaiuna M: pixüna
Ae: tapaiuna AW; pixúna, úna
A: tauetu, tauütu Coy: pioune
K: ipitsüna-mad Moy: epiou
T: pisuna Mo: tapiynhu
Gd: pixüna Mn: túna
136. rot pirgiia.
G: {i)piranahi Ff; piranga
Ae : piranga M: pirdnga
A: terauetu (Urukürot) AW: pyranga
K: udnga-mad Coy: pirang
T; pirähga, piran Moy: pirang
Gd: piranga Mo: pyra, pirä
Mn: pir-ang, pira
137. blau häwe, maiaü.
G; itauahi M: Qugui
Ae : pinüna AW: fugui
A: iköretu, hikületu Coy: issounaou
K: itsovü-mae Mo: hobt
Ff: ybymbäd Mn: habí (azul ou verde)
138. gelb maijüwa.
G: itauahi Ff: xejuba
Ae: yukirl M; juba
A: ituvetu AW: júba
K: iyüva-mad Coy: taoua
T; yua Mo: yú (amarilla cosa)
Gd; juba Mn: yúb
139. grün maijüwa.
G: howiahi M: akyre
Ae: idki Coy; moyou
A: iköretu, hikületu Moy: saheuk
K: itsovü, mad Mo: hobt
Gd: xepiacdba akyra Mn: hobi
Ff: vby
K. ADVERBIEN usw., ZEITWÖRTER.
140. gestern karomehe.
G: karqmehd AW : çoicé
T: kuese Coy: couai
Gd: coicé Moy: coud
Ff: coeçe, coêçe Mo: cüehetei
M: coicé Mn : cuehétei
141. morgen ipihówe, ipihöue.
G: ipihowé AW : coéma
T: koema (matin) Coy: cooui
Gd; oirandê, orandê Moy: coyé
Ff: virandê, oirandé Mo: coé'
M: oirá, oirandé Mn : oirâ
1) Karajâ-Wort in Tapirapé-Aussprache; vgl. z. B. idjadä (Krause), yäta (Ehrenreich), djatasso (Coudreau),
djata (Castelnau), diatd (Ed. Arthur Socrates, Rev. trim. LV; 1893).
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W. KISSENBERTH
142. heute ko ite ri. 144. kommen jod)
G: koiterí AW : cuy'r Q: uwehemu AW: ur
Gd: coyr Coy: angneai T: uri, yuri Coy: a-yot (je viens)
Ff: coyr, coy • Mo: coire (aora mas que Gd: ur Mo: yú
M; coyr Mn: coite [nunca) Ff: ajur Mn: m
143. Mitte, mitten putera, meterá. M: yr, ur
G: metéra M: pytdra, pytérpe 145. öffnen pekä.
T: m'itira, pitira (Mitte, in der Mitte) Gd: furu fdi (bocca Coy; a-pouyao
Gd: pytdra, pyterpe AW : pytdra aberta) Mo; aípecá
Ff: icüárupi Mo: pité Ff: xejurüböc (ich habe Mn; pecá
Mn : pitdr (= mbiter) den Mund offen)
AUSDRÜCKE UND SÄTZE.
1. Was ist? Was gibt es? anubö?
Vollständig würde der Satz lauten: mai anubö? mai = Sache, etwas; ist aber auch
wie das entsprechende mbae interrogatives Pronomen und bedeutet: was?
Vgl. Gd; má marandúba (que vai?) Coy: mamad pa-an?
Ff: marápe marandúba? Mo: mbaé m'órandúpága
M: marandúba (Nachricht, Botschaft) Mn; marandúb (mbae randub = o que é)
AW: má marandúba
2. Begrüßungsformel obrekär)
Die Kontraktionsform entspricht in der Auflösung offenbar: oré = nosotros, wir, und:
reco {teco) — estar bien, sich wohl befinden; nach Montoya.
M: márá tégm éréicó (jemand grüßen; como Mo: teco (sein)
andais? Wie geht’s?) Mn: ereico (tu es ou estas)
AW: ene caá rúca (caarúca) (guten Abend!)
3. Die Christen3) sind gut. mäeirä ci kantoä.
ci entspricht wohl dem Pronomen ci = cada tanto (Mont.-Nog.) und läßt sich am
besten mit „jeder in gleicher Weise“ übersetzen.
4. Die Karajä sind gut. karafá ci kantoä.
5. Ich gehe fort. be-fe-fahä:1)
Vgl. Q: sanee-sahd (wir beide gehen spazieren) AW: goatá {guata)
Gd: goatá (caminhar, spazieren gehen) Coy: a-atat (j’y vais)
Ff: agöäta göäta Mo; ahá (yo voy, ich gehe)
M: goatá (caminhar, gehen, wandern)
6. Komm schnell her! e-fo-{r)ebu! )
Wörtlich heißt e-fo-{r)ebu; du kommen schnell. - e ist offenbar eine verkürzte Form
des Personalpronomens der zweiten Person: re. ebu entspricht aybí oder pui = presto,
schnell, bei Montoya. — (r) ist wohl nur aus Gründen des Wohllautes, zur Vermeidung
des Hiatus eingeschaltet.
Gd: ]'ur{a-jur) (kommen) Coy; d-yo-raip (viens vite!)
Ff: ajur (vir, kommen) Mo: ayú (voy)
M: yr, úr (kommen) Mn: ur (kommen); a yur (venho)
AW: eyo (komm!)
7. Komm ganz nahe hierher! e-fo-{r)ebu komba íje aco kil!
komba entspricht coyme, coimbe = ahi perto, ahi pertinho, nahe her, ganz nahe her
(Mont.-Nog.). — ijß ist identisch mit ike = aqui, ca, hierher (s. Gon cal v. Dias und Fern 1 2 3 4 5
1) ayii ich komme; hó gehen; n. Montoya, Sprachstoff (Platzmann-Ausgabe).
2) Vgl. ori reco (sou aiegre, ich bin fröhlich); Montoya, Der Sprachstoff der guaranischen Grammatik,
Ausgabe von Platzmann, Leipzig 1898.
3) Christen (christäos), im Gegensatz zu Tapirapé-Indianern.
4) Montoya, Sprachstoff: aha, ich gehe fort.
5) Montoya, Sprachstoff: eyo (1. tereyu, komm du!); Platzmann, Sprachst, d. bras. Gramm, des L. Fi-
gueira (1687), Leipzig 1899: efori (komm du!)
BEITRAG ZUR KENNTNIS DER TAP1RAPE-INDIANER
63
Franca). - aco = afo, ich komme. - kü, das mit großem Kraftaufwand in hoher Stimmlage
ausgesprochen wird, ist eine Interjektion, die in ebensolcher Weise auch bei den Karajä (ku•
nach Krause: kiu) dazu dient, einem Ausrufe mehr Nachdruck zu verleihen.
8. Die Tapirape sind gut. oü hama ci kantöä.
hama = aba, Männer (Montoya).
9. Die Weißen (Christen) sind gut. maheira hama ci kantöä.
10. Laßt uns fortgehen! jetöawä.
ALPHABETISCHES WÖRTERVERZEICHNIS.
DEUTSCH-TAP1RAPE.
Affe käi
Alligator (Crocodilusspec)
jäkare, jänkare
Ameisenbär (Myrmecopha-
ga jubata) tamanöahü,
tamanuahü
Angelhaken kwäci
Arara (Macrocercus spec.)
arärä
Arm jane-jiwd
Ast iaüa
Atem jurupekd
Auge fane-rehd {tehä)
Augenbrauen jane-rawa-
haüa (tawahaüa)
Augenwimpern jane-rape-
hau(a) (tapehaüa)
Banane (Musa spec.) je-
täumä, jätä
Bart, Schnurrbart ama-
taü(a)
Batate (Batatas edulis) je-
tüka
Bauch jane-rewöka (te-
wöka)
Baum uwira, uwird, nkaä
Beil ji
Bein jane-retemä (tetemä)
Berg iwitira
Biene hexraurära
Bienenart üra
Blatt kaä, hake
blau hawe, maiav
Bogen uweräpärä, wera-
pära
Bruder je-kewgra
Brust jane-pacid
Daumen jane-kwehü
Ding, Sache, etwas mai
Echinomys spec. (Coati-
puru) wdwere, wäwerei
Einbaum pepä, iambeba
Ellbogen jane-päräwä
Ente upewö [faa
Fadenspielfigur tarekan-
Feder ipepgkwera
Feuer tatd
Finger jane-kwe
Fingernagel jane-puape
Fisch ipirä
Fledermaus (Vespertilio
spec.) anerd
Fliege (sehr kleine Art)
jijino
Fuß jane-pi
Gefleckter Jaguar (Felis
Onza) (i)jaüärGliu, jaüa-
röhü
gelb maijüwa
gestern kargmehe
groß hü
große Affenart köröbi
große Alligatorart Jäka-
re hü
größere Periquitoart toiehü
großes Feuer tatajambahü
grün maijüwa
gut kätöä, kantöä
Hand jane-po
Handfläche Jane-pgputera
Handknöchel jane-pgkena
Hängematte inije-rekwaua
Haut jane-pira
Henne urenjapukdya
heute koiteri
Himmel uwdka, yakä
Honig hetra
Hund jawärä
Kamm kewaüwa
Kamphirsch (Cervus cam-
pestris) meärä
Kanu iärä
Karaja-Indianer karajd
Kayapö-Indianer gräjahü,
kräjahü
klein i
kleiner Topf jäenri
kleines Feuer jahutatai
Knabe fe-memuri,
Knie jane-kanawä
Knochen jane-manö
kommen jo
Kopf akäna
Kopfhaar jane-dü{ä)
Labia maiora täpupira
Langer Tragkorb äram-
bahe
Mais (Zea Mays) äivaci
Mandioka (Jatropha Mani-
hot) manigka
Mandiokamehl guta
Mandiokapresse tepeti
Mann apigaüa
mein je
Mitte, mittenputöra, metera
Mittelfinger jane-pämeterä
Mond jähe
morgen ipihöwe, ipihöue
Mund jane-jnrü
Mutter häpi
Mutum (Crax spec.) metü
Nabel jane-pirue
Name einer Tapirape-Frau
marehä
Name eines Tapirape-Mäd-
chens marai
Nase jane-äpoi, jane-äpoia
Nasenloch jane-äpoiwara
Oberarm je-jiwä
Oberlippe, Rinne über der
Oberlippe jane-amabira
Oberschenkel jane-öwa
Ochse anökö (?)
öffnen pekd
Ohr jane-inami
Ohrloch als Gehörgang
jane-äpuakwärä
Papagei äjurü
Penis takünya, täkünya
Periquito (Psittacula spec.)
toi
Pfeil gnva, uiwa
Regen amdna
Ringfinger pd
Rochen (Raya) jäwewira
rot pirdna
Schamhaar tenewahaüa,
jane-rewahaüa (tewa-
haüa)
Schlange mgya
schwarz itapu
Schwester der Frau je-
kebeira
Sonne kwärä(n)he
Spinne jäno
Stamm iuwa
Stein, Metall itä
Steinbeil itäitai
Stiel des Steinbeils itajü{h),
itäitaijüh
Stirne jane-rehapuküna
(tehapukgna)
Strauß (Rhea spec.) janohu
Straußart aräkori
Tabak petuma
Tapir (Tapirus ameiicanus)
tapüra
Tapirape-Indianer oü
Tapirjunges taireho
Topf zum Kochen jäe
unser jdne
Unterlippe jane-remä (temö)
Vagina tamacid
Vater je-ropü (topu)
Vogel aiiara
Vogelei oped, obid
Wasser i
Weib kujä, näti
Weibliche Brust jane-{i)kd-
ma, jane-küma
Weibliche Brustwarze jane-
kukwe
weiß jma
Weißer, Christ (christäo)
mäeirä, mäeiraja), ma-
heira
Wind iwetu
Wurzel häbd
Zahn jane-roj, jane-rota
(toi, toia)
Zeigefinger jane-pdkena
Ziege öcina
W. KISSENBERTH
TAPIR APÉ-DEUTSCH,
64
äjurü Papagei
akafia Kopi
amabira Oberlippe
amgna Regen
amatau(ä) Bart, Schnurr-
bart
anerd Fledermaus (Vesper-
tilio spec.)
anöko Ochse (?)
apigaua Mann
äpoi, äpoia Nase
äpouvära Nasenloch
äpuakwärä Ohrloch als
Gehörgang
aräkori Straußart
örombahe langer Trag-
korb
ämrä Arara (Macrocercus
spec.)
äü{a) Kopfhaar
aüarä Vogel
äivaci Mais (Zea Mays)
gräjahü Kayapö-Indianer
hdbä Wurzel
hake Blatt
häpi Mutter
hdwe blau
heim Honig
hetraurera Biene
hü groß
i klein
| Wasser
iambebä Einbaum
iärä Kanu
iaua Ast
inami Ohr
ini Hängematte
ipepokwem Feder
ipihoue, ipihöwe morgen
ipirä Fisch
ita Stein, Metall
itapu schwarz
itäitai Steinbeil
itaitaijüh, itajü(h) Stiel des
Steinbeils
iuwa Stamm
iwetü Wind
iwitira Berg
jäe Topf zum Kochen
jäeuri kleiner Topf
jähe Mond
jahutatai kleines Feuer
jäkare, jänkare Alligator
(Crocodilus spec.)
jäne unser
jäno Spinne
janohü Vogelstrauß (Rhea
spec.)
jaüaröhü, (i)jaüärohü ge-
fleckter Jaguar
jawärä Hund
jäwewim Rochen (Raya
spec.)
je mein
jememuri Knabe
jetäumä, jätd Banane (Mu-
sa spec.)
/efu&aBatate(Batatas edulis)
ji Beil
jijino Fliege(sehr kleineArt)
jiha weiß
jiivä Arm, jejiwd Oberarm
jo kommen
jurü Mund
jurupekd Atem
kaä Blatt
käi Affe
käma, {i)käma weibliche
Brust,
kanaivä Knie
kardmehe gestern
kätöä, kantöä gut
karajä Karajä-Indianer
kebeira Schwester der Frau
kewauwa Kamm
keinem Bruder der Frau
koiteri heute
kdrobi große Affenart
kräjahü Kayapö-Indianer
kujä Weib
kuma weibliche Brust
kuktve weibliche Brust-
warze
kwäci Angelhaken
kwärä{n)he Sonne
kwaüä Hängematte
kwé Finger
kwehü Daumen
mäetm, mäe'ir{a), mahéim
Weißer, Christ
mai Ding, Sache, etwas
maiaü blau
maijütva gelb, grün
manigka Mandioka (Jatro-
pha Manihot)
manö (?) Knochen
mami Name eines Tapi-
rapö-Mädchens
marehä Name einer Tapi-
rapé-Frau
meärä Kamphirsch (Cer-
vus campestris)
meterá Mitte, mitten
metü Mutum (Crax spec.)
moya Schlange
näti Weib
öcina Ziege
oiwa Pfeil
opeo, obiä Vogelei
oti Tapirapé-Indianer
outa Mandiokamehl
ówa Oberschenkel
pá (?) Ringfinger
pdkeüa Zeigefinger
paciá Brust
pämeterg Mittelfinger
päräwä Ellbogen
peká öffnen
pepa Einbaum
petüma Tabak
pi Fuß
pira Haut
piraña rot
pirue Nabel
po Hand
pokéña Handknöchel
pgputem Handfläche
puape Fingernagel
putéra Mitte, mitten
tairehó Tapirjunges
takünya, täkünya Penis
tamacia Vagina
tomanöahii, tamanuahü
Ameisenbär (Myrmeco-
phaga jubata)
tapehau(a) Augenwimpern
jane-rapehaua unsere
Augenwimpern
tapiira Tapir (Tapirus ame-
ricanos
täpupira Labia maiora
tarekanjad Fadenspielfigur
tatú Feuer
tatäjambahü großes Feuer
tawahaua Augenbrauen
jane-rawahaua unsere
Augenbrauen
tehá Auge; jane-rehá un-
sere Augen
tehapukáña Stirne; jane-
rehapukdña unsere
Stirne
temé Unterlippe; jane-remé
unsere Unterlippe
tenewahaua Schamhaar
tepeti Mandiokapresse
tetemä Bein; jane-retemä
unser Bein
tewahaua Schamhaar;
jane-rewahaua unser
Schamhaar
teivéka Bauch; jane-rewéka
unser Bauch
toi, tola Zahn; jane-rot,
jane-roia unser Zahn
toi Periquito (Psitlacula
spec.)
toiehü größere Periquitoart
topú Vater; je-ropü mein
Vater
uiwa Pfeil
ukaä Baum
upewó Ente
um Bienenart
urenjapukdya Henne
uivdka Himmel
uweräparä Bogen
uwira, utvird Baum
wäwere, wäwerei Coati-
puru (Echinomys spec.)
werapdra Bogen
yakd Himmel
PHONOGRAPHISCHE AUFNAHMEN.
Es war nicht leicht, Marehä dazu zu bewegen, in den Phonographen zu singen. Und es
bedurfte oftmaligen Zuredens und eindringlicher Beteuerungen, daß sie sich keinerlei Gefahr
für ihr Leben aussetze, — und der Verheißung zahlreicher Geschenke, um sie vor den Schall-
trichter des Apparates zu bringen.
Mit leiser, und auch da noch, wo man dem Textinhalt gemäß einen temperamentvolleren
Aufschwung erwarten möchte, mit ziemlich gedämpfter Stimme sang die Tapirape-lndianerin
BEITRAG ZUR KENNTNIS DER TAPIRAPE-INDIANER
65
in den Phonographen und ließ sich durch keine Aufforderung zu größerem Stimmaufwand
überreden. Mag immerhin ihre Scheu vor dem ihr fremden und wohl auch unheimlichen In-
strumente ihre Gesangproduktionen etwas beeinträchtigt haben; - nach Marehäs Auffassung
war es aber auch einfach undenkbar und stilwidrig, die Gesänge entgegen der Sitte ihres
Volkes, also mit lauter Stimme zu singen. Durch eine gelegentliche Bemerkung des schon
mehrfach erwähnten Karajä-Häuptlings Alfredo wußte ich ja schon, daß es eine Gewohnheit der
Tapirape-Indianer sei, ihre Lieder mit sehr leiser Stimme zu singen,
Azara fügt der Schilderung des Tanzes eines Guarany-Indianers die folgende Bemerkung
bei1): „Diesen Tanz begleitete er mit einem leisen Gesang, wobei er jedoch nicht ein einziges
Wort deutlich aussprach.“
Im Anschlüsse an diese Bemerkung erwähne ich die von Azara an anderer Stelle nieder-
geschriebene Beobachtung, daß nämlich die Guaranys wenig und immer leise sprechen, ohne
jemals weder zu schreien noch laut zu klagen, auch sei ihre Stimme durchaus nicht voll und
wohlklingend.
Bei dem Nord-Tupi-Stamme der Guazazära1 2) konnte ich selbst nicht nur auf Grund mehr-
facher Erzählungen, sondern vor allem durch eigene Beobachtungen und mittels phonographi-
scher Aufnahmen feststellen, daß auch bei diesen Indianern die gleiche Gepflogenheit, ihre
Nationallieder mit leiser Stimme zum Ausdruck zu bringen, herrscht, eine Sitte, die, wie es
den Anschein hat, allen Stämmen der großen Tupi-Guarani-Nation eigen ist.
Eines von den vier Phonogrammen, die ich durch Marehä erhielt, ist leider während des
Transportes der Einwirkung atmosphärischer Einflüsse zum Opfer gefallen. Die Melodieüber-
tragung der übrigen Phonogramme in Notenschrift machte wegen der ungleichen Qualität der
Aufnahmen recht erhebliche Schwierigkeiten. Die Untersuchungen über die Melodien und ihre
Beurteilung in rein musikalischer Hinsicht sind noch nicht abgeschlossen. Ich beschränke mich
für diesmal auf die Melodiewiedergabe nur eines Tapirape-Gesanges in europäischer Noten-
schrift.3 4) ,
ln der in Fig. 14 dargestellten Gesangmelodie sind zuweilen ganz merkliche Abweichungen
der Tonhöhen von der unserem Ohr vertrauten Stimmung zu beobachten. Es finden sich hier-
bei Intervallunterschiede, die bis zu Vierteltönen ausmachen.
Zum Verständnis der im Notentext verwendeten diakritischen Zeichen1) diene zur Erklärung*
• geringe Erhöhung bis zu einem Viertelton, ■ schwacher Akzent,
geringe Vertiefung bis zu einem Viertelton,
Glissando (sehr gebunden, gleitend),
Glissando, von bestimmter Tonhöhe zu
unbestimmter abwärts,
j* mittlerer Akzent,
• starker Akzent,
Verlängerung eines einzelnen Tones,
Zu bemerken ist, daß der „jäköe“-Gesang von der Taplrape-lndianerin einen Ganzton
höher gesungen wurde.
Die vorliegende Notation wurde nur gewählt, um unter Vermeidung einer Komplikation
dfS ,glnaS nÖ‘igen Vie'en Vers^ungszeichen gleichzeitig das
Notenbild leichter faßlich erscheinen zu lassen, ^
1) Reise nach Südamerika von Don Felix von Azara, 1781-1801; Übersetzung von Weyland, 1810 S.212
2) Die Guazazära nennen sich selbst übrigens, wie ich 1908 von Angehörigen dieses Stammes in Erfahrung
bringen konnte, tan(e)tehära. Gurt Nimuendaju-Unkel bezeichnet sie als tatetehdrä; Z. f, E., 1914, H, 2/3
S. 296 (Religion der Apapocuva-Guarani).
3) Herrn Dr. E. M. v. Hornbostel bin ich für seine liebenswürdige, wertvolle Mithilfe bei der Übertragung
dieses Phonogrammes zu großem Danke verpflichtet.
4) Nach Otto Abraham und E. M. v. Hornborstel, Vorschläge für die Transkription exotischer Melodien
in „Sammelbände der Internationalen Musik-Gesellschaft“ 9, 1909.
BAESSLER-ARCHIV VI, 1/2. 9
66
W. K1SSENBERTH
O) (j>)
ja-
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^4=F:
“l . *
(=^) (=-)
(>-)
£de
ja
köe
* - . e3e , :
/iä /zo hä ho
{—] <-) (-¿0 r±S (♦} (jä?) (±S (♦)
Fig. 14.
Die Texte zu den vier Tapirape-Gesängen schrieb ich sofort im Anschluß an die Phono-
grammaufnahmen nach dem Diktat Marehäs nieder.
Beim Vergleich der von Marehä gesungenen mit den von ihr gesprochenen Textworten
ergaben sich so außerordentliche Unterschiede, daß eine Identität zuweilen höchstens an ein
BEITRAG ZUR KENNTNIS DER TAPIRAPE-IND1ANER
67
paar Wörtern, zuweilen aber gar nicht mehr erkennbar ist. Der Text kommt dann in der vor-
liegenden Art mehr einer aphoristischen, gedrängten Inhaltsangabe in rhythmischer Form gleich.
Die Tatsache übrigens, daß die Sänger unter den als primitiv angesehenen Völkern in der
Regel außerstande sind Gesangtexte unter Ausschaltung der Melodie, in rezitatorischer Form,
wiederzugeben, ist schon von manchen Autoren erkannt worden.1)
Für die unbedingte Richtigkeit meiner Aufzeichnung der Tapirape-Texte, Wort für Wort,
nach Marehäs Diktat kann ich nicht einstehen. Denn bei der Hast, in der ich sie von der un-
geduldig gewordenen Indianerin zu hören bekam, mag manches Wort unter dem Mangel an
deutlicher Aussprache verstümmelt worden sein, was die von mir versuchte Interpretation er-
schwerte. Zudem ergaben sich unter Umständen je nach der Art der Silbenverbindungen ver-
schiedene Übersetzungsmöglichkeiten.
I. ARARAUAKÄNA.
(Ein Hausgesang.)
iyemä
angebunden
äraraüakäha
Äraraüakäha
tä rä mä
Gefieder buntfarbig oh!
tyemä
angebunden
r’ öpaü eri
du herumstreichend oben
äreraüakehe
Äraraüakäha
tä rä mä
Gefieder buntfarbig oh!
hän-foro kere re mä
nachahmen-rufen Kere Name oh!
hän-joro kere re mä
nachahmen-rufen Kere Name oh!
hän-foro kere re wirä
nachahmen-rufen Kere Name Vogel
hä e mä, hä e mä, hä e mä
Augen sanft, wissend oh!
hän-foro kere re wirö.
nachahmen-rufen Kere Name Vogel
Das Liedchen ist einem roten Arara gewidmet, an den Marehä wohl als einstmaligen
Hausgenossen im Heimatdorfe mit Gefühlen der Sehnsucht denkt.
In freier Form läßt sich der Text etwa folgendermaßen übersetzen:
Angebundener
Äraraüakäha,
in deinem farbenprächtigen Federkleid!
Wie ich mich nach dir sehne!
Angebundener!
Einst strichst du frei in den Lüften herum,
Äraraüakäha,
in deinem farbenprächtigen Federkleid!
Wie sehn’ ich mich nach dir,
Der du, Kere mit Namen, die Stimmen nach-
ahmtest! Oh du!
Der du, Kere mit Namen, die Stimmen nach-
ahmtest! Oh du!
Der du die Stimmen nachahmtest, Kere ge-
nannter Vogel!
Wie sehn’ ich mich nach deinen klugen Augen,
Der du die Stimmen nachahmtest, Kere ge-
nannter Vogel!
Bemerku ngen:
iyemä: angebunden, gefesselt, - Bei Montoya-Nogueira findet sich yema = amarrar-se, an-
gebunden werden, als Adjekt. bzw. Part. = amarrado, angebunden.
1) Am präzisesten äußern sich A. Abraham und E. M. v. Hornborstel über diese Erkenntnis in folgen-
der Weise: „Die Textaufnahme nach dem Diktat des Sängers selbst ist namentlich bei sog. Primitiven sehr
schwer, weil für diese Text und Melodie eine so untrennbare Einheit bilden, daß sie die Worte nie allein rezi-
tieren und daher auch nur schwer ohne die Melodie wiedergeben können. Infolgedessen weicht die direkte
Textniederschrift oft von dem Lautbild des Phonogramms vielfach ab.“
9 *
68
W. KISSENBERTH
äraraüakäna: roter Arara. — Nach Mont.-Nog. ist araracä der Name eines Guacamayo oder
Psittaco grande. Bei Martins1) ist hierfür zu finden; arära-canga (nach Marcgravius) oder
arara-piranga, avis Psittacus (Macrocercus) Macao, vulgo Ara vermelho.
tä: Federn, Gefieder: — Identisch mit ta (tab): pello, cabello, Haar im allgemeinen, dann pen-
nujem, Gefieder (Mont.-Nog.).
rä: buntfarbig. - Bei Mont.-Nog.: rä = pinctado, manchado, scheckig.
mä: postpositive Partikel, durch die nach Goncalves Dias Wünsche oder Gefühle der Sehn-
sucht zum Ausdruck kommen = oh!, wie ich mich sehne nach! z. B. xe-cgg-mä, oh! minha
mäe, oh meine Mutter!
r' {re): du. — Vgl. Mont.-Nog.: re — ere, tu.
öpaü: herumirrend, streichend, öpau entspricht bei Mont.-Nog.: opäb, opd = ser vago, ser
errante,
eri: oben, in der Höhe; entspricht bei Mont.-Nog.: an = em cima, por cima.
äreraüakene: ist gleich mit äraraüakäna. Die lautliche Abweichung e statt a in kene findet
sich beispielsweise auch in fane-pokena Handknöchel.
hänforo: die Stimme nachahmen. — hänforo enthält offenbar die Wurzeln haä, nachahmen,
Nachahmung; invitar, invitacion, nach Mont.-Nog., und jöre, rufen nach jemand, nach
Anon. Wörterbuch-Platzmann, und hat dann die Bedeutung: nachahmend rufen. Mög-
licherweise kann aber hänforo auch identisch mit äfurü, Papagei, sein.
kere: ist vielleicht identisch mit quira = wohlgenährt, glänzend, leuchtend, nach Mont.-Nog.;
entsprechend im Guazazära: kira\ nach Ferreira Franca: kyra\ nach An. Wörterb.;
kyrä; ebenso nach Gone. Dias usw.; T: kira. — kere offenbar der Name des besunge-
nen Vogels.
re: Name, genannt. - (Guaz.: he-ira; An. Wörterb. cera); bei Mont.-Nog.: re (bzw. te)\ z. B.
Taubici re = der Name Taubici.
mä: s. oben.
wird: Vogel. — Entspricht: guyrä (An. Wörterbuch-Platzm.), guirä (Gone. Dias), ouira
(Oyampi-Coudr.), mrä, guirä (Mont.-Nog.), wira (P. C. Tatevin) etc.
hä: Augen.
e: entspricht: he bei Mont.-Nog.; qä-he — hä-e bedeutet olhos doces, ou olhos que sabem,
bons olhos, sanfte Augen oder wissende Augen, gute Augen.
wird: — wird.
Marehä bezeichnete „Äraraüakäna“, sowie das folgende Lied als käö. Im Omagua (nach
Martius) heißt ge-ghä-la Gesang, singen. Im Tupi-Verbaverzeichnis (Mart.) heißt „singen“
nheengä. Wir dürfen käö wohl für identisch mit cöä halten, das Ferreira Franca angibt
und mit „canto de caza, da parte de dentro“ übersetzt.
Demnach sind also käö „Hausgesänge“, d. h. Lieder, in denen alles das besungen wird,
was mit dem Leben innerhalb eines Hauses in Zusammenhang steht.
iwlra- ä rä- kä
Baum Früchte sammeln indem
ü äri{e)re fu-rä
essen nachher kommen werden
II. IWIRA-Ä RA-KÄ.
(Ein Hausgesang.)
kowe käme- rä
morgen Wein trinken werden
fü-wa hee ree
gelbe Früchte wohlschmeckende zugleich mit
1) Martius, Beiträge II, Tupf: animalia cum synonymis, p. 438.
BEITRAG ZUR KENNTNIS DER TAPIRAPÉ-INDIANER
69
r’ efi- kä heS
wir am Spieß braten indem wohlschmeckende
r’ efi- kä mä
wir am Spieß braten indem oh!
hee ree
wohlschmeckende zugleich mit
Das Liedchen wurde vielleicht gelegentlich
freier Übersetzung ungefähr:
Ausziehen werden wir Baumfrüchte zu sammeln
und werden sie nachher verzehren.
Morgen werden wir Wein trinken
und dazu (essen) gelbe wohlschmeckende
Früchte,
die wir am Spieße braten, die wohlschmeckenden,
r’ efi- , kä mä hee
wir am Spieß braten indem oh! wohlschmeckende
r’ efi- kä ...
wir am Spieße braten indem ...
einer Festvorbereitung gesungen. Es lautet in
die wir, o Wonne, am Spieße braten;
die wohlschmeckenden (Früchte) dazu (essen),
die wir, o Wonne, am Spieße braten, die wohl-
schmeckenden,
die wir am Spieße braten ...
Bemerkungen:
iwfra: = uwira, uwirä Baum.
á: Frucht, Früchte. - Vgl. Mont.: ibä, aus ib Baum und á Frucht; Anon. Wörterbuch: Frucht
ybä; Bestandteile: die Frucht ä, des Baumes yb.
rä: sammeln. - Bei Mont.-Nog.: ta, ra = tomar, colher, nehmen, ernten.
kä: Gerund. oder Präsentialform, nach Montoya; z. B. o, og, tirar, arrancar; oca, tirando ar-
rancando. Möglicherweise ist rä-kä identisch mit r-ökä, indem wir wegnehmen. Vgl. h¡er.
zu im Anon. Wörterb.-Pl.: ernten, metere poóca\ Bestandteile; indem man entfernt óca
mit der Hand po.
ú: essen, trinken. - Vgl. Guaz: ú essen; Mont.: u = comer, bever, essen, trinken; An
Wörterb.: vú, uú, essen, trinken; Tatev.: u boire, manger, avaler usw.
ári{e)ré: nachher, später, morgen. - Vgl. Mont.: änre, aus äng = aora, jetzt und rire = des-
pués, nach, arire heißt: mañana determinadamente, morgen bestimmt; ferner An. Wörterb •
areiré, nach dem, wörtl. nach der Zeit; Mart.: areiré, apos isso, hierauf; Gone. Dias-
areiré após isso; Ferr. Fr.: aeriré, depois, hernach; Tatev.: ariri, ensuite.
fu: sonst fo kommen, gehen. - Vgl. Mont.: yú = venir y yr, kommen und gehen.
rä: Futurales Suffix.
kówe: morgen; sonst: ipihówe, ipihóue. Vgl. Guaz.: ipihowé; Oyampi-Coudr.: cooui; Mont •
coe', amanecer, Anbrechen des Morgens; An. Wörterb.: coéma.
käwe: Wein trinken. - Vgl. An. Wörterb.: caü; Bestandteile: Wein ca{uim), trinken ú; Mont-
ead (aus cängm\ vino y ü, bever), bever vino; T; kawi, eau-de-vie, tout alcool.
rä: Futurales Suffix, das nach Mont.-Nog. (ran, ran,) den Infinitiven, Partizipien und sogar
anderen Modi angefügt werden kann.
iü-wa: gelbe Frucht, Früchte. - Nach Mont.: Yu, amarillo, gelb und ibä, Frucht- im Guai-
ES étwas^Gelbes. Tap¡rapé ^ ge,h. eigentlich gell.
hee: süß, schmackhaft, wohlschmeckend. - Vgl. Montoya: hee dulce, sabroso, gustoso-
Oyampi-Coudr.: amhamgatou; An. Wörterb. ceem, bzw. hee’ (Guaranisch); Tafevin-
see, doux, bon, agreable.
reé: identisch mit der Postposition rehé, zugleich mit (Mont).
r’: =ro, wir; nach Mont.-Nog.: ro = nos (outros).
éfi: am Spieß braten. - Nach Mont.-Nog.: ist ecí^ecíg, assar em espeto, am Spieß braten-
Mart, gibt für braten cecui. ’
kä: ist nach Mont. Gerund. oder wie in diesem Falle Präsentialform.
70
W. KISSENBERTH
III. URÄ NIA CIÑA.
(Jagdliedchen.)
ürä niä cina
Vögel gewiß hellfarbige
hehe yamu
zierliche Inambu
he fapuä nerä
auf! laßt uns Jagd machen! Vorwärts!
aüer’-ipe
Vögel viele
In freier Übersetzung:
Auf die Vögel, zweifellos hellfarbige
zierliche Inambu,
laßt uns Jagd machen! Holla! Vorwärts!
Auf viele Vögel
laßt uns Jagd machen! Holla! Vorwärts!
he fapuä nerä
auf! Laßt uns Jagd machen! Vorwärts!
auer’- ipe äfü na
Vögel viele eingeschlafen erst dann
hä fapuä nerä
auf! Last uns Jagd machen! Vorwärts!
äfü na
eingeschlafen erst dann.
Auf viele Vögel;
doch dann erst, wenn sie eingeschlafen sind.
Auf! Laßt uns Jagd auf sie machen! Vorwärts!
Doch dann erst, wenn sie vom Schlaf umfan-
gen sind.
Bemerkungen:
ürä: sonst auarä, Vogel. — Vgl. z. B. bei Mont.-Nog.: urá, em vez de uira ou de güira, pas-
saro, ave.
niä: Vgl. Mont.-Nog.: niä, certamente, sem duvida, sicherlich, zweifellos.
ciña: = fina, weiß, hellfarbig.
hehe: zierlich, zart. — Vgl, Mont.-Nog.: hehé als Adjektiv bedeutet secio, dengue, niedlich
schmuck, zart.
yamü: Inambu, ein zu den Tinamiden oder Crypturiden gehöriger Steißhühnervogel, eine Art
Rebhuhn. Vgl. fämbu bei Mart. (Beitr. II, S. 452) der dieses Wort als korrumpierte Form
von inambú betrachtet. In den Oyampi-Wörterverzeichnissen von Coudreau sowohl als
bei Martius findet sich eine spec. Crypturus: inamou, bei Tatevin; yambu; tämo bei
den Auetö (K. v. d. Steinen).
he: Heda! Auf! - Vgl. Mont.-Nog.: he Inter], ola! He kann aber auch dem hehe, ja, der
Frauen und auch der Männer (Figueira) bzw. hee', ja, der Frauen (Guaranisch) nach An.
Wörterb., dem seém, ja der Guazazára entsprechen und zur Verstärkung der Diktion
dienen mit der Bedeutung: =ja gewiß.
fapuä: laßt uns auf jagen, aufstöbern! - Vgl. Mont.: chapüä — demos tras, laßt uns Jagd
machen!
nerä: wohl entsprechend nerö' bei Mont., adverbio exortativo: ea ya, ea finalmente! = wohlan
denn! Vorwärts!
aüef-ipe: eigentlich auarä, Vogel und ipe, viele. Vgl. Mont.: ípé, muchos, viele.
äfü: entsprechend ayú = adormecido, eingeschlafen,'nach Montoya.
ña: ist wohl identisch mit nga bei Mont.-Nog. und etwa zu übersetzen mit: erst dann.
hä-fapuä: he-fapuä.
IV. JÄKOE.
fäkoe moró hä fúña
Sagui(n) in hohem Grade Augen bewegliche
he ifé hä fúña.
ja wirklich Augen bewegliche
fäkoe fúña
Sagui(n) beweglicher
hä ho hä hä hó.
fäkoe yañ fúña
Sagui(n) Augen bewegliche
he ifé yañ fúña
ja wirklich Augen bewegliche
hä ho hä ho mä
hä ho hä ho mä ■
BEITRAG ZUR KENNTNIS DER TAPIRAPÉ-INDIANER 7
In freierer Form:
Sagui(n)-Äffchen, mit den ungemein beweg- Sagui(n), mit den beweglichen Augen,
liehen Augen ja wirklich so beweglichen Augen!
ja wirklich so beweglichen Augen! hä ho hä ho mä
Munteres Sagui(n)-Äffchen! hä ho hä ho mä.
hä ho hä hä hó.
Bemerkungen:
fäkoe: Sagui(n); Name einer in Brasilien nud den im Südwesten des Reiches angrenzenden
Staaten bekannten kleineren Affenart, Gattung Hapale. Mont.-Nog. kennt das Tier als
facoi, was allgemein bedeutet: olho que mexe, Auge, das ständig in Bewegung ist. Nach
Mart. (Verbos. Tupi-austral.) ist mover, bewegen = mongúé; „sich bewegen“ heißt im
heutigen Apapocúva-Guaraní nach C. N. Unkel: cúé.
moró: in hohem Grade, äußerst; entsprechend: poro = moro = mbóro (Mont.-Nog.), ein Prä-
positivwort, dem gelegentlich Superlative Funktion innewohnt.
hä: die nasalierte Form neben der gewöhnlicheren hä. Vgl. dazu z. B. ere hä, Auge nach
Ehrenreich, Anambé-Vokabular oder te$ä im An. Wörterb.
fúña: lebhaft, sehr beweglich. - fu = QÚ, ser movedico, beweglich sein bei Mont.-Nog.; ña
entspricht ña in beispielsweise jiña, tinga, weiß; ña ist möglicherweise ein Suffix, das
Wörtern, insbesondere Verben und Verbalverbindungen adjektivische Bedeutung verleiht.
he: ja, doch. - Dient zur Bekräftigung der Redeweise.
ifé: sicherlich, gewiß; entsprechend: iche = gche = niche, adv. affirm.: de certo, nach Mont.-Nog.
gañ: = hä, Augen.
Der vierten Zeile der ersten Strophe ebenso wie der dritten und vierten Zeile der zweiten
Strophe kommt offenbar keine andere Rolle zu als die unübersetzbarer Refrains, wie sie sich
beispielsweise in folgender Art: „didirallala didirallala“ oder „valleri vallera“ usw. vielfach in
deutschen Liedern findet.
An den Endrefrain des gesungenen Textes schließen sich drei schrill hervorgestoßene Rufe
an, die man wohl mit Recht als Versuch, die Stimme des Sagui(n)-Äffchens nachzuahmen, be-
zeichnen kann.
ETHNOLOGICA.
In verschiedenen Dörfern der Karajä konnte ich einige wenige Gegenstände erwerben die
mir seitens dieser Indianer ausdrücklich als Industrieerzeugnisse der Tapirape bezeichnet
wurden. Die Karajä hatten sie, wie sie sagten, gelegentlich der letzten kriegerischen Unter-
nehmung gegen die Tapirapö als Beutestücke mitgebracht oder teilweise schon früher erworben.
Ohne weiteres läßt sich die Tapirape-Provenienz nur eines Objektes, nämlich des Stein-
lippenpflockes, behaupten. Denn nach übereinstimmenden Nachrichten sämtlicher Autoren die
sich mit den Karajä und ihrer Kultur beschäftigten, waren die Tapirape die Fabrikanten und
Lieferanten der von ihnen als erlesenste Kostbarkeiten besonders begehrten Lippenornamente
Die Tapirape-Herkunft der übrigen Gegenstände kann, so lange mangels direkter Nachrichten
über ihre Kultur jede Vergleichsmöglichkeit fehlt, nicht einwandfrei bewiesen werden
Die Sammelobjekte, deren Beschreibung dieser Abschnitt gewidmet ist, befinden sich im
Besitz des Kgl, Museums für Völkerkunde in Berlin und sind:
STEINLIPPENPFLOCK.
Das in Fig. 15 in Originalgröße abgebildete Lippenornament (V B 7472 der Sammlung) er-
warb ich im Dorfe des Häuptlings Iwanä, in Dozahakä, von einem seiner „soldados“ Der
trennte sich höchst ungern und nur gegen hohe Bezahlung von seinem kostbaren Besitz, der
t
72
W. KISSENBERTH
Fig. 15. (Nat. Gr.)
wertvollsten Trophäe, die er während des letzten feindlichen
Zuges gegen die Tapirape erbeutet hatte. Er hatte das Schmuck-
stück einem Tapirape-Krieger, den er getötet, aus der Unterlippe
gezogen. Als dieser beim Todessturz mit dem Gesicht heftig auf
dem harten Steinboden aufschlug, sei das an unserem Exemplar
fehlende Endchen abgesprungen.
Die Karajä bezeichneten mir den Lippenpflock in ihrer Sprache
unter wechselnder Akzentuierung als manadere, manadere, m{a)-
natere. Die der Karajä-Benennung jeweils entsprechende Bezeich-
nung der Tapirape-Sprache konnte ich weder für diesen Gegen-
stand noch für die übrigen bekommen.
Das Material, aus dem der Lippenpflock besteht, ist eine Art
Milchquarz von weißer, mit einem Stich ins Graue gehender Farbe.
Das Exemplar stellt — im Gegensatz zu den Lippenornamenten
mit konischem Kopfe, deren Wert auch bedeutend größer ist —
die einfachere Form der Quarzlippenpflöcke dar. Sein Kopf-
ende läuft, sich mäßig verjüngend, stumpf aus. Seine Gesamt-
länge beträgt 17 mm. Sein Umfang mißt da, wo das T-förmige
Querstück ansetzt, 4 mm, am Kopfende 40 mm. Die Dicke be-
trägt entsprechend 14 mm und 13 mm. Das Querstück des Lip-
penteiles, das, wenn auch stumpf, leicht dachförmig verläuft, mißt
der Länge nach 25 mm, der Breite nach von 7 mm sich verjüngend.
Fig. 16. (2/ü nat. Gr.)
Fig. 17. (V5 nat. Gr.)
Fig. 18. (Vs nat. Gr.)
ORNAMENTIERTE TANZRASSEL.
Bei Gelegenheit von Tänzen, besonders von Maskentänzen, werden von den Tänzern die
Rasselcuyen zur Markierung des Rhythmus der Tänze und Gesänge geschwungen.
Die Tanzrassel (Fig. 16, 17 u. 18; V B 7694 der Sammlung) stammt aus dem Dorfe Kure-
häua. Capitäo Alfrede bezeichnete sie mir in seiner Sprache als gobund, in der Ausdrucks-
weise der Frauen kgtobuna. Häufig hörte ich Tanzrasseln wäzo oder wazü nennen, was eigent-
lich nur die Bezeichnung für das Material ist.
Eine nahezu kugelförmige, im Diameter 9,5 cm messende, von Mark und Samen befreite
getrocknete Frucht des Kalebassenbaumes (Crescentia Cujete L.) bildet den Schallkörper.
Die Tanzrassel ist nicht vollständig. Es fehlt der stielartige Handgriff, der sie durchdrang
und mittels Hartwachses mit der Oberfläche des Instrumentes verbunden war.
Der ganze Schallkörper der Tanzrassel ist mit regellos aneinandergereihten, recht kunst-
los ausgeführten Ritzmustern bedeckt. Deutlich erkennbar sind unter anderen vor allem zwei
BEITRAG ZUR KENNTNIS DER TAPIRAPÉ-INDIANER
73
Mäandermuster, wovon sich
der eine, einfachster Art,
um den ganzen Schallkör-
per der Rassel zieht, und
zwei Kreuzornamente, alles
von Flechterei abgeleitete
geometrische Muster, wie sie
ebenso auf Gegenständen
der Karajä, aber auch auf sol-
chen anderer Völkerschaften
ganz verschiedener Kultur-
epochen und -kreise anzu-
treffen sind.
Den größten Raum auf
Fi?. 19. (v5 nat. Gr.) der Rasselcuye nehmen die Flg- 20, (2/5 nat- Gr-)
mehr oder weniger gruppenförmig angeordneten, ebenfalls Geflechtsmuster imitierenden, auch
bei den Karajä häufig zur Verzierung verwendeten Zickzacklinien ein, die wir aber auch auf
mehreren Topffragmenten des „Morro dos Kayapö“ (Fig. 27 g bis m) finden.
ORNAMENTIERTE KALEBASSE.
Die Kalebasse (Fig. 19 u. 20; V B 7542 der Sammlung), die an der Sonne getrocknete
Schale einer Frucht der Crescentia Cuyete L, von den Karajä wäzö, wazú, von den Tapi-
rapè nach Krauses1) Mitteilung kuita genannt, wurde von mir in Woudp, Tamanakos Dorfe,
erworben. Ihr Längsdurchmesser mißt 12 cm, der Querdurchmesser 9 cm. •
Das Gefäß diente als Wasserbehälter oder zur Aufbewahrung von Schmuckfederchen.
Die in Ritztechnik hergestellte Ornamentierung besteht im wesentlichen in unregel-
mäßigen Gruppen von in der Längsrich-
tung der Kalebasse verlaufenden paralle-
len Strichen, die ihrerseits wieder in will-
kürlicher Weise von senkrecht auf ihnen ste-
henden Gruppen von drei, einmal vier gleich-
laufenden Strichen unterbrochen werden.
TONPUPPE.
Die in Fig. 21 in Originalgröße abge-
bildete Tonpuppe (V B 7619 der Sammlung),
die ich in Weheriadö vom Häuptling Chry-
sostomo erwarb, wurde mir für Tapirapé-
Arbeit ausgegeben und soll von seiner Sklavin
Marehä verfertigt sein.
Zweifellos handelt es sich um eine weib-
liche Figur. Das Fehlen des Bastschurzes
charakterisiert sie als nicht den Karajä ange-
hörig. DieTapirapé-Frauen kennen dieVerhül-
lung der Pudenda nicht. Nach des Häuptlings
1) ln den Wildn. Bras.s, S. 405. - Die echte Tupi-
Bezeichnung coité oder cuité für Kalebasse als Wasser-
gefäß ist längst im Sprachbesitz eines großen Teiles
der portugiesisch sprechenden Bevölkerung Brasiliens.
Baessler-Archiv VI, l'2. 10
Fig. 21. (Nat. Gr.)
74
W. KISSENBERTH
Angabe soll die Tonpuppe eine Tapi-
rape-Indianerin vorstellen. DaßdiePuppe,
in deren Gesicht nur die Mundöffung
angegeben ist, unter der Augengegend
die Karajä-Tätowierung aufweist, spricht
nicht dagegen. An der Tapirape-Sklavin
des Häuptlings Iwana konnte ich näm-
lich die Beobachtung machen, daß auch
andere als Stammesfrauen die Tätowie-
rung erhalten.
Das Material, aus dem die 9 cm
lange Puppe besteht, ist graugelber Ton.
Das lang herabwallende Haupthaar ist
mittels eines über den Kopf, die Schul-
tern und Seiten des Oberkörpers ge-
klebten schwarzen Wachsaufsatzes zum
Ausdruck gebracht. Darauf sind durch
Wachswülstchen Manschetten angedeutet
zum Zeichen, daß es sich bei der Figur
um eine unverheiratete Person handelt.
Außer der ausgeprägt weiblichen Brust,
über der sich zwei parallele eingravierte
schwarzgefärbte Striche befinden, sind
weiter keine Geschlechtsmerkmale vor-
F>g-22- (3a nat. Gr.) Fig. 23. handen. Die Partie um den durch ein
kreisrundes Loch kräftig markierten Nabel ist mit geschwärzter Stichgrübchenornamentierung ver-
ziert. Von den Extremitäten sind nur die nach abwärts sich verdickenden Oberschenkel dargestellt.
Im Typus ist die Puppe einer von Krause in seinem Reisewerk auf Tafel 8, Fig. f ab-
gebildeten als „Knabe mit Federschmuck“ bezeichneten Karajä-Tonpuppe sehr ähnlich, die er
in einem Karajä-Dorfe bei Santa Leopoldina erwerben konnte.
MINIATUR-TANZMASKEN.
Die beiden Miniaturtanzmasken oder Tanzmaskennachbildungen, wie sie F. Krause nennen
würde, die Fig. 22 u. 23 zeigen, stammen aus Dozahakä. Ich erwarb sie vom Häuptlinge Iwana
selbst, der sie mir als Tapirape-Erzeugnisse erklärte, von seiner Sklavin hergestellt. Die Ab-
bildung zeigt die Miniaturtanzmasken in Dreiviertel-Originalgröße. Sie sind 14 cm lang.
Sie bestehen im wesentlichen in Ährenbündeln einer Grasart, dergestalt, daß die abwärts
gerichteten Ähren, trichterartig auseinandergehend, der korbartigen mit Palmblattstreifengehänge
überdeckten Zylindererweiterung der großen Tanzmasken entsprechen, und die mit hellem
Bast spiralartig eng umwickelten Ährenstiele, denen oben mit schwarzem Bast umwickelte Gras-
halmbündelchen hörnerartig aufgesetzt sind, den Maskenzylinder darstellen.
Als Maskenträger dienen in den Zylinder leicht einschiebbare Palmholzstäbchen, um die
je ein zweites pelerinenartig angeordnetes Ährenbündel befestigt ist, entsprechend den um
Hüften und Schultern zu tragenden Buritiblattgehängen.
Während Fig. 22 auf der Zylinderrückseite eine doppelte Reihe aneinandergeknüpfter
Schmuckfedern, meist Papageien- und beschnittener Ararafedern aufweist, und auch Arara-
federchen die Hörnerenden zieren, befinden sich lediglich zwei schwarze Anambe h-Federchen
an den Hörnerenden von Fig. 23.
1) Als „Anambe preto“ bekannt, Cephalopterus ornalus.
BEITRAG ZUR KENNTNIS DER TAP1RAPE-IND1ANER
75
Iwana benannte beide Miniatur-
tanzmasken mit der Karajä-Bezeich-
nung yob(e)se, mit einem Namen, der
genereller Natur sein dürfte. Denn
auch ein paar als Karajä-Indianer
interpretierte zu einer Hausfigur ver-
einigte Maisfiguren erklärte mir Ta-
manako, in dessen Dorf ich sie er-
halten habe, als yob{e)se})
Von Iwana wurden mir die bei-
den Tanzmasken en miniature aus-
drücklich als Kinderspielzeuge be-
zeichnet. Doch dienten sie auch zur
Belustigung der Erwachsenen.
Ich möchte solcherlei Tanzfiguren, von denen bekanntlich F. Krause eine ganze Anzahl
sehr interessanter Exemplare von Karajä-Indianern bekommen konnte1 2), am liebsten — wenn
auch der Vergleich nicht so ganz stimmt - den bei den meisten Völkern bekannten Puppen-
spielfiguren an die Seite stellen.
Unsere beiden Tanzfiguren dienten, wie der Häuptling erklärte, zur Darstellung eines
Tanzes, den er heioye nannte. Iwana demonstrierte mir diesen Tanz, indem er die Tanzfiguren
an den unteren Enden der Palmholzstäbchen erfaßte und sie in dem der Art des heioye-
Tanzes entsprechenden Rhythmus auf dem Sandboden hin- und herbewegte, wozu er in schar-
fer Akzentuierung folgenden in indefinitum fortgehenden Begleitgesang (Fig. 24) anstimmte:
V V r y 5 —1— V V V V VVV VVVVVv -TI
1 KjV 4 J i —w— m —• • ; 4 . . . b. I • • • t—JJ
he he - yo he he - yo he he - yo he re re ho he re re ho usw.
Fig. 24.
KERAMISCHE FUNDOBJEKTE.
Ungefähr zwei brasilianische Meilen (ca. 13 km) von Santa Rosa, einer Farm der Domi-
nikanermission in Conceicäo do Araguaya, entfernt, beinahe genau im Norden von ihr, be-
findet sich ein isolierter aus der Grasebene zu mäßiger Höhe ansteigender Hügel, dem man
den Namen „Morro dos Kayapö“ gegeben hat. Vor Jahren hatten sich nämlich Teile des
Stammes der M.-Kayapö-Indianer in seiner Nähe zeitweise niedergelassen.
Im Jahre 1907 wurde nun von dem im Dienste der Patres stehenden Vaqueiro und Ver-
walter der Farm am Südostabhange unweit der höchsten Erhebung des Morro dos Kayapö
an einen Baum angelehnt der in Fig. 25 abgebildete große Topf aufgefunden, den ich dann
im Dezember des folgenden Jahres als Geschenk vom Prior der Missionsstation, Frei Domin-
gos, erhielt und meiner Sammlung einverleibte (V B 8350 der Sammlung).
Eine Mitte Januar 1909 zum Morro dos Kayapö unternommene Exkursion gab mir die
Bestätigung der von Frei Domingos Carrerot, dem jetzigen Bischof in Conceicäo, erhaltenen
Mitteilungen von dem Vorhandensein zahlreicher, auch ornamentierter Gefäßscherben auf dem
Hügel und in seiner Umgebung.
Die Hoffnung, noch weitere vollständige Gefäße zu finden, erwies sich zwar als trügerisch.
1) Nach Fritz Krause, der das gleiche Wort kennt, ist löbeze (N) der Name eines Gesanges (ln den Wildn.
Bras.s, S. 445). „s“ in yob{e)se ist zu sprechen wie „th“ in engl, think.
2) S. Tanzmaskennachbildungen vom mittleren Araguaya (Zentralbrasilien); im Jahrbuch des städtischen
Museums für Völkerkunde zu Leipzig; Leipzig 1910.
10*
W. KISSENBERTH: BEITRAG ZUR KENNTNIS DER TAPI RAPÉ-INDI ANER
77
Doch waren meine Nachforschungen insofern erfolgreich,
als sich aus dem Befund der Topfscherben klar ergab, daß
sie von einem Volk herrühren mußten, das auf einem we-
sentlich höheren Kulturniveau gestanden hatte als die Völker-
scharen, denen es weichen mußte, zweifellos Stämme der
gewöhnlich als Gt „(spr. Zt)“ bezeichneten großen indiani-
schen Nation.
Beim Betrachten der in Fig. 26 und 27 abgebildeten Tonscherben ist uns zunächst die
enge kulturelle Zusammengehörigkeit dieses Materials offenbar. Schon ein oberflächlicher Ver
gleich der Scherben mit keramischen Erzeugnissen und Topfresten südamerikanischer Völker
weist notgedrungen zu den Tupí-Guaraní hin.
Die Töpfereitechnik, wie sie aus den in Fig. 26, von d bis о wiedergegebenen Scherben
ersichtlich ist, ist offenbar dieselbe, die wir an den in Museen vielfach zu sehenden, so auch
im Berliner Museum für Völkerkunde in verschiedenen Exemplaren vorhandenen Leichenurnen1)
schon kennen, die in Südbrasilien, vor allem auch im Flußbereich des Paraguay, häufig ge-
funden wurden und tupi-guaranischer Herkunft sind.
Den Geflechtmuster imitierenden zickzackförmigen Gefäßornamenten, wie sie Fig. 27 Nr. g
bis m aufweisen, sind zunächst keine entsprechenden Parallelen in der tupi-guaranischen Kera-
mik gegenüberzustellen. Jedoch findet sich das gleiche Ornament auf der Tapirapé-Tanzrassel
S. 72, Fig 17 u. 18. Die auf Fig. 26 Nr. n bis v befindlichen einreihigen bis zweireihigen
Stichgrübchenornamente sowohl, als auch die durch einfachen Fingernageleindruck erzielten
Verzierungen in Fig. 27 Nr. e und in Fig. 26 Nr. 1, als Randverzierung, Fig. 28, sehen wir viel-
fach auf Töpfen und Topfresten, die auf tupi-guaranischen Ursprung zurückzuführen sind 1 2)
Was nun das große Tongefäß, Fig. 25, anbelangt, so glaubte ich mich anfänglich Frei
Domingos’ Meinung anschließen zu können, der ihn den Karajá zuschrieb. Dem Habitus nach
könnte dieses Gefäß ganz wohl als Produkt von Karajá- Töpferei gelten. Es ähnelt in hohem
Grade den üblichen Karajä-Kochtöpfen, übertrifft sie jedoch in seinen Größenverhältnissen um
ein gut Stück. Seine größte Breite mißt im Durchmesser 45 cm, der größte Umfang 141 cm
Die Gesamthöhe beträgt 19,5 cm. Der Gefäßboden ist 1 cm stark. Das vollständig unornamen-
tierte Gefäß dürfte nach meinem Dafürhalten eine Totenurne sein.3)
Unter den heute noch im Stromgebiet des Mittellaufes des Araguaya hausenden indiani-
schen Völkerschaften wird die Kunst der Töpferei, soweit bisher bekannt ist, außer von den
Karajá, zu denen ich die Zawazé rechne, nur von den Tapirapé geübt.
Über die keramische Industrie der Tapirapé wissen wir aber so gut wie gar nichts Wir
können nur annehmen, daß ihre töpferischen Erzeugnisse mehr oder weniger den Stempel
der tupi-guaranischen Stammestradition tragen dürften.
Wie aus den Äußerungen der Karajá hervorgeht, und wie aus mancherlei von den Tapi-
rapé herrührenden Gegenständen ersichtlich ist, scheint sich zwischen diesen beiden Stämmen
im Laufe des langen freundnachbarlichen Handelsverkehrs in mancher Hinsicht eine Art gegen
seifiger kultureller Beeinflussung entwickelt zu haben, die auch an der Töpferei nicht spurlos
vorübergegangen ist. F
Es k6nnle also die Ähnlichkeit des Gefäßes vom Morro dos Kayapó mit Karaja-Gefäßen
1) Die von Herrn Kolonialdirektor Maynlzhusen (Alto Paraná) gestifteten Urnen wurden am Allo Paraná h.-
Puerto Trinidad oder Yaguarazapá ausgegraben und sind laut Zettelkatalog als keramische Erzeugnisse
Guarani bezeichnet. aer
2) Vgl. Dr.H. Kunikes Beschreibung der Mayntzhusenschen Sammlung, in den amtlichen
den Kgl. Kunstsammlungen, XXXII. Jahrg., Nr. 7¡ Berlin, April 1911, s. 154-162. Kunike gewann die Überzeugung
daß sämtliche Gefäße der Sammlung den Guarani zuzuschreiben seien. ё
3) Eine Karajá-Totenurne, die Krause aut Tatei 68 seines Reisewerkes abbildet, stimmt im Tvnus mi,
diesem Gefäß im wesentlichen überein. yp b mit
78
W. K1SSENBERTH
darin ihre Erklärung
finden, daß dieser Ge-
fäßtyp als zweckmäßig
in der Form in die Tapi-
rape-Industrie Aufnah-
me gefunden hat.
Mangels jeglicher
genauerer Unterlage ist
uns natürlich nichts an-
deres möglich als nur
eine Vermutung auszu-
sprechen, die für große
Wahrscheinlichkeit plä-
diert, daß nämlich das
Tupi-Volk, das am Morro
dos Kayapö und in sei-
ner Umgebung zeitweise
seßhaft gewesen sein muß, die von dort räumlich wenig entfernt gewesenen Tapirape-Indianer
waren, die, wie vorher schon erwähnt wurde, erheblich über ihre heutigen Wohnsitze in
nördlicher Richtung vorgedrungen waren und dann erst im Gebiet des Rio Tapirape dauernd
seßhaft geworden sind.
Eine spätere spezielle Arbeit soll sich mit dem Problem der Herkunft der keramischen
Fundobjekte vom Morro dos Kayapö eingehender beschäftigen.
Fig. 29. (2/s nat. Gr.)
FADENSPIELE.
Von den zwanzig Fadenspielfiguren, die ich gelegentlich meines Zusammenseins mit Ka-
rajä-Indianern sammeln konnte, stammen zwölf aus dem Dorfe Weheriadö. Und diese waren
nur der allergeringste Teil der zahllosen Fadenspiele, die mir der junge, kaum zwölf Jahre
alte Cadete Eozare mit fabelhafter Gewandtheit in kürzester Zeit demonstrierte.
Die Tapirape-Indianerin Marehä leistete ihm bei komplizierteren Figuren, vor allem bei
solchen, die aus zwei Schnurringen kombiniert wurden, Beihilfe und bewies bei Darstellung
der von ihr allein aus-
geführten Cat’s-Cradle-
Figuren eine erstaun-
liche Fertigkeit.
Es war beim besten
Willen nicht möglich,
die beiden zu einer
Wiederholung der Figu-
ren, geschweige denn
zu einer genauen Er-
klärung der Entwick-
lung der Spiele in ein-
zelnen Phasen zu be-
wegen. Ich war schließ-
lich damit zufrieden,
die Endstellungen von
Rg. so. (v5 nat. Gr.) einem Dutzend Faden-
BEITRAG ZUR KENNTNIS DER TAP1RAPE-1NDIANER
spielen unter verständ-
nisvoller Mitwirkung
Marehäs auf Pappkar-
tons aufheften und für
meine Sammlung retten
zu können. Und so ver-
mögen sie, wenn auch
der Wert solcher Faden-
spielendfiguren, deren
Werdegang wir nicht
kennen, recht gering ist,
als Vergleichsmaterial
gelegentlich immerhin
gute Dienste leisten.
Drei von den Cat’s-
Cradle-Figuren bezeich-
nete mir Marehä als
, . , rn • Fig. 31. ('/s nat. Gr.)
Fadenspiele der Tapi-
rape. Die als tarekanjaä (Fig. 29; V B 7601 der Sammlung) bezeichnete Figur wird nach Marehäs
Aussage nur von den Tapirape dargestellt und ist den Karajä kaum dem Namen nach bekannt.
Über die Bedeutung von tarekanjaä war nichts zu ermitteln. Zweifellos kann das Wort
als eine aus mehreren Wörtern zusammengezogene Form betrachtet werden. Wahrscheinlich
ist tare dasselbe wie tata-e in zahe-tatä-e, der Bezeichnung für „kleiner Stern“ in der Gua-
zazära-Sprache, Kanfaä entspricht vielleicht dem candeä, limpo, puro, bonito, rein, makellos,
schön, bei Montoya-Nogueira.
Eine kurze Andeutung der Tapirape-Indianerin ließ in mir die Vermutung aufkommen, daß
der Tarekanfaä-¥\güT astrale Bedeutung zukomme. Caroline Furness Jayne1) hat im Jahre
1904 von zwei Navaho-Mädchen aus Gallup in Neumexiko eine ganz ähnliche Figur erworben
und als „two stars“, zwei Sterne, beschrieben.
Die in Fig. 30 (V B 7600 der Sammlung abgebildete Fadenspielfigur erklärte Marehä als
tamanöahü, tamanuahü, das in Brasilien allgemein bekannte Tier: tamandua bandeira, der
große Ameisenbär (Myrmecophaga jubata).
Ob diese Faden-
figur den Karajä allge-
mein bekannt ist, ist
unsicher. Der Karajä-
Junge Eozare, der sie
mir ebenfalls demon-
strierte und wann w{o)-
ariri = großer Ameisen-
bär nannte, hatte sie
möglicherweise erst
durch die Tapirape-In-
dianerin kennen gelernt.
1) Caroline Furness
Jayne, String figures, A
Study of Cat’s-Cradle in many
lands, Neuyork 1906, S. 129.
Fig. 32. (V» nat. Gr.)
80
W. KISSENBERTH
Fig. 33. F>g- 34-
Über die Bedeutung der in Fig. 31 (V B 7594 der Sammlung) dargestellten Cat’s-Cradle-
Figur, die den Tapirape ebenso wie den Karajä bekannt ist, und für die ich die Bezeichnung
ifobio tehoe tehoe (tekoe tekoe ?) als Erklärung erhielt, konnte ich zunächst nichts weiter
in Erfahrung bringen, als daß es sich hierbei um ein langgestrecktes Insekt handle.
Fig. 31 ist nur eine Variante zu einer Fadenspielfigur Fig. 32 (V B 7597 der Sammlung), die
ich von Eozare sowohl als später durch einen Karajä-Häuptling zu sehen bekam. Ersterer
nannte sie hiföbio, letzterer erklärte sie mir als „kriechendes Tier“ und bezeichnete dieses als
iröbiko oder hiröbiko.
In F. Krauses Karajä-Vokabular nun finden sich die Wörter Uobiko und döbio als Be-
nennungen für „Gottesanbeterin“. Die Annahme ist wohl berechtigt, daß Fig. 31, wie
auch die Variante dazu, Fig. 32 eben eine „Gottesanbeterin“, eine zu den Mantiden, fangheu-
schreckenartigen Geradflüglern, gehörige Insektenart, etwa Mantis religiosa, Fig. 331) vorstellt.
In der Ifobio tehoe te/zp|-Figur kommt die charakteristische Angriffsstellung der Vorderbeine
(Fig. 34) der auf Beute lauernden Raubheuschrecke in vortrefflicher Weise zum Ausdruck. Mit
tehoe tehop) sind die ellenbogenartig gekrümmten Vorderbeine des Insekts gemeint.
BLEISTIFTZEICHNUNGEN.
Marehäs Hand verdanke
ich auch die Ausführung der
in Fig. 35 bis Fig. 39 wie-
dergegebenen Bleistiftzeich-
nungen. Sie stellen geome-
trische Ornamente vor, die
fraglos auf Geflechtsmuster
zurückzuführen sind.
Es war nicht mit Be-
stimmtheit zu ermitteln, ob
die fünf geometrischen Mu-
ster reine Reminiszenzen 1 2
1) Aus Meyers Gr. Konver-
sationslexikon 1905.
2) Dasselbe wie das von
Krause notierte Wort tä{e)hö *,
däkoho $ = Ellbogen.
BEITRAG ZUR KENNTNIS DER TAPIRAPE-INDIANER
der Tapirape-Frau aus früherer Zeit waren und als solche mir Einblick in die Ornamentie-
rungskunst ihres Volkes geben sollten, oder ob Marehä auch unter den Karajä erlernte Muster
zum besten gab, die ja ihrerseits ganz gut den Tapirape oder diesen verwandten Stämmen ent-
nommen sein können.
Soviel ist gewiß: ursprünglich ist solche Art der Ornamentik bei keinem dieser beiden
Völker gewesen. Es unterliegt für uns gar keinem Zweifel, daß sich starke karaibische und
aruakische Einflüsse auf die Verzierungskunst der Karajä sowohl als der Tapirape, wie ja auch
anderer1) Tupi-Stämme geltend gemacht haben.
Einen augenfälligen Beweis wenigstens hinsichtlich der Muster von Fig. 39 und 35 bietet
uns ein Vergleich derselben mit fast bis ins einzelne ganz gleichen Geflechtsornamenten, wie
sie zwei Perlentangas, Weibertanzschürzen2), aufweisen, welche Professor Theodor Koch-
Grünberg gelegentlich seiner letzten Ex-
pedition in Nordwestbrasilien bei den arua-
kischen Wapischäna und den karaibischen
Taulipäng erworben hat.
Im übrigen muß ich mich bis auf weite-
res auf die Angabe der von Marehä den
Ornamenten beigelegten Namen und ihre
photographische Reproduktion beschränken.
DieTapirape-Indianerinbenannte: Fig.35
mit käe, Fig. 36 mit kergoää, Fig. 37 mit
föaze, Fig. 38 mit kwanjiärä3), Fig. 39 mit
anambae,4)
Arbci,')vo?Ku‘„eikTamen,ierU”g der von Yaguarazapä In der vorhererwähnten
Sammlung, Berli" Koch-Orünbergschen
3) Oder kwanmrä: kwäfi = kwäii Angelhaken, (y)ätä vermutlich = ,,„a ncrdb colli*. .• .
sammeln, vereinigen. Die realistische Deutung der Mäanderhaken als Angelhaken ist Z’~ r n ' a)Unc,ar’ ,er-
4) Ich glaube mit Sicherheit annehmen zu können daß hie. n ... natürlich sehr naheliegend.
anambai nichts als eine abfällige Kritik Marehäs über die etwas mani.Hh' 'cr;',lan_;i"ls obwaltet, und daß in
hallen ist. Bei Monl.-Nogueira findet sich nämlich: anä{m)bae (odef ano 1 ommrtT*T' ne‘chnun8r ent-
grosseiro, bruto = plump, grob, roh gearbeitet. am^ in der BecJeutung von
Baessler-Archiv VI, 1/2.
11
MUSEUMSNOTIZ.
PRÄPARIERTE FEINDESKÖPFE BEI DEN JIVARO- STAMMEN DES OBEREN MARANON
UND BEI DEN ALTEN BEWOHNERN DES DEPARTEMENTS ICA AN DER KÜSTE VON PERU.
VON EDUARD SELER.
Die Jivaro-Indianer, die auf der linken, nördlichen
Seite des oberen Marañon vom Rio Pastaza aufwärts
bis zum Rio Chinchipe wohnen, huldigen, wie man
weiß, der eigentümlichen Sitte, die Fleischteile des
Kopfes und des Gesichts erschlagener Feinde, nach
Entfernung des Hirns und der Knochen, in einer Weise
zu präparieren, daß die Fleischteile, mit den Haaren,
in ihrem Zusammenhänge erhalten bleiben, aber zu der
Größe eines kleinen Affenkopfes sich zusammenziehen.
Chancha oder tsaritsa werden diese Köpfe von den Jí-
varo genannt. In Europa sind solche Köpfe erst in den
sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts bekannt
geworden.1) Über die Art und Weise der Präparation
und die Rolle, die diese Köpfe in dem Leben dieser
Indianer spielen, finden wir in den älteren Beschrei-
bungen nur ungenaue und zweifelhafte Angaben. Die
richtige Erklärung erhielten wir durch Buckley, einen
Engländer, der vier Jahre in Macas am oberen Mo-
rona gelebt halte und im Jahre 1873 zwei solcher Köpfe,
die von einem Häuptlinge der Achuale und seiner
Frau stammten, nach London brachte.1 2) Nach Buckley
kochen die Jivaro die abgeschnittenen Köpfe erst eine
Zeitlang in einem Aufgusse von Kräutern, ziehen dann
die Knochen durch die Halsöffnung heraus und füllen
das Innere mit heißen Steinen, die sie, wenn sie kalt
werden, durch frische heiße ersetzen. Dadurch schrump-
fen die Fleischteile bis zu der gewünschten Kleinheit
zusammen. Es wird dann an dem Scheitel ein Loch
gemacht und durch dieses eine Schnur gezogen, mit-
tels deren der Kopf in der Hütte aufgehängt wird. End-
lich werden auch die Lippen an drei symmetrisch ange-
ordneten Stellen durchbohrt und durch die Löcher Baum-
wollschlingen gezogen und durch quere Fäden verbunden,
an die man wieder senkrechte Fäden geknotet hat, die
eine vom Mundrande lang herabfallende Franse bilden.
Auch von den Lidspalten wird verschiedentlich ange-
geben, daß bei ihnen Vernähungen mit Baumwollfäden
angetroffen worden seien. — Der Ausdruck „mit heißen
Steinen gefüllt“ ist etwas ungenau. Wie Rivet in seiner
Arbeit über die Jivaro angibt3), handelt es sich um
richtige Formsteine kugliger Gestalt, die den Kopf-
raum füllen und, im Fortgange des Zusammenschrump-
1) Eine Zusammenstellung ist in der Abhandlung
von G. A. Colini, „Osservazioni etnografiche sui Gi-
vari“ (Atti della Reale Accademia dei Lincei, Anno CCLXX,
1882 bis 1883) gegeben.
2) Die Köpfe sind von J. Lubbock in dem Journal
of the Royal Anthropological Institute of Great Britain
und Ireland, vol. III N. 1 p.30 abgebildet und beschrieben.
3) L’Anthropologie. Tome XIX (1908) p. 70.
fens durch immer kleinere Steine gleicher Gestalt er-
setzt werden, bis zu solchen von der Kleinheit einer
Orange.
Es existieren nun von diesen Jivaro-Köpfen zwei
Typen, die sich in sehr bestimmter Weise unterschei-
den. Die einen (Tafel I Fig. a) entsprechen der oben
gegebenen Beschreibung Bu ck 1 ey ’s. Sie scheinen einen
älteren und in gewisser Weise vollkommeneren Modus
der Präparation darzustellen, insofern der Halsrand —
in der Regel, nicht überall — eine glatte, unverletzte
Schnittfläche zeigt und nicht, wie bei den Stücken des
zweiten Typus, die Herausnahme der Knochen zu erleich-
tern, in der Mittellinie des Kopfes aufgeschlitzt und nach-
her wieder vernäht worden ist. Die drei symmetrisch ver-
teilten Löcher, die die Lippen durchbohren, haben die
selbe Weite, wie bei den Stücken des zweiten Typus. Sie
sind aber hier nicht durch Dornen ausgefüllt. Durch
das weite Lumen der Löcher, die bei dem starken
Schrumpfungszustande ihre Größe und Lage unver-
ändert beibehalten, sind nur, in der oben beschriebe-
nen Weise, ein paar Schlingen aus Baumwollfaden
gezogen, die mit einer lang herabfallenden Franse aus
Baumwollfaden in Verbindung stehen. Die Halteschnur,
die durch das Loch im Scheitel gezogen ist, scheint
bei den Exemplaren dieses Typs ausnahmslos aus
Baumwollgeflecht zu bestehen. Ein Knebel, der der
Innenseite des Scheitelloches anliegt, verhindert das
Herausschlüpfen der Schnur. Eine Besonderheit des
Fig. a wiedergegebenen Kopfes ist, daß auf dem Schei-
tel statt eines, drei runde Löcher, in einer Medianlinie
liegend, angebracht sind.
Bei den Stücken des zweiten Typus, die erst seit
den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts be-
kannt geworden sind, ist der Halsrand in der Mittel-
linie des Kopfes durch einen senkrechten Schnitt
bis zu geringerer oder größerer Höhe aufgeschlitzt,
und dieser Schlitz, nach Herausnahme der Knochen,
durch eine grobe Naht wieder fest zusammengezogen
worden. Aber es scheint, daß man solcher Zusammen-
flickerei doch nicht ganz traute. Darum ist der Schnitt-
fläche des Halsrandes ein zusammengebogener Holz-
reifen aufgelegt und durch feste Naht mit dem Halsrande
verbunden worden. Ein weiterer auffälliger Unter-
schied, den Stücken des ersten Typus gegenüber, be-
steht darin, daß die von dem Munde lang herab-
fallende Franse, wie sie ¡n Fig. a zu sehen ist, hier
fehlt. Die drei symmetrisch angebrachten Löcher in den
Lippen sind durch starke Dornen aus chonta-Holz
ausgefüllt, und diese durch Umwicklung mit Faden fest
MUSEUMSNOTIZ
83
miteinander verbunden und an ihrer Stelle festgehalten.
Offenbar hat man auch hier der Unverrückbarkeit nicht
recht getraut und darum den Lippen diesen festeren
Verschluß gegeben. Die Schnur, an der der Kopf ge-
halten wurde, besteht hier mehrfach nur aus einem
grob zusammengedrehten Faden aus Palmbast oder
Bromeliazeenfaser.
Diesem zweiten Typus gehört der von einem Mu-
ralo stammende Kopf (Tafel I, Fig. b) an, der im
Jahre 1881 durch den Cav. Lucioli in das Museo
Preistòrico ed Etnogràfico von Rom kam und von
G. A. Colini in der oben angeführten Schrift beschrie-
ben wurde. Eine Besonderheit dieses Stückes ist, daß
durch ein gerade unter der Nasenscheidewand ange-
brachtes Loch ein langer Dorn aus chonta-Holz ge-
stoßen ist, der bis zu dem im Scheitel angebrachten
Loche geht und aus ihm herausragt. An dem vorderen
stumpfen Ende dieses Doms sind zwei Baumwollschnüre
befestigt, die über das Gesicht hinweg zu dem aus dem
Scheitel hervorragenden spitzen Ende des Doms ge-
führt und dort herumgewickelt sind, zwei etwa 1 m
lange Enden frei lassend.1) Was für einen Sinn diese
Einrichtung halte, ist schwer zu sagen. Das Loch ge-
rade unter der Nasenscheidewand findet sich auch bei
Köpfen des ersten Typus: bei dem von E. T. Hamy
beschriebenen Kopfe eines Jamba der Provinz Macas5),
bei dem 1876 von Pigorini für das römische Museum
erworbenen Exemplare1 2 3) und bei dem in Fig. a wieder-
gegebenen Kopfe der Sammlung des K. Museums für
Völkerkunde in Berlin. Ich bin der Meinung, daß durch
die oben beschriebene Einrichtung ein Griff zum be-
quemen Halten des Kopfes geschaffen wurde.
Einen zweiten diesem zweiten Typus angehörenden
Kopf habe ich im Jahre 1910 in dem Museum von La
Paz in Bolivien gesehen. Er soll vom Rio Putumayo
stammen und ist hier Taf. I, Fig. c abgebildet.
Ein drittes Stück, von dem Fig. d, Tafel I drei An-
sichten wiedergegeben sind, hat das Kgl. Museum für
Völkerkunde 1907 mit der von Herrn van der Zypen
geschenkten großen Gretzerschen Sammlung peruani-
scher Altertümer erhalten. Der Kopf stammt von einem
Angehörigen des Stammes der Huambisa, die an dem
Nordufer des oberen Marahon von dem Pongo de Man-
seriche nordwärts bis zum Rio Morona und Rio de
Santiago verbreitet sind. - Das Kgl. Museum besitzt noch
zwei andere Stücke, die offenbar demselben zweiten
Typus angehören, da sie auch die Aufschlitzung des
Halsrandes und die Verstärkung durch einen aufgeleg-
ten Hoizreifen zeigen, bei denen aber die drei die
Lippen schließenden Dornen mit ihrer Fadenumwick-
lung ausgefallen sind. Beide Köpfe stammen von An-
gehörigen desselben Stammes der Huambisa. Den
einen hat das Kgl. Museum von Kpt. Zembsch er-
worben. Der andere ist im Jahre 1891 von Herrn
Kanthack in Para Rudolf Virchow eingesandt und
jetzt aus dem Rudolf Virchowschen Nachlasse dem
Kgl. Museum überwiesen worden. Er gehört einem
etwa 50 Jahre alten Manne an, der am 14. Oktober 1890
in einem Kampfe mit den Aguaruna — einem Jivaro-
Stamme, der vom Pongo de Manseriche südwärts bis
1) G. A. Colini loc. cit. p. 30.
2) Revue d’Anthropologie Sèrie I, tom. II, p. 395.
3) G. A. Colini loc, cit. p, 28.
Cahuapanas verbreitet ist — getötet und nachher prä-
pariert wurde. Rudolf Virchow hat ihn in der Zeit-
schrift für Ethnologie, Bd. 24 (1892), Verhandlungen
S. (78)—(80) beschrieben.
Endlich scheint auch einer der fünf Jivaro-Köpfe,
die das k. k. Naturhistorische Museum in Wien besitzt,
diesem zweiten Typus anzugehören. Das Stück hat auch
die Schnittfläche des Halsrandes durch einen aufge-
nähten Holzreifen geschützt. Von den Dornen aber, die
ursprünglich, wie man vermuten muß, die Lippen
schlossen, sind nur noch die weiten Löcher in den
Lippen zu sehen.
Wie der Missionar Pozzi, der bei den Jivaro von
Gualaquiza tätig war, berichtet, feierten die Jivaro
in jedem Jahre das „Fest des Kopfes“, wozu jede
Familie mit ihrer Verwandtschaft einen neuen Kopf sich
zu besorgen hatte.1) Es mag in den letzten Jahren
den Familien immer schwieriger geworden sein, solche
neuen Köpfe sich zu besorgen. Darum haben sie, wie
es erscheint, zu einem Ersatz gegriffen. Sie präparieren
jetzt Faultierköpf e. PrinzessinTherese von Bayern
hat in Guayaquil einen solchen Kopf erworben, den sie
in ihrem Reisewerke abbildet.5) Fünf andere sind durch
zwei kaufmännische Reisende Feyer und Frank in
das Berliner Museum gelangt. Der von der Prinzessin
Therese von Bayern erworbene Kopf und einer
unserer Faultierköpfe gehören dem ersten der beiden
oben nachgewiesenen Typen an. Ein zweiter der Ber-
liner Faultierköpfe zeigt die durch drei Dornen ge-
schlossenen Lippen und den dem Halsrande aufliegen-
den Holzreifen. Er vertritt den zweiten der oben nach-
gewiesenen Typen. Demselben Typus gehören offenbar
auch die drei letzten Berliner Faultierköpfe an, da sie
auch den von den Holzreifen überdeckten Halsrand auf-
weisen. Aber von dem Lippenverschlusse sind nur noch
die drei großen Löcher, in denen die Dornen steckten,
erhalten. Die Dornen selbst sind ausgefallen.
An den zweiten Typus der Jivaro-Köpfe erinnern
nun gewisse mumifizierte Trophäenköpfe, die aus den
alten Grabstätten von Nazca im Departement Ica an
der Küste von Peru auf den Markt gekommen sind,
und die einer Kultur angehören, die Uhle an den An-
fang der bekannten und durch Fundstücke belegten
Kulturentwicklung des peruanischen Küstenlandes setzt.
Bei diesen Köpfen sind die Kopf- und Gesichlsknochen
nicht herausgenommen, die die Knochen bedeckenden
Fleischteile müssen zusammen mit den Knochen ge-
trocknet und in gewisser Weise mumifiziert worden
sein. Das Haar bedeckt in der ursprünglichen Länge
Scheitel, Hinterkopf und Nacken. Das Gesicht ist häufig
mit roter Farbe bemalt. Bei diesen Köpfen, von denen
Geheimer Medizinalrat Gaffron prächtige Exemplare
in seiner Sammlung hat, sehen wir, genau wie bei
den Jivaro-Köpfen des zweiten Typus, die Lippen
durch eingesteckte Dornen geschlossen. Es
sind allerdings davon überall nur zwei verwendet.
Und in den Knochen der Stirn — nicht des Schei-
tels — ist nahe dem unteren Stirnrande ein Loch ge-
brochen worden, durch das ein Strick gezogen ist, an
1) Bollettino della Società geografica italiana. 1883,
p. 303, 304.
2) „Reisestudien aus dem westlichen Südamerika“,
Berlin 1908, Bd. 1, S. 271,
11*
r
84
MUSEUMSNOTIZ
Fig. 3.
Fig. 8.
Fig. 1. Schleuder. Farbiges Muster auf einem dunkelrot gemalten Tongefäße. Nazca.
Samml. Seler. Kgl. Museum für Völkerkunde Berlin (VA. 33222).
Fig. 2. Tongefäß, den Kopf eines Kriegers darstellend, der eine Steinschleuder um den
Kopf gewunden hat Nazca. Samml. Qaffron. Kgl. Ethnographisches Museum München
(G. 1373).
Fig. 3. Tongefäß, den präparierten Kopf eines getöteten Kriegers darstellend, die Lippen
sind mit zwei Dornen zugesleckt. Nazca. Samml.Oaffron. Kgl. Ethnographisches Museum
München (Q. 1385).
Fig. 4—8. Abgeschnittene und präparierte Köpfe getöteter Feinde. Um sie halten zu können,
ist durch ein Loch in der Stirn die Steinschleuder (des Getöteten?) gezogen. In queren Bän-
dern Verzierung auf Tongefäßen. N az c a. Fig. 4. Samml. Gretzer. Kgl. Museum für Völker-
kunde Berlin (VA.51112). Fig. 5. Samml. Gaffron. Kgl. Ethnographisches Museum München
(Q.1183). Fig. 6. Samml. Qaffron. Desgl. (Q. 1085). Die Lippen sind mit Dornen zugesteckt.
Fig. 7. Samml. Gaffron. Desgl. (ü. 985). Fig. 8. Samml. Gaffron. Kgl. Ethnograph.Museum
München (G. 998).
Fig. 6.
Fig. 7.
dem man den Trophäenkopf halten konnte. Für diesen
Zweck ist vielfach - vielleicht allgemein — die Schleu-
der verwendet worden, die diese Indianer, wie viele
Stämme des peruanischen Landes, um den Kopf ge-
schlungen trugen. Wie die Fig. 1 und 2, Malereien auf
Tongefäßen, zeigen, ging bei diesen Stämmen das eine
Ende der Schleuder in drei freie Strähnen oder Schnüre
aus. Genau das Gleiche sehen wir an dem Haltestricke
des einen der aus Nazca stammenden mumifizierten
Trophäenköpfe der Gaffron sehen Sammlung. Dieser
besteht nämlich aus drei Schnüren, deren Enden in etwa
15 cm Länge frei sind, die aber weiter oben mitein-
ander zu einem festen Stricke von kreisrundem Durch-
schnitte verflochten sind.
Diese Köpfe sind nun natürlich keine wirklichen
Trophäenköpfe, keine bloßen Renommierstücke, son-
dern echte chancha, d. h. Idole oder Heiligtümer —
zauberkräftige Amulette, die den Geist des Erschlage-
nen bannten, ihn zwangen, dem Sieger und Besitzer
des präparierten Kopfes zu dienen. Sie werden an dem
großen Jahresfeste im Tanze vorgeführt worden sein,
den Krieger in den Kampf begleitet haben und, wie es
scheint, auch dem Toten ins Grab mitgegeben worden
sein. Darum sehen wir in den Malereien religiösen In-
halts, wo der Jaguardämon einerseits als Sieger, mit
dem abgeschnittenen Kopfe in der Hand, auftritt, ande-
rerseits als der lebenspendende Gott, mit Lebensmitteln,
Bohnen und roten Pfefferschoten, in der Tatze, dar-
MUSEUMSNOTIZ
85
Fig. 9. Präparierter Kopf eines toten Feindes. Die Fleischteile der
Mundgegend und des Kinns sind abgefallen. Die Lider sind mit
Dornen zugesteckf. Das Ohr, das die Baslschlingen bedeckte, die den
Ober- und Unterkiefer verbinden, hängt jetzt herunter. Nazca. Ge-
schenk des Herrn Eduard Gaffron. Kgl. Museum für Völkerkunde
Berlin (VA. 61291).
gestellt ist, diese Dämonenfiguren in ausgiebigster
Weise mit solchen mumifizierten Trophäenköpfen aus-
gestaltet und finden auch — pars pro tolo — statt des
Dämons mit seinen Köpfen, diese Köpfe allein in lan-
gen Reihen auf den Gefäßen abgebildet, durch die die
Lippen durchbohrenden zwei Dornen, die langen Haar-
flechten und die als Haltestrick dienende Schleuder
deutlich gekennzeichnet (Fig. 3-8).
Sind nun die durch Dornen zugesteckten Lippen
dieser Nazca-Mumienköpfe eine deutliche Parallele zu
der Präparation, die noch heule bei einem Teile der
Jivaro-Stämme mit den erbeuteten Feindesköpfen vor-
genommen wird, so scheint mir die besondere Weise,
in der in den Malereien der alten Nazca-Gefäße diese
Mumienköpfe an den Figuren angebracht sind, in einem
noch heute bei den Jivaro üblichen Brauche ihre Er-
klärung zu finden.
Der Missionar Pozzi, der bei den Gualaquiza
tätig war, erzählt, daß die Jivaro sich das lang wach-
sende Haar am Hinterkopfe in einen Zopf flechten, den
sie mit Vogelfedern schmücken, und daß sie, wenn sie in
den Krieg ziehen, und bei festlichen Tänzen, einen in der
oben beschriebenen Weise präparierten Feindeskopf an
diesem Zopfe befestigen.1) Und eine bekannte Abbildung
eines Jivaro-Häuptlings zeigt uns einen solchen Kopf über
dem tayü-cunchi-) herabhängend, dem aus acht Reihen
von Vogelflügelknochen und wohlriechenden Samen
bestehenden, mit den Flügeldecken der Buprestis gi-
gantea verzierten Rückenschmucke, den die Jivaro-
Häuptlinge bei dem festlichen Tanze tragen, ln den 1 2
1) Revue d’Anthropologie, Série I, tome II, p. 396.
2) taijû-cunchi wird von Rivet angegeben, und ist
das echte Jivaro-Wort (tayü, der Name des Vogels =
Nyctidromus; cunchi „Knochen“). Colini nennt das
Schmuckstück tayü-tullu. Hier ist aber tullu ein Quichua-
Wort derselben Bedeutung „Knochen“.
Vasenmalereien der alten Nazca-Kultur spielt ein
Jaguardämon eine große Rolle, der bald als Jaguar,
bald in Menschen- oder Vogelgestalt auftritt, aber in
allen Wandlungen seiner Gestalt durch die starken
Schnurrhaarbüschel, die den Mund einfassen, kenntlich
ist. Wo er als Tier, als Jaguar erscheint, fehlt ihm in
der Regel ein besonderer Ausputz. Ebenso in einzelnen
Fällen, wo er als Jaguarmensch, als Mensch mit einem
Jaguarkopfe, dargestellt ist. In der Mehrzahl der Fälle
aber, wo ein Menschen- oder Vogelkörper mit einem
Jaguarkopfe verbunden ist, ist dieses Doppelwesen zu-
gleich mit einem Anhänge versehen, der weit über den
Rücken herabfällt und da, wo er, uneingeengt durch
andere Bildungen, zur vollkommenen Ausgestaltung
kommt, als ein langer, von Zacken eingefaßter Streifen
erscheint, der in einen Kopf endet. Bei diesem Rücken-
streifen liegt wohl die Idee einer Schlange vor, deren
Kopf den Endkopf bildet. Dieser letztere ist zumeist
mit ausgestreckter Zunge abgebildet und durch ein
Hände- oder Tatzenpaar vervollständigt. Nicht selten ist
er auch ein Gegenstück des Jaguargesichts des Dämons,
der diesen Rückenstreifen trägt. Bisweilen auch ein
Mumienkopf mit geschlossenen Augen. Was man indes
über diesen Kopf zu denken hat, kommt für die Frage,
die ich hier behandle, nicht in Betracht. Eine Tatsache,
die sehr zu denken gibt, ist es aber, daß der Kern
dieses Rückenstreifens und die Räume zwischen den
ihn umsäumenden Zacken sehr häufig mit Köpfen aus-
gefüllt sind, die sich als abgeschnittene, oder geradezu
als mumifizierte Köpfe mit Dornen in den durchstoche-
nen Lippen oder als Ableitungen solcher kennzeichnen
(vgl. Fig. 3, 5 u. 8). Muß man da nicht an die Jivaro-
Köpfe denken, die von dem Häuptlinge bei dem Tanze
auf dem über den Rücken fallenden tayü-cunchi getragen
werden? Die Frage, und was aus ihr zu schließen ist,
ist jedenfalls sehr im Auge zu behalten.
Zum Schlüsse gebe ich hier in Fig. 9 noch einen
Nazca-Mumienkopf wieder, den meine Frau im Jahre
1910 in Lima von Herrn Gaffron erhielt, und der sich
vor anderen dadurch auszeichnet, daß auch die Augen-
lider mit Dornen zugesteckt sind. Der Kopf war leider
schon stark verwest. Und trotz der Trocknung, die wir
in Lima versuchten, ist er in Berlin in ziemlich trauri-
Fig. 10. Profil zu Fig, 9.
Das Ohr ist heraufgenommen und angelegt worden.
86
MUSEUMSNOTIZ
gern Zustande eingetroffen. Die Trocknung ist dann
hier erreicht worden, aber dabei haben sich die Fleisch-
leile mehr oder weniger stark von den darunter liegen-
den Knochen gelöst. Das Gesicht war mit roter Farbe
bemalt. Die Lippenpartie ist jetzt ganz verschwunden.
Von den Dornen, mit denen die Augenlider zugesteckt
sind, sind noch einzelne vorhanden. An dem oberen
Stirnrande findet sich im Knochen ein Loch, von dem
man vermuten könnte, daß es für den Haltestrick in
den Knochen gebrochen worden sei. Aber in den
Fleischteilen ist an dieser Stelle kein entsprechendes
Loch zu finden. Die Ohrpartie hat sich auf beiden
Seiten abgelöst. Und dabei sieht man, daß unter dem
Fleische der Ohrpartie ein Baststreifen ausgespannt
war, der, wie es scheint, den Unterkiefer an dem Ober-
kiefer befestigte. Das Haar ist weich und von brauner
Farbe, sich stark von dem tiefschwarzen, starken Haare
der Jivaro-Köpfe unterscheidend.
Rivet macht in seiner Arbeit über die Jívaro auf
eine Stelle in der „Historia del descubrimiento y con-
quista de las Provincias del Perú“ Augustin de Za-
rate’s aufmerksam1), die mir auch schon längst auf-
gefallen ist, aus der hervorzugehen scheint, daß man
zur Zeit der Ankunft der Spanier in den Küstenprovin-
zen von Ecuador echte Jivaro-Köpfa präpariert habe.
Er sagt: „In einigen Tempeln, besonders in den Dör-
fern, die man die von Pasao (am Cabo Pasado)
1) Sevilla 1577, Buch 1, cap. 4, p. 3.
nennt, haben sie an allen Pfeilern der Tempel ge-
kreuzigte (erwachsene) Männer und Kinder, deren Leich-
name oder Häute so gut gegerbt waren, daß sie nicht
schlecht rochen, und (ferner waren an den Tempeln)
Menschenköpfe angenagelt, die mit einer gewissen Ab-
kochung soweit reduziert waren, daß sie nur noch die
Größe einer Faust hatten,“ — Die Angabe könnte wört-
lich zutreffen, obwohl wir darüber keine Nachricht
weiter haben. Es kann aber auch sein, daß diese Jivaro-
Köpfe von irgendwelchen „curiosos“ von jenseit des
Hochlandes zu den Stämmen der Küste gebracht wor-
den sind. Jedenfalls glaube ich nicht, daß diese Gegend
gewissermaßen eine Etappe abgegeben habe, von dem
Gebiete der heutigen Jívaro zu der Küstenprovinz von
Ica. Eher könnte ich mir vorstellen, daß in der Rich-
tung des Huallaga irgendeine alte Verbindung über das
Hochland hinweg zur südlichen Küste bestanden habe.
Rivet führt an, daß die Patres Manuel Sobreviela
und Narciso y Barcelo, die in den Jahren 1791 bis
1794 jene Gegenden bereisten, bei den Indianern der
Pampa del Sacramento am Rio Huallaga die Jivaro-
Sitte der Präparation von Menschenköpfen und auch
das Fest der Köpfe angetroffen hätten.1) Und ich darf
daran erinnern, daß zu dem Gebiete des Rio Huallaga
auch der Chancha-mayo, der „Fluß der Jivaro-Köpfe“,
gehört.
1) Französische Übersetzung von P. F. Henry,
Paris 1809, p. 175.
Baeßler-Archiv VI, 1/2 Art.Seler
e. Kopf eines Huambisa. Samml. Zembsch. Kgl. Museum f. Völkerkunde
Berlin. VA. 32680.
f. Kopf eines Huambisa vom Rio Morona, der am 14. Oktober 1890 im Kampfe
mit den Aguaruna getötet und präpariert worden war. Samml. Kanlhack,
Para. Aus dem Nachlasse Rudolf Virchows dem Kgl. Museum für Völker-
kunde überwiesen. VA. 61378.
J
1 Slemnelkasten aus hellgrauem Onyx; das stilisierte Zeichen für „langes Leben“, das in den Deckel geschnitten ist, hat
h n c P F« bune Fünf in Farbe und Form unterschiedene Stempel stehen in dem Kasten, der außerdem einen Behälter für
he gr "e < r /h. enthaih Das besondere Deckelchen dieses Behälters ist stufenförmig gearbeitet und hat einen hellgrün
,e ro gefärbten Griff. (ID 2007; der geschlossene Kasten ist 6 cm hoch.)*)
CHINESISCHE STEMPEL.
VON
ANNA BERNHARDI.
Der gebildete Chinese liebt es, schöne, künstlerisch verzierte Schreibgeräte auf seinem
Arbeitstische zu sehen, und zu ihrer Vervollständigung gehören einige Stempel, die zumeist
aus Speckstein geschnitten sind. Der Slempelabdruck dient als Eigentumszeichen in Büchern,
zum Briefverschluß, und zum Unterzeichnen von Briefen, schriftstellerischen Arbeiten und Male-
reien, die nur selten den geschriebenen Namenszug daneben tragen; er ersetzt also bis zu
einem gewissen Grade unsere Stempel, Unterschriften und Petschafte. Für die eingeschnittenen
Zeichen werden altertümliche Schriftarten gewählt, und auch diese oft in ungewöhnlicher Art
verschnörkelt oder abgekürzt, so daß
es selbst für den gebildeten Chinesen
nicht immer möglich ist, einen Stempel
auf den ersten Blick richtig zu lesen.*) **)
Der Gebrauch von Stempeln ist ein alter,
und es scheint eine umfangreiche Litera-
tur darüber zu geben; wenigstens nennt
allein Wylie (Notes on Chinese Litera-
ture) vierzehn chinesische Schriften über
diesen Gegenstand. Dagegen hat man
3. Stempel aus Speck-
stein mit einer Blu-
menranke als Griff.
(I D 5529; 2cm hoch.)
*) Die mit 1 D verbundene Zahl bezeichnet die Nummer eines Gegenstandes aus der Sammlung der Ost-
asiatischen Abteilung am Kgl. Museum für Völkerkunde, Berlin.
*•) Für die Erklärung von mir nicht verständlichen Zeichen bin ich Herrn Kim, Wissenschaft!. Hilfsarbeiter
der Kgl. Preuß. Akademie der Wissenschaften, zu aufrichtigem Danke verpflichtet.
Bacssler-Archiv VI, 3. ' 12
88
ANNA BERNHARDI
sich in Europa bisher fast gar nicht damit beschäftigt; allgemein bekannt sind hier nur die
Stempel auf Porzellanen und Bronzen, sowie die Zeichen der berühmtesten Maler. Fabrik-
zeichen, Geschäfts-“ und Beamtenstempel, auch kaiserliche Amtsstempel, sollen nicht in den
Rahmen der vorliegenden Arbeit einbezogen werden, die sich im wesentlichen auf die lite-
rarischen Stempel der Gelehrten beschränken wird. Die hier gebrachten kaiserlichen Stem-
pel, von denen einer auf der farbigen Tafel dargestellt ist, dienen niemals zu amtlichen
Zwecken.
Am gewöhnlichsten ist der Verschlußstempel, der in zwei Worten sagt, daß er den
Brief geschlossen hält (Abb. 26 auf S. 96). Jede gewaltsame Öffnung würde ihn beschädigen,
jede zum Wiederverschluß nötige Anfeuchtung des Papiers seine Farbe auslaufen machen. Er
ist meist aus Bronze gegossen, fertig käuflich.
Einfache Namenstempel (Abb. 58, S, 101) werden wenig und dann fast nur in Verbindung
mit Wahlspruchstempeln benutzt. Zum Unterzeichnen von amtlichen Schriftstücken und Privat-
briefen dient die Art der Abb. 39, 40, 50, 51. Eigentumszeichen auf Bildern und Büchern sind
die Nummern 21, 34, 62, 75, 78, 83 und 87. Während die ersteren stets den Amtsnamen
(ming-tzü) des Besitzers tragen, zeigen die letzteren häufiger seinen Schriftstellernamen {hao)
oder die Benennung seines Arbeitsraumes. Denn man pflegt in China den Studierzimmern be-
sondere Namen zu geben — wie bei uns den Landhäusern - und mit diesen Namen künst-
lerische Veröffenlichungen zu zeichnen.
Wertvoller als alle diese sind die Stempel, die einen klassischen Ausspruch — eine Art
Motto — enthalten. Der einzelne begnügt sich nicht etwa mit einem Wahlspruch, wie auch
wir ihn in unserm Petschaft und auf Bücherzeichen neben dem Wappen oder an dessen
Stelle führen, sondern er besitzt eine Reihe von Stempeln, die er nach Stimmung und Ge-
legenheit benutzt. Daß es ein chinesischer Liebhaber zu einer Sammlung von 1000 und mehr
Stücken bringt, ist nicht selten. Jeden schönen oder gedankentiefen Ausspruch verwendet er
gern zu einem neuen
Stempel. Oft genügen
ihm auch einzelne
Worte, durch die eine
bestimmte Vorstellung
und eine Stimmung,
die er besonders liebt,
hervorgerufen werden
soll. So die unzusam-
menhängenden Worte:
„Herbstmond - Edel-
steinfläschchen“. Der
Herbstmond ist das
Sinnbild größter Rein-
heit und Klarheit; rein
und klar soll auch der
Halbedelstein sein, aus
dem das Riechfläsch-
chen geschnitten ist,
so daß es von den
Strahlen des Mondes
völlig durchleuchtet
wird.
Nicht immer wirdein
berufsmäßiger Stein-
schneider zur Herstel-
lung des Stempels
herangezogen; häufig
4. Der Genius des langen Lebens Nan2-ki-
bsing1, d. i. Genius des Südpolarslerns (Japan.
Fuku-roku-jin). Er hall in der linken Hand
den Pfirsich der Unsterblichkeit. (1 D 27 650;
11 cm hoch.)
5. Gegenstück Zu 4, Greis, der ein Kind auf
dem Knie halt; das Kind hat den Pfirsich in
der linken Hand — offenbar ein Sinnbild für
Nachkommenschaft und langes Leben. (ID
27 651; 11 cm hoch.)
CHINESISCHE STEMPEL
89
ist der Gelehrte selbst zugleich der Künstler, der die Inschrift
einschneidet, und er kann damit eine Jahrhunderte überdauernde
Berühmtheit erlangen, wie Chao MöngMu*) aus der Ming-
Zeit, dessen Stempel noch heute bewundert werden.
Das Material, aus dem die modernen Stempel hergestellt
werden, ist in den meisten Fällen Speckstein; es werden aber
andere Steine und Elfenbein vielfach verwendet. Von Steinstem-
peln kann jeder einzelne beliebig geschnitten und verziert wer-
den, und wo die äußere Form übereinstimmt, ergeben Farbe und
Äderung immer neue Unterschiede, so daß schließlich jedes
Stück etwas in seiner Art einziges ist. Das Yin4-Tien3 ) des
Chu1 Hsiang-hsien2***) unterscheidet zwischen Nephrit (Fü4)f),
Halbedelstein {Pao3)ff), Achat (Ma3-nao3) fff) und Stein (S/zzTz2) §); aber nur Yü ist schon
im Altertum zu Stempeln benutzt worden. Zur Han-Zeit sollte Nephrit nur zu kaiserlichen
Stempeln gebraucht werden; Gold kam den Königen und Herzogen zu; Silber mit Schild-
krötengriff führten Beamte, deren Gehalt zumindest 2000 Zentner Getreide betrug; aber
vereinzelt wurde das gleiche Material auch von der bürgerlichen Bevölkerung benutzt.
Kupferstempel, manchmal vergoldet oder versilbert, waren von jeher bei Beamten und Nicht-
beamteten in Gebrauch. Von Stempeln aus Elfenbein und Wasserbüffelhorn besaß der Kaiser
je ein Paar; Beamte aus der Gehaltsklasse von 2000 Zentnern abwärts bis zu 400 Zentnern
durften einen solchen Stempel tragen. Schon seit der T’ang-Zeit wird aber Elfenbein nur noch von
Privatleuten gebraucht, und das Büffelhorn, das sich zu schnell abnutzt, ist ganz außer Ge-
brauch gekommen - höchstens findet man es noch bei einem Liebhaber von Absonderlich-
keiten. Achat und die unter der Bezeichnung Pao zusammengefaßten Halbedelsteine wurden
in älterer Zeit wenig verwendet, und dann auch nur
zu Privatstempeln. Pao wird jetzt überhaupt nicht
mehr geschnitten, weil die Zeichen unscharf werden
und sich bald abnutzen. Die als Shih bezeichneten
Steine wurden unter den T’ang und Sung für Privat-
stempel gebraucht, von denen aber infolge der Abnut-
zung nichts erhalten ist. Da man annahm, daß frühere
Zeiten solche Steine überhaupt nicht benutzt hätten,
erregte es großes Erstaunen, als im siebenten Jahre
Wu3-te2§§) (624 n. Chr.) in Hsia2-choux§§§) ein kaiser-
licher Amtsstempel aus Shih gefunden wurde. Stempel
aus Bergkristall und aus Porzellan gehören 'der Neuzeit
an, und es gab deren unter den Tang und Sung nur
vereinzelte. Wenn die Herstellung von Porzellanstem-
peln wenig Verbreitung fand, so ist das vermut-
lich darauf zurückzuführen, daß erstens die Schrift
beim Brennen an Schärfe einbüßte, und daß zweitens
in der äußeren Form nicht genug Abwechslung mög-
lich war.
Die einzige, mir vorgekommene, europäische Schrift
über Privatstempel handelt von solchen aus Porzellan, deren
eine größere Anzahl in verschiedenen Gegenden Irlands
*) A* 'S“ 41/TS Cha0 Möng'fu’ 1254~1322; v&k **) 1Das Yin-tien, eine Arbeit in vier
IgL Giles, Biogr. Dict. Nr. 173. * j -f ^ Heften aus dem Anfang der Man-
dschudynastie, wird von Wylie S. 112 erwähnt; er gibt den Inhalt der einzelnen Kapitel an.
* u »>'f «» s| ig, »;£ * ,,jt
% % If
fj
steht im Yin-tien (Bd. III, Teil 6, Bl. 4) vielleicht für Shen-chou in Honan- WI
The Cities and towns of China, Nr, 6157, 2°. nan’ ‘ Playfair.
12*
90
ANNA BERNHARDI
gefunden wurde.*) Die 63 Stück, die Getty in seiner Abhand-
lung bespricht, sind nach Größe und Form ganz gleich, die
Griffverzierung bildet ein Affe. Sie wurden im letzten Viertel
des 18. und zu Anfang des 19. Jahrhunderts gefunden und
waren vermutlich von Seeleuten in die Heimatdörfer mitge-
bracht worden. Getty selbst nahm freilich an, daß sie schon
im 9. Jahrhundert durch Mönche nach Irland gekommen wären....
Wie die Porzellanstempel, so werden auch die aus Bronze
gegossenen abwechslungsarm. Von geschnittenen unterscheiden
sie sich durch die Gleichmäßigkeit des Grundes und die regel-
mäßige, münzenähnliche Schrift. Außer den Verschlußstem-
peln kann man noch die sog. Mutter- und -Kind-Stempel ge-
gossen kaufen. Diese letzteren, von denen Abb. 116 ein Bei-
spiel gibt, haben auf einer ihrer 26 Flächen einen Verschluß-
stempel, auf den übrigen aber poetische Aussprüche, unter
denen jeder Käufer einige ihm zusagende finden mag. Einem
gebildeten Geschmack werden gegossene Stempel freilich nicht
genügen, er legt besonderen Wert auf die Art des Schnittes
und erkennt, ob die Seele eines Künstlers die Messerspitze beherrscht hat. Bergkristall läßt
sich nicht schneiden, die Zeichen müssen eingemeißelt werden und bekommen keinen glatten
Umriß; Abb. 96 gibt ein besonders schönes Beispiel dieser Art. Der Reiz der so entstandenen
Schrift wird manchmal in weicherem Material nachgeahmt.
Alle chinesischen Schriftarten finden auf Stempeln Verwendung und können in zwei
Weisen geschnitten werden. Entweder wird der Grund weggeschnitten, die Zeichen bleiben
stehen und erscheinen im Abdruck dunkel; oder die Zeichen werden eingeschnitten und der
Grund druckt so, daß sie weiß ausgespart hervortreten. Die erste Art bezeichnet der Chinese,
da stets mit roter Farbe gestempelt wird, als Rotschrift, die zweite als Weißschrift. Gebräuch-
licher aber sind die Bezeichnungen Yang**) für die positive, Yin***) für die negative Er-
scheinung der Schrift. Gemischte Stempel zeigen die Abb. 105 und 108.
Dem Yin-Tien zufolge sind den während der ganzen geschichtlichen Zeit Chinas üblichen
Stempeln Petschafte voraufgegangen, und es gab Siegel aus
rötlichem Lehm für kaiserliche Mitteilungen oder aus weißem
Wachs für Briefe. Die in das Petschaft eingeschnittene Schrift
stand auf dem Siegel hoch, und man nannte diese Art Yang,
während die in gleicher Weise gearbeiteten Farbstempel eine
Fm-Schrift hervorbringen.
Die älteste Bezeichnung für Stempel ist Paof); erst später
wurden die des Kaisers, der Kaiserin und der kaiserlichen
Prinzen mit Hsiff) bezeichnet, während man alle andern Fm fff)
nannte. Unter der Tsung-Dynastie des 5. Jahrhunderts bezeich-
nete man die Stempel des Adels mit Chang.§) Chang und Yin-
chang%%) sind noch jetzt ebenso gebräuchlich wie Yin allein;
daneben ist Tu-shu%%%) (Bild und Buch) sehr häufig für Pri-
vatstempel, da diese ja als Eigentumszeichen auf Bildern und
Büchern dienen.
Das Yin-tien bringt eine große Anzahl von Geschichtchen
und Anekdoten; es erzählt von den Stempeln der sagenhaften
*) Notices of Chinese Seals found in Ireland. By Edmund Getty. Read betöre ihe Belfast literary society
on the I6th May 1850.
-)j3^ H)j| §»jjr §§)£p|i §§§)£Uf
9. Stilisiertes Tier, sog. „Vielfraß“,
der auf den ältesten chines. Bron,-
zen vorkommt. Die Fläche enthält
einen Doppelstempel. (10 5526; 41'2cm
hoch.)
8. Ein Drache mit der Perle in Wel-
len. (ID 27 667; 8cm hoch.) Das
Gegenstück hierzu ist genau ebenso
gearbeitet, aber nach der anderen
Seite gewendet.
CHINESISCHE STEMPEL
91
alten Kaiser und sogar von dem Diamantstempel,
den die Hsi-wang-mu am Gürtel trägt, auch deu-
tet es die Träume, in denen Stempel Vorkom-
men. Soweit es geschichtliche Nachrichten über
die Entwicklung der Stempel unter den verschie-
denen Herrschergeschlechtern bringt, decken sie
sich mit denen im Tcu-shu-chi-chcöng*), wenige
Einzelheiten fehlen in dem einen oder andern
Werke. Leider macht keines nähere Angaben
über die zum Stempeln benutzte Farbe, ein öl-
haltiges Zinnober-Rot; nur daß sie am besten in
geschlossenen Porzellangefäßen haltbar bleibt,
wird im TTi-shu-chi-chöng erwähnt. Aber über
die Kissen, in denen die Stempel bewahrt wer-
den sollen, finden sich Angaben, und ebenso
über ihre Reinigung durch Ausbürsten mit ge-
siebter Asche von Räucherstäbchen!
Die älteste geschichtliche Mitteilung beschreibt
die sechs Stempel des T sin-shih-huang-ti**)
(246 bis 210 v. Chr.), die aus weißem Yü, mit Dra-
chen und Tigern als Griffen, geschnitten waren.
Die Stempel der Beamten waren in den ältesten
Zeiten nicht von denen der andern Bürger unter-
schieden; jedes Material stand ihnen gleichmäßig
zur Verfügung, und beliebig bildeten sie Drachen,
Schildkröten, Elefanten, Tiger, Hasen und andere
Vierfüßler als Griffzier ab. Nur die Stempel mit
zwei oder sechs Schriftflächen wurden von Be-
amten nicht benutzt. Solche mit zwei Schriftflächen waren durchbohrt, so daß man einen Stab
griff durch das Loch stecken konnte; bei andern war der Griff***) (niu) durchbohrt und ein
Kupferring durchgezogen, der über den Gürtel geschoben wurde. Schnüret) (shou) kamen erst
später auf. Bei den Inschriften war es üblich, die aus vielen Strichen bestehenden Zeichen größer
als die einfachen zu schreiben.
Aus der Han-Zeit (206 v Chr. bis 264 n. Chr.) sind schon eingehende Mitteilungen über-
liefert, z. B, daß die Kaiserin Drachen und Tiger als Stempelgritf führte, der Kronprinz da-
gegen Schildkröten. Es werden auch Angaben über die Farben der Schnüre gemacht die den
Königen und Fürsten erlaubt waren. Für Beamte kam eine bestimmte Formel auf die no h
heute benutzt wird, und die Abb. 51 zeigt. Privatstempel durften nicht mehr willkürlich L
schnilten werden; sie mußten quadratisch sein und nur Familiennamen und Namen des Fi™,
lümers tragen, so daß zumeist - wenn nicht der Familienname aus zwei Zeichen besten _
ein Platz leer blieb, der dann später off durch das Wort Yin ausgefüllt wurde
Shöng Hsi-mingff) führt den Gebrauch des eigentlich überflüssigen genitivischen cMh**n
auf die Han-Zeif zurück. Für die Dynastie war als eigene Farbe das Gelb als Zahl^
gewählt worden, und man suchte nun die Stempel, die sonst aus vier Zeichen besLden'l ft
durch Einfügung des chih auf die kaiserliche Zahl zu bringen. Von diesen fünf Zeichen standen
dann drei untereinander, wie auf dem kaiserlichen Stempel Abb. 17 und 18. Die Fünfstelligkeit d
10. Drei Knaben, von denen zwei auf einem Elefanten
hocken und dem drillen ein Qe.'äß hinunterreichen. Die
Gesichter sind schlecht geschnitten. (ID 27 648; 11cm
hoch.)
Ku-chin-t'u-schu-chi-ch öng; in der Ausgabe des Kgl.
Mus. f. Völkerk. in den Heften Nr. 1610 u. 1611; nach der
chines. Einteilung: Kao-kung-tien, 141. bis 147. Heft.
t)
tt)
£* äft
Hsi-ming wird im
Yin-tien angeführt.
ttt)
92
ANNA BERNHARDI
Stempel kam wieder ab — der Gebrauch des chih aber blieb. — Von den drei Arten des
Schrifteinschnittes: V, U oder U, war zur Han-Zeit nur der erste üblich, während der dritte
allen kaiserlichen Stempeln der Mandschudynastie Vorbehalten blieb.
Die Tsin-Dynastie (265—420) bestimmte die Art der Stempel, die von kaiserlichen Neben-
frauen geführt werden durften und Chang genannt wurden: für die drei Frauen ersten Ranges
aus Gold mit roter Schnur, für die neun Frauen zweiten Ranges aus Silber mit blauer Schnur.
Unter den Liu-Sung (420-479) wurde die Zahl der aus Yü geschnittenen Stempel des
Kaisers auf sieben erhöht; unter ihren Griffverzierungen werden auch Phönix und Einhorn er-
wähnt. Für Prinzen und Beamte kamen neben den goldnen auch Stempel aus Silber und
Messing mit verschiedenfarbigen Schnüren auf.
Zur Chön-Zeit (557—589) führten die Prinzen und alle Adelsklassen goldne Stempel
mit unterschiedener Schnur; die des Kronprinzen war chu*) (zinnoberrot), die der übrigen kaiser-
lichen Prinzen hsün-chu**) (hellrot); yüan-chu***) (rosa) für Herzoge, ching-chu-\) (lila) für Fürsten
und Grafen, hcing\f) (hellblau) für Freiherrn und den einfachen Adel. Die goldnen Stempel, die
sowohl Chang als Yin genannt wurden, hatten Schildkröten, Tiger und Leoparden als Griffzier,
die silbernen Stempel: Schildkröten, zwei verschiedene Bärenarten, das schwarze Schaf, Hirsch,
Hasen und Frosch, Die Kupferstempel wurden mit einer Kette an Stelle des Griffes versehen.
Für die Tang-Z eit (618-907) wurden die Vorschriften über das Stempelwesen vonKao-tsufff)
im vierten Jahre Wu-te (621) festgesezt. Das Tu-schu-chi-chöng bringt über diese Periode ganz
besonders knappe Mitteilungen, während das Yin-tien zahlreiche Einzelheiten erzählt, die es
einer von ihm oft angeführten Quelle, dem Wön-hsien-fung-kcao §), entnommen hat. Der Kaiser
besaß acht Stempel aus Yü, deren einer „von der Übernahme des Reiches“ keinen praktischen
Zwecken diente und „Heiliger Stempel“ genannt wurde. Den zweiten, „Empfang der himmli-
schen Befehle“, trug der Kaiser, wenn er dem
Himmel, der Erde oder den Geistern der Berge
die großen Opfer darbrachte. Der dritte war ein
Gebrauchsstempel zum Beantworten von könig-
lichen und fürstlichen Handschreiben, der vierte
zu Belohnungen, der fünfte zu Berufungen von
Königen und Fürsten. Der sechste diente dem
Kaiser bei Antworten an die Tributstaaten aller
Himmelsrichtungen; der siebente bei Belohnun-
gen derselben, der achte als Beglaubigung bei
Einberufung von Truppen aus ihnen. Die beiden
ersten Stempel wurden bei großen Audienzen
aufgelegt und wenn der Kaiser den Palast ver-
ließ, so wurden ihm die acht Stempel in fünf
Wagen nachgefahren.
Nachdem die Kaiserin Wu-Hou§§) (625—705,
vgl. Giles, Biogr. Dich, Nr. 2331) die Bezeichnung
für die Kaiserlichen Stempel wieder in Pao um-
geändert hatte, schwankte der Gebrauch ein paar-
mal hin und her, bis schließlich der Ausdruck
Hsi siegte und bis heute gültig blieb. Wu Yen-
hsiu§§§), Gemahl der Prinzessin Tcai-p cing*f) und
somit der Schwiegersohn der Kaiserin Wu, besaß
„Mémoires concernant . . . les chinois“
J- J'Min Ausführliches über diese Tochte
^ ^ w | der Wu-Hou findet sich in de
Bd. V, S. 336 ff. in P. Amiots Geschichte des Kaisers Hiuen-tsoun|
CHINESISCHE STEMPEL
93
einen Stempel aus Yü mit vier Worten in fremder Schrift, deren
„brahmanische“ Aussprache lautete chines, geschrieben: sam yak
mu ta*) - offenbar eine Zusammenziehung von Samyaksambodhi
und ein neuer Beweis für die damalige Ausbreitung des Bud-
dhismus in den herrschenden Klassen.
Stempel mit der Bezeichnung des Arbeitszimmers kamen
unter den Tang in Gebrauch; vielleicht auch solche mit den Wahl-
namen (Hao) — darüber machen aber die mir vorliegenden
Schriften einander widersprechende Angaben.
Die Sung-Dynastie (960-1127) erließ neue Verordnungen
in denen die Größen der verschiedenen Stempel genau bestimmt
wurden; auch durfte kein Untertan einen Stempel führen, ohne
ihn den zuständigen Beamten vorgelegt zu haben. Buddhistische und taoistische Tempel,
Klöster und Privatgelehrte durften nur hölzerne Stempel von einem Zoll Länge wie Breite be-
nutzen. Für Beamte wurden zum ersten Male dreieckige Stempel eingeführt.
Die Kin-Dynastie (1115-1234) sah sich genötigt, im Jahre 1156 zahlreiche Mißstände
abzuschaffen; die Stempel der Beamten waren ganz ungleichartig geworden, und man hatte
vielfach die Chi-tan**)-Schrift benutzt.
Aus der Zeit der Yüan (1147—1368) wird nichts Besonderes mitgeteilt, und die übliche
Schriftart wird nicht erwähnt; doch kann man annehmen, daß sie vielfach mongolisch war, wenn
auch die amtlichen Stempel bei Roland Bonaparte (Documents de l’époque mongole) chinesisch sind.
Die Ming-Dynastie (1368-1644) sah sich nämlich veranlaßt, die alten chinesischen
Zeichen amtlich wieder einzuführen. Ihre erste Verordnung über die Stempel der Kaiserin und
des Kronprinzen lautet; „Zur Schrift werde das
ChuarY-Buch***) benutzt!“ Es wurde auch ein
Amt für Stempelwesen eingerichtet, in dem zwei
der Beamten sich besonders mit der Schrift
zu beschäftigen hatten. Trotzdem wurde diese
immer ärger verschnörkelt - eine einfache ge-
rade Linie wurde bis zu neun Malen hin und
her gezogen — und breite Ränder, bei hohem
Range bis zu drei Zoll breite, umgaben die po-
sitive Inschrift.
Die Bestimmungen der Mandschu - Herr-
scher (1644—1911) stehen im Ta-h ing-hui-
tienf); ihre wichtigste Neuerung war die Ein-
führung der mandschurischen Schrift auf allen
Amtsstempeln neben der chinesischen. Größen-
maße, Material und Griffverzierungen sind für
die kaiserliche Familie, alle Stammesfürsten
und die Ämter genau angegeben. - Bei Be-
amtenstempeln gilt - wie bei Namenskarten -
der Grundsatz, daß dem höheren Range ein grö-
ßerer Umfang zugebilligt wird als dem niederen.
Innerhalb gewisser Grenzen, besonders unter
den amtlosen Gelehrten, ist dem persönlichen Ge-
*) vgl. das Werk von Chao Huan-Kuang
cfr (Wylie, Notes on Chin. Lit., S. 112).
f)
A in f &
94
ANNA BERNHARDI
schmack zwar Freiheit gelassen; aber einen Stempel von der
Größe des kaiserlichen, Abb. 15, würde niemand zu führen
wagen.*)
Fingerringe mit Namens- oder Verschlußstempel sind im
Gebrauch häufig, finden aber im Yin-tien keine Erwähnung;
möglichenfalls sind sie erst unter europäischem Einfluß, als
Nachbildung unserer Siegelringe entstanden.
Der kaiserliche Stempel, den die farbige Tafel zeigt, wurde
aus einem ungewöhnlich schönen Onyx geschnitten. Die Stem-
pelfläche ist ein Quadrat von 12,7 cm bei einer Dicke von 4,5 cm.
Die Höhe des Stempels mit dem Drachengriffe beträgt 9,5 cm,
eine jetzt verblaßte, gelbseidene Schnur ist durch den Griff
gezogen. Abb. 15 zeigt einen Abdruck seiner Inschrift: Li^-ching3-
hsien1 yü4 lan3, die mit der Inschrift 18 fast genau überein-
stimmt. Beide bedeuten: „Im Arbeitszimmer 'zur schönen Aus-
sicht’ von Mir gesehen.“
Abb. 16 stammt aus dem Palast 'Verkörperung der Ein-
tracht’ (Ti-ho-tien); der Phönixrahmen läßt vermuten, daß es
sich um den Stempel einer Kaiserin handelt. Das Material ist
das gleiche wie bei Abb. 15.
Die Nummern 17 und 19 gehörten zweifellos einer Kai-
serin, da auf ihnen der Palast 'zur helfenden Erde’ {I4-k unl-
kung1) angegeben ist. Solche Stempel liegen in allen Palast-
gebäuden bereit, dort besichtigte Werke der Malerei oder Literatur zu bezeichnen.
14. Bambusstamm; auf der Rück-
seite: Katze, die einen Vogel be-
schleicht. (1 D 27 649; 8Va cm hoch.)
*) Die amtlichen Stempel der Mandschu-Dynastie finden sich bei dem P. Pierre Hoang, Mélanges sur
l’administration, in den Variétés sinologiques Nr. 21, Shanghai 1902,
CHINESISCHE STEMPEL
95
DieAbb. 17, 18 und 19, deren Originale vermutlich ebenso groß sind wie 15 und 16, wur-
den mir von Herrn Dr. Kunike, Berlin, freundlicherweise zur Verfügung gestellt. Sie sollen
einem älteren, mir zur Zeit nicht erreichbaren Jahrgange der London Illustrated News ent-
nommen sein.
21. a-f. „Kuo1 WeP-chi1 yin*“ Kuo Wei-chi’s Stempel. Bei c ist das Wort yin weg-
gelassen. In der Sammlung Sung1 yün1 hing2 yin1 kuan1 Yin4 pu3*) (ID 33718; 2 Hefte) findet
sich dieser Stempel in 24 verschiedenen Ausführungen, daneben noch eine Anzahl von solchen,
bei denen der Familienname Kuo weggelassen ist. Die Sammlung enthält 278 Abdrucke von
Stempeln, die Kuo zum eigenen Gebrauch geschnitten hatte; leider ist sie ohne Zeitangabe.
Aus dieser Sammlung sind auch die Nummern 67,
90 und 91 entnommen.
Baessler-Archiv VI, 3.
13
96
ANNA BERNHARDl
22. tan4 yüeh4 s/zu1 hsing1
„Bleicher Mond — vereinzelte Sterne ..
Die Worte können einem Gedicht entnom-
men sein; es ist aber auch möglich, daß es sich
nur um ein Stimmungsbild handelt.
23. c/zcön2 pön3 pzi4 i1
„Ich trug ursprünglich baumwollene Kleidung“
- d. h. ich bin geringer Herkunft.
Ausspruch des Chul-ko2 Liang4**) in einer
Eingabe an den Thron. Chu-ko Liang lebte 181
—234; es handelt sich also nicht um Baumwolle
in unserm Sinne, sondern um ein einfaches Hanf-
gewebe, wie es für Trauerkleidung noch heut ge-
bräuchlich ist.
24. shu1 hua4 ctian1
„Unter Büchern und Bildern in Beschaulich-
keit.“ (Dhyana.)
25. pön8 hu2 fien1 hsing1
„Es wurzelt in der angeborenen Natur.“
Anspielung auf die Stelle im Li-ki (Couvreur
II. S. 52).
(I D 27671.)
26. /zu4 föng1
„Schutz-Stempel“ für den Briefverschluß.
Dieselben Zeichen, b ein wenig, c stark ver-
schnörkelt.
27. /an4 yüeh4
„Bleicher Mond ...“ Vgl. Fig. 22.
(I D 27663.)
28. tu2 s/zu1 /sin4 /o4
„Das Studium der Klassiker ist die größte
Freude.“
(I D 27 657.)
29. hsiu1 s/zzm4 pzen4 chia1
„Das Ausüben der Tugend ist die höchste
Schönheit.“
(I D 27 655.)
*) Die Abdrucke Nr. 22-24, 26, 35-37, 41, 43, 47, 49, 51, 53, 54, 56-58 stammen aus der schönen Stempel-
., Sammlung des Herrn W. Jessel, Hamburg-Altona.
' Jj'* Vgl. Gües, Biogr. Dict. Nr. 459.
k it
fö
*ol
Lf
vji
32. tao4 tö2 zuez2 s/zzTz1
„Tao und Tö sind meine Lehrmeister“ —
nämlich, wie sie im Tao-tö-ching, dem philoso-
phischen Buche des Lao-tze, als Hauptprinzipien
dargestellt sind. Zu Tao und Tö vgl. die Zusam-
menfassung im „Universismus“ bei J. J. M. de Groot,
Religion in China, 1912.
S. 6. „Universism is Taoism. Indeed, its starting-
point is the Tao, which means the Road or Way,
that is to say, the Road or Way in which the
Universe moves, its methods and its processes,
its conduct and operation, the complex of pheno-
mena regularly recurring in it, in short, the Order
of the World, Nature, or Natural Order.“
S. 80. „It is the Tao or Way of Man, which
consists of man’s virtues or qualities (tö) and the
method of acquiring these spontaneously.“
(I D 27659.)
33. wu2 wei2 chih1 fszz5
„Ich kenne nur Genügsamkeit.“
Anspielung auf Lao-tzi, § 46. (Deutsch v. R. Wil-
helm, Laotse, Jena bei Diederichs 1911, S. 51.)
Die Nachbildung einer chinesischen Münze,
die in der Mitte durchlocht ist. Das Loch gleicht
dem Schriftzeichen für feozz3 (Mund) und wird
zur Vervollständigung bei jedem der vier Zeichen
gebraucht.
(ID 27660.)
34. yzz4 ts'ön2
„Edelstein-Bergspitze“, ein Wahlname.
(1 D 27 670.)
. Lunyü, 7. Buch, 2. Kap. und Legge, Confucian Analects, S. 59
98
ANNA BERNHARDI
36. ta4 chi2 hsiang2
„Großes Glücks-Vorzeichen.“
Zwei verschiedene Schreibungen, bei denen
der linke Bestandteil (Rad, 113) des letzten Zei-
chens ausgelassen ist.
36.
37. /o4 shanx
„An den Bergen Freude haben.“
Konfuzius sagt*): Der Weise erfreut sich am
Wasser, der Tugendhafte an den Bergen; (denn)
der Weise ist tätig, der Tugendhafte ruhig.
38. Shui* hsia2
„Wasser und purpurne Abendwolken.“
(I D 27650; Abb. 4.)
39. Chaox Pao-shön1 ym4
„Chao Pao-shön’s Stempel.'
(I D 27 651; Abb. 5.)
Tung3 karr cmh gm
„Tung kan’s Stempel.'
(1 D 27653; Abb. 7.)
41. a: jön~ shoux „Tugend — langes Leben.“
b: jön2 chö3shou4: „der Tugendhafte lebt lange.“
b ist ein Ausspruch des Konfuzius*), a weist
nur darauf hin.
42. a und b: i5 jön2 tsun2 hsin1
„Halte Menschlichkeit im Herzen.“
So auch Legge, Mencius, S. 209, die Mandschu-
Übersetzung und die Sung-Kommentare. Die Ja-
paner dagegen übersetzen grammatisch genau:
„Durch Menschlichkeit bewahre das Herz.“ Der
Han-Kommentar im ShiJP-san'-ching'-chu^-su}
*) Vgl. Lunyü, 6. Buch, 21. Kap. und Legge, Confucian Analects, S. 56.
xt
£
M ^
44.
.^17 '
^ *'-
46.
Y& 4Ji
45. ju- z4
„Nach Wunsch!“
Unter Ju-z versteht man eine Art von Szepter,
das noch jetzt vielfach als Glückwunsch in mehr
oder minder kostbarer Ausführung verschenkt
wird. Im Lang^-huarP-chP (Korallenring-Sagen)
wird erzählt, das Ju-i sei das Geschenk eines
Genius, und man brauche es nur nach allen
Himmelsrichtungen zu drehen, um einem gleich-
zeitig gedachten Wunsche Erfüllung zu verschaf-
fen. — Die beide Worte einfassende Zeichnung
stellt ein Bananenblatt vor.
(I D 707, 58.)
46. ctii4 haP sarP jön2
„Im Meer der Luft umhertreibende Menschen.“
'Meer der Luft’ ist ein taoistischer Ausdruck.
(I D 27666.)
47.
47. shön1 hsien1 tsao4, /zzza4
„Verwandlung der Genien.“
*) Vgl. Lunyü, 6. Buch, 21. Kap, und Legge, Confucian Analects, S. 56.
100
ANNA BERNHARDI
48. chi2 shihA yu3 hsiang3
„Glückliche Angelegenheiten haben ihre Vor-
zeichen.“
(1 D 707 ; 47.)
49. wo3 ssa1 ku ’ fön2
„Ich gedenke der weisen Menschen des Alter-
tums.“
50. Yao2-yüan2 chih1 ym4
„Yao-yüan’s Stempel.“
(1 D 707; 14.)
51. chcön2 ym4 Chü-hsien2
„Stempel des Untertanen Chu2-hsien.“
'chcön’ ist eine bescheidene Selbstbezeich-
nung, wie bei uns 'gehorsamsf und 'ergebenst’.
(Vgl. Abb. 23.)
55.
^5
52. löng3 yen2
„Mit kühlem Blick“ - wunschlos.
(1 D 27661.)
53. yu4 i1
„In baumwollener Kleidung.“ (Vgl. Abb. 23.)
54. tao4 ¿ö2 wön2 chang1
„Tao und Tö und literarischer Glanz.“
Im Innern Tao und Tö (vgl. Nr. 32), nach
außen literarischer Glanz sind das Ideal.
55. tien1 chi3 mu2 ch u* pu1 föng1 liu2
„Das bewegende Prinzip in der Natur ist nir-
gend ohne Auswirkung.“
Zu fzen c/zz vgl. Chuang-tsï, Abschnitt „Herbst-
gewässer“. Übersetzt bei R. Wilhelm (Dschuang
Dsï, Jena 1912) S. 130 durch „natürliches Trieb-
werk“, bei L. Wieger (Les pères du
m système Taoiste, 1913) S. 343 durch
-r. „ressorts célestes“.
— (I D 27665.)
CHINESISCHE STEMPEL
56 d.
s "v
56. a: z1 pierf ping1 hsin1
„Ein Herz wie Eis“ — d. i. kristallklar,
b und c: dasselbe in verschiedenen Schrei-
bungen.
d; z1 pien1 ping1 hsin1 tsai4 yü4 hu2
„Ein eisklares Herz im Nephritgefäß.“
Aus einem Gedicht von Wang Chcang-Iing
(Giles, Biogr. Dich Nr. 2138), worin es heißt: „Wenn
du nach Loyang kommst und die Freunde nach
mir fragen, so sage nur: ein Eisherz im Nephrit-
gefäß.“ (Unverändert, der Alte geblieben.)
57. fung2 hsin1 chih1 yen2
„Eines mitfühlenden Herzens Rede —
Abkürzung des Satzes „Eines mitfühlenden
Herzens Rede duftet wie Orchis“, der in den Er-
klärungen des Konfuzius zum I-king*) vorkommt.
(Vgl. die Ausgabe des I-king von 1790 in zwei
Heften. Der 3. und der 4. Teil bestehen aus den
Erklärungen des Konfuzius; der angeführte Satz
steht auf Blatt 9, oben, des 3. Teiles.)
rffc'RUlS.
102
ANNA BERNHARDl
63. hsiang2 wei2 z1 /ön2 s/zozz4
„Das glückliche Vorzeichen bedeutet dem Men-
schen langes Leben“,
sein Glanz erhellt das Licht der neun Himmel.
Aus dem Gedicht „beim Anblick des Lebens-
sternes“ (shou-hsing), von Lu2 VFzz4 aus Farf-gang*
(Tang-Dynastie).
64. c/zz4 föng2 Yao1 S/zzzzz4 chün\
güarY shangA wan4 nien- s/zozz4
„Nun habe ich einen Fürsten wie
Yao und Shun getroffen und wün-
sche ihm ein zehntausend Jahre
langes Leben.“
(Vgl. Giles, Biogr. Dict. Nr. 2426 Yao und
1741 Shun.) Der Anfang ist eine Anspielung auf
Möng-tsi V, 1, Kap. VII, 4. - Der Verfasser, Hsieh1
HsiaoM'ung1 soll der Tangzeit angehören, doch
fand sich dieser Name nicht in den Gedichten
der Tang.
-T ß, feL
jsfc
% M 4j-
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65. ging* shou4 /zszn^ c/zlz2 lang3 lang3
foiz3 c/zz2 /zao1 hsien4
„Es glänzt der 'Stern des langen Lebens’ so
hell! Die 'Kelle’ hängt hoch!“
Die Kelle oder das Scheffelmaß (mit langem
Stil) ist die chinesische Bezeichnung für das Stern-
bild des Großen Bären. Über den Verfasser C/z on2
Chih^-chei1 wie bei Nr. 64.
66.pzn#2 chöng1 c/zz/z4 /saz4 tsang1 c/zozz1
„Während des ganzen Lebens sehnte ich mich
nach Tsang-chou.“
(Eine von den Inseln der Unsterblichen.)
Die Stempel Nr. 66, 68, 69, 72—78 stammen aus dem Fei-
hung-t'ang Yin-pu des tisiu Föng (Vorrede dat. 1755), Eigen-
tum der Kgl. Bibliothek zu Berlin.
r—I— viI_l~r--'
70. yü4 chien4 nan2 s/mn1 s/mu4
mien2 mien2 föng4 wan4 nien1
„Ich möchte dir das lange Leben des Süd-
berges darbringen, ununterbrochen sollst du
zehntausend Jahre lang geehrt werden.“
Mm shan chih shou vgl. Legge, Shi-king,
II, S. 257. WTm nien vgl. Legge, Shi-king, I, S.224.
*) Vgl. Lunyü, 13. Buch, 23. Kap. und Legge, Confucian Analects, S. 137.
Baessler-Archiv VI, 3.
ANNA BERNHARDI
104
71.
it à #
t% & ¿ÈL
cHüari2 shöng1 ch iung2 /iz4 ctiui1 szz4 c/zcizl
s/zazi1 5/zz/z4 yao2 lirr hsien* shou4 y^z1
„Das Geräusch der Quelle, das von fern
hereindringt, tönt wie Flötenmelodie,
die Linien des Gebirges nähern sich von
weitem, als ob sie mit dem Becher zum
Wohle grüßten.“
Verfasser Tsön2 Hsi1 (Tangzeit).
72, yüe/z4 ging ' cfröri2 ch öri2 /iz4 chius pez1
„Der Schatten des Mondes taucht in den Wein-
becher.“
73. cfrao1 jan2 huai2 shih4 chih1 chih4
„Sich erhebend, einem überweltlichen Streben
sich hingeben.“
Hsie An (Giles, Biogr. Dich Nr. 723) war mit
dem Schreibkünstler Wang Chi-dji (Giles, Nr. 2174)
zusammen im Kloster Paoi-ning2 auf dem Halb-
berge und sagte dort: „Wie erhebend! Hier er-
langt man ein überweltliches Streben!“
74. kcous yungä hsin1 tsuri1
„Der Mund zum Aufsagen, das Herz zum Be-
wahren“ (der klassischen Texte).
Die Zeichen sind aus Perlengehängen gebildet,
und die Schrift heißt danach in Japan yö-raku
ten (vgl. Gring, Eclectic Japanese-Chinese dictio-
nary, Einleitung), im Chinesischen „Perlen-Chuan-
Schrift“.
75. hsiiF föngr
„Schöner Gipfel.“
Wahlname (Mao) des Herausgebers der
Sammlung Fei-hung-fang Yin-pu.
2L
5®
81.
$ tfdtf
79. i1 ctiiu il ho4
„Ein Berg — ein Tal“ (eigentlich „Flußbett“),
„ln der Regierungskunst ist jener mir über-
legen; aber in einem Tale, auf einem Berge zu
leben, verstehe ich besser“, sagte Hsieh4-kun4, als
er sich mit Shu Liang vergleichen sollte. (Tsin-shu,
lieh-chuan, Hsieh-kun; ID 32112, Heft 11, S. 69 b).
80. /zo2 pz4 fung2
„Wie sollte man sich gemein machen müssen.1
zius, Abb. 68.
81. fsuz4 yüß/z4 cftuang1
„Trunken am Mondfenster.“
Die Abb. 79, 80-89, 92 und 93 stammen aus der Sammlung Cliun-
yün-tang Yin-shih, dat. 1749. (Eigentum der Kgl. Bibi, zu Berlin).
106
ANNA BERNHARDI
82. sszz4 hai3 chih1 ming2 i1 pzz4 il
„Die vier Meere kennen den Ruhm eines ein-
fachen Mannes.“
Der Satz, kann sich auf Chuang-tsi beziehen,
von dem gesagt wird, daß er in grobes Hanfleinen
gekleidet war. Vgl. Chuang-tsi Kap. 20, Ausg.
Wieger S. 374, Abs. F.
85.
*
4M
87 a.
ITO
m 1
i
87 b.
83. ctiang4 hsüeh3 chai1
„Studierzimmer zum anmutigen Schnee.“
84. chöng4 chi2 i2 pu1 mou2 chi2 liA
ming2 chi2 fao4 pu1 chi4 chci2 kung1
„Die Gerechtigkeit festigen und nicht den Vor-
teil suchen; die Lebensrichtung kennen und
nicht das Verdienst berechnen.“
Ausspruch des Tung Chung-shu*) (Giles,
Biogr. Dich, Nr. 2092); vgl. Erh4 shih2 ssz? shih3
zzzez4 Teil 25**), Han-Shu 13.***)
(Vier verschiedene Formen von chi2, zwei
von pu1.)
85. yün2 shan1 /ao3 s/zzz4 i1 ch uang3 s/zzz1
„Ein umwölkter Berg, ein alter Baum und ein
Gestell mit Büchern“ (sind meine Freude).
86. kan1 k’un1 /sao3 lu2
„(Zwischen) Himmel und Erde (eine) gras-
gedeckte Hütte.“
Gemeint ist die Hütte des Chu-ko Liang (vgl.
Abb. 23), die er bewohnte, ehe er Minister wurde.
87 a und b. szzny1 hsüeh3 fang2 tu2 shux< chi4
„Bücher- und Bilderzeichen aus der Halle zum
Schnee auf den Föhren.“
88. f ao2 föngx fung2 yüeh4 chiao1 yzz3 zzzez2 hsüeh3
„Wind in den Pfirsichen, Mond über den Tung-
bäumen, Regen auf den Bananen, Schnee auf
den Pflaumenbäumen.“
CHINESISCHE STEMPEL
107
яЛ
Л.
89.
89. z1 ming- ching1 fön2
„Mit einem Rufe die Menschheit in Er-
staunen versetzen“, d. h. etwas Unge-
wöhnliches leisten.
Vgl. Chavannes, les mémoires histo-
riques de Se-ma Tsien. Bd. 4, S. 350.
Als der König Chuang1 von Ch'u3 zur Regie-
rung kam (613 v. Chr.) gab er sich nur Vergnü-
gungen hin und bedrohte jeden, der ihn tadeln
würde, mit dem Tode. Nach drei Jahren wagte es
Jemand, ihm folgendes Rätsel aufzugeben: „Ich weiß
einen Vogel, der drei Jahre hindurch nicht flog und
nicht sang —was für ein Vogel ist das?“ Der König
antwortete: „Flog er drei Jahre nicht, so wird er -
wenn er sich erhebt - bis zum Himmel fliegen ; sang
^ •£ er drei Jahre nicht, so wird er —
wenn er singt - mit einem Rufe die
Menschheit in Erstaunen setzen.“
t*-
à
T
90.
&
90. hung2 hua2 pai2 yün2 ch ing1 shan1 /ü4 s/zgz3
„Rote Blumen, weiße Wolken, blaue Berge
grünes Wasser.“
91. pu1 s/zz7z4 hsien2 fön2
„Ich bin kein Müßiggänger.“
92. fu2 shoW1 hang1 ning2 yu1 hao3 fö2
„Ein gutes Auskommen, langes Leben, Ge-
sundheit und Liebe zur Tugend!“
Aus dem „Großen Plane“ im Shuking, vgl.
Legge, Chinese Classics, Bd. III, S. 343.
93. sg4 c/zz/z4 Lsg/4 fön2 zugz4
ching1 /zs/п1 yu2 um* chh1
„Von früher her war mein Ziel außerhalb der
Menschenwelt, und mit reinem Sinne wanderte
ich im Ursprung der Dinge.“
Vers von Lu Yu (Giles, Biogr.Dict. Nr. 1439). -
Su ist der buddhistische Ausdruck für „angeboren“,
aus einem früheren Leben herrührend. Zu „wan-
dern im Ursprung der Dinge“ vgl.Chuang-tsi, Kap.21;
zu „außerhalb der Menschenwelt“ Sung-shu, Kap.
110, Biogr. von K'ung3 Shun2-chi\
A
94, ful fien1 fz4 chö3 warf wvf chih1 nf Iw’
(Bei Li Tai-po folgt ein den Satz abschlie-
ßendes „geh*11, das auf dem Stempel fort-
gelassen ist.)
„Himmel und Erde sind aller Dinge Gast-
haus“,
95. kuang1 girf chö* po2 faz4 c/zz1 kuo4 fe o4
(„ye/z3“ wie oben)
„Sonne und Mond sind durch alle Menschen-
alter schreitender Wanderer“,
*) Ein Vorwort Li 7 ai-po s*) (Giles, Biogr. Dict., Nr. 1181) zu den bei dieser Gelegenheit von allen An-
wesenden geschriebenen Gedichten. In Li’s gesammelten Werken, Ausgabe von Wang Tchi-tsai**), 1759, steht
nicht „Obstgarten“ (= Pfirsich und Pflaumen), sondern „Pfirsichblütengarten“; Heft 27, Blatt 25 des Neudrucks
von 1908. — Eine berühmte Darstellung dieses Gartenfestes, gemalt von Ch'iu2Ying1***) (Ming-Dynastie) befindet
sich in Kyoto, im Tempel Chion-In. Vgl. die Wiedergabe bei Tajima, Selected relies of Japanese art, Heft II,
Nr. XXXVII b. Die 22 Stempel, in welche das Vorwort Li Tai-po’s zerlegt ist, finden sich in der Sammlung „Yün2 /m2
hsiao^chu* Yin-pu“ f) (Stempel-Album aus dem kleinen Heim, über dem die Wolke verweilt) des Hs ü2 Kuo8-ch'üan2.ff)
Die Vorrede, datiert von 1808, bezeichnet den Sammler und Stempelschneider als einen noch lebenden Freund.
t) r^P
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CHINESISCHE STEMPEL
109
Traum —
(das wie Entengrün obenauf schwimmende,
nicht festgewurzelte Leben.)
97. weP huarP chi3 ho2
„Wie lange kann man sich an allem er-
freuen?“
99. yu* Hang2 P geh?
„hat seinen guten Grund“;
(weil der Lebenstag zu kurz ist.)
98. kiP jön2 ping2 chu1 yefp yuA
„Daß die Alten, Fackeln tragend, durch die
Nacht wandelten“,
100. huang3 yang2 ctiun1 chao1 wo* P yen{
ching3
„um wieviel mehr ladet mich der sonnige
Lenz mit schönem Anblick“,
no
ANNA BERNHARDI
101 .ta4 kuaP chicP wos P wörP changé
„[und] das All gibt mir Stoff zu Dich-
tungen“.
Zu ta ttuai vgl. Chuang-tsï Kap. 6. Bei
R. Wilhelm, Dschuang Dsi, S. 48 „das große
All“; bei Wieger, Taôisme II, S. 253 „la nature,
la grande masse, le tout.“
102. hup t ao1 IP chih1 fang1 yüan2
„Wir sind in dem duftenden Obstgarten
beisammen“,
103. /zsn4 fien1 tan2 chih1 /o4 shih4
„und besprechen frohe Angelegenheiten
unseres Familienkreises,“
Die Beziehungen der Brüder (und Vettern)
untereinander sind fien1 tan2 = himmlische Be-
ziehungen. (Biographie des Kao-yang.)
104. c/z'iin2 chP chün4 hsiiP
„Ihr alle seid begabt“,
105. chieh1 we'P huP-lien2
„alle gleicht ihr dem Hui-lien“;
(Hsieh* HuP-Uen2*), ein literarisches Wun-
derkind des 5. Jahrhunderts.)
CHINESISCHE STEMPEL
111
vt
109.
uu
£ ^
SÄ
i WJ
110.
106. wu2 fön2 yung4 ko1
„als wir [alle] dichteten“,
108. yiz1 shang3 zz;ez4 z3
„Als unsre freudige Betrachtung [der Na-
tur] noch nicht zu Ende war“,
107. tu2 fs ön3 tiang'-lo*
„schämte ich allein mich wie Kcang-lo.“
(Ms sein zehnjähriger Neffe Hui-lien ein
Gedicht vollendete, dessen Beendigung ihm
selbst nicht geglückt war.)
K ang'-lo4*) ist ein Beiname des Hsieh
Ling-yün, vgl. Giles, Biogr. Dict. Nr. 739.
109. kaox tan1 chuarf ch'ing1
„gingen wir auf Gespräche über Erhabe-
nes, abwechselnd mit Heiterem, ein.“
110. Kai1 ctiiung2 gen2 z3 fso4 hua2
„Götterspeisen ließen wir auftragen und
saßen auf Blumen“,
■’ m $ %
Baessler-Archiv VI, 3. 15
ANNA BERNHARD!
112
111 .fei2 yü3 shang1 örh2 tsuiA yüeh1 114./1/ s/zzTz pzz ch öng
„mit Federn belegte Becher ließen wir flie- „Wessen Gedicht nicht vollendet“,
gen und waren im Mondenschein trunken.
112. pu1 yu3 chia1 tso4**)
„Wenn wir nicht etwas Formschönes dich-
teten
115./a2 z1 chin1 ku3 chiu3 s/zu4
„der werde mit der Becherzahl des Gold-
nen Tales111 *) bestraft!“
113. ho'2 shön1 yo3 huai1
„wie sollten wir unsere Gefühle aus-
drücken?“
*) Name eines Sommerhauses, erbaut von Shih Ch’ung (Qiles, Biogr.Dict., Nr. 1709). Wer
bei Gartenfesten gegen die aufgestellten Regeln verstieß, mußte drei Humpen leeren. Ein
Gemälde des „Goldnen Tales“ von Ch'iu2 Ying befindet sich als Gegenstück zu dem „Obstgarten“ in Kyoto.
Vgl. die Wiedergabe bei Tajima, Heft II, Nr. XXXV11 a.
**) Die erwähnte Ausgabe von Li T‘ai-po hat nicht tso sondern yungsingen.
CHINESISCHE STEMPEL
113
Bei der Feststellung von Aussprüchen, die wenig bekannten Werken entnommen sind,
hat mir Herr Kim, dem ich hiermit verbindlich danke, in freundlichster Weise geholfen. Leider
waren einige Sätze weder ihm bekannt, noch durch Schlagworte im P'ei-wön-yün-fu festzu-
stellen. Bei solchen, aus dem Zusammenhänge gerissenen Sätzen wird die Übertragung immer
zweifelhaft bleiben, da ihr wirklicher Sinn nur aus dem Ganzen sicher erkannt werden kann.
Die vorliegende Arbeit ließe sich in einer für die Kenntnisse des chinesischen Geschmacks
wertvollen Weise weiter ausbauen, wenn es möglich wäre, die verschiedenen Schriftarten aus
der chinesischen Literatur zu bestimmen und Stempel, als Muster dafür, zusammenzustellen.
Wie Abb.74, so sind sicher auch 67, 76, 78 überlieferte und benannte Schreibweisen. Pfiz-
maier, „Zur Geschichte der Erfindung und des Gebrauches der chinesischen Schriftgattungen“
(Sitzungsber. d. Kais. Ak. d. Wiss, Wien 1872), gibt zwar eine große Anzahl von übersetzten
Namen übermittelt aber leider nicht die Anschauung irgendeiner der genannten Schriftarten.
Faulmann, 111. Geschichte der Schrift, Wien 1880, bringt einige der Pfizmaierschen Muster,
aber leider in unbefriedigender Nachzeichnung. ...
Außer Getty (S. 90, Anm. 1) und Hoang (S. 94, Anm.) hat sich noch Parker mit chine-
sischen Stempeln beschäftigt; die China Review bringt in Bd. XI, S. 132 „The Seals of Ihe
Board of War“ und in Bd. XIV, S. 218 „Imperial Seals“, es handelt sich aber nur um amtliche
Stempel. Einige allgemeine Bemerkungen macht H. Spörry auf S. 62/63 seiner Schrift „Das
Stempelwesen in Japan“ (Zürich 1901).
116. Sechs aus Bronze gegossene, ineinander geschachtelte Stempel: der kleine Würfel enthält sechs
jeder andere fünf Stempelflächen mit verschiedenen Aufschriften. (I D 24953; 3V2 cm hoch.)
15*
BEMERKUNGEN ZUR TÜRKISCHEN FALKNEREI.
(NACHTRAG).
VON
A. v. LE COQ.
Bei Gelegenheit der Vierten preußischen Turfan-Expedition 1913-14 bot sich uns
Gelegenheit, an den schon auf den ersten Reisen besuchten Orten Aufzeichnungen zu machen
und Photographien aufzunehmen, die zu den früher hier erschienenen Bemerkungen über tür-
kische Falknerei (Bd. IV, Heft 1, 1913; Zitate unter „B“) einige Ergänzungen bieten.
Auf dieser Reise brachten wir Sommer und Herbst des Jahres 1913 in der Umgegend von
Kutscha zu, wo wir längere Zeit in den nahe den Vorbergen des Thienschan gelegenen Orten
Qyzil, Qum-Turä, Sü basi Längär und Ktris wohnten; in den Monaten Dezember 1913 und
Januar 1914 wurde in Tumschuq bei Maralbaschl gearbeitet. Da gerade im Herbst manche
Arten der Baizvögel gefangen werden (cf. B., S. 10), sind uns die auf der vorherigen Reise
bei unserem Besuch im Frühjahr unbekannt gebliebenen
Vögel puyjxi, turumtai und italji nunmehr zu Gesicht ge-
kommen.
Italj'i, itälgü LkJLol) — cf. B., S. 9, Nr. 3.
Dieser Vogel wird in Kutscha meist sän-sän (schreibe: ¿U*u
chin.?)1) genannt.
Es ist ein schöner Vogel von der Größe eines starken
Habichts; das Gefieder ist braunweiß; die Wachshaut am
Schnabel und an den Ständern ist bläulich, das Auge
dunkel. Das abgebildete Exemplar wurde im November
1913 in Qum-Turä als gezähmter Vogel für 3 sär (etwa
10 Mark) erworben. Es ist, wie wir angenommen hatten,
der Saker- oder Würgfalke (Falco cherrug). Die ornitho-
logische Feststellung dieses Vogels und des Turumtai rührt
von Herrn Geheimrat Reichenow her, dem ich hier für
seine freundliche Bemühung meinen ergebensten Dank aus-
spreche. Die im Westen wohnenden Türken nennen den
Würgfalken baläbän.
Puxui (PiTu) (^■^i - cf. B., S. 9, Nr. 4. Ein
den Sperbern zuzuzählender Vogel; ist schlanker als sein
Artgenosse q'iryui, der gemeine Sperber. Das Gefieder ist
1) Dr. Ross, in A polyglot List ofWords, Memoirs As. Soc. Beng., 1909, S. 274, schreibt ¿ULw und
zitiert Oberst Phillott, nach dem eine wohl noch unbeschriebene Art Saker von den Falknern von Pindi Gheb
(Nordindien) sang sang genannt würde.
Italyi.
A. v. LE COQ; BEMERKUNGEN ZUR TÜRKISCHEN FALKNEREI (NACHTRAG)
115
Turumtai.
Turumtai
- cf. B., S. 10, Nr. 5.
Die Aufnahme wurde am
5. Dezember 1913 in Ma-
ralbaschi gemacht. Es ist
der Merlin genannte Falke
(Cerchneis merilla). Wir
haben zwei dieser Vögel
erworben (sie kosten nur
wenige tängä), nämlich
den dargestellten, der
Pu/ui (Piyu).
ein ausgewachsenes Exemplar war, und einen jungen Vogel im braunen Jugendgefieder.
Die Iris ist dunkel, die Fänge sind gelb. Die Färbung des erwachsenen Vogels ist ein
schönes Stahlblau mit dunkeln Schwingen.
Die Schwanzfedern sind dunkelfarbig und weiß. Der junge Vogel wurde leider von nachts
eingedrungenen wildernden Katzen gefressen; der im selben Zimmer befindliche Würgfalke,
obwohl ebenfalls gefesselt, wurde von den beiden Räubern, sehr starken Katern, nicht an-
gegriffen.
Unser Merlin war ein scheuer Vogel und zeigte nicht soviel Anhänglichkeit an seinen
Herrn wie der Würgfalke, der ihn stets durch Flügelschlagen, Geschrei und sehr feierliches
Kopfverdrehen zu begrüßen pflegte.
Wir glauben, daß der Merlin in den öden durch Wassermangel fast unzugänglichen Vor-
bergen des Thienschan brütet.
bräunlich, auf der Brust
mit Weiß gemischt; die
Ständer sind schwefel-
gelb, die Iris ist hellblau.
Wir möchten ihn, nach
den am angeführten Ort
erwähnten Angaben aus
Wörterbüchern, für den
von den Indern sikra ge-
nannten Sperber halten.
Tiqun, tairun - zu B., S. 11, Anh. Dieses Wort ist wahrscheinlich unrichtig vokalisiert
für fuirun i^j?**-* , ^st’ w*e w*r bestätigt fanden, der Name des weißen Habichts
der in Ostturkistan zuweilen vorkommt und sehr geschätzt wird.
’Isä Chan aus Täschkänd, der aqsaqaV) der türkischen Kaufleute aus Russisch-Turkistan
in Kutscha, hielt einen tuifun auf seinem Landgut in Schäh-Yär (südl von Kutscha)
Die kleinsten Vögel, die in Ostturkistan zur Baizjagd abgerichtet werden, sind'mehrere
Arten Würger (Lamus), von denen w.r den ro.köpfigen Würger in Qyzil öfter zum Fang von
Sperlingen u. dgl. angetroffen haben. Nur ganz junge Burschen halten diese Vögel.
Die Würger heißen auf Türki röraläi (sie o-ehnrpn ^ ,. ,
. , . sie g^oren zu den gewöhnlichsten Vögeln
in den Oasen. s
1) aqsaqal. Titel der von den russischen und englischen Generalkonsuln in Käschgar ernannten Vorsteher
der in den Städten Ostturkistans ansässigen eingeborenen Kaufleute aus den anliegenden russischen und engli-
schen Besitzungen.
116
A. v. LE COQ
In AqsG und Maralbaschl benutzt man Falkenhauben {tomujä xiyy , Uyy), die in der
Form von den in Kutscha und Turfan üblichen etwas abweichen. Sie kommen in drei Größen
vor, nämlich 1) für Adler, 2) für Habichte und Würgfalken, 3) für Sperber, Puchui und Merlin.
Die in Fig. 1 dargestellte Haube ist aus Maralbaschl und für einen Adler bestimmt.
Fig. 2 ist die Wiedergabe einer Adlerhaube aus Käschgar; hier werden diese Hauben mit
dem Worte döp (aus dem Hindustani?) bezeichnet. Sie sind meist aus derbem, rotem
Leder hergestellt.
Fig. 3. Fußfessel (bäj, £b) für Habichte usw.; aus weißem, zähem Leder; das untere Ende
wird an den uzun bdj oder tasma genannten Riemen angeknotet. Ähnliche, größere oder
kleinere Fesseln werden für Adler und für die schwächeren Vögel verwendet.
Fig. 4 a und 4 b stellen Fesseln {bäj) aus weichem, braunem Leder (für Adler) dar. Fig. 4 a
zeigt die Fessel geöffnet, um sie über den Fang bringen zu können, in Fig. 4 b ist sie ge-
schlossen.
Fig. 5. Zwei Messingglöckchen (qofigruruq ^jyyX¿y) für Habichte. Kutscha.
Fig. 6. Klapperholz (saldirlaruc ^y^yjJLcö) für Habichte; sie werden dem Vogel um
den Hals gehängt und fallen auf die Brust herab. Tumschuq bei Maralbaschl.
BEMERKUNGEN ZUR TÜRKISCHEN FALKNEREI (NACHTRAG)
117
Eine Falkenschürze, um die Kleider gegen die Exkremente der Faustvögel zu schützen,
wird nicht getragen. Statt dessen zieht man große weite Reitbeinkleider (ohne die sonst üb-
liche reiche Seidenstickerei) an; sie reichen bis zum Gurt und nehmen die Schöße des Rockes
auf. Sie heißen sim oder isim und werden von gelbbraunem, weichem Leder an-
gefertigt.
Die Art, wie Habichte und Sperber in Ostturkistan mittels eines Netzes gefangen werden,
entspricht der Beschreibung, die Oberst Phillott im Bäz-näma-yi Näsiri von diesem Vorgang
gibt-; wir verweisen daher auf dieses Buch, S. 19, Note. Bei den Türken heißt das Netz tör
(¿jj); das Exemplar unserer Sammlung stammt aus Bügür.
Zum Schluß noch einige Ausdrücke türkischer Falkner; das Gewölle der Raubvögel heißt
öxsüq ein einjähriger Beizvogel böz ein zweijährigei tüläk
EINE LISTE OSTTÜRKISCHER PFLANZENNAMEN.
VON
A. v. LE COQ.
Unsere Kenntnis der osttürkischen Pflanzennamen ist gering. Bisher war die in R.B.Shaw’s
verdienstvollem Vocabulary enthaltene, von Herrn Scully herausgegebene Liste Turki Nantes
of Plants1) das einzige vorhandene Werk. Um diese Liste zu ergänzen und zu vervollstän-
digen, haben wir auf unserer letzten Expedition nach Zentralasien (4te „Turfan-Expedition“, 1913
—1914) eine ziemlich umfangreiche Sammlung von Sämereien dort wild oder kultiviert vor-
kommender Pflanzen zusammengestellt und die eingeborenen Namen verzeichnet. Diese Samen
sind nach unserer Rückkehr von Herrn Prof. Dr. Diels-Berlin und Herrn Purpus-Darmstadt
untersucht worden, wobei, soweit möglich, die botanischen Namen festgestellt wurden.
Leider war die genauere Feststellung bei manchen Sämereien unmöglich; andere der Proben
enthielten Samen der schon von Scully verzeichneten Pflanzen. Immerhin konnte eine Anzahl
neuer Namen verzeichnet werden; auch einige offenbare Irrtümer Scullys wurden berichtigt.
Da Scully ein sehr wenig konsequentes Transkriptionssystem benutzt, das viele Wörter
bis zur Unkenntlichkeit entstellt, seine Liste aber zu wertvoll ist, um nicht einer nach Kräften
verbesserten Auflage würdig zu sein, haben wir sie als Grundlage dieser Arbeit in ihrer ur-
sprünglichen Form hier wiedergegeben. Jedes der darin vorkommenden Wörter ist hier durch
einen Stern * gekennzeichnet. Unsere eigenen Zusätze haben wir, außer den in der alphabe-
tischen Reihenfolge in arabischer Schrift abgedruckten Namen, in () gesetzt. Wo wir über
die richtige Umschreibung der von Scully aufgeführten Namen im Zweifel waren, haben wir
uns eines jeden Zusatzes enthalten.
Den oben genannten Herren Prof. Diels und Purpus sei hier unser Dank für ihre freund-
lichen Bemühungen ergebenst ausgesprochen.
Uo<
is
t5v '
// 15^’
*U;I
*L;f
acht chijghäk (aci cicpaq, cacator).
ächigh änär (ac'tf änär d. saure Granatapfel).
{äxturma, eine Art Schalotte).
ikhchi koki {ixet kokt), Brassica napus.
ädräsmän, Peganum harmala (s. gül äsmän).
ärämadän, Name eines unbest. Baumes.
{ärca, Juniperus- und Thujaarten,)
ärpa, Hordeum distichum (meist Uy geschrieben).
ärpa bädyän, Anisum sativum.
1) R. B. Shaw, A Sketch of the Turki Language, vol. II, Vocabulary, Appendix, J, Scully, late Medical
Officer, Kashgar Agency, Turki Names of Plants (J. R. A. S., Calcutta, 1880).
Baessler-Archiv VI, 3.
Lpl árpa khán arparán, arpaxán, eine wildwach-
sende Avena-Art).
ártish {artis, artús) Juniperus excelsa.
árman (wohl ärmän zu lesen, siehe ämän) Artemisia vulgaris.
ázghán (azpán), eine Rose (R. laxa?)
{azpán niñg möncärh Hagebutten.)
{ásl'iq, Getreide.)
ághácha yughuch, e. Cucurbitacee.
áptáb parast (p. äptäb päräst), d. Sonnenblume.
áq árman, '{aq ärmän?), Artemisia-Art.
áq álma, (aq álmá), Pirus malus-Art.
áq auzum, {aq üzum), Vitis vinifera-Art.
áq bádyán t. p., Coriandrum sativum.
áq básh aut {aq bas öt), Sellerie.
áq piaz t. p., {aq piäz), Art Zwiebel, Allium cepa.
áq tikán {aq tikán), Hippophaé rhamnoídes; Lycium ruthenicum
(siehe tikán).
áq jigda {aq gigdä), weiße Eleagnus-Art.
áq gut ’anbar t. p. a. {aq gül ämbär), e. Centaurea-Art.
áq chichik áut {aq ciöäk öt), Lepidium latifolium.
áq qonáq {aq qönäq), Holcus Sorghum.
áq lála p., (weiße Tulpe?).
áq lobiá (p.), Dolichos lablab.
áq laili qazáq, weißer Mohn,
áq nabát t. a., Melonenart.
ála koki {dlä kökt), ?
áltun gut t. p. {áltun gül, gelbe Calendula-Art).
álqát {álqat, e. wilde Pflaumenart).
álmurt corr. p., die Birne (cf. ámurt).
álma {álma), Pirus malus od, P. indica, der Apfel.
álo bálu p. (eine kleine saure Pflaume).
álucha p., (alüöa, e. Art Pflaume).
{ämän, für ärmän?).
{äy ämän, Lepidium).
{ser'iq ämän, Artemisia annua).
ámurt corr. p., {ámúrt), die Birne.
ánár p., {ánár), der Granatapfel.
ánjir p., (ängtr), die Feige.
<5*3)^ ándiján ánzumí (!) {andigän üzúrnl)?.
Sf ándiján gul {a. gül) = ar.
áujma (iigmä), die Maulbeere.
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äujun (ögün, ögin Asparagus officinalis).
{ürgdn, Birnenart, (Luk-cun).)
äuruk (örük), die Aprikose.
(b^jl lys gdm örük, eine blaue Pflaume.)
äurahdän (öradän), Asperugo procumbens. (Wird zum Rotfärben benutzt.)
äuzuk {üzük?) ?
äuzun turup (uzün turp), Brassica oleracea caulo-rapa
äusma (üsmä, ösmä, Isatis tinctoria, Waid).
äusun (osun?), Brassica oleracea.
äsüng, Verbena.
äughri tikän (dyri tikän), Astragalus sp. (Diebsdorn).
äulja (?), die Aprikose (nie gehört 1).
äwul munäq (?), Euphorbia lathyris.
äuidän (?), Rubia sp.
äit auzum (it üzüm, wilder Wein?).
äit khmak paliki{?)} cf. it qöyün.
äirkäk aujma {ärkäk ügmä, der männliche Maulbeerbaum).
äirkäk qomush {ärkäk qömüs), männliche Rohrpflanze.
äishäk qomush (esäk qömüs), Atriplex spec.
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{ävfä baqär, die Sonnenblume, „Mondgucker“, Qömul).
äigar p., Acorus calamus.
äinäk fashti (verlesen für JLot indk pitt = Kuhlaus, nach
Form der Samen so genannt), Samen der Rizinusstaude.1)
{dinölä, eine Art blauer Pflaume (wohl corr. compositum von p. Jf),)
{tlän qämcisi, e. Art Plantago, Schlangen-Peitsche, nach dem Fruchtstand.)
äyigh qormächi, ? (Bären-Grütze).
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bäjin chämghur {.Bd-gin (i. e. Peking) camyür, chin. Rübe?)
bajin qoghun {Bd-gin qörün), chin. Melone.
bäjin guli {Bä-gin güll), Delphinium incanum, {tört xü Bdgin güli, J
e. Caryophyllacea).
bädäm p. (bädäm), die Mandel.
bäqlä (a. b^üib), e. Bohnenart.
(für a. jviü, baqäm, Das feste, rotbraune, von den Chinesen zu Schnitze-
reien benutzte Holz, Brazil-wood).
{bälcuq, bdlacüq, e. Art Gurke.)
badingan (corr. p.), d. Eierpflanze, Solanum melongena.
(bdsäkct, berühmte Melonenart (Kucä), wohl verstümmelt aus p. bi-säk
sinn, s. u.)
1) Dieser Lesefehler ist auffallenderweise von Herrn G renard übernommen worden, s. Mission scientifique
dans la Haute Asie, Paris 1898, II, S. 178. Das Wort pît ist hier richtiger mit „Zecke“ zu übersetzen: die Samen
gleichen einer vollgesogenen Zecke auf das täuschendste.
EINE LISTE OSTTÜRKISCHER PFLANZENNAMEN
121
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{bändöz p., e. Erbsenart.)
bukhwar (a. ^=¿2), e. Crucifere.
budushqaq (budusqäq), Xanthium strumarium.
hur/sf, Eurotia ceratoides. (Die Wurzel bildet in den wüsten Gegenden
um den Qaraqoram-Paß das einzige Feuerholz. Die dortige Station
Burtsi trägt ihren [tibetischen?] Namen davon.)
bori àuzum (bòri üzüm), Colutea arborescens (Wolfstraube).
bori porchäqi {böri porcäqt), ? (Wolfserbse, -bohne).
bori samsäqi (bori samsäqi, für ^Lw ^LQ, e. Art Orobanche (Wolfs
Knoblauch).
{béri qoyuni), Capparis spinosa (vgl. 1^, Wolfsmelone).
bori yapurmäqi (böri yupurmäqi, ?).
buydai, Weizen. (— kök bas b., eine Art do. — yäzyi b., Sommerweizen.)
böghaz (böyäz, vulg. boyùz, Xè.yi), Futtergetreide.
buya {büyä), Sophora alopecuroides. — {shiq b. ^ ^ L| yicia sa-
tiva. — büyä basi, ^¿b e. Leguminose.)
baida {btda), Medicago sativa. — {yäwä b. s<Xo LL, Melilotus.)
baisai {bä-säi, chin.), Brassica rapa.
béshak shirin (bi-säk sirin, p.), Art süße Melone.
bihi (sprich beyä für p. ^g-o) die Quitte.
(siehe auch o).
pàqa putì qomush {päqä putì qömus, Froschfuß), eine Rohrart.
paqa yapurmaq (päqä yupurmäqi oder yüpurtmaqi (Kuca)
Froschblatt, Plantago major.)
pälak, Rhinacanthus communis.
(sic!) corr. p., patingan, Solanum melongena,
pupuk suporgi (pöpuk supürga), eine Arundo-Art.
porchäq {porcaq(y)), Pisum sativum, (auch Bohnenarten. — täs oorcä-r
e. Portulaca-Art). ’
piaz (piaz, pfäz, p.) Allium cepa.
sariy piaz \ /A , „ .
lan-xua piaz (ch.) |(Arten der Zw.ebel).
piäzak (p. ?).
pizak, Calamagrostis laxa.
(.läwilru, täw'üpf, vulg. tâivïlpd) Spiraea altaica.
tätligh änär, t. p. (tatl'iy änar,
tdtligh shaftul {tatl'iy säptul), ?
Pfirsich wurden uns immer
zeichnet [für p. JLüLi]).
fäj khoräz (für p. täg-i-xoros),
der süße Granatapfel).
die Nectarine (nie gehört — Nectarine und
einfach als sâptul, säptula, säptoila be-
ef. taji gul {tägi gül).
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122
A. v. LE COQ
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táji gul, p, (tagt gül), der Hahnenkamm, Celosía cristata.
tárbuz (p. tárbuz, vulg. tdwuz), Citrullus vulgaris, (yf)b l^b yáwa
. tawuz, Hibiscus trionum).
tárbuzak p., Momordica charanda.
tárghách (?).
{täriq(T), ttfiq), Panicum miliaceum.
tál {tal, eine schmalblättrige Weide).
{táwd gúlt, eine Malvenart.)
turup (o^y turp), Raphanus sativus — (y^y aq turp, der Rettich).
{täk für p. JLs, der Weinstock.)
talba (?) hmVfa (L bidd), Melilotus alba.
tamáku, {tamdqu, tamáqa), Nicotiana tabacum.
tutushqáq, Lappa major.
tukhumak, (sic!), Sophora japónica.
tozgháq {tozydq, Samenkolben der Arundinaceen).
toghách {toqúe, töjdc [eig. eine Art Brot] — ängir sdptul, ein Pfirsich-
baum, dessen Früchte die Form von Feigen haben. Man zieht ihn aus
dem Samen, ohne Veredelung).
toghraghu {töTrayd, der verdickte Saft des töyraq- Baumes. Er wird
angeblich verwendet: 1. als Mittel zum Gelbfärben; 2. als eine Art
Hefe beim Backen von Brot).
toghráq {töyraq), Populus balsamifera. (Der ungemein häufige Baum fällt
auf durch die merkwürdige Verschiedenheit seiner Blätter; nach Herrn
Purpus-Darmstadt ist es P. euphratica.)
toghráq tili (?).
töqüz xaznaq, (auch säbdär ^Aa.w), Tagetes erecta.
toklík áut {tüklük öt?).
tuga tápáni {togä tapání).
tairak (térdk), Populus alba.
tairti sugat (? sögät), Salix babylonica.
ttkán. {aq tikán, Leguminose; vielleicht eine Art Halimodendron. —
ciqirt [y.Aiyy| ttkán, vielleicht Verbena sp.)
£
{gugárt, hind.), Sorghum vulgare.
jámáqa, Potamogetón natans.
jángdu {gañgdu, chin.?), eine Art kleiner Bohnen.
janasta {gänästä), Prunus domestica. (Es sind kirschengroße, saure
Pflaumen, die in zwei Arten Vorkommen: aq gänästä, die weiße, qizil
g-, die rote.)
juwani. (Dies ist die ind. [Beng. und Hind ] Bezeichnung von Ptychotis
ajowan), Anethum Sowa.
EINE LISTE OSTTÜRKISCHER PFLANZENNAMEN
123
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(.gügäm. Name der Maulbeere in Turfan (im Westen *+^.(). aq g. die
weiße, kök pisä (La>j) g., cäiigil g. und qara g. violette Arten.
,*U>^ JUä {ärkdk samäl g.) die männliche,
{mogälük [von p. sj-^c] g.) die weibliche Blüte).
(gügülä, kleine Birnenart, die erst, wenn durch Fäulnis Süße erzeugt
worden, genossen wird (Luk-cun).)
jokhär gul. ?
jori qand (?). Eine süße [qand = Zucker] Melonenart.
(gü-säi, chin., eine Lauchart.)
jighda {,gipda), eine süße Melonenart.
(giggin, eine Hirsenart (Turfan).)
jigdä {gigdä), Eleagnus angustifolia.
£
{cäqt öt, eine große, empfindlich brennende Nesselart (Urumtschi).)
chälang, siehe chilang.
chämghur {camrur), Brassica rapa. — (as c., eine Speiserübe. — säi
c. Raphanus sativus.)
chämghur chuchuki {camrur cücüki ?)
chai koki {cäi köki?)
chaqir änjma, (sic!) (caqir iigmä)?
chilang, Brassica oleracea.
chujun aut (cügün öt?), Panicum crus-galli.
chujun tarigh {cügün tärir? vielleicht = giggin?), Panicum glaucum.
chuchuk buga {cücük büyä?), Glycyrrhiza glandulifera.
(cujunda, Lepidium sativum.)
{cügün, Setaria glauca.)
{cüliik, ein unserer Esche ähnlicher Baum (Turfan).)
chigh (cij)■ 1. Arundinella nepalensis; (2. verschiedene hartstenglige Gräser
(Aira-Arten?).
chighirtmäq {cTy'irtmaq), Iris dzungarica. {cirirtmaqning paxält [JU.U]
das als Packstroh benutzte, trockne Iris-Laub.)
{cigä. yäwä c., eine wildwachsende Pflanze (Asclepiadaceae), deren Faser
zu Bindfaden {cigä) verarbeitet wird.)
{cigit: 1. Samen der Baumwollpflanze {kiwäz f. käpäz ^). 2 die Ma
scbine [eine Art Mangel] zum Trennen der Samen von der Baumwolle
[Turfan]. Im Westen heißt diese Maschine cuirüq(r), ^ ^). [Die
Kapsel heißt sanä jüU; die trockne Staude täpcä, die Baum-
wolle paxta, UäU].
chilan {crlän, p.), Zizyphus vulgaris. (Z. lotus).
{cilgä. älä c., eine Melonenart, s. chilki.)
chilkä zarddk {cilgä zardäk) ? . -
chilki {cilgä), eine süße Melonenart.
chinär p, Platanus orientalis, (Im Osten ein unbekannter Baum).
chint gul, p. {ctnl yül). Die Aster (siehe ¿Hai gül).
124
A. v. LE COQ
*JS * ^Lkis* *sLb^.is. *^l5Lö c khan guli (xän gült), Tagetes patula. khafäi khina {xifäi x^na?), eine Art Gartenbalsamine. Ä/zafdz supurgisi (xifai süpürgäsi), Amarantus blitum. khatdi gul {xifäi gül). Die Aster, Callistephus chinensis. khokhd, eine Komposite. khokha tikdn (%o%a tikdri), Cnicus arvensis. khongdn {xühgan), Cucumis sativus.
*(,b Vib *>*}* ddwd, eine Tamarix-Art. ddudar {dä dir o*> b, chin.?), Phaseolus vulgaris. dodo (chin.?), Dioscorea deltoida.
W> *^;) 'fy) ■■■¿S' Jlz, * jlA- r^; ät>o^ ; zdghun {zäpün), Brassica campestris, (Eruca sativa). zardak {zärdäk p.), Daucus carota. (In Turfan immer p. säbzä, ny^.) zarangza {zarahgzd), Carthamus tinctorius. zafar gul. ? Crocus sativus. (Safranpulver heißt zär cawa). zighir {zipir f. p. zaptr), Linum usitatissimum. {zedä, die durch Pfropfung erzielte, dichte, kugelige Art der Ulme. Frag- lich; cf. sada.)
£vv (zirä, p., Cuminum sativum.) (zifip f. p. Berberitzenarten. Die roten Früchte kommen getrocknet als Nahrungsmittel auf den Bazar).
zikh. (?) Ü*
^_v*äjLaa/ J^i L*.w;Lu; V sdpaqsiz gul — sapaqsi gul (?). (sasma gülty eine Art Nelke.) {säbzä, p., Daucus carota.) supurgi {süpürgä, »S^^ylyä): 1. Amarantus blitum; (2. Tamarix elongata). Häufiger Männername. süpürgä bedeutet eine Bürste oder Besen. Wie in Amerika Bürsten aus „Broom-corn“ hergestellt werden, so wurden, wie die Ausgrabungen lehren, die harten Stengel der genannten oder ähnlicher Pflanzen schon in alter Zeit zu diesem Zweck verwendet: ein Brauch, der heute noch besteht.)
*»Jw^ *uuy £r* sada p. (= zedä ?), Ulmus erosa. sarigh azghdn (lies sär'ip), die gelbe Rose, R, brunonii. (Die rote Rose heißt in Turfan stets einfach p. gül.)
*■4 ¿7“ *iO^> * 8 JyO Xxb ^}^-w sarigh dut (sär'ip öt), ein im Hochgebirge wachsendes Gras. sarigh buya {sär'ip büyä), eine Sophora-Art. sarigh talba baida {sär'ip talba (?) bedä). Melilotus officinalis.
EINE LISTE OSTTÜRKISCHER PFLANZENNAMEN
125
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sarigh zdrdak (?).
sarigh sabba, Calendula officinalis.
sarigh sanbar gul, Tagetes erecta.
sarigh sag at (sctrif sogdt), eine Weidenart.
sarfg/z cas/zg pic/idg {sdrir risq picdk, JLss^, p. JLsyj), Tropaeolum majus.
sarigh gul {sdrij gül), Calendula stellata.
sarigh hafaräng, Tropaeolum.
sarigh yurgdmäch (sarir yorgämäc?), Cuscuta sp. (von yorgämäk dre-
hen, winden).
sarimsdq (särimsäq, vulg. sdmsäq), Knoblauch, Allium sativum (häufiger
Männername).
samsdq pidz {sdmsäq ptäz), eine Zwiebelart, A. cepa.
sobüt Coriandrum sativum).
yumjds
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sutlik aut (sütlük öt), Mulgedium tataricum.
sosun gul (für p. süsan), eine Iris-Art.
sosuni - asq-pichak. (?)
(söqd; tdk nihg söqäst, die Blüte [Gescheine] der Weinrebe, Turfan).
sok {sük, sök?), Polypogon monspeliense.
sugat (sögät, sögüt), eine Weide, Salix daphnoides. (Nach unserer Mei-
nung Gesamtname der breitblättrigen Weiden.)
suluq dut (süluq öt ?)
song pidz (söhg plaz, eine späte Zwiebelart?).
sidh ddna, (p. schwarzes Korn) Nigella sativa.
simaz dut (öt ?)
(für p. sLi), shdtut (sah-tut), Morus laevigata. (Ein prachtvoller
großblättriger Maulbeerbaum mit großen roten Früchten [Luk-cun])
*JU shdl (säl, für p. JLä), Oryza sativa; (der Samen in der Hülse).
shdldir buya. (?)
*^.rcN shaldir laghuch (saldirlajuc), Sphoerophysa sp.; (Colutea).
*Jr^ shaftul (sdptul, sdptula, sdptoila NoiU für p. JLüL*). der Pfirsich
shalghut (,salyüt; 1. Durcheinander gemischtes Getreide. 2. Spottname
von Mischlingen [Vater Kaschmirer oder Afghane, Mutter Türkin]).
shumshd. Trigonella foenum graecum.
shokhld (söxla). 1. Solanum nigrum; (2. die (eingeführte) Tomate)
(söxula; kucä s.} Physalis alkekengi.)
*ao.~' |*yij shum buya (sum büyä), Phelipoea indica.
¿Lyi (suhg, täknihg sühgt, Kletterranke der Weinrebe.)
JUoi (stmdk, Blüte, „Kätzchen“ der Weidenbäume.)
126
A. v. LE COO
vi) £ asuq pichák (sie!) {'isq picák). 1. Pharbitis nil.; (2. Ipomoea-Arten). ’ainálu (siehe ^j-oi). £
L¿^¿L¿ JS 1 уСлЬ (yánguyá, kurzhalsiger Flaschenkürbis.) ghasa. (?) {yáñgza gúlí; yáñgza = chin, eine Tabakspfeife; Callistephus sinensis).
* i)b*Li ^ / fákhta áurughí {pá%ta Úruyi), Baumwollsamen. /я/dfe, Tribulus terrestris. fláz (ptäz) siehe ^Lo. farang guli, corr. p. {pötlä\ gáñgydq ríiñg pötläsi, Walnußblüten.)
*и?ЦЬ- О tfdpdg (qapáq, qawäq): 1. Cucurbita pepo; (2, eine Pappelart; térd/г braucht nicht hinzugefügt zu werden).
*JLó' (jbU oLs ob qdpdg ta/rd/г {qapáq, qawäq teräk). {qap qäp} eine Leontodum-ähnliche Pflanze.)
(J^^U *^¿‘Ubob' x¿jLs {qäq, alle Arten getrockneter Früchte.) {qáqawáq, eine große, runde Kürbisart.) qárgha tamgháqi (qáryá támraqt): 1. Phoenopus orientalis; 2. Dodartia orientalis; 3. qáryá támyaqi oí, Oxytropis sophora.
* ^..wSJXa^ ¿t¿^Üs *ej.l yü> * ^ü$U ^¿xU *j/” ^äjoLs (JUwjU* ^jÍÁA/oLí »otXjLs qargha jigdahsi {qáryá gigdäst), eine Eleagnus-Art. qághaz áut {qayaz [f. p. káyaz?] oí), Sonchus oleraceus. qaláqái? Amarantus. (qámpi, eine Artemisia-Art, vielleicht A. vulgaris, siehe kampa.) qámchi gut (qámc'i gül): 1. Amaranthus caudatus; 2. Polygonum orientale. qámgháq, Salsola collina. {qärriis, qámús, qemts, Arundo-Arten.) {qändir, der Hanf.)
lju " rrfß &fß o>L¿y ЕиПГ {qáwá, Cucurbita pepo.) qáirum. (?) {qänn, Betula-Art.) (qarayat; aq, qiz'ü q. Lycium-Arten mit weißen und blauroten Früchten.) {qára ayäc [yäyäc], die Ulme; vulgär auch qárlíyác [nicht zu verwech- seln mit —LijjvLb', qárloyác, die Schwalbe]).
■JUl]f V';1 '/ **+=У y» •4У У (qárayai, eine Nadelholzart, in deren Holz Wanzen hausen.) qára árman {qára ärman?). qará áujma {qára úgmá), Morus atropurpúrea. qará áuruk {qára orúk), die Aprikose. (Dies ist unrichtig, es ist eine sauere blaue Pflaume.)
* го^л*/ y {qára gáñg sitan, p. ?, Tropaeolum majus.) qará sona, eine Distelart, Sonchus.
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Baessler-Archiv VI, 3
gard yughäch (qära yäydc), Fraxinus Moorcroftiana. (Unseres Wissens
nur die Ulme!)
qo koki (qo köki), Rumex klotschianus.
(qöcurä, Nadelholzbaum vom Bogdo-Ola-Gebirge.)
(qörä xämäq, sic!, Capparis spinosa.)
qoghun (qöjun), die Melone.
(qömac; esäk q., Papaver somniferum, [Eselgrütze?]).
qomush, Arundo madagascariensis. (Alle Rohrarten.)
qummi, Cucumis melo.
qonäq (qönäq), Zea mays. (aq q. die Mohrenhirse; kömä (¡w/) q. der Mais).
(qóng-alcaq = aq tikän, eine Art Halimodendron ?).
qongan, Cucumis sativus.
quikoki (qoi köki), Rumex aquaticus.
qizil àzghàn, die rote Rose. (Uns als gül oder qizil gül bekannt.)
qizil pachäq. (?)
(qizilcä, die rote Rübe.)
qizil khina, eine Art Garten-Balsamine.
(qizil sang-xaa [chin.], eine Brassica-Art.)
(qizil qat qat ?)
qizil laili qazaq, roter Mohn.
qizil morch (qizil mure), Capsicum frutescens.
qizil yulghun, Tamarix gallica.
qiyak äut, Calamagrostis nepalensis.
qichi (qici), Sinapis juneca.
qaishliq turup (qisliq turp), eine Crucifere.
J
(kägir gül, Centaurea cyanus.)
kähloh (?), Diospyros kaki. (Die japanische Kaki-Persimonie kommt in
Turkistan nicht*vor; es muß eine andere Art sein.)
kibràyà, eine Umbellifere.
(käxri, eine Centaurea.)
karam. (?)
kurmak. (?)
kakra. (?)
kakkok koki, eine Sonchus-Art.
kakia (?), eine Euphorbia-Art,
kampa (= ^¿*U?), eine Artemisia-Art.
k°d7 ¡Ih!?“; kuä)' AHÌUm Cepa- (Es ist eine wildwachsende, kleine
Zwiebelart. Ungemein häufig ist sie auf den niederen Gebirgszügen
zwischen Kok-Yar und dem Karakoram, cf. chin. Ts’ong-ling.)
koda amari (küdä ämurt)? eine Birnenart.
128
A. v.. LE COQ
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feoz^z bughddi (kiizgt b., Herbst-Weizen).
kok shokhala (kok sóxla), Solanum nigrum.
kok ashqa pichäk, (Ipomoea-Arten ?).
kok lobiä (p. ?), eine Bohnenart.
(kokcä, berühmte Melonenart; die blaue Melone? Kucä.)
koknär (kök när), Papaver rhoeas.
kokia, Oenothera mollissima.
kunjud (küngüt, Sesam. Das aus den Samen gewonnene Öl
sü péri).
(wohl = I^U, s. d.).
kaibaz (käpäz, kiwäz), die Baumwollpflanze, Gossypium herbaceum.
kaibaz anasi (käpäz änast), Abutilon avicennae.
kaik tili (ki*ik tili), eine Euphorbia-Art (Antilopenzunge).
kaikia (?), Aeroptilon picris.
kaindir (siehe *jjób), Cannabis sativa,
kaivia (?), Foeniculum vulgare.
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»tXjLo 7 I^xìLo
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gurunj (gürüng, grüng, grüc), Oryza sativa.
(71// äsmän (gül asmän), Peganum Harmala.
gul khinahsi (gül xtnasT?), Impatiens balsamina,
gul süsun — susun gul.
gul anbar (?), eine Centaurea-Art.
gul ndfdddn, eine Art Rittersporn, Delphinium.
gul nafsha, eine Malvenart.
(gül negäs, für die Narzisse; die Feuerlilie.)
gailäs (giläs?. Die Kirsche; uns im ganzen Land, soweit wir es kennen,
nicht vorgekommen).
J
lobiä, Dolichos lablab.
lola koki. (?)
laili qazäq (leilt qazäq), Papaverart.
r
mäsh (mäs), Phaseolus mungo.
jibo bi (qära m., große blauschwarze Bohne, die zur Nahrung dient,
(,%ö).)
mälghun. (?)
(mända, eine Art Clematis.)
mukhmal gul (mäxmal gül, eine Gartenblume (nach Vambery eine
Dahlia-Art).
(märgän gül, Phaseolus multiflorus, Feuerblume, [Korallenblume].)
majgän khina (sic!), eine Balsaminenart.
(märdäk, Pilzarten).
^Sbyo JLiol (ßsäfe märdäki), ein Hutpilz.
^byo (gär m.), eine Art Orobanche.
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EINE LISTE OSTTÜRKISCHER PFLANZENNAMEN
129
manäqi (?).
mandar (mändär), Cynanchum sp,
mudän gut. (?),
munda (vielleicht mönda = mända?).
{mizä qül, Tagetes patula.)
c>
{näring, die Orange. Nur als von Rußland her eingeführt bekannt.)
narinji 'ashq pichäq (lies pecak ?)
(p. näspafi, näsbttä, eine sehr saftreiche süße gelbe Birne, die von Kucä
besonders berühmt).
nashwat, (dieselbe). Pirus communis. (?)
nakhud (p. naxut, vulg. noxöt ci>ys*y>), Cicer arietinum),
(inäsiqa; Kucä n., eine berühmte Melonenart.)
nargas p. (närgäs, negds, eine Narcissus-Art.)
s
hawä rang gul p. (häwä rang gül), Malva parviflora. (Luftfarbene Blume).
haft rang p. (häft rang): 1. Tropaeolum majus, siehe Hafa rang; (2. Mi-
rabilis Jalapa, nach Herrn Purpus-Darmstadt). („Sieben Farben“).
hafarang (wohl = häft rähg), Tropaeolum majus.
hamshibar, Malva silvestris.
hindostän gul, Gomphrena globosa.
hawil monäk (?), Euphorbia lathyris.
* ^.bübb
bbb
* SiXo t.b
dd'
*s^
* (I ,
ycrmfl qamchi gul, eine Polygonum-Art.
yflzrz bughdäi (;ydzyT bupdäi, Sommerweizen).
yashü rasq picäq (yäsü 'isq picäk), eine Leguminose.
yàlpuz, Chenopodium vulvaria.
yämghasut, Coriandrum sativum.
yäntäq (yantaq), Alhagi maurorum (camelorum).
(y. säkart, Kameeldorn-Manna.)
yangghaq {ydngjäq), Juglans regia.
{yang-yö, chin., die Kartoffel. Sie wird jetzt im Westen bis Kucä ziem
lieh viel angebaut.)
yàwà balda (yàwa bßdä), wilde Luzerne, (Melilotus).
yäwä gul 'anbar, wilde Centaurea.
yaghäch (yäräc), Ailantus excelsa. (Wohl ein Irrtum — yäräc = arm
bedeutet jeden Baum).
yik qomushi, Chenopodium album.
yakan (yäkän), Typha angustifolia.
yuigämach (yörgämäc), Convolvulus arvensis.
(yörgäi, eine Schlingpflanze; vielleicht Periploca sepium.)
yulghun (yulrün), Tamarix gallica. (Neben der Torraqpappel der charak-
tenstische Baum der Wüsten.)
yumghaq sabut, Coriander.
17
INDICES
zu
GRÜNWEDEL, DIE GESCHICHTEN DER VIERUNDACHTZIG ZAUBERER
(BAND V, HEFT 4/5).
VON HANS JÖRÜENSEN.
A. SANSKRIT-INDEX.
Vorbemerkung: Die zwischen stehenden Erklärungen einiger Tantratermini verdanke ich Herrn Professor
Dr. Grünwedel.
anatmakatilaka 151. — Büchertitel.
Atlpa 141.
Apadrara 221.
Abhayadattacn 222.
Abhanden 222.
Abhara 213.
abhiseka 152. 154. 155. 156. 160. 161. 163. 169. 172. 179.
181. 182. 186. 188. 190. 192. 196. 197. 200. 201. 203.
213. 217. 220. 221; - des Hevajra 144. 170. 173. 189.
191. 196. 205. 216; zum anatmakatilaka 151; zum
mandala des Hevajra 159. 208; des Samvara 172. 174.
176. 195. 202. 211. 218. 219; des Cakrasamvara 177;
des Guhyasamäja 178. 180. 183. 204. 214; für den
utsakrama 199; der 4 Vajräsanas 206;‘zum mandala
des Cakrasamvara 215.
Amitdyus 229.
amrta 162. 163. 183. 190. 199. 221; Regen von — 157;
vgl. After, däkini.
Amoghapdca 222.
orapacana 184; dhärani zur Anrufung der fünf Buddhas,
denen je eine Silbe entspricht, s. Wassiljew, Buddhis-
mus 1, p. 183.
arhat 178; sechszehn — 137 (Einl.), vgl. Licht. — Die
höchste der vier Stufen der buddhistischen Heilig-
keit: srotaäpanna, sakrdägämin, anägämin, arhat.
avadhuti 188. 189. 195; s. dhüti.
Avalokiteevara 192. 194. 198. 199; vgl. Bild, verwan-
deln, bhiksu. — Abbild, z. B. Grünwedel, Mythologie
des Buddhismus usw. p. 126.
avidyd 152. 160. 171. 200. 201.
astamahgala 206.
dedrya 145. 146. 148. 150. 154. 156. 157. 158. 161. 162.
163. 164, 165. 166. 167. 168. 170. 176. 177. 180. 187.
192. 193, 194. 195. 198. 202. 213. 215.
dtman 171.
Äbhlra 162.
dmm 217. 218.
drya 150. 156. 162. 167. 169. 180. 184. 192. 193. 194.
196. 199. 205. 212. 214. 218. 222.
Ärgadeva 167. Schüler des Nägärjuna; Abbild. Qrün-
wedel, Mythologie p. 34, Fig. 25.
Äryamaniucn 166. 184. = Manju^T.
drydedrya 163. = äcärya.
Äryavalokitecvara 198. 212. = Avalokitecvara.
Ita 152.
Indra Secte der Tirthikas 146.
Indrapdla 177. 215.
Indrabodhi 219.
Indrabhüti 186. 212.
utsakrama 144. 172. 180. 191. 195. 196. 199. 200. 20!.
202. 203. 205. 208. 211. 220; vgl. Meditation, upadeca,
Unterweisung. — „Eine der Stufen der Erreichung der
Siddhi.“
Udydna 142. 176. 185. 219.
upadeca 147. 149. 154. 155. 156. 158. 160. 161. 162.
166. 167. 168. 170. 171. 172. 173. 174. 175. 178. 179.
181. 183. 184. 186. 191. 196. 200. 204. 205. 211. 213.
214. 217. 218. 219. 220. 221. 222; zum anatmakatilaka
151; zum mandala des Hevajra 159; der VajravärähT
169; der Chyle 182; des „Tropfens“ 190; zum utsa-
krama und sampannakrama 195. 208; der Vollendungs-
stufe 189; für utsakrama 180. 199; der VärähT 165.
203; des Hevajra 163. 216; der Hauptader 197; einer
däkini 143; des Trankes der Unsterblichkeit 144.
Zauber-— 187; der 6 heil. Silben 198; vgl. Baum,
Droge, Tropfen. — „Anweisung über die Praxis des
Ritualtextes und seines Sinnes.“
upapdduka 165.
updya 165.
upeksa 221.
Umd 138 (Fig. 1). 146. 152. 185; Abbild. 153; vgl. Opfer.
Ekacrnga 142.
Otantapun 157. 195.
Kapilasakru 179, 180.
Kanakdrdma 175,
Kabina 156. 157.
Kam vira 176.
karund 149. 160. 171. 205. 221; vgl. meditieren.
kartrikd 207. 208. 210.
karman 144. 147. 149. 151. 152. 153. 155. 171. 180. 187.
196. 199. 204. 212. 214.
kaldca 206.
HANS JORGENSEN: INDICES ZU GRÜNWEDEL
131
Kahari, Kari 180.
Kahora 161.
Kanci 161. 170. 212.
Kdnhd 164. Vulgärform für KrsnäcärT.
kdmarüpa 152. 189. 190. 192.
kämävacara *) 177; vgl. Götter.
Kälacakra 141.
kinnarl 209. 210.
Kilamba 222.
Kunfi 216.
kulapntra 150. 163. 180. 196. „Begrüßung des Zaube-
rers bei der beginnenden Vollendung durch eine
transcendentale Macht.“
kupa 163, 205, s. Gras.
kokila 218.
Kaupambl 179.
klepa 201.
ksatriya 147. 155. 171. 182. 183.
khatvänga 207 (Fig. 4 b, c). 208 (Fig. 5). 210 (Fig. 7 b).
Gangä 144. 147. 201. 221.
Gana —götter 160. 163. 207.
Gandhapura 172.
Gamda 209 (Fig. 6 c). 210 (Fig. 7 b). 225 (Fig. 9).
Gahura 152. 155. 156. 218.
guru 143. 144. 151. 154. 155. 157. 158. 159. 160. 162.
163. 164. 166. 167. 168. 169. 171. 173. 177. 178. 182.
183. 186. 191. 195. 199. 200. 201. 203. 205. 212. 213.
214. 217. 218. 222; außerdem noch als Titel aller
vierundachtzig Zauberer.
Guhgatantra 150. 197. — Büchertitel.
Guhyasamäja 166. 178. 180. 183. 204, 214. — Mystische
Form des ManjucrT und Titel des betreffenden Tan-
tras. Abbild, s. Ränder, Pantheon Nr. 62 (Veröffentl.
aus d. Kgl. Mus. f. Völkerkunde 1, Heft 2/3, p. 62.)
goptrsacandana 178.
Grahara 208.
Ghantdpaila 162.
cakra 206 (Fig. 4 a).
Cakrasamvara 177. 209 (Fig. 6c). 215. — s. Samvara;
vgl. mandala, abhiseka.
Canddla 195.
Candikumdra 163.
Campaka 198. 199. 202. — Bignonia suaveolens.
Campania 217. 222.
Janapa 216.
Jambudvipa 150. 156. 178. 213. 222.
Jayendrapura 177. 178.
Jalandhara 189.
Jalendra 220.
Jdleudra 186.
jina 146. 202. 227.
Jintapura 215.
Jomanapri 200.
jnänadäkinl 189. — s. däkini.
Tipunagara 196.
damaru 155. 203; 7 - erscheinen am Himmel 164■
siddhi des - 165; vgl. Trommel. - Abbild. Ränder,
Pantheon p. 109, Nr. 2. (Veröffentl. d. Kgl. Mus. f.
Völkerkunde 1, Heft 2/3.)
ddkini 143. 145. 147. 163. 165. 189. 190.206.207 (Fig. 4 b,c).
211. 214; weltliche - 144; Sohn einer - 150; - läßt
amrta regnen 157; - hindert Erlangung der siddhi 164;
Mutter eine — 176; Hund verwandelt sich in eine —
180; — gibt abhiseka 200; — verwandelt sich in ein
Mädchen 204 f.; vgl. jfiänadäkini, Bandhe, VetälT, (Va-
jra)värähi; Rosenkranz, Kutte, Hexe, Predigt, Traum,
verwandeln. — „Entspricht etwa unserer Fee und Hexe.“
denkli 227 (Fig. 10).
Dombihemka 139. 142.
tattva 163.
tantra 166. 173. 179. 201. 213. 219; sieben -Systeme
138 (Einl.); Symbole des -kults 206 (Fig. 4 a); -gerät
227 (Fig. 10).
tantramudrä 174.
tambura 156.
Tara 161. — Abbild, s. Grünwedel, Mythologie p. 143,
Fig. 116 (grüne T.); p. 144, Fig. 117 (weiße T.).
Tärdndtha 138 (Einl.). 222.
tdla 167. 174. 192.
firthika 146; vgl. Indra.
Tripitaka 157.
Thata 189. - s, Potala.
Dantira 149.
Dekiri 185.
devatä der Sonne 146.
Devapdla 153. 156. 163. 183. 184. 192. 194.
Devaputra 178.
devaloka 157. :
Devikota 203. 205.
Devikoti 146.
dohä 142. 151. „Lieder der sädhakas bei der beginnen-
den Befreiung, im Volksdialekt in kurzen, meist ge-
reimten Versen.“
dvlpa 177. 193; vgl. Hexe, vier.
Dhanjura 182.
Dhanipura 182.
dharma 149. 150. 154. 157. 158. 160. 161. 165. 179. 187.
208. 217. 221; vgl. acht.
dharmakdya 160. 188.
dharmatd 165. 171. 172. 178. 191. 195. 196; vgl. Ban-
nung.
dharmadhätit 172. 191.
Dharmapdla 164.
Dharmaräja 164. 177.
dhdrani 172. 174; arapacana-— 184; Murmel-— 206;
— des Vajraheruka 195. — Zauberformel.
dhuti 189. 195; eine der drei meditativen Adern: lala
(tib. ro-ma) die rechte, rasa (tib. rkyan-ma) die linke,
dhuti (tib. dbu-ma oder srog-rtsa) die mittlere; siehe
Jäschke, Tibetan-English Dictionary p. 208 unter
gtum-po.
Nagorarasmaka 161.
Nandi 153 (Fig. 3).
namas 181.
ndga 164. 209 (Fig. 6 c). 210 (Fig. 7 b). 213. 225 (Fig 9).
Nägabodhi 163.
Ndgdrjuna 162. 166. 167. 180. 192. 214. 222,
Ndlanda 157. 161. 165. 183. 184. 185. 192.
pana 164.
pandita 184. 190. 200. 212.
Padmadevi 176; vgl. Hexe.
padma 206 (Fig. 4 a).
Padmasambhava 227 (Fig, 10).
padmim 148.
Panava 176.
pdtra 165.
1) Im Text durch einen
Druckfehler kamavacara.
132
HANS JÖROENSEN
Pitaka 157.
Purï 157.
pujä 204.
Pürvadeça 197.
Püvarna 214,
Potala 199. — Die heutige Stadt Thata.
pranidhi 189. 190. — ,,Aussprechung eines Wunsches
unter Darreichung einer Opfergabe; die Antwort dar-
auf heißt: vyäkarana.“
pradaksina 164. 168.
prêta 213; vgl. Wiedergeburt.
Bandhe 165. — s. däkinf.
Buddha 143. 156. 162. 170. 173. 178. 186. 207 (Fig.4bc).
208. 210 (Fig. 7b). 211. 218. 219, 223; — ungehöriger
157; Buddhas der drei Zeiten 143; vgl. Buddhismus.
Buddhapdda 156.
bodhi 144. 149. 182. 183.
Bodhinagara 190.
bodhisattva 212.
bauddha 146. 150. 151. 156. 165. 190.
Brahma 157. 163.
brähmana 146. 147. 151. 161. 171. 172. 177. 179. 181.
189. 192. 196. 198. 212. 215. 221; — dem dharma der
bauddhas ergeben 150; — ein bauddha geworden 156;
Gott Brahma in einen - verwandelt 163; Kastenüber-
mut der — 178; - gibt sich im Geheimen mit guhya-
tantras ab 197; - ein Dieb 214; vgl. Branntwein-
wirtin, Kaste.
bhaga 182; vgl, mandala.
Bhahgala 186. 192. 196. 197. 216.
Bhadhokora 165.
Bhahana 200.
Bhahitana 162.
bhiksu 145. 159. 163. 167. 176. 192. 193. 194. 212. 217.
218. 222; ksatriya-— 183; Avalokiteçvara in Gestalt
eines — 198; vgl. Mönch, verwandeln.
Bhirapura 215.
Bhirlira 204.
bhütavrsabha 162.
bhïïtï 162.
Bhekara 205.
makara 206 (Fig. 4 a). 225 (Fig. 9).
Magadha 147. 148. 156. 160. 161. 180. 201. 212.
Man gal apura 195.
Manjuçn 162. 184, 227 (Fig. 10); vgl. verwandeln,
Fischer. — Abbild. Grünwedel, Mythologie p. 109»
Fig. 113 usw., Foucher, Étude sur l’iconographie
bouddhique p. 43 u. a.
mandala 149. 166. 172. 198; - des Hevajra 159. 208;
— Cakrasamvara 215; — von der Gestalt des bhaga
182; vgl. Blume.
Manidhara 204.
Manibhadra 171.
matsya 206 (Fig. 4 a).
Madhyadeça 157. 187.
montra 146.
Mantravikrama 148.
Mahdgahura 151.
Mahddeva 146. 147. 152. 155. 192; vgl. Statue.
Mahäbrahmä 214.
mahämämsa 146. — Menschenfleisch.
mahämudrä 171. 173; Verkörperung der — 158; „hei-
lige Mahämudrä“, Bezeichnung eines Mädchens 193;
—-siddhi s. siddhi.
mahdydna 171; vgl, Kaste.
mahdydnadharma 157.
mahdyogT 154.
mahäräjä 194. 211.
mahasahgika 183.
mahäsiddha 137. 138 (Einl.). 204. 219. 222. 227 (Fig. 10).
— „ein Siddha, der eine bestimmte Schule repräsen-
tiert.“
MaheQvara 152. 157; Abbildung 153; vgl. Unterweisung,
Klarsicht.
Mära 163.
Mdläpura 176.
muditd 221.
mudrä 148. 149. 174. 193. 207 (Fig. 4 c). 213; — der
cunyatä 204; mudräsiddhi s. siddhi; vgl. Elefant, Weib.
Meru 177. 212. 214.
maitrl 147. 149. 150. 160. 163. 202. 215. 221; vgl. me-
ditieren.
Maitreya 209 (Fig. 6 c).
yaksi 162. 163.
Yama 177. - Abbild, Grünwedel, Mythologie p. 166,
Fig. 140.
yoga 178. 189. 205.
yogi 144. 151. 152. 154. 156. 159. 160. 161. 165. 168.
170. 171. 172. 173. 174. 175. 176. 179. 181. 182. 183.
186. 188. 189. 190. 191. 196. 197. 199. 200. 201. 202.
203. 204. 206. 208. 211. 212. 213. 216. 217. 219. 220.
221; — gibt Sonne als Pfand 146; — Gassenkehrer
205; vgl. auch guru, bhiksu, äcärya.
yoginl 202. 203.
Ratnapäla 150.
rasa 195. 196. - s. unter dhliti; räsana.
räksasa 164,
Räjagrha 157. 162.
Räjapura, -pari 173. 208.
Räjhl 150.
Räma 213. 221.
Rämanapälaka 157.
Rdmapdla 143.
Rämepvara 143. 157. 187.
räsana 188. - „= rasa (s. d.); entstanden (ebenso wie
lälana aus lala) dadurch, daß das Suffix -na als Be-
standteil des Wortes aufgefaßt worden ist.“
Rähu 189. 190.
Roh 150.
Laksmlmkarä 186.
Lahkäpura 186. 219, 220.
Lahkäpurl 164.
lala 195. 196. — s. unter dhüti und rasa.
lälana 188 = lala.
Lumbinl 180.
vajra. vajragleicher guru 163; —religion 178; —zürner
194.
Vajradhara 199. 225 (Fig. 9). — Abbild. Grünwedel,
Mythologie p. 95.
Vajrapäni 195. — Abbild. Qrünwedel, Mythologie
p. 22, Fig. 13.
Vajravärähl 169. 194.220; vgl. Bannung, Essenz; = Va-
rähl; eine DäkinT.
Vafrasattva 157. Abbild. 209 (Fig. 6 c), 225 (Fig. 9).
Vajraheruka 195 = Heruka.
Vajräsana 143. 157. 206.
Väta 195.
INDICES ZU GRÜNWEDEL, DIE GESCHICHTEN DER VIERUNDACHTZIG ZAUBERER
13 3
Vdrdhl 165. 203; vgl. upadeca. — Abbild. Grünwedel,
Mythologie p. 157.
Vikramapura 181.
Vikramapila 156. 157.
Vighasura 169.
vijhäna 165. 201.
vidyd 154. 190. 200.
vinaya 147; -dhara 193.
Vipacyl 209 (Fig. 6 c).
Vicvakarmä 160. 178,
Vismmagara 159. 160. 168. 170. 174. 175.
vinä 225 (Fig. 9).
Vetdli 204; eine däkini.
veda 178.
Vaipravana200.—Abbild.Grünwedel,Mythologie p. 179.
cakti 148. 194. 225 (Fig. 9). — „weibliche Beihelferin
des Zauberadepten und zugleich Inkarnation der weib-
lichen Form des verehrten Gottes.“
Qankha 206 (Fig. 4 a).
Qat akratu 157. - Abbild. Pander, Pantheon Nr. 277. (Ver-
öffentl. aus dem Kgl. Mus. f. Völkerk. I, Heft 2/3, p. 106.)
cambhila 165.
Qarava 195.
Qäkyamuni 209 (Fig. 6 c).
Qänti 187.
Qdla 162.
Qälabhända 162. 163.
pda van a 161.
Ciikti 207 (Fig. 4 b). 208 (Fig. 5). 210 (Fig. 7 b). 227
(Fig. 10).
Cudra 148. 151. 160. 167. 169. 179. 180. 181. 189. 191.
197. 204. 205. 208. 213. 216. 217. 218. 220.
qunyatä 169. 170. 173. 178. 189. 190. 191. 204. 205.
217. 218; vgl. meditieren, drei.
cramana 193; vgl. Hetäre; s. auch guru, bhiksu, yogl,
äcärya.
Qrävastl 178.
Qritapari 152.
Qfidhana 212.
Qrl-Nalanda 192; vgl. Nälanda.
Qrlparvata 162. 163. 165. 213. 215. 222; vgl. meditieren.
cnvatsa 206 (Fig. 4 a).
Samvara 172. 173. 174. 182, 194. 195. 196. 202. 211.
218. 219; vgl. verwandeln, abhiseka. — Abbild. Grün-
wedel, Mythologie p. 103, Fig. 84.
samsdra 149. 150. 151. 158. 168. 193. 222.
samskdra 180; vgl, meditieren.
sang ha 145. 161. 183. 184.
Satapun 200.
Sandho 158. 159. 170. 217.
Samantabhadra 225 (Fig. 9).
samddhi 144. 147. 174. 194; vgl. meditieren, drei.
sampannakrama 144. 172. 173. 174. 180. 182. 195. 196.
200. 201. 202. 203. 208. 211. 213. 220; vgl. meditieren
Sambola 185. 186. 219.
sambhoga-Leib 212.
Sarvatira 220.
Saliputra 173. 174.
Salaputra 164.
sahafa 183. 198.
sddhu 201.
Salaputra 168.
Saliputra 143. 177. 183. 188. 191. 192. 199. 215.
Simhala 156. 187.
Simhacandra 213.
siddha 143. 144.
siddhi 152. 153. 155. 164. 168. 170. 178. 180. 181. 182.
183. 184. 186. 192. 196, 197. 198. 199. 200. 204. 205.
208. 211. 212. 214, 216. 217. 221; - von Hevajra 147;
— eines mudrä-Elefanten 149; — der Tärä 161; - der
Schirme und damarus 165; mudrä- 178; niedrige —
160. 161; weltliche — 152. 202. 213; acht (niedrige)
- aufgezählt 215; - in sieben Tagen erlangt 192; in
sechs Monaten 169. 175. 218. 219; in drei Jahren 191;
in sieben Jahren 220; in zwölf Jahren 188. 203; vgl.
Bannung, Hetäre. „Erreichung von Erhabensein
über die Naturgesetze, und die Fähigkeit, Wunder zu
verrichten.“ — mahämudrä-- 144. 151. 154. 156. 157.
159. 160. 163. 164. 166. 169. 181. 182. 183. 185. 190.
197. 204; — auf der Hauptader 205; in sechs Jahren
erlangt 171. 172. 188; in sieben Jahren 189; in neun
Jahren 170. 196; in zwölf Jahren 158. 186. 195; vgl.
alt. „Die höchste Siddhi, wodurch eine däkini er-
worben wird, die bestimmte transcendentale Kennt-
nisse gibt, die dem Naturell des betreffenden sädhaka
entsprechen.“
Sindhi 162.
SunandeQvara 163.
sutra 184.
Somapurl 147. 163. 165.
skandha 190. 192.
stupa 161. 225.
hanisa 195. 196. 205. 206 (Fig. 4a).
hamsardja 183; vgl, Milch.
Hevajra 144. 147. 148. 159. 163. 170. 173. 189. 191. 195.
205. 208. 212. 216, 217, Anm. 1; vgl. mandala, Bild,
Götter. — Abbild. Grünwedel, Mythologie p. 104,
i nc
134
HANS JÖRGENSEN
B. DEUTSCHER INDEX.
Abfall von den brahmanak 161.
Ablution 185. 201.
Abschlagen, Abschneiden, Arme und Füße — 154. 155;
abgeschnitvener Kopf 165; sich das Haupt — 203. 204.
227 (Fig. 10).
Abt 184.
acht große Höllen 149; — dharmas 160; — weltliche
dharmas 221; — yaksls 163; — niedrige siddhis 161;
— große S. 201; — Glückszeichen 206 (Fig. 4 a); —
siddhis (aufgezählt) 215.
Ackerbau 160. 191.
Ader, drei meditative — 181; — lälana und räsana 188;
mittlere — avadhüti 195,
After, amrta aus dem — 201.
Ag-tse 202. 203.
Aktivität 203.
Alexandria 137 (Einl.).
Alligatoren, durch Zauber entstandene - 162.
Almosenschale 145. 184. 213. 227 (Fig. 10).
alt, alter Mann bleibt körperlich frisch 159; im hohen
Alter mahämudräsiddhi erlangen 159; alter Mann wird
wie ein achtjähriger Knabe 190; alter Mann erhält
das Aussehen eines Sechszehnjärigen 190.
Anfechtungen aufheben, eine der 8 siddhis 215.
Angel 152.
Anweisung 144. 166. 213; vgl. Belehrung, Unterricht,
upadeca.
Anzeichen, üble 163.
Arm, Arme und Füße abschlagen 154. 155.
Arterie, 3 — 188. 189; rechte und linke — 189; Wurzel-
— 182; vgl. Hauptarterie.
Äsche, in der — sitzen 143; in Staub und — 176.
Auge der Erkenntnis 157; — ausreißen 167; Wirkung
des - 192; -salbe (eine der 8 siddhis) 215.
Augapfel, Macht, in der Luft zu gehen aus dem — 201.
Augenbahn des ärya 150.
Backwerk, Händler mit — 198.
Bad mit 5 kostbaren Zutaten 200; s. Hetäre.
Bannung, zwölf Jahre bannen 145. 147. 159. 162. 176.
212. 216; — der VajravärähT 145; im Walde 148; auf
einem Berge 151. 162. 222; beweibt bannen 151; aus
Abneigung gegen Predigttätigkeit 161; ohne Kennt-
nis der dharmatä 165; zehn Jahre b. 170; in der
Einsiedelei 176; in einer Höhle 176. 179; auf ein
Symptom der siddhi 185; Königsfrauen bannen 186;
König bannt im Palast 186; Fauler bannt 197; Bann-
schule 232.
Bauch, Mann mit großem — 213.
Baum, zu Füßen, an den Wurzeln eines - sitzen, woh-
nen 148. 167. 176. 189. 191. 192. 193; von —früchten
leben 149; Verstümmelter wohnt unter einem - 154.
155; - mit upadeijas begabt 155; Saft im - vertrock-
net, Früchte faulen 163; 9äla-- in Elefanten ver-
wandelt 162; Früchte fallen durch Zauber vom — und
werden wieder angemacht 165; Weib erscheint am
Fuße eines —, im cambhila- — 165; Gabe darf nicht
auf —blatt gereicht werden 166; --Gottheit 166;
Stimme aus einem — 166; dürrer — wächst wieder
166; ämra-— 217; Frucht-— 217; --Wohnung 222.
Bazar 152. 172.
Bein s. Arm.
Belehrung 175. 206. 218. 220; vgl. Unterricht, upadeca.
Berg, auf Bergen hausen 150; auf einem — bannen 151;
— abgraben 157. 187. 225 (Fig. 9); — in Gold, Eisen,
Kupfer verwandeln 162. - Meru verzehren 212; vgl.
Qhantäcaila, Dantira, Mantravikrama, Meru, CrTpar-
vata.
Beschauung 144. 156. 158. 179. 182. 187. 195.203. 221;
— versagt 172; - in Erbarmen 178; - auf der Haupt-
ader 180. 197; vier Herrlichkeiten der - 183; - auf
das Ziel des Ideals des Denkens richten 188; Be-
deutung der - nicht kennen 190; vgl. Meditation.
Beschwörungen 162.
Bettelschale, -napf 176, 178.
Bewegungen, vier — 173.
Bild, Zauber- von Qötterstädten 147; - des Avalokitec-
vara 161; Stein- des Avalok. legt die geopferten
Blumen von selbst auf die Stirn 192; Hänge- des
Hevajra 216; Götter tauschen Platz auf einem - 217.
Blätterdach 154.
Blick, Zauber- 165.
blind 157. 190; Heilung - Augen 185.
Blume beim Zaubern 149; -regen 167. 204; - als Ehren-
bezeugung 157. 184. 192. 217; - beim mandala 198;
„Blume“ auf dem Finger (Stigma) 221; vgl. Lotus,
campaka.
Blut trinken 146; Glieder eines Weibes triefen von -
165; — erbrechen 165; —see 182.
Branntwein, -wirtin 143. 145, hat die Sonne zum Pfand
bekommen 146, kauft Brahmanensohn 177; einer
—wirtin wird die Religion Buddhas gepredigt 178;
— trinken 145. 146, schändet die Kaste 150, wird ver-
mutet 213; — kaufen 145. 164; —schale 146; —wirt
168; — und Schweinefleisch darf von Brahmanen nicht
ausgesprochen werden 172; —flasche verwandelt
sich in eine Gebetglocke 194; s. Probe.
Brotregen 213.
Buch, Wörter- 170; über alle Lehrbücher meditieren
190; Rezept- in den Fluß geworfen 221; s. Dumm-
köpf.
Buddhismus 137. 132 (Einl.).
Butter s. Probe.
China 137 (Einl.).
Chyle 182.
Cordier 138.
Dieb, viele Räuber und — 155; —gewerbe 161; bräh-
mana ein — 214.
Disziplin im Kloster 184; Weib bricht einem äcärya
die — 195.
Donnerkeil, Knabe in — verwandelt 194. 225 (Fig. 9). 227
(Fig. 10).
Donner, Blumenregen unter — 204.
Doppelbild von Ich und Nebenmensch 173.
drei weiße Gaben 171; — cünyatäs 173; — samädhis
174; - Erkenntnisse 181; Buddhas der - Zeiten 143;
— dohä-Reihen 151; Dreizahl: Geboren werden, Leben,
Sterben 214; s. Ader, Arterie, Gift.
Dreiwelt 179. 189. 205. 208. 212.
dreiunddreißig Götter 157. 179,
Droge zum Lebenselixir 166; _ zum amrta-Machen 221;
upadecas über eine — 222.
INDICES ZU ORÜNWEDEL, DIE GESCHICHTEN DER VIERUNDACHTZIG ZAUBERER
135
Dummkopf, „-, der sich mit Büchern schleppt“ 140
(Fig. 2). 170. 225 (Fig. 9).
Edelstein, Wunsch-— 145; —regen 213; vor — sitzend
meditieren 214; Tantragerät 227 (Fig. 10).
Eheleben, unheilig 202.
Ehrenplatz 157. 160.
Eid. Hexen durch einen — gebunden 146.
Einfall, kriegerischer 211.
Einöde, Einsamkeit 176. 182. 196. 197. 200. 202. 217.
Einsiedelei 150. 176. 192; vgl. Panava.
Eisen, Gewichte von — 150; Berg in — verwandelt 162.
Elefant, mudrä-— 149; Tripitaka auf — geladen 157;
Baumstamm in — verwandelt 162; Elefantensitz 216.
erbrechen, Blut — 165; Hexen — eine gefressene Mönchs-
kutte 177,
Erbsünde 166. 178. 188. 218; sechs — 160.
Erde bebt 162; Land der Götter über der —, Land der
nägas unter der — 165; Göttin der — 172. 194; Wasser
und Nahrung aus der — 179; Hexe unter der — 185;
Wasser aus der — 194; unter die — gehen (eine der
8 siddhis) 215; s. Fuß.
ertönen, damarus — von selbst 164.
Essen, erbärmliches - 144; yogf will erst essen, wenn
es dunkel ist 159; — durch Segen eines yogf 165;
von einer Baumgottheit 166; — von Resten 175;
äcärya nimmt kein — aus dem Hause 176; bhiksu
besteht nur aus —, Schlafen, Bummeln 184; - aus
den Händen Leute niederer Kaste 188; Mädchen soll
nicht — hinstellen einem äcärya 193; guru ißt üppi-
ges Essen 214; Hetäre besorgt einem brähmana das
- 221.
Essenz der Vajravärähf 145.
Faulpelz 143. 197. 225 (Fig. 9).
Fels, Fuß sinkt in einem - ein 164; Götter lassen einen
—block herabsinken 177; s. Himmel.
Fest 159; Geburts— 197; Geschenk- 211.
Fetzen; vgl. Kleid.
Feuer schadet einem yogf nichts 144; -probe, ob Kaste
gut oder schlecht 148; — durch bhütls veranlaßt 162;
— über das Haus bringen 201; — des vijnäna 201;
s. Gras.
Fisch, sich von — - Eingeweiden nähren 143. 144. 215;
Mlnapäda im Bauche eines — 132; s. meditieren.
Fischer 152; Manjucn in - verwandelt 166.
Fleisch und Branntwein kaufen 145; - als Opfer für
Hexen 146; Tauben- 145; - essen 148. 149. 185;
— als Köder 152; — von Leichen essen 164; — kau-
fen 164; Schweine- 172; vgl. mahämämsa.
Flicken, Gewand aus - 172; Flicker 204.
fliegen, Weg in einem Augenblick durchfliegen 157;
„Mann der — kann“ 205; s. Himmel, Luft.
Fluß, Furt über einen - 162; Streuopfer am Ufer eines
— 213; vgl. Gaiigä.
Formenwelt 168. 205.
Frau. Trinknapf aus dem Kopfe der - 208; Fraueniärrer
140. 182. *
fünf Getränke 193; -farbige Wolken 194. 205; - kost-
bare Zutaten zum Bad 200; - Erkenntnisse 218- s.
Wissensgebiet, Gift, Gemüse.
Fuß drückt sich auf der Erde nicht ab, sinkt in Steinen
ein 153; Füße waschen 159. 199. 216. 218; - sinkt
in einen Felsen ein 164; die — in der Luft zeigen 167;
Avalokitecvara hält Wasser mit — zurück 194; s.
Hand.
Baessler-Archiv VI, 3.
Gans (hansa) 206 (Fig. 4 a).
Garten, im — wohnen 158; campaka-— 199; s. Leuchten.
Gassenkehrer 186. 205.
Gaukelwerk 146.
Gazellenfell 143. 168.
Gebäck 198.
Gedanken erkennen 214.
Gefangener, — bewachen 143; gefangen nehmen 198.
Gefügigmachen, eine der 8 siddhis 215.
Geier, Berg, auf dem — wohnen 154.
Gemeinde 193; vgl. sangha.
Gemüse, fünferlei - 162; -suppe 168f.; 84 - 168;
— stehlen 169; 84 —suppen 193.
Geschlechtsglied, Qoldtinktur aus — 201.
Getränk, fünf — 193.
Gewand, gesticktes 143. 170. 175. 202.
gierig, nach Geld und Gut 182.
Ghi 198.
Gift, yogf stirbt nicht von — 144; Hyoscyamus-— 152
drei — 174. 188. 190. 217; fünf — 195; Medizin und
— identisch 194; - genießen 218.
Giocke 225 (Fig. 9). 227 (Fig. 10); -schlag verkündet
ein Fest 211; s. verwandeln.
Glückszeichen, acht — 206 (Fig. 4 a).
Gold, mit goldenen Ketten binden 143; Abwiegen des
Körpers gegen Gewicht in — 148; — und Silber als
Opfergabe 169; kupfernes, silbernes, goldenes Gefäß
beim Zaubern 206; das halbe Königreich und eine
Tonne - 193; Qoldtinktur 201; guru ißt aus goldner
Schale 214; - zum Präparieren nötig 221; -macher
(europ.) 137; s. verwandeln.
Gong 145; Hilfe herbeirufen durch — 147.
Götter, Reichtumsgott 143. 178. 182. 208; Begleit-—,
Gana-- des Hevajra 144. 163; dreiunddreißig — 147.
157.179; 12Zornes-- 146;-land 147;--Städte 147.225
(Fig. 9); Gott der Brähmanas 147; — des Himmels 164;
Landder — 165.170; Baumgottheit 166; — lassen Blumen-
regen fallen 167; —scharen des Skrupels 173; — -
mädchen 175. 177. 220; Göttin der Erde 177. 194;
— der kämavacara-Region 177; —maler 178. 216;
Sonnengott 193; Schutzgott 199; — der Welt 212;
s. Bild. — s. auch: Umä, Brahma, Mahäbrahmä,
Mahädeva, Mahecvara, Yama, Vicvakarmä, Vaicra-
vana; — Tantragötter: Vajradhara, Vajrasattva, Vajra-
päni, Samvara, Cakrasarpvara, Vajraheruka, Hevajra,
Värähf, Vajravärähf, Tärä.
Gras, -feuer 150; —häuschen, -hütte 140 (Fig. 2). 158.
185; Stricke aus — machen (Profession) 205; vgl.
kuca,
Grünwedel 161. 222.
Haar gelöst 219.
Hals, upadecas um den gebunden 184.
Hand, Hände falten 144. 156. 167. 180; Handflächen zu-
sammenschlagen 146; Hände und Füße abschlagen
154; Kehricht mit der — wegnehmen 154; — ge-
reinigt von den Makeln der Betörung 161; Herz, Mund
und - 143. 170. 171. 185. 189. 195. 196; - und Mund
vereinsamen 182; segenbringende Tätigkeit für - und
Mund 195; Wasserblase auf der - 205; s. Probe,
Schwert.
Harem 182.
Haß 154. 163.
Haupt, um des äcärya - bitten 163; — mit kuca Gras
abschneiden 163; - abschlagen 204; s. Kopf.
18
JJi
136
HANS JÖRGENSEN
Haupiader, -arterie 173. 175. 192. 200. 208. 214; s.
Beschauung, Meditation, upade9a, mahämudräsiddhi.
Haus, —vater, —besitzer, —halter 151. 152. 160. 161. 168.
169. 173. 202. 203.
heilig, Königssohn - 154.
Heilung blinder Augen 185; abgeschlagene Köpfe heilen
wieder 204.
Heilmittel, gegen Kolik 165; gegen Irrsinn 219; gegen
Unwahrheit 167.
Hellsehen 144. 156.
Herdenbesitzer 201.
Herz reinigen 161. 174; sich das — als Gestirne vor-
stellen 182; Ziel des - 185. 219. 220; s. Hand, Licht.
Hetäre, Verführung eines cramana durch eine — 193 f.;
Fürst dient im Hause einer — 216; — findet beim
Baden ein Buch 221; — bekommt siddhi 221; s. Essen.
Heterodoxe 161.
Hexe 146. 147. 177; -königin PadmadevI 176; - ver-
schlingen eine Mönchskutte, lassen Wasser vertrock-
nen 176; Hexenmeister 177; - in Schafe verwandelt
177; _ der 4 dvlpas 177; - unter der Erde blendet
das Auge 185; Hexen (Europa) 237 (Einl.).
Himmel, sieben Schirme und sieben damarus erschei-
nen am - 164; am - wandeln 176. 178. 223 (Fig. 2b);
Fels springt am — in Stücke 177; gen - fahren 186;
Stimme vom — 186; am — sitzen 186; fünffarbige
Wolken am — 194. 205; sich zum — erheben 199;
zum - fliegen 206; Tanz am — 208; vom — predigen216.
Hirt, Kuh- 154.
Hirsch, durch Zauber entstanden 149.
Hochzeit 168.
Höhle der „Palmenwipfel“ 176; Mönch in einer Felsen—
185; bannen in einer — 212. 213; in einer — schlafen
220; s. Hund.
Hölle, 8 große — 149; Wiedergeburt in der — 149. 167.
Holz, Goclrsacandana- zum Scheiterhaufen 148; -Samm-
ler 168; -händler 182.
Hörner wachsen auf dem Kopfe 214.
Hund, von einem Brähmana ernährt, findet in einer Höhle
in der Erde Wasser und Nahrung 179.
hundertundacht bhütis 162.
Hungersnot 163, 212 f.
Huth 139.
Idealität 157.
Illusion 219; vgl. upadeca.
Indien 137; Süden von - 144. 145; Osten von - 145. 146.
150. 152. 153. 159. 161. 167. 168; Westen v. - 214;
Mittel-— 205.
Insel, Simhala 156.
irrsinnig, sich — stellen 219.
Jäger 148. 149; Jagd 215. 219. 220.
Japan 137.
Karawane, —-führer 155. 203.
Kaste, Skrupel wegen der - 144; niedrige — 148. 171.
188. 191. 195; Weib schlechter - 148; Probe, ob -
gut oder schlecht 148; Gebräuche der — aufgeben
151; Frau aus gleicher — 151; Frauen, die der —
zustehen 158; keine — für den, dessen — der mahä-
yäna ist 171; brähmana verleugnet seine - 172;
Kastenübermut 178; Mann derselben — 202; achtzehn
Berufskasten 159; Schreiber 163; Qöttermaler 178;
Weihrauchhändler 154; Schuhmacher 159; Schmied
188; Weber 158; Wäscher 174; Fischer 152; Vogel-
jäger 196/; Lebensmittelverkäufer 186; Händler mit
Backware 198; Branntweinwirt 168; Holzhändler 154;
Leute, die auf Kehrichthaufen suchen 172; vgl. bräh-
mana, ksatriya, vaicya, clidra, candäla, Branntwein.
Kasteiung 202.
kaufen, Diener, Sklaven — 177. 215.
Kehricht mit der Hand wegräumen 154; Kehrer 204;
—-feger 220; Schüler eines —Sammlers 220.
Kern 222.
Ketzer 219.
Kind in Donnerkeil verwandelt 194; die sechs Schmuck-
sachen aus den Gebeinen eines - 208.
Kirchhof 172. 173. 187. 217; vgl. Leichenstätte.
Kirchensprengel 183.
Klarsicht des Mahe9vara 152.
Klause 151.
Kleider, überirdische - 159; - aus Fetzen 172. 198; s.
rein.
Klerus 147.
Kloster, Tempel-- 145. 146. 147. 165. 176. 213. 221;
-Vorstand 183; — disziplin 184; - bauen 202; vgl.
Mönch, Tempel; Nälanda, Püvarna, Somapurl.
Kohlen, Waren in — verwandelt 155, mit - waschen
174; mit Ruß und - beschmieren 219.
Königreich, s. Gold.
Konstellation 219.
Kopf, in der Luft den — nach unten wenden 167; guru
verlangt - als Lohn 203; s. Haupt, Frau, abschneiden.
Körnerfrüchte 162.
Korn, -regen 213.
Körper, glückbringende -färbe 148; verstümmelter —
wird wie früher 155; — der Verklärung 157; — leuch-
tet 177.
Kotkugel 164.
Kovalevskij 137.
Krakehler 204.
Krankheit 153. 163. 216; Krämpfe 157, Kolik 165; ma-
genkrank 216.
Kreislauf 147. 149. 151. 159. 160. 161. 169. 177. 183.
186. 188. 192. 195. 196. 197. 198. 200. 201. 202. 204.
208. 214. 217. 218. 219. 220; vgl. samsära.
Krieg 163.
Küche 145.
Kuchen aus Gerstenmehl 166.
Kügelchen, --siddhi 215.
Kuh hüten 155; --milch 157.
Kupfer, Eisen in — verwandelt 162; s. Gold.
Kutte. Mönchs- 184. 193; s. Hexe.
Lachen, Lachsalven der 12 Zornesgötter 146; Gelächter
der Hexen 146.
Lamaismus 137.
Lampe (Tantragerät) 227 (Fig, 10).
Laute 155. 156.
Lebenselixir 166. 215.
Leerheit 152. 173. 179. 221; vgl. 9ünyatä.
Lefmann 139. 149. 155. 215.
Leiche 150. 151; —fleisch essen 164.
Leichenstätte, -acker 143. 151. 160. 161. 164. 169. 170.
172. 173. 176. 177. 179. 189. 202. 204. 208. 215. 219.
220; vgl. Kirchhof.
Licht, guru Tanti strahlt im - 159; - über der Woh-
nung des Nägabodhi 163; —strahl aus dem Herzen
169; Zeichen „Hai“ strahlt im — 183; arhat strahlt
— aus 178; — aus dem Körper 200; König erfüllt
INDICES ZU GRÜNWEDEL, DIE GESCHICHTEN DER VIERUNDACHTZIG ZAUBERER
137
seinen Palast mit — 211; Königin strahlt im - 220;
s. meditieren.
Leuchten, Wohlgeruch und - aus einem Obstgarten 216;
Schwert leuchtet in der Hand 161.
Lotus 145; Weib geht auf einem Lotusblatt, ohne unter-
zusinken 148; — blume aus dem Schlamm entstanden
183; Bild des Avalok. aus einem — hervorgekommen
192; auf einem — geboren werden 212; —sitz 225
(Fig. 9).
Löwenkopf 206 (Fig. 4 a).
Luft, sich in die — erheben, in der — gehen 154. 166.
167. 184. 201. 203. 222. 225 (Fig. 9).
Lüge, Strafen für die 167; Unwahres wahr machen 167.
Luxus 144. 175.
Maass 222.
Mädchen, 15 Mädchen bei einem guru 159. 216; s,
Götter, Essen, däkini, mahämudrä.
magisch erscheinen 212.
Manifestation 217.
Markt 143. 168.
materialisieren, in materialisierter Körperlichkeit Schläge
austeilen 262.
Meditation 152. 154. 172. 175. 179. 197. 204. 205. 225
(Fig. 9); Anleiten zur - 159. 191; König will nicht
meditieren 199; Freude am Ruf des kokila hinderlich
218; Frucht der — 203; — im früheren Leben 173.
218; auf Leichenstätten 161; auf dem Cnparvata 162;
zwölf Jahre lang 144. 151. 152. 155. 160. 188. 192.
205. 211; zwölf Jahre im Bauche eines Fisches 152;
neun Jahre lang 156. 196; sechs Monate lang 201.
214. 218. 219; Tag und Nacht 171; dauernd, ohne
Unterbrechung 171. 178; ausdauernd meditieren 180;
mit Energie med. 196; in Ergebenheit 200. 214; in
samädhi 144; ohne Skrupel 157; phantastische - 214;
unter Mitwirkung der karunä 171; in Wonne 178; in
Einklang mit dem Beruf 188; über Ackerbau 192;
unter den Augen des Guru 195; in der Nähe des
äcärya 166; in der Gesellschaft eines yogl 172; still
sitzend 218; auf Teppichen sitzend 144; mit erhobe-
nem Zeigefinger 144; in der Einsamkeit 160. 202; —
über maitri und karunä 149; über die große maitrl
149; über den Kreislauf 161; über Unwahres 167. 168;
über upadecas 169. 182. 214; über cünyatä der Laute
169. 196. 217; über Tugendverdienst 170; über die
cunyatä 173; über Nackenauswuchs 180; über samskä-
ras 180; über das Leere 189; über Lehrbücher 190;
über Erkenntnis durch Forschung 190; über den Gip-
fel des Gewordenen 211; über tantras und mudräs
213; über das Wort des Königs 217; auf die Haupt-
ader 144. 189. 202; utsakrama-- 202. 208. 211; sam-
pannakrama-— 173. 174. 202. 208. 211; —, daß ein
Licht erscheint 214.
Medizin 165. 194. 219; s. Gift.
Meer, im - nicht untersinken 164; aus dem - trinken
212; aus dem - Kostbarkeiten holen (Kaste) 220.
Menschenknochen, Schürze aus - 208. 210. 211.
Messer (kartrikä) 208 (Fig. 5).
Metall, s. Probe.
Milch aus dem Wasser scheiden 182. 183; vgl. ham-
saräja.
Mirakel 155. 174.
Mittelreich 165.
Mitternacht, um — geboren 212; mag. Leuchten um —
216.
Mönch 147. 158. 166; -tum 144. 147; -kleid 145. 170.
176. 184; — werden 156. 161; — bittet um Almosen
169; Nälanda-— 184. 192; s, bhiksu, Kulte, Kloster.
Mond, —scheibe aus einem A entstehend 190; s. Sonne,
Rähu.
Mörser zum Reisstampfen 178.
Mund, Schwert aus dem - holen 203; s. Hand.
: Musik 148. 156; —meister 156; Musiker 144.
murmeln, Murmel-dhäranis 206.
Mutter. Vermächtnis der — 154; — gibt nur eine siddhi
180; doppelte Mutterschaft 201.
Myrobolane 221.
Nabel, Zeichen auf dem — 183.
nackt 219.
Nadel, Gabe auf einer —spitze 166.
Nahrung, s. Hund.
Naro 139. 141.
Nase, Fleck über der — 173; — oberstes Vermittlungs-
organ 173.
Nebenarterie 196.
Nebenmensch 173.
Nepal 138.
Nichtigkeit 171.
Öl, —handel 200.
v. Oldenburg 145. 147. 170. 175.
Opfer, -gäbe 145. 146. 163. 169; zwölf Jahre lang -Objekt
178; -fest 179. 180; für die Umä 185, für ein Bild
des Avalokitecvara 192; Streu— 198. 213; — dem yogi
199; anleiten zum — 208; König opfert 211.
Orissa 177. 215.
orthodox 146.
Peitsche, s. Schlange.
Pfau 206 (Fig. 4 a); -federn 150.
Pfeil 149; -regen 162.
Pferd, Tripitaka auf — geladen 157; — bekommt die
siddhi 221.
Pflug 191.
Pfühl 159; aus campaka 199.
Pope 142.
Präparieren 221.
Predigt, predigen 149. 152. 156. 157. 158. 159. 160. 161.
165. 167. 169. 175. 178. 183. 184. 190. 196. 200. 211.
218. 219; däkini — 176; vom Himmel 186. 216.
Probe, ob Kaste gut oder schlecht 148; ob einer Brannt-
weintrinker durch kochende Butter, geschmolzenes
Metall, auf der Wage, durch Wasser 150; —, ob wür-
dig 166.
Prüfung 147.
prügeln 168. 179. 198. 202.
Quecksilber 221.
Rad des samsära 174. 201; (cakra)206 (Fig. 4). 225 (Fig. 9).
Rasselstab 178; Abbild. Pander, Pantheon p. 109, Nr. 8
(Veröffentl. d. Kgl. Mus. f. Völkerk. 1, Heft 2/3).
Räuber 147. 155. 160. 161.
rechts, Droge rollt nach —: Segenszeichen 221.
Recitation 184.
Regen, s. Blumen, Brot, Korn, Edelstein, Pfeil, Stein,
Teppich, Wasser; - kommt nicht zur rechten Zeit 163;
- aus fünffarbigen Wolken 194; - von kostbaren
Dingen 212; -bogen 173.
rein, schmutzige Kleider werden von selbst — 174.
Reis, -brei 165. 193; von -breiessen schwach werden
213.
Renommist 181.
18
138
HANS JÖRGENSEN
Reverenz, einem Götterbilde 146; älterer Bruder macht
dem jüngeren nicht - 146; vor der Almosenschale
145; dem äcärya 166; Baumgottheit tut — 166; 168.
181. 193. 198. 203. 206. 222.
Rind, yogT hütet die — 154.
Rosenkranz zerreißen 145. 147; däkinl gibt einen — 145.
Rübensuppe 151.
Rücken, äcärya auf dem Rücken tragen 162.
Ruf, dröhnender — 151. — Die Erklärung, worauf in der
Anm. verwiesen wird, ist unrichtig: es ist in Wirk-
lichkeit „Übertragung eines präzis ausgesprochenen
Gedankens anf weite Entfernung“.
Ruß, s. Kohle.
Salben 216.
Salz 167.
Sänger 147 f.
Schädel als Gefäß 171. 175; Schädelschale (cukti) 208
(Fig. 5), Tantragerät 227 (Fig. 10).
Schaf, s. Hexe.
Schakal 169.
Schatz, eine der acht siddhis 215.
Schergen 154.
Schiefner 138. 170. 183.
Schießkunst 149 (magische).
Schimpfen 219.
Schirme, siddhi der - 165; - schweben über dem Haupt
eines guru 203; s, Himmel, damaru.
schlafen, Umä schläft bei der Unterweisung durch Ma-
hecvara 152; allein - 158. 177. 215; bhiksu immer
voll Schlaf 183; -, statt lernen 184; großer Schläfer 195.
Schlange, Gift— als Peitsche 148; — kommt unter einem
Bilde des Avalokitecvara hervor 161; s. Schwert.
Schmied 188.
Schmucksachen, die sechs - 208; Abbildung davon 206 ff.;
überirdischer Schmuck eines siddha 159.
Schnecke (caiikha) 206 (Fig. 4 a).
Schnippchen 145.
Schreiber 163. 170.
Schuh, —macher 159. 160; —flicker 217; Zauber— 222.
Schutzgeister 146.
schwanger, Traum einer — 212.
Schweinefleisch, s. Branntwein; Schweinskopf 208 (Fig.5).
Schwert, siddhi des — 160. 161; Schlange verwandelt
sich in ein — 161; — aus dem Munde holen 203. 227
(Fig. 10); Zauber— (eine der acht siddhis) 215.
sechs Sinne, Sinnesorgane 167. 168. 174. 219; sechs
verkehrte Handlungen, — Vollkommenheiten 187; —
heilige Silben 198. 199; — Schmucksachen 208; - Erb-
sünden 160; s. Meditation, bannen, siddhi.
See 145.
Segen, Mund- 145; Zauber- 147; -Spruch 172. 186;
- zu den 3 samädhis der tantramudräs 151. 157, 165.
169. 174. 217; segnen 146; Segnungen 181. 190. 196.
197. 198. 205; vgl. abhiseka.
Senfkorn 173.
Sesam 200.
sieben, Feuer brennt — Tage 148; sich — tälas in die
Luft erheben 167. 174; — Tage am Himmel sitzen 186;
in — Tagen Meditation vollendet 202; s. Schirm,
siddhi.
Siebenmeilenstiefel (eine der acht siddhis) 215.
Silber, s. Gold.
Sinne, Sinnesorgane, s. sechs.
Sitzpfühi eines Götterbildes geht auseinander 146.
Sklave 177.
Smaragd 214.
Sonne steht still I46; — zum Pfand gegeben 146. 147;
— hat ihren Glanz verloren 163; - und Mond auf den
Schultern tragen 212; — und Mond verstecken sich
214; auf strahlen gehen 223 (Fig. 2 b); s. Götter.
Speichel, Blindheit durch — geheilt 185.
Speise, überirdische - 159; Speisereste 197. 219; keiner
— bedürfen 201.
Spuk 159.
Stadt, zauberhafte — 146.
Statue des Mahädeva 146; s. Stimme,
stehlen 160; Gemüse 169.
Stein, —regen 163; — der Weisen 186; ärya in — ver-
wandelt 194; s. Fuß, Bild.
Stimme aus dem Sitzpfühl des Mahädeva 146; vom
Himmel 189; der Vögel verstehen 198; - aus einem
Baum 166.
Strafe für die Lüge 167; Schlafsucht, eine — 195; als
Vogeljäger geboren, eine — 196.
Sturm, bhütis senden einen — 162.
Sünden, Reinigung von - 171. 199; - verschwinden 195.
Tanz 148. 153. 217; - mit abgeschnittenen Köpfen 203;
— am Himmel 208; -mädchen 215.
Tauben 145.
Tempel 198; Tempelchen mitten im Wasser 152; buddh.
— 161; Tempeldienst 170. 215; — bauen 202; Kloster-
— 183. 184.
terminieren 144. 170.
Thron eines Gottes zerbrochen 147.
Tibet 137.
Tiger, auf einem — reiten 148. 225 (Fig. 9).
Tilli 139. 141.
Tinktur 206.
Ti-tsang 137.
Tod, Mittel gegen den — 159. 215,
Topf, zerbrochener 203.
Töpfer 200 f.; —rad 174. 201.
Totenacker 151; vgl. Leichenacker,
töten, durch Zauberformeln 165.
Traum 145. 146. 147; däkinT gibt im - Bescheid 190;
— einer Schwangeren 212.
Trinität 172.
Trinknapf aus dem Kopfe der Frau 208.
Trommei, ungespannte - ertönt 103. 227 (Fig. 10); s.
damaru.
Tropfen, upade'ca des — 190; Parabel vom in der
Gußrille 168.
Turfan 138.
Übung 147. 158. 161. 172. 173. 178. 203. 208.
überirdisch, -weltlich 212. 218.
Uchtomskij 139.
Umwandeln 156. 157. 161. 168. 216; vgl. pradaksina.
unhörbar 155.
unrein 171.
unsichtbar werden 146. 157. 160. 167. 197.
unsterbiich 155; Unsterblichkeitstrank 144. 162. 163.
Unterricht, Unterweisung 150. 151. 160. 172. 188. 191.
200. 212. 222; Mahecvara gibt der Umä — 152; — für
die utsakrama- und sampannakramastufe 196. 201;
vgl. auch upadeca.
untersinken, im Wasser nicht - 147. 148. 164.
Urin, s. verwandeln,
verführen, s. Hetäre.
INDICES ZU GRÜNWEDEL, DIE GESCHICHTEN DER V1ERUNDACHTZIQ ZAUBERER
139
Verkörperung 146. 148. 151. 158. 163; — der mahä-
mudrä 158.
Verwandlung, Waren in Kohle 155; Schlange in Schwert
161; Berg in Gold, Eisen, Kupfer 162; Baumstamm
in Elefanten 162; Brahma in brähmana 163; Krsna-
cäri in Wolf 164; Mahjucn in einen Fischer 166;
Urin in Lebenselixir 166; Hexen in Schafe 177; Hün-
din in eine däkinT, Knabe in Donnerkeil, Branntwein-
flasche in Qebetglocke 194; bhiksu in Samvara 194;
bhiksu in Stein 194; däkinT in Mädchen 204; Avalo-
kifft9vara in Bettler 212.
vier Geburlsarten 165; — dvTpas 177. 193; — üble Dinge
193; — Vergnügungen 194; — maßlose Tugenden 211.
221; — Vajräsanas 206.
vierundachtzigtausend Städte 162.
de Visser 137.
Vogel, —Jäger 196; Stimme der Vögel verstehen 198;
vgl. kokila, harpsa.
Vollendungstufe 173. 189.
Vorboten, -Zeichen 163. 212.
Wage, s. Probe.
Wahrheitsbeteurung 155.
Wahrspruch 155.
Wallfahrtsort 195.
Wäscher 174.
Wasser durchschreiten 145; bhutis lassen — kommen
162; — vertrocknet 176; Erdgöttin läßt - kommen 177;
— aus dem Boden 194; Tantra—, Zauber-, 201; —regen
213; —blase auf der Hand 205; —kanne 227 (Fig. 10).
s. untersinken, Probe, Milch.
Weber 158. 164. 165.
Weg des äcärya mit Tüchern belegen 157; - verfehlen
220.
Weib als mudrä 148; — als 9akti 148; — eines guru 151;
zauberkundiges — 165; - geben aus Verliebtheit einem
Mönch gutes Essen 166; - (Königin) bannt 186; -
meditiert 202; erlangt siddhi 203. 204. 209. 211; _
wird VajravärähT 194; s. padmim, Hetäre, Hexe,
Branntwein.
Weihe 143.
Weihrauch 157; —händler 154.
Weihwassergefäß, s. kalä9a.
Wild, durch Zauber entstandenes — 185.
Wiedergeburt, üble — 218. 220; als preta 213; s. Hölle.
Wissensgebiet, Wissenschaft, fünf — 156. 161. 183. 192.
Wolf, -geheul 170; s. verwandeln.
Wolke, s. fünf; bunte — 227 (Fig. 10).
Wundergeburt 165; —kraft 222.
Wunschedelstein 202.
Würfelspieler 179.
Yak, —weibchen 148.
Zahn, däkinT erkennt an den Zähnen Charakter 200.
Zauber, - bild 149, vgl. Bild; -Spruch, -formel 165.
169, vgl. dhäranT; -kraft, —macht 149. 155. 176. 183;
-leib 201; -blick 165; verdienstlicher — 150; Zau-
berer, —mann, -meister 149. 160. 166, vgl. siddha;
-segen, vgl. Segen, abhiseka, upade9a; -kreis 172,
Anm. I. vgl. mandala; s. auch Alligator, Hirsch,
Wild, Schuh, Schwert, Wasser,
zehn nicht verdienstvolle Dinge, - Tugendverdienste 149;
— Kapitel der Ordnung des guten Benehmens 184.
Zeichendeuter 143.
Zeigefinger, mit erhobenem - meditieren 144; - sprengt
Felsen 177.
Zelle 145.
Zorn 145. 168. 201. 219; s. Götter.
Zunge, pflügen der - 167.
Zutat, fünf kostbare — 200.
Zweifel 145. 147. 151. 192. 202. 205.
zwölf bhutis 162; — Jahre üben 163; — Jahre im Fisch
152; — Jahre Knecht 178; - Jahre Opferobjekt 178;
— Jahre Hungersnot 213; s. Meditation, Bannen.
MUSEUMSNOTIZ.
EIN BILD ZUR SUMAGADHALEGENDE.
VON HANS JÖRGENSEN.
Auf den alten Denkmälern der buddhistischen Kunst
finden sich nicht selten Darstellungen buddhistischer
Legenden, deren hohes Alter dadurch erwiesen wird.
Die Bestimmung dieser Darstellungen ist wegen der
vielfach mangelhaften Erhaltung und wegen des Fehlens
entsprechender Texte oft recht schwierig. Ein wertvolles
Hilfsmittel dabei bilden die lamaistischen Darstellungen
aus späterer Zeit, die aber leider wenig bekannt und
schwer zugänglich sind. Das Museum für Völkerkunde in
Berlin besitzt eine Reihe solcher Bilder, aus denen im fol-
genden eine Darstellung der Sumägadhälegende be-
kannt gemacht werden soll. Außer der Ausbeute für die
archäologische Forschung3) zeigt das Bild, daß die
Tradition von den alten Kämpfen zwischen Jainas und
Bauddhas sich noch bis in späte Zeit erhalten hat.
Außerdem gibt es eine Reihe authentischer Darstellun-
gen buddhistischer Heiliger.
Das Bild2) zeigt die gewöhnliche Form lamaisti-
scher Tempelbilder, wie sie z. B. bei Bergmann3)
oder Pozdnejev4) beschrieben sind. Es ist ohne den
Rand 74 cm lang und 45 cm breit, und mit einem gel-
ben Seidenvorhang bedeckt. Die Mitte nimmt eine
große Buddhafigur ein; um sie herum sind rechts in
der Mitte anfangend die einzelnen Szenen der Legende
gruppiert. Berücksichtigt ist hier nur der obere Teil,
der in der Hauptsache den wichtigsten Abschnitt der
Legende, die Erscheinung Buddhas und seiner Jünger
darstellt.
Zur Erklärung des Bildes sind folgende Werke,
die die Legende enthalten, benutzt worden:
Tokiwai: Untersuchungen zum Sumägadhavadäna,
Straßburger Dissertation 1898/’) Enthält p. 10 f. eine
Inhaltsangabe der Legende.
Schiefner: Eine tibetische Lebensbeschreibung Cä-
kyamunis; Mem. de l’Acad. de St. Petersb. VI. 3,
p. 283 ff. Der tibet. Text der Erscheinung Buddhas
daselbst p. 325/) 1 2 3 4 5 6
1) Die S.-Legende ist z. B. dargestellt auf einem
Bilde aus Chines. Turkistan bei Grünwedel, Altbud-
dhistische Kultstätten in Chinesisch-Turkistan, Berlin
1912, Fig. 382, s. auch p. 139, 168.
2) Kat. Nr. 1 D 24943 der ostasiatischen Abteilung.
3) Nomad. Streifereien unter den Kalmücken, Riga
1804-5, III, p- П7.
4) Очерки быта буддшскихъ монастырей... въ Монголш.
СПБ 1887; р. 62.
5) Die als Anhang gegebenen Übersetzungen dreier
chines. Versionen sind wegen ihrer starken Abweichun-
gen nicht berücksichtigt.
6) s. auch Bull. hist. phil. de l’Acad. de St. Pet. V,
Ksemendra: Bodhisattvävadanakalpalatä, Sanskrit, u.
tibet. herausgeg. v. S. S. Das u. Vidyäbhüsana, Bibi.
Ind. Calcutta 1888—1910. Die Sumägadhälegende
steht Kap. 93; Bd. II, p. 861 ff.1)
Außerdem verdanke ich Herrn Professor Qrün-
wedel eine Reihe wertvoller Fingerzeige.
Das Bild geht, wie die Abweichungen zeigen, auf
eine andere Tradition zurück als die uns vorliegenden
literarischen Fassungen der Legende.2) So ist in diesen
die Zahl der Jünger eine bedeutend größere, und auch
in den Attributen derselben besteht keine völlige Über-
einstimmung.
Der Inhalt der Legende ist kurz folgender; Sumä-
gadhä, Tochter des Anäthapindika, wird an Vysabha-
datta, einen Anhänger der Jaina-Religion verheiratet.
Der Anblick der nackten Jainamönche im Hause ihres
Gatten widert sie an, und sie schildert im Gegensatz
dazu ihrem Gatten und seiner Mutter die Herrlichkeit
des Stifters ihrer eigenen Religion. Von ihnen auf-
gefordert, ihn einzuladen, steigt sie auf das Dach und
fleht Buddha um sein Erscheinen an. Am nächsten
Morgen kommt Buddha mit seinen Jüngern durch die
Luft fliegend an. Sumägadhä schildert dabei ihrem
Gatten und seiner Mutter auf ihre staunenden Fragen
jeden einzelnen und nennt ihn beim Namen. Sie werden
ehrerbietig empfangen, Buddha verkündet das Gesetz
und alle Einwohner der Stadt werden bekehrt.
Auf dem Bilde sitzt links unten die Sumägadhä
(„bzan-mo“, vgl. Ksemendra Vers 8: ma-ga-dha bzafi-
mö) und bedeckt sich aus Scham das Gesicht beim
Anblick zweier fast unbekleideter Gestalten, die durch
die jatä als brahmanische Büßer gekennzeichnet
sind. Dieser Widerspruch zu der Legende erklärt sich
wohl aus der späten Zeit des Bildes, wo man keinen
genügenden Unterschied mehr zwischen den einzelnen
nicht-buddhistischen Sekten machte.3) Die Beischrift
p. 93, Anzeige von Böhtlingk, wo p. 94 Anm. der tibet.
Titel gegeben ist.
1) Die Legende findet sich auch im Kanjur; mDo,
Am 4 des Berliner Exemplars.
2) Diese gehen, was den uns hier interessierenden
Teil angeht, offenbar auf eine bildliche Darstellung zu-
rück, worauf schon Schiefner a. a. O. aufmerksam
macht.
3) Vielleicht spielt auch die häufige Verwechslung
von tlrthahkara mit tirthika hinein; so z. B, im Sam-
bhalai lam yig; s- Grünwedel, Der Weg nach Sam-
bhala, Abh. Kgl. Bayr. Ak. Phil. Hist. XXIX (1915), 3;
Index 1, sub v.
„me-bu“ ') wäre = Agni-
putra, vielleicht als Name
des einen Büßers gedacht.
Die Texte geben keine
Namen für die Mönche. Die männliche
Gestalt neben der Sumägadhä ist offenbar
ihr Gatte; beide tragen Goldschmuck im
Haar.
Darüber steht auf dem Dache des
Hauses die Sumägadhä in betender Stel-
lung; vor ihr steht ein Tischchen mit einer
Schneckentrompete (scnkha) und einem
Räuchergefäß.
Den Hauptteil des Bildes nimmt die
ErscheinungBuddhas und seiner Jünger ein.
Zunächst erscheint Säriputra auf einem
mit Löwen bespannten Wagen fahrend.
Seine Kleidung ist gelbrot und rot-); die
Hände sind vor der Brust mit den Dau-
men zusammengelegt, die Handflächen nach
vorn.1 2 3) Die Farbe der Löwen ist weiß,
Mähne und Schwanz rot mit Gold. Bezeich-
net ist er: ,,sa-ri-busein gewöhnlicher
tibetischer Name ist sa-rii-bu.4)
Links von ihm reitet auf einem Ele-
fanten Maudgalyäyana. Die linke Hand hat
er erhoben, die rechte, die auf dem Halse
des Elefanten ruht, ist ausgestreckt, die
Handfläche nach vorn, der Daumen recht-
winklig eingebogen. Bezeichnet ist er;
1) Das me allerdings undeutlich.
2) Ebenso ist auch die Farbe der Kleider
r anderen Jünger und der drei Arhats; sie
rd daher weiterhin nicht besonders er-
hnt.
3) Über die buddhistischen mudräs
¡he Brandes, Een buddhistisch monks-
eld, TTLV. 48 (1906) p. 37 ff.
4) Grünwedel, Mythol. des Buddh.
222a. Schiefner hat sä-rii bu.
142
MUSEUMSNOTIZ
„mau-ga-la“, die gewöhnlich Form ist: mou-dgal-
gyi bu.1)
Weiter links fährt auf einem mit Pferden bespann-
ten Wagen ein Jünger ohne Bezeichnung. Die linke
Hand ruht auf dem Knie, die rechte ist erhoben, die
Handfläche nach vorn, Daumen und Zeigefinger ein-
gebogen. Nach der Inhaltsangabe der Legende bei To-
kiwai fährt Udäyin auf einem Wagen mit Pferden.
Hinter Säriputra fährt auf einem mit Gänsen be-
spannten Wagen mit kastenähnlichem Aufbau ein Jün-
ger, der in der linken Hand einen Rasselstab (khak-
khara), in der rechten eine Salbflasche trägt. Bezeich-
net ist er: „ka-tai-buu. Damit ist offenbar Katyayana
gemeint, dessen tibetischer Name Schief ne r als kä-
tgai bu, S. S. Das'-') als ka-tgai bu gibt. Nach den mir
vorliegenden Fassungen der Legende fährt dieser in
einem goldenen Palast3) oder einem kristallenen vi-
mäna.4) Hamsas (nan-ya) sind bei Schiefner das Ge-
spann des Pilindavatsa, bei Tokiwai fährt er mit
Schwänen.
Dahinter fährt auf einem mit Stieren bespannten
Wagen ein Jünger mit der Bezeichnung „gaii-po“ =
Purna. Die Hände hält er in derselben Stellung wie
Maudgalyayana. Nach den benutzten Quellen sind Stiere
das Gespann des Kosthila, während Purna auf einem
Luftwagen (nam-mka-ldin-gi sin-rta) fährt5) oder auf
einem Garuda reitet.6)
Links oben in der Ecke sitzt in einer Höhle Ma-
häkäsyapa. Seine Hautfarbe ist dunkel, das Obergewand
hat er wie eine Kapuze über den Kopf gezogen; die
Hände bilden die dhydnamudrä. Die vorliegenden
Versionen lassen ihn auf einem goldenen Berge sitzen.
Bezeichnet ist er; „,od-bsruns-ccen-po“. Die gewöhn-
liche Namensform für Käsyapa ist .od-srun.7)
Rechts von ihm sitzt auf einem Teppich, von Bäu-
men umgeben, ein Jünger mit der Bezeichnung „ma-
ngas-pa“, offenbar ein Fehler für ma-0gags-pa = Ani-
ruddha. Die linke Hand ist erhoben, die rechte ruht
ausgestreckt, den Rücken nach vorn, auf dem Knie.
Bei Schiefner und Ksemendra8) sitzt Aniruddha auf
1) Gtunwedel 1. c. p. 232b. Schiefner 1. c. hat
maud-gal-gyi-bu, Ksem. Vers 64: mau-gal-bu.
2) Dictionary, p. 4 a.
3) Schiefner 1. c.; Tokiwai, p. 10.
4) Ksemendra, Vers 71.
5) Schiefner 1. c.
6) Ksemendra, Vers 66.
7) Grunwedel, Mythol. p. 228b.
8) Vers 65.
einem goldenen Lotus, bei Tokiwai1) in einem gol-
denen Palast.
Unter Purna sitzt auf einem Teppich „rta-t'ul“ =
Asvajit. Hinter ihm steht eine großblättrige Pflanze. Er
ist ganz in ein rotes Gewand gehüllt, das auch die
Hände bedeckt. Die benutzten literarischen Quellen
weichen hier wieder ab: bei Schiefner fährt Asvajit
auf einer Wolke, bei Tokiwai wandelt er ruhig, eine
Almosenschale haltend. Ksemendra1 2), der ihn Esya-
jit nennt, gibt kein Vehikel an.
Hinter seinen Jüngern erscheint Buddha, von Göt-
tern umgeben. Seine Hautfarbe ist golden, das Haar
schwarz. Sein Kleid ist von derselben Farbe wie das
seiner Jünger (Oberkleid rotgelb, Unterkleid rot, Gürtel
grün). Die rechte Hand ist ausgeslreckt, der Daumen
eingebogen, die Handfläche nach vorn; die linke ist
erhoben, Daumen und Zeigefinger zusammengelegt.'1)
Links von ihm schreitet Brahma („fsan“ für fsans-pa).
Seine Körperfarbe ist braun, seine Hände bilden vor
der Brust eine mudrd. Das Lendenkleid ist rot mit
blauem Rand, das lange, schmale Obergewand ist grün.
Das dünne anschmiegende Unterkleid (in der traditio-
nellen fehlerhaften Darstellung) ist mehrfarbig. An der
rechten Seite seines Kopfes sind noch zwei Gesichter
im Profil zu sehen, an der linken eins. Rechts von
Buddha folgt Satakratu („rgya-byin“ für brgya-byin),
einen Schirm über ihn haltend. Seine Hautfarbe ist
weiß, seine Kleidung gleich der des Brahma. Hinter
Satakratu kommt ein Gandharva, bezeichnet „dri-za-
zur-p'ud“. zur-pcud, eine Abkürzung für zur-p‘ud Ina-
pa, ist nach mündlicher Mitteilung von Professor Grün-
wedel = Pancasikha, wie z. B. die zweisprachige Aus-
gabe der Manjusnnämasamgiti (S. 35 Kgl. Bibliothek,
Berlin) zeigt/) Er spielt eine Laute, sein Oberkleid ist
rot, das Lendentuch, soweit sichtbar, gelbrot. Rechts von
ihm folgt in tanzender Stellung Kämadeva („Odod-lhau),
eine Flöte spielend. Das Obergewand ist rot, das Len-
dentuch gelbrot mit grünem Rand, das Untergewand
wie bei Brahma. Die vier Götter tragen reichlichen Gold-
schmuck. Um Buddha fliegen in der Luft drei Arhats.
Die Kleider der Personen, sowie die Wagen und
die Höhle des Käsyapa sind reich mit Gold verziert.
1) p. 11; nach Tokiwai sitzt Nanda in einem „Park
mit Vogelsang“.
2) Vers 67. 3) Vgl. Brandes 1. c. p. 40.
4) Die Angabe bei S. S. Das, Dictionary p. 1196b
= Vahcatlra (!) ist ein Irrtum (Druckfehler?). Vgl. zur
Sache auch E. Schlagintweit, Die Könige von Tibet,
Abh. Kgl. Bayr. Ac. W. 1 CI. X, 111, 1866, S. 26-7 und
A. H. Francke, JAsSoc. Bengal N. S. VI, S. 397.
npp i FPiRA-KULT IN SEINENVERSCHIEDENEN FORMEN
AN DER WESTAFRIKANISCHEN KÜSTE.
MIT EIGENEN PHOTOGRAPHISCHEN AUFNAHMEN
VON
CARL SPIESS
MISSIONSSEKRETÄR, FRÜHER MISSIONAR IN WESTAFRIKA.
. de Tatsache ist, daß über den Legba-Kult, dem wir auf Schritt und Tritt
Eine au a en westafrikanischen Küste begegnen, verschwindend wenig Material
bistuT veröffentlicht worden ist. Die Werke über westafrikanische Religionsgeschichte, die
rLnte stehen erwähnen kaum den Namen dieses Kultes, oder sie streifen ihn nur
™r Z“So darf diese Abhandlung ohne Zweifel als die eingehendste über den Legba-Kult be-
irachtet werden. ^ Dörfer ^ Goldküste, des Togogebieies und in Dahome wan-
der auf Buschwegen und Plantagenniederlassungen sich befindet, wird immer wieder
7’ mannigfaltigsten Lehmfiguren, gewöhnlich menschliche Gestalten darstellend, stoßen.
. nich, weniger wird er sie wahrnehmen, wenn er in Hütten der Eingeborenen sich um-
ht Damit kann gleich gesagt werden, daß nach den verschiedenen Plätzen, wo Legbawo
h h Sing legbawo Flur.) errichtet und aufgestellt werden, in gewissem Sinne die äußeren
Formen der’Legbawo sich ändern, was die der Abhandlung beigegebenen Bilder zur Genüge
^Rteheute ist man sich noch nicht klar über die Bedeutung von „Legba“. Da es kein
Fwewort sein soll so Ist die Erklärung: „le-fangen, gba = zerbrechen“ nicht stichhaltig. Ob-
Ewewor Fine-eborene an der eben gegebenen Erklärung festhalten, so muß doch
—<*•
7 Yoruba haben, aber dort der gleiche Ewe-Name dafür gebraucht werden soll. Eine
ndere Auskunft besagt: legba ist ein Yoruba-Wort und bedeutet: dzogbevöe = böses Schick-
sal Unglück Damit ist im allgemeinen die Tätigkeit der Legbawo gekennzeichnet: das Übel
und Böse entweder fernhalten oder herbeiführen. Schwieriger ist die Frage, ob der Legba
als Gottheit oder nur als Fetisch zu betrachten ist. In Yoruba soll Legba als einer der Stadt-
götter gelten. 3
Eine Erzählung der Ewe-Neger Westafrikas läßt darauf schließen, in Legba einen Diener
der Yewe-Gottheit zu erblicken, wodurch er gewissermaßen als Bindeglied zwischen der Götter-
welt und den Menschen betrachtet werden kann. Nur so erkläre ich mir auch die ungeheure
Verbreitung des Legba-Kultes und die eifrige Verehrung durch Opfergaben an die mancherlei
Legbawo. Jene Erzählung lautet; Eines Tages brach eine große Hungersnot über die Länder
herein: kein Mensch fand Essen und keiner hatte Geld, etwas zu kaufen. Da machte sich
Legba auf und ging zu Awleketi, einem der Yewe-Götter, daß er ihm Geld gebe; was er auch
tat Als Legba zurückkam, fragte ihn seine Frau: „Nun, woher denn?“ Legba antwortete; er
komme vom Geldholen bei Yewe. Darauf erwiderte die Frau: „Wie willst du ihm denn das
Geld zurückgeben, wo du keine Arbeit hast!“ Legba warf die Zauberschnur, durch die er
Baessler -Archiv vi, 4/6. 19
CARL SP1ESS
erfuhr, daß er eine Trommel schnitzen solle. Sofort be-
gann er mit dieser Arbeit und hoffte, damit die Schulden
bezahlen zu können. Legba fällte einen Wu-Baum und
stellte daraus die Trommel her. Er schlug die Trommel,
deren Ton lautete: trukpo, trukpo, trukpo, gbe etrukpo.
Awleketi vernahm diese Töne, die ihm so gefielen, daß er
sich aufmachte, ihren Ursprung zu entdecken. Er stieß
dabei auf Legba, den er fragte: wem die Trommel gehöre?
Legba sagte: ihm; er habe sie hergestellt und wolle sie
verkaufen. „Was kostet sie?“ fragte Awleketi: „50 hotu“
(50 Mark), antwortete Legba. „Gut, dann kaufe ich sie“,
entgegnete Awleketi, worauf Legba sagte: „Wenn du mir
das gibst, dann bleibt aber doch noch das, was ich dir
schuldig bin,“ Die Trommel gefiel Awleketi so, daß er
Legba auch die Schuld erließ. Darauf nahm Yewe den
Legba zu sich und setzte ihn zum Städtehüter, sowie Auf-
seher der Götterplätze ein; daher erhält Legba, wenn dem
Yewe geopfert wird, auch stets einen Anteil.
Die am meisten in die Erscheinung tretenden Legbawo
sind die Du-Legbawo, von du = Stadt, die in Städten er-
richteten. Man findet sie dort namentlich auf freien Plätzen
oder beim Eingang in die Stadt oder das Dorf. Die Er-
richtung eines Du-Legba hängt nicht vom Wunsche eines einzelnen ab, sondern es ist das eine
Angelegenheit der ganzen Stadt. Über die Platzfrage, Aufrichtung und Herstellung dagegen
entscheiden nur die Priester und Priesterinnen, insonderheit die Bokpwo (bokp = Zauberer,
Wahrsager). In der Mythologie des Yoruba-Stammes begegnen wir dem Namen Orunga mit
seiner Frau Orisabi, denen die Herstellung der ersten Legbawo zugeschrieben wird.
Ist der allgemeine Wunsch einer Stadt, den Legba-Kult einzuführen, so benachrichtigt man
einen Boko, der sich zur angegebenen Zeit mit seinem Afa (auch Efa), einer aus getrockneten
Fruchtschalen hergestellten Zauberschnur, einstellt. Bei anderen Bokowo findet man einen
Zauberbeutel, der eine Anzahl Palmkerne enthält. Unter allerlei Handbewegungen und Deu-
tungen wirft der Zauberer einige Male entweder die Zauberschnur oder die Palmkerne auf den
Boden, aus deren Lage er seinen Entschluß faßt, der natürlich als Erstes die Notwendigkeit
der Errichtung eines Legba angibt; denn der Boko sieht sonst das Übel über die Bewohner
kommen. Jedem Boko werden magische Kräfte zugeschrieben. So ist er denn auch imstande,
dem Legba Wirkungen zu erteilen, durch die er beim Einfall böser Mächte in den Augen der
Eingeborenen zum Dzo (Zauber) wird. Dzo bedeutet wörtlich: Feuer. In diesem sieht der
Primitive den mächtigsten Zauber. Allen überirdischen Kräften gibt der Ewe-Neger den Namen:
Dzo = Feuerkraft, die niemand anfaßt. Durch den Dzo wird der Legba lebensfähig, wobei
die menschliche Darstellung (2 Kaurimuscheln = Augen, Zähne (entweder von Hunden oder
Schweinen), Bart (Ziegenhaar), Kopfhaar (gewöhnlich Hühnerfedern) bei dem stets in Furcht
lebenden Eingeborenen besonders wirksam ist. Die Stadtältesten richten an den Boko die
Frage, was ihre erste Aufgabe, bevor die Herstellung des Legba beginnen könne, sei. Der
Bokp erwidert: zunächst eine Ziege, dann hotsui hotu 12 = 12 Mark, einen Menschenschädel,
zwei schwarze und zwei weiße Hühner, sowie viel Mehl und Palmöl zu bringen, wobei er be-
tont, daß sein Efa nach nochmaliger Unterredung mit ihm diese Dinge wünsche. Ist das Ge-
wünschte herbeigeholt, wirft der Afakala (Name für Wahrsager und Zauberer) nochmals seinen
Afa, um in der Platzfrage die nötige Auskunft zu erhalten. Der Bokp gibt nun an, wo der
Legba zu wohnen wünsche. Je nachdem kann auch gleich an zwei Orten der Stadt ein Legba
144
1. Du-Legba in Kliko (Goldküsle).
DER LEGBA-KULT IN SEINEN VERSCHIEDENEN FORMEN AN DER WESTAFRIKANISCHEN KÜSTE
errichtet werden. Es hängt dieses von dem Wunsche
des Legba selbst, wie der Afakala vorgibt, ab, denn
ersterer weiß, wo das Übel hereinzubrechen scheint.
Nachdem der Afakala sich nach Hause begeben hat,
ruft der Oberhäuptling am nächsten Morgen die Stadt
zusammen und bezeichnet ihr den Ort, wo der Legba
errichtet werden soll. Im Beisein des Afakala, der
Stadtältesten und einiger bestimmten jungen Männer
(weibliche Personen, außer Priesterinnen, dürfen nicht
erscheinen) wird mit der Arbeit begonnen. Die jun-
gen Leute erhalten den Auftrag, die nötige Erde herbei-
zuschaffen, die, mit Wasser vermengt, zu Lehm ge-
treten wird. Inzwischen ist auch schon als erste Arbeit
ein tiefes Erdloch gegraben worden, worin der Menschen-
145
2. Männlicher Du-Legba, auf dem Wege von Kela nach
Wüte (Goldküste).
schädel (falls der Legba gewünscht hat, ein Menschen-Legba zu werden) gelegt wird. Auf dem
Schädel wird der Legba errichtet. Nach Herstellung desselben schreitet man zur Opfermahl-
zeit. Begehrt der Legba zur Verzehrung eine Ziege — was der Boko dann bestimmt —, so
wird diese vollständig gekocht, in Stücke zerlegt und darüber Dzekple (Mehl und Palmöl ver-
mengt) geschüttet. Bevor die Anwesenden von diesem Mahle nehmen, stellt man dem Legba
den gekochten Ziegenkopf, damit er zuerst davon esse, mit einer Begrüßung an ihn hin. Da-
mit er auch von den inneren Teilen des Kopfes bekomme, werden ihm noch einmal Stücke
der Zunge dargereicht. Daraufhin wird ihm ein Teil vom Dzekple übergeben, etwas davon
auf den Kopf geschüttet und einiges in einer Schale auf den Schoß gesetzt. Hierbei ist zu
bemerken, daß das in der Schale dargereichte Essen nicht nur, wie angenommen wird, als
Gabe an den Legba gilt, sondern auch für die kleineren Übel, die in die Stadt zu schleichen
drohen, hingestellt wird, damit diese vom Legba davon erhalten und so zur Umkehr genötigt
werden. Sollte der Legba noch Hühner begehren, so erhält er auch diese. Bei den Du-Leg-
bawo finden wir männliche und weibliche Formen, da unter ihnen Geschlechtsverkehr statt-
findet. Um die größeren Übel abwehren zu können, werden den Legbawo sehr oft kürzere
und längere Stöcke teils in den Schoß gelegt, teils um sie gestellt. Ist so der Du-Legba
aufgerichtet und mit Abwehrknitteln ausgerüstet, die oft, um ihre Stärke zu vermehren, zu
zwei zusammengebunden werden, dann schickt der Häuptling allen Anwesenden Branntwein
oder Palmwein, worauf dem Bokp sein Lohn: 12 hotu, von den Ältesten ausgezahlt wird.
Danach begeben sich alle in ihre Hütten in der Gewißheit, daß der Legba die Stadt be-
schützen werde. Daß dem Legba geopfert wird, zeigt schon der Vorgang bei Herstellung
eines solchen, denn die ihm dargebrachten Speisen werden immer wieder erneuert.
Dadurch überschreitet der Legba-Kult die niederen
Formen des Fetischismus, mehr aber noch dadurch, daß Ge-
bete an die Legbawo gerichtet werden.
Geht ein Stadtältester an einem Du-Legba vorüber, so setzt
er seinen Fuß auf den Schoß des Legba und spricht:
„Das Böse verschwinde, das Gute komme auf die Erde;
es komme auf den Menschen. Wenn er eine Geldmuschel
gibt, mögen zwei daraus werden.“
Danach wird der Älteste Zusehen, ob noch Wasser in der
Schale ist, wenn nicht, wird er sie auffüllen, um in gutem Ein-
vernehmen mit dem Legba zu bleiben. Ehe die europäischen
Regierungen im Lande waren, wurde kaum ein Legba errichtet,
bei dem nicht ein Menschenschädel herbeigeschafft werden
19*
3. Weiblicher Du-Legba, auf dem Wege von
Kela nach Wüte (Goldküsle).
146
CARL SPIESS
mußte. Heute legt man meistens an dessen Stelle einen Hund in das Erdloch und daneben
in einem kleinen Topfe ein weißes Huhn. Bei einem männlichen Legba (legbatsu) wird ein
Hund und ein Hahn, beim weiblichen (legbanp) dagegen eine Hündin und ein Huhn hineingelegt.
Eine eigenartige Erscheinung ist die, daß der Ewe-Neger die männlichen Legbawo im Norden,
weil von dorther die schlimmsten Übel und Krankheiten kommen, errichtet, während er die
weiblichen im Süden, von woher nur kleinere Übel zu erwarten sind, aufstellt. Der männliche
Legba als der stärkere steht im Norden. Aus dieser Wahrnehmung schließt der Togoer auch
auf männliche und weibliche Übel.
Beim Eintreten des Bösen, das der Legba abzuwehren hat, ist der Eingeborene der Mei-
nung, daß eine Gottheit den Legba-Geist zu vernichten sucht, was am schnellsten durch an-
steckende Krankheiten erfolgen kann. Nach Anschauung des Ewe-Negers stehen Gottheiten
untereinander auch im Kampfe, was die Tatsache bestätigt, daß Ortschaften von früheren
Göttern wissen, die heute nicht mehr vorhanden sind, weil sie ihre Existenzberechtigung nicht
behaupten konnten.
Im Legba-Dienste dürfen keine toten Tiere geopfert werden. Besitzer eines Legba, sobald
sie ihn vernachlässigen, werden erfahren, daß er im Zorn Haustiere: Ziegen, Schafe, Hühner
vernichtet. Diese getöteten Tiere dürfen nicht als Opfer gebracht werden, da ihnen das pul-
sierende Blut fehlt. Das besagt auch eins der Legba-Lieder:
„Tote Tiere nimmt kein Legba,
Ein Legba will kein totes Tier.
Nur wenn das Blut noch warm
Nimmt der Legba es als Opfer an.“
Einem Legba darf kein Schnaps oder Palmwein gegeben werden, da er, betrunken davon,
irgendein Unheil anrichten wird. Insonderheit fürchtet der Eingeborene, daß der Legba dann
die Hexen, die sich namentlich nachts einstellen, übersehen und ihnen den Eingang in die
Stadt freigeben werde.
DZO-LEGBA.
ALLGEMEINE BEDEUTUNG.
Die Dzo-Legbawo erhalten diesen Namen insonderheit darum, weil sich bei ihrer Her-
stellung der Boko verschiedener medizinischer Heilkräuter und Zauber von besonderer Wir-
kung bedient und diese in das Erdloch unter den Legba legt, sodann aus dem Grunde, weil
diesen Legbawo Zauberschnüre umgebunden werden.
Soll ein Dzo-Legba errichtet werden, so bringt man zuerst einen sogenannten Mpdzevi-
Stab, worunter ein oben gegabelter Stock verstanden ist. Diesen spaltet man an vier Stellen,
legt zwei der gespaltenen Stücke in ein weißes Stück Zeug, das dann mit einem Huhn zu-
sammen in das Erdloch getan wird. Will jemand gleich zwei Dzo-Legbawo vor seiner Hütte
errichten lassen, dann wiederholt sich derselbe Vorgang. Diese Geschwister-Legbawo führen
den Namen Nyatikä. Unter dieser Bezeichnung faßt man männliche und weibliche Dzo-
Legbawo zusammen. Der männliche Dzo-Legba heißt Kpodo, der weibliche Atsuwi, beides
Namen, die von den Eingeborenen selber viel getragen werden. -
Den größer geformten Dzo-Legbawo werden Ziegen, den kleineren Hühner geopfert. Die
Opfergaben werden ähnlich wie bei den Du-Legbawo gereicht. Fragt man einen Eingebore-
nen über die Tätigkeit des Dzo-Legba, so gibt er stets die Antwort: nuse le esi, d. h. er be-
sitzt Kraft. Bei einigen Dzo-Legbawo kann man wahrnehmen, daß ihnen eine Anzahl durch-
löcherter Kauris auf den Schoß gelegt werden, außerdem setzt man einzelnen eine mit Mehl-
wasser und Palmöl gefüllte Schale, in der Meinung, daß das Böse dort trinken kann, vor.
Hier sehen wir wiederum, daß nicht alle dem Legba dargereichten Opfer ihm allein gelten.
Die durchlöcherten Kaurimuscheln können zweierlei bedeuten: einmal, daß das Übel, das sich
DER LEQBA-KULT IN SEINEN VERSCHIEDENEN FORMEN AN DER WESTAFRIKANISCHEN KÜSTE
147
heranwagt, vernichtet werden soll, wie es ge-
wissermaßen mit den Kauris geschehen ist,
sodann kann damit auf die Vernichtung des
Reichtums der Feinde des Legba-Besitzers hin-
gewiesen werden.
dzo-leoba-arten.
ADZEDZO-LEGBA (HEXENZAUBER-LEGBA).
Wer sich in der Hütte eines Eingeborenen
umsieht, kann des öfteren eine kleine menschen-
ähnliche Figur, aus Lehm geformt, in einer Ka-
lebasse oder in einer Schale sehen. Manchen
hat man zwei bis drei Hühnerfedern aut den
Konf gesteckt, andere dagegen, die dieses nicht
uT J Zauberschnüre um sich. Wir begegnen damit den Legbaviwo (v, = klein), den
kleinen Legbawo Die Herstellungskosten dieser sind nicht so hoch, so daß sie die meisten Ein-
ohnrenen besitzen können. Da über diesen Legbawo allerlei Zaubereien abgehalten werden.
Ihreibt man ihnen besondere Kräfte zu. Viele dieser kleinen Legbawo sind mit roter Palm-
ölsuppe beschmiert, damit Hexen sie nicht ergreifen können. Legbaviwo werden insonderheit
gegen das Belästigen von Hexen aufgestellt.
AK1TI-LEGBA.
Diese Legba-Art befindet sich namentlich im Besitze von Frauen. Die Wahrsager em-
fehlen sie ihnen da sie den Handel der Frauen günstig zu beeinflussen vermögen. Der
Akiti Leeba wird nicht in Menschenform hergestellt, sondern als einfacher runder Erdklumpen
unter die Legbawo gereiht. Wird im gewöhnlichen Leben gesagt: nyönu ho efawo we legba
(die Frau besitzt einen legba der Wahrsager), so ist damit der Akiti-Legba gemeint. Er soll
auch Krankheiten vertreiben können.
KPONU-DZO-LEGBA.
Er gehört zu den Dzo-Legbawo. Damit ist gesagt, daß sich bei ihm der Boko verschie-
dener Zaubermittel bedient, was nicht bei jeder Herstellung von Legbawo geschieht. Nach
„riesterlicher Vorschrift werden entweder Ziegen oder Hühner, zusammen mit medizinischen
Gräsern als erste Opfergabe unter den zu errichtenden Legba getan, wodurch ihm in erster
Linie der Name Dzo-Legba gilt und dann durch den Ort (kponu, am Zaun, im Gehöfte) den
Namen Kponu-Dzo-Legba annimmt.
Bevor Ziege und Huhn getötet worden sind, werden die einzelnen Zaubergräser zwischen
die Hände gepreßt und der dadurch hervortretende Saft in den Hals des Huhnes geträufelt.
Darauf legt der Boko das Huhn einem Knaben auf den Kopf, wobei er die Worte spricht:
Zerbreche das Böse! Kommen böse Götter, zerbreche sie! Kommen Hexen, zerbreche sie!
Kommen böse Geister, zerbreche sie! Legba, hier dieses Huhn gehört dir, töte es gleich, da-
mit du das Blut trinkst.“
Ist das Huhn durch den Saft getötet, dann wird mit dem Messer auf den Legba und die
Gräser geschlagen. Hierauf wird Mehl mit Palmölsuppe auf das inzwischen gekochte Huhn ge-
schüttet und dieses dem Zauberer und Legba hingehalten, damit sie zuerst essen, bevor die
Anwesenden davon nehmen. Bei der Ziege wird der Saft der Zaubergräser nicht in den Hals
geträufelt, sondern nur das Messer, mit dem sie umgebracht werden soll, genommen, auf sie
geschlagen und danach getötet. Da die Ziege jedes Gras frißt, so würde nach Meinung der
Eingeborenen, der Saft der Kräuter keine tödliche Wirkung haben, daher unterläßt man hier
das Hineinträufeln des Saftes.
148
CARL SPIESS
5. Boko-Kponu-Dzo-Legba (Togo).
Es gibt Eingeborene, die Kräuter kennen, die auch
die Ziegen auf diese Weise töten würden, aber die Zau-
berer sind dagegen, sie anzuwenden.
Dieser Vorgang bei Errichtung eines Kppnu-Dzo-
Legba läßt auf folgende Annahme schließen: ehe der
Legba selbst errichtet ist, werden schon Handlungen
vorgenommen, die dem vollendeten gelten sollen. Darin
liegt, daß der Legba durch Zaubermanipulationen von
seiten des Boko als geistiges Wesen herbeigerufen und
so zwischen ihm und dem Zauberer persönlicher Ver-
kehr gepflegt wird.
Alle, die sich im Besitze eines Kponu-Dzo-Legba
befinden, unterwerfen sich der Zaubermacht des Boko
oder Afakala. Äußerlich bringt letzterer seine über-
natürliche Kraft dadurch zur Geltung, daß er von ihm gekauften Pfeffer auf den Zauber spritzt,
womit er andeutet: wie der Pfeffer dem Boko seine Kraft zeigt, so der Zauber dem Menschen.
Die Kppnu-Dzo-Legbawo bewirken, daß böse Einflüsse vor ihnen umkehren, gefährliche
Zauberer umkommen, Hexen das Blut aus der Nase läuft und ihre Exkremente aus dem
Munde. Die Dzo-Legbawo führen eine Reihe anderer Namen: Negbpgbp la, Fii, Tui, Gbohi,
Trövöwo ne gbohe, gbetsivöwo ne gbohe, deren Bedeutung die ist, daß jegliches in böser Ab-
sicht Herankommende vernichtet werden muß. — Unter den Kponu-Dzo-Legbawo finden sich
Verschiedenheiten in der Ausrüstung und Bekleidung, die auf die soziale Stellung des Be-
sitzers derselben schließen lassen. Die Priester, Priesterinnen, Häuptlinge, Ältesten, Zauberer
und Wahrsager werden ihren Dzo-Legbawo stets ein anderes Äußere geben als die übrigen
Stadt- oder Dorfbewohner. So wird der Boko seinem Dzo-Legba nicht nur allerlei Kleidungs-
stücke anlegen, sondern er wird die Zauberkraft desselben äußerlich dadurch zur Geltung
bringen, daß dem Legba irgendein längliches Eisenstück auf den Kopf gesteckt wird. Um
dem Unglück, das einzudringen sucht, besondere Furcht einzuflößen, wird dem Legba eine
Pfeife in den Mund gesteckt, was anderseits aber auch darauf hinweist, daß der Legba alle
menschlichen Eigenschaften besitzt. Das Anlegen von Kleidern ist nicht nur Schmuck, son-
dern es geschieht meistens auf Wunsch des Legba, der vorgibt, daß ihn sonst friere.
Vor vielen Hütten der Eingeborenen befinden sich zwei Kponu-Dzo-Legbawo, was be-
sagen soll, daß die Besitzer dieser in der Darstellung des männlichen und weiblichen Legba
eine vergrößerte Stärke der Abwehr schädlicher Einflüsse erblicken. Und doch nicht nur
das. Aus einem Gebete an die Legbawo geht hervor, daß der Eingeborene durch die Hilfe
der Kponu-Legbawo (Mann und Frau) die Vermehrung seiner Familie erwartet. Zu übersehen
ist bei diesen Legbawo aber auch nicht der Gedanke, den mir ein alter Ewe-Neger aussprach,
daß der männliche Legba insonderheit die männlichen Übel, der weibliche Legba die weib-
lichen fernzuhalten hat.
SE-LEGBA.
Eine der Gottheiten der Eweer ist Se. Damit ist der Name der Se-Legbawo in Verbindung
zu bringen. Geht jemandes Geschäft nicht gut, so wird er sich überzeugen, daß sein Se
(Schicksal) ihm nicht günstig ist. Er geht zum Wahrsager. Hier wird ihm das Gleiche be-
stätigt. Der Boko sagt ihm: „Du hast wohl Zauber (Dzokawo) zu Hause, aber Legba ist
mehr; dein Zauber kann nur wirksam sein, wenn du ihm Se-Legbawo zur Seite stellst.
Bringe mir eine Kalebasse und rote Papageienschwanzfedern, ebenso 2—4 Hühner und 12 Mark,
daß ich dir einen Se in deinem Hause mache.“ Bringt der Betreffende die gewünschten
Sachen, dann wird der Tag bestimmt, an dem der Se hergestellt werden soll. Der Zauberer
nimmt etwas Erde, spricht darüber einige Worte, und wirft die Asisese-Schnur auf diese
DER LEGBA-KULT IN SEINEN VERSCHIEDENEN FORMEN AN DER WESTAFRIKANISCHEN KÜSTE
Erde. Betreffende Schnur wird nun mit der Erde ver-
mengt und daraus eine kleine menschenähnliche Figur
geformt, die man in die Kalebasse oder in sogenannte
Atasagbewo (Schüssel ohne Untersatz) stellt. Hierauf
wird der Se-Legba mit Hühnerblut bestrichen und ihm
die roten Papageischwanzfedern auf den Kopf gesteckt.
Nachdem so der Se-Legba fertig ist, wird ihm das üb-
liche Fetischessen (Mehlbrei und Palmölsuppe) vorge-
setzt oder über ihn geschüttet, damit auch ihm sein
Teil vom Essen werde. Auch vom Hühnerfleisch wird
dem Legba gegeben, was aber bald darauf von den
Opfernden selbst verzehrt wird. Der Boko empfiehlt dann noch, dem Se-Legba einen euro-
päischen Schirm beizugeben und einige Kauris auf die Schale oder in die Kalebasse zu tun.
Beides soll auf einen erträglichen Handel hinweisen: der Schirm, damit Reichtum aus Europa
komme und der Besitzer des Legba Gewinn davon habe, Kauris als Geldwert, daß er damit
handle. Der Boko übergibt den Se-Legba mit den Worten: „Hier hast du deinen Mawu (Gott).“
Jährlich muß dann der Besitzer ihm opfern, damit sein Geschäft guten Erfolg hat. Bemerkens-
wert ist, daß bemittelte Eingeborene andere Opfer ihrem Se-Legbawo reichen als ärmere.
Letztere halten sich namentlich an Hühner. Die zu opfernden Tiere erhalten den Namen :Se-Läwo
(Se-Tiere), wie Se-Gbö = Se-Ziege; Se-Koklo = Se-Huhn. Wir begegnen Bokowo, die vor-
geben, die von ihnen hergestellten Legbawo beanspruchen als Opfergaben namentlich Tauben.
Bei Herstellung der Se-Legbawo, die zu den Legbaviwo gehören, wird viel Palmwein ge-
trunken, getrommelt und getanzt. Der Boko selbst setzt die Se-Legbawo in die Hütte und
legt dem Besitzer das tägliche Gebet an die Legbawo ans Herz. So viel Se-Legbawo einer
wünscht, werden vom Boko hergestellt.
AKPASE-LEGBA.
Akpa (Schicksal), Se (Gottheit).
Bei diesem Legba handelt es sich um Vertreibung von Hexen und bösen Mächten, sei
es, daß sie den Hausherrn oder dessen Angehörige quälen. Wünscht jemand einen solchen
Legba, so hat er zuerst eine Ziege zu bringen. Danach sorgt er für eine größere Kalebasse,
sucht einen Bohrer, mit dem eine Anzahl Löcher in die Kalebasse gebohrt werden, verstopft
diese mit Maismehl und umbindet sie. In diese Kalebasse kommt der hergestellte Legba, in
dessen Kopf eine Nadel gesteckt und um die eine Zauberschnur gebunden wird. Bevor man
nun an das Töten der Ziege geht, nimmt der Hersteller des Akpase-Legba eine Nadel, ruft
dann laut den Namen irgendeines Bekannten und schluckt dabei die Nadel über. Nach Ver-
schlucken der Nadel bringt man die Ziege dem Legba, damit er sie töte. Mit dem Blute be-
sprengt man den Legba und die Kalebasse. Ehe nun mit dem Zerlegen der Ziege begonnen
wird, singen die Anwesenden: ^ wird ^ seht ^
Akpase wird essen, seht zu!“
Die Galle der Ziege wird, mit Mehl und Öl vermengt, geknetet und dann über den Legba ge-
gossen. Nach Anschauung der Eingeborenen wird jeder, der davon ißt, zur Hexe. Danach
wird der Akpase-Legba nochmals reichlich mit Palmöl begossen. Ebenso beschmieren die
Hausbewohner sich damit, wodurch es Hexen und bösen Geistern unmöglich ist, sie zu er-
greifen. Jetzt wird jedesmal der, über dem das Verschlucken einer Nadel geschieht, von
Akpase getötet werden. Auf diese Weise sind schon viele Eingeborene aus der Welt geschafft
worden.
150
CARL SPIESS
Wer einen Akpase-Legba besitzt, kann sehen, wie
dieser Hexen, die in der Nacht auf Essen ausgehen, er-
greift. Dabei ist der Eingeborene der Gewißheit: wer
den Hexen verspricht, daß er sie nicht töten werde,
dem werden sie zahlen, was verlangt wird. So erklärt
sich der Besitzer des Akpase-Legba das gute Verhält-
nis zwischen ihm und den Hexen.
YEWE- (AYEWE-) LEGBA.
Bevor jemand in ein Yewe-Gehöft tritt, findet er
gewöhnlich zwei Legbawo vor dem Eingang: den männ-
lichen Hebieso- und den weiblichen Agbui-Legba, die
der Eingeborene kurz als Yewe-Legbawo bezeichnet.
Sie gehören zu den Dzo-Legbawo. Es war früher bei
Errichtung eines Yewe-Legba durchaus nötig, daß er
auf einem Menschenschädel aufgeführt wurde. Es durften aber nur Schädel der vom Blitz Er-
schlagenen sein. War ein solcher zur gewünschten Zeit nicht vorhanden, dann genügten
auch Menschenknochen.
Ist jemand vom Blitz erschlagen worden, so glaubt der Ewe-Neger, daß es von der
Yewe-Gottheit Hebieso, auch So genannt, geschehen sei. Diese Toten dürfen nur von den
Yewe-Priestern beerdigt werden, wobei der Kopf vom Rumpf getrennt wird. Die Schädel
werden dann an besonderem Orte in Nogokpo aufgehoben. Früher standen sie dort vor dem
Yewe-Gehöfte, wo sie Schreiber dieses bei seinem ersten Besuche noch vorfand. Auch unter
den Yewe-Legbawo gibt es verschiedene Formen. Einen einzig in seiner Art mir entgegen ge-
tretenen Yewe fand ich in Nogokpo im Some-Distrikt der Goldküste.
Dieser Legba war gerade neu errichtet worden, als ich mich an jenem Orte, der von nur
wenig Europäern bis heute besucht worden ist, befand. Aus der Form stellte ich fest, daß es
sich um einen Agbui-Legba handelte. Agbui ist eine der Yewe-Gottheiten, weiblicher Art. Die
weißen Punkte auf dem Legba sollen neben dem Zeichen der Gerechtigkeit namentlich die
7. Yewe-Legba in Nogokpo (Godküsle).
Furcht vor demselben erhöhen.
Der Yewe-Kult, der sich in seinen mancherlei Formen wesentlich von den übrigen Reli-
gionen auf der Goldküste unterscheidet, hat vielerorts seine
eigenen Legba-Darstellungen, obgleich der Beobachter an
den vor dem Yewe-Gehöfte aufgestellten Legbawo mei-
stens wenig Unterschied von anderen bemerken wird, nur
daß stets • irgendein Abzeichen einer Jewe-Gottheit, ge-
wöhnlich die Yewe-Axt beim Legba vorhanden ist. Be-
sonderen Legbawo dagegen begegnen wir innerhalb
des sogenannten Yewe-Kpome. Das zeigt das Bild der
Yewe-Holiza-Legbawo in Tegbui. Der auf dem Kopfe
angebrachte Stein ist der So-Stein, der von So (He-
bieso) auf die Erde geschleudert werde. Gewöhnlich
werden über die Yewe-Legbawo Dächer errichtet, auf
denen die angebrachten Fähnchen die betreffenden Leg-
bawo bezeichnen: die aus weißem Baumwollstoff weisen
auf männliche, die aus blauem Stoff auf weibliche Yewe-
Legbawo.
8. Yewe-Holiza-Legba in Tegbui (Goldküste).
AWELI-LEGBA.
Aweli = awe (Haus), li von lee (festhalten); das Haus
festhalten, beschützen.
Durch diese Legbawo vor den einzelnen Hütten
oder in den Gehöften soll der ganzen Stadt Schutz
gebracht werden. Bevor ein Aweli errichtet wird, ver-
sammelt sich die ganze Stadt. Bei diesem Legba kom-
men vier Teile in Betracht: Stücke von Menschen-
knochen, ein kleiner Hund, Kauris in einer Schale und
verschiedene Medizinen. Diese werden, bevor der
Aweli errichtet wird, in das Erdloch getan. Die Menschen-
knochen zeigen an, daß die Feinde in Stücke zerbrochen
werden sollen, der Hund gilt hier als Abwehr gegen
gefährliche Tiere, die Kaurimuschel weist hin auf Reich-
tum, der über die Stadt kommen möge, und die Heil-
kräuter sind Gesundheit und Leben bringende Kräfte.
Bei Errichtung der Aweliwo werden gewöhnlich Steine,
Muscheln, Schneckengehäuse, Scherben aller Art in die Lehmmischung getan, um sie wider-
standsfähiger zu machen. Auch bei Herstellung privater Aweli-Legbawo gibt der Boko den
Platz an: sei es in der Hütte, vor der Tür oder im Hofe. Auffallend ist, daß die Eingeborenen
die Aweliwo nicht in menschlicher Gestalt, sondern in einfacher, länglich runder Form auf-
richten. Es soll aus dem Grunde geschehen, weil die menschliche Gestalt fähig ist, alles,
was im Hause vorgeht, beobachten zu können. Vielen der Aweliwo gibt man Steine oder
sonstige schwere Gegenstände zur Abwehr.
Einem eigenartigen Vorgang begegnen wir beim Opfer an die Aweliwo, nämlich dem, daß
der Eingeborene ihnen gerne Palmwein bringt. Nimmt der E^e-Neger für sich Palmwein, so
ist gewiß, daß er seinem Aweli-Legba davon abgibt. Meine Frage darüber wurde dahin be-
antwortet, daß der Palmwein dem Aweli besondere Kraft verleihe. Andererseits, wie diese Ab-
handlung schon zeigte, werden vielen Legbawo keine Palmwein- oder Branntwein-Opfer ge-
bracht, damit sie sich nicht berauschen. Im Besitze eines Aweli ist der Eingeborene über-
zeugt, daß keine gefährliche Krankheit, kein Unheil, noch ein schneller Tod seine Hütte auf-
suchen werden. Dringt aber dennoch eines dieser Übel in sein Haus, dann erblickt der Boko
sofort die Ursache in der Vernachlässigung des Aweli, der darüber beim Priester vorstellig
geworden ist. Sofort wird der Besitzer besondere Opfer bringen: Ziegen oder Hühner. Aweli
soll dem Priester gesagt haben: „Ihr habt schon lange kein Tier für mich gebracht, daher ließ
ich das Übel kommen.“
LEGBAVI ODER KAKEE.
Die sogenannten kleinen Legbawo (vi = klein) haben ihren Namen von der kleinen Form,
in der sie hergestellt werden. Man findet sie gewöhnlich an Zäunen oder in Hütten der Ein-
geborenen. Über ihnen errichtet der Eingeborene zum Schutze entweder Dächer aus Brettern
oder aus Erde. Ein solcher Legbavi-Ort wird wie der einer Götterstätte verehrt. Die Legba-
viwo erinnern an die Se-Legbawo, werden aber mehr gefürchtet als letztere. Erstere werden
nicht aus gewöhnlichem Lehm hergestellt, sondern aus Tsu, rotem Ton, der mit Branntwein
und Palmwein, nicht mit Wasser vermengt wird.. In dieser Mischung befindet sich das Herz
eines Menschen. Es gibt drei verschiedene Legbavi-Arten, deren Wünsche an die Besitzer
besondere sind. Diener der Legbaviwo sind in den Augen der Eingeborenen große Heilkünstler
Krankheiten aller Arten werden von Besitzern der Legbaviwo geheilt. Hören Bokowo von
Eingeborenen, die gleiche Legbawo hergestellt haben, so sehen sie solche als ihre Feinde an
Baessler-Archiv VI, 4/6. 2q
152
CARL SPIESS
Um die Wirkungskraft eines Legbavi zu erhöhen, be-
dienen sich Eingeborene des Lädzo, eines Zaubers aus
* Tierhörnern, deren Spitze durchbohrt und durch deren
Öffnung eine mit Kauris und Pflanzenkernen versehene
Schnur gezogen wird. Patienten lassen sich diesen
Zauber von Priestern auf den Kopf setzen. Die Hilfe
schreibt der Bokp dem Legbavi gemeinsam mit dem
Lädzo zu.
AMEMEME ODER ANYIMEMEME.
Mit der Herstellung kleiner Amememe-Legbawo,
die auch in Menschenform gebildet werden, hofft der
Eingeborene die Verstorbenen zufriedenzustellen. Er
ist gewiß, daß eine Reihe von Krankheiten durch die
Unzufriedenheit der abgeschiedenen Seelen verursacht werden. Das bestätigt ihm sofort der
Priester. Ist jemand krank, so befragt er einen Bokp oder Priester. Die Auskunft lautet: die
in der Familie Verstorbenen seien nicht imstande, in diese Welt zurückzukommen, da sich ihrer
zu wenig erinnert werde. Sie erwarteten Geschenke, worauf sie erscheinen und helfen wür-
den. Dem Erkrankten kann auch geantwortet werden: der Legba wünsche herumzugehen, da
es ihm aber nicht erlaubt worden sei, schicke er Krankheit. Die Angehörigen werden darauf
so viele Amememewo hersteilen lassen, als der Trösi (Priester) bestimmt, gewöhnlich 12,
manchmal auch mehr, männliche und weibliche, manche mit Federn, manche ohne; männ-
liche und weibliche, weil die Verstorbenen auch beiderlei Geschlechts sind. Unter diesen klei-
nen Legbawo findet man einen etwas größer geformten, der als der Aufseher der übrigen gilt.
Der Trösi nimmt alle und legt sie entweder da, wo zwei Wege sich trennen oder bei kleinen
Erdhügeln, wo er annimmt, daß böse Geister am meisten sich aufhalten, nieder, worauf die Ver-
söhnung erreicht wird und die Krankheit den Patienten verläßt.
Mit den in der Abhandlung beschriebenen Legbawo sind sämtliche Arten der Westküste
Afrikas, soweit sie dem Verfasser bekannt sind, aufgezählt worden. Es gibt dennoch eine
Menge von Darstellungen der Legbawo, die mehr oder weniger von den beschriebenen ab-
weichen, aber irgendeiner der genannten Gruppen angehören.
In erster Linie tragen die Legbawo gewöhnlich ein menschenähnliches Aussehen, mit
Ausnahme der Aweliwo, die meistens in Form eines stumpfen Kegels oder, wie die Aki-
tiwo in Kugelform hergestellt werden. Allen sonstwie begegnenden Darstellungen von Tieren,
wie Leoparden, Hunden, Krokodilen, ebenfalls aus Lehm, haben mit dem Legba-Kult nichts zu
tun, wenngleich sie auch sonst im religiösen Leben der Primitiven eine wichtige Stelle einnehmen.
Auf einige besondere Legbawo sei deshalb noch hingewiesen. Ich beginne mit dem Du-
Legba in Woe auf der Goldküste. Der Er-
bauer desselben war der einst mächtige und
reiche Antonio, Häuptling von Woe, der vor
etwa 10 Jahren starb.
Seiner Gesinnung nach hätte er gerne
einen Menschenschädel als erste Opfergabe
seinem und der Stadt Legba zu Füßen ge-
legt, die Furcht vor der Regierung aber ließ
den Gedanken nicht zur Tat werden. An
Stelle des Schädels wurden Goldteile un-
ter den Legba getan. Kein Eingeborener
würde wagen, Raub am Legba zu begehen;
DER LEGBA-KULT IN SEINEN VERSCHIEDENEN FORMEN AN DER WESTAFRIKANISCHEN KÜSTE
153
der Täter würde entdeckt und ihm durch Gift ein
schnelles Ende bereitet werden. -
Im Arilo-Gebiete Westafrikas befinden sich an
nur wenigen Orten neben den Legbawo aufgerichtete
Lehmformen, halb Mensch, halb Tier, sogenan«i e
Dzo-Legbawo. Damit sind nicht die auf Seite 146
angegebenen Dzo-Legbawo gemeint. Hier hat der
Legba den Namen von ihm aufgesetzten Hörnern
(Horn = Dzo), wodurch die Furcht voh den Legbawo
erhöbt werden soll, so daß selbst der Stad, e.ndhche
Götter zurückweichen müssen. Außer em
hörner, namentlich die der Ziegen als besonders
wirksame Zauber. Es kommt vor daß em so c e
Dzo-Legba allein errichtet wird, doch fand ich
gewöhnlich, wie auf dem Bilde, mit Kponu- egbaw
zusammen. - Bei den Zweigesichter-Legbawo
hat der Eingeborene aus einem Legba zwei so ge-
, Haft eie sich gegenseitig den Rücken kehren, 5
daT eine Gesicht schaut entgegengesetzt vom andern. Damit verknüpft der Ewe-Neger die
Meinung was der eine Legba nicht sieht, entdeckt der andere; oder aber wird der Unglück
hrincende Geist beim Anblick der zwei Gesichter aus Furcht zuruckwe.chen.
Nicht immer ist die Zerstörung eines Legba durch starke Regengüsse verursacht worden,
. 1 ,?sten darin die frei herumlaufenden Tiere, insonderheit die Schweine. Um den Legba
T vor zu schützen haben manche Besitzer ihre Legbawo, wie bei dem an der Lagune bei
Afiadenyigba (Goldküste) errichteten, mit stacheligen Kaktuspflanzen umgeben.
Auf einer Wanderung durch Anyako entdeckte ich an der Se.tenwand einer Hütte auf
^ui em „ • i po-hawo wobei mir die starken Genitalien männlicher
““ k'??n J^TumX, Der darüber befragte eingeborene antwortete mirt miete vidzidzi
:i““L“.n “ Ki.d.,,.b.r,,n, Hie, habe, di. L.gb... in Linie r.ieb.n
dim, wii w Kindersegen m die Stadt zu bringen.
Mit viel Sorgfalt pflegte jener Händler, den ich
in einem Dorfe an der Grenze der Togo-Kolonie be-
suchte, seine drei Legbaviwo, die ihre Opfer auf er-
höhtem Platze (links) erhielten. Die über den Legbawo
angebrachte Kinnlade eines im Busch erlegten Tieres,
durch Priesterhand zum Zauber erhoben, bewirkt reiche
Beute auf der Jagd.
Besonders in jener Gegend, wo der Volta-Fluß
sich in das Meer ergießt, begegnet man der Verehrung
des Krokodils (Lo), indem der Kopf desselben als Fe-
tisch entweder vor die Hütte oder neben den Legba,
wie auf dem Bilde, gestellt wird. Das Bestreichen
der Verehrungsgegenstände mit weißer Masse kann teils
als Zeichen der Reinheit, des Rechts und der Vollkommen-
heit gelten, teils der Erhöhung der Furcht dienen. Hier
beim Legbavi und den ihm beigefügten Fetischgegen-
ständen gilt „weiß“ als das Abzeichen der Priester.
Die Fülle der Legbawo zeigt an, daß wir es mit
einem großen Zauberer (Boko) zu tun haben.
20*
13. Drei besonders gepflegte Legbaviwo
(an der Togo-Grenze).
154 CARL SP1ESS: DER LEGBA-KULT IN SEINEN VERSCHIEDENEN FORMEN AN DER WESTAFRIK. KÜSTE
Die Zusammenstellung der Dzo-Aweliwo in dieser
Weise besagt, daß aus der Verbindung der männlichen mit
den weiblichen Aweliwo Kinder hervorgegangen sind, die
in den kleineren der Legbawo uns entgegentreten.
Anders dagegen verhält es sich, wenn, wie das letzte
Bild zeigt, ein großer und kleiner männlicher Legba zu-
sammenstehen. Dann ist der kleine Legba der Bote oder
Diener des großen. Dem Diener wohnen ebenfalls magi-
sche Kräfte inne. Die Kalebasse auf dem Kopfe des Ahö-
neza gilt als Opferschale, aus denen beide ihr Teil neh-
men. Bei der Herstellung dieser Legbawo wird ein Ziegen-
bock in die Erde gelegt. Durch Hühner- und Ziegenblut, wie Palmöl, das der Priester über
die Legbawo schüttet, sucht er sich den in ihnen wohnenden Geist willig und geneigt zu
machen. — Aus diesem Verhältnis zu den Legbawo erklärt sich der große Einfluß der Prie-
ster, Zauberer und Wahrsager auf ihre
Legbavi eines Priesters (im Volta-Dreieck der
Goldküste).
15. Avveliwo in einem Prieslergehöfie im Anlo-Gebiete (Qoldküste).
16. Ahoneza-Legba und sein Diener (Goldküste.)
FIINF ABHANDLUNGEN ZUM KULTUS DER EWEER
IN TOGO.
VON
CARL SPIESS
MISSIONSSEKRETÄR, FROHER MISSIONAR IN WESTAFRIKA.
, DAS BUSU DER EWEER IN SÜD-TOGO.
n R„,u spielt in der Religion der Eweer eine große Rolle. Der Ausdruck „Bush“ ist
1la,S . scheint der Goldküste zu entstammen. Unter „Busu“ versteht der Eweer
kf Tr: ; er Sich nicht erkiären kann, sei es guter oder baser Ar,. Bei „Busu“ denk, der
alles das, meisten Fällen an böse Einflüsse, wie z. B. beim Unglück, Mißgeschick
deiner Verschulng. Doch rede, er auch von Busu bei guten, außerordentlichen Er-
scheinungen, z. B. wenn jemand etwas Außergewöhnliches geleistet hat, oder es fertig brachte,
^^DamrisT'schon"zu“ cfenXe^ngezeigt, daß es sich beim „Busu“ für den Eingeborenen
stets um eine Macht überweltlichen Ursprungs handelt. So kann eine Frau durch vieles Schelten
Hem Kinde ein Unglück beibringen, oder ein anderer ist imstande, jemanden zum Unglücks-
menschen (etwa durch Zauber) zu machen. Wem auf seiner Reise etwas Außerordentliches in
™ Wen tritt hat Busu erlebt. Sei es, daß ein wildes Tier einen Jäger im Busche zerreißt,
“ ist das Busu' oder daß ein Bruder den andern im Streite so verletzt, daß er stirbt, so ist
dl Busu Wenn bei einem Hüttenbrand jemand umkommt, so ist das ebenfalls Busu; und
wiederum, wer vom neuen Yams vor der vom Priester bestimmten Zeit ißt, begeht Busu.
W e der einzelne Mensch sich nun ab und zu von dem Busu, das über ihm schweb, oder
. . . ooorl kann so müssen ebenfalls ganze Dörfer und Städte davon
ihm bevorsteht, priestern gibt es sogenannte Busuyilawo, die berufen sind, das
betrat wer ^ namentlich während ihrer Schwangerschaft und Nieder-
Z“ öfteren vom Busuyila mittels eines besonderen Besens (ha) das Unglück, das auf
KUn d das Kind kommen könnte, vertreiben. Was die ganze Stadt betrifft, so wird alljähr-
S‘e “"m Oberpriester bestimmt, wann das große Busuyiyi (Vertreiben des Übels) stattfindet.
1C Al* ich vor einigen Jahren in Ho in Togo dem Busuyiyi dort zusah, hatte sich die ganze
Ahoe-Stadt alt und jung, unter lautem Geschrei, einer dem andern folgend, aufgemacht, das
Unglück möglichst weit von der Stadt zu verjagen. Die Bewohner liefen eine halbe Stunde
weit dem Adaklu-Götterberge zu.
In der Stadt selbst wird der Oberpriester die Hauptarbeit beim Busuyiyi übernehmen.
Je nachdem er vorgibt, Anweisung von seinem Trö (Gotte) erhalten zu haben, nimmt er ein
Huhn, eine Katze oder auch einen Frosch und reinigt damit die Stadt.
Nach allem kann man für Busu in den meisten Fällen „Bann“ sagen. Ein Kind, das mit
irgendeiner unnatürlichen Erscheinung zur Welt kommt, etwa mit sechs Fingern oder sechs
Zehen oder auch schon mit Zähnen geboren wird, nennt der Eweer Busuvi, „Kind des Busu“.
Andererseits wird aber auch das Kind, das durch besondere Taten die Erwachsenen in Er-
«fimnpn Pin Busuvi genannt. Personen, die sich beim Priester vom Busu reinigen lassen,
haben die vom Priester vorgescbriebene Gabe zu bringen.
156
CARL SPIESS
II. EINSETZUNG EINER NEUEN GOTTHEIT IN SÜD-TOGO.
Vom Gehöfte des Königs aus, wo mehrere Priester und Priesterinnen die Vorbereitungen
für die Opfer des heuen Gottes treffen, setzt sich der Zug in Bewegung, um zum Opfer-
platze im nahen Busche zu gelangen. Eine der Priesterinnen, zwei awagawo (Glocken der
Priester und Priesterinnen) schlagend, führt den Zug, an dem eine Anzahl Männer, Weiber
und Kinder teilnehmen. Unterwegs schon pflückt der Oberste der Priester unter Anrufung der
höchsten Gottheit Mawu einige Gräser, die zu den anderen Opfergaben, wie Kauris, Maismehl,
Kleiderstücke, Branntwein, Eier und anderes, getan werden. Auf dem Götterplatze, nahe
bei einem kleinen Bach, macht der Oberpriester fünf Löcher in die Erde, worein er Mehl,
Korn und Kauris unter Gebet der anwesenden drei Priester und zwei Priesterinnen legt. Über
diese fünf Löcher wird ein Erdhaufen, einige Fuß hoch, errichtet, auf den man unter Gebet
ebenfalls Korn und Kauris sowie Mehl legt. Damit ist dem Gotte der Erde das Opfer ge-
bracht. Nun muß sich einer der Priester vor allen Anwesenden nackend ausziehen, sich neben
den Erdhaufen setzen und mit Wasser, in das verschiedene Kräuter getan sind, waschen. Nach-
dem der Priester sich gewaschen hat, wird er von einer der Priesterinnen mit dem heiligen
Wasser nochmals gründlich abgewaschen und dann von den Priestern unter Gebet dreimal
mit dem gleichen Wasser bespritzt. Hat der Priester einige Zeit so gesessen und ist er gründ-
lich vom Kopf bis zum Fuß gewaschen, dann darf er aufstehen. Nach der großen Reinigung
wird ein Ölpalmstecken geholt und unter Gebet mit dem Wasser benetzt und mit Mehlbrei
angeschmiert. Darauf wird ein Riß in den Stock gemacht, womit der „Mund“ angezeigt wer-
den soll. In den „Gottes-Mund“ tut man etwas Mehl, ein wenig Korn, einige Kauris, etwas
Branntwein und Wasser sowie ein Stück eines europäischen und eines einheimischen Kleides.
Während dieser Handlung wird wiederum ein Gebet gesprochen. Beim jedesmaligen Hinein-
legen der einzelnen Teile wird gesagt, Was es sei. So z. B. bei dem europäischen Zeug: da
hast du eine gute Hose zum Anziehen. Nun wird der Stab mit dem „gefüllten Mund“ von
den Priestern, die dabei die Gottheit anrufen, in den Erdhaufen gesteckt, worauf die Prieste-
rinnen unter Gesang fortwährend die kleinen Glocken schwingen. Zum Schlüsse nehmen die
Priester den Rest der Opfergaben, wie Eier, Palmwein und Branntwein, von dem sie das meiste
für sich gebrauchen, so daß nur die leeren Behälter übrigbleiben, und legen es vor die Füße
des „Stecken-Gottes“. Die Kleider, die dem Gotte geopfert werden sollten, nehmen Priester
und Priesterinnen an sich.
Die Opfer sollen den Trö, der für Regen und Früchte des Feldes zu sorgen hat, be-
wegen, beides reichlich zu spenden.
Vom Götterplatz zurückgekehrt, wird dann dem neuen Gotte in der Stadt ebenfalls ein
neuer Opferplatz errichtet, wobei die gleichen Zeremonien wiederholt werden.
III. DIE FIASIDIWO (GÖTTERDIENER) DER EWEER IN TOGO.
Bei dieser Abhandlung ist vorauszuschicken, daß der Ewe-Neger Süd-Togos verschiedene
Bezeichnungen für die „Götterdiener“ hat. Der Allgemeinname ist: Fiasidiwo. Wir be-
gegnen auch des öfteren den beiden Namen: tröhoviwo und trökluwo (oder trökosiwo).
Fiasidi (Singular), zusammengesetzt aus fia, König; asi, Frau; di, vorausbestimmen; voraus-
bestimmte Frau des Königs, d. h. der Gottheit.
Tröhovi (Singular), zusammengesetzt aus trö, Gottheit; ho, Haus; vi, Kind; ein Kind im Hause
der Gottheit = am Götterplatze.
Tröklu oder trökosi’, klu = männlicher, kosi = weiblicher Diener (Sklave) der Gottheit.
Die Berufung der Götterdiener (Göttersklaven) zu ihrem Dienste am Götterplatze kann
eine verschiedene sein:
FÜNF ABHANDLUNGEN ZUM KULTUS DER EWEER IN TOGO
157
Hören wir einige Aussagen der Eingeborenen: Meine Mutter, mit Namen Akosiwa, war
eine Kosi, ein dem Trö geweihtes Mädchen. Ihre Mutter hatte vor ihr drei Kinder, von denen
eins nach dem andern starb, so daß sie kinderlos war. So gingen Vater und Mutter zum Trö-
priester, daß er den Gott Wuwe bitte, ihnen wieder Kinder zu schenken. Der Priester sagte:
Ihr habt versprochen, zu tun, was ich euch sage; ihr wollt also, bekommt ihr ein Kind, daß
es ein Diener des Gottes Wuwe werde. Ist es ein Knabe, so muß er KIu, Knecht des Trö, ist
es ein Mädchen, so muß es Kosi, Magd des Trö, heißen. Als ein Mädchen geboren wurde,
gab die Mutter dasselbe dem Priester oder dem Gott Wuwe, wie sie versprochen, und der
Priester gab dieser Tochter den Namen Kosi. Als sie erwachsen war, erhielt sie vom Vater
einen geweihten Stuhl. Er bestimmte dann einige Tage, an welchen sie im Göttergehöfte mor-
gens die Zimmer und den Hof zu reinigen hatte. War das getan, so durfte sie nach Hause
gehen, mußte aber, so lange diese Tage dauerten, von ihrem Manne getrennt leben. Hatte sie
an den bestimmten Tagen keine Zeit, in den Tröhof zu gehen, so mußte sie als Ersatz Palm-
wein als Dank für den Priester geben.
Frauen, die während der Schwangerschaft Furcht überkommt, versprechen der Gottheit,
daß das Kind nach glücklicher Niederkunft ihr geweiht, d. h. ihr Eigentum sein solle.
In Dzita wurde ein Eingeborener von einem Krokodil umgebracht. Die Bevölkerung
dort kam nicht eher zur Ruhe, als bis jemand als Fiasidi zum Götterplatz gehe. Es wurde
ein Mädchen mit Namen Hodzpgbi bestimmt, in Klikp, dem Sitze der Hauptgottheiten, Dienerin
einer Gottheit zu werden.
Die Fiasidiwo weiblichen Geschlechts dürfen nur Priester oder die von diesen be-
stimmten Männer heiraten.
Beim Yamsfeste, an dem der erste neue Yams gegessen wird, gilt für die dem Trö
geweihten Frauen (Kosiwo) eine besondere Regel. Der Priester, dessen Trö sie gehören, muß
für die Kosiwo Yams rösten, und mit diesem gerösteten Yams müssen sie ihre Lippen be-
rühren; erst dann dürfen sie vom neuen Yams essen.
Wer mit einer Fiasidi geschlechtlichen Umgang pflegt, während sie am Götterplatze
ist, gleicht einem Mörder und wurde in früheren Zeiten getötet; jetzt wird ein solcher schwer
bestraft. Und wer einem Tröhpvi etwas stiehlt, muß bezahlen, was der Götterdiener ver-
langt, und hat außerdem dafür zu sorgen, daß ein Mädchen seiner Verwandtschaft sich zum
Fiasidi stellt, andernfalls diese Familie auf irgendeine Weise vernichtet wird.
Wünscht jemand eine Fiasidi zu heiraten, so hat er vorher beim Priester am Götter-
platze die Erlaubnis einzuholen. Wird er eine Heirat mit einer Göttersklavin ungefragt ein-
gehen, so hat er sich und seine Verwandten zu sogenannten Asitsutpwo, d. h. zu Nebenbuhlern
gemacht. Als solche haben sie in erster Linie eine andere Fiasidi zu stellen, sodann Geschenke
in bar und Palmwein zu bringen und so lange Dienste am Tröplatze zu tun, bis der Priester
oder ein anderer dieses Mädchen heiratet.
Heiratet einer eine Fiasidi am Götterplatze, so hat er vorher allerlei Geschenke,
wie Geld, Palmwein und Brennholz zu bringen. Darauf nimmt der Priester Flakräuter und
gibt sie den Verwandten der ausgetretenen Fiasidi, damit kein Tod von der Gottheit sie töte
weil wiederum eine Kosi verweigere, länger am Götterorte zu bleiben.
Angehörige, deren Kinder als Fiasidiwo tätig sind, glauben, daß durch ihren Dienst böse
Einflüsse oder Unheil von ihnen ferngehalten werden.
In den Rahmen dieser Abhandlung möchte ich noch einiges über die Fiasidiwo, was mir
von Eweern im englischen Gebiete mitgeteilt wurde, bringen;
Geht ein Mann zu einer Frau, die eines Priesters Weib ist, so wird man diese Frau
vor den Priester führen, und welches Tages sie ein Kind bekommt, wird sie zum Götterhause
gehen und dort des Mannes Namen, mit dem sie sich einließ, nennen. Darauf wird der Priester
jemanden hinsenden, daß er aus der Verwandtschaft des jungen Mannes irgendeinen im ge-
158
CARL SP1ESS
heimen durch Medizin töte. Natürlich wünschen die Verwandten die Ursache des Todes im
Götterhause zu erfahren und suchen daher nach einem Geschenk für den Priester. Dieser wird
ihnen dann mitteilen, daß einer ihrer Verwandten eine Fiasidi berührte und deswegen durch
die Gottheit getötet wurde. Die Verwandten suchen nun nach jemandem, der dem Trö über-
geben werde. Tun sie das nicht, so wird ihr ganzes Haus untergehen. Ist ein Mädchen in
der Verwandtschaft, so bringen sie es zum Priester, der über das Kind betet. Danach wird
er es waschen, und bevor die Angehörigen das Mädchen nach Hause führen, müssen 12 Mark
dem Priester bezahlt werden. Ist das Kind erwachsen und sie bringen es nicht zum
Priester, so läßt er wieder jemanden in der Verwandtschaft sterben. Doch sie werden das er-
wachsene Mädchen schnell hinführen, es mit Schmuck antun und mit sehr teuren Perlen be-
hängen. Sie werden Tücher kaufen und in einen Korb tun und zugleich mit dem Geschenk
des Priesters, das in zwei großen Flaschen Branntwein besteht, das Mädchen hinführen. Dieses
muß zuvor geschehen. Der Priester wird dann dieses Mädchen heiraten oder es einem andern
Manne geben. Die Gottheiten, denen man auf diese Weise Kinder übergibt, heißen Tomi, Bomi,
Sui, Bäte, Fungo, Konomanyaviku (wörtlich übersetzt: ein unfruchtbares Weib, das den Tod
eines Kindes nicht fühlt), Wädrahi, Nyimadahe, Kpetsu, Adzesiamago, Agbatsui, Gamadeku,
Aveglo, Yaha, Gbaku, Asimatsonui, Wededzi, Nyigbla, Yewe. Die Eingeborenen nennen diese
Gottheiten „kindererhaltende Götter“.
IV. VON DEN FREISTÄTTEN UNTER DEN EWEERN SÜD-TOGOS.
Unter den Fiasidiwo (siehe meine Arbeit darüber) nehmen bestimmte Göttersklaven
eine eigenartige Stellung ein. Sie sind nicht wie die eigentlichen Fiasidiwo oder Tröhoviwo
von Jugend auf einem Gotte geweiht worden, sondern, durch irgendeine Schuld oder ein
Verbrechen veranlaßt, zur Götterstätte geflohen, um der Strafe zu entgehen, aber damit
verpflichtet, Dienste im Trogehöfte auszuüben. Wir werden damit an die uns bei den Israe-
liten bekannten Freistätten erinnert; cfr. Numeri 36. Hören wir, was solche Göttersklaven
unter den Eweern sagen:
Hat jemand eine große Geldschuld und sieht, daß er sie nicht bezahlen kann, so wird
er während der Nacht dahin fliehen, wo ein Trogehöfte sich befindet. Erreicht er die Stadt
und weiß nicht, wie er sich dem Trö übergeben soll, so wendet er sich dort an einen Be-
wohner, um Auskunft von ihm der Tröübergabe wegen zu erhalten. Der Stadtbewohner wird
den Flüchtling fragen, was ihn zum Götterhause treibe. Er wird die Veranlassung angeben,
dabei erwähnend, daß man ihn seiner großen Schuld wegen nach dem Leben trachte; da-
her komme er, den Trö um Aufnahme zu bitten, damit er dessen Kind werde. Der Bewohner
der Stadt wird dann dem Fremdling den Götterhof zeigen. Hier hat er ohne jemanden zu
grüßen am Zaune im Gehöfte Platz zu nehmen. Er wird dem Priester auf seine Fragen den
Beweggrund seines Kommens mitteilen. Hierauf wird der Priester, da er den Eindruck ge-
wonnen hat, daß der Schuldner sich wirklich dem Trö übergeben will, mit agbametsi (Wasser
in einer Schale) ihn waschen und ihm eine Schnur mit einer Perle um den Hals tun. Damit
ist der Flüchtling zum Göttersklaven geworden, und kein Gläubiger hat irgendein Anrecht
an ihn; die Schulden sind für immer vernichtet. Sollte dennoch irgendein Gläubiger nach
seinem Gelde fahnden, so wird er damit auf sich und sein Haus den Tod ziehen. Es wird
eben deshalb kaum einer wagen, die Schulden einzuziehen.
So kann auch ein Giftmischer, der einen Mord auf sich geladen hat, zur Götterfreistätte
fliehen und sich dem Trö übergeben. Er weiß sich dann außer Verfolgung.
Auch manche Sklaven haben zum Tröplatze Zuflucht genommen, um so den Quälereien
ihrer Herren zu entgehen.
Stirbt ein Göttersklave, so legt man seinen Leichnam auf ein Brett, damit ihn jeder-
mann sieht.
FÜNF ABHANDLUNGEN ZUM KULTUS DER EWEER IN TOGO
159
V. DIE ASOFOWO (LEIBGARDE) UNTER EEN EWEERN TOGOS.
Unter den Asofowo ist die kriegstüchtigste Mannschaft verstanden. Der Name entstammt
der Twi-Sprache der Goldküste, wo die Asofowo noch eine große Rolle spielen. In Togo da-
gegen dürfen sie nicht mehr in der Weise wie in den Tagen der Vergangenheit ihr Spiel treiben.
Es ist mir gelungen, solche Asofowo auf meine Bitte hin zu veranlassen, sich kriegerischen
Schmuck und sonstige Ausrüstung anzulegen, um sie im Bilde vorführen zu können. Auch
im benachbarten Ewegebiet des englischen Teiles stehen sie noch in großem Ansehen. Einer
der bedeutendsten Asofowo dort ist der noch lebende Katsriku.
Im Ewe redenden Teile der Westküste Afrikas werden sie Kaletowo genannt, von kale,
stark. Es sind auch die stärksten, kräftigsten Männer als die Kaletowo oder Asofowo ausge-
wählt. Man kann sie die Leibgarde der Könige nennen. Vom König eingesetzt, haben sie
diesen bei besonderen Veranlassungen auf dessen Gängen und Märschen zu begleiten. Die bei
den Kaletowo vorhandenen körperlichen Kräfte, mittels deren sie allerlei Übergriffe gegen die
eigenen Landsleute tun zu dürfen glauben, werden noch besonders durch die ihnen ange-
hängten Fetischschnüre um die Brust, am Gewehrkolben und am Arme gestärkt. Wir begegnen
auch hier der Tatsache, daß der Eweer für jede Handlung, sei sie guter oder schlechter Art,
seine Zaubermittel hat.
Hat der König seine Kaletowo gerufen, ihn zu begleiten, so begeben sie sich in ihrer
Ausrüstung, fortwährend Kalegesänge singend und die Kaletrommel schlagend, auf den Weg,
überall durch Fuchteln mit den Buschmessern Schrecken einjagend. Was sich ihnen von
Schafen, Ziegen und Hühnern zeigt, wird aufgefangen und mitgenommen, wobei jegliches Be-
mühen der Eigentümer, das Gestohlene zurückzubekommen, vergeblich ist. Die Kaletowo wer-
den jedesmal antworten: der König habe ihnen das Recht dazu gegeben. Wer den Kaletowo
begegnet und nicht schnell genug das Weite sucht, wird eingeholt und verhauen oder mit
Steinen beworfen. In früherer Zeit ging ihre Macht so weit, daß
sie diejenigen, die der König „nicht
mehr sehen konnte“, auf irgendeine
Weise aus der Welt schafften.
Eine eigenartige Rolle spielen
die Kaletowo beim Tode ihres
Königs. Die Angehörigen des Ver-
storbenen teilen ihnen sobald als
möglich den Tod mit. Um Mitternacht,
damit niemand das Grab erfährt, wird
der Leichnam beerdigt. Solchen nun,
die etwa dem Könige einen Besuch
machen wollen oder nach ihm fra-
gen, wird geantwortet, daß er gerade
nicht zu sprechen sei. Wagte etwa
ein Kommender diese Worte zu be-
zweifeln, so wurde er festgehalten und
durchgeprügelt. Wollte der Betreffende
einer solchen Strafe entgehen, so hatte
er sich mit einem hotu (früher 1 M.,
jetzt 50 Pf.) loszukaufen.
Gingen die Kaletowo dann in die
Stadt, so verlangten sie Essen, Palm-
i. Asofo oder Kaieto in Togo. wem oder Geld von irgendeinem, den
Baessler-Archiv VI, 4/6.
160
CARL SP1ESS: FÜNF ABHANDLUNGEN ZUM KULTUS DER EWEER IN TOGO
sie zuerst antrafen. Fremde, die ihnen begegneten, wurden, wenn sie nicht ohne Widerrede
etwas Geld hergaben, so lange verhauen, bis sie sich willig zeigten. Mit dem Rufe: „Es ist
kein König da, der nach den Dingen fragt!“ fingen die „Starken“ Hühner, Ziegen und Schafe
ein. Dieses Treiben setzten sie acht Tage fort, bis die Verwandten des verstorbenen Königs
ihnen ein Schaf mit Branntwein zuschickten, um sie zu versöhnen. Hatten sie dieses verzehrt
und den Branntwein getrunken, so zogen sie sich in ihre Hütten zurück. Die Bewohner
aber atmeten auf, denn nun ruhten Prügelstrafe und Diebstahl wieder für längere Zeit.
Am 12. Februar des Jahres 1913 starb in Kyebi auf der Goldküste der Akyemkönig
Amoako Ata II. Sobald der Tod desselben bekannt geworden war, suchte jedermann alles,
was nicht niet- und nagelfest war, in Sicherheit zu bringen, denn wenn schon ein Häuptling
stirbt, kann jedermann stehlen, was ihm in die Hände kommt, vollends erst beim Tode des
Oberhäuptlings oder Königs. Diebstahl wird bei einem solchen Anlaß nicht angezeigt oder be-
straft. Manche Plantagen wurden ausgeplündert und viele Ziegen und Hühner gestohlen. Acht
Tage lang währten hier die Totenfeierlichkeiten. Im Gegensatz zu der Sitte unter den
Eweern, wo nur die Kaletpwo beim Tode des Königs auf Raub und Diebstahl ausgehen
dürfen, hat auf der Goldküste jedermann das Recht, auf jedem Acker zu holen, was er will,
oder Hühner, Ziegen und Schafe, die ihm in den Weg kommen, abzuschlachten, ohne bestraft
zu werden. Und was an Branntwein getrunken wird, kann man nicht in Zahlen angeben.
Einer solchen Unsitte kann man auf der Goldküste noch heute begegnen.
RECHTSANSCHAUUNGEN DER WAGOGO.
FRANZ PAULSSEN.
EINLEITUNG.
nip Watroeo bewohnen das Gebiet zwischen den Stationen Kikombo und Saranda der
Daressalam-Tanganikabahn. Es wird begrenzt vom westlichen Grabenrand, Kisigo- Umeroho-
„ “ L sobuko- und Gongabergen. Die Wagogo wohnen also zwischen vielle.cht den
krieJrischsten Volksstämmen Deutsch-Ostafrikas, den Masai und den Wahehe. Diese haben
R»nlterüne auch zur Mitte, wodurch jetzt die Eisenbahn führt, zusammengedrängt. Nach
Feststellung des Bezirksamts Dpdoma wohnen von den 110000 Wagogo an der Bahn un-
, . ,, |8 Leute auf den qkm, während im übrigen Ugogo der qkm nur von ca. 4,6 Ein-
wohnern bewohnt wird. Die Wagogo sind durchweg schlank und muskulös, mit teilweise
schönen, regelmäßigen Gesichtszügen. J ,
Seit Generationen werden sie sicherlich nicht mehr reine Bantu sein, sondern hamitisches
Blut in sich gekreuzt haben. Nicht allein mit den benachbarten und sie beraubenden jetzigen,
den sogenannten echten Masai, sondern auch mit den alteren Masai, den Wabaragui oder
Wakwafi hat eine Blutmischung stattgefunden. Die Wakwafl, welche von den echten Masai
vor Generationen aus ihren Siedelungen am Meru verdrängt worden sind, haben sich in Ugogo
niedergelassen sind seßhaft geworden und haben auch teilweise die Sitten und Gebrauche der
Wagogo angenommen. Diese werden auch wohl an dem alten Ruf der Wagogo als Kara-
winenräuber zum größeren Teil die Schuld haben. Die Wagogo sind hauptsächlich Viehhalter,
vernachlässigen aber dabei den Ackerbau nicht ganz. Sie bauen Negerhirse in den verschie-
densten Varietäten, Bohnen. Eleusine, Süßkartoffeln, Speisekürbisse, etwas Mais und Erdnüsse,
und zwar in solchen Mengen, daß sie reichlich von der Hirse Bombe herstellen können und
früher Tausenden von durchkommenden Karawanenträgern das Essen liefern konnten.
Die Wagogo scheinen aus dem Süden gekommen zu sein. Oder sind es - nach Bezirks-
amtmann Sperling - aus dem Norden gekommene Halbhamiten, die von den Wahehe nord-
wärts -/urückgedrängt wurden? In Kinjambwa erzählen sie sich folgendes Märchen. Vor den
Wahehe sind wir geflohen und haben uns mit unserm Vieh im Pori von Kinjambwa versteckt.
Unser Mtemi - König - hat, als es wieder ruhig geworden ist, einen Boten mit Rindern nach einem
nördlich wohnenden Masaizauberer geschickt und um Zaubermedizin - Dauwa - bitten lassen.
Diese hat er auch bekommen, und nach ihrer Anwendung wurden die Wahehe mit Blindheit
geschlagen und haben geglaubt, in dem großen Pori wohnten nur wilde Tiere, aber keine
Menschen. Nach vielen Jahren hat der Mtemi aber den Wunsch gehabt, festzustellen, ob sich
seine und unsere Rinder ebenso schnell vermehrten wie die der Masai. Er hat einen Boten
zu dem Masaizauberer hingesandt. Jener hat da gesehen, daß die Masai mehr Rinder hätten.
Der Mtemi hat deshalb selbst Dauwa gemacht und mehrere Jahre später feststellen können,
daß er jetzt mehr Kälber habe. Der letzte Bote hat aber damit den Masai gegenüber renom-
miert, die böse geworden sind und durch ihren Zauberer der alten Masai-Dauwa die Kraft haben
nehmen lassen Die Wahehe haben darauf den Weg ins Pori gefunden und uns überfallen.
21*
1b 1
162
FRANZ PAULSSEN
Nur wenige sind in Kinjambwa geblieben, die meisten sind durch die Salzsieppe bis Mtiwe
und weiter entflohen und haben sich dort niedergelassen. In den Sultanaten Dodoma, Mkonze,
Kididimo gilt als Überlieferung, daß Ichinde und Uzungwa die alten Wohnsitze der Wagogo
gewesen seien. Später hätten sie am Berge Imaje (Iringabezirk) geackert und dann seien sie
erst nach Ugogo gekommen. An den Grenzen nach Westen und Osten hat eine starke Ver-
mischung der Wagogo mit Wasagara und Wanyamwezi stattgefunden. Als ganz reine Wa-
gogo gelten jetzt nur noch die Bewohner der Landschaften Nondoa, Kinyambwa, Mapanja,
Mkonze, Singe, Kididimo, Mgunguri, Mvumi, Mloa, Luato, Matumbuli, Ihumwa, Nsuguni, Msa-
latu, Kirungule, Irindi und Madeko (siehe Blatt Kilimatinde des großen Deutschen Kolonial-
atlasses). Die Leute aus Ngomwia gelten nicht als Wagogo, es sollen Zauberer sein, die sich
nachts in Löwen und Leoparden verwandeln können. Die Sultane Kiloloma, Magawa, Kisansa
und Tassa und teilweise ihre Hintersassen in den Sultanaten Hombolo, Nagulu, Mbahi, Kitalalo
sind Wanyaturu, von den Wagogo Wanyakwalo - Zugewanderte — genannt. Und der als
Urmgogo geltende Sultan Meda ist ein Mgulu (Mseguha). Geprüft könnte noch werden, ob die
aus dem Norden zugewanderten Sultansfamilien nicht wenigstens teilweise Wagogo sind, die
in ihrer Angst vor den Wahehe zu weit nördlich geflohen, nachher aber wieder zurückgekehrt
sind. Aus der unbeschränkten Herrschaft der Tembe in Ugogo läßt sich kaum ein Schluß auf
das Herkunftland der Wagogo ziehen. Die Tembenbauart wird das Produkt aus Zwang und
Not sein. Denn auch Fremde, wie Wasukuma, die sich in Ugogo angesiedelt haben, bauen
Temben wegen Mangel an langem Gras, welches sie zum Decken der sonst bei ihnen ge-
bräuchlichen Rundhütten benötigen. Dann ist die Tembe mit ihrem feuersichern Lehmdach
auch die beste Verteidigungsstellung gegen einen plötzlich erscheinenden, sich nicht lange
aufhaltenden und mit einem Festungspark nicht ausgerüsteten Gegner, wie Masai und Mhehe
es waren.
Die Tembe — bei den zentralen Stämmen Deutsch-Ostafrikas jetzt die gebräuchlichste
Wohnung — scheint bei den Wagogo auch noch nicht sehr lange in Gebrauch zu sein. Der
alte Sultan von Dodoma, Lusambo, will von seinem Großvater die Nachricht haben, daß in
dessen Jugend aus Steinen geschichtete kegelförmige Bauten, die von außen mit Lehmerde
verstrichen wurden und Ameisenhügeln ähnlich gesehen haben sollten, und auch hohle Affen-
brotbäume fast allgemein in Ugogo als Behausung dienten. Lusambo ist aber der einzige
gewesen, der mir diese Bekundung freiwillig gemacht hat. Andere, darauf hingewiesen, wollten
auch ähnliches gehört haben, jedoch nicht die Wagogo, sondern Arme, die kein Vieh gehabt
hätten — vielleicht eine Urbevölkerung —, hätten so gewohnt.
I. FAMILIEN- UND PERSONENRECHT.
Es besteht Vaterrecht bei den Wagogo. Dies wird nur durch eine Bestimmung durch-
brochen, daß auch dem Bruder der Mutter ein Teil des Brautpreises seiner Nichte zusteht und
daß er verpflichtet ist, diesen für seinen Neffen zusammen mit dessen Vater aufzubringen. Das
eheliche Kind gehört zur Familie des Vaters. Das außerehelich geborene Kind folgt der Fa-
milie der Mutter. Der Schwängerer muß ein bis zwei Rinder - Ugoni - Strafe für die
Schwängerung zahlen, da er als Dieb gilt. Den Brautpreis für das außereheliche Mädchen er-
hält der Vater der Mutter. Oftmals aber heiratet der außereheliche Schwängerer die Mutter
und legitimiert so das nun zu seiner Familie gehörige Kind. Ugoni muß er aber dann trotz-
dem neben dem Brautpreis zahlen.
Da nur durch Geschlechtsverkehr das ledige Weib Vermögen erwerben kann, so wird der
Vater allein von seinen Söhnen beerbt. Diese geben aber einen Teil der Rindererbschaft ihren
Schwestern bis zu deren Verheiratung zur Nutznießung ab. Auch bereits verheiratete Schwestern
erhalten meistens von ihren Brüdern ein männliches Kalb als Ehrengeschenk. Dies wird bald
RECHTSANSCHAUUNGEN DER WAGOQO
163
geschlachtet und verzehrt, da anderenfalls der Bruder es jederzeit wieder zurückverlangen
kann. Auch der Großvater väterlicherseits und der Onkel erhalten ein gleiches Ehrengeschenk,
welches aber nicht zurückverlangt werden kann. Hat der Erblasser nur Töchter oder keine
Kinder hinterlassen, so wird er von seinen Brüdern von demselben Vater beerbt. Erst bei
Mangel von Söhnen und solchen Brüdern kann der Vater seinen Sohn beerben. Nach diesem
werden Onkel väterlicher Seite und deren Nachkommen erbberechtigt.
Die Ehe der Wagogo ist polygamisch. Das eheliche Verhältnis läßt viel zu wünschen
übrig Weder die Frau noch der Mann hält eheliche Treue, ja sehr oft tauschen die Männer
ihre Frauen mit und ohne deren Einverständnis gegeneinander aus. Der Mann, dessen Frau
in der Zeit des Frauenaustausches schwanger wird, kann dann noch von dem Schwangerer
ein Rind als Ugoni verlangen. Das Kind und der Ehebruchsverdienst der Frau gehört deren
Ehemann Der Mann durfte seine Frau weder verkaufen noch verpfänden. In jeder andern
Hinsicht war sie aber wie eine Sache, mit der er fast frei schalten und walten konnte. Nur
selten mischten sich die Angehörigen der Frau ein und auch nur auf deren Ansuchen, wenn
so viel Vermögen vorhanden war, daß das Heiratsgut zurückgezahlt werden konnte. Alles war
1 tzten Endes eine Rinderfrage. Gemeinsam werden die Mahlzeiten von den Wagogo nicht
eingenommen Der Familienvater ißt zuerst, und in das, was er übrig läßt, teilen sich die
übrigen Familienmitglieder. Das Sympathische im Familienleben der Wagogo Ist der Zusammen-
hang zwischen vollbürtigen Brüdern, So z. B. zahlt der vermögende Bruder den Brautpreis
fr die Frau seines armen Bruders. Sonst bekümmern sich die Familienmitglieder nicht viel
umeinander, und ein Bedürfnis, zu Verbänden irgendwelcher Art sich zusammenzuschließen,
ist nicht vorhanden. Die Wagogo sind mißtrauisch, jähzornig und nicht feige und verlassen
Lh am liebsten auf sich selbst. Die verheiratete Schwester ist ihnen eine Fremde, der gegen-
über besondere Vorsicht angebracht erscheint, da sie die Schwächen der Familie besonders
gUt Redite des Totemismus bestehen nicht. Wohl wird von jeder Familie - Kungugo - ein
Tier - Msilo - genannt, das sie weder tötet, noch dessen Fleisch sie ißt. So z. B. von Sultan
Kusenta- gesprenkelte Ziege und wegen seiner weißen Flecken auch der Buschbock; Sultan
Lusambo- Papageientaube; Akida Puma; junge Ziege, deren Nabel noch nicht heil ist; Sultan
Masinga- rote Bekleidungsstücke; von andern: Nashorn, Puffotter, Igel, Buschbock, Schwarz-
fersenantilope Ihr Verhalten begründen die Gefragten damit, daß sie behaupteten, das Tier
gehöre mit zur Familie, sei ein Verwandter, ja sei der Ursprung - Mkale - der Familie (Akida
Johann); andere wieder, speziell jüngere, sagten nur, das Fleisch des betreffenden Tieres würde
bei ihnen Erbrechen, Ausschlag, Durchfall, Abmagerung, Haarausfall zur Folge haben. Rind-
fleisch wird von allen gegessen. Nur einzelne Teile wie Herz, Lunge, Brustbein verschmähen
einzelne Familien aus denselben idiosynkratischen Gründen. Denn daß es sich nur um solche
handelt geht daraus hervor, daß die Familie des Jumben Mpollo das Fleisch von an Schlangen-
biß eingegangenen Rindern nicht ißt, Fleisch, das sonst vom Mgogo nicht verschmäht wird.
Die Frau behält ihr Totem auch nach der Verheiratung bei. Die Kinder, auch die außerehe-
lichen, erhalten das Totem ihres Vaters. Der Rabe wird von Erwachsenen überhaupt nicht
getötet, auch möglichst nicht angefaßt, da dieses in den Geruch der Zauberei bringt. Auch
diejenigen, die den Raben zum Totem haben, stehen dieses Umstandes wegen schon im Ver-
dacht, Zauberer zu sein. Des Raben und der Hyänen Sprache soll der Zauberer verstehen
können.
Ein besonderes Totemzeichen gibt es nicht; Totemgenossen sind aber Freunde und hei-
raten untereinander auch.
Das besitzanzeigende Fürwort bei Verwandten wird von den Wagogo oft mit dem Wort
für die Bezeichnung des Verwandtschaftsgrades verbunden, z. B.
164
FRANZ PAULSSEN
Mein Vater..............Baba
Dein „ . .
Sein „ . .
Mein Großvater
Dein „
Sein „
Urgroßvater
Großmutter
Vaterbruder .
Vaterschwester
Meine Mutter.........Yaya
• • • • Sogo Deine „ ........Nsoko
... Songwe Seine „ .........Nyina
v. S. und m. S.............................Koko
» » » » ».................................Kukuyo
» » » » ».................................Kukuye
» » » M »..............................Buja
» « » » »..............................Mama
Mutterbruder . . . Bulaii
Mutterschwester . . Yaya mdodo
Baba mdodo
Ninahenga
Vaterbrudersohn Lemenje oder Munyakwetu
Vaterbrudertochter Chanachasokwe
Mutterschwesterkind Munja kwetu oder Chanachanina
Vaterschwesterkind Muhizi Mutterbruderkind Muhizi
Geschwister verschiedenen Geschlechts Lumbulie
Geschwister gleichen Geschlechts Mana kwetu
Bräutigam............Nyabana Braut...............Nyabanywa
Mann, männlich . . . Mlume Frau, weiblich . . . Mtschekulu.
Enkelkinder werden von den Großeltern Msugulu gerufen. Kifere nennen sich die Schwieger-
mütter, und Mbuyane oder Mulamu ist der Name für Schwager und Schwägerin. Frau und
Mann nennen gleichmäßig sowohl Schwiegermutter wie Schwiegervater: Mgwe. Die Familie
heißt Kungugo, Kinder allgemein Wadodo — die Kleinen; ein bestimmtes Kind aber Mana und
das 2—3 Wochen alte, das noch keine Kraft im Halse hat: Kigalika.
Weder eine Ehe auf Zeit noch eine Scheinehe mit einem leblosen Gegenstand, Pflanze
oder Tier ist den Wagogo bekannt. Auch dauernde freie Liebesverhältnisse sind im Verhältnis
zu anderen Negerstämmen selten, denn diese halten noch weniger lange als die Ehe selbst.
Neben dieser besteht aber oft das freie Liebesverhältnis, fast Vielmännerei. Der Ehemann ge-
stattet nämlich gegen Bezahlung seinen Freunden mehrere Tage, ja wochenlang mit seiner
Frau und ihm zusammen zu wohnen.
Der Vielweiberei ist eine Schranke nicht gesetzt. Reiche haben acht und mehr Frauen.
Die erste Frau - Mtchekulu wa likulu - ist Oberfrau, wohnt aber mit den übrigen Frauen
— Watchekulu wadodo — in einem Tembengehöft, alle haben jedoch ihr besonderes Zimmer.
Die Kinder leben zusammen, sie sind ja Eigentum des Ehemanns. Die Oberfrau hat einige
kleine Vorrechte. Sie braucht nicht mehr zu kochen, sondern bestimmt der Reihe nach die-
jenige, die kochen muß. Auch alle von einer Reise ihres Mannes von diesem mitgebrachten
Geschenke erhält sie und bestimmt, was die übrigen Frauen davon haben dürfen. Ihre Kinder
erben am meisten. Bei Eheabschluß gilt der Grundsatz, daß diejenigen, die bis zu ihren Groß-
eltern einen Elternteil gemeinsam haben, einander nicht heiraten dürfen; Geschwistern und
Nachkommen von Geschwistern gleichen Geschlechts — mana kwetu — ist die Ehe mitein-
ander nicht gestattet. Die Ausnahme ist, daß den Kindern der Lumbulie die Cousinehe ge-
stattet ist, jedoch müssen die Vervetterten ein Stück eines Ziegenmagens gleichzeitig in den
Mund nehmen und ohne zu kauen herunterschlucken, denn ohne diese Dauwa würde ihre Ehe
unfruchtbar bleiben. Vor der Ehe bzw. vor der Verlobung wird von den Alten festgestellt, ob
ein Ehehindernis_vorliegt. Kastenschranken bestehen nicht; nur dem Nachkommen eines an-
geblichen Zauberers — Muhawi — wird die Tochter nicht gegeben. Ebenso wie die Tochter
eines Zauberers oder einer Zauberin älter wird als andere Mädchen, ehe sie Ehefreuden ge-
nießen kann und meistens auch einen im Gerüche der Zauberei stehenden Mann heiraten muß.
Die Ehe wird sehr früh abgeschlossen. Heiratsfähigkeit tritt sogleich nach der bei beiden Ge-
schlechtern üblichen Beschneidung ein. Oft geht der Heirat aber noch bei allzu großer Jugend
RECHTSANSCHAUUNGEN DER WAGOGO
165
eines Teiles der Ehelustigen ein formloses Verlöbnis voraus. Zum Abschluß dieses wird eine
Ziege dem Mundwalt gegeben und von diesem aufbewahrt. Die Verlobten leben ohne Scheu
voreinander in ihren alten Wohnungen. Das Verlöbnis kann ohne Folgen gelöst werden, nur
die Ziege muß zurückgegeben werden. Während die Verlobung von den beiderseitigen Eltern
vereinbart wird, werden die Ehevorverhandlungen von den Vätern und den Mutterbrüdern ge-
führt, d. h. diese stellen den Kaufpreis fest. Ehe der Bräutigam die Erwählte heimführen kann,
gehen er und seine Altersgenossen, mit Speer und Schild bewaffnet und mit roter Erde bemalt,
zur Tembe des Brautvaters und er zeigt seine Geschicklichkeit und Ausdauer im Tanz, hinzu-
fügen könnte man: und alle ihre Ausdauer im Schreien, denn es ist, als wenn Negerkrieg wäre.
Von der Tanzgesellschaft sondert sich der Bräutigam später ab und übergibt dem Mundwalt
den Brautkaufpreis. Ein Rind wird für die Tanzenden geschlachtet, mit Vegetabilien zubereitet
und zusammen mit viel Pombe verzehrt. Die erste Nacht mit seiner Frau verbringt der Mann
in der Tembe des Mundwalts. Vor dem offiziellen ersten Alleinsein mit dem Manne erhält die
Braut Belehrungen und Verhaltungsmaßregeln von den Alten. Am Morgen bringt die ganze
Gesellschaft das junge Ehepaar in seine Tembe. Auch der Tag wird mit Tanzen, Essen und
Trinken verbracht. Abends gehen alle mit Glasperlen und anderen Kleinigkeiten beschenkt
nach Hause. Frauenraub ist den Wagogo unbekannt. Oft kommt aber Entführung der damit
einverstandenen Braut vor, z. B. wenn dem Bräutigam als Zauberersohn die Braut von den
Alten verweigert wird. Die Folge ist, daß dann dem Abschluß der Ehe Schwierigkeiten nicht
mehr entgegengesetzt werden. Wohl muß der Bräutigam einige Ziegen oder sonst etwas -
Matambi — als Strafe zahlen, und zwar neben dem Brautkaufpreis - Kigumo -. Dieser
schwankt zwischen 38 Rindern und 3 Ziegen. Der Sultanssohn braucht weniger für die von
ihm erwählte Sultanstochter zu zahlen als der gewöhnliche Eingeborene, der sie begehrt. Er
richtet sich aber auch nach Schönheit und Alter der Braut. Auf Jungfernschaft wird kein
Wert gelegt, wohl aber steht die Witwe niedriger im Preise. Meistens wird der Brautpreis
sofort und ganz gezahlt. Jedoch habe ich auch Fälle zur Entscheidung gehabt, in denen ein
Teil desselben nach jahrelanger Ehe noch nicht gezahlt war.
Das Mädchen wird auch ohne seine Einwilligung von den Eltern zur Frau gegeben.
Meistens kennen sich die Brautleute aber schon vor der Ehe, und es besteht zwischen ihnen
volle Übereinstimmung. Weigert sich jedoch das Mädchen, den seinen Eltern genehmen Mann
zu heiraten, so erhält es oft so lange „Belehrungen“ mit dem Stock, bis es einverstanden ist.
Beim Tode'oder Abwesenheit des Vaters tritt an dessen Stelle sein Bruder - Baba mdodo
während der Mutterbruder - BulaiT - die verstorbene oder abwesende Mutter ersetzt. Der
von dem Bräutigam ungeteilt den Eltern oder deren Vertretern gezahlte Kaufpreis wird von
diesen so geteilt, daß der Vater oder der Baba mdodo ca. % bis % und der Bulaii - nicht
die Mutter - Vs bis % davon erhält. Die Aussteuer steht fast nie im richtigen Verhältnis zum
Kaufpreis. Sie besteht aus einem mehr oder weniger großen Flaschenkürbis mit Samli -
Eingeborenenbutter , einem Schlaffell und einer Hacke. Die Frau folgt ihrem Manne. Sie ziehen
zuweilen in eine eigene, meistens aber in die Tembe der Manneseltern. Die Frau hat außer
ihrer Aussteuer und Bekleidung kein eigenes Vermögen. Sie kann auch als Verheiratete keins
erwerben mit Ausnahme, daß sie bei Ehescheidung einen Teil der mit ihrem Manne zusammen
angebauten Erd-, Steinnüsse sowie Bohnen der letzten Ernte erhält, während alles andere, spe-
ziell aller Matama, dem Manne zufällt. Sind Erdnüsse nicht angebaut worden, so wird die
Matamaernte geteilt. Dem Ehemann gehören auch sämtliche Kinder, auch die während der
Ehe im Ehebruch gezeugten. Die vorehelichen Kinder der Frau gehören dem Manne nicht.
Der Vater, d. h. derjenige, dessen Totem sie hatten, kann sie aber gleich bei der Heirat oder
auch später von ihrem Großvater kaufen, und zwar jedes Kind für ca. 1—5 Rinder. Die Fa-
milie, die 2-3 Mädchen hatte, galt als reich, während eine mit noch so vielen Jungen nur ge-
segnete Familie als arm galt. Demnach konnte der außereheliche Vater seinen Knaben schon
166
FRANZ PAULSSEN
für 1 Rind erwerben, während er für sein Mädchen bis 5 Rinder neben Ugoni zahlen mußte.
Durchschnittlich 3 Kinder kommen auf die Familie.
Die Witwe kehrt nicht ohne weiteres zu ihrer Familie zurück, sondern sie wird einige
Monate später von einem Kinde ihres verstorbenen Mannes mit einer andern Frau oder von
dem Bruder des Verstorbenen geheiratet. Die Witwe gilt insofern als geldwerter Nachlaß, als
ihr Erwerber verpflichtet ist, einem andern Erben eine Frau zu kaufen. Überhaupt findet die
Erbteilung nicht nach genauer Teilung des Nachlasses statt, z. B. bestand Einigkeit zwischen
zwei Brüdern, trotzdem der vielleicht drei Jahre ältere 8 Rinder von den 11 von seinem Vater
nachgelassenen erhalten hatte. Wenn die Witwe nicht von einem Erben geheiratet wird, so
kehrt sie zu ihrer Familie zurück und kann zwei bis drei Monate später eine neue Ehe ein-
gehen. Immer aber gehören die Kinder ihrem Vater, dem verstorbenen Ehemann. Wird die
Witwe von dem Erben refüsiert, oder weigert sie sich, wozu sie berechtigt ist, einen Erben
ihres Mannes zu heiraten, so muß ihre Familie den Brautkaufpreis, wenn kein Nachwuchs vor-
handen ist, zurückgeben. Für jedes noch lebende Kind tritt jedoch ein Abzug von ein bis zwei
Rindern ein. Hat die Frau nicht geboren oder sind ihre Kinder gestorben, so darf ihre Familie
nur eine Ziege zurückbehalten. Hat die Ehe jedoch länger als fünf Jahre gedauert, so besteht
nur Anrecht auf Rückgabe der Hälfte des Brautkaufpreises. Der Witwer hat das Recht, eine Schwe-
ster seiner verstorbenen Frau zu heiraten. Er muß aber die nehmen, die ihm von der Familie
der Frau angeboten wird, und muß dafür auch einen geringen Brautpreis zahlen. Hat die Frau
keine Schwester oder weibliche Verwandte oder will ihre Familie dem Witwer eine neue Frau
nicht geben, so muß sie das seinerzeit erhaltene Heiratsgut nebst Nachwuchs - nach Abzug
von je einem Rinde für jedes von der Verstorbenen geborene Kind — an den Witwer zurück-
zahlen. Ugoni wird nicht zurückgezahlt. Die Ehegatten beerben sich nicht gegenseitig. Weder
der Mann erbt etwas von seiner Frau, noch umgekehrt. Den kleinen Nachlaß der Frau, wie
Schlaffell, Bekleidung, Schmuck, erbt ihre Mutter oder Schwester. Hat der Mann von der Er-
krankung seiner Frau deren Familie nicht rechtzeitig Nachricht gegeben und stirbt die Frau,
so muß er als Buße — Mtambi — ein Rind zahlen, ehe er eine neue Frau erhält oder bevor
ihm der seinerzeit gezahlte Brautpreis zurückgezahlt wird.
Ein Recht auf Ehescheidung hatte ursprünglich nur der Mann, jedoch wird es bei Miß-
handlungen durch ihren Ehemann jetzt auch der Frau zugebilligt. Ehescheidungsgründe sind
Unfruchtbarkeit, Ehebruch, mangelnde Kochkenntnisse, Faulheit oder vielleicht durch Krankheit
verursachte Schlappheit. Die männliche Sippe von Mann und Frau kommen vor der Eheschei-
dung zusammen und einigen sich über die Stichhaltigkeit der Gründe. Bei Ehescheidung muß
der Brautpreis ganz zurückgezahlt werden, und wenn Dummheit oder Unfruchtbarkeit der
Grund war, mit einem Teile des Nachwuchses. Vater- und Mutterseite haften aber nur je für
das seinerzeit Erhaltene plus Nachwuchs. Verläßt die Frau ihren Mann, ohne zu ihren Eltern
vorher zurückzukehren, so sind diese zur Rückgabe des Kaufpreises nicht verpflichtet. Der
Mann muß sich dann an den Liebhaber seiner Frau halten, der Buße — Ugoni — zahlen und
entweder das Weib zurückgeben oder den Brautpreis zahlen muß. Kehrt die Frau aber erst
zu ihren Verwandten zurück, so haften diese für den Brautpreis. Wurde die Frau vor Rück-
gabe desselben ehebrecherisch, so gehört die vom neuen Liebhaber der Frau zu zahlende Buße
ihrem alten Ehemann. Die Scheidung ist sofort endgültig, und die Frau kann sogleich wieder
heiraten. Wegen ihres ersten Kindes nach der Scheidung entsteht aber oft Streit. Ihr alter
Mann versucht, es noch für sich in Anspruch zu nehmen, trotzdem es 2V3—3 Jahre nach der
Scheidung geboren worden war. Eine Schwester der geschiedenen Frau darf der Mann nicht
heiraten.
Den Wagogo sind Sklaven von durchziehenden Wanyamwezi gegen Rinder und Ziegen
verkauft worden. Daneben hatten sie auch einige wenige Kriegsgefangene als Sklaven. Drückend
ist das Sklavenjoch aber nicht gewesen. Die Sklaven mußten für ihren Herrn arbeiten, konnten
RECHTSANSCHAUUNOEN DER WAQOQO
167
daneben aber durch Fleiß und Jagdglück eigenes Vermögen erwerben. Der Sklave wohnte
bis zu seiner Verheiratung in der Tembe seines Herrn, und der Herr mußte dem Faulen so-
das Weib hauten. Wegen Faulheit konnte der Sklave aber von seinem Herrn oder einem
seiner Söhne gezüchtigt und auch mißhandelt werden. Der Herr durfte seinen Sklaven nicht
töten und gegen seinen Willen auch nicht verkaufen. Wohl durfte der Sklave sich einen an-
Hprn Herrn suchen, der ihn gegen Erstattung des Kaufpreises für sich erwerben konnte. Auch
nur mit seinem Willen konnte der Sklave verliehen werden. Da der Herr auch für Schulden
„nd Missetaten soweit diese durch Komposition abgelöst werden konnten, seines Sklaven haf-
tete so hatte dieser einen besondern Beschützer nicht nötig. Er gehörte md zur Familie und
wurde auch Ndugu“ - Verwandter - genannt. Nur wenn der Sklave Sohne nicht hinter-
wurde auc „ g prhberechtigt Frei konnte der Sklave nicht mehr werden. Die in
lassen hatte, war der Herr erboerecnugi. , . pn ,
»Kind., von ■«, Sklaven .am SU»™. Si, ,U»rt.n dm He,™ d»
reme tre ^ Ehemann einen Brautpreis für die Mutter gezahlt hatte. Waren
die^Kinder außerehelich geboren, so gehörten sie dem Herrn der Mutter. Die Kinder von
Fr6i Bes^ndere'Feierlichkeitln'bei der Geburt gibt es nicht. Alte Frauen, die im Dorfe als
Hohammen gelten, unterstützen die Kreißende. Der Mann oder Männer durften zwar in der
T h aber nicht in oder in der Nähe des Geburtszimmers sein. Durch Trillern wird nach
Ausstoßung der Nachgeburt die glücklich verlaufene Geburt der Nachbarschaft bekanntgegeben,
i strumente werden bei der Geburt nicht gebraucht, auch die Nabelschnur wird gewaltsam
“gerissen jed0ch habe ich einen Fall miterlebt, daß ein Mann durch Eingriff mit der Hand
die Nachgeburt entfernt hat. Nach sechs bis acht Tagen darf die Mutter die Tembe verlassen,
und der Tag wird durch Tanzen und Essen gefeiert. Das Kind erhält je einen Namen von der
M her und der Vaterseite. Meistens sind äußere Umstände für die Namensgestaltung bestim-
mend Als glückverheißend gilt es, wenn das Kind den Namen eines Vorfahren führt und
' onhreit Vorschriften, daß der Name geändert werden muß, bestehen nicht. Geringfügige
v,enlg ' . , vt men zu ändern. Z.B. Mtwapera = Nashornkopf, Mlewa = Krieg-,
Strehliebem^er^^nichama^“ Unsaubere, ^ahala - Kluger, Mu.ugu - während des Krieges Ge-
borener Kusenta = Wanneschwinger, Berege = die zur Zeit der Stoppelverbrennung Geborene,
Manzige oder Nyanzige = die zur Zeit der Heuschreckenplage Geborene. Daher kommt es,
daß sich einer oft anders nennt, als er von seinen Verwandten oder guten Freunden gerufen
wird Es gilt nicht der Glaube, daß die Seele des Vaters oder des Onkels oder Großvaters
iTden Neugeborenen übergeht. Demnach ist auch Teknokratie unbekannt.
Kindesmord ist nicht üblich und Aussetzung nicht gestattet, selbst bei Kindern nicht, die
mit Zähnchen geboren wurden (Wasagara-Sitte) oder denen die oberen mittleren Schneide-
zähne zuerst wachsen (Wataguru-Sitte). Die Geburt von Zwillingen wird als freudiges Ereig-
nis besonders gefeiert. Wahnsinnige versucht der Arzt zu kurieren; getötet werden sie nicht.
Sind sie gemeingefährlich, spez. Brandstifter, so werden sie mit dem Halse in einen gegabelten
Baumast geschlossen. Neugeborene, die blind sind oder denen ein wesentliches Körperglied
fehlt, werden, ehe sie der Vater zu Gesicht bekommt, erwürgt und beerdigt. Die Anwendung
von Antikonzeptionsmitteln und auch Abtreibungen sind nicht gestattet. Abtreibung scheint
aber vörzukommen; ein Mann verlangte deswegen Ehescheidung, konnte aber seine Behaup-
tung nicht beweisen. Auch Schwache und Gebrechliche werden nicht getötet. Ein Fall der
Aussetzung einer alten, sehr leprösen Frau ist mir bekannt geworden, die Täter wurden aber
von Verwandten zur Anzeige gebracht. Albinos sind fast rechtlos. Niemand will etwas von
ihnen wissen, zu Versammlungen dürfen sie nicht erscheinen, und eine Frau bekommen sie
nur nach Zahlung des doppelten, sonst üblichen Brautkaufpreises.
Baessler-Archiv VI, 4/6. 22
168
FRANZ PAULSSEN
Jünglingsweihe erfolgt nicht. Wohl ist es Sitte, daß nach der Erntezeit überall Kampf-
spiele aufgeführt werden. Diese bestehen in Werfen mit der Keule oder dem Speer, Ring-
kämpfen (Kijibata) und in Aufführungen von Kriegstänzen. Diese haben mit der Geschlechts-
reife nichts zu tun, da alt und jung daran teilnimmt, mit Ausnahme der noch nicht Beschnit-
tenen. Es ist aber das Fest, wo festgestellt wird, ob aus den Knaben — Läjoni — Beschnittene,
Mannhafte — Waserero — geworden sind, ob die Zeit diese zu Männern — Waläkischomi —
und diese wieder zu Greisen, Führern — Wanyampara — gemacht hat. Die Waserero sind
die Hauptbeteiligten an diesen Festen, Sie suchen sich dort ihre Frauen aus. Mädchen nehmen
bei den Kampfspielen als Zuschauer teil und äußern ihren Beifall durch Freudegetriller. Aber
auch recht intime Tänze werden von beiden Geschlechtern gemeinsam aufgeführt.
Im Anschluß an diese Festlichkeit findet die Beschneidung statt, und zwar bei beiden Ge-
schlechtern. Die Knaben werden abseits des Dorfes in den Busch gebracht. Hütten aus Hirse-
stengeln bilden ihre Wohnungen. Die Beschneidung wird dort von einem Manne mit Messer
vorgenommen. Zur Blutstillung und Heilung wird die Wunde mit Tonerde beschmiert. Mäd-
chen oder Frauen dürfen die Beschnittenen nicht sehen, Hirsebier dürfen sie nicht trinken und
rohes Fleisch nicht essen, da sonst die Heilung verzögert wird. Sie müssen sich daher das
Essen selbst zubereiten oder es wird ihnen außerhalb des Lagers von Frauen hingestellt, die
durch Trillern ihr Kommen und Weggehen anzeigen. Bis zur Heilung vertreiben sich die Be-
schnittenen die Zeit, indem sie sich Masken aus Getreidestengeln machen, sich im Speer- und
Keulenwerfen üben und mit Schleuder oder Pfeil Vögel schießen. Über Heilung und Zeitpunkt
der Rückkehr zum Dorfe entscheidet derjenige, der die Beschneidung vorgenommen hat. Hütten
und Masken werden vorher verbrannt. Die Beschneidung wird bei den Mädchen durch eine
Frau vorgenommen. Sie kehren danach aber in die von ihnen vorher bewohnte Tembe zurück
und warten dort die Heilung ab. Auch das Weib hat besonders bezeichnete Altersstufen: das
Mädchen heißt Muhindza, die Jungfrau Mnyasso, die junge Frau Mtchekulu, die alte Mdala
und die Greisin Mkombi. Der Tag der ersten Menses - Kalagala oder Kalakala - wird von
der Familie, den Nachbarn und Freundinnen öffentlich gefeiert. Der Tag ist ebenso wie der
Tag der Beschneidung und der Hochzeitstag Lusona - Freudentag, an dem die Ufina (Uvina) wa
Lusona getanzt wird. Nach der Beschneidung sind beide Geschlechter heiratsfähig. Das Alter,
in dem die Beschneidung vorgenommen wird, ist sehr verschieden. Bei den Mädchen teilweise
vor Eintritt der Menses. Ist dem Kinde nicht bereits im Säuglingsalter oder später von der
Mutter das Stammesabzeichen der Wagogo, eine runde bis Pfennigstück große Narbe auf der
Stirn, oberhalb der Nasenwurzel, eingebrannt worden, so geschieht das spätestens bei der Be-
schneidung. Ebenso ist es mit dem Ausbrechen der beiden unteren mittleren Schneidezähne
mittels Axtblatt, Hammer und Eisenstäbchen und dem Durchbohren der Ohrläppchen mittels
eines Doms. Wenn den Mädchen auch geschlechtlicher Umgang nicht freisteht, so wird doch
auf Keuschheit kein Wert gelegt. Bereits vor der Beschneidung, beim Hüten des Viehes, sicher-
lich aber gelegentlich der Kampfspiele, der Erntefestlichkeiten erfolgt Geschlechtsverkehr. Hier-
bei wird meistenteils ein Lustlohn weder gezahlt noch verlangt. Er würde dem Mädchen ge-
hören. Der außereheliche Verkehr, der ohne Folgen blieb, war mit einer Strafe nicht belegt.
Standesmäßige Prostitution ist eigentlich unbekannt. Trotzdem gibt es in jedem Dorfe Dirnen
= Missenja, die sich jedem gegen einen Lustlohn preisgeben. Meistens sind dies aber verlas-
sene Frauen oder Witwen; Mädchen nur dann, wenn sie älter geworden sind und noch keine
Aussicht haben, geheiratet zu werden. Diese fürchten aber immer noch ihren Vater und die
Schläge, die sie von ihm bekommen. Ankindung ist den Wagogo unbekannt. Wohl nimmt
sich oft eine Mutter der Kinder ihrer verstorbenen Freundin an, beaufsichtigt sie oder säugt
sie wie ihre Kinder, ohne daß sie dadurch irgendein Anrecht auf die Kinder erwirbt. Zwischen
den Milchgeschwistern wird auch ein rechtliches Verhältnis nicht gebildet.
Blutsbrüderschaft — Lusale - schließen die Wagogo auch jetzt noch. Früher scheint sie
RECHTS ANSCHAUUNGEN DER WAOOQO
169
aber häufiger gewesen zu sein, da Unterstützung im Kriege damit verbunden war. Je zwei
Schnitte auf der Hand zwischen Daumen und Zeigefinger und in der Handfläche, unterhalb
des kleinen Fingers, werden gemacht. Hierauf reicht jeder seinem gegenübersitzenden Freunde
seine Hand der aus beiden Stellen das Blut trinkt. Gleichzeitig ermahnt ein Alfer sie, dem
Blutsbruder’ treuzubleiben, da sonst Unglück sie, ihren Besitz und ihre Familie treffen würde.
Ein Rind wird geschlachtet und von den Beteiligten und denen, die Zeugen waren, verzehrt.
S0«ter tauschen die Blutsbrüder Geschenke von Vieh gegenseitig aus, womit die Blutsbrüder-
schaft endgültig geschlossen ist. Äußere Abzeichen gibt es dabei nicht, auch wird der Name
nicht gewechselt oder ein Heiratsverbot zwischen den Kindern der Blutsbrüder errichtet. Auch
wird ein Anrecht auf Frau oder Kinder des Blutsbruders nicht erworben. Unbeschränkte Gast-
freundschaft und ein kleines Pflichtteil beim Tode des einen sind auch jetzt noch Rechte aus
der Blutsbrüderschaft. Blutsschwesterschaft und Pelagemeinschaft sind nicht bekannt
Die Seele der Verstorbenen geht nach Ansicht der einen m das Msilo der Familie, nach
Her der andern in die Höhe, zu den bereits Verstorbenen. Einige wenige sagten mir aber, die
Seele würde ebenso Sand, wie alles andere Sand würde. Im Widerspruch hiergegen steht je-
doch die Tatsache daß alle Wagogo glauben, die Abgestorbenen könnten noch Glück und Un-
glück bringen Dementsprechend ist auch die Art der Beerdigung eine feierliche. Jetzt wie
f "her pilgert die ganze Landschaft zum Grabe des verstorbenen Sultans oder Jumben, opfert
Tücher Felle Fleisch, Honig, Pombe, Tabak und bittet um reichen Regen. Jede Familie opfert
auf dem Grabe des Vorfahren, um Unglück abzuwenden oder Glück zu erhalten. Also in Zei-
ten der Not wendet der Mgogo sich nicht an das Totemtier, sondern huldigt dem Ahnenkult.
Jede Familie auch die geringste, begräbt ihre Toten, mit Ausnahme derjenigen, die an Lepra,
blutigen Darmerkrankungen und Pocken gestorben sind. Der Sultan wird in der Tembe, in der
er gestorben ist, auch beerdigt. Nur die Verwandten erfahren vorerst seinen Tod und begraben
auch den Leichnam. Erst tage-, ja wochenlang nachdem die Verwandten über die Person des
neuen Sultans einig sind, erfährt das Volk den Tod seines Sultans. Vom Tode des am 15. Juli
1913 verstorbenen Sultans Kusenta hat das Volk erst zehn Tage später, nachdem die Bestäti-
gung des gewählten Nachfolgers durch das Bezirksamt erfolgt war, Kenntnis erhalten. Es fin-
det keine Totenklage statt, sondern die Wahl des neuen Sultans wird gefeiert durch ein großes
Volksfest Der Nachfolger Mombo des Sultans Kusenta ließ allein 95 Rinder zu diesem Fest
schlachten Die Temben des Dorfes, in dem der Sultan beerdigt wurde, werden nicht mehr
ausgebessert, sondern nach und nach abgerissen und das Dorf verlassen.
Des Sultans Grabtembe wird nur von der lebenden Generation erhalten. Später zerfällt
sie und Bäume werden an Stelle der Mauern gepflanzt. Solche Gräber vor mehreren Genera-
tionen Verstorbener sind überall in Ugogo vorhanden. Auf dem Grabe, solange es noch als
solches erkennbar ist, wird nicht geackert, der Friede des Toten nicht gestört. Auch hohle
Affenbrotbäume sind vielfach als Grabkammern verwandt worden. An der Grabstelle des letzt-
verstorbenen Familienhauptes treffen sich die Familienmitglieder vor Beginn der Regenzeit oder
bei geringem Regenfall. Jedes bringt Hirse, Erdnüsse usw., Tücher oder Pombe als Opfergabe
mit. Am Grabe wird getanzt, musiziert und singend um viel Regen gebeten. Für die gewöhn-
lichen Wagogo beginnt die Trauerfeier mit Anstimmen der Totenklage. Für Erwachsene klagen
die Männer einen und die Weiber der Verwandtschaft und der Nachbarschaft vor dem Toten-
hause drei bis sechs Tage, je nach genossenem Ansehen und Größe der Verwandtschaft. Die
Männer und Frauen rasieren sich den Kopf; beim Tode eines Verwandten und beim Tode des
Ehegatten oder eines Elternteils wird das wiedergewachsene Haar zum zweiten Male abrasiert.
Zwei Tage werden die Klagenden im Totenhause gespeist. Spiel, Tanz und Hirsebier sind
während dieser Tage aber verpönt. Der Leichnam wird gewaschen, mit Fett eingerieben und
innerhalb zwölf Stunden entweder in der Tembe oder oft in deren Nähe beerdigt. Während
die Leiche des Sultans in schwarze Tücher eingehüllt wird, wickelt man alle andern Leichen
22*
FRANZ PAULSSEN
' 170
in weiße ein. Mit angezogenen Beinen, die Weiber auf der linken und die Männer auf der
rechten Seite liegend und erstere nach Westen, letztere nach Osten mit den Gesichtern ge-
richtet, werden dis Leichname ins Grab gelegt.
Ehe durch Erde das ca. 1 — 1 x/2 m tiefe Grab zugeschüttet wird, wünschen die Verwandten
dem Entschlafenen gute Ruhe, bitten die bereits früher Verstorbenen zu grüßen und stellen in
Aussicht, daß sie sich Wiedersehen werden, da auch sie sterben müßten, und gleichzeitig bitten
sie, sie mit Unglück zu verschonen, da sie doch eines natürlichen Todes — auf Befehl Gottes —
gestorben seien. Hierauf wird von allen Anwesenden zuerst mit dem Ellenbogen etwas Erde
ins Grab gestoßen, ehe es vollständig geschlossen wird. Aller Schmuck wird dem Toten ab-
genommen und ihm dafür nur ein sehr einfacher Armreif aus weißen Perlen um das Gelenk
der Hand, worauf der Kopf ruht, gelegt. Erst zehn bis dreißig Tage nach der Beerdigung
wird im Trauerhause erstmalig wieder Pombe gebraucht. Gleichzeitig werden die Verwandten
geladen. Je nach dem Reichtum werden Rinder am Grabe des Toten geschlachtet, und bei
Tanz und Spiel wird der Totenschmaus gehalten. Auch etwas Pombe wird auf das Grab ge-
gossen, und jeder Teilnehmer spuckt den ersten Pombeschluck in Gedenken des Toten wieder
aus. Die Gräber werden als solche genau bezeichnet, durch Steine oder Bäume. Es wird,
falls es in der Tembe ist, regelmäßig wie jeder andere Platz gekehrt. Auf einem Grabe wird
nicht geackert. Sklaven wurden ebenso beerdigt wie Freie.
Wenn auch letztwillige Verfügungen in unserm Sinne den Wagogo unbekannt sind, so
läßt doch der sterbende Vater seine Kinder rufen, ermahnt sie, das Vermögen der Sitte gemäß
zu teilen und für die Mutter zu sorgen oder sie zu ihren Verwandten zurückzubringen. War
der Vater mit einem Kinde nicht zufrieden, so beauftragt er ein anderes Kind, nach seinem
Tode eine schwarze Ziege zu schlachten und einen Fellstreifen dem ungeratenen Kinde um
das Handgelenk zu legen. Dies ist gleichbedeutend mit Enterbung, denn das diesem aus der
Erbschaft gegebene Vieh wird ihm nicht von Nutzen sein, sondern bald eingehen oder Krank-
heit in die Herde bringen. Aus diesen Gründen verzichtet dieses Kind auch meistens auf die
Erbschaft, soweit es sich um Vieh handelt.
II. VERMÖGENSRECHT.
Grund und Boden gehörten früher dem Sultan, Jeder, der sich niederlassen oder seinen
alten Wohnplatz ändern wollte, mußte zum Sultan gehen und um einen Platz für Tembe und
Felder bitten. War der angewiesene Platz im Busch und nicht in der offenen Feldmark ge-
legen, so opferte der Ansiedler vor der Tembe zuerst seinen Verstorbenen und bat um gute
Ernte und Verscheuchung der Löwen, Leoparden und Schweine. Der Sultan bestimmte Leute,
die dem neuen Ansiedler beim Herrichten des Viehkrals und der Tembe behilflich sein mußten.
Nach Fertigstellung des Krals mußte für die Helfer das erste und nach Beendigung des Temben-
baues das zweite Rind geschlachtet werden. Nachdem für die Tembe die Dachträger in den
Boden eingerammt und durch aufgelegte Quer- und Längshölzer das Dach roh vorgearbeitet
ist, wird dem Sultan Nachricht gebracht. Er bindet darauf die zwei ersten Ruten zur Her-
stellung der Wände und spricht folgenden Wunsch dabei: Mögest du in Frieden hier wohnen
und viele Kinder zeugen. Möge dein Vieh sich reichlich vermehren und von Löwe und Leo-
pard verschont bleiben (Muniamafu Mazengo). Sobald mit dem Tembenbau oder dem Bäume-
fällen begonnen war, war das Eigentum bzw. Besitzrecht an Grund und Boden erworben. Es
ging an der für die Felder gerodeten Fläche auch dann nicht verloren, wenn der Besitzer in
Freundschaft mit dem Sultan oder dessen Statthalter verzog. Der Mann konnte immer wieder
kommen und seine Felder bestellen. Nur wenn der frühere Besitzer weit, vielleicht in ein an-
deres Sultanat verzog oder wenn er sich etwas gegen den Sultan oder Gemeindemitglieder —
Diebstahl, Gewalttätigkeiten — hatte zuschulden kommen lassen und deshalb verjagt worden
war, verlor er auch das bisher erworbene Recht an Grund und Boden. Wohl stand es ihm
RECHTSANSCHAUUNGEN DER WAGOGO
171
frei, sein Feld abzuernten oder, falls er Käufer fand, die aufstehende Frucht zu verkaufen,
Vorkaufsrechte der Verwandtschaft bestanden nicht. Die Tembe gehörte früher dem Sultan,
jetzt kann diese auch verkauft werden. Besondere Eigentumsrechte an Bäumen oder Berg-
rechte sind den Wagogo unbekannt, da Bäume nur als Baumaterial oder Brennholz Wert für
sie besaßen und Erze in Ugogo nicht geschürft wurden. Demnach konnten überall und von
jedem Bäume gefällt werden. Das Abbauen der Salzerde war nur den Leuten, in deren Sul-
tanat sie vorkam, gestattet. Das fertige Salz wurde erst verkauft. Wegbringen der Salzerde
hätte ein regenschwaches Jahr zur Folge gehabt. Das Eigentum wurde durch Amulette oder
eine Art Zauber nicht geschützt. Allein dadurch, daß Verwandte oder Blutsbrüder die Aufsicht
übernahmen, wurden Vieh, Haus und Hof verwahrt. Früher gehörte alles dem Familienoberhaupt.
Es kaufte seinen Söhnen Frauen und erhielt den Brautpreis für seine Töchter; auch gehörte
ihm alles in Stall und Haus und auf den gemeinsam mit den Familienangehörigen bestellten
Feldern. Jetzt haben aber viele noch im Haushalt ihres Vaters lebende Söhne durch Arbeit
bei der Eisenbahn eigenes Vermögen erworben. Das Eigentum an den oft bis 10 m tiefen, zu-
weilen um Felsen mühselig gegrabenen Brunnen gehört den Erbauern allein. Diese bewachen
eifersüchtig die Brunnen; Familienzank, Mißhandlung und Totschlag sind die Folgen der un-
berechtigten Entnahme von Wasser für das Vieh gewesen. Wohl durften die Menschen auch
aus fremden Brunnen trinken, und auch einem fremden, durchreisenden Mgogo wurden dabei
keine Schwierigkeiten gemacht. Wehe aber der Karawane, die ohne Erlaubnis des Sultans und
des Eigentümers Wasser für Mensch und Tiere entnehmen wollte! Sie mußte, um Gewalttätig-
keiten aus dem Wege zu gehen, das Wasser kaufen - und teuer kaufen. Gemeinland war das
Weideland und der Wald. Gastfreundschaft wurde auch den Fremden gewährt, aber höchstens
für einen Tag. Für zwei oder drei Tage Essen und Unterkunft mußte bezahlt oder dafür ge-
arbeitet werden. Anderseits soll aber manches Sklavenleben mit der Frage nach dem Wege
begonnen haben; denn diese Frage soll genügt haben, um selbst den durchreisenden Mgogo
als vollständig fremd und demnach als schütz- und rechtlos erscheinen zu lassen.
Der Eigentümer kann von dem Finder einer verlorenen Sache diese zurückverlangen. Eine
Kleinigkeit als Finderlohn muß bezahlt werden. Der Käufer der gefundenen Sache ist aber
zur Rückgabe nicht verpflichtet. Desgleichen verhält es sich mit gestohlenen und unterschla-
genen Sachen; der Geschädigte kann aber von dem Täter vollen Schadenersatz verlangen.
Das Elfenbein des weitab von der Feldmark erlegten Elefanten gehörte dem Jäger, ebenso das
dort gefundene Elfenbein dem Finder. Das auf bebautem Land oder in dessen Nähe gefundene
Elfenbein gehörte voll und ganz dem Sultan. Auch dasjenige des zwar im Busch geschosse-
nen, innerhalb der Feldmarkgrenzen aber verendeten Elefanten gehörte dem Sultan. Dieser
gab dagegen aber einen Zahn oder Ochsen oder Hammel an die Jäger oder den Finder.
Löwen- und Leopardenfelle gehörten stets dem Sultan. Gejagt wurde mit Stoß- (Katasa, nda-
basi) und Wurfspeer (Mjoha), Pfeil (Songo) und Bogen (Upinde), Schleuder (Nhago), Schlag-
(Nsiale) und Wurfkeule (Tumbi), in Fallen (Kilejehä, vitunda) und Gruben (Ikwäme) und ver-
einzelt auch mit Hunden. Die Wagogo verschmähen Fische. Die Bienenschwärme gehörten
demjenigen, der sie fing. Pfandrecht an beweglichen Sachen und aufstehender Frucht ist den
Wagogo bekannt. Das Pfand, z. B. Axt, Hacke, Messer, wird dem Gläubiger übergeben. Er
darf es gebrauchen und ist für seine Aufbewahrung verantwortlich. Verliert es der Gläubiger
oder wird es ihm gestohlen, so muß er seinen Wert ersetzen.
Die besonders in Zeiten von Hungersnot als Pfand gegebenen Sklaven, Weiber und Kinder
mußten für den Gläubiger arbeiten und erhielten dafür Unterkunft und Beköstigung. Der Er-
trag aus der Arbeitsleistung wurde nicht in Abzug von der Schuld gebracht. Ein Geschlechts-
verkehr des Gläubigers mit den als Pfand gegebenen Frauen oder Mädchen des Schuldners
tilgte dessen Schuld bzw. die fällige Buße, dafür wurde gegen die Schuld aufgerechnet. Ent-
lief der Sklave, so mußte sein Herr für seine Wiederergreifung Sorge tragen oder ein anderes
/
FRANZ PAULSSEN
172 ,
Pfand «teilen. Der Tod des Sklaven änderte an dem Schuldverhältnis nichts, es mußte ein
anderes Pfand gegeben werden. Wurde das als Pfand gegebene Vieh krank, so mußte der
Schuldner davon benachrichtigt werden. Verendete es alsdann, so erfolgte dies zu Lasten des
Schuldners. War die Benachrichtigung nicht erfolgt, hatte der Gläubiger auch noch das Fleisch
des gefallenen Viehes für sich verwandt, so war die Schuld mindestens getilgt. Auch nach
Ablauf des Fälligkeitstermins hatte der Schuldner das Auslösungsrecht. Nur wenn der Sultan
oder dessen Vertreter auf Antrag einer Partei die Frist zur Auslösung definitiv festgesetzt
hatte, verfiel bei Nichteinlösung das Pfand. Als Tauschmittel ist erst in den letzten Jahren,
mit Beginn des Bahnbaues, überall Geld bekanntgeworden. Vorher waren Stoffe und Hacken,
Vieh, Getreide und Arbeitsleistungen nur als solches bekannt. Geld wurde nur beschafft zur
Bezahlung der Steuer. Der Tausch unterlag vollständig der Vereinbarung der Parteien, höch-
stens hatte Salz immer einen bestimmten Preis. Verträge wurden stets von dem Familienhaupt
oder in dessen Auftrag geschlossen. Frauen schlossen den Salztausch ab. Geistesschwache
wurden nicht beauftragt, wohl aber Minderjährige und Sklaven. Der Austausch bei Geschäften
erfolgte meistens Zug um Zug. Aber auch Credit wurde dem Freunde eingeräumt. Mit der
Wegnahme der Sache aus der Wohnung des alten ging die Gefahr auf den neuen Besitzer
über. Eine Gewährleistung für Mängel, speziell auch bei Vieh, erfolgte nicht. Die geliehene
Sache mußte unbeschädigt oder wieder repariert zurückgegeben werden. Ein Mietzins wurde
im allgemeinen nicht erhoben. Häufiger kam es vor, daß zwei oder drei sich zur gemein-
schaftlichen Salzgewinnung zusammenfanden. Hierbei wurde aber das gewonnene Salz und
nicht der Erlös daraus geteilt. Dienstverträge mit Hirten und wohl auch Trägern wurden ab-
geschlossen. Die Gegenleistung bestand aber meistens in Lieferung des Lebensunterhalts wäh-
rend und Zahlung eines Geschenks bei Beendigung des Vertragsverhältnisses. Auf Schenkung
mußte Gegenschenkung erfolgen oder die Schenkung konnte rückgängig gemacht werden.
Darlehen mit periodisch laufenden Zinsen waren unbekannt. Aber mit einer oft recht wuche-
rischen, unter Ausnutzung der Notlage ausbedungenen festen Vergütung wurden Getreidedar-
lehen in Zeiten von Hungersnöten gegeben. Das innerhalb eines Jahres Zurückzugebende be-
trug teilweise das Fünffache des Empfangenen, meistens war es aber nur das Doppelte. Bezahlte
der Schuldner nicht, so wurde, wenn nicht direkt zur Selbsthilfe durch Wegnahme eines
Stückes Vieh geschritten wurde, die Hilfe und Entscheidung des Sultans angerufen. In Sklaven-
schaft konnte jemand durch Schulden nicht geraten. Für die ganze Schuld haftete aber das
Familienoberhaupt und auch die Erben. Ein Recht auf den Leichnam erwarb der Gläubiger
nicht. Bürgschaftsverträge wurden häufiger abgeschlossen. Der Bürge erklärte sich bereit, für
den Fall der Flucht des Schuldners dessen Schuld zu zahlen.
Bei fast jedem Abschluß eines Vertrages wurden Fluch- oder Verwünschungsformeln —
Chira — gebraucht, wie: Ich werde innerhalb eines Jahres oder durch Schlangenbiß sterben,
oder ich bzw. meine Kinder werden krank werden oder ich werde arm werden, wenn ich
nicht meine Schuld bezahle. Dies galt und gilt soviel wie ein Eid, und selten nur soll ab-
sichtlich ein Eidbruch erfolgt sein.
III. STRAFRECHT.
Blutrache, wenn man darunter speziell an die Aufnahme der Spur und die Verfolgung des
Mörders usw. denkt, kannten die Wagogo nicht. Wohl ergriff der bei der Mordtat anwesende
Bruder oder Vater Partei für den Angegriffenen und leistete ihm Hilfe oder rächte auf der
Stelle seinen Tod. Hierdurch war dann die ganze Angelegenheit erledigt. Blieb aber bloß
einer tot, bzw. war der Täter direkt in die Tembe des Sultans geflüchtet, so mußte durch
Wergeid Sühne getan werden. Ungefähr zwanzig bis dreißig Rinder sühnten Mord und zehn
bis zwanzig absichtslose Tötung. Hierbei war es gleichgültig, ob Mann, Weib oder Kind ge-
tötet worden war. Auch bei schwerer Mißhandlung galt nicht das Prinzip „Aug’ um Aug’,
RECHTSANSCHAUUNGEN DER WAGOGO
173
Zahn um Zahn“, sondern auch dabei wurde durch Hingabe von zwei bis drei Rindern die
Straftat abgegolten. Wurde jemand durch ein Rind stark verletzt oder getötet, so gehörte das
Rind dem Verletzten bzw. seinen Erben. Als Wergeid konnten nur Rinder, niemals Sklaven,
Getreide, Kinder oder Frauen gegeben werden. Es fiel immer an die Erbberechtigten, jedoch
erhielten auch entferntere Verwandte einen geringen Teil des Wergeides, da sie mitverpflichtet
waren, es in ähnlichen Fällen aufzubringen, weil der Täter und seine gesamte Verwandtschaft
haftete. Bei der Übergabe der Komposition wurde ein Rind geschlachtet und gemeinsam ver-
speist, zum Zeichen dessen, daß die Streitigkeiten beendet seien. Die Alten wiesen durch eine
feierliche Ansprache auf den Friedensschluß besonders hin. Mit Ausnahme der Tembe des
Sultans gab es Asylstätten nicht. Für den, der das Asylrecht bei dem Sultan in Anspruch ge-
nommen hatte, zahlte dieser meistens auch das Wergeid, wodurch der Missetäter Sklave des
Sultans wurde. Bemerkenswert ist, daß derjenige, der einen Dieb nachts bei Begehung des
Diebstahls tötete, eine Sühne nicht zu zahlen hatte, er hatte ja nur eine Hyäne getötet. Ge-
bräuche, durch welche der Täter von Zahlung des Wergeides sich befreien konnte, waren un-
bekannt. Das Strafrecht wurde von dem Sultan ausgeübt und als Strafen verhängt: Erschlagen
mittels Holzkeule, z. B. des Zauberers, Erdrosselung desjenigen, der den Regen vertrieb, und
Erstechen z. B. des Kriegs- oder Landesverräters, ferner Landesverweisung des Unruhestifters
oder des Sultansbeleidigers und Vermögensstrafe, schwankend zwischen 1 Ziege und 35 Rin-
dern. Notzucht und leichte Mißhandlung wurden mit je einer Ziege, Diebstahl usw. mit dem
Doppelten des Entwendeten, Geraubten oder Veruntreuten, schwere Körperverletzung mit min-
destens einem Kalb geahndet. Blutschande, widernatürliche Unzucht sollen den Wagogo von
jeher und auch jetzt noch unbekannt sein. Die zufällige Missetat wurde nicht bestraft, wohl
aber mußte Erstattung an den Geschädigten erfolgen. Helfer und Anstifter wurden mit dem
Täter bestraft; Versuch jedoch blieb straffrei, mit Ausnahme des versuchten Diebstahls, der
mit einer Ziege geahndet wurde.
Auf Hochverrat und schwerer Beleidigung des Sultans stand die Todesstrafe. Der Täter
wurde auch gegen Geschenk von dem Nachbarsultan, zu dem er geflohen war, ausgeliefert.
Auf Ehebruch stand im allgemeinen keine Strafe; nur wenn Schwangerschaft eintrat, wurde
der Ehebrecher in eine Rinderstrafe genommen. War er jedoch vom Ehemann vor Zeugen
gewarnt worden und wurde er später unter Umständen angetroffen, die auf einen außerehe-
lich stattgefundenen Verkehr schließen ließen, so konnte der Ehemann den Ehebrecher töten.
Im allgemeinen wurde nicht angenommen, daß jeder Tod durch einen Zauberer veranlaßt
worden sei. Dementsprechend war auch die Bestrafung der Zauberer eine verschiedene. Die-
jenigen, die lästig wurden, weil ihnen nachgesagt wurde, sie töteten Menschen, ohne daß ihnen
dies bewiesen werden konnte, wurden verjagt. Wurde ihnen aber Mord bewiesen, so wurden
auch sie getötet.
IV. PROZESSRECHT.
Nur bei eigenem Unvermögen wendete sich der Gläubiger an den Sultan um Hilfe gegen
den Stärkeren Der Sultan entschied zusammen mit den Waniekulu, d. h. Alten, Schöffen Be"
sitzern, Genchtsd.enern und -vol ziehern. Die Verhandlung wurde öffentlich abgehalten un.
Vorsitz des Sultans oder seines Vertreters, im Beisein aller ortsanwesenden Wanieku ü Eine
ordnungsmaß,ge Abstimmung fand nicht statt. Jeder, der etwas sagen wollte äußerte !th d
der Vorsitzende entschied, und zwar endgültig. Eine berufsmäßige Gerichtsvertretumr h ^
Wagogo unbekannt. Jedoch unterstützten die Verwandten die Parteien. Alle Wagogo^auch
die Frauen und die Sklaven, waren prozeßfähig. Der Beklagte wurde durch den KlLr ge
laden. Wurde der Vorladung keine Folge geleistet, so erfolgte die Vorführung des Bekiff,
auf Anordnung des Sultans durch Waniekulu, die Kläger bezahlen mußte Die Klagebeha.
tungen konnten durch Zeugen und auch durch Beteuerungsformeln bewiesen werden Ich häbe’
174
FRANZ PAULSSEN
bei allen, die ich gefragt habe, den Eindruck gewonnen, daß der Vorsitzende freie Beweis-
würdigung hatte und nicht alles zu glauben brauchte, was ihm die Zeugen sagten. Auch konnte
er durch Waniekulu Ortsbesichtigungen vornehmen lassen. Die Parteien mußten die Zeugen
selbst zur Verhandlung mitbringen. Die Zeugen brauchten nicht zu erscheinen. Erschien der
Zeuge nicht, so galt der durch sein Zeugnis zu erbringende Beweis als nicht erbracht. Der
Sultan hatte auch das Recht, beide Parteien gleichzeitig einem Gottesurteil, der Heiß wasser-
probe, zu unterwerfen. Aber meistens soll sich der Sultan mit den Beteuerungsformeln einer
Partei begnügt haben; während Gift- und Schlangenprobe bei den Wassagara und Wahehe, den
Nachbarn der Wagogo, häufig gewesen sein sollen.
Eine besondere Unterscheidung zwischen Straf- und Zivilsachen war unbekannt, in allen
Sachen wurde nach dem Satz „Wo kein Kläger, da kein Richter“ gehandelt. In Diebstahl-
sachen wurde jedoch nur der Beschuldigte — besondere Verfahrensabschnitte gab es nicht —
dem Gottesurteil unterworfen. Ging der Beschuldigte unverletzt aus der Probe hervor, so
mußte ihm der Anzeigende eine Buße zahlen. Auch ohne Anordnung, gleichsam als scharfe
Beteuerung, konnte sich der Beschuldigte eine Nadel durch die obere Hälfte des Ohres stoßen.
Floß kein Blut, so war seine Unschuld erwiesen. Diese Probe und auch die Heißwasserprobe
konnte auch an einem ganz nahen Verwandten - Vater, Bruder, Sohn - mit deren Einwilli-
gung vollzogen werden.
Ausreichende Beteuerung oder Gottesurteil entschieden sofort. Andere außergewöhnliche
Beweismittel als die aufgeführten waren den Wagogo unbekannt. Zweikämpfe wurden oft aus-
gefochten. Aber nicht zur Schlichtung eines Rechtsstreits, sondern zur Ermessung von Kraft
und Geschicklichkeit bei Meinungsverschiedenheit darüber. Die Zweikämpfe, meistens mit Speer
und Schild, fanden ohne zugezogene Zeugen statt. Ein Alter, der als Sultansvertreter galt,
konnte durch Werfen eines Tuches zwischen die Streitenden und Überspringen desselben den
Zweikampf beendigen. Auch hierbei übernahm der Friedenstifter die Rolle des Priesters, indem
er zur Ruhe und Eintracht ermahnte.
Die Zwangsvollstreckung nahm der Gläubiger vor, wobei er, wenn er sich zu schwach
glaubte, von den Waniekulu unterstützt wurde. Sie richtete sich nur gegen das Vermögen des
Schuldners. Das Vermögen seiner Familie haftete aber für ihn mit.
V. STAATS-, VERWALTUNGS-, VÖLKERRECHT.
Ugogo war, wie auch jetzt noch, in Sultanate geteilt von sehr verschiedener räumlicher
Ausdehnung und meistens geringer Bevölkerungszahl. Der Sultan war Oberhaupt. Er regierte
und ließ in entfernteren Landesteilen durch seinen Vertreter — Mdäwa — regieren. Die Sultans-
würde war in der Familie erblich, und bestimmte die erwachsene Verwandtschaft und die an-
gesehensten Waniekulu den Sultan, ohne bei ihrer Wahl an die Person des nächsten Ver-
wandten gebunden zu sein. Hinterließ der Sultan männliche Verwandte nicht, so konnte er bei
Lebzeiten einen seiner Leute zu seinem Nachfolger bestimmen und diesen zu sich nehmen und
an Sohnes Statt halten. Hieraus dürfte eigentlich hervorgehen, daß nur Männer die Sultanswürde
bekleiden konnten; trotzdem ist mir von verschiedener Seite gesagt worden, daß früher auch
Frauen Sultane gewesen sein sollen. Dem Sultan gehörte die Hinterlassenschaft der im Sul-
tanat verstorbenen Fremden so lange, bis sich die ordentlichen Erben meldeten. Er erhob von
den Karawanen Durchgangszölle. Der vom Sultan bestimmte Mwenyitumbi war das Dorfober-
haupt, dem die Alten wie überall zur Seite standen. Die Auswanderung stand jedem frei, und
der Sultan konnte ihm nicht Passende aus seinem Sultanat verweisen. Er war Sultan für
Kriegs- und Friedenszeiten. Abgesetzt oder umgebracht wurde er nicht. Häufig dankte er aber
ab, z. B. nach Regenausfall, nach vielem Hänseln durch die Alten. Diese zusammen mit der
Verwandtschaft und den Wadäwa richteten über den Sultan. Er hatte kein besonderes Ab-
zeichen. Den Namen, den er sich bei Antritt seiner Würde gab, behielt er bis zum Lebens-
RECHTSANSCHAUUNGEN DER WAGOGO
175 "
ende, auch wenn er die Würde selbst nicht mehr bekleidete. Sein Tod wurde bis zur Einigung
über seinen Nachfolger geheimgehalten. Außer den Genannten gab es Verwaltungsbeamte
nicht. Einen Adel kennen die Wagogo nicht. Bei ihnen stehen die Handwerker, wie Schmiede
(Mtiani), Schreiner (Msessi), Korbflechter, Schneider (Muhoni), in besonderem' Ansehen. Die
Gemeinden als solche besaßen kein Eigentum. Jedes Gemeindemitglied mußte im Jahre einen
Tag beim Sultan oder, nach dessen Anordnung, bei einem Mdäwa im Feld arbeiten ohne Ent-
gelt. Auch konnte der Sultan anordnen, daß ihm ein kleiner Prozentsatz der Ernte von jedem
seiner Untertanen abgeliefert wurde. Der Zweck war, daß die Untertanen für die Beschaffung
der Lebensbedürfnisse ihres Sultans sorgen mußten. Krieg brach wegen geringfügiger Ur
Sachen aus, z. B. wegen der Zähne eines auf der Grenze gefallenen Elefanten. Eine Kriegs
erklärung ging nicht voraus. Die Kriegsbeute wurde geteilt. Die Gefangenen wurden Sklaven
d. h. bei der Art der Sklavenhaltung, Familienmitglieder desjenigen, der den Kriegsgefangenen
gemacht hatte. Der Friede wurde durch einen benachbarten Sultan herbeigeführt. Beim Frie-
densschluß nahmen die feindlichen Häuptlinge ein Stück Leber in den Mund. Der Frieden
stiftende Sultan schnitt es durch und ermahnte die früheren Feinde, jetzt Frieden zu halten
da durch den Krieg viel Vermögen zerstört würde. Die Gefangenen wurden gegeneinander
ausgetauscht oder freigegeben oder auch ausgelöst. Die Streitenden mußten dem dritten Sultan
feierlich versprechen, Frieden zu halten. Das war die einzige Friedensgarantie. Zuweilen soll
auch der Gegner vollständig besiegt, sein ganzes Land unterworfen und der Sultan abgesetzt
seiner Würde entkleidet worden sein.
Wie Ugogo je nach der Jahreszeit, in der es passiert wurde, ganz verschieden beurteilt
wurde, so müssen sich auch die Wagogo eine stark voneinander abweichende Beurteilung von
den verschiedenen Reisenden gefallen lassen. Ihre Rechtsanschauungen sind primitiver Natur
jedoch kann nur ein eingehendes psychologisches Verständnis, speziell für die Ehrung des Al-
ters und den bei allen Gelegenheiten ohne Priester ausgeübten Kult dem Eingeborenenrichter
das Vertrauen der Wagogo erwerben und erhalten.
Baessler-Archiv VI, 4/6.
23
HAWAIISCHE BASTSTOFFE (KARA) UND WERKZEUGE
ZU IHRER HERSTELLUNG.
VON
Dr. AUG. EICHHORN.
In Ozeanien hat die Herstellung von Zeugstoffen aus geschlagenen Bastfasern ihre höchste
Entwicklung auf den Hawaiischen Inseln erreicht gehabt. Cook, der auf seiner dritten Welt-
reise (1778) die Inselgruppe anlief, war voll Bewunderung über die Kunstfertigkeit und den
Geschmack, den die Eingeborenen in der Bemusterung ihrer Bastzeuge an den Tag legten,
„...in colouring or staining it, the people of Atovi1) display a superiority of taste, by the
endless variation of figures which they execute. One would suppose, on seeing a number of
their pieces, that they had borrowed their patterns from some mercer’s shop, in which the
most elegant productions of China and Europe are collected; besides some original patterns of
their own. Their colours, indeed, except the red, are not very bright; but the regularity of the
figures and stripes is truly surprising; for, as far as we knew, they have nothing like stamps
or prints, to make the impressions.“1 2)
Diese blühende Kapa3)-Industrie verfiel, seit vor etwa hundert Jahren die amerikanische
Mission ihre Tätigkeit auf der Inselgruppe zu entfalten begann. Die einheimischen Baststoffe
wurden zugunsten der baumwollenen Gewebe, welche die Missionare einführten und mit denen
sie Handel trieben, verdrängt. Gegenwärtig gehört die Kapafabrikation Hawaiis, die ehemals
unermeßliche Stoffmengen für Kleidung und Schmuck geliefert hat, der Vergangenheit an.
Nur die ethnographischen Museen bergen unter ihren Schätzen die letzten Erinnerungen an
dieses vollständig erloschene Kunstgewerbe der Hawaiier.
' Was Reichhaltigkeit der Sammlungen von Kapastoffen und was Vollständigkeit der Werk-
zeuge zur Baststoffbereitung anlangt, so steht das Bishop Museum in Honolulu an erster
Stelle4); aber auch das Staatliche Museum für Völkerkunde zu Berlin verfügt dank seiner
alten Bestände, die bis in die Zeiten von Cook und der beiden Förster, von Banks und So-
lander, sowie von Flinders zurückgehen, und aus neuerer Zeit, namentlich zufolge des regen
Sammelfleißes von Dr. Arning in Hamburg, der 1884—86 zum Zwecke der Lepraforschung
auf Hawai weilte und seine Beziehungen zum Herrscherhause auch ethnographisch nutzbrin-
gend gestaltete, über eine Fülle von Kapastoffen und des zu ihrer Herstellung und Bemuste-
rung nötigen Arbeitsgeräts, wertvolles, zum Teil einzigartiges Material, das bisher noch nicht
zur Veröffentlichung gelangte. Da der Raummangel in den Ausstellungssälen und die teil-
weise Magazinierung in Dahlem zur Klage über Unzugänglichkeit der aufgespeicherten Mu-
seumsschätze berechtigten Grund gibt, soll nachstehend eine im wesentlichen allerdings nur
katalogähnliche Publikation über die hiesigen Kapastoffe und das Instrumentarium zur Bast-
zeugherstellung geboten werden.
1) Kauai.
2) A voyage to the Pacific Ocean performed under the direction of Captains Cook, Gierke etc. London 1784.
S. 237 f.
3) kapa = tapa (Rapanui, bez. Tonga) = siapo (Samoa) = hiapo (Tonga).
4) cf. Ka Hana Kapa by W. T. Brigham. Honolulu 1911,
AUG. EICHHORN: HAWAIISCHE BASTSTOFFE (KAPA) UND WERKZEUGE ZU IHRER HERSTELLUNG 177
I. DAS ROH-
MATERIAL.
Schon Solander
wies darauf hin, daß
wie die Japaner und
Chinesen ihre feinen
Papiere aus dem Ba-
ste des Papiermaul-
beerbaumes herstel-
len, in derselbenWei-
se die Hawaiier sich
ihre Kapa fabrizieren.
Broussonetia papyri-
fera ist der Haupt-
lieferant des Bast-
materials, seineVerar-
beitung Frauensache.
Abb. 1.
Abb. 1. Kapa Cave at Maua Kaupo. Maui, a rarely visited village on the slopes of Haleakala. Old women
making kapa. Mai 8**1 1886. Dr. Arning phot.
Ellis beschreibt1) den Hergang der Fabrikation: For several days past we have observed
many of people bringing home from their plantations bundles of young wauti (a variety of
the morus papyrifera).. This morning, the 17th [1823], we perceived Keona, the governor’s
wife, and her female attendants, with about forty other women, under the pleasant shade of a
beautiful clump of cordia or kou trees, employed in stripping off the bark from bundles of
wauti sticks, for the purpose of making it into cloth. The sticks were generally from six to
ten feet long, and about an inche in diameter at the thickest end. They first cut the bark,
the whole length of the stick, with a sharp serrated shell, and having carefully peeled it off,
rolled it into small coils, the inner bark being outside. In this state it is left some time, to
make it flat and
Abb. 2. Bastfasern von waoke, Broussonetia papyrifera. Abb. 3. Bastfasern nach zweimonatiger Wässerung
Abb. 4. Bastfasern nach dreimonatiger Wässerung.
smooth. Keona
not only worked
herself, but ap-
peared to take the
superintendence
of the whole par-
ty... With lively
chat and cheer-
full song, they
appeared to be-
guile the hours
of labour until
noon, when ha-
ving finished
their work, they
repaired to their
dwellings ...
1) Narrative of a
tour through Hawaii.
1827. S. 93 f.
23*
178
AUG. EICHHORN
The bark, when stripped off and rolled up .. is left several days; when, on being un-
rolled, it appears quite flat. The outer bark is then taken off, generally by scraping it with a
large shell, and the inner bark, of which the cloth is made, is occasionally laid in water, to
extract the resinous substances it may contain.
Abb. 2. VI 8855. Ein Bund Bastfasern von waoke oder wauke, Broussonetia papyrifera.
Gelblich weiß; hart; fühlen sich etwas fettig an. ca. 2 cm breit. Waimea, Kauai.
Abb. 3. VI 8829. hoakahi, Bastschicht vom Papiermaulbeerbaum, die zwei Monate lang
gewässert worden ist. Ähnlich aufgeweichtem Fließpapier, aber mit zugfester Faser.
Abb. 4. VI 8830. ekolu anahulu; drei Monate lang gewässerte Bastfasern von waoke.
Hellgelb. Das Fasergewebe ist stark gelockert, aber zugfest; es läßt sich bis ums Zehnfache
seiner anfänglichen Breite breit schlagen.
II. DAS ARBEITSGERÄT.
Ellis fährt in seiner Beschreibung der Kapabearbeitung fort1): Each piece of bark is
then taken singly, and laid across a piece of wood, twelve or eighteen feet long, six inches
square, smooth on the top, but having a groove on the under side..“
Abb. 5. VI 8738. kua-kapa, balkenförmiger Holzklotz als Unterlage beim Bastklopfen.
Aus einem soliden Stück Ahakea-Holz. Die Unterseite ist 21/, cm tief ausgehöhlt. Abb. 5a
(Durchschnitt). Ober- und Seitenfläche gut geglättet.
Bei der Benutzung zum Zusammenschlagen der Bastfasern wird der Balken auf Rollen
aus Pandanusblättern oder auf viereckig gepreßte grobe Schwämme gelegt. Die vierkantigen
oder zylindrischen Klopfhölzer (Abb. 11-29) geben bei der Arbeit einen weithin hörbaren Ton,
der früher in fast allen Tälern erschallte. Um Mitte der achtziger Jahre des vorigen Jahr-
hunderts wurde nur noch an wenigen Stellen auf Maui und Hawaii Kapa geklopft. „The blows
of the beater on this anvil ... were not unpleasing, damped as they were by the moist fibre
between the opposed surfaces. Talking by means of a well under stood code of signals
(a sort of Morse alphabet), the old ladies beating kapa could disseminate the latest gossip
telephonically through a long valley, and I have found the news of my coming had passed
through the air long before I came in sight of a party of kapamakers, as I rode up a valley
trail. I was assured that wen everyone was making kapa (usually during the forenoon) a
message could be, and often was sent around an island by frequent relays. The signals
used are now forgotten..“ (Brigham 1. c. 78).
Der Holz-„Amboß“ stammt aus Nauueule.
Abb. 6. VI 26853. Papa hole kua ula oder malo kapa, Klopfbrett. Aus Kanilaholz; braun-
Abb. 5. kua-kapa, Unterlage beim Kapaklopfen. Oberfläche Im 87 cm lang; 16 cm breit. Abb. 5 a. Durchschnitt
Unterseite I m 55 cm lang; Vorderseite 9 72 cm, Hinterseite 11 cm hoch. des kua kapa.
1) I. c. p. 95.
HAWAIISCHE BASTSTOFFE (КАРА) UND WERKZEUGE ZU IHRER HERSTELLUNG
179
Abb. 7.
Abb. 8 a.
Abb. 7. Schnilzinstrument mit Haizahn.
Abb. 7a. Querschnitt.
Abb. 8. Grabstichel
Abb. 8 a. Spitze des Grabstichels (Haifischzahn).
. Reide Breitseiten mit parallel verlaufenden flachen Längsrillen, von denen vier, bez.
r-!rTuZf ein Zentimeter Breite entfallen. 63 cm lang; 11,2 cm breit; 1,5 cm stark.
VI 8761 Papa hole kua ula. Aus Kanilaholz; braunschwarz. Beide Bre.tseiten mit
.. „oru|en.' sechs bez. sieben entfallen auf einen Zentimeter Fläche. 1 m 26,5 cm lang:
22 cm breit; durchschnittlich nur 1 cm stark. Aus dem Besitze der Highchiefess Anhea, Ku-
sine von Lunalilo. Aus Kamalo. Molokai.
VI 8762 desgleichen. Fünf, bez. acht Längsrillen entfallen auf einen Zentimeter Fläche.
1 13 cm lang 20 cm breit. Stärke des Brettes; in der Mitte 2 cm, am Rande 1,3 cm. Auf
beiden Seiten ein wenig gewölbt. Von derselben Besitzerin erworben.
Diese Bretter dienten als Unterlage beim Klopfen einer besonderen Kapaart, aus der malo
, . . .rpws». kaDa girded about the loins of men; in former times the malo was the only
iTess woruby men when at work) und pa’u. „the waist cloth of the mate and female re-
spectively“, Schlafdecken u. a. m. hergestellt wurde.
Nicht ede Kapaschlägerin war auch Besitze™ eines derartigen kostbaren Brettes.
Die heutigen Hawaiier preisen diese malo boards als Beweise der Geschicklichkeit ihrer
Altvorderen Mit Recht, wenn man sich die primitiven Instrumente zum Einschneiden der
Rillen in die Flächen der breiten harten Bretter vergegenwärtigt:
Abb 7. VI 261. Schnitzinstrument.
Aus braunem hartem Holze; allseitig sorgfältig geglättet. Der Griff ahmt die Form eines
tierischen Unterkieferknochens nach. Querschnitt Abb. 7a. Der aufsteigende Ast ist an sei-
Ende quer, doppelkonisch durchbohrt. In das andere Ende ist eine im Querschnitt
U förmige Rille als Lager für den Haifischzahn eingelassen; zweisträhnige olonä-Faser-Schnür-
chen die durch die Löcher im Griff und Zahn laufen, fixieren ihn. 15,3 cm lang; größte
Dicke 2 cm.
Abb. 8. VI 8823. Grabstichel.
Griff aus Kanilaholz; braun. Wie bei einem Glaserdiamanten ist ein kleiner Haifischzahn
(Abb. 8a) mittels waoke-Bastfasern derart am Griff befestigt, daß nur die Spitze ein wenig
hervorragt. 9,2 cm lang; 7 mm stark.
Solche Grabstichel benutzten die alten hawaiischen Holzschnitzer zum Ausheben der
feinen Riefen in den Kapa-Klopfbrettern, ferner zum Gravieren der Bambusstempel, die zum
Drucken farbiger Muster benutzt wurden, sowie der Kapa-Klopfhölzer, mit denen das Druck-
1) A Dictionary of the Hawaiian Language.
180
AUG. EICHHORN
muster als eine Art
Wasserstempel in den
Baststoff geschlagen
wurde. Diese Art
von Schnitzwerkzeu-
gen ist seit Jahrzehn-
ten äußerst selten geworden und jetzt wohl nur noch in Museen zu finden.
Waren die Rillen der Kapaklopfbretter, die zur Herstellung des Baststoffes für malo und
pa’u-Bekleidung dienten, durch anhaftende Fasern, Gemüll und sonstige Abfallstoffe verunrei-
nigt oder verstopft, so benutzte man zur Säuberung der Vertiefungen folgendes Instrument,
das gegenwärtig „eine Rarität ersten Ranges“ repräsentiert:
Abb. 9. VII 8763, Reinigungswerkzeug.
Aus Kanilaholz; defekt. Die untere Kante scharf, nur 2 mm dick; Rückenstärke 2 cm.
Länge 47,5 cm; ursprünglich wohl 56 cm. Aus Hana, Maui. Von der Hand eines Eingebore-
nen ist folgender Vermerk auf das Instrument geschrieben: He hole kua ula kainoa no ka-
malo о kawa kahiko nonalii о kapila kilii о Hana ia wa Helii ai moku.
Kehren wir zum Verlauf der Zubereitung der Bastfasern für die Herstellung der Kapa-
stoffe zurück. Das einzelne Baststück wird auf der hölzernen Unterlage mit einem „mailet
of hard heavy wood“ (Ellis) breitgeklopft. Hin und wieder diente dazu auch eine alte Keule.
Abb. 10. VI 8608. Klopfkeule.
Aus Ahakeaholz. Walzenförmig; Mittelteil stark abgenutzt. Griffende durch-
bohrt. 48 cm lang; Umfang des Schlagteiles 25 cm.
Abgesehen von diesem Einzelfall, der für die Entstehung der zylindri-
schen Klopfer aus der Keulenform von Bedeutung ist, benutzte man zum
Kapaschlagen Klopfwerkzeuge, die zu den kunstvollsten Erzeugnissen der
althawaiischen Industrie gehören. Die meisten sind aus dem hochbewerteten,
sehr harten Kanilaholze hergestellt. Schon vor ca. dreißig Jahren betrug der
Preis für ein Stück Holz, das zur Anfertigung eines Spazierstockes hin-
reichte, 5 Dollars. „Der Wert des Holzes ist ein derartiger, daß bei einem
alten hawaiischen Speere, den ich in meiner Sammlung besitze, die Einge-
borenen den Marktwert auf 20 Dollars schätzen, weil vier Kanilastöcke daraus
gemacht werden könnten. Auch in den alten Zeiten stand das Holz hoch im
Preise. Die Eingeborenen suchten sich ihren Bedarf durch senkrechtes An-
schneiden der Bäume zu entnehmen, ohne den ganzen Baum zu fällen, wie
mir von alten Natives versichert worden ist. Die Kanila colubrina ist jetzt
vollständig ausgestorben“ (Dr. Arning; handschriftlich).
Die Herstellung der Bemusterung der Bastklopfer, die zum Einprägen von
Wasserzeichen benutzt wurden, erfolgte in der Weise, daß zunächst die
Längsseiten des zu gravierenden Kapaschlägels mit scharf greifenden, glat-
ten Steinen plan (mole) geschliffen wurden. Dann legte man einen schmalen
Bambusstreifen als Lineal auf die zu bemusternde Schlägelseite und zog mit
dem Haifischzahn des Gravierinstrumentes (Abb. 7 und 8) an dem Bambus-
streifchen entlang, bis eine Rille von der gewünschten Tiefe entstand.
Diese parallel verlaufenden Rillen mit oft kaum einen Millimeter breitem,
gegenseitigem Abstand, sowie die anderen komplizierteren Druckmuster mit
ihren Überschneidungen oder geschlängelten Linien sind mit einer Akkura-
tesse in dem schwer zu bearbeitenden harten Holze ausgeführt, die der Ge-
schicklichkeit des hawaiischen Holzschnitzers Ehre macht; man darf wohl be-
haupten: diese bemusterten Kapaschlägel, die zur „Markierung“ der Baststoffe
HAWAIISCHE BASTSTOFFE (КАРА) UND WERKZEUGE ZU IHRER HERSTELLUNG
181
mit Wasserzeichen dienten, sind im Hinblick auf die
erstaunlich gleichmäßige Linienführung und auf die
Schärfe der Konturen und besonders bei Berücksich-
tigung der rohen und leicht zerbrechlichen Schnitz-
werkzeuge eine Kunstleistung allerersten Ranges.
Es lassen sich zwei Typen von Kapaschlägeln
unterscheiden: na hohoa, zylindrisch geformte, und
ie kuku, Schlägel von quadratischem Querschnitt. Er-
stere dienten zum Zusammenschweißen der einge-
weichten Baststücke; mit letzteren wurden die Kapa-
zeuge bemustert: for giving a „water“-mark to the
product of a single maker, family or village (Brigham
S. 79).
In die Flächen der Schlägel sind mannigfaltige
Muster mit Haizahngrabsticheln (Abb. 8) kunstvoll ein-
graviert. Jedes Muster hat seinen besonderen Namen
und ist für die bestimmte Kapaart charakteristisch.
Der Form der zylindrischen Schlägel liegt zweifel-
los die Gestalt der hawaiischen Keule (Abb. 10) in
verkleinertem Maßstabe zugrunde. Das Berliner Mu-
seum besitzt zwei Exemplare von diesem Typus: na
hohoa „or preliminary beaters“: Abb. 11, VI 8745.
Aus Kanilaholz. Mantel ringsum mit parallelen Längs-
rillen eingekerbt. Stirnseite gewölbt. Länge 30 cm;
Umfang 16,3 cm.
VI 8744. Desgleichen; stark abgenutzt. Stirnseite plan. 33,5 cm lang; Umfang 17,3 cm.
Abb. 12, VI 8757. Aus Kanilaholz. Der eine Teil des Mantels ist mit enger verlaufenden
Rillen als der andere versehen. Stirnseite gewölbt. Länge 34,5 cm.
Umfangreich ist die Sammlung von ie kuku, Kapaschlägeln mit quadratischem (und nahe-
zu quadratischem) Querschnitt.
Der nachfolgenden Beschreibung und Aufzählung der Kapaklopfer lege ich im wesent-
lichen das Schema zugrunde, das Brigham in seiner ausgezeichnet instruktiven Abhandlung
Ka Hana Кара S. 88ff. bei der Behandlung der Schlägel angewandt hat, um so eine erleich-
terte Übersicht und Vergleichbarkeit unseres Materials mit dem des Bishop Museums zu er-
möglichen.
VI 8741. pepehi.1) Abb. 13.
pepehi 7; pepehi 9; pepehi 73; pepehi 14. Aus Kanilaholz. 43,5 cm lang; 3,5 >< 6,5 cm
Querschnitt.
VI 8749. hoopai1 2) 26; hoopai 28; hoopai 30; hoopai 28,
Abb. 14. Aus Kanilaholz. 39 cm lang; 4,3 x 4,3 cm Querschnitt. Stirnseite gewölbt mit
flachen bogigen Erhöhungen (Abb. 14 a).
VI 8758. hoopai 20; hoopai 17; hoopai 28; hoopai 28. Aus Kanilaholz. 35,5 cm lang;
4 x 4,1 cm Querschnitt. Stirnseite flach gewölbt, mit zwei bogigen Erhöhungen. Abb. 15.
VI 8752. pepehi 13; pepehi 8; hoopai 16; hoopai 18. Aus Kanilaholz. 31 cm lang;
3 x 3 cm Querschnitt. Stirnseite flach gewölbt.
VI 11618. pepehi 12; hoopai 23; pepehi 14; hoopai 24. Wohl aus Kanilaholz. 39 cm lang;
4,3 x 4,3 cm Querschnitt.
1) „pepehi (= to beat hard); . . used . . for dis, integrating the bundles of fibre. Brigham, S. 79.
2) .. when . . are more than forteen ridges on an average side the pepehi becomes hoopai.“ 1. c. 79.
182
AUG. EICHHORN
VI 11597. hoopai 29; hoopai 30; hoopai 31; hoopai 29. Aus Kanilaholz. 41 cm lang;
4,2 x 4,2 cm im Querschnitt. Stirnseite gewölbt.
VI 8739. hoopai 21; hoopai 31; hoopai 38; hoopai halua1) vgl. Abb. 17 von VI 8747 und
8746. Aus Kanilaholz. 38,5 cm lang; 4,7 x 4,7 cm Querschnitt. Stirnseite flachgewölbt.
VI 8746. Abb. 16. pepehi 13; hoopai 21; hoopai 25; hoopai halua. Aus Kanilaholz. 37,5 cm
lang; 2,8 x 2,8 cm Querschnitt. Stirnseite flachgewölbt; ornamentiert Abb. 16a,
VI 8754. hoopai 20; hoopai 27; pepehi 10; hoopai halua. Aus Kanilaholz. 35 cm lang;
3% x 3V4 Querschnitt. Stirnseite etwas erhaben. Aus Hana, Maui.
VI 8756. Abb. 17. koeau1 2); koeau halua cf. VI 8751 puili3) halua; puili halua. Aus Kanila-
holz. 37,5 cm lang; 3x3 cm Querschnitt. Stirnseite flachgewölbt. Aus Waikohalulu.
1) hoopai = the finely ruled parallel lines. So hcopai crossed by lines at a right angle becomes hoopai
halua. 1. c. 83,
2) koeau seems to come from koe, an earth-worm, and au, signifying motion 1. c. 80.
3) puili = a twining cf. VI 8755.
HAWAIISCHE BASTSTOFFE (КАРА) UND WERKZEUGE ZU IHRER HERSTELLUNG
183
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Abb. 14a. Abb. 15. Abb. 16a. Abb. 18 a. Abb. 23a. Abb. 14a. Stirnseite des Kapaschlägels von Abb. 14. Abb. 15. Stirnseite des Kapaschlägels VI 8758. Abb. 16a. Stirnseite des Kapa- schlägels Abb. 16. Abb. 18 a. Stirnseite des Kapaschlägels Abb. 18. Abb. 23 a. Stirnseite des Kapaschlägels Abb. 23.
VI 8747. Abb 18. hoopai 22; hoopai 30; hoopai halua; puili. Aus Kanilaholz, 38,5 cm
lang; 3,3 x 3,4 cm Querschnitt. Stirnseite Abb. 18a.
VI 8742 pepehi• pepehi; puili; koeau. Aus schwarz gebeiztem (ursprünglich braunem),
leichtem Holze Die Beize heißt paele und besteht aus Holzkohle oder aus dem Ruß von Kukui-
nüssen und ¡1111, dem aus der Rinde der Arachnis triloba bereiteten Safte. 37 cm lang;
0x32 cm Querschnitt.
VI 8753. Abb. 19- hoopai 37; hoopai 34; puili halua; puili. Aus Kanilaholz. Stirnseite
hochgewölbt. 39 cm lang; 4 x 4 cm Querschnitt.
VI 8755 Abb. 20. hoopai 15; pnili halua koeau; hoopai 37, hoopai 31. Aus Kanilaholz.
35 cm lang; 3% x 3lU cm Querschnitt. Aus Hana, Maui.
VI 8740. pepehi 7; mole pupu1); pepehi 14; halua upena. Aus Kanilaholz. 32 cm lang;
3 x 3 cm Querschnitt. Stirnseite etwas gewölbt.
VI 8750. Abb. 21. halua upena pupu; hoopai pawehe2); halua upena; hoopai pawehe. Aus
Kanilaholz. 36,5 cm lang; 4,5 x 4,5 cm Querschnitt.
VI 8743. Ab. 22. pepehi 7; pepehi 14; pepehi 7; halua upena. Aus Kanilaholz. 37 cm
lang- 43x4,3 cm Querschnitt.
VI 8759. Abb. 23. upena pupu auf allen vier Seiten. Aus Kanilaholz. 37,5 cm lang;
45 x 45 cm Querschnitt. Stirnseite Abb. 23a.
’ VI 8760. Abb. 24. halua upena; upena pupu; upena pupu; halua pupu. Aus Kanilaholz.
41 cm lang- 4 x 4 cm Querschnitt. Stirnseite etwas gewölbt.
VI 4196’. Abb. 25. hoopai 15; upena pupu; puili; koeau halua. Aus Kanilaholz. 36,8 cm
lang- 3 5 x 3,5 cm Querschnitt. Stirnseite flach gewölbt.
VI 8751. Abb. 26, puili halua; lauma’n3); puili; puili. Aus Kanilaholz. 40 cm lang;
4V2 x 5 cm Querschnitt. Stirnseite gewölbt, cf. Abb. 15.
2 VI 7244. Abb. 27. hoopai 25; hoopai 33; hoopai 25; lauma’n. Aus Kanilaholz. 37,5 cm
lang; 3,8 x 3,8 cm Querschnitt. Stirnseite gewölbt.
VI 8748. Abb. 28. mole4); halua pawehe; halua upena pupu; halua upena. Aus Kanila-
holz. 39 cm lang; 3,7 x 3,8 cm Querschnitt.
Durch Benutzung von Kapaschlägeln der vorgenannten Arten wurden in die Baststoffe
Wassermarken (Abb. 30—59) eingeprägt. Besonders wenn man die Stoffe gegen das Licht
hält, heben sich die Stellen mit dichterer Lagerung der Bastfasern von den dünneren und des-
halb stärker durchscheinenden deutlich ab.
Brigham nimmt an, daß die Muster auf den Kapaschlägeln nicht einzig zum Herstellen
von Wasserzeichen bestimmt gewesen seien, sondern daß durch den Wechsel von dünneren
und dickeren Stellen in den Faserschichten der Kapa deren „flexibility without diminishing to
any great extent the substance“ erstrebt wurde. Dieser Annahme, mit der dekorativen Be-
il pupu zur Bezeichnung runder Löcher cf. Brigham I. c. 83 und VI «7=0 ,
2) cl. Brigham I. c. S. 83. 3) „= pinnaleS leaf 0| , VI 87»9 »'<=•
4) glatt (nicht beschnitzte Oberfläche). * * 83*
Baessler-Archiv VI, 4/6.
24
184
AUG. EICHHORN
musterung auch einen praktischen Nutzen zu verbinden, vermag ich auf Grund des im hiesi-
gen Museum befindlichen umfangreichen Bastzeugmaterials nicht zuzustimmen; denn gerade
die dicken, also aus mehreren zusammengeklopften Lagen hergestellten Baststoffe weisen
keine Bemusterung mit Schlagmarken auf, so sehr sie gerade im Interesse der Biegsamkeit,
der Nachgiebigkeit und Schmiegsamkeit des Stoffes wünschenswert gewesen wäre. Dagegen
aber zeigen meistens die dünnsten Zeuge, die stark an Seidenbatist erinnern, die zarteste Form
der Bemusterung, so z. B. mit der die Biegsamkeit an sich wesentlich fördernden Wasser-
marke koeau (Abb. 58 und 59), Stoffe von einer natürlichen Schmiegsamkeit, die deren künst-
liche Steigerung weiter gar nicht nötig haben. Vielleicht hat neben dem ästhetischen Streben,
durch Einprägen von Wasserstempeln die Bastzeuge zu verschönern und ihren Wert zu er-
höhen, auch — ähnlich wie bei unseren eingestickten Monogrammen in der Wäsche — der
praktische Gesichtspunkt mitgesprochen, Eigentumszeichen1) in die wertvolle Kapa zu schlagen,
um sie so vor Verwechslung und Entwendung zu schützen; repräsentierte doch der Reichtum
an Bastzeug den Schatz des Hauses.
Die Hauptformen der Wassermarken, die den im Berliner Museum befindlichen Baststoffen
eingeprägt sind, stellen im verkleinerten Maßstabe die Abb, 30—59 dar.
Abb. 30. Gegenseitiger Abstand der Linien ca. 8 mm.
Abb. 31, Linienabstand 1 mm.
Abb. 32. Die Linien des Wasserzeichens laufen in diagonaler Richtung über das recht-
eckige Baststoffstück; gegenseitige Entfernung ca. 2% mm.
Abb. 33. Die Linien jedes Paares sind 1—1% mm voneinander entfernt; der Abstand der
Linienpaare voneinander beträgt ca. 7 mm.
Abb. 34. Größe der Quadrate 7x7 mm.
Abb. 35. Größe der Quadrate ca. 2 mm.
Abb, 36. Streifenbreite ca. 4 mm; Größe der Quadrate 4% x 4% mm bis 4% x 4x/2 mm.
Abb. 37. Quadrate von noch nicht 1 x 1 mm.
Abb. 38. Die Kreuzung der Linien erfolgt nicht unter rechten Winkeln; Rhombengröße
2V2 x 2x/2 mm.
Abb. 39. Parallelogramme von ca. 7 mm Seitenlänge.
Abb. 40. Desgleichen; 6 mm Seitenlänge.
Abb. 41. Desgleichen; 1% mm Seitenlänge.
Abb. 42. Desgleichen; 1 mm Seitenlänge.
Abb. 43. Seitenlänge der Rhomben 3 mm; Breite der Linien mehr als 1 mm.
Abb. 44. Seitenlänge der Rhomben 1 mm; Linienbreite über l1/, mm.
Abb. 45. Seitenlänge der gleichseitigen Dreiecke ca. 8 mm.
Abb, 46. Seitenlänge der gleichseitigen Dreiecke 5Y2 mm und weniger, je nach der Durch-
kreuzung durch die Horizontalen.
Abb. 47. Seitenlänge der Parallelogramme 10 mm; Durchmesser der Kreise 2 mm.
Abb. 48. Seitenlänge der Parallelogramme 11 mm; Durchmesser der Kreise 6% mm.
Abb. 49. Breite der Linien 1 mm; Seitenlänge der Parallelogramme 6 mm; Durchmesser
der Punkte 2 mm.
Abb. 50. Seitenlänge der Parallelogramme 8% und 10 mm; Durchmesser der Kreise
ca. 4% mm; Durchmesser des Kreiskernes 1 mm. Name des Musters kaleo.
Abb. 51. Breite der Linien bis 2 mm; Seitenlänge der Parallelogramme ca. 11 mm;
Durchmesser der Kreise ca. 4 mm.
Abb. 52, Breite der Linien bis 2 mm; Parallelogramme 8 und 10% mm; große Achse
der Ovale 4%, kleine 3x/2 mm.
1) cf. auch Brigham 1. c. S. 79.
HAWAIISCHE BASTSTOFFE (КАРА) UND WERKZEUGE ZU IHRER HERSTELLUNG
185
Abb. 53. Breite der Linien 1% mm; Seitenlänge der Rauten 6 mm; Durchmesser der Kreise
ca. 2j/4 mm. Name des Musters ole.
Abb. 54. Breite der Streifen bis 2% mm; Seitenlange der Parallelogramme ca. 10 mm;
Durchmesser der Kreise ca. 7 mm. Das Muster ist nicht scharf eingeschlagen, daher die
weichen Konturen.
Abb. 55. Muster im wesentlichen dem vorigen gleich, aber die Streifen kreuzen sich nur
scheinbar.
Abb. 56. Breite der Streifen bis 2 mm; Seitenlänge der Dreiecke bis 10 mm; Durch-
messer der Kreise bis 2 mm.
Abb. 57. Breite der Streifen ca. 12 mm. Name des Musters lauma’n.1)
Abb. 58 und 59. Breite der geschlängelten Streifen ca. 1% mm; Name des Musters koeau.
Trotz dieses Reichtums an Wasserzeichen wurde eine erhebliche Variation in der Bemu-
sterung der Bastzeuge auch auf die Weise erreicht, daß die Kapaschlägel beim Einprägen der
Stempel nicht rechtwinklig zum Verlauf der Zeugbahn, sondern unter einem spitzen bez.
stumpfen Winkel aufgeschlagen wurden.
Kehren wir nun nach Besprechung der Werkzeuge, die zum Klopfen und zum Stempeln
der Кара dienten, zu dem Prozeß der Bastzeugherstellung zurück. Mit dem Schlägel mole
wurden die Bastfasern glatt und gleichmäßig geschlagen und dem Stoffe je nach der Menge
der zusammengeschlagenen und sich verfilzenden Fasern die gewünschte Dicke gegeben. Wir
besitzen Bastzeuge dünn, fein und durchsichtig wie Batist, aber auch Stücke stark, dick und
fest wie Leder. Nach der Bearbeitung mittels der Schlägel, eventuell mit den zur Markierung
mit Wasserzeichen dienenden Bastklopfern, wurde die Кара an der Sonne getrocknet.
Die natürliche Farbe der Кара ist in diesem Stadium ein gelbliches Weiß; rein weiß wird
sie erst durch wiederholtes Bleichen. Dem Kunstsinn der Hawaiier war in den meisten Fällen
mit dem Wasserdruck in den Bastzeugen nicht Genüge getan, aber für das Gros des Volkes,
1) = pinnate leaf of a fern. Brigham.
24*
186
AUG. EICHHORN
das sich übrigens wie kaum ein zweiter polynesischer Stamm für den Reiz
lebendiger Farben empfindlich und empfänglich zeigte, erwies sich die Aus-
stattung der Кара mit Farbe, namentlich mit verschiedener Färbung, als zu
mühsam und kostbar. Nur die Vornehmen konnten in ihrer Bekleidung und
ihrem Schmuck, in der häuslichen und kultischen Verwendung der Bastzeuge
ihrem Farbensinn den gewünschten Ausdruck geben. Bei den verschiedenen
Arten der Farbengebung, sei es durch lose Vereinigung mehrerer monochro-
mer Baststoffe oder durch Zusammenschlagen verschieden gefärbter Zeug-
stücke, sei es durch das Aufleuchten eines untergelegten farbigen Kapastückes,
über das eine z. B. weiße durchbrochene Zeugbahn gebreitet war, oder durch
Bedrucken mit mannigfachen Farben auf dem mit einer Leitfarbe durchtränk-
ten Untergrund, immer spricht aus diesen althawaiischen Kunstprodukten eine
auch dem europäischen Auge wohltuende Farbenharmonie. Grelle Farben und
schreiende Kontraste sind vermieden; sein ausgebildeter Farbensinn und sein
Empfinden für feine Nuancen, seine geschmack- und reizvolle Nebeneinander-
stellung der farbigen Muster macht uns dieses Naturvolk bewundernswert.
Die Farben und Farbstoffe, die zum Bemalen und zum Durchtränken der
Кара dienten, gewann man teils aus pflanzlichem, teils aus mineralischem
Material. Schwarz, nanahu, stellte man aus Ruß bez. Kohle, die beim Verbrennen der öligen
kukui-Nuß (Aleurites triloba)1) entstand, her. Zu gleichem Zweck wurde die Rinde von kolea,
Suttonia Lessertiana benutzt; sie diente außer zum Schwarzfärben der Кара auch zur Lieferung
eines roten Farbstoffes.
Braun gewann man aus der Rinde von akva; rot aus der von noni, Morinda citrifolia
Linn.1 2), während deren Wurzeln einen gelben Farbstoff liefern.
Auch von hae oder kea, Mezoneurum Kauaiense, sowie von kauila (mahu on Kaui; Chei-
rodendron, Gaudichaudii sowie eine Colubrina-Art) stellte man Kapafarbstoffe her; von letz-
terer Pflanze, auch olapa genannt, namentlich eine bläuliche Farbe.3)
Aus dem Mineralreiche benutzte man zum Rotfärben alaea, roten Ocker. Vulkanische Erde
diente zur Gewinnung von Braunrot; Grau erhielt man durch Eintauchen der Bastzeuge in den
Schlamm der Taro-Pflanzungen.4)
Die trockenen Farben wurden mit dem Öl der kukui-Nuß, Ocker speziell mit dem von
kamani, Calophyllum inophyllum Linn., als Bindemittel angerieben.
Das An- und Verreiben der Farben geschah mit Holzinstrumenten. Abb. 60, VI 8764 stellt
einen Farbreiber aus Maui dar, dessen Reibfläche noch Spuren von schwarzbrauner Farbe
aufweist; die Krümmuug der Fläche läßt darauf schließen, daß das Reiben der Farbe in einem
muldenförmig ausgehöhlten Steintroge vorgenommen worden ist. 17 cm lang; Reibfläche
3,7 x 4,5 cm. Die Einkerbung am Kopfende war vielleicht ein Eigentumszeichen.
Hapalaki heißen die Bürsten, Abb. 61, die zum Aufträgen der Farben auf die Kapastoffe
benutzt worden sind. Man stellte sie aus Wurzeln des pili-Grases her, die man bündelte und
1) Zum Beleuchten der Hütten der Vornehmen dienten u. a. kukui-Nußkerne, die auf dünne Bambusstäb-
chen, oo-ohe, gezogen waren (Abb. 59a). Bei diesen Lichtfackeln mußte ein dazu angestelller Diener aufpassen,
daß nach dem Abbrennen eines Kernes durch Umdrehen des Nußstäbchens der nächste Kern in Brand geriet —
eine umständliche Prozedur. Die Kohle wurde sorgfältig gesammelt, um sie mit Öl verrieben zum Anstrich
oder trocken zum Tätowieren zu benutzen.
2) The root yields a yellow dye, while the bark furnishes a red dye. Rock, 1, c. S. 467.
3) From the leaves and bark the natives extracted a bluish dye, which they employed in dyeing their tapa,
or paper cloth. Rock, I. c. S. 363.
4) Vgl. auch Frederik Debell Benett: Narrative of a Whaling Voyage round the globe (1833—1836). Lon-
don 1840. Vol. i, S. 276: a peculiar dull-gray, or slate colour, is also produced, by immersing the cloth in the
black mud of the taro fields.
Abb. 60.
Farbenreibholz.
17 cm hoch.
HAWAIISCHE BASTSTOFFE (КАРА) UND WERKZEUGE ZU IHRER HERSTELLUNG
187
entweder mit einem Streif-
chen von wanke (Bastzeug)
oder mit einer zweisträhnigen
Schnur aus demselben Ma-
terial in der Mitte fest zu-
sammenschnürte. Länge 6,5
bez. 8,5 cm.
Während beim Aufträgen
der feingepulverten Farben
auf die Кара ein öliges Bindemittel - fast ausschließlich war es wohl kukui-Nußöl - erforder-
lich war damit nach dessen Trocknen die aufgemalten oder aufgestrichenen bez. aufgeriebe-
nen Farben möglichst gut auf der Bastzeugoberfäche aufklebten und vor allem durch Wasser
nicht beschädigt namentlich nicht gelöst werden konnten, wurden dagegen die Farbstoffe,
die ja den Zweck hatten, nicht bloß wie die Farben auf der Oberfläche der Кара als feste
Körper zu haften, sondern die Bastfaser selbst zu durchdringen, sie zu tränken und nach
Verdunstung des Wassers in der Faser zurückzubleiben, einfach in Wasser gelöst oder, wenn
es farbige Pflanzenextrakte waren, bis zu dem gewünschten Farbenton mit Wasser verdünnt
und dann in diese Farbstofflösung die Кара eingetaucht, um eine möglichst gleichmäßige Ver-
teilung der Farbflüssigkeit in dem Bastzeug zu erreichen.
Als Behälter für derartige Farbstoffe in flüssigem Zustande benutzte man halbierte Kürbis-
schalen von zum Teil riesigen Dimensionen. Abb. 62, VI 8831.1) 23 cm hoch, 57 cm im Durch-
messer. Aus dem Nachlaß der Königin Emma.
Wie wurde nun die Gefahr vermieden, daß der wasserlösliche Farbstoff, der in die Kapa-
faser eingedrungen war, beim Waschen eines z. B. beschmutzten Bastzeugstückes sich im
Wasser nicht auswusch? Es kommt zwar von Natur schon der Bastfaser ein höheres Lösungs-
vermögen für den Farbstoff zu als dem Wasser, denn nur aus diesem Grunde läßt sie sich
überhaupt in der wässerigen Lösung färben, und darum hält sie dann auch gegen das Wasser
den Farbstoff fest; aber der Hawaiier wußte auch durch ein geeignetes Mittel das etwaige
Lösungsvermögen seitens des Wassers zu mindern und zu verhindern, und er verwandte zu
dem Zweck, selbstverständlich ohne von dem chemischen Prozeß der Umwandlung des an sich
vielleicht ziemlich leicht löslichen Farbstoffes in einen schwerlöslichen, ja unlöslichen etwas
zu ahnen, das Meerwasser: die gefärbte Кара tauchte und wusch er mit Salzwasser und er-
reichte so die Farbenechtheit seines Bastzeuges.
Anders verhielt es sich mit der Licht- und Luftbeständigkeit der Farben und Farbstoffe;
einige, namentlich Gelb, blichen ziemlich schnell aus, Nachfärbungen aber waren bei mehr-
farbigen Kapastücken ohne Schädigung des aufgedruckten oder aufgemalten Musters kaum
möglich.
Wollte man die Кара farbig verzieren, so konnte es also im wesentlichen nur mit auf der
Oberfläche haftenden oder mit die ganze Bastmasse durchdringenden Farbstoffen geschehen.
Zu ersterem Zweck, der farbigen Bemalung, standen zwei Arten von Instrumenten zum Auf-
trägen der Farben zu Gebote: „bambuliners“ und Kapadruckstempel. Mir scheint, daß die
Methode der Kapabemusterung mittels Liniierfedern aus Bambus auf Hawaii die ältere ge-
wesen ist. Abb. 63.
Diese „liners“, Abb. 63, l3/4-2 cm breite, kaum 3 mm starke Bambusrohrstreifchen von
32-46 cm Länge, zerfallen in zwei Gruppen: solche, deren Zinken am Ende geradlinig aus-
laufen, Abb. 63a, und solche, die infolge verschiedener Länge der Zinken schräglinig enden.
Abb 63b. Zog man mit solch einer Rohrfeder, wenn sie in die Farbflüssigkeit getaucht war,
1) Ein Sprung in der Schalenwand ist durch Vernähen mit Bastfaserstrick repariert.
188 AUG. EICHHORN; HAWAIISCHE BASTSTOFFE (KAPA) UND WERKZEUGE ZU IHRER HERSTELLUNG
über den Baststoff hin, so entstanden paral-
lele Streifen, die infolge der verschiedenen
Breite der Federzinken und infolge ihres ver-
schieden großen Abstandes untereinander
schmälere oder breitere Linien erzeugten.
Durch Überschneiden der parallelen Linien
und durch Benutzung mannigfaltiger Farben
ließ sich ein reicher Wechsel in der Ober-
flächenbemusterung erzielen. Streifenmuster
auf derKapa sind für Molokai charakteristisch;
von dort her, und zwar aus Kamalo, stammen
auch die bambuliners im hiesigen Museum.
Was die Druckstempel (Abb. 64, 65-69)
anlangt, so sind die meisten aus dem härte-
sten und zähesten Holze, das Hawaii besitzt,
aus aalii kuma1) (Dodonaea viscosa L.) her-
gestellt, d. h. von dem „Baume, den keine
Stürme knicken können“ - so preisen ihn die
alten Heldengedichte und Lieder.
Nur zu einigen wenigen dieser Art von
Stempeln, die im Besitze des Berliner Mu-
seums sind, ist Bambusrohr, ohe, verwendet.
Wie zum Teil aus Abb. 64 ersichtlich ist,
bestehen diese Matrizen aus langen (27-47 cm)
schmalen (ca. 7—13 mm breiten) Holzstreif-
chen, deren unteres Ende im Querschnitt rund
nach dem Stempelteile zu verflachen, so daß
die durchschnittliche Dicke nur ca. 2%—4 mm beträgt. Die Außenseite der Stempel ist glatt,
in die Innenfläche ist das Muster scharf eingeschnitten, dessen Abdruck auf die Kapa mittels
aufgetragener Pflanzen- oder Erdfarben erfolgte.
Die Mannigfaltigkeit der uns ausschließlich geometrisch erscheinenden Muster ist aus den
Abb. 65—69 ersichtlich; von den allerwenigsten ist uns der Name, der Ort der Herkunft und
der letzte eingeborene Besitzer des Druckstäbchens bekannt. Was ich an Notizen fand, sei
hier zusammengestellt:
Abb. 67g. Name des Musters bez. des damit bedruckten Baststoffes: kapa papalo.
Abb. 67h. Name des Musters: ohe papa la.
Abb. 671. Name des Musters: aha = Skolopender.
Aus Koolau auf Oahu stammen: Abb. 66c, Abb. 67 b, c, f.2)
Aus Maui: Abb. 67a; genauer aus Hana auf Maui: Abb. 68a bis k; Abb. 69c und g.
Aus Molokai: Abb. 65c, Abb. 68i, Abb. 69c.
Der Stempel Abb. 65h weicht in seinem Aussehen insofern von den übrigen ab, als das
Muster am unteren Ende in Gestalt weiter auseinandergezogener Rhomben wiederholt ist.
1) Aalii Kumakna is a small tree, reaching a height of 15 to 25 feet or more; the branches are angular,
stiff, and glutinous at the ends . . . The wood of the aalii is of a golden-brown color, with black heartwood,
and is extremely hard. Its density and heaviness would make it a very desirable wood for cabinet work and
many other purposes. In New Zealand it has been employed as a substitute for brass for machine bearings,
with good results... Undoubtely the wood was employed by the natives for various purposes, but no informa-
tion can be obtained from this generation. The leaves were used as medicine. J. F. Rock; The indigenous
trees of the Hawaiian Islands. Honolulu 1913. S. 279.
2) Dieser Stempel wurde zusammen mit 15 anderen in einem Stück weißer Kapa verwahrt, der die Muster
jener Druckstempel paarweis aufgepreßt waren.
A
a Abb. 63 b.
Rohrfedern zum Linieren der Bastzeuge.
Abb. 64.
Druckslempel.
oder ungefähr rechteckig ist, und die sich schnell
190
AUQ. EICHHORN
Stempel Abb. 69 d zeigt verschiedene Muster an beiden Enden.
Stempel Abb. 67a ist anders als alle übrigen konstruiert: auf dem Stempelende ist mit
Hilfe feiner Kokosfaserschnur eine Druckplatte, die aus Kokosnußschale geschnitzt ist und
acht kleine Rauten darstellt, befestigt. Dieser Druckstempel wurde zur Herstellung der fein-
sten Kapamuster benutzt und stammt aus der Familie des letzten Königs von Maui.
Auch ein reparierter Stempel befindet sich im Besitze des Berliner Museums, Abb. 64
(Abb. 66 c). Die Druckplatte ist abgebrochen gewesen und auf einen neuen Halter mittels
feiner Schnürchen festgebunden worden.
Alle diese Druckstempel sind außerordentlich seltene Museumsobjekte. Seit dem Nieder-
gang der Kapaindustrie, die mit einem Schlage dem Import der amerikanischen Baumwoll-
stoffe erlag, hat sich unter den Hawaiiern nicht einmal die Erinnerung an derartige Instru-
mente, die unbenützt allerdings leicht dem Wurmfraß zum Opfer fallen, geschweige denn der
Name, die Deutung und etwaige symbolische Bedeutung der Druckmuster erhalten.
Über die Art, wie der Aufdruck der farbigen Muster auf die Kapa erfolgte, berichtet
Ellis 1. c. (1827 S. 97): Their manner of painting is ingenious. They cut the pattem they intend
to stamp on their cloth, on the inner side of a narrow piece of bamboo, spread their cloth
HAWAIISCHE BASTSTOFFE (КАРА) UND WERKZEUGE ZU IHRER HERSTELLUNG
191
before them on a board, and having their colours properly mixed, in a calabash by their side,
dip the point of the bamboo, which they hold in their right hand, into the paint, strike it
against the edge of the calabash, place it on the right or left side of the cloth, and press it
down with the fingers of the left hand. The pattern is dipped in the paint after every im-
pression, which is continued, till the cloth is marked quite across, when it is moved on the
board, and the same repeated till it is finished. *
Wir kommen nunmehr zu den im Berliner Museum befindlichen Kapastoffen selbst. Aber
wie sie einteilen? Ein einheitliches Prinzip, das entweder vom Materiale der Кара oder von
der Art ihrer Herstellung, von dem Ort ihrer Fabrikation oder von der Weise ihrer Bemuste-
rung oder von ihrem Gebrauchszweck ausgeht, konnte leider nicht zugrunde gelegt werden,
weil in den meisten Fällen die hierzu nötigen Angaben der Sammler fehlen. Unter Aus-
nutzung vereinzelter Notizen in den Museumsakten war mir nur folgende Einteilung möglich:
КАРА MAMAKI.
So benannt mit Rücksicht auf das Material, das von Pipturus albidus A. Gray, mamaki
oder mamake, gewonnen wird. „The Mamaki of the natives was second only to the Waoke1)
in importance as material for кара“, so urteilt Brigham2), und Rock2) gibt an: „It is said that
Mamaki fiber made the finest tapa and was preferred to that made of the Wauke bark.“
VI 8840. Derb und steif. Wasserzeichen Abb. 31. Havannabraun. Wasserdicht. Onholowai
oiaa, eine Bezeichnung, die besagt: Herstellungsgegend ist Olaa (der Distrikt, in dem der Vul-
kan Kilauea liegt). 1869 wurde diese Кара von einer Frau, die in der Nähe des Vulkans
wohnte, angefertigt. 3,12 m lang; 2,40 m breit.
VI 8861. Derb und steif. Wasserzeichen Abb. 41. Hellrotbraun. Der Wechsel von dünne-
ren und dichteren Bastschichten, eine Folge der Rillen im Schlägel, rief ein Streifenmuster
hervor. Kein vollständiges Kapastück; 2,65 m lang, bis 41 cm breit. Dieser Streifen diente
zum Einwickeln einer Kinderleiche und stammt aus einer Grabhöhle zwischen Wailupu und
Niu, Oahu.
VI8875 Besteht aus drei Lagen кара mamaki. Erste Lage: sehr dünn. Wasserzeichen
Abb. 37. Ungefärbt.
Zweite Lage: innig fein, Wasserzeichen Abb. 58. Ungefärbt.
Dritte Lage: fein wie die zweite. Wasserzeichen Abb. 59. Ungefärbt. Das Ganze stellt
eine wunderbar zarte Arbeit vor, das Non plus ultra der hawaiischen Kapaindustrie. 2,84 m
lang; 1,59 m breit.
VI 8872. Abb. 70. Besteht aus zwei Lagen „paupau mamaki кара“.
Erste Lage: mittelstark und rauh. Wasserzeichen nicht mehr erkennbar. Hellbraune Grund-
farbe; bemustert mit dunkelbraunen Streifen.
Zweite Lage: Struktur gleich der ersten. Wasserzeichen unkenntlich. Bemusterung ähn-
lich derjenigen der ersten Lage. Die Кара ist brüchig und defekt; 3,4 m lang; 2,14 m breit. Kona.
VI 8867. Mittelfein. Wasserzeichen Abb. 37, doch noch feinere Linienkreuzung. Bräunlich-
grau. Nur ein Teil von einem großen Stück. 30 cm lang; 25 cm breit.
KALUKALU КАРА
nennt man hervorragend dünnen und zarten, durchsichtigen Baststoff.4)
VI 8841. Schleierartig, gazeähnlich. Besteht aus drei Lagen. Wasserzeichen nicht erkenn-
bar, zumal der Stoff bis an die Grenze der Ausdehnbarkeit geklopft worden ist. 3,58 m lang;
1,82 m breit. Puna, Hawaii.
1) waoke oder wauke, Broussonetia papyrifera. 2) 1. c. S. 128
4) Vgl. Brigham 1. c. p. 216: a very thin, gauzy-like кара.
BAESSLER-ARCHIV VI, 4/6.
3) I. c. S. 125.
25
Abb. 86.
Abb. 72.
Abb. 77.
Abb. 82b.
Abb. 76.
Abb. 81.
Abb. 83.
Abb. 84.
Abb. 82 a.
Abb. 85.
Abb. 80.
Abb. 73.
Abb. 74.
Kapastoffe.
AUG. EICHHORN: HAWAIISCHE BASTSTOFFE (KAPA) UND WERKZEUGE ZU IHRER HERSTELLUNG 193
Diese Kapa repräsentiert die allerfeinste auf Hawaii hergestellte Sorte und diente den
Häuptlingen zu Umhängen, kihe.1) Schon 1885 galt diese Sorte Kapa für sehr selten. Aus
Puna, Hawaii.
VI 8833. Abb. 71. „Kihe, Umschlagetuch.“
Sehr dünn und weich. Wasserzeichen 42. Auf dem weißgelben Untergründe mattblaue
rhombische Muster, ho ola kihe. Ho ola, ein nur auf Kauai2) gebräuchlicher Ausdruck, be-
zeichnet: „einzelne Stücke Kapa, die nicht in Lagen vereinigt werden“. 2,44 m lang; 1,42 m
breit. Aus Waimea, Kauai. Vgl. Kapa mamuka.
KAPA POHALA
führt ihren Namen in Rücksicht auf die Art ihrer Bemusterung mittels der ausgesaugten Nuß-
schale von Pandanus odoratissimus L., hala, puhala, lauhala, die zum Aufdrucken der Farbe
benutzt wurde.
VI 8834. Abb. 72. Dünn; etwas hart. Wasserzeichen Abb. 35. Graugelbe Grundfarbe;
Muster: Zickzackstreifen, hergestellt aus Kukuinuß-Ruß (schwarz) und Extrakt aus Olonawurzel
(rot). 2,91 m lang; 2,12 m breit.
VI 8850. Tafel. Sehr dünn; fein; weich. Wasserzeichen Abb. 32. Grundfarbe hellgelb;
Muster mit pohala-Nußschalen in rotbrauner und schwarzer Farbe hergestellt. 1,42 x 1,42 m.
VI 8837. Tafel. „pau-pau-Kapa.“
Dünn, etwas hart. Wasserzeichen Abb. 34. Weißgelb; Muster aus gelben, braunen und
rotbraunen, mit pohala-Nußschale hergestellten Figuren. Diese Kapa macht einen ungemein
lebendigen, farbenfrohen Eindruck. Früher hatte das Stück doppelte Breite. 2,62 m lang;
0,70 m breit.
VI 295. Abb. 73. Dünn. Wasserzeichen: parallele Linien. Grundton hellviolett; Muster zur
Hälfte aus braunroten, zur Hälfte aus schwarzen Kringeln gebildet. 1837 erworben. 2,82 m
lang; 1,90 m breit. Hawaii.
VI 367. Abb. 74.
Dünn, fein. Wasserzeichen Abb. 45. Weiß; Muster rotbraun und schwarz. 1,90 m lang;
1,40 m breit.
KAPA MAMUKU
hat ihren Namen von der Art ihrer Herstellung: durch Zusammenklopfen zweier Kapastücke,
von denen eins oder beide farbig sind.
VI 8851. Vgl. Abb. 71. Ziemlich derb; fest. Wasserzeichen Abb. 46. Unterseite rostfarben;
Oberseite verwaschen rot mit Stich ins Bläuliche. Auf letzterem Untergrund grauschwarze
rhombische Muster. Diese quadratischen Stücke stammen von einer schwarzen Kapa und wur-
den auf das zu bemusternde rötliche Bastzeug aufgelegt und aufgeklopft; infolge des Ausein-
anderklopfens der sich vergrößernden Quadrate deren Verfärbung ins Graue. 1,32 m lang;
0,51 m breit.
VI 8852. Derb. Ohne Wasserzeichen. Unterseite schmutzig gelb; Oberseite stumpf schwarz.
„Die schwarze Farbe durch Ruß der Kukuinußöllampe und mit Kukuinußöl als Bindemittel
hergestellt.“ Von dieser Kapa schnitt man Stücke ab, um sie als Muster in andere Bastzeuge
einzusetzen. 0,39 m lang; 0,26 m breit.
VI 8857. Derb; mittelhart. Wasserzeichen Abb. 47. Unterseite grauweiß, Oberseite rosa
und blau (= Waschblau) gestreift. Es scheinen rosa- und blaugefärbte Bastzeugstreifen von
12-15 cm Breite nebeneinander auf die naturfarbene Kapa gelegt und mit dieser zusammen-
geklopft worden zu sein. „Modern“. 1,73 m lang; 30V2 cm breit.
1) Vgl. Brigham: kihei. a kapa garment.
2) Die Bewohner von Kauai haben eine große Anzahl eigenartiger Worte; infolgedessen behaupten die
Oahu- und Maui-Leute, jene hätten eine andere Sprache.
25*
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Abb. 92.
Abb. 96.
Abb. 100.
ем
Abb. 87 a.
Abb. 87 b.
Abb. 88 a.
Abb. 88c.
Abb. 89.
Abb. 90.
Abb. 93.
Abb. 94.
Abb. 95.
Abb. 97.
Abb. 98.
Abb. 99.
Kapastofle.
Abb. 88 b.
Abb. 75 a.
AUG. EICHHORN: HAWAIISCHE BASTSTOFFE (KAPA) UND WERKZEUGE ZU IHRER HERSTELLUNG 195
DURCHBROCHENE KAPA.
Durch das Ausschlagen von Löchern im Baststoff bewirkte man
auch eine Art der Bemusterung der Kapa, ohne Farben zu verwenden.
Die Kapa erschien so leichter und luftiger, und namentlich kamen durch
Unterlegen von farbigen Stoffen die durchbrochenen Ornamente wesent-
lich schärfer durch die Kontrastwirkung zur Geltung. Durchbrochene
Kapa — man könnte sie kapa ä jour nennen — benutzte man zum Ein-
hüllen von Idolen, zur obersten Lage von Schlafdecken, um die farbige
Unterlage durchscheinen zu lassen, usw.
VI 8854. Abb. 75a. „Stück einer Kapa.“
Dünn; hart. Wasserzeichen nicht erkennbar; weiß. „Sie diente gleich den übrigen Bast-
zeugen mit ausgeschlagenem Muster zum Einhüllen eines Idols. 18 x 19 cm.
VI 8870. Abb. 75b.1) Aus drei Lagen bestehend. Erste Lage: dünn, weich. Wasserzeichen
Abb. 32. Weiß. Muster ausgeschlagen; die kreisförmigen Löcher haben bis % cm Durchmesser.
Name des Musters hiu awa, d. h. Schwanz des awa-Fisches, weil angeblich dessen Schwanz
durchlöchert ist. Diese Sorte Kapa nannte man kapa kea haeikui; sie ist ungemein selten, und
es wurde vor ca. 30 Jahren nur noch ein zweites Stück in Halawa, Molokai, gesehen. Zweite
Lage: derber, härter. Wasserzeichen Abb. 42. Blaßrosa. Diese Lage sollte aufgefärbt werden,
damit sich das durchbrochene Muster der ersten Lage deutlich abheben könne. Dritte Lage:
dünn, papierähnlich. Wasserzeichen Abb. 42. Weiß. 3,95 m lang; 3,12 m breit. Die drei Lagen
sind mittels eines gedrehten weißen Baststreifens zusammengenäht. Molokai.
VI 8868. Abb. 75 c. Zwei Lagen Kapa.
Erste Lage: dünn, papierähnlich. Ohne Wasserzeichen. Grundfarbe braun; Druckmuster
schwarz. Mit eingeschlagenen Löchern. Getränkt mit kukui-Nußöl.
Zweite Lage: dünn, weich. Wasserzeichen Abb. 48. Gelblichweiß; ohne Druckmuster.
4,46 m lang; 0,90 m breit.
GEÖLTE KAPA.
Sie wurde durch Tränken mit dem Öl aus den Nüssen von Aleurites moluccana, kukui, her-
gestellt und war meistens auch parfümiert, entweder mit Sandelholzgeruch oder mit dem wohl-
riechenden Wurzelsaft des noni-Baumes, Morinda citrifolia. Derartige Kapa benutzte man beim
Fischen und Baden, und beim Besuche sich Liebender wurde sie über das Mattenlager gebreitet.
196
AUG. EICHHORN
VI 8866. Derb. Wasserzeichen nicht erkennbar. Braungelb; ohne Druckmuster. Wurde
beim Besuche des oder der Geliebten über die Schlafmatte gebreitet. 2,41 m lang; 1,73 m breit.
VI 8862. Abb. 76. Eckstück von einer paupau-Kapa. Mittelstark; papierähnlich. Wasser-
zeichen nicht erkennbar. Grundfarbe bläulich; Druckmuster schwarz. 1,7 m lang; 43,5 cm breit.
Koolau.
VI 8864. malo-Kapa aus wauke.
Dünn; papierähnlich. Ohne Wasserzeichen und Druckmuster. Tief rotbraun. Getränkt mit
kukui-Nußöl und parfümiert mit noni-Wurzelsaft. Als malo beim Fischen und Baden gebraucht.
Die Löcher dieses Hüfttuches sind durch Überkleben von Bastzeugstückchen mittels einer honig-
gelben Substanz, die jetzt spröde geworden ist, repariert. „Von sehr hohem Alter.“ 1,88 m
lang74,5 m breit.
VI 29018.
Mittelstark; wie Ölpapier, doch weich. Ohne Wasserzeichen. Apfelsinenfarben; ohne Druck-
muster. 2,42 m lang; 81 cm breit. Hawaii.
VI 29019.
Gleich der vorigen. Wasserzeichen Abb. 57. Zitronengelb; ohne Druckmuster. 48x37 cm.
KAPA HULA.
Für sie ist die gelbe Farbe charakteristisch; meist war sie wohlriechend gemacht, beson-
ders wenn man Liebeszauber ausüben wollte. Zu dem Zweck tränkte man sie mit einem Ge-
misch von Kokosnuß-, maile- und kukui-Öl, dem man Sandelholz zusetzte. Infolge dieser Be-
handlung machte sich die Trägerin solch wohlriechender Kapa ihrem Geliebten bemerkbar, und
der Geruch sollte mit magischer Kraft ihn nötigen, den Weg, den sie genommen hatte, aufzu-
spüren. Als pau1) wurde die Kapa beim hula-Tanze in der Weise getragen, daß über die rings
um den Leib gelegte Kapa eine Schnur befestigt und der Baststoff an einer Längsseite etwa
handbreit umgeschlagen wurde, damit bauschige Falten in der Gegend der Taille entstanden,
VI 8836. Mittelfein. Wasserzeichen Abb. 56. Grund: hellgelb. Muster schwarz und braun-
rot. 2,45 m lang; 1,24 m breit. Aus Waimea, Kauai.
VI 8835. Abb. 77. „kaleo“. Mittelfein. Wasserzeichen Abb. 50. Grund: hellgelb. Das Muster
besteht aus abwechselnd schwarzen und braunroten Streifen; außerdem weckenähnliche Gebilde.
Name der letzteren kukui, weil sie an die aus kukui-Nußkernen hergestellten Fackeln (Abb. 78)
erinnern. 2,93 m lang; 1,01 m breit. Aus Kamo ili ili, Oahu.
VI 8844. Tafel. Sehr dünn, fein und weich. Wasserzeichen Abb. 41. Grundfarbe gelb.
Muster aus braunroter und schwarzer Farbe, 2,71 m lang; 1,04 m breit, „Sehr alt und wert-
voll.“ Aus Hanapepe, Kauai.
VI 8847. Abb. 79. „pau-hula.“ Dünn, fein. Wasserzeichen Abb. 38. Grund hellgelb gefärbt.
Druckmuster „una“ besteht aus karierten schwarzen und rotbraunen Rhomben. Diese Kapa
wurde bis Mitte der dreißiger Jahre vorigen Jahrhunderts bei den Festspielen, die der Prinz
Lot im Moanalua-Distrikte aufführen ließ, benutzt. 2,24 m breit; 2,89 m lang. Oahu.
VI 8838. Abb. 80. „hula pau.“ Dünn, weich. Wasserzeichen Abb. 47. Grundfarbe gelb;
Muster schwarz. 2,65 m lang; 1,14 m breit. Aus Kona, Hawaii.
Abb. 78. Fackel aus kukui-Nußkernen.
1) Andrews 1. c.: pa-u, the principal garment of a Hawaiian female in former times, consisting of a number
of kapas, generally five, wound around the waist and reaching to the knee more or less.
HAWAIISCHE BASTSTOFFE (КАРА) UND WERKZEUGE ZU IHRER HERSTELLUNG
197
VI 23527. Sehr dünn, weich. Ohne Wasserzeichen. Grundfarbe zitronengelb. Randmuster
schwarz. Rhombenmuster braunrot. „Altes Stück.“ 3,64 x 0,87 m. Hawaii.
VI 283. Abb. 81. Dünn, Wasserzeichen Abb. 39. Auf gelbem Untergrund braune und
schwarze Streifen; über die braunen sind schwarze Zickzacklinien gedruckt. „Stück Zeug,
welches die Bewohner der Sandwich-Inseln sich um die Hüften schlagen.“ 1829 erworben.
4 m lang; 84 cm breit. Oahu.
VI 349. Abb. 82a,b. „maro.“ Dick, aber schmiegsam. Wasserzeichen nicht erkennbar.
Grundfarbe gelb; Streifenmuster rotbraun. 1832 erworben. 3,24 m lang; 75 cm breit.
VI 7283. Abb. 83. „Frauenkleid.“ Derb; ohne Wasserzeichen. Grundfarbe hellgelb. Aus
zwei Stücken mit weißem Bastzeugstreifen zusammengenäht. Bei dem einen besteht die Borte
aus einem rotbraunen breiten Streifen, und das Muster ist schwarz; bei dem andern ist die
Borte rotbraun gestreift und das Muster in derselben Farbe gehalten. 1,55 m lang; 1,80 m
breit. Hawaii.
VI 331. Fein, dünn, weich. Wasserzeichen Abb. 51. Zitronengelb; kein Druckmuster.
4,19 m lang; 0,87 m breit.
VI 23530. Mittelfein; etwas steif. Wasserzeichen Abb. 30. Graugelb; ohne Druckmuster.
3,32 m lang; 0,74 m breit.
VI 307. Mittelfein. Wasserzeichen Abb. 30. Zitronengelb; ohne Druckmuster. 1835 er-
worben. 2,60 m lang; 69 cm breit.
VI 330. Sehr fein; weich. Wasserzeichen Abb. 33. Zitronengelb; ohne Druckmuster.
4,08 x 0,84 m.
VI 298. Sehr dünn; weich. Wasserzeichen Abb. 30. Weißlichgelb; ohne Druckmuster.
4,64 x 0,90 m.
VI 23533. Dünn, weich. Wasserzeichen Abb. 30. Zitronengelb; ohne Druckmuster. 3,26
x 0,71 m.
VI 23534. Mittelfein. Wasserzeichen Abb.30. Zitronengelb; ohne Druckmuster. 3,06 x0,78m.
VI 23532. Mittelfein. Ohne Wasserzeichen. Gelb; ohne Druckmuster. 3,20 x 0,73 m.
VI 23528. Ziemlich derb. Wasserzeichen: parallele Linien in ca. 1 cm Abstand. Verwaschen
zitronengelb; ohne Druckmuster. 3,22x0,71 m.
VI 23529. Sehr dünn und außerordentlich weich. Ohne Wasserzeichen. Weißgelb; ohne
Druckmuster. 3,28 x 0,74 m.
VI 8865. Dünn, fein, sehr weich, Wasserzeichen Abb. 54. Gelblich; ohne Druckmuster.
90 cm lang; größte Breite 33 cm. Aus Kaneohe.
KAPA MAHUNA bzw. KAHUNA.
Diese Bezeichnung erklärt sich aus der Verwendungsart der Kapa, „for covering idols“1),
bei Zaubergebräuchen, Krankheitsbeschwörungen, Dämonenvertreibung usw. seitens der Priester-
ärzte, kahuna.
VI 8845. Abb. 84. Derb und steif.2) Wasserzeichen Abb. 53. Grundfarbe grau. Bemustert
mit neun braunen und bläulich braunen Streifen. Farben waschecht. Name des Musters: haa
pili, Strickmuster, weil es mit einem in Farbe getauchten Stricke, der als Druckmatrize dient,
hergestellt wird.
Dieses Bastzeugstück wurde zur Umhüllung eines drehrunden, gutpolierten Kanila-Holz-
stabes von 1,98 m Länge benutzt. Den Stab gebrauchte man als Tragstock für die poi-Gefäße
des Königs, auch als Waffe und Verbotszeichen; im letzteren Falle legte man ihn quer über
den Weg, um diesen für tabu zu erklären. Diese Kapa ist 2,50 m lang; 1,85 m breit.
I) Brigham, 2) Dieses Stück Bastzeug starrte von Schmutz und wurde deshalb von einer eingebo
renen Frau in fließendem Wasser gewaschen; infolgedessen ward es hart.
198
AUG. EICHHORN
VI 8858. Ein Stück mahuna-kapa. Dünn; hart. Schlagmuster: parallele Längsstreifen mit
ca. У2 cm weitem Abstand. Farbe gelbbraun. Nicht bedruckt. 31 cm breit; ca. 50 cm lang.
„Derartige Stücke gelten als kostbare Reliquien und werden zu Zauberzwecken und Medizin
benutzt.“ Aus dem Nachlaß der Königin Emma.
VI 8853. Zwei Stückchen aus einer mahuna-kapa. Dünn; ohne Wasserzeichen. Grundfarbe
tiefbraun. Druckmuster schwarz; in der Mitte des breiten Streifens ein rotbrauner Strich.
Größe 18 x 20 cm.
VI 8856. Ein Stück alter malo-kapa. Ziemlich stark; mittelweich. Wasserzeichen nicht
erkennbar. Grundfarbe gelbbraun. Muster: parallele braunrote Streifen von 3 mm Breite; zwi-
schen ihnen verlaufen je zwei 1 mm breite hellere Streifen. 0,66 x 0,97 m. Heeia, Oahu.
VI 8863. Derb; spröde. Wasserzeichen Abb. 43. Druckmuster braungelb; aufgeklebt. 0,78 m
lang; 0,63 m breit.
VI 8860. Derb; ölig. Wasserzeichen Abb. 39. Grundfarbe schmutzig gelb, das Rauten-
muster grauschwarz. 0,85 m lang; 0,49 m breit. Stammt aus dem Nachlasse von KamehamehaV.
VI 8846. Dünn; sehr weich. Wasserzeichen Abb. 47, Die Unterseite naturfarben, weiß-
grau; die Oberseite bräunlichrot gefärbt, von scheckigem Aussehen. Es scheint eine naturfar-
bene und eine gefärbte Kapabahn zusammengeklopft worden zu sein. Kein Druckmuster.
2,90 m lang; 82 cm breit. Diese Кара dient den Kahuna zur Beschwörung der Geister und
zum Bannen der Krankheitsdämonen. Sie wurde mit der linken Hand aufgenommen und über
dem Kranken hin- und herbewegt; dann plötzlich fortgeschnellt und mit der rechten Hand aus-
geklopft. Zu diesem Zweck war sie seit alter Zeit in Kau-Wiliwili, Kauai, im Gebrauch.
KUINA КАРА MOE1), SCHLAFDECKEN-KAPA.
Eine Schlafdecke besteht aus fünf Lagen, die mittels eines Bandes, das aus zusammen-
gelegtem Bastzeug hergestellt ist, aneinander geheftet sind. Wenn die Кара schmutzig war
und gewaschen werden sollte, was bei besseren Familien in jedem Jahre geschah, zog man
das Band heraus. Seit der Einführung der Baumwolle und des Nähgarns benutzte man dieses
statt des Baststoffstreifchens zum Zusammennähen der einzelnen Lagen.
Die oberste Lage heißt kilohana; meistens ist sie verziert, teils farbig, teils durchbrochen.
VI 344. Abb. 85. Erste Lage: sehr dünn. Ohne Wasserzeichen. Grundfarbe gelb. Muster
schwarz; einzelne Streifen rotbraun überdruckt. Zweite Lage: Wasserzeichen Abb. 45. Gelb-
gefärbt. Dritte Lage; desgleichen. Vierte Lage: ohne Wasserzeichen. Gelbgefärbt. Fünfte Lage:
Wasserzeichen Abb. 45. 1829 erworben. 3,30 m lang; 1,72 m breit.
VI 8839. Dünn; außerordentlich weich. Wasserzeichen Abb. 42. Rosafarben. Bildete die
unterste Lage einer Schlafkapa. 3,28 m lang; 2,62 m breit. Aus dem Nachlasse der Prin-
zessin Ruth.
VI 8832. „moe lola (= ausgestreckt schlafen).“ Sehr dünn und weich. Wasserzeichen
Abb. 51. Marmoriert rotgefärbt und mit vier grauen Streifen überdruckt. 3,57 m lang; 2,41 m
breit. Aus dem Nachlaß der Königin Emma.
VI 8859. Ein Teil einer Schlafkapa. Erste Lage: mittelstark; weiß. Wasserzeichen Abb. 50
(kaleo), Unterseite weiß; Oberseite: breite rosa und graue Streifen. Zweite Lage: weiß. Wasser-
zeichen Abb. 46. Dritte Lage: Wasserzeichen Abb. 50. Weiß. Vierte Lage: Wasserzeichen Abb. 50.
Weiß. 0,52 cm breit; 0,51 m lang. Aus einer Grabhöhle zwischen Wailupu und Niu, Oahu.
VI 38885. Aus vier Lagen bestehend.
Erste Lage: dünn; fein. Wasserzeichen Abb. 55. Unterseite blau, mit einem Stich ins Vio-
lette; Oberseite rötlich, marmoriert. Zweite Lage: dünn; Wasserzeichen Abb. 55; weiß. Dritte
1) (kui and ana uniting) a set of kapa moe sewed together at one side, usually five sheets. Brigham.
HAWAIISCHE BASTSTOFFE (КАРА) UND WERKZEUGE ZU IHRER HERSTELLUNG
199
Lage: etwas derber; ohne Wasserzeichen; weiß. Vierte Lage: dünn; Wasserzeichen Abb, 55;
weiß. 2,92 m lang; 2,37 m breit,
VI 24647.
Erste Lage: mittelstark. Wasserzeichen Abb. 53 (ole?). Grundfarbe schwefelgelb; Druck-
muster hellgrün. Zweite Lage: desgleichen, doch Grundfarbe eigelb; ohne Muster. Dritte Lage:
desgleichen. Vierte Lage; Unterseite weiß; Oberseite hellrosa. Fünfte Lage; weiß; ohne Wasser-
zeichen. 3 m lang; 2 m breit.
VI 29020.
Erste Lage: mittelstark, hart, knitterig. Wasserzeichen Abb. 47. Rötlichblau. Zweite Lage;
Wasserzeichen wie Abb. 47, doch etwas größere Rhomben. Weiß. Dritte Lage: desgleichen;
ebenso vierte und fünfte Lage, 2,75 m lang; 2,28 m breit.
VI 8876.
Erste Lage; mittelfein. Wasserzeichen nicht mehr erkennbar. Unterseite graublau; Ober-
seite verwaschenes Rosa. Zweite Lage: mittelfein; weich. Wasserzeichen nicht mehr erkenn-
bar. Blaugrau, Dritte Lage; desgleichen. Die vierte und fünfte Lage sind abgeschnitten.
2,42 m lang; 1,87 m breit. Hilu.
VI 8874. Abb. 86.
Erste Lage: derb. Wasserzeichen nicht erkennbar. Weiß; Muster: schwarz und gelbbraun.
Zweite Lage; sehr derb. Wasserzeichen: vermutlich ein Streifenmuster. Weiß; ohne Druck-
muster. Dritte Lage: etwas feiner. Wasserzeichen nicht erkennbar. Unterseite weiß; Oberseite
rosa und weiß gescheckt. Vierte und fünfte Lage: derb. Wasserzeichen nicht erkennbar. Weiß;
ohne Druckmuster. „Die Stücke wurden aus einer verschimmelten Schlafkapa von 3,6 m Länge
und 2,9 m Breite herausgeschnitten,“
VI 8873.
Erste Lage: derb; steif. Wasserzeichen Abb. 43. Unterseite weiß; Oberseite: Grundfarbe
rosenrot. Sechs Musterstreifen, bestehend aus blaugrauen Vierecken, deren Spitzen ineinander
laufen. Zweite Lage: derb; an Pergamentpapier erinnernd. Wasserzeichen nicht deutlich er-
kennbar, vielleicht große Rauten. Weiß; ohne Druckmuster. Dritte Lage; derb wie die zweite;
Wasserzeichen Abb. 43. Unterseite grau; Oberseite rosenrot mit verschwommenen grauroten
Stellen. Vierte Lage: Wasserzeichen: parallele Streifen. Weiß. Fünfte Lage: desgleichen. 2,84 m
lang; 2,30 m breit. Honolulu.
VI 8871.
Erste Lage: dünn, steif. Wasserzeichen Abb. 45 (ole). Grundfarbe braunrot; fünf grau-
schwarze Musterstreifen von ca. 10 cm Breite und ca. 28 cm gegenseitigem Abstand. Farbstoff:
rote Erde; schwarze Nußfarbe von Kukuinuß, angerieben mit Öl. Zweite Lage: dünn; ziemlich
hart. Wasserzeichen Abb. 31. Weiß; ohne Druckmuster. Dritte Lage: wie die zweite Lage;
Wasserzeichen Abb. 53, doch größere Rhomben. Weiß; ohne Druckmuster. Vierte Lage: derb.
Wasserzeichen Abb. 43, doch kleinere Rauten. Weiß. Fünfte Lage: derber; steif. Wasserzeichen
ähnlich Abb. 42. Weiß,
Die einzelnen Lagen sind mittels einer gedrehten weißen Bastfaserschnur mit Stichen bis zu
8 cm Länge zusammengeheftet. Um die Heftstellen zu verdecken, ist die oberste Lage der Kapa
in einer Breite von ca. 3 cm umgelegt. Um 1875 hergestellte Schlafdecke. 2,39 m lang; 2,6 m breit.
VI 8869. Abb. 87 a, b.
Erste Lage: dünn, weich. Wasserzeichen Abb. 53. Grundfarbe grau. Druckmuster braun
und schwarz. Abb, 87 a. Zweite Lage: stärker, weich. Dasselbe Wasserzeichen. Grundfarbe
lehmgelb. Muster schwarz und braun. Abb. 87b. Dritte Lage: derb. Dasselbe Wasserzeichen.
Farbe grau; ohne Druckmuster. Vierte Lage: wie weiches Leder. Dasselbe Wasserzeichen.
Grundfarbe rotblau. Druckmuster, braunrote Streifen. Fünfte Lage: dünn, weich. Dasselbe
Wasserzeichen. Grau; ohne Diuckmuster. 2,70 m lang; 1,95 m breit. Molokai.
Baessler- Archiv VI, 4/6.
26
200
AUQ. EICHHORN
VI 8855. Abb. 88 a, b, c. Stücke aus einer Schlafkapa.
Erstes Stück: dünn. Wasserzeichen Abb. 43. Rahmfarbener Grundton; schwarze Bemuste-
rung. Abb. 88 a.
Zweites Stück: etwas dicker. Wasserzeichen Abb. 43. Sepiabraune Grundfarbe; schwarzes
Druckmuster. Abb. 88b.
Drittes Stück: dünn; mittelweich. Wasserzeichen Abb. 43. Grundton rahmfarben; Druck-
muster schwarz. Abb. 88c. a: 26 x 14% cm; b: 18 x 17,5 cm; c: 22 x 19 cm.
VI 8842. Abb. 89. Stück aus einer Schlafkapa. Dünn und weich, Wasserzeichen Abb. 51.
Gelb; Muster aus 13 Reihen hell- und dunkelbrauner Dreiecke bestehend. 2,77 m lang; 2,5 m
breit. In Honolulu erworben.
VI 8843. Dünn und fein. Wasserzeichen Abb. 42. Weiß, mit einem Stich ins Graugelbe.
„Bildete eine der fünf Lagen einer Schlafdecke.“ 3,30 m lang; 2,61 m breit. Aus dem Nach-
laß der Prinzessin Ruth.
VI 345. Fein. Wasserzeichen Abb. 45. Hellgelblich. 4,66 m lang; 0,87 m breit.
VI 451. Sehr fein. Wasserzeichen Abb. 33. Hellgelblich. 1829 erworben. 4,26 m lang;
82 cm breit.
VI 570. Abb. 90. Wohl Teile einer Schlafdecke.
Fein, weich. Wasserzeichen Abb. 53. Gelblichweiß; Muster schwarz und braunrot. 2,80 m
lang; 1,59 m breit. Aus zwei Stücken mit verschiedenen Randmustern zusammengenäht.
VI 8848. Vielleicht von einer Schlafdecke.
Dünn, doch hart. Wasserzeichen Abb. 44. Grau; ohne Druckmuster. 2,50 m lang; 1,50 m breit.
VI 540. Abb. 91. Vielleicht Teil einer Schlaf decke.
Dünn, fein. Wasserzeichen nicht erkennbar. Muster schwarz. 4,30 m lang; 84 cm breit.
VI 570a. Abb. 92. Vielleicht Teil einer Schlafdecke.
Fein; Wasserzeichen nicht feststellbar. Muster schwarz und rotbraun. 2,22 m lang; 1,04 m breit.
VI 23526. Vielleicht Teil einer Schlafdecke.
Außerordentlich dünn; weich, Wasserzeichen Abb. 30, Grundfarbe graugelb; Muster schwarz.
3,81 m lang; 0,87 m breit.
VI 23536. Vielleicht Teil einer Schlafdecke.
Fein. Wasserzeichen Abb. 32, so stark ausgeprägt, daß die Kapa wie gerippt erscheint.
Weiß. 1,70-2,90 m lang; 1,15 m breit.
VI 23531. Wohl Teil einer Schlaf decke.
Derb; steif. Wasserzeichen nicht erkennbar. Lehmgelb. Ohne Druckmuster. 3,07 m lang;
0,71 m breit. i
VI 29023. Abb. 93. Wohl Teil einer Schlafdecke.
Fein; mittelweich. Wasserzeichen: parallele, % cm voneinander entfernte Linien. Grund-
farbe; schmutzig gelb. Muster schwarz. 3,15 m lang; 1,5 m breit.
VI 29023. „Ein Stück aus einer Kapa.“
Sehr dick, fast lederartig. Ohne Wasserzeichen. Grundfarbe: rehbraun. Muster; ein gelber
und ein roter Streifen von 12-13 cm Breite. 36 cm lang; 25 cm breit.
VI 23529. Wohl aus einer Schlafdecke.
Mittelstark. Ohne Wasserzeichen. Hellgelb; kein Druckmuster. 3,28 m lang; 0,74 m breit.
VI 304. Wohl aus einer Schlafdecke.
Dünn. Wasserzeichen; parallele Längsstreifen von % mm Abstand. Weiß. 1846 erworben.
2,85 m lang; 1,84 m breit.
VI 329. Wohl aus einer Schlafdecke.
Dünn; ohne Wasserzeichen. Muster aus grauschwarzen und blaßrosafarbenen parallelen
Längsstreifen. 1834 erworben. 2,84 m lang; 2,38 m breit.
HAWAIISCHE BASTSTOFFE (КАРА) UND WERKZEUGE ZU IHRER HERSTELLUNG
201
VI 7276. Abb. 94. „Frauenkleid.“
Fein, dünn. Ohne Wasserzeichen. Weißgelb; Muster schwarz. An einer Ecke ist der Kreis
in der Strahlensonne rotbraun gefärbt. 1,72 m lang; 1,40 m breit.
VI 23535. Wohl aus einer Schlafdecke.
Fein; weich. Wasserzeichen nicht erkennbar. Weiß mit einem Stich ins Gelbbraune. Ohne
Muster. 4,57 m lang; 0,83-0,87 m breit.
VI 29021. „Ein Stück von einer Kapa.“
Dünn; ziemlich weich. Wasserzeichen Abb. 53. Grundton: apfelsinenfarben. Muster braun-
gelb glänzend. 53 cm lang; 36 cm breit.
VI 29017. „Zwei Kapaproben.“
Mittelfein; papierartig. Wasserzeichen Abb. 52. Orangefarben; kein Druckmuster. 35x55 cm.
Hawaii.
VI 29022. Abb. 95.
Mittelfein: papierartig. Wasserzeichen Abb. 53. Grundfarbe: graurot. Muster: braun, glän-
zend. 3,10 m lang; 49 cm größte Breite.
VI 7285. „Frauenkleid“, pau.1)
Dünn; weich. Wasserzeichen Abb.32. Weiß; kein Druckmuster. 4 m lang; 2,48 m breit. Hawaii.
VI 7279. „Frauenkleid.“ Abb. 96.
Stärker als VI 7285; weich. Ohne Wasserzeichen. Weiß; Druckmuster: mattbraune Streifen
mit schwarzen Ornamenten. 1,44 m lang; 1 m breit. Hawaii.
VI 7282. „Frauenkleid.“ Abb. 97.
Derb, fest, hart. Ohne Wasserzeichen. Unterseite gelb, Oberseite gelbrot überstrichen und
schwarz bemustert. 1,60 m lang; 1,06 m breit. Hawaii.
VI 7284. „Frauenkleid.“ Tafel.
Dünn; papierartig. Wasserzeichen Abb. 35. Grundfarbe gelbbraun; Muster schwarz, braun,
rosa. 1,72 m lang; 48 cm breit. Hawaii.
VI 7278. „Frauenkleid.“ Abb. 98.
Sehr dünn; kein Wasserzeichen. Grundfarbe hellrosa; Muster schwarz, braunrot, grünlich.
1,27 m lang; 90 cm breit. Hawaii.
VI 7277. „Frauenkleid.“ Abb. 99.
Mittelfein; kein Wasserzeichen. Grundfarbe weißgelb; Muster dunkelgelb, braun und schwarz.
60 cm lang; 45 cm breit. Hawaii.
VI 7286. „Frauenkleid.“
Aus zwei Stücken mit Bastzeugfaden zusammengenäht. Der eine Teil: sehr derb. Wasser-
zeichen: parallele Streifen. Unterseite gelb; Oberseite rotbraun.
Der andere Teil: ziemlich derb; Wasserzeichen: parallele Linien,
die stellenweise paarig auftreten. Gelb. 2,24 m lang; 1,32 m breit.
Hawaii.
VI 311. „Ein maro von Morus papyrifera.“
Ziemlich derb. Ohne Wasserzeichen. Untergrund rot, be-
mustert mit parallelen Streifen. 1834 erworben. 3,76 m lang; 1,30 m
breit. „Sandwich-Inseln.“
VI 7280. „Frauenkleid.“ Abb. 100.
Derb; ohneWasserzeichen. Grundfarbe hellgelb; Muster schwarz,
rotbraun, tiefgelb. 32 x 65 cm.
1) Nach Brigham 1. c. S. 219: pau (ke) a poor kapa; one of no distinct
color. - pau nannte man auch die Kleidung der Frauen; sie bestand aus einem
angen Stück Bastzeug, das um den Leib gewickelt wurde und bis zu den
Knien herabhing.
äs АЛЛ ä.k&
Abb. 101
26*
202
AUG. EICHHORN
Abb. 104.
Abb. 102.
Abb. 103.
Abb. 105.
Abb. 91.
Abb. 91, 102—108. Kapasfoffe.
Abb. 107. Abb. 108.
Vi 7281. „Frauenkleid.“ Abb. 101.
Derb; ohne Wasserzeichen. Unterseite gelb; Oberseite blaurot überstrichen. Aufdruck eines
schwarzen Musters vgl. Zeichnung Abb. 101. 1,06 m lang; 80 cm breit.
VERSCHIEDENE KAPASTOFFE.
VI 29026. Abb. 102.
Sehr dick und derb; lederartig. Ohne Wasserzeichen. Grundton; naturfarben. Muster;
schwarz, rot, braun, tiefbraun, gelb. 3,5 m lang; 19 cm breit.
VI 29032.
Ziemlich derb. Ohne Wasserzeichen. Unterseite naturfarben, weißgelblich. Oberseite: Grund-
ton gelb; zur Hälfte rot überstrichen. Die andere Hälfte schwarz bemustert. Aus drei Stücken
zusammengenäht. 2,74 m lang; 0,31 m breit.
VI 29024. „Ein Stück aus einer Kapa.“
Sehr derb; lederartig. Wasserzeichen Abb. 31. Braunrot; Muster: parallele schwarze Li-
nien. 39,5 cm lang; 31 cm breit,
VI 29025. Abb. 103. „Ein Stück einer Kapa.“
Derb; lederartig. Wasserzeichen Abb. 31. Grundfarbe ockergelb. Muster schwarz. 2,53 m
lang; 30 cm breit. Aus drei Stücken mit Bastzeug zusammengenäht.
VI 29030. Abb. 104. „Ein Kapastreifen.“
Derb; ohne Wasserzeichen. Unterseite naturfarben, weißgelblich. Oberseite: rotbrauner
Grundton; Muster schwarz. 2,73 m lang; 23 cm breit.
VI 29031. „Ein Streifen Kapa.“
Derb. Wasserzeichen: parallel verlaufende Rillen in ca. 1 mm Abstand. Unterseite natur-
farben, weißgelblich. Oberseite: rotbrauner Grundton. Die eine Hälfte des Streifens ist schwarz
überstrichen. Aus drei Stücken zusammengenäht. 2,82 m lang; 33-34 cm breit.
HAWAIISCHE BASTSTOFFE (КАРА) UND WERKZEUGE ZU IHRER HERSTELLUNG
203
VI 312. Abb. 105. „Zeug aus Morus papyrifera.“
Derb. Ohne Wasserzeichen. Grundfarbe schmutzig graugelb; Muster schwarz. 1,62 m
lang; 69 cm breit.
VI 8849. Abb. 106.
Mittelfein; weich. Wasserzeichen nicht erkennbar. Grundfarbe, wie scheint, hellgelb; über-
deckt mit pompejanisch roten Strei en. 1,52 m lang; 75 cm breit.
VI 2220.
Derb; Wasserzeichen Abb. 50, kaleo. Weiß; ohne Bemusterung. 2,10 m lang; 1,04 m breit.
VI 29029. Abb. 107.
Dick und derb w e Leder. Ohne Wasserzeichen. Unterseite gelblich-
weiß. Oberseite: der breite Streifen gleichmäßig braunrot; die schma-
len Streifen schwarz, rot, graugrün auf gelbbraunem Grunde. Das Ganze
besteht aus drei Teilen, die mit einem Baststreifen zusammengenäht
sind. 2,15 m lang; 33—35 cm breit
Abb. 106.
VI 29027. Abb. 108.
Derb; lederartig. Ohne Wasserzeichen. Unterseite naturfarben. Ober-
seite: Grundton ockergelb. Streifenmuster aus roten, braunen und schwar-
zen Linien. Aus drei Stücken mit einem Kapastreifen zusammengenäht.
2,60 m lang; 23 cm breit.
Außerdem ist das hiesige Museum im Besitz von 74 Kapaproben,
„especially prepared for the Museum für Völkerkunde, Berlin“ - ein
wertvolles Geschenk von W. T. Brigham, Direktor des Bernice Pauahi Bishop Museum in Hono-
lulu. Jeder Probe ist eine Notiz über das Material der betreffenden Kapa, über das Gepräge
der Klopfkeule, über Farbe, Gebrauch und Herstellungsort des Baststoffes beigefügt.
Diese Museumsstudie — denn aus der Öffentlichkeit ist in Hawaii schon seit vielen Jahr-
zehnten die Kapa entschwunden — schließe ich mit dem wiederholten Hinweise, daß die
hawaiischen gefärbten Bastzeuge an Lebhaftigkeit der Farben, an geschmackvoller Tönung und
an Musterreichtum an erster Stelle unter allen polynesischen Tapastoffen stehen. Wir bewun-
dern diese letzten stummen Zeugen althawaiischer Kunstfertigkeit und können es daher ver-
stehen, wenn der so nüchtern beobachtende Cook beim Anblick der Insulaner in ihrer farben-
freudigen Baststoffkleidung seinen Eindruck mit beredten Worten in seinem Tagebuche (18. Ja-
nuar 1778) wiedergibt: „In colouring or staining it (sc. their cloth), the people of Atooi (Kauai)
display a superiority of taste, by the endless variation of figures which they execute ... the re-
gularity of the figures and stripes is truly surprising...“ Und etwa fünfzig Jahre später
schreibt der andere Bewunderer der Tapa der Hawaiier, William Ellis, ebenso begeistert: „The
fabrication of tapa shews both invention and industry; and wether we consider its different
textures, its varied and regular patterns, its beautiful colours, so admirably preserved by
means of the varnish, we are at once convinced, that the people who manufacture it are
neither deficient in taste, nor incapable of receiving the improvements of civilized society.“1)
Die hawaiische Eingeborenenkunst und ihr Kunstgewerbe hat ihre Entdeckung durch die
Weißen nicht lange überlebt. Die nur zusammengeklebten Zeugsloffe aus Bastfasern, die
namentlich der Nässe gegenüber eine auf die Dauer wenig sichere Verbindung besaßen, er-
lagen dem Eindringen der haltbareren und billigeren Gewebe aus Baumwollfasern. Vor dieser
Fabrikware mit ihrer farbigen Mannigfaltigkeit an Mustern mußte die Kapa weichen, und mit
ihr ward der Stempel der Persönlichkeit, den jedes Kleidungs- und Gebrauchsstück bis dahin
getragen hatte, vernichtet.
i) i. c. S. 98.
GEMUSTERTE RAPHIAGEWEBE VOM UNTEREN NIGER.
VON
B. ANKERMANN.
In einer kleinen Sammlung, die die afrikanische Abteilung des Berliner Museums vor einigen
Jahren erworben hat, befinden sich zwei eigenartige Gewebe aus Raphiafaser, die meines Wissens
Unica sind. Die Sammlung stammt aus dem Nachlaß eines deutschen Kaufmannes, der in den
siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts in Westafrika tätig gewesen ist. Herkunftsangaben
fehlen für die meisten Stücke der Sammlung, aber durch Vergleichung läßt sich für fast alle fest-
stellen, daß sie von der Gold- oder Sklavenküste herstammen. Auch für die beiden in Rede
stehenden Gewebe kann man diese Herkunft als sicher annehmen; es sind Mischgewebe, in deren
aus Raphiafaser bestehende Fadenlagen Streifen von Baumwollfäden eingeschaltet sind. Solche
Gewebe werden noch heute in den genannten Gebieten, z. B. in Togo, angefertigt und sind keine
Seltenheit. Das Merkwürdige an unseren zwei Exemplaren ist der Umstand, daß sie in eigen-
tümlicher Weise gemustert sind, nicht durch Verwendung verschiedener Farben, wie es sonst
häufig geschieht, sondern durch ein ganz eigenartiges Webeverfahren, das auch seinerseits wieder
auf Oberguinea und sein Hinterland als Herkunftsgebiet hinweist.
Die beiden Gewebe sind fast gleich groß, einige Zentimeter über 6 m lang und 83 cm breit.
Sie sind durch einen trennenden Streifen der Länge nach in der Mittellinie in zwei Hälften und
durch gleiche Streifen der Quere nach in eine Anzahl von rechteckigen Feldern geteilt. Der
Längsstreifen besteht aus in die Kette eingeschalteten Baumwollfäden, die in der Mitte des
Streifens rot, zu beiden Seiten weiß sind. An der linken Längskante läuft ein gleicher Streifen
entlang, die andere Kante dagegen begrenzt nur ein schmaler Streifen weißer Baumwollfäden.
Auch die Querstreifen, die die einzelnen Felder abgrenzen, bestehen aus Baumwolle und sind in
der Mitte rot und beiderseits weiß; sie unterscheiden sich von dem Medianstreifen nur dadurch,
daß die beiden Seitenstreifen nur aus je zwei besonders dicken Baumwollfäden gebildet sind.
Der Längsstreifen ist 2 cm, die Querstreifen sind etwa 1,2—1,5 cm breit.
Die obere und untere Kante sind folgendermaßen gebildet: zu äußerst ein Streifen Raphia-
gewebe, dessen Kante umgenäht ist, dann folgen der Reihe nach 4 dicke Baumwollschußfäden,
ein schmaler Raphiastreifen, rote Baumwolle, Raphia, schließlich wieder 4 (bei IIIC 26802 an der
Oberkante nur 3) dicke Baumwollfäden. Der ganze Rand hat eine Breite von ungefähr 7-8 cm.
Durch diese Teilung entstehen auf dem einen Gewebe (III C 26801) 34, auf dem anderen
(26802) 38 Felder, die nur aus Raphia ohne Beimischung von Baumwolle bestehen und von ver-
schiedener Breite sind. Die Breite schwankt von 7 cm bis zu 25% cm. Diese Felder sind nun
gemustert und zwar, wie schon erwähnt, nicht durch Einfügung gefärbter Fasern, sondern durch
eine Abänderung des Webevorgangs. Der Stoff ist durchbrochen gewebt, und die Figuren des
Musters bestehen aus den durch diese Art des Webens erzeugten viereckigen Löchern. Oder
mit anderen Worten ausgedrückt: das Muster wird dadurch erzeugt, daß die sonst aneinander-
liegenden Gewebefäden an gewissen Stellen zu einem großmaschigen, durchsichtigen Gewebe
auseinandergezogen werden.
Die Technik ist etwa die folgende: Um die Durchbrechungen zu erzielen, wird eine Anzahl
nebeneinanderliegender Kettefäden zu einem Strange zusammengefaßt; zwischen zwei solchen
Strängen entsteht dann eine Lücke im Stoff. Die Strangbildung wird mit Hilfe des Schußfadens er-
B. ANKERMANN: GEMUSTERTE RAPHIAGEWEBE VOM UNTEREN NIGER
205
zielt, der um die Kettefäden herumgeschlungen
wird. Die Kettefäden müssen notwendigerweise
an einem senkrecht über ihrem Eintrittspunkt
in dem gemusterten Gewebeteil liegenden
Punkt wieder austreten; sie verlaufen also
im Zickzack zwischen den rautenförmigen
Löchern, aus denen die Figuren des Musters
zusammengesetzt sind. Die Schußfäden be-
schreiben innerhalb der Kreuzungsstellen der
Stränge ein paar Schleifenwindungen, durch
die die Kettefäden in Gewebeart hindurch-
geführt sind. Es tritt aber nicht der ganze
Schußfaden in diese Stränge ein, vielmehr wird
er am Rande des gemusterten Teils gespalten,
und die eine Hälfte biegt um und geht wieder
zurück. Durch die Spaltung wird der Schuß-
faden aber nicht schwächer; denn da an der
Stelle, wo er die eine Hälfte zur Strangbildung
abgibt, gleichzeitig ein abgespalteter Teil eines
anderen Schußfadens wieder austritt, so be-
hält er annähernd immer seine ursprüngliche
Stärke.
Aus den so entstehenden rautenförmigen
Durchbrechungen sind nun verschiedene Fi-
guren gebildet, die die zweimal 17 bzw. 19
Querfelder der beiden Gewebe ausfüllen. Bei
beiden Stücken sind die Felder in derselben
Weise angeordnet: ein Feld mit Reiterfiguren
teilt das Gewebe in zwei Hälften, in denen die
Figuren in der gleichen Reihenfolge, von der
Mitte an gerechnet, aufeinander folgen. Das
Gewebe 26802 zeigt oberhalb und unterhalb
der Mittelfelder je 9 Felder, die sich in beiden
Hälften genau entsprechen, mit der einzigen
Ausnahme, daß das unterste Feld, das dem obersten entspricht, das Muster in Verdoppelung
wiederholt, also auch noch einmal so breit ist wie Feld 1. Bei 26801 dagegen steht das Feld mit
den Reiterfiguren nicht genau in der Mitte; es ist das achte von oben, da die beiden obersten
Reihen von 26802 fehlen; über ihm sind also 7, unter ihm 9 Querfelder. Hier folgen nämlich auf
die Wiederholungen der oberen 7 Felder in umgekehrter Reihenfolge (wie bei 26802) noch zwei
Felder, die den Feldern 18 und 19 des anderen Gewebes entsprechen.
Die Musterung der einzelnen Felder und ihre Aufeinanderfolge zeigt die Abbildung, die die
untere Hälfte von IIIC 26802 darstellt. Die Felder sind der Reihe nach numeriert; die in Klammern
stehenden Ziffern bedeuten die entsprechenden Felder der oberen Hälfte des Stoffes.
Die Figuren haben, wie die Abbildung zeigt, zum größten Teil einen rein geometrischen
Charakter; in ihrer Bedeutung erkennbar sind nur wenige. Feld 5 (und 15) zeigt Eidechsenfiguren,
Feld 2 (und 18), wie es scheint, ein vierfüßiges Tier, das sich nicht identifizieren läßt, und Feld 10
Reiterfiguren. Daß der Reiter auf dem Rücken seines Reittieres steht und nicht sitzt, ist wohl nur
dem Ungeschick des Webers zuzuschreiben. Die Gegenstände, die der Reiter in den Händen
hält, sind vielleicht als Schild und Speer anzusehen. Die eine Figur auf Feld 4 (und 16) kann
10
11 (9)
12(8)
13 (7)
14 (6)
15(5)
16(4)
17(3)
18(2)
19(1)
206 B. ANKERMANN: GEMUSTERTE RAPHIAGEWEBE VOM UNTEREN NIGER. ANM. DER REDAKTION
man vielleicht als Darstellung einer eisernen klöppellosen Glocke .ansprechen, wie sie in West-
afrika häufig Vorkommen, meist in Verdoppelung als sogenannte Doppelglocke. Über die Bedeu-
tung der anderen Figuren läßt sich nichts sagen.
Aus der Literatur sind mir nur wenige Angaben bekannt, die sich auf solche Stoffe beziehen
lassen. Die eine Angabe stammt von Baikie1), der im Jahre 1854 den unteren Niger und Binue
hinauffuhr. Er schreibt (S. 287)': „At several of the market-towns on the south side of the Binue,
near the Confluence, and at Igbegbe, we had seen a peculiar sort of country cloth, ornamented
by perforations, which were done during the weaving, and which, we were told, was made by
the Igbo people ,..“ Nachfragen ergaben, daß die Igbo mit den Ibo identisch waren und daß die
Stoffe bei Onitscha in der Ibo-Landschaft Elugu hergestellt wurden. Es gab nach Baikie ver-
schiedene Stoffe dieser Art mit besonderen Namen, von denen er drei anführt (S. 297). Hier ist
zwar nur von durchbrochenen Stoffen die Rede, nicht aber von der Form der Durchbrechungen.
Vermutlich waren es nur in Reihen angeordnete Rauten, wie sie sich bei dem geschilderten Webe-
verfahren von selbst ergeben. Hätten die Löcher die Gestalt bestimmter Gegenstände oder gar
die von Tieren oder Menschen gehabt, so hätte Baikie sicher nicht unterlassen, dies zu er-
wähnen.2)
Die zweite hierher gehörige Stelle findet sich bei W. N. Thomas in seinem Anthropological
Report on the Edo-speaking peoples of Nigeria (London 1910), Parti, S. 21 f., und lautet: „As a
rule the weaving, apart from the introduction of coloured threads, is quite straightforward, but
occasionally an openwork pattern is produced by inserting loose threads and tying up five woof
threads at intervals across the whole breadth of the cloth. This done, a warp thread is put in,
five new threads are taken up to the right or the left of those taken up in the first instance, and
another warp thread is put in. The number of threads between the insertions of the loose threads
is forty or more, and when there have all been taken up, by moving the loose threads to the
right or left an open chevron is produced.“ Die Beschreibung ist mir nicht ganz verständ-
lich. Für warp geben die Lexika die Bedeutung „Kette“, für woof „Einschlag, Schußfaden“, hier
aber sind die beiden Wörter anscheinend in gerade umgekehrtem Sinne gebraucht. Auch die
Art der Einfügung der „losen Fäden“ ist nicht klar, wie überhaupt das ganze Webeverfahren.
Klar ist aber jedenfalls, daß durch dieses Verfahren ein Muster aus offenen Rauten erzeugt wird,
die sich aber auch hier nicht zu komplizierteren Figuren zusammenfügen, sondern wohl nur
reihenweise quer durch das Gewebe laufen. Thomas gibt noch an, daß diese Stoffe in der Regel
ganz aus Baumwolle gewebt werden, daß aber im Hügelland des Innern gelegentlich auch „die
innere Rinde von Bäumen“ zur Herstellung der Kette Verwendung findet.
Zu den Edo sprechenden Völkern, von denen Thomas’ Buch handelt, gehören auch die
Bewohner von Benin. Es ist also nicht ausgeschlossen, daß unsere Gewebe auch aus Benin stam-
men, wenn sich dafür auch kein Beweis führen läßt. Als sicher aber kann man es ansehen, daß
sie ihre Heimat in dem Lande zu beiden Seiten des unteren Niger haben, im Gebiet der Edo und
Ibo, von wo uns sowohl das Vorkommen von Mischgeweben aus Baumwolle und Palmfaser, als
auch die Musterung der Gewebe durch das beschriebene Webeverfahren bezeugt sind.
ANMERKUNG DER REDAKTION.
Von Herrn Foy erhielten wir die folgende Zuschrift, die wir hier zur Kenntnis bringen:
„Im vorigen Bande des Baessler-Archiv S. 296f. druckt A. Eichhorn einige Stellen aus einem Manuskripte
des Bruders Müller ab, die sich auf Zauberei der Sulka beziehen. Er hat dabei übersehen, daß das ganze wert-
volle Manuskript bereits von P. Rascher im Af. A., Neue Folge I (1904) S. 209ff. und die fragliche Stelle dort
S. 221 ff. veröffentlicht ist.
4. Juli 1916. W. FOY.“
1) Narrative of an exploring voyage up the Rivers Kwora and Binue. London 1856.
2) Bestätigt werden Baikies Angaben durch Crowther (Journal of an expedition up the Niger. London 1855,
S. 168, 179).
Werke zur Völkerkunde und zur Geographie
aus dem Verlage von B.G.TEUBNER in Leipzig und Berlin
Abhandlungen und Berichte des Zoologischen und Anthropo-
logisch-Ethnographischen Museums ZU Dresden. Hrsg, mit Unter-
stützung der Generaldirektion der Sammlungen für Kunst und Wissenschaft
von Prof. Dr. A.Jacobt, Direktor des Museums. Mit vielen Tafeln u. Fig. gr.4-
Band XI. 1907. M. 67.50
l! 2iieKCo1^r«inig£-ne'if und wen'Ker bekannte Batrachier von Brasilien. Geh.M 12.50
2. O. Schlaginhaufen, Ein Beitrag zur Craniologie der Seraang nebst allgemeinen Bei-
tragen zur Craniologie. Geh. M. 19.—
jL‘ Lehmann, Systematik und geographischeVerbreitung der Geflechtsarten. Geh. M.19.—
b c scniaginnaufen, Die Körpermaße und der äußere Habitus eines jungen weiblichen
Schimpansen. Geh. M. u.50
5: A. Jacobl, Homoptera Andina. Oie Zikaden des Kordillerengcbietes von Südamerika
nach Systematik und Verbreitung. I. Cicadidae. Geh. M. 15—
. Band XII. 1908/09. M. 60.—
* ‘ ™ **®**örf Vierter Beitrag zur Papuanischen Käferfauna, Geb. M. 16.50
D. Nuoffer, Ahnenfiguren von der Geelvinkbai, Holländisch-Neuguinea. Geh.M. 16.50
3 : B. Oetteking u. B. Hantzsch, Ein Beitrag zur Craniologie der Eskimo. Geh. M. 25—
4* A, Jacobi, Kleine Mitteilungen über Säugetiere. (Authropopitbecus fuscus A.B.Meyer;
Dicrostonyx hudsonius [Fall.]; Ovis cervina dalli Nels.) Geh. M. 10.—
Band XIII. 1910/n. M. too.—
1: O. Schlaginhaufen, Reisen in Kaiser-Wilhelmsland (Neuguinea). Geh.M. 16.50
2: O. Scblaginhaufen, Eine ethnographische Sammlung vom Kaiserin-Angustafluß in
Neuguinea. Geh. M. 32.50
3: K. M. Heller, Fünfter Beitrag zur Panuanischen Käferfauna, hauptsächlich auf Grund
der Ausbeute von Dr. O. Schlaginhaufen. Geh. M. 17.50
4: O. Schlaginhaufen, Versierte Schädel aus Neuguinea und Neumecklenburg. Geh. M,i5—
5: O. Schlaginhaufen u. Embrik Strand, Spinnentiere aus Neuguinea(Opiliones, Psechri-
dae und Clubionidae). Geh. M. 10.—
6: B. Wandolleck, Die Amphibien und Reptilien der papuanischen Ausbeute Dr. O.
Schlaginhaufens. Geh. M. 12.50
Band XIV. 1912/1913. M. 143.50
1: O. Schlaginhaufen, Ameisen aus Deutsch Neuguinea. Nebst einem Verzeichnis der
papuanischen Arten von H. Viehmeyer. Geh. M. 15.—
2: H. Karny, Conocephaliden fOrthoptera Locustoidea) aus Neuguinea hauptsächlich von
Dr. O. Schlaginhaufen. Geh M. 12.50
3: P. Hendel, Die Bohrfliegen Südamerikas. Übersicht und Katalog der bisher aus der
neotropischen Region beschriebenen Tephritinen. Geh. M. 45.—
4: A. Jacob!, Vierter Bericht über einige neue Einrichtungen des Zoolog, und Anthro-
pologe Ethnogr. Museums in Dresden. Modelle von Waltieren und ihre Herstellung.
Geh. M. 10.—
O. Schlaginhaufen, Anthropometrische Untersuchungen an Eingeborenen in Deutsch-
Neuguinea. Geh. M. 60 —
Band XV. 1917/21 (noch nicht abgeschlossen)
O. Nuoffer, Quetschkolben von Bcrlinhafen (Kaiser-Wilhelmsland). Geh. M. 17.50
A. Jacobi, Eine völkerkundliche Sammlung von den europäischen Samojeden. Geh.M.20.—
Geographische Abhandlungen. Hrsg, von Dr. A. Penck, Prof, an der
Univ. Berlin. Mit vielen Abb., Karten u. Plänen, gr. 8. Geh.
Die „Geographischen Abhandlungen" bilden eine Serie wissenschaftlicher Untersuchungen
aus dem Gesamtgebiete der Geographie. Ihr Gegenstand ist sowohl dem Bereiche der all-
gemeinen Erdkunde wie auch dem der Länderkunde, dann and wann dem der Geschichte
der geographischen Wissenschaft entnommen.
I,i; E. Brückner, Die Vergletscherung des Salzachgebietes. 1886 .... M.54.—
L. Neumann, Orometrie des Schwarzwaides. 1886.......................M.18.—
A.Böhm, Einteilung der Ostalpen. 1887...............................M.48.—
W. Geiger, Die Pamir-Gebiete. 1887..................................M.48.—
J. Hann, Verteilung des Luftdruckes über Mittel- und Südeuropa. 1887 M.72.—
J. Soyka, Die Schwankungen des Grundwassers. 1888.................M.18.—
W. Sievers, Die Cordillere von Merida. 1888......................... M.72.—
S.Günther, Job. Kepler und der tellurisch-kosmische Magnetismus. 1888 M.18.—
A.Woeikof,D er Einfluß ein. Schneedecke auf Boden, Klima u. Wetter. 1889 M.36.—
K. Kretschmer, Die physische Erdkunde im Mittelalter. 1889........M.30.—
E. Brückner, Klimaschwankungen seit 1700. 1890....................M.90.—
Arbeiten des geographischen Instituts der k. k. Universität Wien. 1891 M,30.—
Sonderabdrucke aus Band V, Heft 1:
F. Helderich, Die mittleren Erhebungsverhältnisse der Erdoberfläche. 1891 M.12.—
L. Kurowski, Die Höhe der Schneegrenze. 1891......................M.10.80
A.Swarowsky, Die Eisverhältnisse der Donau. 1891....................M.12.___
V,2: J.Partsch, Philipp Ciüvcr. 189t....................................M.12—
V, 3: J.Cvijii, Das Karstphänomen. 1893. Nur noch mit den andern Heften
von Bd. V zusammen erhältlich..................................M.24.
V, 4: A. Förster, Die Temperatur fließender Gewässer Mitteleuropas. 1894 . M.24._
V, s: V. Ruvarac, Die Abfluß- und Niederschlagsverhältnisse von Böhmen,
nebst A. Penck, Untersuchungen über Verdunstung und Abfluß von
größeren Landflächen. 1896.....................................M.30.
VI: Atlas der österreichischen Alpenseen.
2. Lieferung E. Richter, Seen von Kärnten, Krain und Südtirol. 1897 M.51.
VI, 1: J.MÜllner, Die Seen des Salzkammergutes u. d. Österreich. Traun. 1896 M.39.
VL2; E.Richter, Seenstudien. 1897 . ....................................M.25.
VI, 3; A. Penck, Friedrich Simony. 1898 ■ ■ ■ ■ ......................M.72—
VII 1: J.MÜllner, Die Seen am Reschen-Scheideck. 1900. . ..................M.18—
VII, 2; J.MÜllner, Die Vereisung d. österreichischen Alpenscen in den Wintern
1894/95 bis 1900/01. 1903 ■•••■••••••••:.......................M.14.40
VII. 1: A. Grund, Die Karsthydrographie. Studien aus Westbosmen. 1903 .. . M.40.80
VII 4- P Vuievie Die Theiß. Eine potamologische Studie. 1906...............M.24—
VIIl|x: K.Grund, Die Veränderungen der Topographie im Wiener Walde und
Wiener Becken. 1901 . ■ ■ • .- • • ~ t ‘ i,.‘. • • - - M.6o.-
VIII,2: N. Krebs, Die nördlichen Alpen zwischen Enns, I raisen und Murz. 1903 M.24.
V1H,3: H. Hassinger, Geomorphologische Studien aus dem mneralpmeu Wiener
Becken und seinem Randgebirge. i9°5 V, **»>.* .*'..............„4®-—
IX. 1: G.GötzInger, Beiträge zur Entstehung der Bergruckenformen. 1907. . M.36—
IX,3: A. Grund, Beiträge zur Morphologie des Dmanschen Gebirges. 19x0. . M.48—
X,i; P. Gröber, Der südliche Tien-Schan. 19M .• • • ••••• •••••• M.60—
X,2: L.Berg, Das Problem der Klimaänderung in geschichtlicher Zeit 1914 M.zi.6o
X,3: O.Maull, Beiträge zur Morphologie des Peloponnes und des südlichen
Mittelgriechenlands. 1921. . ■ • * * ,' *TT* .' ‘ ‘ .........M.84.—
--------Neue Folge. Veröffentl. des Geogr. Instituts an der Univ. Berlin. gr.8. geh.
1. H.Lautensach, Die Übertiefung de* Tessingebietes. 1912. ........M.36—
2. A. v. Reinhard, Beiträge zur Kenntnis der Eiszeit im Kaukasus. 1914 M.36—
3. E.Wunderlich, Die Oberflächengestaltung des norddeutschen Flach-
landes. I. Teil. Das Gebiet zwischen Elbe und Oder. 1917............M.3t.2o
Mensch und Erde. Skizzen von den Wechselbeziehungen zwischen beiden.
Von weil Geh. Rat Prof. Dr. A. Kirchhoff. 4. Aufl. [IV u. 100 S.] 8. 1914.
(ANuG Bd. 31.) Kart. M. 14 —, geh- M. 18.—
Kirchhoff hat es verstanden, in glücklicher Weise die Beziehungen zwischen Land und
Leuten klar zu entwickeln. Das Büchlein kann nicht nur jedem warm empfohlen werden, der
dte ..de™ Geographie la.ere... W.J jeder O-gMjttJgd SgäSo
Der Mensch der Urzeit. Vier Vorlesungen aus der Entwicklungs-
geschichte des Menschengeschlechts. Von Dr. A. Heilbom, Berlin-Friedenau.
3 Aufl Mit 47 Abb. nach Orig.-Photogr. und Zeichnungen. [VI u. 102 S.]
8*. 1918. (ANuG Bd. 62.) Kart. M. 14.—, geh. M. x8.—
Gibt an Hand zahlreicher Abbildungen der neuesten Funde eine Übersicht über die Ent-
wicklung des Menschengeschlechts von seiner Abzweigung aus der Reihe der tierischen
Vorfahren bis zur Schwelle der geschichtlichen Zeit.
Unsere ältesten Vorfahren. Ihre Abstammung und Kultur. Von Dr.
H. Michaelis, Königsberg i. Pr. Mit 14 Fig. im Text. [35 S.] gr. 8. 1910.
(Urania-Vorträge Heft 4.) Geh. M. 4,80
Dieses Werkchen sei besonders jenen zu eingehendem Studium empfohlen, welchen
daran gelegen ist, sich in leichtverständlicher Weise Uber den heutigen Stand der freien
TTnrsrhunc- auf dem Gebiete der Abstammungs- u. Entwicklungslehre entsprechen d zu unterrichten.“
g (Oesterr. Monatsschrift für den grundleg. aaturw. Unterricht.)
Religion und Magie bei den Naturvölkern. Ein religionsgeschichtlicher
Beitrag zur Frage nach den Anfängen der Religion. Von D. Dr. K. Beth,
o.ö.Universitätsprof.inWien. [XI111.2388.] gr. 8. 1914* Geh.M.30. ,geb.M.52.8o
Beherrschung dieses bisher fremden Gebietes, seiner Gestaltung!- und Darstellungs-
gabe gebührt uneingeschränkte Bewunderung.“ (Deutsche Literaturzeitung.)
Die Nayarit-Expedition. Textaufnahmen und Beobachtungen unter
mexikanischen Indianern. Unternommen und hrsg. im Aufträge und mit
Mitteln des Preußischen Kultusministeriums aus der Herzog von Loubat-
Professur-Stiftung von Prof. Dr. K. Th. Preuß, Kustos am Museum für
Völkerkunde in Berlin. I. Band. Die Religion der Cora-Indianer in Texten
nebst Wörterbuch. Mit 1 Karte sowie 30 Abb. im Text und auf 10 Tafeln.
[CVIII u. 396 S.] Lex.-8. 1912. Geh. M. 168.—
L ' -»
Gesundheit und Krankheit in der Anschauung alter Zeiten. Von Fr.
Troels-Lund, weil. Prof, an der Universität Kopenhagen. Vom Verfasser
durchgesehene Übersetzung v. Dr. L. Bloch, Wien. Mit 1 Bildnis des Verf.
[232 S.] gr. 8. 1901. Geh. M. 24.—, geh. M. 36.—
„Das Buch ist für diejenigen unserer Kollegen und der Gebildeten übei haupt geschrieben,
denen tiefere philosophisch-historische Reflexionen über die medizinische \ «rgangenheit noch
- " (Deutsche medizinische Presse.
Ausgehend von der Abhängigkeit des Menschen von der Umwelt, seiner Anpassungs-
fähigkeit an diese und seiner Ausdehnung über die Erde werden die Einheiten von Staaten
und Völkern, die ländlichen und städtischen Siedlungen behandelt und die für die Bevölke-
rungsbewegung maßgebenden geographischen Faktoren aufgezeigt. Abschließend werden die
Rassen-, Sprachen- und Kulturfragen erörtert.
Landschafts-, Wirtschafts-, Gesellschaftskulturtypen. Geogra-
phische Skizzen von L.Chalikiopoulos. [Xu. 111S.] Lex.-8, 1906. Geh.M. 18.—
Pflanzengeographische Wandlungen der deutschen Landschaft.
Von Dr. H. Hausrath, Prof, an der Techn. Hochschule in Karlsruhe i. B.
[VI u. 274 S.] 8. 1911. (Wissensch. und Hypothese Bd. XIII.) Geb. M. 48.—
Neue Karten und Reliefs der Alpen. Studien über Geländedarstellung.
Von Geh. Regierungsrat Dr. A. Penck, Prof. a. d. Univ. Berlin. [IV u. 112 S.]
gr. 8. 1904. Geh M. 16.80
Die Slawen. Von Dr. P. Diels, Prof, an der Universität Breslau. [141 S.]
8. 1920. (ANuG Bd. 740.) Kart. M. 14.—, geb. M. 18.—
Rußland. Eine geographische Betrachtung von Volk, Staat und Kultur.
Von Dr. A. Hettner, Prof, an der Univ. Heidelberg. 4. Aufl. Mit 23 Text-
karten. [X u. 357 S.] gr.8. 1921. Geh. M.48.—, geb.M. 57.—
Das Mittclmeergebiet. Seine geographische und kulturelle Eigenart.
Von Geh. Reg.-Rat Dr. A. Philippson, Prof, an der Universität Bonn a. Rh.
4. Aufl. [U. d, Pr. 1922.]
Mittelmeerbilder. Gesammelte Abhandlungen zur Kunde der Mittelmeer-
länder. Von Geh. Rat Dr. Th. Fischer, weil. Prof, an der Univers. Marburg
(Lahn). 2. Aufl. besorgt von Dr. A. Rühl, Prof, an der Univers. Berlin. Mit
1 Bildnis Theobald Fischers. [VIU.472S.] gr.8.1913. Geh. M.48.—, geb. M.60.—
Neue Folge. 4, Aufl, [Nachdruck u. d. Pr. 22.]
Durch Armenien. Eine Wanderung und der Zug Xenophons
bis zum Schwarzen Meere. Eine militär-geographische Studie. Von
weil. Generalleutnant E. von Hoffmeister, Exz,, Heidelberg. Mit 5 Vollbildern,
96 Abb., meist nach Originalaufnahmen des Verfassers, 2 Kartenskizzen im
Text sowie 2 Kartenbeilagen. [IX u. 252 S.] gr. 8. 1911. Geb. M. 60.—
Preisänderung Vorbehalten
DIE KULTUR DER GEGENWART
IHRE ENTWICKLUNG UND IHRE ZIELE
HERAUSGEGEBEN VON PROFESSOR PAUL H1NNEBERG
Die „Kultur der Gegenwart“ soll eine systematisch aufgebaute, geschichtlich begründete Gesamtdarstellung unserer
heutigen Kultur darbieten, indem sie die Fundamentalergebnisse der einzelnen Kulturgebiete nach ihrer Bedeutung für die gesamte
Kultur der Gegenwart und für deren Weiterentwicklung in großen Zügen zur Darstellung bringt. Das Werk vereinigt eine Zahl
erster Namen aus allen Gebieten der Wissenschaft und Praxis und bietet Darstellungen der einzelnen Gebiete jeweils
aus der Feder des dazu Berufensten in gemeinverständlicher, künstlerisch gewählter Sprache auf knappstem Raume.
Jeder Band ist inhaltlich vollständig in sich abgeschlossen und einzeln käuflich.
Von Teil III Mathematik, Naturwissenschaften, Medizin sind u. a. erschienen
Zellen- und Gewebelehre, Morpho- logie und Entwicklungsgeschichte Unter Redaktion von -{* E. Strasburger u. 0. Hertwig 1 Rnfani^rhpr TpÜ Unter Redaktion von f E. Strasburger. J. DOlcimbGner leil. Mitl35Abb [VIIIu.338S.l Lex.-8. 1913. Geh. M. 84.—, geb. M. 112.80 Inhalt: Pflanzliche Zellen- und Gewebelehre: f E. Strasburger. — Morphologie u. Entwicklungsgeschichte der Pflanzen: W. B e n e c k e. O 7nnlncricr*bpr TpiI Unter Redaktion von 0. Hertwig. Mit ¿.ooiogiscner len. 413Abb [VIIIU.538S.] Lex.-8. 1913. Geh. M. 120.—, geb. M. 168.— Inhalt: Die einzelligen Organismen: R. Hertwig.— Zellen-und Ge- webe des Tierkörpers: H. Poll. — Allgemeine und experimentell© Morphologie und Entwicklungslehre der Tiere: 0. Hertwig. — Entwicklungsgeschichte und Morphologie der Wirbellosen: K. Heider. - Entwicklungsgeschichte der Wirbeltiere: F. Keibel. - Morphologie der Wirbeltiere: E. Gau pp. „In dem vorliegendem Werke ist eine Fülle von botanischen und zoologischen Gebieten behandelt, die sonst eine größere Anzahl von Speziallehrböchern erfor- dern, und doch ist nach den Grundsätzen des Gesamtunternehmens immer gerade das Wichtigste und Wertvollste den Lesern geboten, so daß Referent nichts, was uns den augenblicklichen Stand unserer Erkenntnis charakterisieren könnte, als unerwähnt anzuführen wüßte. Das Werk, das eine gute Ergänzung zu den üblichen Lehrbüchern der Teilgebiete ist, möge allen denen warm empfohlen sein, die beruflich oder privatim sich mit Botanik oder Zoologie beschäftigen wollen und doch aus irgend welchen Gründen im Augenblick auf die Anschaffung größerer Lehr- und Handbücher für die aufgeführten Gebiete verzichten müssen. Es wird bald seinen Weg in die Hand der Studierenden, aber auch in die Bibliotheken der Schulen und naturwissenschaftlich Interessierten finden.“ (Literae. Zentralblatt.) Anthropologie Unter Redaktion von G. Schwalbe-Straßburg und E. Fischer-Freiburg 5. Br. Geh. ca. M. 130.—, geb. ca. M, 150.— Inhalt: Einleitung, Begriff, Abgrenzung usw.: E. F i s c h e r. — Tech nik u. Methode: T h. M o 1 ü s o n.—Physische Anthropologie: E. F i s c h e r. —Die Abstammung des Menschen und die ältesten Menschenformen: G. Schwalbe. — Prähistorische Archäologie: M. Hoernes, Ethnologie: Fr. Qraebner, — Sozial-Anthropologie: A. Ploetz. In dem Werk wird erstmalig ein abgerundetes Bild der Gesamt- gebiete der Anthropologie, Völkerkunde und Urgeschichte in streng wissenschaftlicher und zugleich gemeinverständlicher Darstellung aus der Feder bester Kenner geboten. Die ersten Abschnitte führen in die Lehre von der Entstehung und dem Bau des menschlichen Körpers ein: Schwalbe entwirft eine meisterhafte Schilderung des Abstammungsproblems des Menschen, Fischer und M o 11 i s o n stellen die spezielle Anthropologie dar, die folgenden Abschnitte beleuchten die Entfaltung des menschlichen Geistes- lebens; Hoernes schuf ein großzügiges Bild der „Prähistorischen Archäologie“, dem Graebnerin seinem Abschnitt „Ethnologie“ das Gegenbild der heutigen Völkerkunde dawider stellt. Die Anwen- dung auf das Heute bringt Ploetz als der Begründer dieser Lehre in dem Schlußabschnitt „Sozialanthropologie und Rassenhygiene“.
ABSTAMMUNGSLE PALÄONTOLOGIE, Unter Redaktion von R. Hertwig-A Mit 112 Abbildungen. [X u. 612 S.] Le: Inhalt: Die Abstammungslehre: R. Hertwig. — Prinzipien der S; L. Plate. — Das System der Pflanzen: R. v. Wettstein. — Biogec geographie: A. Brauer. — Paläontologie und Paläozoologie: ö Pflanzen: R. v, Wettstein. — Phylogenie der Wirbellosen Die Abstammungslehre ist die bedeutsamste Theorie, welche je- mals auf dem Gebiet der Biologie aufgestellt worden ist. Ihre Darstellung ist an den Anfang des Bandes gestellt worden, teils weil sie in ihrer Begründung auf den Tatsachen der vergleichen- den Anatomie, Entwicklungsgeschichte und Physiologie fußt, welche in den ersten Bänden behandelt worden sind, teils weil sie der Systematik, Biogeographie und Paläontologie, welche lange Zeit vorwiegend als Hilfswissenschaften betrieben wurden, neue eigene und bedeutsame Ziele der Forschung gesetzt hat. Die Systematik hat eine doppelte Aufgabe. Sie bringt die ver- wandtschaftlichen Beziehungen, welche zwischen den einzelnen Tier- und Pflanzenformen bestehen und durch vergleichende ana- tomische und entwicklungsgeschichtliche Forschungen festgesiellt worden sind, zum kurzen Ausdruck. Hieran reiht sich die weitere Aufgabe, die Bestimmung der Arten zu ermöglichen und ihre Zugehörigkeit zu den großen Hauptgruppen des Tier- und Pflan- zenreichs festzustellen, indem die unterscheidenden Merkmale in kurzen Diagnosen hervorgehoben werden. Bei der Darstellung dieses Forschungsgebietes kann ein zusammenfassendes Werk, wie es die Kultur der Gegenwart ist, selbstverständlich nicht auf HRE, SYSTEMATIK, BIOGEOGRAPHIE /lünchen und R. v. Wettstein -Wien c.-8. 1913. Geh. M, 132.—, geh. M. 180.— rstematik mit besonderer Berücksichtigung des Systems der Tiere: »graphie: A. Brauer. — Pflanzengeographie: A. En gl er. — Tier- .i/o - ~ Paläobotanik: W. J. Jongmans. — Phylogenie der K. Heider. — Phylogenie der Wirbeltiere: J. E. V. Boas. Einzelheiten eingehen, sondern muß sich darauf beschränken, die großen Grundzüge der Einteilung zu geben und die Prinzipien des systematischen Verfahrens zu erläutern. Da letztere für Zoo- logie und Botanik die gleichen sind, ist es nicht angängig, in der Weise, wie es im zweiten Band für die Morphologie geschehen ist, eine getrennte Besprechung von Zoologie u. Botanik durchzuführen. Ähnliches gilt für die zwei folgenden Kapitel, welche sich mit der räumlichen und zeitlichen Verbreitung der Organismen be- schäftigen und die Gebiete der Biogeographie und Paläontologie umfassen. Auch hier ist es nötig, mit einer für beide Reiche geltenden, die allgemeinen Prinzipien darstellenden Einleitung zu beginnen und an dieselbe die getrennte Darstellung der wichtigsten Resultate, zu denen Zoologie und Botanik gelangt ist, anzuschließen. Den Abschluß des Bandes bildet die spezielle Abstammungs- geschichte des Tier- und Pflanzenreichs, ln den beiden sie be- handelnden Kapiteln soll der Versuch gemacht werden, den Leser über die wichtigsten Vorstellungen zu orientieren, zu denen die Biologie auf Grund ihrer gesamten Forschungsergebnisse bezüg- lich der allmählichen Entwicklung der Organismenwelt gelangt ist.
1 Probeheft (mit Auszug aus dem Vorwort des Herausgebers, der Inhaltsübersicht des Gesamtwerkes, dem Autoren- —— Verzeichnis und mit Probestücken aus den Werken) zum Betrage von Mark 3,— (einschließlich Porto) vom Verlag von B.G.Teubner in Leipzifl und Berlin.
Preisänderung Vorbehalten
BEITRÄGE ZUR VÖLKERKUNDE
HERAUSGEGEBEN AUS MITTELN DES BAESSLER-INSTITUTS
UNTER MITWIRKUNG DER DIREKTOREN DER ETHNOLOGI
SCHEN ABTEILUNGEN DES STAATLICHEN MUSEUMS FÜR
VÖLKERKUNDE IN BERLIN REDIGIERT VON
ALFRED MAASS
BAND VII
Walter Krickeuerg. Ui« Toton*k«n. Mit 25 Figuren u. einer Karte im Text
Afotot Eichhors. Beiträge zm Kenntnis der Waschatnbaa IH. Mit G3 Finnen
Text, (Fig. 210—280 erscheinen später.)
BERLIN 1918-22
VERLAG VON DIETRICH REIMER (ERNST VOHSEN)
Ü
W/M
ä.:
DAS BAESSLER-ARCHIV FÜR VÖLKERKUNDE
erscheint in zwanglosen Heften, von denen 4 einen Band bilden. Einzeln sind die Hefte zu
einem je nach dem Umfang bemessenen, etwas erhöhten Preise käuflich. Her vorliegende
Band erscheint als Zwischenband für die Jahre 1918—22,
Has Baossler-Archiv ist bestimmt für Arbeiten aus allen Gebieten der Völkerkunde mit Aus-
nahme der reinen Linguistik und physischen Anthropologie.. »Seine Hauptaufgabe ist die
wissenschaftliche Beschreibung und Verwertung des in den deutschen Museen aufgespeichorten
Materials nach seiner kulturgeschichtlichen und technologischen Bedeutung, doch werden auch
soziologische, mythologische, kirnst- und religionsgoschichtliche Themata berücksichtigt, soweit
sie zur Erklärung von Museums-sammlungen beizutragen geeignet sind.
Das Honorar beträgt 80 Mk. für den Bögen von 8 Seiten;
außerdem erhalten die Mitarbeiter 50 Sondorabzüge.
Redaktionelle Sendungen, Zuschriften und Anfragen sind zu richten au den Redakteur
Professor Dr. Alfred Maiiß, Berlin W. 10, Tiergartenstraße 18e.
Bisher erschienene
BEIHEFTE
1. Sprichwörter und Lieder aus der Gegend von Turf au. Mit einer dort aufgenommenen
Wörterliste von Albert von Le C o q. Mit 1 Tafel. [100 S.] 1911,
2. Die Wagogo. Ethnographische Skizze eines ostafrikanischen Bantüstammes von Heinrich
Claus, Stabsarzt im Infanterie-Regiment Nr. 48, früher in der Kaiserlichen Schutz-
truppe für Deutsch-Ostafrika. Mit 103 Abbildungen. [IV u. 72 S.j 1911.
3. Oie GoldgewicUte von Asante (WestalTIka). Eine ethnologische Studie von Rudolf
Zeller. Mit 21 Tafeln. [IV u. 77 S.j 1912.
4. Mitteilungen über die Besiedelung des Kilimandscharo durch die Dsehagga und
deren Geschichte. Von Job. Schanz. (IV u. 56 S.] 1912.
5. Original Odzibwc-Texts. Witb English Translation, Notes and Vocabulary eollected and
published by J. P- 1». de Josselin de Jong, Gonservator at the State Museum of
Ethnograph^, Leiden. [IV u. 54 S.j 1912.
6. Ein Beitrag zur Ethnologie von Bougainville und Buka mit spezieller Berücksichtigung
der Nasioi. Von Ernst Frizzi. [56 S.] 1914.
7. Ein Beitrag zur Kenntnis xder Trutzwaltcu der Indonesier, Siidseevölker und Indianer.
Von Hauptraann a. I). Dr. G. Friederici. [78 S.] 1915.
8. Oie Banjangi. Von F, Staschewski. Überarbeitet und herausgegeben von Prof,
B. Ankermann. [66 S.j 1917.
BAESSLER-AROHIV
BEITRÄGE ZUR VÖLKERKUNDE
HERAUSGEGEBEN AUS MITTELN DES BAESSLER-INSTITUTS
UNTER MITWIRKUNG DER DIREKTOREN DER ETHNOLOGI-
SCHEN ABTEILUNGEN DES STAATLICHEN MUSEUMS FÜR
VÖLKERKUNDE IN BERLIN REDIGIERT VON
ALFRED MAASS
BAND VII
MIT 88 FIGUREN UND EINER KARTE IM TEXT
BERLIN 1918-22
VERLAG VON DIETRICH REIMER (ERNST VOHSEN)
INHALTS-VERZEICHNIS
Walter Krickeberg, Die Totonaken. Mit 25 Fig. und
einer Karte im Text......
August Eichhorn, Die Wascliambaa III. Mit 63 Fig
im Text (Fig. 210—280 erscheinen später).
Allo Kochte, einschließlich des Obersetzungsrechts, Vorbehalten
Druck von J. J. Augustin in Glückstadt und Hamburg.
DIE TOTONAKEN
EIN BEITRAG ZUR HISTORISCHEN
ETHNOGRAPHIE MITTELAMERIKAS
YOiV
Walter KRICKEBERG
Einleitung.
Jener Teil der mittelamerikanischen Golfküste, der sich zwischen dem Rio Pánuco im Norden und
de Términos im Süden ausbreitet, spielt in der altmexikanischen Kulturgeschichte eine sehr bedeutende R iT LagUni
nur war er ein Land des Reichtums, in dem alle Erzeugnisse der Tierra caliente in herrlicher Fülle ged' h ° ^ ^lcb
welches alljährlich die Handelskarawanen vom Hochland von Puebla bis nach den Mayaländern zoa) ^ Gn’ Und durcl
rieten zahlreiche Elemente der Hochlandskultur, mochte es sich um Schmuck oder Kleidung um technis ^ ^
oder Waffen, um Götterkulte oder Kalenderweisheit handeln, deutlich ihre Abkunft aus dem atlantls V° J'ertl^eitei
die Golfküste war zugleich der durch die Überlieferung geheiligte Boden, dereinst die ersten, über das Meeid °ebiet: ~
Einwanderer auf genommen hatte, und der dann wieder die Heimstätte manch’ alten, durch Einbrüche wilde™1*1611^61
aus seinem Sitz im Hochland vertriebenen Kulturstammes geworden war. Und endlich haben sich die ’ °rder
aztekischer Herrscher, von Itzcouatl (1427-1440) an, immer wieder gegen die reichen Länder der atlantisch ^
gerichtet, deren wichtigste Zugangswege besetzt und durch Garnisonen gesichert winden. ' ^ Kuste
Diese eigentümliche Stellung der Golfküste ist für die Erhaltung unberührter Kulturzustände und eines •
unvermischten Volkstums nicht förderlich gewesen. In dieser Beziehung lagen die Verhältnisse in den ab l lGlnen’
Hochländern (México, Puebla, Oaxaca, Chiapas, Guatemala) weit günstiger. Die atlantische Küste" gGS? 1 0SSenen
Durchzugsland und als solches eine Zone stärkster Völker- und Kulturmischung. Für die KardilaK^ 01 n
mexikanischen Kulturgeschichte, die das gegenseitige Abhängigkeitsverhältnis der der alt“
kultux betrifft, ist es nun aber von größter Wichtigkeit, jenes Volkstum festzusl^n das u 1 , ^
Boden des heißen Küstenlandes erwuchs; alle Zeichen sprechen dafür, daß in alter Zeit eii if *+ q** *Uf dem
Mayavölkern die Chontal Tabascos mit den Huaxteken von Veracruz verband und daß ß* Von
elemente einer späteren Einwanderung zuzuschreiben sind. Zu diesen Volkselementen ‘ l ±re™den Volks-
im nördlichen Teil des Staates Veracruz, von denen die vorliegend^ Arbeit handelt sfe n a Totonaken
von Abhandlungen bilden, deren Zweck es ist, die Kultur der einzelnen mexikanischen PrJT Reihe
die einzelnen Schichten abzuheben, die sich über den ursprünglichen Kern gelagert hab > * ZU analysieren,
voraztekischen, selbst vortoltekisehen Küstenkultur wiederherzustellen 8 ' S ' Gn’ Und S° das Bdd der alten
Diese Aufgabe wird durch den Zustand der vorhandenen Quellen ni.bt ß i •
spanischen EntdeckungundEroberung blieb die atlantische Küste nachdem die elltfl" Zeitalter der
abgeschlossen war, im wesentlichen Durchzugsland, über das die Eroberer ra«ch hina ^lluchtlge Kustenaufnähme
des Landes zu. Mehrere Jahre lang hielten sie nur einen einzigen Punkt an der Küst h + ^l0ckenden Innern
von Tenochtitlan entstanden hier neue Pflanzstädte der Spanier, Stützpunkte für ihre E d- ^ lmch dem Fall
Küstenprovinzen der Huaxteken und Chontal und in die rauhen Gebirgsländer der TrXpedl^onen ^ die tropischen
neken. Aber gerade die Berichte über diese Unternehmungen, die z. T. mit glänzenden N° Cken’ M*Xe Und Chiapa-
doval, verknüpft sind, leiden alle an einer großen Dürftigkeit an ethnographischen Not' !*’ wie CoUés und San-
bei ihnen die mittleren Küstenprovinzen wiederum nicht das Ziel, sondern das Ft Ubrigens waren ja auch
Dieselbe auffällige Interesselosigkeit für die Küstenvölker zeigt die Epoche 1
sonst überall die Missionare und Verwaltungsbeamten mit ausführlichen ethnogrw^ 1K°lonisation, in der doch
anvertrauten Völker hervortreten. Wir besitzen für die Küstenstämme keinen Sa K, Scllild^ungen der ihnen
oder Cogolludo. Vielleicht hätte uns Andrés de Olmos, der Apostel der Huaxt °der BlWgoa’ keinen Landa
ur lese \ ölker einen Ersatz geboten, doch sind seine ethnographischenWerke^all ^ ” Und B°I°naken, wenigstens
1 Baessier-Archiy. a G verloren gegangen, was wir im
2
WALTER KRICKEBERG
Hinblick auf die interessanten Notizen, die Mendieta und Torquemada ihnen entnommen haben, sehr bedauern
müssen. Man hat fast den Eindruck, als ob es für eingehendere Beobachtungen und Forschungen an der atlantischen
Küste schon zu spät war, als die Missionare dahin kamen; in der Tat hören wir .ja überall von dem rapiden Rückgang
der eingeborenen Bevölkerung infolge der Eroberungszüge der Spanier und der durch sie eingeschleppten Seuchen.
Die wissenschaftliche Erforschung der Küstenländer hat erst spät eingesetzt, aber sie hat schon reiche
Früchte getragen. Wenn man die dürftigen Notizen, die noch Bancroft in seinem großen Sammelwerk über die
Archäologie der Küste zusammengetragen hat, mit dem vergleicht, was wir heute davon wissen, so ist doch schon
ein erfreulicher Fortschritt festzustellen. Die archäologische Erforschung der Küste wird für immer mit dem Namen
Hermann Strebeis verknüpft sein. Seine Grabungen und Sammlungen haben vornehmlich über den mittleren Teil des
Staates Veracruz (das südliche Totonacapan und die alte Provinz Cotastla) Licht verbreitet. Über die Altertümer
der Huaxteken sind wir seit kurzem durch die schönen Arbeiten Caecilie Selers und Walter Staubs gut unterrichtet.
Endlich gibt es noch (bisher unveröffentlichte) Sammlungen aus der Provinz Tuxtla — dann aber klafft eine große
Lücke in unsern Kenntnissen. Wir sind über kein Gebiet Mexicos archäologisch so sehr im unklaren, wie über die
gewaltige Küstenstrecke vom Papaloapan bis zum Usumasinta, das alte Land der Olmeken, ein Gebiet, das für die
Frage der ehemaligen Ausbreitung der Mayakultur von entscheidender Bedeutung ist. Die wenigen Stichproben, die
hier gemacht worden sind, beweisen jedoch, daß man mit wichtigen archäologischen Aufschlüssen für die Zukunft
wird rechnen dürfen.
Sprachen und Folklore der heutigen indianischen Bevölkerung der Küste haben bisher nur wenig
Beachtung gefunden.
So ist das Material, das für eine monographische Behandlung der einzelnen Küstenvölker zur Verfügung steht,
an Wert und Umfang sehr verschieden. Was man aas den alten Berichten schöpfen kann, gleicht, aneinandergereiht,
einem Mosaik kurzer Notizen und Andeutungen; was die Funde liefern, erschöpft im besten Fall die Kultur eines
engumschriebenen Bezirks. Modernes sprachliches und volkskundliches Material kann nur mit Vorsicht zur Ergänzung
des Bildes herangezogen werden. Eine Darstellung der Küstenkultur muß daher notgedrungen sehr lückenhaft aus-
fallen; daß sie trotzdem imstande ist, manches zur Lösung des oben angedeuteten Hauptproblems der mexikanischen
Altertumskunde beizutragen, wird der dritte Abschnitt der Arbeit zeigen.
I. Abschnitt.
Geographie und Entdeckungsgeschichte der nördlichen
mexikanischen Golfküste.
1. Geographie.1
Die mexikanische Golfküste stellt geographisch eine einfache Fortsetzung der Golfküste der Union dar. Wie
diese ist sie in der Hauptsache Flachküste und wird von einer endlosen Folge niedriger Sanddünen und langer,
schmaler Nehrungen gebildet, die sich vor seichte, brackige, parallel zur Küste verlaufende Lagunen legen und nur von
wenigen Einfahrtskanälen durchbrochen werden. An vielen Stellen kommt es unter dem Einfluß der herrschenden
Passate noch weit landeinwärts zu Dünenbildungen. Diese „médanos de arena“ geben z. B. der Veracruz-Küste
ihren abschreckenden, trostlosen Charakter, der es verhinderte, daß die Expedition unter Cortés zuerst hier festen
Fuß faßte wo sich 80 Jahre später der größte Hafenort der atlantischen Küste Méxicos ausbreitete. — Nur an einer
Stelle östlich von der Papaloapan-Mündung, schiebt sich ein größeres Gebirgsmassiv bis an das Meeresgestade vor,
das den stattlichen Vulkan vonTuxtla (1500 m) trägt, und nördlich von Veracruz unterbricht eine Felsenküste bei der
Punta Delgada auf eine kurze Strecke die Dünen, da hier das totonakische Bergland mit einem niedrigen Ausläufer
bis ans Meer reicht. Die beiden Stellen spielen als wichtige Landmarken an der sonst niedrigen, einförmigen Küste
im Zeitalter der Entdeckungen eine gewisse Rolle; Das südliche Bergmassiv benannte man damals Sierra de S
Martin und einen seiner Felsenvorsprünge wegen seiner besonderen Gestalt Roca partida2. Wichtiger war die nörd-
liche Steilküste, denn hier wurde im Schutz eines der felsigen Küstenvorsprünge (der „Punta Bemal“, die von dem
totonakischen Städtchen Quiauiztlan gekrönt war) der erste Hafen, Villa Rica de la Veracruz, angelegt. Nach Deckert
bildet diese Felsenküstenstrecke insoferneine Grenzmarke in der geographischen Gestaltung der Küste, als südlich von
ihr die Dünenbildung immer mehr zurücktritt und Korallenbauten und Mangrovegebüsch ein maßgebender Faktor
der Küstenbildung werden. Ein System von Koralleninseln und Korallenriffen lagert sich namentlich vor die Küste
von Veracruz; von ihnen sind S. Juan de Ulúa und die Isla de Sacrificios im Zeitalter der Entdeckungen am
bekanntesten geworden. Während wir im Südwinkel des Mexikanischen Meeres, im Campeche-Golf, im Bereich
einer relativ jungen Landsenkung sind, der auch die Laguna de Sta. Ana (im westlichen Tabasco) und die große,
durch vorgelagerte Inseln geschlossene Laguna de Términos ihre Entstehung verdanken, sind für den nördlichen
Abschnitt der Küste, der, wie die anschließenden Golfgestade der Union, eine Hebungsküste darstellt, die echten,
haffartigen Strandlagunen von Tamiagua und Alvarado typisch.
Wenn man von einem Küstentiefland spricht, so hat der Ausdruck seine volle Berechtigung eigentlich nur für
die südliche Hälfte, etwa von der Breite von Veracruz an, wo auch das Gebiet der großen Stromsysteme beginnt. Im
Norden, besonders im Gebiet der Totonaken, ist diese Ebene in Wirklichkeit eine weite, wellige Fläche, eine endlose
Folge waldbedeckter Kämme, auf deren Höhen die Wege gewöhnlich entlangführen; daneben ragen bisweilen gras-
bedeckte Kuppen aus dem Waldmeer empor, und in der Nähe der vielen kleinen Flüsse wird es von savannenartigen
sumpfigen Strecken durchschnitten.
Geologisch ist die Küstenebene eine durchgängig jüngere (quartäre und tertiäre), vielfach fluviale Bildung
in der Sandsteine, Kalksteine und Tonmergel vorherrschen. In sehr wechselnder Breite (bei Veracruz nur 25 km)
ist sie einer älteren (mesozoischen) Formation vorgelagert, nämlich der mächtigen Gebirgsmauer, die sie in ihrer
ganzen Ausdehnung begleitet und abschließt, und die schon die Gefährten Grijalvas mit Staunen von ihren Schiffen
aus wahrnahmen und als Beweis für die festländische Natur des neuentdeckten Landes mit Freude begrüßten.2
Bis nach Tehuacan hinab heißt dieser Gebirgsabfall Sierra Madre und ist nichts weiter, als der erhöhte östliche Rand
des großen zentralen Plateaus; daher erscheint er nur von der Küste aus als ein Gebirgswall von bedeutender Höhe
und Steilheit, vom mittleren Tafelland dagegen als eine Reihenfolge einzelner Ketten, die das allgemeine Niveau
zunächst nicht sehr beträchtlich überragen und nur lose miteinander verbunden sind. (Deckert). Besonders da
1 Vgl. zum folgenden u. a. Deckert „Nordamerika“‘ (Aüge-
meine Länderkunde hrsg. von Wühelm Sieveis), . Au ag ,
Leipzig 1905, p. 43 und p. 300 sqq-
0 1 , c ,/U, _ io im I p. 37, 356); Cortes
2 Sierra de S. Martin; B. Diaz c. l*> 11 ' f
TT „ , t-, „vErla- B. Diaz c. 36 (I p. 102)
II. Carta p. 94, 113. Roca partiaa. u- ^ \ r
1*
und Herrera Descr. c. 10 (p. 20): Una punta de tierra
sale de las Sierras de San Martin. Beide Namen auf
meisten älteren Seekarten.
3 Oviedo 1. XVII c. 14 (I p. 524).
que
den
4 WALTER KRICKEBERG
wo der nördliche Zipfel des Staates Puebla über die Sierra Madre hinweg nach der Küstenebene übergreift, ist das
Hochland in eine Reihe paralleler Kämme zerlegt, die aber senkrecht zur Linie des Abfalls stehen. Diese Kämme
scheiden die allmählich immer höher ansteigenden Terrassen von Jicotepec und Huauchinango, Zacatlan,
Tetela de oro, Zacapoaxtla, Tlatlauh quitepec und Teciuhtlan. Die äußerste dieser Stufen, die von Jicotepec
und Huauchinango, hegt 1200 bzw. 1500 m hoch, Teciuhtlan 1950 m, Zacatlan 2000 m.4 Weiter südlich ist der Hoch-
landsrand Weit geschlossener. Hier, wo er sich der gewaltigen, von Westen nach Osten quer durch México ver-
laufenden Bruchspalte nähert, südlich von der alles Land abgesunken zu sein scheint, haben sich auf ihm zwei jung-
vulkanische Riesenkegel aufgetürmt, der Cofre de Perote (4089 m) und der Citlaltepetl (5700 m). Sie hegen augen-
scheinlich auf einer der Querspalten, die sich von der Hauptbruchlinie an verschiedenen Stellen nach Norden ziehen;
in der Verlängerung der Hauptbruchlinie erhebt sich dagegen der schon erwähnte Vulkan vonTuxtla ander Küste,
Vom Citlaltepetl und Tuxtla sind noch bis in das 19. Jahrhundert hinein Eruptionen bekannt geworden; von der
ehemaligen Tätigkeit des Cofre de Perote zeugt noch das riesige Lavafeld an seinem Westfuß, jenes ,,Malpais“, über
das Cortés im Sommer 1519 in beschwerlichem Marsch sein kleines Heer führte. Der Absturz des Hochlandsrandes an
der Ostfront des Perote und des Citlaltepetl ist noch viel schroffer, als weiter im Norden, da das Küstenland hier längs
der Querspalte beträchtlich abgesunken ist. Auf der obersten Stufe des Abfalls liegen hier, an die östliche Flanke der
Bergriesen gelehnt, Jalapa (1430 m) und Orizaba (1264 m), eingebettet in ein tropisches Pflanzenparadies, aus dem
wenigstens der Citlaltepetl unmittelbar bis in die Region des ewigen Schnees aufragt, während der Cofre de Perote
nur einige Monate im Jahr eine Schneekappe trägt.
Ein charakteristischer Zugin der geographischen Gestaltung der Küste ist also ihre starke Abgeschlossen-
heit gegenüber dem Hinterland. Auf weite Strecken hin öffnen sich in dem Gebirgswall nur wenige schwierige
Paßübergänge, die im Kriegsfall leicht von der Küstenbevölkerung zu sperren waren, wofür die Geschichte der Er-
oberung manche Beispiele liefert. Sonst waren und sind noch heute eine Reihe von Elußtälern die Hauptzugangs-
straßen zur Küste, von denen für das hier behandelte Gebiet folgende drei in Betracht kommen:
1. Die nördlichste hat ihren Endpunkt in dem Ort Tuxpan unweit der Mündung des gleichnamigen Flusses in
den mexikanischen Golf. Sie führt über den Hochlandsrand auf die Terrassen, auf denen die Orte Huauchinango
und Jicotepec liegen (s. o.), steigt dann in das enge Tal des Rio Cazones hinab, folgt diesem abwärts bald auf dem einen,
bald auf dem andern Ufer bis zur Mesa de S. Diego, einem durch die Talschlucht des Cazones abgetrennten Ausläufer
der genannten Terrassen, und läuft schließlich über diese Mesa hinweg ungefähr in der Mitte zwischen dem Rio Pantepec
und Cazones bis Tuxpan.5
2. Von einer anderen, weiter östlich gelegenen Terrasse des Gebirgsabfalles, auf der Teciuhtlan liegt, gelangt
man am bequemsten nach Nauhtla. Der Weg führt über Tlapacoya in das Tal des Rio de Bobos (des Flusses von
Nauhtla), bleibt fast ganz auf dessen linkem Ufer und hat einen Nebenfluß desselben, den Santa María de la Torre,
zu überschreiten. Da dieser Nebenfluß zu Zeiten reißend ist, wird er alsdann auf einem anderen Wege umgangen,
indem man sich beim Abstieg von Teciuhtlan näher an den Oberlauf des Flusses von Tecolutla hält, wo ein steiler
Abhang aus lehmigem Erdreich in kurzer Zeit fast 1200 m tief hinabführt.6
3. Die bekannteste, heute am meisten benutzte Zugangsstraße zur Küste führt um den Südfuß des Citlaltepetl
und über die Talterrasse von Orizaba hinab nach Veracruz. In alter Zeit verlief die Straße innerhalb der Küsten-
ebene etwas südlicher als gegenwärtig die Eisenbahnlinie, da das Ziel Cotastla (Cuetlaxtlan) war, der Hauptort der
aztekischen Küstenprovinz. Als die ersten Gesandten Motecuh^omas an Cortes die Schiffe der Spanier verlassen
hatten, begaben sie sich zu Wasser über Xicalanco und Tecpantlayacac nach Cuetlaxtlan und von da nach México
zurück.7 Danach folgte also dieser Küstenweg den hlußläufen des Rio Cotastla und Jamapa bis zum Meer.
Keiner dieser Küstenströme, die als Zugangs Straßen vom Innern her von Bedeutung waren und noch sind,
weist an seiner Mündung die Vorbedingungen eines für den modernen Überseeverkehr brauchbaren Hafens auf, da
überall Barren größeren Schiffen die Einfahrt sperren. Diese Hafennot ist im Entdeokungszeitalter die Triebfeder
zahlreicher Küstenexpeditionen der Spanier geworden. Von den vielen Hafengründungen der ersten spanischen Zeit
hat sich schließlich nur Villa Rica de la Veracruz, und auch dieses erst nach wiederholter Verlegung, als brauch-
barer Hafen erwiesen; aber gerade dieser Hafen liegt unabhängig von einem Flußsystem an einer offenen Küste im
Schutz der Insel San Juan de Ulüa, die durch große Seedammbauten mit dem Festland verbunden ist.
Die klimatischen Verhältnisse bringen die atlantische Küste Méxicos in einen ausgesprochenen Gegensatz
zur pazifischen, soweit die Niederschläge in Betracht kommen. Die atlantische Küste ist das regenreichste Gebiet
des ganzen Landes, die pazifische — wenn man von den wüstenhaften nördlichen Distrikten des zentralen Plateaus
absieht — das regenärmste. Der stark durchwärmte mexikanische Golf ist der Hauptspender der atmosphärischen
Feuchtigkeit; er sättigt die vom Atlantischen Ozean heranwehenden Nordostpassate auf das ausgiebigste mit Wasser-
dampf, der sogleich frei wird, wenn diese feuchten Seewinde auf ihrem Wege landeinwärts an den östlichen bzw.
südlichen Hochlandsrand stoßen und rasch zu kühleren Höhenlagen emporsteigen. Hie Nordostpassate haben also
den größten Teil ihrer Feuchtigkeit bereits abgegeben, wenn sie über das zentrale Hochland streichen. Die pazifische
Seler G. A. II p. 266/67, 274. pantla (oder Tuxpan) an.
Seler G. A. II p. 273—275; Fages, Dept. de Tuspan (1855) 6 Seler G. A. II p. 266—268.
p. 72/73. Schon Herrera Dec. IV 1. IX c. 5 (p. 185) führt ? Sahagún 1. XII c. 6.
diese wichtige Straße Otumba-Tepeopulco-Huauchinango-Pa-
DIE TOTONAKEN
5
, ,, , . . Ac,r westlichen Sierra Madre, und es herrscht hier ausgesprochene
Küste aber liegt vollends im Regen sc a ^ lokale Windströmungen die verdunstete Feuchtigkeit des pazifischen
Dürre, sofern nicht, wie im Gebiet von Soc^USC°’^ der atlantischen Küste die Zone nahe dem Abfall des Hoch-
Ozeans an den Gebirgswanden abse zen. < e jabr. Allerdings unterhegen die Niederschlagsmengen
landsrandes die regenreichste; hier regne es 2867 fdr Orizaba 2710 mm, für Jalapa 1761 mm als
starken Schwankungen; im Mitte kirnen m o ein Küstenstrich vorgelagert, auf dem alle Erzeugnisse
Beträge der jährlichen Regenmenge ge en. eine wjnterliche Regenzeit durchmacht, dazwischen nur eine
der Tropen gedeihen, und der eine sommer ic e u ^ ^ Unmittelbar am Meer ist die Regenmenge immer
kurze, heiße Trockenzeit in den Monaten Je iruar, m für Tuxpan 1430 mm angegeben (Hann, Klimatologie
noch groß genug; als Mittelzahlen werden für erac ^ ^ Regenzeit ein überaus ungesundes Fieberklima9.
3. Aufl. 1910). Die Veracruz-Küste ha v()m Wendekreis durchaus tropisch, bei einer gleichmäßigen
Die Temperatur der Küstenebene is juc ^ ^ yeracruz im Jahresmittel 25,4° beträgt, durch alle Monate.
Höhe des mittleren Thermometer Standes, er z^fenweige dem tropischen Klima entrückt, so daß die bekannte
Beim Anstieg zum Hochlandsrand wird inan^ ^ Mer mit großer Regelmäßigkeit ausgebildet ist. Zur Tierra
Gliederung in Tierra caliente, templada un ^ gtufen des Abfalls, wie Huauchinango, Teciuhtlan, Jalapa,
templada muß man bereits die Orte an ^reten selbst in der Tierra caliente unter der Wirkung der kalten „Nortes‘ ‘
Orizaba rechnen. Rapide Temperaturstürze ^ ^ Küstenebene gleichfalls rein tropisch und Ausläufer der „neo-
nicht selten ein. - Flora und F auna s neoborea.le« Formen mischen sich bei, und der Pänuco bildet ungefähr
tropischen“ mittelamerikanischen; nur w Tier_ und pfianzenreich überwiegen. So reicht beispiels-
die Grenze, jenseits deren die nordameri ^ e Affe (Ateles vellerosus) nördlich bis zum Pänuco, der anderer-
weise der zur neotropischen^Fauna ge Bären (UrSus americanus) ist.
seits die Südgrenze oev
2. Entdeckungsgeschichte.
Der Teilnehmer der ersten spanischen Expedition bemächtigte sich, als sie Yucatan umfahren und den tiefen
Küsteneinschnitt der Laguna de Términos passiert hatten, das zwar unklare, aber richtige Gefühl, daß sie nun an
einer ganz anders gearteten, offenbar kontinentalen Küste (denn Yucatan galt als Insel, abgetrennt durch eine bei
der L. de Términos mündende Meeresstraße) entlangsegelten. Wir finden in den ältesten Berichten für diese Küste
einen Gesamtnamen Ulüa oder Colúa.9 Dieser Name ist bekanntlich einem Mißverständnis entsprungen. Auf
die Frage nach Gold und Kostbarkeiten riefen die Indianer am Rio Grijalva, wie uns B. Díaz (c. 11, I p. 35) berichtet,
immer °,Colhuä“ und wiesen dabei nach Westen, nach dem Herrschaftssitz des mächtigen mexikanischen Stammes,
der sich selbst und sein Königshaus von den Colhuäque, den Bewohnern von Colhuacan, ableitete. Die Spanier aber
nahmen den Völkernamen für einen Landesnamen. Das Mißverständnis wiederholte sich noch öfter an der Küste,
und an einer Stelle ist es sogar auf den Karten verewigt worden: bei der Insel S. Juan de Ulüa gegenüber Veracruz.
Das mexikanische Wort für „Küste“ war Anauac, „nahe“ oder „am Rande des Wassers“, und zwar bezeichnete
man damit sowohl die atlantische als auch die pazifische Küste. Die guten älteren Quellen, besonders die unmittelbar
aus der aztekischen Tradition schöpfenden wie Sahagün, Chimalpain, Tezozomoc, auch noch Tor quemada, gebrauchen
das Wort Anauac immer in diesem Sinne und nicht, wie es infolge einer falschen Erklärung Clavigeros in der modernen
geographischen Literatur üblich geworden ist, als Bezeichnung für das zentrale Hochplateau. Die atlantische Küste, die
für die alten Mexikaner viel mehr im Vordergründe stand, als die pazifische, wurde schließlich das Anauac xar ^cr/yjv,
und Ableitungen wie anauacayotl bezeichnen geradezu Handelswaren, die von der benachbarten atlantischen Küste
nach der Hauptstadt gebracht wurden, z. B. Schmuckfedern, andererseits auch Eigentümlichkeiten der atlantischen
Küstenbewohner, z. B. Tänze, die, wie uns Sahagün (1. VIII c. 20) berichtet, von den Sängern und Tänzern des
mexikanischen Hofes in Putz und Bewaffnung der Anauaca vorgeführt wurden. Die Verknüpfung des Wortes Anauac
mit der atlantischen Küste ist besonders da deutlich, wo es synonym mit Nonoualco, Tlapallan, Teotlixco gebraucht
wird; diese Ausdrücke bezeichnen sämtlich die südlichen und östlichen Teile der atlantischen Küste, also Tabasco
wohin der Sage nach die Tolteken ausgewandert waren. So kann (in einer Chimalpain-Stelle) Anauaca tlahtoque
geradezu die Bedeutung „Fürsten, die sich toltekischer Abstammung rühmen“, erlangen.10
Alle sonstigen aztekischen Namen für die atlantische Küste haben eine mehr lokale Geltung. Wir haben es in
der vorliegenden Arbeit nur mit einem kleinen Abschnitt dieser Küste zu tun, mit dem Gebiet nämlich, das in vor-
,, -cv„v.or i«t rnn Yeracruz endemisch une
• Das vömito oder 8«^^^ besonders heftigem Auf
verbreitet sich sogar bisverlen (BandeUer, Tour ir
treten bis zum Hochtondsian („ber die an der Vera
México p. 18/19). Zusammentas d Heinemann ir
cruz-Kuste herrschenden Krankheitei . n , „„
Virchows Archiv für pathol. Anatomie an ^S1° °^1€ c ' 0
Berlin 1873.
9 Itinerario de Grisalva p. 293 und 306 („isola ncha chiamate
Ualor“; „una altra terra che se diceMulua“; „una altra Tsolt
dita Uloa.“ Ualor und Mulua sind natürlich Schreibfehler fü;
Uloa); P.Martyr De Insulis p. 11 und 20 („Calluacan, alias
oloan ab accolis haec tellus appellatur;“ „Colluacana sine
Olloan“)- Beide geben unter dieser Überschrift eine geo-
graphisch-ethnographische Beschreibung, die sich jedenfalls
auf die ganze Küste beziehen soll. Las Casas Hist. Ind. 1.
III c. 111 und 112 („llamaban á toda aquella tierra Ulüa“).
Noch Ayllon, der mit Narvaez’ Armada nach México kam,
nennt „das andere Land nahe der Insel Yucatan“ Ulüa (Bel.
de Ayllon ed. Gayangos p. 42, 43).
10 Seler „Über die Worte Anauac und Nauatl,“ G. A. II p. 49—63.
6
WALTER KRICKEBERG
spanischer und moderner Zeit von dem Stamm der To to nahe n bewohnt wurde, und das wir hier Totonacapan nennen
wollen. Es erstreckt sich etwa vom Ero de Tuxpan bis zum Eio de la Antigua und umfaßt im Nördwesten auch noch
die Abhänge der Sierra Madre von Huauchinango bis zum Cofre de Perote, d. h. die heutigen Distrikte Huauchinango,
Zacatlan, Tetela, Zacapoaxtla, Tlatlauhquitepec und Teciuhtlan. Im Norden sind die zur Mayafamilie gehörenden
Huaxteken, im Süden aztekisch sprechende, ursprünglich aber auch zweifellos nicht zu den Naua gehörende Stämme —
die Olmeca Uixtotin der alten Traditionen — Nachbarn der Totonaken.
Während der Entdeckungsfahrt Juan de Grijaivas im Jahr 1518 traten die Totonaken noch nicht in den
Gesichtskreis der spanischen Eroberer. Grijalva faßte seine Expedition als Eikundungsfahrt im strengsten Sinne
auf, daher hat er während seiner ganzen Küstenrekognoszierung von der Laguna de Tèrmi nos bis zum Cabo Roxo an der
Laguna de Tamiahua nur selten das Zeichen zum Landen gegeben, trotz des günstigen Eindrucks starker Bevöl-
kerung und reicher Kultur, den man schon von den Schiffen aus gewann. Nur an der Veracruz-Küste verweilten die
Spanier längere Zeit auf dem Festland; hier fand auch jene ewig denkwürdige erste Begegnung mit den Abgesandten
Motecuh^omas statt, die das Vorspiel des großen weltgeschichtlichen Dramas der Eroberung Mexicos bildete.11 Dem
Verlangen vieler, durch den Reichtum der aztekischen Geschenke geblendeter Mitglieder seiner Expedition, die gern
hier eine Niederlassung gegründet hätten, folgte Grijalva nicht, sondern setzte seine Fahrt nach Norden weiter fort,
an Almería (Nauhtla) und Tuxpan vorüber, ohne diesem totonakisehen Teil der Küste einen Besuch abzustatten.
Als er am Cabo Roxo umkehrte, um die Kunde von seinen Entdeckungen nach Cuba zu bringen, war die Entschleierung
des Golfes von México um ein gewaltiges Stück gefördert worden; eine neue Küstenstrecke von über 600 Seemeilen
Länge war vor den Augen der Spanier aus dem Ozean emporgetaucht.12
Es ist kein Wunder, daß die Entdeckungen Grijalvas überall in den spanischen Kolonien der großen Antillen
ganz außerordentliches Aufsehen machten. Von allen Seiten strömten unternehmungslustige Abenteurer herbei,
um sich für weitere Expeditionen zur Verfügung zu stellen. Sie brauchten nicht lange zu warten, denn das folgende
Jahr (1519) sah gleich zwei ähnlich ausgerüstete Entdeckerflotten in verschiedener Richtung nach der geheimnis-
vollen Küste in See stechen: die eine unter Hernando Cortés, die wie die bisherigen von Velásquez, dem Statthalter
von Cuba, ausgerüstet war; mit der anderen, von Alonso Alvárez Pineda geführten, suchte sich der Statthalter
von Jamaica, Francisco de Garay, seinen Anteil an den Entdeckungen zu sichern. Während die Küstenfahrt des
Eroberers von México in allen ihren Phasen wohl bekannt ist und deswegen hier nur gestreift zu werden braucht,
sind wir über die entdeckungsgeschichtlich sehr wichtige Fahrt Pinedas nur sehr dürftig unterrichtet, da die sicherlich
ausführlichen Originalberichte Pinedas verloren gegangen sind und Quellen, die uns sonst unser Material liefern,
die Fahrt meist nur ganz gelegentlich und vielfach mit irrtümlichen Angaben erwähnen. Am besten orientieren eine
königliche Cédula vom Jahr 1521, durch die Garay ermächtigt wurde, die auf seiner ersten, von Pineda geführten
Expedition entdeckten Gebiete zu kolonisieren, da sie einleitend eine kurze Übersicht über die erste Expedition gibt,
und zwei Karten, die auf Originalaufnahmen Pinedas zurückgehen.13
Die beiden großen Expeditionen haben, die eine von Yucatan, die andere von Florida herkommend, den Rio
Pánuco erreicht.14 Ihr Zusammentreffen auf der Reede von Veracruz, wo Pinedas Schiffe beinahe von dem ihnen
11 Oviedo 1. XVII c. 14 u. 15 (p. 522—528), Itinerario de
Grisalva p. 296—-301, P. Martyr, De Insulis p. 12—16,
B. Díaz c. 12—-14 (I p. 38—42). In den Einzelheiten weichen
diese Berichte voneinander ab. P. Martyr vermengt offenbar
die Ereignisse am Rio Grijalva und an der Veracruz-Küste,
wenn er die Spanier mit zwei „Kaziken“ (reguli), Potancha-
nus an der Küste gegenüber der Isla de Sacrificios und Ouan-
dus (= Ovando im Itin. p. 299) weiter westlich, verkehren
läßt. — Die aztekische Tradition über das große Ereignis liegt
bei Tezozomoc c. 107, Durán Trat. I c. 69 und Sahagún
1 XII c. 2 vor. Diese Quellen verwechseln die beiden spa-
nischen Expeditionen (unter Grijalva und Cortés); sie lassen
z. B. schon bei der ersten Expedition Marina als Dolmetsch
auftreten.
12 Grijalva hat nicht den Pánuco erreicht, wie Bandelier, Tour
in Mexico p. 5, und Ruge, Zeitalter der Entdeckungen p. 359,
annehmen, denn Alaminos, der Pilot und Kosmograph der
Expedition, teilte nach der Rückkehr dem ihm befreundeten
Statthalter von Jamaica, Francisco de Garay, mit, daß vom
Rio de S. Pedro y S. Pablo nach Norden noch die ganze Küste
zu entdecken sei. Dieser Fluß findet sich aber auf allen älteren
spanischen Seekarten noch südlich vom Cabo Roxo, nördlich
von Almería (Nauhtla), und ist mit dem Rio de Tecolutla der
heutigen Karten gleichzusetzen. Als das Necplusultra Grijalvas
wird man daher mit Kohl (Generalkarten p- 107/08. Älteste
Geschichte der Entdeckung und Erforschung des Golfs von
México p. 26, 32), Orozco y Berra (Historia IV p. 55 n. 5 und
56 n. 2) undMaudslay (in seiner Ausgabe des Bemal Díaz
I p. 60, n.) das Cabo Roxo, das einzige große, stark vorsprin-
gende Kap jenes nördlichen Küstenstrichs, an dem Winde und
Stürme, Inseln und Sandbänke die Umschiffung schwierig
gestalten konnten, annehmen dürfen.
iSReal Cédula, datiert Burgos 1521, bei Navarrete Col. de
los Viages y Descübr. III 45 (p. 147/8). Ebenda die abge-
kürzte Kopie der einen Karte; die andere in der lateinischen
Ausgabe des 2. Cortés-Briefes, Nürnberg 1524. Von modernen
Forschern war I. G. Kohl der erste, der die Bedeutung der
Pineda-Fahrt erkannte und eine richtige Darstellung von ihr
gab (Generalkarten p. 75—77, Älteste Geschichte usw. p. 31
sqq.), während Peschei (Geschichte d. Zeitalters der Ent-
deckungen 1. Aufl. p. 542 und Geschichte der Erdk. 2. Aufl.
p. 265/6) noch den fundamentalen Irrtum des Las Casas
(Hist, de las Ind. 1. III c. 118, p. 466), der Pineda vom Pánuco
nach Norden bis Florida segeln läßt, also gerade umgekehrt
wie in Wirklichkeit, seiner Darstellung zu Grunde legt.
14 Cortés hat die Strecke von S. Juan de Ulüa bis zum Pánuco
nicht selbst befahren, sondern durch zwei Offiziere seiner
Flotte, Francisco de Montejo und Rodrigo Alvárez Chico, und
den Piloten Antón de Alaminos rekognoszieren lassen. Auf
der Rückfahrt berührten diese den oben erwähnten, ins Meer
vorspringenden letzten Ausläufer einer Bergkette, den die
totonakische Ortschaft Quiauiztlan krönte. Er bildete einen
vor den Nortes geschützten. Ankerplatz und wurde von Cortés
als Stätte der ersten spanischen Ansiedlung an der Küste aus-
ersehen. Vgl. hierüber Herrera Dec. II 1. V. c. 6 (I p. 119),
B. Díaz c. 40 (I p. 113), Gomara Crón. c. 29 (p. 30) und P.
Martyr De Ins. p. 29.
DIE TOTONAKEN
7
sn
-D- 1 r r+'s gekapert worden wären, bedeutet den Abschluß der Unterneh-
auflauernden Landungskorps seines lvfl en _ or e . ^ deg atlantischen México gerichtet waren. Die gesammelten
mungen, die auf die Festlegung der us en i um die neuentdeckte Küste auch kartographisch
Beobachtungen und Messungen lieferten genügen e ^ ^ berühmteste nautische Fachmann seiner Zeit, Antón
festzulegen; denn Grijalvas und Cortés ExpecU ionei pi]oteni£, wie die Cédula hervorhebt, mitgenommen. So
de Alaminos, begleitet, und auch Pmeda hat e sic ^ ]Ulten bereits 1527 und 1529 erscheinen. Es sind, wie
sehen wir die ersten offiziellen Bearbeitungen c Generalkarten, deren erste augenscheinhch die unter
I. G. Kohl nachgewiesen hat, jene beiden gvoüe arte (padrón real) ist, während die zweite, eine vielfach
Leitung Hernando Colons hergestellte olfiziel e a hen Diego Ribero zum Verfasser hat _ Karten, die die
verbesserte Auflage der ersten, den königlichen ^ gind Der Verlauf der Küstenkonturen, die Zahl und Form
Vorbilder aller Seekarten des 16. Jahrhunderts ge ^ bekannten Karten dieser Zeit, selbst noch bei Thomas
der Legenden sind bis auf geringe Abweichunge ^ ößtemWert, wo es gilt, die Lago der in den Originalberichte
Hood(1592), dieselben geblieben.15 Sie smd№ n Karten verschwunden sind, festzustellen.
genannten Örtlichkeiten, deren Namen aut Innern haben die Spanier rasch über die Küstenländer hinweg dem
Bei der nun folgenden Erschließung c e an der Küste hören wir erst wieder nach dem ersten Einzug
zentralen Hochland zugestrebt. Von Untern grnehmimgen erst ein, nachdem Tenochtitlan gefallen war. Sie
in Tenochtitlan; aber energisch setzten <*ies ^ zwei Umstände die Spanier dazu getrieben hätten. Zuerst
wären noch lange hinausgeschoben worden^ützten, stürmischen Küste einen geeigneten Hafen und Stapelplatz
die gebieterische Notwendigtot. an der unge n gcM£e aurfindig zu machen, denn Veracruz genügte den
für die von den Antillen und Sparxrals eine offene Eeede, und wurde noch wahrend des ersten Jahr-
Ansprüchen keineswegs - « "“"“erlegt. Fast in jedem Verhaltungsbefehl, der den Expedrt.onstoern
Werts der spanischen Herrschaft Zwexm«l g die An£age eineg geschützten, sicheren Ha ens zur Pfhcht
mitgegeben wurde, findet s.ch ^her mn Pass welche die Küstenländer bergen sollten, *e Spamer
macht Sodann lockte naturhchdreKunde^vo Rischer und anderer Herrscher des Hochlandes füllten,
gewaltig We Kostbarkeiten. d,e die *‘i “ aekominen. Der alte Bernal Díaz, einer von denen, die an der
waren zum großen Teil gerade Riesen ^ ^ Anteil genommen haben, macht einmal die interessante
Unterwerfung der atlantischen Gebiete ^ aztekischen Tributlisten („libros delarrenta de Montezuma )
Bemerkung, daß die Auffindung und da gS ^ der Eroberllng der Hauptstadt, deren Umgebung keine Eeich-
rnit der Anlaß gewesen sei. weshalb di P deg Goldeg_ deg Kakaos und der Baumwolle, d. h. nach der atlan-
+iWr bot sogleich ihre Blicke nacn aen
tischen und pazifischen Tierra caliente, richteten.
Von diesen Küstenländern ist den Spaniern am frühesten Totonacapan, der oben näher umschriebene Land-
strich im nördlichen Teil des Staates Veracruz, vertraut geworden.17 Die erste Bekanntschaft mit Angehörigen des
Stammes der Totonaken, dessen Südgrenze damals der Rio de la Antigua bildete, machten die Spanier am Strand
von S. Juan de Ulúa, nachdem sie von den aztekischen Beamten im Stich gelassen worden waren. Es waren Leute
aus Cempoallan, welche die Anwesenheit der Azteken bisher ferngehalten hatte, und deren Nachrichten über das nahe
Cempoallan und die feindselige Haltung ihres Herrschers gegenüber den Azteken Cortés und den Spaniern überaus
willkommen waren.18 In der Tat eröffnete sich ihnen damit ganz unerwartet die Aussicht, bei geschickter Aus-
nützung des gespannten Verhältnisses beider Völker in dem fremden Lande sicher Fuß fassen zu können.
Mit dem Marsch nach Quiauiztlan, das zur Stätte der ersten spanischen Niederlassung ausersehen war (siehe
Anm 14). ließ sich ein Besuch der totonakischen Hauptstadt, die fastauf dem Wege lag, bequem verbinden. Manfolgte
zunächst der Küste bis zum Rio de la Antigua, der nahe seiner Mündung überschritten wurde, ging dann auf dem
linken Ufer des Flusses aufwärts, passierte einige kleine, teils noch im lagunenreichen Küstengebiet, teils schon in
der Savanne gelegene totonakische Orte zwischen Antigua und Chachalacas und kam schließlich am dritten Tage
unter der Führung aufgegriffener Indianer, die wohl als Späher zur Beobachtung der Spanier vorausgeschickt waren,
bis nach Cempoallan.19 In kriegsmäßiger Ordnung, um gegen jede Überraschung geschützt zu sein, erfolgte der
181. G. Kohl, Generalkarten p. 3 sqq., 35 sqq. Vgl. die Karten
bei Kretschmer, Entdeckung Amerikas, Atlas Taf. 16, 17, 35,
und Kunstmann, Entdeckung Amerikas, Atlas Taf. 10,
13 usw.
16B. Dlaz c. 157 (II p. 144).
17 Die folgende Darstellung ist absichtlich ziemlich eingehend ge-
halten Die alten Quellen über die Totonaken (ebenso auch
über die anderen Küstenvölker) sind so zerstreut, daß eine
Zusammenstellung aller in Betracht kommenden Stellen
schon aus diesem Grunde erwünscht ist; außerdem bedeutet
ein solches Verfahren eine erhebliche Entlastung des Haupt-
teils, der die Kultur der Totonaken im Zusammenhang be-
handelt.
18B. Diaz c. 41 (I p. 117/8); Gömara Crön. c. 28 (p. 29/30);
Las Casas Hist. Ind. 1. III c. 122 (p. 489), P. Martyr De
Insulis p. 31 (ohne den Namen Totonaken zu erwähnen).
Die Carta de Veracruz enthält nichts \on den Erlebnissen
0 v- vz vavuoo,1JL 1JLU.JL' btJ.ig6in.GlIl
gehaltene Schilderungen von Land und Leuten der Küste,
so daß wir für das Folgende auf Gomara, B. Díaz, Tapia
(dürftig) und P. Martyr angewiesen sind.
,0ß. Díaz c. 44, 45 (I p. 126, 127). Gomara Crón. c. 32 (p. 33/4).
Während B. Díaz zweimal ausdrücklich von Orten spricht,
in denen man übernachtete, mit Tempelpyramiden voll Kult-
geräten usw., führt Gomara zuerst „ärmliche Fischerhütten“,
nachher „eine kleine Aldea“ an. Orozco y Berra Historia
IV p. 151 (n. 1) identifiziert die beiden Orte mit Hiztalpan
(Hizcalpan) und Tonaltepec auf der alten Karte Patiños.
Der Fluß, den Gomara dicht vor Cempoallan erwähnt,
wird noch heute an dieser Stelle mittels einer Furt über-
schritten. (Fewkes Antiquities p. 235). Es ist der Rio
Chachalacas, der heute auch Rio Actopan und Rio de S. Carlos
genannt wird. (Jesús Galindo y Villa im Beiheft zu den
Anales del Mus. Nac. Mexico 1912, p. CXIII). Früher verstand
WALTER KRICKEBERG
Einzug. Die Vorsicht war nicht nötig, denn die Haltung der Einwohner gegenüber den Spaniern war die denkbar
freundlichste; Blumen und Früchte brachte man ihnen entgegen, und ohne Scheu mischten sich die harmlosen, fried-
lichen Leute zwischen die Reihen der schwerbewaffneten Soldaten. Der Kazike, ein starker, wohlbeleibter Mann
(,,el Cazique gordo“), erwartete die Spanier mit einem Gefolge vornehmer Greise vor seinem Palast und wies
ihnen nach kurzer, freundlicher Begrüßung einen von Gebäuden umgebenen, großen Hof als Quartier an. — Cempo-
allan, dessen ausgedehnte Ruinen erst seit vierzig Jahren wieder bekannt und neuerdings öfter geschildert worden
sind, hat auf die Spanier einen außerordentlichen Eindruck gemacht, wovon ihre ziemlich eingehenden Beschreibungen
zeugen. Es war die erste große Stadt, die sie in der neuen Welt näher kennen lernten. In Gärten eingebettet und
von ziemlich weitläufiger Bauart, zählte es nach den geringsten Schätzungen nicht weniger als 20 —30 000 Einwohner
und gemahnte durch seine vielen stattlichen Gebäude und Tempelpyramiden, deren glänzend weißen Stucküberzug
die überraschten Spanier zuerst für Silberplattierung hielten, an das heimische Sevilla.20
Die erste Unterredung, die Cortés mit Hilfe der Dolmetscher — verschiedene Totonaken verstanden aztekisch —
mit dem dicken Kaziken hatte, brachte sogleich die Gewißheit, daß die Spanier in ihm einen wertvollen Bundes-
genossen für ihre künftigen Unternehmungen sehen durften. Der Druck der tyrannischen Herrschaft Motecuh^omas
lastete schwer auf dem Lande, so daß Cortés nur die Rolle des Befreiers zu spielen brauchte, um ein großes Gebiet
(Cempoallan hatte die führende Stellung im ganzen südlichen Totonacapan) in seiner Hand, zu haben. Zuvor mußte
jedoch ein spanischer Stützpunkt an der Küste geschaffen werden^ daher gab Cortés schon am nächsten Tage das
Zeichen zum Weitermarsch, nachdem er dem Kaziken seinen ferneren Beistand versprochen und Geschenke mit ihm
ausgetauscht hatte.21
Von 400 indianischen Tamemes (Lastträgern) begleitet, kamen die Spanier noch gegen Abend desselben Tages
wieder in Sicht des Meeres, da, wo eine kleine Bergkette ihre letzten Ausläufer in ziemlich steilem Absturz bis an die
Küste vorschob; es war der Punkt, den Montejo und Alaminos auf ihrer Küstenfahrt erkundet hatten. Hoch oben
auf dem Abhang lag der indianische Ort Quiauiztlan,22 gleich Cempoallan der Sitz eines totoñakisehen Kaziken.
Vor den anrückenden Spaniern waren die Bewohner bis auf einige auf dem höchsten Punkt der Festung zurück-
gebliebene Vornehme mit dem Kaziken geflüchtet; doch gelang es Cortés schnell, sie von seinen friedlichen Ab-
sichten zu überzeugen. Auch hier fand er denselben geheimen Haß gegen die aztekischen Unterdrücker und erreichte
es ohne große Mühe, diese Totonaken zur Gefangennahme hoher aztekischer Beamter zu verleiten, die kurz nach
seiner eigenen Ankunft den Ort betraten, um den schuldigen Tribut zu erheben (vor allem natürlich, um den Verkehr
der Indianer mit den Spaniern zu verhindern).23
Diese Tat bedeutete die offene Empörung, und den Totonaken blieb nun nichts weiter übrig, als sich ganz eng
an die Spanier anzuschließen. Im Gefolge der Azteken waren mehrere totonakische Kaziken nach Quiauiztlan
gekommen; auch der Kazike von Cempoallan war zugegen. Mit diesen schloß Cortés ein Schutz- und Trutzbündnis
gegen Motecuhgoma und ließ die Nachricht davon über das ganze Land verbreiten, so daß binnen kurzem 30 — 50
totonakische Orte des Tieflandes (um Cempoallan) und der Sierra (im Nordender Stadt) auf der Seite der Spanier standen,
was indes Cortés nicht hinderte, sein ränkevolles Doppelspiel, in dem er Meister war, zu treiben; — er ließ einige
der aztekischen Gefangenen entkommen, um nachher die Schuld für das Entweichen den nachlässigen totonakischen
Wächtern zuzuschieben und andererseits bei den Azteken den Anschein eines geheimen Freundes zu erwecken. Wie
wenig er sich in der letzteren Berechnung täuschte, bewies die Gesandtschaft Motecuh gomas, dm mcht lange danach
miqui „sterben“); cf. Motolinia Mem. c. 61, p. 190. Quiauiz-
tlan kommt als Ortsname auch noch in anderen Gegenden
Méxicos vor: im nördlichen Totonacapan (Tor quema da
man unter Rio Actopan und Rio de S. Carlos zwei verschiedene
Flüsse, deren Mündungen Barra de Juan Angel und Barra de
Chachalacas heißen, und zwischen denen Cempoallan liegt:
Patino bei Orozco y Berra 1. c. p. 153 (n. 1) und Strebei,
Ruinen von Cempoallan p. 3, 10. Auch Herrera Dec. II
I. V c. 8 (p. 122) und Torquemada 1. IV c. 19 (I p. 396)
erwähnen die beiden Flüsse.
20B. Diaz c. 45, I p. 128 (otros le nonbraron sevilla), Cortes
II. Carta p. 52 (Cempoal, que yo intituli Sevilla), P. Martyr
De Insulis p. 35 (ueteri incolarum nomine Cempoal, nouo
Sibylla). Der einheimische Name ist mexikanisch und bedeutet
„Ort der Zwanzig“. Einen andern, viel genannten Ort dieses
Namens gibt es nordöstlich der Stadt Mexico, an der alten
Straße nach Tulancingo. Hieroglyphisch wird dieser in der
Tributliste (C. Mendo za fol. 22,9) durch einen Berg mit einem
merkwürdig gestalteten menschlichen Kopf ausgedrückt.
21 B. Diaz c. 45 (I p. 127—129), Gömara Crön. c. 32, 33 (p. 34bis
36). Der erste Aufenthalt in Cempoallan dauerte nur einen
Tag; Gömara spricht (p. 34) von 15 Tagen, meint damit aber
wohl, daß die Spanier sich bis zu ihrem Aufbruch ins Innere
im Ganzen mit mehrfachen Unterbrechungen so lange in der
Stadt auf hielten.
--Der Name erscheint bei Gömara (Crön. c. 34, p. 36; c. 32,
p. 33) auch als Chiaviztlan und Aquiahui(z)tlan. Richtig ist
nur Quiauiztlan „Ort des Regens“ (quiauiztli = Abstraktum
'von [tla-] quiaui „es regnet“, wie miquiztli „der Tod“ von
1. III c. 18, I p. 279), als Barrio von Tlaxcala (Gömara Crön.
c. 55, p. 59) und in Chiapas (B. Díaz c. 166, II p. 222). Die
Spanier nannten Quiauiztlan nach einer ähnlich gelegenen
spanischen Stadt Archidona (Orozco y Berra Hist. IV
P- 161/2 n. 2). Der Ort war schon früh von den Karten ver-
schwunden, lag aber jedenfalls nahe der heutigen Punta Bemal;
nach den Ergebnissen der Cempoallan-Expedition der Junta
Colombina (1891) ist die Felsenkuppe Bemal Grande als der
alte Cerro de Quiauiztlan anzusehen. S. folgenden Abschnitt.
23Natürlich wußte man in México längst von den Vorgängen
bei den Totonaken. Herrera sagt Dec. II 1. V c. 9 (I p. 123),
der Gouverneur der Provinz Cotastla habe alle Schritte
Cortés’ überwacht und nach México gemeldet, ebenso wie er
bereits (nachSahagún l.XIIc. 2) nach der Abfahrt Grijalvas
in Nauhtla, Tuxtla und Mictlanquauhtla einen Küstenwach-
dienst organisiert hatte. Der Name dieses hohen aztekischen
Beamten wird verschieden überliefert: TentlüH; „der an den
Lippen Schwarze“ bei B. Díaz (Tendile) und Sahagün
(Tentlil), und Teuthlli; ,,der echte Schwarze“ bei Gömara
(Teudilli), Herrera (TeuthliUe), Tezozo moc (Teutliltzin) und
Ixtlilxochitl Hist. Chich. c. 79 (Teotlili). — Derselbe Be-
amte war bereits der Überbringer der reichen Geschenke Mote-
cuhgonaas an Cortes gewesen-
DIE TOTONAKEN
9
linter Führung zweier aztekischer Prinzen mit wertvollen Geschenken vor ihm erschien. Es gelano- ihr. r ,
nicht Cortés von den Totonaken abzuziehen, wie wohl ihre Absicht gewesen war, sie trug aber dazu bei TTT1
Respekt der Totonaken vor der Macht ihrer Beschützer, denen selbst ein Motecuhcoma nur mit Geschenk ’ ^ Tder
wagte, immer höher wuchs. vCn zu nahen
Unterdes hatte Cortés mit Hilfe der Indianer eifrig die Anlage der ersten spanischen Niederlassung Vn
Rica de la Veracruz “ in einer Ebene am Fuß des Felsens von Quiauiztlan, eine halbe Legua von dem Orte § ’If ^
betrieben.24 _ Mitten aus der regen Bautätigkeit rief ihn eine Meldung der befreundeten totonakischen K
daß m dem Orte Ti9apantzinco,2s zwei Tagemärsche von Cempoallan, noch eine aztekische Besatzung läo-e ^
das Land ringsum bedrohe und verwüste. Obgleich es Cortés in diesem Augenblick wenig in seine PlLe^’n
konnte er sich doch einer Strafexpedition gegen den Ort nicht entziehen. Mit 400 Fußsoldaten und 14 Beitcrn ^ ,
er sich auf den Marsch, der über Cempoallan führte, wo sich ihm noch 2000 Totonaken anschlossen Ti ma° °
bestand, wie viele der weiter nach der Sierra Madre zu gelegenen Orte, welche die Spanier später auf ihrem MZmC°
passierten, aus dem Orte selbst in der Ebene und einer darüber in starker Lage auf hohem Felsen erbauten F , llSC 1
Über die Unternehmung der Spanier — die erste auf mexikanischem Boden, die sich direkt gegen Mote uh
richtete — gehen unsere Quellen auseinander. Nach B. Díaz wäre die aztekische Besatzung schon einio- t °U ^°ma
abgezogen,' so daß sich die Unterwerfung der einheimischen (totonakischen?26) Bewohner der Stadt nf® ZIrv0r
friedlich abspielte. Gomara läßt dagegen die aztekische Garnison der Expedition entgegenziehen, die Flucht °maien
als sie sich unerwarteterweise den Spaniern gegenüber sieht, und ohne große Mühe in den Mauern der Fest ^
Zugänge nicht mehr gesperrt werden konnten, überwältigt werden; nachher sei ihr dann freier Abzug voiiCor^*1
bewilligt worden. Schließlich weiß uns noch B. Díaz zu berichten, daß die totonakischen Bundesgenossen die 1 t§
Gelegenheit benutzten, um hinter dem Bücken der Spanier die Felder der ihnen verhaßten Stadt zu plündern ^DocT
wurden diese Ausschreitungen von Cortés sogleich auf das strengste verboten; die Cempoallaner mußten die Gefa '
genen und das geraubte Gut wieder abliefern und wurden gezwungen, sich mit ihren Feinden zu versöhnen 27 ° i v"
ganze Sierra war von nun an von den Plackereien der Mexikaner befreit. . ’ le
Der Aufenthalt, den die Spanier auf dem Bückmarsch in Cempoallan nahmen, zeigte noch deutlicher
ohnmächtig die Totonaken unter dem Schutz ihrer spanischen „Freunde“ bereits geworden waren und • . 5 Wle
infolgedessen Cortés ihnen gegenüber herausnehmen durfte. Die fast unterwürfige Bitte des ¿zik
nakische Mädchen, Töchter der vornehmsten Familien, als Geschenke für sich und seine Offiziere an \i ’ &C * toto'
wertete er mit der schroffen Aufforderung, die Totonaken sollten zuvor vor allem von ihrem Götzendp611’ ^eant'
und sich zum Christentum bekehren. Natürlich protestierten die Vornehmen und Priester zuerst gegen diese16^ iaSSen
liehe Zumutung, die nichts anderes als die Aufgabe ihrer ganzen alten Kultur von ihnen verlangte — mitTdenfgleUer'
daß Cortés jetzt das Zeichen zu einem Gewaltstreich gab, wie er von nun an typisch für das Vorgehen der S ’ f ° g’
höheren Ehre Gottes“ wurde. Eine Schar Spanier stürmte die Stufen der Hauptpyramide hinauf zerstörte den -p ^
pel, zertrümmerte die Idole und schmetterte sie die Stufen hinab. Dasselbe geschah wohl auch bei den d
Tempeln (B. Díaz spricht allerdings nur vom Haupttempel), während ein Versuch der totonakischen Kriege/Fei ^
Seligkeiten zu eröffnen, durch Gefangennahme des Kaziken, der Priester und Vornehmen sogleich im Keim e
wurde. Nachdem die Überreste der Idole fortgeschafft, das Sakrarium des Haupttempels in eine Kapelle der t^
Maria umgewandelt und vier der heidnischen Priester eilends in christliche umfrisiert und unter cUr Aufsicht• ^
spanischen Invaliden zur Pflege des Heiligtums bestellt waren, gab man den völlig verschüchterten Indianer
das pompöse Schauspiel einer christlichen Messe und kehrte dann wieder nach der neuen Kolonie Vera
„Von da an zeigten sie sich immer sehr gutwillig uns gegenüber,“ bemerkt naiv der biedere alte R V Z',r,uck-
Ereignisse als Augenzeuge sehr lebendig schildert.“ ^ 8lte R Diaz. der d,ese
Der große Zug ins Innere konnte nun, da man sich der Küstenbevölkerung vollkommen versichert und d.„. v
die Anlage der befestigten Kolonie eine genügende Rückendeckung geschaffen hatte un s" rch
werden. Die letzten Ereignisse, die sich vor diesem denkwürdigen Aufbruch in Veracr ~ g6, aum angetreten
uz abspielten, sind allgemein
bekannt; uns interessiert hier nur die Absendung Puertocarreros und Monte’ ----“
Überbringer des bisherigen Ertrages der Expedition an indianischen Kostb J1°S,naCh Spamen — sie waren die
denen sich neben den Geschenken Motecuhgomas auch sicher manche Erzeinmi« 'T i ^ Kuriositäten, i
Cempoallan) befanden, und der ersten ausführlichen Berichte über die be« L t atlantischen Völker (Tab
uesuenten Lander und Völker.
unter
asco,
2iB Diaz c. 45—48 (I p. 129—138). OömaraCrön. c. 34-37
( ' 36—39) Die beiden Berichte stimmen über die Quiauiztlan-
Episode in allem Wesentlichen überein.
s„ ist d6r Name von dem mehrere Lesarten vorliegen, nohtig
, der JNftm’ \ i u;st Chich. c. 82, p. 357/8 und
zu lesen, vgl. Ixthlxochitl Hist, emc r /
m , n 4- lorr bn Nordwesten von Cempo-
Tapia Bei. p. 566; der Ort lag 1
,, 1 1 ’ j:a nmzco v Berra (Hist. IV
allan nach der Karte Patinos, die O
p. 163 n. 2) zitiert. - Man wird bei der Beschreibung besonders
an die Lage von Xicochimalco undTeoixhuacan erinnert (s. u.).
26 Das muß man nach der Lage des Ortes eigentlich annehmen.
Doch lebten sie in bitterer Feindschaft mit den Totonaken
von Cempoallan, nicht nur, weil sie sich den Mexikanern ange-
schlossen hatten, sondern auch wegen alter Grenzstreitigkeite
B. Díaz c. 51 (I p. 143).
27B. Díaz c. 49—51 (I p. 139—144), Gomara Crón. c. 38 (p. 4
— Auch Tapia Bel. p. 566 sagt, daß Cortés Tigapancin£
züchtigte, ,,maguer ellos se pusieron en armas."
28B. Díaz c. 51, 52 (I p. 145—151). G omara bemerkt in sein
Crónica c. 43 (p. 45) nur kurz, Cortés sei vor seinem Aufbruc
ins Innere mit den Cempoallanern friedlich übereingekommei
daß sie ihre Idole und Kazikengräber zerstörten und de
wahren Gott und das Kreuz anbeteten.
29B. Díaz c. 53, 54 (I p. 152—457), Gomara Crón. c. 39, 4
(p. 40—43). Beide erwähnen, daß man auch vier Indiane
10
WALTER KRICKEBERG
Juan de Escalante, ein erfahrener Soldat und Cortés’ Vertrauter, wurde zum ersten Statthalter von Veracruz
ernannt und empfing in Cempoallan die Huldigungen der Indianer. Er blieb mit 150 Mann, die für die Strapazen
der Expedition untauglich waren, in der Kolonie zurück. Der Kazike von Cempoallan stellte Cortés einige Hundert
Lastträger zur Verfügung und mußte es auch zugeben, daß eine Reihe seiner Vornehmen den Zug als Geiseln be-
gleitete — seine Zuverlässigkeit schien also noch keineswegs über allem Zweifel erhaben —, wohingegen Cortés
nach einer interessanten Bemerkung Herreras einen zwölfjährigen Pagen zur Erlernung des Totonakischen in Cem-
poallan zurückließ.30
Der Zug ins Innere begann am 16. August, also schon mitten in der Regenzeit, und vollzog sich deshalb in der
Tierra caliente für die Spanier unter erheblichen Schwierigkeiten. Der erste Teil des Marsches, der hier allein in
Betracht kommt, bewegte sich im Hinterland der Küste am Euß des Abfalls der Sierra Madre in einer Richtung, die
deutlich das Bestreben der totonakischen Führer zeigt, möglichst alle von Azteken besetzten Zugangswege nach der
Küste zu vermeiden. Man kann diesen Teil des Marsches noch ganz gut auf modernen Karten verfolgen, während
nach dem Aufstieg auf das Hochland die Etappen bis fast nach Tlaxcala hin sehr unsicher werden. Das vielfach
falsche Bild, das ältere Kommentatoren unserer Hauptquellen vom Verlauf dieser Expedition entworfen haben, ist
erst durch neuere Forscher im wesentlichen berichtigt worden.31
Während der ersten drei Marschtage kamen die Spanier, wie Cortés und Gomara berichten, durch das Gebiet
der Herrschaft Cempoallan und fanden infolgedessen überall die beste Aufnahme. Xalapan, das heutige Jalapa,
wird unter den berührten Orten besonders genannt; es schon am ersten Marschtage von Cempoallan aus zu erreichen
(B. Díaz), war wegen der vorgeschrittenen Regenzeit eine Unmöglichkeit, wie schon Orozco y Berra hervorgehoben
hat. Am Abend des vierten Tages schlug das spanische Heer sein Lager bereits im Schatten des Cofre de Perote auf,
in dem festen Ort Xicochimalco (heute Jico), der an einer rauhen Berglehne Jag und nur auf einem steilen, treppen-
artigen Pfade zu erreichen war.32 Dies Bergnest beherrschte eine Reihe von Dörfern in der Ebene, war bereits Mote-
cuh^oma untertan und von dessen Beamten angewiesen worden, die Spanier nach jeder Richtung zu versorgen, ein
Entgegenkommen, das sie auch späterhin in den meisten Orten fanden, durch die der Marsch sie führte. Beim Weiter-
marsch mußte eine hohe Sierra auf einem schwierigen Paß (Puerto de Nombre de Dios) überschritten werden,
dann gelangte man beim Abstieg zu einigen Meiereien und Farmen, die zu einem festen Ort Teoixhuacan (heute
Ishuacan), gehörten.33
Bis zu diesem Punkt hatte sich die Expedition auf der atlantischen Abdachung des zentralen Hochlandes bewegt,
und die Marschrichtung war von Jalapa aus im wesentlichen nord-südlich geblieben. Jetzt gaben die totonakischen
Führer dem Heere eine westliche Richtung; der schwierige letzte Aufstieg zum Plateau von Tlaxcala begann. Da
die von Ishuacan direkt auf die Hochfläche führende Straße (über Quimistlan und Jalapazco), die von aztekischen
Garnisonen beherrscht wurde, deshalb ebensowenig in Betracht kam, wie der bequeme Weg um den Nordfuß des
Cofre de Perote, mußte die Expedition sich drei Tage lang (20 Leguas) unter den schwersten Strapazen durch ein
Despoblado hindurcharbeiten, das von dem großen Lavafeld westlich des Cofre de Perote gebildet wurde, eine abfluß-
lose, von Salinen erfüllte, von Steinlavinen bedrohte Wüstenei, über die von den Schneeregionen des Vulkans herab
eisige Winde fegten. Nach dem Überschreiten einer letzten Sierra, deren Paßhöhe eine kleine Tempelpyramide
krönte, bekam man endlich die ersten bewohnten Striche des Hochlandes von Tlaxcala zu Gesicht: ein langgestrecktes
Tal mit vielen Dörfern.34
die von den Cempoallanern ursprünglich zur Opferung be-
stimmt waren, mitsandte. — Aus den spanischen Listen der
indianischen Kuriositäten, deren ausführlichste bekanntlich
der Carta de Veracruz beigefügt ist, läßt sich natürlich
nicht entnehmen, ob etwa auch totonakische Gegenstände
darunter waren. Mit einiger Sicherheit kann die totonakische
Herkunft nur von den beiden darin namhaft gemachten Bilder-
schriften behauptet werden, wie im folgenden Abschnitt näher
ausgeführt ist.
30B. Diaz c. 58, 59 (I p. 165—168), Gomara Cron. c. 43 (p. 44 bis
46); der letztere nennt irrtümlich Pedro de Hircio als Statt-
halter von Veracruz. — B. Diaz zählt nur 200 totonakische
Lastträger und 50 Krieger, Gomara dagegen viermal so viel.
Totonakische Geiseln erwähnen (außer Gomara) auch Tapia
Bel. p. 571 und Cortes II. Carta p. 53. — Herrera Dec.
II 1. VI c. 2 (p. 136).
31 Quellen: Cortes II. Carta p. 57—59, Gomara Cron. c. 44
(p. 46/7), B. Diaz c. 61 (p. 172—176), Tapia Bel. p. 566 und
567, P. Martyr Dec. V с. 1 (p. 329—330). Gomara ist hier
ganz von Cortes abhängig, gibt aber die Ortsnamen korrekter
wieder. B. Diaz weicht mehrfach ab. —• Di® Autoren der
„Via,)e de Cortes“, die der Cortes-Ausgabe von Lorenzana vorge-
druckt ist, lassen die Expedition den Nordfuß des Cofre de
Perote (Naolinco—Paso del Obispo — Sierra de Agua) in der
Richtung auf Tlatlauhquitepec umgehen, trotzdem die noch
heute den Karten angehörenden Namen Xalapan, Xicochimalco
undTeoixhuacandeutlich die Südrichtung anzeigen. Prescott
in seiner „Geschichte der Eroberung Mexicos“ und Gayangos
in seiner Cortes-Ausgabe sind ihnen gefolgt, wogegen Orozco y
Berra (Historia IV p. 187—190), Maudslay in seiner neuen
Bernal Diaz-Ausgabe (I p. 215—217) u. a. für die südliche
Umgehung des Cofre de Perote eingetreten sind.
32Fewkes, der Jico viejo vor einigen Jahren zwecks archäo-
logischer Studien besuchte, hebt die Schwierigkeit des Zuganges
gleichfalls hervor; der Weg führt stellenweise durch steil ab-
fallende Barrancas und ist während der letzten halben Meile
für Pferde unpassierbar (Antiquities p, 246).
33B. Diaz c. 61 (I p. 172) nennt statt dessen Tejutla, was wohl
Teciuhtlan zu lesen ist — ein entschiedener Irrtum, da dieser
Ort nördlich vom Cofre de Perote auf dem Wege nach Nauhtla
liegt. Nach der von Durän Trat. I c. 72 (II p. 22) wieder-
gegebenen aztekischen Version befanden sich die Spanier in
einem Ort Chichiquüa, als Motecuhcjomas Gesandter Uitz-
nauatl Motelchiuh, der in den spanischen Quellen nirgends er-
wähnt wird, bei ihnen eintraf. Westlich von Ishuacan findet
sich noch heute eine Hacienda Chichiquüa (zwischen Huatusco
und Quimistlan).
34 Dieser Endpunkt der ersten großen Etappe des Marsches ist
nicht genau zu lokalisieren, da die Namen des Tals (Qacatimi,
Cacataxni, Caltanmi) und des Hauptortes (Qocotlan, Qacotlan,
DIE TOTONAKEN
11
Bei den folgenden Ereignissen, die schließlich in dem Bündnis der Spanier mit der Republik Tlaxcala ‘
spielten auch die totonakischen Vornehmen eine Rolle, insofern als sie eifrig auf dies Bündnis hin ^ e ^en’
wiederholt als Vermittler dienten, denn die Tlaxcalteken waren seit alters Freunde der Totonaken ^ UllC*
Seit der Gefangennahme der mexikanischen Tributeinnehmer in Quiauiztlan und der Expedition nach T*
pantzinco hören wir nichts mehr von Behelligungen der Totonaken durch die aztekischen Statthalter der tüdl' 1^'
Distrikte, obgleich Tentliltzin noch eine ganze Weile seinen Posten in Cuetlaxtlan innegehabt zu haben” i!0-16*1
Dagegen kam es bald zu einem folgenreichen Zusammenstoß zwischen dem spanischen Kommandanten von Ve° ^
Juan de Escalante, undCoatlpopoca,36 dem aztekischen Fronvogt der nördlichen Totonaken. der seinen Sitz^U2’
Küstenort Na uhtlan(Nauhtla) hatte. Der Anlaß zu diesem Konflikt, der für die Spanier unglücklich endete wh-dd”
den Quellen37 verschieden erzählt. Cortes und Gomara stellen es so dar, als habe Coatlpopoca unter dem Vo I m
sich den Spaniern unterwerfen zu wollen, falls er sicheres spanisches Geleit durch das feindliche totonakische C v”'
bis nach Veracruz erhalte, vier Spanier nach Nauhtlan gelockt und dort zwei ermorden lassen, während sich die 1 ' k”
anderen schwerverwundet durch die Berge nach Veracruz retten konnten. Weder Tapia noch B Díaz wissen ^
von einer solchen Tat. Nach B. Díaz, dessen Bericht am wahrscheinlichsten klingt, war eine der häufigen Ra^was
die der Gouverneur von Nauhtlan in den nördlichen Totonakenorten zur Eintreibung von Tribut und Lei cZzias>
veranstaltete, der Anlaß, daß diese sich an Escalante mit der Bitte um Schutz wandten. —Wie dem auch sein 6 ”
Escalante durfte die Gelegenheit, die vorläufig nur theoretische spanische Oberhoheit auch über die nördlichen
Totonaken durch Beseitigung des aztekischen Einflusses tatsächlich zu begründen, nicht ungenützt vorüber”
gehen lassen und entschloß sich, wiewohl das Unternehmen für seine Kräfte zu gewagt war, zu dem Zuge mit
einem kleinen Trupp von 40 — 50 Mann, der aus den wenigen, leidlich waffentüchtigen Kolonisten von Veracruz
gebildet wurde, und einem totonakischen Hilfsheer von 2000 (B. Díaz) oder 8—10 000 (Cortés, Gomara) Mann
Bei dem Zusammenstoß mit den Azteken ergriffen die Totonaken sogleich die Flucht, und die paar Spanier sähe!
sich einer gewaltigen Überzahl von Feinden gegenüber. Zwar gelang es ihnen schließlich, die Gegner zu werfen und
hinter ihnen her sogar in Nauhtlan einzudringen, doch war einer der Ihren in den Händen der Azteken vebP 1
und sieben, darunter Escalante selbst, so schwer verwundet, daß sie bald nach der Rückkehr in Veracruz st' 4 ^
Daß der Zug wirklich ein schwerwiegender Mißerfolg war und den Spaniern an der atlantischen Küste vorübe8 ^
starke Einbuße an Ansehen brachte, geht sowohl aus dem Verhalten der befreundeten Totonaken hervor ^dU ^
sässig wurden (alterados) und sich weigerten, weiterhin den Spaniern in Veracruz dienstbar zu sein als auch ^
Coatlpopocas, der triumphierend den Kopf des gefangenen Spaniers an Motecuhgoma sandte 38 * aUh (*om
Es war das erste militärische Mißgeschick, das Cortés auf mexikanischem Boden traf. Meisterhaft hat e>
verstanden, die schlimmen Folgen, die es haben konnte — auf die Haltung der Küstenvölker seinem Unterneh 1 ^
gegenüber kam alles an —, abzuwenden und zugleich erhebliches Kapital daraus zu schlagen. Nachdem er bereits
in Cholula durch Briefe von den Vorgängen unterrichtet worden war39, bezichtigte er kurz nach seinem Einzu^ §
Tenochtitlan Motecuh90ma offen der Mitschuld an Coatlpopocas Vorgehen und zwang ihn, als Gefangener inflas
Quartier der Spanier überzusiedeln. Coatlpopoca aber, den Motecuh^oma durch Boten nach Tenochtitlan hatte
zitieren müssen, wurde nebst einer Reihe von Mitschuldigen (Cortés spricht von seinem Sohn und 15 princi ale &
B. Díaz nur von 3 capitanes) vor den Augen seines Herrschers öffentlich auf dem Hauptplatz von México verbrannt’
nachdem das Verhör und wohl auch die Folter von ihnen ein Geständnis der Schuld Motecuh^omas erpreßt hatten’
Diese rasche Justiz verfehlte nicht ihren Eindruck auf die Totonaken; sie begannen den Ansiedlern von Veracr
wieder Dienste zu leisten. Den verwaisten Statthalterposten in der Kolonie übertrug Cortés nunmehr in der riel t'
Erkenntnis von der Wichtigkeit dieses Amtes einem seiner tüchtigsten Offiziere, Gonzalo de Sandoval^zuerst
Caclotan) zu verderbt sind. Am meisten hat wohl die Ansicht
Maudslays in seiner B. Díaz-Ausgabe (I p. 217) für sich,
der gocotlanmit dem modernen Zautla (= Tzauctlan,Tzacutlan)
identifiziert, denn dieser Ort liegt in der Tat nicht weit von
Iztacamaxtitlan und in demselben Tal (des Rio de Apulco) wie
dieses. Natürlich kann dann mit dem von B. Díaz c. 62 (I
p i77) genannten Ort Xala (jingo nicht das heutige Jalacingo
im Staat Veracruz gemeint sein, wie Bandelier (Tom- inMexico
p 33) angenommen hat. Vgl. Abschnitt III Kapitel 2.
35ß Díaz c. 61 (I p. 176), Cortés II. Carta p. 59, Gomara
Crónica c. 44, 54 (p- 4/, 58). .
36 von dem Namen dieses mexikanischen Statthalters existieren
mehrere Fassungen. Augenscheinlich ist Coatlpopoca rauchende,
Schlange“ die richtige Form; sie findet sich in den Anales de
Quauhtitlan (An. Mus. Nao. México II Apend.ee p. 83)
an einer Stelle, wo die verschiedenen mexikanischen Gouver.
nenre zur Zeit der Ankunft der Spanier aufgexahlt werden, bei
Tezozomoc c. HO (p 701) und Durán Trat. I c. 72 (II p. 23),
- also in der guten aztekischen Tradition. Auch Cortés, Go-
mara, P-Martyrund Tapia sagen Qualpopoca —Coa(t)lpopoca
Ixtlilxochitl Hist. Chich. c. 85, 86 (p- 378, 382) hat dagegen
Quauhpopocatzin. Ganz abweichend ist B. Díaz mit seiner
Form Quetzalpopoca (c. 95, I p. 310). Herrera, der sonst
B. Díaz folgt, hat wieder Couahtlpopoca (Dec. II 1. VIII c. 2,
I p. 202).
37Cortés II. Carta p. 87—91; Gomara Crónica c. 83, 87, 88
(p. 85/6, 89, 90); P. Martyr Dec. V c. 3 (p. 355—357); Tapia
Rel. p. 579, 583/4; B. Díaz c. 93—95 (I p. 300—310). —
Die aztekischen Berichte (Durán Trat. I c. 72, II p. 23/4;
kürzer Tezozomoc c. 110, p. 701) bringen diese Episode
merkwürdigerweise mit Cortés’ Zug von Cempoallan nach
México in Verbindung; Coatlpopoca führt die Expedition
verräterischerweise in eine wüste Felslandschaft, in der einige
Spanier umkommen, und wird daher von Cortés gefangen und
nach México mitgenommen.
i p. ouu/öui, 5U4). B. Diaz gibt offen den
Umfang der Katastrophe zu, während Cortes in seinem Brief
an den Kaiser die Einnahme und Niederbrennung von Nauhtlan
in den Vordergrund rückt und die spanischen Verluste ver-
schweigt.
39Cortes l.c. p. 87, Gomara 1. c. p. 90, Tapia Rel p.(570.
B. Diaz c. 93 (I p. 300) sagt dagegen, daß Cortes die Nachricht
erst in Tenochtitlan erhielt.
12
WA ATER KRICKEBERG
vorübergehend, Alonso de Grado, der sich aber nicht bewährte).40 Sandoval hatte nicht lange danach Gelegenheit,
sein Geschick zu beweisen, als Panfilo de Narvaez Anfang April 1520 mit einem Heer von etwa 1000 Mann41 den
Boden Neuspaniens betrat, um in Velásquez’ Auftrag Cortés’ eigenmächtigem Vorgehen ein Ende zu bereiten. Die
Einzelheiten dieser Episode,42 die durch Narvaez’ vollständigen Mißerfolg Cortés dauernd die Bahn zu selbständigem
Handeln freimachte, sind bekannt, so daß es hier genügt, nur die Ereignisse anzuführen, die auch die Küsten-
bevölkerung berührten und in Mitleidenschaft zogen.
Aus den Angaben B. Díaz’ und Tapias geht hervor, daß Motecuhgoma von dem Erscheinen der stattlichen
Flotte an der Veracruz-Küste viel eher Nachricht bekam, als Cortés selbst, und daß es ihm trotz seiner Gefangen-
schaft gelang, heimlich Verhandlungen mit Narvaez anzuknüpfen und ihm Lebensmittel für sein Heer und reiche
Geschenke zuführen zu lassen. Um nicht mit der Zeit Verdacht zu erwecken, mußte er schließlich doch Cortés davon
Mitteilung machen und tat es, indem er ihm den genauen bilderschriftlichen Bericht über die Neuangekommenen
vorlegte. Dieser geheime, aber rege Verkehr des entthronten Herrschers mit der Küste setzt voraus, daß zu jener
Zeit noch ihm ergebene Beamte, wahrscheinlich der aztekische Statthalter Tentliltzin selbst, in der Küstenprovinz
Cuetlaxtlan residierten. In der Tat traf Olmedo, der bald darauf als Cortés’ Unterhändler im gegnerischen Lager
erschien, den aztekischen Gouverneur der Küstengegenden in Narvaez’ Gefolge; es ist das letzte Mal, daß wir von
diesem hohen aztekischen Beamten, der eine der wichtigsten Provinzen des Reiches verwaltete, etwas hören.43
Wie Tentliltzin Narvaez über die Lage in México unterrichtete, so verrieten ihm drei Überläufer aus Cortés’ Heer
die Schwäche der Besatzung von Veracruz. Sandoval hatte auf die Kunde von Narvaez’ Ankunft einen Teil der
Besatzung, die alten und kranken Leute, sogleich nach einem befreundeten (totonakischen) Ort der Sierra, namens
Papalote, schaffen lassen; er nahm jetzt die drei Unterhändler des Gegners, die ihn zur Übergabe aufforderten,
kurzerhand gefangen und schickte sie nach México. Unbegreiflicher weise unterließ Narvaez jeden weiteren Schritt
gegen den wichtigen Platz, dessen er sich vor allem hätte bemächtigen müssen, so daß sich Sandoval mit seinen
Truppen unbehelligt in die Berge zurückziehen und später mit Cortés vereinigen konnte 44. Im übrigen begann Nar-
vaez nunmehr mit der Besitzergreifung des Landes Ernst zu machen; er marschierte mit seinem stattlichen Heer nach
Cempoallan und quartierte sich in demselben Tempelkomplex im Innern der Stadt ein, der ein Jahr zuvor Cortés
und die Seinen aufgenommen hatte. Die Totonaken durch Versprechungen und hochtrabende, gegen Cortés gerichtete
Proklamationen für sich zu gewinnen, war ihm natürlich ein Leichtes, obgleich er den dicken Kaziken ziemlich schlecht
behandelte und es zuließ, daß seine Soldaten die Stadt ausplünderten — sehr im Gegensatz zu Cortés, der gegen
solche Ausschreitungen seiner Soldaten immer mit Strenge vorgegangen war. 45
Cempoallan bleibt nun der weitere Schauplatz dieser denkwürdigen Episode; zunächst schier endloser Ver-
handlungen, die von Cortés mit diplomatischem Geschick geführt wurden, weniger zu dem Zweck, ein Überein-
kommen mit Narvaez zu erzielen, als vielmehr, um unter der Hand durch Versprechungen und Bestechungen Anhänger
im Lager des Gegners zu werben und für seinen eigenen Anmarsch Zeit zu gewinnen. Dieser vollzog sich während
des Monats Mai 1520; Cortés’ kleiner Trupp, durch Verstärkungen auf nicht viel über 250Mann anwachsend,46 durch-
querte den Süden des Hochtals von Tlaxcala und rückte über Orizaba, Huatusco und Cotastla von Süden
allmählich an Narvaez’ Stellungen heran.47 Dank der nahezu unverständlichen Sorglosigkeit des Gegners, der
sich nicht aus Cempoallan rührte, hielt nichts den Marsch auf; schon war der R:o de la Antigua über-
schritten, schon konnten totonakische Späher Narvaez berichten, daß Cortés nur noch eine Legua weit von
Cempoallan an dem Ufer eines Flüßchens (Rio Chachalacas) lagere — in Cempoallan ließ man sich in seiner Ruhe
40B. Díaz c. 96 (I p. 311—314).
41 Über 600 Spanier nach der Relación Aylions (p. 500), 800
Fußsoldaten und 80 Reiter nach Cortés’ IT. Carta p. 116,
1400 Mann, darunter 80 Reiter, nach B. Díaz c. 109 (I p. 354).
Sie kamen auf einer Flotte von 18 (19) Schiffen.
42Quellen: Cortés II. Carta p. 113—116; Gomara Crón.
c 95 102 (p. 97—104); Tapia Reí. p. 586—95. B. Díaz
c io9___124 (I p. 354—411) ist ein außerordentlich ausführ-
licher, durchaus selbständiger Bericht. Herrera Dec. II 1. X,
besonders c. 1—4, bietet manches Neue, vielleicht aus den uns
nicht erhaltenen Memoriales des Alonso de AI ata (eines
von Narvaez’ Begleitern), die wiederholt erwähnt werden. Dazu
kommen noch die Relación Aylions (ed. Gayangos p. 39
sqq.), als Quelle für die Fahrt der Narvaez-Expedition, und
endlich die. Aussagen im Proceso de Residencia de Cortés,
die ich nach den Auszügen bei Orozco y Berra, Historia IV
p. 352—403, benutze.
43B. Díaz c. 110 (I. p. 357/8), Tapia Bei. p. 586, Cortés
II. Carta p. 120/1 (Olmedos Mission). Nach Gomara Crón.
c- 101 (p. 102/3) wäre der Anschluß des aztekischen Gouver-
neurs an Narvaez erst später erfolgt.
41 Cortés II. Carta p. 115/6, 119; Gomara Crón. c. 96, 97
(P- 98, 99), Tapia Reí. p. 587, B. Díaz c. 111, 115 (I
p. 359—361, 373—376).
45Cortes II. Carta p. 119, Gömara Crön. c. 97 (p. 99), B. Diaz
c. 114 (I p. 368/9).
46 B. Diaz c. 118 (I p. 383), Gömara Crön. c. 101 (p. 102);
Orozco y Berra Historia IV p. 390 n. 2 rechnet 316 zu-
sammen.
47 Die Kenntnis dieser Marschroute beruht in der Hauptsache
auf den Angaben der Teilnehmer am Proceso de Residencia
(Orozco y Berra Historia IV p. 386/7). B. Diaz, der den
Marsch gleichfalls mitmachte, nennt außer Cholula nur noch
die beiden etwas rätselhaften Ortsnamen Tampanyquita
(Panganequyta) und Mitlanguita; letzteren liest Orozco y
Berra (1. c. p. 387 n. 3) sicher ebenso richtig wie das ,,Me-
tlangutla“ der Karte Patinos Mictlanquauhtla, eine in den
alten Quellen öfter erwähnte, nahe der Veracruz-Küste ge-
legene Stadt (heute Martin Garabato bei Aledellin. Del Paso y
Troncoso Catälogo II p- 331 n.), während seine Identifizierung
von Tampanyquita mit Tepazacualco willkürlich ist. Ich
möchte in Tampanyquita eine verderbte Form des Orts-
namens Tlapanicxitlan erblicken, der in der Tributliste neben
Mictlanquauhtla in der Gruppe Cuetlaxtlan genannt wird.
Herrera Dec. II 1. X c. 1 (p- 252) läßt die Expedition über
Cotastla nach „Tapaniqueta“ geringen; hier erscheinen zwei
(totonakische) Kaziken vor Cortes, die sich bitter über Narvaez
beklagen.
DIE TOTONAKEN
13
nicht stören und blieb bis auf einen Rekognoszierungszug, den die durch das Wohlleben in der noch '
und anmutigen Stadt verwöhnten Soldaten bald genug resultatlos abbrachen, vollkommen untätig j^mer leic-Ilen
regnerischen Nacht des 29. Mai verkündigte der Alarmruf eines Wachtpostens, den Narvaez am Chachal UnkIen’
gestellt hatte, und der Cortés’ Soldaten den Fluß hatte überschreiten sehen, den Anmarsch des Geg a°aS aid'
gelang es Cortés noch rechtzeitig durch lautlosen Einzug die Stadt völlig zu überrumpeln. Es kam zu einem8 ’ der,nocíl
Kampf auf dem großen Tempelplatz, dessen drei oder vier Stüfenpyramiden Narvaez’ Heer besetzt hielt Die , < rt< n
Pyramide, auf der sich Narvaez selbst mit einer ganzen Anzahl Begleiter (darunter auch der Kazike von C 6 aUpt'
Verschanzt hatte, wurde von Sandoval erstürmt, nachdem ein gewisser Pizarro die am Fuß der Treppe
Geschütze genommen hatte und das Strohdach des Sakrariums über den Verteidigern angezündet war • hierb ‘ ^
ihm Narvaez als Gefangener in die Hände. Am längsten dauerte der Kampf um eine Pyramide, die zwei vor^N 61 ^
Offizieren, Diego Velásquez und Salvatierra, verteidigten. Sie ergaben sich erst, als man begonnen hatte^T2
Bau mit den eroberten Geschützen zu beschließen. Nach einstündigem Gefecht war Narvaez’ ganzes mehr al^d ^
fach überlegenes Heer von der kleinen Schar des Gegners überwältigt und entwaffnet; und dabei hatte Co ^
mehr als zwei Mann eingebüßt.48 eS n*c^
Wie rasch sich das besiegte Heer mit seiner Niederlage abfand und überreden ließ, unter Cortés’ Oberl
treten, und wie jäh dann allen, auf die Länder der atlantischen Küste gerichteten Kolonisationsplänen dk^C ^
mit seiner erheblich verstärkten Truppe nunmehr auszuführen beschloß, durch die Hiobspost von dem A 1^
in, México ein Ende gemacht wurde, darauf braucht hier nicht näher eingegangen zu werden. Werfen wir noch
kurzen Blick auf das Schicksal der Eingeborenen. Für sie waren die Folgen der Narvaez-Expedition die denkbm
schlimmsten. Im Gefolge der Spanier hielten zum erstenmal die Pocken ihren Einzug in das Land. Ein Neuer ^
Narvaez’ Heer hatte sie mitgebracht und die Einwohner von Cempoallan angesteckt. Von hier aus verbreitete ’ T
die furchtbare Seuche mit unheimlicher Schnelligkeit über die ganze Umgebung und noch weiter, hinauf auf d°
Hochland, wo ihr indennächsten, kriegerisch bewegten Jahren viel mehr Menschen zum Opfer fielen, als dem S 1 V/ ^
Das südliche Totonacapan, der Herd der Krankheit, litt natürlich am schwersten. Die Chronisten erzählen^ &
wie in dieser damals reichbevölkerten Provinz die meisten Häuser ganz ausstarben und viele Orte um die HOf^
Einwohnerzahl vermindert wurden.49 So erklärt sich auch, warum gerade im südlichen Totonacapan so viele d ° ^^
Zeit der Eroberung oft genannte Orte schon am Ende des 16. Jahrhunderts spurlos verschwunde ’m erersten
Quiauiztlan, T^apantzinco u. a. Mit Cempoallan, der blühenden Hauptstadt dieses Distrikts m warerb wie
reißend bergab. Schon nach dem Sieg über Narvaez hatte Cortés eingesehen, daß er in der fast zm t" gleicllfalls
(„estaba casi destruida“) eine größere Anzahl Spanier nicht mehr zurücklassen konnte — so sehr waren^e*!!?9^
durch die Soldaten seines Gegners ausgeplündert und zerstört und die Einwohner durch die Seuche dezimiert
Noch einmal, um die Jahreswende 1521/22, wurde Cempoallan der Schauplatz wichtiger Begebenheiten nämlichd
Verhandlungen, die zwischen dem zum Statthalter Neuspaniens ernannten Veedor Cristóbal de Tapia und C ^
Offizieren gepflogen wurden; sie endeten mit dem Verzicht Tapias auf seinen Posten. Als Cortés 1526 ^ 01^es
großen Expedition nach Honduras zurückkehrte, berührte er wieder Cempoallan; er fand herzliche Aufnah1 heiner
gute Verpflegung, aber der Ort war nun schon größtenteils verödet (despoblado lo mas). Dennoch wird er noch6
„una poblason grandísima“ genannt. 1580 spricht der Alcalde mayor Patiño nur noch von 30 bewohnten H" * ^
’Diese wurden in den nächsten zwanzig Jahren größtenteils verlassen, bis schließlich die letzten zwei oder drei
um das Jahr 1600 unter dem Vizekönig Conde de Monterey nach Jalapa übersiedelten.59 Damit versank ,ami.n
vielgepriesene Stadt vollkommen in Vergessenheit, so daß man nicht einmal mehr ihre genaue Lage ka ^ 10 °lnst
Ruinen im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts wieder entdeckt wurden. ^ ^ nnte, bis die
Das nördliche Totonacapan scheinen die Spanier nach dem Zug Escalantes längere Zeit hindurcl •
betreten zu haben. Augenscheinlich hatten sich diese Totonaken, die, anders als ihre südlichen BrüiL 1 h¿
unter aztekischer Oberhoheit lebten, an der allgemeinen Erhebung gegen die Spanier nach deren Vert ^1 SC '°n langG
Hauptstadt beteiligt oder standen wenigstens in dem dringenden Verdacht, es getan zu haben- ¿L aUS der
1521, während der Belagerung Méxicos, als an dem endgültigen Siege der Spanier schon nicht April
kamen nach Tetzcoco, in Cortés’ Hauptquartier, Gesandte der Provinzen Tuzapan, Mezcaltzinco un ^N 1 7^’
48 Der nächtliche Kampf: Cortés^ II. Carta p. 124, Gomara 50Cortés II Carta n 12^ _ r
Cr6n- :■ «i*- ÄÄ"G6mara
Cron. c. 101 (p. 103), Tapia Hel. p. 590/1, B. Diaz c. 122
(p 400__405), Herrera Dec. II 1. X c. 3, 4 (p. 255—257).
Am anschaulichsten ist die Erstürmung der Hauptpyramide von
Herrera (c. 3) geschildert; man bekommt hier eine gute Vor-
stellung von dem terrassenförmigen Aufbau des Hauptplatzes
von Cempoallan. Im Lienzo de Tlaxcala ist die Narvaez-
Episode auf Blatt 12 und 13 dargestellt; 12 (Überschriftic
yaque atempan quilpito albaez „sie zogen am Ufer des Meeres
entlang und fingen Narvaez“) zeigt Cortes’ Anmarsch, 13 (Über-
schrift Yitzilapan = der heutige Rio de Actopan) die Er-
stürmung der Hauptpyramide von Cempoallan.
49Motolinia Mem. 1. I c. 2 (p- i8)’ Mendieta 1. IV c. 36
(p. 514) und Gömara Crom c. 102 (p. 104). B. Diaz c. 124
(I p. 409).
_____ iou Vxx p. i4ö/7). — Gomara
Crón. c. 177 (p. 193); die anderen Quellen erwähnen diesen
Aufenthalt nicht. — Grijalva, Crónica déla Orden de N. P.
S. Augustin c. 30 (p. 50). — Relación de Patiño und Tor-
quemada 1. IV c. 19 bei Orozco y Berra Hist. IV p. 153 n.
Die zur Zeit des Vizekönigs Martin Enriquez (1568—1580)
abgefaßte Relación del Obispado de Tlaxcala (ed.
García Pimentei 1904, p. 12) spricht von nur 12 indianischen
Tributarios in Cempoallan! Nach Del Paso y Tronco so
(Catálogo de la Sección de México, Exposic. de Madrid 1892,
II p. 313) war auch die Errichtung einer Zuckermühle in der
Nähe von Cempoallan durch den Contador Rodrigo de Albornoz,
den Encomendero der Stadt (B. Díaz c. 196, II p. 398), mit
daran schuld, daß die Stadt verödete.
14
WALTER KRICKEBERG
die Geschenke über brach ten, ihre Unterwerfung anzeigten und dabei eifrig beteuerten, sie hätten sich nie ,,gegen
Se. Majestät erhoben“ und der Ermordung von Spaniern schuldig gemacht. Nach Ixtlilxochitl wäre diese freiwillige
Unterwerfung dem Einfluß des spanisch gesinnten tetzcokanischen Prinzen Ixtlilxochitl zu danken gewesen.51
Bei der Rückkehr von seiner Expedition nach dem Pánuco hat sich dann später Cortés einige Zeit in Tuzapan auf-
gehalten.
Auch in den Küstenländern südlich von der Provinz Cempoallan war es seiner Zeit zu Erhebungen gegen die
Spanier gekommen. Denn diese Länder, die Provinzen Quauhtoch co (Huatusco), Auil^apan (Orizaba), Tlatlalte-
telc o 52 usw. bis zum Papaloapanhin waren gleichfalls alter aztekischer Besitz, und ihre ursprünglichen Bewohner hatten
sich vollkommen (auch sprachlich) den Azteken angeglichen; ein Wink von México genügte, um sie gegen die Ein-
dringlinge mobil zu machen. Nach der Eroberung der Hauptstadt war es daher einer der ersten Schritte, den Cortés
unternahm, daß er Gonzalo de Sandoval mit 200 Fußsoldaten und 35 Reitern zur Unterwerfung der genannten
Provinzen absandte. Sandovals Hauptziel war allerdings die aztekische Garnison in Tuxtepec (am Papaloapan),
weshalb der Abschluß dieser Expedition hier nicht näher zu behandeln ist;'doch spielte sich der erste Teil, über den
wir einen leider nur sehr oberflächlichen Bericht in Cortés’ 3. Brief besitzen, in den genannten Provinzen ab. Wider
Erwarten gelang die Unterwerfung ohne jeden Schwertstreich. Sandoval, der Anfang November 1521 von México
aufgebrochen war, konnte schon drei Wochen später Cortés melden, daß die Bewohner der Provinz „Guatuxco“
(Quauhtochco) trotz ihrer Kriegserfahrung und trotz der guten Verteidigungsmittel, die ihnen im Ernstfall die zahl-
reichen Burgen (fuerzas) ihres Landes geboten hätten, auf jeden Widerstand verzichteten und sich freiwillig unter-
würfen. Dieselbe Bereitwilligkeit fand er in den folgenden beiden Wochen auch in den übrigen Provinzen im Süden
und Südosten von Quauhtochco. Namen werden nicht genannt, doch hat die Expedition wohl sicher Orte wie Orizaba
und Cotastla berührt; jedenfalls stand sie in der Gegend von Tlatlaltetelco, bereit, nach Tuxtepec abzumarschieren,
als (Anfang Dezember) die Kunde von der Ankunft des Veedors Cristóbal de Tapia, der die Statthalterschaft
Neuspaniens übernehmen sollte, den Ereignissen ein andere Richtung gab. Sandoval mußte eine Fortsetzung seines
Zuges vorerst aufschieben, um als einer von Cortés’ Bevollmächtigten die Verhandlungen mit Tapia in Veracruz
und Cempoallan zu führen und den Veedor, der eine zeitlang ein ebenso gefährlicher Nebenbuhler des Eroberers zu
sein schien, wie einst Narvaez, zum Verlassen des Landes zu zwingen (Januar 1522).53 Rasches Handeln war hier
in der Tat vonnöten gewesen, sollte nicht der ganze große Erfolg der Eroberung Tenochtitlans in Frage gestellt werden;
denn schon waren die Indianer der ehemals aztekischen Küstenprovinzen in heimliche Verhandlungen mit den
Mexikanern getreten, um für den Fall, daß sich Ereignisse wie bei Narvaez’ Ankunft wiederholen sollten, eine all-
gemeine Erhebung gegen die Spanier zu verabreden.
Im Zusammenhang mit der Ankunft Tapias scheint die Gründung einer neuen spanischen Kolonie in den soeben
unterworfenen Gebieten, der man den Namen von Cortés’ Geburtsort Medellin beilegte, zu stehen. Cortés und
B. Díaz bemerken zwar, daß der Plan dazu schon seit längerer Zeit in Erwägung gezogen worden sei, doch zeigen
die Aussagen der Beteiligten im Proceso de Residencia gegen Cortés und die Angaben Herreras, daß die Ankunft
Tapias, aus welchen Gründen ist nicht völlig klar, die Anlage des Ortes beschleunigte. Nicht Sandoval selbst, der zu
dieser Zeit gerade in Veracruz mit Tapia verhandelte, vollzog sie, sondern einer seiner in Tlatlaltetelco zurückgebliebenen
Offiziere (nach Herrera Andrés de Tapia, nach der Residencia Andrés de Monjaraz). Noch in demselben Jahr
wurde die ziemlich weit landeinwärts (20 Leguas von S. Juan de Ulúa) gegründete Stadt näher an die Küste verlegt.
Das geschah, als Cortés im Anschluß an seine große Expedition nach dem Pánuco eine Visitationsreise durch Totona-
capan südwärts bis in die Gegend von Veracruz unternahm. Er erkannte damals schon, daß der älteste spanische
Hafen an der atlantischen Küste, das bei Quiauiztlan angelegte Veracruz, auf die Dauer dem gesteigerten Verkehr
nicht mehr würde genügen können, und siedelte die Bewohner von Medellin 2 Leguas von dem Hafen S. Juan de
Ulúa an, in der Nähe eines Estero, dessen Abfluß in den Rio de Jamapa und mit diesem ins Meer mündete und für
Barken und Bergantinen schiffbar war, während die großen Schiffe im Rio de Jamapa ankern konnten.54
51 Cortés III. Carta p. 192, B. Díaz c. 141 (II p. 18), Ixtlil-
xochitl Hist. Chich. c. 92 (p. 423).
52 „Ort der Mogotes (Erdpyramiden)“, von tlaltelli. Der Name
erscheint gewöhnlich in verderbter lorm, als Tatactetelco,
Tatalptetelco, Tatalteco. Der Ort lag augenscheinlich am
Oberlauf des Rio Blanco, und die Provinz umfaßte wohl das
Gebiet zwischen der Provinz Orizaba einerseits und Cotastla
andererseits.
53Cortés III. Carta p. 260, 261, 265/6. Auf ihn gehen die kür-
zeren Berichte bei Gomara Crón. c. 148 (p. 154) u. 151 (p. 15g)
und Herrera Dec. III 1. III c. 11 (p. 96) und c. 16 (p. p)4)
zurück. Herrera begeht den Fehler, daß er die Expedition
Sandovals ein Jahr später ansetzt und Sandoval vom Coatza-
coalco zu den Verhandlungen mit Tapia aufbrechen läßt;
Sandoval war, als Tapia landete, wohl zweifellos noch nicht
einmal bis Tuxtepec gekommen. — B. Díaz berichtet, obwohl
er selbst an dem ganzen Zuge Sandovals teilnahm (c. 157,
II p. 144), merkwürdigerweise nichts von dem ganzen ersten
Abschnitt bis zur Ankunft Tapias (c. 157, II p. 143; c. 158,
II p. 146); nur die Angabe, daß ihm Sandoval die Orte Orizaba,
Matlatan (heute Maltrata) und Ocjotequipa als Encomienden
angeboten habe (c. 160, II p. 167), deutet auf die Unterwerfung
dieser Gegenden hin. — Für die Tapia-Episode, die hier natür-
lich nur gestreift zu werden braucht, sind die Aussagen im
Proceso de Residencia de Cortes unsere wertvollste Quelle
(s. bei Orozco y Berra Historia IV p. 668—674); cf. auch
Herrera Dec. III 1. III c. 16.
‘Cortes IV. Carta p. 312/3, Gömara Crön. c. 163 (p. 167). —
B. Diaz c. 160 (II p. 167) und Herrera Dec. IH 1. III c. 16
(p. 104) stellen es so dar, als sei Medellin schon von Anfang an
an der Küste nahe S. Juan de Ulüa gegründet worden. Aber
Cortes sagt ausdrücklich ,,.....hice que la villa de Medellin,
que estaba veinte leguas la tierra adentro, en la pro-
vincia de Tatalptetelco, se pasase alli......Prescott
(Geschichte der Eroberung II P- ^44) bezieht diese deutlich
von der Verlegung Medellins handelnde Stelle auf die Ver-
DIE TOTONAKEN
15
Mit der Verlegung Medellins in die Nähe von S. Juan de Ulúa bewies Cortés daß er schon d
Entwicklung dieses Haupthafens an der atlantischen Küste Méxicos voraussah Die' erste Anla ^ ^ kÜnfti^e
an der Punta Bemal (nahe Quiauiztlan) war so unzulänglich, daß sie schon 1524 oder 1525 auf^ Veracruz
zweites Veracruz, „das alte“, erhob sich nunmehr an der Mündung des Flusses, der einst die f"d ^ Wmde; ein
nakischen Gebietes bildete und der heute noch „Rio de la Antigua“ heißt. Neu-Veracruz endlichdes toto~
Hafenplatz, wurde erst im Jahr 1600 durch den Vizekönig Conde de Monterey auf dem Gestade see^-,eUtlge große
S. Juan de Ulúa gegründet; man kehrte also zu der Stelle zurück, die achtzig Jahre zuvor den Fr1!! ^ í*Insel
und seine kleine Schar zum ersten Mal längere Zeit auf festem Boden, wenn auch nur in primitiven 7^' u!X1COs
beherbergt, und auf welcher der Plan zur Gründung der,, Reichen Stadt des wahren Kreuzes“ 7UPr«+ t 7°7lutten’
genommen hatte. 55 " st leste * °rm an-
In dem auf die Eroberung folgenden Jahrhundert machte sich, wie wir es schon im Falle Cemn 11
haben, in ganz Totonacapan ein starker Rückgang der Bevölkerung bemerkbar, der aber nach Bandeli anS ge'Seken
einer eigentlichen Verminderung der Volkszahl, als vielmehr in Umsiedelungen und Wohnsitzändem Wemger in
Erklärung findet. So besaß Jalapa um 1570, als in sämtlichen spanischen Kolonien auf Geheiß Phir™1^11 SGme
statistische Erhebungen veranstaltet wurden, von denen zahlreiche wertvolle, größtenteils noch un große
„Relaciones“ zeugen, nur noch 900 indianische Familien, Misantla 600, Papantla und Tuzapan zusa^ entllr°hte
Heute zählt man in den Kantonen Jalapa, Misantla, Papantla und Tuxpan 32 000 Totonaken, zu dem^^150’56
3900 mexikanisch redende Indianer kommen,57 Im großen und ganzen ist also die Volkszahl von Totonaca^1100 7 ^
alter der Kolonisation nicht so furchtbar gesunken, wie in allen anderen Teilen der Golfküste. Das hat veríTlU
Gründe. Erstens haben die Totonaken niemals, wie etwa die Huaxteken und Chontal, versucht, in längererib/V ^
Aufständen das spanische Joch wieder abzuschütteln. Zweitens fehlten äußere Feinde: die Boucanier und Flib*
haben zwar am 17. Mai 1683 unter Van Horn, Grammont und Laurent de Graaf Veracruz eingenommen
sonstigen Raubzüge und Brandschatzungen aber mehr auf den Papaloapan und Coatzacoalco, auf Ahuakdco 1 ^
Tabasco ausgedehnt, Gebiete, die infolgedessen im 17. Jahrhundert fast ganz verödeten. Die wilden chichin k’° 7
Stämme aber, die gegen Ende des 16. und im ganzen 17. Jahrhundert die Provinz Pánuco unsicher ma i 0 ilsc en
nicht bis an die Grenzen des totonakischen Gebietes vorgedrungen. C lten’ Slnd
Werfen wir noch einen kurzen Blick auf die Mission. Als 1524 die ersten zwölf Franziskaner A j sf
Führung des Fr. Martin de Valencia in México erschienen waren, wurde die totonakische Sierra von ZacaR^ ] •
Meer und das Gebiet von Jalapa dem Missionsbezirk Tlaxcala zugeteilt. Dies blieb der Bereich der FraT ZUm
mission, während das Gebiet von Huauchinango einerseits, von Cempoallan andrerseits seit 1540 den Au aner'
unterstand. 1528 begann der Franziskanermönch Andrés de Olmos von Veitlalpan (Distr. Zacatlan) 7s7
kehrungswerk in der Sierra alta von Tuzapan; es war sehr bald von Erfolg gekrönt, da der spanische Eneo
von Tlatlauhquitepec und Veitlalpan, der selber zum Franziskanerorden übertrat, die Mission auf das eifri gtmenClero
stützte. Fr. Alonso Dávila setzte Olmos’Werk fort;beide sind, wenn man von Cortés’jungem Pagen abs^hA^1^'
die ersten gründlichen Kenner des Totonakischen gewesen, für das Olmos eine Grammatik und ein Vokabular s b •
Die Augustinerpatres standen an Bekehrungseifer nicht zurück. 1540 wurde von Fr. Juan Estacio eireSOA ^
niederlassung in Cempoallan gegründet, deren Prior Nicolas de Agreda wurde. Ein zweites AugustimTkl
Huauchinango, 1543 gegründet, bildete den Ausgangspunkt der Missionstätigkeit Fr. Juan Baptista ^ ^
der die ganze Sierra baja von Totonacapan, deren Sprache er erlernte, bis zu seinem 1567 erfolgten Tode d C °^^ ’
tum gewann.60 em Hsten,-
legung von Veracruz an den Rio de la Antigua, die erst etwas
später erfolgte. Über die Lage des zweiten Medellin cf. Del
Paso y Troncoso Catálogo II p. 331 n.
5SHumboldt Essai politique II p. 209—214, Orozco y Berra
Hist. IV p. 149 n. 3; cf. auch Herrera Descr. c. 9 (p. 18—19).
66Bandelier, Tour in Mexico p. 11/2. ,,Such changes of location
in consequence of violent disturbances are natural to the
Indian character.“ Relación de toda la Provincia de
Santo Evangelio ed. Icazbalceta, Nueva Col. Doc. II. p. 30.
In der Bei. del Obisp. de Tlaxcala ed. García Pimentei
1904 p 3____12, sind die Einwohnerzahlen zahlreicher Toto-
nakenorte nach’den Visitotionsberichten des Vizekönigs Martin
Enriques (1668-80) angeführt; sie ergeben insgesamt 22 000
Indianer. - Leider sind drei wichtige Relaciones des aus-
gehenden 16. Jahrhunderts über das südliche und nördliche
Totonacapan noch nicht veröffentlicht: 1. Informe del alcalde
mayor Alvaro Patiño (1580) über Veracruz und das südliche
Totonacapan (mit Cempoallan); 2. Informe del corregidor Juan
López de Arteaga (1579) über Misantla, 3. Informe del
alcalde mayor Juan de Carrion (1581) über Papantla. All:
drei sind als Manuskripte (der Sammlung Icazbalcetas
von Orozco y Berra benutzt worden; vgl. dessen „Geografit
de las lenguas“ p. 204, n. 1—3. In gleicher Weise bedaure icl
auch, daß mir die wichtige „Historia antigua y moderna di
Jalapa y de las revoluciones del estado de Veracruz“ vor
Rivera (5 vol., México 1869—71) nicht zugänglich war.
57 Baker, Aboriginal Indian Races of Veracruz (1887), p. 568, 569
58Arc henhoitz, Geschichte der Flibustier (Tübingen 1803;
p. 175-—201. Burney, History of the Buccaneers (London
1816) p. 126—128.
69Mendieta 1. Ill c. 29 (p. 248), V c. 33, 34 (p. 645/6), c. 35
(p. 651), c. 45 (p. 675/6) und c. 56 (p. 716, 717); Bel. del
Obisp. de Tlaxcala p. 3, 7, 12.
60 Grijalva, Crónica de la Orden de N. P. S. Augustin (1624)
Edad I c. 30 (p. 50), 36 (p. 60/60v.); Edad III c. 15 (p. 128v./129)
18 (p. 133 v.). Descr. de Guauchinango in Col. Doc.
Inéd. IX (1868) p. 125/6, 127/8.
II. Abschnitt.
Ethnographie der Totonaken.
1. Einteilung und Verbreitung.
Der Bericht Sahagüns über die Totonaken in seinem ethnographischen Kapitel (1. X c. 29 § 7) beginnt mit
den Worten:
(Überschrift:) Totonaque. in ça ce totonac.
,,Die Totonaken. Der einzelne (heißt) Totonac.“
ln totonaque. nipan onoque mictlampa tlanacazco ; achi tlapcopa.
,,Die Totonaken wohnen von uns aus an der Nordecke, ein wenig nach Osten zu.“
Eine Etymologie des Namens hat der aztekische Gewährsmann des Paters ebenso wenig versucht, wie bei dem
Namen Cuexteca, und es ist auch in beiden Fällen schwierig, eine befriedigende Erklärung zu geben. Man könnte
zunächst an eine Ableitung aus dem Totonakischen denken. Francisco Dominguez hat in seiner Doctrina Cristiana
in der Tat eine solche angegeben; ,,Totonaco, dice a la letra très corazones en un sentido, y très panales en el
otro.“ In seinem kleinen Wörterverzeichnis finden wir denn auch toto „drei“, naco in dem Dialekt der Sierra alta (von
Papantla) „Herz“ und in dem der Sierra baja (von Naolingo) „Honigwabe“ (panai).1 Es ist nicht leicht, sich vor-
zustellen, wie ein derartiger Völkername entstanden sein soll; er müßte sich doch auf eine besonders hervorstechende
Eigentümlichkeit des Volkes beziehen. Bei „drei Herzen“ wird man noch wenigstens an jenen Bericht Mendietas
erinnert, nach dem die Totonaken alle drei Jahre drei Kinder regulär, d. h. durch Herausfeißen der Herzen, opferten
und ihr Blut mit einer Teigmasse vermischt aßen. Doch macht diese Deutung einen so gewaltsamen und unwahr-
scheinlichen Eindruck, daß man sie wohl ohne Bedenken wird fallen lassen können. Eine anderweitige Ableitung
aus dem Totonakischen ist bei dem vorliegenden dürftigen Sprachmaterial, das auch leider ausschließlich auf moderne
Aufnahmen (zweite Hälfte des 18. und 19. Jahrhunderts) zurückgeht, nicht möglich. Eine der ältesten totonakischen
Grammatiken, die von Fr. Francisco Toral, führte den Titel „Arte y Vocabulario de la Lengua Totolaca 6 Toto-
nac a.“2 Auch mit der Nebenform Totolaca kommen wir nicht weiter; laca-tzin bedeutet im Dialekt der Sierra alta
„Herz“, entspricht also naco im Dialekt der Sierra baja. Mehr hat eine Ableitung des Namens aus dem Aztekischen
für sich. Von dem Verbalthema tona „es ist heiß, es scheint die Sonne“ kommt eine adjektivische Ableitung tlatona-c
vor: vgl. Citlal-la-tona-c „Sternensonne.“ Ebenso wäre auch totona-c, als Intensivum, denkbar. Daß die Totonaken,
als Bewohner des tropischen Küstenlandes, den Namen „die Heißen, die aus dem heißen Lande“ erhielten, ist
verständlich.
Die Totonaken sind ein Volk mit isolierter Sprache. Man hat sie abwechselnd bald an die Maya, bald an die
Naua angeschlossen, ohne daß eigentlich jemals das Sprachmaterial einer gründlichen Prüfung und Durcharbeitung
unterzogen worden wäre. Es ist freilich auch nicht viel da. Wir kennen zwar die Titel von sieben oder acht alten
Grammatiken und Katechismen, unter deren Verfassern auch der glänzende und vielversprechende Name eines Olmos
vertreten ist, aber sie selbst sind meist verschollen, oder wenigstens in den größeren Bibliotheken nicht vorhanden.
So bleiben die ziemlich dürftige, ungeschickte Grammatik des JoséZambrano Bonilla und der bereits erwähnte kleine
Catecismo des Francisco Dominguez übrig, auf denen denn auch alle bisherigen Untersuchungen der Sprache gefußt
haben. Der Verfasser hat durch die Güte seines verehrten Lehrers, Geheimrat Eduard Selers. neues wertvolles, bisher
unediertes Sprachmaterial erhalten, das auf die Aufzeichnungen eines des Totonakischen mächtigen Spaniers, der
in Papantla ansässig ist, zurückgeht, und das teilweise bereits in den folgenden Kapiteln verwertet worden ist.
Die Mexikaner betrachteten die Totonaken als stamm- und kulturfremdes Volk; wenn sie auch in
einigen Ursprungssagen neben den übrigen Stämmen als Einwanderer genannt sind, so bleiben sie doch für die all-
gemeine mexikanische Anschauung Nonoualca und Popoloca, d. h. sie werden gleich den Olmcca der Masse der chichi-
mckischen Völker, zu der vor allem die Naua selbst sich rechneten, als „Fremdsprachler“ und ,,Barbaren“ gegen-
übergestellt. So spricht Durän an einer Stelle (Trat. Ic. 36,Ip. 281) von ,,los nonoalcas, cempualtecas y quiauiztecas,
Fi. Domínguez, Catecismo de la Doctrina Cristiana puesto
, en el Idioma Totonaco. Puebla 1837, p. 37.
Beristain y Sousa, Biblioteca Hispano-Americana Septen-
trional, Tomo III p. 182. — Die älteren spanischen Geschichts-
schreiber haben bisweilen auch eine kürzere Form „Totones“
neben Totonacas: Las Casas Apolog. Hist. c. 175 (bei Kings-
borough VIII p. 213 sq.) und Interrogatorio de Cortes no.
93 (bei Orozco y Berra, Historia IV p. 158 n. 1).
DIE TOTONAKEN
17
dos provincias que residen junto á la costa,“ wobei Nonoalcas auf die beiden folgenden Worte zu beziehen i
oahagun sagt in dem eingangs erwähnten Kapitel von den Totonaken: Und
centlamantli in intlatol popoloca. tel cequin otontlatoa. cequintin navatlatoa. cequintin vn • •
cuextecatlatolli. * quicaqui in
„Eine Gruppe hat eine unverständliche Sprache. Aber einige sprechen Otomi, einige Nauatl • •
verstehen auch die cuextekische Sprache.“ ’ 5 einige
Mit diesen wenigen Worten ist eine knappe, treffende Charakteristik der sprachlichen Verhältnisse von Toto
na capan gegeben. In der Tat sind Cuexteca (Huaxteken), Otomi und Naua die Nachbarvölker der Totonaken und
Jiat sich da, wo Teile der Naua in das alte totonakische Gebiet eingesickert sind, eine gemischt-sprachliche Ti n
kerung herausgebildet. C V0l‘
An der Nordwestecke grenzen an das totonakische Gebiet noch die Wohnsitze eines vierten Volkes der Te eh
die in der Geografía de las Lenguas Orozco y Berras als isolierte Gruppe aufgeführt werden. Aus den Wörterliste *
die neuerdings Frederick Starr und Nicolás León vom Tepehua publiziert haben, geht, wie ich nach einem sorefält' ^
Vergleich mit meinem totonakischen Material feststellen konnte, mit Gewißheit hervor, daß es ein dem To tonal i 'P
sehr nahestehendes Idiom ist, ja geradezu als ein totonakischer Dialekt bezeichnet werden kann, wie die genannten
beiden Autoren bereits vermutet haben. 3 Das Wenige, was wir über die Tepehua wissen, ist daher in das vorliegende
Kapitel über die Totonaken aufgenommen worden.
Beginnen wir zunächst mit der geographischen Verbreitung des Totonakischen. Wie die kleine Wörterliste
die Francisco Domínguez seinem Catecismo beigegeben hat, zeigt, treten innerhalb dieser Sprache ziemlich erhebliche
dialektische Verschiedenheiten auf. Er unterscheidet danach vier totonakische Stämme:
Tatiquilhati = die Totonaken der Sierra alta von Papantla.
Chacahuaxti = die Totonaken von Xalpan und Pantepec (im Distrikt Huauchinango).
Ypapana = die Totonaken im Gebiet der Augustinermission.4
Tatimolo = die Totonaken der Sierra baja von Naolingo.
Die vier Stammesnamen sind sämtlich totonakisch. Zwei von ihnen sind Nationalitätsadjektiva auf -ti Tati
quilhati ist ebenso wie Puzcan-a-ti, Acxcau-a-ti, Goyay-a-ti, die Zambrano Bonilla als Beispiele anführt gebildet
und geht auf Tatiquilh oder Tatiquizl zurück; tati „vier“, quizl „Mund“, „Rand“ (ähnlich azt. tentli), cf f uizi
catzi „schmecken, kosten,“ quizl-Iihua „Zahnfleisch,“ quizl-pin „Lippe,“ quizl-to-locot „Kinnbacken,“ quizl-tom
5,am Rande“, quizl-tin „außerhalb“ usw. Tati-quizl ist augenscheinlich eine geographische Bezeichnung die im
Mexikanischen etwa Nauh-tempan, Nauh-tenco lauten würde. Chacahuaxti entspricht genau den von Zambrano
Bonilla angeführten Beispielen Chachogoy-ax-ti, Goyay-ax-ti und dürfte auf einen Ortsnamen Nac cha-cau zurück
gehen; cau = „zehn“, cha = Partikel vor Zahlwörtern, die anzeigt, daß Personen gezählt werden. Also die vom
Orte der Zehn.“ Mit den beiden anderen Namen läßt sich nicht viel anfangen; in Ypapana steckt vielleicht
papanan, das im Dialekt der Sierra baja „Greise (viejos) bedeutet, und in Tatimolo wird der erste Bestandteil
wohl, wie bei Tatiquilhati, „vier“ bedeuten.
Diese vier totonakischen Dialekte bezeichnen zugleich, wenn man Chacahuaxti und Ypapana zusammenfaßt
die drei heutigen Hauptsitze der Totonaken: Misantla im Süden, Papantla im Norden der Küstenebene und Zacapoaxtl
oben im Gebirge. Allerdings halten sie dies Gebiet nicht in ununterbrochenem Zuge besetzt; das Land am Fluß * *
Nauhtla bildete und bildet zum Teil noch heute einen Streifen mexikanischer Siedlungen, der die Totonak >
Papantla einerseits und von Misantla-Jalapa andererseits scheidet.5 Dénn während diese drei Distrikte nach O
y Berra, dessen Sprachenstatistik die Verhältnisse etwa gegen Anfang des 19. Jahrhunderts widersnieeelt V T™
rein totonakische Bevölkerung haben, nennt er im Distrikt Jalacingo, zu beiden Seiten des Rio de Bobos C m
Orte mit mexikanisch redender Bevölkerung, z. B. Altotonga, Atzalan, Jalacingo, Zomelahuacan Xnm ’ ™ge
coyan. Cañizo. • Die Distrikte des Gebirgsabfalls, die den ganzen Norden des Staates Puebla umfassen m P óT &Pa‘
Zacatlan. Tetela, Zacapoaxtla, Tlatlauhquitepee.Teciuhtlan), sind gleichfalls alte totonsldsehe (vw.t . T T U“ang0-
wir uns hier in einer Zone der Spraohenmisohung, die am stärksten an den beiden RändeLIftStt ’ m
Wege zur Küste hinabführen (von Huauchinango einerseits, Teciuh tlan andrerseits! während diod B0 P®1 begangene
(Zacatlan, Tetela und Zacapoaxtla) eine Bevölkerung mit überwiegend 10^^ t \ r" ' ^
stellt sich die Verbreitung dieser Sprache in neuerer Zeit in folgender Weise dar besitzen- Demnach
1. Im Süden entspricht die totonakische Sprachgrenze ungefähr einer geraden TI™ „ , n t ™..
Actopan oder S. Carlos (Barra de Chachalacas) mit dem Orte Jalacingo verbindet, läuft alio größtented™^!? K°
des Rio Actopan entlang. Als die südlichsten Orte mit totonakischer Sprache nennt Orozco y Berra Ta^til^T^111
Starr, Notes upon Ethnogr. I (1901) p-
now its probable relation to Totonaco. ^Nicolás León
An. Mus. Nac. VII, México 1903, p. 285: El Tepehua del
’ ’ "■ - - - --„IcvUo al Dlia.nAnbal on
184: We.....suggest
Nicolás León
d. An.
„ , , ~r , ^ aATneiante al Chaneabal en su
Estado de Hidalgo es un dialecto sem j
. , „„frím maya, náhuatl y tati-
composicion, pues en el se encuentiai J
kilhiati, dialecto del totonaco. Dominan o es e en e com
puesto he incluido el tepehua '|nl Estado de Hidalgo en la
familia Totonaca. Cyrus Thomas (Indian Languages of
2 Baessler-Archiv.
México and Central America p. 50) ist dieser Auffassung
gefolgt.
4 Diese wurde schon früh (1540) im Gebiet von Huauchinango
und in der angrenzenden Sierra baja begründet; vgl. Abschnitt
I, n. 60.
5 Seler G. A. III p. 515.
« Orozco y Berra Geogr. p. 202/3.
18
WALTEE KRICKEBERG
lula-Coacoazintla-Jilotepec-Actopan, als die nördlichsten mit mexikanischer Sprache Acajete- S. Miguel del Soldado-
Tlanelhualoyan-Jalapa-Jalcomulco-Apasapan. In den beiden zuletzt genannten Orten wird nach Strebei noch toto-
nakisch gesprochen. Dagegen beginnen nach Seler die Totonaken heute erst viel weiter nördlich, in der Gegend von
Misantla.7
2. Im Norden ist nach Orozco y Berra ungefähr der Bio Cazones die totonakische Sprachgrenze; er nennt auch
nördlich von der Linie Pantepec-Mecapalapan-Chicualoc-Cuasintla-Cazones keine totonakischen Orte mehr und sagt,
daß es heutzutage zwischen den Bios Cazones und Tuxpan nur mexikanische Orte gäbe. Dagegen sind nach Seler
noch heute die Totonaken bis zum Bio Tuxpan anzutreffen, was auch eigentlich zu erwarten ist, da gerade die Ebenen
an den Flüssen von Cazones und Tecolutla und das fruchtbare Hügelland, das den Baum zwischen beiden füllt, ein
Hauptgebiet totonakischer Siedelungen bis in die neueste Zeit hinein geblieben sind. Genauere Angaben über die
modernen sprachlichen Verhältnisse an der Nordgrenze sind mir leider nicht bekannt geworden. Nach Strebei wird
in Tuzapan (also nördlich vom Cazones) noch heute totonakisch gesprochen. 8
3. Im Westen reicht die totonakische Sprache ziemlich genau bis an die Grenzen der Distrikte Llanos, Alatriste
und Tulancingo. In den Besitz der Orte an der Grenze von Tulancingo teilt sie sich mit dem Mexikanischen, Otomi
und Tepehua (s. u.). Die am weitesten südlich in der Bichtung auf Tlaxcala vorgeschobenen Vorposten der Sprache
werden (nach Orozco y Berra) in den Orten Aquixtlan (Alatriste) und Tonalapa (Tetela) angetroffen, also ungefähr
nur 15 Leguas nordöstlich von Tlaxcala. Die mexikanische Sprache hat sich dagegen vom Distrikt Llanos aus, der
rein mexikanisch ist, nicht nur über Jalacingo in der Bichtung auf Nauhtla verbreitet (s. o.), sondern zeigt auch eine
deutliche Tendenz zum Vordringen in der Bichtung auf Papantla, denn sie hat nach den Angaben Orozco y Berras
in den Ortschaften der Distrikte Teciuhtlan und Tlatlauhquitepec das Totonakische, das zweifellos ursprünglich hier
vorherrschend war, stark in den Hintergrund gedrängt. Quetzalan, Ayotoxco, Xaltepec, Acateno bezeichnen hier
die nördlichsten Orte mit vorwiegend aztekischer Sprache.9
Wie lagen nun die Verhältnisse zur Zeit der Entdeckung Méxicos ? Hier läßt sich nur für die Südgrenze aus
den Berichten der Conquistadoren etwas Positives gewinnen; aus denGebirgsdistrikten bekommen wir erst verhältnis-
mäßig spät, mit dem Einsetzen der Mission, Nachrichten, und die Nordgrenze der Totonaken muß für die alte Zeit
sogar als vollkommen unbestimmbar bezeichnet werden, wenn sich auch schon aus der zitierten kurzen Bemerkung
Sahagüns ergibt, daß die Totonaken hier Nachbarn der Huaxteken waren.10 Leider versagt in Totonacapan ganz
das Hilfsmittel der Ortsnamen, denn in dem ganzen Gebiet sind diese, selbst wo es sich um Hauptstädte handelt
(wie Papantla, Misantla, Cempoallan), überwiegend aztekisch. Schon Waitz hat sich mit dieser meikwürdigen Er-
scheinung befaßt und auf die Unterwerfung der Totonaken durch die Mexikaner und ihren vorausgehenden lang-
jährigen Verkehr mit Tlaxcala hingewiesen, daneben auch der Vermutung Baum gegeben, daß die mexikanischen
Namen sich vielleicht nur daher schreiben, daß die Spanier mit diesen Gegenden, wie mit so vielen anderen, durch die
Mexikaner bekannt gemacht worden sind. Strebei wiederum hat an die chichimekische Invasion in Totonacapan
gedacht und gemeint, die Chichimeken hätten später, zur Macht gelangt, der totonakischen Vorgeschichte den Stempel
hrer eigenen aufzudrücken gesucht und daher die totonakischen Orts- und Herrschernamen durchgehend mexika-
nisiert. Ich glaube eher, daß man der von Waitz zuletzt ausgesprochenen Vermutung zustimmen muß, da uns ja
auch sonst überall in México, selbst noch in Guatemala, die einheimischen Namen in mexikanischer Übersetzung
entgegentreten. Zu demselben Schluß ist auch Sapper bei seiner Untersuchung der Ortsnamen im nördlichen Mittel-
amerika gelangt.11
Wenden wir uns nunmehr den literarischen Zeugnissen zu. Als die Spanier den Boden Méxicos betraten, gab
es ein weit nach Süden vorgeschobenes Zentrum der Totonaken in Cempoallan, einer großen, blühenden Stadt
unweit des Nordufers des Bio Actopan, und es besteht nach den Berichten der Teilnehmer an Cortés’ Zuge kein Zweifel
daran, daß die Südgrenze der Provinz Cempoallan, die wohl im wesentlichen auch mit der totonakischen Sprach-
grenze zusammengefallen sein wird, damals nicht durch den Bio Actopan, sondern den Bio de la Antigua gebildet
wurde. Denn diesen letzteren meint zweifellos Gomara, wenn er sagt, die Grenze zwischen der Herrschaft Cempoallan
und dem unter aztekischer Oberhoheit stehenden Küstenlande bilde ein großer Eluß, der halbwegs zwischen S. Juan
de Ulúa und Cempoallan liege. In der Tat trafen die Spanier (nach B. Díaz) gleich nach Überschreitung dieses Flusses,
’Orozco y Berra Geogr. p. 202, 205. Strebei, Archäol. und
Ethnol. Mitteil. aus Mexiko p. 9; Altmexiko I, Karte (Taf .XVII).
Seler G. A. II p. 269, III p. 410.
8Orozco y Berra Geogr. p. 205, 214. Seler G. A. II p. 269.
Strebei, Die Ruinen von Cempoallan p. 6.
9Orozco y Berra Geogr. p. 214 216.
10 Es ist selbstverständlich eine vollständig unbegründete Über-
treibung, wenn Torquemada 1. IV c. 20 (I p. 39g) und
Herrera Dec. II 1. V c. 9 (p. 124) behaupten, Totonacapan
habe beinahe bis zum Pänuco gereicht.
11 Waitz, Anthropologie der Naturvölker IV p. 55/56; Strebei,
Altmexiko II p. 153/4; Sapper, Nördl. Mittelamerika p. 349 bis
353. Über die Büdung totonakischer Ortsnamen, die oft mit
dei Lokalpartikel Nac- beginnen, cf. Zambrano Bonilla,
Arte de la Lengua Totonaca p. 66 und 85/86. Natürlich ist
da, wo die totonakische Bevölkerung noch heute lebt, eine
Menge totonakischer Namen für Orte in Gebrauch, die auf
den Karten spanische oder mexikanische Namen tragen.
Strebei hat in seinen Werken eine Anzahl angeführt, z. B.
Pulpidnad (eig. po-zlpit-na-t „wo Späne —- oder Scherben
— sind,“ Verbalnomen mit Lokalpräfix von izlpit-a „Späne
machen, Holz bearbeiten“) = Cerro Astillero, Schiapunuma-
aczipec (von panamäc „Baumwolle“ und zipee, sipi „Berg“)
= Cerro de Algodón, Locohzipec = Cerro del Español u.a.m.
Cf. auch Peñaf iel, Nomenclatura geográfica de México (1897),
wo freilich meist der totonakische Ursprung der Worte nicht
erkannt ist.
DIE TOTONAKEN
19
j,an dem heute Veracruz .liegt“ (La Antigua Veracruz), und den sie an seinem linken Ufer aufwärts zogen . Orte die
Cempoallan untertan waren. Merkwürdig ist, daß derselbe Autor weiter unten bemerkt, als er von der nächtlichen
Freilassung der aztekischen Tributeinnehmer spricht, Cortés habe sie heimlich in einem Boot durch sechs spanische
Seeleute fortschaffen und etwa 4 Leguas von Quiauiztlan entfernt außerhalb des Gebietes von Cempoallan an Land
setzen lassen, um sie vor der Wut der Totonaken zu schützen. Quiauiztlan ist etwa an der Punta Bemal zu suchen
Und da im Norden alles totonakisch ist, können die Ruderer nur südlichen Kurs genommen haben. In dieser
Richtung konnten sie aber erst nach etwa 10 Leguas die totonakische Grenze erreichen.12 Weiter westlich, schon an
den Abhängen des Gebirges, gehörte damals auch noch Jalapa zum totonakischen Gebiet. Denn nach ihrem Auf-
bruch von Cempoallan zogen die Spanier in westlicher Richtung drei Tage lang durch das Herrschaftsgebiet dieser
Stadt und passierten hierbei auch Jalapa. Erst am vierten Tage betraten sie eine andere Provinz „Sienchimalen“ =
Xicochimalco (heute Jico), die zwar Cempoallan befreundet, aber Motecuh9oma untertan war. Vorher waren sie
schon einmal bis an die Grenze der Herrschaft Cempoallan gekommen, als nämlich der Zug gegen den mit Cempoallan
verfeindeten Ort .,Qingapa9inga“ = Ti9apantzinco unternommen wurde (confina • • • con los Totonaques, i con Tierras
de Cempoallan). Dieser Ort lag 8 Leguas von Cempoallan entfernt. Heute existiert er nicht mehr, doch ist er nach
Orozco y Berra auf den unveröffentlichten Karten des Alcalde mayor von Veracruz, Alvaro Patiño (1580), etwa 8-9
Leguas nordwestlich von Cempoallan verzeichnet. Das ist auffallend, denn in dieser Richtung war zweifellos
totonakisches Gebiet Man wird also, wie bei Xicochimalco und Teoixhuacan, an eine der von den Mexikanern
besetzten, ursprünglich totonakischen Bergfesten am Abhang des Hochlandrandes denken müssen.“
Die Nordwestgrenze des totonakischen Sprachgebiets bezeichnete schon in alter Zeit der heutige Distrikt
Tulanoingo Corría la Provincia, y Señoría de los Totonacas, acia el Oriente, en contra de este Gran Pueblo de
Tullanzinco “'sagt Torquemada, und eine andere alte Quelle spricht davon, daß die totonakische Sprache „en toda
la Cierra baja y confines de Tututepec“ geherrscht habe. 14 Aber hier war die totonakische Bevölkerung bereits von
einem großen’ Prozentsatz anderssprachlicher Elemente durchsetzt, nämlich von den Otomi und den Mexikanern.
Eine bei Torquemada erhaltene Tradition berichtet, wie die Otomi sprechenden Teochichimeca in die Gebiete von
Tollantzinco und Quauhchinanco einwandern, diese bereits von den mexikanisch sprechenden Chichimeca besiedelt
finden und sich daher mit ihnen gütlich einigen. Seitdem seien diese Distrikte zur Hälfte von mexikanisch, zur
Hälfte von Otomi sprechenden Leuten bewohnt, und zwar hätten die Otomi die nördlichen, die Mexikaner die süd-
lichen Dörfer innegehabt sich aber beide mit einem gemeinsamen Namen „Chichimeca“ genannt. Dieselben Ver-
hältnisse treten uns auch in dem Bericht über das Bistum Tlaxcala entgegen, der auf die große, von Philipp II. ange-
ordnete Umfrage im letzten Viertel des 16. Jahrhunderts zurückgeht. Hiernach wird in den Orten Xicotepec, Papa-
loticpac Xalpantepec und Pantepec - alle im Distrikt Huauchinango (Quauhchinanco), nördlich von dieser Stadt,
gelegen - totonakisch neben mexikanisch und Otomi gesprochen. Ameluca ist rein totonakisch, Quauhchinanco
selbst fast rein mexikanisch. In einer anderen alten Quelle finde ich die Notiz, daß 1540-1550in Quauhchinanco mexi-
kanisch und totonakisch und in Pahuatlan, nordwestlich von Quauhchinanco, größtenteils mexikanisch, daneben aber
auch totonakisch und Otomi gesprochen wurde.15 Nach Orozco y Berra soll nun heutzutage das Otomi in den genannten
vier Orten erloschen das Totonakische alleinherrschend sein, und nur in dem Sprengel Pahuatlan soll sich das Otomi
noch neben dem Totonakischen erhalten haben. Frederick Starr hat aber festgestellt, daß die Angaben Orozcos
gerade über diese Grenzgebiete sehr wenig zuverlässig sind. Noch heute liegt da, wo die Staaten Hidalgo, Puebla
und Veracruz zusammenstoßen, ein Gebiet der merkwürdigsten Durcheinanderwürfelung der Sprachen. Nicht nur
von Ort zu Ort wechselt die Sprache, sondern selbst innerhalb derselben Gemeinde wohnen oft zwei und mehr ver-
schiedene Sprachen, Kulturen, Völker friedlich nebeneinander. In Tlaxco, einem Orte des Municipio Pahuatlan, er-
reicht die Völkermischung ihren Höhepunkt. Hier setzen sich die Einwohner aus Azteken, Otomi, Tepehua und Toto-
naken zusammen. Leider hat Starr nicht Zeit gefunden, die Verteilung der Sprachen in dem genannten Gebiet
o-enauer zu studieren. Er erwähnt nur beiläufig, daß in ilacuilotepec und Pantepec sowohl Otomi als auch Totonaken
wohnen.16
Haben sich also im äußersten Nordwesten des totonakischen Gebietes die sprachlichen Verhältnisse nicht sonder-
lich seit der Zeit der Conquista geändert, so hat das Totonakische in den mittleren Distrikten der Westgrenze in den
letzten Jahrhunderten offenbar an Boden gewonnen. In den geschichtlichen Berichten Tor quema das spielt Zacatlan
oder Tenamitic, wie es in ältester Zeit hieß, eine besondere Rolle. Zuerst ist es ein Zentrum der Totonaken die
4 Leguas von Zacatlan ihre älteste Hauptstadt erbauen, dann wird es von Chichimeken und Olmeken besiedelt’ die
von hier aus weiter in das totonakische Gebiet Vordringen. In der Tat führt der Bericht über das Bistum Tlaxcala
in den Distrikten Zacatlan, Tetela und Zacapoaxtla eine Reihe von Orten mit gemischter, mexikanisch-totonakischer
Sprache (nicht selten mit überwiegendem Mexikanisch) an, die heute rein totonakisch sind, und kennt sogar noch im
nn. j l-n 33). B. Díaz c. 44
12 Gomara Orón. o. 28 (p. 29) und (I
(I p. 126) und 47 (I p. 134/5). ,
a?Cortés II. Carta p. 57, Gomare Crón. o. '
maraCrón.c.38(p.40). OrozcoyBerraHistona p. ,n. .
14Tor quemada 1. III c. 21 (I p- 287). Gi 0 a \ a^ norm a c o
la Orden de N. P. S. Augustin (1624) 1- H c. (P- )• uuu e»
pee liegt nördlich von Tulancingo, am Oberlauf es io e uxpan.
2*
__, — / - —• VAVJ, W KJ JL » p «
de Tlaxcala ed. Luis García Pimentel (1904) p. 3—42. De¡
de Guauchinango in Col. Doc. Inéd. IX (1868) p.
Grijalva 1. c. 1.1 c. 36 (p. 60 verso) und II c. 12 (p. 79 vei
1GOrozco y Berra Geogr. p. 216/7. Starr, Notes upon I
nogr. I p. 179/80, 181, 186.
20
Nyalter krickeberg
Distrikt Papantla zwei Orte mit mexikanischer Sprache (Zozocoico und Tenampulco).17 Man gewinnt daraus den
Eindruck, daß diese Gebiete in der Zeit der Conquista viel stärker von mexikanischen Kolonien durchsetzt waren,
als späterhin. Eine überwiegend mexikanische Bevölkerung haben sich die östlich anstoßenden Distrikte Tlatlauh-
quitepec, Teciuhtlan und Jalacingo noch bis auf den heutigen Tag bewahrt; wie wir oben sahen.
Es bleibt nun noch übrig, einen Blick auf die Verbreitung der den Totonaken verwandten Tepehua zu weifen.
Der Name bedeutet „Bergleute, Bergbewohner“ (tepe-ua); sie selbst sollen sich Akalman (acazl-man18) nennen. Die
Angabe Orozco y Berras, daß das Tepehua heute nur noch in dem Ort S. Francisco des Sprengels Huayacocotla
alleinherrschend sei und dann noch in Zontecomatlan, Sto. Domingo Alooyunca, Sta. Maria Hueytepec, Tenamicoya
(Distr. Chicontepec) neben dem Otomi gesprochen werde, ist nur zum Teil richtig. Denn das in Huayacocotla ge-
sprochene „Tepehua“ ist, wie Nicolas León nachgewiesen hat, ein Otoml-Dialekt; auch ist die eigentliche Tepehua-
Sprache nicht auf die vier genannten Orte des Staates Veracruz beschränkt, ihr Hauptzentrum liegt vielmehr in
Huehuetlan im Staat Hidalgo und in dem angrenzenden Teil des Staates Puebla (Tlaxco, Distr. Huauchinango),
wo sie Alfons Pinart und Frederick Starr angetroffen und studiert haben. Eme alte Relación, die zu der Beschreibung
des Erzbistums México von 1569 gehört, nennt folgende Orte mit Tepehua-Sprache:
Patlahuca: Fast ganz Tepehua, bis auf 15 Otomi.
Amaxac: Halb Tepehua, halb Otomi.
Alahuaco, Atzopilco: Ganz Tepehua.
Tlaquetzaloyan: 196 Tepehua, 54 Otomi.
Xüotla: Meist Tepehua.
In Zontecomatlan wird dagegen überwiegend mexikanisch, daneben Otomi gesprochen. Im ganzen wurde das
Tepehua damals von 2000 Individuen geredet. Auch Pinart spricht noch von mehreren Tausend Tepehua.19
Schwierig ist es, für die Frage der Ausdehnung des totonakischen Gebiets zur Zeit der Conquista einen Anhalt
aus der Verbreitung der Altertümer, die man diesem Volk zuschreibt, zu gewinnen. Die „Leitfossile“ der
totonakischen Kultur, zu denen man vor allem Steinskulpturen vom Typus der ,, Joche“ und ,,Palmas“
(Näheres s.unten) rechnet, tragen bei weitem nicht einen so lokal beschränkten Charakter wie die der huaxtekischen.
Sie sind, offenbar schon in einer Zeit lange vor der spanischen Eroberung, weit über das spätere totonakische Gebiet
hinaus verbreitet worden, und zwar vor allem in zwei Richtungen; nördlich und südlich vom Cofre de Perote auf das
Hochland hinauf (bis Teotihuacan) und über die Provinz Cuetlaxtlan auf der alten Küstenhandelsstraße nach Süden.
In der letzteren Richtung kann man die Verbreitung dieser Altertümer, vor allem der Steinjoche, außerordentlich
weit, bis nach Guatemala und S. Salvador, verfolgen.20 Man wird natürlich diese entlegenen, isolierten Vorkommnisse
auf dem westlichen Naua-Hochlande und in den Maya1ändern des Südens nicht ohne weiteres als einen Beweis für
die ehemalige Ausdehnung der Totonaken ansehen dürfen; auch Wanderungen einzelner totonakischer Stammes-
abteilungen braucht man nicht notwendigerweise zur Erklärung heranzuziehen, wenn man bedenkt, daß an diesen
schön gearbeiteten Prunkstücken sicher auch andere Völker Gefallen fanden und sie sich auf dem Wege des Zwischen-
handels zu verschaffen suchten. Beispiele für die weite Verbreitung solcher durch ihre reiche Verzierung, ihre aparte
Form, ihr wertvolles Material bestechenden Kunstwerke hat die mexikanische Archäologie auch sonst geliefert —
man denke an die farbenfreudige Cholula-Keramik, die prächtigen glasierten Tongefäße, die Vasen aus Alabaster,
die seitlich komprimierten Steinköpfe u. a. m.21 Dagegen kann das dichtgedrängte Vorkommen der Palmas (weniger
der Steinjoche) in der an Totonacapan, wie wir es oben umgrenzten, unmittelbar anstoßenden Landschaft am Ost-
17 Rel. del Obispado de Tlaxcala 1. c. Die Angabe dieser
Quelle, daß in Papantla und Tuzapan ausschließlich mexi-
kanisch gesprochen werde, kann wohl nur auf einem Irrtum
beruhen. Jedoch hält Bandelier (Tour in Mexico p. 10/11)
an der Richtigkeit der Notiz fest und glaubt daraus auf be-
trächtliche Verschiebungen der sprachlichen Verhältnisse auch
im Herzen des totonakischen Gebiets seit der Conquista
schließen zu können; zum Beweise führt er noch an, daß die
Rel. del Obisp. de Tlaxcala inMisantla mexikanisch sprechende
Familien kennt und daß Nauhtla zur Zeit der Conquista eine
Niederlassung mexikanisch sprechender Indianer war, während
jetzt in beiden Orten nur noch totonakisch gesprochen werde.
Das Auftreten des Mexikanischen in Misantla ist bei der Nähe
des noch heute vorwiegend mexikanischen Distrikts Jalacingo
nicht wunderbar; Nauhtla möchte ich auch in alter Zeit nicht
für eine mexikanische Niederlassung, sondern für einen toto-
nakischen Ort mit mexikanischer Garnison halten.
18acazl- ist ein häufiges totonakisch es Präfix, das augenschein-
lich den Sinn von „heraus, auswärts“ hat, cf. .acazl-anan
,,heraushaben“ = rauben, acazl-amat „Husten, Schnupfen“
(= »das Herausgehen“?), acazl-a-squini »herausbitten“ =
fragen, acazl-taxtü „ausgehen“ (von Farben). Acazl-man
ist eine Bildung ähnlich tazl-man „alto, arriba“ und be-
deutet offenbar „die Auswärtigen“ (vom Hauptstamme Ge-
trennten ?).
19 Orozco y Berra Geogr. p. 47, 206. Nicoläs León i. An. Mus.
Nac. VII, México 1903, p. 284/5; PinaPt bei León 1. c. p. 301;
Starr, Notes upon Ethnogr. I p. 183/4. Rel. de Hueyacocotla
i. Descr. del Arzobisp. de México ed. Luis G. Piraentel
(1897) p. 253/4.
20Teotihuacan: Lehmann i. Zeitschrift für Ethnologie 1910
p. 737; Guatemala u. S. Salvador: Strebei, Steinjoche S. A.
p. 14/15, Lehmann 1. c. p. 738.
2'Eine Zusammenstellung derartiger archäologischer Typen
hat Lehmann i. Zeitschrift für Ethnologie 1910 p. 737—741
gegeben. Ich füge hier noch die Cholula-Keramik ( Seler G. A.
II p. 298, 299) hinzu, von der herrliche Exemplare bei den
Ausgrabungen in der Calle de las Escalerillas (Stadt México)
zumVorschein gekommen sin 1 (ibid. p. 865), ebenso inNochistlan
in der Mixteca alta (Seler G. A. Hj p_ 522—531) und in
Cerro Montoso und anderen Orten des südlichen Totonacapan
(Strebei, Ornamente auf rl ongefäßen Taf. 28—31). Dagegen
habe ich Steinfiguren vom Ghacrnool-Typus absichtlich nicht
genannt, weil ihre weite Verbreitung wohl eher durch große
»protomexikanische“Völkerwanderungenerfolgte. Bei den Stein-
jochen nimmt auch Seler (G. A. III p. 53g) Verschleppung an.
DIE TOTONAKEN
21
• 1 0,..-u Taiann Boatepec, Jico, Teocelo, Atotonilco und Quimistlan) doch
und Südfuß des Cofre de Perote (mit en k a en ^ gcit der Conquista bereits mexikanisierten Gebietes
wohl nur mit einer alten Besiedlung c zlu j)afür sprechen auch die sonstigen Bunde aus der genannten
durch Totonaken in Verbindung gebrach wercen. jn Büstenforni und ein etwas besser gearbeiteter in
Gegend: Bundplastische Steinfiguren (ein se r *° ‘ ' und Schmucksachen zeigen viele Beziehungen zu Alter-
Gestalt eigentümlich stilisierter Hocker iguten), andererseits. Hermann Strebei schließt daher die Funde der
tümern von Misantla einerseits und Cerr.o J5 on oso ^ Montoso-Gruppe an und nimmt für die Bunde aus dem
Jalapa-Gegend als „Soncuautla-Gruppe direkt an Montoso-Verwandtschaft an, wie sie ähnlich auch
Gebiet von Atotonilco- Quimistlan eine etwas entferntere
die Bunde aus dem Misantla-Gebiet zeigen.- Sinne) erstreckt sich also nach den bisherigen Ergebnissen
Das Gebiet der Cerro Montoso - Kultur (im weitester
über das ganze südliche Totonacapan von Misantla bis Cenvpoallan und mit einem südwestlichen Ausläufer bis zu der
Lücke zwischen Cofre de Perote und Pico de Orizaba, dem große n Einfallstor in das zentralmexikanische Hochland,
Ein anderer Ausläufer liegt auf der Isla de Sacrificios, von dei das Badische Museum eine schöne Sammlung typischer
Cerro Montoso-Gefäße besitzt.“ Durchweg mit der Cerro Montoso-Kultnr vergesellschaftet erscheinen die Steinjoche
Und Palmas, Elemente einer Kultur, die ursprünglich vielleicht ihr Zentrum im Gebiet der nördlichen Totonaken
hatte, denn Steinjoche und Palmas sind durch ihre eigentümliche Ornamentik am engsten mit Skulpturen vom
Tajin (der Pyramide von Papantla). von Mapilca und Tuzapan verknüpft.“ Während also über die totonakische
Herkunft der letzteren kein Zweifel besteht, erhebt sich die Frage, ob auch die Cerro Montoso-AItertümer, wie man
nach ihrer Verbreitung annehmen sollte, der ursprünglichen totonakischen Bevölkerungsschicht zugeschrieben werden
können, strebe! vertritt diesen Standpunkt in seinen neueren Arbeiten, während er früher der Ansicht war, daß
d e Cerro Montoso-Kultur die Eigenart der in Totonacapan eingewanderten Herrenschicht von Naua-Stämmen
(Chiohimeken) repräsentiere. In der Tat sind die Erzeugnisse dieser Kultur, in erster Linie die Tongefäße in Gestalt
von dreibeinigen Schalen, Näpfen und Bechern, die auf hellrotem oder orangefarbenem Grunde Muster (u. a. phan-
tastische Tierfiguren) in verschiedenen Farben, besonders einem Auftragweiß, zeigen, in ihrem Stil zweifellos durch
die Erzeugnisse des benachbarten Hochlandes stark beeinflußt und stehen ihnen vielfach sehr nahe. Man wird daher
der älteren Ansicht Strebeis immer noch den Vorzug geben müssen, wie das auch von Seiten Selers geschehen ist.«
Glücklicher scheint mir dagegen Strebei mit seiner veränderten Auffassung in einem anderen Punkte zu sein
Unter seinen keramischen Funden ist eine weitere, von den Cerro Montoso-Erzeugnissen ausgesprochen verschiedene
Gruppe gut charakterisiert, die er nach dem Hauptfundort Banchito de las Animas-Gruppe nennt. Die
Grabungsstätte liegt auf dem linken Ufer desRio Actopan, nordwestlich von Cempoallan, also in unzweifelhaft totona-
kischem Gebiet Weitere Funde desselben Stils waren in dem Küstenstrich zwischen Rio Actopan und Rio de la
Antigua gemacht worden, so daß Strebei zu dem Schluß kam, daß diese Fundgruppe die von den Chiohimeken
auf einen kleinen Gebietsteil zurückgedrängte einheimische (totonakische) Kultur repräsentiere. Als später
gleichartige Funde aus den südlich vom Rio de la Antigua gelegenen Teilen der alten Provinz Cuetlaxtlan dazu kamen,
änderte er seine Meinung dahin, daß die Gruppe nicht die totonakische, sondern vielmehr die Eigenart der alten Be-
völkeruno von Cuetlaxtlan vertrete, und verwies darauf, daß mit dem südlichen Grenzfluß der Herrschaft Cempoallan
bei den Geschichtsschreibern der Conquista nicht der Rio de la Antigua, sondern der Fluß von S. Carlos oder Actopan
gemeint sein müsse.26 Wenn ich mich auch der letzteren Annahme, gestutzt auf die oben zitierten Stellen bei B. Diaz
und Gömara. nicht anschließen kann, so hat doch die revidierte Auffassung Strebeis schon deshalb viel für sich,
weil ebenso wie die eigenartig ornamentierten rot-weißen Scherben, auch die zahlreichen, höchst interessanten Ton-
köpfchen und -figuren, die einen Hauptbestandteil der Ranchito de las Animas-Kultur ausmachen, bisher außer
im äußersten Süden nirgends im ganzen totonakischen Gebiet angetroffen worden sind, und weil sie mit zwei anderen
Typen von Tonfigürohen, die zweifellos der alten Bevölkerung Cuetlaxtlans angehören, manches Gemeinsame haben
Auch von einem dieser beiden verwandten Typen, den ich nach dem Hauptfundort die La Soledad-Gruppe nennen
möchte, sind viele Exemplare in dem südlichen totonakischen Gebiet (Cempoallan, Sollaouautla) angetroffen worden
Das erlaubt uns den Schluß, daß die Totonaken hier, in dem Tiefland zwischen dem Rio Actopan und dem Rio de la
Antigua.'ein Gebiet besetzt hatten, dessen Bevölkerung mit derjenigen der südlich angrenzenden Provinz Cuetlaxt
lau nahe verwandt oder identisch war. 1 Xt_
Wir kommen demnach zu dem Resultat, daß ein einwandfreies archäologisches Kriterium für die
Frage der Verbreitung der Totonaken noch nicht gewonnen ist. Die Erzeugnisse der Ranchito^e las
Animas-Kultur gehören einem südlicheren Volk an, die der Cerro Montoso-Kultur repräsentieren die Eigenart der
150. Die Tongefäße der
sind zusammenfassend
22Strebet, Altmexiko II p. 146
Atotonilco - Quimistlan - Gruppe
Strebei, Orn. auf Tongefäßen p. 26/27, charakterisiert.
• die technische Behandlung,
der CM-Kulturgruppe,
von
„Die Formen der Gefäße, sowie .
stehen wohl auf derselben Stufe wie '.l ^ ^ ^ ^
aber die Farbengebung ist diskreter w £ die ^ Vainülas
Charakter mehr der Hauptgruppe von
und Chicuasen (bei Cerro Montoso) gefunden wurden.
»Z. Nuttall, The Island of Sacrificios, i. Amen Anthrop. N. S
XII (1910), Tafeln zwischen p. 288/9. Von den zwanz,g aut
diesen Tafeln abgehildeten Tongefäßen des Brit. Museum ge-
hören zehn sicher zur Cerro Montoso-Gruppe: sämtliche Ge-
fäße der Tafel XII, Big. 973 u. 976 der Tafel XIII, Fig. 1094,
1209, 917 der Tafel XIY.
24 Sei er G. A. III p. 539 und Taf. I—III. Jesús Galludo y
Villa im Beiheft zu d. Anales del Museo Nacional, México
1912, Lám. 43.
25Seler i. Intern. Archiv f. Ethn. II (1889) p. 286; G. A. III
(1908) p. 537/8.
26 Strebei, Altmexiko II p. 152/3; ick, Tierornamente p. 2,
22
WALTER KEICKEBERG
chichimekischen Herrenschicht der Totonaken. Es bleiben also außer den schon erwähnten, ziemlich rohen Stein-
skulpturen der Misantla-, Soncuautla- und Atotonilco-Gruppe, die sich wenig für die bezeichnete Aufgabe eignen,27
die Steinskulpturen vom Typus der Joche und Palmas übrig. Diese sind höchstwahrscheinlich wirklich totonakische
Erzeugnisse, beweisen aber durch ihre Verbreitung, daß sie sehr weit verschleppt wurden, weit über die Grenzen
hinaus, die die Totonaken als Volk je innehatten.
Es erscheint auf den ersten Blick absurd, daß in dem weiten, zur Zeit der Conquista nachweisbar totonakischen
Gebiet, das die Strebelschen Sammlungen umfassen, gerade die totonakische Eigenart am meisten zurücktreten
soll. Aber in diesem Teil der Küste, vom Eluß von Nauhtla bis zum Bio de la Antigua im Süden, sind ja auch die
Totonaken stets den stärksten Beeinflussungen ausgesetzt gewesen. Ihre ältesten Wohnsitze lagen wohl sicher,
worauf alte Traditionen hindeuten, in den Gebirgsdistrikten des nördlichen Teils von Puebla und in der vorgelagerten
Ebene von Papantla. Nachdem sie sich, vielleicht erst verhältnismäßig spät, an der Küste nach Süden verbreitet
und hier mit der eingesessenen Bevölkerung, deren Stammverwandte in Cuetlaxtlan wohnten, vermischt hatten,
wurden sie zuerst von der Invasion der „Chichimeken“ (Nauastämme, in deren Gefolge auch Otomi an der Küste er-
erschienen28), später durch die aztekische Eroberung heimgesucht. Beide Völker wo gen fluteten sowohl auf der nörd-
lichen Zugangsstraße (längs des Flusses von Nauhtla) als auch auf der südlichen zur Küste hinab, so daß die südliche
totonakische Provinz ganz von Naua umklammert und durchsetzt wurde. In der Tat hat man außer in den Cerro
Montoso-Gefäßen noch in zahlreichen anderen Altertümern, vor allem aber auch in manchen architektonischen und
dekorativen Einzelheiten der großen Ruinenstätte Cempoallan unzweifelhafte Elemente älterer und jüngerer Schichten
der Naurkultur nach weisen können; wir werden auch bei unserer ethnographischen Betrachtung solche Elemente
wiederfinden. Unter diesen Umständen ist es nicht verwunderlich, daß das totonakische Element im Süden von der
stärkeren Hochlandskultur ganz in den Hintergrund gedrängt wurde. Der Norden und der Nordwesten, wo es
sich vielleicht in viel größerer Reinheit erhalten hatte, ist leider vom Fluß von Nauhtla b:s zum Tuxpan, vom Ozean
bis nach Huauchinango archäologisch noch eine vollkommene Terra incognita, aus deren Dunkel nur die Pyra-
mide von Papantla und die wenigen bisher gefundenen Skulpturen verheißungsvoll emportauchen. Da auch unsere
literarischen Quellen über den Norden äußerst dürftig sind, so kann die folgende Beschreibung der totonakischen
Kultur natürlich nur sehr einseitig ausfallen, und es ist immer im Auge zu behalten, daß ein sehr stark mit fremden
Elementen vermischter Teil dieses eigenartigen, isolierten Volkes als Grundlage für die Betrachtung dienen muß.
2. Siedlungen und Hausbau. Wirtschaft.
Totonacapan war in alter Zeit ein dichtbevölkertes Land. ,,Era su Gente infinita,“ ,,fue en su Gentilidad
grandísima y copiosísima de Gente,“ sagt Torquemada von ihm.29 Nach Cortés zählte die Provinz Cempoallan und
das ganze, dieser Stadt benachbarte Bergland etwa 50 ,,villas y fortalezas“ mit annähernd 50 000 waffenfähigen
Männern, sämtlich Verbündeten der Spanier. Diese zweifellos auf genauen Informationen und Musterungen beruhende
Angabe wird von späteren Autoren wiederholt, ist aber auch häufig übertrieben worden. Herrera und Torquemada
setzen für die 50 000 ,.hombres de guerra“ 120 000 „vecinos“ (Haushaltungsvorstände) ein, was noch allenfalls annehm-
bar ist, da die Zahl der Waffenfähigen ja zweifellos bedeutend geringer war als die der Familienväter.30 Die totonakische
Streitmacht ist von den Spaniern übrigens oft und in großem Maßstabe zu ihren Unternehmungen herangezogen
worden. Bei dem Zuge gegen Tigapantzinco schlossen sich ihnen 2000 Krieger in vier Kapitanien, hauptsächlich
aus Cempoallan und Umgebung, an; Escalante erhielt bei seiner Expedition gegen Nauhtla nach Cortés und Gomara
8 —10 000 Mann totonakische Hilfstruppen (nach B. Díaz nur 2000).31 Schließlich ist noch zu erwähnen, daß B. Díaz
stets nur von „mehr als dreißig verbündeten totonakischen Orten spricht, womit er allerdings wohl nur die Orte
der Sierra außerhalb des Herrschaftsgebietes von Cempoallan meint.32
Die im Westen unmittelbar an die Herrschaft Cempoallan angrenzende Provinz Xicochimalco (heute Jico s. von
Jalapa) hatte außer dem Hauptort zahlreiche Farmdörfer und Meiereien (aldeas y alquerías) mit 200, 300 und 500
Einwohnern und konnte 5 — 6000 waffenfähige Männer aufbringen.33
27Strebei bemerkt selbst (Altmexiko II p. 149), daß die Mi-
sa nt la - Gruppe vorläufig nur „eine künstliche Zusammen-
fassung von Fundstätten eines allerdings zusammenhängenden
Gebietes, dessen Funde bisher keine deutlich faßbare und
durchgreifende Eigenart besitzen , sei und erklärt dies damit
(1. c. p. 153), daß ,,in ihr Überreste totonakischer Eigenart
sich noch neben der neu auf gezwungenen und doch noch nicht
ganz in Fleisch und Blut übergegangenen Kultur erhalten
haben mögen.“ Als einzigen Typus, der ausschließlich der
Misantla-Gruppe eigentümlich zu sein schien, fand Strebei
dreikantig-prismatische „Tonmasken“ (1- c- Taf. XII fig.
18. 19, 26, 27, 30, 31, 32, 43, 47). Diese sind aber offenbar
nichts weiter, als kleine tönerne Nachbildungen der Palmas.
2RNäheres darüber im III. Abschnitt.
29Torquemada 1. III c. 21 (I p. 287) und VIII c. 5 (II p. 134).
30Cortés II. Carta p. 53, Gomara Crón. c. 43 (p. 44), Herrera
Dec. II 1. X c. 18 (p. 282), Torquemada 1. IV c. 79 (j p 522).
Die Angabe des Interrogatorio de Cortés (bei Orozco y Berra
Hist. IV p. 158 n- 1)) daß die totonakischen Verbündeten „más
de mil hombres de guerra“ zählten, ist wohl sicher zu niedrig
gegriffen.
3 'B. Díaz c. 51 (I p. 143), c. 94 (I p. 303), Cortés II. Carta p. 88,
Gomara Crón. c. 88 (p- 90).
32B. Díaz c. 46, 48, 64, 94, 96 (I p. 131> 136, 154, 301, 312).
33Cortés II. Carta p. 57, Gomara Crón. c. 44 (p. 46), P. Martyr
V r* 1 In “Í9Q1
DIE TOTONAKEN
23
¿i
Was ist nun unter den 30 bzw. 50 totonakischen Orten „der Sierra“, die sich den Spaniern angeschlossen hatten
zu verstehen ? Sicherlich ist damit nicht etwa das ganze totonakische Gebiet gemeint, wenn es auch nach den Wen-
dungen, die Bemal Díaz gebraucht, so scheinen könnte. Ich glaube, daß man hier den nördlichen und nordwest-
lichen Teil mit den Zentren Papantla und Zacapoaxtla ganz ausscheiden kann. Die totonakischen Bergnester im
nördlichen Teil des heutigen Staates Puebla waren viel zu abgelegen, um an den Ereignissen der ersten Zeit der Con-
quista tätigen Anteil zu nehmen. Die nördlichen Distrikte aber, vom Iluß von Nauhtla bis zum Eluß von Tuxpan.
haben sich erst ziemlich spät den Spaniern angeschlossen; erst während der Belagerung Mexicos erschienen Gesandte
von „Tuzapan, Mezcaltzinco (= das heutige Atzalan im Distrikt Jalacingo) und Nauhtlan“, also aus drei Orten,
die ungefähr das Gebiet der nördlichen Totonaken umgrenzen, in Cortés Hauptquartier, um ihre Unterwerfung
anzuzeigen (vergl. Seite 17). So bleiben also nur die südlichen Distrikte mit den Zentren Misantla und
Cempoallan übrig, und auf sie haben wir, meine ich, jene Angaben von der totonakischen Städteliga allein zu be-
ziehen. Durch die ausgedehnten Forschungen Strebeis ist gerade über dies Gebiet nach der archäologischen Seite
hin in erfreulicher Weise Klarheit geschaffen worden, so daß der Typus der alten totonakischen Siedlungen
des Südens als hinreichend bekannt gelten darf. Vom nördlichen und nordwestlichen Totonacapan wissen wir dagegen
in dieser Hinsicht noch recht wenig. Daß die berühmten Monumentalbauten von Tuzapan und Papantla nicht isoliert
dastanden sondern Mittelpunkte ausgedehnter Stadtanlagen waren, ist ja von vornherein anzunehmen. Tuzapanwar
einst eine sehr ansehnliche Stadt, geschützt durch ein Mauerdreieck mit einer Mauer von ca. 2 Varas Höhe und 1 % Varas
Dicke • innerhalb dieser Umfriedigung finden sich die Reste von Tempeln und Palästen in schnurgeraden Straßen,
und in der Umgegend ebenfalls Ruinen neben zahlreichen kleineren Altertümern.3* In der Umgebung der Pyramide
von Papantla hatten schon ältere Besucher das Vorhandensein zahlreicher Reste von Bauten, besonders Grund-
mauern von Häusern in regelmäßigen Straßen, festgestellt. Die von der Junta Colombina 1891 zur Erforschung der
Ruinen des Staates Veracruz ausgesandte Expedition unter Führung Del Paso y Troncosos entdeckte dann, daß der
Taün“ zu einem ganzen System von Baulichkeiten gehört. Auf die mit ihrer Front nach Osten gerichtete Pyramide
führt von der Südseite her eine Art Heerstraße (carrera) zu, die auf beiden Seiten von Ruinen eingefaßt ist, offenbar
Substruktionen von Gebäuden, die auf der Unterseite noch mit skulpierten Platten bekleidet waren, während
der obere Teil einen unförmigen Trümmerhaufen bildete. Auf der Nord- und Südseite rücken Baulichkeiten nahe
an den Taiin heran während auf der Ost- und Westseite sich kleine Plätze ausdehnen. Die Südanlage, von den
Indianern el Tajin chico“ benannt, besteht aus zwei mit zubehauenen Steinen bekleideten Massiven, die eine Gasse
zwischen «Ph lassen und gleichsam den Zugang zu dem System von dieser Seite her bilden; bei einem waren die Wände
auf dem unteren Teil mit einem Ornamentfries („grandes grecas muy elegantes“) verzierte Mehr den Charakter
einer Berefestung hat eine alte Ansiedlung auf dem Cerro de Cuyusquihui (Coxquihui), 5 % Leguas w. von Papantla
und nahe dem Rio Tecolutla gelegen, die den Namen Zacoapan fuhrt und von Chavero beschrieben worden ist;
eine Pvramide von ähnlichem Typus, wie die von Cempoallan, und drei Mauern, die sich eine hinter der andern an-
annähernd parallel an dem Bergabhang entlangziehen, sind die hauptsächlich erhaltenen Baulichkeiten. Reste auf
einer Felsinsel nahe der Mündung des Rio Cazones werden in einer vereinzelten Nachricht erwähnte
Reich an alten Siedlungen scheint auch das Gebiet zwischen dem Tuxpan und dem Cazones zu sein, doch muß
hier erst durch eingehende Untersuchungen festgestellt werden, wie weit wir es wirklich mit Anlagen der alteinge-
sessenen Bevölkerung zu tun haben. Denn wie die von Seler beschriebenen Ruinen und Altertümer von Castillo
de Teavo deren Mittelpunkt eine prächtig erhaltene Stufenpyramide bildet, beweisen, haben in diesen Gegenden
auch Niederlassungen der Mexikaner des Hochlandes bestanden, aus der Zeit, da aztekische Heere ihre Waffen bis
an die nördliche atlantische Küste trugen und ihren Herrschern die Provinzen Tochpan (Tuxpan) und Tziuhcoac
unterwarfen (vgl. III. Abschnitt). Halbwegs zwischen Castillo de Teayo und S. Isidro am Tuxpan hegt die alte, noch
nicht näher erforschte Ruinenstätte vonHuilocintla, von der zwei hochinteressante Reliefe stammen (s. u.). Vom
alten Tuxpan sollen auf dem rechten Ufer des Flusses, am Fuß des Cerro Tumilco, noch Reste existieren. Die
bedeutendsten von allen scheinen die ausgedehnten Ruinen von Metlaltoyuca zu sein, die bereits am Abhang der
Sierra Madre auf einer dichtbewaldeten Mesa im Norden des Distrikts Huauchinango liegen. Sie werden schon in
einer alten Relación von 1609 erwähnt; im 19. Jahrhundert besuchten sie Juan Campo und Ramón Almaraz von
denen der letztere einen oberflächlichen Situationsplan aufnahm. Die Hauptgebäude sind: ein „Palast“ von annähernd
rechteckigem Grundriß, eine Pyramide von 36' Höhe und 13F Seitenlänge an der Basis und ein Ballspielplatz ( ?)
der aus zwei 140' langen und 10—12 hohen Parallelwänden besteht. Der Zementverputz der Bauten zeigt vielfach
Spuren von Bemalung. Auch diese Ansiedlung erhält durch Wälle, die den Zugang zur Mesa sperren, einen festungs-
artigen Charakter.37
Ganz geringfügig sind bisher die Nachrichten über Ruinen in dem von Totonaken bewohnten Gebirgsgebiet
3,Orozco y Berra Geogr. p. 204. Ruinen bei Cazones (Tour in Mexico, p. 15).
35BancroftN. R. IVp. 455. Del Paso y Troncos©. Catalogo Seler G. A. II p. 272/3 und III p. 410 sqq., 516. Faa^i „
de la Sección de México, Exposic. de Madrid (1892), II p. 324 p. 12, 49/50, 90. — Über Metlaltoyuca cf. Descr de Guauchi'
u. 325. Jesús Galindo y Villa im Beiheft zu d. Anales del nango (1609) i. Col. Doc. Inéd. IX (1868) p. 131 f "ner
Museo Nacional, México 1912, p- CLIII/IV- Bancroft N. R. iy p. 453—461 und Chavero 1 c n 171
36Chavero, México á través de los siglos I p. 402. Fages, welche die älteren Berichte wiedergeben.
Depart. de Tuspan p. 78. -— Auch Bandelier hörte von
24
WALTER KRICKEBERG
des nördlichen Puebla, Die Pyramiden und sonstigen Bauwerke von Zacatlan, dem alten Tenamitic, das eine so
große Rolle in der totonakischen Geschichte spielt, sind längst durch den Pflug eingeebnet. Sie lagen in einer militärisch
ungemein starken Position zwischen zwei tiefen Barrancas. Der Distrikt Zacapoaxtla zeigt in seinen Ruinen und
Altertümern Verwandtschaft mit Papantla; so in der Bauweise der jetzt größtenteils zerstörten Pyramide von
Yohualliche, vor allem aber in den Reliefen mächtiger Granitblöcke, die Carlos Nebel auf der Ruinenstätte von
Mapilca (unweit des Rio Tecolutla) fand. Noch 1828 sah man hier die Trümmer zahlreicher Bauten, deren Mauern
bis zu einer Höhe von 10' aufrecht standen.3 * * 38
Südlich vom Fluß vonNauhtla bildete Mi santl a den Mittelpunkt einer Zone dichtester Besiedlung. 1875 konnte
Bancroft in seinem großen Sammelwerke erst von einer einzigen alten Stadt in der Umgebung von Misantla einen
auszugsweisen Bericht nach den unklaren, einander widersprechenden Beschreibungen zweier Besucher, Gondra
und Iberri (1836), bringen; zehn Jahre später ist dann durch Strebei unsere Kenntnis der alten totonakischen Orte
dieser Gegend ganz bedeutend bereichert und vertieft worden. Die Ruinen in der Misantla-Gegend sind durch ver-
schiedene Merkmale gut gekennzeichnet und erweisen sich daher als eng zusammengehörig. Es sind im Grunde auch
Anhäufungen von „Cues“, wie die huaxtekischen, nur sind die Cues hier von regelmäßigerer, besserer Ausführung
und zeugen von dem fortgeschritteneren architektonischen Empfinden ihrer Erbauer. Man kann sie nicht mehr
bloße, mit Steinsetzungen umkleidete Hügel oder Wälle nennen, es sind vielmehr ausgesprochene Stufenbauten
mit einem oder mehreren übereinander gesetzten Baukörpern; d. h. mehr oder weniger ausgedehnte Plattformen
oder Terrassen — mit sehr verschiedenartigem polygonalem Grundriß — und Stufenpyramiden. Sie haben
alle einen Kern von Flußsteinen und Erde und eine äußere Bekleidung mit Kalkstein-(Laja-) Platten, die das Haupt-
baumaterial in der ganzen Misantla-Gegend sind, während im Süden (Cempoalian usw.) auch alle Außenflächen von
Flußsteinen mit Mörtelverbindung gebildet werden. Ein nicht selten bemalter Mörtelverputz und breite, von Wangen
flankierte Treppenaufgänge geben diesen Terrassenbauten, deren Wände gewöhnlich senkrecht (im Süden schräg)
ansteigen, äußerlich eine gefällige Form.39 Ihre Bestimmung ist wohl kaum erschöpft, wenn man sie nur „Tempel-
pyramiden“ nennt. Sicherlich dienten sie als Unterbauten für sehr verschiedenartige Gebäude, deren Grundmauern
häufig noch vorhanden sind, und hatten oft auch rein militärische Zwecke als Ausgucke, Zitadellen und dgl. zu erfüllen.
Vielfach sind auch vertiefte Gräber auf den Plattformen gefunden worden.
Die Orte, wo diese alten Bauten gruppenweise angetroffen werden, sind in den meisten Fällen die Kuppen und
Abhänge der Berge und Hügel, aji denen dieser Teil der Küstenebene so reich ist. Der Gesichtspunkt der Ver-
teidigungsfähigkeit scheint in erster Linie für ihre Anlage maßgebend gewesen zu sein; selbst da, wo man sich nicht
gerade auf die äußerste Spitze einer Bodenerhebung zurückgezogen hat, lehnen sich d;e Baukörper wenigstens mit
ihrer Rückseite an die Flanken derselben. Von dem Berge Montereal oder Asti Iler o im Norden von Misantla
hatten schon Gondra und Iberri eine solche Festungsanlage beschrieben. In dem dortigen, wild zerklüfteten Wald-
gebirge war der einzige Zugang zu einem schmalen Rücken oder Plateau , das sich von einem größeren Massiv abzweigte,
durch eine starke Mauer gesperrt worden; den höchsten Punkt der eigentlichen Ansiedelung auf dem Bergrücken
bildete eine Pyramide, die nach Gondra im Zentrum eines Platzes von fast kreisrunder Form gelegen war; daneben
fanden sich zahlreiche Fundamente von Häusern, die sich in mehreren parallelen Straßen über das ganze Plateau
hinzogen.40 Bei einer später durch Strebei veranlaßten Untersuchung wurden cbese Ruinen nicht wieder gefunden,
doch entdeckte man in derselben Gegend einen Bergkegel Pulpidnad, dessen untere Abhänge durch Flußsteinauf-
schüttungen terrassiert waren, während sich weiter oben die Trümmerhaufen von vier Stufenbauten mit ihrer Rück-
seite an die Bergwand lehnten. Nach Strebei handelt es sich hier um eine ehemals recht bedeutende Anlage, ebenso
wie bei der ganz in der Nähe gelegenen alten Siedlung auf dem Cerro de San Isidro.41 Etwa 2 L>Leguas westlich
von Misantla liegen drei Hügel, alle mit Bauwerken bedeckt, von denen Strebei besonders eine Gruppe unter dem
Namen Paschilila beschreibt.42
Am deutlichsten tritt uns der Charakter der alten Bergfesten in einigen alten Ansiedelungen entgegen, die man
auf den weit nach Süden und an die Meeresküste vorgeschobenen Ausläufern der totonakischen Sierra angetroffen
hat. Auf dem Südufer des Rio Actopan erhebt sich eine Gruppe von Hügeln, unter denen der 600 m hohe Cerro
Montoso der bedeutendste ist. An zahlreichen Stellen der Abhänge fand man bastionsartige Vorsprünge, die durch
senkrechte Mauern aus Flußsteinen und, in den Zwischenräumen, Aufschüttungen von Erde und Steinen gebildet waren.
Dadurch waren Plattformen geschaffen, in denen man beim Nachgraben zahlrei che Reste von dem Hausrat der Be-
wohner fand. Es stellte sich heraus, daß auf diesen Vorsprüngen die Häuser errichtet waren, und daß man dann
die nächst niedrigere Plattform als Begräbnisstätte benutzt hatte. Ein schmaler Grat, der zu einem vorgeschobenen
Teil des Hügels hinüberführte, war durch ähnliche, an den Längsseiten angebaute Plattformen gleichfalls zu einem
3SSeler G. A. II p. 274, III p- 538 und 539. Nebel, Voyage
Pittoresque, Tafel; „Ruinas en el Monte de Mapilca.“ Ban-
croft N. R. IV p. 455.___In den anstoßenden Gebirgsdistrikten
des Kantons Jalacingo sind nach Mühlenpfordt (Mejlco II
P- g8, 89) bei Mescalteco, Pueblo viejo und Jorse Ruinen von
großer Ausdehnung und Bedeutung zu sehen, eine Nachricht,
deren Richtigkeit noch durch keinen neueren Beobachter nach-
geprüft worden ist.
39 Strebei, Die Ruinen von Cempoalian p. 38.
«Bancroft N. R. IV p. 448—451.
41 Strebei, Altmexiko II P- ^ (Pulpidnad) und 69—-72
(S. Isidro), mit Situationsplänen.
42 Strebei, Die Ruinen von Cempoalian p. 34—36, Archäol.
und Ethnol. Mitteil, aus Mexiko p. 4. Del Paso y Troncoso
Catálogo II p. 329/30; Jesús Galindo y Villa 1. c. p.
CXLV/VI.
DIE TOTONAKEN
25
Plateau erweitert.43 Noch interessanter sind zwei Küstenburgen, die von der archäologischen Kommission der Junta
Colombina {s. o.) 1891 aufgefunden und studiert wurden. Leider fehlen noch immer die unerläßlichen Situations-
pläne, doch erlauben die bi sh er veröffentlich ten Berichte, ein leidlich klares Bild zu gewinnen. Die eine der beiden Burgen
liegt ám Rincón de Moteczuma unweit des Rancho Colorado und etwa 20 km nördlich von der Laguna Verde.
An diesem Rincón stoßen zwei Barrancas in spitzem Winkel zusammen und schließen eine Mesa ein, auf deren äußerster
Ecke die Häuser der alten Ansiedlung selbst liegen; der Zugang ist durch drei Mauern, die in bestimmtem Abstande
auf ei nanderf olgen von Barranca zu Barranca querüber gesperrt. Die letzte Mauer ist von beträchtlicher Höhe,
aber zugleich die kürzeste von allen, da sich hier die Mesa schon stark verschmälert. War auch die letzte Mauer erobert.
SO konnten die Verteidiger immer noch auf einem in den Felsen gehauenen Pfad auf den geräumigen Boden der
Barrancas hinabsteigen und in die Wälder entkommen. Zwischen den Mauern lagen reihenweise nebeneinander
Pyramiden die hier also augenscheinlich in erster Linie fortifikatorischen Zwecken dienten. Ähnliche „templos
en fila“ sind auch für die andere Küstenburg charakteristisch. Sie liegt am Abhang eines der beiden Atlixcos
Oder Atriscos (isolierten Felskuppen, zwei Leguas vom Meer) zu beiden Seiten des Weges der von der großen Haci-
enda de Tortugas nach der Barra del Morro führt. Zur Linken dieses Weges baut sich die alte Ansiedlung amphithea-
tralisch an dem Bergabhang auf. und zwar nehmen die reihenförnug angeordneten Tempel immer die geböschten
Stellen des Abhanges ein, während die dazwischen liegenden ebenen Terrassen die Grundmauern der Häuser tragen.
Auel, zur Rechten des Weges liegt noch eine Tempelreihe, die auf der Front von einer Mauer umgeben ist, während
auf derRückseite dasTerrain abfällt und zu einem ebenfalls mit alten Baulichkeiten bestandenen ebenen Platz hinab-
führt In diese, beiden Ruinenplätzen, die sich wegen der Verwendung von Laja-Platten als Baumaterial den
Ruinen der Misantla Gegend anschließen, sind, wie gesagt, auch zahlreiche Grundmauern von Häusern aufgefunden
worden. Sitebestehen alle aus zwei Räumen, einer offenen Vorhalle mit dreifach gegliedertem Eingang und einem
enge”l ',1l 45"'Id(:I1 aUl'ltm.flnnen wlruns ungefähr ein Bild machen, wie der alte totonakische OrtQuiauiztlan
Nach diesen Solu eru g daß diese viel genannte Stadt keinerlei Reste hinterlassen hat. Strebei glaubte
ausgesehen haben «£ "unwlitwon Cempoallan lokalisieren zu können.43 Dann hat ^soeben
genanntTchtlogische Kommission unter^FührungDel Paso y Troncosos die Küste in der Umgebung der
Punta Bernal abgesucht; denn von
der Stätte des ersten Veracruz, das am Fuß des Bergabhanges, auf dem Quiauiz
tlan lag, eine halbe Legua von
bemal mm naresce a
diesem Ort gegründet wurde, sagt B. Diaz „pusole un nombre feo, ques el tal de
, i afia que tenia aquel nombre.“ In der betreffenden Küstengegend kommt
«ernal, que pares^e a otro puei o ^ spitze Landmarke bezeichnet, allein, viermal vor. Nach den Ergebnissen
der Name Bemal, der im Spanischen ein ^ landeinwärts gelegene, steil aufragende Bergkuppe „Bemal Grande“
der Untersuchung der Kommission is q-e ins Meer vorspringende „Punta Bemal“ aber als der Ort, auf
als die Stätte des alten Quiauiz tlan erbaute Fort der neuen Kolonie erhob. Die Häuser der Kolonie breiteten
dem sich das nach Gomara „über dem a en^ ^ yiej5n und del Farallón) reichbewässerten Küstenebene zwischen
sich in der durch mehrere Lagunen ( *8- ¿ie Schiffe lag in dem Kanal zwischen der Punta Bemal und dem „Peñón
beiden Punkten aus, und der Ankerp a z u ^ ^ Küste, das ganz von den Exkrementen der auf ihm nistenden
de Bemal“ oder „Bemal Chico, eme®^ Küstenbevölkerung den Namen „Isla de Caga-pájaros“ erhalten hat. Das
Seevögel bedeckt ist und daher von gejnen Lesern verschwiegen hat.46 Im Bericht der Kommission wird nicht
ist offenbar jener nombre feo, den . irgend welche Ruinen oder Altertümer gefunden haben, wir besitzen also
gesagt, ob sich auf dem Cerro ern» ^ ^ Fortale?a ,“ wie er oft genannt wird, nur die alten Berichte. B. Díaz
für Quiauiz tlan, den „Pueb ^^^¡©ichla-ii te n d, daß der Ort an einem steilen Bergabhang (cuesta, repecho) gelegen
und Gomara bemerken zie - ^ hohen Felsen entfernt; die Spanier klommen nur mit Mühe zu der Stadt empor,
habe, einen Musketense iu ^ feindlichen Angriff hätte verteidigt werden können. Den höchsten Punkt nahm
die mit Leichtigkeit g^^r!pempeipyrarriiden.. Sakrarien und dem Palast des Kaziken umgeben war; Gomara spricht
ein.Platz ein, der von ^ denen Cortés mit dem Kaziken Platz nahm.47 Bei d;eser Schilderung wird man lebhaft
aUCV7°DePStadt ain Abhang des einen der Atlixcos erinnert.
an dm ai e Gruppe von Bergfesten, über die gleichfalls schon die Con quista doren berichtet haben, zog sich in
/eit um den Ost- und Südfuß des Cofre de Perote herum; sie waren zur Zeit der Conquista bereits alle von den
Mexikanern besetzt, können aber, wie dieser ganze Landstrich, aus archäologischen Gründen (s. o.) noch zu Totona-
CX qnct Werden. Vielleicht gehörte „Qingapaginga“, richtiger Tiyapantzinco, dessen Lage zweifelhaft
capan g ^ , Qrt und Zitadelle lagen, wie bei Quiauiztlan, auf einem hohen, zerklüfteten Felsen, während die
ist, zu i111611 Sggtaneias in der Ebene am Ufer eines Flusses verstreut waren.48 Ganz dasselbe Bild boten die Städte
dazugehörigen s pe0i xhuacan, deren Namen noch die modernen Karten bewahrt haben (Jico und Ishuacan);
Xicochima co un Qofre de Perote abzweigenden Berggrat, dessen Paßhöhe („Puerto de Nombre
sie waren durch einen honen, vu«
43 Strebei, Altmexiko I p. 28—31, 88; II Jesús Qa-
44Del Paso y Troncoso Catálogo H P- _ ,
lindo y Villa 1. c. p. CXLII-CXLXV (Lam. 39, 40)
45 Strebei, Altmexiko II p. 12.
«B. Díaz c. 40 (I p. US) u. 48 (I
coso Catálogo II p. 276—286.
Del Paso y Tron-
Jesús Gaiindo y Villa
1. c. p. CV—CVIII; hier auf Läm. I und IV eine Ansicht d(
Gestades von Villa Rica mit dem Cerro Bemal Grande h
Hintergrund.
47B. Diaz c. 46 (I p. 131, 132), Gomara Crön- c. 34 (p. 36
48B. Diaz c. 51 (I p. 143), Gomara Crön- c. 38 (p. 40).
26
WALTER KRICKEBERG
de Dies“) die Spanier unter großen Strapazen überstiegen, voneinander getrennt. Bei beiden wird wieder zwischen
dem eigentlichen Ort auf der Höhe und den im Talgrunde liegenden Farmdörfern und Meiereien (aldeas y alquerias)
unterschieden. Xicochimalco, „una villa muy fuerte y puesta en recio lugar“, lag an einer rauhen Berglehne, zu der
nur ein einziger schmaler, künstlich angelegter, treppenartig ansteigender-Pfad hinaufführte.49 Die vollkommene
Richtigkeit dieser Schilderung ist durch Fewkes bestätigt -worden. Er fand in der Umgegend des modernen, in
der Ebene gelegenen Jico zwei alte Siedlungen: die eine, Texolo, liegt an der Basis des Vulkanberges S. Marcos
und besteht aus einer Reihe großer Mounds und zwei isolierten Pyramiden, die alle aus Erde ohne eine Spur von
Zement, Adobes oder behauenen Steinen erbaut zu sein scheinen und in zwei Reihen einen Hof umschließen. Die
andere aber, Jico viejo, die von den Spaniern besuchte Bergfeste, ist auf einer fast unzugänglichen Felsklippe
gelegen und nur auf einem steilen, über Barrancas hinwegführenden und zuletzt nicht mehr für Pferde passierbaren
Pfad erreichbar. Eine Tempelpyramide, einstmals mit behauenen Steinen bekleidet, wie die Bauten der Misantla-
Gegend, und mit Zinnen verziert, -wie die Tempel von Cempoallan, krönt neben anderen Ruinen die Spitze des Felsens,
und auf dem Abhang und in der Ebene an seinem Fuß zeigen zahlreiche Mauerreste die Wohnstätten einer einst
zahlreichen Bevölkerung (s. o.) an. Fewkes ist der Meinung, daß Texolo die weit ältere Ruinenstätte sei und zur
Zeit der Blüte der Teotihuacan-Kultur von einem hochkultivierten, den Azteken überlegenen Volk erbaut wurde,
dessen spätere Nachfolger die Totonaken waren, während er Jico viejo als eine verhältnismäßig rezente aztekische
Festung auffaßt. Die Funde zahlreicher prächtiger Palmas nahe den Texolo-Mounds sprechen jedenfalls für den
totonakischen Ursprung derselben, doch haben auch die Skulpturen, die Fewkes auf dem Felsen und in der Nachbar-
schaft von Jico viejo fand, eigentlich keinen mexikanischen Typus.50 In derselben Gegend wird auch von Strebei
noch eine Anzahl alter Höhensiedelungen erwähnt, so bei Soncuautla (zwischen Jalapa und Coatepec), Coatlatlan
(zwischen Coatepec und Jico), Atotonilco el Grande und Quimistlan.51
Augenscheinlich mehr den Charakter offener Flachlandssiedelungen am Ufer von Flüssen tragen die bedeutenden
alten Orte Pilon de azücar, 5 Leguas nördlich von Misantla gelegen, und Los Idolos, mit denen auch die schon
ziemlich weit im Süden, amRioActopan, gelegene Ruinenstätte Ranchito de las Animas zu vergleichen ist, obwohl
sie bereits zu den Ruinen vom Typ der Cempoallan-Bauten gehört. Alle drei bestehen aus einem Komplex zahlreicher,
anscheinend ziemlich unregelmäßig über ein großes Areal verstreuter Hügel, die sich bei näherer Untersuchung als
die von der tropischen Vegetation überwucherten künstlichen Unterbauten der Häuser des alten Ortes erweisen.
Die letzteren haben meist aus vergänglichem Material bestanden und sind daher verschwunden. Neben einfachen
Plattformen finden sich auch Bauten, die aus mehreren Körpern bestehen und Treppenaufgänge besitzen, die also
wohl öffentliche Gebäude trugen. Zweiunddreißig solcher wurden in Ranchito gezählt, das Strebei nach den vielfach
in ihnen Vorgefundenen Gräbern eine Nekropole nennt, das aber wohl sicher der alte Ort selbst war. Noch viel groß-
artiger liegen die Verhältnisse in Los Idolos, wo die Hügel einen großen, freien Platz von annähernd viereckiger
Form mit abgestumpften Ecken umschließen. An verschiedenen Stellen dieses Platzes fanden sich merkwürdige
Skulpturen vor.52
Die berühmteste dieser „offenen Städte“, wie ich sie im Gegensatz zu den Hügelburgen nennen möchte — schon
Cortes spricht von villas y fortalezas (s. o.) —, ist Cempoallan. Es überstrahlte nicht nur zur Zeit der Conquista
alle anderen Totonakenorte des Südens mit seinem Glanze so sehr, daß die Spanier neben ihm fast nur noch Quiauiztlan
namentlich erwähnen,53 sondern muß auch in moderner Zeit, seitdem es wieder aus dem Urwald erstanden ist, als
eine der bedeutendsten und interessantesten mexikanischen Ruinenstädte außerhalb des Mayagebietes bezeichnet
werden.
Auf die Conquistadoren machte die Stadt schon durch ihre Größe einen tiefen Eindruck. Sie hatten etwas
derartiges bis dahin noch nicht gesehen; die Straßen wimmelten von Menschen, als die Spanier einzogen.54 Die Ein-
wohnerzahl wird auf 20 — 30 000 Köpfe angegeben.55 P. Martyr sagt, es seien allein 15 000 Häuser vorhanden gewesen,56
eine jedenfalls übertriebene Schätzung, die aber erklärlich ist bei der weitläufigen Bauart der Stadt, die ganz in
Felder und Gärten eingebettet war, so daß kaum die Häuser sichtbar wurden (,,... toda de Jardines, i frescora, i muy
buenas Huertas de regadio; .... toda era un Vergel, i con tan grandes, i altos Arboles, que apenas se paresoian las
Casas“).57 Zu jedem Haus gehörte ein Garten mit fließendemWasser, ,,so daß alles wie ein irdisches Paradies erschien,“58
und die entzückten Spanier, die sich von der trostlosen Dünenküste S. Juan de Ulüas plötzlich in dies Paradies ver-
setzt sahen, Cempoallan „die üppige Stadt (Villa Vigiosa) und „Sevilla“ tauften.59 Die eindrucksvollste Schilderung
der totonakischen Kapitale hat Torquemada entworfen. Cempoallan war nach ihm eine Stadt von 25—30 000 Ein-
wohnern, mit Palästen, Tempeln, rings umschlossenen Plätzen (patios), Pyramiden und vielen anderen hervorragenden
49Cortés II. Carta p. 57/58, Gomara Cróm c. 44 (p. 46).
50 Fewkes Antiquities p. 244—-248.
51 Strebei, Altmexiko II p. 86, 94, 109, 114.
52Strebei, Archäol. und Ethnol. Mitteil, aus Mexico p. 6—8
und Altmexiko II p. 35 sq. (Pilón de azúcar), Altmexiko II
p. 59—61 (Los Idolos), Altmexiko I p. 56—58, 88 (Ranchito
de las Animas), mit Situationsplänen.
°3 Im Verlauf der Narvaez-Episode spricht B. Díaz einigemale
von einem Ort „Papalote“, nach dem sich die Besatzung
von Villa Rica zurückzieht. (B. Díaz c. 111, 115, I p- 360,
374). Aus Cortés’ II. Carta p. 119 ist zu schließen, daß der
Ort ebenfalls in der totonakischen Sierra lag.
84B. Díaz c. 45 (I p- 127/8).
55Las Casas Hist. Ind. III c. 122 (p. 492).
66P. Martyr, De Insulis p- 35.
57 Gomara Cróm c. 32 (p- 34).
58Herrera Dec. II 1. V c. 8 (p- 122); Torquemada 1. IV c. 19
(I p. 396).
59B. Díaz 1. c. Vgl. Abschnitt I, Anm. 20.
die totonaken
27
sie
Gebäuden von vortrefflichster Ausführung. Einige dieser Bauten waren aus Mauerwerk, andere aus Adobes
waren abgeputzt und mit Stuck überzogen, schön verziert (bemalt) und standen in regelmäßig angelegten Straßen
Die Spanier waren vor Bewunderung außer sich und wurden nicht müde, tagelang die Gebäude zu betrachten. Der
Verputz bestand aus einer spiegelblanken, weißen Stuckschicht (blanqueadas con yeso de espejuelo), und auch die
Fußböden der Höfe, Paläste und Häuser waren bei auffallenden Sonnenstrahlen von so funkelnder Glätte, daß die
von Cortés vorausgesandten Beiter, als sie auf dem großen Hof des Haupttempels angekommen waren, glaubten,
er sei ganz mit Silberplatten ausgelegt, und es ihrem Feldherrn meldeten.60 Bei näherer Untersuchung ergab sich
dann, daß die Wände und Fußböden der Höfe zuerst mit Mörtel (argamasa) abgeputzt waren, dann hatte man den
Oberflächen einen Überzug von Ocker (almagre) gegeben und sie schließlich mit Kieseln und anderen Steinen so
geglättet, daß sie eine schön polierte Fläche, wie eine Silberplatte, bildeten.61 62 * * * Der Hof des Haupttempels, von dem hier
die Rede ist bildete das Zentrum der ganzen Stadtanlage; von ihm wird noch weiter unten gesprochen werden.
Von der Pracht, welche die Conquistadoren mit so beredten Worten schildern, haben sich zum Glück ziemlich
bedeutende Reste bis in unsere Zeit hinübergerettet, dank demUrwalde, der seit 1600 von dem Gelände der alten Stadt
Besitz ergriffen hat sich in ihrem Weichbild ausbreitete und bald die Tempel und Paläste den zerstörenden Ein-
flüssen der Witterung und den Blicken der Menschen entzog. Als die denkwürdige Stätte wieder aufgefunden wurde,
war natürlich die Übersicht durch den Urwald sehr erschwert, und erst, als die schon öfter erwähnte mexikanische
Expedition unter der Leitung Del Paso y Troncosos, unterstützt von einer Abteilung Pioniere, den Wald nieder-
zulegen begann wurde es möglich, einen genauen Plan der ausgedehnten Baulichkeiten anzufertigen.'s* Die Ruinen
hegen nicht weit vom Meer am linken Ufer des Rio Actopan, allerdings nicht unmittelbar, sondern etwa 1 km von
ihm entfernt Sie gehören zum Gelände der Hacienda de S. Rafael, deren Ranchería Agostadero unmittelbar an den
Wald von Habillas (Euphorbiaceen) und Ojites (Leguminosen) stößt, in dem die Hauptbauten vergraben lagen.6*
Noch heute gelangt der Besucher wie einst durch künstlich bewässerte Felder und Garten („huertas de regadío“),
die den ganzen Raum zwischen dem Rio Actopan und seinem schmalen linken Seitenarm, dem Rio Agostadero,
einnehmen zu der alten Stadt. Überall zwischen den Feldern trifft er Reste von alten Bauten; die zahlreichen Häuser
der Ranchería sind sogar ganz aus dem Material derselben errichtet■ " Dies bestand weder aus Adobes, noch, wie in
der Misantla Gegend aus behauenen Steinen, sondern aus Flußgeroll und Mörtel. Der Kern ist sehr feste, mit Pluß-
geröll vermischte Erde Alle nach außen gekehrten Seiten werden durch in Reihen gelegte, mit Mörtel verbundene Fluß-
steine gebildet, die einen decken, glatten Mörtelverputz und darüber oft noch eine feine Stuokschicht tragen, denn die
Mauern waren ehemals zweifellos in großer Ausdehnungbemalt.' DasselbeMatenalistauehmdensonstigenEuinender
Umgegend von Cerapoallan. z. B. Cerro Montoso und Ranch.to de las Animas, verwendet.« Der pyramidale Typus
der Bauten entspricht dem in der Misantla-Gegend herrschenden; nur zeigen die Cempoallan-Bauten eine weit größere
Mannigfaltigkeit - es kommen auch Pyramiden mit rundem Baukörper vor - und beanspruchen durch die vielfach
noch erhaltenen Oberbauten ein weit höheres Interesse. Für die stattlichsten unter ihnen, die in den bis jetzt vor-
handenen Beschreibungen hauptsächlich berücksichtigt worden sind ist sicher die Bezeichnung „Tempel“ richtig
Wenn man den von der mexikanischen Expedition veröffentlichten großen Situationsplan der Ruinen betrachtet,
so fällt vor allem die außerordentliche Weiträumigkeit der ganzen Anlage67 * und die ziemliche Regellosigkeit in der
Verteilung der Sistemas“ oder Komplexe ins Auge. Solcher Komplexe haben die mexikanischen Archäologen im
ganzen 12 gezählt Es sind ausgedehnte Terrassen- und Wallanlagen, die wohl schwerlich, wie Del Paso y Troncoso
annahm Verteidigungszwecken dienten, sondern nach Seler die Umwallungen heiliger Bezirke waren.66 In der
Tat umschließen die meisten von ihnen eine Anzahl von Tempelpyramiden, die nicht immer in der Mitte stehen
sondern häufig mit einem Teil ihres Körpers der Umfassungsmauer aufgesetzt sind. Diese Tempelpyramiden erheben
sich gewöhnlich nicht direkt auf dem gewachsenen Boden, sondern auf niedrigen Plattformen (Terraplenes, oft nicht
höher als 1 — 1,5 m) sehr unregelmäßig-polygonaler Form, die neben den Pyramiden gewöhnlich noch die Wohn-
bauten trugen. Diese werden wohl meist aus vergänglicherem Material bestanden haben, bis auf die Paläste des
Kaziken und einiger Vornehmer.69
Die letzteren hat sicher Gomara im Auge, wenn er seiner Schilderung des Besuches, den Cortés dem dicken
Kaziken“ in dessen Palast abstattete, einige allgemeine Bemerkungen über den Hausbau der Totonaken hinzufügt
,Sie traten in einen niedrigen Saal ein; denn da es ein heißes Land ist, bauen sie die Räume selbst nicht hoch doch
Milchten sie sie aus Gesundheitsrücksichten auf (einer Plattform von) ebenem, festem Erdreich ’ ~ -
on daß rlcvp TT 11 on
60 Von, dieser Episode berichten alle Quellen.
61Torquemada 1. III c. 5 (I p- 251).
62„Plano de las ruinas de Cempoala ... por los Oficiales de
Ingenieros Capitán 2° P. P- Romero y Teniente F. del Ca-
stillo; con la cooperación del Director del Museo Nacional,
189!, Maßstab
Sr. Fancisco del Paso y
Troncoso
• inn Exemplaren chromolitho-
1 ; 300°- P1« ™de m.„ nicht in den Handel. Eine
graphisch vervielfältigt, kam ab« Wiedergabe bei Jesüs
stark verkleinerte photograph130*
Galindo y Villa 1. c. Lam- XIL
63Del Paso y Troncoso Catälogo II P- l7/18’ 29 98’ Je
Galindo y Villa 1. c. p. CIX CXV.
64Fewkes, Antiquities p. 235/6.
65Strebei, Die Ruinen von Cempoallan p. 11. Fewkes,
Antiquities p. 236. Seler G. A. V p. 143.
66 Strebei, Altmexiko I p. 88.
67 Fewkes I. c.; Mounds belonging to this metropolis were found
extending over a territory a mile square, but the main
buildings are crowded into a limited area.
68Del Paso y Troncoso Catálogo II p. 18—-21, Jesús Galindo
y Villa 1. c. p. CXXVIII—CXXX. Seler 1. c.
60 Auf den zentralen Komplex der ganzen Anlage (Sistema del
Templo mayor, No. IV), der besonders typisch ist, komme ich
noch einmal weiter unten zurück.
28
WALTER KR1CKEBERG
ungefähr in Mannshöhe liegt. Zu dieser Plattform steigen sie auf Stufen hinauf, und auf ihr rüsten sie das Haus
und errichten sie die Wände, die, ob sie nun aus Stein oder Adobes sind, einen glänzenden Gips- oder Kalkbewurf
haben. Das Dach ist aus Stroh oder Blättern, die so trefflich und eigenartig gelegt sind, daß es schön aussieht undzu-
gleich den Regen abhält, als wären sie Ziegel. Als Sitzgerät dienen Bänkchen: kleine geschnitzte Hauklötze, mit Füßen
und allem übrigem aus einem Stück.“70 Als Ergänzung hierzu können die Angaben dienen, die der älteste Bericht von
Cortés’ Expedition über den Hausbau an der atlantischen Küste macht, wobei in erster Linie sicher an die Häuser
von Cempoallan gedacht ist: ,,Die Häuser sind in den Gegenden, wo es Steine gibt, aus Mauerwerk und die
Gemächer in ihnen klein und niedrig, ganz nach maurischer Art. Wo Steine fehlen, bauen sie sie aus Adobes mit
einer Art Kalkbewurf darüber; die Dächer sind aus Stroh. Es gibt Häuser Vornehmer, die sehr luftig (frescas) sind
und viele Gemächer haben. Unsere Leute sahen z. B. mehr als fünf Höfe innerhalb eines einzigen Gebäudes, dessen
Gemächer sehr hübsch angeordnet waren. Jeder Vornehme hat in ihnen seine besondere Dienerschaft. Innen haben
sie ihre Brunnen und Wasserbehälter, ihre Gemächer für die Sklaven und das zahlreiche Dienstpersonal.“71 Merk-
würdig ist in beiden Berichten die Erwähnung von Adobes, die in den totonakischen Ruinenorten bisher nirgends
als Material der Bauten angetroffen worden sind.
Selbstverständlich ist diese solidere Bauweise nur auf die öffentlichen Gebäude und Paläste beschränkt geblieben.
Die große Masse der Bevölkerung lebte in der Tierra caliente in „Jacales“; zur Erklärung dieses Ausdrucks, der aus
dem Aztekischen stammt (xacalli), führe ich einige neuere Beschreibungen totonakischer Hütten an, da diese ohne
weiteres auch für die alten Zeiten ein richtiges Bild geben werden — im Bau seiner Behausung hat ja der Mensch in
allen Zonen zäh an dem einmal gewählte n Typus festgehalten. Nach Strebei haben die Hütten der Landbevölkerung
bei Misantla Wände aus dicht nebeneinander eingerammten, unbearbeiteten Baumstämmen, die einen ungeteilten,
viereckigen Raum umschließen und ein Dach aus einer Grasart oder Zweigen und breiten Blättern des Palo azote
oder Papadla tragen. Carlos Nebel, beschreibt in seinem Atlas Hütten aus der Gegend von Papantla mit einer Wand
aus dicken Bambusstäben und einem Dach aus Palmzweigen, das, soweit man aus der nicht sehr klaren Abbildung
erkennen kann, ein Kegeldach ist und nahe dem unteren Rand einen besonders abgesetzten Teil hat, der vorn, gestützt
von mehreren Pfosten, eine Veranda bildet. Am Abhang der Sierra Madre, im Distrikt Huauchinango, nähert sich
die Bauweise schon mehr den Adobehäusern der Hochlandsgebiete, insofern als die die Wände bildenden Pfähle mit
Lehm überschmiert sind, dem man eine glatte, saubere Oberfläche gibt. Das Dach ist hier, wie Starr schreibt, aus
Stroh schwer und solide gearbeitet, weit über die Wände vorspringend und viereckig, wobei die Kanten abgerundet
werden, so daß d’e Häuser von weitem täuschend den Anblick von Rundhütten gewähren. Die Konstruktion entspricht
genau derjenigen der aztekischen Häuser von Tamalin, Tantima und Ozuluama in der Huaxteca. — Das Mobiliar der
Jacales beschränkt sich außer dem Koch- und Eßgeschirr (s.u.) auf ein Blätter- oder Mattenlager (Nebel spricht von
einem Bambusgestell mit Stroh sack) und einen viereckigen Holzklotz, der als Kopfbank und Sitzschemel dient.72
Die alten Totonaken waren — und ihre Nachkommen sind es noch heute — durchweg seßhafte Ackerbauer,
die ausgedehnten Feldbau in der Form der Rodungswirtschaft trieben (totonakisch: tapacan ,,roza“, die Rodung;
tacuxtu ,,milpa“, das bebaute Beet; chanat ,,coa“, das Grabscheit) und daneben zahlreiche Fruchtbäume pflanzten.73
Die Anbaupflanzen waren, wie in der Huaxteca, Mais, Bohnen, Chilepfeffer und allerhand Knollenfrüchte, wie Bataten,
Quequexqui (Colocasia anti quorum), Huacamote (Jatropha manihot) und Yams (Dioscorea alata). Sie machten den
wesentlichen Teil der Nahrung aus, doch steuerten daneben Meer und Flüsse Fische, Urwald. und Savannen Wildbret
bei. Ein ganz richtiges Bild der verschiedenen Wirtschaftsformen geben schon die ersten spanischen Berichte. Auf
dem zweitägigen Marsch von S. Juan de Ulúa nach Cempoallan trafen die Spanier zunächst in dem sumpfigen Lagunen-
gebiet (tierra anegadla, lagunajos) an der Antigua-Mündung eine Fischerbevölkerung in armseligen Baracken und
mit wenigen, kleinen Maisäckern. Weiter aufwärts am linken Ufer des Flusses kämen sie durch Savannen mit reichem
Wildbestand (Hirschen); diesen Charakter behielt dm Landschaft bis in die Nähe von Cempoallan bei, das zwischen
zwei Flüssen inmitten bewässerter Felder und Fruchtgärten lag (wie heute noch, s. o.). Hier erhielten sie Lebensmittel
in reicher Fülle, außer Mais vor allem Früchte: ,,unos 9estos de ^rguelas, que avia muchas, porque era tiempo debas.“
Am Fuß des Cofre de Perote endlich, in der Gegend von, Xicochimalco, fanden sie zahlreiche Spaliere mit einer Art
Weinrebe (parras de ubas de la tierra) und Honigbäume.74
Einige Bemerkungen aus der Literatur zu dem Kapitel „Wirtschaft“, die speziell d:e Totonaken betreffen und
einiges Neue bringen, seien hier noch beigefügt. Sahagún preist in seinem ethnographischen Kapitel (1. X c. 29 § 7)
70G6mara Crön. c. 33 (p. 55).
71Carta de Yeracruz p. 2t. Auch die übrigen Bemerkungen
über die kulturellen Verhältnisse des bis dahin entdeckten
Küstengebietes, die sich hier finden, können wohl größtenteils,
trotz ihrer allgemeineren Fassung, auf das südliche Totonaken-
land bezogen werden, das damals, kurz nach der Gründung
Villa Rica, den Briefschreibern allein genauer bekannt
und auch am nächsten lag.
‘^Strebel, Die Ruinen von Cempoallan P- 24/25. Nebel,
Voyage pittoresque, PI. „Papantla, Pueblo de Indios Toto-
nacos.“ Starr, Notes upon Ethnography I p. 186. Nach der
Descr. de Guauchinango in Col. Doc. Ined. IX (1868) p. 122
von
war
waren die Häuser dieser Stadt damals (1609) noch durchweg
„pajizas y muy h umildes, como lo son todas las de indios.“
3Vgl. die Bemerkungen Mühlenpfordts (Méjico IIp.52) über
den Feldbau in den Distr. Misantla und Papantla. — Die
terrassierten Berghänge der alten Höhensiedlungen (s. o.)
deuten darauf hin, daß neben der Rodungs- auch die Ter-
rassenkultur (wie in Peru) in großem Umfang betrieben
wurde.
4B. Díaz c. 44 und 45 (I p- 1^6 128), Gomara Orón- c. 32
(p. 33, 34), Herrera Dec. II !• V o. 8 (1 p. 122). — B. Díaz
e. 61 (I p. 172), Gomara Crön- c. 44 (p. 46).
DIE TOTONAKEN
29
auch Totonaeapan mit ähnlichen Worten wie die Huaxteca als ein Land der Lebensmittelfülle und rühmt dann weiter
unten die Kochkunst seiner Bewohner :
In intlalpa tona ixquich in onca in tonacayotl. yxquich onca yn xochiqualli.
„In ihrem Lande ist es heiß; dort gibt es alle Lebensmittel, dort alle Früchte.“ -
tel yeh aic omochiuh yn cacavatl yn veinacaztli. .
..Aber niemals wurde dort Kakao und Veinacaztli (Pflanze, die eine wichtige Zutat zum Kakao liefert)
in(Hlonwa 'vit~vn xochiocotzutl. auh in axcan vel ompa motlahilchiua yn castellan vitz. xochiqualli.
„Dorther kommt (vielmehr) der Li quidambar. Und heutzutage kommen mittels Düngung« dort die
Früchte, die aus Spanien stammen, gut fort.
Auh mimati in intlaqual ompa vitz (in quilhua) tlapictli nacatamalli yntetonal.
„Und, sie sind sorgsam mit ihren Speisen; von dort kommen, sagt man, die gehörig zubereiteten Fleisch-
tamales, die ihnen eigentümlich'6 sind.
In intlaxcal cemmolicpitl catca inic yavaltic.
„Ihre Tortillas waren so groß wie eine Elle in ihrer Rundung (im Durchmesser).“ —
vd innacayo yn chilli inic tlaquaya. comalcopa valquiga in tlaxcalli chiltitlan quivallaga ga quimochicavia.
Fürwahr ihre Speisen pflegen sie mit Chilli (spanischem Pfeffer) gewürzt zu essen. Kommt die Tortilla
vom ’Tontiegel’herunter, so werfen sie sie in Chilli, machen sie sich dadurch nur kräftig.“
Auch Strebei spricht noch von den pikanten Saucen aus zwei Arten spanischen Pfeifers, dem großen Chile und
dem kleinen sehr scharfen Chiltepin (Chiltecpin), die bei den Totonaken von Misantla die einförmige tägliche Mais-
kuchennahrung würzen. Nach ihm heißt der große Chile toton. ziuma-pim, der Chiltepin ischpinzoc.« In meinem
sprachlichen Material finde ich noch folgende Worte für Chile verzeichnet:
istaca-pin „chilchote“ (chile verde)
lagtzu-pin „chiltepin“
titlanca-pin „chile ancho
jini-pin Oder iscun-pin „chilpotle“ (= chilpoctli „chile ahumado“, d. h. geräucherte Chileschoten).
Das gewöhnliche Wort für „Mais“ ist cuxi; folgendes sind totonakische Bezeichnungen für Maisgerichte:
Ö isquitit masa“, der durch Kochen mit Ätzkalk und Zerquetschen auf dem Mahlstein zubereitete Teig
chau „tortilla“, der auf dem Tontiegel geröstete Maisfladen.
tamagti-chau „totopos“ (= totopochtli „tortilla muy tostada"), der in einem eingegrabenen Topf scharf
geröstete, als Reiseproviant dienende Maisfladen.
huat „tamales“, Maisklöße, die mit Bohnen, Fleisch u. a. gefüllt sind.
kela, izltoquita „atole“, Maismehlsuppe.
ixmita-kela Jocoatole“, Maismehlsuppe mit einem Zusatz von xocotl (säuerlichen Früchten).
Auch in der Sierra waren natürlich Mais in der Form von Tortillas mit Pfeifers rr
Fleischfüllung usw. die Hauptnahrung. Dazu kamen inHuauchinango (nach einer alte^TM ’^’?ia^es Föhnen- und
Pulque (aus dem benachbarten Hochland eingeführt), Apfelwein und, schon d ' / *! (''aei°n) als Getränke Kakao
nach Bandelier ist jetzt in diesem Distrikt der Zuckerrohranbau ganz besonders (1609)> Zuckerrohrbranntwein •
Bohnen und Chile war um Huauchinango übrigens nur gerinefütriu und ,i„,,, "" ’ cbwan8e- Der Anbau von M»h’
während der große Reichtum an Obst, vor allem Aguacates, auch hier hervor’“i ‘^ BedÜrfnisse jedes einzelnen’
Das Hauptjagdwild der heutigen Totonahen bildet das Pekari M» I Z f1 en ™d-78
auf dem Wechsel aufstollt, durch ein herabsausendes, mit Steinen beschwertes Rat 7? *'8 ^in Fal,en. die man
dann über langsamem Feuer gedörrt, um eine Dauernahrung für mehrere t! k®ndacil ««tötet. Das Heisch wird
wärtig in der Sierra mit kleinen Beutelnetzen betrieben die mit 7’ f ™ lanSen” Fischfang wirdvev ’
befestigt sind. Diese werden mit den Enden nach unten auf dem C T , ®n Rand an U-förmigen Holzbö
in das Netz getrieben werden.»» Für Angelfischerei in alter Zeit sprfehTdtß inT^T “ daß diePisfhe
gebogene Angelhaken aus Kupfer gefunden wurden.8' P *’ d J 1 den Dui'en des Cerro de Metates •
Im Anschluß hieran sei noch erwähnt, daß es in Totona ' ZW61
gab. Er nennt die Arten metlapilcoatl, aueiactli und quetzXatlVndtzÄ“ Zal’lreiche Artige Schlangen
■ von einer merkwürdigen Methode.
• a wn'h Schmutz (tlahilli oder tlaelli
75 mo-tla-hil-chiua eig. „es wird mit bemm v
,suciedad') gemacht“. Zukommende, sein Anteil“
76te-tonal eig. „das dem einzelnen A A
. . , , riimitada para otro , Molina),
(..ración de alguno, o cosa dipum i
77 Strebel, Die Ruinen von Cempoahan P'
,aT- A n n • „ mi 122, 124. Starr, Notes
78Descr. de Guauchxnango p- Í/,L’
upon Ethnography I p. 186. o_
79Strebel, Die Ruinen von Cempoallan p. •
x p. iöö/V. Nächtlic
Fischerei der Tepehua mit der Machete, bei Fackelschei
ibid. p. 185. Nach Strebei, Ruinen von Cempoallan p. 10, s
heute in der Gegend von Cempoallan auch Fischfang dur
Vergiften des Wassers mit dem ätzenden Safte der Habi
(Hura polyandra) betrieben werden.
81 Strebei, Altmexiko II p. 13; Tafel VII, 29.
30
WALTER KRICKEBERG
durch die man sich der aueiactli erwehrt habe: traf der Wanderer sie, wie gewöhnlich, quer über dem Wege hegend,
um auf ihre Beute zu lauern, so warf er kleine Papierdüten oder Töpfchen mit Tabakspulver nach ihr und ließ sie
dann, wenn sie schon halb betäubt war, noch in ein tabaksgetränktes Stück Stoff beißen. Darauf konnte man sie
gefahrlos töten.82
3. Äußere Erscheinung. Materielle Kultur. Kunst,
Das bisher veröffentlichte Material zur Anthropologie der Totonaken beschränkt sich auf die Beschreibung
zweier Schädel der Strebelschen Sammlung, die auf dem Cerro Montoso gefunden wurden, durch Dr. Rudolf Krause,
und auf die Untersuchungen Starrs bei der heutigen totonakischen Bevölkerung des Distriktes Huauchinango; der
Schädel, den Gratiolet als totonakischen beschrieb, gehört wohl eher in die südlich angrenzenden Gebiete und wird
daher hier nicht berücksichtigt werden. Für die Tepehua liegen wiederum Messungen Starrs vor.
Was Krause an den beiden einander sehr ähnlichen und augenscheinlich Männern mittleren Alters angehörenden
Schädeln fand, daß sie nämlich ,,in exquisiter Weise die hohen Breitschädel der alten mexikanischen Bevölkerung
repräsentieren,“ ist auch durch Starr vollkommen bestätigt worden. Krause fand einen Längenbreitenindex von
90,9 bzw. 93,1, Starr als mittleren Wert bei 125 Individuen 85,9 (Maximum 95,8); 61% aller Untersuchten waren
hyperbrachykephal, d. h. die Totonaken sind unter allen von Starr gemessenen mexikanischen Stämmen die extremsten
Breitschädel. Auch die Tepehua sind Breitschädel, doch lange nicht in so ausgesprochenem Maße (mittlerer Index 84;
nur 39% sind hyperbrachykephal). Im übrigen besitzen, dm Cerro Montoso-Schädel nicht viele besonders hervor-
stechende Merkmale. Das Hinterhaupt ist abgeplattet und im senkrechten Durchschnitt fast quadratisch. Die Ka-
pazität beider Schädel weist eine sehr niedrige Ziffer auf (1160 bzw. 1180 ccm), doch warnt Krause hier mit Recht
vor übereilten Schlüssen, solange das Material noch so dürftig sei. Jedenfalls zeigt der Gesichtsschädel keine primitiven
Züge; die Supraorbitalwülste sind kaum angedeutet, und nur einer von beiden Schädeln hat einen ausgesprochen
prognathen Oberkiefer, während der andere viel mehr orthognath ist, so daß die Gesichtswinkel um 10% differieren
(75 bzw. 85%). Die von Starr untersuchten Individuen machten allerdings infolge dicker Lippen und fliehenden
Kinns häufig einen recht prognathen Eindruck. Die Gesichter sind im Gegensatz zu denen der Tepehua mit ihren
breiten, schweren Unterkiefern nur in der Höhe der Backenknochen breit und verschmälern sich nach unten zu.
Die Körperfarbe ist bei beiden Stämmen ein helles Orange. Für die Körpergröße fand Starr bei 73% (Totonaken) bzw.
83% (Tepehua) aller Messungen einen Wert unter 1,60 m (kein Individuum war größer als 1,70 m); die Totonaken
und Tepehua sind also kleinwüchsig zu nennen.83
Zu diesem letzteren Resultat stehen die alten Quellen in direktem Widerspruch. Sahagün sagt in dem ethno-
graphischen Kapitel von den Totonaken:
Auh yn oquichtin yoan yn civa quaqualti. chipavaque. pipiaztique. cuillotique. vapaltique.
,,Die Männer und die Frauen sind gut (gewachsen), sauber, schlank, hager, von langem Wuchs“.
Saugrohr (piaztli) und Balken (uapalli) dienen hier als Vergleiche. Ebenso erzählt Gömara, die Totonaken
seien den Spaniern schon in S. Juan de Ulüa unter den übrigen Indianern wegen ihrer Körpergröße aufgefallen (porque
eran mas altos de cuerpo que los otros).84 Vielleicht waren die Totonaken der Küstenebene um Cempoallan, auf die
sich diese Bemerkungen beziehen, in der Tat großwüchsiger, als ihre Stammesgenossen im Gebirge, ein Erscheinung,
die auch sonst vorkommt und auf die Verschiedenheit der Lebensweise zurückzuführen ist. Aber man darf auch nicht
vergessen, daß die Totonaken, insbesondere ihr südlicher Zweig, alles andere e her als eine homogene Masse waren, weder
in anthropologischer, noch in kultureller Beziehung. Wir haben, worauf schon weiter oben hingewiesen wurde, gerade
von diesem Volke positive Nachrichten, daß es in prähistorischer Zeit einer Reihe von Überflutungen durch andere
Stämme, vor allem Naua, ausgesetzt gewesen ist. Seit dem Erscheinen der Strebelschen Arbeiten besitzen wir dafür
eine Menge klarer archäologischer Belege (s. o.), und es ist daher zu hoffen, daß sich auch bei einer ausgedehnteren
anthropologischen Untersuchung, selbst noch bei den heutigen Nachkommen der Totonaken, zahlreiche somatische
Unterschiede als Zeugnisse der prähistorischen Völkerschichtung und Völkermischung finden werden. Zeigt doch
schon die Bevölkerung so nahe bei einander hegender Orte wie Yecuautla und Misantla zwei verschiedene somatische
Tvpen (kleine Statur, rundes Gesicht, stärkere Prognathie — höhere Statur, schmales Gesicht, geringere Prognathie),
deren Gegensatz noch durch die Verschiedenheit der Charakteranlage, Sprechweise und Gebräuche unterstrichen
wird.85
Unsere Kenntnisse von Schmuck und Tracht der Totonaken zur Zeit der Conquista sind ziemlich lückenhaft.
Die zeitgenössischen Berichte beziehen sich fast ausschließlich auf die südlichsten Angehörigen dieses Volkes, die,
wie gesagt, schon ziemlich stark von fremden Elementen durchsetzt waren. So sind auch die zahlreichen Tonfigürchen,
die aus demselben Gebiet stammen, zum überwiegenden Teil wohl den südlich angrenzenden Nachbarn der Totonaken
zuzuweisen (s. o.), scheiden hier also von der Betrachtung aus. Für den ganzen Norden, das Gebiet nördlich von
den Otomi-Schädeln am nächsten stehen (Anthr. du Mexique
p. 88/89).
Characters p. 45—4g. Hamy findet, daß die Schädel von ^Gömara Crön- c. 28 (p. 29).
Cerro Montoso, die er selbst in Berlin studierte, morphologisch 85 Strebei, Archäol. und Ethnol. Mitteil. p. 9/10.
82 Sahagün 1. XI c. 6 § 5.
83Krause bei Strebei, Altmexiko Ip- 101—106; Starr, Physical
DIE TOTONAKEN
31
ö
Misaptla, liegen nur wenige archäologische Belege vor, und für die Gebirgstotonaken in den nördlichen Distrikten
des Staates Puebla im wesentlichen nur neuere Berichte. Da die literarischen und archäologischen Zeugnisse ein
übereinstimmendes Bild nicht geben, so ist es am besten, sie getrennt von einander zu betrachten.
In dem Kapitel Sahaguns, das von den Totonaken handelt (1. X c. 2 § 7), heißt es von der äußeren Erscheinung
dieses Stammes:
iniquey achi mocuextecanequi in intlachializ.
„Diese gebärdeten sich in ihrem Aussehen ein wenig wie Cuexteca (= Huaxteken)-
yxmelac'pitique achi quavacaltique.
„Sie haben künstlich verlängerte Gesichter,«5 6 etwas abgeplattete Köpfe.“ -
vel mochi yxmelactique yxmimiltique (ipampa in quavacaltique) yxrmmilhque.
In der Tat haben sie sehr lange, grade Gesichter und sind von länglich-rundem Antlitz; (deshalb nämlich,
weil sie so abgeplattete Köpfe haben), haben sie länglich-runde Gesichter.“
Die Totonaken übten also die Kopfabplattung und waren darin Nachahmer der Huaxteken. Der Ausdruck
quavacaltic (von uacalli „Rückenkraxe“, deren Hauptteil ein Brett bildete) wird auch hier, wie in dem Sahagün-Para-
graphen. der die Huaxteken behandelt, zur Beschreibung der Deformation verwandt; in den sonstigen Ausdrücken
aber sind die beiden Textstellen verschieden. Während bei den Huaxteken die Köpfe breit undflach (patlachtic) genannt
werden wirdhier sehr stark die Langgesiohtigkeit betont; melactic übersetzt Mohna mit „cosa derecha y luenga“
(von melaua enderecar alguna cosa tuerta“, also grademachen, in die Länge ziehen) und mimiltic mit „cosa rolliza,
corno "pilar“ №o walzrund im Gegensatz zu ololtic, kugelrund). Das kann nur bedeuten, daß die Totonaken
eine andere Art Kopfdeformation übten, als die Huaxteken, und man fühlt sich versucht, die alte Gegenüberstellung
der Loncrheads“ und Elatheads“ auch auf diese beiden Stämme anzuwenden.
Von l innen Ohr” undNasenzieratenistbei Sahagün nicht die Rede, obgleich sie doch nach allen spanischen
Berichten aus der Zdt der Eroberung bei denCempoalteken und ihrenNachbarn eine große Rolle gespielt haben müssen.
SO sagt Petrus Martyr; „Beide Geschlechter durchbohren das dicke Fleisch der Ohrläppchen und stecken in die
Öffnung Hängeschmuck (perpendiculos). mit Edelsteinen und Gold verzmrt. Die Männer aber durchstechen den
Zwischenraun? zwischen dem äußersten Bande der Unterlippe und den Wurzeln der Zahne des Unterkiefers, und
gleichwie wir um den Ringfinger Kleinodien schlingen, so stützt in diesem Lippenloche eine dickere Scheibe (lamina)
den inneren Rand so daß« vorspringt. Im Umfang kommt dies Schmuckstuck einen, silbernen Karlstaler gleich,
in der Dicke einem Finger “« Brwas weniger gewunden druckt sich B. Diaz aus; nach ihm trugen die totonakisohen
Gesandten die Tortes in S Juan de ülüa vorgeführt wurden, „große Löcher in den Unterlippen und in ihnen Scheiben
dt ’ d ' teinen von blauer und anderer Farbe inkrustiert und mit in.™ o»u<.n. - - - -
ucu uuci mv -----------------o~o -------------cnuo mijjvei-örancuicll die Ansrl •• 7
(sortijas, sortijones) und „Räder“ (rodeguelas); Scheiben oder Pflöcke sind natürlich auch 1 arucJi:e »Ring«
übrigens der Einzige, der auch von Nasensehmuck spricht. Seine besonders anschauliche und P L-
lautet; „Sie trugen die Xasenknorpel so ausgeweitet, daß sie fast bis zum Mund hinabreicht • cke Schilderung
,Ringe' aus Gagat (azabache) oder Bernstein (ambar quajado) oder anderem ebe • m clen Löchern hingen
gleichfalls die Unterlippen durchbohrt und in den Löchern große ,Ringe' aus Qoll^ voJlem Material. Sie trugen
sehr fein waren, aber ein derartiges Gewicht hatten, daß sie die Unterlippe bis ° Türkisen> &e nicht
freilegten. Sie taten das in der Meinung, daß es hübsch und gut anzuselien sei**b Kmn hinabzogen «nd die Zähne
nie dergleichen Häßliches gesehen, waren sie dadurch sehr entstellt. Denn ol úTP" " Augen der Spanier, die
die Lippen und Ohren durchlooht trugen, waren doch bei ihnen die Löcher 1, A"'! LeuteMoteopumas gleichfalls
Bei einigen war i„ die Nasen(scheidewand) nur ein großes Loch geschnitten^ u "nd dh ’Rädohen‘ darin klein
alle hatten in ihre Ohren so große Löcher gemacht, daß bequem jeder E T War kein Kloak darin) aber
befestigten sie dann Gehänge (cercillos) aus Gold und Steinen Ober d ^ T n? Hand in ihnen PIatz fand darin
Gesichtsbildung (diferencia de rostro) verwunderten sich die Unserenset ““f “ AnMick ™d die ^wetehende
das synonyme arracadas gebraucht.89 1 m * An einer anderen Stelle wird für cercillos
5Die Form yx-melac-pi-ti-que mit dem eingeschobenen pi
(-melactic bedeutet „lang, grade“) ist sehr auffallend. Ich
nehme an, daß yxmelacpittique zu lesen ist, was auf yxmelacpic-
tique zurückgehen würde, ebenso wie Tepi(t)toton auf Tepic-
toton „die kleinen künstlich gemachten (Idole)“ d. h. die
Berggötter, te-pic-tli ist ein passives Verbalnomen von, tepiqui
„formen, modellieren, aus Teig kneten-“ Da melacticpic(tli)
„in lange Form gebracht“ schlecht klang, schob man pie ein
und assimilierte e an t, was häufig vorkommt.
P. Martyr Dee. IV c. 7 (p. 311/12).
B. Diaz c. 41 (I p. in), 45 (I p. 128), 51 (I p. 146).
89G6mara Cron- c. 28 (p. 29), 32 (p. 33), 39 (p. 42). Gomaras
Schüderung hat einige Ähnlichkeit mit der ethnographischen
Übersicht in der Carta de Vera er uz, in der von den damals
(1519) bekannten Völkern an der atlantischen Küste Mexicos
also im wesentlichen von den Totonaken von Cempoallan und
ihren südlichen Nachbarn an der Veracruz-Küste) gesagt wird
(p. 23): „In jeder Provinz haben sie eine abweichende Ge-
sichtsbildung, indem die einen die Ohren durchbohren und in
die Löcher sehr große und häßliche Schmuckstücke stecken,
die anderen die Nasenknorpel, so daß sie bis auf den Mund
herabhängen; in die Löcher fügen sie sehr große Scheiben
32
WALTER KRICKEBERG
Wichtig und interessant ist in diesen Beschreibungen vor allem die Erwähnung großer Lippenpflöcke. Wenn
auch Gomara im Gegensatz zu den ungefügen Lippenscheihen der Totonaken von Cempoallan die Zierlichkeit der
gleichartigen aztekischen Schmucke hervorhebt, so möchte ich doch annehmen, daß es sich gerade bei jenen um ein
Element der Hochlandskulturen handelt, das im südlichen Totonacapan Eingang gefunden hat. Denn der Lippen-
schmuck war das besondere Kennzeichen aller Hochlandsstämme, der Naua des Hochlandes von Tlaxcala und des
Valle de México, der Otomi und der Tarasca von Michuacan (vgl. Sahagún 1. X c. 29 § 4 und 11); dagegen fehlte er
den Mixteken und Tzapoteken, den Maya und Huaxteken. Die Mexikaner kannten kurze Lippenpflöcke (tentetl),
-stäbe (tezgacatl), -gehänge (tempilolli) und schweinshauerartig gekrümmte Lippenpflöcke (tezyacanecuilli), deren
Material je nach der Kostbarkeit Obsidian, Muschelschale, Bernstein, Bergkristall, Edelstein oder Gold. war. Da-
neben wird z. B. unter den Schmucksachen, die zum Tanzkostüm der Könige gehörten, im Sahagún (1. VIII c. 9)
auch eine Lippenscheibe genannt: temalacatentetl teuxiuitl coztic teucuitlatl ycallo ,,ein großer scheibenförmiger
Lippenpflock aus echtem Türkis (Türkismosaik?) in goldener Fassung,“90 der also den totonakischen Lippen-
pflöcken nach der Schilderung B. Díaz’ und Gomaras genau gleich war.
Auf dem ersten Blatt des in spanischer Zeit entstandenen Lienzo de Tlaxcala (Abb. 1) ist der totonakische Bote
dargestellt, der den Tlaxcalteken Cortés’ Briefe und Freundschaftsbeteuerungen überbrachte. In seiner Unterlippe
sieht man deutlich den kurzen, anscheinend knopfförmigen Pflock markiert. Im übrigen ist er durch seine leichte
Bekleidung als ein Indianer des heißen Küstenstriches gekennzeichnet. Das Haar
fällt ihm schlicht in den Nacken, und auf der Wange und dem linken Oberschenkel
bemerkt man — das ist das Wichtigste an dieser Darstellung — Zeichen, die zweifel-
los Tatauier muster darstellen sollen. In einer neueren Arbeit hat Seler zwei hoch-
interessante Steinreliefe von der Ruinenstätte Huilocintla im Distrikt Tuxpan
(zwischen der Hacienda S. Isidro am Rio Tuxpan und Castillo de Teayo), also von der
Nordgrenze des alten totonakischen Gebietes, beschrieben, die sich jetzt in Jalapa
und S. Isidro befinden. Es sind Darstellungen zweier sich kasteiender Figuren, be-
kleidet mit Schambinde und (augenscheinlich) xicolli, dem ärmellosen Priesterwams,
und mit sonstigen Trachtabzeichen, die uns hier nicht weiter interessieren, da sie die
bekannten des Gottes Quetzalcouatl sind. Ihren fremdartigen Ursprung verraten
sie jedoch dadurch, daß Arme und Beine vollständig mit sehr eigenartigen, kom-
plizierten Tatauier mustern überzogen sind.91 Da der Totonake des Lienzo de Tlax-
cala im Gebiet von Cempoallan, also an der totonakischen Südgrenze, zu Hause war
können wir das Tatauieren als ein weitverbreitetes, vielleicht durchgehendes Stammes-
abzeichen wenigstens der Küstentotonaken ansehen.
Leider ist die Figur des Lienzo das einzige uns erhaltene Bild eines Totonaken.
Nicht eine einzige Darstellung der bekannten historischen Bilderschriften gibt uns
von dem Aussehen dieses Volkes Kunde. Das ist besonders bedauerlich, da uns
in den auf aztekischen Quellen fußenden Berichten, wenn auch nur ganz vereinzelt,
einige interessante Schmuck- undTr achtstücke der Totonaken recht anschaulich
beschrieben werden. Als zu Axayacatls Zeit der große zylindrische Stein (temalacatl)
für den Hof des Haupttempels eingeweiht werden sollte, wurden aztekische Gesandte
außer in andere Länder auch an die Küste entsandt, um die Herrscher von Cempo-
allan und Quiauiztlan zu dei heier einzuladen. Sie wurden mit allen Ehren emp-
fangen. In Quiauiztlan schmückte man sie mit reichen Mänteln, Gürteln, Sandalen,
Kopfbinden aus Gold (apretadores de oro á las canecas), Lippenpflöcken aus Gold und Ohrpflöcken, und um die
Hände wurden ihnen Ketten aus Ambar (d. i. Bernstein oder eine gewisse Achat- und Opalvarietät) gelegt.92 Von
dem Herrscher von Cempoallan aber heißt es, daß er den Gesandten folgende Geschenke für Axayacatl überreichte:
Einen Fächer aus reichem Federwerk, groß und breit; er hatte in der Mitte eine goldene Sonne, die von kost-
barer Mosaik aus Smaragden (d. h. chalchiuitl) umgeben war, während der Sonnengott oben über seinem Haupte
,,wie einen Hut“ ein Diadem aus funkelndem Ambar trug (un amosqueador de pluma muy rica, larga y ancha . . . .,
tenía en medio un sol de oro cercado de muy rica pedrería de esmeraldas, y encima de la cabeza del sol, como sombrero,
una diadema de ámbar que relumbraba);
Ein Armband (brazelete) aus Gold mit reichem Federwerk;
Eine Perücke mit einem Bogen (oder Bügel) aus Schildkrötenschale; die Haare waren mit einem vergoldeten
Lederriemen durchflochten, und goldene Schellen hingen daran, gleich Fransen (una cabellera: el arco era de tortuga,
y cabello trenzado con un cuero dorado, con rapacejos de campanillas de oro).93
Abb. 1. Totonakischer Bote.
Lienzo de Tlaxcala fol. 1.
(nie das) aus Stein, die Spiegeln gleichen. Andere durchlöchern
sich wieder die Unterlippen bis zu den Zähnen und klemmen in
die Löcher große Scheiben aus Stein und Gold, die so schwer
sind, daß sie die Lippen, herabziehen, was sie sehr verunstaltet.“
Hiernach erscheinen also Ohr-, Nasen- und Lippendeformation
nach Völkern getrennt. Vielleicht hat Gomara nur infolge
ungenauer Benutzung dieser Stelle den Totonaken auch die
Nasendeformation zugeschrieben.
90 Seler G. A. II p. 541 (no. 17*).
91 Seler G. A. III p. 516—521.
92Duran Trat. I c. 36 (I p- 232).
"Tezozomoc c. 50 (p. 413).
DIE TOTONAKEN
33
man immer weder, daß die aztekisohe Originalfassung der
Bei Schilderungen, wie der vorliegenden, e Al)parat, der ehemals zweifellos (wie bei dem Parallelwerke
Cronica Tezozomocs und vor allem der bi clersc n m einige Anhaltspunkte zum Verständnis der beschrie-
Duräns) zu ihr gehörte, nicht erhalten ist. Versuchen wir daher, g
benen Stücke aus der übrigen Literatur zu gewinnen. Darstellungen im Codex Mendoza und in den
Die Form der altmexikanischen Facher ist .^eTezcatiip0cas im Atlas desDurto (Trat. ILäm. 6a) geläufig.
Codices der Wiener Gruppe, sowie aus dem schonen 1 ^ Sammlung des Naturhistorischen Hof museums zu Wien.
Außerdem existiert noch ein Originalfacher in der m gchmetterling; auf <jer anderen eine Blume in Federmosaik,
Der letztere zeigt als Mittelstück auf der einen beite ein ^ jungen Sonnengott, stehen. Dieser Fächer ist jedoch
Symbole, die beide in enger Verbindung mit Xoc P ];ostl,ar(..rl. bestimmte Rangabzeichen bildenden Fächern der
ein einfacheres Stück, das sich sicher nicht im ™ offoiibar auch der beschriebene totonakisohe.94 Interessant
mexikanischen Großen messen kann; ein solcher w (,;Haar"), tzoncaUi („Haarhaus“), cuexpalli („Haar-
ist die Erwähnung der „Perücke“. Man wir “!eib,,ng der Göttertrachten erinnert. Daß der Vergleich berechtigt
schöpf“) genannten Kopfputze in Sahaguns Besc ^ der daszur Kriegstracht der mexikanischen Könige gehörende
ist. lehrt eine andere Stelle bei Tezozomoc (o. h ^ ^ una cabellera trenzada de pluma de tlauhquechol“
tlauhquecholtzontli, „die Krone aus Löffelreiher _ ^ ^ Federkro„en im engeren Sinne, tzoncaUi heim- oder
ins Spanische übersetzt wird. TzonthAneiKl < en_ cnexpam schheßHch die aus Federn und ähnlichem
hutartig gearbeitete Federhauben, die d™ K 1 J ^ den Knaben am Hinterhaupt stehen ließ.« Man hatte
Material gearbeiteten Imitationen des Schopl . uck Tlalocs und der Pulquegötter), quauhtzonth „Kronen
z. B. aztatzontu „Kronen aus Reiherfedern () “ Bohon erwähnten tlauhquecholtzontli (der Schmuck Xipes),
aus Adlerfedern“ (der Schmuck der Cmwrt) bezeichnet. So heißt die mexikanische Kömgskrone,
Daneben werden aber auch abweichende Form auch xiuhtzontli, und bei Otontecuth dem Gott der
ein Kopfreif mit dreieckigem Stonbiatt neben Namen amatzontli ein Kopfputz geschildert der nichts
Otomi wird im Göttertrachtenkapitel Sahaguns ^ Abbildung eine wirkliche Mahne, eine Art aus Papier
mehr mit einer Krone zu tun hatsondern nac^ ^ der Perücke aus lockeren Federn die zum Putz Xipes
geschnittene Perücke ist. Dasselbe gdt vom t eine soiche Perücke, da ja Haare bei der Beschreibung
gehört. •• Wahrscheinlich war auch die totona ^ dann den Reif oder Bügel, mittels dessen sie um den Kopf
erwähnt werden. Unter dem arco de or ug
gelegt wurde, vorzustellen. bar tnehr der Fest- und Tanzausstattung angehorten und wie die
Während diese kostbaren Prurtet^ke r Gottheite„ waren, wird durch die folgende Schilderung
cabellera, vielleicht zugleich Trachtahze.chm AUtagserscheinung der Totonaken, vor allem von der Art ihrer
Sahaguns (1. X c. 29 § 7) ein gutes B.m
Bekleidung, entworfen: tlncavotl yn tlacanemihzth.
Iniquey vel yntech “/”"d JL Lebensart wohl zu eigen.“ -
Diesen fürwahr ist Ans* momaxtlatiaya. mocacha.
motlaquentia. in oqmchth motl lpV geknüpfte Gewänder (tlalpilli), Schambinden (maxtlatl)
„Die Männer tragen Mantel (qu
und Sandalen (cactli). oauequetzaltia.
momacuextia. woco«5fli^^enkbinden(macuextii),Hal8ketten(cOZCati)undvieler1eiFedersChniuck
.; Sie schmücken sich nn
hecacevaceque tecueCueXe^nazt\i) und mit Steinen besetzte Lederbinden (tecuecuextli) “ -
. ..
"asieren Sich, machen fertig ihr Rasieren. -
*11? Frauen* besehen sich in Spiegeln.“ -
” 1 mmleaue tlamachcueye. tlamachvipile. vel mirnah.
^SüTtragen Enaguas (cueitl) und Hemden (uipilli), Enaguas und Hemden mit (eingewebten oder gestickten)
Mustern! und verstehen sich (zu kleiden)." -
*Auh inic incuetoca mochiuhque imquey civa mtlatlapalcue.
Und folgendermaßen hießen die Enaguas dieser Erauen: ,ihre vielfarbigen Enaguas . -
” “rhaumme catca üa'Pa'Palli 9« neSU in inquechquen.
ca gauu y nneohauemitls: vielfarbig waren in der Tat auch ihre quechquemitls.“ —
„Sie trugen auch queex q
inic vel yecavi. »» P&tva.
j i E Hofmuseums Bd. VII (1892)
94Heger i. d. Annalen des k. • 669/70, III p. 656/7.
p. 395—398, Taf. XXI. Seler G. A. r F-
95Seler G. A. II p. 432, 487, 492.
?6l6r G• A- “ P' 436/6’ 449’af„6inen drei Sätze sind in der
.’Die von den Sternchen emgeschlM deJ, Academja
Fassung des aztekischon Origm&lmat 1 ,
de la Historia (Madrid) sehr stark \ercei ■. * 16 a
3 Baessler-Archir.
Auh inic cuetoea hiciuhq iniq y. eiva. in tlatlapalcue ca queeb
queme que catca, tlapapalli. §a nitli ini quechqne. y to ve
yecava. in pilchiva.
Die Emendation dieser Stelle rührt von Herrn Geheimrat Sele
her. Der spanische Text ist z. T. ganz willkürlich; er übersetz
zum Beispiel die ersten vier Worte mit ,,porque deeianser ella
Guastelas“, wovon nichts dasteht. Manche Autoren, wi
34
WALTEE KKICKEBERG
„Das war es, womit die vornehmen Frauen schön geputzt waren/ —
auh yn ye ixquich macevalli texocueye.
„Und alle (Frauen des) gewöhnlichen Volkes tragen blaue Enaguas.“ —
auh yn ye mochintin in intzonepilvaz. tlatlatlapalpoalli hivitica quilacatzovaya.
„Alle wickelten in ihre Haarflechten, die mit verschiedenen Farben gefärbt waren, Federn hinein.“ —
in tiyanquizco vellaxochimanca.
„Auf dem Markt waren sie schön init Blumen geschmückt.“
In dieser Schilderung wird also den Totonaken im Gegensatz zu den „schamlosen“ Huaxteken eine ziemlich
vollständige Bekleidung und reicher Schmuck zugeschrieben, durchaus von der gleichen Art wie bei den Hochland-
stämmen, woraus man vielleicht schließen darf, daß Sahagün hier speziell die Gebirgstotonaken um Huauchinango,
Zacapoaxtla usw. im Sinne hat. Bei den Männern wird neben dem Obergewand quemitl (Mantel, Schulter decke)
noch das tlalpilli genannt, ein Gewand aus dünnem, lockerem, netzartig geknüpftem Gewebe, das bei den Hoch-
landvölkern besonders die Krieger trugen.98 Und wenn es weiter unten heißt, daß nur die vornehmen Frauen das
quechquemitl trugen, so wiederholt sich auch hier eine Sitte der Hochlandvölker. Denn
das quechquemitl, ein dreieckiges, kragen- oder ponchoartiges Obergewand, galt bei den alten
Stämmen des Hochlandes als ein besonders kostbares Frachtstück. Im Codex Vaticanus A
ist fol. 61 (recto) eine mexikanische Fürstin mit dem quechquemitl dargestellt (Abb. 2), und
in den mexikanischen Bilderschriften religiös-kalendarischen Inhalts (besonders der Codex
Borgia-Gruppe) gehört das quechquemitl ganz allgemein zum Ausputz der Göttinnen. Den
Grund für die besondere Wertschätzung dieses Kleidungsstückes werden wir darin zu suchen
haben, daß es eine seltene und darum kostbare Importware darstellte; der Interpret des
Codex Vaticanus A gibt nämlich bei dem zitierten Bilde an, daß das quechquemitl bei Mexi-
kanerinnen, Tzapotekinnen und Mixtekinnen zu seiner Zeit im allgemeinen nicht in Gebrauch
gewesen sei — hier herrschte überall das uipilli —, wohl aber bei den Huaxtekinnen, und in
der Tat wird das quechquemitl nach Starr noch heute bei den Huaxteken und bei den süd-
westlich angrenzenden, mexikanisch redenden Bewohnern der Gebirgsdistrikte, von denen
einst die Besiedelung des Küstenstreifens zwischen dem Tuxpan und dem Cazones ausging,
getragen. Aus dieser Gegend mögen es auch die Totonaken bezogen haben, wofern es nicht
auch bei ihnen ursprünglich heimisch war (s. u.). — Bei der Erwähnung von Spiegeln
(tezcatl) in der Sahagün-Stelle wird man wohl an die geschliffenen, halbkugeligen Schwefel-
kiesknollen der Hochlandvölker zu denken haben.99 Die Wortema-cuextli und cue-cuextli
gehen auf eine Wurzel cuex- zurück, die „Lederriemen“ bedeutet und wahrscheinlich auch
in dem Volksnamen Cuexteca (Huaxteken) und in dem Ortsnamen Cue-tla-x-tlan (Cotastla)
steckt, die beide in den Bereich der atlantischen Küste gehören. Man darf daraus vielleicht
schließen, daß diese auch ein „Land des Leders“ war, wie sie ja auch als ein Land der Lebensmittelfülle, der
Weberei, der Stein- und Federmosaiken, kurz als ein Land des Reichtums und der hohen materiellen Kultur galt. —
Was endlich von der Haartracht der Frauen gesagt wird, ist eine wörtliche Wiederholung aus dem Paragraphen,
der über die Huaxteken handelt. Von einer Färbung der Haare ist auch sonst zuweilen die Rede.
Abgesehen von diesen huaxtekischen Elementen hatten die alten Totonaken nach dieser Schilderung also nichts
in ihrer Tracht, was als Stammesbesonderheit anzusprechen wäre und was sie von den Hochlandstämmen grund-
sätzlich unterschied. Koch heute sind die Totonaken der Gebirgsdistrikte in ihrer Bekleidung den benachbarten
Indianern des Hochlandes sehr ähnlich. Die weibliche Klei dung — bei den Männern herrschen schon durchweg Hemd
und Hose — besteht aus Enagua mit Gürtel (bei den Tepehua reich gestickt) und Quechquemitl, alles aus Baum-
wolle. Bei den Tepehua von Huehuetla und den Totonaken von Sta. Maria (de Tlapacoya) und Pantepec haben
die Quechquemitls denselben Schnitt, wie bei ihren aztekischen und Otomi - Nachbarn, und wie bei diesen kommt
das Kleidungsstück in zwei Formen vor, einmal in leichtem, mehr lockerem Baumwollgewebe mit diskreten, zier-
lichen Mustern aus auf gestickten bunten Wollfäden, sodann in dichtem, festem Gewebe mit gleicher, aber viel reicherer,
schwerer Stickerei, so daß der weiße Grund darunter fast verschwindet. Das Haar ist in zwei Zöpfe gebracht, in die
an den Enden bunte Bänder eingeflochten, und die dann über dem Kopf zusammengenommen und über dem
Scheitel verknotet sind.100
Abb. 2. Vornehme Aztekin.
Cod. Vaticanus A fol. 61.
Orozco y Berra, haben Guastelas „Guastecas“ gelesen und
daran weitgehende Schlußfolgerungen geknüpft, in denen sie
noch durch die ungenaue spanische Übersetzung des mocu-
extecanequi (s. o. S. 35) mit „se dice ser guasternas“ (= ,,guas-
tecas“) bestärkt wurden.
98Seler G. A. II p. 426.
"Lehmann hat im Bericht des XIV. Intern. Amerik, Kongr.
(Stuttgart) p. 335 die einzige bisher bekannte bilderschrift-
liche Darstellung der Benutzung solcher Spiegel besprochen.
Sie findet sich in einem bilderschriftlichen Stammbaum der
Staatsbibliothek zu Berlin und bildet dieHieroglyplie des Namens
Mochichiuagin („der sich putzt“): ein Mann, der sich in einem
Schwefeikiesspiegel besieht. Derartige Spiegel kommen in den
Sammlungen öfter vor; das Berliner Museum für Völkerkunde
besitzt zahlreiche in seiner alten Slg. XJbde.
l00Starr, Notes upon Ethnography of S. Mexico Part I p. 184,
186/7, Abb.fig. 64—67. Vgl- auch Nebel, Voyage pittoresque,
Planche „Indios de la Cierra de Guauchinango“. Die dort
dargestellte Frauentracht ist nach Nebel für die Bevölkerung
zwischen Huauchinango und Sta. Maria de Tlapacoya typisch;
DIE TOTONAKEN
35
Das Quechquemitl, das Starr, wie gesagt, bei den modernen Huaxteken und Mexikanern im nördlichen Teil des
Staates Veracruz antraf, ist also auch ein Bestandteil der heutigen totonakischen Frauentracht, wenigstens in den Di-
strikten des nördlichen Hochlandrandes undseiner Abdachung zum Meer hin. Im Totonaco der Sierra alta (von Papantla
usw.) gibt es für dies Kleidungsstück eigene Bezeichnungen, lagchihuit und tacoxni-tapon; die Enagua heißt kan
oder li-tampachin (li-tampahuitni) „womit man sich umgürtet.“ Weiter südlich, in dem Gebiet zwischen Papantla
und Misantla, ist die Frauentracht heute rein mexikanisch und besteht aus uipilli (ärmellosem Hemd) und Enagua.101
Am wenigsten wissen wir von der Tracht, die zur Zeit der Conquista in und um Cempoallan herrschte. Bei dem
gewöhnlichen Volk wird wohl die Bekleidung dem heißen Klima angemessen und daher ziemlich dürftig gewesen sein;
der Totonake des Lienzo trägt nur die Schanibinde (Abb. 1). Abei wie wai es bei den Vornehmen? Nach den
kurzen Andeutungen der spanischen Berichte scheint auch bei ihnen d e mexikanische Tiacht Eingang gefunden
zu haben. Der Kaz'ke von Cempoallan schenkt Cortes „viele Mäntel aus Baumwolle, die sie anlegen und auf der
Schulter verknoten, gleich denen, welche die Zigeuner tragen“ also mexikanische tilmätlis (Schulterdecken). Und
von den bereits erwähnten acht vornehmen totonakischen Mädchen wird gesagt, sie seien sehr gut gekleidet gewesen
und „wohlgeputzt nach ihrem Brauch“; alle trugen baumwollene Gewänder, u. a. dm landesüblichen, reich gemusterten
Hemden (ricas Camisas de la tierra) - d. h. also mexikanische uipillis - und goldene Halsbänder.102
Endlich mag hier noch die Schilderung der Carta de Veracruz zitiert werden, die zwar allgemeiner von der
ganzen atlantischen Küstenbevölkerung spricht, sich aber in der Hauptsache sicherlich auf die Totonaken von Cempo-
allan bezieht (vgl Anm 71): „Ihre Kleider ähneln bunten Priesterschärpen (almaizales). Die Männer verhüllen
ihre Schamteile und legen um den Oberkörper sehr dünne, bunte Mäntel nach Aid maurischer Aquizalcs. Die Frauen
des gewöhnlichen Volkes tragen bunte Decken vom Gürtel abwärts bis zu den Füßen und andere, die die Brüste
bedecken alles andere aber offen; die vornehmen Frauen aber sind in sehr dünne baumwollene Hemden gekleidet,
die sehr groß und wie Chorhemden (roquetes) gestaltet sind.“103 In dieser Beschreibung sind mit „aquizales“ und
„roquetes“ wiederum tilmatli und uipilli, die beiden mexikanischen Trachtstucke хат’ «v, und zwar in der
Form von tlalpilli d h dünnen, schleierartigen Geweben, gemeint. Bei der Erwähnung des Brusttuches aber wird
man an ein Kleidungsstück erinnert, das besonders in Yucatan verbreitet war, sich aber auch bei einer Gruppe von
Tonfigürchen der Mistequilla, also der Gegend um Cotastla, wiederfindet (vgl. III. Abschnitt).
Auf die Tracht der Priester werde ich weiter unten zuruckkommen.
Wenden wir uns nunmehr dem archäologischen Material zu, soweit es imstande ist, Aufschlüsse über Tracht-
end Schmucksitten der Totonaken zu geben. Eine Bestätigung der Nachricht Sahagüns über die Kopfabplattung
haben die ^chädel der großen, in ausgedehnten Teilen des südlichen Totonacapan zusammengebrachten Sammlung
Strebeis nicht erbracht Aber sie haben interessante Belege für eine besondere Aid der Zahnfeilung geliefert,
die in Kerben oder Einschnitten in den unteren Rand der Schneidezähne des Oberkiefers besteht, gewöhnlich je
zweien bei den beiden mittleren, je einem bei den beiden seitlichen Incisivi. Zuerst fand sich diese Deformation nur
an einem Schädel aus einem Grabfunde bei Cerro Montoso, während ein anderer, ebendort gefundener, sie nicht
aufwies so daß Strebei noch die Möglichkeit in Betracht zog, daß jener vielleicht der Schäde] eines erschlagenen
Feindes war den man der Leiche beigegeben hatte, also etwa eines Huaxteken, die ja Zahnfeilung übten. Aber
später hat man dieselbe zackenartige Austeilung noch an vielen Oberkiefern und einzelnen Schneidezähnen aus der
Umcebumr von Cerro Montoso, z. B. aus Otates, festgestellt, so daß sie unzweifelhaft eine besondere Eigentümlichkeit
der CerroMontoso-Kultur war, die über den größten Teil des südlichen Totonacapan verbreitet ist (s. o.). Kiefer-
teile mit ungefeilten Schneidezähnen haben vielleicht Frauenschadein angehört.104 Die gleiche Zahndeformation
hat man an Tzapotekenschädeln und tzapotekischen Figurengefäßen gefunden. Aber sie ist, wie ich meine, auch der
sägeartigen Zahnfeilung der Huaxteken nahe verwandt und kann gleichsam als Vorstufe zu dieser angesehen werden.
Die beiden Beliefe von Huilocintla, die für die Tatauierung zeugen, sind schon oben erwähnt worden. Daß
Körperbemalung geübt wurde, geht aus denhier und da gefundenen Tonstempeln10 Hiervor, jedoch beweisen das re-
lativ seltene Vorkommen, die Form und Musterung dieser Stücke, daß sie Importware aus dem mexikanischen Hochland
waren. Dasselbe gilt von spulenartigen Ohrpflöcken und Lippenknöpfen aus Obsidian. Dagegen sind die in überaus
zierlicher Filigranarbeit ausgeführten Fingerringe aus Kupfer augenscheinlich ein originales Erzeugnis der Cerro
Montoso -Kultur (und der verwandten Kultur von Atotonilco-Quimistlan), mögen sie auch sonst noch in anderen
Teilen Mexicos gefunden worden sein. Teils sind sie schlichte glatte Reifen, teils bestehen sie aus zwei dünnen Ringen
die durch Drahtfiligran verbunden sind, teils haben sie hohe Mittelstücke, die besonders menschliche Köpfe (oft
Totenköpfe) mit reichem Federschmuck in wunderbar feiner Arbeit darstellen. Diese Ringe kommen auch in goldener
Ausführung vor. Aus Gold sind auch ebenso fein gearbeitete Schmuckanhänger, die in ihrer Form, mit dem breiten
sie besteht gleichfalls aus Enagua und Obergewand (Quech-
quemitl ?), letzteres mit breiten gestickten Sau n. D Haar
, TTr,„f freiest und mit einem bunten
ist bei der einen Frau um den IXopi gei 0
Bande umwunden. . .
101 Cf. Nebel I. 0, Planche „öente de la Costa entre Papantla y
Misantla.“ Das uipilli trägt einen schmalen blauen Strafen
an den Säumen, die Enagua ein Mäandermuster am unteren
Rande. Das Haar ist von einem bunten Bande umgeben.
l02Gómara Cren. c. 33 (p. 34), B. Diaz c. 61 (I p. 146).
l03Carta de Veracruz p. 23.
104Strebei, Altmexiko I p. 49/50, II p. 7. Lehmann be
Bo man, Antiquités de la Région Andine de la Républiqu
Argentine II. p. 587.
105 Strebel, Altmexiko I Taf. Y, 28 u. 29 (Cerro Montoso), Ta;
XII, 26—28 (Cempoallan); II Taf. Vili, 12 u. 29 (Misantk
Gegend).
3*
36
WALTEE KRICKEBERG
unteren Teil, an die bekannten „beilförmigen“ costaricanischen Goldschmucke erinnern, und die offenbar eine Gott-
heit mit reichem Kopfputz darstellen. Solche Anhänger sind außer in Cerro Montoso auch in Papantla gefunden
worden.106 Das Auftreten ganz ähnlicher Ringe und Anhänger im tzapotekischen Gebiet eröffnet einen Ausblick
auf Probleme, die nur im Zusammenhang mit der Frage nach dem Verhältnis der Cerro Montoso-Kultur zu den
übrigen älteren Naua-Kulturen behandelt werden können (vgl. III. Abschnitt).
Überhaupt hat die Cerro Montoso-Kultur in Schmucksachen aus verschiedenartigstem Material (Kupfer, Gold-
blech, Jadeit, Bergkristall, Obsidian, Muschelschale, Knochen, Jet) eine bemerkenswert hohe Stufe erreicht, der
gegenüber das Schmuckinventar der Ranchito de las Animas-Kultur einigermaßen dürftig erscheint; die Fingerringe
aus Kupfer sind hier durch solche aus Seeschneckenschale (z. T. auch verziert) ersetzt.107 Unter den Halsketten
von Cerro Montoso erwähnt Strebei ein Collier aus 27 großen,
runden Muschelperlen mit einem Pekarizahn als Mittelstück
und einanderes aus 11 zylindrischen Muschelperlen, zwischen
denen größere beilförmige und kleinere birnenförmige An-
hänger aus demselben Material verstreut sind. Häufig
treten Schmuckplatten auf; sie sind dreieckig und vier-
eckig, aus kostbarem Stein, meist Jadeit, gewöhnlich glatt
oder mit wulstig erhabenemRand, zuweilen auch mitReliefen
oder Ritzzeichnungen geschmückt. Ein Prachtstück der
Strebelschen Sammlung, aus Colipa (südöstlich von
Misantla) stammend, das auch technologisch wegen der deut-
lichen Sägespuren und der subkutanen Durchbohrungen auf
der Rückseite sehr interessant ist, zeigt auf der Vorder-
fläche eine mit untergesohlagenen Beinen sitzende Figur
von eigenartigem Typus, die auf die einfachste Weise
mittels Röhren verschiedenen Durchmessers mit meister-
haftem Geschick in die harte Jadeitfläche eingeschliffen ist.108
Wir sind damit zu den im totonakischen Gebiet auf-
gefundenenMe ns c he ndar Stellungen gelangt. Das soeben
beschriebene Stück muß hier allerdings ausscheiden, da es wohl sicher aus den Mayaländern des Südens eingeschleppt
ist; Strebei hat treffend auf seine nahe Verwandtschaft mit einer ähnlichen Schmuckp]atte aus Ocooingo verwiesen.
Auch den reich skulpierten Gefäßdeckel aus Ton, der in Ranchito de las Animas gefunden wurde, und der sechs
hockende, lebhaft gestikulierende Personen zwischen altarartigen Aufbauten mit Tlaloc-Gesichtern auf der Fläche
zeigt, hält er wohl mit Recht für ein Importstück.109 Leider ist die Cerro Montoso-Kultur recht arm an figürlichen
Darstellungen. Für die Funde aus der Mi santla- Gegend, die wenigstens im Stil der Tongefäße manche Berührungs-
punkte mit der Cerro Montoso-Kultur aufweisen, sind die in Menge vorkommenden Figuren aus vulkanischem Gestein,
meist blasigem, porösem Trachyt, charakteristisch. Man kann sie in zwei Gruppen einteilen. Die eine umfaßt Hocker-
figuren von eigentümlichem Typus; sie sind in einem ziemlich konventionellen, eckig-geradlinigen Stil ausgeführt
und haben eine seitlich stark komprimierte und abgeplattete Form, wie die bekannten Steinköpfe aus dem südlichen
Veracruz (s. u.). Alle tragen auf dem Kopf einen Kamm (oder eine Krone) von steifen Federn, der an der Basis
von einem Bande umgeben ist.110 Ähnliche Figuren, aber in weit besserer Ausführung, augenscheinlich die Vorbilder
jener Misantla-Figuren, sind am Fuß des Cofre de Perote in dem Gebiet von Jalapa, Jico und Atotonilco-Quimistlan
gefunden worden.111 In Abb. 3 sind der Misantla- und der Jalapa-Typ zum Vergleich neben einander gestellt. — In
die zweite Gruppe gehören im Vergleich zur ersten ungleich roher ausgeführte Steinskulpturen in Gestalt eiförmiger
Köpfe, Büsten oder sehr primitiver Hookerfiguren. Auch dieser Typus ist durch ganz gleichartige Exemplare in
der Gegend von Jico und Atotonilco-Quimistlan vertreten. Was uns an ihm besonders interessiert, ist die charak-
teristische, wenn auch sehr rohe Andeutung der Haartracht. Die meisten Figuren zeigen nämlich auf dem Kopf
Abb. 3. Steinfiguren:
Cerro de Costitlan bei Jico, b. Pilón de azúcar. Slg. Strebei. (M. Y.
Berlin, IV Ca 13065 und 18948).
106 Strebei, Altmexiko I Taf. XVI (Text p. 36/7, 51, 53, 65, 78)
und II Taf. XXVII (Text p. 107, 122). Ganz gleichartige
Kupferringe aus Yahualica (Hidalgo), also von der nordwest-
lichsten Ecke des totonakischen Gebietes, bei Peña fiel,
Monumentos Atlas Tomo I Lám. 110 fig. 8, 9. Goldringe von
ähnlichem Typus ibid. Lám. 111 fig. 4—ß, darunter besonders
interessant fig. 5 (Gesicht mit Zahnfeilung!)• Fig. 4 soll nach
Cha vero, México á través de los siglos I p- 401 aus Teoti-
huacan stammen, fig- 6 aus Huajuapan (Oaxaca). In
Oaxaea sind diese Ringe auch sonst häufig; cf. Saville,
The Goldsmith’s Art in Ancient Mexico (New York 1920)
p. 145—147 und PI. III. — Ein Schmuckanhänger aus Pa-
pantla, von derselben Form wie der von Strebei abgebildete,
aber viel feiner gearbeitet, wurde von Batres, Arqueología
Mexicana Lám. XXVII, 1/2, Peñafiel 1. c. Lám. 112 und
Gaville 1. c. PI. XXI (p. 185/6) publiziert, ganz ähnliche
Stücke aus Oaxaca von Peñafiel 1. c. Lám. 111 fig. 7 und
Saville 1. c. PI. XIV (nach Nie. León). Es scheint dem-
nach, daß diese Schmucksaehen eine ziemlich weite Ver-
breitung haben. In ihrem Stil stehen sie gewissen Darstel-
lungen in den Bilderschriften der Vindobonensis-Gruppe, die
ja sowohl zu Totonacapan als auch zu Oaxaca Beziehungen auf-
weist, am nächsten; der Schmuckanhänger von Papantla
trägt auf der Rückseite ein Tages- und Jahresdatum (1 acatl,
4 couatl).
107Strebei, Altmexiko II P- 7, 10.
108Ibid. I Taf. XVI, 11 und 25 (Text p. 36); II Taf. VII, 14 und
27 (p. 14).
l09Ibid. I p. 69; Taf. V, 18 und XIV, 15.
110Ibid. II Taf. III, 1—6, 9 und 11; Taf. V, 4, 11 und 12.
111 Ibid. Taf. V, 6; XXV, 5, 7 und 11; XXX, 15.
die totonaken
37
Tonköpfchen: a. Zoncuautla, b, und c. Misantla-Gegend.
(M. V. Berlin, IV O 15 403, 12 658 und 12 674).
SIg. Streb el.
Höcker oder Wülste, die zweifellos Haarschöpfe und Haarkämme bedeuten sollen. Zuweilen findensich ein dreihöckriger
Hamm oder auch mehrere parallele Wülste, die von der Stirn nach dem Hinterkopf ziehen. An Einzelheiten gewisser
huaxtekischer Steinfiguren erinnern Wülste, die über den Vorderschädel, dann am Hinterkopf schräg nach unten
und schließlich am Halse entlang unter dem linken Ohr verlaufen (Büste von Las Galeras, zwischen Misantla und
Miahuatlan).112 Eine recht komplizierte Haarfrisur und -rasur setzt eine Büste vom Cerro de S. Pedro voraus,
deren Scheitel einen länglichen Wulst trägt, um den sich kreisförmig ein zweiter legt, während der Hinterkopf noch
von zwei querverlaufenden Wülsten bedeckt ist;113 ebenso Köpfe von Pilón de Azúcar, die auf jeder Seite des Scheitel-
höckers eine tiefe Furche zeigen, die seitlich an dem Gesicht herunterläuft und sich in der Schläfengegend einrollt.m
Zu der letzteren Tracht bemerkt Strebei, daß sie in Wirklichkeit kaum aus Haar hergestellt sein dürfte, „wenigstens
würde das Festhalten der Form komplizierte Befestigungsmethoden erfordern, die wir kaum voraussetzen dürfen.“
Ich glaube, daß diese Schwierigkeit fortfällt, wenn man an eine Haarschur in bestimmten Mustern denkt, wie wir
sie auch bei einer Gruppe von Tonfiguren aus dem südlichen Veracruz ganz typisch auftreten sehen.
Nur eine größere Gruppe figürlicher Tonaltertümer von geschlossenem, einheitlichem Stil ist bisher im. Gebiet
der Cerro Montoso-Kultur (im weiteren Sinne) gefunden worden, noch dazu nur in einer Lokalität, Pilón de azúcar
nördlich von Misantla. Aber diese hoch-
interessanten, von Strebei eingehend be-
schriebenen Köpfe und Büsten, Doppel -
becher, Henkelvasen und Bäucherlöffel mit
figürlichen Verzierungen scheiden hier von
der Betrachtungaus, da sie offenbar eine rein
lokale Schöpfung mexikanischer Kolonisten
im Totonakenlande darstellen. Die Aus-
führungist zwar etwas roh, aber unverkenn-
bar von der Formensprache der Hochlands-
kunst stark beeinflußt. Einen Haupt-
bestandteil bilden Tlalocköpfe, die zusammen
mit Figuren von Schlangen und Kröten, den Abb> 4
Tieren Tlalocs, in einem Hügel gefunden
wurcleip daucben gchlangenrachen hervorsehen, und schließlich eine besonders interessante Büste
nm -Gesichtem, P’, d der Nasenplatte Tezcatlipocas. Der ganze Befund deutet darauf hin, daß
mexikanischen Kultgemeinsohaft, die besonders dem Regengott huldigte, ho-
standen hat.“5 gen mögen hier drei Köpfchen von verschiedenen Fundorten, aber untereinander
\ on sonstig finden bei denen besonders die eigenartige Haartracht auffällt (Abb. 4).11« Sie sind für
den Verglich Jtehlv Gruppe von Tonaltertümern, die über die ganze Küste verstreut gefunden werden, von großem
Interesse markante Klasse von Steinskulpturen, die man schon lange den Totonaken zugeschrieben
Imt wiipÜiMiäufigsten in unzweifelhaft totonakischem Gebiet gefunden worden sind, und die vielleicht ursprünglich
in erTter Tinie der Kultur der nördlichen Totonaken angehörten (s.o.), bilden die Steinjoche und Palmas.
U t ' 1 i letzteren versteht man dreikantig-prismatische, mit einem dreieckigen Ausschnitt oder einer flachen Aus-
kehli ' auf der Unterseite versehene Werkstücke, deren dreikantiger Vorderteil gewöhnlich nahezu rundplastisch
aus" earbeitet ist, während die flache Rückseite nicht selten mit Beliefen bedeckt ist. Auch die Steinjoche sind meist
reidmkulpiert. Uns interessieren hier vor allem die Menschendarstellungen auf diesen Stücken. Auf den Steinjochen
erscheinen gewöhnlich mythische Wesen in Frosch- oder Adlergestalt, die wir hierübergehen können, da sie rein sym-
bolischen oder konventionellen Charakter haben und gewöhnlich stark stilisiert sind. Reliefe von mehr realistischer
Art sind ziemlich selten; A. Ernst hat ein Steinjoch aus Huatusco beschrieben, auf dessen Schenkeln man zwei Figuren
(eine männliche und eine weibliche ?) sieht, die sich beide durch ihre eigenartigen, mittels eines Gürtels befestigten Hüft-
tücher - das der Frau ist reich gemustert - auszeichnen.117 Größere Ausbeute an realistischen Menschendarstellungen
liefern die sehr vielgestaltigen Palmas. Bei einer Gruppe derselben ist die Vorderseite mit aufrechten oder knieenden
Figuren verziert, die wegen ihres interessanten Ausputzes unsere Beachtung verdienen. Die Mehrzahl dieser Stücke
ist bis jetzt bei Jalapa, Coatepec und Jico gefunden worden, also an der Südwestgrenze von Totonacapan, doch liegt
diesen Tonaltertümern und der Keramik von Tehuacan und
Teotitlan del Camino zu bestehen; z. B. findet sich in der
letzteren der bei Strebe! l.c.Taf.XII, 11 abgebildete TVpus
wieder, ebenso die Tlaloc-Krüge usw. (cf. Seler G A TT
p. 317—321). 1
“«Strebei, Altmexiko II p. 57 zu Tafel XII, 41 und 34
unf lbSt 1 Intem' Arch L Ethn' V (1892) P- 72/3, Tafel V, la
76, Taf. II, 14.
29, Taf. V, 13.
42; Taf. IV, 10 und IV, 2.
112Ibid. p
113Ibid. p
114Ibid. p. 41, ..her die Tlaloc-Funde be-
415Strebei, Altmexiko II p. 35 47,
sonders n 43 Seler Untern Arch. f. Ethn. II p. 287) fand
sonders p- 4o. beler (Intern 0rizaba (Tocuila), die den
Tonaltertumer m der Gegend von u . , n , ,,
t}--,. *. . . Material, Technik und Darstellung
Pilon de azucar- Funden in Mateii» > . .
nahe standen und wohl gleichfalls von einer mexikanischen
Kolonie herrührten. Stilistisch scheinen Beziehungen zwischen
WALTER KRICKEBERGr
38
Palmas : 5, 8—10 Coatepec bei Jalapa, Slg. Heredia. 6 Texolo bei Jico, Slg. Dehesa. 7 Fundort nnbekannt.
* (7: M. Y. Berlín, IV O 6100).
darin kein Grund, mit Fewkes an ihrer totonakischen Herkunft zu zweifeln, da sie in ihrem ornamentalen Beiwerk
durchaus den anderen Palmas gleichen. Fewkes hat drei besonders schöne Palmas von diesem Typus, die zu der
Sammlung Dehesa (in Jalapa) gehören und alle aus Texolo (bei Jico) stammen, veröffentlicht, vier andere aus der Samm-
lung des Berliner Museums für Völkerkunde (Slg. Strebei und Jimeno) sind von Strebei und Lehmann abgebildet
worden, eine weitere (im Museo Nacional de México) von Batres; ich selbst möchte hier die Aufmerksamkeit auf vier
Prachtstücke der Sammlung Heredia lenken, deren Originale sich im Museo Nacional de México befinden, die bis
jetzt aber meines Wissens noch nirgends publiziert worden sind. (Abb. 5, 8—10).118 Zum besseren Vergleich füge ich
auch die schon veröffentlichten Stücke noch einmal bei (Abb. 6 — 7, 11 16). Beinahe alle Figuren tragen die
Helmmaske oder Verkleidung eines Tieres, die freilich meist stark stilisiert ist und sich in Ornamentbänder
aufgelöst hat, die auch (als Rudimente des Tierkörpers ?) die ganzen Flächen neben und über den Figuren bedecken.
Am deutlichsten ist die Tiermaske, besser gesagt Tiergestalt-L mrahmung, in Abb. 5; hier sieht man hinter der plastisch
hervortretenden Menschengestalt eine ganze Dämonenfigur mit menschlichem Leib und einem Kopf, der wohl der
eines Schmetterlings sein soll.119 In Abb. 6 sieht der Kopf offenbar aus einem Vogelrachen heraus, und in Abb. 7
wird das Gesicht ganz von einem Rachen mit eingerollten Kieferenden und hoch aufragendem Federaufsatz um-
schlossen, den ich nach verschiedenen Analogien gleichfalls für den eines Vogels halten möchte.120 In Abb. 8 scheint
über dem Menschenkojrf wiederum der Oberteil eines Tierrachens (Schlangenrachen mit umgebogenem und ein-
gerolltem Schnauzenende ?) angedeutet zu sein. Die Ti er Verkleidung von Abb. 9 dürfte auf eine Form ähnlich der
118Fewkes, Antiqu. p. 262, PI. CXVI, CXVII (unsere Abb. 6,
15,16). Strebei, Altmexiko II Taf. XIV, 28 u. 32 und Taf.
XXV, 4 u. 31 (Abb. 11, 13, 14). Lehmann i. Arch. f. Anthrop.
N. F. VI Taf. IX, 6 (Abb. 7). Batres, Arqueología Mexicana
(1888) Lám. XVI. 3 u. 4 (Abb. 12). Die Palmas der Heredia -
Sammlung sind nach Abgüssen im Berliner Museum gezeichnet.
— Del Paso y Troncoso beschreibt im Catálogo Ip. 175—178
dreizehn „piezas claviformes“, d. h. Pahnas, der Sammlung des
Museo Nacional de México und der Escuela Preparatoria de
Jalapa, alle aus totonakischem Gebiet, aber nur drei mit
genuaeren Herkunftsangaben (Tuzapan, Zacapoaxtla und Vega
de Alatorre). Unter ihnen sind verschiedene, die Menschen-
figuren auf der Vorderseite zeigen; leider sind mir Abbildungen
dieser Stücke nicht bekannt geworden.
Vgl. die Darstellungen der Itzpapalotl im Cod. VaticanusB fol.
63. Auf einem von Sei er G. A. III p. 541/2 besprochenen
Palmarehef erscheint eine menschliche Figur in ähnlicher
Schmetterlings Verkleidung, die über einer Blume schwebt. In
beiden Fällen ist der Schmetterlingsflügel „gewissermaßen als
Kamm oder Nackenkragen der Helmmaske angefügt.“
120Vgl. eine Palma aus Tetela. de oro bei Penaf iel, Monumentos
Atlas Tomo I Läm. 102, und eine sehr ähnliche aus Chilac bei
Lehmann, Ber. des Ethn. Mus. in München IV p. 98, Abb.
24c; ein Gesicht, das aus dem Schnabel eines Vogels mit
Scheitelfederkamm hervorsieht. Auch sonst kommen Vogel-
helmmasken vor; Del Paso y Troncoso l.c.p. 176, 177 spricht
von „careta de ave con copete rectangular, como si fuera
cresta“ und „careta de ave, coronado de penacho alto de cinco
gajos 6 plumas por lado.“ Nach Seler G. A. III p. 540handelt
es sich bei den Stücken mit Federkamm um den Quetzalcox-
coxtli, das Waldhuhn der Tierra caliente, dessen hochauf-
ragender Scheitelkamm auch für sich allein das Motiv ver-
schiedener Palmas bildet,
die totonaken
39
Strebei 12 Fundort unbekannt, Slg. des Museo Nacional de Mexico. 14 Cerro de la
Palmas: II und 13 S. Marcos bei Teocelo Slg. »treuen - - (lb 13> 14: M. V. Berlin, IV Ca 14111, 13719 und 12 59?7
lena bei Tlacolula, Slg. Strebei. 15 und 16 lexolo
h gchon ganz in Auflösung begriffen, und in Abb. 10 ist das ursprüngliche Motiv gar
von Abb. 5 zuruckgeie , f Menschenfigur scheint gleichsam aus der aufgeborstenen Rückwand hervor -
mcht mehr verstanden; er . h die Fragej 0b eine Tierverkleidung vorhegt, bei Abb. 11 lassen, obwohl auch
zutreten Unentschie en Gesichts und über dem Kopf als Rudimente eines Tierrachens ähnlich dem von
hier dte Voluten zu hat kei ne Ti er Verkleidung, dagegen einen halbmasken-
Abb. 5 gedeutet wer en Tierrachen, Abb. 14 einen Tierkopf und darüber noch eine (Tier-)
artig in das Gesichtemgese _ demnach alle einen halbdämonischen Charakter. Vielleicht
Helmmaske. Die F.guren haben demnac ^ ^ auoh die Azteken in Sclimetter-
sollen sie vergotthehte vorne me^^^ darauf würde auch hindeuten, daß sie meist mit ge-
hngs- und A oge ges m ’paß es vornehme Tote waren, Häuptlinge und Priester,
schlossenen Augen arges e Figuren. Fast alle tragen die Schambinde, die bei den
beweist der durchweg re.cbe Putzd.eser ^ #> g> ^ ^ ^ Abb „
meisten einen sc lon v mbinde ejn Hüfttuch, das bei 14 aus einem dünnen Netzgewebe zu
und 14 noch unter er^ meisten sind Halsschmuck und Ohrzierate (Scheiben oder vier-
bestehen scheint. ß . ejnigen auch Handgelenkbinden vorhanden. Das Haar ist bei
ö gcjlQpf zusammengenommen und aut dem Scheitel mit einem Lederriemen
Abb. 8 zu cin oßne Helmmaske dargestellten Figuren zeichnen sich durch ihren reichen
um un ^ go tragen Abb. 15 und 16 einen riesigen Stutz von hoch aufragenden einzelnen
F dern* auch in Abb. 12 scheint ein großer, fächerartiger Federschmuck mit einem Mittelstück aus fünf einzelnen
teifen Federn das ganze Gesicht zu umrahmen. Kopfbinden, die mit einer Inkrustation von Steinplättchen
bedeckt sind (wie die mexikanische Königskrone), tragen Abb. 11, 13 und 16. Am eigenartigsten ist der Aus-
nutz von Abb. 5. Eine Art Pelerine aus einzelnen Stoffstreifen oder einem streifigen Zeug, die mit einem
Band vorn auf der Brust zusammengeknotet ist, umgibt den Oberkörper, während als Kopfbedeckung eine
merkwürdige spitze Mütze dient, die augenscheinlich ganz mit einzelnen dachziegelartig sich überdeckenden Zeug-
huppeT (oder Federn?) benäht ist. Eine ganz ähnliche Kopfbedeckung zeigt ein Tonkopf der Sammlung Strebei
von fraglicher Herkunft (Abb. 17).122 Hie Attribute, welche die Figuren in den Händen halten, kennzeichnen sie
als Krieger oder Priester: Speer mit Wurfbrett (? Abb. 9), Lanze aus Bambusrohr (Abb. 15), kurze, dicke Keule (Abb. 5,
n 14) gstab mit hakenartig gekrümmtem Ende (Abb. 12), sackartiger Behälter (Abb. 11) und Kopaltasche (Abb. 8).
D e letztere erinnert sehr an die Form, die diese Geräte auf Altertümern des Hochtals von Puebla haben.123 — Die
121 Hierauf hat schon Fe wkes Antiqu. p. 262 hingewiesem Auch -über diesen vgl. Strebe!, Altmexiko I p. 82
die Relieffiguren auf der Rückseite der Palmas Abb. 5, 13 Vgl. Seler G. A. V p. 142 (Tongefäße mit Malereien im Stil
und 15 (s. u.) haben die Augen geschlossen. der Teotihuacan-Fresken aus dem Distrikt Chalchicomula),
Abb. 17. Tonkopf,
Slg. Camargo-Strebel.
(M.V.Berlin, IVO 14887).
40
WALTER KRICKEBERG
flachen Rückseiten von Abb. 7, 11, 14 sind unverziert; bei Abb. 8, 10, 12 und 16 zeigen sie verschlungene Ornament-
bänder im Stil der Steinjoche und Reliefe vom Tajin; bei Abb. 9 ist die Rückseite merkwürdigerweise wie die Bauch-
fläche eines Reptils gestaltet. Nur Abb. 5, 13, 15 zeigen auf der Rückseite figürliche Reliefe: Abb. 13 eine Figur
mit Hüftrock, die in en face-Stellung, sitzend oder kniend, eine Perlenkette darzubringen scheint324, 15 eine Gestalt
mit ins Gesicht eingesetztem Tierrachen (?), die mit beiden Händen Maiskolben emporhält125, 5 einenMenschen mit
Adlermaske und reichverzierter Bekleidung (Hüfttuch und Schambinde), der in der linken Hand ein Opfermesser,
in der rechten einen abgeschnittenen Kopf hält, also wohl ein Priester sein soll (s. u.). Vielleicht ist auch die Figur
auf der Vorderseite von 5, mit Pelerine und spitzer Mütze, als ein Priester aufzufassen.
Es ist bedauerlich, daß wir bisher noch über so wenige figürliche Darstellungen aus dem nördlichen Totonacapan
verfügen, die als Vergleichsmaterial für diese hochinteressante Gruppe von Palmas dienen könnten. Die Reliefe
von Huilocintla zeigen einen abweichenden, mehr dem mexikanischen sich nähernden Typus (s. o.), was sich wohl
aus der unmittelbaren Nachbarschaft der aztekischen Kolonien des Rio Tuxpan erklärt. Die schon öfter erwähnten Skulp-
turen vom Tajin bei Papantla und von Mapilca im Distrikt Zacapoaxtla haben anscheinend rein ornamentale Verzie-
rungen, VonTuzapan ist eine Reliefplatte mit einer Menschenfigur in derselben gemischten Profil-undenface-Stellung,
wie sie der Priester auf der Rückseite von Abb. 5 zeigt, bekannt; leider gestattet die bisher veröffentlichte Abbildung
nicht, Einzelheiten der Tracht zu unterscheiden (ausgenommen ein merkwürdiges Ohrgehänge aus einzelnen anein-
ander gereihten Scheiben), doch erkennt man so viel, daß die Figur mitsamt dem ornamentalen Beiwerk ganz im
Stil der beschriebenen Skulpturen gehalten ist.126
Wenn man das Fazit aus allem Material, das Quellen und Funde über das Aussehen der Totonaken liefern, zieht,
bleibt nicht viel übrig, was als totonakische Besonderheit angesprochen werden könnte. Kopfabplattung, Tatauierung’
und Gebrauch des Quechquemitl verbinden die Totonaken mit den Huaxteken, vielleicht auch die Zahnfeilung (die
in ihrer besonderen Form allerdings der tzapotekischen am nächsten steht) und bestimmte Arten der Haarfrisur (schräg
verlaufende Wülste). Lippenschmucke sind wahrscheinlich auf Hochlandseinflüsse zurückzuführen, komplizierte
Haarrasuren weisen auf südliche (Cuetlaxtlan-) Beziehungen hin. Kleidung und Schmuck sind von ganz der gleichen
Art, wie die der mexikanischen Stämme des Hochlandes. Den stärksten Anteil an dem Bilde haben jedenfalls die
huaxtekischen Züge — ,,sie gebärden sich in ihrem Aussehen ein wenig wie die Cuexteca“ sagt ja schon Sahagún
von den Totonaken. Die mexikanischen Einflüsse sind wohl jüngeren Datums und finden ihre genügende Erklärung
in der wiederholten Überflutung Totonacapans durch Naua-Stämme. Natürlich wäre es verfrüht, nunmehr eine
selbständige totonakische Stammeseigenart ganz zu leugnen; deren Vorhandensein ist ja auch zweifellos durch die
Sprache und den Kunststil erwiesen. Der großen Lückenhaftigkeit und Dürftigkeit unserer Quellen ist wohl vor
allem die Schuld beizumessen, wenn uns die Totonaken in ihrer äußeren Erscheinung weit weniger greifbar entgegen-
treten, als viele andere mexikanische Völker.
Was wir von der sonstigen materiellen Kultur der Totonaken aus den alten Berichten erfahren, ist herzlich wenig.
Sicherlich werden in den ausführlichen Verzeichnissen und Beschreibungen der kurz vor dem Aufbruch der Spanier
ins Innere des Landes von Villa Rica de la Veracruz an den Kaiser entsandten Kostbarkeiten127 neben den aztekischen
auch die Geschenke enthalten sein, welche die Spanier von den Totonaken in Cempoallan und Quiauiztlan erhielten; die
totonakische Herkunft darf z. B. bei den daselbst angeführten Bilderschriften (s. u.) als ziemlich wahrscheinlich gelten.
Heutzutage ist uns natürlich jede Möglichkeit abgeschnitten, hier eine Scheidung vorzunehmen.
Der Hausrat der Totonaken zeigt im wesentlichen dasselbe Bild wie im ganzen übrigen México. Das wichtigste
Stück ist der Mahlstein (toton. ixhuat ,,metate“) mit der steinernen Handwalze (macxhuat „mano de metate“),
daneben der Herd, auf dessen drei Steinen (maxkayal ,,tenamastles ) die flache Tonplatte zum Backen der Tortilla
(pazlca ,,comal“) ruht. Dazu kommen allerlei Gefäße, vor allem Trinkkalebassen (macot ,,jicara“), tönerne Reib-
tiegel und Steinmörser zur Bereitung der Chilesaucen (puxpatan „cajete de moler chile“, lixpatan „piedra de moler
chile“), sonstige Tongefäße und Körbe. Alle diese Geiäte, mit Ausnahme natürlich der Kalebassen und Körbe, sind
auch in der Strebelschen Sammlung von Altertümern aus dem südlichen Totonacapan vertreten, meist in der Form,
die sie auch im übrigen México haben. Neben den gewöhnlichen Mahlsteinen aus Lava, ehe besonders auf dem Cerro
Montoso in großen Mengen gefunden wurden, werden auch kleinere, zum Zerreiben von Farbe und Gewürz
ferner Krüge in Tlaloc-Gestalt, ebendaher (Slg. Selei im Mu-
seum für Völkerkunde, Berlin) und von Tlaxcala ( Seler G. A.
II p. 304, Abb. 21 u. 22). Auch auf den Reliefen von Xo-
chicalco sieht man eine ähnliche Form der Kopaltasche (1.
c. p. 141, Abb. 10).
124Strebel, Altmexiko II p- 101/2, Abbildung Taf. XXV, 31.
Diese Palma ist ein Bruchstück, das nach unten vielleicht wie
Abb. 11 zu ergänzen ist.
120 Abb. bei Fewkes Antiqu. p. 263, fig- 57 (in der Unterschrift
muß es „reverse of b“ heißen).
Del Paso y Troncoso Catálogo II p- 326 (No. 143); Abbildung
bei Jesús Galindo y Villa 1. c Lám. 43. Del Paso y Tron-
coso schließt lediglich aus der Haltung der Figur, das Relief sei
”de estilo palencano“!
527Cf. Carta de Veracruz ed. Gayangos p. 28—34, Gömara
Crön. c. 39 (p. 41/42), P. Martyr De Insulis p. 36—39, Las
Casas Hist. Ind. 1. III c. 121 (III p. 484—486), B. Diaz c. 39
(I p. 111). P. Martyr und Las Casas sahen die Stücke in
Spanien, schildern also auch als Augenzeugen (P. Martyr
1. c. p. 37; Mille figuras et facies mille perspexi, quas scribere
nequeo. Quid oculos hominum sua pulchritudine aeque possit
allicere, meo iudicio vidi nunquam ....; Las Casas 1. c.
p. 486: Yo las vide, con todo lo demas, el ano de 520, en Valla-
dolid, el dia que las vido el-Emperador). Ein weiterer Augen-
zeuge ist Albrecht Dürer, der die Sammlung während seines
Aufenthaltes in Brüssel (August 1520) besichtigte, cf. Leh-
mann i. Globus Bd. XC (1906) p. 320.
die totonaken
41
Jenende, sowie Steinmörser und flache Steinschalen (bisweilen drei- oder vierfüßig) erwähnt Zu den , ..
Stenwalzen, zu den Mörsern steinerne Pistille oder Reibekeulen. Bei einem Metite sehr
* , s’"‘ d e ubhohen drei Kiße als Kopf und Hinterbeine eines auf der Unterseite des Gerätes skulpieften pr, T*
g a altet. Molcajetes sind ziemlich selten und bisher nur unter den Cerro Montoso-Funden angetroffen word ^ ш
■eileicht ein Beweis dafür, daß dies im Valle de México so häufige Gefäß den Totonaken, die an seiner Stelle ü-
schalen gebrauchten, ursprünglich fremd war. Stein-
Auch sonst ist das steinzeitliche Inventar130 im südlichen Totonacapan recht reichhaltig. Von WerJ^
MlKl Meißel- und Beilklingen sowie Obsidianmesser fast in sämtlichen Fundplätzen der Strebeischeu Samll8en
M1 ziemlich gleichartigen Formen vertreten, unter den Beilklingen nicht selten Prunkstücke von prächtigerXb^f
und sauberster Politur aus kostbaren, hell- und dunkelgrünlichen, silber- und bläulichgrauen Steinarten 131 ],/ ^
Andere Werkzeugklasse gehören Steingeräte mit Handgriffen, die offenbar zu Maurerarbeiten, nämlich ZUm
der Stuckwände der Bauten, gedient haben.132 Fast ebenso weit verbreitet wie die Meißel und Messer sind ' * ^
Klopfer mit Riefen auf einer oder beiden Breitseiten und mit einer gewöhnlich rings um alle Schmalseiten bV <
Kinne, die dazu diente, den Klopfstein mittels einer herumgelegten Zweigschlinge zu schäften. Ühle hat ^ еП(Рш
diesen auch sonst in México häufig vorkommenden Werkstücken Bastklopfer erkannt. Noch heute ^ ^uers in
ähnliche Steine in den Otomi-Orten an der Nordwestgrenze von Totonacapan (Distr. Tenango und ZaGnaftT
Hidalgo, Munic. Pahuatlan und Pantepec in Puebla) bei der dort blühenden Fabrikation von Bastpapier cbra^b11
vorüber Starr interessante Beobachtungen mitgeteilt hat.133 Man löst die Bastschicht des Palo Moral oder des
— der erstere gibt ein weißes, der letztere ein rötliches Papier — ab, wenn der Baum in vollem Saft steht • dann ' >
die Baststücke in Maiswasser und frischem Wasser gewaschen und gekocht, bis sie in schmale Streifen zer % ^
Diese legt man der Länge nach dicht neben einander auf ein Brett und verfilzt sie durch Schlagen mit dem KI 1
Nachdem die so entstandenen Papi er blätter getrocknet und zusammengefaltet sind, werden sie packweise > pP T
Hie ganze Arbeit wird von Frauen verrichtet „with a certain degree of secrecy“, wie Starr bemerkt, und das ge - ^
Papier dient niemals profanen Zwecken, sondern einzig und allein „for brujería and ceremouies“ — ej ^m°ne
Dafür, daß wir hier ein Überbleibsel der alten Papierfabrikation im Dienste des Kultus (zur Herstellung der oT*
Papiere, Götterkleider usw.) vor uns haben. Es unterliegt keinem Zweifel, daß auch die in Totopa с!* Р^Г"
fundenen Bastklopfer einst diesem Zweck gedient haben. iacaPau ge-
Von den sonstigen technischen Fertigkeiten hat die Weberei im alten Totonacapan wahrscheinlich
Koch gestanden, wie bei den Huaxteken. Die ganze atlantische Abdachung, an der der Baumwollbau hl“*0
stand ja bei den Hochlandsvölkern in dem Ruf, d;e besten Weber zu besitzen. Daher haben wir auch selbst • Uhte’
heißen Küstenstrich um Cempoallan, bei den Totonaken überall eine relativ reiche Bekleidung gefunden
aus der Huaxteca die centzontilmátli, centzonquachtli, tlatlapalquachtli, die ,.hundertfach gemusterten De ] '( VVp
Stoffe, die vielfarbigen Stoffe“ kamen, so heißt es auch von den totonakischen Frauen bei Sahagún (1 XT 2Q
daß sie prächtig gestickte Enaguas und Hemden (tlamachcueitl, tlamachuipilli), vielfarbige Quech ^
(quech queme que catea tlapapalli) trugen, denn sie verstanden sich wohl darauf, den Stoffen eine gesckmT J
Musterung zu geben: & 0 ívo lo
auh yn yehoan y. civa. vel tlamachchiuhque vel moepaimati.
„Und die Frauen machten vortreffliche Stickereien, verstanden sich sehr auf die Fadenarbeit “
Keine Probe dieser blühenden Kunstfertigkeit ist bis auf unsere Tage gekommen_______leider ist ja die me -’i
Küste nicht die peruanische mit ihrem trockenen Klima und ihrem salpeterhaltigen Sandboden die и ап^°Ке
tigsten Gewebe und den ganzen Apparat der Weberei, die hier in ähnlicher Weise blühte erhalte h Ъ^ Pfäch_
von dem Handwerkszeug der alten totonakischen Weberinnen besitzen wir nur dürftig^ Re t ПT- Selbst
aus Ton (toten, lisihuín „malacate“), die in der Cerro Montoso-Kultur einen großen Formenreichtum zeigen^^
128Funde von Metates auf dem Cerro Montoso: Strebei, Alt- oiia„i jt тяf лит i7 ’ ГД6Г
mexiko I p. 29. Metate aus Jalapa: ibid. II Taf. XIV, Ц. Die .Поо^гП ХТЛ7 i
Metates und Steinmörser der Gegend von Atotonilco-Quimis-
tlan sind vollkommen denen aus Totonacapan gleich. Eigen-
artige Formen 1. c. Taf. XXIII, 6 und XXVI, 49. Die brettartig-
flache Form einiger Handwalzen findet sich nach Sei er
"*"r ------* _ 1_
Ilfcl/UliO v,* ----w
G. A. III p. 602 nur in der Verapaz wieder.
129 Strebei, Ornamente auf Tongefäßen p. 30.
ko Werkzeuge aus Kupfer, vor allem die bekannten Flachbeile,
sind nur in den Gegenden am luß des Cofre de Perote häufig
gefunden werden, was im \ erein mit den ebendort sehr zahl-
reichen Steinmeißeln nach Strebei auf eine ausgedehnte
gewerbliche Tätigkeit deutet. (Altmexiko II p. 149 und Taf.
XXVI, 12_____14 und 17—19). Über die chemische Analyse einer
dieser Kupferäxte durch F. Wibel cf. ibid. p. 120 und A. B.
Meyer in Revue d’Ethnographie VI (1887) p. 518. Bemerkens-
wert ist der relativ hohe Zinngehalt (fast 2%), der bei der
Analyse einer ganz ähnlichen Kupferaxt aus der Mixteca alta
nicht nachzuweisen war (Seler G. A. HI p. 533 536).
13IStrebel, Altmexiko I Taf. XIII, 28 (Paso delBobobei Cempo-
allan), II Taf. VII, 17 (Misantla-Gegend), XIV, 1 (Jalapa),
XV, 44 und 45 (Jalapa-Gegend).
132Strebei, Altmexiko I Taf. XIV, 6 (Chicuasen bei Cerro
Montoso), II Taf. VIII, 28 (Vega de Alatorre), 64 und 67
(Misantla-Gegend). VIII, 64 ist aus Ton.
333Strebel, Altmexiko I Taf. XII und II Taf. VIII, XV. Uhle
i. Veröff. d. Mus. f. Völkerkunde z. Berlin Bd. 1,(1889) p. 5
und Taf. III. Starr, Notes upon Ethnography I p. 181/2 und
198 Fig. 72.
134,,Die Freude an der Mannigfaltigkeit von Formen betätigt
sich auch in der Eigentümlichkeit, daß alle Spinnwirtel aus
Ton nicht nur die gewöhnliche Form eines Kugelabschnittes,
sondern noch viele andere komplizierte Formen zeigen. Im
ersteren Falle zeigen sie immer reliefartige Ornamente oder
Tier dar Stellungen; im letzteren Falle kommen neben nicht
ornamentierten auch solche vor, die einen Tierkopf bilden.“
Strebel, Tierornamente p. 3. In Altmexiko II p. 97/98 und
122 hat Strebei eine Einteilung der Typen der Jalapa- und
Atotonilco - Spinnwirtel versucht.
42
WALTER KEICKEBERG
einige Knochengeräte, die Strebei mit ähnlichen, noch im Anfang des 19. Jahrhunderts in Totonacapan beim Weben
breiter baumwollener Gürtel gebrauchten (einem pfriemenartigen Instrument, toton. lazab, und einem langen, graden,
toton. machit) identifiziert hat.135 Vielleicht haben zur Musterung von Geweben und anderen Stoffen die sehr
interessanten Rollstempel gedient, die man, wenn auch vereinzelt, im ganzen südlichen Totonacapan gefunden hat,
— in der Gegend von Jalapa (Soncuautla), von Cempoallan (Cerro Montoso), bei Misantla und nördlich davon (Cerro
de Culebras).136
Neben der Weberei scheint auch die Flechtkunst der Totonaken in Ansehen gestanden zu haben, da Erzeugnisse
derselben in dem öfter zitierten Sahagün-Kapitel über die Totonaken besondere Erwähnung finden:
onca in ichcatl. ompa mochiva yn olli. ompa vitz yn ezpetlatl yn ezpetlaicpalli. ompa vitz yn quavichcatl.
„Dort (gibt es) Baumwolle, dort wird Kautschuk produziert, von dort kommen blutrot bemalte
Matten und blutrot bemalte geflochtene Sitze, von dort kommt die Holzbaumwolle (eine minder-
wertige Art der Baumwolle).“
Von totonakischen Worten für Geflechte nenne ich:
ixticat ,,estera, petate“ (Matte).
pagzo ,,canasta“ (aztek. chiquiuitl, Korb mit steifen Wänden aus Rohr oder Bambus),
patzáy „tenate“ (aztek. tanatli, Korb mit schmiegsamen Wänden aus Palmblattgeflecht).
Bei der chemischen Untersuchung von Scherben des Cerro Montoso-Typus, die Strebei durch C. Sarnow und
F. Wibel vornehmen ließ, stellte sich heraus, daß die Töpferkunst der alten Bewohner des südlichen Totonacapan
rein technisch genommen auf einer recht hohen Stufe gestanden hat. Nicht nur sind, worin beide Untersucher über-
einstimmen, sämtliche Gefäße mit Zuhilfenahme der Drehscheibe hergestellt worden, über deren Gebrauch wir sonst
nur aus Yucatan Kunde haben, sondern die Töpfer sind auch bei der Auswahl des Tons, beim Trocknen und Brennen
mit großer Sachkenntnis und Vorsicht vorgegangen, denn die Scherben bestehen aus sehr feinkörnigem, homogenem
Ton ohne andere Beimischungen und sind überraschend gleichmäßig und ziemlich kräftig, aber nicht bis zur Ver-
sinterung des Tons, gebrannt. Die natürliche Farbe des Tons ist ein sehr gleichmäßiges Gelbgrau bis Hellziegelrot;
die Auftragfarben sind durchweg mineralischen Ursprungs, hauptsächlich Eisenfarben (Blutrot, Braun, Orange usw.),
darunter ein besonders zu erwähnendes Auftragweiß, das sich im. Gegensatz zu dem in der Ranchito de las Animas-
Keramik verwendeten Grundierweiß als metallhaltiger, aber kreidefreier Ton erweist. Alle diese Farben sind, mit
Wasser verrieben, wahrscheinlich auf die bereits fertig gebrannten Gefäße aufgetragen (vielleicht noch schwach
nachgebrannt); jedenfalls ist ein wirkliches „Einbrennen“ ganz ausgeschlossen. .Der Glanz der Farben ist nicht
durch Glasur, sondern zweifellos durch Reiben hervorgerufen.137 — Der technischen Vollendung entspricht auch der
Formenreichtum der Cerro Montoso-Gefäße. Neben Tellern, Näpfen, weiten und bauchigen Bechern, Räucher-
schalen und Molcajetes138 seien vor allem dreifüßige Schalen erwähnt, weil sie in der Gestaltung der Füße (als Tierköpfe,
Menschengesichter mit verlängertem Kinnteil usw.) ganz auffallende Übereinstimmungen mitCholula-Typen zeigen.139
Das beweist wiederum, daß die Cerro Montoso-Kultur die Eigenart der chichimekisehen (d. h. mexikanischen) Herren-
schicht der Totonaken verkörpert und daher eigentlich in diesem Kapitel nicht ihren Platz finden dürfte. Aber
diese Kultur scheint vollständig von den südlichen Totonaken adoptiert worden zu sein, denn neben den Cerro Montoso-
Scherben haben sich nur wenige von anderem Typus gefunden, und selbst diese (z. B. Scherben mit sehr einfachem
braunem Dekor aus der Misantla-Gegend) stehen nach Strebei140 der Cerro Montoso-Gruppe noch relativ nahe. — Die
figürlichen Tonsachen, die in dieser Gruppe wenig hervortreten, und die Spinnwirtel sind, wie so oft in México, in
Formen hergestellt worden, von denen die Strebe!-Sammlung eine ganze Anzahl von Exemplaren aufweist.141
Die reiche Ornamentierung der Tongefäße vom Cerro Montoso-Typus hat Strebei in zwei Arbeiten auf das
eingehendste analysiert.142 Zusammenfassend läßt sich sagen, daß im südlichen Totonacapan ein außerordentlich
entwickeltes Empfinden für fein abgestimmte Farbentöne, für geschmackvolle Gliederung und Gruppierung der
geometrischen Motive in den Randborten, der naturalistischen auf den Gefäßwandungen und Innenflächen herrscht,
und daß neben der rein dekorativen auch die symbolische Ornamentation eine Rolle spielt. Wenn auch in der Be-
handlung der als Verzierung sehr beliebten Tierfiguren ein origineller und selbständiger Zug hervortritt, zeigen doch
die symbolischen Elemente ganz zweifellos Abhängigkeit von der hochlandsmexikanischen Formen weit und
erinnern oft geradezu an bilderschriftliche Darstellungen. Wir können also auch den Kunststil der Cerro Montoso-
Leute nur als eine Abzweigung des mexikanischen betrachten. Daß auch der totonakischen Urbevölkerung ein
125Strebe], Altmexiko I p. 18,No. 2086 (Cempoallan) und p. 53,
No. 651/3 (Cerro Montoso).
136 Strebei, Altmexiko II Taf. I, 11; VIII, 16; XII, 37; XV, 60.
137 Strebei, Altmexiko I p. 107—114. Von der heutigen Töpferei
von Colipa (Misantla-Gegend) berichtet Strebei, daß ihre
Fabrikate weit hinter den alten zurückstehen. Der Ton wird
mit Flußsand vermischt und über offenem Feuer gebrannt, bis
er ein. rötliches Aussehen und ziemliche Haltbarkeit erlangt hat.
Hauptfabrikate sind Comales (Backteller) und Ollas (Gefäßefür
die Maissuppe usw.), letztere zum Teil von ganz bedeutender
1 Größe (Altmexiko II p. 14).
Totonakische Worte für Tongefäße sind pachau ,,vaso“,
talapo, tlaminqui und xalu ,,olla“, laca (lagga) „cajete“,
„escudilla 6 taza“, puxpatan „cajete de moler chile“.
139Seler G. A. II p. 317. Auch zu den keramischen Typen der
Alta Verapaz zeigen die Cerro Montoso-Gefäße manche Be-
ziehungen. Ibid. III P- 603, 604.
140Strebei, Altmexiko II p- 148, 149.
444 Strebei, Altmexiko II Taf. I, 5; VIII, 1 u. 2; XIX,56;XXIX,
9 u. 13; XXXII, 2 u. 3.
142Strebei, Über Tierornamente auf Tongefäßen aus Altmexiko
(Berlin 1899); Über Ornamente auf Tongefäßen aus Altmexiko
(Hamburg und Leipzig 1904)-
DIE TOTONAKEN
43
„nll , . , . . 0ia TriplIpiVlit im nördlichen Gebiet zu seiner höchsten Blüte
ausgesprochener Kunststil nicht fehlte, der sich einstmals vieneicnr im nouuiuieu o
gtspiociienei jAunsrsxii i ohne Seitenstück dastehende Ornamentik der Skulptur stucke
entfaltete, beweist die eigentum c e, im g< nz J schon wiederholt Bezug genommen wurde. Nur bei
von Papantla und Mapilca, der Analyse di Je! Stiles gemacht werdend«
den Stemjochen ist bis jetzt durch re _ Bändern mit spiralig eingerollten Enden, welche die bezeichneten
Es scheint, daß wir in den merkwürdig verschlungenen B
Altertümer oftvollständiggüberziehen,
die Produkte einer sehr weit vor-
geschri ttenenStilisierung natu-
ralistischer Formen vorunshaben.
Schon oben, bei der Betrachtung einer
Groppe von Palmas, wurde darauf
hingewiesen, daß die verschlungenen
Bandornamente neben und über den
auf der Vorderseite dargestellten Fi-
guren in manchen Fällen die Rudi-
mente des Tierkörpers sein dürften,
der die Verkleidung (eigentlich Um-
rahmung) der Figuren bildete; in ei-
nem Fall war dieser Tierkörper noch
in vollkommen realistischer Darstel-
lung vorhanden, wahrend in mehreren
anderen wenigstens noch der Kopf
des Tieres mehr oder weniger deut-
lich zu erkennen war. Dieselbe Um
Wandlung läßt sich auch auf den Stein-
jochen schon in einzelnen Fällen ver-
folgen. Diese Altertümer sind, worau
Strebe! zuerst aufmerksam gemacht
hat, in der Mehrzahl Darstellungen
am Boden kauernder Tiere (meist /Wien)
Kröten, daneben auch Adler, in einem 21 Dg1-. slgl Bec
Fall eines Kaninchens) oder Menschen Haltung Man hat den Tierkörper gewissermaßen von hinten nach
in Tierverkleidung oder wenigstens Genscher Halt ^ herumgelegt so daß der Kopf mrt den Vorder-
vorn der Rückenlinie folgend, aufgeschmtten un ^ ^ Jochsc]ieitel hegt, die Hmterbeme an den Joch-
Der Kopf müßte bei dieser Darstellung stets en face-
SteUung haben, ist aber zuweilen auch unlogischer weise in Profil-
^ sicht wiedergegeben.144 Selten ist dagegen der Fall, daß der Kopf
• Profilansicht an den beiden Schenkelenden liegt, das Tier also von
vorn nach hinten durchgeschnitten erscheint,145 und nur bei einem
Joch ist bisher eine asymmetrische Verteilung des Tierkörpers
pas joch festgestellt worden, d. h. Kopf und Vorderbeine
liegen an einem, Schwanz und Hinterbeine an dem anderen
Schenkelende.146 Das Prinzip ist also dasselbe, wie in der Nord-
westamerikanischenKunst, von der Boas nachgewiesen hat,
daß die eigentümliche Verdoppelung des Tierkörpers bei Flächen-
, ,. Gewohnheit zurückgeht, Tierfiguren um die Außenseite von viereckigen oder runden, voll-
darstellungen aui “ geschlossenen Hohlkörpern (Schüsseln, Schachteln, Wappenpfählen, silbernen Arm-
Ständ-'g oder unvo h ‘ m der Weise; daß man das Tier von hinten nach vorn (seltener, z. B. bei Vögeln, um-
spangen usw.) boruni |,e)den räumheh weit von einander geschiedenen Stile teilen auch die Neigung, die infolge
gekehrt) halbieit. natürlichen Zusammenhang gerissenen einzelnen Teile des Tierkörpers in geo-
der starken Verzerrung aus ihrem n
den Schenkelenden ein menschlicher Kopf mit Tierhelmmaske;
allerdings anch bei Jochen vom Froschtypus, bei denen der
Kopf des Tieres stets auf dem Jochscheitel liegt.
146Strebei, Nachtrag Taf. V, 3 (Kaninchen).
147Boas, The Decorative Art of the Indians of the North Pacific
Coast. Bull. Amer. Museum of Netural History Yol. IX (New
York 1897), besonders p. 144 sqq. Man vergleiche z. B. Fig. 41
u. 42 (p. 147) mit den Darstellungen auf den Jochen vom
Froschtypus.
Abb. 18—21. Steinjoche (ausgebreitet): 18 Martinez de la Torre bei Misantla, Slg Strebei
19 Orizaba (?), Slg. des Museo Nacional de Mexico. 20 Fundort unbekannt,' SJo- Ubde 6
Nach Strebei. (18 und 20: M. V. Berlin, IV Ca’ 18937 n 37^
143Strebel, Studien über Steinjoche aus Mexiko und Mittel-
Amerika (Leiden 1890) u. Nachtrag zu Studien über Steinjoche
(Leiden 1893); Holmes, Archaeological Studies among the
Ancient Cities of Mexico, Part II (Chicago 1897) Appendix:
Studies of Ancient Mexican Sculpture, p- 309 312. Vgl. auch
Fewkes, Antiquities of Eastern Mexico (V ashington 1907) p.
251—261.
144 So bei zwei menschlichen Figuren in tierisch kauernder oder
liegender Haltung: Strebei, Steinjoche Taf. IV, 4 und V, 11.
145 Strebei, Steinjoche Taf. IV, 3 (Adler). Häufig erscheint an
1
------7Z.
44
WALTER KK1CKE3ERG
I
metrische Gebilde aufzulösen. An den Steinjochen ist dieser Auflösungsprozeß z. B. bei der von Strebei und Holmes
behandelten Adlerfigur deutlich.148 Auf eine andere Entwicklungsreihe, die sich an einigen von Strebei publizierten
Jochen nach weisen läßt, möchte ich hier noch kurz eingehen. Über die um die Joche herumgelegten Tier- oder
Menschenfiguren laufen nicht selten breite Binden oder Riemen hinweg, gleichsam als sollte das Tier an irgend
etwas gefesselt oder festgebunden werden.149 Auch bei verschiedenen Krötenfiguren läuft ein solches Riemenpaar in
Verschlingungen und Yerknotungen um den Leib. Die Darstellung ist noch vollkommen realistisch in Abb. 18; das
Riemenpaar ist hier auf Bauch und Hinter köpf verknotet. Hieraus wird Abb. 19 verständlich, in der man
noch die Verknotungsstelle auf dem Bauch erkennt; Abb. 20, eine Menschenfigur in der Haltung einer Kröte, knüpft
unmittelbar an 19 an. In Abb. 21 hat schon eine volle Auflösung des ursprünglichen Motivs in die bekannten ein-
gerollten Streifen Platz gegriffen, die Ornamente haben sich auch bereits auf die Beine der Kröte ausgedehnt, und
in Abb. 22 (ein von Fewkes abgebildetes Steinjoch) ist die ganze Tierfigur in dieser Weise überwuchert. Man
kann sich vorstellen, wie sich schließlich die ursprünglichen Konturen der Tierfigur ganz verwischen, die einzelnen
Teile sich verschieben und verlagern und als Endresultat ein Steinjoch mit scheinbar rein geometrischer Musterung
entsteht, wie -es z. B. das eine von Holmes beschriebene ist.150
4. Staat. Gesellschaft. Sitte und Brauch. Spiele.
Über das soziale und private Leben der Totonaken machen die alten Berichte nur wenige Andeutungen,
die, aneinandergereiht, auch nicht einmal eine ungefähre Vorstellung von den Verhältnissen zur Zeit der Conquista
zu geben imstande sind. Dazu kommt das Material, das wir einigen neueren Beobachtern dieses Volkes verdanken,
in erster Linie wiederum Hermann Strebei, ohne dessen unermüdliche Forscherarbeit das ganze totonakische Volkstum
für uns noch heute kaum mehr als ein vager Begriff sein würde. Aber auch die moderne Ausbeute ist leider immer
noch zu geringfügig. Gerade bei den Totonaken würde es zweifellos eine sehr lohnende Aufgabe sein, tiefer in ihr
heutiges Folklore einzudringen; nach Bandelier und Adela Breton sollen sie besonders in den Pueblos am Abhang
der Sierra Madre noch mit großer Zähigkeit an ihren alten Sitten und Gebräuchen festhalten.151 Das Wenige, aber
sehr Interessante, was uns Starr und Adela Breton darüber mitteilen, genügt schon, um die Richtigkeit dieser Angabe
ins volle Licht zu setzen.
Bandelier macht mit Bezug auf die politischen Verhältnisse der alten Totonaken die Bemerkung, sie schienen
außerhalb des Valle de Mexico die einzigen gewesen zu sein, die einen Stammesbund von dauerndem Bestand gebildet
hätten.152 Er denkt hierbei an die Angabe der Conquistadoren, daß 30 bzw. 50 Orte „der Sierra“ Cempoallan und
Quiauiztlan „verbündet und befreundet“ (confederados resp. aliados y amigos) waren und sich daher sofort Cortes
anschlossen., nachdem jene beiden wichtigsten Orte zu ihm übergegangen waren.153 Wir haben also eine typische
Städteliga vor uns, einen Bund selbständiger kleiner Gemeinden, die sich um die offenen Städte (villas) und Berg-
festen (fortalezas) des Landes gruppierten, und ein Vergleich mit den politischen Verhältnissen im Valle de Mexico
liegt in der Tat nahe, freilich, muß man hinzufügen, mit den Verhältnissen, wie sie dort vor dem Aufschwung der
Macht Tenochtitlans herrschten, als noch Chalco, Colhuacan, Tlatelolco, Azcapotzalco und viele andere Orte
selbständige kleine Herrschaften waren, ebenbürtige Rivalen des auf den Inseln des Salzsees langsam emporwachsenden
Venedigs der Neuen Welt. Denn ein politischer Mittelpunkt scheint dem totonakischen Städtebunde noch ganz
zu fehlen. Cempoallan, von dem wir am meisten hören, war zweifellos ein, bedeutenderer Ort als die Mehrzahl der
anderen; daß es aber keineswegs eine beherrschende Stellung in dem Bunde einnahm, sondern höchstens der primus
inter pares war, sieht man an dem ganzen Verhalten seines Kaziken im Verkehr mit den Spaniern. Auch Bemal
Diaz koordiniert die Sierra-Orte und Cempoallan ausdrücklich, wenn er an, einer Stelle von „todos los pueblos de
la sierra, y 9empoal y su subjeto“ spricht.154 Das eigentliche Herrschaf tsgebiet des Kaziken vonCempoallan
148 Strebei, Steinjoche Taf. IV, 3. Holmes 1. c. p. 315/6: The
birds’ heads grade off into formal scroll patterns ... a very
little additional conventionality of treatment wouldreduce them
to purely formal, though necessarily eccentric, scroll work . ..
149 Vgl. die breiten, schräg um den Jochschenkel laufenden Bänder
bei der soeben erwähnten Adlerfigur und das dichte Riemen-
geflecht um den Leib des Kaninchens, dem auch Vorder- und
Hinterfüße gefesselt sind (Strebei, Nachtrag Taf. V, 3). Auf
einem Joch (Strebel, Steinjoche Taf. V, 11) sieht man eine
liegende Menschenfigur, die von verschnörkelten Streifen wie
von einem Gitterwerk übersponnen ist.
l50Holmes 1. c. p. 310—313. Auf diesem Joch erscheint ein
bestimmtes Motiv, das Elemente eines Totengesichtes zeigt,
abwechselnd in aufrechter und umgekehrter Stellung viermal
nebeneinander.
‘Bandelier, Tour in México p. 13: ,,They are conservative
enough to have preserved (I was told) in many pueblos their
communal tenure of lands, against the federal laws of Mexico/4
AdelaBretoni. d. Verhandlungen desX VI .Intern. Amerik. Kon-
gresses (Wien 1910) p. 314: ,,The Sierra region from Zacatlân
and Huauchinango down to the State of Vera Cruz, seems to
have especially kept up its old customs.“ ZuMiihlenpf ordts
Zeit war dies auch noch bei den Bewohnern des Distr. Misantla
der Fall (Mejico II p. 46).
152Bandelier 1. c. p. 32 n. 1. Vgl. au.Jr desselben Autors Social
Organisation and Mode of Government of the Ancient Mexicans.
153 Cf. Anm. 30 und 32.
*54B. Diaz c. 93 (I p. 300). Daher gingen auch zur Zeit des
Narvaez-Einfalles die Alliierten getrennte Wege. Während
„Cempoal y su partido sich sogleich Narvaez anschloß,
scheinen die Orte der Sierra Cortés treu geblieben zu sein, denn
die Besatzung von Veracruz zog sich in den Ort eines der
befreundeten Kaziken der Sierra zurück (Cortés II. Carta
p. 119), den B. Diaz c. 111 (Ip- 360)und 115 (I p. 374) Papalote
nennt.
DIE TOTONAKEN
45.
q t EpI seine Grenze mit der Südgrenze der totem kischen Sprache
war dementsprechend kein sehr groes mил arscke weit, so daß noch Xalapan (Jalapa) dazugehörte, und
zusammen (s. o.), nach Westen reich _ ' g h auf den Boden eines anderen politischen Gemeinwesens,
nach Norden zu gelangte man schon in einem , ag Kaz^ke dmses Ortes vollkommen dem von Cempoallan
Quiauiztlan. In den Verhandlungen mi 01 es ersc yerhältnis bestand schon in vorspanischer Zeit, denn als
gleichstehend, wenn auch eng mit ihm ver un en. feier]ichen Einweihung des Temalacatl ergehen läßt (s. o.),
Axayacatl seine Einladung an die fremden ensc er z РештюаПап Tlehuitzilin, darauf dem von Quiauiztlan,
machen die aztekischen Gesandten zuerst dem Kaziken von
Quetzalayotl, ihre Aufwartung.155 südliche Hälfte von Totonacapan umfaßte, ist schon oben
Daß die totonakische Städteliga offenbar n^r ^ okklipationsgebiet am Fluß von Nauhtla ihre natürliche
ausgeführt worden. Im Norden bildete das az■ e is ^ gQ etwag wie ein wirklicher totonakischer Staat mit
Grenze.156 Nördlich von dieser Linie scheint m a e^rhaupt bestanden zu haben, undes scheint aus den Andeutungen,
einem politischen Mittelpunkt und einem einzigen ^ macht> sogar hervorzugehen, daß er einst größere Gebiete,
die der alte, bei Tor quemada erhaltene Benci und erst infolge eines äußeren Anstoßes (des Chichimeken-
auch der Küste (angeblich bis Cempoallan m), um gage gemeinsam mit den Xalpaneca - beide ein
einfalls) definitiv zerfiel. Die Totonaken wan hen gebirgigen Teil des Staates Puebla ein und lassen sich vier
Volk in Sprache und Sitte bildend - ш denn ^ (heute S. Francisco) nieder. Die Ausbreitung nach der
Leguas von Tenamitic-Zacatlan entfernt in i 4 Herrschaftj die ein Stammeshäuptling ausübt. Acht dieser
Küste beginnt, doch bleibt Miz quihuacan der d:e gage auf. Unter dem zweiten (Xatontan) werden
Herrscher, von denen immer der Sohn aut aen ^ilacatlan (heut Ahuacatlan) und Tianquigolco gegründet,
für zwei nachgeborene Söhne Zweigherrschaf ^ Krieg gegen Tecpanquimichtlan, das von Tzauhtla und
Unter dem sechsten (Ithualtzintecuhth) wird » ^ Tode ^ achten Herrschers (Catoxcan) wird die Einheit
Iztacamaxtitlan aufgewiegelt ist. gefuh.rt. t gemeinsam, entzweien sich dann aber, verlassen den Herr-
des Reiches zerstört; seine beiden Sohne regí ^ provinzen> der jüngere Sohn in Ocotlan und Xoxopanoo. Die
schaftssitz der Väter und gründen neue ш ц chiohimeken benutzen die allgemeine Verwirrung und Zer-
seit Xatontan an den Grenzen der Totonak « zu einer Invasion, die sie zu Herren der Totonaken macht.
Splitterung, die durch den Bürgerkrieg raüssenauChsieihrenPlatzdenaztekischenEroberernabtreten.«’
Nachdem drei ihrer Könige auf einander g g ^ daß der Gesichtskreis, innerhalb dessen sich diese Ereignisse
- Schon aus den angeführten Ortsnam ff Ahuacatlan und Xoxopanco liegen alle ziemlich nahe beieinander
abspielen, sehr eng ist. Zacatlan, S^ Franc _■ , ^ Iztacamaxtitlan in den unmittelbar südlich angrenzenden
in dem heutigen Distrikt Zacatlan (Puebla) 1 ^ gg Ыег ^ einer ganz lokalen Stammestradition zu tun
Distrikten. Ich möchte daher lieber unnehm VaUe de México besaß, als mit einer Tradition, der man
haben, wie sie z. B. auch fast jede3^aten im allgemeinen zuzuschreiben hätte. Diese Könige von Mizquihuacan
die Bedeutung einer Urgeschichte der Totonaken К ^ Gebiet bese8se„ haben, als etwa der Kaz.ke von Cempoallan.
werden schwerlich eine größere Macht, ein “s|e Misantla u. a. Orten ähnliche Traditionen erhalten sind. Das
Es ist nur ein Zufall, daß uns nicht auch vonУ P„ ’ nt dieser Geschichte hinausgehende Bedeutung beizumessen
einzige Ereignis, dem sicher eine wei u
wäre, ist der Einfall der ChichimekerV battol zur Zeit der Conquiste bereite ihre Selbständigkeit durch
Große Teile des ehemals totonakischen besonders von der Gegend von Nauhtla, ferner von den Berg-
die aztekische Eroberung «“Г™™ Ticapimtzmco. Xicochimalco.Teoixhuacan). dieehemals wohlsämtlich kleine
festungen am Südfuß des Cofre de Perote (T «^ ^ ^ Me von Earmdörfern in der Ebene gebot. Daher
unabhängige Gemeinden f ’ und Ticapantzinco, den Bemal Díaz aus „alten Feindschaften, die zwischen
wohl der Gegensatz zwischen Cemp „ er№tj wahrend er von Xicochimalco angibt, es sei mit Cempoallan
ihnen über Ländereien und Gren ^ Cempoallan und Quiauiztlan war es übrigens auch nur noch schwach
befreundet gewesen.15 Mit ae. =’ T ht¡tíans, seit sie zur Zeit des älteren Motecuhsoma von den Azteken besiegt
bestellt; sie waren Tnbutarst ^ be¡den 0rte in ,ре8еп Kämpfen als einzige totonakische mit Cuetlaxtlan
worden waren. Es istiteres*. > det waren> als0 mit den Hauptorten der Provinz, die auch archäologisch
und Abuili«apan ( Totonacapan (Ranchito de las Animas) verknüpft ist (s. o.).
eng mit dem südlichen P st(ändischen Gliederung der Totonaken. Der Herrscher von Cempoallan,
Nur wenig hören e¡ Caciqae gordo“ nannten, erschien vor ihnen umgeben von einem Gefolge
den die Spanier wegen sei Vornehm¡n unter den Armen gestützt, „wie es bei ihnen üblich war.“155 Er bewohnte
reich gekleideter Greise, \ Palast in dem er Cortés in einer feierlichen Audienz empfing; seine Beleibtheit,
in Cempoallan einen stattlichen
’Tezozomoc c. 49, 50 (p. 412, 413), Daran Trat I c 36 (I p.
281—283). Cf. Ixtlilxochitl Hist. Chich. c. 1 (p. 354):
La ciudad de Quiahuiztlan, cabecera de otia provincia ...
5 Den Anlaß der Coatlpopoca-Episode bildete der Umstand, daß
die aztekische Garnison „gerca de tagapan“ bzw. „entre
tugapan y un pueblo, que le pusimos por nombre almeria
(gemeint ist die von Nauhtla) Tribut verlangt von „giertos
pueblos questavan alli gerca, o confinaban con ellos, que heran
amigos de genpoal, y servian al Juan descaíante, y a los
vezinos que quedaron en la villa rrica“ (B. Día z c. 94, Ip. 302).
l57Torquemada 1. III c. 18 (I p. 278—280).
l58B. Díaz c. 51 (I p. 143) und 61 (I p. 172).
159 Gomara Orón. c. 32 (p. 34), Torquemada 1. IV c. 19 (I p.397).
Herrera Dec. II .1. VI c. 2 (p. 137) erzählt dasselbe von
Olintetl, dem Herrn von Qocotlan.
46
WALTER KRICKEBERG
wohl auch seine Würde, hatten es ihm verboten, den Spaniern bei ihrem Einzug weiter als bis zum Portal seines
Palastes entgegenzugehen. Nach Quiauiztlan ließ er sich, als Cortés dort weilte, von Vornehmen in einer Sänfte
tragen.160 Pen Frauen scheint man in diesem Staate zuweilen eine angesehene Stellung eingeräumt zu haben; wenig-
stens hören wir, daß unter den acht vornehmen Indianerinnen, die sich mit den Spaniern verheirateten, eine Nichte
des dicken Kaziken war, die als „Herrin über Ortschaften und Vasallen“ gebot.161 Sklaverei bestand, wieim ganzen
übrigen México. Bei der großen Hungersnot zur Zeit Motecuhgomas I. kauften die Totomken viele Hochlands-
indianer als Sklaven auf und führten sie, in hölzerne Sklavenjoche (quauhcozcatl) geschlossen, nach der Küste. Mit
diesen Hals jochen machten auch die aztekischen Tributbeamten Bekanntschaft, die in Quiauiztlan auf Cortés’ Rat
gefangen genommen wurden.162 Picke Holzklötze, die das Bein oberhalb der Fußwurzel umschlossen und das Gehen
sehr behinderten, mußten noch in neuerer Zeit in Misantla Frauen tragen, die sich bestimmte Vergehen hatten zu
schulden kommen lassen.163
Über eine Gentilorganisation der Totonaken schweigt die alte Literatur ganz, es sei denn, daß wir die Be-
merkung Torquemadas, die Totonaque und Xalpaneca seien, zusammen 20 „Parcialidades, ó Familias“ stark
(jeder Stamm hat 10), in das nordwestliche Gebiet eingewandert (s. o.), auf sie beziehen wollen. Man könnte diese
Angabe dahin interpretieren, daß der einwandernde Stamm 20 Gentes umfaßte, die sich auf zwei Phratrien verteilten,
ähnlich wie z. B. die Azteken nach Bandelier in 20 Gentes und 4 Phratrien zerfielen. Wie in Tenochtitlan die Gentes
und Phratrien zu Bezeichnungen von „Barrios4 £, d. h. Stadtquartieren, wurden, so wären schließlich auch hier aus den
Phratrien Lokalgruppen geworden. Ein Xalpan existiert noch heute im Distrikt Huauchinango nahe dem Gebirgs-
strich, den heute die Tepehuä einnehmen, so daß man vielleicht berechtigt ist, in den beiden einwandernden, durch
Sprache und Sitte ursprünglich eng verbundenen Phratrien die späteren Tepehua und Totonaque (oder von den
letzteren wenigstens den Teil, der im heutigen Distrikt Zacatlan sitzt) zu erblicken.
Spuren von Mutterrecht scheinen nicht vorhanden. Das Königtum von Mizquihuacan vererbte vom Vater
auf denSohn (s. o.). Auch die Verwandtschaftsbezeichnungen zeugen nicht für mutterrechtliche Anschauungen.
Interessant ist hier, daß die Sprache zwar „älteren“ und „jüngeren Bruder“, „ältere“ und „jüngere Schwester“
unterscheidet, z.T. sogar, wie die tzapotekische, besondere Ausdrücke gebraucht, je nachdem der Bruder vom Bruder
oder die Schwester vom Bruder spricht, dagegen nicht „Bruder“ oder „Schwester“ im allgemeinen sagen kann,
sondern diese Ausdrücke von dem Worte cam ableitet, das sowohl „Sohn“ als auch „Tochter“ bedeutet. Dasselbe
gilt von den Worten „Vetter“ und „Base“, die von puxnimit „Neffe“ und „Nichte“ abgeleitet werden:
puxcu „älterer Bruder“ (des Bruders)
cagchin „älterer Bruder“ (der Schwester)
tajú „jüngerer Bruder“ (des Bruders)
[istäncu „jüngerer Bruder“ (der Schwester ?)]164
pipí „ältere Schwester“
taliot (= tajú) „jüngere Schwester“ (der Schwester)
[tuti „jüngere Schwester“ (des Bruders ?)]164
ta-cám „Bruder“ und „Schwester“
ta-puxnimit „Vetter“ und „Base“165
Eine weitere Eigentümlichkeit ist, daß sämtliche angeheiratete Verwandte — Schwiegervater und Schwieger-
mutter, Schwiegersohn und Schwiegertochter — mit einem einzigen Worte (puhuiti, pohuitit) bezeichnet werden.
Die in der älteren Literatur überlieferten Namen sind meistens nicht in totonabischer, sondern mexikanischer
Form erhalten.166 Auch in ihnen tritt eine Beziehung zur Gentilverfassung nicht hervor. Interessant ist es dagegen,
daß drei von den neun totonakischen Herrschern Mizquihuacans, die Torquemada anführt, der erste, fünfte und
neunte, Kalender daten als Namen tragen: Umeacatl („zwei Rohr“), Nahuacatl („vier Rohr“) und nochmals
Nahuacatl. Ferner führte nach einer Angabe, die sich nur bei Ixtlilxochitl findet,167 auch der Herrscher von Cempo-
allan zur Zeit der Ankunft der Spanier, der von ihnen immer nur „der dicke Kazike“ genannt wird, einen gleichfalls
mit acatl zusammengesetzten Kalendernamen, nämlich Chicomacatl („sieben Rohr“). Diese Sitte, Personen nach
l60B. Díaz c. 45 (I p. 127) und 46 (I p. 131).
l6lB. Díaz c. 51 (I p- 146).
162Dur án Trat. I c. 30 (I p. 248). B. Díaz c. 47 (I p- 133): „Unas
varas largas y .... collares segund entre ellos se usa ....
6 no se les podían ir.“ Diese Schilderung des quauhcozcatl ist
richtig, während die bei Gomara Crón. c. 35 (p- 37) deutlich
den „Stock“ der damaligen europäischen Justiz beschreibt.
163Strebei, Archäol. u. Ethnol. Mitteil, aus Mexiko p. 10.
mDie in eckige Klammern eingesehlossenen Ausdrücke wurden
lediglich mit „jüngerer Bruder“ und „jüngere Schwester“, ohne
nähere Bezeichnung, übersetzt; die Beziehung auf das andere
iss ^esckle°ht kann also nur unter Vorbehalt angenommen werden.
Das Präfix ta- drückt in Nominalableitungen Gemeinsamkeit
oder Verbindung aus, cf. ta-zcohni „Mitschüler,“ min-ta-chixco
„dein Mitmensch“ usw. Man könnte die Ausdrücke also mit
„Mitsohn“ und „Mitneffe“ übersetzen.
166 Totonakische Namen sind z. B. XatontanundCatoxcan (2. und
8. König von Mizquihuacan); der letztere Name läßt sich mit
„Überfluß an Honig“ (ca-taxca-n. Collect, von taxcät „miel,
jarabe“) übersetzen, und in Xatontan steckt v elleieht die Zahl
tom „eins“ mit der Partikel cha, die bei der Zählung von Per-
sonen gebraucht wird. Unverständlich sind die Namen der
beiden Cortes mitgegebenen Geiseln Mamexi und Teuch
(Teuche, Tioc); cf. Gömara Crön. c. 43 (p. 46), Tapia Hel.
p. 571, Ixtlilxochitl Hist. Chich, c. 83 (p. 363).
167Ixtlilxochitl Hist. Chich. c. 84 (p. 370). Einige Zeilen
weiterhin nennt I. als Quelle für seine Angaben eine tlaxcal-
tekische Bilderschrift.
die totonaken
47
UllU 1------
Herrera Burgoa u. a. bei den Tzapoteken und Mixteben
Kalenderdaten zu benennen, war nach Juan de CordoV ,’ tíiohér BilderschriftenderCodexVindobonensis-Gruppe,
allgemein gebräuchlich.«'Sie ist ferner das Hauptmeikm< ‘ begleitet sind; man hat jenen Codices deshalb
in denen die Götter durchweg von Daten als Namens gehen daß gerade beim Codex Vmdobonensis und
mixtekisch-tzapotekischen Ursprung zugeschneben Vv Hej.kunft aus dem südlichsten Totonaoapan zu denken
seiner Schwesterhandschrift (Codex Nuttall) auch “Kalendernamen in Cempoallan ja noch an Wahrscheinlichkeit
wäre, eine Annahme, die durch das Vorkommen " Namen hier herangezogen werden können, .st freilich
gewinnen würde. Ob die drei von Tor quemada ube
ans anderen Gründen in Frage zu stellen (s »•)• tls regierenden Könige von Cempoallan und Qummztlan
Die beiden schon öfter erwähnten, zur Zeit Axay №ri mit kupferroter. wie glühende Kohlen leuchtender
führten Tiernamen: Tlehuitzilin „Feuerkol.br. (d.h. alfeder.Sclliidkröte“. Seiet■ hat m seiner Monographie
Kehle169) und Quetzalayotl „Grüne Sf ^r°"ehr’Wigen Tiernamen augenscheinlich mit nagua istischen
über Michuacan darauf hingewiesen, daß die dort ' gchutzgeister (Na^ial), meist Tiere, mit denen das
Ideen Zusammenhängen, d. h. mit dem n s0 enge Verbindung tritt, daß es gleichsam wesens.dent.sch
Kind bei der Geburt oder später auf "ht auch dem mit ihm verbundenen Menschen, so daß man sieh
mit ihnen wird; d. h. was dem Tier zm»toBt, zuzufügen oder sie gar zu toten. Das Tier ist also
ängstlich davor hütet, der betreffenden Tierar* em ^ Name Nagual (= aztek. nauall. „Verkleidung )
r n. r des Menschen, woraus weit verbreitet, ebenso, wenigstens in der
gleichsam die andere Formid* * ^ war Nordamerika weteve^^ ^ ^ besch6ft¡gt
erklärt.1™ Dieser au sdcpichevi México. Bnnton ha sic 1 auben der alten Mexikaner identisch
spanischen Zeit, im ganzen sutU,cn“ . Grunde mit dem Kalenderabergiaunen „pwpapn
, a ■ +. a wa QPbluß gekommen, daß ei in -K-oiondpr bereits im voraus bestimmte Geburts lonalli gewesen,
und ist zu dem rcmrünslioh das durch den Kal dienenden Kalenderdaten in den Bereich
sei5d.h.derKagualseiursp^nghcho ^ ^ ^ als Personennamen die neiden ^ ^ ^ ^
Nach dieser Auffassung g ^se ^ Verknüpfung des t ^ ^agualismus der Indianer vonChiapas
naguahstischer Anschauu deg Bischofs Nufíez de la Veg ^ bei der Geburt von dem Zauber-
deutlich m dem mer w ^eder gegeben hat: der agua^ ^ gieben jabren tritt er in Aktion, indem er dem
hervor, den Brm on kündet, aber erst nach dem c Kalenderwahrsagerei nicht mehr, bezeichnen
Priester aus dem Kalender verku Mixe.Indianer üben zwar l<171 ^ möchte aber trotz_
Kinde persönlich e^sc ei Geburt erscheinenden Schutzgeis gcbe Scbutzgeist nicht von vornherein durch den
aber den gleich nac des ^agualismus, bei er . ^ Vorgange überläßt, ihn zu bestimmen, sicher ebenso
dem annehmen, 1 der man es vielmehr einein m g " aus ibr Tiernamen erklären, die dem Kalender
Kalender festgesetzt ist, älter ist und daß sich ö . • • o-nten Bericht über diese
•• v i wahrscheinlich sogar alter ist, u Glücklicherweise besitzen wir einen guten ±»encnt über diese
ursprünglich w di oben angefuhrten. -oiton übersehen hat. Bei der heutigen totonakischen
nicht ”ea¿ gerade von denTotonaken, ""Brauch. nach der Geburt eines Kindes dessen
reinere Form es wrisantia herrscht nach Strebei noc ^ das Haus einen Streifen Asche und untersucht
Landbevölkerung an diesem Behufe streut man nac‘ deggen Spuren der Lagerstätte des Kindes am
Nagual zu erkun el_ p Fußspuren von Tieren. ¿e Spuren zweier verschiedener Tiere in gleicher
diesen » .-hsten Morgen ^ werd Zeigen ^VorHebe für eines der beidenTiere zeigt.
nächsten sind, Entscheidung ausgesetzt, bis d , Macht, die sie über ihn besitzt, werden noch
Nähe, dann wird die Entscneiu » mit geinem Nagual, von der
Von der engen Verbindung einer „
von uei eug i72 . lf Zejt ejne andere sehr interessante Zeremonie
einige Bei spie 6 ^Qeburt eines Kindes nahmen ie übt Mande und so klar und ausführlich von einem
Bald nac eschneidung, die bei beiden ^bC f^ d Tatsächlichkeit des Vorgangs nicht erlaubt ist.
vor, ^mhcb ei^Bren bescbri6k wüd. daß em ZwmfM an de^ d;e e¡ner provinZ: die gich
,sp!e'die Stelle in wörtlicher Übersetzung: 8 t¡j” nach der Geburt des Kindes brachten sie es in den Tempel.
Totonaque nannten, in folgender oberpriester und der seinem Range nach zweite Priester ausgestreckt
war es männlichen GescMecMs, so le^^ die gie zu diesem Zwecke benutzten, nahmen die Vorhaut des
f einen großen, glatten t. dicht (am Finger) mit einem Feuersteinmesser ab. Das Abge-
Penis (zwischen die Finger) und deflorierten (corrompían) die besagten beiden Priester mit ihren
schnittene verbrannten sie zu s . dann befahlen sie den Müttern, sie sollten, wenn das Mädchen sechs Jahre alt
-r-w"" £“«» - *« u-i™ *-*-*-.
geworden sei, dieSe1^^geschlossen bei den Indianern,“ eine Behauptung, die sicher für die Hochlandsvolker und
sei sonst „vollkommen - , _ ,, , n rauf vorbereitet hat. Ein gutes Beispiel hierfür gibt der älteste
168Seler, Sakrale Gefäß® 'gV^^Napialiem P- 14-16'
358 360, III 191/2Bth®ol XU (1909) p. I«.
“’Seiet m Zeitsohr. • TT 16/g.
169 Seler in Zeit sein. x.
170 Sei er, G. A. III p. 104/5, II P- 7 5/6.
171-D • / r io/i ic/Q per Schutzgeist erscheint
171Brmton, Naguahsm p. 13/4, !»/»• ^ ° .
übrigens entweder zm Zeit der Geburt, oder (wre allgemein
bei den Nordamerikanern) erst später, etwa zur Zeit der
Pubertät, wenn sich der junge Indianer in die Einsamkeit
zurückgezogen und durch Opfer, Pasten und Kasteiungen da-
rauf vorbereitet hat. Ein gutes Beispiel hierfür gibt der älteste
überhaupt von Nagualismus redende Bericht bei Herrera
Dec. IV 1. VIII c. 6 (Brinton 1. c. p. 4/5) aus Honduras.
l72Strebel, Die Ruinen von Cempoallan p. 26/27.
173Mendieta 1. II c. 19 (p. 108); wörtlich wiederholt bei Las
Casas Apolog. Hist. c. 175 (bei Kingsborough VIII p. 121/2)
und Torquemada 1. VI c. 48 (II p. 83). Hochmalige Er-
wähnung der Beschneidung bei Mendieta 1. IV c. 41 (p. 540).
48
WALTER KRICKEBERG
die mixteco-tzapoteldschen Völker richtig ist, für die südliche atlantische Küste aber nicht zuzntreffen scheint (Be-
schnei dnng wird noch in Cuetlaxtlan, Coatzacoalco und Tonalá erwähnt). Immerhin ist diese Art der Körperdeformation
doch so selten bei den Amerikanern, daß sie volle Beachtung verdient und eine Erklärung verlangt. Strebei hat wohl sicher
das Richtige getroffen, wenn er die enge Verbindung der Sitte mit den in México allgemein verbreiteten (an manchen
Festen auch an Kindern vorgenommenen) Kasteiungsriten betont: ,,Daß man bei den Blutopfern mit steigendem
Raffinement verfuhr, um sich individuell hervorzutun, ist leicht nachweisbar .Schon das Kind sollte seinen
Tribut den Göttern bringen, und daß man dafür gerade die Geschlechtsteile wählte, ist bei der Bedeutung, dm dieselben
haben, ebenfalls nahe gelegt, wenn dafür vielleicht auch noch Rücksicht auf einen möglichst geringen Blutverlust
mitgewirkt haben kann.“174 Man kann noch hinzufügen, daß wir aus Yucatan durch Landa und aus einem dem süd-
lichen Totonacapan sehr nahe gelegenen Gebiet (Tehuacan, Cozcatlan, Teotitlan del Camino), in dem die Kasteiung
ganz besonders übertriebene Formen annahm, durch Motolinia von einer tatsächlichen Kasteiung der Erwachsenen an
den Geschlechtsteilen hören, und daß nach dem Interpreten des Códice Magliabecchiano (fol. 34) besonders Männer,
die Nachkommenschaft wünschten, sich am Fest Etzalqualiztli Blut aus den Genitalien zapften, was man
motepuli^o nannte.
Von einer Art Taufe der Kinder, wenn sie ein Jahr alt waren, berichtet schließlich noch Petrus Martyr,175 doch
ist die stark christliche Färbung nicht geeignet, d:o Notiz besonders vertrauenerweckend zu machen, wenn es auch
zweifellos ist, daß in manchen Gegenden Méxicos eine der Taufe ähnliche Zeremonie wirklich vorgenommen wurde
(so in Yucatan nach Landa). Alle diese alten Riten scheinen bei den modernen Totonaken keine Spuren mehr hinter-
lassen zu haben. Was Strebei von ihren Geburtssitten berichtet, sind durchweg hygienische Maßnahmen und Zauber-
handlungen zur Abwehr böser Einflüsse. In der Gegend von Misantla wird die Nachgeburt in einen Topf gelegt,
der dann, mit Asche oder einer Schüssel zugedeckt, in einer Ecke der Hütte vergraben wird. Während der Geburt
darf im Hause der Kalk, mit dem man die Maiskörner weich kocht, weder verkauft noch verschenkt werden, sonst
würde das Kind erblinden. Schließlich wird acht Tage nach der Geburt der Körper des Kindes mit den gekochten
Blättern zweier Pflanzen eingerieben, um dadurch die Würmer aus dem Körper zu ziehen — eine Prozedur, dm nicht
selten den Tod des Kindes herbeiführt.176
Über die Heiratsgebräuche ist aus der alten Literatur nichts bekannt.177 Wir wissen wieder lediglich durch
Strebei, daß bei den modernen Totonaken der Misantla-Gegend die Eltern, schon wenn der Knabe das 13. oder 14.
Lebensjahr erreicht hat, darauf bedacht sind, ihm eine Braut zu suchen. Ein Brautwerber tritt in Tätigkeit, eine ein-
jährige Probezeit folgt, während der die Brautleute sich besuchen und die gegenseitigen Eltern beschenken dürfen,
dann wird die Verlobung gefeiert und nach etwa einem halben Jahr die Hochzeit, bei der beide Parteien durch bezahlte
Redner Ansprachen halten lassen. In Tlapacoya fand hierbei eine interessante, sicher aus alter Zeit stammende
Zeremonie statt: die Braut wird bei der Rückkehr aus der Kirche durch Verwandte über und über mit Brotgirlanden
(auf eine Schnur gereihten, kleinen Tortillas) behängt, und beim Betreten des Hauses wird ihr durch die Schwieger-
mutter eine aus Mais gebackene Puppe — das Symbol der zu erwartenden Frucht der Ehe — überreicht. Wenn
der erwünschte Kindersegen ausbleibt, wird die Frau vom Mann im allgemeinen sehr schlecht behandelt. Sie
sucht daher mit allen Mitteln darauf hinzuwirken, daß sie schwanger wird. Als letztes Mittel gilt eine Wallfahrt
zur heiligen Mutter Gottes nach Tlacolula (Distr. Jalapa), um dort ein Haar von ihr zu kaufen und zu verschlucken,
was dann den ersehnten Erfolg herbeiführt. Trotzdem wird der Ehebruch scharf getadelt; kommt er zwischen
Verwandten vor, so wird er indes nur durch eine symbolische Handlung in der Kirche, die beide Teile beschämen
soll, gesühnt.178
Natürlich wurden auch die Totonaken, wie beinahe alle Indianer, zur Zeit der Conquista von den Spaniern
geschlechtlicher Perversitäten beschuldigt. Cortés ermahnt die Cempoalteken, sie sollten sich von der Sodomie
fern halten, denn sie hätten Knaben, die in Wei berklei dem einhergingen und sich mit „jenem schändlichen Gewerbe“
ihren Lebensunterhalt verdienten. Insbesondere die totonakischen Priester sollen, da sie keine Frauen hatten, dem
„verruchten Laster der Sodomie“ gehuldigt haben.179 Solche Angaben sind wohl meist Übertreibungen, entsprungen
der Sucht der alten spanischen Autoren, die nicht christlichen Völker auch als sittlich minderwertig erscheinen zu
lassen. Auch mißverstandene soziale oder religiöse Einrichtungen dürften ihnen bisweilen zu Grunde liegen.
Hinsichtlich der Bestattungsgebräuche ergaben die Strebelschen, Untersuchungen das wichtige Resultat,
daß die Totonaken ihre Toten durchweg begraben haben. Die zahlreich aufgefundenen Knochenreste sind,
wie durch chemische Untersuchungen festgestellt wurde, zwar oft stark mineralisiert, aber nie kalziniert.180 Nur im
174Strebei, Altmexiko I p. 13. Auch Andree hat sieh in seiner
Übersicht der Beschneidungsgebräuche in Amerika (Ethnogr.
Parallelen N. F. p. 200—204) Strebei angeschlossen.
175 Referunt anniculos iam pueros puellasque cum piis ceremoniis,
sacerdotes in templis aqua in crucem cum urceolo (kleiner
Krug) capiti superiniecta baptizare uidentur, uerba non perci-
piunt, actus et murmura licet animaduertere (P. Martyr De
Insulis p. 35/36).
Strebei, Die Ruinen von Cempoallan p. 26 u. 29, Archäol.
u. Ethnol. Mitteil, aus Mexiko p. 10.
177Man darf nicht, wie es Strebei (Altmexiko I p. 12) getan hat,
die Bemerkungen Torquemadas (1. VI c. 48) auf die Toto-
naken beziehen. Sie gelten vielmehr ganz allgemein von
Mexico, besonders von den Hochlandstämmen, und wo in
diesem Kapitel von den Totonaken speziell die Rede ist, wird
es ausdrücklich hervorgehoben.
178 S tr e b el, Die Ruinen von Cempoallan p. 25/6, 27/8.—Proben
totonakischer Liebesliedchen ibid. p. 29/30.
179B. Diaz c. 51 (I p. 146), 52 (I p. 149).
180 Streb el, Altmexiko I p. 115 -132.
, , „ .. . tionpnantla kommen auch Urnenbegräbnisse mit Leiohenbrand vor.'81 Über
äußersten Sudwesten des Gebie , 5 f ebenem Gelände findet man überall die mehr oder weniger
die Grabformen bemerkt Strebei zusammen ass _ 5amideIlj die, je nach der Höhe, mehr oder weniger gut gesonderte
umfangreichen Gräberhügel in Form a ges u z e J Manchmal scheinen diese Hügel allerdings nur als Fundament
Leichenschichten, mit und ohne Beiga en au w • Ranchito de las Animas, wohl des vergänghchen Materials
für Gebäude gedient zu haben, von enena er wen g Gelände treten meistens Gräberfelder, aber auch
wegen keine Reste vorhanden sind. ei uge gern ^ ^ _ dasselbe gilt übrigens auch für die Huaxteken —
Kisten-und in Gebäuden auch Brunnengraier au . geltengten Fällen reine „Grabhügel“ vor uns haben, vielmehr
besonders betont werden, daß wir woh nur in en £oden der Hütte; was heut als Nekropole erscheint, ist
meistens eine Bestattung im Hausfundament uner^ bergen auch die besser ausgeführten plattformartigen oder
einst die alte Ansiedlung selbst gewesen (s. o.). die algo zweifellos Unterbauten von Häusern, Palästen
pyramidalen Aufbauten, zu denen Treppen ir^.gten_<< und ..Brunnengräber“. Unter den ersteren versteht
und Tempeln waren, in ihrem Innern hau ig !^ra1ßkammern verschiedener Größe,183 deren Wandungen von Stein-
Strebel viereckige, unter den letzteren run e^ augenscbeinlich auch die Decke ausLaja-Platten bestand. Sie liegen
Setzungen gebildet sind, während der Bo e»™ (jder pyramidalen Aufbaus und reichen nicht selten bis auf den
meist nicht allzu tief unter der Plattform es ^ Mitte der Plattform, seltener an den Rändern; wo ein
gewachsenen Boden hinab. Man findet S1^ besteht, sind sie in dem untersten angelegt,184 wie ja auch am
Bau aus mehreren übereinander gesetz en ^P bauten Terrassen die Häuser trugen, die unteren als Begräbnis-
Cerro Montoso die oberen dem Berga ^ndnrchweg nur von oben her zugänglich waren, stellt ein eigentümliches
Plätze dienten. Während diese Grab amm. strebel und Del Paso y Troncoso untersucht worden ist, das bisher
Bauwerk in Paschihla (w. von IN 1&ai1 c ^ Basis ein es bewaldeten TTiWDUo"-* ro.i ~
fj U M l/VJ. X VA-XJ.V/ ^ J — — — - - - —--- ? . _ . ____ _ _
Hügel hineinerstreckt, um dann in einer Treppe von 17 Stufen, die zur Hügelplattform hinaufführen ° ^ ^
inneren Wände sind mit geglättetem Mörtel belegt und zeigen Spuren von Bemalung Strebel ’ ^ Cnden‘ Hie
Gräber seitlich des Ganges lagen und die Hügelplattform zur Abhaltung von BestattungszeremonionT^ ^ ^ ^
Auf ihr fand Del Paso y Troncoso „un gran edificio derruido, pero cuyo vestíbulo debió ser sumament WUrde-
se infiere del número de columnas que allí contó la Comisión.“185 Vielleicht dürfen wir bei dem F dl ain?ko’ COmo
Xatontan, der zweite Herrscher Mizquihuacans, für sich und seine Nachkommen errichtete ise n egrabnjs, das
denken. ’ ein ähnliches Grabmal
Die Leichen wurden nach dem Ausweis der Funde sowohl hockend (Cerro Montoso, Ranchito
als auch hegend bestattet. Die Beigaben aus Ton werden meistens in zerbrochenem Zustand an ff ^ Animas)>
in der Cempoallan-Gegend durchweg, auch an den Bruchstellen, einen weißen, kalkigen Überzif5 m d ^ Zeigen
Sinn einer Abwehr, eines Schutzes vor bösen Einflüssen seitens des Toten zukam. Vielleicht hatte 'h W°hl der
symbolische Bedeutung. Denn Weiß ist bei den Mexikanern die Farbe alles Toten; der Knoche *• Tl ^ aucil rein
der Bilderschriften, der längst Gestorbenen, deren Repräsentant Iztac Mixcouatl ist, der Toten.'.' ^ ^ T)arstellung
ilhuicac yaque, ciuateteö), der Opfergefangenen, die man mit weißer Infusorienerde (ticatl) beI^gesPenster (tonatiuh
Daunenfedern (iuitl) beklebte. — Von den Gebräuchen der modernen Totonaken ist beim 1 mit Weißen
die Ertrunkenen besonders, außerhalb des allgemeinen Friedhofs, bestattet.188 Auch bei^T1 v°nSWert’ daß mau
erfuhr ja diese Klasse von Toten, die in das Reich des Regengottes Tlaloc eingincren ^ i ^ altGn Mexjkanern
Zu den Anlässen, bei denen sich die Mitglieder des Stammes zu gemeinsamem Ha^d eS°Udere Behandlung.
gehörte natürlich in erster Linie der Krieg. Es scheint nach den Berichten der Conquist ^ züsammenschlossen,
Städtebund (s. o.) in gewissen Fällen gemeinsam operierte. Einzeln waren die kl ' ^ a<Ureil,,<iaß der totopakische
schwach — selbst Cempoallan vermochte den Spaniern zu dem Zuge gegen Ti . + ?1UCn Gemeinwesen natürlich zu
tanien zu stellen189 zusammen aber konnten sie immerhin 50 000 waffenfähiL^ Zln°° nur 2000 Krieger in 4 Kapi-
Organisation, ja selbst über die Bewaffnung der Totonaken schweigen sowohl d^ ® aVrnngMl- Über die militärische
Quellen vollständig bis auf eine kurze Notiz bei B. Díaz, die Waffen der verbüuL aZ7“Bchfn als aucb die spanischen
lante auf seinem Zuge gegen den aztekischen Kommandanten von Nauhtla WL -7+ t0t°naklschen Krieger, die Esca-
und Schilde“ gewesen, und eine andere bei Torquemada, die Totonaken von ’3°gen’ PfeÜe’ La*zen
Zacatlan) hätten die mexikanische Herrschaft nur durch Lieferung von Waff ‘ CUlJacatlan Un^ Tianqui9olco (Distr.
(d.h. Schwertern) und Schilden“ anerkannt.19« Eine Erklärung für diese In-r Bogen, Macquauitl
nur darin gesucht werden, daß die Totonaken, wie ja auch ihre Geschichte lei t ^ ge. Scßweigsamkeit kann wohl
das sehr im Gegensatz zu den Huaxteken immer wieder jeder neuen Invasion fremdeUWlk Pri'egClisckes waren,
^ ' rneken, Azteken,
181 Strebel, Altmexiko II p- 86—93, 147.
182Strebel, Tierornamente p. 3.
183 Zwei Brunnengräber auf dem Cerro de S. Pedro: 0,60 und 2,20m
(Durchmesser); Kistengrab von Pulpidnad 0,80:0,55 m,
Paschilila 1,20: 0,80 C- de S. Francisco 3: 1,30 m. Strebel,
Ruinen von Cempoallan p. 37/8, Archäol. u. Ethnol. Mitt.
P- 4, Altmexiko II p. 31, 75.
184Cf. Strebel, Ruinen von Cempoallan Tafel VI, No. 5.
4 Baessler-Archiv.
185 Strebel, Ruinen von Cempoallan p. 36,DelPasoyTroncoso
Catálogo II p. 329/30, Jesús Galindo y Villa im Beiheft
zu d. Anales del Museo Nacional, México 1912, p. CXIV/VI.
ls6Torquemada 1. III c. 18 (I p. 279).
187 Strebel, Altmexiko I p. 17/18.
188Strebel, Ruinen von Cempoallan p. 29.
189B. Díaz c. 51 (I p. 143).
190B. Díaz c. 94 (I p. 302), Torquemada 1. III c. 18 (I p. 279).
50
WALTER KRICKEBERGr
Spanier) fast widerstandslos unterlag, und ferner darin, daß sie in ihrer Bewaffnung keinen originellen Zug bewahrt
hatten. Die Küstentotonaken schlossen sich in dieser Beziehung wohl ganz den Huaxteken an, d. h. ihre Haupt-
waffen waren Bogen (toton. paxmut) und Pfeile (toton. lipitni; po-lipitni „Köcher“); die Gebirgstotonaken aber den
Hochlandsstämmen, wofür schon die Erwähnung des Macquauitl in der herangezogenen Torquemada-Stelle spricht.
Merkwürdig ist, daß P. Martyr an einer Stelle, die wahrscheinlich auf die Totonaken zu beziehen ist, von kupfernen
Streitäxten (secures bellicae) spricht, die ja auch bei den Huaxteken vereinzelt erwähnt werden.191 Archäologisch
sind Lanzen-, Speer- und Pfeilspitzen aus Feuerstein und Obsidian aus dem ganzen südlichen Totonacapan belegt
(vgl. die Tafeln des Strebelschen Werkes). Sie kommen in Lanzett- und Dreieckform vor, doch finden sich auch
zahlreiche Übergänge zwischen diesen beiden Haupttypen. Zur Befestigung am Schaft dienen sehr häufig seitliche
Einkerbungen, weit seltener Sohaftzungen. Steinringe, die bei Cerro Montoso und in der Misantla-Gegend gefunden
worden sind,192 werden wohl sicher, auf einen Stock gesteckt, als Keulenknäufe gedient haben, wie wir sie auf süd-
amerikanischem Gebiet besonders aus Peru kennen.
Eine eigenartige Form der Kriegstrophäe erwähnt P. Martyr in seiner kurzen ethnographischen Schilderung
der Totonaken: „Von Feinden (d. h. im Kampf Getöteten) und im Krieg Gefangenen (d. h. Geopferten) bindet
man die Knochen, nachdem das Fleisch verzehrt ist, in kleine Pakete zusammen (in fasciculos ligata) und hängt diese
zu Füßen der Idole auf, gleichwie Siegestrophäen, wobei man die nähere Bezeichnung der Unglücklichen(luctorum
titulos)darübersetzt.“193 Man vergleiche hiermit einen aztekischen Brauch : nach den religiösen Kannibalenmahlzeiten
des Tlacaxipeualiztli-Festes wurde aus dem Hüftknochen des verzehrten Opfers dadurch, daß man ihn mit Papier
umwickelte,ihm „ein Gesicht“ machte (d.h. wohl „ihn mit einer Maske versah“) und ein kleines aus Bindfadengeknüpftes
Wams sowie einen kleinen Federschmuck umhing, eine Art Puppe oder Fetisch (malteotl) angefertigt, die man dann
an einem Mastbaum (tlacaxipeualizquauh) im Hof dessen, der das Opfer gestellt hatte, aufhing. Auch dieser malteotl
war eine Trophäe, ein Erinnerungszeichen an den „coup“, dessen der Herr des Hauses sich rühmte. Daher wurden,
wenn ein Krieger starb, außer seinen Waffen auch seine malteotl mit ihm verbrannt.194 — Die Übereinstimmung
ist sehr auffällig; es ist schwerlich anzunehmen, daß P. Martyr bei der Abfassung seines, noch vor dem Zug der
Spanier ins Innere abschließenden Berichtes bereits etwas von dem aztekischen Opferritual gehört haben sollte.
Als Zeremonien, mit denen man Fremdlingen, wie den Spaniern, einen feierlichen Empfang bereitete, werden
Darbringungen von Blumen, Räucherungen und Kasteiungen erwähnt. Über die beiden letzteren berichten die Con-
quistadoren allerdings auch bei anderen Stämmen; offenbar waren es Kulthandlungen, denn die Spanier galten ja
überall, wo sie zuerst hinkamen, als Götter. Die Blumengaben hatten wohl mehr profanen Charakter. Als die Spanier
in Cempoallan einzogen, erschienen vor ihnen zwanzig Indianer, die duftende Blumensträuße (ramilletes), die mit
großer Kunst gebunden waren, in den Händen trugen und Cortes überreichten. Zugleich warfen sie ihm zierliche
Blumengewinde (cadenas de flores) um Hals und Helm. Die hübsche Szene wiederholte sich später, als Cortes nach
seinem Sieg über Narvaez feierlich von dem Kaziken von Cempoallan begrüßt wurde.195
Wenn Gemeinde- oder Stammesmitglieder sich im Frieden in größerer Zahl versammelten, so geschah es zu
gemeinsamer Arbeit oder zu Spiel und Tanz. In früheren Jahren war es noch in Misantla üblich, daß die Bevölkerung
durch Ausrufer zu größeren öffentlichen Arbeiten, wie Wege- und Brückenbauten, Straßenreinigungenu, dgl.,
aufgefordert wurde. Der Ausrufer bestieg einen hohen Baum oder den Kirchturm des Ortes und ließ mit laut schallender
Stimme seinen Gesang ertönen:
catdl camän lueschine, quiltät qui lischülat cam ....
„Kommt Jünglinge und Männer, es eilt unsere Arbeit.“
Darauf folgten Angaben über die Art der Arbeit und den Ort, wo sie stattfinden sollte.196 Nach Strebei haben
vielleicht große, durch Trittlöcher ersteigbare Felsblöcke, die auf dem Cerro Montoso liegen, einstmals als Tribünen
solcher Ausrufer gedient. Ihre Oberfläche ist mit Petroglyphen bedeckt, Zeugnissen eines spielerischen Kunsttriebes,
die sich überall in Amerika da finden, wo hervorragende Punkte der Landschaft den Indianer zu vorübergehendem
oder längerem Aufenthalt einluden.197
191P. Martyr De Insulis p. 32. Kurz vorher ist von der Grün-
dung von Villa Rica und von den Lippen- und Ohrpflöcken
der Totonaken die Rede; dann wird die Herkunft der Metalle
an jenem Küstenstrich erörtert, zuerst des Goldes und Silbers,
dann der „Bronze“ (d. h. Kupfer): aurichalcum etiam asse-
quuntur, secures bellicas namque ac ligones fossorios (Grab-
hacken) apud hos inueniunt ....
192Strebel, Altmexiko I p. 52 (Taf. XII, 48), II p, 48 und 55
(Taf. VIII, 49).
193P. Martyr De Insulis p. 35.
1,4Sahagün 1. II c. 23 u. III App. c. 1 (Aztekischer Text);
°f- Seler, Die achtzehn Jahresfeste p. 104, 187.
lö6Herrera- Dec. II 1. V c. 8 (p. 123), Torquemada 1. IV c. 19
(I p. 396); kürzer B. Diaz c. 45 (I p. 127). —Herrera Dec.
II 1. X c. 4 (p. 257), Torquemada 1. IV c. 66 (I p. 488).
196Strebei, Altmexiko II p. 4. — Die totonakische Textprobe
ist dem Sinne nach richtig übersetzt, catal = ca-t(a)azl
„vayan ellos“, Imperativform des Verbums an (can) „gehen“,
cam-an Rlur. von cam „hijo“. lueschin-e (e = Vokativsuffix)ist
entweder Verschreibung oder Nebenform von cac-chin-e „her-
mano mayor“ (Dialekt der Sierra alta von Papantla). qui-
lischülat-cam „unser Arbeitsgerät ; li-schüla-t, richtiger li-
tschula-t, ist instrumentales Verbalnomen von chola-y „hacer“
im Dialekt der Sierra baja von Naolingo (Dominguez,
Catecismo p. 34. Sierra alta sagt tlahua-y, daher li-tlahua-t,
cf. Z. Bonilla, Arte p. 113)- Zur Erklärung von quiltat ver-
mag ich nur auf ixquizlta ,A Iienapo“ (Papantla) zu verweisen.
197Vgl. Koch-Grünberg, Südamerikanisehe Felszeichnungen
(Berlin 1907).
DIE TOTONAKEN
51
c. 29 § 7);
Von den geselligen Vergnügungen der Totonaken sagt Sahagun (1. X
vel mimati in ipan cuicatl. vel motlaquimati in rpan netotihz i
Trefflich verstehen sie sich auf den Gesang, treffliches Verständnis haben sie auch für den Tanz.
” ' AU . j- Wfrohe Volk, das sie noch heute sind. Über die heutigen Feste der
Sie galten also schon im e 1 Tepehna und Totonaken des Distriktes Huauohinango Starr
Totonaken von Misantla hat nns Strebei uW dl* der TP T&nze, die den Hanptteil dieser
manches Interessante nutgetei Rändeln wie im ganzen übrigen México Ereignisse der Con-
Feste bilden, allerdings nicht mehr zu besitzen. Sie behanae B
quista und Stoffe der christlichen Legende. Bei dem Tanz
„Los Santiagos“ sind die Texte der dazu gehörigen Gesänge
aztekisch, ein Beweis, daß sie von der benachbarten me-
xikanischen Bevölkerung übernommen wurden. Nur as
Tanzgerät hat noch vielfach einen originellen Zug bewa r .
Bei dem erwähnten Tanz „Los Santiagos sch
Teilnehmer hölzerne „Manoplas , totem kisch mas ,
aneinander; das sind stöpsel- oder kugelartige e '
einem ringförmigen Griff, die durch Skulpierung un -
malnng verziert sind. Strebei hat auf ihre Ahiihchkeit m
hantelartigen Steingebilden hingowiesen die einen h- 8
Typus unter den archäologischen Funden te
Totonacapan bilden.198 199 Diese sind al erdmgs zu schwer te
A m- j i man sie wohl auch nur als loten-
den Tänzer, doch darf num Gebrauch be-
beigaben ansehen,* welche l
findlichen hölzernen nachahmten. Andere
dem Tanz „Los Pastores“ sowohl be. den Trpeh-als auch
bei den Totonaken in Aktion treten, erwähnt Starr, « “
Miniaturteponaztlis (Trommeln) aus bartamH V «
der alten Form und »dt V™ngein ausGMd W1S
Pap- Der Tänzer ste ; « ^ufdeu TJ ^ Culebra“
sie mit einem klemen S ^ Schlangenafrappe mit
oder „La Víbora P Körper aus Zeuglappen eine
hölzernem Kopf un<? .blifhen Hauptperson des Tanzes
Rolle; sie wird von der weibiicnen n r r
schließlich getötet. Cph weist die ältere
über die
led: glich Tonflöten in sehr “a^^cher f ‘ .
in Tier- und Menschenköpfe endgdingsim
also weiter
im Suden. ielen ist das „Juego del volador“,
das Fhegerspiel, noch heute bei denTotonaken der nördlichen
Ciuoco de Vnlatori
■ -Л
Juego del volador.
Abb. 23.
- N“0h ClaviS»'» (Storia antiea del Mesaicol
Distrikte weit verbreitet und sehr beliebt. Fünf Männer ersteigen ei l '
Trommel trägt; vier Stricke verbinden die Trommel mit einem etwi Ifevauf:8einer 8Pitzeeine drehbare
sind spiralig um den Pfahl gewunden und laufen mit ihren Enden 1 i V 1 anSenden Balkenviereck vier and
Diese Enden ergreifen vier der Männer und befest^nTeTieh t b“^ “ ^ Seite* des BaC^ereeC
und Trommel in drehende Bewegung, die Stricke tickein sich ab n td ' „Abspringend setzen sie Balkenviereck
werdenden Spiralen den Pfahl, bis sie auf dem gnrU , .’ Undl ^ie fliegenden umkreisen te ^ e°k
geblieben ist, tanzend auf der Spitze des Pfahls (vgl Abb'ii'feii?Wiihrenddes balanziert der fünfte01.!1 V
Darstellung). Zum Wesen dieses Spiels scheint t
Vögel verkleideten, wodurch der Eindruck des Fliegern, noch8verstärkt wurde !“abe“’ d°ß sich die Beteiligten als
über das Juego del volador bei den Totonaken vor. Der älteste, bei Carlos N b T ZeH üegen ^ Berichte
Seite und bezieht sich auf die Sierra de Huauohinango: Ga ;P11 Nebel, sc^dert nur die rein sportliche
: „Ce jeu, d’ancienne origine, a conservé
tout son originalité primitive.“20» Mit fast denselben Worten spricht Fe wkes von de T ^ * '^>arn*1 ces Tnontagnards
m duego del volador der heutigen
198Strebei, Ruinen von Cempoallan p. 30 sq„ Archäol. u.
Ethnol. Mitteil. p. 8. Starr, Notes upon Ethnogr. I p. 185,187.
189Strebel, Altmexiko ITaf. XIII, 26 u. 30 u. XIV, 1; Altmexiko
II Taf. XIV, 26 u. 27; XV, 50;XXII, 4, 6u. 10. Fewkes Antiqu.
P- 265/6 (Manop’as der SIg. Dehesa, als „Slingstones“ ge-
deutet). Außerhalb von Veracruz sind manoplaartige Stein-
4*
ringe im tzapotekiscben Gebiet gefunden worden: SelerG.A.II
p. 364 (Manopla vom Monte Alban, Slg. Sologur en); ferner im
Gebiet der Teotihuacan-Kultur ( Jalapazco) und weit im Osten
(Guatemala, Costarica): ibid. Y p. 552.
200Nebel, Voyage Pittoresque, Text zu der Tafel „Indios de la
Cierra de Guauchinango.“ Nach dieser Tafel die Abbildung
52
WALTER KRICKEBERG
UNiV-BlBL.
BERLIN.
Juego del volador.
Abb. 24.
Cod. Porfirio Díaz ed. Cliavero fob p.
totonakischen Bevölkerung von Papantla, wo die Fliegenden noch in Vogel Verkleidung auftreten; „Es scheint, als
hätte dies Spiel in Papantla noch etwas von seiner alten Kraft (vigor) behalten, als bewahrte die Aufführung
hier noch vieles,1"was mehr oder weniger zeremoniell ist. Eine alte Frau, die sogenannte bruja (Hexe), bringt als Opfer
Kopal, Aguardiente (Branntwein) und ein Huhn dar; dies wird in das Loch getan, in welchem der Pfahl aufgerichtet
wird. Während der Tage, welche die Zeremonie dauert, werden dann noch verschiedene kleinere Piten vorgenommen.
Das Volador-Fest ist in moderner Zeit zu einem
Spiel degeneriert und wird in den meisten mexi-
kanischen Orten aus profanen Anlässen (secular
occasions) gefeiert; aber es ist ursprünglich mit dem
Sonnentanz zu vergleichen, einer der ernstesten
Zeremonien unserer Prärieindianer.“201 In Coyutla
(Distr. Papantla) und Tepexco (Distr. Zacatlan)
beobachtete und photographierte endlich Adela
Breton die Zeremonie, über die sie interessante
Einzelheiten mitteilt. In Coyutla war der 70 Fuß
hohe Mast auf der Plattform des alten Tempels er-
richtet. In beiden Orten gehörten zur Aufführung
des Spiels nicht nur die fünf Personen, die den Mast
erstiegen, sondern noch fünf bis sieben andere, die
ihn währenddessen umtanzten. Alle waren phan-
tastisch gekleidet und trugen hohe spitze Mützen
mit einem Papierbüschel darau#; sie machten mit
Passein, Rohrflöten und kleinen Trommeln Musik.
Außer ihnen traten noch andere Tanzgesellschaften
auf, darunter Maskierte und lustige Personen, wie
wir sie auch von den Festen der Nordamerikaner
kennen.202 Auch nach diesem Bericht ist also das Juego del volador nichts weniger als eine reine Volksbelustigung,
sondern steht im Mittelpunkt eines ausgedehnten Zeremoniells.
Es ist bedauerlich, daß dies merkwürdige Spiel
bisher so wenig Beachtung in der wissenschaftlichen
Literatur gefunden hat. Im 17. und 18. Jahrhundert
war es im nördlichen México (auf der Hochebene von
Tlaxcala und im Valle) weit verbreitet, heute scheint es
ganz auf das nordwestliche Totonacapan und die an-
grenzenden mexikanischen Gebiete beschränkt zu sein.
Man hat die Frage aufgeworfen, ob das Spiel überhaupt
aus alter Zeit stammt. Der älteste spanische Bericht
darüber findet sich allerdings erst bei Torquemada;203
die im engeren Sinn aztekischen Quellen, vor allem
Sahagún, Tezozomoc, Chimalpain, beschreiben es
nirgends, ebensowenig finden wir es in den Berichten
der Conquistadoren. Daß es aber unzweifelhaft ein
altes Spiel war, geht aus einigen bilderschriftlichen
Darstellungen hervor, von denen ich zwei besonders
charakteristische hier folgen lasse (Abb. 24 und 25). Sie
stammen aus den beiden im Stil nahe mit einander ver-
wandten und dieselben Darstellungen in fast derselben
Folge enthaltenden Codices Porfirio Díaz und Fer-
nández Leal, denen man cuicatekischen Ursprung
zugeschrieben hat, da der letztere im Besitz eines
alten cuicatekischen Geschlechtes in Quiotepec auf-
gefunden wurde und der erstere Legenden in einem Idiom
des Staates Oaxaca enthält.204 Wie weit dies Berechtigung
hat, kann hier nicht näher erörtert werden; ich hebe nur hervor, daß der Stamm, dessen Wandersage in diesen beiden
zweifellos historischen Codices dargestellt wird, in der Tracht und Bewaffnung von Kriegern der zentralen Hoch-
Juego del volador.
Abb. 25.
Cocí. Fernández Leal efi. Peñafiel fol. 4, 5.
bei Brantz Mayer, Mexico Aztec, Spanish and Republican
P- 222/3. Die zu den Masten gebrauchten, besonders hohen
Bäume hießen geradezu „voladores“ und kamen besonders im
o Distrikt Tuxpan vor. Fages, Dept. de Tuspan p. 20.
1 Fewkes Antiqu. 249.
202 Adela Breton i. Verhandl. des XVI. Intern. Amerik.-Kon-
gresses, Wien 1910, p- 516—520.
203 Torquemada 1. X c. 38 (II p. 305—307), Xach ihm Clavi-
gero, Storia antica del Messico I p. 182/3.
204Lehmann, Les peintrxres Mixtéco-Zapotèques S. A. p. 39/40.
DIE TOTONAKFN
53
«.. ! ix/Tonmiauitl usw.) erscheint, daß diese Krieger durch Hieroglyphen,
landsgebiete (mit Temiüoti-Frisur Lippenp oc en, hnet werdenj imd daß manches, z.B. das Symbol teoatl-
genau wie in den historischen mexikanischen ° 10 ’ ^ fol w]1); ein mexikanisch redendes Volk als Zeichner
tlachinolli „Krieg“ (Fernández Leal lo . / - or í Codices, wie durch die Bezeichnung der Jahresdaten
dieser Bilderschriften voraussetzt. Im u rigen ge 101 u der großen Gruppe der Codex Vindobonensis-Bilder-
und manche stihstische Eigentümlichkeit ewiesen wir , z ^ zugleich Totonaken, Tzapoteken und Mayavölkern
Schriften, deren Heimat jedenfalls in einer mexi amsc^ Cuetlaxtlan> gesucht werden muß. Die Codices Porfirio
benachbarten Landschaft, also wahrscheinlich in er ^ eigentümliche Sonderstellung ein, insofern als in ihnen
Díaz und Fernández Leal nehmen in dieser Knippe em |en acatlj tecpatl, calli, tochth unmittelbar vorangehenden
die Jahre mit malinalli, olin, eécatl und maga ( • ^ jn (lie’er Gruppe, in denen sich Darstellungen des Juego
Tageszeichen) benannt werden. Sie sind auch xe^ein^ beiden anderen, 1. daß das Spiel nirgends in den
del volador gefunden haben. Stellt man diese a s ^ ^ heute hauptsächlich noch im totonakischen Gebiet in der
eigentlich aztekischen Quellen erwähnt wird, • a ^ am tiefsten wurzelte so ist die Schlußfolgerung nicht von
alten Form erhalten hat - ein Beweis dafür, a einem mexikanischen Volksstamm irgendwo an der
der Hand zu weisen, daß die beiden Codices^ ^ ^ dieser mexikanische Stamm das Juego del volador bei
Südgrenze der Totonaken her rühren, adoptierte. Mit anderen Worten, dies Spiel ist vielleicht toto-
seinen totonakischen Nachbarn in Übung sa ungerer Quellen über diesen Stamm ist schuld, daß wir es bei
nakischen Ursprungs, und nur die Luoksi 8 finden Erst in spanischer Zeit,als infolge der Eroberungszüge die
den Totonaken nicht schon in alter Zeit hkeiteneinsetzte, hates sich dann über das ganze Hochland verbreitet,
allmähliche Abschleifung der Stammeseigen ^ der erwähnten bilderschriftlichen Darstellungen
In diesen Folgerungen wird man du ^ wag bereits in den Berichten von Fewkes und Adela Breton
des Juego del volador nur bestärkt b ^ den Charakter eines profanen Zeitvertreibs hatte, sondern
hervortrat, daß dies Spiel ^sprnnghch d Ausbildung zweifellos den Völkern der atlantischen Küste zuzu-
einen sehr ernsten Teil eines Kults bildete ^ ganz parallele Darstellungen enthalten, findet sich die
schreiben ist. In jedem der beiden Cod , ^ > fm Zusammenhang mit einer Siegesfeier oder einem sonstigen
Volador-Szene zweimal, in aüen vier Fall Q Fernández Leal fol. 4/5 (unsere Abb. 25) entspricht C. Porfirio
Fest, das der Stamm auf seiner Wan L g entspricht C. Porfirio Díaz fol. p (unserer Abb 24). Man sieht auf
Díaz fol. 1/k, C. Fernández Leal _. / 1 ^ Drehmechanismus auf der Spitze und dem Balkenviereck, das per-
allen vier Bildern den hohen Mastöaui 2o6 Ein auoh in den modernen Berichten erwähnter Kletterstrick
spoktivisch falsch in voller Ob—ht hocken in A№. 26, zum Ahsprung bereit 4 Gestalten in Vogel-
läuft an dem Mast herunter Aut den ^ die durch Hieroglyphen bezeichnten Anführer des wandernden
Verkleidung. Am Fuß des Mastes sitz palbeuteln, ferner einen auf gepflanzten, standartenartigen, mit Daunen-
Stammes. Weiter sieht man Pneste: desselben Codex wird er von einem Priester herangetragen) und
federbällen besetzten Stab (in Add. ^ gtel]en die auch sonst aus Bilderschriften wohlbekannte Szene des
dergleichen mehr, vor allem aber “ Gesteh, an dem ein Mensch mit ausgestreckten Armen und Beinen
Pfeilopfers (tlacäcaliliztli): ein lei ^tenstehenden Krieger durchbohrt wird. Diese besondere Art des Opfers ,
festgebunden ist, der von den Pfeilen er ^ gtetg mit dem Kult der Erd- und Vegetationsgottheiten
erscheint in den mexikanischen Tex er1 ^ ^ Begattung der Erde, um sie wieder fruchtbar zu machen. Bei der
verknüpft, als ein wohlverstandene ^ ^ wurde es z.B. veranstaltet, wie ein Bild im Codex Telleriano-Remensis
großen Hungersnot zur Zeit Mo ecu ^ der Erde) zeigt. Es war ferner die ausschließliche Form, in
fol. 41 verso (unter dem i a ™ ^ großen Erd- und Mondgöttin Tlagolteotl in Tenochtitlan vollzogen wurden,
der die Menschenopfer zu ¿ dieser Göttin zusammenhing, bestätigt auch eine in der Historia de los Reynos
(Daß das Pfeilopfer eng nu __ dem 2 Teil der Anales de Quauhtitlaii - erhaltene Tradition, der zufolge es von den
de Colhuacan y & Formen der Tlagolteotl, in Tollan eingeführt wurde.2«7) Und es erscheint schließlich
Ixcuinanmé, d- h- des Sacrificio gladiatorio, des großen Opfers am Fest des Vegetationsgottes Xipe, in zwei
als die wichtigste ^ ^ Becker) derselben Vindobonensis-Gruppe, zu der auch unsere beiden Bilderschriften
Codices (U Hut a xorbereitendc Phase ist hier der Kampf auf dem runden Stein (temalacatl), d;Ts tlauauana-
gehören- Hie an deg Ackers (das Stechen der Saatlöcher) symbolisierte.2«8 An die Stelle dieses
liztli, das die vor ^ ^ CodiCes Fernández Leal und Porfirio Díaz das Juego del volador, und es ist wohl nicht
Kampfes tritt nun 1 gleichfalls in den Ideenkreis dieser Kulte gehörte,
daran zu zweifeln, aao B
205 Eine genauere Bestimmung würde sich sicherlich durch das
Studium der sehr charakteristischen Ortshieroglyphen, welche
die Etappen der Wanderung in beiden Codices bezeichnen, er-
möglichen lassen. Daß diese Bildei Schriften schließlich zu den
Cuicateken verschlagen wurden, erklärt sich ohne Schwierigkeit
daraus, daß einer der missionierenden Mönche aus dem Norden
hierher versetzt wurde und die Bilderschriften mitbrachte.
206In Abb. 25 sieht man nur zwei scheinbar übereinander liegende
Querbalken; die Verbindungsstücke hat der Kopist bis auf die
kurzen, mißverstandenen Ansatzteile fortgelassen. Überhaupt
sind die beiden Codices in den durch Peñaf el (México 1895)
und die Junta Colombina (México 1892) veranlaßten Tafel-
werken sehr ungenau und flüchtig reproduziert. „Códice
Fernández Leal“ ed. Peñafiel ist zwar eine photographische
Wiedergabe, doch sind die teilweise sehr schwachen Konturen
der Bilder leider nachträglich mit Tusche nachgezogen, und
zwar in einer so willkürlichen Weise, daß die beiden Exem-
plare, die ich benutzte (des Museums für Völkerkunde und
der Staatsbibliothek zu Berlin), fast in allen Einzelheiten von
einander abweichen.
207 Duran Trat. I c. 62 (I p. 484/5).
208 Seler C. B. I p. 171—173.
54
WALTER KRICKEBERG
Was kann es nun aber in Verbindung mit dem Pfeilopfer bedeutet haben ? Es ist schwer, hierauf eine Antwort
zu geben, ohne die Frage in größerem Zusammenhang zu behandeln. Ich möchte hier nur auf ein paar Punkte
aufmerksam machen, die vielleicht Anhalt für eine Erklärung lieiern können. Die Vo gel ver klei du ng der Fliegenden
(Bilderschriften, Torquemada, Fewkes) erinnert daran, daß nach mexikanischer Anschauung die Seelen der im
Kriege Gefallenen und auf dem Opferstein Geschlachteten um die Mittagszeit, nachdem sie ihren Dienst bei der Sonne
verrichtet hatten, in Gestalt von Schmuckvögeln und Schmetterlingen auf die Erde herabschwebten, um den Honig
der Blüten zu saugen.209 Daß man auch imtotonakischen Gebiet ähnliche Vorstellungen hatte, lehrt ein Palma-Relief,
das von Seler beschrieben worden ist.210 Mit dem Juego del volador sollte also vielleicht das Herabkommen des
Opfermenschen dargestellt werden. Wenn aber nach dem Bericht der Adela Breton die Fliegenden hohe spitze
Mützen, also huaxtekische Tracht, tragen,so denkt man daran, daß jagerade dieCuexteca (Huaxteken)es waren, an denen
die Ixcuinanme zuerst das Pfeilopler vollzogen; auch sonst sind in der religiös-symbolischen Weltanschauung der
Mexikaner Cuexteca und im Osthimmel wohnende Seelen der im Kriege Gefallenen und Geopferten synonyme Be-
griffe (cuecuextzin war die liebkosende Bezeichnung für d: ese Helden und cuextlan ihr Sitz,der Osthimmel, daneben aber
auch das Land am Ostmeer, d. h. die Küste zwischen demTuxpan und dem Panuco). Das Opfer, das man der Erde dar-
brachte, ist also der Opfermensch an sich, der von vornherein zu diesem Lose bestimmt ist. Und das Herabkommen
des Opfermenschen vom Hi mmel ist auch sonst ein häufiger Zug. In der azteldschen Wandersage der Historia Mexicana
von 1576 heißt es, daß die Mimixcouä, die Opfer menschen, zwischen die Melonenkaktusse und Dornakazien der nörd-
lichen Steppen herabfielen (huehuetztoqué), um dann von den Azteken geopfert zu werden. In diesem aztekischen
Bericht tritt nun auch die Naturgrundlage jener merkwürdigen Vorstellung deutlich hervor; Centzon Mimixcouä
(,,die vierhundert Nördlichen“) nannten die Mexikaner das Heer der Sterne des nördlichen Himmels, denen die Centzon
Uitznauä („die vierhundert Südlichen“) gegenübergestellt wurden. Mit den Sternen wurden also die Opfer-
gefangenenidentifiziert; daher gab man ihnen, wie aus bilderschriftlichen Darstellungen hervorgeht, auch die Tracht
und die cicitlallö -(Sternhimmel-) Bemalung der Mimixcouä.211 Ganz dieselben Vorstellungen hat Preuß bei den
Huichol in der Sierra de Nayarit gefunden, die noch heute ihre alte Religion bewahrt haben; nur verkörpern sich
ihnen die Sterne nicht in Menschen, sondern in Hirschen, so daß die (einen besonders hervorragenden Platz in ihren
Zeremonien einnehmende) Hirschjagd in den Steppen des Ostens bei ihnen die altmexikanischen Menschenopfer
vertritt. Diese Jagd ist nur ein Abbild der Tötung der himmlischen Hirsche, der Sterne, im Frühjahr durch die Sonne
oder ihren Gehilfen, den Morgenstern. Erst dadurch werden nach dem Glauben dieser Indianer das Gedeihen der
Saat, der mit dem höchsten Sonnenstände eintretende Regen und das Wachstum des Maises wirklich gewährleistet.212
Nun begreifen wir auch, warum das Juego del volador grade dem Pfeilopfer, d. h. der Begattung der Erde, voraus-
gehen mußte.
Was die Naua-Völker durch die Mimixcouä-Tracht ihrer Opfergefangenen nur andeuteten, das haben also die
Völker des atlantischen Abhanges in dem Juego del volador direkt dramatisch vorgeführt. Es scheint indes, daß
diese Idee eines Herabfallens der Opfer vom Himmel auch in einigen Zeremonien des Valle de México noch deutlicher
zum Ausdruck kam. In Tenochtitlan stürzte man beim Ochpaniztli-Fest die Gefangenen von dem hohen Holzgerüst
hinab, das bei dem Tempel der Tla^lteotl außerhalb des Weichbildes der Stadt stand, um sie darauf zu schinden,
während in Quauhtitlan beim Izcalli-Fest (das hier in mancher Beziehung dem Ochpaniztli -Fest zu entsprechen scheint)
die Opfer erst an ein hohes Gerüst gebunden und mit Pfeilen gespickt, dann hinabgeworfen und regulär geopfert
wurden.213
Die Untersuchungen Selers haben uns gelehrt, daß die mexikanischen Stämme der zentralen Hochländer eine
ganze Reihe agrarischer Gottheiten und ihre Kulte von den Völkern der atlantischen Küste übernommen haben.
Insbesondere Tlagolteotl, die große Götter mutter (Tete 6 innan), die Allgebäierin (Toci „unsere Großmutter“), im
Kerne ihres Wesens eine alte Mondgöttin (Ixcuinan „die mit den zwei Gesichtern“), die dann durch eine, auch sonst
nicht seltene Ideenverknüpfung einerseits zu einer Göttin der Erde und der Feldfrüchte (Tlalli iyollö „Herz der Erde“),
andrerseits zu einer Göttin der Wollust und des Ehebruchs (Tlaelquani „die Dreckfresserin“) geworden ist, war dem
mexikanischen Pantheon ursprünglich fremd. Es bestehen dagegen gewichtige Gründe für die Annahme, daß sie ihre
Heimat in der Huaxteca, in Totonacapan und in der Provinz Cuetlaxtlan hatte. Das Pfeilopfer war mit ihrem Kult
untrennbar verbunden. Es kam nach Tenochtitlan und anderen Städten, des Hochlandes, wurde hier wohl nicht
mehr vollkommen verstanden und daher von dem Sacrifico gladiatorio getrennt, mit dem es ursprünglich zusammen-
gehörte.214 Und das Juego del volador, das ursprünglich gleichfalls eine wichtige Phase des alten totonakischen
Festes zu Ehren der großen Göttermutter gebildet hatte, trat seine Wanderung ins Hochland erst an, als es schon
längst zu einer harmlosen, in seiner ursprünglichen Bedeutung nicht mehr verstandenen Volksbelustigung herab-
gesunken war.
(Schluß folgt.)
-0u Aztekischer Sahagún-Text bei Seler G. A. II p. 748, C. B. II
P- 67.
210Seler G. A. III p. 541/2.
22“Seler C. B. I p. 264/5.
-‘“Preuß in ¿er Zeitschrift d. Gesellschaft f. Erdkunde, Berlin
1908, p. 166; Id. im Archiv £• Religionswissenschaft XI
р. 385/6.
213Durán Trat. II c. 94 (II p- I89)' Motolinia Memoriales 1. I
с. 19 (p. 62).
214Seler C. B. I p. 171/2.
BEITRÄGE ZUR KENNTNIS DER WASOHAMBAA
III.1
NACH HINTEELASSENEN AUFZEICHNUNGEN VON
A. Kaeasek
HERAUSGEGEBEN VON AUGUST EICHHORN
Kinderspiele.
Die Kinder der Waschambaa genießen ihre Jugend in vollen Zügen. Von den Eltern werden sie gut behandelt;
Tadel gibt es selten, Strafe noch weniger, denn die Eltern sind zu träge zu bei dem. Meistens drückt die Mutter bei
Vergehen der Kleinen beide Augen zu; Eltern, die streng strafen, machen sich bei der Nachbarschaft unbeliebt und
bekommen oft Vorwürfe zu hören.
Solange das Kind noch gesäugt wird, gibt ihm die Mutter, wenn sie das unruhige Kleine beschwichtigen will,
irgendein Spielzeug in die Hand, ein Hölzchen, eine Schelle u. a. m.; auch nimmt sie einige Steinchen und läßt sie
durch die Finger von einer Hand in die andere laufen, während das Kind vor Freude kreischt. Muß sie Feldarbeit
verrichten, so nimmt sie ihr Kleines mit und setzt es in ihrer Nähe in den Schatten; um es zu beruhigen, fertigt sie
ein mahingu an: drei ausgekörnte Maiskolbenspindeln bindet sie mit einem Faden zusammen, hält sie in der Mitte
mit den Daumen fest und dreht das Bündel. Das Kind wird dann gewöhnlich ruhig und sie kann wieder ein Stückchen
Land in der Pflanzung umhacken.
Je größer die Kinder, je mannigfaltiger die Spiele; die Jungen sind darin äußerst erfinderisch. Wenn die Dorf-
jugend nicht spielt, tummelt sie sich dort herum, wo es etwas besonderes zu sehen gibt, eine Hochzeit, eine Beratung
der Alten usw.
Die Mädchen tragen mit Vorliebe Püppchen, die aus einem Bananenschaft hergestellt sind, mit sich herum und
der Mutter kostet es oft viel Zureden, bis die Kinder sich entschließen, ihre Lieblinge vom Rücken zu nehmen, neben
sich zu legen und dann selber einzuschlafen.
Haben sich mehrere Mädchen zusammengefunden, so wird ,,ugali“ gespielt. Der Mutter betteln sie einen alten,
zersprungenen Topf ab, die Jungen schlagen ihn mit Steinen in Scherben; soviel Scherben, soviele neue Töpfe. Nun
wird etwas Erde mit Wasser oder, wenn es nicht leicht erreichbar ist, mit Urin angefeuchtet, der Teig geknetet und
in die Topfscherben gepackt; das ugali ist fertig.
Besonders gern spielen die Knaben kondo, Krieg. Aus schwachen Bambusrohren werden Speere, Bogen, Pfeile
und Gewehre fabriziert; kleine Äxte dienen als Keulen. Die eine Partei versteckt sich im Wald oder pori und vollführt
unter Kriegsgeheul, das das Bellen sämtlicher Dorfköter verstärkt, einen Angriff; die andere Partei flieht. Wer
stolpert, gilt als Gefangener und der Sieger zieht ihn im Triumph ins Dorf; um den Preis von einem oder zwei Mais-
kolben löst der Gefangene sein Leben aus. Der Jubel der Kinder ist groß, und gibt es beim Kampfe Beulen und
Hautabschürfungen, so sprechen sie tagelang vom großen Krieg.
Ein anderes Mal wird schui, Leopard, gespielt. Der ihn nachahmende Knabe kriecht auf allen Vieren durch das
Dorf und stößt ein grimmiges Brummen aus; die Kinder flüchten in die Hütten und verstecken sich unter der Bettstelle
oder auf dem Boden; auch klettern sie an dem Mittelbalken der Hütte empor. Der Leopard rückt zornig fauchend
ihnen nach, während jene vor Entsetzen den Atem anhalten; hat er einen Knaben erwischt, so beginnt allseitig lautes
Geschrei. Die Situation ändert sich, die Versteckten brechen hervor und verfolgen den mit seiner Beute entfliehenden
Leoparden.
Wo ein grasiges Plätzchen im Dorfe oder in seiner Nähe sich zeigt, da tummelt sich die Jugend, schlägt Purzel-
bäume oder es stellen sich mehrere Knaben mit weitgespreizten Beinen hintereinander und lassen den letzten auf allen
Vieren zwischen den Beinen seiner Vordermänner hindurchkriechen.
Beim Böckchenspiel stellen sich zwei Kinder einander gegenüber, senken die Köpfe und gehen auf einander los;
wer den Stößen mit dem Kopfe weichen muß, hat verloren.
Zum ikalische ngombe nehmen die Knaben einen Kürbis, durchlöchern ihn und ziehen eine Liane hindurch; er wird
dann als Kuh zur Weide gezogen, während einige Knaben als Hirten mitgehen, andere wie meckernde Ziegen Umh erlaufen.
Nicht selten ahmt die gesamte Dorfjugend eine größere Festlichkeit, eine Hochzeit, eine Opferfeier und dergl.
nach. Knaben und Mädchen begeben sich in einen Bananenhain und dort baut sich jedes Pärchen eine Hütte. Die
Mütter sind froh, die Plagegeister eine Zeit lang los zu sein und schicken ihnen Essen zu. Am Nachmittag fangen
Sl°h dann die Kleinen gewöhnlich Schmetterlinge, die sie als ihre Hühner bezeichnen, und abends kehrt jedes Paar
mit 20 30 solcher kuku (Hühner) nach Hause zurück.
Teil I erschien im Bässler-Archiv Bd. I. Heft 4 und 5, 1911. Teil II ebenda, Bd. III, Heft 2 und 3, 1912.
BEITRÄGE ZUR KENNTNIS DER WASCHAMBAA 57
Für das Opferfestspiel der Kinder haben die Mütter deshalb weniger Interesse, weil es dabei zu sehr über die
Eß Vorräte her geht.
Auch malikoakaja, Beschneidnng, wird gespielt Ein Junge stellt sich mit einem schnell angefertigten Holz-
messer hin, um die wichtige Handlung an seinen vor ihm stehenden, zitternden und weinenden Kameraden vorzu-
nehmen. Erwischt er einen besonders Dummen, so hält den die kleine Bande fest und, je mehr er schreit, je lauter
jauchzt sie.
tu tu, blinde Kuh, und fischianu, Verstecken, spielen sich wie bei uns ab.
luhole, Schaukeln, ist ungemein beliebt: An einen Baum wird eine Schnur angebunden, an deren freiem Ende
sich der Schaukelnde festhält, während die anderen ihn ins Schwingen bringen.
Beim Krankenspielen, tsia (?) msinko (?), bindet sich ein Junge mit einem Tuche den einen Fuß hoch, nimmt
einen Stock und humpelt in den Dorfgassen umher; seine Kameraden necken ihn. Ein anderer umwickelt sich die
Wade mit dicken Tüchern, als hätte er da eine große Wunde, und hinkt herum.
Beim maguko (in Bumbuli und Mkulumusi) ahmen die Kinder eine verkrüppelte Hand nach, zumal wenn sie
jemand mit stark zusammengezogenen Fingern sahen, und dabei singen sie.
mkwangu kha moto, mkwangu kha moto (mein Weib, gib mir Feuer, mein Weib, gib mir Feuer). So in Bumbuli;
dagegen in Mkulumusi:
mkwangu kha moto, kimbele bele, tschamkoma njange, eh una maguko. (Mein Weib, gib mir Feuer; Geschwür !
Zerschlage den Topf; eh, du hast ihn zerschlagen).
Um madodi (messingener Fußschmuck der Waschambaa-Frauen) zu spielen, gehen die kleinen Mädchen in die
Bananenpflanzung, richten sich dort Streifen aus Bananenblättern her und umwickeln sich damit die Beine vom
Fußknöchel ab bis zum Knie herauf; dann kommen sie ins Dorf zurück, um der Mutter madodi zu zeigen. Fragt sie:
• Wer hat dir madodi gemacht?“ so lautet die freudig stolze Antwort: „Ich selbst“.
Zum tula-Spiele (Bumbuli), das bei den Kleinen sehr beliebt ist, nimmt man die harten, gelben Beeren von tula,
steckt durch sie Hölzchen und dreht sie wie Kreisel . , T>
Zum Idzegele (Wilhelmstal, Kitiwo) holen sich die Kinder Bluten eines nur in den Bergen wachsenden Strauches;
sie bringen in der Mitte der bis zu vier cm im Durchmesser breiten Blüten einen künstlichen Stiel an und drehen ihn
schnell zwischen beiden Händen, so daß die Blütenblätter sich aufrichten und schopfartig, etwa wie die Federn eines
Abstäubers durcheinanderstehen.
* Beim wikili ist ein alter Topf, eine schlechte Flasche usw., die als Zielobjekte dienen, auf einen erhöhten Punkte
aufgestellt, und es wird mit Steinen und Bananenstammstücken danach geworfen; wer den Gegenstand umwirft
oder zerschmettert, hat gewonnen. . , , . lvr.. . , , Q . ,, r ,
Beim mschapana-Spiel stellen sich zwei Knaben - auch bei Männern ist das Spiel behebt - einander gegenüber
Zwischen ihnen wird ein Strich gezogen; dann springt jeder mit erhobenem Bein auf den andern los und sucht seinen
Gegner mit dem Fuße hinter das Mal zuruckzutreibem
Kitzelt ein Kamerad den andern am Knie und ruft dabei mammmmy, so darf der Gekitzelte nicht lachen; lacht
er. dann hat er verloren und wird weiter gekitzelt.
magoda, das Gliederknacken, ist ungemein behebt. Man streckt die Hand aus und zieht an den Fingern, bis
es in den Gelenken knackt. Viele Mädchen verstehen auch den Unterarm so schnell vorzustrecken, daß man es im
Ellbogengelenk knacken hört; manche wiederholen magoda 10-15 Mal hintereinander.
kikalio tscha mnjau, Sitz für die Katze, spielen kleine Kinder und verschlingen dabei die Finger beider Hände
jn Gumba erdachten sich etliche Knaben ein Spiel, das ihnen ausnahmsweise einmal tüchtige Prügel eintrug
Sie sahen, wie der Vater den Kopf seines Freundes rasierte. Flugs sammelten sie die auf der Erde liegenden Haare
liefen in den Wald, zogen ihre Kleider aus und klebten sich mit mzule-Saft die abrasierten Haare am Unterleibe fest*
Dann gingen sie ins Dorf zurück und sagten: „Wir sind jetzt auch große Leute!“ die Mutter erschrak erst, züchtigte
, k lann aber in dem Maße, daß ihnen die Lust, Erwachsene zu spielen, verging.
usoio wa ubao, das Brettspiel der Waschambaa, das bei jung und alt gleich stark behebt ist, unterscheidet sich
von dem der Bondei und Suaheli dadurch, daß erstere ein Brett mit nur zwei Reihen mit je vier Mulden, letztere
beiden Volksstämme aber Bretter mit drei Reihen mit je sechs Grübchen benutzen. Das flache Spielbrett gleicht
.seiner Form nach einer Schreibtafel, wie sie in den muhamedänischen Schulen benutzt wird. Ist keines zur Hand
so stellt man im Erdboden acht Grübchen in entsprechender Entfernung her. Als Spielsteine dienen die Samen
eines Strauches, der in die Klasse der Leguminosen gehört. Wenn man auch stundenlang dem Spiele zusieht, kann
man die Regeln, nach denen die Samen von einer Mulde in die andere gegeben werden, nicht herausfinden.
Singspiele sind bei den Waschambaa in besonders reichen Maße anzutreffen.
1. Donga, donga, dongela.
Die Kinder sitzen nebeneinander und strecken die Hände vor; der Sänger klopft bei jedem Worte seines Liedes
einem nach dem andern auf die Hand. Auf wessen Hand das Schlußwort des Liedes trifft, der scheidet aus. So
bleibt am Ende nur ein Kind übrig und ihm gibt der Sänger den Rat: „Suche dir eine Frau!“ Das Lied lautet in Ost-
Usambara: Donga (streckt Hände aus), donga, donga, donga, donga, kani mtunde atundie, schuke jangu memkuju.
mkuju kadongea donge. mkumbulu, kumbnlu lekaj mgua a tule phanda. kwandua kwani ne mboga kwandua.
Anders lautet der Text des Liedes in West-Usambara (Bumbuli):
58
A. KARASEK
donga, donga, donga, donga, donga, donga.
muezi muili tegala ni tegala katangulu ka mwiko,
leka ni kn mlanga mschozi akaila.
kumia kumia nane, kunu ma ne, kunu ma ne.
kwa ingwa, kwa ingwa gosi dja sangade.
kimuascha mkelo a kitwanga matombo ja mpua kuka.
mpua mpua.
2. Kibetha (Wngiri).
Zwei Knaben stellen sich nebeneinander; einer hakt den Fuß in den des andern, dann hüpfen sie, klatschen dazu
in die Hände und singen:
kibetha, eh, tscha mtema kuni mteme na gala.
3. Mangogo. (gogo ist ein Tier, das gern Fleisch frißt).
Die Knaben sitzen mit ausgebreiteten Beinen da und jeder hält seine beiden großen Zehen mit den Händen fest.
Einer singt das folgende Lied, der Chor antwortet mit oeh.
mangogo, mangogo. oeh.
namgamba ka mkila. oeh.
anigamba so wangu. oeh.
mkila ngua ni wanange. oeh.
nange ku mkila. oeh.
ani gamba, so wangu. oeh.
mkila niwa mboza. oeh,
mboza ka mkila anigamba. oeh.
so wangu. oeh.
Kibidula ngomba. oeh.
bi du. oeh.
Am Schlüsse des Liedes, beim Worte bidu, schlägt jeder Knabe einen Purzelbaum.
4. Lungo eh.
Ein Knabe stellt sich auf den Kopf und die anderen singen:
lungo eh, o lungo pepe. Die Worte werden so lange wiederholt, bis der auf dem Kopf stehende Junge umfällt.
5. Kizungulu.
Das Kind dreht sich mit ausgestreckten Armen um seine eigene Achse und singt dabei: kizungulu baragia.
6. Oh, gwe, gwe.
Ein Knabe singt:
oh, gwe gwe dja mile, oh gwe gwe dja mile
eze nihite kwa täte mkulu. Oh gwe gwe kwa täte mkulu.
kwalongua masa; oh oh gwe gwe nazogiwa nguku1
je milunda mile sitogola nguku
natagola milunda. Oh gwe gwe. dja mile.
Dann hockt er nieder, schleift einen Fuß nach, schlägt mit den Händen auf die Erde, klatscht in die Hände, zieht
den andern Fuß nach und singt dabei:
kindo mame, kadonde kudonde; Worte und Gebärden wiederholt er so lange, bis er müde ist.
7. Halia halia.
Knaben und Mädchen stellen sich in eine Reihe, ahmen das künde-Pflanzen nach und singen dabei;
halia haha halia künde wa mame halia: versetzen wir, versetzen wir, versetzen wir künde der Mutter, versetzen
wir. ujo iiokwe aza hita kwa guilwa, nika gole ka schingo: diese Mutter ging Schnur für den Hals holen,
oh ! mamea oh ! oh mama oh !
8. Kisungu2 dere.
Die Knaben setzen sich mit gespreizten Beinen, einer hinter den andern, singen das folgende Lied und wackeln
dabei im Takte nach rechts und links.
mame mamuhando Kisungu de
weikala nika, Kisungu de.
manuhande a okwa ni hoja, eh,
9. Luwi.
Dieses Singspiel wurde nur in der Gegend von Bumbuli beobachtet.
Zwei Knaben setzen sich einander gegenüber, legen die Arme aneinander, bewegen die Hände auf- und abwärts
Ulld singen dabei : Luwi lule, lule nenite Bumbuli
nikalonde njama kibula ziza hita
na heller (?) [kisuah,: nimekosa], hupu, hupu.
1 Ein Hahn
mit langen schönen Schwanzfedern.
Kisungu ist ein sehr bitter schmeckendes Gemüse.
BEITRÄGE ZUR KENNTNIS DER WASCHAMBAA
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10. Pambaj agonie mame.
An diesem Singspiele nehmen nur ein Mädchen und ein Knabe teil. Die Väter sehen es nicht gern und machen
ihm möglichst bald durch Abrufen eines der Kinder ein Ende. Das Mädchen legt sich auf den Leib und spreizt die
Beine weit auseinander; der Knabe legt sein linkes Bein über das des Mädchens und das rechte unter dessen rechtes
Bein. Dann schlägt er das Mädchen abwechselnd auf die rechte und linke Gesäßhälfte und singt dabei:
Pambaj1 agonie mame Pambaj kamuona Mamwala
Khamba nigoda, khatoa kigombo
mbue Pambaj.
Nunmehr dreht sich das Mädchen um, setzt sich aufrecht und schlägt den Knaben, der sich inzwischen auf den
Leib gelegt hat, auf dieselbe Körperstelle, wobei sie das Lied wiederholt.
11. Kangasi.
Wenn größere und ganz kleine Kinder zusammen sind, klettern erstere auf Bäume oder hohe Steine und singen,
Während die Kleinen vergeblich ihnen nachzuklettern versuchen und zu weinen anfangen:
Weschi! wali wa ni makangasi
we ulanga ni wuedi wuedi.
12. Luwi, luwi. . .
Zwei Knaben hocken wieder, berühren sich mit dem Rucken, wiegen sich bald vor-, bald rückwärts und singen
dabei:
Luwi, luwi, koki kwa täte kulu
kuna zoka kulu, kilelo mlango
koki ukomkwe lawa.
So lautet der Liedertext in Wugiri (West-Usambara); anders in Bumbuli:
Luwi luwi eze nihite kwa mame mkulu
zoka dja kwetu, djikunda kubiduka
bidu, bidu, bidu.
Ein Knabe legt sich auf den Kücken, zieht die Beine an und schwenkt sie nach rechts und links; während seine
Kameraden das folgende Lied singen, rutscht er auf dem Bücken in der Richtung nach den Füßen zu auf dem Boden
immer weiter.
Kobo (ist ein Insekt) genda na mgongo kobo.
14. Sagia-sagia, ein ungemein beliebtes Spiel
Die Kinder sitzen im Kreise herum; jedes halt irgend einen kleinen Gegenstand vor sich. Dann beginnen sie
das sagia sagia-Lied zu singen, wobei jeder Teilnehmer seinen Gegenstand schnell an den rechts hockenden Nachbar
abgibt und vom linken Nachbar einen andern empfängt. Wenn einer sich vergreift, keinen Gegenstand abgibt oder
in Empfang nimmt, so gilt er als Spielverderber, wird gescholten, läuft weg und die andern ihm nach. Alsdann beginnt
das Spiel von neuem. Die Liedertexte sind verschieden.
Sagia! sagia! eh mame. sagia! sagia! kingugua
lekaui ku gale [an manchen Orten: kina nende]
kwa makgumba. hata mbueni.
kina nende mlututu Pany.
Mahlen wir! Mahlen wir! Mahlen wir! Mahlen wir! kiügugua (ein Tier). Ruhen wir etwas aus; gehen wir
nicht zum gumba (ein Fluß); gehen wir nicht zur Küste, holen wir zuerst Medizin sc. gegen Fußschmerzen. Zuweilen
findet sich auch der Zusatz: wakina makumbo wengia Pany. Pany eh mlututu. Pany.
Sind die Kinder des Spieles müde, so stimmen sie an: a soke kamlawa kadje mkanda — und damit ist das Spiel
beendet.
15. Lukuti.
Dieses Spiel gleicht unseren Ringelreihen. Die Kinder fassen sich an der Hand — Knaben und Mädchen wechseln
miteinander ab - und bilden einen Kreis. Schnell springen sie dann im Kreise umher, bis einige Umfallen, und singen:
dabei:
lukuti lukuti wa muazi
lukiona peho, luate tema.
(Kokosblattrippe, Kokosblattrippe, du siehst Wind; du zitterst!).
13. Msambia longwe.
Ähnelt lukuti, nur dreht sich der Kreis nicht in einer Richtung, sondern einmal nach rechts und dann nach links
usw.; dabei wird gesungen.
Msambia longwe, °eh. mazi ya tschanzamka tschanza. (Msambia longwe [ein Baum, der an Gewässern wächst]
oeh, Wasser bildet Ringe [wenn nämlich die Früchte des Baumes ins Wasser fallen]).
1 Pambaj ist ein schön rotblühendes Zwiebelgewächs.
60
A. KAEASEK
16. Tinda.
Die Knaben bilden einen Kreis und laufen in schnellem Tempo herum. Einer springt in die Mitte, macht zwei
Sprünge und tritt wieder in den geschlossenen Kreis seiner alsbald in rasendem Tempo dahinjagenden Kameraden.
Nun muß sein Vordermann in die Eireismitte springen usw. Laufen einmal zwei Knaben in die Kreisfläche und
dann zurück, so müssen natürlich ihre beiden Vordermänner nun folgen. Während dieses Spiels wird gesungen:
Tinda eh ehe, hai ngoma
wana wasia lukolo hai ngoma
Tinda hai ngoma ehe hai ngoma.
17. Kakoko.
Einer Reihe von Knaben stellt sich eine Reihe von Mädchen gegenüber. Ein Knabe springt vor und stellt sich
vor ein Mädchen hin; jedes von ihnen legt seine Arme auf die Schultern des anderen und beide trippeln mit kleinen
Schritten zurück an den Platz in der Knabenreihe. Nun wählt sich das Mädchen einen andern Knaben aus, dieser
wieder ein Mädchen und so weiter. Dabei singen die Kinder, indem sie in die Hände klatschen:
Kakoko sosole muenda gulio
(Kürbis, komm, gehen wir zum Markt)
kuna me luhanda as nela juda
no nela juda. a mepata jule.
18. Wasemula.
Wie bei Kakoko stellen sich eine Reihe Knaben einer Reihe Mädchen gegenüber. Ein Knabe springt vor, tippt
mit dem Finger auf ein Mädchen und läuft an seinen Platz zurück. Nun springt das Mädchen nach der Knabenreihe
zu und rührt einen Knaben an und eilt zurück. So laufen die Markierten jedesmal schnell herüber und hinüber,
während der Chor singt:
Wa semula, semula mainde
(Machen wir die Felder rein, entfernen wir mainde)1)
nami ni semule wa semula.
(machen wir die Felder rein).
Ein etwas abweichender Text in Mkulumusi lautet:.
wa semula semula mainde
quetu ty semule ni. eh.
19. Madjidji.
Dieses Spiel verläuft genau wie Kakoko, nur daß an Stelle des Händeklatschens Reiben der Hände tritt. Ge-
sungen wird:
Madjidji lolo gumbo, mka zangu,
juedi a schengwa nilamba dja
20. Muiwa wa mgungo.
Das Spiel entspricht genau Wasemula, doch der gesungene Text lautet;
Muiwa eh muiwa wa mgungo
Stachel eh Stachel von mgungo2)
wa mtunga eh muiwa wa mgungo
es tut weh Stachel von mgungo
me kihaga muiwa wa mgungo
in Ferse Stachel von mgungo.
Dieser in Wugiri übliche Text zeigt in Bumbuli folgende Abweichung:
muiwa eh muiwa wa mgunge
wa mtunga kaituni niusche muiwa
muiwa wa mgungo.
21. Kilue.
Eine von Knaben gebildete Reihe steht einer Reihe Mädchen gegenüber. Ein Knabe hüpft mit beiden Füßen
zugleich zu einem der Mädchen hinüber, beide legen die Hände einander auf die Schultern und springen zurück.
Das Mädchen wählt nun einen Knaben und hüpft mit ihm wieder an ihren Platz. Sind so nach und nach alle an die
Reihe gekommen, dann hüpft ein Knabe zu den Mädchen hinüber und mit ihm kehren zwei Mädchen zu seinen Seiten
an seinen Platz zurück; zwei Knaben werden hierauf von dem Mädchen bezeichnet etc. Wählend dieses Spiels wird
gesungen:
Kilue eh, wandere, wa kwe Usolo
wasaga tula.
[Usolo ist ein Dorf; tula = solanum].
Elephantengras.
2 Stachlige Akazienart.
BEITRÄGE ZUR KENNTNIS DER WASCHAMBAA
61
22. Aschie muana.
Einige größere Kinder beginnen dieses Spiel. Jeder Von ihnen soll ein kleineres mitbrinven •wprf v , ,
mitbringt, dem wird die Haut abgezogen“. Alle Spielteilnehmer stellen sich um dies Opfer herum, ahmen die Kräh“
sung^Twd: " data d6n UnglÜokIichen VOn °ben bis unten’ zumai ™ sie lange Nägel habem Ge"
Aschie muana mnoe timde maschambe haschu haschu.
Bei haschu geschieht jedesmal die Kratzerei.
23. Kulia kuli.
Die Kinder hocken an der Erde, stecken die Hände unter den Kniekehlen durch, daß sie den Boden beruh
springen vorwärts, wobei sie wie die Frösche hüpfen und singen: U ren,
Kulia kuli kibamando kuli kibamando
Hund und Hund mit den Händen auf die Erde schlagen,
nine ja muali, kagonea pata
Mutter des Kindes, schlafe auf pata1
pata nadjo ugono wa tumbuli, kuli
Füße von Affen, Hund,
na londa make maili
kisw. anatafuta madamake wawili.
24. Kulunge dja futi.
Wenn an die zwanzig bis dreißig Knaben sich zusammengefunden haben, so stellen sich zwei von ihnen '
gegenüber, strecken die Arme aus und halten sich an den Händen fest. Die übrigen bilden eine lange Reihet l^
faßt seinen Vordermann am Tuche (Kleide) an und so gehen sie gebückt durch das Tor, das jene beiden Knaben^d ^
stellen; dabei wird gesungen; c en clar'
Kulunge dja futi, djianga ikedu
hata dji kaschwelelua
janga ikedu, lelo tina nama
lelo tina nama
leo tuna nama.
(Holz des Gewehres, du wanderst allein, selbst in der Nacht allein. Heute gibt es Fleisch ! Heute gibt Ul
Beim Schluß des Liedes senken die beiden Knaben ihre Arme und fangen einen aus der Reihe dem s^rE
vorlegen: uja kwe muezi hambu uja kwa tondwe ? „Wohin -willst du zurückkehren, zum Mond odejTzT ’Frag®
Wer „zum Mond“ sagt, stellt sich hinter den ihn repräsentierenden Knaben, wer ,,zum Stern“ antwo ^
den andern. Wenn so alle Knaben verteilt sind, wirft der Vordermann der einen Reihe ein Tuch auf e^ ° ’ hlnter
der andern; die Getroffenen schließen sich seiner Reihe an. Dies wird fortgesetzt, bis von der einen na^en
der Vordermann übrig bleibt. Dabei singen die Kinder: e iaur n°ch
wanangu, wasia lukongo lugima; niange noani, lukongo lugima
meine Kinder, das Spiel ist zu Ende, die Linie ist fertig. Mit wem werden wir iefyf
wii jetzt spazieren gehen ?
Musikinstrumente nebst zugehörigen Liedern.
ung des Kapitels Musik im Baeßler-Archiv 1911 p. 184—185 sei, da sich in Karaseks Nachlaß weitere
Zur Ergan bemerkt. geze (pig- 138) ist ein mit einer, manchmal mit zwei, seltener mit drei Saiten bespanntes
Notizen ±an > Musikinstrument, das denWaschambaa wenig bekannt ist; da
sie keinen einheimischen Namen dafür haben und nur wenige
sich auf sein Spiel verstehen, dürfte es fremden Ursprungs sein.
Als Halter der Saiten dient ein brettartiges Stück Holz; ober-
halb seiner Schmalseite und bei Bespannung mit mehreren
Saiten auch entlang seiner Vorderseite laufen die gedrehten
Schnüre. Die obere Saite ist außer über einige Vorsprünge
Nach einer Skizze von Karasek. auch über tagusi, eine Federspule, gespannt, die zweimal ge-
Fig. 138. »seze- knickt ist und deren Schenkel dem Brett anliegen (ainFig. 138).
tagUSj die nach der Angabe der Waschambaa der angeschlagenen Saite einen klangvolleren Ton ver-
In der Nähe ¿Donator bela, der aus zwei Hauptteilen besteht: aus dem abgeschnittenen Hals eines Flaschen-
leiht, hängt er^ j^nkerbungen an den Saitenträger sich anlegt, und aus einem darunter befindlichen, quer
küibisses, der im .. Kürbis in dessen Kopfteil ein Querhölzchen sitzt, von dem eine Schnur ausgeht, um den
1 pata ist ein „verflochtenes halbes Kokosnußblatt.
62
A. KARA SEK
Fig. 139. III E 11586. Länge des Seitenlialters 65 cm. Dicke: 2—21/2 cm.
Beim Spiel auf diesem Instrumente wird der nach unten offene Kürbis gegen die Brust gedrückt, die linke Hand
hält den Träger der Saite fest, die je nach dem gewünschten Tone auf einen der verschiedenen Vorsprünge nieder-
gedrückt wird, während ein Finger der rechten Hand die Saite anschlägt, bezw. zupft.
Ist seze mit zwei Saiten versehen, so können
vier Finger der linken Hand zum Niederdrücken
der oberen Saite benutzt werden — der kleine
Finger dient beim Spieleines Instrumentes mit drei
Saiten dem Gebrauche der dritten — während der
Mittelfinger der rechten Hand die Saite nahe dem
Resonator wie bei einer Zither zupft.
Fig. 139, III E 115861. „ZEZE“. Der Saiten-
halter besteht aus einer Holzplatte; an ihrem Ende,
nahe dem kleinen Resonator sind beide Saiten —
jede ist aus einer zweisträhnigen, gedrehten Pflan-
zenfaserschnur hergestellt — befestigt. Die obere
Saite läuft über die stegähnlichen Erhöhungen des
Halters und wird durch straffes Anziehen und Um-
wickeln gespannt; ein leichter Einschnitt in die obere Seite des letzten Steges verhindert das Abrutschen. Die zweite
Saite zieht sich an der Vorderseite des Saitenhalters hin; stegartig wirkt der Absatz unterhalb der vierten oberen Protu-
_______ beranz sowie ein um den Saitenhalter sich schlingendes Schnürchen nach dessen anderem Ende zu. Unter
das Schnürchen ist ein Panda nusblattstreifen untergeschoben. Das Endteil dieser Saite ist durch einen
Querspalt im Saitenhalter geführt und durch mehrfaches Umwickeln in seiner Lage festgehalten. Infolge
des Rückschlags der gezupften Saite ist eine Längsrinne auf der Vorderseite des Halters deutlich erkenn-
bar. Beide Resonatoren sind zweiteilig; die Befestigungsschnur des kleineren ist verloren gegangen.
Die Befestigungsweise entspricht bei beiden der vor gehend geschilderten.
Von Blasinstrumenten sind bei den Waschambaa im Gebrauch:
kikongwe, (Fig. 140) das man aus einem 6 — 8 cm langen geraden Stengel einer Rizinusstaude her-
stellt; das Stengelstück ist oben, offen, unten durch ein Internodium abgeschlossen. Zuweilen schneidet
man es auch so ab, daß ober- und unterhalb des Internodiums zwei ungleich lange Röhrenteile bleiben.
Auf dieser Kinderpfeife wird wie auf der Öffnung eines Hohlschlüssels geblasen.
Wenn man kikongwe aus dem Stengel von kilapinde schneidet, so kann man je nach der Stellung
des herauf- oder heruntergezogenen Pflanzenmarkes verschiedene Töne erzeugen.
Die aus Bambus oder Hornspitzen her gestellten wikongwe sind natürlich dauerhafter. Auch die
ümbellifere ñonga pombe liefert willkommenes Material zu diesen Pfeifchen,
mululi (Fig. 141 u. 142, III E 2914), ist ein Blasinstrument, das in den Gegenden, wo viele Wapare wohnen, auch
mtorilo genannt wird. Die Viehhirten stellen es sich gewöhnlich aus dem Stengel der meißblütigen Jasminacee mulili
her. In Magoma blasen die Feldhüter fast die ganze Nacht über
auf dieser Pfeife. Es lassen sich zwei Typen unterscheiden: bei dem
einen, der weit verbreitet ist und seiner Einfachheit halber schnell
her gestellt werden kann, handelt es sich um eine bis 30 cm lange,
an beiden Seiten offene Röhre mit 2 — 6 Löchern, die nach dem
einen Röhrenende zu gerückt sind; eine solche nur für kurze Zeit
benutzte mululi wirft man dann weg. Den andern Typus bildet Fig. 141. mnluli. Blasinstrument, a Längsschnitt,
eine nur an einem Ende offene Röhre, gewöhnlich aus schwachem
Bambusrohr, bei dem das an der einen Seite befindliche, ziemlich große Blasloch sich nahe dem verschlossenen Röhren-
ende befindet. Das Instrument ist oft mit eingebrannten Mustern reich verziert.
koma, die Kindermaultrommel, ist aus
einem Stück bali-Holz hergestellt. Während
in die Öffnung geblasen wird, schlägt man mit
einem kleinen Hölzchen auf das hervorstehende
Blättchen.
msomari (Fig 143 —145, III E 2916, 13284,
2915), ist ein recht seltenes Blasinstrument,
dessen fremden Ursprung die Waschambaa zu-
geben. Es besteht aus einer mit sechs oder sieben Löchern versehenen Holzröhre, an die durch Ankitten mit Hilfe
eines Harzes ein Holztrichter angesetzt ist. Das Mundstück bildet gewöhnlich eine Blechröhre, der oft noch ein
Zwergantilopenhörnchen aufsitzt; letzteres trägt in der Mitte eine runde gezackte Holzscheibe (Fig. 146). Ein
i
Fig. 140.
kikongwe.
Blas-
instrument.
Fig. 142. III E 2914 mululi. Blasinstrument. Länge 37,5 cm. Durchmesser 2 '/i cm.
Die doppelte Bezeichnung (Fig. 000 III E. . . .) soll zu erkennen
geben, daß hier eine Abbildung nach einem Objekt in der
afrikanischen Abteilung des Staatlichen Museums für Völker-
kunde zu Berlin vorliegt-
zusammengefaltetes Blattstückchen bildet die Blasöffnung. Vor der Benutzung feuchtet der Spieler das Instrument
an und beim Blasen hält er es bald nach dem Boden zu, bald hoch auf gerichtet, wobei er jedesmal mit msomari
einen weiten Bogen beschreibt.
Bei den Blashörnern unterscheiden die Waschambaa zwei
Arten: gunda (Big. 147) nennt man die großen Hörner des Kudu
oder des Buschbocks kurungu; erstere, mit seitlicher Blasöffnung,
wurden im Kriege und bei Festlichkeiten gebraucht, djavata (Fig.
248 __ 150) heißt das gewöhnlich während der Nachtwache in der
Pflanzung benutzte Blashorn, dessen Töne die Wildschweine ver-
jagen sollen. In der Regel ist gunda wie djavata am offenen Ende
mit Haut überzogen.
Fig. 143. III E 2916 msomari. Blasinstrument.
Länge 49 cm, Größter Durchmesser des Schalltrichters 15 cm.
zur
Fig. 144. III E 13284. msomari. Blasinstrument. Länge
47,5 cm, Größter Durchmesser des Schalltrichters 7 cm.
bazara, nach dem der gleichnamige Tanz benannt ist, gehört
Klasse der Geräusch-und Lärminstrumente; es bestehtaus einem
dünnen, der Länge nach zerschlitzten Bambusrohre, das beim
Tanze hin und hergeschwenkt, dann im Takt
gegen die Erde gestoßen und mit einem Stäb-
ri chen geschlagen wird. Hie sogenannten bazara-
Lieder werden ständig neu gedichtet und spielen
auf jüngste Ereignisse an; aus den OrtenMlunguj,
|" Mlola, Makanja und Nguruj sei eine Reihe hier
mitgeteilt.
1. Mlunguj.
bwana Gaza, bwana Gaza kaita Ulaya, kauja Ulaya oe! kaita Ulaya! oe! kauga Ula a a
Ponda afungwa na gole oe e e. mali jangu oe! Tschamgua1, Tschamgua ije i je täte hae! pscL™ ^
ho täte! haenane! Tschamgua uja uko uja. he täte naikaia ko mlima Tschamgua pe .° am§ua
maschundi2 ja kema du du du. Tschangwa Belo tschangwa se kanne ho he ueikoloT elie'
2. Mlunguj; Mlola. ° a k° ullma-
Hodo se se se! jue se! ehe! kondo jangu ni
ndodo. Schenenga3 azaikwa mbuzi azaleka. Hua3
agamba tio nane, Makihalo3 longa, Makihalo longa,
he he he. kuna muana ku nani ? kwandomila mue
tscheni. tscha Hua ulanga.
3. Mlunguj.
eh bwana Malole4, eh kiasigwa mueikele he he
he! eh ho nane! ehe.
4. Mlunguj.
Bwana Meyer, bwana Meyer ni mtu wa wüima hangwe kida makagoi io he MW , , ,
ngwa. mbu jangu unalenge. je je je. Djula wana ngombe flamala № „ T, U kodl
Meyer, Herr Meyer ist ein Mann der Berge [weil er rief gereist istl- ’ <;',Ce (Herr
= Zauberer [damit soll angedeutet werden: er ist ein ganzer jfcLn mÄfaj°
kennt]. Tue mcht Steuer zurückbehalten! Freund bekommst I v T’-U Furcl,t
amt], Frosch, Kind der Kuh, sei still! [Sinn?]. ' " Nao,u'lcht [vom Bezirks-
5. Mlunguj.
Tupa akangata mizi ndie alemele aschungwe zirkali. Mamsema beln
je. Ijo ngoma Mamsema belo. je je je; ehe! b 1
6. Mlunguj.
Wasanga kodi Akida agamba sangani
ma rupia Bwana Meyer kaiho. je je je je.
Bwana Meyer ehn ane! je je je je! tschang-
wa Belo nane! nafuka feredi ehe!
7. Mola.
Sikila je je je ja. Semagobo nika-
la nika ho nagomba kondo. Kilima-
ndscharo.
Fig. 146. III E 2916. Oberteil von msomari.
Fig.145. IUE2915.
msomari.
Blasinstrument.
je je je; je je
Fig. 148. njavata. Signalhorn. Blasöffnung birnenförmig.
Handholz aus Leder. Länge 57 cm.
*\
1 Tschamgua ist ein bekannter Wasegua-Tänzer und -Sänger
in Kimbe bei Kibindu.
2 maschundi, Regenpfeifer, zeigt mit seinem tu tu tu den bevor-
stehenden Regen und gleich dem Hahne den Anbruch des
Tages an.
Dua und Tschenenga hatten wegen Duas Weibe Makihalo
Streit.
Bwana Malole, früherer Plantagenleiter von Balangai. Das
Lied spielt darauf an, daß Herr Malole einige Leute während
einer Reise weggejagt hatte.
64
A. KARASBK
ehe nagoda enga ije tite. ehe!
kesa
8. Mlunguj.
Madala, madala ije ije täte ha je je eh eh! ehe e e e . ehe.
9. Mlola.
Mokela nika nyany njo kaleka zinga dahia muandaila kwa sundwa muana Mgoli, muana Mkiwa tegelesa.
kufu lekani kwira-kaungwa eh nyamala na muana kwira ijo mbuli keilon-
gwa belo eh keilongwa kwe watu tschamadanga künde msekwa. nyamala
na muana kuira.
10. Mlola.
Kiberenge kaiza ha je je eh kiberenge kaiza dabula Mtili da muaga
kokoto dabula Korogwe damuaga kokoto he je je eeh e. (Kiberenge ist
doppelsinnig; man bezeichnet einerseits damit einen langsamen Zug der
Usambara-Bahn zum Unterschied von dem schneller fahrenden darekube.
Kiberenge führt nach Mtili [eine Landschaft bei Kihurio] und ladet dort Schotter ab.
heißen: Schlechtes Weib. Es ladet ab kokoto — schlechten Samen).
11. Mlunguj.
Kazi Wugiri twanga sembe na unga Kandolo akasirika Jumbe Kuni mbaja. Jumbe Kuni akasirika. Kandolo
mbaja. neikala Magila ehe tschangwa ije se eh ho nane. (Kandolo war ein Europäer in Wugiri, dem die Waschambaa
den Namen Kandolo zulegten. Jumbe Kuni hieß ein Euro-
päer in Wugiri, der, weil der wirkliche Jumbe Kuni einen
großen Bart hatte, um der gleichen Eigenschaft willen jenen
Namen erhielt. Das Lied spielt auf eine Begebenheit in
Wugiri an, es sagte nämlich der Europäer Kandolo, daß der
Fig. 149. njavata. Signalhorn.
Andererseits kann kiberenge
Fig. 150. njavata. Signalhorn. Länge 67 cm.
Europäer mit dem Namen Jumbe Kuni schlecht sei. Letzterer zürnte und behauptete dasselbe von seinem Gegner.
Früher wohnten beide Europäer in Magila).
12. Makanja.
Duniani ja onelwa sana, asisile najnuka goma inu tiwine jo hei mame. Tambo ja kuzimu ja mbaze anga niko-
milwe mene Duniani ina kuvu na godä zangu siku sikikita naschungana eh ho mame. tje je eh je je je Kimueri agamba
mua nonge eh nulany kondo twende Makanja twa kome.
13. Nguruj.
Makiango, makiango ukiona wabuanga utandike mkeka utandike djawi, balasa ina makiango ina makiango
hae gumbo hambue wandele watunga na mna.
14. Nguruj.
Danga oje je mkalalila mabaja ojeje ho muali eh muamfunga Schesche ngua.
15. Nguruj.
Bwana mkubwa adilila muemeza Kologwe tendeze Tschanga bilo, tendezo so, ho he.
16. Nguruj.
Konde mzigo kagilwa nykwekulo. o nane kagilwa ny kwekulo. —
Diese Proben von bazara-Liedern mögen genügen.
Das Musikinstrument mzungu (Fig. 151, IIIE 11589
be.) — es wird nur von denWapare in Usambara be-
nutzt — besteht aus einem sehr starken Bambusrohr-
stück, das an der einen Seite offen, an der andern mit
einem Internodium endet, doch ist die Knotenscheibe
durchstoßen, so daß ein Hohlzylinder von 62 cm Länge
und von ca. 5 cm Durchmesser als Resonanzraum dienen
kann, mizungu wird mit voller Kraft auf den Boden gestoßen und gibt dann einen dumpfen Ton. Nach diesem
Musikinstrument ist der mizungu-Tanz benannt. Der Tänzer hat in jeder Hand eine dieser 2 m langen Bambus-
stangen, deren untere Enden übrigens auch zum Einsammeln von Geld und Gaben während des Tanzes dienen. Eine
Reihe von Liedern, die beim Klang dieses Instruments gesungen werden,wurdeinMlola,MakanjaundMlunguj gesammelt.
1. Mlola.
Na buende eh nane sikunda kumulikwa na buende je he. Katuli nunda eh eh eh Hende nane ehee watu wafila
kwe Misonge ehee bindae.
2. Mlola.
Mitoe kujamba mitoe mzungu, mzungu wabana wira kha mabungu hajeje ngombe zakefia kazi ambailwa nam-
godja kilaga. Kilaga eh ho nane.
3. Mlola.
guku jangu tagia meiwe nagelegesa minite tumba kwangeda oh ha je ho tscha madanga kaisa na mseneda schama-
danga kaisa.
4. Mlola.
Hongela lumbu jangu mboni nka Wuga sigaza namakuiwa, nka wugala neikala Korogwe tschanguba tendeze ehe.
Fig. 151. III E 11589. MZUNGU.
Musikinstrument aus Bambusrohr. Länge 1,37 m.
BEITRÄGE ZUR KENNTNIS BER WASCHAMBAA
65
Fig. 152. Ili E 12466. kujamba. Lärminstrument.
Länge 45 cm. Breite 21—26 cm.
5. Makanja.
Kyange mkulu nange na mtaka kiaga ho täte mambo kale ho nane ja ja usonge eh mamgate oe eh eh. Eh nane
Kagenda kazunguluka Satu in Jumbe naho nilukua kalawa Wuga kaita Bumba, kaja alaga mdata kibuli bnli mainda
Slku ja kufa walume nigelekwe goma mgongo. oh ho nane. mainda hola.
6. Makanja.
Kiwago tegelesa msindi kweila goma kiwajo nimtana alemela kudi ilwa die Jumbe tikundile. mintana eh ho
maja he.
7. Makanja.
Eh walumba oh eh eh hongela lumbu jangu ukaza kufa migelekwe gembe he he, banda salama kiaga ndeka ja ja
muana ategulwa kwe misonge.
8. Mlunguj.
Wasegula wagona muenema. je ije ije Wageni wenkeni mazi magona mne misonge Nina buende djazola msanga
9. Mlunguj.
Mkaza mtumba, mtumba mtata, tunga mtata. Eh nane miluhe. Eh nane nalizwa lizwa ni muana.
10. Mlunguj.
Schemgombe, Schemgombe ni Fundi ja wira, ja toa paty na mkabala tiwa huese kago londezani goto tihoze
wilima zumbe ahu kumu wibaja Schemgombe eh, e. Je je eh eh
mahnende jazola msanga. Ha je je nane namsakia kilo. Hajeje
nane koma numba jako tidje msengedja.
Ein ganz außer Gebrauch gekommenes Musik- oder besser
Radau-Instrument ist „nkwagascho.“ Auf drei Längsstäbchen
sind Binsen-, bezw. Rohrstücke oben und unten, quer und
dicht nebeneinander durch Umwicklung mit Fäden festgebunden
Damit sie sich nicht verschieben können, sind die Bindungs-
stellen mit einer Harzmasse überzogen. Die frei her vorstehen den
Enden der Längsstäbchen laufen bei derseits durch je drei Löcher
in einem breiteren Stäbchen, das als Verschlußstück des Bohl
raumes zwischen der oberen und unteren Binsenbedeckuim
dient, ei nes Hohlr au me s, der mit Erbsen gefüllt ist. Fig iß*
III El2466.Dieses Lärminstrument wir dbeim Tanzenhin-undher-
gerüttelt undmanrutscht auch mit dem Daumen auf ihm entlang
Dieses von Karasek mit ,,nkwagascho bezeichnete ,,Radauinstrument“ dürfte von ihm mit dem Lärmgerät
kujamba verwechselt worden sein. Mit nkwagascho wird folgendes, ebenfalls beim Tanzen benutzte Rasselinstrument
(Fig. 153, III E 11585) benannt. Ein dünnes
Brett aus braunem Holz; auf Vorder - und Rück-
seite mit eingebrannten Linien versehen. Über
die Vorderfläche verlaufen zwei Stäbchen aus
hartem Holze mit zahlreichen Einkerbungen;
die Enden dieser Raspelstäbe sind durch je zwe’
Löcher im Brette gepreßt, so daß sie gespannt
sind und hohl liegen. Das Brett dient gleich-
zeitig als Resonator. Auf seiner Rückseite be-
findet sich eine Handhabe. Mit einem Holz-
stück fährt man die Raspelstäbe entlang.
Der nach diesem Lärminstrumente benannte Tanz nkwagascho hat sich erhalten,
folgende nkwagascho-Lieder aus Mlunguj, Bumbuli und Manga zu sammeln.
1. Mlunguj.
Kanda, kanda, hemni dahe eh kuangula kanda, kanda.
2. Mlunguj.
Wazenga mabanda. uko teohogwe wazenga. Hajo wazenga mabanda. Kungulu funama ningole mulnnda niki,»
kulonga nilime mhunga, kismdo haita mkolongo djenu. Wazenga mabanda.
3. Mlunguj.
Akida Tupa akima rnuandiko kaula Kidage kauja mojo, mojo ninda wa kidage.
4. Bumbuli.
Tupa sese Kngazi muana Tunga Belo he kako(e)ma nigalani muaja eoso-natakulaga muaja hende
5. Manga (Futa).
Eh wynany Muhma eh wynany Mnhma negalany Belo Tscbangaso kamgambe namala muana Belo.
je he kodi.
6. Manga (Futa).
Walima künde, walima makoko ukajkala heze nife oja uziseo eh zina mbelwa ho he
Fig. 153. III E 11585. nkwajascho. Lärminstrument.
Länge 70 cm. Stärke '/2—3/4 cm. Breite ca. 11 cm.
Es ist Karasek gelungen,
nane.
3e je je
Ö Baessler-Archiv.
66
A. KARASEK
7. Manga (Futa).
Sa da mtondo ehe nyda makelo ehe malagulo senyize ehe.
8. Manga (Futa).
Nitoe kujamba nitoe mznngu wuila wa Makujuni walema, walema ija ho nane.
9. Bumbuli.
Nanguny sina muana sinany tendese na mgaja. Eh kamage unga.
10. Manga (Futa).
Tupa ni mbuanga kamdola Makihio kadailwa Tupa agamba sizati kulonga nikale Mbungu Muetuli Ulanga.
Mazi ja kamema niteke na lungo. Makihio Belo. ehe.
11. Manga (Futa).
Kida kula kula muene na Mganga kula ehe nejkala makima hej nane eh ni Mganga. kula ehe.
12. Manga (Futa).
Umkaja umkaja muna wyele akuloga tymigale pany, kwe lukanga tykamgule magembe mame. Singano kam-
kwela nadymana nguo hende nane, mkiwae nane.
Gleich kwagascho ist auch das andere Klapperinstrument kolokotscho nicht mehr
im Gebrauch. Es bestand aus einem Kranz von godogodo-(Entada scandens) Samen,
die nach Art der Kranzfeigen aufgereiht waren, und bei den Tanz-
bewegungen laut klapper ten. Der gleichnamige Tanz ist noch bekannt;
von kolokotscho-Liedern gelang es nur zwei in Mio]a zu erhalten.
1. Mahombe eh akilischa Semkali mdikila ugali, wangu, majombo
Makanja se. Hola.
2. Kidumbwe netite kondo kadikunda kondo dikunda wunga dimo-
gwe niwamame ehe hebe. Fig. 155. bumumbu.
Ferner gehören zu den Rassel-Instrumenten Kürbisflaschen, die mit Trorameln,vomZau'
Steinchen, sorro-Samen, Canna-Körnern usw. gefüllt sind: so auch bei TT... 0„ ~z ',
° Hohe 37cm, Durch-
Fig. 154. tutu. Trommel. den Wadigo und Wabondei. Bei letzteren kommt auch das Rassel-
messer 27 cm.
sonders geschätzt ist, wird seltener ver-
wendet. Nur bei Austreibung von Geistern
und in Krankheitsfällen ertönt diese Trom-
mel, die dann der Zauberer schlägt; ihrer
Bedeutung entsprechend trägt sie unter-
halb des Randes des Trommelfells ver-
schiedene Amulette.
mkinda (Fig. 156, III E 12469) besteht
aus einer bis 1 m langen, auf beiden Seiten
bespannten Holzröhre, deren Größe sehr
wechselt; gewöhnlich ist eine Seite, doch
nicht wesentlich, verjüngt. Das Trommel-
fell (Fig. 157) wird durch Schnüre in Span-
nung gehalten; man biegt den Fellrand um
zwei Reifen (b und c) und näht, um das
Abrutschen zu verhindern, den nach außen
stehenden Hautrand bei c mit dem Felle an
der Außenseite von b zusammen. Die Reifen
werden durch eine im Zickzack geführte
starke Schnur fest zusammengezogen,
mkinda trägt man an
einer Schnur um den
aTrommei- Hais gehängt und trommelt z. B. beim bazara-Tanz mit beiden Händen; anders
b unterer l)ci der Austreibungs-ngoma; der Trommler sitzt mit ausgestreckten Beinen auf
der Erde oder auf einem Stühlchen und hält das Instrument im Schoße.
Zu den Schlaginstrumentengehört auch vilangwi, das eine primitive marimba
vorstellt. Dieses Xylophon trifft man heutigentags bei den Waschambaa nur
noch selten an. Auf zwei parallel lagernde Bananenstämme werden 10—15
flache Holzscheite von verschiedener Länge und Stärke gelegt und durch seit-
lich in den Boden geschlagene Pflöckchen fixiert. Zwei Leute, die zu beiden
Fig. 157. Trommel ®e^en des Xylophons einander zugekehrt sitzen, schlagen mit kurzen Knütteln
spannart von die im Ton abgestuften Tasten. Die Angabe vonDr. Baumann, daß sich Nach- Fig ^ mmanga.Kuh-
mWnda. bardörfer mit Hilfe von vilangwi verständigt hätten, beruht auf einem Irrtum. giocke> Höhe 11 cm.
Instrument kajamba vor.
Trommeln sind in jedem Dorfe in reicher
Anzahl vorhanden und ertönen bei freudigen f
wie traurigen Ereignissen. Wenn der Mscha-
mbaa sich nicht anders die Zeit zu ver-
treibenweiß, so trommelt er, trommelt auf
allem, was irgendwie einen lauten Klang
gibt.
tutu (Fig. 154), ist die eigentliche
mwiga goma, die bei keinem Feste fehlen
darf. Sie wird stets in zwei Exemplaren,
einem großen und einem kleinen, das ,,Kind
des tutu“ heißt, benutzt. Selten hat dieses
Musikinstrument einen Henkel, stets da-
gegen trägt es am unteren Teile einen
Zapfen, um der Trommel beim Gebrauch
einen festeren Halt zu geben.
bumumbu (Fig. 155), ist ein Holz-
zylinder mit drei Füßen; die obere Öffnung
wird mit Ziegen-, Zwergantilopen- oder
Buschbockhaut bespannt, mbulu, Eidech-
senhaut, die um ihres an-
—- genehmen Tones willen be-
c oberer
Reifen
d Haut
e Spann-
schnur
Fig. 156. III E 124G9. mkinda.
Trommel. Höhe 45 cm, Durch-
messer des Trommelfells 32 cm.
BEITRÄGE ZUE KENNTNIS DER WASCHAMBAA
67
Man stellt dieses Schlagin-
strument entweder hei Tor-
eingängen oder unter dem
Schattenbaume im Dorfe auf,
wo man es sehr häufig, be-
sonders auch früh, spielt.
Die Glocken, Schellen
und Klappern der Wascha-
mbaa sind entweder aus Me-
tall (Eisen, Kupfer) oder aus
Holz oder aus den Früchten
Dg. 159. Auf- der Borassus-Palme herge-
äängeart des stellt.
Klöppels Hie Schmiede fabrizieren FiS- 160, IJIE11587.
Tanzschelle. Höhe 14 cm.
Formen: ähnlich unseren Kuhglocken, dann halb-
mondförmige, ferner
kuglige (Schellen).
mmanga (Fig. 158)
di e nt al s Glo cke f ür Kühe
und Ziegen (makaja!);
die Art der Aufhängung
des eisernen Klöppels
ist aus Fig. 159 ersicht-
lich. Diese Eisenglocken
vererben sich in den
Familien. Entgegen der
Annahme, daß das Tra-
gonongo gen von Glocken bei
den Kühen wohl infolge
Fig. 161. HI E 11588. mbugi.
Schellen-Schnur. Schellengröße
2—2'h cm.
mmanga. ^ Eisenglocken in dreierlei
europäischen Einflusses üblich geworden sei, behaupten die Waschambaa, daß hier ein, Brauch aus uralter Z '
7lMl
Fig. 162. mbugi. Schellen.
Fig. 163. hizugo. Klapper mit
eisernen Schellchen.
vor liege.
Klappern, die ausschließlich bei der Austreibung böser Geister gebraucht werden, stellen die Waschambaa
in drei versclredenen Formen her.
Erstens in Sanduhrform (Fig. 168, III E 11584 vgl. auch Fig. 163). Das ziemlich harte Holzstück ist an beiden
Enden konisch ausgehöhlt, ohne aber das Mittelstück zu durchbohren. Als Klöppel
dienen je drei Stäbchen, von denen jedes an dem einen Ende
mit einem durchgebrannten Loche versehen ist, um den Auf-
hängefaden durchziehen zu können; die Verknotungsstelle ist
außen sichtbar. Die Oberfläche der Klapper, vizugo, ist auf
der einen Seite mit drei, auf der anderen mit einer V för-
migen eingebrannten Verzierung versehen.
Bei der zweiten Form (Fig. 169, III E 11581) ist die Unterseite in Gestalt eines Rechtecks kastenförmig 6 y cm
tief ausgehöhlt. Die Klöppel sind an dem einen Ende seitlich durchbohrt und auf eine Schnur, deren Knotenenden
in den Winkeln des Klappergriff es sichtbar sind, aufgezogen. Mit diesem Instrumente, das aus mittelhartem Holze
gearbeitet ist, läßt sich ein helles, lauttönendes Geräusch erzeugen.
Bei der dritten Form der Dämonen-Austreibungsklappern ist die Unter-
bind die Oberseite in Rechtecksgestalt 4, bezw. 4,5 cm tief ausgehöhlt. In
beiden Enden des Klapperkörpers befinden
sich röhrenartige Ausbohrungen von ca. 7 cm
Tiefe; die eine der Öffnungen ist mit einem
Blattpfropfen verschlossen. Die Oberfläche der
Klapper zeigt eingebrannte Striehornamente.
Die Klöppel sind auf zweiteiligen Schnuren
aufgereiht, deren Enden durch Verknotung
innerhalb der gegenüberliegenden Höhlung des
kastenförmigen Re-
sonanzraumes be- r - w w
festigt sind (Fig. 170,
III E 11582).
gonongo (Fig. 160,
THE 11587) benutzt
man beim Tanzen. Es
ist eine halbmond-
förmige eiserne
Schelle mit eiserner
Kugel. Befestigung
am Holzstiel mit ei-
nem Lederriemen,
der durch zwei Lö-
cher im oberen Teile
des Schellenmantels
und an beiden Seiten
der Handhabe ent-
lang läuft, wo er
Fig. 164. III E 10500. Amulett-Halsband mit
Kupferschellen. Umfang 58 cm.
'ig- 165. III E 11368. mjolo. „Ann-
ette für Männer“ mit Kupfersclielle.
H cm lang.
Fig. 166. III E 11539. mjolo. Eisenkettchen mit Kupferschellen. Läncre 5(
5*
A. KARASEK
6B
Fig. 168. III E 11584. vizugo. Klapper bei Dämonen-
Austreibung. Länge 23 cm.
durch Umschnürung mit einem wenig gedrehten Pflanzenfaserstrick festgebunden, ist.
Die Schelle hat einen hellen, scharfen und weithin hörbaren Klang.
mbugi (Fig. 161, III E 11588, Fig. 162) sind eiserne Schellen, die bis zu 2 y2 cm
groß sein können; man reiht sie auf einen Streifen von Ziegenleder. Jede Schelle hat
deshalb oben zwei meistens rechteckige Öffnungen. Den Klöppel bildet ein mehr als
erbsengroßes Eisenklümpchen. Eine mbugi-Garnitur wird von den Knaben bei dem
wilden mbugi-Tanze um die Beine gebunden; der mganga (Zau her priestcr) benutzt sie
beim Totenopferfest.
Mit kleinen Schellen aus Eisen umwickelt man auch kizugo, die hölzerne Klapper,
die der Zauberer bei der Austreibung
des Krankheitsgeistes mpepo anwendet.
Fig. 163.
Schellen aus Kupfer, seltener aus
Eisen befestigt man an einem Kettchen,
um sie kleinen Kindern über die Fuß-
knöchel oder dem Stammhahn, guku
Fig. 167. in E 13263. Schelle ya mafingo, ans Bein zu hängen. Als
aus Palmensamen. Höhe 7,4 cm, Zweck gibt man an, daß das Klingen
Bxeite 6,6 cm. des Qjöckchens dem Kinde, das noch
nicht recht gehen könne, Lust zu neuen
Gehversuchen mache; vor dem Schlafengehen wird die Schelle entfernt. Ferner wird*als Zweck die leichtere Auf-
findung eines Kindes,1 wenn es sich verlaufen hat, angegeben. Endlich sollen mehrere um die Fußknöchel befestigte
Schellen auch bei Erwachsenen einen wirksamen Zauber gegen Schlangenbiß usw. in sich
bergen. Dieser zauberkräftige Schmuck, der aber so verteilt sein muß, daß um den einen Fuß-
knöchel vier, um den andern fünf Schellen anzubinden sind, ist früher fast allgemein üblich
gewesen, jetzt aber völlig verschwunden. Nebenbei sei an dieser Stelle bemerkt, daß auch
sonstiger Beinschmuck rechts und links stets in verschiedener Menge zu tragen ist; z. B. an
einer Wade 30 madodi, an der andern 40; oder links 2, rechts aber 3 kidanga.
Wenn Hühnern Schellen an den Beinen befestigt sind, so sind sie damit als Eigentum des
mganga gekennzeichnet.
In früheren Zeiten, so in den Tagen Kimueris, war es üblich, daß der Quartiermeister
des Herrschers, mdoe mkulu, Schellen trug,
wenn er durch Dörfer zog, die für seinen
Herrn und dessen Gefolge Wohnung, Essen
usw. zu besorgen hatten.
Um den Hals getragene Kettchen oder
Schnürchen mit Schellen, (Fig. 164, III E
10500)2, deren Inneres aber ganz mit einer
schwarzen Masse ausgefüllt ist, dienen als
Zaubermittel gegen waschai, um Vergiftungen
vorzubeugen, sowie den Lastträgern, so in
Mlola, zur Vermehrung ihrer Kraft und Aus-
dauer (Fig. 165, III E 11568).
Schellenförmige Gestalt haben die kupfer-
nen Anhängsel des in Fig. 166, III E 11539
abgebildeten Schmuckkettchens nyolo, doch sind in den Hohlräumen des Schellenmantels keine Anschlagkügelchen
enthalten. Derartigen Zierat tragen Mädchen und Frauen beim Tanzen, wo dann wohl durch den gegenseitigen
Anstoß der Schellen ein klingendes Geräusch entstehen mag.
gobo (Fig. 167, III E 13263) sind Glocken aus Palmensamen, namentlich von Borassus var. aethiop. Bei Hetz-
jagden hängt man sie den Hunden um; hin und wieder trifft man sie auch bei Schafen an, niemals bei Ziegen.
Fig. 169. III E 11531. vizugo. Klapper zur
Dämonen-Austreibung. Länge 36 cm.
Fig. 170. IIIE11582. Klapper
zur Austreibung von Krank-
heitsgeistern. Länge 46 cm.
Handel.
ln früheren Zeiten war der Handel der Waschambaa bei der großen Bedürfnislosigkeit und Abgeschlossenheit
dieses Völkchens ein sehr geringer. Den Hauptinhalt des Lebens bildete die Anlage und Bebauung der Pflanzungen,
die freie Zeit wurde mit Nichtstun oder durch Vergnügungen ausgefüllt.
°der des Stammhahns.
Dieses ,, Amulett -Halsband“ besteht aus einem eisernen
vettchen mit zwei Hörnchen, drei schellenförmigen, aber mit
zauberkräftiger Masse ausgefüllten Zieraten und einer Messing-
marke der „Kulturstation Usambara“.
BEITRAGE ZUR KENNTNIS DER WASCHAMBAA
69
za
Fig. 171. III E 13255.
ZaMstäbchen mit teil-
weise abgeschälter
Rinde. Länge 27,5 cm,
Durchmesser 1 cm.
Fig. 172. 13253. Zahlstäbchen
mit einseitigen Einherbungen.
Länge 43,5 cm, Durchm. 1 cm.
Fig. 173. 13254. Zahlstäbchen
mit beidseitigen Einkerbungen.
Länge 43,5 cm, Durchm. 1,1 cm.
Von Verkehrsstraßen, die das Land durchziehen, war von jeher die nördliche die wichtigste uKn ,1 w
der Kürte über Mambo. Masinde, am Fuße des östlichen Pare-Gebirges entlang nach Mosohi am KiKmar^ch ^
Eine andere Straße ging im Norden des Usambara-Gebirges und 10‘
verband Tanga und Digo-Land mit der Kilimandscharo-Niederung.
Während hier der Verkehr fast ganz aufgehört hat, wird dagegen die
Route Masinde-Moschi in um so erhöhterem Maße benutzt.
Zur Zeit der Wakilindi-Herrschaft war der Verkehr in den Bergen
durch die allgemeine Unsicherheit, die im Lande herrschte und durch
Räubereien seitens der Masai noch < vermehrt wurde, ständig ge-
hemmt. Von diesem Druck hat sich der Mschambaa bis heute noch
nicht völlig erholt. Aber auch seine Charaktereigenschaften, seine
Denkfaulheit, seine unglaubliche Schwerfälligkeit, selbst kleine Zahlen
zu addieren, und daher seine Vorliebe, Waren in Bausch und Bogen
zu verkaufen, werden diesen Ackerbauer schwerlich zu einem tüch-
tigen Handelsmann heranwachsen lassen.
Ohne Zahlstäbchen kann der Mschambaa bei seinen Rechnungen
nur schwer auskommen, er stellt sie sich in zweierlei Formen her:
Fig. 171, III E 13255 zeigt ein Zahlstäbchen in Gestalt eines
Zweiges, von dem die Rinde durch ringförmige Schnitte stellen-
weise abgelöst ist;
Fig. 172, III 13253 und Eig.173, III 13254 stellen rindenlose Zahl-
stäbchen dar, von denen das erstere nur einseitig dagegen das zweite
beidseitig mit Einkerbungen zum Zählen versehen ist.
Vor Beginn der Herrschaft der Wakilindi, also in der Zeit bis zu
Kinmeri dem Großen, befriedigten die Waschambaaihre geringenBe-
dürfnisse im Tauschverkehr mit den Nachbarn. Weder wurden
größere Reisen unternommen, noch kamen fremde Händler ins Land;
nur zwischen den nächstliegenden Dörfern wurden die wenigen
Handelsobjekte ausgetauscht.
Mit Kimueri dem Großen kam neues Leben ins Land. Er schaffte Gesetze und stellte Ordnung her • freilich 1 "
auch während seines Bemühens, die Verwaltung von ganz Usambara zu organisieren und d:e Hcrr<^LQf+ • °n
m seiner
de:MeLTeoTbfFeMenSelbStmit
er für ein geordnetes MarktwlensoUf
begünstigten gleichzeitig seine Kriege d is
Sklavenwesen. Das Zeichen seinef ZeH
war; das Recht des Stärkeren.
Diese Gewaltherrschaft rüttelte die
Waschambaa aus ihrer Untätigkeit auf
Da sie ständig für ihr Leben fürchten
mußten, suchten sie sich ebenfalls wie
schaffen. Diese Bewaffnung war aber nur für größere Mengen von Lanctesprodukten zUtw^ UV ZU ver'
mählich lebhafter werdender Handel mit den Nachbarstämmen und mit durchreisenden Ka, fl’ U F°Ige War aU'
Damals kamen auch die ersten L neuten.
Zeugstoffe nach Usambara. Der
Mschambaa erkannte sofort deren
Wert und suchte durch Anschaf-
fung von Tüchern, die zudem viel
kleidsamer und schöner als die
bisherige Gewandung schienen,
sich der Mühe, Fellschürzen um-
ständlich herzustellen, zu ent-
heben. Putzsucht und Eitelkeit
der Frauen taten das Ihre. Sah
ein Weib eine ihrer Genossinnen
mit einer glänzenden Perlenkette
um den Hals, mit einem farbigen Perlenband um die Hüften (Fig. 174, III E 11548 und III E 11549 (vd I v
17 und Fig. 175), oder mit einem neumodischen Tuche um den schlanken Leib sopa n ^ u . ,lg> 16>
-rf . 6 . ’ . . , t..x r ! .. t ,. j n so erschien dem Gattender neidischpn
Frau eine weite Reise nicht mehr zu gefährlich, um ähnliche Schätze für die Seine zu erhandeln. Tücher Perlen
i(a)koa.
Fig. 174.
Perlengürtel.
b m(a)koa. Perlengürtel.
III E 11548.
Länge 58 cm, Breite 3,4 cm.
Länge 63 cm, Breite 5,3 cm.
U?- 175. III E 13260. Endteil des Perlengürtels.
*3
70
A. KARASEK
Messing- und Eisenspiralen hielten damals bei den Waschambaa ihren Einzug; man tauschte diese vielbegehrten
Objekte ebenso wie Gewehre, Zündhütchen und Pulver für Sklaven, Tabak und Vieh ein. Salz bezog man aus dem
Digo-Lande und lieferte dafür Honig.
Die Wakilindi-Herrscher suchten aus dem rege gewordenen Handel den größten Vorteil zu ziehen und wachten
eifersüchtig darüber, daß die Waschambaa von ihrem Handel keinen besonderen Nutzen hatten. Unter den späteren
Herrschern galten Tücher, Perlen und Gewehre geradezu als privilegiertes Eigentum der allmächtigen Wakilindi -
Jumben und ihrer Günstlinge. Wer es wagte, ein weißes oder ein buntes Tuch zu tragen, welche Bibi es sich einfallen
ließ, mit ihrem bisher geheim gehaltenen Staate öffentlich zu prangen, hatte Todesstrafe zu erwarten und konnte
von Glück sagen, wenn sich der Jumbe außer der Konfiskation der Tücher und Perlen mit der Zahlung einer Ziege
oder eines fetten Hammels begnügte.
Zu jener Zeit kamen die ersten arabischen Händler nach Usambara; zunächst noch vereinzelt. Sie brachten
hier nie vordem Gesehenes mit, das sie zu Füßen der gewaltigen Jumben ausbreiteten; Schwere bunte arabische
Tücher mit glänzenden Goldborten, lange schwarze Kaftans, silberne Dolche, verzierte Säbel und Gewehre. Den
herbeieilenden Frauen legte der kluge arabische Kaufmann leuchtende Perlen in den verschiedensten Farben vor,
buntgemusterte Zeugstoffe und vieles andere, das in erhöhtem Maße die Waschambaa-Frauen in Staunen setzte.
Diese sehnlichst begehrten fremdländ’sehen Schätze kosteten viel, fast ebenso viel wie Gewehre, Pulver und Säbel.
Der Jumbe bewirtete den Kaufmann reichlich, er lud ihn zu Gaste, gab ihm zu Ehren Feste mit viel pombe und
Ziegenfleisch und ließ es an Tanzbelustigungen nicht fehlen.
Eine neue Mode bei den Reichen verstanden die arabischen Händler einzuführen: die unter den Waschambaa
herrschende Klasse der Wakilindi kleidete sich fortan prunkvoll nach arabischem Geschmack. Ferner wurde es,
zunächst in Ost-Usambara, Brauch, Betel zu kauen. Auch fing man an, da der Islam allmählich , aber unaufhaltsam
vorrückte, die Tiere rituell zu schlachten.
Jetzt kam das erste geprägte Geld in Gestalt der Maria-Theresia-Thaler, schäme genannt, in Usambara in Umlauf,
bis später dieser österreichischen Münze durch die silberne Rupie das Ende bereitet wurde.
Das Marktwesen nahm um jene Zeit, wenn auch schon vor Ankunft der Wakilindi ngulio Märkte bei den
Waschambaa eingerichtet waren, einen bisher nicht bekannten Aufschwung. Auf einem sorgsam gerodeten, weiten
Platze unweit jeder größeren Ortschaft wurde an jedem fünften Tage ein Markt abgehalten. Unter dem Tore daselbst
hatte ngelu, der Marktaufseher, der zugleich Zolleinnehmer war, seinen Stand. Jede Frau, die mit einer Last Eßwaren
zum Markte kam, mußte das Tor passieren; die Männer durften neben dem Tore hin gehen. Der ngelu griff mit
beiden Händen einmal in die Eßwaren und warf das Erraffte in einen neben ihm stehenden Korb, kikapu; war dieser
gefüllt, so wurde ein zweiter, event. noch mehrere aufgcstellt, je nach der Zahl der Marktbesucher. Diese Markt-
abgabe, mschanguzo, gehörte dem Distrikts-Jumben. Der Herrscher von Wuga ließ sie durch einen seiner Hof-
beamten erheben, der sie dann für sich verwenden durfte; er hatte nach Angabe einiger alten Waschambaa-Fraucn
keine kleinen Hände. In Kriegszeiten oder bei großen Festfeiern beanspruchte der Jumbe zur Bestreitung seiner
Ausgaben die Marktsteuer für sich.
Eine andere Marktabgabe, mpokozi, stand dem ngelu für seine Mühewaltung persönlich zu; er durfte aus jedem
Korbe eingekaufter Waren eine Hand voll für sich nehmen.
Im übrigen war sein Amt nicht leicht, lag ihm doch außer der Ordnung auf dem Markte auch die Pflicht ob,
Klagen anzuhören und kleine Streitigkeiten zu schlichten.
Der Marktsteuer unterlagen Feldfrüchte und Fische, überhaupt jede Art von Lebensmitteln, ausgenommen
lebendes Vieh. Eisenwaren, Tücher und Perlen waren steuerfrei.
Die bedeutendsten Märkte für West-Üsambara fanden statt in:
1. Kikuju, zwischen Bumbuli und Wuga; für die Landschaft Bumbuli. Diesen Markt besuchten auch Leute
aus Balangai, Sakkare etc.
2. Mschegesche bei Wuga; für die Landschaft Wuga.
3. Ndekeo bei Gale.
4. Fulai bei Irente. Hierhin kamen Leute aus Masinde, Rusotto, Scheie mit zu Markte, weil die Wasegua hierhin
Salz lieferten.
5. Kisangazi; für die Landschaft Scheie.
6. Makujuni; für die Landschaft Mlungui. In Zeiten der Hungersnot hielt man auch Märkte ab in:
7. Djaila, unweit Mahezangulu.
8. Ngurui. Wenn bei Mschihwi Mangel an Nahrungsmitteln herrschte, fand hier Markt statt.
Die Waschambaa besuchten häufig d e Märkte folgender Orte im Bondei-Lande: Kidagi, Bombuera und Mamba
sasa unweit MagTa, um mit den Bergbewohnern Tabak und Vieh zu handeln.
Während bei dem Besuch der Märkte in den Bergen und sonst auf einer Reise das Mitnehmen eines Speeres oder
eines Bogens mit Pfeilen genügte, so reichte eine derartige Bewaffnung für das Bondei-Land nicht aus. Zur Reise
dahin taten sich immer aus Furcht vor einem Kriege und vor den Masai zwanzig bis dreißig Waschambaa zusammen,
bewaffneten sich mit Gewehren und traten nun ihre safari an, um ihre Tabakslasten zu verhandeln. Beim geringsten
verdächtigen Geräusch warfen sie ihre Lasten zu Boden, hielten scharf Umschau und zogen dann mit äußerster
Vorsicht weiter.
4
BEITRÄGE ZUR KENNTNIS DER WASCHAMBAA 71
»“"¿'iibTli™».*« »"«« >" »» MH» h.b.« Ibr. Bedeutung „l«n, ™ MW,
sich heutigentags gleich starken Verkehrs wie VGrdem war, so wurde alsbald eine zweite
War man von einer Handelsreise glücklich hemgeehrt, w ^ ^ ^ Tücher? Men u. a. m. einzukaufen. Um
s ifari nach der Küste hm, meistens nac i angam’ in Digo und Bondei immer nur ein Teil des eingenommenen
für diese Einkäufe Geld zu haben, wurde auf den Markten m g
Geldes, schäme, wieder ausgegeben. d nächst dem Sklavenhandel (s. Absch. Sklaverei) der Tabak
Was die einzelnen Handelsartike an ang , s jieute geblieben. Tabak ist nach Aussage der Waschambaa
schon in alten Zeiten in erster Linie, un so is es ergiebigen Ertrag liefert. Daher hat jedes noch so kleine
die einzige Pflanze, deren Anbau lohnt und die einen sehr erg g
Dörfchen in Usambara ein Tabaksfeld. ^ schon erwähnt bilden 40 Scheibchen, hehate, einen msungu, der
Der Waschambaa-Tabak ist sehr star ‘ verpackten Scheiben %—1 Bp. kostet. Im Bondei-Land werden
je nach der Anzahl der in Bananenblat sc^ ^ in den Handel gebracht.
msungu auch mit 50-60 Schemen 8 eine Lagtj mzig0. Wenn 15-20 Tabaksbauern je eine Last für den
Sechs Waschambaa-Tabakswa zen ^ der j^aste, gewöhnlich nach Pangani, zum Markte.
Verkauf fertiggestellt hatten, so zogen ^ nachstehender Tabelle ersehen:
Die Markttaxe des Tabaks laßt sich aus n
ein männliches Rind = 10 mzigo
eine Kuh = 25 mz,g° , o
eine Ziege = 4 mziS° und 3 mSUngU'
ein Ziegenbock = 21 msungu.
Dem Waschambaa-Tabak gaben die Eingeborenen des nördlichen Teils von Deutsch-Ost-Afrika
vor dem Wasegua-Tabak. Dessen Scheiben sind 2 cm hoch, die des Waschambaa-Tabaks лиг i ^ TC °Д Vorzug
einen weit kleineren Durchmesser. ' П 1 °m; ^еде haben dafür
Nächst dem Tabak spielt unter den Feldfrüchten der Mais die Hauptrolle; er wurde in zweierlei F
entweder entspindelt und gereinigt oder in ganzen Kolben. Ersteren, also Mais lose in Körnern ,naßU ’ ^ Ve?auft:
mit der Doppelhohlhand ab. 1 y2 — 2 Doppelhohlhände bildeten ein kitezu, den Inhalt eines kl .man UrsPrunglich
Körbchens. Je nach seiner Größe kostete es 5, 10 , 20 Pesa bis % Rp. ’ ^ unen geflochtenen
Ferner kommt als Körnermaß kihungu, eine kleine Schüssel, in Betracht ; ungo heißt die groß - S ••
Ziege hat den Wert von 5 ungo, so in Bumbuli; ein Ziegenbock kostete früher 2 ungo Mais ~ 1 °hÜSSel‘ Eine
Eine gehäuft volle flache Schüssel Maiskörner hat den Wert von 16 Pesa oder 1 kuku °
tangulu ist ein bei den Wambugu gebräuchliches Kornmaß.
Mit uju, einer Barbab-Frucht, wird in Ost-Usambara, selten in West-Usambara gemessen
kombe ya muasi, Kokosnußschalen, sind zu gleichem Zweck im Randgebiete von, Ost IV
kibaba ist im Bondei-Land die Maßeinheit der Inder, sie faßt zwölf Hände voll Eine kilc 1 'м* ^Ш )rauch.
Eine Doppelhohlhand Mais hat den Wert von. 4 — 5 Scheiben Tabak. 1 & aiS kostet acht Pesa.
Eine Last zusammengebundener Maiskolben gilt nur in den Gebieten, wo Waschambaa mit W
egua zusammenwohnen, als Maßeinheit und heißt bei den Bondei mkoa, bei Wasegua manguhi a”°n<*ei
Vasegua
und
wischa sind zwei Bündel von Maiskolben, die zu je zwölf W““ "T“’ ,vase8ua mangulu
ein wischa nur 16 Kolben, also auf jeder «¿He acht -»mmengebnnden werden. Dagegen hat i„ ^
Emmarmlichea Rind hat den Wert vo„ m ^
Eine Ziege kostet 45 wischa’ ” ” 150~200 ^«cha.
Ein Bock ,, 35
Die übrigen Produkte nehmen im Handel der Waschambaa „•
Stücke getrockneten und geräucherten Heisohes, mnah- ■ ! ™r untergeordnete Stelle ein So „
vier bis acht Doppelhohlhänden Mais bezahlt. ‘ ’ Z'~ °der Zlegenfloiseh wird je nach der Me a"0"’’
Eine lukopa, eine Fellschürze aus Ziegenhaut, wird wenn ■ . .. 01186
Ein Bulle kostet 5—6 Schürzen. ’ Wc icllon "lirl groß ist, für eine Ziege einect
Von samli, Rinderfett, Butter, hat ein kibuju je nach Größe d aUi5°it.
Ihren gesamten Honigvorrat lieferten früher die Waschow"W kl,1<U (16 Pesa> bis 1 doti ( y, Rt, ,
Baumstammstücke zu locken, erlernt haben, an die Wambuiu riv’t f. ^ie Kunst> Bienenschwärme V h m‘
auch zur pombe-Bereitung benutzen. ’ ] n ei(fenschaftlich gern essen und na ment] ‘ 6
Honig wird nur für Vieh verkauft und zwar kostet- ° 1
eine Kuh acht Töpfe von 20-25 ma
ein Bulle vier Töpfe; 25 ™ Hohe voll Honig;
ein Ziegenbock zwei Töpfe;
72
A. KARASEK
eine Ziege drei Töpfe;
ein Hammel oder ein Schaf ebenfalls drei Töpfe.
fii, getrocknete Fische, brachten nur Wasegua auf den Markt.
Sehr begehrt seitens der Waschambaa war der Erwerb von Tüchern und Glasperlen. Erstere kaufte man angeblich
am billigsten und besten in Mekanga bei Musa, man gab für sie Sklaven, Tabak oder Vieh in Zahlung.
marikanl, ein weißes baumwollenes Gewebe sowie der gröbere Baumwollstoff fau war weit weniger beliebt als
die dunkelblauen Tücher mbege, die man jetzt allgemein kaniki nennt, kitambi, schwere Baumwollstoffe von weißer
Farbe, und kitambi sekurubasi, in die Seide eingewirkt war, kosteten drei bis vier Rp., waren also für den gewöhn-
lichen Mschambaa zu teuer.
babukale, ein sehr festes weißes Gewebe, und haugungu, ein weißes, abgepaßtes Stück mit gelben Randstreifen
gleich den heutigen kikaj, wurden gern gekauft.
Die Längenmaßeinheit bildete mkono, gemessen von der Spitze des Mittelfingers bis zum Ellenbogen, drei mkono
gaben einen doti.
Handelt es sich um wertvollere Tücher, so maß man vom Mittelfinger bis zur Daumenspitze der gespreizten Hand,
njongeza.
Große Tücher wurden nicht nach Maß, sondern nur im ganzen Stück verkauft.
Die heutigen Preise für Tücher weichen von denen vor zwanzig Jahren verhältnismäßig wenig ab.
6 mkono marikani kosten 1 Rp.
3 ,, babukale ,, y2 ,,
3 ,, fan „ y2 „
haugungu kostet je nach Qualität pro Stück 28 Pesa bis 3/4 Rp.
mbege kostet 3/4 Rp.
kitambi kostet pro Stück 2 Rp.
kitambi sekurubasi kostet pro Stück 2—5 Rp.
kikaj kostet pro Stück y2 Rp.
Für Glasperlen bildete die Maßeinheit mafundo, eine Perlenschnur, die um die Hüften einer Frau reicht. Sechs
wifundo billigster Perlen bezahlte man mit einer Ziege.
mlango ist ein Faden mit Perlen, der von der Schulter bis zu den Füßen herabhängt.
Wie vordem, so bilden auch jetzt noch Perlen einen sehr wichtigen Handelsartikel, denn die Mschambaa-Frau
stellt ja fast ihren ganzen Schmuck, Kopf- und Hüftschnüre, Hals-, Arm- und Bauchbänder sowie vieles andere einzig
aus Perlen her.
Die Namen der alten Perlensorten sind:
1. huaja
2. makarata; rot, groß
3. uschaischii.
4. kitote.
5. sidagosi.
6. setabiri.
Seit der deutschen Besitzergreifung von Usambara ist der Handel unter den Waschambaa in stetigem Steigen
begriffen. Die Wochenmärkte sind gut besucht, und es herrscht dort ein fröhliches Treiben. Käufer und Verkäufer
beiderlei Geschlechtes ziehen ungefährdet zu Markte und in zufriedener und gehobener Stimmung wieder heim.
7. matscho ya mnjau.
8. kopwe; groß, rund, weiß.
9. mazi ya bahari; groß, rund, schwarz.
10. gone; sehr klein’, schwarz.
11. sini; weiß.
Handwerk.
Mit Ausnahme des Schmiedens treiben die Waschambaa ein Handwerk nur ganz nebenbei und zwar entweder
rein zum Vergnügen, auch um die Zeit totzuschlagen, oder um sich durch ihre Kunstprodukte Mittel zu Vergnügungen,
zum Kauf eines Weibes usw. zu verschaffen.
Die
Töpferei
hegt ausschließlich in den Händen der Frauen, denen allein auch der hieraus entspringende Erlös gehört.
Wo in einer Gegend grauer Ton vorkommt, wird die darüberlagernde Graskrume abgegraben; die feine Masse
wickelt man in Bananenblätter und schafft sie nach Haus. Auf einem großen R-nderfell breitet man den Ton aus,
schlägt ihn mit einem Knüttel, setzt langsam Wasser zu, rührt die Masse gut durch und entfernt alle gröberen Un-
reinlichkeiten, Steinchen usw. Dann beginnt das Kneten. Hernach werden drei walzenförm ge Tonklumpen, gata,
(Fig. 176) ringförmig gebogen und übereinandergelegt. Mit beiden Händen sucht nun die Frau, die sich inzwischen
medergesetzt hat, eine Topfform aus den Wülsten herauszuarbeiten; ist es ihr gelungen, so biegt sie den oberen
BEITRÄGE ZUR KENNTNIS DER WASCHAMBAA.
73
F äg. 17G. Fig. 177. Fig. 178.
Fig. 176. Topffabrikation: 3 Ton-
wülste. Nach Skizze von Karasek.
I. Stadium,
Fig. 177. Topffabrikation; Her-
stellung der Wandung und des
Randes. II. Stadium.
Fig. 178. Topffabrikation: Ein-
III. Stadium.
_ . . , n 1- fjxa 177N T>ahei benutzt sie mbuani, ein zirka 3 cm breites, 12—15 cm langes
Rand ein wenig nach außen hm um ( g- )• Zum gcjiarfen Abschneiden des überstehenden Topf-
Bambushalmstückchen, das an beiden e>i ena gering ^ Bambushalmsegment, dessen Ränder sehr scharf sein
randes dient ihr msizito, ein 1% brei 6S’ Panaia-Früchte, glatte Holzstäbchen oder kulogo, ovale Kiesel-
müssen. Zum Glätten der Topfwande wer enunrei ^ einem links neben der Frau stehenden Topfe mit Wasser,
steine gebraucht. Alle diese Modelhorgera e in kühlen Stelle in der Hütte stehen; sobald er etwas abge-
Der noch bodenlose Topf bleibt nun ( rei age möglichst gleichmäßige Rundung zu erzielen, benutzt
trocknet ist, geht man an das Größenzu dem Z^eck
man ein Stück Kurbisschale, kiumbo o-eformt und dann beginnt das Einsetzen,
bereitgehalten wird; über diese wird ^nMtetvon innen, eine von außen
kusitanungu. Der Topf wird umgedreht;: Hand ar^ ^ ^ (Mg 1?8)>
und verkittet Bodenstuck und Topfwan ung . , ungebrannten Töpfe auf dem Hütten-
Ungefähr vier Tage lang werden dann dm no^ ^ UZara, vor. In der Nähe
boden verwahrt; hernach bereitet man as -eden T einzeln auf und umgibt ihn
des Dorfeingangs oder in der Pflanzung ^®lzstücken man anzündet. Sobald das
ringsum mit angelehnten, aufrechten e.^Zrötliche ’Farbe angenommen und ist gehärtet.
Feuer niedergebrannt ist, hat der lop kommenden Sonntag auf dem nächsten
Die fertige Ware wird heimgebracht und am k
Markte verkauft. springen sämtliche Töpfe im Feuer, ein Umstand, setzsn des Bodens-
In verhältnismäßig seltenen ^ Unvorsichtigkeit zuschreibt.
den die betreffende Töpfenn ihrer a sebr großer Töpfe fertigt man 6-8 große Tonringe an; das Brennen
vorder Feuergefahr halber weit abseits vom Dorfe inmitten der Felder.
geSC He weißen Aschenhügel, die man vor fast jedem Waschambaa- und Wasegua-Dorfe
finden kln, rühren vom Tppfbrennen her.
Nyiya (sing. Iwuya) nennt man die
schrsselförmigen Tongefäße, ganz gleich, ob
sie poliert oder unpoliert sind.
Fig 179. HI 11609 stellt eme hartge‘
brannte'beim Anschlagenhell klingende Ton-
schale aus sehr feinkörnigem Material dar;
sie ist nicht poliert, aber sorgfältig geglättet.
Der Rand, der in horizontaler Richtung
scharf abgeschnitten worden ist, zeigt eine
leichte Einziehung. Ke Wandung ist ^ läßt inwendig die
Fig. 180. III E 116 • - f oink örn’ gen Tonmasse erkennen; außen
rote Naturfarbe der gebrann , d dieser Oberzug gleicht
ist sie grauschwarz, hochglanzend poliert'^ ^ der Außen.
einem mit Graphit geschwarz en scharf abgeschnitten, sondern abgerundet, und das ganze Oberteil leicht
seit« nicht si<*ULf°tngfdurchmosser beträgt 15,6 cm; der größte Durchmesser 20 cm. Die Schüssel ist trotz
eingezogen. starken Wandung auffallend schwer.
ihrer nur 72 cm Ebenfalls mit Iwuya benennt man ein schüsselförmiges Tongefäß mit
Fuß (Fig. 181. III E 11614). Es gleicht inbezug auf Material, Glättung
und Überzug vollständig dem vorigen. Der Öffnungsdurchmesser beträgt
12 cm. Der Fuß ist angesetzt; der Schüsselboden ruht daher auf dem
Untersatze wie auf einem Kranze.
Unter nyungo versteht man einen irdenen „Topf“. Der in Fig. 182.
III E l 1617 abgebildete hat einen schief
nach ihnen abgeschnittenen Rand, und
seine Wandung ist nach oben hin etwas
eingezogen. Die Wandstärke beträgt
5—6 mm. Der Topf ist beim Brennen
mehrfach gerissen.
Gleichfalls ohne Politur ist der in Fig.
183. III E 11675 abgebildete Topf. Sein
Rand wurde vertikal abgeschnitten, die
Wandung des Bauch teils ist stärker als -..- j
die Randwand die nur 5—6 mm Durchmesser hat. . Fig. 182. III E 11617. nyungo. Topf.
d,e Randwan , , nten Xopfarten sow.e d,e m Pig. 179 wiedergegebene H;ihe ^ cm, oberer Durchmesser
Tonschale ^ind zum Kochen über offenem Feuer bestimmt. 12 cm. Größter Durchmesser 16Vi cm.
Fig. 179. III E 11609. Iwuya.
Irdene Schüssel. Höhe 8 cm.
Durchmesser 12,5 cm.
Fig. 1 0. III E 11613. Iwuya. Schüssel. Höhe 70 cm.
Größter Durchmesser 20 cm.
Fig. 181. III 11614. Iwuya. Schüssel mit Fuß.
Höhe 13 cm. Größter Durchmesser 16 cm.
74
A. KARASEK.
Fig. 183. III E 11675. nyungo. Topf. Höhe
15 cm. Durchmesser der Öffnung 14,5 cm.
Größter Durchmesser 20,5 cm.
der Hinterseite des Rohrteils, um zur
Sicherung des Kopfes ein Schnürchen
durchziehen zu können; und
Fig. 186. III E 12434: Pfeifenkopf
mit hoch glänzender, schwarzer Politur.
Eine Probe der Darstellung von Tieren
aus Ton bietet Fig. 187. III E 13267; ein
Flußpferd. Die Augen sind mit zwei weißen
Perlen markiert. Hinter den Vorderbeinen
ist im Körper ein tiefes Loch ausgehöhlt;
Zweck unbekannt.
Noch klotziger wirkt die männliche
Gestalt Fig. 188. III E 13268, Tonfigur
mit schwarzem Glanze. Arme embryonen-
haft unentwickelt, Füße ohne jede An-
deutung der Zehen. Mißverhältnis in der
Proportionierung der Körperteile.
Etwas weniger grob modelliert ist die
Auch auf dem Gebiete der Kunsttöpferei be-
tätigen sich die Waschambaa, doch hier, wie scheint,
ausschließlich die Männer. Sie stellen sich die Köpfe
für ihre Hanf-und Tabakspfeifen her, sie allein formen
tierische und menschliche Gestalten, als Büsten wie
als Ganzfiguren, vor allem auch solche, die zauberi-
schen Zwecken dienen, namentlich zur Behandlung
von Kranken in besonders schweren Fällen.
Den Tonkopf einer Hanfpfeife, kiko cha bange,
ze’gt Fig. 184. III 11722; das Oberteil ist stark
konisch ausgehöhlt, schwach das Unterteil. Der
Mantel ist mit Punkt- und Strichornamenten ver-
ziert.
Von Pfeifenköpfen (vgl. II Fig. 119 — 132) seien
zur Ergänzung der früher gebrachten Typen nach-
träglich noch zwei Stück abgebildet:
Fig. 185. III 11721 mit glänzendem, braun-
schwarzem Überzüge und mit zwei Vorsprüngen auf
einen Askari darstel-
Fig. 184. III E 11722.
Pfeifenkopf von kiko cha
bange (Hanfpfeife). Höhe
6,8 cm. Durchmesser der
oberen Öffnung 3,8 cm.
Tiefe der Höhlung 3 cm.
Fig. 185. HI 11721. Pfeifenkopf
aus Ton. Länge 12 cm.
lende Tonfigur Fig.
189. III 13 283. Die Tonmasse ist mit ei-
nem stark glänzenden, schwarzen Überzüge
versehen; in die Augenhöhlen ist Wachs-
masse gestrichen und in sie wurden zwei
gelb lieh weiße Perlen als Augapfel einge-
bettet. Vielleicht diente dieses mit ,,wizuruiC
bezeichnete Gebilde magischen Zwecken.
vinyuwa sind Nachbildungen mensch-
licher Körper in Ton, die auf Anregung
seitens der Missionare von den Waschambaa
angefertigt wurden, ohne daß ihnen im ein-
zelnen besondere Anleitung gegeben worden
ist. Je nach der Begabung des Modelleurs
sind diese Ganzfiguren mehr oder weniger
gut ausgefallen; sie geben den Typus der
Bantu-Neger leidlich getreu wieder. Fig.
190—192. III 11730—11732. Es sind sämtlich aus schwarzgefärbtem Ton gearbeitete Figuren, deren unbekleidete
Körperteile Hochglanz zeigen. Die Nachahmung des Gewebes der Kleidungsstücke geschah durch Aufdrücken
von Baumwollstoff auf den feuchten Ton.
Einen Akt, wie er oft im Leben der Waschambaa eintritt,
stellt Fig. 193. III 11733 dar; einen Dornauszieher oder viel-
leicht auch Erdfloh such er, denn die Plage durch dieses Un-
geziefer, pahazi u. A., ist gerade in Usambara an der Tages-
ordnung.
Fig. 186. IH 12434. Pfeifenkopf
aus Ton. Länge 12 cm.
Fig. 187. Hl 13267. Flußpferd aus Ton.
Länge 12,3 cm. Höhe 6,5 cm.
Fig. 188. IH E 13268.
Männliche Figur aus Ton.
Höhe 13 cm.
'j&№‘
S***
BEITRAGE ZUR KENNTNIS DER WASCHAMBAA.
Fig. 189. III E 13283.
,wizuru“, einen Askari dar-
stellend. Höhe 16 cm.
Fig. 190. Fig. 191. Fig. 192.
Fig. 190—192- III E 11730—11732. vinyuwa. Tonfiguren in Menschengestalt.
Höhe 14—15 cm.
■ 193. 111 E 11733. Dornauszieher oder
Srdflohsucher aus Ton. Höhe 10 cm.
Fig. 197. Fig. 198.
Fig. 197 und 198. HI E 11726 und 11727. vizula. Männ-
liche u. weibliche Menschengestalt aus Ton. Höhe 8, bez. 8,o cm.
Fig. 199. Fig. 200.
■Fig. 199 und 200. III E 11728 und 11729. vizulu.
Mit Zeugstreifen aus Baumwollstoff. Höhe 7% bez. 8 cm
Fig. 195. III 11734.
Im Profil.
I ig. 19b. Halbfigur mit
Kappe. Höhe 8 cm.
76
A. KAEASEK
Auch bei den Halbfiguren aus Ton sind die unbedeckten Körperteile hochglänzend dargestellt, die bekleideten
durch Aufpressen von Gewebemustern markiert. Fig. 194—196. III E 11734, 11736.
Zu der Gattung der vizulu, der Nachbildung menschlicher Körper, wie sie zu Zauberzwecken, zur Krankheits-
behandlung usw. dienen, und vor denen die Waschambaa eine mächtige abergläubische Furcht haben, gehören
Fig. 197 — 200. E 11726—11729. Es sind sämtlich Gebilde aus schwarzem Ton, einige ohne, andere mit glänzendem
Überzug. Im Scheitelteile des Kopfes ist ein rundes Loch angebracht, in das zuweilen ein Pfropfen aus blauem
Baumwollzeug eingeklebt wird. Fig. 199 und 200 zeigen außerdem ringförmige und kreuzweise Umwicklung der
Brust- und Bauchpartie mit blauen und roten Baumwollzeugstreifen. Nebenbei sei bemerkt, daß die Angabe, der-
artige vizulu würden von den Waschambaa angebetet, irrig ist; gefürchtet, ja, aber nicht verehrt.
Über die Tongebilde, die in Fig. 2011 und 202. III E 12464 dargestellt sind, ist hinsichtlich ihres Zweckes nichts
Näheres bekannt. Sie erinnern an embryonale Säugetierformen. Die Augen sind nur durch Stiche in die Tonmasse
markiert, ebenso die Nasenlöcher. Mit Ausnahme der stummelförmigen Gliedmaßen ist die Oberfläche mit grau-
weißen (Fig. 201), bezw. braunen und schwarzen (Fig. 202) Haaren beklebt; letztere erinnert daher in ihrem Aussehen
entfernt an eine, allerdings schwanzlose Maus. Beide wohl zauberischen Zwecken dienenden Figuren wurden in einem
geflochtenen Täschchen verwahrt gefunden.
Wie die Töpferei bildet auch die
Flechterei
eine Erwerbsquelle für die Waschambaa. Man benutzt vor allem die jungen Blätter der wilden Dattelpalme,
msala; sie werden abgeschnitten und am Dach der Hütte so lange zum Trocknen aufgehängt, bis sie vollständig
ausgebleicht sind. Auch von der in der Steppe vorkommenden Hyphaena-Palme, mabamba, von den Wasegua
magumbi genannt, verwendet man die jungen Blätter, die man lastenweise aus der Ebene nach Hause schleppt, als
Flechtmaterial. Nur verhältnismäßig wenig wird fein gespaltener Bambus, der überall im Gebirge wie im Tale
zu haben ist, sogenannter lasi, gebraucht.
Aus msala werden große, grobe, viereckige Matten für den Verkauf und Körbe von sehr verschiedenem Umfang
für den eigenen Bedarf hergestellt. Ferner Behälter für Eßwaren, wenn man auf die Heise geht, ovale Körbe mit
einem Deckel, mkwiji, wie sie nur etwas kleiner der Medizinmann für den Transport seiner Geräte benutzt. Auch
die Filter nkome, für die Weinbereitung sowie makawa, trichterförmige Deckel für die Wassertöpfe, stellt man aus
msala-Material her.
mabanda dient zur Anfertigung der kitezu-Körbchen, in denen das ugali aufgetragen wird, und zum Flechten
der großen, groben, viereckigen, naturfarbenen Matten, djawi.
Aus lasi stellt man flache Schüsseln, lungo her, ferner kihungu, die den ersteren gleichen, nur daß sie größer
und „zu Tischchen verbunden sind“, endlich tangulu, die größtenteils, aber nur von den Wambugu geflochten werden.
Flechtarbeiten sind das ausschließliche Privilegium der Männer. Würde eine Frau, wie es an der Küste vieler-
orten der Fall ist, sich in Usambara mit Flechterei abgeben, sofort würden ihr die Dorfbewohner nachsagen: „Seht
nur das faule Weib!“ Flechten und Faulenzen ist das Vorrecht der Männer.
Die Geflechtsart, die bei Herstellung von Heissäcken, Mtama-Lasten usw. zur Anwendung kommt, veranschau-
licht Fig. 203. III E 860, ein Geflechtsstreifen, der 8 cm breit ist und in seiner Länge natürlich unbeschränkt weiter
gearbeitet werden kann.
Zu den einfacheren Flechtarbeiten gehört die Herstellung von Besen, hayilo (Fig. 204. III 11628). Er besteht
aus Palmblattstreifen, die zum Teil noch mit brannen Dornen besetzt sind. Man biegt die Streifen in der Mitte um
und fixiert sie durch Einflechten schmaler Blätter, vielleicht von Pandanus, in ihrer Lage.
Eine andere Geflechtsart kommt bei nkome (Fig. 205. III Eil 630) in Anwendung, Filter für B:er. Als Material
benutzt man Streifen von Zuckerrohr. Die nach der Spitze des Filtersacks zu immer schmaler werdenden Flechtstreifen
sind am Sackende mit einer zweiteiligen gedrehten Schnur umwickelt und zu einer Art Quaste zusammengefaßt.
Die im wesentlichen gleiche Geflechtsart benutzen die Waschambaa bei der Anfertigung von „Umhängetäschchen“.
Mifuko (Fig. 206. III E 11643) ist sauber aus naturfarbenen sowie braunen, graublauen und hellgelben Streifen ge-
arbeitet. Wie bei einer Zigarrentas^he greift das Oberteil über fast das ganze Unterteil. Beide Teile sind durch eine
dünne Pflanzenfaserschnur aneinander befestigt. Ähnlich, doch aus breiteren Geflechtsstreifen, sind die Täschchen
angefertigt, in denen der Zunder für die leuerbereitung verwahrt wird. (Fig. 207. III E 2930).
Als Instrument zum Flechten der Körbe vitezu (Singular: ntezu) benutzt man eine hölzerne Nadel, somba (Fig.
208. III E 12421); sie ist aus dem harten Holze einer Baumfarrenart gemacht. Länge 71/a cm.
Den Typus der vitezu repräsentieren die in Fig. 209 und 210 III E 11 636 und 2932 abgebildeten Körbchen, die
spiralig geflochten sind. Wo Henkel angesetzt wurden, bestehen sie aus festgedrehter brauner Bastschnur. Die
Höhe beträgt ca. 15 cm, der Durchmesser des rundenBodens durchschnittlich 15 cm, der obere Durchmesser gegen 20cm.
Das Muster eines Umhängekorbs, mkwiji, stellt Fig. 211. III E 11639 dar. Deckel und Boden haben ovale
Form. Das Oberteil des Korbes greift weit über das Unterteil. Die beiden seitlichen Henkel sind zur Verstärkung
mit brauner Schnur umflochten. Das Tragband ist einerseits an dem Henkel festgebunden, andererseits durch einen
Knoten an seinem Ende am Durchrutschen durch den ösenartigen Henkel gehindert.
Infolge der ins Ungeheure gestiegenen Preise für die Anfertigung müssen; wenn Mittel vorhanden sind, werden sie in einem Anhang
der Bilder haben leider die Abbildungen von Nr. 201 ab ausfallen erscheinen. Die Eedaktion.
BEITRÄGE ZUR KENNTNIS DER WASCHAMBAA
77
., -1 ... r i or, Unrmen von Opfertaschen ist in Fig. 212. III E 11 642 abgebildet.
Ein Beispiel der bei den Wasc am aa u > ic Peckel und Boden. Der Deckelrand greift an 6 cm über;
Diese Art von mfuko ist eine Umhange asc e mi ™ zweiteiligen Schnur, die über ihn hinwegläuft, an den
um sein Herabfallen weiter noch zu verhindern .st e "nde„. Höhe 25 cm.
aus dreiteiliger Schnur hergestellten Korbhenkeln ***** mit mpinda bezeichnet. Es ist ein Sack mit
Eine andere Art von geflochtenen Taschen zum Umhang^^ ^ ^ ^ ,gt
einer zweiteiligen Tragschnur, dessen Getlec sar ^ 21ß m E 11647j n 649 und 2933 abgebildeten flachen
Zur Gattung ntangulu gehören die in Jg. , gind Eie Unterlage der Wülste bilden feste dünne Ruten
Schüsseln und Eßkörbe, die in Spiralwulst orm g®^Crlecjltmaterial besteht zum Teil aus naturfarbenen, zum Teil
oder eng aneinander gepreßte Pflanzenfasern as andhöhe schwankt um 10-12 cm, der obere Durchmesser
aus braun oder graublau gefärbten Blattstre.fchem Die Ba^
um 21 cm, der Durchmesser des runden B° en iralwulgtform sein kann, zeigt ihre Verwendung zur Herstellung
Wie außerordentlich dicht jene Geflechtsar mj ^^f..ß^ desgen Dichtung von außen allerdings oft auch durch
wasserdichter Gefäße, nkamilo ist ein gefloch en ^ ^ Spiralwülste besteht aus dichten Bündeln von Pflanzen-
eine Schicht aus Kuhmist gesichert “ ist außerst stabil, Fig. 217. III E 11650.
fasern oder Binsen. Diese Art von Miic ^ Körbchen mit viereckigem Boden und runder Öffnung (Fig. 218.
Eine der selteneren Geflechtsarten z61g alg Einscblag für die als Kette benutzten Streifen aus Stengeln
III E 10504). Feine bastähnliche Fasern
von Zuckerrohr (?).
Flechterei und Näharbeit ging vor Zeiten bei der Herstellung von Männerkappen aus Dum ml ,
in Hand. Nkofiya (Fig. 219. III E 12 435) besteht aus geflochtenen Streifen, die mittels eines teij611-Hand
Fadens aus Pflanzenfaser dachziegelartig über einander genäht sind. Zur Verstärkung des Mütze / T^0 ,gedrehten
Ruten in der Richtung der Geflechtsstreifen untergenäht. Schon 1905 wurde diese Art der Ko^b T dÜnne
selten getragen und sie dürfte heutigen Tags fast verschwunden sein. ec iUnS nur noch
Hinsichtlich der in diesem Abschnitt über Flechtarbeiten nicht angeführten Formen von M bl
Schüsseln sowie Eßkörbchen und Basttaschen sei auf die Figg. 28, 29, 79, 97—100 im II Teile der B • •' Und ®Peise"
Anhangsweise soll hier der „Schnur“-Fabrikation bei den Waschambaa gedacht sehr ( Fio- e^rage Verwiesen-
und 2922 nebst Fig. 221 zeigeu das Instrumentarium zur Herstellung des kigwe-Bandes a) stellt ^ E 2921
ein Holzstäbchen, das durch die Scheibe eines Internodiums einer rohrähnlichen Pflanze ^ dar:
besteht aus wenig gedrehtem, rohem Baumwollfaden. Länge der Spindel 27 5 cm ^ ° vt lst- Garn
b) Als Garnwickel dienen zwei kurze, dicke Hölzchen, die kreuzweise übereinander gelegt •
c) Eine Holznadel von 18 cm Länge; an ihrem stumpfen Ende ist ihr Durchschnitt flach 1
d) Zwei Holzstäbchen, bezw. Palmblattrippenstücke mit einem Teile der fertigen Platt I' °Va ‘
befindlichen Stücke. Stäbchenlänge 38 cm, Stärke 3 mm. Der Faden der Schnur läßt äcji T Und dem *n Arbeit
nur verschlungen ist, leicht wieder aufziehen und von neuem verarbeiten k ’ a er ln die Maschen
Auch Gewirke kennen die Waschambaa und sie benutzen diese Art der Fadenverbi d
Gegenständen je nach ihrer Form eine fest anliegende Verschlingung zu geben ** Um den 211 umkleidenden
So bei der Herstellung von Stöpseln zu Schnupftabakbüchsen. Die kleine Kürbissch ]
abgebildeten kikoma mpala ist mit Leder umnäht; der Hals besteht aus einer Holzröhre rl 222'111 E12433
Fadenüberzug über einer festen Einlage, 5 aei stopfen aus einem dichten
Häufig sind die ganzen Kalebassen mit Fadenverschlingunöen soro-fäUm- -i
III 11674. Die Struktur des Netzwerks läßt sieh ohne seine lerstörung nlft fetftelle ° in Pi«- 223.
Maschen sind mit einer an Kuhmist erinnernden Masse ausgestrichen. Die Zwischenräume der
Vor allem kommt diese Art der Umstrickung bei dem Einhüllen 7
Wendung, einmal um den Besitzer vor dem Verlieren des wertvollen Stücket,“T“6" ündängs in An-
befugten Blicken das magische Objekt zu entziehen, z. B Fig 224 E III lalco ’ Sodann vor «Hem, um un
von dichtem Gewirke umhüllt, das außerdem noch von einem grob darüber J• , T“™’ AmuIett; sein Inhalt ist
Desgleichen findet sich diese Art von Umstrickung um dietem****** umgeben ist
lulimi, der an sieh schon weit m das Medizinhorn, gununda (Fig 225 m F 1 ” Arzneien. Um den Stöpsel
ragt, recht festen Halt zu geben, schließt sich die Umflechtung dicht um die Hf « ^ 6' E 1168H hinein-
in sie hinein, so daß ein Herausfallen des zauberkräftigen Inhalten (A i r»n rnoffnung und reicht über 1 cm tief
Aus dem Gebiete der ««„Inhaltes (Asche,Pflanzenteileusw.)tunlichstausgeschloss“„tt
Lederbearbeitung
sei da die Herstellung von Lederschilden usw. bereits besprochen worden ist, hier nur die Zubereitung des Leders
und seine Verwendung zu Kleidungsstücken erwähnt. Letztere werden jetzt ausschließlich in ganz abgelegenen
Teilen von Usambara aus tierischem Materiale verfertigt, denn in allen größeren Orten haben indische Kaufleute
ihre Kramläden aufgetan, und versorgen Waschambaa von nah und fern mit Baumwoll-Tüchern und -Stoffen cP
in den Dukas in verschiedenster Preislage und in reichster Auswahl zu haben sind.
In der Lederbearbeitung steht der heutige Mschambaa weit hinter dem erfahrenen Mbugu, dessen Hauptbeschäf-
tigung die Viehzucht ist, zurück. Soll ein Fellkleid hergestelit werden, so werden zunächst kleine Löcher in die ab
gezogene Haut geschnitten, um durch sie zugespitzte Pflöckchen, nambo, stecken und sie in den Erdboden einschlagen
78
A.KARASEK
zu können, und so die straffgespannte Haut zu trocknen. Im Laufe eines Tages dörrt das Fell aus und wird nun,
es heißt jetzt kwamba, mittelst Holzpflöckchen an der Lehmwand der Hütte befestigt. Die Haare werden mit einem
stumpfen Messer abgekratzt; das Leder schmiert man tüchtig mit Butter ein, reibt es kräftig mit den Händen, walkt
es, klopft’s und fettet es nochmals stark ein. Soll das Ziegen- oder Schaffell, aus dem weiches Leder hergestellt wird,
noch gefärbt werden, sei es gelb oder angenehm braun, so nimmt man Rinde von muale, kocht s:e im Wasser und
reibt den Absud mit einem Lappen oder einem Strohwisch in das Leder ein. Sobald es abgetrocknet ist, findet ein
nochmaliges Einfetten statt. Am Rande des Fells bringt man zuweilen Verzierungen in Gestalt einfacher Linien an,
zwischen denen man die Felder mit einem scharfen Messer auskratzt.
Was das Nähen anlangt, so haben die Waschambaa in früheren Zeiten ihre aus gewalktem Leder hergestellte
Kleidung, bubuende, auch lukopa, mit Hilfe von Tiersehnen oder von ukonge oder ubombo, die ihnen als Zwirn
dienten, zusammengenäht, eine recht mühsame Arbeit, da die beiden am Rande des Felles nötigen Rei hen von Löchern
erst mit einem kopflosen Nagel, dessen Spitze auf einem Steine zugeschärft war, vorgestochen werden mußten, um
dann die Sehne oder die Fäden durchziehen zu können.
Der später eingeführte Lochstecher beim Nähen der Felle heißt mitunga (Fig. 227. III E 11620), ein pfriemen-
ähnliches Instrument mit einem Metalldraht aus Messing oder Eisen, der in einem Holzgriff eingelassen ist.
Damit das Fell beim Nähen weich ist, werden die betreffenden Stellen mit heißem Fett begossen; zum Schöpfen
benutzt man kayata, ein Schöpfgerät (Fig. 228. III E 11618) mit einem langen Holzstiel; damit die zum Schöpfen
dienende Nußschale nicht abrutschen kann, ist der Stiel beidseitig an den Durchtrittsstellen mit Messingdraht um-
wickelt.
Von Kleidungsstücken aus Leder sei hier nur eine „skalpähnliche Mütze“ für Männer (Fig. 229. III E 10498),
die aus Ochsenmagen oder aus einem Stück Bindehaut von der Innenseite des Felles hergestellt ist, erwähnt.
Ferner mtandala, ein Fellstück, das die Frauen sich hinten umbinden, (Fig. 230. III E 11580); die Haare des
Felles sind stellenweise ausgesehabt, so daß der Haarbestand büschelförmig erscheint; Fellstreifen, die als Binde-
bänder dienen, sind angeknotet.
Von Gebrauchsgegenständen aus Leder sind zu nennen: bene, Hirtentasche (Fig. 231. III E 11621), hergestellt
aus einem Stück braunen Antilopenfell, die Seiten sind, nachdem die Ränder nach außen hin umgekippt waren,
mit einer ledernen Schnur zusammengenäht worden. Den Verschluß bewirkt ein Fadenknoten, der durch ein Loch
des Überschlags gepreßt wird. Die Tragschnur ist aus pflanzlichem Materiale gedreht.
Viele Sorten von nkoba, der „Kürbisflasche“ (Fig. 232. III E 11673) sind mit Fellbezug umkleidet, der meistens
überwendlich an den Seiten zusammengenäht ist; der Pfropfen besteht aus einem Stück auf gerollten Leder.
Einen Wasserbehälter aus Kürbisschale mit Tragvorrichtung aus Fell stellt Fig. 233. dar. Das Fellstück ist an
beiden Enden geschützt, damit der Flaschenhals und der Flaschenboden festsitzt. Das über einen halben Meter
lange Stäbchen dient zum Verhüten des Hinausspritzens des Wassers bei schnellem Gehen.
Tierschwänze werden zur Benutzung bei verschiedenen Gelegenheiten, als Fliegenwedel, für Wünschelruten,
beim Tanzen usw. benutzt; z. B. Fig. 234. III E 11590: mkila, ein Ochsenschwanz, in den als Handhabe ein Hoiz-
stückchen geschoben ist; beim Tanzen wird er an einen Stock gebunden.
Soviel von den Fell- und Lederarbeiten. Hinsichtlich des Nähens in der Gegenwart sei erwähnt,- daß jetzt die
Waschambaa Stahlnadeln und europä'schen Zwirn benutzen. Die Frauen sind im Aähen wemger tüchtig, s:e kommen
auch seltener dazu, weil ihre Eilei düng aus losen Zeugstücken besteht. Bei den Indern lernen hin und wieder Wascham-
baa mit der Nähmaschine arbeiten, aber bei dem niedrigen Lohn, den sie für das Hemdennähen erhalten, und bei
den hohen Abzügen, die sie sich für den Verbrauch von Nähmaschinennadeln gefallen lassen müssen, halten sie in
der Regel nicht lange aus.
Nebenbei sei bemerkt, daß die Waschambaa ihre Kleider so lange tragen, bis sie ihnen in Fetzen vom Leibe
fallen. Dabei starren sie von Läusen; um sich dieser Plage zu erwehren, zieht der Mschambaa ausnahmsweise einmal
sein Hemd aus, breitet es auf den von der Sonne durchglühten Erdboden und bedeckt es mit Sand.
Die
Holzschnitzerei
liegt den Waschambaa im Blute. Schon die Kinder schnitzen sich Stückchen, die Jungen fertigen moderne bakora
an und die Erwachsenen erzielen aus ihren Holzarbeiten einen kleinen Nebenverdienst. Jeder Schnitzer hat seine
Spezialität; der eine stellt nur Kochlöffel her, die er dann mit eingebrannten Mustern verziert; ein anderer schnitzt
Holztrommeln, ein dritter Bienenwohnungen oder Türen, Bettstellen u. a. m. Als Instrumente werden eine kleine
Axt und Messer von verschiedener Größe benutzt. Besonders große Mühe verursacht das Aushöhlen der Baum-
stämme zur Herstellung von Trommeln. Der Erlös aus allen diesen Waren bildet die Nebeneinnahme des Mannes,
die ihm ungeschmälert verbleibt.
Was die Preise anlangt, so kosten kleine Holzlöffel drei, große somoro acht Pesa. Der Tagesverdienst beträgt
bei. fleiß!ger Arbeit — zwei kleine und ein großer Löffel — etwa 1 Rupie 30 Heller.
H er einzelne Proben von Schnitzereien. Von Gebrauchsgegenständen beschnitzt man mit Vorliebe die Stiele
von Beilen (Fig. 235. III E 2913). Die Oberfläche ist in Kerbschnittmanier mit Mustern geometrischer Art bedeckt.
Außerdem sind die hervorragenden Holzpartien braun gebrannt. Die eiserne Klinge ist in der rechteckigen Durch-
lochung des Stieles, die eingebrannt wurde, befestigt und mit eingeschlagenen Strichornamenten verziert.
BEITRÄGE ZUR KENNTNIS DER WASCHAMBAA
79
Be! den Holzpfeilen, mivi, (Fig. 236. III E 11 708) sind die Spitzen, die aus hartem Holze hergestellt und schwär*
gefärbt sind, mit Bandmustern versehen, die sich scharf von dem dunklen Untergründe abheben. Die Spitze t u
durchschnittlich 5 cm tief im Schafte, mit dem sie nicht verkittet sind. Der Schaft besteht aus leichtem, markhllt^11
Holze. An seinem Spitzenteil ist er zum Verhindern des Zerspringens mit schmalblättrigem, grasähnlichem Pflanze
materiale umwickelt, das um des eigenen Zusammenhalts willen mit einer rotbraunen Harzmasse überzogen wurde
Das Schaftende hat eine v-förmige Kerbe. Die Fiederung besteht aus drei gestutzten Federfahnenteilen Farbe
der Fahnen weiß oder braun, z. T. mit schwarz. Mit demselben Pflanzenstoff wie beim Spitzenteile des Schaftes
und auch mit derselben Harz- oder Wachsmasse ist die Fiederung befestigt (Fig. 237).
Einen Lieblingstummelplatz für die Betätigung der schnitzfreudigen Waschambaa geben die Holzverschlüsse
der Kürbisflaschen ab, Stöpsel, deren Gestaltung von den einfachsten Formen (Fig. 238) und Fig. 239. III E 11569
vgl. auch frühere Abbildungen) bis zur Darstellung menschlicher Köpfe fortschreitet. Diese aus welchem Holze
hergestellten Flaschenverschlüsse, manche sind auch durchbrochen geschnitzt, werden einesteils bei ,,Kalebassen für
die Reise in die Steppe“, anderenteils zum Verschluß von Kürbisflaschen „mit Arznei“ und von „Medizinh" ^
(Fig. 240. III E 2939 und Fig. 241. III E 13 270) verwendet. ” mnern
Die Rillen des Stöpsels zu der kleinen Kürbisflasche (Fig. 239) sind außerdem mit Schmuckbrand versehen Die
Kalebasse selbst, nkoba, trägt um ihre Einschnürung einen Bananenblattstreifen mit zahlreichen Knoten mafundo
oberhalb dessen auch noch ein Fellstreifen mit kurzen, braunen Haaren verläuft. Den Inhalt der Flasche bildet'
wie bei den meisten Zaubermedizinen, eine rußähnliche Masse.
Fig. 240. III 2939 und Fig. 241. III E 13270 stellen je einen Stöpsel, bulimi, ersterer zu einem großen Medi ’
horn, letzterer zu einer Zauberflasche, nkoba, dar; beide in Gestalt von Menschenköpfen; bei Fig. 240 ist wohl auch
in roher Form der Ansatz der Arme — die Gegenseite ist defekt — angedeutet. Zudem diente dieser Stöpsel der
über 40 cm lang ist, bei der Geisteraustreibung zum Bestreichen des Patienten mit dem schwarzen dielfl" ,C GP
Inhalte des Medizinhorns. S1gen
Im Anschluß an diese zauberkräftigen Gegenstände sei eine Holzschnitzerei, die zu den vizuru gehört und
gischen Zwecken gedient haben mag, erwähnt: eine sehr roh geschnitzte männliche Figur (Fig. 242. III E 13 9^'
mit natürhehern, doch nicht menschlichem Haar, das auf Scheitel und Hinterhaupt geklebt ist. Die Augen sind *
gebrannt, ebenso die Gliederung der Hand in die Finger; außerdem finden sich Brandstellen am Penis und Scr
Auch der Fußrücken zeigte Brandmerkmale. cro Um-
Seinem Gestaltungsdrange gibt der Mschambaa bei seinen Schnitzarbeiten namentlich auch gern durch F'
ritzen und Einbrennen von Figuren Ausdruck. Einen interessanten Typus bietet Fig. 243. III E 2914; Darstell ^
von Menschen (tanzend ?) und Tieren (Eidechse oder Krokodil ?) auf der Wandung einer Flöte. Die geometris h^
Muster und die Figuren sind anscheinend mit einem glühenden Messer in das Bambusrohr eingeschnitten^bez^
eingebrannt.
Es ist ausschließlich das Gebiet der Kleinkunst, dem die Schnitzwerke der Waschambaa angehören V
Luxus-und Schmuckgegenständen aus Holz seien noch besonders die Spazierstöcke oder richtiger Renommie
hervorgehoben, Stöcke aus hartem Holze, gegen iy2 m lang, selten glatt, meist mit mehr oder weniger zahl6^ 0 &
wulstartigen Verzierungen versehen, ngoda: Fig. 244. III E 11698. Fig. 245. III E 11701. Fig 246 C Gn
mpete nennt man einen Fingerring aus Holz, Fig. 247. III E 11570, dessen Form wohl einer enm ••• i 1 * 7°°'
läge nachgebildet worden ist. paisc en Vor-
Ohrschmuck ist in Scheibenform sehr beliebt. Den einfachsten Typus repräsentiert Fig 248 ‘
hartem Holze mit muldenförmiger Vertiefung auf beiden Seiten; eine flache Rinne verläuft auf ~Gheibe aus
damit in dem erweiterten Ohrläppchenloch das bescheidene Schmuckstück Halt hat Meistens is/rT ^'malseite>
der Ohrpflöcke mit einer Auf-, bezw. Einlage von Zinnstückchen verziert (Fig 249-25 n 0,)erfläche
Untergründe des dunklen Holzkörpers abhebt. ® Slch leuch*end von dem
Es bleibt nun noch das Gebiet der
Schmiede- und Metallgußarbeiten
zu besprechen.
Jeder msiagi, auch mschiagi, hat um der Feuergefahr willen seine Schmiede, schamilo, außerhalb des D f
eingangs; zuweilen befindet sie sich sogar inmitten der Felder. Es ist eine sehr einfacher Bau ■ ei„ n \ ° rf_
einigen Stützen ruht ; Wände gibt es nicht. Zum Dachdecken benutzt man malamhn Tt, ' ui PT’. daS auf
dicht nebeneinander gelegt werden und über die dann Gras gebunden wird. ’ nanenblattscheiden, die
Die innere Einrichtung Fig. 2S2 besteht aus drei flachen Steinen, die aufrecht gestellt h„iw t- ■
und rechtwinklig zu einander stehen; sie bilden mafiga, den Herd. An der offengelassenen SeitT °t™8“fordnet
kelwa, in eine Rille im Boden gelegt, und sie wird durch je zwei seitlich eingeschlagene Holz h d t Tonrohre.
mit Schnüren verbunden sind, in ihrer Lage fixiert Fig. 253. Zu dem gleichen Zweck die w’i 16 "ntereinander
die ganze Röhre ihrer Länge nach bedecken. In kelwa liegt der Doppellauf einer Minte muazi di®
rohre steht mit einer Kammer des Blasebalges in Verbindung. Letzterer miwuo ist ’ , . ’ ‘ , „r Elsen-
stellt, das aber nicht wie sonst beim Abziehen der Haut an der Bauchseite aufgeschndte ^ e"“m A" ' ° ^ge-
streift wurde. aulgeschnitten, sondern im Ganzen abge-
80
A. KATASEK
Jede Schlauchkammer hat oben einen Griff, den während der Benutzung de s Blasebalges der mwuguti — es kann
ein Mann oder ein Knabe sein — mit der Hand festhält und abwechselnd auf- oder mederzieht, um durch den er-
zeugten Luftdruck das Feuer anzufachen.
Neben dem mafiga Fig. 254 steht ein dicker Stammabschnitt, fumbi, in dessen Oberfläche ein großes Loch zur
Aufnahme des Ambos, fulawe, angebracht ist. Diesen Ambos bildet ein oben breites, rundes Eisenstück, das sich
nach unten hin, wo es in den fumbi eingelassen ist, verschmälert.
Zwischen Ambos und Schmiedefeuer liegt ein großer flacher Stein, iwe ya schaniloi, auf dem das glühende Eisen,
ehe es auf den Ambos kommt, zuerst bearbeitet wird.
Gegenüber dem mafiga ist luhondo, ein der Länge nach gespaltener und ausgehöhlter Baumstamm, dessen Ver-
tiefung mit Wasser gefüllt ist, gelagert; hierin werden die Messer- und Axtklingen, die Hacken usw. gehärtet Fig. 30.
An Geräten befinden sich in der Schmiede: verschiedene Hämmer, nundo; zwei bis drei Zangen, mkono, und
eine Vorrichtung zum Herstellen von Löchern, dudu.
Die Holzkohlen, kala, stellt sich der Schmied selbst her; er benutzt dazu das Holz von miusa oder muawi sowie
die Rinde des kiromboti- und des kala- oder mkala kala-Baumes. Eine Last Holzkohle wird bundu genannt.
Das Eisen bezieht man heutigen Tags in Stangenform von den Indern; vor etwa 20 Jahren kaufte man es an
der Küste; noch früher tauschte man es für Vieh im Pare-Gebirge, woher auch die ersten Schmiede gekommen sein
sollen, ein.
Messing, jengala ngandu, Zinn, sana, und Kupfer, ngandu ya moto, werden von der Küste bezogen.
Die gebräuchlichsten Gegenstände, die der Schmied anfertigt, sind: Speere, Schwerter, Messer, Pfeilspitzen,
Buschmesser, Hacken, Äxte, mtunga, Eisen- und Kupferschollen, kidanga, Armringe usw.
Die Schmiede wird von den Waschambaa für heilig gehalten. Wer aus ihr etwas stiehlt, wird angeblich in wenigen
Augenblicken krank; sein Leib nimmt eine unhe’mbche Größe an. Gewöhnlich trägt der Dieb das gestohlene Gut in
aller Stille wieder zurück.
Der erwischte und erkannte Dieb muß zur Sühne seines Frevels zunächst einen Hammel schlachten, dessen
Exkremente in der ganzen Schmiede umherzustreuen sind. Seine Dorfgenossen nehmen an der folgenden Schmauserei
teil. Ist er weder gesund geworden, so hat er drei Rinder zu zahlen; eine Kuh an den Jumben, eine an den bestohlenen
Schmied und ein männliches Tier an den Dorfältesten. Auch müssen mafingo hergestellt werden, um seine Hütte
vor Feuer zu schützen.
Neidischen und boshaften Schmieden sagt man nach, daß sie im Stande seien, zauberkräftige Medizinen zu be-
reiten, kraft deren das bearbeitete Eisen schnell verderbe. Einen entsprechenden Gegenzauber findet man oft in
der Schmiedehütte eingegraben.
Betrachten wir zunächst, so weit dies nicht schon früher geschehen ist, die aus leicht schmelzbarem, bezw. schmied-
barem Metalle hergestellten Arbeiten.
Neben den Ohrschmuckscheiben aus Holz mit und ohne Zinneinlage werden auch Ohrzierate allein aus Zinn
hergesteßt (Fig. 255. III E 10503); zuweilen sind sie mit Strichornamenten verziert.
Fingerringe arbeitet man häufig aus Kupfer; die Stärke des rundgebogenen und offengelassenen Kupferblech-
streifens beträgt 1 mm (Fig. 256. III 11569).
Eine andere Art von Fingerringen (Fig. 257) stellt man aus feinem Kupfer draht her. Dieser wird — er ist höch-
stens 1/4 mm stark — zu einer zweiteiligen Schnur zusammengedreht und dann über eine Unterlage aus festem Haar
(Schwanzhaar der Giraffe ?) in dichten Windungen, von denen durchschnittlich zwei auf 1 mm gehen, spiralig ge-
wickelt; infolgedessen federt der Metallring und paßt sich der Form des Fingers gut an.
Dieselbe Art Fingerringe verfertigt man auch aus Kupfer- und Messingdraht in der Weise, daß die zweiteilige
Metallschnur aus je einer der beiden Drahtsorten gedreht wird.
ngalo werden für Knaben und Frauen gearbeitet und von letzteren in größerer Menge am Unterarm getragen,
während den Knaben nur ein bis vier Stück anzulegen gestattet ist. x/4 mm starker Kupfer- und Messingdraht oder
auch Eisendraht für sich allein ist um einen Strang aus festen, schwarzen Haaren gewickelt. Die geschmeidige Metall-
spirale umläuft gegen 30mal das Handgelenk. Fig. 258. 259. III E 11550, 11552.
Bei der Kupferspange (Fig.. 260) ist über einem Kern aus 4 mm starken E'sendraht in eng aneinander liegenden
Windungen kupferner Draht von 1 mm Durchmesser gewickelt. Durch Re:bung an anderen Metallringen nutzt
sich natürlich eine derartig welche Armspange schnell ab.
Die in Fig. 261 und 262 abgebildeten lußspangen bestehen aus massivem Messing, das in den mittleren Partien
einen ungefähr kreisrunden, nach den sich verjüngenden Enden zu ovalen Querschnitt hat.
Eine kidanga, einen Armring aus Messing stellt Fig. 263. III E 11559 dar. Im Querschnitt ist die Spange nach
der Außenseite hin stumpfwinklig, nach der Innenseite zu konvex. Verzierungen sind in Gestalt von Dreiecken
aas Gitterwerk eingeschnitten.
Mit kidanga cha hota benennt man gedrehte Armringe für Männer und Knaben, die auf besondere Anordnung
seitens der Zauberer getragen werden. Fig. 264. III E 11558 zeigt eine kidanga aus Messing, die auf kaltem Wege
durch Drehung des etwa 4 mm starken Drahtes um seine Längsachse hergestellt ist.
Bei den kidanga cha hota aus Eisen (Fig. 265. III Eil 556) sind die Enden durch Umbiegen und Festschlagen des
Eisendrahtes verstärkt.
BEITRÄGE ZUR KENNTNIS DER WASCHAMBAA 81
Armmanschetten für kleine Mädchen, kishango, Fig. 266. III E 11553 werden ans Messingdraht von ungefähr
kreisförrrü cren Ouerschnitt durch Drehung zu einer Spirale hergestellt.
' Etwas abweichend in ihrer Form sind die Armmanschetten, die von den Waschambaafranen getragen werden
übrigens Gneist nur an einem Arme. Der Messingdraht von 4 mm Stärke und .emhch kre.srundem Querschmtt
wird zu einer Spirale von über 21 selten hergestellt. Sie bestehen (vgl. Fig. 268 und 269)
Halsringe aus Messing wei kresrunden Querschnitt hat und nur an den Enden rechteckig zurecht
aus einem gebogenen Messing ’ c. . , l r Außenseite langgezogene, flachhogige StrichVerzierungen
ffphämmprt ist Rei e'n:gen dieser Halsringe sind auf der Auuenseire icingguzug , f
gehämmert ist. ±50r e.n gci & n++ÖT.-wcrkform verziert. Das Gewicht eines Ringes überschreitet
eingeschnitten und die Enden mit Mustern in Gitterwerkio
zuweilen 800 gr. Eisen bereits in den Kapiteln über Bewaffnung, Geräte, Schmuck
Da die hier einschlägigen Schmiedearbeiten aus üiaen u
usw. behandelt sind, sei nur ergänzend bemerkt: ^ hat eine Klinge von durchschnittlich 18 cm Länge;
Die Axt der Waschambaa, mbajo, ig. ‘ • Eisen ist leicht verbiegbar — Stahl kennt der Mschambaa
ihre größte Stärke im Querschnitt betrüg ^ ^ i t:ejs in ¿er die Klinge durch den Seitendruck festgehalten wird,
nicht — und sitzt in einer ovalen Öffnung es
Die Stiellänge schwankt um 45 cm. d in großen Mengen verfertigt und man verwendet sie fast aus-
Kettchen aus Elsen und “7"^^ ¡hnen eine eiserne Zierkette; in der Form von Fig. 27!. III E fl 536
schließlich zu Schmuckgegenstan en. ^ Augenbrauen und Wimperhaare auszureißen (andere Form siehe
wird sie nur von alten Weibern benutz , um
I Fig. 20).
Sklaverei.
Vor dem Einbruch der Wakilindi war in Usambara nur die Schuldsklaverei bekannt. Die eigentliche Sklaverei
nahm mit der Ankunft der Wakilindi ihren Anfang, wurde unter Kimueri dem Großen gesetzlich geregelt und er-
reichte unter Simbodja ihren Höhepunkt.
Nach den Erzählungen der Waschambaa sowie auch der Wakilindi waren die ersteren selber die Urheber der
Sklaverei Sie sagten, als Mbega als Jumbe nach Wuga kam: Es paßt sich nicht, daß du als unser Jumbe uns um ein
Mädchen, das dir gefällt, bittest; nimm es einfach, es ist dein.
Desgleichen sollen die Waschambaa von sich aus Kimueri den Großen aufgefordert haben, wenn er einen Dieb
fange, dessen Kinder wie Sklaven zu behandeln.
Damals galt: Wenn der Jumbe für einen Mschambaa bei dessen Gläubiger die Schuld beglichen hat, so ist der
betreffende Mschambaa dann sein Schuldsklave.
Ferner; Wenn eine Ehefrau ein unerlaubtes Verhältnis unterhält und der geschädigte Ehemann durch den Jumben
Sühne seitens des Verführers fordert, dann erhält der Ehemann eine Kuh und der Jumbe die Frau und das aus ihrem
Verhältnis entsprossene Kind zum Eigentum.
Hatte man festgestellt, daß böse Zauberer, waschai, vorhanden waren, so machte man deren Kinder, wenn sie
nicht getötet wurden, mindestens zu Sklaven.
Die Bedingungen des Sklavenwesens haben unter den Nachfolgern Kimueris manche Änderungen erfahren
aber sie waren bis zur Besitzergreifung des Landes durch die Deutschen verhältnismäßig gering.
Wenn auch die Wakilindi als strenge und oft als grausame Herrscher sich benommen haben, so sind doch von
ihnen nie, wie es bei den Arabern der Fall war, Kriege geführt worden, die einzig die Erbeutung großer Sklaven1
mengen zum Zwecke hatten. Allerdings kam es oft zu Fehden zwischen den Wakilindi und den Waschambaa wenn
letztere dem Ansinnen ihrer Bedrücker nicht nachgaben; dann waren Kämpfe auch mit den winz:gsten Dörfchen
die Folge, und die Kriegführung fand in der Regel so statt: Mit Sonnenaufgang überfielen die Wakilindi das wider
strebende Dorf, erschlugen alle Männer, besonders die alten, zündeten die Hütten an, schleppten alles irgendwo'
wertvolle Gut weg und raubten außer dem Vieh die Kinder, die Jünglinge und namentlich die Frauen, die sämtlich
zu Sklaven gemacht wurden.
Die gesamte Beute sollte vor den Jumben gebracht werden, aber gewöhnlich verschwanden kleinere Gegen
stände, wie Messer. Perlenschnüre, Speere, Bogen und Pfeile schon vorher. Dagegen wagte niemand Gewehre, Vieh
oder Gefangene auf die Seite zu bringen, ein! ergehen, demgegenüber sich die Jumben durch die Maßregel schützten
daß sie immer möglichst v.ele von ihren Leuten zu dem berfall aussandten, weil sie sich sagten; Je mehr Krieger
um so weniger Betrüger, um so leichter kann einer den andern verraten.
Wie es bei der Teilung herging, zeigt der Bericht eines Augenzeugen aus der Zeit, als der Statthalter von Bum-
buli den Jumben von Balangai und Paralo besiegt hatte. Wer drei Ziegen erbeutet hatte, bekam eine für sich
zwei mußte er dem Jumben geben; wer zehn Stück fortgeschleppt hatte, erhielt vier für sich, sechs waren dem Jumben
abzutreten. Wer ein Weib gefangen genommen hatte, mußte es dem Jumben ausliefern, er erhielt als Gegengabe
ein weibliches Rind.
6 Bacssler-Archiv.
82
A. KARASEK
Mancher Mann aus Bondeiland, der sich in Kämpfen besonders hervorgetan hatte, für tapfer galt und von vielen
Feinden gehaßt wurde, begab sich in den Schutz eines Waschambaa-Häuptlings und gelobte: „Ich will bei dir bleiben/
Daraufhin nahm ihn der Jumbe bei der Hand, übergab ihm eine seiner Töchter zur Frau und schenkte ihm außerdem
ein Gewehr, Jener galt von nun ab als des Jumben Krieger.
Hatte ein Jumbe eine Reihe von Sklaven zusammengebracht, so schickte er sie zum Verkauf. Zu den Sklaven-
märkten in Makujuni, Korogwe und Mombo kamen Suaheli; auch durchzogen sie das Land und handelten Sklaven
ein. Doch waren sie nur Zwischenhändler, oft auch nur Agenten für die Araber, die an der Küste saßen. Bei diesen
Käufen wurden die Wakilindi fast durchweg stark übers Ohr gehauen und sie zogen es deshalb später vor, ihre Sklaven
zum Verkauf direkt an die Küste bringen zu lassen. Hier wurde besonders in Pangani ein äußerst schwunghafter
Handel betrieben; weniger lebhaft war der in Wanga; nach Tanga brachte man nur vereinzelte Sklaven.
Sollte ein Transport zur Küste gehen, so bedurfte es umfassender Vorbereitungen. Als Begleiter mußten uner-
schrockene und zuverlässige Leute ausgewählt werden, die dann mit Gewehren und Pulver zu versorgen waren. Bei
der Auswahl mußte man auch auf kaufmännische Befähigung achten; gewöhnlich nahm man nahestehende Ver-
wandte.
Dem Sklaven wurden die Hände auf dem Rücken gebunden und der Aufseher hielt das Strickende in der Hand,
so daß er jenen stets vor Augen hatte. Galt es mehrere Sklaven durch nur zwei Aufseher zu transportieren, so wurde
eine Menschenkette gebildet, der ein wegkundiger, wohlbewaffneter Mann voranging, während der andere ihr folgte.
Allgemein bekannt war, aber doch nur vereinzelt im Gebrauch die Sklavengabel, ein 1,30 — 1,50 m langer Gabel-
ast, dessen Gabelung man so ausgearbeitet hatte, daß der Hals hineinpaßte. Ein Querholz oder ein Strick bildete
den vorderen Abschluß. Das Astende hielt der „safari-Mann“ in der Hand, ihm folgte der Sklave. Diese Art des
Transportes galt für die sicherste.
Sollte gerastet werden, so band man die an den Händen gefesselten Sklaven an Türpfosten, Bäumen usw. fest.
Bei den Sklaven in der Gabel wurde diese nach Aussage eines früheren Sklaven von Kibanga aus Bumbuli in den Erd-
boden geschlagen und der Sklave daran festgebunden.
Aus dem Verkauf wurde selten Geld gelöst; meistens erhielten die Jumben den Gegenwert in Waren, in Pulver,
Gewehren, Tüchern und den zahlreichen Bedarfsartikeln für ihre Frauen.
In Pangani bezahlte man für eine Frau dreißig Rupien oder zwei mitumba, Tücher, die den Wert von fünf
windoro Pulver und zwei Gewehren hatten. Ein Mann galt zwanzig Rupien oder drei windoro Pulver und zwei
Gewehre, bezw. ein mitumba Tücher. Ein Jüngling wurde mit 15—20, ein Mädchen mit vierzig Rupien bezahlt.
Der zunehmende Sklavenhandel steigerte die Unsicherheit im Lande in dem Grade, daß ein Einzelner auch die
kleinste Reise nicht mehr zu unternehmen wagte; stets schlossen sich mehrere Bewaffnete zusammen.
Die deutsche Besitzergreifung machte diesen Verhältnissen ein Ende. Eine Reihe von Jumben erinnert sich
noch gern der „schönen, alten Zeiten“.
Ehe.
Wohlhabende Eltern verloben ihre Kinder schon im zartesten Alter. Die Heirat findet statt, sobald die Ver-
lobten in die Pubertät eingetreten sind.
Gewöhnlich geht die Werbung in der Weise vor sich, daß der Jüngling oder Mann, sobald er zu einem Mädchen
Zuneigung gefaßt hat, seinen Eltern davon Mitteilung macht. Die Mutter stampft dann Mais und füllt damit einen
Korb. Über den Mais deckt sie ein neues Tuch und geht nun mit ihrem Mann zu den Eltern der Erwählten, kakaule
tschengo.
Dieser Besuch wird von den Eltern der Biaut und ihren Verwandten im Hause des Bräutigams, kutwanga
schembe, erwidert; sie bringen bei der Gelegenheit einen Korb schembe mit.
Gehört die Braut zu einer Sippe, die von den Wasegua abstammt, dann wird der schembe-Korb durch ungo
bedeckt; darunter liegen ein neues Tuch und getrocknete Fleischstücke, darüber befindet sich ein kleiner Korb,
mlischi, der ebenfalls mit schembe gefüllt ist, Fig. 272 und 273.
Der Vater der Braut sagt bei diesem Besuch zum Vater des Bräutigams: ,, Bring pombe!“
Sobald der Bräutigam mit der pombe-Bereitung fertig ist, tragen sein Vater und soviele weibliche Anverwandte
als für den Transport nötig sind, das pombe zum Brautvater; dort findet ein großes schauri statt, bei dem es ge-
trunken wird. In mehrtägigen Fristen wiederholt sich diese pombe-Lieferung. In einem Falle erhielt der Brautvater
erst sechs, dann sieben, hernach acht und zuletzt zehn kibugu pombe. Zuweilen bringt der Vater des Bräut:gams
auch allen Brüdern der Braut je 10 kibugu pombe; manchmal wird statt des pombe eine Ziege, mbuzi ya pombe ge-
geben.
Ein Brautvater sagte einmal von seinem künftigen Schwiegersöhne: ,,X<3h sagte zu ihm: Bringe zwei Gefäße
pombe! Er brachte wirklich nur zwei — warum nicht vier ?! Solch einem Menschen gebe ich meine Tochter nicht!“
Meistens erfolgt die pombe-Lieferung in drei Raten:
BEITRÄGE ZUR KENNTNIS DER WASCHAMBAA
83
1. pombe za hambu jangn; bis vier kibugn.
2. pombe za kaula tsohengo; bis sechs kibugm ^ Lieferung findet die Hochzeit statt.
3. pombe za lambo; bis zehn 1 118“• ‘ , (|er |ai i un(j seine Frau, der Brautvater und die
Am Tage der letzten pombe-Lieferung ; dort zündet man ein großes Feuer an. Zur Linken
Brautmutter sowie alle Verwandten in er u Schwiegermutter; zu seiner Rechten der Schwiegervater,
des Bräutigams sitzt die Braut und ne em r i re u ickelk sprechen di© Versammelten tüchtig dem pombe
kungwi. Bei der Hitze, die sich allma i ic i m er u dennoch dürfen sie kein pombe trinken. Auch ist
zu. Bräutigam und Braut sitzen zwar dem 'euer a ^ _ nicht gestattetj sicb den alsbald in Strömen herab-
ihnen — die Braut hat übrigens nur ein Tuch um ie ^ yon beiden das Verbot nicht innehält, muß ein Pfand
rinnenden Schweiß abzuwischen noch sich zu ra zen. und dergl. weg und fordert für die Wiedergabe
zahlen; man nimmt entweder die Kopftedeckung^der mn ^ ^ haftbar
Geld oder pombe. Der Bräutigam ist für kungWi VOr die Hütte und sagt; „gahu!“ Dies ist das Zeichen zum
Sobald das pombe zur Neige geht, tritt er^ ple;schstücken gefüllten Korbes, gahu, seitens des Vaters der
Einstellen des Feuerns und Abliefern des gro en^ AnWesenden mitsamt dem Bräufgam aus der drückenden H'tze
Braut an seine Tochter. Nunmehr begeben s d,e
Brauteltern mit ihrer Tochter Zurückbleiben und sie in ihren
im Innern der Hütte an die frische Luft, wa r€^ ^ wirst zu deinem Manne gehen. Wenn er nach dir die
ehelichen Pflichten unterweisen. Sie ”n ^ dich begehrt, sage nicht: nein! Abends und morgens massiere
Hand ausstreckt, weiche nicht zuruck • ^ade dem Manne die Füße! Folge deinem Mann, verkehre mit anderen
deinen Mann und reibe ihn mit Ol ein. r (Scham) rein! So ist das Haus (d. h. das sind die Gebräuche
nicht! Sei arbeitsam und fleißig! Halte
in einem neu gegründeten Ehebunde). Ausnahme des Bräutigams dann in das Haus zurück. Der Brautvater
Die draußen Stehenden begeben aci ^ ^ Fleisch; sie tritt ins Freie und markiert Erschöpfung, indem
gibt seiner Tochter den großen, vol en o ^ bedenklich nahe ist. Jetzt gibt der Bräutigam ihr ein Geschenk,
sie zusammensinkt, ein Zustand, dem si Perlenhalsband oder eine Hüftschnur mit Perlen oder dergleichen;
ein Perlenarmband, kihote., (Kg- 274), ein
dann eilt er seinem Heimatsdorfe zu. ^ wird sie von der kungwi am Bücken gefaßt und man trägt sie unter
Nachdem sich seine junge Trau ^d Johlerl; Hörnerblasen und Gewehrschüssen, letztere bei den Waki-
dem Geleite der Dorfgenossen, un er g^ald die Schwiegermutter den Lärm der Ankommenden hört, stürzt sie
lindi, nach dem Dorfe des Bräutigams. (keregere) an, das die Frauen im Zuge mit lautem lelele beant-
, rj"Up Bprvor und stimmt ein ireuaige& v
ZtZ Dfe^ Freudengeschrei hbrt man oft —nwe.t.
. Frau Ermüdung; sie wird von der Schwiegermutter beschenkt und die ruft dabei
Wiederum mark.ert die pmge ^ des gohnes erhält Scheide).
aus: schime ya madangi < i gich im Hause des kungwi; die Eltern des Bräutigams müssen beide anwesend
Die Angekommenen versa yorräten tüchtig zu, die in dem gahu der jungen Frau aus dem Elternhause mit-
sein. Die Gesellschaft spneht den Vorrat S Männer, Frauen und Kinder essen in ge-
genommen worden sind, und das Irinnen wuu s
trenwä.reiid dieser Zeit liegt die junge Frau, das Gesicht mit einem Tuche bedeckt, auf der Bettstelle. Jeder der
tAnden stellt zunächst die Frage: „Wo ist die muali 1“ Erblickt er sie, so kommt er näher und kitzelt sie ein
Hals unter den Armen, an den Hüften. Die junge Frau darf nicht lachen, sondern soll sich stumm wie
Wemg am ^alten Bricht sie in Lachen aus, so macht ihr hernach ihr Ehemann bittere Vorwürfe, ob sie denn
^ Ob äuche nicht kenne,‘und die Weiber sagen spöttisch: „Was ist das für eine!“
die Ge iau Ehemann geht dann mit seiner Frau und den kungwi aus der Hütte hinaus zum Essen.
Der jimge^bend geworden ist, legt sich die junge Frau, das Gesicht mit einem Tuche zu deckend, wiederum auf
Wenn es ^ wird fest verschlossen. Im Innern des Hauses befinden sich jetzt nur noch der junge Ehegatte
das Bett. 1 |_paar> Nach einiger Zeit legt die kungwi ihre Tücher ab, macht warmes Wasser und reibt ihren Mann
und das unp^bei ruft sie der jungen Frau, die immer noch unbeweglich auf dem Bette ruht: „Du, Du, Du! Wache
^ Har auf hin badet letztere ihren Gatten und reibt ihn ein. Das kungwi-Paar demonstriert ihr dann ihre ehe-
au*‘ pfkchten Wenn sie sich hernach trotzdem zu koitieren we'gert, so sagt man; Entweder ist sie noch zu jung
liehen. ^ .^ren jyj-ann nicht lieb, oder sie ist ein schlechtes Kind, das den Bat der Eltern nicht befolgt.
oder s.e a nack der Brautnacht fragt der Vater des Ehemannes diesen über den Verlauf; lautet die Antwort;
Am l ®rg gchenkt er einen Bock, der alsbald geschlachtet wird, und die Mutter kocht Speisen in Menge. Männer
,,Alles gut so -wiederum getrennt. Die jungen Eheleute halten ihre Mahlzeit für sich allein, ohne daß
Frauen und Kinder essen &
sie von Jemandem gesehen werden.
Drei Tage lang währt diese Feier.
t Tage wird der Best des Fleisches zusammen mit einer gekochten mahuti und anderen Speisen in
inen K mpackt (le0 wailawa na koi). Die ganze Festgesellschaft geht in die Pflanzung, schneidet Haufen von
, ,. gbte, daß sich die Brautleute vom Tage sie in den Busch flüchten; den Verkehr zwischen den Ver-
Fiü er bestan tie Ihrem Hochzeitstage meiden mußten. lobten besorgte ausschließlich das kungwi-Ehepaar.
der Verlobung an bis zu iiirero xiucnzon s>
Wenn die Braut ihrem Bräutigam zufällig begegnete, mußt .
6*
84
A. KARASEK
Bananen-Schößlingen ab und bewirft sich gegenseitig; die junge Frau auch mit Erde. Sodann teilen sich die Neu-
vermählten in die mitgebrachten Speisen, während die übrigen Anwesenden anderweit herbeigeschaffte Nahrungs-
mittel verzehren.
Nachdem hernach das kungwi-Paar sowie die jungen Eheleute ein kleines Stück Land von Unkraut gereinigt
haben, kehren Alle nach Hause zurück; dort wieder Essen und viel Trinken. Die junge Frau wird von ihrem Manne
noch einmal seiner Mutter vorgestellt und dann von ihr beschenkt. Hierauf bezieht das Paar, wenn das eigene Heim
noch nicht fertiggestellt sein sollte, das Haus der kungwi.
Viele Waschambaa in Ost-Usambara feiern die Hochzeit nach Wabondei-Art, zumal wenn die Braut ein Bondei-
Mädchen ist.
Der Bräutigam, übersendet durchschnittlich dreimal durch seinen Vater in Zwischenräumen, die gegenseitig
vereinbart worden sind, je 3 — 4 Flaschenkürbisse mit Palmwein und fügt jeder tembo-Lieferung (pombe maniwi)
eine Rate des ausbedungenen Brautpreises bei. Werden z. B. beim ersten Male drei Flaschenkürbisse tembo und
10 Rupien gezahlt, dann beim zweiten Male ebensoviele tembo und 20 Rupien; bei der dritten Lieferung: 3 Kür-
bisse tembo und 8 Rupien; schließlich außer den drei tembo zwei Hähne (mkuku ya miamu) oder ein Hahn und eine
Henne (za kupoka mke) nebst 3 Rupien.
Während dieser Lieferungszeit wohnt die Braut im Hause ihres Bräutigams und erfüllt dort ihre häuslichen
und zum Teil auch ihre ehelichen Pflichten, also sie kocht, badet und massiert ihren künftigen Gatten; sie schläft
auch mit ihm zusammen, doch findet kein coitus statt, der erst nach Vollzahlung des geforderten Brautpreises, also
oft nach vielen Wochen eist vollzogen werden darf.
Seinem Schwiegervater läßt der Bräutigam sagen: „Ich will die Frau.“ Die Antwort lautet: ,,Er soll sie be-
kommen, pombe za utumba bringen.“ Daraufhin sendet jener drei Flaschenkürbisse Wein an den ältesten Bruder
der Mutter der Braut. „Jetzt ist Alles in Ordnung“ heißt es, und der Bräutigam kann seine Frau erhalten.
Der Vater des Bräutigams besucht nun den Vater der Braut und sagt: „Ich will die Frau meines Sohnes! Kein
Wort soll jetzt mehr fallen!“ (mimi sino schauri). Antwort: „Dein Sohn soll seine Frau an dem Tage, den er selbst
bestimmt, haben.“
Wird dieser Termin nicht eingehalten, so muß der Bräutigam für seine Nachlässigkeit 2 Rupien zahlen.
Der Vater überbringt seinem Sohne diese Nachricht. Dieser sagt daraufhin: „Was soll ich tun, ich habe keine
Tücher und kein Geld!“ Nun besucht der Bräutigam der Reihe nach seine Freunde. „Gebt mir Tücher, ich will
heiraten!“ Diese entgegnen: „Ach was! Heirate, wenn du auch keine Tücher hast!“
Der Bräutigam kauft sodann Tücher ein, besorgt auch eine Ziege und sagt dann zu seinem kungwi: „Geh, holen
wir die Braut!“ Beide begeben sich zu dem Schwiegervater, verständigen ihn über ihren Wunsch und vereinbaren
die Hochzeit.
Die Frau begibt sich zu ihrem Manne in das Haus des kungwi; dort wird ein Feuer angezündet. Bräutigam
und Braut dürfen nun vier Tage hindurch das Haus nicht verlassen und erhalten außer einem dünnen ugali-Brei
keine Nahrung.
In der Frühe des nächsten Tages kommt die Mutter der Braut und jammert, täte mschango, täte mschango
(Leibschmerzen)! Mit 3 Rupien muß sie der Bräutigam abfinden. Dann müssen 2 Rupien, entsprechend dem luko-
ndawi der Waschambaa, gezahlt werden; hernach noch 1 V> Bupie kizola mawi, für die Arbeit, daß die Mutter das
kleine Kind rein hielt. Hierauf nehmen die beiden Mütter die Braut beiseite und untersuchen sie, ob sie noch
Jungfrau ist. Wenn dies der Fall ist, kommen sie singend zurück, künde zizugaiwe. Die Mutter der Braut erhält
jetzt 2 Rupien. Dann heißt es: lete rupia luaki fuka mzigi (bringt eine Rupie, weil ich für meine Tochter Zauber
gekauft habe (als sie noch klein war)). Ferner: „ich will eine Rupie, weil ich Kinderschmutz roch!“ Wieder und
wieder muß der Bräutigam zahlen oder etwas schenken; so z. B. auch singa, Halsringe aus Giraffenschwanzhaaren,
die von älteren Frauen gern getragen werden. Fig. 2/ö.
Nach Ablauf von drei Tagen benachrichtigt man den Schwiegervater; Morgen verlassen wir das Haus.
Der junge Ehemann sitzt dann neben seinem kungwi, die Frau neben den ihren; beide haben vor sich je einen
Korb. Freunde kommen und beschenken die Vermählten; unter den Dorfgenossen herrscht lauter Jubel.
Der Vater des Ehemannes schlachtet eine Ziege, doch das junge Ehepaar erhält nur dünnen Brei als Nahrung.
Inzwischen wird fleißig gekocht. Der Bräutigam entnimmt dem Korbe mit den Geschenken vier Rupien, um tembo
zu kaufen. Dann reichliches Essen und Trinken bis zum späten Nachmittage und Beschenken der Braut seitens
der Schwiegereltern mit Perlen, Hacke, Axt und Buschmesser.
Hernach besucht der junge Ehemann, der bisher noch keine von der Schwiegermutter zubereiteten Speisen
genossen hat, mit seiner Frau und dem kungwi-Paare die Schwiegereltern, von denen er gut bewirtet er spricht
Essen und Trinken tüchtig zu und dann mit Kleidern (kanzu) beschenkt wird.
Bei vielen Waschambaa-Sippen hat der Hochzeitstag einen etwas anderen Verlauf. Der Bräutigam kommt
zugleich mit der letzten pombe-Lieferung (10—13 vibungu) zwischen vier und fünf Uhr nachmittags, wenn die Ziegen
heinigetrieben werden, ins Dorf seiner Braut, die dort im Hause ihres Vaters wohnt. Am Abend wird sie von allen
ihren Verwandten mit Tüchern, Perlen und Geld reichlich beschenkt. Sobald das pombe — einen Teil hat übrigens
cler Bräutigam schon am Vormittage gesandt gehabt — zu Ende geht, gibt der kungwi sein „gahu“-Zeichen zum
Aufbruch; schon zuvor verließ der Bräutigam das Dorf. Die Braut wird nun in das Haus des kungwi getragen;
BEITRAGE ZUR KENNTNIS DER WASCHAMBAA
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• • :y,rpr Heimat beschenkt man sie und bereitet ihr einen jubelnden
sie droht auf dem Wege einige Male umzusinken, inxnrer n
rauiaom & & auf das Bett ihres Gatten; die Anwesenden beschenkt der
Empfang. Sie legt sich dann mit zugedecktem Gesicht am
Bräutigam mit Tabak, Geld usw. prauen • jede Woche gibt er einer von ihnen den Vorzug. Dem
Der wohlhabende Waschambaa halt sich mehrere Trauen, j & ~ ,
uer wonmaoenae vvdbcn . , _ _n iedem zweiten Tage gehuldigt; einige Stunden lang am
Beischlaf wird nach der Hochzeit an je em ag, ^Pc ^ kohabitierend und mit verschlungenen Beinen im Bett.
Abend, oft bis zur Morgenfrühe, legen arm un A innen für ihn neue Sorgen. Der Schwiegervater erwartet
Wenn der Ehemann seine Frau eimge u r , ^ nic]lt von gezahlt hat, zur Arbeit in der Pflanzung seines
die Hochzeitsgabe, und der Schwiegerso n is , so ang Frigterstreckung lmd liefert sie meistens in derartig langen
Schwiegervaters verpflichtet. Gewöhnlich bitte* e ^ verstreichen.
Zwischenräumen, daß oft Jahre bis zur vollstan ig ^ Tochter wieder zu sich zu nehmen und sie, wenn die
In solchem Falle steht es dem Schw.egerva er ^ ’ verheiraten. Früher hatte der Schwiegersohn keinen An-
Restzahlung noch nicht erfolgt ist, auch an er^ei . n Tags dagegen wird die Teilzahlung zurückerstattet.
Spruch auf Herausgabe des bereits Gezahlten, ' we:gert sich manchmal eine Tochter, zu ihrem Vater zurück-
Trotz der bei den Waschambaa großen er^ aus jsf d;e Tochter leicht empfindlicher Natur, so nimmt sie
zukehren; er stößt dann Verwünschungen ipren Mann. Unter Umständen spricht der Vater schwere
s ch derartige Verwünschungen zu Herzen un st keine Kinder gebären'!‘ In jeder sie treffenden Krankheit
Flüche aus; „Krank sollst Du werden, oc und kehrt alspaid ins Elternhaus zurück. Dasselbe ist der Fall,
sieht die Tochter eine Folge des va er ic en^ diese Anschauungen und Verwünschungen zu Selbstmord,
wenn sie längere Zeit kinderlos b ei . dann zwar der säumige Ehemann die bedungene Heiratsgabe, aber
Angesichts dieser ^rhancüu^ und das Urteil lautet, daß er den Tod seiner Frau verschuldet und
trotzdem folgt eine große G se;nen |chwiegervater zu zahlen habe.
3 Kühe kimba (Strafe für Mord), * um im Falle der verweigerten Rückkehr seiner Tochter
Zuweilen wählt der Schwiegervater einen a ^ ^ ’ Ich kann warten“ und bleibt in seinem Verhalten gegen-
doch den bestimmten Kaufpreis zu er 1a 1 • seine Tochter ein Mädchen geboren hat und dieses verheiratet
über seinem seiner Enkelin,
worden ist, so konfisziert er oie xx
Im allgemeinen sind die Waschambaa friedliebend, und die Schwiegerväter begnügen sich mit einem Teile der
ausbedungenen Heiratsgabe.
Was diese Heiratsgabe selbst anlangt, so setzt sie sich aus folgenden Lieferungen zusammen: 1. aus Honig, oki.
Der Vater des Ehemannes hat zwei tönerne Töpfe, mitungi, voll oki herbeizuschaffen; der Honig wird zu Wein, lusuo,
verarbeitet und alsbald getrunken.
2. aus gembe (eigentlich Hacke), d. i. einem weiblichen Zicklein, das noch Acht geworfen hat; dieses wird aber
nur in dem Falle dem Schwiegervater überbracht, wenn seine Tochter als Jungfrau in die Ehe trat; andernfalls erhält
er mbuzi ya kuni. Gembe heißt dieser Teil der Hochzeitsgabe deshalb, weil, wie die Waschambaa-Männer Karasek
erklärten, die Frau jetzt in der Wirtschaft des Mannes arbeitet und ihm Ziegen verschafft; also ist es recht und billig,
wenn er für diese Arbeitskraft seiner Frau eine, noch dazu kleine, Ziege seinem Schwiegervater abgibt; der Ehemann
macht dabei doch ein sehr vorteilhaftes Geschäft.
3. aus lukondawi, einer aus Perlen hergestellten Leibbinde oder einem großen Tuch. Nur noch letzteres erhält
heutigen Tags die Schwiegermutter oder statt dessen zwei kangu als Ersatz für bereko, in dem sie ihre Tochter trug
4. aus zwei maunde, getrockneten Zwergantilopen, „pala“. Statt deren liefert neuerdings der Schwiegersohn
eine halbe getrocknete Z ege oder überhaupt getrocknetes Fleiscli. Doch manche Schwiegermutter besteht auf paia
maunde; diese Gabe wird als Entschädigung für das Großziehen der Tochter oder, wie sich die Waschambaa drastisch
ausdrücken, für „das Abwischen des Drecks“ angesehen, pala maunde bildet die mboga, Zuspeise, der Mütter
5. aus furuga, einer trächtigen Ziege, die ausschließliches Eigentum des Schwiegervaters wird und über d:e er
frei verfügen kann, also sie schlachten, verpfänden oder verkaufen usw. Diese Lieferung seitens des Schwiegersohnes
findet bei beginnender Schwangerschaft seiner Frau statt. Wenn der Schwiegersohn klug ist und rechnet so gibt er
möglichst bald nach der Verheiratung eine weibliche Ziege seinem Schwiegervater ab; denn je länger er’diese Ver
pflichtung unerfüllt läßt, um so mehr ist er im Nachteil: eine trächtige Ziege ist zu liefern bei Schwangerschaft • statt
deren eine Mutterziege und ein Zicklein dazu, wenn bis zur Geburt bei seiner Frau gezögert wurde je nach’ dem
Geschlecht» des Endes muß das Zicklein männlich oder weiblich sein. Wird dagegen Ns zur zweiten Niederkunft
die pflichtmäßige lieierung verschoben, so ist dann eine Mutterziege nebst zwei Zicklein, deren Geschlecht dem der
Kinder entspricht, fällig-
6. aus ukwe, einer Kuh, oder aus fünf weiblichen Ziegen; so früheren Zeiten, jetzt sind deren sieben zu liefern
Diese Lieferung hat zu erfolgen, wenn die Frau zum ersten Male geboren hat. Verweigert der Schwiegersohn die Zain
lung, dann nimmt der Schwiegervater seine Tochter so lange zu sich, bis ukwe bezahlt ist; wird letzteres unterlassen,
so kann er sie weiterverheiraten.
Die Nachzucht von diesen Tieren ist das persönliche Eigentum des Schwiegervaters, dagegen darf er über die
ihm gelieferten Tiere nicht frei verfügen, auf keinen Fall sie schlachten, verpfänden oder verkaufen.
Wenn die ukwe mehrere Male gekalbt hat, so gibt gewöhnlich der Schwiegervater die luhembe, wie jetzt die ukwe
genannt wird, zugleich mit einem Kalbe seinem Schwiegersöhne zurück; mit der luhembe kann der Schwiegersohn
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A. KARA SEK
dann nach Belieben verfahren, dagegen aber muß er das Kalb sorgfältig behüten, dessen. Nachzucht und Milch zwar
ihm gehört, dessen Fleisch und Haut er aber, wenn es zu Grunde gegangen sein sollte, seinem Schwiegervater zurück-
bringen muß, ohne auf Ersatz dieses Stücks Vieh dann Anspruch zu haben.
Wenn d e ukwe be:m Schwiegervater eingeht, so erhält der Schwiegersohn Haut und Fleisch zurück und muß ein
neues Stück liefern. Hatte die ukwe vor ihrem E’ngehen bereits ein gesundes Kalb gewoifen, dann bleibt dieses im
Besitze des Schwiegervaters, doch das Fle'sch der ukwe wird zwischen beiden Parteien gete'lt.
Die Brüder der Frau haben das Hecht, bei ihrer Verheiratung je ein Tier von der Nachzucht der ukwe für sich zu
verlangen.
D e Söhne der Frau haben bei ihrer Verheiratung von ihrem Großvater (mütterlicherseits) ya pombe zu fordern.
Wenn der Schwiegervater stirbt, so erhält seine Tochter die ukwe zurück, sie kann diese aber auch bei ihren
Brüdern einstellen.
Diese zum Teil komplizierten Rechtsansprüche führen zu vielen Streitigkeiten und machen den Hauptteil aller
Gerichtsverhandlungen aus.
Eventuell 7. aus donga, der Ziege, die nach der Geburt des ersten Kindes an den Schwiegervater gezahlt werden
muß, wenn die ukwe-Kuh bisher nicht geliefert worden war.
Wenn ein Mädchen außerehelich geboren hat, dann kann der Vater des Kindes dieses gegen Zahlung von 2 donga-
Z;egen und der furunga-Ziege erhalten. Dasselbe gilt für den Fall, daß ein Kind einer geschiedenen Frau an dessen
Vater ausgeliefert werden soll.
Eventuell 8. aus hoscha, einem Ziegenbock, der vor der ukwe-Lieferung oder zugleich mit dieser dem Schwieger-
vater durch den Schwiegersohn überbracht wird.
hoscha ist nicht bei allen Waschambaa-Sippen als Teil des Brautpreises üblich.
Von Ehehindernissen kennt man außer den früher erwähnten Gründen1 nur die Geschwisterschaft. Ist man sich
sonst über die Verwandtschaft nicht klar, so werden die Bedenken durch das Schlachten einer Ziege, koma ndugu,
seitens des BräuFgams zerstreut, und es findet dann die Brautwerbung usw. statt.
Eine geschiedene Frau scheut sich, einen Bruder oder näheren Verwandten ihres früheren Ehemannes zu heiraten,
doc'h ist ihr eine solche Ehe keineswegs verwehrt.
Was die Sittlichkeit der Ehefrauen anlangt, so darf man die Waschambaa-Weiber nicht mit den Negerinnen
an der Küste auf gleiche Linie stellen. Das Suaheli-Weib ist in allen Stadien ihrer Entwicklung käuflich ; es betrachtet
liederlichen Lebenswandel geradezu als einen Vorzug; ist pflichtvergessen, träge, frech; spielt bald die liebe Unschuld,
bald gibt sie sich in ihrer Betrunkenheit für wenige Zigaretten jedem auf der Straße hin. Geld sprengt bei ihr alle
Fesseln, auch die der Ehe.
Das Waschambaa-Weib ist arbeitsam; es sorgt für Ordnung im Hause und in dessen Umgebung. Dreimal am
Tage wird gekocht und oft für viele Personen. Die Ehefrau schleppt Wasser herbei, schlägt Holz und trägt es mühsam
auf Vorrat aus dem Busch zur Hütte; sie nimmt sich treulich ihrer Kinder, der kleinen wie der größeren an; sie reinigt
den Viehstand, bearbeitet das Feld und ist unaufhörlich für ihre Familie fleißig.
In Genügsamkeit ist sie ein Muster; der Mann hat gewöhnlich für sie wenig Geld übrig, kaum für eine kanga
innerhalb zweier Monate; sie aber hilft ihm oft bei der Steuererhebung zur Bezahlung des kodi mit ihren Ersparnissen
aus.
In ihrer ehelichen Liebe ist sie im ganzen und großen treu; selten hintergeht sie ihren Mann, als Mutter fast nie.
Ihre Hauptsehnsucht sind: Mutterfreuden! Daraus erklärt sich ihre Schwäche, auch dem Hausfreund sich
hinzu geben, wenn der eigene Mann sie vernachlässigt.
Weitere Schwächen der Waschambaa-Frau sind: ihre spitze Zunge, ihre starke Neigung zur Eifersucht, ihre
hart zuschlagende Hand gegenüber ihrem schwächlichen Ehemanne.
Ihre Haupttugend zeigt sie in ihrer treuen Liebe zu ihren Kindern.
Ehescheidung kommt heutigen. Tags unverhältnismäßig oft im Vergleich zu früher vor. Vordem galten folgende
Scheidungsgründe:
1. Schlechte Behandlung der Ehefrau; wiederholtes grundloses und unflätiges Beschimpfen; schwere körper-
liche Mißhandlung; Beschimpfung der Schwiegereltern seitens des Ehemanns.
2. Impotenz des Ehemannes; Geschlechtskrankheit; Vernachlässigung seiner ehelichen Pflichten.
3. Trägheit der Ehefrau in Erfüllung ihrer mütterlichen und wirtschaftlichen Pflichten; schlechte Behandlung
der Kinder, Trägheit in der Feldbestellung.
4. Unfruchtbarkeit der Ehefrau.
5. Zauberei, Diebstahl, verächtliches Betragen eines der Ehegatten.
6. Wiederholter Ehebruch seitens der Ehefrau.
Heutigen Tags kommen Ehescheidungen so häufig vor, daß manche Frauen nahezu alljährlich ihren Mann wech-
seln. Als Grund gab eine ältere Frau „das Geld“ an. Die Frauen der Jetztzeit „wollen Geld, gutes Essen, Schmuck
und Müßiggang“, während „wir Alten nur eine schuka getragen haben“.
1 Baessler Archiv Band 1. Seite 186.
’■'Tnl
BEITRÄGE ZUR KENNTNIS DER WASCHAMBAA
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Die Regierungs-Akiden lassen folgende Ehescheidungsgründe gelten, die vordem nicht anerkannt wurden und
ine Lockerung der Ehe begünstigen: Bevorzugung der einen Frau vor der anderen; unüberwindliche Abneiuunv
eigerung des Mannes, den Kindersegen-Zauberer kommen zu lassen, ferner Weigerung, das Feld zu bestellen u
Manche Ehefrau, die im Geheimen im geschlechtlichen Verkehr mit einem anderen Ehemanne steht dessmi
krau sie werden möchte, sucht ihrem Ehemanne nachzuweisen, daß er ein schlechter Mensch sei und versteht so
~ Karasek macht keine näheren Angaben - die Scheidung ihrer Ehe, die sie ihrem Manne zu einer Hölle zu ™ nohT
weiß, herbeizuführen. n
Bei Ehestreitigkeiten vermitteln zunächst die Verwandten, die Brüder der Frau, die Schwiegermutter usw
haben ihre Bemühungen keinen Erfolg, so begibt sich die Frau zu ihrem Vater: „Vater, mein Mann ist schlecht"
zerstöre das Haus!a Der Vater rät zu friedlichem Weiterleben mit dem Ehegatten : „erst wenn nach Verlauf von zwei
bis drei Monaten keine Ruhe eingetreten ist, dann komme wieder zu mir!“ Hat sich während dieser Zeit der Sch wie
gervater von der Schuld des Schwiegersohnes überzeugt, so findet Familienrat statt, an dem sich alle näheren Ver
wandten der Eheleute beteiligen. Wird hier keine Einigung erzielt, dann wendet sich der Schwiegervater an den
Jumben; andernfalls gibt er seinem Schwiegersöhne den bereits gezahlten Teil der Heiratsgabe wieder
Auch der Fall kommt vor, daß sich eine energische Frau, ohne die Einwilligung ihres Vaters einzuholen direkt
an den Jumben wendet.
Der Jumbe stellt verschiedene Versöhnungsversuche, mdoe, an; bleiben sie erfolglos, so prüft er den Sachverhalt
unter Hinzuziehung des Klägers, der Eltern, der kungwi sowie der Zeugen und spricht dann die Ehescheidung aus
Diese erfolgt je nach den vorgebrachten Gründen entweder ohne oder mit Hinzuziehung des kiluzio Ohne
dessen Mitwirkung bei der Scheidung aus „kleinlichen Dingen“, den unter 1—5 obengenannten Scheidungsgründen
In diesem Falle erhält der Jumbe kein Honorar. Der Vater gibt die ukwe-Kuh sowie lukondawi, maunde und woki
zurück; pombe und gembe werden nicht wieder erstattet. Die Frau übergibt ihrem Manne nach gefälltem Urteils
Spruche Hacke, Axt und Buschmesser. Als Abfindung für die Perlenschnüre, die der Ehemann einst seiner Frau
schenkte, erhält er von ihrem Vater eine kleine Ziege (oder 2 — 3 Rupien) „kifu“. Man gibt diese Perlenschnüre die
am Körper der Frau hingen, nicht zurück, weil man fürchtet, der erzürnte Gatte könne sie zu bösem Zauber benutzen
nur Amulette und allerlei sonstigen Schmuck, madodo, soweit er aus Metall besteht, erstattet man in natura wieder'
Wenn die Ehescheidung wegen Ehebruchs stattfindet, so wird der kiluzio hinzugezogen. Der Ehebrecher
drei Rinder zu zahlen; davon erhält eins — ya lugole — der Richter. Hat sich der Schuldige mit der Frau eineiTk] a
neren Jumben vergangen, so sind sechs Rinder als Strafe zu zahlen. ei
Wenn ein großer Häuptling eine Scheidung nicht durchführen konnte, so wandte man sich in früherer Zeit f
einem Geschenke, das meist in einer Ziege bestand, an den Oberhäuptling, der dann die Ehescheidung durchsetzte
War ein Häuptling mit einer seiner Frauen nicht zufrieden, so schenkte er ihr ein weißes Tuch und einen gr ß &
Flaschenkürbis mit sambi, mkoba, und hieß sie gehen; diese Frau konnte sich sofort wieder verheiraten 611
Oft kam es bei Ehestreitigkeiten vor, daß, wenn die betreffende Frau jung und hübsch war und sich keine E‘ *
gung der Parteien herbeiführen ließ, der Oberhäuptling jene selber zur Frau nahm. Auch geschah es, daß der Ehema11"
mit seiner Klage absichtlich sich sofort an den Oberhäuptling wandte, weil er dem reichen Ehebrecher dem
Zahlung der Buße die junge hübsche Frau gehört haben würde, diese nicht überlassen wollte. Der Häuntl’111
schied sich selbst für die Frau, und so hatten Kläger und Beklagter das Nachsehen. Ulg
Das Verhältnis der Ehegatten zu den Schwiegereltern ist ein höchst eigenartiges. Der Schwieger }
sobald die Heirat stattgefunden hat, nach Möglichkeit zu meiden. „Du bist ein schlechter Mensch“ sagte K ^
makihio zu ihm, weil er mit ihrem Vater zu Tische saß, und sie gemütlich aßen. Es herrscht die Sitte- ifaSek’s
Schwiegersohn das Heimatsdorf der Schwiegereltern betritt, sucht er zwar ihr Haus auf; die Schwieger ^
dann schnell Essen, verläßt aber hernach sofort das Haus. Nun ißt der Schwiegersohn mit seiner Fra ** g ^
geht die Tochter zur Mutter, um ihr über ihren Hausstand und ihre Wirtschaft allerlei Mitteilungen zu ma h’
Schwiegervater ruft den Schwiegersohn zu sich und erkundigt sich nach dem Allerwichtigsten oft iedorh l ^
sich das ganze Gespräch auf die Frage: „Wie geht es bei euch ? ‘ Die Tochter übernimmt d<e Vermittlerroll^™11^
der Schwiegervater etwaige Wünsche haben sollte; sie macht ausführliche Angaben über die ehelichen Verb
per Schwiegersohn übernachtet mit seiner Frau niemals im Heim seiner Schwiegereltern, sondern stets in der w-l?’
eines Freundes. ’ Jlutte
Wenn der Schwiegervater zu Besuch zu seinem Schwiegersöhne kommt so kocht seine T^i + .
eine Mahlzeit und verläßt dann eilends das Haus. Der Vater verbringt mit seiner Frau nie die “b“®11
Tochtermannes, sondern in einer anderen Behausung im Orte. “e dle Nacht lm Hfrase seines
Über Schwangerschaft und Geburt
Vgl. Bäßler Archiv Band I Seite I87ff. Nachzutragen ist: Die Jungverheiratete saugt aus der Rinde des mkutu
Baums den roten Saft und spukt ihn in ihre Hand: Bildet sich ein weißer Heek mit rotem Rand, so ist ein freudig
Ereignis in Sicht; ist aber die ausgespieene Masse dunkelrot oder schwarz gefärbt, dann muß die Befragen rV .
Orakels noch lange auf Mutterfreuden warten. n ieses
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A. KARASEK
Die Frau verrät ihren Zustand nicht sofort ihrem Manne. Man hat die Vorstellung, daß während der ersten
Monate der Gravididät den Mann tiefe Müdigkeit überfällt, wenn die Frau heim Verlassen des Bettes ihren schlafenden
Mann überschreitet; er schläft dann so lange weiter fort, bis die Frau von ihrem Gange zum Wasser zurückkommt.
In der Pflanzung verrichtet er nur wenig Arbeit und kehrt bald heim, pflegt sich gut, ißt reichlich und gebärdet sich,
als wenn er selbst im Wochenbett liege. Vom sechsten Monate der Schwangerschaft ab schwindet dieser Zustand
beim Manne.
Das Ehepaar soll sich in den folgenden Monaten in ziemlich gereiztem Zustande befinden und stark zu Streitig-
keiten geneigt sein. Der Mann schilt viel, weil die Frau zahlreiche Wünsche vorbringt, die er zu anderer Zeit nie,
jetzt aber im Hinblick auf das freudige Ereignis schließlich doch erfüllt. Die Frau gestattet sich Freiheiten, die sie
sich sonst nicht herauszunehmen wagt: sie höhnt ihren Mann, schlachtet Hühner usw. und zeigt auffällige Neigungen,
so z. B. ißt sie Lehm.
Es scheint, als wenn die zutage tretende natürlich bedingte Reizbarkeit in jenen Monaten oft auch in schau-
spielerischer Weise übertrieben wird.
Sobald sich dm Frau schwanger fühlt, trägt sie eine Kette aus weißen Perlen, vgl. Bäßler Archiv Bd. 1 S. 164,
mkatu, der geheimirsvolle Kräfte innewohnen sollen. Dieser Hüftschmuck wird niemals verkauft, sondern aus-
schließlich vererbt. Die Mutter macht ihn der Braut ihres Sohnes beim kimbisi-Feste zum Geschenk; infolgedessen
vererbt er sich ausschließlich in den Generationen der Schwiegermütter. Sollte eine Frau dauernd kinderlos bleiben,
so überg'bt sie mkatu ihrer leiblichen Schwester, sobald diese gravid ist, die Stiefschwester dagegen ist ausgeschlossen.
Vier Perlen aus diesem Hüftschmuck benutzt der ngangaya bereko (bereko ist die Tasche, in der man kleine
Kinder auf dem Rücken trägt), der Kindersegenzauberer, um der Unfruchtbarkeit der Frau zu steuern. Wenn diese,
nämlich zwei Jahre hindurch nicht konzipiert, so sucht sie jenen mganga auf, um von ihm ein Amulett, mpingu, zu
erhalten; es sind in ein Zeugstückchen eingewickelte und eingenähte Wurzeln, die an einer langen Schnur zwischen
je zwei mkatu-Perlen hängen. Dieses Schwängerungsmittel trägt die Frau über der rechten oder linken Hüfte, Fig. 276
und 277.
Zum Kapitel „Geburt“ist noch nachzutragen: die Nachgeburt, zumba ya muana (wörtlich : „Hütte des Kindes“),
sucht man in der Weise zu beschleunigen, daß die Wöchnerin ihre Hände auf den Erdboden stützen und sich ein bis
zwei mal vornüber neigen muß.
Tritt sie infolgedessen nicht sofort ein, so streut man der Gebärerin etwas Salz auf die Kniescheiben, zuweilen
auch auf den Rücken beider Hände und läßt sie es ablecken.
Hilft dieses Verfahren nichts, so reibt sich die Geburtshelferin die Hände mit Rindertalg ein, hält sie kurze Zeit
über das Feuer und führt dann eine Hand, den Handrücken nach unten kehrend, vorsichtig in den mütterlichen Leib
ein, um dort die Nachgeburt langsam zu lösen.
Ist ihr Austritt erfolgt, so wird sie in das Tuch gewickelt, das die Gebärende zur Zeit der Geburt trug, und darin
bis zum nächsten Morgen verwahrt.
Während der Nacht wachen die nächsten weiblichen Verwandten, die schon einmal geboren haben, sowie einige
andere ältere, hilfsbereite Frauen bei der Wöchnerin.
Sobald der erste Hahnenschrei gehört wird, machen sie im Innern der Hütte ein etwa 20 cm tiefes Loch, in das
sie die Nachgeburt mit jenem Tuche hineinlegen und es dann mit einem Lehmbrei, den sie mit heißem Wasser ange-
rührt haben, füllen und verstreichen. Obenauf legen sie ein großes flaches Holzstück, darüber die Bretter der Pfahl
bettsteile und auf diese muß sich die Wöchnerin auf den Rücken und mit gespreizten Beinen niederlegen. Die Frauen
waschen ihr mit warmem Wasser die Schamteile aus und reiben ihren ganzen Körper mit Rindertalg ein. D iese
Behandlung ist aber nur bei der ersten und zweiten Geburt Brauch.
Der Erstgebärenden werden nun die Schamlippenränder mit einem Messer abgeschmtten und die Wundstellen
mit Asche eingerieben. Die entfernten Teile verwahrt die Wöchnerin, legt sie bei ihrer ersten Entleerung auf den
Erdboden und bedeckt sie dann mit ihren Exkrementen. Angeblich soll auf diese Weise E terung und Unterleibs-
entzündung verhütet werden; der wahre Grund scheint Furch t vor bösem Zauber nr t den abgeschnittenen Teilen zu sein.
Ist bei der vorgenannten Gelegenheit die Entfernung der Schamlippenränder nicht vorgenommen worden und
tritt nun eine Erkrankung des dritten oder eines der nachfolgenden Kinder ein, so gibt der mganga diese Nichtbe-
schneidung als Krankheitsursache an und empfiehlt, die Operation nachzuholen. Zu dem Zweck setzt sich die Frau
mit dem Ende an der Brust und die Beine stark spreizend auf den Erdboden nieder; eine alte sachkundige Frau
nimmt die Beschnei düng vor, taucht dann den Finger in das hervor quellende Blut und betupft damit Stirn und Leib
des erkrankten Kindes.
Was die Behandlung des Neugebornen — man nennt ihn mgeni, wörtlich: Fremder — anlangt, so wischt ihm
die Geburtshelferin, mhokezi, mit ihrer Hand zunächst den Schleim von Mund und Nase. Schreit es nicht, dann
zwickt sie das Kleine; hilft dieses M ttel nicht, so wird bis zum nächsten Tage gewartet. Dicke Kinder sucht man
überhaupt nicht zum Schreien zu bringen.
II e Nabelschnur wird in Zeigefingerlänge abgebunden und in ungefähr drei Iingergliedlänge mit einem Messer
früher benutzte man dazu einen Bambussplitter — abgeschnitten.
un wäscht man das Neugeborene mit lauem Wasser ab. Sieht man jetzt, daß es einen Spitzkopf hat, so nimmt
c ie m okezl unter Benutzungvon zerkautem kungu-Samen die Umformung des Schädels durch Vorsicht ges Drücken vor.
BEITRAGE ZUR KENNTNIS DER WASCHAMBAA
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Mutter des Neugebornen reißt sich gleich nach der Geburt ein Haar aus; die mhokezi kratzt vom Mittel
ptaJil der Hütte etwas Schmutz ab und wickelt ihn zusammen mit dem Haare in ein Stückchen blaues Tuch i
Kinde als Amulett um den Hals gehängt wird. Dann wird das Kleine mit warmem Wasser abgewaschen und massmT
Der Lohn der mhokezi und der hilfreichen anderen Frauen besteht nicht in Geld, sondern nur in der Tel h*
an einem opulenten Mahle, das im Anschluß an die Geburt folgt; man nennt es kis'zi und es setzt sich aus uuM ^
räuchertem Fleisch und kungu-Brei, kibibi, zusammen. g l’ gG~
Die mhokezi nimmt das Neugeborne fünf bis sechs Tage in Pflege. Seine erste Nahrung besteht aus zerkautem
kungu-Samen, den man dem Kleinen mit dem Finger in das Hündchen stopft. Nachher gibt man ihm die übliche
Kleinkinderspeise, einen Brei von zerkauten Bananen; da dieser gewöhnlich nicht bekömmlich ist, so stopft i
dem Säugling den Mund mit mninga und dongi voll. Ersteres, eine sehr beliebte Säuglingsnahrung, ist eine dünne
Maismehlsuppe; dongi besteht aus einem Gemisch von reifen frischen, zerstampften Bananen und trockenen Bar
und Maismehl. nanen
Die mütterliche Brust wird dem Kinde erst am sechsten Tage gegeben; bis dahin säugt es eine Freundin der Frau
An diesem sechsten Tage darf auch die Mutter das Haus verlassen, doch nur bei Finsternis. Die Annahme
liehen Besuches ist streng verboten. Weibliche Verwandte und Freundinnen schauen oft zur Hüttentüre hinein
begrüßen die mschusamisi etwa mit folgenden Worten: mame, heikdo! kio viedy! rnasono. Als Antwort erf 1 T-
o mame! hokaja, nihedimama, ezagendenka, kibonda mlo!
Zwei Monate hindurch darf die Wöchnerin nicht kochen; kommen fremde Frauen zu Besuch, um sich nach
ihrem Befinden zu erkund:gen, so bereiten sie sich die Speisen selber.
Wenn eine Frau unterwegs niederkommt und nur Frauen in ihrer Nähe sind, so erdrosselt man gewöhnlich das
Neugeborene. Sind Männer zu erreichen, so ruft man sie herbei und sie schlagen schnell vier Stangen ab um ‘'!
provisorische Hütte, die sie mit Reisig decken, über der Kreißenden zu errichten. Gegend Abend begibt sich die
Frau in ihr Heim im Dorfe. Ihr am Wege geborenes Kind nennt man tschanasiza.
Feste nach der Geburt.
Unter den Festen nach der Geburt steht an erster Stelle das für die Waschambaa und Wakili di '
Opferfest ' T11C 1 C! 1 arakteri sti sch e
mwiga mkulu.
Es wird zwei bis drei Monate nach der Geburt veranstaltet. Der Zeitpunkt seiner Fe‘er 1 "
läge des betreffenden Vaters ab, ob er nämlich eine Opferziege zu beschaffen im Stande ist ^eh^^1 ^ ^ermögens-
Fest manchmal erst im vierten bis sechsten Monate ab; in der Zwischenzeit werden sie oft vlV™ atN?
hänselt. „Dem Knd kann schon lachen! Oder; „Dem Kmd bekommt eher Zähne als du mwigi 1 a^achbarn ge-
Die zu beschaffende Ziege darf weder von einem Freunde auf Borg genommen noch •
sein, sie ist regelrecht zu kaufen und bar zu bezahlen. gendwie unredlich erworben
Die Ehefrau muß die ganze Zeit von der Geburt ab bis zu diesem Feste im Innern des w
darf sich weder von ihrem eigenen noch von einem fremden Manne sehen lassen • nns™ ‘ USes ^bringen; sie
segenzauberer, mganga ya bereko, ferner der die Mutterbrust prüfende Zauberer § n°mmen 81 nd nur der Kinder-
Brüder der Frau. Ihrer Mutter und Frauen überhaupt ist der Besuch gestattet ’ EWanfdie
der Finsternis, darf die mschusamisi - so nennt man die Frau vom Tage der i- ‘ Und da nur in
kilendesi - zum Zwecke der Verrichtung der Notdurft hinter das Haus oder hinte/dfc TW BeendfgUng der ngoma
Hause besorgt sie wahrend dieser Monate alle die ihr obliegenden Arbeiten fegt ] I liUmzaunimg gehen. lm
darf sie nie von ihrem Manne sprechen; sie soll weder seinen Namen mmtU. ’ l U8W’ Besuchern gegenüber
stets nur von einem kalangwa reden. 11001 sagen: „Mein Mann“, sondern
Sobald die Ziege beschafft worden ist, trifft man sofort die Festvorbereitu
in Menge besorgt, Mehl in Massen auf Vorrat gestampft und Zuckerrohr g0 ’ °S werden also Nahrungsmittel
Tags darauf beginnt die Feier. Der erste Festtag, mwiga mkulu, ist das gröltef f]Preßt*
bestimmt; am zweiten Festtage, ulezi, nehmen auch Männer teil. 8 upierlest, nur für die Frauen
Es hält ungemein schwer, über die Vorgänge bei mwiga mkulu sichere Angabe
glauben, daß sie unfruchtbar werden oder bleiben, wenn sie über die gehei^ B^ die
raten; den Männern aber ist bei Strafe verboten, über die Opfersitten ihre Frauei ° / den M'annern etwa« ver-
geht, verfällt der Verachtung ihrer Umgebung. Karasek erhielt eingehende MB-Tu ragGn’ Eme Frau’ die Verrat
gebenen makihio, der er aber zuvor schwören mußte, daß er den Waschambaa l ^ U~Pn V°U Semer lhm treu er~
Feier verlauten lasse; er wurde sogar Augenzeuge jenes festlichen Treibens in dem Gm i ^ Über Jene
makihio, die mit der jungen Mutter befreundet war, versteckt hatte. ** aUSe’ &Uf deSS6n B°den ihn seine
DO
A. KARASEK
Noch bevor am ersten Festtage die Sonne aufgegangen ist, badet die mschusamisi und zupft sich dann alle Scham-
haare diesmal mit den Fingern aus, während sie sonst eine scharfe Scherbe benutzt; hernach reibt sie sich die Ge-
schlechtsteile mit Asche ein.
In der Morgendämmerung geht sie mit ihrer Freundin in die Pflanzung, um einige Bananen zu holen. Den
Männern, die etwa vor ihrer Hütte stehen, wird gesagt: ,,Die mschusamisi will in die schamba gehen“; daraufhin
ziehen sie sich in das Innere ihrer Wohnungen zurück. Wenn einige Bananentrauben abgeschnitten worden sind,
so nimmt die Freundin zwei Wirle davon und legt sie nach der Heimkehr ins Haus unter das Dach.
Kaum ist die Sonne über den Horizont emporgestiegen, so beginnt das festliche Treiben. Der Vater der Frau
bringt einen Ziegenbock, mbuzi ya mwiko, zur Hütte seiner Tochter; die Hüttentüre ist halb geöffnet; sie sitzt an der
Türspalte, Der Vater ergreift die Ziege beim rechten Ohre und sagt, wenn er ein Mkilindi ist: na wika Mbega, genda
kagone, mwiku njenu. Dann zupft er die Ziege beim linken Ohre und murmelt ähnliche Formeln.
Allmählich versammeln sich nun Freunde und Freundinnen, auch auswärtiger Besuch kommt, jeder bringt
etwas Eßbares, Fleisch, ugali usw. oder pombe mit.
Im Hause kochen die mschusamisi und ihre Freundin Bananen und die Leber der Ziege. Dann holt die Freundin
den Ehemann und ihren eigenen, den kungwi des Mannes, dazu. Sobald diese in die Nähe des Hauses kommen,
wird schnell die Türe geschlossen; sie suchen nun die draußen unter dem Dache versteckten Bananen. Deren zwei
bindet sich jeder auf die eine Schulter so, daß sie in die Achselhöhle hineinhängen; diese Schulter wird sodann mit
einem Tuche bedeckt. Hernach klopfen sie an der Türe und bitten um Einlaß. Die Frauen schwe'gen. Erneutes,
lauteres Klopfen. Frage von innen: „Wer ist draußen ?“ Der Ehemann der mschusamisi antwortet mit dem Namen
seines Kindes, also z. B.; „Schemschusa“. Demnach heißt das Kind: Mschusa. Nunmehr folgt diese Begrüßungs-
zeremonie ;
Frau: mlawa uahi ?
Mann: tiawana Wugiri (Ort oder Landschaft, aus der der Mann stammt).
Frau: hokaja täte! täte Schemschusa, hokaja!
Mann: nihedi mla! mamschusa hokaja!
Sodann wird die Türe geöffnet, beide Männer treten ein und überreichen der Frau — der Ehegatte sieht sein Weib
jetzt nach Monaten zum ersten Male wieder — die mitgebrachten Bananen. Diese bietet ihnen zwei Schemelchen
zum Sitzen an. Die Freundin nimmt das Kind, reicht es erst ihrem Manne, dann dem Kindesvater und spricht; „Dies
ist dein Kind“, Er gibt es zurück und sagt: „Das Kind wird wohl essen wollen!“
Hernach verspeisen alle gemeinschaftlich die gekochten Bananen sowie die Ziegenleber; alsdann verlassen die
Männer die Hütte. Kurz darauf treten zwei alte Frauen ein und fragen: weschu, njumba jetu ingie schendai ? Ihnen
antwortet die Freundin: ingie — Schemschusa (oder wie sonst der Name des Kindes lautet). Nachher drängen sich
viele alte Frauen in das Haus sowie überhaupt Weiber, die geboren haben. Eine hochbetagte, mhokezi genannte,
zerkaut einen kungu-Samen und legt die breiige Masse auf die Stirn des Kindes.
Inzwischen haben sich alle Verwandten und sämtliche Dorfbewohner um die Hütte versammelt; sie stehen in
einem großen Kreise da, dem Hütteneingang gegenüber der Vater des Kindes, neben ihm der Großvater und des
Vaters Freund; links von ihnen stehen die Männer der Gemeinde, rechts von ihnen die jungen Burschen. Den Kreis
der Versammlung setzen hier die jungen Mädchen fort; an sie reihen sich die Frauen und zwar so, daß sie das an die
alten Männer angrenzende Schlußstück des Kreises bilden (Fig. 278).
Nun legt die mhokezi das Kind, das auf Tüchern ruht, vorsichtig in die Hände des Vaters und spricht dabei:
„ischo“ (dein Vater); dann in die Hände seiner Mutter); hernach in die Hände aller Anwesenden. Jeder beugt sich
und berührt mit seiner Stirn die des Kindes, eine Handlung, bei der die mhokezi dem Kindchen erläuternde Erklä-
rungen gibt, so z. B.: das ist dein Onkel, das ist deine Tante, das deine mkungwi, das dein Großvater. Durch diesen
Akt wird das Kind in die Verwandtschaft öffentlich aufgenommen, und man betrachtet es fortan nicht nur als ein
Glied der Familie, sondern auch als Mitglied der Dorfgemeinde. Symbolisch drückt man dies durch Berühren von
Stirne mit Stirne aus.
Die mschusamisi begibt sich hernach zusammen mit allen Frauen in das Haus ihres Vaters. Die Hüttentüre
wird fest verschlossen. D~e mschusamisi lehnt sich an den mittleren Hauspfeiler und hebt ein Bein, im Kniegelenk
es beugend, in die Höhe; eine alte Frau schlägt dabei die große ngoma, tutu; eine zweite die kleine; eine dritte nimmt
der mschusamisi das Perlenband katu ya pala ab und legt ihr die Hüftschnur katu ya kimbissi an. Dabei singt sie:
naschwe watanga, naona mame, wamemie naona, mame, warnende, wamame oe! oe! Die Frauen, die ringsum im
Kreise stehen, wiederholen diese Worte.
Sodann legen Alle ihre Kleider ab, fangen langsam zu tanzen an und singen dabei; kagoto managamba, wandere
maschilu kilombolo tscha wabanga.
Die Mutter des Kindes bindet sich hierauf bereko um, dann ihre Tücher; ebenso verfahren die anderen Frauen;
außerdem nimmt jede ihr mitgebrachtes Kindchen auf den Rücken, und es folgt dann wakiula. Nur Säuglinge dürfen
zu dieser Feier mitgenommen werden, denn entwöhnte Kinder, die an ngoma mkulu teilnehmen, müssen nach der
orstellung der Waschambaa sterben.
K h ^rauen ^ben je nach der Zahl der von ihnen geborenen Kinder, verschiedene Namen. Alle, die nur ein
n aben, nennen sich wamemschale; Frauen mit zwei Kindern: wamakuza; solche mit dreien wamaeze; Mütter
*
1
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BEITEÄGE ZUE KENNTNIS DEE WASCHAMBAA
91
mit vier Kindern: walumba; die, welche fünf Kinder gebaren, heißen: waschumba mbereko; jene mit sech<* h\ u
Kindern: wamakungwi. ' ’ Wls zeün
Sobald die abendliche Finsternis eingetreten ist, stellen sich alle Frauen vor dem Hause auf und simre
Iowa hundu, taelula nawana, taelula nawana e, lugondo kwa wamame. n. we u
Eine der Frauen, die bereits drei Kinder geboren hat, stimmt an: letulwa wamaeze taelula nawana lu
kwa wamame ojia 6he! taelula wamame. g°n °
Hierauf singt die mali (mschusamisi): wetulwa mali, taelula wa mana, 6ja oh e lugondo kwa wamame tael 1
nawanae. ■
Jede Frau mit Kindern singt denselben Text nur mit dem Unterschied, daß sie ihren angenommenen Käme
einfügt. n
Sobald alle Frauen der Reihe nach ihre Gesänge vorgetragen haben, werden möglichst unsittliche Lieder
schlossen, z. B. na sasa jangu, na wana mgongo cila ya mbolo. Hernach begibt sich die mschusamisi mit ihren Ver-
wandten in das Haus, die anderen Frauen bleiben im Freien und warten, bis die wasasi zurückkehren Mit letztere
Bezeichnung meint man bei mwiga mkulu zwölf Frauen, von denen zehn unter Gesang von: wamelo iwamba '
uschwelo in die Pflanzung ziehen und dort kihiri besorgen; darunter versteht man ganz junge Kürbisse maeze (TM ^
casia) Blätter und junge kungu-Frucht, selukungu (Telphairia). Zwei jener Frauen sind bereits früh am Tage hinaus
gezogen, um an einem Bache eine große Krabbe, kisoka, fangen zu können und in mschai-Bäumen wachsende talu
londeza kalamaga, große weiße Pilze, zu sammeln. Die Krabbe darf nicht verletzt werden, muß unbedingt alle acht
Beine haben und wird sorgfältig mit Tüchern umhüllt. b c C
Sobald die zehn wasasi zurückgekehrt sind — jene beiden anderen kamen bereits noch zur Tageszeit wieder -
so versammeln sich alle im Hause der mschusamisi, stärken sich mit bereitgehaltenen Speisen und begleiten dann die
mschusamisi sowie die kungwi, jede mit ihrem Kinde, in ein für die Feier eigens ausgeräumtes Haus. Dort bindet
man an der Stelle, wo der Querbalken den Mittelstamm, kola, berührt, das kihiri an, also Pilze, junge Kürbisse
junge kungu-Frucht, ugufa-Blätter, Blätter von maeze, Colocasia, djeny, eine gelbblühende Komposite, die nach 1 ^
Glauben der Waschambaa der Leopard gern frißt; ferner nerudere sowie die Krabbe, die man nüt einem Fade ^
einem Beine festbindet. Sobald dieser Strauß angebracht ist, ruft man die mschusamisi herbei; die kung f '
entgegen. In einer Reihe hocken die vollkommen nackten wasasi, das Gesicht der Türe zugekehrt- iпМеГм* Г
dieser Weiber setzt sich mit ihrem Kinde auf dem Schoße die mschusamisi nieder, hinter ihr die kungwi mit ih
Säugling; nun ordnet sich die ganze Versammlung so, daß sechs wasasi vor den beiden Hauptpersonen sitze1 1Г6т
übrigen dahinter. An der kola hat sich eine mhokezi niedergelassen, die anderen hocken in einem Кге^е2еП’ ^
Wand. Gleich Fröschen hüpfen sie im Gänsemarsch hintereinander, während die kungwi singt: naona ^ °Г
amemile. Die Alte beugt sich über die hockende mschusamisi, faßt sie unter den Armen und bewegt sie
und abwärts; dabei singt sie: nivine kisese, naone mgongo; alsdann richtet sie sich auf, beschreibt mit denT
gebeugten, vorgestreckten Beine einen Kreis über den auf der Erde hockenden Frauen und singt; täte • WCn g’
walonga tele; die Umstehenden fallen im Chore mit: e 6h! e! ein. c таще>
Mit diesem Gesang ist die eigentliche Zeremonie beendet. Nachdem sich alle leiblich gestärkt haben
die Schwiegermutter das Кnd. Dann folgt ein Freudentanz, der bis zur Morgenfrühe dauert Alle Fraue ■’ j11 mm^
vollständig nackt; während eine die Trommel schlägt, tanzen die anderen im Kre:‘se und ahmen dabei ^ ^
wegungen den Geschlechtsakt nach ; dementsprechend sind ihre Lieder. Zwei der letzteren lauten* Ш 1 Г6П ^e’
1. nagola mafusi, k:gena gena, kina mame, tschambiwe njjani.
2. wandere maschilu, kila mbolo tscha wabanga.
In dem Tone gehen Gesang und Tanz bis zum ersten Hahnenschrei weiter. Dann folgt noch ein I
gehen die Frauen außer der mschusamisi, der kungi und zwei Freundinnen heim. Ш mb,ß Und nun
mschusamisi sowie kungwi nehmen ihre Kinder in die Arme, zerkauen je einen kungu Samen u d
Brei in den Mund der Kinder der Freundinnen; man nennt diesen Vorgang: kiapo essen (sie leisten ScwF
dieser Zeremonie schließen die Frauen einen Freundschaftsbund, ähnlich der Blutsbrüderschaft de ‘1 7 ‘ Ш
Verpflichtungen auferlegt: sich nicht vom Manne der Blutsfreundin geschlechtlich benutzen W« • UTn t
ander warnen, sich gegenseit g helfen usw. Nichterfüllung dieser Pflichten hat den TM i c , , ’. lallr ein-
Frauen wie ihrer Kinder zur Folge. Aber diese BlutsbrüdLchaft verpflmhtet „oth ^ T*! **
mschusamisi schwer erkrankt ist, es von der kungwi nicht gepflegt werden darf - LR ’ d ß’ das Kmd der
der Säugungsperiode stirbt, die kungwi ihm nicht die Brust zu reichen hat - fällt das кГ!^ ^UtteT mnerhalb
gestattet, es aufzuheben, ja sie darf es auch nicht heruntertragen oder nur an der Няг л ^ ^п^г^ mcht
fchriften sind strikte bis zu der Zeit zu befolgen, in der das Kleine zu laufen dlTfr" • T T,
Fest statt, bei dem die Zeremonie sich wiederholt, daß die mhokezi eine bogenförmige В Ш ° ^ erGinkleines
über die Mutter des Kindes macht. «genform.ge Bewegung ш1 dem Beine
Heutigen Tages vernichten die Waschambaa schon wenige Stunden nach Tagesanbruch jenen geheimnisvollen
Strauß und die Spuren des wazadja kiapu, weil sie behördliche Bestrafung fürchten; früher dagegen verwahrte »„
jenen ,,Bann“ bis zu der Zeit, in der die Kinder zu laufen anfingen. man
Mwiga mkulu kennen die Wasegua und die Waschambaa-Sippe der Waschu nicht; sie veranstalten nur „Wi
Mw,ga mkulu ist, wie gesagt, in der Hauptsache einFraueniest; nur der Jumbe darf hin und wieder, aber vermummt,'
92
A. KARASEK
verkleidet als Frau, an dieser Feier in seiner Familie teilnehmen. So geht er mit tief ins Gesicht gezogenem Tuche
und von seinen übrigen Frauen umgeben, spät in der Nacht in die Festhütte, in deren dunkelsten Winkel er Platz
nehmen muß. Tritt er ein, so fragt man: „Wer kommt ?“ und schlägt dabei die Trommel. Sagt jemand: „Lasset
doch die Frau des Jumben die Trommel schlagen!“ — so wundern sich dann alle über deren Geschicklichkeit auf
der ngoma. Geheim wie er kam, muß er wieder das Haus verlassen, denn niemand von den Anwesenden soll wissen,
daß ein „Mann“ dieser Feier beiwohnte.
Ulezi.
Kaum haben die ersten Sonnenstrahlen die im Tale lagernden Nebel durchdrungen, so sind an diesem zweiten
Festtage, der für alle Jungverheirateten Männer, deren Frauen bereits geboren haben, bestimmt ist, auch schon Jung
und Alt auf den Beinen. Man versammelt sich vor dem Festhaus; ein großer Korb mit Fleisch, ein kleinerer voll
kungu und ein dritter mit kaltem ugali-Breie wird gereicht; dann zieht die Schar in die Pflanzung des Vaters der
mschusamisi, um dort bis zum Abend zu verbleiben. Wenn die mitgebrachten Speisevorräte nicht ausreichen —
Getränke schleppen nach und nach die Kinder herbei —, so nimmt man aus der schamba frische Maiskolben, um sie
zu rösten, oder Bananen; ferner holt man kungu herbei, gräbt auch vilungu aus, und läßt sich alles bestens schmecken.
Allerlei Unfug wird getrieben und mancher Schaden angerichtet; so haut man Bananenstauden um, zündet trockene
Bäume an usw. Doch weder die mschusamisi noch ihr Vater dürfen wegen des entstehenden Schadens ein Wort
sprechen — das Kind würde dann sterben. Fragt man: „Wozu diese sinnlosen Schädigungen ?“ so zucken die einen
d:e Achseln, die anderen meinen; „Es ist so Volksbrauch“ oder: „Die Freude ist groß; ein Knd bekommt man nur
einmal, und die Bananen wachsen ja wieder nach“.
Doch es wird in der Pflanzung an diesem Tage nicht nur gegessen und getrunken; es muß auch tüchtig gearbeitet
werden. Verschiedenerlei Objekte sind anzuferkgen; so ein Leopard, schui, aus trockenen Bananenscheiden; ferner
ein Schwein, das man aus einem Bananenstamme schnitzt; sodann ndezi aus demselben Material: außerdem einen
Colobus(Stummel)-Affen, dem man dann ein Affenfell anbindet. Weiter sind aus den Blättern der wilden Dattelpalme
vier Fransengürtel, twiga, anzuferkgen. Schließlich werden aus getrockneten und dann weichgekochten Bananen
zwei große Kugeln hergestellt, in deren Inneres je zwei Ziegenknochen gestellt werden; diese Kugeln wickelt man in
zahlreiche Lagen frischer Bananenblätter ein und zwar derart, daß sie Packete mit großen Fleischstücken Vortäuschen.
Sind alle vorgenannten Gegenstände fert'g, so muß noch mdongonezi zubereitet werden; das Rezept lautet: man
zerstoße zwei Scheiben Tabak zu Pulver, menge dazu eine gebrannte und zerriebene kungu-Hülse, verrühre mit
beiden den Inhalt aus einem ungereinigten Pfeifenrohre, knete den halbfesten Te:g, forme daraus zwei Klümpchen
— eins für die Frau und eins für den Mann —, verbinde beide mit ukonge und gebe ihnen das Aussehen von mpingu.
Nach Beendigung dieser Arbeiten werden die angeferkgten Tiere unter den Kleidern versteckt oder in kikapu
oder mit Gras umwickelt bei hereinbrechender Dämmerung von den wasasi lautlos in das Dorf gebracht; ferner
schleppt man eine große blühende Bananenstaude mit. E:n Mann trägt ein Bananenblatt, das oben und unten so
zusammengebunden ist, daß es ungefähr Schiffchenform hat; dieses sonst doto genannte Blatt erhält die Festtags-
bezeichnung bena. Zwei andere Männer haben sich zerfranste Bananenblätter, kuza, um die Hüften gebunden;
zwei andere tragen zwei linga (Fig. 27 9). Letzteres ist ein großer R;ng aus Bananenbast, an dem ein kleiner für
das Knd sowie zwei unreife Bananen für die Frau hängen; der Vater des Kindes erhält einen einfachen Ring. Wasasi
und die alten Leute gehen in das Haus hinein, an dessen Mittelpfahl man die große Bananenstaude stellt. Sodann
werden die mschusanrsi und ihr Mann herbe gerufen, beide setzen sich mit verschlungenen Armen nebeneinander,
das Gesicht zur Türe gewandt. Es kommt der kungwi und spricht: hamna schoni, makunda mtombane watu. Dann
kniet der Vater des Kindes nieder; die mhokezi reicht ihm einen Stab von kadikule; um den Hals legt man ihm eine
Perlenschnur, fundo ya maschalu, auf den Kopf e n Körbchen, kitezu, und dahinein ein kibuju mit etwas pombe.
Seine Frau, die hinter ihm kniet, bindet ihm auf den Rücken das bereko und setzt das Kind hinein, während die
Alten zu s ngen anfangen: kaschig ka kadodo najnilunda jake. Mann und Frau singen: fefeo; die Alten fahren fort:
tosche, tosche tamulia, scheleza manamgwa, tosche, tosche tamulia.
Hernach stimmt man an: na sasa, na wana migongo silaja ya kuma; so singen die Männer; dagegen die Frauen:
na sasa, na wana migongo silaja ya mbolo. Dann wird fortgefahren: mbuju ya tamba, kagela mkono.
Die folgende Szene nennen die Waschambaa mschoschelo. Die Frau hockt ihrem ebenfalls sich niederkauernden
Manne gegenüber; beide haben d e Arme ausgestreckt und die Hände übereinandergelegt. Die Alten singen; schenga
nyama, kale kulumoscho; die Eheleute hüpfen hernach wie ein paar Spatzen um den Mittelpfahl.
Dann bindet sich der Mann zwei twiga ya msalu um das rechte, die Frau zwei desgleichen um das linke Arm-
gelenk. Die kungwi steckt dem Manne ein Stückchen msalu-Blatt in den Mund; seine Frau, die ihm gegenüber
hockt, mmmt mb ihrem Munde ihm jenes Blattstück weg; die kungwi legt es dann in den kikapu. Nachher singen
die Umstehenden: lombeije kila mlondezi nane lombeije eh, kila mlondezi oe. Während bisher alle Lieder so dumpf
gesungen wurden, daß kein Wort außerhalb der Hütte hörbar war, wird das eben erwähnte so laut angestimmt,
( a e draußen versammelten Ehemänner ohne Knder, die Jünglinge und Mädchen es deutlich hören und diese
setzen ^ai^mon den Personen in der Hütte singen: schemalela malelae, malela wana oe! Die Sänger im Hause
5 emer von ihnen bindet sich große, nicht ungeschickt hergestellte Ohren an, und der Chor singt: gutwi,
BEITRAGE ZUR KENNTNIS DER WASCHAMBAA
93
legeleza gutwi I Dabei schreit man jenen an: gutwi ! Der Angerufene stiert wie geistesabwesend herum und stößt
аш : jée, fée! Einer aus der Versammlung schreit: nitangwa. ni mschusamisi katombe! Jener antwortet: mschar.
^ule- „ .. TT v. • .. r Teil des Festes abgeschlossen. Dann singt man zusammen
rW лиг für die Verheirateten bestimmte ica u.^ ^ _
H ermit ist der nun Trommel ulezi-Lieder, bis der Hahn das erste Mal kräht,
mit den übrigen Teilnehmern zum Klang der tutu-irommei и
Einige dieser Lieder1 lauten: ^
hi alemela hi nane mlumeo mdaj mapembo, ya kale (= kiumbe) nejauke
sadja, sadja mlumeo saladja, mgoscBi aiemeia,
kwingila, malija jangale mapemba ya kale nejauke e . ^
, x n ~ ! mzungu mgeni tojwe konde, tojwe ala na kombola Rupia ijé nané
maleka mkatu, mazwika mtuluna, kwakwela ë
kombala Rupia é. ^
., i qipi n schemalela malela wana hehé, malela hé.
schemalela malela wana jé schemalela je scnem ^
lombeje Im, j6 № mlondezi nane lombeije he. ^
i6 nan6 ehd nane mseka na mkwe niulola numa. -
' ■ I üsi mit ihrer Freundin und der Vater des Kindes mit
Nach dem ersten Hahnenschrei begfot«^ J "ren dort ihre Schützlinge: mkazio. ldkunda kugona mae,
_ , ■ anderes Haus. Heide Kuug , f The kungwi spricht zur mschusamisi: kusche
" r“uUr-—t^mwana aSlia - utaleka ukibula koj mlu-
mavusi, usobebinde mnvyde mengwanatoch^ ^ kondo _ ukiza koma nrwanao mwenyre bereko ya mwana -
kada UwaTza techi № wejta »a zurück. in dem sie in folgender Reihenfolge sich auf-
Nach dieser Belehrung kehren alle vier m husamisi, dahinter ihr Mann, hmter diesem die kungwi.
-Ä- :re^rr=da m
D№ Der kungwi spricht zu ^^"hfsmnifi einen Korb. Diese sagt: watate, watate. iralnnda njundo.
Dann reich* ^hhln^tomba ni njundo mla; ferner : watate,
Die wazee spl_ . ukintula, nalunga lungo la un§u . dieser ihn schließlich der hinter ihm stehenden kungwi.
Bananenkugeln, reicht eine davon dem
- dannsingtderkungwi:
^tchtfonge! tschimanwa nymene “"f “^erstaunt ruft die Frau aus: tiza ya mbuzi jenu zendai mkahale.
Die Eltern des Kindes zerbrechen die Jvg » ^ dem Kinde etwas von dem Breie. Die wazee singen:
Jedes der Eheleute beißt ein wenig von er
die mkwe-onane. ^ ergreift einen kleinen Besen, hagilo, und sagt zu seiner Frau:
Jetz^aI11“™iea mka'zangu kuma. Dann nimmt der Mann das Kind auf den Arm, die Frau erfaßt den Besen
• u+ zu ihrem Manne gewendet;
und sprießt z ^ mangu, mbolo. Wenn sich während dieser Vorgänge die Anwesenden noch unterhalten haben
mUan7Tatnjetzt dagegen lautlose Stille und man unterläßt sogar das sonst übliche Umherspucken. Die alten
sollten, so to g herumgtanden oder hockten, setzen sich nun nieder, manche der Freunde gehen um diese Zeit
Leute, die blS^r^enstarken Reiben. Für alle Fälle wird ein Schemelchen sowie ein Topf mit Wasser bereitgehalten,
heim, mir den folgenden Vorgängen die mschusamisi in Ohnmacht sinken sollte. Die Eltern des Kindes binden
Wenn etwa jejer^ran^ten Bananenblätter um die Hüften, dann zerkauen sie die hoja (mdongonesi), ohne jedoch von
sich die hinunterzuschlucken; die Hände halten sie auf den Rücken verschränkt, die zerkaute Masse spucken
Ter Masse e wa^^ 8tehende Stühlchen. Wenn, was häufig eintritt, die Ehefrau bei dieser Szene ohnmächtig werden
sie auf das vor i n]-t y^asser und setzt sie auf den Schemel. Nach dieser Zeremonie stimmt die ganze Ver-
Ímlung ihr dmTdringendes geregere an. dann wird gesungen:
mbereko ya tan*. uschemu fufta’ manangU **"?*•
mbereko "ya Imna, uscheza fuña, manangu tagombe.
Mit diesem Liede schließt die ulezi-Feier. Mann, Frau und Kind sowie der kungwi mit seinem Weibe gehen
nun gemeinsam zum Flusse, werfen die linga in den Busch und nehmen ein Bad.
1 aus Dindila bei Bungu.
94
A. KARASEK
Kidendesi.
Sobald die Eltern des Kindes heimkehren, versammelt sich die Dorf Jugend vor dem Hause der mschusamisi
und alle zusammen ziehen dann in die Pflanzung ihres Vaters; dabei ertönt die kleine tutu-Trommel.
Man stellt eine linga in der vorhin beschriebenen Weise für die Erau her; ferner schneidet man ein 30 — 40 cm
langes Stück von einem Bananenstamme ab. Dann sucht man nach kleinen Ameisen, usaki, schneidet das Bananen-
stück, unter dessen Blattscheiden sich recht zahlreiche Tierchen befinden, ab und wickelt das Ganze sorgfältig in
Bananenblätter. Außerdem wird die Spitze einer blühenden Bananentraube mitsamt ihrem großen weißen Deck-
blatt abgeschnitten und diese ringsum mit spitzen Hölzchen gespickt.
Mit diesen Objekten beladen, verläßt man die Pflanzung, um in langem, feierlichem Zuge unter Gesängen ins
Dorf zurückzuziehen. An der Spitze des Zuges schreitet der Trommler mit der tutu unterm Arme, auf deren Fell
eine zweite Person schlägt. Abwechselnd singt man folgende Lieder:
L
kidendesi, dee, dee, dee watuma tumia mkologwe tijenany na wana.
2.
lufisi ische dawana lua binda wana, lua kolimo, lua honawana lua tiletela inemi oe oe.
3.
nalima mgunda wa kidunduli oe onane mgunda kaukusa tagimbasa.
Der mschusamisi wird vor ihrem Hause die linga umgehängt. Die Bananenspitze legt man in der Hütte auf
die Erde; um dieses sogenannte kidadali tanzt dann Mann und Frau; dabei singen sie: kidadali oe, oe, dadali dadalika
kwa mahumbu — die Frau setzt stattdessen: matembe — josche.
Inzwischen legen die Kinder das mitgebrachte Bananenstück vor die Haustüre, halten sich umschlungen und
singen:
sedongo, dananda watate dananda nezekankele kela mgima ke ke ke kela mgima.
Die mschusamisi und ihr Mann halten sich ebenfalls umschlungen und singen dieselben Worte. Dann setzen
sie sich in die Mitte der Hütte und die Kinder schütteln den lebenden Inhalt des Bananenblattbündels beiden auf den
Leib; dabei singen sie:
usaki waluma kwa mahumba walumo, kwa watembe oe-walumo.
Die Kinder erhalten dann die von der Festlichkeit übriggebliebenen Speisereste, sugo; man nennt dieses Knochen-
abknabbern pinda.
Kit arríbala sasa.
Während bei dem erstgeborenen Kinde mwiga mkulu und hernach ulezi sowie kidensi stattfinden, hält man
kitambala sasa einschließlich ulezi bei dem Zweitgeborenen ab.
Früh wird ohne besondere Zeremonien eine Ziege geschlachtet, wenn es sich um das Kind eines Mkilindi handelt;
bei einem Waschambaa-Kinde stellt man zur Festfeier nur einen Korb mit maunde bereit. Freunde und Verwandte
versammeln sich im Laufe des Vormittags und essen tüchtig; Getränke werden nicht verabreicht.
Nachmittags gegen drei Uhr geht die mschusamisi mit ihrer Schwägerin, der Schwester ihres Mannes, in die
Pflanzung und schneidet dort zwei Bananenblätter ab, deren Rand beide fein zerfransen; ferner binden sie dort einen
kleinen Besen, kihagilo, zusammen und holen einige Bananen. Bei der Heimkehr bleibt die mschusamisi vor der
Hüttentüre stehen, eine alte Frau tritt heraus und sagt: omeny! Die mschusamisi spricht: o máme! Die Alte fährt
fort: hokoj!
Da sich die Schwägerin vorher mit ihrem Schwager über den Namen für das Kindchen geeinigt hat, sagt sie z. B.:
o kihio, hangi muschi mame, makihio! (das zweite Kind erhält gewöhnlich den Namen des Vaters oder der
Mutter der Schwägerin).
Nun ruft man den Vater des Kindes; er, einer seiner Freunde und sein Schwager nehmen Platz und essen vor-
erst reichlich; dann halten sie nacheinander das Kleine in den Händen, dem seine Mutter die makuza umgehängt
hat, und betrachten es aufmerksam. Hernach fährt man mit Essen fort und die ganze Festgesellschaft begibt sich
in die Opferhütte, zu der die Behausung des Schwiegervaters dient, in der dann das beim ulezi geschilderte mscho-
schelo stattfindet. Nach dessen Beendigung singt man — bei ulezi bis früh — nur bis gegen Mitternacht. Dann be-
geben sich die erwachsenen Festteilnehmer, auch der Vater und die Mutter des Kindes, zur Ruhe und überlassen
es der Jugend, sich beim ngoma-Klang bis zum Morgen nüt Tanz zu belustigen. Dieser Festabschnitt hmßt mango:
am Schlüsse erhalten die Knaben und Mädchen die Speisereste und einige kungu-&ameR. Etliche sogenannte mango-
Fieder, die Karasek in Bumbuli, Dindila und Mschihwi kennen lernte, lauten:
, 1. Bumbuli.
ee> mamé! wakanla galo! nané éhe.
Oe Mutter, sieh die galo-Ringe! nané éhe.
BEITRÄGE ZUR KENNTNIS DER WASCHAMBAA
95
2. Dindila.
tite kwe kuni, tite waili, o ha je, oe, e, e.
Gehen wir trocknes Holz holen, gehen wir zwei, o ha je, oe, e, e.
haje hajajaja kate.
haja hajajaja Vater.
3. Bumbuli.
matumbo una tangulu, tumbo du, ni mygalo.
Großer Bauch liegt im Körbchen, nur Bauch, Bauch schwer.
Bezieht sich spöttisch auf eine sehr korpulente Frau, die am Vorabend der Feier den Männerrn nur ein kleines
Körbchen mit Essen brachte).
4. Bumbuli.
natunga lusena wangu, nane, mlu mangu khaisa mangu oe oe oe o mame e.
ich fädle sena, meinige, neue, mein Mann will nicht kommen zu mir oe oe oe o Mutter e.
5. Mschihwi.
fula ya Mschihwi, ya gandula mave.
Regen von Mschihwi, lockert Steine,
(Anspielung auf den großen Regen des Jahres 1908 und die steinige Umgebung von Mschihwi.)
Mbeguzi.
Hin und wieder sieht man kleine Kinder, die auf der Mitte des Scheitels einen Haarschopf, tschungu tra en
der oft aus mehreren kleinen Zöpfchen besteht, in die Zauberhölzchen, Amulette, Perlen und sonstige Gegenstände'
die zum Schutze des Kindes dienen sollen, eingeflochten sind. Diese Kinder wurden von Frauen geboren die inf 1 ’
ihrer Kinderlosigkeit im ersten Jahre nach ihrer Verheiratung den Arzt, mganga, aufgesucht haben, um sich ° ^
Medizin, mschunga bereko, zu verschaffen, die eine Geburt herbeiführt und die verpflichtet, dem Neugebo
einen Haarschopf stehen zu lassen. Dieser vom mganga angeordnete Brauch wird häufig auch von anderen Wasch a'^
baamüttern nachgeahmt. m
Soll dieser Schopf abrasiert werden, so finden große Feierlichkeiten, mbeguzi genannt, statt.
Wenn früh am Tage der mganga kommt, so bringt er ein doti Tuch mit. Der Vater des Kindes schlachtet ‘
feisten Ziegenbock. Der mganga reibt mit der von ihm mitgebrachten Medizin, daua, den Haarschopf des Kfd611
ein; hernach begießt ihn der Großvater von väterlicher Seite mit Wein, während gleichzeitig die Frauen ihr Freude^
geschrei anstimmen. Dann rasiert der mganga den Schopf ab, nimmt aus seinem Korbe eine Medizinkalebasse ^
reibt mit deren Inhalt den ganzen Kopf ein. Während dieser Prozedur erneutes, gellendes geregere der
Der mganga wirft das doti auf die Kalebasse in seinem Korbe; die Verwandten treten heran und einer ^auen,
andern legt Geschenke, meistens doti, in den Korb hinein. ac ^Crtl
Die abrasierten Haare nimmt der Vater, steckt sie in ein kibugu, gießt pombe darauf, und jedes der V
die inzwischen mit allen Anwesenden das Innere des Hauses verlassen haben, trinkt einen Schluck von ' anciten,
dem Vater ist dieses verboten. Der Lohn des mganga besteht aus einer Rupie und Tüchern die d JGl^m P0lnbe;
in den Korb des Medizinmannes zu legen hat. ’ Gr lndesvater
Festteilnehmer aus den umliegenden Dörfern schaffen ugali, pombe, Bananen usw. herbei • davon • <]
und getrunken, bis nichts mehr übrig ist; die Jugend belustigt sich am mbugi- und bazara-Tanze gegessen
Die Verteilung des Ziegenfleisches findet in der Weise statt, daß der mganga einen ganzen H'
erhält, je einen Topf mit Fleisch und ngali die weibliche sowie die männliche Verwandtschaft - ferner -^1
Großvater und die Großmutter väterlicherseits; weiter einen der Gastgeber und einen alle übrimm .^T der
Schluß des Festes bei hereinbrechender Dunkelheit. Die Verwandten gehen stillschweigend beirr. !^lnehmer-
übernachtet im Dorfe. Tags darauf bringt er frühmorgens seinen Korb in den die rP ] i ’ , * mgan§a
waren, herbei, um seinen Inhalt je zur Hälfte zwischen dem Kinde und sich zu teilen ^ geW°rfen Worden
Das Kind erhält den Namen des mganga, also einen dritten Namen da seb™
ihm einen beilegten cf. Namengebung. ’ ** SCh°n der Vater ™ a™h die Mutter
Vom frühen Morgen bis spät abends tanzen die Männer im Dorfe mbum unrl ,,
daran teil. Diese ngoma veranstaltet der Vater, wenn nur für ein Kind das Fest anberaumt • 7 F™uen nehmeu “ieht
so findet eine gemeinsame Feier statt, doch ist jeder beteiligte Vater zum Sehlachten eines
Die Wakilindi feiern mbeguzi in derselben Weise,; sie veranstalten aber eine gemeinsame ngoma für 20 u
30 Kinder und das Schlachten von Festkühen (eine Kuh = drei Ziegen) nimmt dann kein Ende 18
Von mbugi -Tanzliedern zeichnete Karasek folgende auf;
1. Mlunguj.
. . ?us0eh;ri’ Mgufia kanilonga ya Senga m0i° kakumbuka tate mungua a toscha, eh Sikidanda. (Sikidanda
ist der Schwiegervater des Saruchnm). v cianaa
96
A. KARASEK
2. Mlunguj.
Msengo wamapati korogwe zaikana ehe Msengo wamapati.
3. Mlunguj.
Dosa Muhindi mno a fanana ma Wadatschi Wambugl kawaika Nguo; Dosa ni Bwana mkubwa a kiona masi-
kini akaomboka akamba ni ndugu jangu ni kamika nguo Dosa ni Bwana mkubwa Tambo ja. Usegula ilekeni oh he
he. (Der Inder gleicht dem Deutschen Mbugi; er gab Tücher. Dosa ist ein großer Herr; wenn er einen Bettler vor-
übergehen sieht, so sagt er; Mein Bruder! und er gibt ihm Tücher. Dosa ist ein großer Herr. Safari nach Usegua).
4. Mlunguj.
Magila, tiluguse wenje mali, kwemkole muambase jo ugula ngozi niukiwa, neugule mbuzi neugule na ngombe.
jo ehe he! eh ehe nane. eh eh!
5. Umgebung von Bumbuli.
Kwamkorro, na Zawusa (Ort bei Korogwe), Kidungwe (war ein Bondei aus Mkusi, der allenthalben gegen Be-
lohnung Tänze aufführte) hanke tikaule nguvu Jumbe Sekidanda Simama nikupambe ti schese Darekube. Wajani
wuene mame ja ja ehe he ehe he!
6. Mlunguj.
Kwemkole (Dorf im Bondei-Land) oh maja he ija mazi ja tschanzamka mne msambo (Baum in den Bergen)
Ulanga mbosi ke ili ka tatu ka ne ni Manga ja ni Manga ja Mpesaze, taka nami tendeze taka, wandere faniadje homa
eh eh he Manga Mpesaze taka.
7-, Makanya.
Do ndo, do do, nekutsche tiagane kwa mpira.
8. Futa.
Mungu na mambo makomela Danga1 mbuanga mtana mamsakia Tanga, enga mana mauvula kibambara watu
wasima sima na miango. Oh winami tia gane Danga, Danga mtana makomea mtana guku i kakema, mungu, jeje,
mbuzi kakema, mungu kuzimu kwitangwa. Danga uja je. Ho maja! Mungu na mambo jeje.
9. Futa.
Guvu eh guvu, kaula wa Matschemba wa lima gunda, ho wa he he (Spottlied).
10. Makanya.
Naenda nakio Kwamkoro, mdoe ni Zumbe ni kome goto nigue kimoli Kidage (früher ein Markt in Bondei) muaja
wene Kwamkoro panga lue lue.
11. Mlunguj.
Kwa Madanga (Dorf im Bondei-Land) nako kwa nifaa kuna Nguvu na watu Buschiri, Mguna ka nionga, mbuli
ja senga majo kakumbuka Tate, mungu na toscha Ngoda jo jo jo eh nekala kwa Masanga Perere zakema uko muhi
ndolo koke ko kee, jo jo jo ko ke ko ke ko ke.
12. Mlunguj.
Tupa (Gegend im Bondei-Land), ni Zumba ja Schingima wakina Tango (Gegend im Bondei-Land) waona Zumbe
mtana na kwambia Kunde msekwa Hende nane Tupa ugeni suo wakina Tango ugeni suo hangu hauka muaja Mgufia.
13. Mlunguj.
Gumbo dalelo kikwela mue kalima kaa Ambangulu bagara eze kabonge mpira hae nane mui gale Wugiri aka-
toigwe tscha muana halamu. Peleke mkusi akadue schamba ja Padre. Hae nane Mzungu wa Amani. Sasa atschesa
guaide.
14. Mlola.
Madailwa, madailwa muzi wakwe kaufagia kau pepianga Jumbe kalawia majani kamka mke ho na mojo mtana.
eh nane gogo ja kwa Peto, ho zakoma na futi.
15. Mlola.
ho je je nane matata mkiwa, kaita kwetu wanigamba hodi ije täte, hende nane. o kazi ja koma. eh nane
Kazi ja koma.
16. Mlola.
Buschiri kwe Mpapaju dakulawa dasamila Mangidi umkaja hamna mtuliwa, mtuliwa nyany, nyana mtuliwa,
tungu niugu kihara ugali na tscha mzingo natakuda natakuleka mnekufa ni Ndugu jangu he, Sokho ni Ndugu jangu.
Buschiri ni ndugu jangu. Nafiilwa ni mgema ninwe pombe kazi jangu somo. he.
17. Mlola.
Solemani kibindu muenda Usegula mgambilej Sono Kidungwe kasoeka nikale rnojo wanikuta wia noki mtunda
kalua. eh mlala se. Kulunge da futi. Kidiona dikigenda ikedu kuzimu kwitanusa. jo jo jo. Mali jangu ehe.
Schwiegervater vom Jumbe Kuni.
BEITRÄGE ZUR KENNTNIS DER WASCHAMBAA
k
97
18. Mióla.
-• O x o tnnrn,. nVnmqidire oo. Kwetukaja tiwalimu tandika katilongelwa wibaja jo jo
Kiwuguto na ñiae Semtagwa tongue uKomsiciire.
jo. ha jo jo che. tscheke, tscheke. ^
a- ~ Tímale wana waite hajo haena metunda kweza kondo.
Wabondei schangusai mapesa dime na dime lígale w j
20. Mióla.
a ■ «-mcnlp kiharua kwe mzungu wanangu wasiina sima na goda, goda
Ho nano, wangu wasima - na ngodit n.ff> ole^ g tfalia ^
eh ni mzungu. hoeh! nyukiwa Wingila. ho eh! saKai
21. Mióla.
... Mkusi kulambigwa ni meta. Ukabinda malekana. ho je je.
Mlungu walelo una mbuli mgambile Maheesa muus
ehé nané. ehé malekana. ^ Mióla.
• -^rtrlp musa musa hata Digo sekalekwa hata Digo sekalekwa. i jo muaja.
Sekalekwa, sekalekwa alonga amun igen
he sekalekwa Kidago. he, he!
Namengebung.
Jedes Kind erhält verschiedene Namen zu verschiedenen Zeiten.
1. Der Vater gibt an dem Tage, an dem er seine Frau zum ersten Male nach der Geburt wieder sieht also b ‘
Feste mwiga kulu, seinem Kinde den eigentlichen Rufnamen und wählt dazu bei seinem ersten Söhnchen den N Glm
seines Vaters, bei seinem ersten Töchterchen den seiner Mutter. Die nächstgeborenen Kinder werden nacl^d
schwistern des Großvaters oder der Großmutter benannt. c en ^e_
2. Die Mutter gibt dem erstgeborenen Kinde den Namen eines ihrer Eltern.
3. Der Großvater wählt frei einen Namen für seine Enkelchen.
4. Desgleichen der Onkel väterlicherseits.
5. Die Kinder, welche die ngoma kidendesi veranstalten, geben dem Kleinen ebenfalls einen N
6. Der Zauberer, der bei der Geburt anwesend ist, überträgt seinen Namen auf das Kind; desgleich
Frau sich in seine Behandlung begab, um Kindersegen zu erlangen. ’ ’ 1Gn wenn die
7. Das heranwachsende Kind erhält einen neuen Namen, der zuweilen je mit dem Wechsel des A f
geändert wird. Namenänderungen sind bei Dieben, Flüchtlingen usw. allgemein üblich. 611 & tortes
8. Das Volk gibt dem Erwachsenen je nach einem äußeren Merkmal oder nach seiner Charakter -
einen besonderen Namen. ® nschätt
Hiernach kann ein Mschambaa acht verschiedene Namen haben. Ein Beispiel - Einem Manne
— sein Vater heißt Makonge — wird ein Sohn geboren; er nennt ihn, da es sein erstes Kind ist d namenS B;,awa
Makonge. Die Mutter ruft ihn Mbago, denn so heißt ihr Vater. Kaniky, so tauft ihn der ältere Brud^^^60^1^
Der Bruder der Mutter nennt das Söhnchen Schekuzeze. Vom Großvater, der gerade viele WollT ^ ^ Vat<3rS-
sieht, erhält er die Bezeichnung mazunde = Wolken. Mkande nennen ihren kleinen Freund die Kind h^ Hlmmel
desi-Feste. Makonje ist zum Jüngling herangewachsen; seine Freunde legen ihm seiner spitzen Z ^ klden~
Namen Sindano bei. Er kann auch noch den Namen Simboga führen, weil während des Wochenbett™186-^
der niganga Simboga zugegen war. tes seiner Mutter
Doch mit den genannten ist die Anzahl der Namen einer einzigen Person unter Umständen d
schöpft. Sehr häufig benennt man den Erwachsenen nach irgend einer persönlichen EieenscbnH T ^
Zeichnungen bergen viel Spott und Ironie; hierher gehören: Se pombe = Säufer. Schekilaimwi = M ’ ^ Be~
der gut spielen kann. Mpeti = unstäter Mensch. Kilanga = Schürzenjäger. Schelubua = M i K]langwb
roden versteht. Schekande = großer Esser. Schemlasi = tüchtiger Korbflechter Scheldl der tuchtig zu
Kinder werden, wenn ihr Vater ein angesehener Mann ist, auch z. B. in der Weise ^ m Tänzer-
Sohn des Djawa, Sehe Djawa etc. ® n‘ Muana Djawa =
Wechselt ein Mschambaa seinen Arbeitsplatz, so nennt, sich z. B. Schemtila Mkanda auf der einen P, *
Mohamadi, auf einer anderen Mtadi; oder seine Arbeitsgenossen rufen ihn mit einem Spottnamen Tb N *"
(so heißt ein großschnabehger Vogel), weil der betreffende hochtrabende Reden führt B' NglUZ1S1
Während Karasek m Magome sich aufhielt. wurde ein Sohn geboren; man nannte ihn sofort Bwana Madnd
Frauen erhalten bei ihrer Verheiratung einen neuen Namen; der Schwiegervater oder der Bnull des M
schlagen so lange Namen vor bis die Frau sich einen gewählt hat. Hat sie zum ersten Male -hören dann t *
Sai^olo6111 “ d6S K U“ter V°rSetZUng d6r SUbe h6ißt d6r S°hn Md0l°’ 80 seine “ von nunTn“
Die Waschambaa durften zu der Zeit, als die Wakilindi noch die Herrschaft im Lande inne Intten i • m
lrafe kemen Mkilmdi-Namen gebrauchen; heutigen Tags ruft man verschiedene Waschambaa Kinder z
Snttr^ ma“ V°rdem SCh°n tel d6r Angabe deS NamenS’ °b “an 6111611 Msc^>nbua öder einen ¿¿p8*
vor
7 Baessler-Archiv.
98
A. KAEASEK
Männer-Namen der Waschambaa sind;
Kaniky, Schementa, Nyama, ya muana, Schemdolva, Mdol,„ Schekome, Ombola, Schekubazi, Sange, Nguzo,
Schafi, Bela, Schekelage.
Frauen-Namen der Waschambaa:
Makwaja, Kgenda, Mz’gwa, Mamwala, Mandongo, Ngoto.
Männer-Namen der Wakilindi:
Mbega, Kimueri, Kühe, Hisa, Gao, Kolva, Kiramba, Kinda, Paula, Karage, Mkande, Kiniassi, Hungula, Mbereko,
Mlekwajnma, Magogo, Mkankamganga, Mkomandara, Ngaiidu, Kusa, Schemkila, Schusa, Scheschui, Kika, Kiondo,
Mdjata, Makange, Mpemba, Kihedu, Goto, Tunutu, Kizuli, Mabutn, Mnieolo, Kibanga, Bago, Tschogogwe, Bira,
Schegau, Makala, Kimela, Mandia, Go me, Tschambi, Massai nika, Magembe, Silafu, Mgungo, Mbuge (Schekulavu),
Naeantembo, Mafundo, Sedengo, Mhama, Scheruiko, Mkila, Buge, (Jambia), Kihamila, Kizuli, Sengenge, Mangrueni,
Mgunga, Fungo, Kihaja, Pangaschwi, Sennengere, Mbogo, Schelubwaza, Noki.
Frauen-Namen der Wakilindi;
Mela, Buglri, Kumbutsche, Koira, Mfumba, Tschenga, Nepalo, Nemganga, Mkomgari, Lufumbo, Komneta
Neuwaschi, Kilalo, Maneo, Nemugwa, Dudugoschi, Omazoea, Kufigwa.
(Die dem Mschambaa schwierige Aussprache deutscher Namen veranlaßt ihn zu Umschreibungen, bei denen
persönliche Eigenschaften des Betreffenden eine Hauptrolle spielen, z. B. Bwana feza, Bwana Rupia heißen die
Europäer, die den Arbeitslohn auszahlen; Bwana fimbo = der Herr, der den Stock zu handhaben weiß; Bwana
mkubwa = der Bezirksamtmann und überhaupt jeder beliebige Weiße, der den Leuten sagt, daß ihm diese Bezeich-
nung angenehm ist. Gegensatz: Bwana Mdogo, in untergeordneter Stellung. Bwana Tumbo = Herr mit dem großen
Bauch.
Nur wenige Europäer haben sich bei älteren Waschambaa den Ehrennamen „Mein Sohn“, monetu, erworben.
Die Missionare nennt man allgemein birikisi.
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BEITRÄGE ZUR VÖLKERKUNDE
H FR A imGEGEBEN AUS DEM ERWERBUNGSFOND DES
STAATLICHEN MUSEUMS FÜR VÖLKERKUNDE
UNTER MITWIRKUNG DER DIREKTOREN DER ETHNOLOGE
S “TEILUNGEN ®
VÖLKERKUNDE IN BERLIN. RED1G1ER1 VOJN
ALFRED MAASS
BAND VIII
lr„ml, Eichhorn. Die Waschnmbaa IV (Schluß). Mit 34 Fig. im Text (Fig. 281-314).
Oberleutnant Bachmann, f Mitteilungen über den Labi-Kult der Mandschiavolker.
Taf^I—lX^ cnthiiUend^die^Figuröh 201-280 zu dem im Band VII erschienenen Teil III,
di» Wasehambaa, gehörend.
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BERLIN 1923-24
VERLAG VON DIETRICH REIMER (ERNST VOHSEN)
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erscheint in zwanglosen Heften, von denen 4 einen Band bilden. Einzeln sind die Hefte zu
einem je nach dem Umfang bemessenen, etwas erhöhten Preise käuflich. Der vorliegende
Band erscheint als Zwischenband für die Jahre 1923—24.
Das Baessler-Archiv ist bestimmt für Arbeiten aus allen Gebieten der Völkerkunde mit Aus-
nahme der reinen Linguistik und physischen Anthropologie. Seine Hauptaufgabe ist die
wissenschaftliche Beschreibung und Verwertung des in den deutschen Museen aufgespeicherten
Materials nach seiner kulturgeschichtlichen und technologischen Bedeutung, doch werden auch
soziologische, mythologische, kirnst- und religionsgoschichtlicho Themata berücksichtigt, soweit
sie zur Erklärung von Museumssammlangen beizutragen geeignet sind.
\ - i 4 -f
Die Mitarbeiter erhalten 25 Sonderabzüge.
Redaktionelle Sendungen, Zuschriften und Anfragen sind zu richten an den Redakteur
Professor Br. Alfred Maaß, Berlin W 10, Tiergartenstraße 18 o.
i.
2.
3.
4.
Bisher erschienene
BEIHEFTE
Sprichwörter und Lieder aus der Gegend von Tnrfaa. Mit einer dort aufgenommenen
Wörterliste von Albert von Le Coq. Mit 1 Tafel. [100 S.] 1911.
Die Wagogo. Ethnographische Skizze eines ostafrikanischen Bantustammes von Heinrich
Claus, Stabsarzt im Infanterie-Regiment Nr. 48, früher in der Kaiserlichen Schutz-
truppe für Deutsch-Ostafrika. Mit 103 Abbildungen. [IV u. 72 S.J 1911,
Die Goldgewichte von Asante (Westafrika). Eine ethnologische Studie von Rudolf
Zeller. Mit 21 Tafeln, [IV u. 77 S.] 1812.
Mitteilungen über die Besiedelung des Kilimandscharo durch die Dschagga und
deren Geschichte. Von Job. Schanz. [IV u. 56 S.] 1912.
5. Original Odzibwe-1 exts. With English Translation, Notes and Vocabulary collected and
published by J, x. B. de■ Josselin de Jong, Consorvator at the State Museum
of Ethnography, Leiden. [IV u. 54 S.J 1912.
6. Ein Beitrag zur Ethnologie von Bougaiuville und Buka mit spezieller Berück-
sichtigung der Nasioi. Von Ernst Frizzi. [56 S.] 1914.
7 Ein Beitrag zur Kenntnis der Trutzwaifen der Indonesier, Südseevölker und Indianer.
Von Hauptmann a. D, Dr. G. Friederici. [78 S.J 1915.
8, Die Banjangi. Von F. Staschowski. Überarbeitet und herausgegeben von Prof.
B, Ankermann. [66 S.J 1917.
BAESSLER-ARCHIV
BEITRÄGE ZUR VÖLKERKUNDE
HERAUSGEGEBEN AUS DEM ERWERBUNGSFOND DES
STAATLICHEN MUSEUMS FÜR VÖLKERKUNDE
UNTER MITWIRKUNG DER DIREKTOREN DER ETHNOLOGI-
SCHEN ABTEILUNGEN DES STAATLICHEN MUSEUMS FÜR
VÖLKERKUNDE IN BERLIN. REDIGIERT VON
ALFRED MAASS
BAND VIII
MIT 32 FIGUREN IM TEXT UND 9 TAFELN (NACHTRAG ZU BAND VII)
BERLIN 1923-24
VERLAG VON DIETRICH REIMER (ERNST VOHSEN)
INHALTS VERZEICHNIS
Seite
August Eichhorn, Die Waschambaa IV (Schluß). Mit 34 Fig.
im Text (Fig. 281—314)............................1—53
Oberleutnant Bachmann,f Mitteilungen über den Labi-Kult der 54—59
Mandscliiavölker......................., . . . 60—61
Bücherb espre-chungen..................................62
ßücbereingänge.........................................63 — 71
Tafel-Verzeichnis
Tafel I—IX enthaltend die Figuren 201 —280 zu dem im Band VII
erschienenen Teil III, die Waschambaa, gehörend
Alle Rechte, einschließlich des Übersetzungsrechts, Vorbehalten.
Druck von J. J. Augustin in Glückstadt und Hamburg.
BEITRÄGE ZUR KENNTNIS DER WASCHAMBAA
[V.1
NACH HINTERLASSENEN AUFZEICHNUNGEN VON
A. Karasek
HERAUSGEGEBEN VON AUGUST EICHHORN
Erziehung.
Die Kinder erheischen um der gefährlichen Folgen mancher Unarten willen eine ganz besondere Aufsicht. Schlägt
ein Knabe im Geheimen einen großen Frosch, schembumi, tot, so stellt sich alsbald bei ihm heftiges Leibweh ein; dieses
Übel kann die Mutter einzig durch eine tüchtige Tracht Prügel bannen. Zu dem Zwecke ist aber nötig, daß irgend
Jemand sie von der Missetat ihres Kindes in Kenntnis setzt.
Hat ein Knabe eine Eidechse, die auf einer Hauswand herumkletterte, getötet, so verfällt er der Krankheit
lukongolo Das alleinige Gegenmittel sind auch hier Schläge, anderenfalls würde die Krankheit Jahre hindurch dauern.
Die Nachbarn sind neben den Eltern auf ein derartiges Vergehen gegen Tiere sehr achtsam.
Wird das an Bächen lebende Tier khalangango von einem Kinde aus Mutwillen getötet, so ist ununterbrochener
Regen die Folge, der erst nachläßt, wenn der Tierkörper total verfault und nur die Knochen übrig geh leben sind.
Wenn ein Knabe vor Hunger oder aus Unverstand eine Nacktschnecke, kozwe, in den Mund gesteckt hat, so
müssen zahllose Ausspülungen vorgenommen werden. Erwischt ein Kind einen Tausendfuß, jongolo, und führt das
schwarze Untier zu Munde, wehe, wenn die Mutter nicht eilends hinzuspringt und dem Kleinen das gefährliche Insekt
entreißt! Sein Schicksal würde fürchterliche Häßlichkeit, besonders ein stark verzerrter Mund sein, oder ein bösartiger
Ausschlag auf den Lippen. Eine gute Mutter aber nimmt dem Kinde den Tausendfuß nicht bloß weg, sondern verzehrt
schleunigst den Rest des zum Teil schon verspeisten Tieres. Eine Rabenmutter unterläßt diese Vorsichtsmaßregel;
sie sieht man deshalb als eine böse Zauberin an, von ihrem Manne hat sie fortgesetzt Prügel zu erwarten und ihre ganze
Verwandtschaft flucht ihr. , .
Sobald die Knaben in das Pubertätsalter, etwa vom achten bis zum zehnten Lebensjahre, emtreten, beginnen die
Flegeljahre Laßt den Jungen sich austoben“, denken die Eitern und drücken seinen Jugendsünden gegenüber ge-
wöhnlich beide Augen zu. Anders verhalten sie sich den herangereiften Mädchen gegenüber; da gilt es sehr wachsam
sein, sobald die erste Menstruation eingetreten ist, und vorsichtige Eltern denken nunmehr an schleunigste Verheiratung.
In dieser Zeit des Pubertätsalters weiht man die Jugend m die Mysterien des Geschlechtslebens ein; man verfolgt
dabei den Zweck, so auch beim galo-Feste, der Feier der Mannbarkeit, die sich regenden sexuellen Triebe durch strenge
Zucht nach Möglichkeit niederzuhalten.
Wenn ein Jüngling in geschlechtlichem Verkehre mit einer Witwe steht, so machen ihm seine Eltern schwerlich
Vorwürfe, vorausgesetzt, daß seine Gesundheit keinen Schaden leidet. Verkehrt er intim mit einer Frau, deren Ehe-
mann lebt, so läuft er ständig Gefahr, für sein Vergehen drei Ziegen zahlen zu müssen, und seine Eltern, zumal die
Mutter, läßt es aus letzterem Grunde an häufigen, eindringlichen Moralpredigten nicht fehlen. Solche eine mütterliche
Drohrede lautet z. B.: „Du, verlasse mein Haus! Du bist mein Sohn nicht mehr! Geh, ich will dich nicht mehr sehen!
Ich habe gehört, du hast der Frau des X zwei Pesa und eine Scheibe Tabak gegeben. Ist das vielleicht nicht wahr ?!
Warte nur! Drei Ziegen wirst du bezahlen müssen. Wenn ich dich mit der Frau des X noch einmal sehe, dann werde
ich selbst dich zum Akida bringen, werde ihm den Stock schneiden und zuschauen, wie du 25 bekommst.. Vorher aber
haue ich dich erst durch, daß dir die Lust zu solchem Treiben vergeht. Wenn du eine Frau willst, dann suche dir eine
die keinen Mann hat !“
Wenn ein Sohn eine Reise nach einer Stadt an der Küste antritt, so gibt ihm die Mutter den Rat: „Verkehre mit
den dortigen Weibern nicht! Wenn du krank zurückkommst, so werde ich lachen, selbst wenn du stirbst
Wie es ein junger Mschambaa in seinen Flegeljahren treibt, davon erzählt Karasek ein selbsterlebtes Beispiel
Wegen seiner Rauferei mit seinen Kameraden schalt den Burschen seine Mutter; als er heimkam, setzte es Prügel
In seiner Wut zerschlug er der Mutter zwei Tontöpfe. Die Mutter schloß ihn nun in der Hütte ein und ging zum
Wasserholen • er ergriff seines Vaters Schwert und hieb wie ein Besessener auf die Tür; nach der Mutter schleuderte
er einen Stein und zerschmetterte ihr den Wassertopf auf dem Kopfe. Seine Schwester schalt: „Das werde ich dem
Vater sagen! Du hörst nicht auf die Mutter!“ Da nahm der Flegel ein Messer und schnitt seine Schwester in die
Hand; dann aber lief er von Hause weg und zwei Freunde mit ihm. Als nach zwei Tagen ihn der Hunger quälte
1 Teil I erschien im Bässler-Archiv Bd. I, Heft 4 und 5, 1911. Bd. VII, 1918-22. Die in Bd. VII fehlenden Figuren 201-280
Teil II ebenda, Bd. III, Heft 2 und 3, 1912. Teil III, ebenda, finden sich als Tafel 1-9 am Ende dieses VIII. Bds.
1*
4
A. KARASEK
kehrte er ins Dorf zurück und schlich sich in die Hütte; dort schnitt er einer Ziege alle vier Beine ab und wollte sie am
Feuer rösten. Als sein Vater kam, die Ziege sah und mm seinen Speer ergriff, war flugs der Sohn aus der Hütte heraus
und im Gebüsch verschwunden. Während ihm sein Vater dort noch nachspürte, hatte er sich wieder in die Hütte
geschlichen, hatte zwei Hähne dort totgeschlagen und war mit ihnen zu seinem Onkel im Nachbarort geflohen. Als
sein Vater davon erfuhr, versuchte er vergeblich, den Übeltäter ausgeliefert zu erhalten. Kurze Zeit hernach wurde
dieser aber auch seinem Onkel mißliebig, schlug ihm seinen schönsten Hahn mit einem Knüttel tot und lief dann seinem
Heimatsdorfe wieder zu. Unterwegs traf er einige Freunde; sie überfielen ein Mädchen und schnitten ihr die Klitoris
ab. Daheim, es war Ab nd geworden, stahl er das Essen und warf in alle Töpfe mit Speisen Sand. Man meinte im
Dorfe, der junge Mann sei besessen, sei krank. — Jahre sind seitdem vergangen; jener jugendliche Taugenichts ist
heute, so betont Karasek, ein „Muster von Sittsamkeit“ undein braver Sohn.
Feste der Jünglinge.
Das Großjährigkeitsfest
heißt bei den Waschambaa alama, bei den Bondei galo. In West-Usambara bürgert sich mehr und mehr der Name
galo ein.
Dieses Fest ist bei den Wakilindi nur ein Glied in einer Kette von Festen, denn bei ihnen folgen galo, schiga und
ulifi ohne Unterbrechung aufeinander, während die Waschambaa jedes dieser Feste besonders begehen.
Ferner ist bei den Wakilindi den Mädchen die Teilnahme am galo-Fest gestattet; bei den Waschambaa dürfen
nur die Knaben sich beteiligen.
Zu diesem sogenannten Großjährigkeitsfeste, das gleich allen Festlichkeiten nach der Haupternte abgehalten
wird, weil dann an Lebensmitteln kein Mangel, Mais in Menge vorhanden und wenig Feldarbeit zu leisten ist, werden
oft auch kleine Knaben, insofern sie beschnitten sind, zugelassen.
Am galo-Feste müssen alle Jünglinge ohne Ausnahme teilnehmen; Dispens gibt es unter keinen Umständen.
Aufschub ist möglich, wenn z. B. plötzlich ein Todesfall in der Familie eingetreten ist. Der Jüngling hat sich dann
an einem fremden galo-Feste zu beteiligen; in diesem Falle ist sein etwaiger Stiefvater zur Zahlung einer Ziege an
diejenigen jungen Leute verpflichtet, die seinen Sohn in ihren Bund aufnahmen.
Knaben, die galo noch nicht mitgemacht haben, heißen khoumbe.
Jedem männlichen Teilnehmer werden beim galo zwei Beihen paralleler Schnitte auf den Armen beigebracht;
bei den Mädchen unterbleibt dieses Abzeichen, doch soll es früher in Wuga gebräuchlich gewesen sein.
Was den Verlauf dieses Festes im einzelnen anlangt, so beginnt es mit uschunguzi. Alle Festteilnehmer rasieren
sich den Kopf und lassen nur ein kleines Haar schöpf chen auf dem Scheitel stehen. Dann findet ein Kochen um die
Wette statt.
Die Jünglinge begeben sich nach dem Festhaus. Hier erwartet jeden seine Tante; sie sitzt mit ausgestreckten
Beinen auf einem niedrigen Stühlchen, ist unbekleidet und hat nur einen Lappen zwischen ihren Oberschenkeln durch-
gezogen. Neben ihr steht ein Körbchen mit ausgelösten kungu-Samen. Nach und nach finden sich die Verwandten
ein; sind sie vollzählig erschienen, so zerkaut die Tante sowie der erste der nackten Jünglinge, der sich mit ihr zuge-
wandtem Gesicht rittlings mit gespreizten Beinen auf ihre Oberschenkel setzt, kungu-Samen; beide spucken dann
den Brei in die Hände und reiben sich gegenseitig unter Beibehaltung der bisherigen Stellung den Rücken ein; dabei
sprechen sie; „Ich reibe meinem Liebchen den Rücken“.
Während dieses Aktes stoßen die hei umstehenden Frauen durchdringendes gele-gele-Geschrei aus und die nackten
Jünglinge eilen hernach, wenn jeder einzelne vorgenannte Prozedur durchgemacht hat, ins Jünglingshaus, das,
bez. dessen Anbau sie bis zum Schluß des galo-Festes bewohnen müssen.
In der Frühe des zweiten Festtags ruft der \ ater, dessen Söhne am galo-Feste teilnehmen, seine Freunde herbei,
um mit ihrer Hilfe die lukinga, auch schascha genannt, die Hütte, in der die Jünglinge bis auf weiteres wohnen sollen,
zu erbauen. Lukinga wird entweder innerhalb des Dorfes, wenn keine Dorf-muiko es ausdrücklich verbieten, als ein
Anbau am Jünglingshause, mbueni, und zwar an der der Tür gegenüberliegenden Schmalseite errichtet ; oder es wird,
was aber nur selten vorkommt, außerhalb des Dorfes in der Nähe des Jumbengehöftes, kilambo, erbaut.
In jedem Falle ist der Bau klein; vorgeschrieben ist banda-Form und Herstellung aus schage, trockenen Bananen-
blättern; ferner vollständige Fertigstellung des Baues vor Sonnenuntergang.
Am Abend kommt, wenn irgend möglich, der älteste Mann aus dem Dorfe mit einigen alten Frauen zum kuloga
njumba, '„um das Haus schrecklich zu machen“. Mit lukoa, weißem Tone, mit roter Erde und Ruß, maschizi, ziehen
sie längs der Wände der lukinda, bezw. des Jünglinghauses, je einen Strich.
Aufgabe der Frauen ist an jenem zweiten Tage, siku ya utwe, die Bereitung von Zuckerrohrwein. Ferner gehen
emige kungwi und alte Männer gleich nach Sonnenaufgang in den Busch, suchen eine schattige Stelle, reinigen sie
Von Lohern Gras und bauen hier ein pungwi, ein Grashäuschen.
Der dritte Tag bricht an. In der Morgenfrühe schlagen die Alten im Dorfe Lärm; die kungwi raten den Jüng-
Mitt*1 ”'ka^ uns flüchten!“ Alles eilt wie rasend von dannen; allmählich wird die Horde müde und kehrt um die
agszeit auf Rat der kungwi wieder um; auf dem Heimwege wird ein Fußpfad passiert, der zu dem pungwi führt.
BEITRÄGE ZUR KENNTNIS DER WASCHAMBAA 5
Hier haben sich inzwischen die männlichen Anverwandten versammelt; pombe und Essen sind herbeigeschafft.
Ein Jüngling nach dem andern hat nun das pungwi zu betreten; dabei hält ihm sein kungwi die Augen zu und, ehe
sein Schützling sich dessen versieht, sind ihm auf dem einen Oberarm acht, auf dem andern sieben parallele Schnitt-
wunden beigebracht und flugs ist er zur Hütte wieder hinausgeschoben. Wer die Schnitte machte, weiß der Betroffene
nicht; oft hört man die Leute später sagen; Ein Vogel war es. In Wirklichkeit bringt ein bestimmter Zauberer mittelst
einer sehr scharfen Pfeilspitze die Schnitte bei.
Sobald sämtliche Knaben in dieser Weise gekennzeichnet worden sind, bestreichen sie ihre Wunden mit weißem
Lehm- dann sprechen sie mit ihren Vätern dem Essen tüchtig zu.
Indessen wird ein Mann mit der Botschaft ins Dorf gesandt: „Frauen schließt die Häuser!
Mädchen versteckt euch! Es kommen die Wall.“ Man ist nämlich der Meinung, daß, wenn
Frauen die Wunden sehen, die Heilung sich verzögert; wenn aber gar eine Frau mit dem
bösen Blick behaftet ist, kann es schwere Entzündungen geben
Die Väter schlagen grüne Zweige von den Bäumen und jeder halt new» emo Art Baldachin
über seinen Sohn; ganz langsam bewegt sich die Prozession dem Dorfe zu. Erst wenn sämt-
liche Jünglinge im lukinda untergebracht worden sind, dürfen die Frauen die Huttenturen
„ , ta uraßp betreten Die Väter und die kungwi gehen nun noch em-
wieder öffnen und die Dorfstraße betreten, ul & ь
ьг- ъ den y0gel, der die Wunden schlug, in die Wildnis zu geleiten,
mal in den Busch, um angebiicn neu v & > ,, . tj„, ,
Von diesem Vogel erzählt man sich, daß er große rote Augen habe und in einer Hohle
wohl. Wenn eine Frau ihn erblickt, so bleibt sie kinderlos; sieht ihn ein Knabe, der noch
nicht am ealo-Feste teilgenommen hat, so muß er umkommen.
Die Knaben West-Usambaras glauben fest an die Existenz des ndegi ya manko und an
seine geheimnisvolle Fähigkeit, Wunden zu schlagen. Die Jünglinge Ost-Usambaras wissen,
daß der Zauberer gtüok We|s nach seinem Heimatsdorfe zu begleiten. Bei
der lückkIr in deT e^nen Ort versichern die Männer ihren Frauen und Söhnen: Wir
‘"“vieltenllsiagTbegeben sich die Knaben in den Busch und fertigen sich hier eine
-r n irlnnff an Aus trocknen Bananenblattern stellt sich jeder einen Wulst,
ZTuTher der einem Rettungsringe ähnlich sieht und den er sich um die Hüften legt.
K P i ,4ala zu dessen Anfertigung der Bast vom muale-Baum oder in sumpfigen
,°C JLJoanvriformis benutzt wird, bedeckt die Oberschenkel. Hinten in dem kumbulu
g™ I -incin Fliegenwedel ähnlicher Schopf, den man muengo nennt, wenn ihn die Knaben
aus dem Stiel des msala-Blattes hergestellt haben, den man aber mit twiga bezeichnet, wenn
er aus Giraffenschwanzhaaren besteht. . , ,. , , „ .
Außerdem wird ein eigentümlicher Kopfschmuck, vmguh, verfertigt, den die Knaben an
den folgenden Taven wenn auch nicht ständig, tragen. Er besteht aus einer um die Stirn
geknüpften nwumo-Bastschnur, von der aus demselben Material verfertigte Fransen auf den
Hinterkopf herabhängen, deren jede durch vier kungu-Samen hindurchgezogen ist. Diese
Samen erhält nach beendeter Festfeier die Schwester oder die Braut des betreffenden Jüng-
lings* die Schnur knüpft er sich selbst als Amulett um den Hals.
' Derartig geschmückt kehren die Jünglinge am Mittag in das Dorf zurück. Ihre frühere
Kleidung wird nun entweder ins Elternhaus gebracht und dort für später aufbewahrt oder
zu ehörige kungwi erhält sie geschenkt. Singend findet sich die Schar im Jünglingshause
wieder ein- den Hungrigen schicken die sorgsamen Mütter durch die kungwi Nahrung. Am Abend führen die galo-
Knaben vor den Häusern der Eltern Tänze auf und erhalten zum Lohne von ihren Müttern Brennholz zur nächt-
lichen Feuerung.
ln der Frühe des fünften Tages bemalen sich die Knaben den ganzen Körper mit weißem Lehm, lukoa, und nehmen
dann Holzschwerter, golwa, in die Hände, Diese Schwerter sind aus mittelhartem, gellbraunen Holze geschnitzt;
bei manchen endet mit Bezug auf ndegi ya mariko der Griff in Gestalt eines Vogelkopfes. Hin und wieder sind die
Schwertseiten mit Schnitzereien, die meistens eingeschachtelte Rechtecke darstellen, verziert (Fig. 281. 282).
Die so geschmückten Jünglinge ordnen sich dann zu einem Zug. Trommler gehen mit. Die benachbarten
. werden heimgesucht und dabei die weiter unten angegebenen Lieder gesungen. Von Verwandten und Be-
1)0141 U verden die Besucher reichlich beschenkt; die Frauen geben Perlen, Hühner, Eier, Geld. Mancher Jumbe
kann en ^ дт Apend kehrt die Gesellschaft heim, veranstaltet noch einen Tanz vor den Hütten der Eltern
unTerbettelt sich auf die Weise noch ein wenig kuni. Hernach werden sämtliche Geschenke untereinander verteilt
Vierzehn volle Tage währt dieses Treiben (kukina).
Einige der Lieder, welche von den Jünglingen bei ihren Besuchen der Nachbardörfer gesungen werden, lauteten:
1 In Mlunguj :•
Wabanga uwiwu wa sasa ulekeny buana Illich azaaga sila ugono kwa Makisi. Maschindei kwa kwela Mzungu
akima muandiko.
Eig. 281. Fig. 282.
6
A. KARASEK
2. ebendaselbst:
Digo nkaita kulaga ñama kwatulika schindo wa gombeka witana wasitaka wagombela wiakudja ehe muaja
wagombela wiakudja. Tengenesa simambo kondo nane.
3. ebendaselbst:
Masingano, Masingano muenetu Masingano nakulomba walemela utamuilwa nyny nyhilwa ny schedja mto.
Kizungu kuna mambo. tengenesa muenetu Masingano. he uñumba ny Mlungu. nane muenetu Masingano. eh
uñumba ny mlungu. kweli muenetu Masingano. ehe uñumba ny mlungu.
4. ebendaselbst:
Wabanga muegole walemela kudumka tyli mbili nyntoa mbugi tumbili ngeni kanymaña mkuazu mba ja ja ja
ho mame, ja ja ja ehe ho mame! ja ja ja ehe tumbolany kongo tyte kwetu kaja hadodo ha dodo — malukongo kazua
kagenda kaja. Marne nane tymile ndyma zangu-malukongo kazua kagenda kaja.
5. ebendaselbst;
Lukelegele lua Mandschano he natakutoa lukunga kaamba nykondo nitymile nagela kifali nagela mbuene wana
mbogo tschimala singwa ny singwa dybewa e kawaile hale wabuanga nyna tundilo mylawa kwada na zikha schuke
ja nyletela Sozi eh kany tanuili (?).
6. ebendaselbst:
Kisingi tschibula tunga úsalo nybule kwa jambi na gelekwa tymba mbili za usalu usalu usila sala wali wa Mlunguj
nymakuli maginga. kaj amaña ukala wapasi tykuunda kudeleka. akida Palamba kanyka Mlango uiawa mue koba
eh Palamba kauscha schuke ja kifua.
7. ebendaselbst:
Buana mkubwa nyka mzigi nylagule schango ndaj kwa dydyma muaja he mwynany muaja he sango dyna mahesa.
msindyma eh wanakanga ndegi magila zumbe ni nju naikale peho itschokische tschakwe tschainga tscha mpelu.
8. ebendaselbst.
Kizuamu kakoma tohe nenygende nykamkaule oh le le akida afuluka ehe he kwa kalo tinguse akida ehe he nangala
wiga täte kanykunda. nygale salamu kwe nilala.
9. in Nguluj;
Mite kwe putu kadole namua kuna zama di mtange tange.
10. ebendaselbst;
Naguila sige na mkwangu dyngala.
11. ebendaselbst.
Muedy bindu muña muana pelu kamna se kamna inukaja ina sangalawe nykany kakingo nitandike.
12. ebendaselbst:
Tambo jangu jedy nja Ngulu nyzaikwa mbuzi na mkoa ny schity.
13. ebendaselbst:
Ija ija ndele kulu Makujuny nyka dykombole nany sina ngombe.
14. ebendaselbst;
Kwela kalina kamguza nane.
15. ebendaselbst;
Kinga tschangu ni mamtschatschali tschanyletela wyedy eh kindu msapia ungo. tilawa kwada muana goto
wabaga baga nenkwele mueñumba kolongo djina kwekaja.
16. ebendaselbst.
Msindima nemkitwanga ma ñany ja talamuka muedy kolongo na idi bindu jangu nyda mkingu. naata kukingula.
17. ebendaselbst:
Batscha, batscha mkumbukwa kanygela sone.
18. ebendaselbst:
Msindyke syndyna ñuma muena betu oh nisindyke syndy na ñuma.
19. ebendaselbst:
Mame negelo kimañize kuty kuna ngaso madewu kiasa kaja.
20. ebendaselbst;
Khany kakungu wa mame nalyzwa lyzwa nymahuty kaja, marusiña pomoko kangila newykagone kwany nagüa
kifali na gela mbuewe muana mbogo tschimala.
21. ebendaselbst;
Papale zanygela ngendo nenka nysiña koumymaña na mañwa ny kungwi nagamba nylamse wuana nekala Inhale,
he kadumula.
22. ebendaselbst:
Komana kondo komana Wamasai wabula komana kondo komana ehe komana.
23. ebendaselbst:
k ^Memela lunguno hinane kunyngwa. za jambe zatemelwa kwa Sekuda nalemela lunguno ehe muaja he zatemelwa
a Seku¿a nialemela lunguno ehe muaja he.
BEITRÄGE ZUR KENNTNIS DER WASCHAMBAA
24. ebendaselbst:
Nalaga nyunga kwita nybaschize tamulizi ehe mschezigo nente. ehe nernangefm u-i
hanfa nyfe kwekuny na kahoja kuny za mikono kazigenda. ' ö gU mbllu maSefia msezigo
25. ebendaselbst:
Mawengelo kabula he mame tegula nungu ehe mawengelo kabula maliko nv kondn tn n
26. ebendaselbst: ramm ny kondo ho nane mahko my kondo.
Kolelwa ukaule wangu ehe kazungu kagenda ehe he.
27. ebendaselbst:
Hamdalah wanilika simba kumbe sie simba ny ngulue ja buma inn nombe ncio-plw^ , .
kalogele za kwa Mungo zata kutoa lukunga kagamba ny kondo nytymile kele gele wuana kuTumaT1111^0 kabula
28. ebendaselbst: ia Kwezua.
Izo kelegele matoa masinda ny geleko da muali umkaja matoa uhozu na mgosi kamna ho
bala bala ja mbizigwa ny wagoschi wakulu haja he he he. ho naja he ijo ngoma niuaja. he malinaa
29. ebendaselbst:
Mame okala nungu mawengelo keza wabuanga Sange kutalaza wabuanga sebo, sebo nemde Wyab j
Die Jünglinge verbleiben solange im lukinga, bis die Armwunden, oft dauert es einen Monat
Wieder ziehen dann die jungen Leute von Dorf zu Dorf, sammeln aufs neue Gaben und teilen ^ ’ Verbeilt sind-
unter sich aus. Um trocknes Holz werden jedesmal vor Einbruch der Nacht die Mütter gebeten^sie^ Jt dem Abend
Lieblingen reichlich zukommen und schicken ihnen auch durch die kungwi eine Magenstärkun1' ^ a88en 68 ibren
Allmählich rückt der Tag herbei, an dem Alle geheilt sind.
Nun leitet ulalischi, der Tag der Verständigung, die folgenden Festlichkeiten ein. An dessen Vo
die Jünglinge ihre Tänze in den benachbarten Ortschaften auf; am Nachmittage belustigen sie sich * H fÜhren
zwischen haben sich, ohne daß sie es wissen, ihre Väter aufgemacht, um den ndegi den Vog i a* ^ Dorfe‘ In~
herbeizuholen. ’ &e » • • c en Zauberer
Der nächste Tag heißt uschezi, weil an ihm die Frauen das Zuckerrohr in den Pflanzungen sei VI
holen; der folgende siku ya utwe, da an ihm das Zuckerrohr gepreßt wird. & sc neiden und heini-
Nun folgt der vierte, der große Tag, denn das pombe ist bereits vergohren: siku ya mwiga de
oder auch: mamaluka oder makazu wegen der an ihm vorgenommenen Handlungen Alle Jü p ^ 1&g des Eestes,
in die Pflanzung; vor ihnen sind schon die kungwi unter Mitnahme von rotem und woißemgLnfe, W&l1’ gehen früh
dort hinaus gewandert. Ihre Schützlinge binden sich über die sagila frische Bananenblätter und ° 'O S°W1G Von Euß
kungwi bemalt. Ist ein muali Vollwaise, so wird seine rechte Körperhälfte rot — in Erinner C " < n. dann v°n den
und die linke schwarz — zum Andenken an seine Mutter — angestrichen. Wenn nur eins der'hemom ^ater —
so wird dementsprechend nur eine Körperseite bemalt. Alle anderen wali erhalten einen weißen A™ gestorben ist,
Alsbald kommen die Mütter, Geschwister und andere weibliche Verwandte und V " " Dstncb-
Die Männer bleiben im Dorfe und essen dort. ssen und pombe mit.
Zwischen zwei und drei Uhr am Nachmittag stürzt ein Mann mit dem Rufe ins Dorf ■ T)u •
gehen diese nur bis zum Dorfeingang und hocken hier sich nieder. Ihre Schwestern und R ^ TV k°mmen!“ Loch
versuchen, den Jünglingen Stücke von der kuza abzuzupfen, doch der kungwi bemüht «inl ° i0mmen herbei; sie
er schlägt mit der golwa über die Finger. Dieses Treiben währt einig“ bk mnd KCCW,eit Zu :
kommt ein altes Weib und entfernt die makuza. Wenn sich aber ein muali vor bösem T uka satt haC dann
eigenhändig der Alten die makuza. Hierauf begeben sich die wali in die lukinva 71ir- i ‘U T furchtet> 80 reicht er
teilnehmer sich außerhalb des Dorfes belustigen. & uck’ wabrend die übrigen Fest-
Am Morgen des folgenden Tages findet kulamsa statt. Die Jüngling gehen mit m ,
vor der Türe wird ein Lied gesungen. Im Hause sind alle Verwandten und viele Freunde x ^ kUDg,W1 Elternbaus;
ebenfalls mit Gesang den heimkehrenden Jüngling. Die Anordnung der Festgenossen i ™am^elt und sie begrüßen
Seite die Männer, auf der andern die Frauen sitzen; am Ende des so entstehenden Gaules t auf der ei^n
Dieses bildet das Zielobjekt für den heimkehrenden Jüngling und seine Genossen - ie/ + ^ Huhn angebanden.
stattet. Wer diese Schießprobe, koba, milasche mkuku, gut absolviert wird seitens Z F nU‘’ T Pfeiisohnß ge-
gere, seitens der Männer durch starkes Händeklatschen ausgezeichnet. Verfehlt einer rta , 7 , ? durch lautes gere
ihn aus und spotten; „Das ist kein Mann!“ Hernach bereiten die Frauen ugali und V M ’ die Madcben
eine Ziege soll geschlachtet und getrocknetes Fleisch beschafft werden. Die Gäste und^est^'T1 e*n scbauri;
Am folgenden Morgen holen die Verwandten die Jünglinge endgültig heim
S g g beim- Damit ist das galo-Fest beendet
Schiga-Fest.
Bei den Wakilindi reiht sich unmittelbar an galo die Feier von schiga; dessen Verlauf ist der folgende- W
begeben sich die Jünglinge auf Reisen nach den benachbarten Orten. Inzwischen werden von den Alten Ber
wegen Beschaffung eines Ochsen abgehalten. cl Ullgen
A. KARASEK
Es folgen dann ulaschischi, uschezi und am dritten Tage siku ya pombe.
Beim ersten Hahnenschrei an letzterem Tage zünden die Jünglinge die lukinga an, verbrennen ihre Festkleider
und behalten nur golwa, twiga und den Kopfputz. Hernach geht es zum Baden, das allerdings dringend nottut,
haben sie doch Wochen hindurch auf dem nackten Jagdboden geschlafen und sich nie gewaschen; von der Bemalung
mit Lehm sind nur noch Schmutzflecke geblieben.
Hie Mütter, Geschwister und Bräute bringen je für ein bis zwei Rupien neue Kleider, ferner Perlenhalsbänder,
je einen Flaschenkürbis samli und einen andern voll pombe, dazu Eßwaren in Menge. Nach Vornahme der Massage
des Körpers, zu der Fett in reichstem Maße verwendet wird, werden die gesäuberten Jünglinge mit zahlreichen Perlen-
halsbändern behängt und in die neuen Tücher gehüllt. Es folgt eine tüchtige Magenstärkung.
Dann ordnet sich die Menge zu einem Zuge. Voran die Frauen, zuletzt die Jünglinge, jeder mit seinem kungwi.
Ist man in der Nähe eines Baches angelangt, so wird auf einem mitgebrachten Stühlchen etwas rote Erde mit Öl
angerührt. Jeder Jüngling bückt sich, um mit der Stirn das Gemisch zu berühren. Man nennt diese Handlung
schegiroi. Der kungwi umwickelt sein Patenkind mit neuen Tüchern und beide essen gemeinsam von den ihnen ge-
brachten Speisen.
Inzwischen ist ein Hammel oder eine Ziege geschlachtet worden; jedes korporativ erschienene Nachbardorf
erhält davon seinen entsprechenden Anteil. Manches ist nur, so sagt man, erschienen, um sich wieder einmal satt zu
essen.
Nach dieser neuen Mahlzeit schmiert jede Mutter oder Schwestei des mitfeiernden Jünglings ihn über und über
mit samli ein, so daß er wie ein in Öl gesottener Krapfen ausschaut. Dann werden ihm so viele Perlenhalsbänder
umgehängt, daß er sich unter ihrer Last beugen muß.
Aufs neue ordnet sich der Festzug. Diesmal marschieren die kungwi voran, jeder mit seinem nicht immer leichten
Patenkinde auf den Schultern; zuletzt gehen die Frauen. Die Umstehenden fangen in unflätiger Weise zu schelten
an und drohen Jünglingen und Müttern mit Stockschlägen.
Am Eingang des Dorfes kommen die Väter in langen Sätzen dem Zuge entgegengesprungen; große Messer
schwingen sie in den Händen. Der Zug drängt sich ins Dorf. Die Jünglinge werden auf den Boden niedergesetzt;
dann gehen sie einige Male im Kreise herum. Dessen Zentrum bilden die ältesten Männer des Dorfes, die die ngoma
bambo aufführen, den Rest eines vor 85—100 Jahren allgemeinen beliebt gewesenen Tanzes.
Jetzt stellt sich in die Nähe des väterlichen Hauses, dem der Jüngling entstammt, die mschungusa, nach deren
Geschlechtsteilen er aus der Entfernung von einigen Metern mit kleinen Pfeilen, umwi, die aus msasa-Stengelstücken
bestehen, mittelst eines ebenfalls aus msasa hergestellten Bogens, den er aber umgekehrt statt wie sonst halten muß,
schießt. Nur ein Schuß ist ihm gestattet, den zweiten gibt der kungwi ab. Bogen und Pfeile wurden dem Jüngling
beim schegiroi übergeben; beides zerbricht jetzt die mschungusa. Der Kreis der Zuschauer drängt nunmehr ins
Festhaus hinein, um sich hier an Essen und Trinken gütlich zu tun.
Am Abend veranstalten die älteren Leute ngoma ulezi. Um Mitternacht geht Alles schlafen.
Bei Tagesanbruch machen sich die Gäste auf den Heimweg. Unter die Jünglinge wird der aufgehobene Hinter-
schenkel des gespendeten Festtieres verteilt.
Ulifi.
Hin und wieder folgt auf schiga sofort ngoma ulifi, doch ist der Termin für diese leier in das Belieben des Ein-
zelnen gestellt. Sind die Väter der langen Feierlichkeiten müde oder brauchen sie ihre Söhne notwendig zu einer
drängenden Feldarbeit, so kann ulifi auch erst ein bis zwei Monate später stattfinden und damit die ausgedehnte
Reihe der Großjährigkeitsfeiern beschließen.
Der Gang des Festes ist einfach: Vom Abend bis zum Morgen singt der Teilnehmer mit seinem kungwi; dann ver-
speisen beide ein Huhn und selbstgekochten ugali; ehe sich dann die Dorfbewohner erheben, gehen beide baden.
Will sich ein junger Mann eine Frau nehmen, so erkundigt sich deren Vater zuerst danach, ob jener Jüngling an
galo und ulifi teilgenommen hat. Nur wenn dies der Fall ist, folgen ernstliche Verhandlungen.
Die Kinder eines Mannes, der galo nicht mitgemacht hat, werden gleich nach der Geburt getötet. In manchen
Fällen wird deshalb die Feier noch kurz vor der Heirat, zum mindetsen aber vor dem Schwangerwerden der Frau
nachgeholt.
Die Wakilindi feiern durchgängig ulifi; von den Waschambaa kennt es nur ein Teil; Waschuma (im Norden
Usambaras) begehen es nicht. Nach Angabe der Eingeborenen ist es auch den Bondei und Wasegua unbekannt.
Feste der Mädchen.
Rosa.
^ Gleich dem galo-Feste der Jünglinge gehört von den Mädchenfesten die ngoma rosa zu den am meisten besuchten
rn- Man veranstaltet sie, wenn das Mädchen zur Jungfrau wird.
, aüches Mädchen, das sich bereits stark entwickelt hat, bei dem aber die Menstruation noch nicht eingetreten ist,
deren Beginn zu beschleunigen, in den Busch, schlägt dort auf die Rinde des mkutu-Baumes (Haronga), bis
9
BEITRÄGE ZUR KENNTNIS DER WASCHAMBAA
dessen blutroter Saft heraustritt, und reibt sich damit die Geschlechtsteile ein; am nächsten Tage zupft sie die zu-
sammengeklebten Härchen mit den Fingern auseinander.
Hilft dieses Mittel den Eintritt nicht beschleunigen, so wendet man sich an den Zauberer, der auch hier nicht
verlegen ist.
In dieser Zeit der früher oder später zu erwartenden Menstruation ihrer Töchter versammeln sich die Väter
eines größeren Umkreises und veranstalten ngoma rosa. Hie Jungfrau, die dieses Fest sowie kimbissi nicht mitge-
feiert hat, wird nicht als volljährig angesehen; ein Kind, das sie gebiert, wird erbarmungslos ausgesetzt.
Schon lange vor Beginn des Festes haben die Väter umfassende Besorgungen zu machen; sechs Tage dauert
es in der Gegend von Bumbuli, eine Zeit, die dem armen Mschambaa vorher viel Kopfzerbrechen schafft, weil er oft
nicht weiß, wie er die vielen Esser befriedigen soll. Man fürchtet den Spott eines Festgastes, der es zwar nicht offen
ausspricht, aber beim Abschiede vor sich hinbrummt: „Ich komme nie wieder! Ein gemeiner Mensch! Viel Pembo
trinken bekommen und satt bin ich auch nicht geworden. Warum ladet er sich überhaupt Leute
habe ich nicht zu
ein ?“
Hen ersten Festtag nennt man ulalischi; an ihm wird die ngoma rosa endgültig beschlossen und Boten entsendet
man, die Gäste zu laden.
Am zweiten Tage, uschezi, gehen die Männer vormittags in die Pflanzung, um Zuckerrohr zu schneiden; die
Frauen kochen um die Wette. Wenn die Männer mit ihren Lasten heimkehren, dann schlachtet einer von den mit-
feiernden Vätern eine Ziege, sugo, von deren Fleisch auch die Frauen einen Teil bekommen. Was an Fleischnahrung
von der Mahlzeit der Männer an diesem Tage übrig bleibt, diesen Rest, makambo erhalten die Frauen.
Am dritten Tage, utwe, kochen und braten die Frauen von früher
Morgenstunde ab; sie verzehren das ihnen tags zuvor gespendete Fleisch,
ohne einen Bissen davon ihren
Männern abzugeben.
Ein Greis und eine Greisin
begeben sich in das makungulu,
um dieses Festhaus reinzufegen
und auf die Wände lusonga, rings-
herum laufende Striche, mit wei-
ßem Ton, mit Ruß und mit rotem
Ton zu ziehen. Hann kommen die
makungwi, Mädchen, welche die
rosa bereits hinter sich haben, um
als eine Art Patinnen bei diesem
Feste zu figurieren und ihre Schütz-
linge zu unterrichten. Hiese letz-
teren, wali, binden sich alte Tü-
cher um, nehmen dann die kleine
Fig. 283.
Fig. 284.
tutu-Trommel und ziehen unter Gesang kwe ugala ab, um trocknes Reisig zu holen. Auf einer menschenleeren
r‘P;n ^rOr-
jedes Mädchen steckt ihre Eisenarmspange in dem Boden • fu1riK, i . . . , __
Purzelbaum schlägt, packt sie die am Kopfende befindliche K t ^ ^ T* auf den Rücken und, während siT^
zu bedienen (Fig. 283). Bei diesem Kunststücke stoßen rU ^ den Zähnen> okne sich irgendwie de tt6.1110'1
gere-gere aus. Hie Mädchen ziehen hernach insHorf zurückWenn ^ 68 woh]§elingen sehen ihr rin
Augen Neugieriger. ^ ZUrUCk’ dabei Verb^ ¡«de makungwi ihren Schihzlino v n
Am vierten Tage gehen die wali in aller Frühe in die Pfi & ^ ^
- ÄtÄiÄsr asr" “'n;
nötige pombe hergestellt wird. 1&en uckerrokr heim, aus dem das für den sechsten F
Am Abend kommt ein Zaubemnnr _ , , „ • esttag
Blick usw. während dieses Festes von den MädcLTfernzThTltn undTlle^ÜM ^ 80 ffas<*ai. bösen
jetzt schon vorsorglich abzuwenden. Beide grüßen beim Betreten des Pesths ’ Tu 0inmal eintrete» könnten
nole; die Mädchen antworten: ehe. Darauf verlassen letztere das Hs' „aUSes mit den Worten: limo halimo nl ’
dasselbe mit dem Ausruf: limo halimo, alo nole eintritt. 'US’ lrend ®*n Zauberer nach dem anderen in
Ein großer nange mit pombe - im Stöpsel stecken zwei große Hahne f ,i
umwunden nekisage nennt man dies Gefäß, - wird herbeigebraebt i7 ""d 8601 Ha,s ist mit Perlenketten
eetzt Sich auf den Erdboden, nimmt den nange auf den Schoß und ruscht ein T Wlederein«etretenen Mädchen
Tig. 284); gleichzeitig singt der msamazi: mekisege segela mumuo Hza ml “ damrt um den Mittelpfahl des Hause
erwidern: eh!
Wenn bei dieser Zeremonie ein Mädchen den nekisega auf den Boden fallen u o+ n •,
iebfer t8llen laßt’ muß dem msamazi «ine Ziege
10
A. KARASEK
Sind alle lierumgerutscht, so singt der Zauberer weiter:
msamazi na Kilongolezi waletigwe ni mumelo. Nguezembe msalu kwenange nezerione djamile 6h nguezembe.
Sodann unterweist er die Mädchen im Tanzen. Dieses setzen sie, während ihre Mütter zuschauen, bis zur
Morgenfrühe fort; der Zauberer geht inzwischen schlafen.
In der Frühe des fünften Tages ziehen die makungwi, kilongolezi und die Mädchen aus dem Dorfe in den Busch,
legen ihre Tücher ab und suchen zunächst kwelombo, Colocasia-Knollen, die sie ausgraben. Sobald eine Traglast
zusammengebracht ist, bricht man auf, um in eine Zuckerrohrschamba, kwebende, zu ziehen. Hier müssen die Mäd-
chen eine recht starke Zuckerrohrstaude durchbeißen, eine nicht leichte Aufgabe, da die Rinde ungemein fest ist.
Inzwischen sammeln die makungwi zahlreiche Nacktschnecken, die sie in einer Tasche aus Bananenscheiden verwahren;
dahinein muß jedes Mädchen mit geschlossenen Augen greifen — erschrocken fährt es zurück und läuft mit Abscheu
davon. Die wegen ihrer Schleimabsonderung verabscheuten Schnecken, korve, sollen an semen virile erinnern.
Msamazi und die Väter der Mädchen gehen in den Busch und suchen ein kleinen schattigen Platz, auf dem sie eine
Ziege, mbuzi ya usanguli Pungi, schlachten. Aus deren Haut werden so viele eiförmige Stücke, kupiru, herausge-
schnitten, als sich Mädchen an dem rosa-Feste beteiligen; diese
kupiru werden bis zur kimbisi-Feier und zur pala verwahrt. Von
den Ziegendärmen zu essen, ist den wali solang», verboten, bis der
msamazi kulimbuscha die Erlaubnis wieder gibt.
Am Eingang zu jenem Platze befestigt der Zauberer zwei
Stangen, die oben mit einer Bastschnur verbunden werden; in
deren Mitte hängen zwei Bastringe (Fig. 285). Jedes Mädchen, das
dann aus dem Busch an diesen Platz kommt, ergreift einen der
Ringe und dreht sich, ehe sie den Platz betritt, an einem der
Ringe erst einmal herum.
Auf jenem Platze wird eine alte Rinderhaut ausgebreitet und
auf sie halb verwestes, ekelhaft riechendes Fleisch gelegt, auf das
eine alte Frau Wasser gießt und mit ihren schmutzigen Füßen die
Masse stampfend tritt. Auf diese Weise entsteht eine pestilenzia-
lisch riechende Brühe, von der jedes Mädchen etwas kosten muß;
die größeren hüten sich wohl, diese Flüssigkeit zu verschlucken,
sie speien sie schnell in den Busch; sieht eine Mutter oder kungwi ein kleineres Mädchen diese Brühe hinabwürgen,
so fürchtet sie mit Recht böse Folgen.
Nach dieser Kostprobe hängt die kungwi ihrer muali ein mange um, in ein trocknes Bananenblatt eingewickeltes
Salz; dieses mange wird an einem Bastfaden über der rechten Schulter an der linken Seite getragen.
Nachdem die kungwi das kupiru in Empfang genommen hat, ziehen die Mädchen in Begleitung ihrer Eitern und
Freunde zum Dorfe zurück, um sich von den Schrecknissen des Tages zu erholen. Der Abend führt die Bezeichnung
ndagilo, auch celesa (?).
Um diese Zeit kommen die zwei Frauen, die schon am Morgen auf die Suche von putu, eines feinblättrigen Grases,
ausgingen, ebenfalls in den Ort zurück. Die kungwi nehmen von dieser Last und befestigen sich das putu derart am
Kopfe, daß es in Fransen ins Gesicht herabhängt.
Auf dem Haufen Bastbananen-Schößlingen, nitambue, den die Mädchen herbeigeschafft und am Mittelpfahle
der Festhütte niedergelegt haben, tanzen dann zunächst die kungwi, die hernach das putu-Gras in einen Korb werfen,
später paarweise die Eltern der Mädchen.
Hierauf zählt einer der Väter die Bananen: eins, zwei usw. bis zehn, wo er sagt:
eh nane, ny wyale tolondo ny wyale kilimia nyjo Mulungu.
Dann gehen die Eltern zur Ruhe; die Jugend vergnügt sich bis früh mit Tanzen; jeder Bräutigam tanzt mit
seiner Braut, jede kungwi mit ihrem Manne.
Der Hauptfesttag ist der sechste, der Tag der großen ngoma. Wer von den Geladenen sich bisher nicht einfand,
erscheint nun bestimmt, jedes Dorf kommt mit seiner Trommel und seinen Musikinstrumenten angezogen.
Kurz nach Sonnenaufgang gehen die wali an den Bach, um zu baden; dann werfen sie die alten Kleider ab und
rasieren sich den Kopf; nur auf dem Hinterkopfe lassen sie einen rundlichen Schopf stehen. Um die Hüften wird ein
Wulst aus Perlenschmuck, den ihre makungwi ihnen in Menge liefern, geschlungen; über die Brust sind kreuzweise
pambavu, Reihen von weißen Perlen, und um den Hals verschiedene Perlenschnüre gelegt. Der Oberkörper bleibt
bis zu den Hüften entblößt; den Unterleib deckt dürftig ein bis zur Mitte der Oberschenkel herabhängendes altes
Inch; auf der Rückenseite hängt das in der Mitte umgebogene kupiru. Auf dem Kopfe trägt jedes Mädchen einen
kleinen neuen Korb mit kungu-Samen.
^ So bekleidet ordnen sich die Mädchen, neben denen ihre kungwi gehen, zum lestzuge. Langsam zieht er unter
lUsang nach dem Dorfe hin; die Alten kommen mit dem msamazi, der eins seiner Lieder singt, dem Zuge entgegen.
H°rfe schlagen zwei besonders geschickte Trommler die große und die kleine ngoma ya twikiro. Dem anlangenden
eh,L/|nge eilen Väter und Mütter entgegen, sie springen dabei herum und fuchteln mit Stöcken und Messern.
n der Mitte des Dorfplatzes ist inzwischen eine riesengroße, kräftige Zuckerrobrstaude in den Erdboden gegraben
BEITRAGE ZUR KENNTNIS DER WA SCH AMR AA
worden; sie wird vom Festzuge mehreremale umkreist; sobald der Kreis kleiner geworden ist und die Versammelten
dicht zusammenstehen, packt die „Menge“ ein Mädchen, das bereits das rosa-Fest mitgemacht hat und diesmal 1 •
kungwi fungiert, makungwi mada, und hebt es in die Höhe; dabei wackelt diese Jungfrau stark mit dem Hintertel 8
das Volk sieht ihre Brüste und ihre sonstige körperliche Beschaffenheit, die sie für ihre künftigen Aufgaben wohT ^
eignet erscheinen läßt. In gleicher Weise werden alle Mädchen sowie die Festteilnehmerinnen, die ngnoma rosa ncfch
nicht begangen haben, emporgehoben; manche von ihnen befindet sich in gravidem Zustande; letztere binden ^ich
die Brüste mit einem Tuche fest. Beim Emporheben reißt jedes Mädchen ein Zuckerrohrblatt’ab und reicht es der
kihongolezi.
Wenn derart die öffentliche Schau der rosa-Teilnehmerinnen stattfindet, brüllt die Volksmenge vor Vergnü en
singt und plärrt, schwenkt mit Stöcken und drängt heran, um das hochgehaltene Mädchen genau zu besehen - nament*
lieh die jungen Männer tuen sich dabei hervor, denn sie können hier ihre Verlobte in einer Entblößung sehen wie '
erst nach der Hochzeit wieder gestattet ist. Während diese keuchend ausrufen: a tschemke a tschemke schreien
die Väter der Mädchen: ho ngombe ingila, ho ngombe; sie freuen sich, daß es nicht mehr lang dauern kann bis die
Kuh, ngombe ya ukwe, welche nach der Erstgeburt der Schwiegersohn an den Schwiegervater zu zahlen hat "1
gebracht wird. ' 1 men
Sobald alle Mädchen der Reihe nach emporgehoben worden sind, wirft man die Zuckerrohrstaude um und
hackt sie in viele kleine Stücke; jede makungwi bemüht sich, ein Teilchen zu erwischen, um es an einer unbeobachteten
Stelle in Ruhe zu verzehren.
Väter und Mütter tanzen dann gala. Die alten Frauen zünden ein Feuer an und braten sich einen Ziegenhals
und Bananen. Dann stellen sich alle Männer in einen großen Kreis; innerhalb desselben hocken die Mädchen in einer
Reihe. Eine alte Frau kommt und schwenkt ihre Beine über die wali, wobei letztere züchtig zu Boden sehen müssen'
Dann kleidet sich jedes Mädchen wie gewöhnlich an und nimmt an der allgemeinen Festfreude teil. Vor dem Dorfo
bilden sich Gruppen, tanzen und singen tandaro-Lieder, von denen Karasek folgende vierzehn, die in Mlunguj Bum
buli und Manga vorgetragen wurden, aufgezeichnet hat.
I. Mlunguj.
Darekube monelwa mina hajani hajani goma jangu muiwine ehe! ehe! kwa kalo muo nani tiona
Muuzeni Malimu na Lugulu. mda wa Sekiñasi mugela akili Mzungu ajhilwa Malimu azafungwa Jo ^ ^aj0na
Sekuda. eh eeh! hangwe mkaa zangu talemana maja, eh, eh. wada Wabondeni mabaja sangusan^K^T^-- ^
Matschemba, tiwa kome. Kimueri asema Wabondei wasche wabaja. Sasa nentunge Segere dja winila I) J1Gnde
2. Mlunguj.
Kwa Semkambire kuna mgoschi ni mgobo kapisa lukono kono kalusia djita tambo djikiza kuja djamuuza mkaziwe
kaa zangu Wangara milomo iwi nim iwi. Leka kuniuza. buana ni täte, kikundiza soni täte, naikala nalekaña
mulu mangu nisugusa mazi kuni kele.
3. Mlunguj.
Bungii kuna mbuanga di ambigwa Zajumba, mkulu iwa wira. Zajumba kufaña tegusi mbili. Zajumba un-i
simbo. muingano kapisa. hao uwene muingano kapisa. mke mkulu diambwa Mamsenga Muana Msenga, Mamsenge
ni pande dja muezi khakisa kutschelelwa Muana iwe umbaja. Ijo haj mama. Zajumbe kumbwanga. ali umbuange
hita Wugiri kague tschampeni tscha rupia nane, Tegusi wTiigosole, jo, hai Mama.
4. Mlunguj.
Wamlingano muaja muabaja ha je je negalany tóbala nikakome wisila jo ho mame Hamdalak kasema eh wuene
Warn!ingano wabajo nigalae muangu kwa fundi nanke Msambala.
Mamtogola kihngo munzem kapunga mkaza diliwa kilango tschakwe tschimhmh 1 i
plende lusche m bwana mkubwa mingano kabisa. kipele pele tschamkoma ja maka " iT° “ MzUngu ana^-
ukeza kwiwa wasikia lugelegele Mlumeo kategula jo hej mame. J J mtako nako genda ukazoeie
6. Mlunguj.
Kwa Kalo kuna mdele agambigwa O’mlugu panga muana Sekiñascbi •
Buambara makalelo unasala jo hey mame. ‘ na lwe mbaÍa llaty nilugata luambigwa
Ukiwae eh! ehe ukiwa nindima ehé e nejkejkale kwany ukiwa nv kitu tí i u
wamba umkiwa dukane. nite Mdjaila kwa muana Mandaro — hana muan ^ Umum° nailke mgosi mezio akik-
wosepia niwuanane tambo ya Usegula kiikwa mikeka miili kagonea na^gola^ klfua' kana niuana wa mgongo
dei soimkaule kizegula. jo he mama je je tsehamalango kodaliwa kana adabu watif ^ ng°mbe ^abon-
8. Bumbuli.
Sengenge na Mkabala walume mkulu nindaj Mkuli ni Sengenoe ma^iD f
wanguheneny muaja. eh namgoda kungwi kanj a. Kamaña Mdatschi na Sfgenge 0 fasüi ^ike mojo
nijume kusima wa mami zao nikama iwi wabondei kumne niwakina kalekw ndugu mwana mtala. tatyjao
vwa. Hamdalah halabika. mnezí
nmme
12
A. KARASEK
tasanga kajdy, hamsala hamsini na kody tyawja baruti agamba njite na bomany, nguwa ni kulumuno wadatschi
wana guwu. o je je mlingano ehe maja tate eh nimasa jahukomilwa bomany.
9. Manga (Tuta),
Lupatu na Nguatu wagombela Muangumia güilo mueñe wyele nyani oh kamuiize Mambnla. Mambuia
nilahila massa jangu na kwambia ntende tate kaidy toa wyjele. Kizajumba je je oe bagala muenda kamue. ja ehe
muana Selupanga.
10. Bumbuli.
O mali o mali mangidy konganani tingile Potwe, Potwe kwa Buana Sekonde sasa akima mlingoti Sega udamlingati
wa buana Hamdalah, sasa ni buana mkubwa Usambala. jo maja. Kilimeny mame halima lima muana wenu ana
Pepo mbuju kaikunda wagosi Kajungo ñipa kupe. eh mtindo wa Dalisalam.
11. Mlunguj.
Kwa Madanga kuna mwyele milundy ja muenga kibuluta ifu damuenga nikinunge nunge kana Mkumbulu.
mafunda ja muenga kana muana mswiswiga jo haj mama. Oje je 'emgano je je haese talemana muaja kulumbiza
tschamalango kadaliwa kana akili na watu.
12. Mlunguj.
Mgossi da mtalañ umba zakwe ni mbili ñumba muenga kajkunda kaenda güilo kagula kañama kakapanga fungu
mbiii fungu muenga kajkuza, juda akundae kalongola jeje fungu kulu kajdola katumamanae kañama aka kajgale kwe
iso mulu mangu atykunikunda nigala kwetu nikalonde dy buanga eze dy nifae walume ukeza kwiwa wasikia lugelegele
mlumeo kategula. jo hei mame.
13. Mlunguj.
Kihele hele kimuleka kuhe kafutwa melugogo mueziwe maguluka oh je je mlingano maja wene tate se wamlingano
mabaja makomela mahiza mtana tate se eh nane kuna gumbo mdaambua segese mlamba Semoja Mguña mlinga
kaike mazi.
14. Mlunguj.
Mtambala tyasse koma tyasse Mlungu, Mzimu wa Danga nengone tongo neikala na wika wekufa kawanja, kakoko
muenda güilo kuna mehuanda kakosa luhanda mzigo kunja nao memkono una pande, jo hej mama, leka ny wyny-
le wuana ue jangu wangu mueñe wanisinda Semombwe nyukiwa una mambo Zumbe muedady mbuanga mkulu
kadola wyele mtui nylutschokolo pula jakwe kana pula ja dalu mescho jakwe kajatama jo hei mame, makihedu
uwyazi wassingima kankema kondo jo hei mama.
Kimbisi.
Dem Fest der Beschneidung bei den Knaben, malikoakaja, entspricht bei den Mädchen die Feier der eingetretenen
Pubertät, kimbisi, die nach der erfolgten ersten Menstruation veranstaltet wird.
Wie bei allen Festen folgt auch hier nach ulalischi das usohezi und am dritten Tage die eigentliche Festfeier, utwe.
Zunächst begeben sich die Mädchen ohne jedes Kleidungsstück in das Jünglingshaus, mbueni, aus dem sie einen
Feuerbrand nehmen und damit in die Pflanzung flüchten, wohin ihnen ihre makungwi folgen. Hier kochen die Jung-
frauen — viele von ihnen sind bereits defloriert — Bananen, graben einige junge Bananenschößlinge aus und ziehen
dann unter Gesang und beim Klange der kleinen tutu-Trommel in das Dorf zurück.
Vor dem Orte haben sich inzwischen die Frauen und alle die Mädchen, die kimbisi schon hinter sich haben, ver-
sammelt; die große tutu wird geschlagen. Die nackten Jungfrauen werden von ihren Verwandten umringt und so den
neugierigen Blicken der Jünglinge entzogen; jene singen: kikoko kihokela wageni, kikoko kokoja mhei oe! Dann
ziehen sie in das Festhaus und tanzen hier bis zum nächsten Morgen.
Am vierten Festtage bindet sich jedes Mädchen ein Tuch um, das sie um die Hüften schlingt und zwischen den
Beinen durchzieht. Zwei alte Frauen verkleiden sich als Männer; sie setzen einen Fez oder eine weiße Mütze auf,
ziehen ein langes Hemd, kanzu, an und nehmen ein Gewehr nebst Pulverhorn in die Hand. Zwei andere Frauen, die
kikapu tragen, folgen ihnen und ahmen Frauenarbeit nach; sie ziehen zusammen mit den jungen Mädchen unter dem
Klange der großen tutu-Trommel ein Stück außerhalb des Dorfs. Die jungen Männer stellen sich am Wege auf and
werfen ihren Bräuten kleine Geldstücke, Perlen usw. zu. Am Abend findet ein Tanz der jungen Männer, ndagd°> staW
^er fünfte Tag heißt schezo nkulu; an seinem Morgen bindet sich jedes Mädchen einen großen nangi p°mbe —
man nennt diese Töpfe mit Palmwein toto, Kind — auf den Rücken, und in diesem Aufzuge begiebt sich Ji® Schar
luif01' ^em aHer verwandten Frauen zu einem entfernt wohnenden alten Verwandten, dem sie den kibugu
(Sfentl pombe überreichen und wofür er die muali mit einem neuen Tuche beschenkt,
toto aC^ zw®i bis vier Wochen überbringt die muali dem Alten wiederum, einen kibugu pombe und erhält dafür ihr
Urück. Nach ihrer Heimkehr ins Heimatsdorf rasiert sie sich die Schamhaare. —
BEITRÄGE ZUR KENNTNIS DER WASCHAMBAA
13
Tod und Bestattung.
Xacli der Erzählung der Waschambaa-Frau, mit der Karasek zusammenlebte spielten sieh bei o,. rr
und dem Tode ihres Vaters folgende Vorgänge ab: „Mein Vater, sagte sie, war schwer krank geworden so d^^""8
веще Genesung nicht mehr glaubten. Die Medizinmänner kamen und hingen ihm verschiedene Amulett , ™ &П
selten und teuer waren; es wurden auch aus Scheie und von noch weiterher Medizinmänner gerufen I Л Sehr
Amulette aus Löwenhaut, einige auch aus Elephantenhaut; etliche waren sogroß d<aß sie B' 6 Z ere bracilten
dem Kranken um den Leib befestigt wurden. Um die Armgelenke legten die Schmiede kidanga va^Lnd,!^^ ^
spangen. Nach l1/* Monaten gesundete der Vater, tat wieder Arbeit, fertigte Axtstiele und beaufsichtigte d’ ’ Л u-"
beim Wegebau. Seinen Lohn, dreißig Rupien vergrub er an einem Bache in der Nähe seiner Pflanzung | - l 61161
Sissima. Als er später wieder Lohn erhielt, versteckte er diesp vierzig Rupien in seiner Tabakpflanzu tT o* ^ lamba
Kleider, sein gutes Hemd, sein großes Tuch, witambi, wie es damals nur die Makilindi-Jumben trugen ' §Uten
ebenso seine guten Mützen und andere Kleider, und behielt nur einen Ledermantel, wukopa ya uschia ^ — ^ er’
Schmiede tragen, und ein schmutziges kaniky, blaues Tuch. Dann veranstaltete mein Vater ein schauri^ ^
Manne, weil er die Ziege mbuzi ya utewe wollte (diese hat der Ehemann seinem Schwiegervater zu zahlen meinem
Frau ein Kind geboren hat). Ich hatte noch keine Brüste und auch die ngoma (kimbisi, die bei ei t J Wenn seine
veranstaltet wird) hatte noch nicht stattgefunden. Der Vater übergab mich meinem Manne weil er ^ T ^ubertat
Waschambaa fürchtete, daß die Europäer ihnen die Mädchen nehmen könnten. Dann hielt er ein ] ° i amals aPe
mit dem Manne meiner Schwester und zog hernach, obgleich wir beide noch nicht geboren hatten die Z’^ 168 SCllauri
sie zu verkaufen, andere ihm geschuldete Ziegen schlachtete er, andere lieferte er dem Akida леёеп ein, um
Die Leute fragten meinen Vater: „Warum forderst du ukwe, obgleich deine Töchter noch nicht gebo -
Er antwortete: „Ich will es haben, ich werde bald sterben.“ Die Leute lachten. Er wiederholte- Noch d’ mben
werde ich sterben.“ Dann sagte er zur Mutter; „Wenn ich sterbe, gehst du und meine übrigen Frauen nht 1
zu meinem Bruder; ich will, daß ihr zusammenbleibt.“ Die Mutter weinte, dann sagte er wieder • Wenn * iT ^Ш^егп
zeit, einstellt, dann sollen alle Kinder bei den Müttern bleiben! Ihr habt genug, um zu leben” keins ^ 1 Нип§ег8'
Die Hungerszeit kam. Beim Vater trat Fieber ein und er mußte sich legen. Er befahl: „Meine ält^f &°^ StellFm.“
wohnte damals weit weg, bei Mlunguj) soll herkommen. Geht schnell! Noch morgen soll sie komme ° T°cllter (sie
sagte der Vater: „Du, mein Weib, gehe! Hole Holz und lege es in deine Hütte! Ich werde sterben “ vu* M°rgen
gingen in die Felder, um sie vor den Affen zu hüten. Die kleine Kovira (Schwester der Mutter) blieb b* Kinder
Als die Mutter zurückkam, sagte er: „Mache ugali!“ Die Mutter kochte und der Vater aß Dann kam rp ^ Vater-
rufene Tochter. „Lebet wohl ’, sagte nun der Vater; „ich werde sterben. Haltet alle zusammen r^Z^AVT ^ herbei§e'
er noch: „Gieb allen Zauber weg!“ Die Mutter schnitt die Amulette ab; der Vater wandte sich um und ent bi Sprach
Ein Mann kam zu uns Kindern in die Schamba gelaufen und sprach; „Kommt nach Hause!“ ^ T 1 Ummerte-
geschehen war, und weinte. Meine kleineren Geschwister trugen: „Warum hast du Wasser in den 'ä ° Was
zur Antwort: „Ach, ein Ast schlug mich ins Gesicht.“ Wir kamen nach Hause; alles still. Ich fraghf-^W l0h g&b
Vater ?“ Die Leute fingen an zu weinen. Es war auch ein Mann mit einem langen Stock da und • tо Ы mein
Dieser war ein Wakilindi, und bei ihnen ist es Sitte, die Totenklage nicht sofort anzustimmen TvTd ”?°ld Sti11“’
Vaters kam; er sah die Leiche und brüllte wie ein Löwe; als er sich über das Bett des Vaters warf i™*? meines
voll Entsetzen. wan, nonen die Leute
Soweit der Bericht jener mahikjo.
Die Furcht vor dem Tode ist keine große, um so weniger, weil die Waschambaa An т i
nehmen, doch ein Leben ohne Strafe für diesseitige Schuld. Alte Leute sehnen sich oft ih '1' T°f d™ T°de an‘
ihren Krankheiten und Gebrechen erlöst zu werden. Die Zeit des Genießens ist vorüber oft i i ’ Ш von
und der Mißachtung seitens der Jugend - jetzt mehr als früher - ausgesetzt nur in den V ’ А 431,1 Kmderspott
das große Wort führen. ° tZt’ nur ln den Versammlungen können sie
Der Mschambaa denkt nicht gern an das Altwerden; aus Eitelkeit reißt er sich die grauen н
Frau gibt sich den Anschein der Jugendlichkeit, indem sie auf den welken Susen b,„„, aus- und manche
legt und eifrig noch mittanzt. v ga’ zusammengeballte Tücher,
Gleichmütige Waschambaa, und das sind die meisten, witzeln über den Tod • mau о u
liehe „Schemeta (einer der Begleiter in das Schattenreich) holen“. ° eme a wird bald der wirk-
Die Verzweiflung über einen Todesfall geht zuweilen tief; Fälle kommen vor d* r qau а л/г -
Kind gestorben ist, in den Fluß stürzt. Hin und wieder zürnt ein Mann der sein W ’b^l U ^ er lhr eillziges
Wenn es mit einem Manne zum Sterben geht, so umstehen seine vXtdten 2 2^'
berühren sie ihn. Meistens ist der lodeskampf kurz. Dem Toten drückt man die Augen zu schließt ^ W16der
und legt seine Arme gestreckt an den Körper. Läßt man die Augen offen stehen, so werden die beim Sterbe"1611 Mund
den Verwandten von den später kommenden Angehörigen heftig gescholten П anwesen-
Es treffen alle Brüder des Verstorbenen im Trauerhause ein; scheut sich einer von ihnen das Tuch ernm ,
und in das Gesicht des Toten zu schauen, so sagen die Anwesenden vorwurK-o-nii „ ’ . p rzuheben
nimmt von ihm keinen Abschied. SV<>111 61 hebt semen Bruder nicht und
14
A. KARASEK
Nach dem eingetretenen Todesfall werden sofort Boten zu allen Verwandten geschickt; wer solche Botschaft
überbringt, beansprucht keinen Botenlohn. Die Dorfbewohner finden sich ein und betasten den Verstorbenen, um
sich von der Wahrheit der Meldung zu überzeugen.
Von einigen der Verwandten wird der Platz für das Grab bestimmt, andere holen den Orakelspruch ein, der ihnen
künden soll, ob der Abgeschiedene eines guten oder bösen Todes verstarb. Ein guter Tod ist nach ihrer Vorstellung
eingetreten, wenn er infolge von Krankheit erfolgte, wenn der Todeskampf leicht und kurz war und der Entschlummerte
in schlafender Stellung daliegt.
Als bösen Tod bezeichnet man den Selbstmord; liegt dieser vor und ist die Leiche bestattet worden, ohne daß
jenes ,,Topf zerschlagen“, wie man den Selbstmord bezeichnet, bekannt war, so muß sie wieder ausgegraben werden.
Auch dann wird ein Leichnam nicht bestattet, wenn der Tod infolge von schAarzen Pocken, einer eitrigen Wunde,
einer Bauchkrankheit, von vorgeschrittener Syphilis oder Lepra eingetreten ist oder aus dem Munde, den Augen
oder Ohren des Verstorbenen Blut heraustrat. Den Leib einer schwangeren Toten schneidet man auf und bestattet
den Embryo an der Seite der Mutter.
Sobald die Verwandten vom Orakelmanne zurückgekommen sind, findet das Begräbnis statt.
Das Grab wird stets im Busch oder Walde, nicht über eine Viertelstunde vom Dorfe entfernt, angelegt. Der
Gräberseite, kitundu watu. gegenüber liegen die Pflanzungen sowie die Wohnstätten. An diese Stelle wagt niemand
bei Nacht zu gehen und am Tage wandern hier immer zwei oder drei Waschambaa zusammen; hält sich hier jemand
allein auf, so ist es mit seinem guten Kufe vorbei, er steht im Verdacht, ein böser Zauberer zu sein.
Auf jener Gräberseite wandeln bei Nacht nach dem Glauben der Waschambaa die Geister der Verstorbenen, um
den neuen mzimu zu empfangen; erst das Opferfest fika beruhigt sie und sie ziehen dann mit dem neuen Ankömmling
nach mlinga ab.
Wer einen mzimu auf jener Gräberstätte wandern sieht, muß sterben, er sei denn ein großer Zauberer oder gehöre
zu den waschai, die selbst bei Nacht allein in jener gefährlichen Gegend sich aufzuhalten wagen.
Das Grab für einen Erwachsenen oder ein Kind beben die Männer aus; die Frauen graben es nur in dem Falle,
daß ein Kind starb, dessen Mutter an mwiga mkulu noch nicht teilgenommen hatte. Ist aber das Kind schon so alt
gewesen, daß es lachen oder von selbst sitzen konnte, dann sorgt meistens der Großvater für Herstellung des Grabes.
Ungefähr in rechteckiger Form und bis in Brust- odei Kopf höhe der verstorbenen Person wird das Grab ausge-
hoben ; hin und wieder mißt man mit einem Stock oder einer Liane die Länge der Leiche ab, gewöhnlich aber schachten
es die Totengräber und Leichenträger, wasiki, nach Augenmaß aus; ein Mann von der ungefähren Größe des Ver-
storbenen stellt sich in das Grab. Am Kopf — wie am Fußende der Bodenfläche wird eine kleine Mulde für Kopf und
Füße des Leichnams ausgehoben. Jeder der das Grab umstehenden Männer überzeugt sich, ob die Länge wie Tiefe
den Anforderungen entspricht; einige von ihnen melden dann die Fertigstellung im Trauerhause.
Heutigen Tags werden die Leichen wenige Stunden nach dem Tode begraben; ist jemand in der Nacht gestorben,
so bestattet man ihn in der Frühe des Morgens. Früher begrub man, war der Todesfall am Nachmittage eingetreten,
erst am nächsten Tage, heute aber eilt man mit der Bestattung. „Was möchte der Europäer sagen, wenn er den Toten
hier antreffen würde ?“
Die Leiche wird gewöhnlich von acht, manchmal auch von nur vier Männern, die sich so aufstellen, daß sie sich
die Gesichter zuwenden, in einem Tuche zu Grabe getragen. Wenn während des Trauerzuges der Leichnam zu Boden
fallen sollte, so gilt dies als ein Vorzeichen, daß die Brüder dem Toten bald nachfolgen werden.
Wenn das Grab weit entfernt ist, so trägt man die Leiche auf einer Bettstelle bis zur Gruft.
Hinter dem Verstorbenen ordnet sich der Trauerzug in der Weise: die nächsten männlichen Verwandten, die
Mutter, die Geschwister, die Frauen des Verstorbenen, darunter eine mit seinen Kindern, sofern diese laufen können
(früher mußten sämtliche Kinder im Trauerhause bleiben), endlich alle übrigen Dorfbewohner. Hatte der Tote nur
eine Frau, so muß sie im Sterbehaus sich aufhalten, weil dieses den ganzen Tag über offen gehalten wird.
Am Grabe angelangt stellen sich der Vater und die Brüder des Verstorbenen an der Breitseite der Gruft, von der
die Leiche hinabgelassen wird, auf; fernab stehen die Frauen, auch die des Toten, und seine Kinder. Zwei der Leichen-
träger treten in das Grab, fassen die Zipfel des Leichentuches und lassen den Toten langsam und vorsichtig hinab-
sinken; in diesen Augenblicken schauen die Brüder und männlichen Anverwandte zur Seite.
Der Tote wird mit dem Kopfe nach Norden gewendet gelegt; die Leiche kommt auf die Seite zu liegen. Ist es
ein Mann, so schaut er nach Osten, oder wie die Waschambaa sagen, wo die Sonne aufgeht; ist es eine Flau, so läßt
man deren Leiche westwärts schauen, „wo die Sonne untergeht“.
Die beiden Männer steigen aus dem Grabe heraus und werfen ein wenig Erde auf die Leiche; das gleiche tuen —
mit abgewendetem Ge hebt — Vater und Brüder des Toten sowie alle männlichen Teilnehmer an der Bestattung.
Dann wirft von den Frauen zuerst die Witwe etwas Erde ins Grab. Der mtani zerreißt nun seine eigenen Kleider in
Gele Fetzen; als Ersatz erhält er bei der Verteilung der Hinterlassenschaft des Toten dessen Kleider.
Die Totengräber füllen die Gruft vollständig zu und ebnen das Grab ein; gegenwärtig schichtet man nach Sitte
(Du Europäer einen kleinen Erdhügel auf und bedeckt ihn mit grünen Zweigen. An das Fußende des Grabes legt
.ari Kennzeichnung der Begräbnisstätte einige Steine oder steckt in das Kopfende einen gegabelten Stock mit
einern Grasbündel.
vielen Zauberern wird ihrem letzten Willen entsprechend ihre Zaubertasche mit ihren magischen Mitteln
BEITRÄGE ZUR KENNTNIS DER WASCHAMBAA
an einem Stabe über das Grab gehängt; die Seele eines mganga wandelt nach Usegua, um dort weiter Zauberei
treiben.
15
zu
Wahrend bei den Waschambaa die Leiche mit einem Tuche bestattet wird, trägt die Sippe der Wnlu i
den Toten nackt zur Gruft, nur sein Kopf ist mit trocknen Blättern der hoje-Bananen umwunden und fl* oT
mit demselben Blattmateiiale zugestopft. Unil die 0hren sind
Was die Trauerzeit und Totenklage anbelangt, so wird sie durch das Erdrosseln einer Ziege die ein Br 1 u
Verstorbenen hergibt, eingeleitet. Diese mbuzi ya kuziko, deren Tötung unweit des Dorfes am Wege nach 1
gräbnisplatze stattfindet, wird an Ort und Stelle verteilt, geröstet und verspeist. Den krauen sch* Vf 111 ^e_
Ziegenrücken oder einen Schenkel ins Trauerhaus. 10 i man den
Wenn ein Fuß des Verstorbenen kurz vor seinem Ableben geschwollen war, so ist er eines bösen Todes o-
und dann erdrossele man unweit des Dorfes anstatt mbuzi ya kuziko eine mbuzi ya lunda, legt deren G ^eSt°rben
einen Topf und macht jedem, der hier vorübergeht, mit dem Darminhalte ein Zeichen auf die Stirn Wol ^ *JmC. *n
Personen der Begräbnisfeierlichkeit bei, so bespritzt man sie in der Weise, daß man einen Büsche] k ^ ^
grünliche Masse taucht (kuhoza nennen diesen Vorgang die Waschambaa). v°ugo in die
Nach der Rückkehr zum Trauerhause veranstalten alle Dorfbewohner und Verwandten zunächst eine ’
Totenklage, diro. Die Frauen bewachen die sich verzweifelnd geberdende Ehefrau, die von jetzt ab ^
boden schläft, sich weder wäscht noch badet, nicht mehr kocht noch in die Pflanzung geht, alles Schn ' i* ^ Erd'
ledigt und nur mit alten Lappen sich bekleidet. U° s Slch ent"
Jeder Fremde, der in das betreffende Dorf kommt, hat die Pflicht, hier wenigstens eine Stunde an der T f
teilzunehmen; wer irgend kann, umgeht natürlich den Ort. Wenn ein Freund seine traurige Stirnmun 1 ff° ' ^ la?e
bezeugen will, so überbringt er den Hinterbliebenen irgend ein Geschenk, ein Huhn, einige kleine Mün^n^M*1^
Bücher oder dergleichen, sogenannte Tränen, matschozi, die dann der Bruder des Verstorbenen in Vorwahl ^ eS8er’
Sechs Tage lang währt die Totenklage; eine Stunde lang nach dem ersten Hahnenschrei naclimüi '7 mmmt-
Zeitdauer. ’ agS die gleiche
Wenn ein Verwandter erst abends aus der Ferne im Trauerhause eintrifft, so klagt er nur wenige Min
Toten. Empfängt er die Trauerkunde in der Ferne, so beginnt er seine Totenklage pflichtgemäß an 0^ ^ ^ den
meist um der Sitte willen, weniger aus Mitleid. Oft sind kaum die Tränen getrocknet, so überzieht1 S?elle’
Lächeln das Gesicht, um nachmittags erneutem traurigen Ausdruck Platz zu machen. * ' SC lon Wleder
Hin und wieder ist die Traurigkeit tief ernst; zahlreich sind die Fälle, in denen ein Witwer oder eine M
Kind starb, einen Monat hindurch Nahrungsaufnahme verweigerte und während dieser Zeit wie von s-tter’
auch Selbstmord aus Schwermut kommt nicht selten vor. °n lnnen war;
Zwei Tage nach Schluß der Totsnklage bestimmen die mboschi des Dorfes, das Totenorakel über die T d
zu befragen; sie steuern zu dem Zwecke zusammen: 20 Pesa kolo ya mlamulo für den Orakelmann - 5 Re ° eSllrsaclle
luzugula mpula; für den Rest des Geldes Ankauf von Hühnern. Der Orakelmann verteilt den ihm^b ^ Tabals’
Tabak bis auf zwei Scheiben, unter die Befrager, die sich vor seiner Türe niederlassen - dann sino-e ^ c! erbracLten
des kizugo: Wageni tiewa uze Mbuli. zum c lellenklang
Wageni und mboschi erwidern: hagula!
Mlamulo ya kizugo fährt fort; kwafa mbloschi.
Wageni und mboschi: hagula!
Mlamulo ya kizugo: mboschi mkula.
Wageni und mboschi: hagula.
Mlamulo ya kizugo: jeh!
Wageni und mboschi; taile!
Es folgt eine Pause, in der alle Anwesenden rauchen und der Orakelmann das kolo 120 Pes-,1 . ...
teilt er die Todesursache mit und die Leute gehen schlafen. ' ( mpfangt. Dann
Am nächsten Tage ziehen sie zu einem anderen Orakelmann, ferner zu einem dritten und viert n
das Safari. una ™rten, hernach endet
Nun sendet man Boten zu allen Verwandten; sind sie versammelt so findet ein c ■ R
Männer des Dorfes beiwohnen. Es wird den Brüdern des Verstorbenen mitoeteilt wwdT m a”1 8tatt> dem alk
tötliche Krankheit war. g 6Ut’ was dle Todesursache, welches die
Wenn jeder der befragten Orakelmänner eine andere Aussage tat, so urteilt man über die weint
den Krankheitssymptomen zusammenstimmt: „wahr,“ die anderen haben „veloeen“ T T n beSten mit
der Alte ist am mschango gestorben, so forscht man nach, ob der Verstorbene oft «r. ', ' B' das 0rakel:
stimmt dies, so steht nun die Todesursache fest. °ft ^»schmerzen hatte und erbrach;
Der älteste Bruder des Verstorbenen begibt sich am Abend zusammen mit einem u • p • u xr
Trau, in das er eine kleine und eine große Ziege, mbuzi ya huto, mitbringt Bei der F i?,!“ df Ha"!,der Ersten
»m die Aufsicht zu führen. Jene vier essen dann das Fleisch der kleinen Zieoe voll r” r"* ^ em6 Freundin auf,
Tags darauf versammeln sich vor dem Trauerhause sämtliche Verwandte D. .Suan, 1f>aU’
hut°5 die er am Ohre festhält, vor die Türe; seine Brüder kommen, ergreifen ebenfdl u ' m- 1U ^ ya
es mit mwumo-Zweigen, wobei sie sprechen: tschagosoga nenda kagone • no-ombc i 1 ^ aif , T Un(* beklopfen
& ’ &uluue jaKo schmu, ka lala, ngombe jako
16
A. KARASEK
(= mali jako hü). Dann wird das arme Tier von den Männern, die es am rechten, und von den Frauen, die es am linken
Ohre fassen, geschlagen. Beim Schlachten setzt man das Messer an die Kehle und treibt es mit einem Ruck in den Hals.
Darauf geht einer der Brüder zu den im Hause versammelten Fauen und fragt: „Wen von uns willst du zum
Manne?“ Wählen zwei oder drei der Frauen denselben Bruder als Mann, so lobt man ihn wegen seines besonderen
Glücks, doch die nächsten Verwandten sehen ihn schief an. Der Erkorene schickt sofort zwei Ziegen in das Haus —
das geschieht auch, wenn der Verstorbene nur eine Frau hatte — und die Witwe bez. Witwen gelten von da als Ehe-
frauen des Bruders.
Von der Ziege erhält die Witwe ein Hinterbein; der mtani Kopf, Hals und Haut; die Leute aus dem Dorfe ein
Vorderbein. Den Rest des Fleisches schneidet man in Stücke, verteilt es unter die männlichen Verwandten, sendet
aber auch winzige Portionen an die fernen Angehörigen an die Küste oder im Innern des Landes.
Nach Schluß des Essens bringt der neue Ehemann eine Ziege, juvuscha moschi, die in die Pflanzung des Ver-
storbenen getrieben wird; hinter ihr gehen Mann und Frau sowie sämtliche Dorfbewohner her. Auf dem Felde des
Toten reinigt der Mann und, einen Schritt von ihm entfernt, die Frau ein kleines Stück vom Unkraut. Dann zündet
er sich seine Pfeife an und schlachtet die Ziege; wählend sie gebraten wird, schafft man Bananen von den Feldern
des Verstorbenen herbei, um sie zu rösten. Erst essen dann Mann und Frau, hernach erhalten die Anwesenden Fleisch
und Bananen.
Nachdem auf diese Weise der neue Besitzer die Pflanzung übernommen hat, schneidet die Frau zwei unreife
Bananentrauben ab und die ganze Gesellschaft kehrt in das Dorf zurück. Hier kocht die Frau die Bananen, nimmt
eine davon, zerbricht sie und gibt ihrem Manne die eine Hälfte, während sie selbst die andere verzehrt; von den Kindern
bekommt jedes eine halbe Frucht.
Abends schläft der Mann mit seiner neuen Frau zusammen. Noch bevor früh der Hahn kräht, geht er mit einem
Gegenstände aus dem persönlichen Besitze des Verstorbenen, wuli nennt man solch ein Stück in der Gegend von Bum-
buli, aus dem Hause weg und kehrt, falls er verheiratet ist, in der Finsternis, ohne daß ihn jemand sieht, zu seiner
Frau zurück. Wohnt seine Frau so weit weg, daß er unterwegs übernachten muß, so schläft er in einer kitandaund
macht sich dann wieder bei Finsternis ungesehen auf den Weg. Den mitgebrachten Gegenstand übergibt er seiner Frau
als Geschenk.
Nach vier bis sechs Tagen erfolgt seine Heimkehr, und er macht dann bei allen Verwandten des Verstorbenen,
mögen sie nahebei oder weit weg wohnen, Besuche, die selten mehr als einen Tag dauern. Dabei ist seine erste Frage:
„Ist Essen da ?“ Er greift in den nungu und nimmt eine Hand voll ugali.
Diese Besuche finden aus Furcht vor witigo statt; es herrscht nämlich die Vorstellung, daß, wenn der Erbe keine
Besuche macht, seine Kinder sterben, sobald sie die Verwandten des gestorbenen Vaters besuchen, ebenso wie die
Kinder der Verwandten sterben müssen, falls sie in das Haus des neuen Paares eintreten. Nach Beendigung der Be-
suche ist diese Gefahr behoben und gegenseitige Besuche bleiben ohne schädliche Folgen.
Totenopferfest, fika (= kwinula ngoma).
Bis zur Feier von fika irrt nach der Vorstellung der Waschambaa die Schattenseele des Toten umher, nach dem Feste
nimmt sie ihren ständigen Sitz im Geisterreich am Mlinga-Berg. Je nach den pekuniären Verhältnissen des Feiernden
findet fika zwei Monate, unter Umständen auch erst zwei Jahre nach dem Tode des Verwandten statt.
Wenn die Kinder der betreffenden Familie wiederholt erkranken und auch sonst allerlei Mißgeschick und Unglück
sie trifft, so stellt das befragte Orakel als Ursache gewöhnlich die noch unterlassene fika-Feier fest. Schnell wird dann
eine Ziege beschafft, um den mzimu, den Geist des Verstorbenen, zu versöhnen.
Die Familie versammelt sich vollzählig; auch die entfernt wohnenden Angehörigen müssen, abgesehen von denen,
die in fremden Ländern sich aufhalten, anwesend sein, wenn die Beratungen über das Abhalten des Opferfestes statt-
finden.
Zuckerrohr wird abgeschnitten, am folgenden Tage zerstampft und gleichzeitig aufs neue Zuckerrohr, muewa ya
kero, geschnitten. Zwei Zauberer werden zugezogen, von denen einer ein msangani und der andere der eigentliche
Zauberer ist; den Nachmittag verbringt er mit seinen Vorbereitungen für den Abend. Ein schmalblättriges Gras,
neugone1, Früchte der tula-Pflanze und bawa-Blätter werden zerschnitten und über der Hüttentüre befestigt. Wenn
der Abend hereinbricht, müssen vier Stengel schwarzes Zuckerrohr, drei Stengelstücke mschoele (Hoslundia verticel-
lata), ein Stück gole und wahati-Bast am Mittelpfahl der Hütte auf ge schichtet, eine Axt und ein Messer neben den
Haufen gelegt und über dem Ganzen ein kleiner Tontopf mit dem unvergorenen Wein, muewa ya kero, aufgestellt
werden. An der Hüttentüre sitzt der Gabensammler. Kauernd nimmt der Zauberer alle ihm zugeworfenen kleinen
Geschenke, die einen Teil seines Honorars bilden, entgegen und singt dabei:
Numba ya mganga, nyja noki, tschi ai ingila tschuamlawa tongele malila nya tembo tongele malila nya tembo
nnmba ya tembo numba ya mganga nya noki.
Ferner: kasozi nazenga numba ya luphalagana nenzenge numba ya luphalagana;
sodann; nykany mele ya Nekondo, ya Nekondo.
1 jlfiiWtengt,as,
BEITRÄGE ZUR KENNTNIS DER WASCHAMB А А 17
Die vor der Hütte Stehenden singen, bevor sie im Gänsemarsch in .das Innere eintreten: tongela malihi nyia
tembo, ñumba ya mganga, nyja ñoki. Dies singt jeder einzelne. ’ ' ‘
Der Zauberer antwortet: tschi ai ingila tschuamlawa.
Will eine Frau mit einem Kinde den Hüttenraum betreten, so hat sie das vorgenannte: tongela malila etc zwei
mal, nämlich für sich und das Kind, zu singen.
Wenn alle \ erwandten ins Haus gezogen sind, stimmt erst der Zauberer, dann der Bruder des Verstorbenen fol-
genden Gesang an;
Tambala, tambala tyase koma, tyase Mulungu mzimu wa Scheuta neugone bangwe. tambala tyase koma na
Mlungu. mzimu kagone éh nda wa Scheuta neugone tanibala tyase khoma na mlungu.
Der Chor singt:
Hode, hode mganga eh nemuali mwika mzimu awika wa kwane, eh nemuali, éh mganga.
Andere maimbo ya fika, Totenopferlieder, die der Chor singt, lauten:
1. nika ja Mschihwi ny ndala tadyka ñama na makonge lukoko luangu kwatango luaigala malewa kwa Wasegula
ehe luaigala malewa kwa Wasegula.
2. anga nytyle na mazi nykada kagugu kanytoza nykada kagugu kanytoza.
3. nykany mele ja Nekondo ja Nekondo tybulwe Magamba ty mkikyze.
Tunga, tafuta, mwumo und schiroko werden zerstoßen; die Kinder und der Veranstalter der fika genießen davon
und singen darauf:
kawumo tschali peho na wuana miru pili na sela na dymu hynane komo nyhile wangu.
Dann singt der Veranstalter von fika allein: Peho é tu na wuana, Peho tu na wuana wandere muatema lukuny
any muiza na mkole ngombe ndugu nane kaligana na gome kwandula. watu jote takwenda insche na seza mwangani
Der Bruder des Verstorbenen bindet sich mbugi um die Waden, nimmt einen mwumo-Zweig in die eine, gongongo
in die andere Hand und, während seine Frau ihm folgt, singt er beim Verlassen der Hütte:
Kawumo tschali pehona wuana na wanae peho etu.
Alle Festteilnehmer gehen ebenfalls aus der Hütte und tanzen und singen bit früh gegen vier Uhr; der msangani
fungiert hier als Vortänzer und Vorsänger.
Hat der Hahn zum ersten Male gekräht, so fangen einige Frauen ein Huhn und alle begeben sich dann in das Haus
zurück. Um den Mittelpfahl geht hernach jeder Mann in gebückter Stellung, das Huhn auf dem Bücken haltend und
mit einem geflochtenen Sack, fuko ya schumuzi, einmal herum; gleicher Weise umziehen ihn die Frauen; eine Mutter
mit Kind umwandert ihn zweimal. Das Huhn wird in pombe getaucht, und die Anwesenden werden mit dem pomf61
das in den Federn des Huhnes haften bleibt, bespritzt. Während dieser Zeremonie wird gesungen: 6’
Quijo quigo kipanga koma guku fuka ya schumuzi nazunguka kwa kolo seke uja kaja mlinga sela kwanza
cheza madamake nazunguka kola-mganga nonga na kufu.
Der Zauberer stopft dem Huhn eine Kette in den Schnabel und Hals. Dann singt er weiter:
takwenda kutschoma sasa kinu madi ñonga mbuzi pasua mlangu ntumbo nfumba bawa tschini korog na
takiya tula tschini.
Jeder der Anwesenden öffnet nun den Mund; der Zauberer singt weiter:
Wakala nywaili watula matonga.
Die Anwesenden beißen in die mitgebrachten tula-Früchte.
Nachdem das erstickte Huhn geschlachtet und gebraten sowie ugali von den Frauen fertig gestellt ist
Festteilnehmer in den Topf, nimmt eine Hand voll Brei heraus und erhält vom Zauberer ein winziges Stückt *
Hals des Huhns; dabei singt der mganga: naitanga ganga eh singo ja mua guku muile singo ja mua guku ° ™т
Wenn es Tag geworden ist, geht der Zauberer vor die Hüttentüre und preßt hier eine Ziege mit de v“ ,
lange in einen Holzmörser mit Wasser, bis sie erstickt ist; man zerlegt sie auf der ausgehobenen Hüttentüre™ w°f “
das ugali und das gebratene Huhn verspeist werden, schüttet man den Inhalt der Ziegendärme in eine Sétl
jeder Anwesende muß dann aus dieser Kotmasse eine tula-Frucht ohne Benutzung der Hände mit dem M л ,, und
holen: der Zauberer sagt dabei: unüe heraus-
Wakala nywaili watula matonga. Den abgeschnittenen Darm hat jeder einmal aufzublasen
Ein Ziegenbein wird mit vier frischen und vier trocknen Bananen und einer blühenden Bananensnit
zusammengebunden und vom Zauberer, der sich jugi um die Beine gewickelt und gongongo in die НашГ’ ^
hat, durch das Dorf getragen; eine Frau nimmt den Hirtenstab in die Hand, alle Festteilnehmer folgen НегГтк.Т““
und singen bei ihrem Umzuge: 6 auoerer
mzimu alawa olawa tilawa tite zeba kwalonda ngombe.
Die Hälfte der Leute versteckt sich, nimmt aber Hörner und Tromm ln mit; die andere Partei sucht j<
schreit man „kondoo“, Krieg, und alle kehren ins Opferhaus zurück.
Die Frau (oder Tochter) des Verstorbenen nimmt jetzt den Mund voll pombe und speit es über alle Anwesend
diese begeben sich zu der Ziege schneiden sich aus dem Fell einen Armring, maseke, und nehmen etwas Fleisch ъ
IHu des Toten erhält eine Keule und den Unterkiefer; der Medizinmann Hals und Kopf; die Dorfbewohner ein В ■
Пег Hauptteil des Fleisches wird gebraten und auf der Stelle verspeist. Für jeden der Abwesenden wird ein kU“'
Fleischstückchen getrocknet und später durch Boten versandt. lnes
Baessler-Archiv.
ugali
jeue, dann
18
A. KAKASEK
(Aus Karaseks Aufzeichnungen ist nicht ersichtlich, wie jenes Totenopferfest schließt; aus seinen zerstreuten
Notizen füge ich nachfolgende Beobachtungen hier an:)
Wenn das Opferfest vorüber ist und trotzdem Kinder der Familie erkranken sollten oder im Traume der ver-
storbene Vater, Großvater oder son. t ein Ahn dem Mschambaa erscheint, so befiehlt der Vater einem seiner Kinder
irgend etwas Eßbares schnell herbeizuschaffen, oder sollte nichts vorhanden sein, eilends eine Speise zu kochen; auf
zwei Bananenblätter wird die Nahrung, es können Bananen, Bohnen, ugali, mpule, etc. sein, von dem Kinde vor die
Haustüre gelegt. Die Speise auf dem in der rechten Hand hinausgetragenen Blatte gehört dem Geist des verstorbenen
Vaters, Großvaters und allen Ahnen männlichen Geschlechts, die auf dem mit der linken Hand hingelegten Blatte
dem Geiste der Mutter, der Großmutter sowie allen weiblichen Vorfahren.
Wenn kein Kind im Hause ist, so wird ein Freund, amtani, gebeten; Geh und trage! sc. das Essen vor die Türe.
Dabei spricht er: Fulani! (Name des Angere deten) nakupa schakula hiki, watoto wangu wakaje wazima, hapana kugua
gua siku sahawu, kama kuna mtu nilege sahawu mambie muende mkalale wote walie kufa, wanamake, wanaume ke
ndani ka lale. ndisi ni hisi, ugali mali kua mkila ni huu. mtoto oder mtani djo! mimi na sema hiro; Pepa, nenda
mka lela.
Wenn ein Verstorbener bei seinem Erscheinen im Traume einen Wunsch äußert, so wird er nach Möglichkeit
erfüllt.
Verfolgt trotz des Opferfestes den Mschambaa Unglück, so opfert er am Grabe seines Vaters eine Ziege.
Für den Fall, daß der Vater oder sonst ein Ahn einem der Wakilindi im Traume erscheint, wird eine Ziege, unter
Umständen auch ein Rind als Opfer am Grabe dargebracht.
Fika der Wakilindi.
Das vorerwähnte Opferfest der Waschambaa ist auch bei den Wakilindi gebräuchlich; sie benützen dabei als
Kopfbedeckung die zeugähnlichen Hüllen von den Wedeln der Kokospalme; ringsum wird diese Art Maske mit Stacheln
vom Stachelschwein gespickt (Fig. 286). Ferner tragen sie bei jener Feier einen eigenartigen Federbehang; an einem
kurzhaarigen Fellstreiferi, der in einzelnen Striemen zerschnitten ist, hängen schwarze Hühnerfedern dicht nebenein-
andergereiht. Ihre Fahnen sind vom Schaft zum großen
Teile getrennt, damit sie stark flattern können. Die
Befestigung der Federn am Riemen erfolgt durch Um-
knicken der aufgeschlitzten Spule und Einstecken ihres
Endteils in die Seelenhöhlung. Lederriemen dienen zum
Umlegen dieses flatternden Federschurzes (Fig. 287).
Außer dem vorgenannten Opferfest halten die
Wakilindi noch folgende Totenopferfeiern ab:
1. fika ya kigiri.
Dieses Grabopferfest findet ein Jahr nach der Be-
erdigung zum ersten Male statt. Alle verwandten Waki-
lindi versammeln sich und der in den Besitz der Erb-
schaft gelangte Bruder bringt im ersten Jahre eine Ziege
als Opfer dar; im folgenden Jahre geschieht dies durch
den nächststehenden Verwandten; im dritten wieder
durch eins der Angehörigen u. s. f.
Die Feier verläuft folgendermaßen: Früh am Morgen
zieht man zum Grabe; der älteste Bruder des Verstorbenen
setzt sich auf den Kopfstein des Grabes innerhalb der Umzäunung. Die Ziege wird geschlachtet, am Ort und Stelle
gebraten und verspeist; viel pombe wird dabei getrunken. Abends zerstreut sich die Versammlung.
2. fika ya kungwi, auch fika ya ukala1 genannt.
Wenn im nächsten Jahre ein anderer Bruder oder der nächststehende Verwandte eine Ziege zum Opfer für fika
ya kigiri dargebracht hat, veranstaltet ein bis zwei Tage hernach der älteste Bruder fika ya kungwi. Die versammelten
Wakilindi sind dann von dem vortägigen Feste her noch anwesend, sie finden sich auch nun vollständig wieder ein,
sind nur mit schuka bekleidet und ziehen so in eine Bananenpflanzung, in der sie sich aus trocknen Blättern einen
ringförmigen Wulst, kumbulu, ähnlich dem rettungsringähnlichen Gebilde der Waschambaa beim galo-Feste, her-
steilen. Im Dorfe wird dann auf zwei tutu-Trommeln ngoma geschlagen; die Wakilindi kehren in das Dorf zurück
und tanzen, während die Frauen und die Alten singen, bis zum Abend. Vier Tage lang wird gefeiert. Einen Monat
später wird
3. fika ya kondo,
ngoma des Krieges, die in ihrem Verlaufe der ngoma ya fika der Waschambaa genau entspricht, abgehalten; auch
Wakilindi tragen bei dieser Feier Hautstreifen aus dem Fell der geschlachteten Ziege, maseke, um das Handgelenk.
1 Unter
große,
diesem Namen feiern es die Wasegua, von denen die Wakilindi wahrscheinlich abstammen; nur solche, deren Ahn ein
Jäger war, veranstalten dieses Fest.
BEITRÄGE ZUR KENNTNIS DER WASCHAMBAA
19
287.
4. fika kilenga.
Jeder Mkilindi- Junge und -Mädchen baut
sich am Bande des Dorfes ein Häuschen und
zündet ein kleines Feuer an. Der Jumbe schenkt
ihnen eine Ziege, die geschlachtet und unter die
Kinder verteilt wird. Das Mädchen kocht für
den Jungen, beide essen zusammen und bleiben
bis zum Abend in dem Häuschen. Die Knaben
erwählen sieh aus ihrer Mitte einen Jumben.
Abends ziehen alle zum Hause des Dorfältesten
und veranstalten beim Klange der tutu-Trommel
ngoma mango. Dieses Opferfest der Wakilmdi-
Jugend währt vier Tage.
5. fika ya kimeno (ya umba)
heißt das Opferfest für den Urahn. I)ies®!'
ahn, Mbega, wurde von seinen Brüdern^ •
und als er für seinen Vater das Opferfest
anstalten wollte, versteckten sie alle Ziegeln
hofften, ihn so an der Darbringung
zu hindern und damit zu erzielen. daüj ^ Hunde> von denen er ständig seiner persönlichen Sicherheit
sterben müsse. Er opferte f hat sich bis heute erhalten. .
halber umgeben war. Pas Hundeopfer h ^ Der jeweilige Nachfolger ruft die Wakilindi seines Gebiets
fika va kimeno wird nur fm tlensci Aufseher für das Eigentum des Herrschers, eine Ziege und einen
zusammen^ dann schlachtet “d in zwei Töpfen, in einem für die Männer und einem für
Hund. Beide Fleischsorten werden “S ^ wahrend in Wahrheit in dem einen Topf nur Ziegenfleisch, und
die Frauen, gekocht; so “a“d“dfundim andern zugleich auch Hundefleiseh - davon erhalten die Waschambaa
davon essen ausschließlich ie
ihren Anteil - enthalten is . stüok Fleisch und spricht:
Der Herrscher genießt ein Kien ^ kagone tikale ugima, tizae watoto, tiwale wana, tikdonda ngombe.
Mbega, genda kagone, kuh mdi i Mb’> geh_ ruhe dich aus, hier der Hund, und sei gesund, zeuge Kinder,
tione, na u Zumbe wetu wika unser Jumbe, wir vergessen dich nicht).
gib alles mögliche, gib Binder un . die ein Mkilindi-Weib geheiratet haben, verspeisen nunmehr
Die übrigen Wakilmdi und an hen dazu: Mbega, genda kagone (Mbega geh, ruhe dich aus!).
das Fleisch aus den beiden iopien gtücke zersohnitten und diese an die beiden Seiten des Hundefells ge-
Die Ziegenhaut wird in zwei g ei 8 Herrscher in Wuga um, wenn er auf seine Felder ging, um sich die Arbeit
näht. Solch eine Haut band sich z. B, der n
seiner wakiwa anzusehen.
6. fika ya figiri. kommen unter der Anführung ihres Jumben, und jede Gruppe zieht für sich
Die Wakilindi eines jeden iezire die umzäunt und mit einer Türe versehen ist. Im Innenraum schlachtet
zu dem kigiri, der Grabsta e es ^ ^ Qrt und stelle das Fleisch. Beim Gange zum Grabe rufen die Wakilindi
man eine Ziege oder ein mc un B samtlichen Binder und Schafe, von denen dann ein Stück geschlachtet
. Unmbuli: eh ser! ehser! bie lumeu i
H prabe und hernach wieder zuruck.
wird, mit zum w* hindurchj z. ß. seit zwei Jahren, kein genügender Regen gefallen ist, veranstaltet das ganze
Volkam^rabe des Herrschers ein Opferfest.
Tod und Begräbnis eines Herrschers
Wenn ein hochstehender Mkilindi im Sterben liegt, so wird seinen Frauen da. v i
An seinem Bett sind Mbaruku, Mbereko und seine übrigen Minister versammelt i! ehaUS ZU betreten untersagt.
Freund und Zumbe ya mbueni dürfen zugegen sein. Ein Bote, gewöhnlich Zu T! gr°ße Flau’ Sein bester
sobald der Tod eingetreten ist, zu den nächsten Verwandten, meistens sind es cF6 m .m oder Mtava wird,
noch bei Nacht gesandt, um ihnen die Trauerkunde zu bringen; jeder Beauftrag 1' Um 6n b^e^n(1 Geschäften, selbst
sofort auf den Weg. Wenn in früheren Zeiten zufällig ein Unberufener diese SGmeiJ ^ock und macht sich
Lauschen ertappt wurde, erdrosselte man ihn; andernfalls nahm man irgend mW S° haben sollte »der beim
Sobald die Verwandten im Sterbehause sich eingefunden haben findet pin tT em aim’ um *bn zu ersticken.
Mbereko undMtawa suchen einen Platz für die Grabstätte, die unweit des großen tt Cl atl^ng statt> Mblru’ Mbaruku
Mdoe bleibt im Hause und bewacht die Insassen, daß niemand durch sie den Tod 1 numba mbulu gewählt wird •
händig graben die vier Minister die Gruft für ihren Herrn. u aes Herrschers erfahren kann. Eigen;
2*
20
A, KARASEK
Tags darauf schickt man in das Dorf, eine Ziege herbeizubringen; fragen die Leute: wozu ? so erhalten sie den
Bescheid: der Herrscher ist krank und brauche die Ziege als dana.
Kommt jemand zum Besuche des Herrschers, so legt sich entweder der Mbaruku oder Mbereko in eine kitanda,
und man speist den Besuch mit Worten ab wie: der Jumbe ist krank! Der Eintritt wird verboten und nur ein
Gruß an der verschlossenen Türe gestattet.; es antwortet dann mit möglichst verstellter Stimme der Mbaruku an Stelle
des Verstorbenen.
Die Leiche des Herrschers wird zwei Tage hindurch vom Mbaruku mit kaltem Wasser abgewaschen. Jeder, und
sei es einer der Minister, der den Todesfall verrät, wird erdrosselt. Um eine Täuschung des Volkes herbeizuführen,
veranstalten einige Leute aus der Umgebung des Herrschers im Vorhofe Spiele, andere laufen zum Orakelmann;
inzwischen seufzt und ächzt jemand im Innern des Hauses, um das Leiden des Herrn wahrscheinlich zu machen.
Ist das Grab fertig, so bringen Mtavi und Mbiru die Ziege herbei und sie wird von Mbaruku und Mbereko erdrosselt
und verspeist; die erstgenannten gehen ins Dorf zurück. Nun kauft man sechs kaniki; dann wäscht man nochmals die
Leiche und trägt sie, in das bisher gebrauchte Gewand gehüllt und auf dem Bette liegend, bei finsterster Nacht und
auf weiten Umwegen zum Grabe. Jeder Begleiter ist voll bewaffnet; Gewehr und das lange Waschambaa-Messer
werden mitgeführt. Der worogwe des Verstorbenen, also der Henker, der im Aufträge seines Herrn jeden ihm Be-
zeichne ten mit seiner Keule kiboj erschlug, nimmt die Keule zur Hand, und wenn er erwachsene Söhne haben sollte,
geht jeder mit gleicher Bewaffnung neben der Leiche her. Auch die große Frau nimmt am Zuge teil; wenn sie laut
schluchzt, so wird ihr gedroht: Sei still! Bist du nicht still, so schlachten wir dich ab!
Am Grabe wird ein Schaf durch Keulenschläge auf den Hinterkopf getötet. Dann schlachtet man eine Kuh
und ißt von deren Fleisch. Auf den Boden des Grabes breitet man die Kuhhaut, darüber das Schaffell; sodann läßt
man eine in kaniki gewickelte, tote Katze in die Gruft. Einen Sklaven stellt man an das Kopfende, eine Sklavin an
das Fußende des Grabes. Hernach wird die Leiche, die inzwischen in ein großes schwarzes Tuch (aus sechs kaniki)
eingeschlagen worden ist, eingesenkt; in dem Augenblick müssen Sklave und Sklavin, schkafunguo nennt man sie,
flüchten, sie eilen in eine andere Gegend, wohin sie aber auch kommen, allenthalben gelten sie als unglückbringende
Menschen. Als einmal eines Sonntags Karaseks makihio auf dem Markte Mais gekauft hatte und ihr eine gute Freundin
nachher zuraunte: ,,Du, die Frau, ist schkafunguo!“ warf jene den Mais weg und bat Karasek, ihr nicht böse zu sein,
denn jene Frau habe am Grabe Kimueri’s gestanden, und wenn man von dem von ihr verkauften Mais gegessen haben
würde, müsse man sterben.
Die Witwe des Herrschers tritt an das Grab und wirft einige Schollen Erde hinein; das Gleiche tun alleAnwesenden,
die hernach die Gruft zuschütten. Darauf wird ein Ochse, kilulumo, geschlachtet.
Inzwischen ist der worogwe weggeschickt worden und er bringt seinem Aufträge gemäß einen Jüngling herbei,
den man am Grabe erdrosselt und dann die Leiche in den Busch wirft. Hernach stellen die anwesenden Wakilindi eine
Grabumzäunung, kigiri, aus Ästen des wengengwe- und mwuno-Baumes her und kennzeichnen Kopf- und Fußende
durch je einen großen Stein. Zwei bewaffnete Wakilindi und zwei Waschambaa, die am nächsten Tage durch andere
abgelöst werden, halten am Grabe Wache; jeder hat einen Speer und den Schild zur Hand.
Die Wakilindi kehren nach Hause zurück. Der worogwe geht nach Wuga zu und stellt sich an der Grenze zwischen
der Landschaft Wuga und Bumbuli in ein Gebüsch, um einen Mann oder eine Frau, die des Weges kommen, zu er-
schlagen und die Leiche dort liegen zu lassen. Vorübergehende sagen beim Anblick des loten: ,,Ah, du! Jemand
hat einen Menschen totgeschlagen. Ja, ich hörte der Jumbe ist krank; sei still! Gib acht! Du wirst erdrosselt, wenn
du unvorsichtig so etwas sagst.“ Der worogwe geht dann heim.
Drei Waschambaa-Männer, warau, werden, jeder nach einem andern Dorfe, abgeschickt, in dem sich Vieh des
Häüptlings befindet, und sie haben ein bis drei Stück Rindvieh aus seinem Herdenbestande mitzubringen. Im Orte
raunt man sich leise zu: ,,So viele Wakilindi hier! Der Häuptling ist seit einigen Tagen krank; gewiß ist er gestorben.“
Die Wakilindi erwidern: ,,Seid still; der Jumbe ist krank und liegt in der kitala; keiner hat Erlaubnis, ihn zu sprechen.“
Die herbeigetriebenen Kühe werden geschlachtet. Bei Nacht ladet man sämtliche Gewehre zum Zerspringen voll
Pulver und feuert sie ab. Am Grabe stellen sich in der Finsternis der Nacht drei Mann, kunula diro, auf, von denen
der eine eine neue Hacke an einen Faden bindet, ein anderer das Signalhorn ansptzt und der dritte die große ngoma
bereit hält. Sobald das Tageslicht anbricht, schlägt der eine Mann auf die Hacke, der andere bläst auf dem Horn
und der dritte läßt auf der Trommel erst vier langgezogene, dann zwei kürzere Schläge dumpf erdröhnen. Rufe im
Orte werden laut: Alle Leute sollen in die kitala kommen. Schauerlich klingen die Trommelzeichen, die Totenklage
erfüllt das Land: „Unser Jumbe ist gestorben.“
Gegen zehn Uhr vormittags verstummen die Trauerklänge; ein Ochse nach dem andern, an zehn bis zwanzig
Stück, werden nun geschlachtet. Für das Land beginnt jetzt eine Schreckenszeit. Jeder kräftige Mann raubt und
plündert, was und wen er findet; nimmt er andere gefangen, so darf er sie als Sklaven, mlungnla, verkaufen. Wer
skh ein Weib wünscht, kann es mit Macht nehmen. Ziegen und Kühe raubt der Stärkere dem Schwachen, das Faust-
recht steht in voller Blüte.
Außerdem wandert der worogwe auf den Straßen umher, lauert im Gebüsch versteckt Vorübergehen cn auf und
( fschlagt sie, mulungula wa inschi; wer ihm auch sonst in den Weg kommt, büßt sein Leben ein.
T% Männer dürfen nur Hüfttücher tragen, die Frauen nicht im Felde arbeiten; sammeln sie Brennholz, so ist
1 neri ^i« Benutzung einer Axt verboten, nur mit der Hand ist es abzubrechen. Perlenschmuck darf nicht angelegt
icu, Messingspangen verbirgt man; madodi und galo-Ringe werden mit Lappen umwickelt.
BEITRÄGE ZUR KENNTNIS DER WASCHAMBAA
21
Zauber und Gegenzauber.
Kriegszauber.
„ m MmMaa befragt das Traumorakel, ehe er in den Kampf zieht. Der mgonesi gibt auf Grund seiner
Der Oberhauptlmg De g , scheint. Nimmt der Herrscher selbst daran teil, so begleitet
Träume den Tag an, der ihm nr c en c z^g ra ic anderen Amuletten behängten Zauberstab in der Hand,
•u j . dieser hält schaka, einen mit Fellringen unu au &
ihn der mgonesi, diesei n ^ tora fuko trägt m dem Sacke, der
sonst die üblichen Zaubergeräte enthält,
letzt das Zaubermittel mdundugo, das in
Friedenszeiten in einer Tasche aus Ziegen-
feil beim Oberhäuptling verwahrt wird.
Unterwegs wird den Kriegern Halt
Geboten; der mgonesi legt seinen Zauber-
stab über den Weg, während die Krieger,
einer hinter dem andern, über schaka da-
A !k hinschreiten müssen. Wer von ihnen den
f \M linken Fuß zuerst darübersetzt, wird für
diesen Feldzug untauglich erachtet und
heimgeschickt. Die Wange eines jeden
Kriegers, der mit dem rechten Fuße voran
den Stab überschritt, bestreicht der mgo-
nesi mit etwas mbaju-mbaju. einem Ge-
misch von Asche und Brei zauberkräftiger
Pflanzen, das er seinem Flaschenkürbis
(Fig 288) entnimmt, und spricht dabei:
kumosoku-lume! Wer an dieser magischen
Handlung, kuzinga genannt, teilnimmt,
hat die Überzeugung, gegen alle Geschosse
der Gegner, die sicherlich ihr Ziel ver-
fehlen, gefeit zu sein.
Kurz vor dem Zusammentreffen mit
dem Feind wird abermals Halt befohlen;
der Anführer nimmt den Zaubersack mit
, r, pQmiliwr 7um Essen. Letzterer fährt sich dann mit der
1 . • j ™ Krieger etwas Zauberpulver zum
mdundugo und verabreicht jedem ^ueg Etwas anderes mdundugo wird auch am Schilde befestigt. Seme
Hand über den Kopf und stürzt in den iv ^ ^ Krieger treffen, zu Boden sinken, ohne ihn zu verwunden.
Wirkung besteht darin, daß die Geschosse ^ einern Unverwundbarkeitszauher versehen. Gewöhnlich werden
Fast jeder Schild ist auf der innensei ^ it nüber Pfeil und Kugel gilt, benutzt. Bei dem in Fig. 289
Federn, bez. die Flügel des Ziegenmelkers, t. ^ Handhabe mit einem Streifen Baumwollstoff umwickelt,
»‘
Feuerzauber.
^ * w schützen sagt der Zauberer eine Beschwörungsformel her, hält nach der ge-
üm einen Baststreifen, an dessen Ende sich eine Schlinge befindet und zieht diese am Schluß
lefneÜworto zu. von einem Steppenbrand bedroht war zündete seine makihio das Gras rund
Als Karaseks Wohnbau. *ip Worte wurden gemurmelt, nur das zahlreiche tp! tp! war deutlich vernehm-
um das Gebäude an und beschw■ ^ i ^ ^ auf das andere, als wenn ihm das heranrückende Feuer die
bar. Sein Aufseher sprang I^ „fe^ssen um das Haus und sagte ebenfalls Beschwörungsformeln her.
Üußsohlen versenge, ran brannten Grases gebot dem Steppenbrand halt.
Der Gürtel des aog
Fig. 288.
Big. 289.
Raubtierzauber.
mafingo vor dem Dorfeingange sollen den Ort wie vor den waschai. namentlich n u « i-j-
‘ üere schützen. ' tj °h auch vor Schädigung durch Raub,
Ein fingo vor einer Hütte schafft dem dort untergebrachten Vieh während q at ,
Sicherheit; dieser Zauber befindet sich stets unter der Erde, meistens in einer Anh y ^ VOr j*llerlei ßaubzeug
Schutze vor Regen eine kleine Hütte über jener Stelle erbaut ^chatma-Schale und es ist zu seinem
22
A. KAKASEK
Der Lohn des Zauberers besteht in einem doti Tüch;
ferner erhält er eine Ziege, wenn in der Zeit bis zur Fertig-
stellung seines Zaubers ein Stück der Dorfherde ein Junges
warf und in der Zwischenzeit kein Leopard ein Tier schlug.
Wenn" ein pflichtvergessener Hirt während des Hütens
schlafen will, so hält er seinen Hirtenstab aufrecht und
spricht: tp! kifinga na moschi, mgoschi wa schui ka mfingi
wywjele ya tschui ka mfingi, ki mfinga moto hau waka tp! ni
mkirika, kamkirike schui, mikono jake neta kwa i kirika,
Meno neta kwa i kirika, kombenaita kwa u kirika. Mkilanaita
kwa u kirika. kifinga na moschi. kakireka schimba ( =
simba, Löwe) na schui kafinga schimba na schui.
Sodann legt er seinen Stock quer über den Weg und
gibt sich dem Schlafe hin.
Wenn jemand im Luengera-Tale bei Nacht durch Gegen-
den, die von Raubtieren gefährdet sind, gehen muß, so nimmt
er einen kleinen Zweig von mwunga luiza oder von mlekej in
die Hand, schließt die Augen und spricht; mfunga luiza!
Mgoschi ya simba kamfunge matscho, kamfunge kombe,
kamfunge mlomo, kamfunge mpura, kamfunge kitschwa,
kamfunge moyo. Mlekej neita kwaleka na je, simba zalekana Fig. 291.
na je, tschui zalekana na je, mbogo zalekana na je etc. nyama
Fi&- 29°- zote . . . Sodann macht er sich auf den Weg.
In Mkulumusi, in Potwe und Niussi verbrennt man Blätter von mwunga luiza und
nimmt die Asche in einer koba mit auf die Reise.
Der Feldhüter schützt sich vor Raubtieren, wenn er etwas von dieser Asche in sein Wachtfeuer streut.
Außerdem gelten als Schutzmittel gegen Raubzeug Amulette in mpingu-Form, von denen das Stück zwei bis drei
Ziegen kostet. Bei den in Fig. 290 III E 12461 abgebildeten mpingu sind an einem Fellriemen mit kurzem rotbraunem
Haar drei engmaschig überstrickte und mit Kittmasse überstrichene Behälter befestigt; an ihrem Unterteile ragt ein
Stück von einer Federfahne vor. Das ganze Amulett ist stark verräuchert. Wird der Träger solch eines Schutz-
zaubers einen Löwen gewahr, so nimmt er das mpingu zur Hand und spricht; Mlenga! tp! mlenga simba kamlenge
mazi, matscho kamlenge mazi, mkono . . . mdomo . . . kombe . . . msesigua muana kula mtschako ukilia mtschako,
tschainga ndima tschenga kiloso.
Als Amulette zum Vertreiben von Löwen, Leoparden usw. dienen Löwentatzen und Leopardenkrallen (eine
Kralle kostet bis y2 Rupie) sowie das Fett, das Herz oder der Mageninhalt dieser Tiere, Objekte, die teuer bezahlt
werden. Das in Fig. 291 III E 11691 abgebildete Zaubermittel shaka, wird außer gegen Heuschrecken namentlich
auch auf Reisen als Schutz gegen wilde Tiere auf einer langen Stange den Wanderern vorangetragen. Es besteht aus
einem Antilopenhorn, das mit einem Stück Löwenfell, wie scheint von der Mähne, umwickelt ist. Den Verschluß
des Horns bildet ein zusammengerollter Fellstreifen, der ebenfalls von einem Raubtiere stammt. In dem Horn selbst
ist kein Inhalt, doch ist es möglich, daß er verloren gegangen ist.
Krokodil-Zauber.
Wenn in einem der Dörfer, die an größeren Wasserläufen liegen, wiederholt Menschen von Krokodilen angegriffen
worden sind, so läßt man den mganga yamamba, den Zauberer gegen Krokodile, gewöhnlich ist es ein Msegua, seltener
ein Mschambaa kommen. Beim Betreten des Dorfes zahlt man ihm sein Honorar: eine neue eiserne Hacke, zwei
blaue Tücher, kaniki, ein schwarzes Huhn und eine halbe Rupie. Dann führt man ihn zu den Stellen, wo kurz vordem
Dorfgenossen von Krokodilen angegriffen oder in das Wasser gezogen wurden. Zum Beweis, daß hier zahlreiche
Krokodile hausen, erlegt man in der Nähe ein Nilpferd; um den im Wasser schwimmenden Kadaver sammeln sich die
Krokodile, denen der mganga, den Blick ständig auf das Wasser gerichtet, folgende Beschwörungsrede hält:
tp! ja kenja nya kenja, ya tumba nya tumba, za Mgombezi (ein Rufu-Dorf unweit Korogwe, das am Pangani
liegt) tahita quaoi funika, mboschi ya mamba funike, vyere ya mamba funike, mdodo ya mamba funike, zatumba ni
zatumba, za Mgombezi ni za Mgombezi, zakenja ni zakenja za Mgombezi zalema na funiko, kazi funike. teta ka
funike mschemkulu, kazi funike makelo, kazi funike mujanjulo, kazi funike kio kikuru (oben ist nicht gleich oben;
ist nicht gleich weit. In Mgombezi, du altes Krokodil, sei jetzt still! Frau Krokodil, sei jetzt still! Du Kind
rokodiq sei jetzt still! Weit ist nicht gleich weit; jedes Rufu-Dorf gleicht nicht einem andern; seid jetzt still! Eure
ruhe! Ruhet am Mittag, ruhet früh, ruhet abends, eure Gefräßigkeit ruhe nachts!)
7aub^n auf diese Weise die Krokodile gebannt sind, steigt der mganga, um die Leute von der Wirksamkeit seines
ers Zu überzeugen, in den Fluß hinab, alle Leute müssen ihm folgen und das Nilpferd ans Ufer ziehen, um es
BEITRÄGE ZUE KENNTNIS DER WASCHAMBAA
23
dann in das Dorf zu schleppen. Amulette gegen den Krokodilbiß, Schnürchen, an denen zwei Hölzchen befestigt
sind, werden dann ausgeteilt, und der mganga mit einem Vorderbein des Hippopotamus bezahlt.
In Niussi erzählt man, daß die Waschambaa hier die Krokodile erst verzaubert, dann vergiftet haben, daher das
Fehlen dieser Raubtiere in jener Gegend.
Wildschaden-Zauber.
. „ zu schützen, trifft der Zauberer folgende Vorkehrungen: er
Um eine Pflanzung vor Wildschweinen en mwunga luiza und zerreibt sie; dann zieht er sich vollständig
trocknet über dem Herdfeuer Blätter von m um a und trägt die mit dem Blätterpulver gefüllten Achatinaschalen
aus, bindet sich kaniki um die Hüften, schließt ie| g wq ef gie eingraben wm. Er wählt dazu die Grenzen des ge-
die er auf den Rücken hält, an die Stellen der ^ Schneckenhäuser mit dem Zaubermittel, indem er dabei spricht:
fährdeten Feldes und verscharrt hier sechs isac^ ^ ururubua> mlala wa ugurue kahumbe .... muana ngulue . . .
tp! mhumba! mgoschi wa ugurue, ka u bami zeta kwabamiza mescho wa ngulue.
pelasche kamtschuscha mescho, muana uguiu • Blätter von gole und kongo und streut die Asche an den
In Niussi verbrennt man zu dem gleichen Zwe
Rand der Pflanzung.
Wanderheuschrecken-Zauber.
Fig. 292.
Wenn starke Wanderheuschreckenschwärme nahen und die ganze
Ernte zu vernichten drohen, so läßt der Jumbe des gefährdeten Ge-
bietes den als Spezialisten im Heuschreckenzauber bekannten Mpare
Magili aus der Gegend von Masinde kommen. Jedes Dorf jenes Ge-
bietes zahlt ihm ein Huhn; jeder Besitzer einer Pflanzung die Hälfte
der am Abend aus der schamba zusammengetragenen Bananen, des
Zuckerrohrs und Mais, während die andere Hälfte die Versammelten
verzehren; außerdem bringt ihm der Jumbe drei Ziegen, die seine
Leute herbeizuschaffen haben. Sodann geht der Zauberer dreimal um
die gefährdete Gegend herum; auf jeden etwa vorhandenen Hügel läßt
er eine hohe Bambusstange, deren oberes Ende mit einem blauen Tuche
umwickelt ist, aufstellen und, sobald die Schwärme der Heuschrecken
nahen, mit ihr gegen die wazige hin schwenken.
Auch im Bondei-Land ist diese Art Zauber verbreitet.
shaka, der Zauber gegen Heuschrecken, hat verschiedenartige
Gestalt; ein wesentlicher Bestandteil scheint immer ein Antilopen-
horn zu sein. So findet man an einen Stock ein Achatinagehäuse,
das in Baumwollzeug gewickelt ist, zusammen mit einem Antilopen-
horn und Ticrschwanze gebunden; außerdem sind ein durchbohrtes
Holzstückchen, einige Federchen und ein fest umflochtenes, nicht
sichtbares Zaubermittel am Stocke befestigt. Fig. 292. III E 12463.
In einem andern Falle besteht shaka aus einer Antilopenhornspitze,
die mit Fellstreifen und mehreren Fellstückchen sowie mit Blättern
zur Hälfte umwickelt ist; Asche und Reste von angekohlten Pflanzen bilden den Inhalt
der durch ein Fellstück, umwickelt mit Baumwollstoff, verschlossen ist Fig 293 III
E 11690.
Fig. 293.
Mäuse-Zauber.
Sobald der Boden der Hütte, talai, gereinigt ist, schafft der
bestreicht sie mit einem Brei, den er aus einer zerriebenen unreiW 7-f g n^oschwe sechs Maiskolben herbei
“■ i. w - ’"/»**•................................. 'ÄSrii ..............................«C«
tp! nagamba m mochoele, nenda uka goschwe, mboschi wa os 1 11 fePeic ier unc* spricht:
wa ..nenda ka mschuzule; akida goschwe niwaka. ni mbueni umu "" ni|nda *'i* mschoeleze- mschusa, mbosch'
kwadja kande kwa wa nyumba. tp nipela schekigoj, mboschi wa «Am ° ‘"e,zosche «Mchiaig». nyagul0 Al“
Am folgenden Tage wird der Mais vom Felde eingebracht und auf den R
In Niussi werden gleichfalte sechs Maiskolben mit demselben Zaubernd« u 8*b*t-
‘ag ich schaut die Hausfrau nach, ob etwa Mäuse die Kolben angefressen hot , ?hen und aui den Bodf*n geWt.
so bringt man den Mais auf den talai. ^en; bleiben sie einige Tage unversehrt'
24
A. KARASEK
Zauber gegen mtame-Schädlinge.
Der Zauberer zündet ein Feuer an, streut verschiedene Kräuter, die er geheimhält, darauf und der sich entwickelnde
Rauch verbrennt die mtame-Schädlinge, wyassa.
Ameisen-Zauber.
Den mganga ya silafu sieht der Wschambaa nicht gern; seine Aufgabe ist, alle Ameisen, die besonders in der
Regenzeit in den Hütten sich einstellen, zu verbannen. Da die hierzu nötigen Zaubermittel bei längerer Benutzung
den Amuletten des mganga, die er zu seinem persönlichen Schutze vor Krankheiten trägt, ihre Kraft nehmen, geht
er ohne diesen Krankheitsschutz einher und wird infolgedessen von den Waschambaa, in deren Augen ein Mensch
ohne Amulette etwas Verabscheuungswertes ist, schief angesehen.
Der mganga lehrt den Ameisenzauber nur den Frauen, niemals den Männern. Vor ihrer Verheiratung wird sie zu
dem Zweck zu einem mganga, der zufällig ins Dorf kommt, in den Unterricht geschickt; sie muß sich an einem finstern
Abend vollständig ausziehen, mit einem mlavi, dem Rührstock, den man beim Maisbreikochen braucht, viermal um
das Haus herum Kreise zu ziehen und ihn dann vorsichtig in den Wald tragen, um ihn hier niederzulegen.
Das Honorar für diesen Unterricht beträgt eine Scheibe Waschambaa-Tabak.
Hunde-Zauber.
Der mganga ya kuli sowie der mganga ya mkulungo stellen Zauber zu guter Witterung für Hunde, schunguro ya
makuli, her. Der Zauberer hält in der einen Hand mbugi, mit der andern schüttet er Zauberpulver dazu; dann
streicht er dem Hund den Rücken entlang, wiederholt dies einigemale und bindet ihm zuletzt eine mbugi-Schelle um
den Hals. Durch diesen Zauber wird nicht blos Schutz vor Löwen, Leoparden und Schlangenbiß erreicht, sondern
der Hund wittert das Wild gut und ist seiner Beute sicher.
Jagd-Zauber.
Der Jäger hängt sich, damit ihm Nilpferde, Buschböcke und andere Jagdtiere zu Gesicht kommen, verschiedene
mpingu um den Hals; vor seinem Aufbruch zur Jagd vergräbt er ein Buschmesser in seiner Pflanzung, um bei seinem
Pirschgang Glück zu haben. Damit ihn keine Raubtiere überfallen, trägt er in seiner Tasche schützende Zauber-
mittel. Hat er ein größeres Wild erlegt, so bringt er sich am Unterarm einen Hautritz bei und reibt sich hiermit Blut
seiner Beute ein. Ein am Gewehrkolben befestigtes mpingu verleiht Treffsicherheit.
Honig-Zauber.
Die „Alten“ kennen mancherlei Zauber, den sie aber geheim halten, um neue Bienenstöcke honigreich zu machen.
Ruft man einen Zauberer, der sich darauf versteht herbei, so gibt er lundo in den Bienenstock, mzinga. Sein
Honorar besteht in einem Flaschenkürbis voll Honig, das er aber erst bei der Honigernte erhält.
Lastenträger-Zauber.
Der mganga wa mzigo fertigt Zauber zur Erleichterung schwerer Lasten für die Träger an. Zu dem Zwecke
bringt er dem Betreffenden mit einer Pfeilspitze an jeder Brustseite eine Reihe von Hautritzen bei, ferner kleinere
Wunden das Rückgrat entlang, die Maden bis zu den Füßen hinab, auch seitlich der Lendengegend. Ein Amulett
muß um die Hand, den Hals oder die Hüfte getragen werden. Der so Behandelte verfügt stets über reiche Kräfte;
er wird nie schlapp noch auf dem Wege krank; die schwerste Last trägt er leicht.
Feld arb eiter-Z auber.
Zur Erleichterung anstrengender Arbeit auf dem Felde, gegen vorzeitige Ermüdung sowie gegen Schmerzen im
Rücken infolge des Bücken, bei der Arbeit in der Pflanzung dienen mapande, die so zu tragen sind, daß beide Hölzchen
hart am Rückgrate anliegen.
Regen-Zauber.
Bei den Waschambaa geht allgemein das Gerede: „Weil heute in ... ngoma ist, wird es nicht regnen . Wenn
^■^lich ein Fest gefeiert wird, sei es galo oder mariko oder rosa, so ruft man einen Zauberer herbei, der die drohenden
vegenWo^en ttir die Zeit der Festdauer verbannen muß.
die p11 ^>a^e ^ei Sakarre hatte sich der mganga einen Ring aus einer Art Binsen, hitete, durchs Ohrläppchen gezogen,
1Tlseu so verknotet, daß ihre Enden beiderseits weit abstanden, und sprang dann unter Verwünschungen des
6geils herum.
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BEITRÄGE ZUR KENNTNIS DER WASCHAMBAA
25
Häufiger ist folgende Zeremonie: der Zauberer nimmt einen Bergstock, bindet an das obere Ende luvencr^r.
etwas darunter ein Amulett, pingu und droht dann mit dem Stocke, dessen unteres zugespitztes Ende er in derT g
halt, den Wolken. Zuweilen bewegt er auch den Stock pendelartig, gleich als wolle er den heranziehenden pJT
verteilen. Entsprechende Verwünschungen werden in beiden Eällen gebraucht.
Auf das Regenmachen sowie -verscheuchen verstehen sich vor allem die Wakilindi. In früheren Zeiten wa
jeder Oberhäuptling oder große Häuptling eifersüchtig, daß kein kleinerer Zauberer diese einträglichste aller Küns^
ausübte. Wenn damals ein mganga wegen Regenmacherei beim Jumben angezeigt worden war, so kaufte letztere]- ihm
entweder seine Kenntnis unter den Bedingungen ab, niemals ferner Regen zu machen noch jemand weiter in
Geheimnis einzuweihen, oder, und das war zu Zeiten Kimueris allgemein üblich, man tötete ihn schnell Als dann
später dieses Morden gerichtliche Nachspiele herbeiführte, begnügten sich die selber Regen schaffenden Hä tl’
ihre kleineren Konkurrenten zu entlarven, um sie unschädlich zu machen. Zu dem Zweck verkündete der H"
seinem Volke: „Der So und So kann Regen machen. Die Folge ist: Für seine Gegend wird er stets Regen schiffe0
und für die unsere bleibt nichts.“ Der Beschuldigte mußte vor dem Jumben erscheinen, der ihm nun an einem I ^
wolkenlosen Tage befahl: „Ich will, daß es bis zum Abend regnet!“ Vermochte der Zitierte diesen Befehl nicht
erfüllen, so ward er bestraft. Man band ihn auf einem großen Platze fest, trommelte alle Dorfbewohner zusa ' ?U
und ließ ihm mit einem gewöhnlichen Haumesser, luhamba, die Kopfhaare, ohne sie anzufeuchten, abkratzen Lacl]611
und Spott bei der Volksmenge. Das Haus des angeblichen Regenmachers wird zerstört, sein Vieh und alles Wertvolle
konfisziert; nur Weib und Kinder bleiben ihm. Der Geächtete flüchtet möglichst weit von seinem Wohnort ° ^
In dem Rufe, große Regenmacher zu sein, stehen neben Kibanga auch Kiniassi sowie der Jumbe Mtoi unweit
Wugiri.
Zu Kibanga kommen selbst aus Bondei-Land Leute, um Regen zu erbitten ; sie zahlen sechs bis zehn Runien
Honorar und erhalten die Zusage, daß sie dann Regen bis in ihre Heimat begleitet. a 8
Wie man den gegenwärtigen Wakilindi die Macht, Regen herbeizulocken zuschreibt, so auch ihren Ahnen
man sie durch Opfergabe willig macht; ebenso schreibt man beiden die Fähigkeit zu, den Regen zurückzuhaR1111
Regenlosigkeit hält man auch für das Werk böser Zauberer. Wenn in einer Gegend die Maispflanzen vertrock ^
so fahndet man nach einem alten Manne, dessen absonderliches Wesen seinen Zusammenhang nnt böser 7^
anzudeuten scheint. So wird aus der Zeit Kimueiis von einem alten Manne namens Mbogo aus Mali im Bezirke B u ^
berichtet; Der Mais war vertrocknet. Da kamen einige Männer und sagten zu mir; „Du wirst nach Wuga e f
Dort wurde ich einige Tage in Gewahrsam gehalten, dann begann man eine Verhandlung mit den Fragenyy,
bist du so schmutzig ? Warum sind deine Haare so lang ? Du hältst vielleicht den Regen zurück ?!“ Ich ento-e» Um
„Nein!“ Da rief der Jumbe: „Leute greift ihn! Rasiert ihm die Haare! Wenn ihr sie ihm abschneidet und '
nicht, so ist er unschuldig; wenn aber die Haare fallen und es regnet, dann ist er ein böser Zauberer, der den H ^
zurückhält.“ Mit einem stumpfen Messer wurde mir mein langes Haar, ohne es mit Wasser anzufeuchten ab< es TT”
Während dieser Prozedur fielen tatsächlich einige Tropfen Regen; die Leute liefen mitsamt dem Jumben dav^ ^
schrieen: „Der Regen kommt!“ Ich mußte eine Ziege, mbuzi ya temo zahlen und wurde hernach freigelass^1
Einem anderen Manne, der in den Verdacht gekommen war, den Regen zurückzuhalten, wurden die KIeül ^
gezogen, die Hände zusammengebunden, sein Kopf mit Honig eingerieben und er aus Wuga hinausgeja t-b^ <XUS'
folgten die Bienen und zerstachen ihn derart, daß er starb. — & b > 1 n vei-
Der Mschambaa schützt sich gegen alle Übel, die er der Macht böser Geister der 7flnWr ■
verschiedene Arten von Gegenzauber. So usw. zusc leibt, durch
1. Durch Amulette.
mapande sind Eisenkettchen, Schnüre und Streifen aus Leder, Bastfäden von bestimmten Bä
klötzchen oder zwei möglichst gleiche Stückchen eines Stachelschweinstachels, Krallen von Vögeln11™115 ^ H°IZ'
oder mit einem eingebrannten Loch versehen, sind charakteristisch für diese Amulette Ö * USW‘ durcllbohrt
In Fig- 294- 111 E 11576 und FiS- 295- 111 E 11578 sind zwei Fußkettchen aus Eisendraht mit A
Schlangenbiß abgebildet. Das Zaubermittel besteht in dem einen Falle aus zwei durchlochten V Tun^ gGgen
jede mit einem Ring aus weißen Glasperlen verziert ist, und aus einem Stückchen harten Holzes- i
aus zwei Holzstückchen und einer kleinen dünnwandigen Kupferröhre. ’ m andern Falle
Im Luengera-Tale sah Karasek jederseits dieser Hölzchen eine Perle aufgefädelt • in Bumbuli war ,
Knoten angebracht; in Magoma trug man zwei auf einem Hautstreifchen der Varanus-Eidechse, mburu aufgefäd T
mapande als Amulett gegen eine angezauberte Fußwunde. ’ auI№deite
Je nach der Stelle, an der die mapande getragen werden, unterscheidet man: mapande ya mutwi, va n£nio
mkono und ya schmgo. ’ J ya
Unter mpingu (Flur, kipmgu) versteht man vom Zauberdoktor erworbene Asche, zerriebene Blätter und and
dem Träger des Zaubermittels unbekannte Ingredienzien, die in einem Stückchen Tuch eingenäht, deshalb 2' *
ya kuschona, am Halse getragen werden; oft sind sie mit Perlenschmuck verziert - z B Fig 296 III ll'op P lgU
Form ist ungemein mannigfaltig. Oft hat der Zauberstoff selber die Gestalt einer Erdnuß oder gleicht ihr an 22
Wird das mpingu, dessen Zusammensetzung nur der mganga kennt, im Hüfttuche oder in shuka eingenäht 1*'
tragen, so führt es den Namen mpingu nguo. 8 laJlt Se'
26
A. KAKA8EK
Fig. 294.
Fig. 295.
Fig. 29C.
Birgt es Koransprüche, so heißt es mpingu ya malimu.
Mpingu ya kigndi bindet man sich in der Weise um den Leib, daß das
Zaubermittel selber auf das Rückgrat zu liegen kommt.
Mpingu ya nyoka dient gegen nyoka-Erkrankungen.
Unter luhembe ya mganga versteht man vom Zauberdoktor gefüllte
Hörnerspitzen, die an Eisenkettchen um die Hand oder vom Halse auf die
Brust hängend getragen werden müssen.
Nganzchi ist eine daua, Zaubermittel, gegen Handschmerzen und besteht
aus einer weißen Porzellanschnecke, die man an einem Lederstreifen um das
Armgelenk trägt.
Die in dem vierhenkligen Gefäße aus ungebranntem, nur an der Luft ge-
trocknetem Ton enthaltene daua — sie besteht aus Pflanzenfasern — Fig. 297.
III E 2935 soll gegen Brustschmerzen schützen, wenn man das Gefäß an der
Decke im Hause des Kranken auf hängt.
Der Preis derartiger Amulette beträgt je nach dem Zweck, zu dem sie
verwendet werden sollen, 2 — 6 Rupien.
Hier sei der z. B. in Kwaschangrave (Bezirk Bumbuli) gebräuchliche
Zauber eingereiht, oberhalb des Ziegenstandes zwei zusammengewachsene
Maiskolben aufzuhängen, damit jede trächtige Ziege je zwei Junge wirft.
Gegen das Sterben der Hühner und zur Förderung reichlichen Brütens
benutzt man als Zaubermittel Schalen von Erstlingseiern sowie von Eiern,
die wohl angebrütet, aber nicht ausgebrütet wurden; sie werden aufgefädelt und oberhalb der Eingangstür zur Hütte
auf gehängt.
Fig. 297.
2. Durch mafingo.
Derartige Zaubermittel schützen das ganze Dorf oder einzelne Häuser gegen böse Einflüsse, Raubtiere und andere
Gefahren; fingo behütet auch die Hühner vor Nachstellung durch allerlei Raubzeug.
Eine andere Art fingo bewahrt das Haus vor bestimmten Schäden, wieder eine andere steht, wenn unter die
kitanda vergraben, den Eheleuten beim Geschlechtsverkehre schützend zur Seite.
Zu diesem Zaubermittel gehört eine Achatinaschale, die mit den magischen Blättern oder Wurzeln gefüllt ist.
■Meistens sind es zwei Schalen, die vor dem Toreingang zum Dorfe auf einem flachen Steine unter einer Bedachung
liegen; sie bildet ein großer flacher Stein, der seinerseits auf zwei aufrecht gestellten Steinen als Stützen ruht. Diese
W°Wng des fingo umgibt meistens ein kreisförmiger niedriger Zaun.
fer ^erarfige fingo findet man bei den Orten im oberen Luengera-Tale gewöhnlich vor dem Dorf eingange und
e5. zu vier Stück an jeder Wegseite zwischen Dorftor und erster Wohnhütte.
iGne Häuschen für die fingo baut man nördlich von Kelenge, unweit Korogwe; sie bestehen aus vier Eck-
rn zwei höheren Mittelstützen, die ein Dach aus Baumrinde tragen. Hin und wieder sind die Achatina-
BEITRÄGE ZUR KENNTNIS DER WASCHAMBAA
schalen mit dem Zauberinhalt auch nur mit schief gestellten Rindenstücken zugedeckt; so z. B. in Magoma (Luengera
Tal).
Ferner dienen als Dorf schütz auf hohen Stangen befestigte Zauberobjekte, namentlich als Abwehrmittel gegen
böse Geister, vor all m den kibuenga. So steht in Mgüa (West-Usambara) vor dem Dorftore ein Pfosten, in den
eine Höhlung eingemeißelt ist, um zwei Abwehrzaubersteine, die gegen böse Geister besonders wirksam sind, aufnehmen
zu können. In Tarawanda stand in der Mitte des Ortes ein Baumstamm mit drei Ästen, zwischen denen ein Tontopf
mit Zaubermitteln befestigt war, der jeden Tag mit Wasser gefüllt wurde. Oft kann man Stangen zu beiden Seiten
des Wegs vor dem Dorfe sehen, die im Boden befestigt und mit einem Faden untereinander verbunden sind — ein
Schutzmittel gegen bösen Zauber und Plagegeister. Zuweilen, so an einzelnen Stellen im Luengera-Tale, ist auf
der hohen Stange vor dem Dorfeingange eine flache, geflochtene Waschambaa-Schüssel mit Zauberobjekten ange-
bunden.
Sehr häufig sieht man als Dorfzauber einen Topf mit Wasser oder ein kleines Tongefäß mit ugali verwendet; sie
stehen auf einem flachen Stein innerhalb einer kleinen Umzäunung.
3. Durch gereta (kileta).
So nennr man den Zauber, bei dem schwarzes Zuckerrohr gegen seuchenartig auftretende Krankheiten
gebraucht wird allerdings auch gegen anhaltenden Husten, der namentlich infolge regneiischer und kalter Witterung
öfter grassiert In diesem Falle begeben sich alle Dorfbewohner zu dem mgongo-Baume, der mit wenig Ausnahmen
vor dem Eingang zum Orte angepflanzt ist, und unter dem sich meistens vor und nach dem Austriebe die Ziegen zu-
sammenfinden. Jung und Alt, die Frauen mit ihren Kindern auf dem Rücken, zieht um jenen Baum, umtanzt ihn
dann im Gänsemarsch und ahmt dabei stark Hustende nach. Hernach marschiert der Zug, dessen Teilnehmer Ziegen,
Hunde und Hühner mitschleppen oder mit allerlei Hausrat, namentlich Töpfen, kleinen Stühlchen und Raphiarippen
als Sinnbildern für Haustüren und Bettstellen sich gewappnet haben, unter gewaltigem Lärmen auf Ziegenhörnern
bis zu einem Kreuzwege. Hier wird nun in folgender Weise gereta gepflanzt: Je zwei Stengel schwarzen Zuckerrohrs
legt man parallel quer über jeden der in der Kreuzung zusammentreffenden Wege und befestigt die Stücke mit kleinen
Holzpflöckchen Dann wird ein Topf mit mahede, wovon jede Frau einen mitgeschleppt hat, zerschlagen und je
ein Topfscherben mit etwas von dieser Speise zu dem Zuckerrohre gestellt. Alle übrigen Nahrungsmittel verspeist
man an jener Wegkreuzung und zieht hernach unter lautem Lachen und allerlei Belustigungen wieder heimwärts
wo dann jeder Ortsbewohner sich ein msala-Blatt mit aufgefädelten tula-Früchten (und halbgargekochten Mais-
körnern) um den Hals hängt. . .
Außer dieser gereta, die Karasek auch mit „kileta bezeichnet, schildert er noch eine zweite „kileta“ aus einer
Zeit als der Europäer noch nicht im Lande war. Seine Berichterstatterin erzählte ihm: In meiner Kindheit trat in
Wuga ein heftiges Fieber auf, dem hier und in der Umgebung viele Leute erlagen; ständig hörte man die Todes-ngoma
Dein damaligen mächtigen Häuptlinge Kimueri wurden heftige Vorwürfe gemacht; er entschloß sich endlich, da
ncah geraumer Zeit das Sterben noch nicht nachgelassen hatte, den Rat des Zauberarztes einzuholen. Daraufhin
zogen'alle Kinder, Knaben und Mädchen beide für sich nach Mombo, der angeblichen Ursprungsstelle des Fiebers,
bauten hier in aller Eile Hütten und bereiteten sich in ihnen Essen. Eine ganze Woche lang zog man Tag für Tag früh
nach Mombo, abends wieder heim; die Mädchen stets untei Aufsicht einer älteren Irau, yumbe ya kuni, die Knaben
unter der eines älteren Mannes, yumbe ya mbueni. Wenn die Mädchen dahin zogen, hielten sie beide Hände an den
Kopf und sangen:
makeae, taga u wana,
amgula e, amgula tscharo,
tscharo kadia e, agamba
wanga, wangae, wangae, wanga kabelwa.
J)as Sterben ließ nach.
Als später die schwarzen Blattern ausbrachen, fand ein ähnlicher Zug statt; Kimueri errettete dadurch Wuga
und schenkte den Kindern einen großen schwarzen Ochsen.
Pas Pflanzen von gereta ist hauptsächlich in folgenden Fällen üblich;
a. zum Schutz vor den schwarzen Blattern. Die Ortseinwohner bereiten frisches Zuckerrohr-pombe, in das der
mganga so viele pingu eintaucht, als Seelen im Orte sind. Jedermann trinkt etwas von diesem pombe, nimmt aus
dem Topfe einen pingu heraus und bindet ihn sich um den Hals; der Zauberarzt gibt ihm eine Reihe von Verhaltungs-
maßregeln, muiko.So z.B.maeze, pombo derema, mtungudja nicht zu essen; keins der umliegenden Dörfer zu betreten-
keinen Wochenmarkt zu besuchen usw. Dann werden zwei Stengel schwarzen Zuckerrohrs quer über den Weg, der
zum Dorfeingang führt, gelegt, mit Pflöckchen von mschoele (Hoslundia verticillata) befestigt, und zwischen den
Enden der parallel liegenden Stengel je ein anderer Zuckerrohrstengel, tete, aufrechtstehend eingepflanzt; letztere
verbindet man oben mit einer mkirika, in deren Mitte ein pingu befestigt wird.
Das Honorar des Zauberarztes besteht in einem Stück schwarzes Tuch, zwei Hühnern, einer neuen Hacke, je
einem Faden Perlen von jeder Ortsbewohnerin; heute statt dessen in zwei Pesa von jedem Einwohner.
b. als Mittel gegen Dysenterie.
Der mganga zündet an der Stelle, wo die Ortsbewohner ihre tägliche Notdurft verrichten (kifuschi) ein Feuer an
28
A. KARASEK
und kocht Brei von Spreu von mtama. Hiervon genießen alle Dorfe in wohner eine Kleinigkeit. Besondere Amulette
verordnet der Zauberarzt nicht. Sein Honorar besteht in zwei Ziegen; das Betreten des Dorfes untersagt er sich selber.
c. als Schutzmittel gegen Fieber. Wenn eine Gegend von einem Fieber heimgesucht wird, so legt man zwei
Stücke schwarzes Zuckerrohr, zwei Kolben schwarzen Mais, mpemba ya muhingo, ein schwarzes Huhn und sechs bis
acht Eier auf einer Wegkreuzung nieder; dann schlachtet man dort das Huhn. So in Nguruj und Kongoj in West-
Usambara.
In der Gegend von Bungu richtet man gegen häufiger auftretende Fieber gereta in dieser Weise her: Zunächst
singen Männer und Frauen während vier Abenden kimbisi-Lieder; dann rasieren sich beide Geschlechter die Kopf-
haare und lassen nur einen kleinen Schopf in der Mitte des Scheitels, kischungi, stehen. Dann bringt man ein weißes
Huhn und einen Hund zu der nächsten Wegkreuzung, schlägt beide mit Keulen tot und läßt die Körper zwei Tage
an jener Stelle liegen. Einen halben Monat später rasiert man sich die Haarschöpfe ab.
d. als Mittel zum Erlangen von Kindersegen, gereta ya bereko stellt sich eine kinderlose Frau, die Kindersegen
wünscht, z. B. inDindila (West-Usambara) so her, daß sie zwei Stengel schwarzes Zuckerrohr in den Wald legt, darüber
trocknes Brennholz, das sie sammelt, auftürmt und unter dem Haufen ein weißes Huhn verbirgt. Wenn nun andere
Frauen von diesem Holzhaufen Stücke nehmen, so muß jene, die zuerst das Huhn erblickt, sterben, während die
erste Sammlerin nun bestimmt Kindersegen erwarten kann.1
Eine andere Art gereta zu dem gleichen Zweck: Die Frau nimmt ein weißes Tuch und einige Stücke schwarz-
stengliges Zuckerrohr; letztere legt sie an einem Kreuzweg sternförmig hin. Dann setzt sie sich auf die Stücke und
der Zauberdoktor umwickelt ihren Kopf mit dem Tuche; hernach entblößt sie ihre Brust, in die der mganga einige
Einschnitte macht, um seine Medizin hineinzureiben. Das Tuch erhält er als Honorar; das Zuckerrohr bleibt liegen
und die kinderlose Frau geht dann — die ganze Prozedur wird Abends vorgenommen — voll guter Hoffnung heim.
Ferner befestigt man, so in Bungu, zwei Stengel schwarzes Zuckerrohr vor der Hüttentüre; diese gereta ya
bereko wehrt jedem bösen Einfluß auf das zu erwartende Kind.
e) als Schutz gegen böse Zauberer. Wenn deren einer am Eingang ins Dorf oder in eine Hütte gereta erblickt,
so muß er hier gebannt bis zum nächsten Morgen stehen bleiben.
Bei keinem Feste der Waschambaa, weder bei mwiga mkulu oder rosa, kimbisi oder ulezi, malikoa kaja oder
galo, versäumt man gereta zu pflanzen, wenn das um der allgemeinen Sicherheit willen befragte Orakel prophezeit
hat, daß sich waschai einstellen. Die Art der gereta-Herrichtung entspricht der Pflanzung der bei einer Pocken-
epidemie üblichen ZauberaufStellung am Eingänge zum Dorfe.
4. Durch eine Reihe von Zaubermitteln mit dem gemeinsamen Zweck, dem Felddiebstahle zu wehren.
An erster Stelle steht kago, dessen Formen je nach der Gegend sich verschieden gestalten. In Bumbuli schlägt
man einen Stock in das gefährdete Feld, das an einem vielbegangenen Wege liegt, und hängt daran den Schädel eines
Buschbocks; den Hirnraum füllt das Zaubermittel.
In Mahezangulu baut man für den Kagozauber inmitten des Feldes ein ähnliches Häuschen wie das für mafingo
bestimmte.
Eine andere Form des kago besteht aus einer Achatina-Schale mit zauberkräftiger Asche und Wurzelwerk, die
einige Male um das zu schützende Feld getragen, dann eingegraben und mit einem umgekehrten Topfe zugedeckt wird.
Die genannten Zaubermittel bewirken, daß der Felddieb einen aufgeblähten Leib bekommt und im Falle, daß er
sich nicht selbst dem Feldeigentümer zur Anzeige bringt, sterben muß. Gesteht er den Diebstahl ein, so hat er dem
Feldbesitzer einen Hammel als Sühne zu liefern. Dieser wird geschlachtet und mit seinem Darminhalte der kago-
Zauber seitens des Eigentümers bestrichen; dem Diebe werden einige Ritzwunden beigebracht, in die dem kago an-
haftenden Schmutzteilchen, also namentlich Darminhaltspartikelchen, geschmiert werden. Dieb und Grundstücks-
besitzer verzehren sodann in Gemeinschaft mit den Dorfbewohnern das Hammelfleisch.
Andere Schutzzaubermittel gegen Felddiebstahl sind:
kihavo, ein vieldurchlöcherter Flaschenkürbis, den man mittels eines Fadens an einem hohen, im Felde einge-
schlagenen Stocke aufhängt;
kelwa, eine Tonröhre des Schmiedeblasebalges, die man wiederholt um das Feld trägt und dann schwebend be-
festigt ;
mambo, ein geschnitztes Brettchen, das auf der einen Längsseite mit Zahnung versehen und nahe einer Schmal-
seite durchbohrt ist, um ebenfalls aufgehängt werden zu können;
ein mdjoe-Ring, hergestellt aus dem Baste dieses Baumes. Der Ring wird verschiedene Male um das Feld ge-
tragen und dann in einem Gabelast, ebenfalls vom mdjoe Baum, aufgehängt; der Ast kommt an den Ausgangspunkt
des Feldumzugs zu stehen. Diebstahl von einem derart geschützten Felde hat unbedingt den Tod zur lolge, kein
kühnemittel kann von der sich alsbald einstellenden tötlichen Krankheit erretten.
dogog ist ein Feldzauber, der aus einer angeblich aus dem Digo-Lande stammenden Schnecke besteht, die nach
Mehrfachem Herumtragen um das Feld in einem Loche unter einem hohen Baume inmitten der Pflanzung vergraben
nd Mit einem Häuschen, ähnlich wie bei mafingo, bedeckt wird.
Frau ari<^ere Art des Kindersegenzaubers: Eine Frau legt an den Weg ihr Perlenband; der t Inder stirbt, die kinderlose
Mer kann auf Mutterfreuden rechnen.
BEITRÄGE ZUR KENNTNIS DER WASCHAMBAa
U U
Gegen Diebstahl im Hause schützt der Zauber bembele, eine halbe Adansonia-Fruoht, deren
Samen entfernt wurde und die mit Wasser nebst einem Gemisch magischer Asche und Wurzeln ge-
füllt ist Man hängt diesen Schutzzauber neben der Türe auf; er führt den Tod des Hausdiebes
herbei wenn dieser nicht nach dem Erscheinen der ersten bewirkten Wunden das Gestohlene mit-
samt einem Hammel zur Sühne des Frevels herbeischafft und sich dann einem Entzauberungsprozesse
ähnlich wie bei kago unterzieht.
dwiga ist eine Art „Wünschelrute“, mit deren Hilfe man Diebe ausfindig machen und ver-
lorene Dinge wieder erlangen kann. Fig. 298. III E 11698. Der Griff bestellt aus Holz; er ist
oben mit einem Stück Leder, unten mit einem nahtlosen Fellstück überzogen das den Ansatz von
drei schwarzhaarigen Schwänzen überdeckt. Ein Kettchen aus Eisendraht dient zum Aufhängen,
Big. '298.
. Waschai; kikopezi; zongo; zaubernde Tiere; Blutschande
Obgleich der Mschambaa die Vorstellung hat, vor Widerwärtigkeiten und Gpfni
Amulette, Besprechungen und verschiedene andere Arten von Zauber und Ge reu sich durch
maßen schützen zu können, lebt er trotzdem fortgesetzt in Furcht vor wh fnZauber eimger-
Mächten. Wenn er die Türe seiner Hütte auch noch so gut verrammelt hat J'™ni.SV°llen bösen
sich schlafen legt, die Angst bleibt sein ständiger Begleiter; oft zieht er sich aa- S^nem Bett
den Kopf und sehnt den Schlaf herbei, den ihn aber das Zittern vor dem Einfluß1 d ^
„bösen“ Zauberer und Hexen, der wazimu und mapepo und ihren Bosheiten versehe .Wa^ha,i’ der
lebt er unausgesetzt in Angst vor den waschai. CJlt‘ *or abem
Jeder Mensch kann ein uschai sein und aus dem Grunde traut der Mseha a , .
Freunde nicht. Der Volksmund nennt bald den, bald jenen im Orte einen bösen^ S®inem besten
ist es eine boshafte und allgemein verhaßte Person, ein Mann oder ein Weib Irl ' auberer; meist
Die Waschai treiben ihr Unwesen bei Nacht. Meistens kommen sie dann mheTb AlterS'
an das Haus ihres Feindes, ziehen sich dort nackt aus, schlagen an die Tür und ]V ^ °benen Händen
Infolgedessen erkrankt die das Haus bewohnende Familie, einige Mitglieder sterb^11 Zauber-
Unheil kann einzig eine ungemein kostspielige Medizin, die einmganga liefert weh ’ dem weiteren
des Mschambaa nicht zu groß, so daß er sich mäuschenstill verhält, dann sucht er d b ’ we ren. Ist die Furcht
bela ja taa, (Fig. 299) die Unholde zu vertreiben. U1C 1 C cls dcbd einer Laterne
Anderen Waschai sagt man nach, daß sie auf dem Kopfe umherlaufen oder gleich Hunden auf
springen und bellen; hernach die Türen bei ihren Gegnern öffnen und böse daua auf die Schwelle ] ^ Vleren berBr-
auch schreiend, singend oder auf einer kikongo, einem kleinen Pfeifchen aus Rizinu st Viele sollen
Wieder andere graben Menschenschädel aus und setzen sie sich auf den Kopf um S 1 l clS( nd llmherziehen.
Die Mannigfaltigkeit ihrer Streiche und Plagen ist Legion. So schleicht sich ein uschai T T‘ Vr<|?.l,reiten-
des Jünglingshauses, rasiert drinnen den nichtsahnenden Schläfern die Kopfhaare ab u- an 16 des nibueni,
Schale und vergräbt sie an einem Kreuzwege; infolgedessen erkranken alle Insassen des ^l S1C.ln einer Achatina-
uschai weiß, wo die Leute ihre Ernte verwahren, so vergräbt er dort eine daua d‘ d‘ > V ^ Uen1, ^der wenn ein
mischerei kommt oft vor; in das tembo wird Gift gebracht. e c ic orräte verderben läßt. Gift-
Während sonst kein Haus vor den waschai sicher ist, wagen sie sich an 1 x> •
oder an die Hütte eines mganga nicht heran. Meistens befestigt man oberhalb' dpr ^ esi^ztum emes großen Jumben
mit verschiedenen Hölzchen als Schutzzauber; betritt dann einer der Waschai d! TgefIochtenes Säckchen
unwirksam oder man entdeckt ihn. c > < die Schwelle, so wird sein Zauber
Zuweilen zieht der uschai zusammen mit seiner Frau aus beide
vollständig nackt; die Frau entledigt sich aller Schnüre bis auf die
aus großen Perlen bestehende mkatu-Kette, und tanzt vor der Türe
des Hauses, dessen Insassen sie schädigen will.
Einen uschai bei Ausübung seines Zaubers zu fangen, gilt als
Ding der Unmöglichkeit, selbst wenn mehrere Personen sich an der
Verfolgung beteiligen, ei wählt zu seinen Schädigungen immer nur
die finstersten Nächte. Zuweilen erkennt man die Anwesenheit der
waschai an folgenden Gesängen:
a. wambueni hawatikai kikuju, kama mahungo ya mti
b. ngenesi ngulo, katumbi kamema uschai.
In früheren Zeiten wurde jeder als uschai Verdächtige gefangen
und getötet, seine Frau und seine Kinder wurden verkauft. Auch jetzt
noch ist es vielen Waschambaa unbegreiflich, daß die deutsche Ver-
waltung nicht mit Todesstrafe gegen tvaschai vorgeht. „Man läßt sie
frei statt sie strenger zu bestrafen als die Medizinmänner“; hört man
oft klagen.
Neben den waschai fürchtet der Mschambaa die kikopezi, Leute,
30
A. KARASEK
die Böses stiften, die aber kein Kennzeichen an sich haben, durch das man sie von harmlosen Menschen unterscheiden
könnte. Sie kommen z. B. aufs Feld, grüßen freundlich den Besitzer, legen aber insgeheim schwer schädigenden
Zauber hin; er bewirkt mit Hilfe böser Geister Mißernte. Oder ein kikopesi geht bei Nacht aufs Feld, vergräbt
dort Zauber und bewirkt so Vernichtung der Ernte, sei es durch Regen oder Dürre, Mäuseplage oder sonstwie. Oft
murmelt der sich verabschiedende kikopesi: „Wäre das mein Mais! ‘ — sein Zauber bewirkt dann, daß die gute Ernte
von dem fremden Felde auf das eigene herüberwandert. So wurde Karasek einmal von einem seiner schwarzen
Freunde allen Ernstes geraten, sich doch an einen kikopesi zu wenden, der die Kunst, die Ernte von der Nachbar-
pflanzung wegzulocken, verstehe.
Ferner fürchtet man allgemein die Menschen, die den bösen Blick, zongo, haben. Meistens handelt es sich um
Frauen, seltener um Männer. Oft erkennt man die mit dem bösen Blick Behafteten an ihren eitrigen Augen, andere
an einem eigentümlichen Zwinkern; manche aber haben kein besonderes Kennzeichen. Der Stammesangehörigkeit
nach unterscheidet man: zongo ya Wataita, ya Massai, ya Wakamba, ya Wapare, ya Wampugu, ya Wasegua; ferner
zongo yaWadschaga, diese auch zongo ya bumbuassi genannt.
Unter den Wabondei sowie bei Europäern argwöhnt der
Mschambaa keine mit dem bösen Blick behafteten Personen.
In früheren Zeiten durften Leute mit zongo nicht im
Dorfe wohnen, sondern mußten sich mit ihren Familien, da
man Vererbung dieser Eigenschaft annahm, außerhalb des
Ortes ansiedeln.
Die Wirkung des bösen Blickes äußert sich in häufigem
Gähnen, starkem Erbrechen, Appetitlosigkeit, Durchfall. Bei
zongo bumbuassi fühlt sich der Getroffene stets satt und
leidet an Verstopfung; kein Erbrechen.
Wenn jemand derart erkrankt und nach Befragen des
Orakels nachweisen kann, daß er an seiner Gesundheit durch
den bösen Blick einer ihm bekannten Person geschädigt
worden ist, so erhob er in früheren Zeiten Klage und der Be-
klagte hatte gewöhnlich drei Rinder zur Sühne zu zahlen;
war aber der Erkrankte gestorben, so forderten die Erben
sechs Rinder als Buße. Zuweilen kam es vor, daß man mit
dem bösen Blick Behaftete gleich den waschai tötete.
Ob auch Vieh durch bösen Blick geschädigt werden kann,
ließ sich nicht in Erfahrung bringen.
Wenn ein Mschambaa an einer der vorgenannten Er-
krankungen leidet und zongo als Krankheitsursache vermutet,
wendet er sich an einen seiner Freunde, der sich etwas auf
Zauberei versteht. Dieser nimmt trockene Bananenblatt-
scheiden, schlingt zwei Knoten, hält die beiden Enden in
der einen Hand fest, während er seinen Mund an die Stelle
zwischen den beiden Knoten legt (Fig. 300), und beschwört
nun die Krankheit in folgender Weise:
Tp! Tp! Tp! mkirika wienda kakirika, kilo na mschi,
kuna zongo gendo kakirike ya Pare, ya Masai, ya Mscham-
bala. Dann kneift er sich in der Nabelgegend und stößt sich dahin viermal mit dem Zeigefinger. Nunmehr wird die
lamba dem Patienten vor den offenen Mund gehalten, der Beschwörer fährt mit ihr an jeder Körperseite vom Kopf
bis zu den Füßen entlang (kuhulula) und bindet sie dem Kranken um den Hals. Tritt beim Beschwörer Erbrechen
ein, so ist der Beweis erbracht, daß zongo die Krankheitsursache ist. Honorar wird nicht beansprucht; die Beschwö-
rung rechnet als Freundschaftsdienst.
Eine weit kompliziertere Krankenbehandlung ist erforderlich, wenn zongo ya Kipare oder zongo von sonst
einem fremden Stammesangehörigen vorliegt, denn dann muß der mganga zu jenem andern Stamme wandern und
die dort übliche daua zur Hebung des Leidens herbeischaffen; andernfalls fürchtet man tötlichen Ausgang.
Neuerdings schwindet der Glaube an die Macht des bösen Blicks. Immerhin beobachtete Karasek noch im Juli
1908, daß in Mgila sämtliche anwesenden Frauen mit ihren Kleinen erschrocken davonliefen, als das Kind einer
angeblich mit dem bösen Blick behafteten Mutter nur ein wenig zwinkerte.
Eine besondere Art des bösen Zaubers ist luschinga; ihn wendet der Ehemann gegen den Liebhaber seiner Frau
an> um ihn geschlechtskrank zu machen. Nach Rücksprache mit dem mganga und nach Zahlung des Honorars, das
111 einer Ziege besteht, erhält der Ehegatte luschinga, um sie heimlich unter der Schwelle seines Hauses zu vergraben
_ oberhalb der Türe unsichtbar aufzuhängen; dann geht er einige Tage auf Reisen. Kommt in dieser Zeit der
sonst a^Gr’ S° macfrk der Zauber ihn krank. Sobald der Ehemann heimkehrt, entfernt er schleunigst luschinga, weil
Seme Frau erkranken, unter Umständen sogar sterben könnte. Der erkrankte Liebhaber befragt den Zauber-
BEITEAGE ZUE KENNTNIS DEE WASCHAMBAA
31
doktor wegen der Ursache seiner Krankheit; das Orakel nennt ihm: luschinga. Für eine Ziege als Honorar erhält er
wirksame daua gesundet dann zwar, bleibt aber kinderlos. A1. ,
wirksame ^schreiben die Waschambaa auch Tieren die Fährgkert, Zauberer zu trerben, zu; namentheh
hat man Haustiere mit Ausnahme der Katzen, die „heilig“ gehalten werden als zauberkra tag nn Verdacht. Früher
wurden diese zaubernden Tiere sofort getötet, heutigen Tags begnügt man saeh vielfach rmt schnellem Verkauf unter
der Bedingung der Tötung seitens des Käufeis.
^we^^nThe01^toöffaLrd^m^BodLtttter Saisvorräten führt, oder auf den Boden selber Eier legt;
3. :::: 15
4. wenn es nur winzige, kaum 2 cm lange Eier proauzi
und dem Hahn geschlachtet und verspeist;
5. wenn es einen schwarzen, großen Tausendfuß frißt.
Der Hahn kommt in den Verdacht der Zauberei:
1. wenn er in der Nacht, namentlich vor morgens vier Uhr kräht;
2. wenn er in Anwesenheit der Hausfrau oder eines Mädchens im Hause über eine Henne st ' f
Die Eier von zaubernden Hühnern verkauft man, nur in seltenen Fällen verspeist man sie selbst
Das Schaf macht sich der Zauberei verdächtig, wenn es:
1. statt wie gewöhnlich mit gesenktem Kopfe einherzugehen, den Kopf in die Höhe reckt orW iE •
unnatürliche Richtung bringt; m eine sonst
2. wenn es auf das Dach der Hütte steigt;
3. wenn es auf die Bettstelle klettert;
4. wenn es ähnlich wie ein Hund zum Ruhen sich niederlegt;
5. wenn es die Hütte im Kreise umgeht und dann bei der Tür stehen bleibt;
6. wenn es das Brennholz, das auf der Feuerstelle liegt, mit dem Maule wegzieht;
7. wenn es sich bei Nacht die Schlinge um den Hals aufzieht;
8. wenn es bei Nacht die Lämmer saugen läßt.
In allen diesen Fällen tötet man das Schaf.
Auch die Ziege macht sich der Zauberei verdächtig, wenn sie:
1. am eigenen Euter saugt;
2. ihren Lämmchen bei Nachtzeit das Euter gibt;
3. ständig den Kopf hochreckt;
4. auf das Hüttendach oder die Bettstelle im Hause klettert;
5. um die Hütte herumläuft und am Eingang Halt macht;
6. bei Nacht sich die Schlinge am Halse löst;
7. Feuerholz von der Herdstelle mit den Zähnen wegschleppt.
Das Rind kommt in den gleichen Verdacht, wenn es eine der vorgenannten Eigenheiten die S h f
zeigen, an den Tag legt; ferner: wenn eine Kuh sich aufrecht auf die Hinterfüße stellt oder * 6 . °. a OC*er ^ege
derartig um einen Stamm schlingt, daß man ihn nur mit Mühe losbekommen kann Merm sie ihren Schwanz
Endlich schreibt man auch dem Hunde das Vermögen zu zaubern zu, wenn er nämlich
wohnheit sich die Bettstelle seines Herren zur Lagerstatt wählt; ferner wenn er in An ■ Seine sonsDgen Ge-
Hündin begattet; endlich wenn er gleich Rind, Schaf oder Ziege ein Stück Uv..,..,!,,,,""158™ V der Haui*au eine
B Brennholz vom Herde mit dem Maule
WegZ.lt74J.la.
Unter den „bösen“ Zauber rechnen die Waschambaa auch die o .
widernatürlich und sie meinen, sie nur als eine Wirkuni, m„ , t"' e; Sle erscheint ihnen ak ,, ,
Strafen. Sie kann zwischen Mutter und Sohn begangen SI ZU k~ Dement^eJ'tT
seine Bruder mitsamt einer Ziege in den Wald und erdrosseln hier beide Hab116«“ Pben’ den Sohn aber trAT®
einander vergangen, so erwartete ersteren Todesstrafe durch Erwürgen W t Und Sch»^ter sich unt
traf den Vater, der sich an seiner Tochter verging War ein N ff §+’ Ietztere §mg frei aus. Hie , ^nter"
Rechtsverkehr getreten, so hatte er früher Erdrosselung durch seLrBrT“ Tan‘e (Schwester des Vaters)’
Opfer eines Bockes, mbuziya tendesa zur Sühne des Vergehens. LateS ^ ^
üsambara häufiger als in West-Üsambara vor. Hat man die SchuldivenTA, ^‘schände kommt in Ost
lautes Geschimpfe und allerlei Bedrohung seitens der zusammenlaufendcn V i?8"*“*1 getroffen’ 80 erfolgt zunächst
freien Platz zwei Holzmörser einander gegenüber und zwingt den ScEuUr . 0,lvSinenge; dann stellt man auf
ausgespreizten Beinen sich auf dfeMörser zu setzen, die so nahe anemanSertlt6 0hne aUe
Schuldiger sich fast berühren. Wahrend das Volk jene an den Pranger gebt ,ktwerden’ daß die Vorderseiten hV
als Sühnopfer geschlachtet. Man versichert allgemein, daß eine derart 1,1, ,T T" Personen «mtanzt, wird eine 7; "
Wieder ZU schulden kommen läßt; wird kein Sühnopfer dargebracht dann hlA ® FraU keine ähnliclle Kirrung TT
kommenschaft, ht, dann bleiben jene Schuldigen dauernd ohne fAb
32
A. KARASEK
Zauber gegen Krankheiten, die durch Schlangen und Katzen verursacht werden.
Nach Ansicht der Waschambaa entsteht eine Reihe von Krankheiten durch das Töten eines heiligen Tieres, dem-
7Aifolge der Frevler für sich selbst und für seine Nachkommen einen Fluch herauf beschwört. Diese Wirkung ist um so
furchtbarer, da selbst noch die Enkelkinder unter den Folgen dieses Frevels zu leiden haben.
Unter den Tieren, die ein Mschambaa nicht töten darf, stehen obenan einige Schlangen; so moma, die Puffotter;
schatu, die Riesenschlange; kikinga, eine angeblich große, schwarze Schlange; kwalala, eine Karasek ebenfalls unbe-
kannt gebliebene Schlange, über die er nur erfahren konüte, daß sie am Kopfe und Halse rote Flecke hat und Eier
ganz verzehrt; endlich tala, die einem Aale ähnliche Gestalt hat und im Wasser lebt. Vollständige Phantasiegebilde
der Waschambaa sind die Schlangen nika oder twa nika und mgumi, die beide in der Steppe wohnen sollen; nika
soll rote Ringe um die Augen haben, vier große Krallen tragen und von riesiger Gestalt sein; mgumi reicht, wenn sie
sich auf richtet mit dem Kopf bis zum Himmel und wenn sie auf der Erde kriecht, vom Kilimandscharo bis zum
Meere, aber sie kann nur von einem „islamu“ oder einem Angehörigen der Missionen gesehen werden.
Gleich den getöteten Schlangen rufen auch getötete Katzen Krankheiten hervor, Krankheiten, die nur die Wam-
bezi-Zauberer zu heilen verstehen. Die Wambezi rekrutierten sich früher stets aus den Wapare oder Wambugu,
heute gehören zu ihnen auch Waschambaa, die diese Kunst besonders erlernt haben, aber von ihren Volksgenossen
nicht gern herangezogen werden.
Höchstwahrscheinlich ist die Heilighaltung der Schlangen und Katzen von den Wapare auf die Waschambaa
übergegangen; im Volke selbst nimmt man eine derartige Übertragung an.
Wenn jemand eine Schlange getötet hat, so wartet er gewöhnlich, bis seine Erkrankung eintritt; dann erhält
er, befragt er das Orakel, zur Antwort: „Du hast eine Schlange getötet; geh! Du weißt, was du zu tun hast.“
Der Kranke nimmt eine neue, bisher ungebrauchte Waschambaa-Hacke, bindet sie an einen aus Bananen-
scheiden hergestellten Strick, zieht dann mit ihr auf dem Erdboden um sich als Mittelpunkt viermal einen Kreis und
spricht: ,,Wenn du Schlange mich krank gemacht hast und ich wieder gesund werde, so gebe ich dir eine Ziege.
Jetzt empfange als Pfand ,,guha, diese Hacke!“
Die Hacke läßt man unter dem Bettgestell des Kranken bis zum Morgen liegen, später braucht man sie gleich
den andern Hacken bei der Feldarbeit. Zuweilen verbietet der Msembezi deren Benutzung.
Die Hacke verpfändet man der Schlange „als Symbol der Arbeit, durch die man die Ziege erwirbt.“ Die Krank-
heit läßt schon am nächsten Tage, wenn die Schlange deren Erregerin war, nach; hält der Gesundete sein Ver-
sprechen nicht, dann tritt die Krankheit wieder ein und nun hilft kein Pfandgeben, sondern gleich muß das Opfer
gebracht werden.
Statt des Kranken besorgt zuweilen ein Freund oder eine Freundin des Patienten das Ziehen der Kreise mit der
Hacke. Wenn die Besserung nicht alsbald eintritt, wiederholt man während dreier Tage das Versprechen.
Den zweiten Teil der Sühnung des Frevels bildet die Opferung der Ziege. Oft geschieht diese erst, wenn man
mit der Erfüllung des Versprechens lange im Rückstand blieb, meistens aber erfolgt sie sofort nach eingetretener
Besserung.
Das Beschwören der Schlange nimmt der Msembezi vor und zwar in genau der Weise, wie beim Beschwören
der Katze, nur daß letzteren Falls Honig und Katze fehlen.
Vor Beginn der Zeremonie bindet der Msembezi allen Familienangehörigen zira, binsenähnliche Gewächse, um
Hals und Handgelenk. Ein Stückchen Ast von mkula wird an einem Stein gerieben und das Pulver mit Wasser
vermischt. Mit diesem gelbroten Brei betupft der Zauberer alle Familienglieder in der Mitte der Stirn und einige
Male auf der Brust.
Die Waschambaa sagen nun: sembea nyoka. Fragt man sie: Was für eine Schlange? So erhält man oft als
Antwort: „mnyau“, die Katze; denn beide Wesen, die nicht getötet werden dürfen, stehen sich hinsichtlich ihrer
verderblichen Wirkung gleich.
Nicht jeder Mschambaa ist im Stande durch Pfand und Opfer die beleidigte Schlange zu versöhnen; ein
Familienvater, der keine Ziege liefern kann und dessen Kinder noch sehr klein sind, läßt durch billigere Mittel den
Msembezi die Schlange beruhigen. Dieser nimmt zu dem Zweck vier kulo-Hölzchen, die er über dem Kopfe des
Patienten zusammenschlägt und spricht; „Ihr Schlangen alle (es folgen sämtliche Namen, ferner Bewegungen nach
rechts und links, als wollte er sagen: „Geht zum Teufel!“) ....“ Dann werden Wurzeln von fuisa und gole
gekocht und deren Absud getrunken. Wenn jedoch die Anwendung aller dieser Mittel nichts genützt haben sollte,
so wendet auch der Arme das angeblich sicher wirkende, aber kostspielige Ziegenopfer an.
Nach der Erzählung eines Zauberdoktors in Kongoj findet die Behandlung eines Patienten, der z. B. mgumi
gesehen hat, in folgender Weise statt: Mit dem Kranken geht der mganga zu einem Baume, in dessen Geäste man
eine Art Fußboden aus wagrecht gelegten Ästen herstellt. Dorthin begeben sich beide; der Zaubeiaizt schwingt
seine Medizinflasche siebenmal um den Patienten herum. Dies geschieht vierzehn Tage hindurch, jedesmal früh.
Am Ende dieser Zeit stellt der mganga am Waldesrande eine kleine Umzäunung her, in die er mit seinem Patienten
einem Schafe hineingeht. Siebenmal führt er das Schaf um den Kranken; dann bringt er ihm zahlreiche Ritze
^ Kaut an verschiedenen Körperstellen bei. Sodann wird die Ziege erdrosselt, ihre Haut abgezogen, ihr Körper
er Länge nach geteilt; die eine Hälfte erhält der Zauberdoktor, die andere der Kranke.
BEITRÄGE ZUR KENNTNIS DER WASCHAMBAA
33
Wenn em Mschambaa versehentlich eine Katze getötet hat, denn absichtlich begeht diesen in ihren Aimen
furchtbaren Frevel keiner, so bindet er ihr kaniky um den Hals, macht sich mit samli, einer Art Butter einen t u
vom Scheitel herab auf die Stirn und trägt dann die Katzenleiche in den Wald. Wenn er nun später’einmal 1
leicht erst nach Jahren, krank wird, oder wenn im Falle seines Todes bei einem seiner Kinder Krankheit ausbr^bt"
so gibt das Orakel als Krankheitsursache: ,,mnjau“ an; der Orakelmann setzt erläuternd dazu: „Euer Vater hat eiiT 1
eine Katze getötet; jetzt geht und bringt mir eine guha!“ Also eine neue Hacke, mit der noch keine Feldarbeit
verrichtet worden ist. Die Hacke wird an einen Strick gebunden, damit sie das kranke Kind viermal um sich
herumschwingen kann. Desgleichen handeln seine Geschwister; dann gehen alle schlafen. In der Frühe des
nächsten Tages kommen einige alte Männer und fragen: „Schlaft ihr ?“ Wenn es dem Patienten noch nicht besser
geht, wird die Hacke abermals geschwungen, eine Ziege herbeigeschafft und ein Arzt entweder aus dem Wal
Land oder ein Mpare-Mann geholt. Bei seiner Ankunft fragt er: „Ist kaniki, schwarzes Tuch vorhanden ?“ Ant
wort: „Es ist vorhanden.“ Dann spricht der mganga: „Ist eine Hacke vorhanden V Antwort: „Nein aber ‘
neue Hacke ist vorhanden. £ Weiter; „Ist hoja da ?“ Antwort: „Ist vorhanden.“ Ferner: „Ist Fett vorhanden
Antwort; „Ist vorhanden“. Sodann: „Ist Honig da?“ Antwort; „Ist da“. In gleicher Weise wird nach dem
Vorhandensein von mwumo-Blättern, von maschalu, schwarzen Perlen, von majambo- und mbasani-Früchte
sowie von einer lebenden Katze gefragt und vom Patienten stets eine bejahende Antwort gegeben.
Hernach breitet man das Tuch neben dem Kranken aus; davor legt man die schwarzen Perlen, dazu die
Hacke, die Axt, den Honig. Die Anordnung ist folgende;
Hacke Axt
Perlen Honig
Kaniki
Katze
Patient
In einem andern Falle sah Karasek sämtliche vom mganga gewünschte Sachen (mit Ausnahme der Kat^fA in •
m einem
ungo vor dem Patienten stehen.
Nach dem Schlachten der Ziege trägt der Zauberarzt den Ziegenschädel und die Perlen auf den Abfallha
kifuschi, der seitlich des Ortes liegt. Dort wird ein etwa 50 cm tiefes Loch eingegraben. Der Patient stellT
mit dem Rücken vor das Loch, nimmt den Ziegenkopf, legt ihn rückwärts in die Öffnung und scharrt sie ohn
umzusehen zu. Nachher geht er, wieder ohne sich umzudrehen, in das Dorf zurück. Jetzt befiehlt der ml ^
„Bringt das Fleisch!“ Er nimmt sich einen Vorder- und Hinterschenkel sowie das Fell; die andern und den*!?*!’'
erhält der Patient. Dann gebietet er, die anderen Sachen zu bringen; er spricht: mganga akagua kaniki. na h
na njama zake. A ke mgamba mtamu. uju mjau agone mumu njambani jako o schemlawe. (Ich mganga n i ^
mir das Tuch, die neue Axt und mein Fleisch. Höre, was ich sage: Du Katze schlafe in deinem Hause und VT"
nicht aus!). Hiermit ist die Tätigkeit des Zauberarztes beendet. geüe
(Nachtrag.)
Gegen Schlangenbiß.
Hat eine Schlange einen Mschambaa beim Unkraut-Jäten oder sonstwo gebissen, so erdenkt ei-
serner Feinde und ruft: „nyoka ya schakilisi“. Dann holt man den Schlangendoktor, mganga ya salo wi ZUnä,cbst
Flaschenkürbis mit Schlangenzauber, salo, bei jedem Dorfoberhaupt aufbewahrt wird. Sodann °’t^JeWold ein
Männer im luai (hinter den Hütten) ein Gerüst her, graben darunter eine Grube und zünden in ihr e§i & iT Gmige
Der Gebissene legt sich auf das Gerüst; der Zauberer spricht seine heilkräftigen Formeln. Dabei wirft er i? f" ^
Duft verbreitende Pflanzen solange in das Feuer, bis der in Deeken gehüllte Patient in Schweiß gebadeU , a^benden
einen Ziegenbock und verspeist ihn. Der Verletzte wird als gesund erklärt^ - ^ ’ Hernacl1
schlachtet man
Zauberkräftige Gewässer.
Die Waschambaa schreiben die Fähigkeit, Frauen Kindersegen zu verschaffen ein c
nannt, zu, der unweit des Dorfes Dindila südöstlich von Sakare liegt ^ Sumpfe’ nihamba ge-
wünscht sich eine Frau, deren Ehe bis dahin unfruchtbar war ein Kind d*
jenem Sumpf und setzt sich auf einen Stein an seinem Ufer. Ihr Vater sdU bf < mit illrem Vater zu
mhamba, gib meiner Tochter ein Kind“. Daraufhin soll das Gewässer sich e b V ZUm Gowasser gewendet; „Du,
zwei bis drei Stunden aber wieder zum Vorschein kommen lassen; neben ihr V* 1 ^ FfaU versclllucken, nach
und um den Hals hängt ihr ein Amulett für Kindersegen. Seit jener Zeit ^ i.^111 e*n ^orb kungu-Samen
sterile Frauen in Begleitung ihrer Vater zum mhamba und baden darin während * le*geschelien sem soP, wandern
segen vorgetragen wird. Eine Frau aus Mlunguj, der auf diese Weise’zu eine!T 1 Um ^er-
nannte es aus Dankbarkeit gegen mhamba: mamhamba. °c i eic um veihoffen worden war
Die Frauen aus den Dörfern, die in der näheren Umgebung jenes ausved b
Bananenmehl - Maismehl dagegen ist gestattet - mit ihren StampfernSumpfes hegen’ dürfen kein
treten, ein weites Gebiet, das man lunguma nennt, überschwemmen und nanj !,?*?’ W&Ü S°nSt daS Gewässer aus-
setzen würde. namentlich auch die Dörfer unter Wasser
o Baessler-Archiv.
34
A. KARASEK
Den Sumpf konge, der bei Garaja liegt und unergründlich tief sein soll, sieht man als Sitz vieler Geister an.
Wer es wagen wollte, ihn zu überschreiten, wird von ihnen in die Tiefe gezogen Fällt ein Baum in sein Wasser,
so hört man dumpf das Wort kondoo, kondoo (Krieg) rufen. Kinder, die an seinem Bande spielten und die Hände
in den Schlamm tauchten, riefen hierdurch eine furchtbare Detonation und Aufsteigen von Wolken, die die ganze
Umgebung verhüllten, hervor. Die entsetzten Eltern fürchteten den Untergang ihrer Kinder, aber diese kamen
wohlbehalten heim. Doch wenige Tage hernach brach eine heftige Krankheit am, der viele Umwohner erlagen.
In dem Wasserfall ndemaha des Flusses oberhalb Kwaschembi wohnen nach der Vorstellung der Waschambaa
ebenfalls Geister. Will jemand in seiner Nähe fischen oder Krabben fangen, so darf es von jeder Art immer nur ein
Exemplar sein. Wer jenes Gebot nicht achtet, dem verfinstern sich seine Augen und unsichtbare Hände schlagen
ihn so lange, bis er seine Beute im Stich läßt, wenn er nicht überhaupt ums Leben kommt.
Vorzeichen, ndegi.
Wenn ein Mschambaa eine wichtigere Reise antritt, so achtet er ängstlich auf allerlei Vorzeichen. Läuft ihm
beim Antritt seines Marsches ein koni, ein „kleines Säugetier“, über den Weg, so kehrt er lieber um, denn seine
Reise verfehlt sicher ihren Zweck.
Wenn der Regenpfeifer, schundi, statt seines gewöhnlichen tu tu tu ein sis aus den Zweigen ertönen läßt, kehrt
man um, weil der Gang nutzlos sein würde.
Schreit ein Pavian bm bm oder ein Nashornvogel, kulungu, hm hm, ähnlich wie ein Hund brummt, so tritt man
die Reise nicht an.
Begegnet dem Mschambaa unterwegs seine Schwiegermutter, so hat er Pech und darum begibt er sich meistens
wieder auf den Heimweg und verschiebt seine Reise.
Sorgfältig muß man nach dem Verlassen der Wohnhütte auf den Weg selber achten; denn wenn ein schwarzer
Tausendfuß in der Richtung des Reisezieles kriecht, so hat man guten Erfolg, ebenso wenn im Walde der schwarze
Affe, njascho, zur rechten Hand des Wanderers tja tja schreit. Läßt er dagegen zur Linken sein Geschrei erschallen,
dann läßt sich der Mschambaa selbst eine Stunde des bereits zurückgelegten Weges nicht verdrießen und zieht der
Fortsetzung die Heimkehr vor.
Ebenso ist ein ungünstiges Omen, wenn dem Wanderer unweit seines Ausgangspunktes zwei Menschen be-
gegnen; desgleichen in dem Falle, daß aus dem ersten betretenen Dorfe ein oder zwei Männer entgegenkommen.
Schlecht ist es um die Reise bestellt, begegnet dem Mschambaa schon im nächsten Orte hinter seiner Heimat ein
altes Weib.
Dagegen bedeuten junge Mädchen, die man trifft, Glück; ebenso das Zusammentreffen mit einer Schar von
Leuten, die aus dem Dorfe kommen.
Ferner sprechen die Vorzeichen nach dem Glauben der Waschambaa eine deutliche Sprache in den Fällen, wo es
sich um Kranke handelt. Fliegen Nashornvögel in der Richtung des Reisezieles, kehren dann aber laut kreischend
wieder um, so bedeutet dieses Vogelgeschrei: der Kranke gesundet nicht wieder.
Gräbt ein Tausendfuß oder ein Chamäleon sich am Wege ein Loch, so stiibt der Kranke, ehe der Besucher
ihn erreicht.
Verläßt man einen Patienten und tritt bei ihm Schlucken ein, so kommt sicher der Tod, ehe man den Kranken
wieder besuchen kann oder jedenfalls verzögert sich seine Genesung noch geraume Zeit.
Ruft ein Käuzchen, kungwi, in der Nachtzeit, so tritt in der Familie ein Krankheitsfall mit tötlichem Aus-
gange ein.
Wenn in einer Gegend, in der sich sonst keine Wasservögel auf halten, in jeder Nacht ein Mbisi sein hm hm
ausstößt, so bricht in nächster Zeit in jenem Gebiete eine Krankheit aus, an der viele sterben müssen.
Das „Unberufen“ spielt bei dem Mschambaa eine große Rolle.
Einem Jäger oder bischer Glück wünschen, bewirkt das Gegenteil.
Orakel.
Es gibt verschiedene Arten von Orakeln und ihrem Befragen.
1. mlamulo wa mbuzi. Die Verwandten des Patienten oder, wenn er dazu imstande ist, er selbst, bringen eine
Ziege zum Orakelmann. Dieser schlachtet sie und nimmt seine mit schwarzem Pulver gefüllte tönerne Zauber-
flasche (Fig. 301), nach der, bevor er noch mit demPulver die Därme einreiben kann, der Hilfesuchende hastig greift
und zu ihr sagt: „Ich bin gekommen, mir bei dir Rat zu holen“. Darauf der Orakelmann; „Der Soundso (er nennt
den Kranken mit Namen) kam zu dir, um Rat zu holen“ und dann im befehlenden Tone zur Flasche gewandt fort-
fahrend; „Sage mir, was ihm fehlt!“ Nun werden die Ziegendärme tüchtig eingerieben, der Orakelmann dreht sie
bald nach rechts, bald nach links, und beschaut sie genau. Findet er sie ohne auffällige Merkmale, so wird der
Patient wieder gesund oder, kam er, um in wichtiger Angelegenheit sich Rat zu holen, so wird seine Sache sich
befriedigend gestalten. Findet sich dagegen an einem der Därme eine kleine vertrocknete Stelle — Karasek hat
tr°tz eifriger Nachforschung nie eine solche gesehen — so bleibt der Patient krank oder die Wünsche des Befragers
§®hen. nicht in Erfüllung. Nach der Kopfzahl der Frager findet die Verteilung des Ziegenfleisches statt, immer aber
Unt19,0611, ^er Orakelniann die Hälfte erhält. Außerdem beträgt das Honorar y2 Rupie, ein Huhn und eine
erarnüänge weißes Zeug.
isElTRAGE ZUR KENNTNIS DER WASCHAMßAA
35
FW. 301.
2 mlamulo wa gukn. Frauen sowie Arme, die das Orakel befragen
wollen bringen ein Huhn mit zur Stelle; je nach der Beschaffenheit
seiner Gedärme entscheidet nach Veranstaltung der gleichen Zeremonie
wie bei 1) das Orakel. .
Honorar: zwei Pesa oder sonst eine Kleinigkeit.
3 mlamulo wa kungu. Man bringt dem Orakelmann einen Samen
des Talerkürbisses, kungu, damit er ihn mit seinem Zauberpulver be-
stäubt Hem Patienten wird aufgegeben, eine senkrecht auf das Samen-
korn gestellte Nadel mit dem Zeigefinger durch diesen hindurchzudrücken.
Wenn die Spitze durchdringt oder abbricht, so lautet der Bescheid: „Du
bist wirklich krank.“ Wird die Nadel nicht durchgedrückt, dann gilt
der Hilfesuchende für gesund.
Andere Orakelmänner entscheiden umgekehrt.
4. mlamulo wa ngomba. Man bringt dem Orakelmann trockene
Blattscheiden von maboko, einer Bananenart mit schwarzem Stamm.
Je nach der Tiefe, die eine eingedrückte Nadel erreicht, deutet man
die Zukunft.
Beide Orakel (mlamulo wa kungu und wa ngomba) nennt man
auch wegen der dabei verwendeten Nadel: mlamulo wa singano oder
wa mtunga.
er
- mlamulo wa mti. Her Orakelmann gräbt in möglichster Nähe des Kranken in die Erd *
mit Asche füllt; manchmal benutzt er zu gleichem Zweck ein kleines Tcngefäß. Das eine E Vertiefung> die
langen Stäbchens steckt er in die Asche, um dann damit verschiedene Körperstellen ^ ** r611168 etwa 20 cm
Patienten zu betupfen. Hernach mißt er mit dem Stäbchen die Entfernung vom Ellenbom”1] ^ ^ Arme des
spitze des Kranken und fällt je nach der übrigbleibenden Länge des wiederholt angelegtenSHlTß ^ ^ FinSer"
6. mlamulo wa mazi. In eine Tonschüssel, luiga, die man mit Wasser gefüllt und in das J ™henS das Orakel.
Inhalt seiner Zauberflasche geschüttet hat, stößt der Patient mehrere Male den Mörserstößel ° ^ °lalcelmann den
Wird der Stößel feucht, so lautet der Orakelspruch: „Hu bist krank‘; und der Karne8 l V
bleibt er trocken, so ist der Fragesteller gesund, GS eidens wird genannt •
Andere Orakelmänner lassen den Fragenden einen Finger ins Wasser stecken und 1
geblieben oder feucht geworden ist, ihre Prophezeiung. ^ n’ nacl1dem er trocken
7. mlamulo wa maponde. Her Orakelmann benutzt hierzu 8, 10, 12 14 oder 16 und
aber immer eine gerade Zahl. Je zwei Hölzchen werden nebeneinander an verschiedenes! ^°lzc}lei1’ Jedenfalls
oder mit Asche bedeckten, geflochtenen Schüssel gelegt und deren Bedeutung bestimmt • ^ 6 611 Glner mit Mehl
liegenden Hölzchen „Krankheit“ oder die in der Mitte befindlichen „vergessenes ’ S° S° 6n Z’ die am Rande
Opferfest“ bedeuten. Her Orakel mann zeichnet eine gewundene Linie zwischen die
einzelnen nebeneinanderliegenden Hölzchen und bedeckt dann die Schüssel mit
einer zweiten, so daß niemand die Hölzchen verrücken kann.
Nach Verlauf einiger Stunden oder erst tags darauf wird die Deckschüssel
in Gegenwart des Fragestellers entfernt. Ist bei einer der Hölzchengruppen eine
Veränderung eingetreten, also z. B. eins verrückt, so ist der Frager je nachdem ent
weder krank oder hat ein Opferfest nicht innegehalten usw.; ist gar ein Hölzchen
zerbrochen, was mit einem allerdings nur dem Orakelmann hörbaren kräftigen
Geräusche geschehen sein soll, so muß der Kranke sterben. Allerlei Taschens
pielerkünste weiß der Orakelmann bei diesem mlamulo, das übrigens das aller-
häufigst angewandte und auch bei den Wasegua, Wabondei und Wasuaheli ge-
bräuchlichste ist, in Anwendung zu bringen. 8
8. mlamulo wa koba. Her Holzpfropf einer Zauberflasche, dessen Oberteil
menschenkopfähnlich gestaltet ist, wird aus ihr herausgenommen, mit einer Zauber
kette aus Kaurimuscheln und Pflanzensamen behängt (Fig. 302) aufrecht h
stellt und die Flasche angelehnt. Wenn der Stöpsel umfällt, so ist der Fragestelle'
gesund; bleibt er senkrecht, so ist jener krank. ö ei
9. mlamulo wa solo. Je nach der Anzahl der aus einem Beutel herau
griff enen solo-Samen entscheidet das Orakel, ein auch in Usegua weit verbreit
Mittel zur Erforschung der Zukunft.
Her Orakelmann leiht sich je nach dem Geschlechte des Fragestellers ei
Messer, eine Perlenschnur, kanga, eine Halskette, ein Männerhemd usw. und le^t
die Sachen auf ein Schemelchen, das er unweit des Bettes gestellt und darauf
seine Zauberflasche postiert hat. Hernach zieht er die Sachen an oder bindet si
sich um den Leib, um mit ihnen schlafen zu gehen. Höchstwahrscheinlich he
FW. 302.
36
A. KARASEK
nutzt er die Nacht, um über ihm unbekannte Fragesteller Erkundigungen einzuzieheti. Am nächsten Tage teilt
er seine Träume mit und prophezeit danach die Zukunft.
In Kriegszeiten befragt man stets dieses Orakel, um sich über die Richtung des Kriegszugs und Ausgang des
Kampfes zu orientieren.
In einfachen Fällen beträgt das Honorar: eine halbe Rupie, ein Huhn oder ein Tuch.
Wenn ein Mschambaa längere Zeit krank ist, so daß Kopfschmerzen ihn quälen, verschiedene Körperstellen
schmerzen und allgemeine Mattigkeit und Stumpfheit sowie Appetitlosigkeit sich zeigen, so suchen seine Ange-
hörigen die Ursache der Krankheit in einem pepo, der in den Patienten fuhr. Man versucht nun die verschiedensten
Kuren, erst mit den bekannteren Heilmitteln im Heimatsdorfe, dann mit angeblich wirksamen Medizinen aus der
weiteren Umgebung; auch Reisen in die Steppe werden gemacht, um das heilsame Kraut oder die hilfreiche Wurzel
zu holen.
Kommt auf diese Weise keine Heilung zustande, so war vielleicht ein Opfer für die Verstorbenen noch zu voll-
bringen, oder sie waren erzürnt worden, darum schleunigst ergriffene Maßnahmen zu ihrer Versöhnung.
Wenn auch so dem Patienten nicht geholfen worden ist, so bleibt nur noch der Weg zum Orakelmann, matu
makola mlamulu, um von ihm die Krankheitsursache zu erfahren, die er durch verschiedene Arten der Orakel-
befragung zu konstatieren weiß. Meistens ist das Honorar im Voraus zu entrichten, ein Huhn von Ärmeren, eine
Ziege von Wohlhabenderen; auch mit Bananen, etwas Mehl und einigen Feldfrüchten begnügt sich der Orakelmann
bei ganz Bedürftigen.
Zunächst stellt er als Ursache des Leidens einen pepo fest; dann nennt er dessen Namen. Damit ist seine
Tätigkeit beendet, denn mit der Heilung selber hat er nichts zu tun, sie ist Sache des Medizinmannes, des mganga,
dem der Orakelmann in die Hände arbeitet.
Der mganga ya pepo hat die Aufgabe, den pepo auszutreiben, keine leichte Arbeit, da sie an ihn wie an die
Angehörigen des Patienten große Anforderungen in körperlicher und geistiger Hinsicht stellt.
Eine typische pepo-Austreibung verläuft ungefähr nach folgendem Schema; Der mganga kommt mit seiner
Zauberflasche, einem kleinen Flaschenkürbis mit zerstoßenen Ingredienzien, und von einigen jüngeren Fach-
genossenbegleitet in die Hütte des Kranken. Dort
werden betäubend wirkende Kräuter verbrannt,
deren Dunst der auf dem Erdboden kauernde
Patient, den man mit einem Tuche bedeckt, ein-
atmen muß. Dann werden dieTrommeln ge-
schlagen mit der Klapper zur Austreibung des
mpepo (Fig. 303) gerasselt und Lieder gesungen;
der mganga intoniert, die Gehilfen singen krei-
schend den Refrain. Gewöhnlich dauert diese
Behandlung zwei Tage und zwei Nächte hindurch,
kürzer oder länger je nach der Neigung des pepo zu weichen. Der betäubende Qualm sowie der furchtbare Lärm
verursachen bei dem Patienten Delirien, Krampfzustände, in denen er verworrene Reden ausstößt. Aus diesen
schließt der Medizinmann auf die Wirksamkeit seiner Behandlung zur Bannung des pepo. Neues Trommeln und
Singen, beim Kranken tiefer Schlaf vor Erschöpfung, dem mganga ein Zeichen, daß der Exorzismus gelang.
Weit umständlicher ist eine andere, für gewisse Fälle vom Orakelmann angeordnete Heilmethode, deren Durch-
führung nicht Tage, sondern mehrere Monate erfordert. Der Patient muß in einer Hütte isoliert werden, keinen
Besuch darf er empfangen, eine große Reihe von Speisen nicht genießen und die ihm gestatteten nur in einer anderen
Zubereitungsart. Die Haare haben bis zur Beendigung der Kur ungeschoren zu bleiben.
Je nach der Natur des pepo richtet sich die Austreibungsprozedur, deren es eigentlich so viele gibt als man an
pepo glaubt.
Wenn auch der mganga nicht Herr über den pepo geworden ist, mit anderen Worten: wenn der Patient un-
geheilt blieb, so sagen die Waschambaa insgeheim dem betreffenden Medizinmanne nach, daß er ein Stümper sei,
der sein Handwerk nicht verstehe, und sie wenden sich an einen anderen Zauberer, dem sie größeres Vertrauen
schenken.
Da nicht jeder Mschambaa in der Lage ist, das stets im Voraus zu entrichtende Honorar für den mganga zu
zahlen, so begnügen sich die Armen, Scherben mit Feldfrüchten an Kreuzwege zu stellen, um auf diese Weise, wie es
auch im Bondei-Lande geschieht, Heilung zu erreichen. Im Digo-Gebiete verwendet man zu gleichem Zweck mit
Zickzacklinien bemalte Eier, ein Brauch, den die Waschambaa nicht zu kennen scheinen.
Das Gelübde, malape, wird vor allem angewandt, wenn ein Familienglied schwer erkrankt ist und ihm weder
Üblichen Mittel noch die verschiedenen Medizinmänner, die man befragte, Hilfe gebracht haben; man betrachtet
(ianu einen mzimu als Krankheitsursache.
i Vater des Patienten ruft alle näheren Verwandten zusammen; sie kommen am Abend in die Hütte und
p, hier um das Familienoberhaupt geschart auf der Erde. Zwischen der heuerstelle und der Türe bi eitet der
„ich^vater zwei frische Bananenblätter aus, auf die er je ein Häufchen Eßwaren, Maisbrei, pule, mahuti u. a.
best! ^erner breitet er auf dem einen Blatte sieben Stückchen geräuchertes Fleisch, das für weibliche wazimu
^t ist, und auf dem anderen neun, die den männlichen wazimu gehören sollen, aus.
Fis?. 303.
37
BEITRÄGE ZUR KENNTNIS DER WASCHAMBAA
Fehlt es in einem Haushalte an Fleisch, so benutzt man statt dessen eine alfp 7,v i f
Unterlage beim Schlafen dient, und schneidet von ihr ein Stück ab. das man dann ln ’ T’ Wie sie als
Bexde Häufchen der Eßwaren begießt das Familienoberhaupt aus einer Wata X n d
wird, mit pombe und spricht dabei: mzimu genda kagone, madangu mleke madamru akibn" i* gehalten
na guku - puu - genda kagone (Mzimu gehe schlafen! Mein Kind werde gesund Mein kT X ^ tSCba P°mbe
ist großer Topf von pombe und Huhn sc. wirst du bekommen; puu gehe schlafen!) ^ ’ Wenn gesund wird,
Der mitanwesende mtani greift nun schnell nach dem Rest des Fleisches, von dem die 1 ß St* I n
wurden, verschlingt es gierig, wiederholt dabei die Worte des Familienvaters und trä^t mit genommen
Gesichte, die Hände mit den Bananenblättern und ihren Auflagen auf dem Rücken haltend 1' ^ gewendetem
vor die Ture, wo er es, ohne sich umzusehen, niederlegt und dabei noch einmal die letzten WorteX p er hehutsairi
nachspricht. Die Anwesenden, in manchen Fällen auch nur der Vater allein, passen nun auf ob ei S* ami lenvaters
Huhn oder ein herbeikommender Hund von den Speisen fressen; macht sich ein Hahn oder
so ist der die Krankheit verursachende Geist männlichen, im anderen Falle, wenn eine Henne od U- & darüber her,
dem Häufchen fressen, weiblichen Geschlechtes. Verschmähen aber jene vorüberkommenden Ti ^ 61110 Gblldbl von
Fressen, so ist der Kranke unrettbar verloren. ere überhaupt jenes
Wenn die um das kranke Familienglied besonders besorgte Hausmutter befürchtet daß der
lübde des Familienoberhauptes übersehen könne oder übersehen habe, so legt sie in derselben W . mzimu das Ge-
nur mit dem Unterschiede, daß bei dessen Darbringung ausschließlich Frauen zugegen sind In ^ n,laIape ab>
spricht die Frau, wenn sie selbst nichts besitzt, dem Ahnengeist Mais, Honig, Milchend pombe11 ™ IT Fallen Ver'
sie sich mühsam das nötige Geld, um dann für die Errettung des geliebten Kindes eine Zie e * mal verdient
Auch für angesehene Leute, Jumben, große Wohltäter usw., ebenso beim Auszug in einen Kam ^ können‘
einer gefährlichen Reise, beim Aufbruch zur Jagd, auch zur Erlangung von Kindersegen wenXk b<3lm Beginn
mbereko-Zauberers versagt haben sollte, wird das Gelübde in der geschilderten Weise dargebracht ^ ^Unst des
Ist der Patient gesundet oder das betreffende Vorhaben glücklich verlaufen, so ruft der Fan •]'
wandten aufs neue zusammen und schlachtet eine Ziege, von deren Fleisch ein Stück dem AhnenaehT!^ X Vei"
ihm pombe dazu gespendet wird. geopfert und
kutula nungu und msuza (das „Zerschlagen des Topfes“ und Suchen der Selm I
Wer eine Schlange oder eine Katze tötet, wird krank, zuweilen kommt die Krankheit erst •
kommen zum Vorschein. Eine ähnliche Wirkung hat das „Zerschlagen des Topfes“, kutula ~S 01 >Seinen Na°h-
zu verfluchen; die Folge ist: nicht bloß der Verfluchte geht zu Gunde, sondern auch der Fluch^ X Jemanden
sterben, wenn ihm nicht noch rechtzeitig ein Medizinmann helfen kann. UC lent e seJbst muß
Gesetzt den Fall, daß sich zwei Brüder ständig streiten, so fühlt sich oft der eine durch die Sei
Worte des anderen derart gekränkt, daß er Rache schwört. Zu dem Zweck nimmt er einen T ° f h ^ ScbimPf'
wie er z. B. zum Transport glühender Kohlen in jeder Hütte zu finden ist, und trägt ihn in de^Werben, zokwa,
großen Baum; dort legt er seine Kleider ab und schlägt auf den Topfscherben wie ein Besessener Unter einen
Stückchen zertrümmert ist. Dabei spricht er rachedurstig von seinem Bruder: „Warum hat end
geboren ? Bin ich ein dummer Mensch ! Nein, wenn wir bisher Brüder waren so sind ‘. • Mutter uns beide
Topf, ich zerschlage dich; ich will sterben binnen zweier Tage (oder eines Monats odXu ^ mcht mellr- Du
daß ich es ernst meine.“ Aires); du sollst es wissen
Die Scherben streut er sodann im Walde umher, nur sechs bis acht Stückchen wickelt •
Bruder oder seinen Eltern gehört, und nimmt sie mit sich. Nun beginnt die wichti e T m kamki’ das seinem
Versteckens der Scherben, das mit außerordentlicher Vorsicht stattfinden muß donu n^ gefahrvoIle Arbeit des
Tätigkeit sehen, andernfalls würden die Verwandten schnell einen Zauberer horbeihX^d ^ ^ bei dieser
arbeitet. In früheren Zeiten soll ein beim Vergraben betroffener Mann totgeschlagen wor l ’ • mit Gegenzauber
die Scherben versteckt ? Einer in ein Baumloch oder unter einen Baum; zwei werden vor dem D T** W°hhl Werden
zwei versteckt man in der Feldhütte auf der Pflanzung des Verfluchten; einen am Fuße .°ldeingang vergraben;
eigenen Wohnung; einen unter einem großen mwule-Baume; einen an der Stelle des Baches U, der
holen oder unter einem großen Steine oberhalb dei Wasserschöpfstelle. Es komn t • d e Frauen Wasser
in der Wand der Hütte des Verfluchten oder unter seinem Bette versteckt M'Xn 1°*’ ^ man einen Scherben
Hütte und Feld, Wasser und Wald auf den Verfluchten wie Gift wirken 1 * ^ ^ ^ man bewirken, daß
Nach zwei Tagen geht der Flucher nochmals an die einzelnen Stellen um i
gut vergraben sind; gewöhnlich kommt er in Schweiß gebadet zurück;’Abend * zu aberz®ugen’ daß d*e Scherben
tritt aus seinem Munde. Die Leute in seiner Umgebung ahnen sofort, daß er ' ° H X’ ®cbaum
wenigen Tagen erliegt er seiner fuichtbaren seelischen Erregung. ^ C aöen hat; nach
Der Bruder, der von diesem Zauber nichts wußte, geht zum Orakel fri)D.j. ,
Bescheid: „Dein Bruder hat einen nungu zerschlagen.“ Er fragt: Was soll ich fn ? u^ .e Und erbält den
trag seinen Leichnam in den Busch und wirf ihn dort hin! Und bringe, wen V ”Geh> gra )0 demen Bruder aus
lautet die Antwort. Nachdem dieses geschehen, spricht der Verfluchte zur I m ^ C U ZUru^ rSt’ em Scllaf mit!“’
hü ya uzi kusi. Das Schaf wird im Walde geschlachtet und von den Teilnehm ° ° Bm*TS: tschukua kondoo
e eümern an diesem Gang verspeist. Nach
38
A. KAKASEK
der Heimkehr ins Dorf erhält der Zauberer eine Ziege, zwei Rupien und ein blaues Tuch. Nunmehr beginnt dessen
Arbeit. Seine Aufgabe ist:'die Gegend abzulaufen und nach den acht Topfscherben zu suchen. Die Ortseinwohner
gehen mit ihm, er singt bei seiner Arbeit: tangela mulila kuna sasa pelu dundu oeh tongela mulila sasa, pelu dundu;
seine Begleiter singen als Refrain dazu ein langgezogenes oeh. Wenn er die Scherben gefunden hat, kommt er mit
dem Gesänge: kinje oja kama kuna mgeni, kinje mame, oje kuna mgeni — oeh — oeh ins Dorf zurück.
Ist es dagegen dem Zauberer nicht gelungen, die acht Stücke zu finden, so packt den Verfluchten Krankheit
oder er stirbt; auch seine Kinder verfallen in Krankheit, seine Frau dagegen bleibt von dem Fluche unberührt.
Den Brüdern des Verfluchten macht der Zauberer drei Schnitte in die Stirnmitte, drei auf jede Schläfenseite
sowie auf den Leib und Rücken; in sie reibt er seine Medizin und stellt ihnen aus ihren Tüchern Amulette her, die sie
mit sich tragen müssen; der Genuß von maluje, einer großen Bananenart, ist ihnen verboten.
Ein derartiger Zauberer, der nach den zerschlagenen Topfteilchen sucht und den Verfluchten entsühnt, heißt
mzuza oder, wenn auch seltener, mlondwa. Aber der Begriff mzuza wird auch noch weiter auf eine Gruppe von
Zauberern ausgedehnt, die überhaupt eine verlorene oder auch gestohlene Sache suchen und den „bösen“ Zauber
der waschai aufzufinden verstehen. Wenn sich solch ein mzuza auf die Suche begibt, so nimmt er seine Zauber-
flasche, in der sich die getrocknete Nase einer Hyäne, ein Stückchen Hunde- und Ochsenschwanz befinden, in
seine Linke, in seiner Rechten hält er einen Wedel aus Giraffenhaaren, twiga
(Fig. 298), mit dem er erst auf die koba, dann auf die Erde oder eine Hütte
schlägt und nun herumzuriechen beginnt, bis er die Spur wittert. Das Volk ist
von der Untrüglichkeit seines Witterungsvermögens fest überzeugt. Unter großem
Geschrei und in Sprüngen wie ein Clown jagt dieser Zauberer durch den Ort, rennt
um jede Hütte, schaut in die und jene hinein, betastet Wände, Bett, Fußboden
mit seinem Wedel, schnüffelt umher und beobachtet dabei scharf jeden Einzelnen.
Hat er im Orte das Gesuchte nicht gefunden, so eilt er in die Dörfer in der
Umgebung, dann wieder in den Ort zurück, um hier aufs neue Nachforschungen
anzusteden, an denen sich der Eigentümer der verlorenen Sache, der die Tasche
des Zauberers trägt, ständig beteiligt. Meistens haben diese Nachforschungen Er-
folg, denn der Spürsinn dieser Gruppe von Zauberern ist unheimlich und sie leisten
auch dem Europäer ausgezeichnete Dienste.
Je nach der Leistung wird der mzuza honoriert. Für das Auf suchen der
Topfscherben und das Entsühnen erhält er vier bis fünf Ziegen; eine von ihnen
wird geschlachtet und deren eine Hälfte gemeinschaftlich verspeist, die andere
bleibt sein Eigentum. Der Finderlohn für verlorene Sachen beträgt zwei Ziegen.
Spürt er „bösen“ Zauber auf, so bekommt er ein Huhn; bereitet er Gegenzauber,
so lohnt man ihm mit einer Ziege. Heutigen Tags erhält er durchschnittlich ein
Viertel bis ein Drittel vom Werte des wiedergefundenen Objektes.
Das Fluchen in Form des Topfzerschlagens ist in Usambara ungemein häufig;
die Motive sind dieselben wie beim Selbstmord: Leid, Neid und Furcht, nament-
lich vor den Folgen eines außerehelichen Verhältnisses.
Die Wirkung seines Fluches abzuschwächen, hat nach Vorstellung der Wascha-
mbaa der Fluchende in der Hand, ebenso aber dessen Beschleunigung. Wenn er
den Topfscherben, ohne ihn weiter zu zerschlagen, vergräbt, dann tritt sein Tod mit
Beginn der Regenzeit ein; wenn er beim Vergraben seine Kleidung nicht abgelegt
hat, so ist ebenfalls der Eintritt der tötlichen Wirkung hinausgeschoben; wenn er
dagegen beim Nachsehen nach den vergrabenen Stücken den Mund voll Wasser genommen hat und es an der Stelle
ausspeit, an der er den Scherben in Trümmer schlug, so tritt der Tod noch an demselben Jage ein. Im Gegensatz dazu
wirkt der Fluch: „Alle Ziegen meines Verwandten mögen krepieren!“ hemmend auf die Eifüllung des Wunsches
des Fluchenden.
Hat eine Frau einen „Topf zerschlagen“, sich also verflucht, so kann mit Hilfe einer nkoba aus Ton dieser Fluch
gelöst werden. Wie Bas geschieht, ist im einzelnen nicht bekannt geworden. Die Tonfiasche (Fig. 304 III E .11675)
hat einen grauschwarzen Überzug, der stellenweise metallisch glänzt; der Hals, der leider stark lädierten Flasche
erinnert ar eine menschliche Figur. Ornamente, in Punkt- und Strichform, sind auf dem Bauch der Flasche einge-
drückt, verlaufen aber unregelmäßig. Der Stöpsel, lulirai nkoba, „Zunge“ der Zauberflasche, ist aus hartem Holze
geschnitzt.
Fig. 304.
Religiöse Anschauungen.
Die Wascbambaa haben den Glauben an mulungu und kiumbe.
JBulungu wohnt in den Wolken; er macht ubiri, sagt man, vor Beginn der Regenzeit, wenn sich weiße Schäfchen-
Pflan?
?c^en zeigen, und sieht darin eine Mahnung, das Unkraut aut dem Felde her auszureißen und die Arbeit in der
lzUng vorzubereiten.
BEITRÄGE ZUR KENNTNIS DER WASCHAMBAA
39
In MIola singt man beim mbugi-Tanz: Eh nané! junlaj mescho msinye kulanga' rnluncm wa fpnrW i i
wazmiu wa Kwalukindo na Minga. Eh nané! Eh nané! Eh Danga uja! Oh nané' Eh kalimj DaneaWPvT^^Í'
wirf deinen Blick nach oben! Mlung« kreist wie Wolken; Geister am Kwalukindo und Mlinga Eh Fre und U“'’
eh, Danga. kehre zurück; oh, Freund, eh, rode Danga!). ’ eund’ eh’ Preund.
In mlungu sieht man den Spender alles Guten. Hat jemand eine Rupie gefunden als deren RP(!u70, • . ■
meldet, dann gilt mlungu als deren Geber. ° unden. als deren Besitzer sich niemand
mlungu una mbuli, mlungu una mbuli; mlungu ist groß ! Oft kann man diesen Ausruf hören. Doch im "b ’
mlungu bei der Denkfaulheit der Waschambaa über Abstraktes und bei ihrer Gleichgültigkeit gegenüber ” ^
Wohltäter nicht viel mehr als nur ein Wort. mp an§en6n
mlungu gilt als das größere, kiumbe, der Schöpfer, als das kleinere Wesen; oft setzt man beide mil rio
den abgeschiedenen Seelen, auf gleiche Stufe. n wazimu>
Bald ist kiumbe eins mit mulungu, bald ist er nach seiner Tätigkeit als Bildner des Menschen von ihm
schieden. Mit Hilfe von kiumbo, des Schöpfers (eines Kieselsteins), formt man einen Topf, waumba ñuño- 1 w Untcr
Mutter in ihrem Leibe die Bewegungen des Embryos spürt, dann spricht sie von kiumbe der das Kind co- ’ i Gnn die
bildet. - ’ Semen KoPf usw.
Die Seele.
Der Mensch hat zwei Seelen, eine Traum- und eine Lebensseele.
Im Traume, sozi, veiläßt die Seele den Leib, um in der Welt umherzuschweifen, Verwandte zu besuch"
Besucher, so die wazimu, abgeschiedenen Seelexi, zu empfangen. Sie hat wie der Mensch ihre leiblichen Bedürf ° ^
und sie ist bei ihrem Umheiwandern Gefahren ausgesetzt. Deshalb bedeckt man abends den großen WiZ mSSe’
damit sie nicht darin ertrinkt. Schwarze Katzen sind ihr gefährlich, denn sie können die umherschweifendTV^’
vor ihrer Rückkehr in den Körper wegfangen und verspeisen. e C eele
Die andere Seele ist die Lebensseele, die ständig mit uns, gleich unserem Schatten, kizuli, wandert
Wenn der Mensch tot ist, dann haben beide Seelen seinen Leib verlassen. Die eine ¡spukt an seinem Grabe
sich auf Bäumen umher, ist ruhe- und friedlos. Die Hinterbliebenen sind vor ihr in Furcht und wao0n ^R ’
sobald der Kranke gestorben ist, hinter das Haus zu gehen, weil sie dort seine Seele treffen könnten Jy ’ mcht’
wandelt in Menschengestalt auf den Wegen einher. „Als mein Vater starb, begegnete ich seiner Seele a
äußerte zu Karasek eine Waschambaa-Frau. am Wege“,
Der Tote, weil seelenlos, wirft keinen Schatten. Eine Frau sagte: „Ich hielt mein Kind in den Hände
lebendig und doch tot, denn es warf keinen Schatten.“ Ein Mensch, der keinen Schatten mehr wirft kann* ff8 ^
wochenlang leben, ihm fehlt aber die Traumseele; seine zweite Seele verläßt ihn erst beim Tode und wandeZ
durch das Opfertest fika mit der andern Seele wieder vereint, dem Schattenreiche zu. c ei dann,
Das Totenreich.
Wenn die Seele den Körper verlassen hat, so nimmt sie Schemaboj in Empfang und d
Ausruhen auf Bäumen und Wegen dem Totenreiche, kuzimu, zu. Unweit desselben ist ei.WUl e 68 ,angSam unter
seiner Furt sitzt Seheketeke, ein Mann von eigenartiger Gestalt, mit zweifachem Körner uZlZ ? durchwaten; an
dem einem schaut er auf den Weg, den die abgeschiedenen Seelen, wazimu daherkom.no - l °PpeJtem Gesicht. Mit
in das Totenreich blickt, aus dem es keine Wiederkehr gibt. x ’ Wahrend er mit dem andern
Wenn die Seele am Flusse angekommen ist, fragt jener Mann: Habe ich s 1
Wird die Frage bejaht, so erhält die Seele die Erlaubnis, die Furt zu durchschreiten hTsTi °°llSe" bek°mmen ?“
nicht erhalten so verweigert er den Durchzug, und die Seele muß zurück. Sie klagt nun in ZA™ Sein noch
ihre Verwandten auf und veranlaßt sie möglichst bald fika. das Opferfest zu veranstaltT"Mkronen; si» sucht
er von den Eingeborenen keine volle Klarheit darüber erlangen konnte, ob die Lebensseelei?®4 betont. dal!
gleich nach dem Tode vereinigen oder ob erst im Opferfest die Lebensseele beruhigt wird und . “ Trau™seele sieh
vereinigt das Schattenreich betritt; für beide Auffassungen fand er Zeugen a dann mit der Traumseele
Wenn die Verwandten böse Menschen sind, die nicht rechtzeitig das OnferW .u u
die Seele des Abgeschiedenen Krankheiten, ja selbst Todesfälle. ° 1 ° )haiten m°gen, dann verursacht
Zuweilen nimmt Seheketeke eine Seele im Totenreiche nicht auf - er b f 1 1
bringen, demzufolge erwacht der Scheintote wieder. Trotzdem wird ¡in S1C wieder 111 die Welt zurückzu-
Leiche eine Bananenstaude legt. Urab hergestellt, in das man an Stelle der
Im kuzimu wohnen die Seelen nicht gemeinschaftlich, sondern in Grün
Familie zusammenfinden oder nach dem Ansehen der einzelnen bei Lebzeiten f / ^ ^ nacp der Sippe oder
starb; Seelen, die eines „schlechten Todes“ starben und nicht bestattet worden ^ nacl) dci Art’ Wle der Mensch
Versammlungsort der wazimu ist der Mlingaberg bei Mukesa. Die Seelen de • y . ’ 31 den eine GrupPe für sich
die der mit den Wapare verwandten Sippen ziehen nach dem Rare-Gebimp au erer gehen nach Usegua zurück •
so die Wahela und Waschele, in Usambara ihren Ahnen opfern, haben wir es hier 1^ Wascliambaa-Sippe
zu tun. ‘ 1 w°hl mit alteingesessenen Bewohnern
40
A. KARASEK
Die Abgeschiedenen singen, spielen und schlagen ngoma. Sie warnen die Menschen, wenn eine Hungersnot oder
Krieg droht. „Hört man am Mlinga-Berg ngoma, dann kommt Hungerszeit, Not, Elend.“ In der Nacht kann man
die Seelen wie Lichter auf dem Bergesgipfel umherwandern sehen.
Die Seelen sorgen selbst dafür, daß sie nicht von ihren Angehörigen vergessen werden, denn im Traume, suza,
statten sie ihnen Besuche ab und mahnen sie an ihre Pfbchten. Man legt darum für sie etwas Nahrung vor die Hütten-
türe und beobachtet, ob die Hühner davon nehmen.
Aber auch die Seele des Lebenden kann jenen Abgeschiedenen einen Besuch abstatten, um auf diese Weise wert-
volle Aufschlüsse zu erhalten; im Traume erfahren besonders bevorzugte Menschen, ngonezi, alles, was sie wollen,
eine Gelegenheit, die sie auszunutzen verstehen.
Die wazimu haben die Fähigkeit sich bei Nacht in Tiere, namentlich in wilde Tiere, besonders auch in Schlangen,
vielleicht auch in Katzen zu verwandeln. Daher z. B. das Verbot Schlangen zu töten.
Geister.
Mapepo sind gewöhnlich nicht sichtbare Geister, über deren Ursprung der Mschambaa nichts weiß; sie wohnen in
hohen Bäumen, so in mzule-Kronen oder auf dem mächtigen Baobab, ferner in Einöden, Wildnissen, auf Felsen und
in Höhlen, überhaupt an schwer zugänglichen Stellen, auch sogar im Wasser (zewu).
Wenn sie sich sehen lassen, wehe dem Unglücklichen! Unbedingt trifft ihn schwere Krankheit, denn diese bös-
artigen Geister fahren in den menschlichen Körper hinein und verlassen ihn nur unter dem Einfluß von herbeigerufenen
Zauberern, die einzig Macht über sie haben; allerdings kann auch ein Speiseopfei sie versöhnen.
Meist bei Nacht treiben sie ihr Unwesen; sie wandeln in Gestalt von Irrlichtern auf den Wegen, können aber auch
durch die Lüfte fliegen. Kibuengo saugt seinen Opfern das Blut aus; ein anderer der mapepo erscheint einer Jungfrau
im Traume und verführt sie hernach; wieder ein anderer ruft bei Jünglingen und Männern Pollutionen (madjini)
hervor; ein anderer lockt die Menschen ins Wasser.
Angeblich haben die Waschambaa in früheren Zeiten keine mapepo oder, wie sie gewöhnlich sagen, pepo mengi,
viele Geister, gekannt; doch liegt in dieser Beziehung wohl eine Selbsttäuschung vor. Manche einst stark gefürchtete
Geister wie handia sind heute fast vergessen, andere,
wie kibuengo, der bei den Nachbarstämmen voll-
ständig unbekannt ist werden, so in der Gegend von
Bumbuli, auch jetzt gräßlich gefürchtet. Die Geister
fremder Völker, den der Deutschen miteingeschlossen,
sind bösartig; gut ist der Waschambaa-Geist. Weiter
gehören in die Kategorie der bösen Geister neuesten
Datums z. B. gali, der Geist der Lokomotive, ferner
maiti.
Karasek hat eine Übersicht der mapepo, ohne
Gewähr der Vollzähligkeit, auf gestellt, denn in den
Gegenden, wo Waschambaa mit Wapare, Wadigound
Wataita und anderen Stämmen zusammenwohnen,
mehrt sich die Zahl der Dämonen.
Zu den bösen Geistern, die mehr oder minder
heilbare Krankheiten hervorrufen, in selteneren Fällen
sogar den Tod, gehören: kibuengo; mzuka, madjini, zewu, matari, zoka, bahati, kilima, kinyamkera, suli, ndungo maro,
msambia longwe, bagara, makongoj, handia, mbuju, galo, kizungu, pepo ya gana.
Geistesstörung rufen die folgenden hervor: mkela, mekiongwe, der mit joli in Ost-Usambara identisch ist. Dem
Patienten, der von einem Tobsuchts-mpepo ergriffen ist, bindet man die Hände auf dem Rücken zusammen, seinen
Hals steckt man in eine Holzgabel (Fig. 305, III E 11695), die vorn durch ein Querholz abgeschlossen wird, und seine
Füße zwängt man in gestrecktem Winkel in einen zweilöchrigen Holzklotz (Fig. 306, III E 11694), in dessen Öffnungen
sie durch eingeschobene Hölzer festgeklemmt werden. Damit der Tobsüchtige trotz dieser Fesselinstrumente, gogolo.
seinen Platz nicht verlassen kann, wird die Halsgabel mit einem dicken Strick an einen Baum gebunden.
Als Völkergeister zählt Karasek auf; mpare, midatschi, muhindi, muy amwezi, manyema, mkwawi, masai,
mkamba, wagindo.
Von Geistern, die irgendwie in Beziehung zu Tieren stehen, sind zu nennen; ngombe, simba, tschui, mbisi.
Als gute Geister der Waschambaa gelten: mkisambo, maiti, gari.
Zu einzelnen der vorgenannten mapepo sei bemerkt:
kibuengo ist am meisten, namentlich in der Gegend von Bumbuli, gefürchtet; er wohnt in Felsenhöhlen, streift
Nachts umher und ruft den Tod des Mschambaa, der ihn sieht, hervor. Verirrt sich ein Mensch in die Nähe seiner
e HeilWohnung, so stürzt er sich gleich einem Vampyr auf ihn und saugt so lange an dessen Adern, bis sein Opfer tot
zirka^' Kinder Verschont er nicht. Von Wohnungen kibuengo;s sind bekannt: eine in den steilen Felsen des
klOo m p0pen Mahezangulu-Berges unweit Korogwe; eine zweite in der durch zwei Gneisblöcke gebildeten Höhle
beitrage zur Kenntnis der waschambaa
41
Fig. 307.
unterhalb Kwa Ngrue; eine dritte in den am Wege nach Kitiwo gelegenen Felsen Wenn ein ma i ■
wohnung betritt,, so erregt kibuengo einen heftigen Wind, der den Eindringling vom Felsen hinabstüWT "(‘" l° Fcl"cn’
zertrümmertem Schädel liegen bleibt. 8 nabsturzt, so daß er mit
• Bei,Naiflt schweift kibuengo umher; sein Leuchten gleicht aber nicht dem eines Glühwürmchens sonrln ,
einer schnell umhergetragenen Laterne. ens> sondern dem
in den Dörfern in der Nähe jener gefährlichen Behausungen hat man besondere Schutzmittel gegen jenen Uni m
So steht z. B. in der Mitte des Ortes Bobo eine etwa vier Meter hohe Stange, die oben in eine AstJLol J r Bnhold-
flattert30 Cm langGS Qlierll°1Z befestigt’ an dessen beiden Enden Je ein Streifen Ziegenhaut befestigt ist undbn Wind
Ferner bringen die Bewohner jener gefährdeten Dörfer Spenden aus Honig, Maisbrei und Milch dar rU .• •
irdenen Töpfen in die Nähe der Höhle stellen. Zu Anfang der Mais-Ernte opfert man einige Maiskolben und zu Beet
der Bohnen-Ernte etwas künde, einheimische Bohnen, nebst Honig und Milch Wenn ‘ <^mn
ein Kind geboren hat, so wandert sie mit dem Kleinen nach der Höhle hin, um da zunWUl ^
ihres Lieblings vor jenem bösen Geiste etwas Honig zu spenden. ° Utze
Dem Einfluß kibuengo’s schreibt man starken Kopfschmerz, allgemeine Übelkeit
sames Schwinden der Kräfte mit tötlichem Ausgange zu. Durch verschiedene Medizi *
man sich wohl Linderung, doch keine dauernde Hilfe schaffen; so verordnet d1Z^nen ann
Wurzelabkochung von mschofu, msindu und mkuju zum Trinken neben Waschun
Patienten mit einem Blätterdekokt. Das Honorar besteht in einer weiblichen Ziege ^ ^
Ein anderer Medizinmann brachte dem Kranken Bitz wunden auf der Brust bei setzte '
Schröpfkopf (Fig. 307, III E 12467), verbrannte dann Hundeknochen und rieb ä °
die Wunden. <*eien Asche m
Der Geist mzuka wohnt in großen, einzeln liegenden Felsblöcken sowie in der mäcl f
Krone der mzule- (in Ost-Usambara: mwule-)Bäume; er ist ein äußerst gefähiliehe-- n^11
daher die mächtige Furcht der Waschambaa, denn durch ihn erkrankt man am Fi ,h , ^
selbst den Tod kann er verursachen. Bei Nacht schreit er wie ein kleines Kind A^ T’ Und
den Dorfbewohnern. Un nabt sich
Wenige Schritte von Karaseks Grashause in Malumbi stand ein kolossal entwickelter mzule-Bauni I
tiger Stamm unten ausgehöhlt war; an ihm vorbei führte der vielbegangene Fußweg nach Korogwe niacb'
sich in der Höhlung des Stammes Reste von ugali und Reis, Opfer der in der Nähe wohnenden Waschan^*1161! fanden
Yumbe von Mahezangulu legte hier nach jeder Ernte einige Maiskolben mit etwas ugali, Honig und pomb • ^ alte
Topfscherben verwahrt hin, damit der böse Geist, befriedigt durch diesem Tribut, die Dorfbewohner t m °mem
Außerdem war in der Nähe des Baumes ein hoher Grashaufen entstanden, weil jeder am Baum V Verscbone-
ein kleines Opfer in Gestalt eines Blattes oder Zweiges hierhin warf. U ergebende
Eine plötzliche Erkrankung bei Karaseks Nachfolger auf der Farm legten die Eingeborenen sofort 1
hausenden mzuka zur Last. Ebenso behaupteten die Arbeiter eines Farmers in Mruasi sich ständi k nabebe*
und sie trugen sich mit dem Gedanken davonzulaufen; als Krankheitsursache galt auch hier mzuka Tyr* ?U ^üb^en-
Zauberer holen, um den Geist auszutieiben. Jener forderte zunächst ein weißes und ein schwarzes H ^ e^nen
Reis und schließlich ein neues weißes Tuch. Nachdem er die ganze Umgebung abgegangen mnl ^ ^ dann etwas
hatte, erklärte er einen hohen Baum für mzuka’s Wohnplatz; die Anwesenden stimmten ihm sofort g°laU un^ersu°ht
den Geist bei Nacht „hm, hm“ rufen hören. Der Zauberer ließ nunmehr das weiße HuhrTund°d £le batt°n
legte beides unter den Baum; ferner wurde ein hoher Stock eingeschlagen und oben mit dem weiß TB k°Chen lmd
jede Frau mußte einen Topf Wasser bei dem Stock ausgießen. Dann hielt der Zauberer mit ch p • urtlwicl‘eit;
gespräch, bat ihn, in den Nächten nicht mehr zu schreien und versprach ihm etwas uo-ali das ied F ebl ^wie~
abend am Baume niederlegen sollte. Seit dieser Abfindung mit mzuka trat Beruhigung ’unter d I S°nn'
In West-Usambara empfiehlt man die Wurzeln von mateke als gute Medizin für die von ^ ^ . Uten ein‘
Krankheit. JGnem Geiste verursachte
Unter madjini versteht man eine größere Gesellschaft von Geistern; so in West-Usambara
herrscht, daß Frauen von madjini besessen sind. Dagegen nimmt man in Ost-Usambara' die ExisU V°rStellung
djini mahuto heißt in der Gegend von Bumbuli ein böser Geist, dessen Einfl R
Kränklichkeit der Kinder zuschreibt, die trotz reichlichen Essens keine Zunahme'LT“ bCb^acblichkeit und
diesen Zustand zu bekämpfen, macht man Besen aus mbarasi, Cajanus, taucht sie ins w °rpeigGW1C 8 z°lgen- Um
djini mahaba treibt sein Unwesen in den Bergen und namentlich bei den Waseu, T* ““i eSp"tzt dle Kinder.
Bäume und überfällt nur Frauen, denen er Kopfschmerz, Husten und allabendlichesärnUVt^föbl^ hoher
Vom mganga behandelte Patientinnen werden, nachdem er mit kizugo (Fig. 303) „-pi ■ i , verursacht.
eine ngoma veranstaltet haben, an einen Bach geführt und abgewaschen- die T appei ,.a ^ , reundinnen
17 -r» . , • tt 1 6 ’ Ule -faxe für diese Behandlung ••
72 Rupie und ein Huhn. © betragt
djini kandaa, der in Ost-Usambara in den an Bondei-Land grenzenden Gebier . . . , . ,
Husten sowie Schwindelanfälle bei Frauen, die in die Pflanzung gehen oft bewirkt .^eiUrsacbt starken
6 ö n ’ 011 üeH lrkt er Kinderlosigkeit; auch Schlafende
42
A. KAEASEK
beeinflußt er, so daß sie von Liebesgeschichten träumen. Gegenmittel sind: Verbrennen von Räucherwerk und
Schlagen von bumundu und rniukinda unter dem Gesänge:
djini kandaa, djini kandaa, djia mtoni quakoja kandaa, maua, maua.
Ferner glaubt man an die Existenz von djini bahari.
zewu ist ein das Wasser bewohnender Geist, der die Menschen, die ihn um die Mittagszeit sehen, ins Wasser
hinabzieht.
matari, zoka, bahati, kilima, kinyamkora und suli sind Geister, die bei anderen Völkern heimisch sind und nur
zeitweise Usambara besuchen.
matari wohnt an der Küste und spielt in dem Geisterglauben der Wa suaheli sowie im Ahnenkult der Wabondei
eine Rolle. Er verursacht starke Leibschmerzen; als Gegenmittel gilt das Trinken einer Abkochung von tuleta-
Wurzeln und -Blättern. Der mganga umtanzt den Patienten, wenn er sich vor Schmerz hin- und herwindet, nach dem
Takte der Trommel mit einem kurzen Stabe, kisugo, an dessen oberen Ende kleine eiserne Schellen, mbugi, sind,
schwingt ihn im Takte und singt dabei: Oe, njumba ja matari engivoe — oe oe!
zoka wohnt in den Ebenen, wo die Wasegua ihre Niederlassungen haben, und kommt nur zeitweise nach Usambara.
Nach einer in Mkulumusi erhaltenen Auskunft hält er den Befallenen an den Füßen fest, so daß dieser wie angenageit
plötzlich stehen bleibt, dann große Mattigkeit verspürt, umfällt und sich wie eine Schlange windet. Nach dem Genuß
von ein bis zwei rohen Eiern, die man auch im Bondei-Land als Heilmittel in diesem Falle anwendet, soll die Krankheit
verschwinden.
bahati (bahari) wohnt, wie man sich in Bumbuh erzählt, bei Tanga im Meere und ist wohl mit jini bahari der
Wabondei identisch. Nur vorübergehend kommt er nach Usambara, um Frauen zu überfallen, und kehrt dann zur
Küste zurück; er verursacht Kopf- und Leibschmerzen, gegen die man einen Absud von kuengara-Wurzeln gebraucht.
Sehr oft kommt es vor, daß nach der Abreise von Suaheli-Händlern, die in Usambara Tabak, Ziegen usw. kaufen,
eine Waschambaa-Frau erkrankt; dann schlägt man ngoma bahari. Wenn die Patientin während dieser Kur auf-
springt, so war der matari in sie hineingefahren; er weicht von ihr und sie wird wieder gesund. Bei der ngoma bahari
gesungene Lieder sind:
I. mdini bahari, jila wiie matschombo na pakiva twa Ungudja. So singt man in Bumbuli und Mahezangulu.
II. Samtaue — samtaue — sitoke Panganio ta Pemba a to Ungudja — oe — oe. So in Magila und Mkulumusi.
kilima wohnt im Norden; er scheint nicht gleich masai zu sein, denn die Austreibungs-ngoma ist anders gestaltet.
Er hat es besonders auf die Kühe abgesehen; infolge seiner Einwirkung verendeten vor einer Reihe von Jahren in
Nguelo, unweit Bumbuli, sämtliche und Tags darauf in Bumbuli viele Kühe.
kinyamkera, der auch in Bondei bekannt ist, ruft sehr heftige Kopfschmerzen hervor. Gegenmittel: eine Ab-
kochung von Wurzeln, die quer über den Weg laufen und so breit wie der Weg sind, ist als Tee zu trinken.
suli ist weniger in Usambara als im Bondei-Land anzutreffen; er verursacht Kopf- und Fußschmerzen. Man
treibt ihn durch eine ngoma aus, nach der Reis, Maismehl, Bananen und zwei Hühner, von denen eins schwarz sein
muß, zu kochen und zu essen sind; als Getränk hat eine Wurzelabkochung von mkore in Milch zu dienen; außerdem ist
das Anlegen von reinlichen Kleidern erforderlich.
ndungo maro, der in den meisten Orten von West-Usambara unbekannt und wohl fremden Ursprungs ist, zumal
man seine Heimat an der Küste sucht, bewirkt Kopfschmerz.
msambia longwe, ebenfalls in Westen von Usambara wenig gekannt, soll vor allem im Bondei-Lande hausen;
er führt Bruststechen herbei, (msambia ist übrigens der Name für einen prächtigen Laubbaum.) Die Austreibungs-
ngoma tanzt man ähnlich wie tandaro; man singt dabei:
msambia longwe, oe oe mazi ya tschamschamka oe.
Als Medizin trinkt man eine Abkochung von mkula-Wurzeln.
Über bagara konnte Karasek nichts näheres ermitteln,
makongoj wohnt in der Nähe von Bächen, so in Niussi.
handia kam aus Usegua nach dem Norden von West-Usambara. Früher fürchtete man ihn ungemein, namentlich
in der Gegend von Wuguri und Bungu. Jetzt belästigt er die Waschambaa nicht mehr, aber vor etwa dreißig Jahren,
oder wie Karaseks Berichterstatterin sich ausdrückte: „als bei meiner Mutter die Brüste anfingen sich zu entwickeln“,
befiel er mit Vorliebe Frauen, die dann ihre eigenen Kinder fraßen. Zunächst tritt bei der Befallenen Erbrechen ein;
sie spricht wenig und spielt stundenlang mit ihren Fingern; plötzlich tritt die Gier nach Menschenfleisch auf.
Die Austreibung findet in der Hütte bei fest verschlossener Türe, damit die Menschenfleischhungrige nicht ent-
weichen kann, statt. Die Patientin ist bis zum Kopf in zerfranste Bananenblätter gehüllt und trägt um die Hüften
Gnen Gürtel aus den Fiedern der wilden Dattelpalme, kisambo; der Zauberdoktor ist nur mit solch einem Gürtel
bekleidet. Die Kranke singt dann mit leiser Sopranstimme: handia! und fährt mit möglichst tiefer, baßähnlicher
Minime fort: handia tutu! Der mganga schlägt die Trommel wie bei der mzuka-Geistaustrtibung und wiederholt
^•Unterbrochen: handia! handia! handia! Familienangehörige haben zu dieser Zeremonie keinen Zutritt, sondern
Gssetl einem verstohlenen Blick durch die Spalten in der Hüttenwand begnügen.
k Medikament wird einer handia-Kranken das Einatmen von Dämpfen eines Tees verordnet, der aus abge-
pGr swaka- und kulo-Rin.de sowie einem Absud von kidimadimu-Blättern, Elefantengras und Zitrone besteht;
Brode^61^11’ (^e mari nl^L ' üchcrn, fest zudeckt, beugt sich über den Topf mit der heißen Flüssigkeit und saugt den
em.
BEITRÄGE ZUR KENNTNIS DER WASCHAMBAA
43
mbuju wohnt in der Krone von Baobabbäumen; daher die Angst, diese Bäume zu fällen zumal • •
beim Umstürzen von sich geben“. J lallen, zumal „sie einen Laut
kizungu und galo sind zwei Geister, bei deren Austreibung die gleichnamigen Tän^ „„w-l .
Pepo ya gana, der Geist des Tabaks; der von diesem Dämon Befallene verspeist TabakLheiben^^11’
Geistesstörung rufen mkela und joli hervor. Der von ersterem Besessene ist bösart io- +. .
und zertrümmert, W“ ihm “ dieHand kommt’ Wenn er ein
brat man ihm dies zusammen mit Bananen, weil nach dem Genuß dieses Gerichtes Heilnno- A** r m ög Worfen hat>
Bei der Geisteraustreibung singt man: cmtes Heilung des Leidens emtreten soll.
1. kaba me mkela, kaba me, mkuja ponde oe oe e e e.
2. oe oe zogolo oe.
joli haust im Bondei-Land; kommt er nach Usambara, so überfällt er Frauen. Das Svmpton ' •
gesunde und verständige Frau fängt plötzlich fortzuspringen an und erst das Umsinken vor Entkräft bf d.ahm
momentanen Verwirrtheit ein Ende. V c Ung ma,cllt lhrer
Um diesen Geist zu bannen, singt man das ngoma-Lied: ngoma ze ya Bondei. ngoma ze ya Bond
Die Geistesstörung hervorrufenden Dämonen faßt man in Ost-Usambara mit dem Namen a <>< ^ °°
ein Wort, das anderwärts für eine kurzgeflügelte braunrote Heuschreckenart sowie für den rotblätt^^^^88^121611’
gebraucht wird. rigen Amaranthus
Die Geister: mpare, midatschi, muhindi, mnyamwezi, manyema, mkwawi, masai, mkamba und
Ursachen minder heftige, auf jeden Fall heilbare Krankheiten, die der Medizinmann leicht erkennen kann^11^0 ^
allgemeinen in ihren Eigenschaften der Eigenart des betreffenden in Usambara eingewanderten Volkssta^ ^ ^
Die verschiedenen Austreibungs-ngoma’s werden in der Weise getanzt, daß eine charakteristische g . he?‘
des in Frage kommenden Volksstammes nachgeahmt wird. "lgen umlichkeit
Da manche dieser Geister ein- und dieselbe Krankheit hervorzurufen vermögen, schläft man ]
Krankheitsgeist zu ermitteln, folgendes Verfahren ein: man umtanzt den Patienten und forscht dan °U nclltlgen
letzter Zeit z. B. einige Wapare im Dorfe sich aufgehalten haben; ist dies der Fall, so wird demei ts °b “
ngoma das mpare-Geistes angestimmt. Bleibt der Patient trotzdem krank, so läßt man alle die verseht !Prechend die
ngomas in Anwendung bringen. Springt nun der Befallene z. B. bei manjemo-ngoma auf, so war eben” ^ Geister~
Geist die Krankheitsursache. Diese ngoma führt man zu Ende und der Patient erhält die den Geilt 1 l ™anjema"
Medizin; dem mganga wird sein Honorar gezahlt. Unter Umständen finden mehrtägige ngoma’s statt b®kampfende
Namen des Krankheitsgeistes fest bestimmen kann. & ° ^ a , ehe man den
wapare, der seit seiner Einwanderung mit den Pare-Leuten im gleichnamigen Gebirge wohnt ver r
Brust- und Leibschmerz sowie starken Husten. Um den Besessenen und den Zauberarzt bilden dieT^- K°pf_’
Stammesgenossen einen Kreis; jeder hält in der Hand Bogen und Pfeil, tanzt und singt - kamba nam Tbeigehoiten
kasa nane, kasa mlongo. Der Kranke erhält eine Abkochung von mschusa-Wurzeln V ^ iaSa mlong°’
mdatschi, der Geist der Deutschen, zog mit ihnen zusammen in Usambara ein und befällt meistenteils K
Die Kranke hält ein Buch in der Hand und ahmt das Lesen nach; dann entnimmt sie einem auf der F ■ 1 . rauen-
ungo Eier, die sie roh verspeist ; ferner ißt sie Papaju, Bananen und andere Sneisen wild durcheinander ^e. legenden
treibung dieses Geistes, über dessen Tätigkeit die Waschambaa sich tunlichst ausschweigen a- ' tt ^ Aus'
Stöcke wie die Schutztruppe ihre Gewehre und man singt; 8 ’ cg aie Umstehenden
Askari waitahi nita Magila kwa mzungu oe oe mita Magila kwa mzungu. So in Buucm ■ a*
ja ja oe kidatschi keza, kidatschi khaisa, kidatschi kadja ja ja Ae ® ’ c Segen in Bumbuli:
Der Geist wanjamwezi, der mit diesem Volksstamme aus dessen Heimat kam, befällt auschhVm- u ™
ruft bei ihnen Übelkeit hervor. Die Besessene macht mit den Armen Bewegungen wio rW w ' 7 *rauen und
motive“. Hie Umstehenden singen beim Exorzismus: ° xzenterhebel der Loko-
unjanjembe hü pepo, matoka ja paani-he he unjajembe.
Als Medizin verordnet der mganga ein Gericht aus großen Bananen, ndisi sa mpoe und mhogo Ä M •
die zusammen mit einem Huhne gekocht und von allen Anwesenden, einschließlich der Krank ^ utilissüna,
manjema, der nur Frauen und Mädchen heimsucht und sie mit leichtem Unwohlsein belä fo/r RVerzehrt werden,
ngoma, wie sie die manjema-Weiber veranstalten, bannen. s-ig , laßt sich durch .eine
mkwawi, der ebenfalls nur Frauen Beschwerden macht, wohnt in der Nähe d M • r i
seiner Austreibung beansprucht vier Tage. Die Kranke sitzt mit dem Medizinmann8 ^ ances’ Ple ngoma zu
Freundinnen, von denen jede einen kiboj über der Schulter trägt und sich im K? ZURaram®n wird von ihren
durch: he he he na mkwawi hana lima lima jakwe nuta, tuka ngombe kondo " We=> 5 a’ngesungen
masai belästigt Männer und Frauen. Der Patient hockt bei der Behandlung dnml i M ■
und einer Ziege, während die Freunde des Kranken mit über dem Kopfe geschwm, * * 7 M ^ !,1®nn neben ihm
die Gruppe bewegen. Die Austreibungs-ngoma stellt an die Beteiligten hohe An ^“T t’',eeren "" Kreise sich um
von früh bis abends getanzt und gesungen werden: Ansprüche, denn vier Tage lang muß
------- tra;-------
muana Kilimandjaro hongera mgeni wangu.
hongera mgem waugu - »
Wenn der Abend des vierten Tages angebrochen ist, so schleudern die Anwesenden ihre Speere nach der Zieo-e
bis sie getötet ist. Dann ritzt man den Patienten einige Male auf der Brust und reibt die Wunden mit dem zerriebenen
44
A. KAEASEK
Kraut von wilungu ein, einer kolossale Knollen tragenden Dioscorea-Art, die von den Waschambaa häufig angebaut
wird; ferner wird der Kranke mit dem Ziegenblute abgewaschen. Nach dieser Behandlung wird gemeinsam das
Ziegenfleisch nebst den wilungu-Knollen verzehrt.
mkamba verursacht Übelkeit, Kopf-, Fuß- und Rückenschmerzen. Der Kranke hockt bei der Behandlung neben
dem mganga und einem Trommler inmitten der sie Umtanzenden, von denen jeder Pfeil und Bogen in der Hand hält.
Die Federn eines Huhnes werden verbrannt und mit den verkohlten Resten die Ritzwunden, die der Medizinmann
seinem Patienten beibrachte, eingerieben, dann schlachtet man das Huhn und verzehrt es. Als Lieder sind gebräuchlich
mkamba wane enula nasaja, mkamba onane.
Ferner; mkamba kascha mlangu, oe oe. Sodann in der Umgebung von Bungu; manaila ö tiwakamba, kisingo
ö tscha mkamba.
Der munginda-Geist gehört dem Volke der Wangindo an, die früher geschäftshalber oft nach Usambara
kamen. Daran eiinnert das ngoma-Lied: Wangindo oe oe, Wangindo kana faida je e oeh Wagindo kanafaida.
Dieser Dämon befällt die Frauen und verursacht Brustweh und Schmerzen in den Achselhöhlen; zürnt er aber,
so versiegt bei einer jungen Mutter die Milch, ferner kann er der Frau den Kindersegen versagen.
Bei der ngoma trägt die Patientin einen großen Topf mit kaltem Wasser ohne Unterlage auf dem Kopfe; infolge-
dessen rinnt es bei heftigeren Bewegungen, die vorgeschrieben sind, über.
Als Medizin wird schwarzes Zuckerrohr und ein schwarzes Huhn zu essen verordnet; so bei W uga; in der Nähe von
Bumbuli muß die Patientin unter einem am Bachesrande stehenden mkuju, einem Fikusbaume, baden; ist keiner in
der nächsten Umgebung eines Baches zu finden, so gräbt man unter einem beliebigen mkuju ein Loch, in das man
Wasser zum Bade für die Kranke schüttet, die bei dessen Benutzung umtanzt wird.
Die drei folgenden Geister erhielten ihre Namen nach den Tieren, deren Eigenart bei der Austreibungs-ngoma
nachgeahmt wird:
ngombe (Kuh) befällt nur Frauen; dieser Dämon ist in Usambara wie im Bondei-Lande bekannt. Die Patientin
leidet an Kopf- und Rückenschmerzen; sie läuft auf allen vieren herum, blökt wie eine Kuh und begibt sich in den
Busch, um dort Gras und Bananenblätter zu verschlingen. Das ngoma-Lied lautet;
mamuela ngombe, mamuela ngombe, jo jo jo oe, jo jo jo oe, tamuela ngombe.
An Schluß der mehrere Stunden währenden ngoma verschlingt die Kranke Kuhmist und Bananenblätter und
schlürft Wasser.
Die gleiche Krankenbehandlung findet im Bondei-Lande statt.
simba (Löwe) schädigt ausschließlich Frauen, denen er Brustweh und Kopfschmerz, „ähnlich dem nach einer
tüchtigen Ohrfeige“ verursacht. Dieser Geist soll in großen Bäumen wohnen und wohin er geht, begleitet ihn sein
Freund, der Löwe. Von ngoma-Liedern sind bekannt;
1. simba oe simba oe simba mlomo.
2. simba maguja, njama jaenga, ja ja oe — simba maguja njama.
Als Medizin wird die Abkochung von Wurzeln und Blättern des nikande-Baumes, dessen Früchte von den
Waschambaa auch als Obst genossen werden, verwendet. Alsdann soll die Patientin Feuer essen; wie? konnte
Karasek leider nicht feststellen.
tschui (Leopard) wohnt in der Steppe; ob der Leopard selbei der Begleiter dieses Dämons ist, ließ sich nicht er-
gründen. Er ruft Kopfschmerzen hervor, Taubheit und Verkrümmung der Finger. Bei der ngoma wird eine Ziege
an einen Pflock gebunden; der Kranke läuft auf allen Vieren um sie herum, stürzt sich dann mit Gebrüll auf die Ziege
reißt ihr mit den Zähnen das Fleisch vom Halse und schlürft ihr Blut; auf diese Weise soll dann Heilung erfolgen.
mbisi, ein großer, hochbeiniger Sumpf- und Wasservogel, den man aus Furcht nicht schießt und auch nie ißt.
verursacht bei den Waschambaa-Frauen etwas Kopfweh und Mattigkeit. ngoma-Lieder lauten;
1. wambisi mdodo hm hm hm hm jumba witana hm hm hm hm, wambisi mdodo hm hm hm hm hm.
2. wambisi mdodo hm hm hm hm; wambisi madodo asala hm hm; wambisi mdodo.
mkisambo, der auf den Höhen Usambaras wohnt und als Beschützer seines Volkes gilt, verursacht zwar keine
gefährlichen Krankheiten, aber doch immerhin Kopf- und Fußschmerzen, die erst nach Einritzungen mit einem ge-
wöhnlichen Messer und nach dem Einreiben mit der Asche des mschoele-Straüches, Holsundia verticillata, oder nach
einem Bade in einer Abkochung seiner Blätter schwinden.
Vom mkisambo nimmt man an, daß alles, was dem Wschambaa gut und schön erscheint, auch ihm gefällt. Da
dieses freundliche Berg Völkchen leidenschaftlich dem Tanze huldigt, sieht mkisambo natürlich den Nationaltänzen
seines Stammes besonders gern zu, und wenn die Frauen und Mädchen sich niedlich im Kreise mit kleinen Tanzschritten
bewegen, so flattert er mit seinen Flügeln nach dem Takte der ngoma.
Bei der Austreibungsprozedur ahmt die Patientin verschiedene Züge aus dem Leben einer Waschambaafrau nach;
reinigt Mais, sie raucht Tabak, sie stellt neben sich eine große Schüssel mit Bananen etc. Das ngoma-Lied lautet;
mkisambo mkisambo' kinula pembe kanula gogomi iza mkaule ya zumbe mkiambo oe oe.
maiti ist ein Beispiel dafür, daß auch bisher ganz unbekannte Geister, die erst neuerdings auf getreten sind, bei
( en Waschambaa ihre unheilvolle Wirksamkeit entfalten, maiti ist weder den Waschambaa noch den Wabonde'i,
° er den Wasuaheli vordem bekannt gewesen; mit einem Male, seit dem Jahre 1906, trat er in der Lmgebung von
iussi ; 1907 fanden dann maiti-Erkrankungen in der Umgebung von Muhesa und Mkulumusi statt.
BEITRÄGE ZUR KENNTNIS DER WASCHAMBAA
Big. 308.
Fig. 309.
Fig. 310.
Fig. 311.
Fig. 312.
Big. 313.
Big. 314.
Bei den ersten Erkrankungen durch diesen pepo stellte der Orakelmann fest, daß es sich um '
neuen Geist handele, namens maiti, den angeblich auch nur ein bestimmter mganga (im Dörfclmn F^117110*1 fremcleib
bannen könne. Ist zu dem Zwecke der Zauberer angelangt, so setzt er sich auf die rechte Seite de p™. bei Magba)
befällt nur Frauen —; sie wird auf den Rücken auf die Erde gelegt. Der Gehilfe des m i— ^ atlentin — maiti
linken Seite der Kranken; die Angehörigen stehen im Kreise herum, klatschten taktmäßi °i lzinma™ies sitzt auf der
talulae talulae nane pepo maiti oeh. Wenn die Kranke vor Ermüdung in Schlaf gesunken^t^^ ^nc^° unc^ singen:
Wohnhütte aus; hernach erhält der Zauberer ein Huhn, dessen Blut er rW S° rau°bert man ihre
i x ™ . n u’ er üei Kranken einflößt und des^rt i
bratenes Fleisch er zusammen mit seinem Gehilfen verzehrt. messen dann ge.
Wenn nach einmaliger Behandlung keine Heilung eingetreten ist, so wiederholt man die Aust ■ T
bis die Schmerzen nachlassen; natürlich wird dann auch täglich ein Huhn geschlachtet S ‘°lblmS Tag für Tag,
Es wurde Karasek versichert, daß maiti außer Schwangere auch ledige Mädchen befällt w . ,
plötzhcli kommt, kann man sich nicht erklären. Das Ausräuchern der Wolmuiw mit ul. A » ‘ . , ler der Pepo maiti
bei der Austreibung ist ein an der Küste üblicher Bauch, den die Wabondeiübernoirmer1™ ^ Händeklatsehen
mitgeteilt haben. men und d®n Waschambaa
Der pepo gari ist allerneuesten Ursprungs, denn dieser Geist der Lokomotive wurde erst •+ a
bara-Bahn im Gebiete der Waschambaa und Wabondei bekannt. Er befällt ausschließlich E ,Bau der Usam-
einen großen Stein an den Kopf, hockt sich nieder und springt in hockender Haltung umher™^” A’6 preßt
Austreibung gleichfalls hockend im Kreise um die Kranke herumspringen, singen - gari onihnk V™"*"’ die bei d<=r
tiolele gari oe! iea Banga, enula mzigo
Sämtliche pepo-Erkrankungen beruhen auf Autosuggestion. Karasek fiel auf daß I , m
beim Anblick eines Euiopäers meist sofort gesund werden, weil sie vor ihm der im ’ i ^ Wascbambaa-Erauen
in Usambara ist, einen ungemeinen Respekt haben; anders an der Küste’, wo E mer“ln eine noch seltene Erscheinung
dessen die mpepo-Erkrankungen heftiger und langwieriger auftreten. m°päer täglich zu sehen und infolge -
In Christengemeinden kommen pepo-Erkrankungen angeblich nie vor
Zum Schluß seien hier einige Typen von Medizinhörnern beigefügt deren r i
seitens des mganga in Anwendung kommt. Hin und wieder sind an den von vor- e- C^ei. mPeP°’-^ehandlunL
laphus gratus, Sumpfbock; Calotragus melanotis, Gaisbock; Cobus ellipsiprysrnus(Trage-
Giraffen-Gazelle etc.) entnommenen Hörnern zwei bis drei lamba-Ringe befesfr. asserbock; Lltll0ci‘anius walleri
zuweilen aus einer Muschel, gewöhnlich aber aus einem Stück zusammengerollten ^ e dff Je™cb1'^’ IuIimi> besteht
Inhalts der Medizinhörner, meistens Kohle und Asche von Pflanzen hält dor m ° laffe etc‘ 1)16 Herstellung des
zen, nait der mganga geheim (Fig. 308-314).
[g
A. KAEASEK
46
Zur Geschichte der Wakilindi.
Buge, der älteste Sohn Mbegas, kam. nach dem Tode seines Vaters zur Herrschaft. Von seiner Regierungszeit
weiß man weit weniger als von der seines Vaters, weil in ihr weder Kriege geführt wurden noch besondere Ereignisse
vorkamen. Seine ganze Tätigkeit bestand nach den übereinstimmenden Überlieferungen der Waschambaa im masa-
\ eranstalten, also im Abhalten von Gerichtssitzungen und Versammlungen sowie im Herbeischaffen neuer Frauen
für seinen Harem.
Buge richtete sich einen Hofstaat ein; als „Funktionär“ ernannte er Mdoembazi und Mdoekulu. Das Land teilte
er in größere Bezirke mit Akiden, die Waschambaa waren, an der Spitze; der Älteste von Wuga war Nyvegere.
Eine allgemeine Besteuerung, die in der Lieferung von Feldfrüchten bestand, wurde eingeführt und für jedes
schauri, bei dem der Oberhäuptling die Entscheidung gab, war eine Ziege als Abgabe zu liefern.
Neben der allgemeinen Steuer, die stets nach der Ernte fällig war, hatte jedes Dorf eine Ziege im Zeitraum von
zwei Ernten, also ungefähr innerhalb Jahresfrist, nach Wuga zu liefern. Die Ziege brachte man zugleich mit der Ernte-
steuer, und ein Festessen belohnte die Ältesten für ihre Mühe.
Über seinen Nachfolger Kimueri wurde Karasek erzählt, daß er seinen Beinamen Zahumbaj deshalb erhielt, weil
er in seinem hohen Alter sich stets im Hause auf hielt.
Zu seiner Zeit kam der erste Europäer nach Wuga; die Waschambaa nannten ihn mlango ya tumbo, „Bauchtüre“.
Die lange Regierungszeit, die Ausbreitung seiner Herrschaft, sein großer Hofstaat und der Pomp, den er hin und
wieder entfaltete, brachten Kimueri auch den Namen „der Große“ ein. Schlau wie alle Wakilindi. dachte er an die
Befestigung seiner Macht und gab zu dem Zweck in jeder Landschaft einem seiner Söhne die Würde des Yumben oder
verheiratete eine seiner Töchter an den dortigen Häuptling. Die Zahl seiner Kinder war groß.
Folgende Gebiete wurden mit Söhnen und Töchtern Kimueris bedacht;
I. in West-Usambara:
1. Mlunguj mit Magogo. 16. Balangai mitMafundo.
2. Mlola 5 5 Msangazi. 17. Nguelo 5 5 Señagwa.
3. Ubiri 3 3 Mschusa. 18. Mbuzii 5 3 Msagaso.
4. Dindila 5 5 Matembo. 19. Luanda! 3 5 Sedengo.
5. Wugiri 3 3 Mbago. 20. Mpangai 5? Tschanela.
6. Pale 3 3 Mkakamanga. 21. Mlongoj 5 3 Bira (Ndugu ya Defa)
7. Maka 3 3 Gome. 22. Mtisi 3 3 Djagandu.
8. Manka 3 3 Kinda. 23. Ngurui 5 5 Schemschesu.
9. Mkalie 3 3 Paula. 24. Kiranga 3 5 Goto.
10. Majo 5 3 Schehemba (tumbo moja na Kinda). 25. Miago 3 3 SchemHwa.
11. Tamota 5 5 Gogo. 26. Baga 5 3 Soakulu.
12. Mahezangulu 3 3 Kizuli. 27. Kongoj 3 5 Mschusa.
13. Schembekesa 33 Makimungu Mbega. . 28. Maw u la 33 Mpela.
14. Bumbuli 33 Mkande. 19. Mamba 3 5 Laschidi.
15. Scheie 3 3 Dafa.
1. Kizerui mit
2. Hundu „
3. Gombora „
4. Lutindi „
5. Malamba „
6. Kigongoj „
7. Mkulumusi,,
II. in Ost-Usambara und Bondei-Land:
Ngandu. 8. Tschurui mit Flambago.
Kusa. 9. Tongue „ Mkila.
Tumutu. 10. Mkusi ,, Sezi.
Luiko. 11. Kwakiego „ Mlekwajuma.
Hungula. 12. Schembekosa „ Kibanga.
Bereko. 13. Kwa Nundo „ Matogwa.
Vater von Kopwe. 14- Magila „ Tochter Mliwa.
15. Kwasiangara mit Tochter Dudugoschi.
Karasek geht in seinen Aufzeichnungen nunmehr sofort auf die Geschichte von Kimueri’s ränkevollem Sohn
Simbodja über. Dieser verbrachte seine ersten Jugendjahre in Wuga; schon damals soll er ein roher Geselle gewesen
sein, dessen Freude war, seinen Kameraden oder Brüdern allerlei Ärger zu bereiten.
Im Alter von achl Jahren übertrug ihm sein Vater die Verwaltung der Landschaft Gale, in die er mit seiner Mutter
^d seinem Erzieher Kilaugilo übersiedelte. Des Letzteren Aufgabe war: Simbodja mit den Sitten und Gebräuchen
sehtes Volkes bekannt zu machen, ihm würdiges Auftreten, den rechten Umgang mit seinen Untergebenen zu lehren
alle Schauris für den unmündigen Gale-Häuptling vorteilhaft zu leiten. Ferner hatte er im Namen seines
dtzlings ratsuchenden Leuten die entsprechenden Medizinen zu verordnen, Geflügel und Vieh für ihn in Empfang
ai nehmen und bis zur Groß jährigst seines Herrn den Viehstand zu verwalten.
BEITRÄGE ZUR KENNTNIS DER WASCHAMBAA
47
Kilangilo nun, der ein Mschambaa war, war einerseits zu gutmütig, um seinen Schutzbefohlenen •
unangemessenen Benehmens zu tadeln, andererseits hatte er Furcht vor dem künftigen Herrscher g 68
Der junge Simbodja vergnügte sich u. a. damit, die Hunde, diese Lieblinge der Waschambaa, wenn sie io a •
^ahe kamen, mi: vergifteten Pfeilen zu schießen. Hie gutmütigen Bewohner von Gale führten zwar keine Besch
bei Kilangilo, aber dieser machte von sich aus dem Simbodja Vorhaltungen, auf die hin jener wie besessen ihn « A !
„Was ? Bin ich nicht der Herr meines Bezirks?“ Kilangilo schwieg. Tn, c ne.
Weiter machte sich Simbodja ein Vergnügen daraus, Zuckerrohr zu stehlen oder es niederzutreten, so daß Kila T
den Schaden ersetzen mußte. Letzterer atmete auf, als er infolge der Volljährigkeit seines Schützlings desse A^ °
mundung enthoben war. ö k 11 ev<)1'
Ohne daß eine größere Feier veranstaltet wurde, übernahm Simbodja selbst die Verwaltung seines Bezirks H
die Waschambaa haßten den jungen Häuptling und warteten auf eine Geglegenheit, ihn beim Oberhäuntli o- • °C 1
klagen. Diese bot sich, als Simbodja einigen Kühen, die in seine Maispflanzung gelaufen waren, mit einem Säbel A-*'
Bein abgeschlagen hatte. Auf die Klage der Leute von Gale erklärte der alte Kimueri in Wuga: ,,Ja, ihr habt Acpln
er ist ein schlimmer, schlechter Mensch. Ich gebe euch einen anderen Yumben“. Schon wenige Tage hernach ’
Simbodja einen neuen Frevel, in dem er wiederum Kühen Füße abhieb. Deren Eigentümer Mschimbula
schlug in seinem Zorn auf Simbodja mit seinem Schwerte ein und verwundete ihn stark auf der Stirn. Neue Kl & °
Wuga. Kimueri gab dem Volkswillen nach; Simbodja wurde nach Ngua, oberhalb Masinde, geschickt und ^
Yumben von Gale wurde ein anderer Sohn Kimueris, Karage, ernannt. ’ ZUm
Simbodja fürchtete, daß der Yumbe von Bumbuli, Tschenegela, ein Bruder Schekulavus, die Herrschaft des
Oberhäuptlings an sich reißen würde. Die Anhänglichkeit des Volks, seine Klugheit und seine eiserne Faust sichert
ihm diese Stellung, zumal die Bevölkerung dieses größten und reichsten Bezirks hinter ihm stand. Daher Neid und
Eifersucht bei Simbodja, der mit List Tschenegela zu beseitigen trachtete, denn an Gewalt konnte er bei seiner ‘
Unbeliebtheit bei den Waschambaa nicht denken. Sein Plan war, sich von Simbodja zu befreien und die ülfn-oA
Häuptlinge in seine Gewalt zu bekommen.
Die Herrschsucht Tschenegelas und sein Bestreben, sein Machtbereich zu erweitern, wurde sein Verderben A
ihn sandte Simbodja Boten, um wichtiger Besprechungen halber eine Zusammenkunft in Masinde herbeizuf"h n
aber der mißtrauische Tschenegula ließ erwidern, daß er dazu keine Zeit habe, aber zu einer Besprechung; a ‘ ^
dritten Orte bereit sei. Mambo wurde dazu ausersehen. Nach einmonatlicher Verhandlung traf man sich cT
Simbodja machte folgenden Vorschlag: ,,Du, Bruder, schau! Du bist mächtig und ich auch. Doch es gibt viele wA^
lindi-Häuptlinge, die schlechte Menschen sind, aber Macht in ihrer Umgebung haben. Beseitige du die in d •
Umgebung und in Ost-Usambara und Bondei-Land; ich mache mit denen in meiner Nähe kurzen Prozeß Gl
unser P’an, dann werden wir Alleinherrscher von ganz Usambara.“ * Uluckfc
Tschenegela nahm diesen Vorschlag an. Man schlachtete einen Ochsen und kochte das Fleisch. Als nia V
mitsamt der Brühe in einer großen irdenen Schüssel brachte, spuckte zuerst Simbodja, dann Tschenegela in u c^ses
und beide sagten: „Verflucht sei jeder von uns, der sein Versprechen nicht hä t; verflucht sei der, der nicht allW ^ •
lindi in seiner Umgebung umbringt. Der von uns sterbe, der dieses Versprechen nicht hält.“ Dann aßen b A &^
der Schüssel gemeinsam, die hernach zerschlagen und ihre Scherben ins pori geworfen wurden X K 6
Tschenegela tauschte mit Simbodja Messer und kiboj aus; ein fester Bund ward so geschlossen
In der Frühe des nächsten Tages verließ Tschenegela Mombo und begab sich nach Bumbuli. Als
Sichtweite war, sandte Simbodja einen Eilboten zu einem Zauberer nach Masindo — er hatte stets de ^ .m
seinem Hofe - und gebot ihm bei dessen Ankunft zur Mittagszeit, schleunigst die Topfscherben zusa Glnige ^
und ihn seines Eides zu entbinden sowie die Folgen des Fluches, der nach Vorstellung der WaschaniA^211^011611
sicher den Tod des Eidbrüchigen herbeiführte, unwirksam zu machen. ^ C aa unbe(üngt
Tschenegela dagegen ließ seinem stürmischen Temperamente entsprechend durch Boten die Alt
schäften, die mit ihren Häuptlingen unzufrieden waren, sowie alle die Leute, die mit den Makilindi a ifr A °rt~
Fuße standen, eiligst nach Bumbuli zu einem gemeinsamen Schauri entbieten. In der Versammlung h ^ndsellSem
die Häuptlinge und befahl sie zu ermorden. „Ich befehle es euch!“ Viele Waschambaa und Wabondei ° ^ ** gGgen
diesem Befehle zufolge ihre Häuptlinge, die wie Tyrannen regierten, loszuwerden und schonten wederei>freut’
Kinder; sie wurden Arbeitssklaven oder verkauft. Den Mördern, die sich ihre Sondervorteile von Tsche A** n°Ch
ließen, wurde die Herrschaft in jenen Bezirken, in denen sie die Makilindi umgebracht hatten verheißt ^
Damals kamen ums Leben der Yumbe Matogwa in Kwa Nundo bei Magila und der Yumbe Sozi in Tonm.o u
wurden von ihren eigenen Untertanen erschlagen. §ue’ beide
Ferner der Yumbe Msimbüi m MMa (West-Usambaia), der durch Leute Tschenegelas ermordet wurde
DL übrig gebliebenen mge schrieben natürlich Tschenegela allein diese Mordtaten zu und hatt
auf Simbodja nicht den geringsten Verdacht Makimungu Mbega, einer der angesehensten, dem die Herrschaft V,
Schembekesa gehörte, floh zu Schatu nach Msclnhwi, ebenso aer Yumbe Poia aus Mavula Beide schlossen l, *”
brüderschaft mit ihm; dieser war zwar kein reinblütiger Mkihndi, aber er war der einzig Herrscher der sich j8’
Simbodja noch zu Tschenegela als Oberhäuptiingen bekannte. ’ weder zu
So hatte Simbodja zunächst das Ziel erreicht, daß Tschenegela mit allen Wakilindi in Feindschaft lag. eine F • ,,
schaft, die er ausnutzte, um sie sich zu Ireunden zu machen. Sämtliche Yumben lud er zu einer Besprechu eUld~
P hg nach
aus
aus
48
A. KARASEK
Masinde; ferner gab er bekannt, er wolle alle bedrückten Häuptlinge beschützen. Daraufhin fanden sich alle Kinder
des Kimueri Zanumbaj in Masinde ein mit Ausnahme von Schatu, der befürchtete, jenen Platz lebend nicht wieder
zu verlassen. Der Gastgeber schlachtete zahlreiche Ochsen und gewann durch seine Liebenswürdigkeit die Ver-
sammelten für sich. Er betonte; „Seht den Sohn von Mkande an! Er ist ein niederträchtiger Mensch, er ermordet seine
eigenen Brüder.“ Als die Versammelten durch ihren Sprecher anfrugen; „Warum ermordet Tschenegela so viele
Wakilindi V‘ rief Simbodja statt einer Antwort ihnen zu: „Krieg, macht Krieg!“ Und die unter dem Einfluß des in
Unmengen genossenen Honigweins stehende Versammlung, die nur einer mit klarem Kopf, Simbodja, leitete, beschloß
einmütig den Krieg.
Die nächsten fünf Tage wurden der Beratung über den Eeldzugsplan in allen seinen Einzelheiten gewidmet.
Die Streitmacht sollte aus zwei Teilen bestehen, deren einen Simbodja, den andern die verbündeten Wakilindi stellen
wollten. Kimueri, Simbodja’s Sohn, sollte die Krieger seines Vaters führen; unter Tumba, dem Sohne des Kimueri
Zanumbaj stand die Wakilindi-Streitmacht. Jeder Häuptling hatte eine seinem Herrschaftsgebiet entsprechende
Anzahl von Kriegern aufzustellen, deren Anführer der Sohn des betreffenden Yumben war. So wurden Gao, ein Sohn
des Yumben Kezuli aus Mahezangulu; Kuni, Sohn des Wapare-Yumben Makakha mganga; Joho, Sohn des Yumben
Mbago aus Wugiri; Schemkila, Sohn des Makimungu Mbeha aus Schembekesa; Mtoi, Sohn des Yumben Mschusa aus
Ubiri; Kaja, Sohn des Yumben aus Mlungoi und viele andere, deren Namen Karasek nicht mehr erfahren konnte,
die Führer ihrer Kontingente. Die Bewaffneten versammelten sich in Masinde, wo dann die Häuptlingssöhne die
Führung übernahmen.
Simbodja benutzte sofort diese Kriegsmacht, um die Tarawanda-Leute, Wasegua unweit Mombo, deren Yumbe
Simbodja’s Herrschaft nicht anerkennen wollte, zu überfallen. Er gebot den Scharen: „Geht nach Tarawanda! Ich
will sehen, ob ihr tapfer seid.“ Noch in derselben Nacht wurde Tarawanda umschlichen; früh am Morgen überfiel
man das Dorf, erschlug alle männlichen Bewohner, machte Frauen und Kinder zu Sklaven und schickte sie Simbodja
als Beute zu. Er ließ Ochsen und anderes Vieh als Beute und Wegzehrung unter die Krieger verteilen.
In Taranwanda beschloß man am Fuße der Berge von West-Usambara entlang zu marschieren, unweit von
Korogwe das Gebirge zu übersteigen, dann eine Landschaft nach der andern zu unterwerfen und die abgesetzten
Yumben wieder einzusetzen.
Doch auch Tschenegela ruhte nicht; er hatte eingesehen, daß er von Simbodja hinterlistig behandelt worden war.
An Flucht, wie es einige Wakilindi getan hatten, dachte er nicht. Er befahl, in allen den Bezirken, in denen er die
Yumben abgesetzt oder ermordet hatte, den Scharen Simbodja’s bewaffneten Widerstand zu leisten; er selbst hatte die
Absicht, eine große Streitmacht ins Feld zu stellen, um den Gegner anzugreifen. Wenn Tschenegela bei der Bevölke-
rung beliebt gewesen wäre, so hätte er aus diesem Kriege als Sieger hervorgehen müssen. So aber leistete man in den
Bezirken, weil den Bewohnern Tschenegela’s Herrschaft mißfiel, einen mehr als mäßigen Widerstand.
Zunächst fiel Dindila, unweit Bungu, dessen Yumbe Matembo, der aus Furcht vor Tschenegela geflohen war, in
seiner Würde wiedereingesetzt wurde.
Dann zog man nach Wugiri; schwacher Widerstand. Der Yumbe Mbago erhielt seine Stellung zurück. Hernach
fiel Mkalie bei Mahezangulu, in dem der Yumbe Paula seine Würde wiedererhielt.
Über Balangai und M!anke sollte der Vormarsch nach Bumbuli gehen, dort hatte Tschenegela seine Streitmacht
zusammengezogen. Die Leute von Paralobei Balangai leisteten energisch Widerstand; ihr erster Führer, der Mkilindi
Tumba fiel und wurde hier bestattet. Balangai und Manga ließen sich leicht nehmen und Mafundo wurde im ersteren
Orte, im letzteren Kinda wieder Yumbe. Da sich die Kriegsmacht in Manga ausruhte, mußte Kinda sie versorgen.
Dann gings gegen Bumbuli, wohin auch Kinda und Mafundo Krieger entsandten. Fünf Tage hindurch wogte mit
wechselndem Glücke der Kampf. Tschenegela sah dann ein, daß er Bumbuli nicht mehr halten konnte und entfloh
mit wenigen Getreuen nach Schembekesa. Ohne Mühe wurde am sechsten Tage von den Wakilindi Bumbuli genom-
men und Mdoe Muluru als Yumbe eingesetzt. Nun dachte man an die Verfolgung Tschenegela’s. Zwei Tage lang
leistete Schembekesa, dem seine Lage zu statten kam, Widerstand, zumal Tschenegela selber die Verteidigung leitete.
Aber der Ort fiel durch Verrat. Ein Mschambaa zeigte den Belagerern einen geheimen Weg. Tschenegela floh nach
Ost-Usambara, in den Bezirk Hundu, der durch das Luengera-Tal getrennt Schembekesa gegenüber liegt. In letzterem
Orte wurde Makimungu Mbega als Yumbe eingesetzt; er stellte eine entsprechende Anzahl Krieger und das gesamte
Heer zog nach Mhango, dessen Yumbe Mpelo seine Würde zurückerhielt; dann fiel Konkoj, und der frühere Yumbe
Mschusa kehrte in seine Stellung zurück. So zog das Heer von Ort zu Ort und stellte die früheren Verhältnisse wieder her.
Man entsandte an Simbodja einen Boten mit der Kunde: „Die Arbeit ist getan“. Bei ihm lauter Jubel ob des
glänzend gelungenen Plans. Dankbarkeit bei allen Wakilindi, da er ihre Wiedereinsetzung bewirkt hatte. Simbodja
ruhte nicht, bis er auch Schekulavu, den Herrscher von Bumbuli, beseitigt hatte. Dieser war nach Maurui geflohen,
v^ohin ihm nur einige treue Sklaven und Frauen gefolgt waren, während ihn sein ganzer Hofstaat, darunter Mdoe,
^aoneka u. a., verlassen hatte. Da Simbodja mit Recht Schekulavus Benühen, seine Herrschaft wiederzuerlangen,
ächtete, griff er zur List. Einem seiner Sklaven gab er ein Gewehr mit dem Auftrag; „Gehe nach Maurui und sprich:
”^hnbodja ist ein schlechter Mensch; er hat mich ohne Grund geschlagen. Ich stahl ihm ein Gewehr und bringe es dir;
auf^1 tIle*rL Herr! Willst du mich nicht, dann gehe ich zurück.“ Schekularu war erfreut, einen der Leute Simbodja’s
Seh\e Seite zu bekommen und besichtigte das Gewehr. Beim probeweisen Abschießen, zu dem der Sklave Sim-
s Weisung gemäß den Herrscher veranlaßte, damit ihm die Pulverladung ins Gesicht fliege, explodierte die
BEITRAGE ZUE KENNTNIS DER WASCHAMBAA
49
W affe und brachte Sohekularu so schwere Brandwunden im Gesichte bei, daß er einen Monat später starb TV,
bk awe entfloh und meldete noch an demselben Tage seinem Herrn das Gelingen seines Plans. So ward der ImX
rechtmäßige Herrscher für den Wakilindi-Thron in Wuga aus dem Wege geräumt.
In jenen Tagen nun drang unter das Volk das Gerücht, daß auf Anraten von Simbodja die Wakilindi dnroh
i schenegela ermordet worden waren. Daraufhin eine Wakilindi-Zusammenkunft bei Makimungu Mbega in Schembo-
kesa. Aus Masmde erschien auch Simbodja. Heftige Vorwürfe seitens der Versammelten. Aber weit wichtiger
die Erörterung der Frage: Wer soll Oberhäuptling von Usambara werden? Man richtete die Frage an SimboclV
3,Wen willst du zum Oberhäuptling machen ? Für wen erhebst du deine Stimme ?“ Der Schlaue antwortete'- Das ist
nicht meine Sache!“ Die Versammelten erwiderten: „Doch! Est ist deine Sache. Kein Tag vergeht, an dem du nicht
Krieg führst. Du hast Tschenegela zum Morden unserer Brüder verleitet. Schekulawu starb durch dich! In der
letzten Zeit hattest du die oberste Gewalt; dein Verstand hat alle Pläne ersonnen und vollführt. An dir ist die R T
Wähle du jemanden für Wuga!“ ei e'
Simbodja nahm sich zusammen und sprach; „Gut! Wie ihr wollt! Ich werde einen meiner Söhne zu eurem Ober
häuptlinge machen.“ Bevor Simbodja aus der Versammlung schied, warnten ihn die Wakilindi: Merke dir das *
^Venn du es noch einmal wagst, einem einzigen von uns ein Leid anzutun, dann werden wir dir alle gpmmr. a
Krieg erklären.“ 8 m den
Simbodja zog nach dem uralten Wuga. Die Stadt lag in Trümmern — er war die Ursache gewesen In dieser
düstern Residenz hatte er viel Arbeit für sein Herrschaftsgebiet zu erledigen, namentlich mußte er auch Streitigkeiten
schlichten und Rat erteilen. Um sich diese Unbequemlichkeit und Mühe zu ersparen, legte er nach ungefähr drei
Monaten die Oberhäuptlingswürde in die Hände seines Sohnes und er, der nur für kurze Zeit mkubwa ya Wasamba
war, zog sich nach Masinde zurück.
Zu Gunsten seiner Söhne suchte er einem Mkilindi nach dem andern seine Herrschaft zu entreißen, abernicht offen
mit Gewalt, sondern seinem Naturell gemäß mit Hinterlist. Gewalt war ausgeschlossen, weil sonst sämtlich e Wakilind'
olidarisch für den Bedrängten eingetreten sein und ihre Drohung verwirklicht haben würden. Simbodja ging in der
Weise vor, daß er zu dem Mkilindi, nach dessen Herrschaftsgebiet er lüstern war, einen Boten mit einer Einlad C ^
sandte, um in Masinde ein wichtiges schauri abzuhalten. Den nichts böses ahnenden Yumben empfing er mit ^
gesuchter Freundlichkeit. „Mein Bruder, wie lange hatte ich dich nicht gesehen! Ruhe dich ein paar Tage bei nT -
Im Hause des Akida wirst du eine schöne Wohnung finden. Meine Frauen bereiten Dir die Speise.“ Der ^f aUS'
Mkilindi sah sich zu Ehren eine Ziege schlachten; sie ward zerlegt, Simbodja’s Frauen besorgten die Mahlzeit
erschien Simbodja und bot selber seinem Gaste Essen mit den Worten: „Das hat meine Frau gerade für sich he^™1
stellt“; und es wurden Schalen mit verschiedenen Gerichten herbeigebracht. Auch der Akida bekam sein Teil ebemT
wie Simbodja seine Portion erhielt. Aber allen diesen Speisen war ein Gift beigemischt, das jedoch nicht sof +°
sondern erst nach längerer Zeit seine unbedingt tötliche Wirkung entfaltete. Tags darauf wurde dann der MkVd’
in Gnaden entlassen, nachdem er noch mit kitambi, neuen Kleidern, kofia u. a. reichlich beschenkt wordei m 1
Jener ging mit dem Gefühle, daß im Volke über Simbodja mit Unrecht eine schlechte Meinung vorwalte Bai 1
der Heimkehr zeigte sich die Wirkung des Giftes. nac
Wenn Simbodja vom Ableben dieses und jenes Yumben, den er vergiftet hatte, hörte, sagte er gewöl V B
,Es ist gut; des Yumben Ältester mag das Land erben!“ Doch in seinem In nern faßte er den Entschluß in°" '
Zeit einen Grund zur Absetzung jenes jungen Häuptlings zu suchen und an seine Stelle einen na° ®ter
zu setzen. eigenen Söh^
Auf diese Weise kamen drei angesehene Yumben ums Leben: Wanoka aus Mlola, Semkiwa aus Mlago Ml
Tamota bei Wugiri. Mlago wurde von Simbodja an seine Schwester Makimueri gegeben; Tamota erhidt ^ ^
Hisa. Mlola fürchtete er aus seiner Familie zu besetzen, denn die Bevölkerung stand fest auf der Se't S6m
dem Sohne Wanokas. ‘ i e von Kihio,
Durch den Tod dieser Yumben, die in Masinde zu Besuch gewesen waren, stutzig gemacht vere’ b
Wakilindi, Simbodja’s Einladungen keine Folge zu leisten, zumal auch einige bekannte Wahrsag die
Todesfälle als Giftmorde bezeichneten. JGne Plotzlichen
Da sich Simbodja durchschaut sah, griff er ohne Skrupel zu einem anderen heimtückischen Mittel-
Masai ins Land. Ihm lag daran die Landschaft Gale, die er früher regiert hatte, wieder an sich zu bringe’ **¿*1 ^
jetzt als Häuptling Karage, der Sohn des Kimueri Zahumbai. Auch dieser war nach Masinde geladen doch JnB
rechtzeitig gewarnt worden. Zwar fand er sich in jenem Orte ein, aber er genoß weder Speise und Trank ’ja er 2tc
offen, daß er sich nicht vergiften lassen wolle. Gesund reiste er mit seinen Leuten wieder heim Noch in der N \!
hatte Simbodja auf jenem Wege eine gereta pflanzen lassen, aber sie erwies sich unwirksam “
Um nun nicht offen gegen Karage Krieg zu führen und damit die Gesamtheit der Wakilindi sich zu Germern ,
machen, versprach Simbodja den asa1’ wenn sie Karage toten wurden, alles bei ihrem Überfall erbeutete Vieh ?
Beute. Als Führer sandte er ihnen den Mbugu Mboko. Die Masai überstiegen die Berge zwischen Masinde und Moml
bei Kasiga und zogen über Bululo nach Nguascha in der Landschaft Ubiri. Hier versteckten sie sich bei einbrecheud °
Nacht vor den Toren. Die männlichen Lmwohner waren in die Pflanzungen gegangen, um sie vor Schaden durch T
Wildschweine zu schützen. Der einzige in dem Ort zurückgebliebene Mann, Sekihio. öffnete früh das Tor- er ^
überfallen und getötet. Die Masai machten von den Flüchtlingen nieder, wen sie erreichten, Frauen und Kind^
4 Baessler-Archiv.
50
A. KARASEK
und setzten die Hütten in Brand, so daß die dort Versteckten umkamen. Dieses Flammenzeichen brachte den Männern
in den Pflanzungen von dem Überfall Kunde. Die Kriegstrommel wurde in Ubiri, Ngurui bei Rusoto und in Gale
geschlagen. Zuerst traten die Männer aus Ngurui den Masai bewaffnet entgegen; ihnen schlossen sich die aus Ubisi
an und zu ihnen stieß der Yumbe Karage mit den Seinen. Er trat an die Spitze und kämpfte in den vordersten Reihen.
Der Kampf währte einen halben Tag. Die Masai flohen in die Wälder bei Nguascha (oder Muascha), aber acht Masai
versteckten sich zusammen mit dem Führer Mboko im hohen Grase und lauerten Karage auf. Er hatte sich bei der
Verfolgung zu weit vorgewagt und fiel durch Speerstiche der Masai. Neben seine Leiche legten sie sein Gewehr und
sein Schwert und deckten sie mit Tüchern zu. Dann eilten sie nach Masinde. um Simbodja von der glücklichen Aus-
führung seines Auftrags in Kenntnis zu setzen. Es ging das Gerücht, daß Simbodja einige dieser Masai umgebracht
habe, doch konnte Karasek hierüber keine sichere Auskunft erlangen.
Karage wurde von seinen Leuten gefunden und in Gale begraben. Simbodja heuchelte Betrübnis. ,,Es ist gut;
sein Sohn mag das Erbe seines Vaters antreten“, war sein Bescheid; ,,die Masai sind schlechte Menschen“. Koloa,
Karages ältester Sohn, wurde Häuptling. Da er wußte, daß sein Vater im Aufträge Simbodja s ermordet worden war,
führte er Klage bei Kimueri in Wuga. ,,Dein Vater ließ meinen Vater umbringen; er trachtet nach meinem Lande.
Was soll ich tun ? Trete ich das Erbe an, dann läßt Simbodja auch mich töten“. Kimueri erwiderte; „Ich bin Schem-
bugu (Sohn eines Yumben) und du bist Schembugu. Wenn Simbodja so getan hat, wie du sagst, dann hat er schlecht
gehandelt.“ Koloa kehrte nach Gale zurück; Kimueri aber schickte einen Eilboten zu seinem Vater nach Masinde;
„Koloa kennt deine Pläne“. Simbodja gebot, das Land zu teilen; Koloa erhielt Gale mit der näheren Umgebung und
Handei bei Gale bekam Mkomgazi, die Tochter des Kimueri in Wuga. Koloa fügte sich in das Unvermeidliche und
äußerte nur zu den Seinen: „Seht ihr! Jetzt nahm er mir eine Hälfte, später will er noch die andere dazu.“ Er wurde
hernachmals seitens der deutschen Verwaltung abgesetzt und zog sich ins Land der Waseguha zurück. Das gleiche
Schicksal hatte sein Bruder Kilamba. Die „Häuptlingin“ Mkomgazi wurde von Ngeresa geheiratet, den die Regierung
zum Akiden erst in Gale, nachher in Wuga ernannte.
Einige Sippen der Waschambaa.
Einer der größten Waschambaastämme, der in Bondei, in Ost- und West-Üsambara sowie in Pare verbreitet
ist, sind die
Waschu.
Sie sitzen besonders zahlreich in der Gegend von Wuga.
Häufiger als die andern Waschambaa opfern sie auf den Gräbern ihrer Vorfahren. Am Grabe wird ein Feuer ange-
brannt ; die Frauen bringen Bananen, von den Männern wird eine Ziege geschlachtet und ihr Fleisch nebst den Bananen
geröstet. Der Älteste nimmt ein Stückchen Brustfleisch, etwas von den Bananen und den anderen Speisen, die von
den Frauen herbeigeschafft wurden, macht zwei Düten aus Bananenblättern, die er mit den Speisen füllt, und mit je
einem dieser beiden Speisebeutel in den Händen sagt er: „Hier ist das Grab der Ahnen, hier ruhen sie. Wir sind ge-
kommen, wie es unsere Väter getan haben. Hier haben unsere Kinder eine Ziege gebracht und von ihr gegessen; bleibt
gesund! Und hier das pombe und viele andere Speise!“ Bei diesen Worten legt er die Speisen auf das Grab. Dann
setzen sich die Männer zu Gruppen zusammen, etwas entfernt von ihnen die Frauen und essen das Ziegenfleisch und
die anderen Nahrungsmittel; reichlich wird pombe genossen.
Am Morgen des nächsten Tages gehen die Waschu wiederum zu dem Grabe, das gleich dem der Wakilindi einge-
zäunt ist, reinigen es von Unkraut und umschreiten dann mehrere Male die Grabstätte. Die Ansprache, die dann der
Älteste hält, hat Karasek leider nicht überliefert.
Ein anderer Waschambaastamm, die
Wandeme,
wohnt vor allem in Makima. Ihren Namen sollen sie ableiten von ndeme, der Bezeichnung für einen Vogel, der zu
Tausenden die große Höhle bei Makima bewohnt. Hierhin ziehen die Wandeme am Tage des Opferfestes, fangen
einige Körbe voll dieser Vögel, die sie töten, und braten sie hier. Jeder Stammesgenosse nimmt einige dieser gebratenen
Vögel und kehrt mit ihnen in sein Dorf zurück, in dem dann makaja als Schlußakt des Festes veranstaltet wird.
Die
Waireka
bewohnten früher das Dorf Ireka nahe bei Seschui; heutigen Tags bringen sie ihr Opfer in Tongo dar.
In der Landschaft Ngurui haben die
Wangurui
ihren Sitz. Ihr Yumbe Schernkila, der im Ort Ngurui wohnt, ist ein echter Mkilindi, der den Verlust seinei Herrschaft
Schembekesa schwer trägt, aber gleich allen seines Stammes auf die Waschambaa verächtlich herabsieht, ihm ist die
seitens der deutschen Regierung ausgesprochene Gleichstellung der Waschambaa mit den Wakilindi unbegreiflich.
Von Einzelzügen aus den Sitten dieses Stammes erwähnt Karasek: Wenn ein Jüngling um ein Mädchen wirbt,
80 schickt er ihrem Vater einen Hund; wird dieser angenommen, so ist die Verlobung abgeschlossen, und es folgt hernach
wie bei den anderen Waschambaa eine Sendung von pombe und die Lieferung einer Ziege.
BEITRÄGE ZUR KENNTNIS DER WASCHAMBAA
51
Die Opferfestlichkeiten finden in Ngurui statt. Sobald sieh hier die Stammesangehörigen versammelt haben,
wird eine Ziege geschlachtet und “ f ” wa gewohnt haben soll und jetzt sein Geist weilt. An
seinem Grlbe findet Verfalls Schlachtung einer Ziege statt. Nach dem Essen gehen die Festgenossen unter Homer-
klang nach Ngnrui zurück.
In sechs Familien zerfallen die
Wassango.
1 ■ c иляiisahnlichen Tieres, essen. 2. Wina kima, die kein Affenfleisch
1. Wina puku, die kein F ешс: es pu , i der Genuß der Springmaus, sänge, verboten ist. 5. Wina kala
genießen dürfen. 3. Wina pala. . ina sänge, ^ Familien ist an das Halten bestimmter Speise-
dürfen keine Krabben, kala, essen. 6. Wma mada. Jede
gesetze gebunden.
Aus dem Pare-Gebirge stammen die Wanango,
die in der Landschaft Sohume wohnen.
•Di® W a hei о
. .. j)i6Ser Stamm soll einer der ersten gewesen sein, dor nach West-Usambara
haben ihren Sitz im Gebiete von U bni. - Premde Verstorbenen, wird im Hanse des Häuptlings in Ubiri
zog. Das Totenopferfest, auch das für die m
abgehalten.
Literarisches.1
A. Rätsel.
Aus der Gegend von Bumbuli.
kunukunupu ? (als ein Wort gesprochen. — Antwort; mkia wa ngombe (Schwanz der Kühe)
taa sedjamto? — Antwort: lubihli.
luondei luwunguti ? — Antwort: muezi.
ta mkoma schemalingo, ta mfungana na malingo jake ? — Antw.: mahuti.
kaziti kagwa kuja na mahando. — Antw. ngulio.
aho tango hana mgoschi ? ana kiga kimue guha kikulu tumbo ? — Antw. migunda
ndani msitu tschunga jangu mkumba a tschemka mangwe ? — Antw. woki.
jiko tschungu ya pule, takadja - tatschukua kijiti kimojatscha pule — na rudischa ? — Antw
mikono haiina, mgu halina kukwimbia kazi moto ? — Antw. nyoko. ' munSu-
namikalia kakeme ? — Antw. kiti.
tutu kuna mescho, kunulanga uhitali ? — Antw. lukungu ,,Queme“.
ruschai wakilo kagoha schiki — ngamba nimbwai ? — Antw. lumba ya kungu
nyumba jangu iolezo kifigwe na ulange ? — Antw. lutumba watindi.
muetu ngumbai. timua tatu uki ona wanemkome. — Antw. mafiga ya moto
kahanga kangu, kingi mawe ? — Antw. kinwa-meno.
fumagu ndulanga ? — Antw. kala nejwe.
najgila mue msitu na mschenga goda bili msitu waholola ? — Antw. zumbe na kitamba
muetu nyumbai ujaligwa wazize tykykula wakundu tywa kundu ? - Antw. maschusa '
watu wengi kila siku nawatala siwataja mazina ? — Antw. mapemba
B, Vinundu.
Gesammelt in Bumbuli.
1. Konga nany, kifune schugulu Makombe nytezu ja ugali.
2. Nyna numba jangu ja oleze kifigwe na kena.
3. Tosche umu iiumbai tyolele mueschu mue ny ilungu.
4. Uta wa baba wa hia waschigala tozezo mysila.
5. Schui di muengugu mkila uwelui nykilungu.
6. Makuku na makuku kajaluguschana ny humba.
7. Kadina mikono kutytyka ny ndyma ny mazi.
Es ist sehr bedauerlich, daß Karasek keine Übersetzung der
von ihm gesammelten Rätsel, Lieder, Beschwörungsformeln
usw. gegeben hat; da diese meistens im Dialekt der betreffenden
Örtlichkeit oder Person wiedergegeben sind, habe ich keine
Änderungen in der von Karasek angewandten Schreibweise
vorzunehmen gewagt, sondern mich strengstens an seine Nieder
schrift — oft mit Widerstreben, zumal wenn ein und dasselb<
Wort kurz nacheinander verschieden geschrieben war — ge
halten. Es wäre dankbar zu begrüßen, wenn ein Übersetze
sich bald finden würde.
4*
52
A. KARASER
ÜN1V-B1BL.
BERLIN.
8. Zumbe Añumbai ludezu luse ny pemba.
9. Nyna kazity kangu ka uko pány kalawiza masindo na Schambalai ny muñu.
10. Natoa goma mwiny simuone ny moto wa nika nyona moshi du, mtu simuene.
11. Nalonda lutambala goschwe siluona ny mawi ja mangala.
12. Cooo, saaa, ny mazi abo Tanga baña mboschi, agoloke sana kiga kimue ny kioga.
13. Tahangaña ngombe na baba za tyschinda kuagulwa ny unga na zelu.
14. Kondo ja kemelwa Schembekesa takoma ngombe na baba tascbindwa ny kuziuza,. ny mele mne nange.
15. Abo Tanga hazika mgoscbi ala kao mako katytaila akohita nako katytaila nypeho.
16. Takoma mbuzi na tate kingo jakwe indai ny fuñanga ja nguku.
17. Luscbimba na nynga luingile mabi ny mazi ja nazi.
18. Schemtindily keikila nika nytambe na watu wasche waschila kwa sigala tscha doe mtungika- mgoma.
19. Muadala kakemela mueschokola ny muana kakema nucenda ja nyne.
20. Wafuma woahe walonga masa mua Mbiru mtoa ngoma aischiho masa kajalonga ny mañga.
21. Nalima lubua luangu nylukulu mia siku ja kulubonda kabimema gasa ny mutwi na suili.
22. Nika josche jahja kwa sígalo, milungu mili ny magutwi.
23. Lungu lungi kaluhela ny kufa.
24. Dereña dereña ny tambue tambue ja mgoscbi na kuzenga ñumba.
25. Abo Tanga hazika mgoscbi alawa ufila na mbazu nykome.
26. Abo Tanga hazika mgoscbi ana makoba mangi ny mapapaju.
27. Abo Tanga hazika mgoscbi ana uta wakwe ny mafundo-fundo ny koka.
28. Nyna mty wangu nda nynga na mahondo ny galilo. Nyna muti wangu uwyala singano ny mhunga.
29. Kizega azega kilunga alunga ny tuli na mtoho.
30. Na tamba na baba na buila ziwa naditoa goda da mbalikila sakame nyloja lúa kwitscho.
31. Naingila mué mzitu na mschenga ngole inbili mzitu wosche waholola ny zumbe akifa.
32. Pawete pwete agwisha gini lukolo.
C. Simula-Lieder.
1. Nguluj. Ehe salaj éh eh, salaj éhe salagkamtondwala kwasunga mgombe tate madiko usila je je ehé kamgambe tate
maliko usila, ebé usila.
2. Nguruj. Eh, Schembekese, éh eh ehe schembekesa jada mutu atahika kinena eh e ehé ho nané.
3. Nguluj. Wabuanga kisaga naikala ñika ndugu ny mtego uoswa ny muene.
4. Nguruj. Nagamba nylamse wuangu nané hé onané nykha lugalo luangu luagwa ‘eh bajo ukanygel ekakybapba
pombe eh oja siku ja kunygeleka guku majoja ehé ja.
D. Kulamusa.
Kwaingilwa éh kwaingilwa uiwa kwawi eh kwaingilwa na gao jakwe eh kwaingilwa damsile ja mfuma na gao,
damuse mkwazu mty mkulu fikilo eh mti mkulu fikilo eh mti mkulu fikilo nitambe na mulamu kana ulongo na
sil a onane fuko ja kekitendo djaguischa ñindi na sila kuna schekikoto miukala mika schendo ja lasi muile ho nane
kunu nykolongo kunu ny mlima schimba ja kema kolongo taté afakale nikamuandule namulo — nenyomboke uko
seda nykahune lusisi eh ngulue ziada mhaka nylukolongo nentumbule lengelenge wuena mbuli wañwe wusu eh
kazogolo kapany ka ngaza milunda eh sanga kundu kimana iletwa ny mhanga eh ho nané muali juangu sangalala
nigale muánangu kwe mtu makame kwe mtu mganga muanangu katendwa kangi hembe dangombe hembe ó hembe
dangombe dykunda kungala sange mtalaza mzitu mkulu nike kapalo kony mkumbukwa ny tschambo tscha ngoma
hembe. Ngulue ratumbi mpoña ugali kamzule kaa dena schafa nyange naany kimuasa mtondo katwanga lungo
luaheta mtafi sembe. kazumba tolondo kazumba tolondo kaasa mzungu ñuma tolondo kaasa ehe ehé kaasa eh tolondo
muegalo kamlawa kamlawa oe. kungu naigwe ja alaga ulanga nyngile muetu nyngile muetu na mhaka kale eh taté
zumilany nyngile muetu na mhaka kale eh gosi danguku kilamula mambo. Ehé kitala nykuhi kitala nykuhi kaike
rnuengo ehé aholanga hatenda gigrigigri kagamba ny kondo khagua maata khagua gao eh taté mbegule mame mbegule.
mbegule kazuwi mbegule, mbegule kazuwi ugwa ka tate kemisindo kumi, kemisindo kumi, maliko eh kaana ka
tschumbi nite kwikala.
E. Mbugi-Lieder.
In Mióla gesungen.
Kidungwe ne tate tikalala ikala kunu netybinde majombo, na ñama, he hye ju kwe kuni. hije hije ju! kwe
mboga je hije ju! gombelani mausa ho hé.
Mióla.
Eh nané. Siniko. nane ehé siniko yo eh nane. ehe Siniko. nangia kitala kwe mwe mschusa. eh nané. ehe
shüko.
Mióla.
Kwa masanga Mguña kamuona Tupa, kamgambila kazi jangu ibanika ho taténinani nané ho nané mínese kwa
masanga Mguña.
BEITRAGE ZUR KENNTNIS DER WASCHAMBAA
53
Mióla
Smgila, mgem, smgila, mgeni, Jumbe Keza. jo jo jo. jo, gwila, kidogo, niguile mulima Muhesa ja sila kale kalo
tose tamjana ngulu kazi ja mlema mgoja nagosola — kazi buie. 11
Bumbuli.
Mataranda nemkatibela kidazi lawa Kuse ukaule mscbindo wa gali oh watu Waschila msindo münrm t
Bumbuli. ' ’ 0’wagaJi.
^ Ehe! Halaga, mnyani mkulu wasungwa na gole ni kilozo tscha mlungu. wazungu kama si wazungu kua mki-
íanade nyubala unte kazi solé zimbuewe Usegula bata Ngulu. Jo jo ijo Mamgombeka. wuzo du mkagenda muña
mbuli zeñu. sempendany mainda éh. Mlunga ntoscha eh!
Manga (Futa).
Buiti, nguisa lusona nyany ujo, ny ujo Schekimueri na Msagati unu wila tiusangalaze.
Mióla.
Semkulago (Personennamen) uko Tanga ukiwa mbuli ilanga Mdatschi na Korogwe Saandu agomba mkniu
kidungwe bajé je Ho hé Sikunda oe!Matata. Kweza kondo ina gunda nina Kidage (Wochenmarkt in Dio-©) juclolo
Ho hé maja. He he he.
Mióla.
Kulasi naonani kiona wyele ejunule hoja du kwelkuni kakugenda akunda oe oe kuwimañize kwamba una uiw
Mióla.
Umu kaja kuiza mgeni muena gunia nie taté kuingila mgosi mué magunia lupanga na gila singe na buila sin«'1
eh ban baja eh. . .
Mióla.
Kugenda genda ni kuedi eh walume l igelekwa guku mbili jaka tatú kihelezwa fuñanga éh wahime eh ze nituke
mfumbi eh nane. Maha mboga.
Mióla.
Mandoe Mandoe mulundiüna disa mkono una schango hende nane. Mandoe kibinda wagesi. eh he Mandoe ki
Mióla. • ipena’
Palanje palanje Semgombe, Hafa, sige gelo ni ja tatijakwe hende nane ho hé. Semgombe Dafa sija N
nyja tatyjakwe eh mgambilese muatscha. juga uko uja, g ' 0
Mióla.
Ijo nané. Wazunga wanaguwu kazi jawe ina guwu. Wazungu wanaguwu kazi jawe ina guwu. Wa Matschemb'
walime gunda. Ije ije ho hé! Msindondo wa talubueña o hé talubueña igo.
Nachwort.
Das,, Vorwort“, das Karasek zu seiner Waschambaa-Monographie schrieb, ist erst spät in seiner Hinterlassenschaft
aufgefunden worden; möge es an Stelle des Nachworts treten!
Karasek hat hauptsächlich in den Jahren 1905 bis 1908 in seiner freien Zeit — er war Farmer — und während
seiner Rekonvaleszenz ethnographische Studien unter den Waschambaa getrieben. Mkulumuzi, Niussi, Mägamba
Bulanga, Mahezangula und Magoma im oberen Luengera-Tale waren die Hauptstätten seiner Tätigkeit. Auf Anraten
seines schwarzen Freundes Kopwe, des damaligen Yumben von Mkulumuzi, in dessen Hause er wohnte, vertauschte
Karasek seine europäische Kleidung mit dem bequemen kazu der Eingeborenen und machte nun die Erfahrung daß
diese ein gut Teil ihrer früheren Scheu, namentlich war es auch bei den Mädchen der Fall, abiegten. Abends letzt
man sich gern zu ihm, erzählte ausführlich, und wenn ein Topf pombe spendiert wurde und Zigaretten zur Verteilun
kamen, zeigten sich auch die Zaghafteren gesprächig. ng
Bei seinen Forschungen leisteten außer anderen der Sohn des Yumben von Majanga bei Magila, Antony bin
Hiza, sowie vor allem Mschusa, der Sohn des Yumben von Schemkila aus Makima außerordentliche Hilfe. Letzterer
vervollständigte wesentlich Karaseks Aufzeichnungen, reiste für ihn umher und sammelte hauptsächlich Lieder
Als Karasek an dem Kapitel „Geschichte der Wakilindi“ arbeitete, traf ihn die niederschmetternde Nachricht
daß Kibanga, der einzige heu sehende Mkilindi aus alter Zeit, „von einem Polizeisoldaten totgeprügelt“ worden sei-
gleichzeitig kam die Kunde vom Heimgang seines Freundes Kopwe. „Heute ich, morgen du“, fuhr Karasek fort-
wenige Wochen hernach weilte er selbst nicht mehr unter den Lebenden. Seiner Waschambaa-Monographie fehlte
noch die Überarbeitung; das Material war gesammelt; der Herausgeber mußte es ordnen,1 sichten, zusammen-
ziehen, und konnte durch Abbildung v°n Objekten aus dem Bestände des Museums2 * * * * Fehlendes ergänzen. Nunmehr
ließ sich Karaseks letzter Wunsch erfüllen: „mit ruhigem Gewissen zur Publikation zu schreiten, denn das, was ich
noch erfahre, kann nur unwesentlich das von mir entworfene Bild des Volkes verändern.“
1 Die Manuskripte von Karasek. die dieser Herrn Direktor Prof. Nach Möglichkeit habe ich die Einordnung dieses wertvolle
Dr. von Luschan eingesandt hatte, giugen \ on dort aus mir Mat erials durch „Ergänzungen“ bewirkt,
leider nur bruchstückweisezu. Als einige Teile gedruckt worden 2 Dem vormaligen Direktor der Afrikanischen Abteilung deo
waren, fanden sich plötzlich weitere Partien des Manuskripts, Museums für Völkerkunde zu Berlin, Herrn Prof. Dr. Ankermann8
die inhaltlich den veröffentlichten hätten voraufgehen mmsen. spreche ich für die gütige Erlaubnis, das MuseumsmateHal
benutzen zu dürfen, besten Dank aus.
54
Mitteilungen über den Labi-Kult der Mandschiavölker,
Von Oberleutnant Bachmann. |
Von den Mandschiavolkern sind mir während meines Aufenthaltes in Alt- und Neukamerun in den Jahren 1912
bis 1914 die Baya im Bezirk Baturi, die Kaka ebendort sowie die Jangere und Bande im Bezirk Nola bekannt geworden.
Was die Literatur anbetrifft, in der des Labi-Kults Erwähnung getan wird, so ist mir nur das bekannt, was in
Ritters „Neu-Kamerun“ und in des Herzogs zu Mecklenburg „Vom Kongo zum Niger und Nil“ aufgezeichnet steht.
In einem Artikel der „.Kolonialen Rundschau“, betitelt „Die Sprachverhältnisse in Neukamerun“ wurde mitgeteilt,
daß über den Labikult und vor allem über die Labisprache noch nichts bekannt sei. Dieser Artikel hat mich zu nach-
stehenden Zeilen angeregt.
Ritter nennt auf Seite 50 seines Buches im, Zusammenhänge mit den Mandschiastämmen den Labikult und sagt:
„Alle diese Stämme kennen einen geheimnisvollen Ritus, das sogenannte Labi. Ein Teil dieses Ritus ist die Labi-
Sprache, eine Art zentralafrikanisches Esperanto, die nicht nur die Mandschia, sondern auch die weiter im Norden und
östlich im belgischen Kongo sitzenden Stämme kennen, so daß Angehörige ganz verschiedener Sprachgebiete sich
untereinander verständigen können.“
Eine andere Mitteilung über das Labi macht Dr. Arnold Schulze auf Seite 200 des 2. Bandes „Vom Kongo zum
Niger und Nil“. Er schreibt: „Der Häuptling von Lau (Jangere, im Jukadumabezirk nahe der alten Kamerungrenze)
besuchte mich nachher mehrmals in dem Lager, das ich bei seinem Dorfe aufgeschlagen hatte und machte mir sehr
interessante Mitteilungen über den auch von dem Franzosen Lenfant erwähnten Geheimbund, der als „Labi“ in
weiten Gebieten bekannt ist.
Das Merkwürdigste an dieser Einrichtung ist die besondere Geheimsprache, die alle Teilnehmer verstehen und die
eine gewisse Verbindung zwischen ganz verschiedenen, selbst einander feindlichen Volksstämmen herstellt, so zwar,
daß ein Mann, der Mitglied des Labi ist, im Kampfe den Gegner nicht töten darf, sobald sich dieser durch wenige
Worte gleichfalls als ein Mitglied des Geheimbundes zu erkennen gibt. Duku, einer der uns begleitenden Soldaten,
der ebenfalls dem Bunde angehörte, ein Mann aus Bertua, bestätigte mir die Aussage des Häuptlings von Lau und
fügte noch hinzu, daß die Einrichtung des „Labi“ sowohl unter den Jangere, Bokari, Bipala und Kaka getroffen
werde, wie auch unter den Мака und Jepekolle.“
Diese Mitteilungen des Häuptlings Lau und des Soldaten Duku bedürfen insofern einer Korrektur, als man sich
unter dem „Labi“ niemals einen Geheimbund verstellen darf. Alle jungen Männer eines Dorfes müssen die Labi-
Zeremonien durchmachen, so daß es tatsächlich unter den Männern Niemanden gibt, der nicht weiß, was es mit dem
Labikult für eine Bewandtnis hat.
Weiterhin darf man nicht glauben, daß das Labi eine Institution sei etwa wie unser heimischer Freimaurer-Bund
oder daß eine Organisation oder eine Leitung vorhanden wäre. Es besteht absolut kein Zusammenhang zwischen den
Labikennern etwa der Kaka mit denen beispielsweise der Jangere oder gar ihrer nächsten Nachbarn, der Baya.
Das Labi ist kein Bindeglied zwischen einzelnen Völkern, nicht einmal ein Bindeglied innerhalb eines Stammes.
Das mag aus Folgendem hervorgehen: Die Labi-Sprache „lebt“ gar nicht, wie etwa die betreffende Volkssprache,
das Baya oder das Kaka oder das Jangere. Die Labisprache wird stets nur von verschwindend wenigen Männern
eines Dorfes oder Stammes verstanden und zwar nur von denen, welche die Zeremonien des „Labi“ kurze Zeit hinter
sich haben. Je weiter die Männer sich von diesem Zeitpunkt entfernen, um so mehr vergessen sie von der »Sprache,
so daß bereits nach 4—5 Jahren nur noch Worte in ihrem Gedächtnis haften. Nach unseren Begriffen erwachsene
Männer verstehen kaum noch einzelne Worte.
Die Mitteilung des Häuptlings Lau, Mitglieder des „Labi“ dürften sich im Kampfe nicht töten, wenn sie sich als
in den Kult Eingeweihte zu erkennen gegeben hätten, wird durch die geschichtlichen Ereignisse widerlegt. Die
Kaka von Beri, Ngilabo, Njassy und Ngonga haben jahrzehntelang in Abhängigkeit von den Baya-Fürsten von
Bertua gestanden, nachdem langjährige Kämpfe vorausgegangen waren. Die Rande und Baya haben bis zum Ein-
dringen der europäischen Herrschaft dauernd in Feindschaft gelebt, und doch sollte der Kampf vermieden werden
können, wenn beide Parteien sich als „Labiwissende“ hätten zu erkennen gegeben.
Die Aussage des Soldaten Duku aus Bertua, daß auch Мака und Jebekolle den Labiritus verstünden, ist unwahr.
Der Verfasser hat 7 Monate im Dumebezirk gearbeitet, dessen Hauptstamm die Мака sind, und es ist ihm nicht
gelungen, den Beweis oder auch nur Anhaltspunkte für Dukus Behauptung zu erbringen. Ebensowenig bezüglich
^er Jebekolle, der westlichen Nachbarn der Мака, die also noch weiter von den Mandschaivölkern entfernt wohnen
Und die in großer Zahl als Arbeiter auf der Station Dume vorhanden waren.
Dber den Labikult ist Folgendes zu sagen: Sobald in einem Dorfe oder in einer Gegend eine Anzahl junger
Dorschen vorhanden sind, die in das Pubertätsalter eingetreten sind, so werden diese, etwa im Monat Dezember, von
,einem, alten Mann, der sie in die Labi-Zeremonien einweiht und von dem die Rede geht, daß er mit den Verstorbenen
MITTEILUNGEN ÜBER DEN LABI KULT DER MANDSCH1AVOLKER
in Verbindung steht, in den Busch geführt, an einen Ort, den kein Uneingeweihter kennt und den die Frauen nicht
betreten dürfen. Dort legen die jungen Leute Hütten an, in denen sie wahrend der Dauer ihres Waldaufenthaltes
"0hDenr Labiunterricht besteht einmal im Erlernen der Labisprache dann im Erlernen der Labi-Tanze und der
Stammes Sitten und Gebräuche. Die jungen Leute werden von ihrem Lehrer scharf angefaßt, müssen lernen korper-
Grammes oitieu , , ,, Q sich ungeschickt anstellen. Ihre Verpflegung erhalten
liehe Schmerzen zu ertragen und erhalten Schlage, wenn sie sich b . V ° &
neue öcnmexzeu z 6 , , „ , , inLP Jahre vorher in den Labikult eingeweiht worden sind.
sie durch diejenigen ihrer Dorfgenossen gebiacht, w Konfe haben sie eine Krone aus Schilf
Die Körner der Labischüler werden mit weißer Tonerde eingerieben Auf dem Kopfe haben us Schilt
Die Körper aer uaoise • t jen Labischülern der Genuß des ElefEntenfleisches wahrend
oder Gras, um die Lenden einen Grasschur^ Verbotenort d Labisprache und Tänze beherrschen, werden
ihres Aufenthalts im Busch. Nach etwa 5 Monaten, wenn aie ^ .
sie unter nachstehenden Zeremonien unter die Erwacs^ big einschließlich derjenigen, welche im Jahre vorher
An einem bestimmten Tage kommen a e a Diese sitzen, einer dicht hinter dem andern in der Nähe des
eingeweiht worden sind, m den Busch zu cn c m dem p)()(ien p>er Lehrer beginnt darauf zu singen: Kommt,
Wassers, welches ihren Aufenthaltsort uve \ ie ■ unj lailft wie die Ameisen auf der Erde dem Wasser ent-
du, Führer der Labischüler und ihr“T^chüler bis an das Wasser heran,
gegen. Auf diesen Gesang hm rucken d , n _----
Darauf ergreift der Lehrer einen
der Schüler nach dem andern und hält ihn solange unter Wasser, bis er voll
Wasser gelaufen und ohnmächtig geworden ist. Man legt die Ohnmächtigen dann neben ein großes Feuer auf die
Erde und bringt ihnen 3 ziemlich lange Schnitte, etwa in Form eines Dreiecks um den Nabel bei. Nach diesem Vor-
gänge flößt man ihnen eine Medizin in den Mund ein, nach deren Genuß die Jungen sich erbrechen und alles Wasser
wieder von sich geben. In dem Augenblick, wo sie zu sich kommen, sind sie Mitglieder des Labi und erhalten neue
Namen.
Auf meine Frage nach dem Grunde dieser Zeremonie erhielt ich zur Antwort: Das Leben, welches die Jungen
bisher geführt haben, wird getötet, mit der Aufnahme unter die Labi-Wissenden fangen sie ein neues Leben an.
Nachdem die Wunden der Schüler verbunden worden sind und sie sich einigermaßen erholt haben, werden sie
ihren Eltern im Dorfe zurückgegeben. Auf dem Heimmarsch zu diesen singen sie: Hunger stellt sich ein und: Du
erster der Labischüler mit dem schönen Haarschmuck (er trägt eine besondere Frisur) und alle Labischüler singen:
Die Lehrzeit ist vorüber, jetzt legt euch zur Erde und schlaft
Es beginnt jetzt für die Jungen eine Zeit der Freude und des Vergnügens. Sie erhalten reichlich Speise und führen
allabendlich etwa 1 Monat lang, ihre Tänze auf, die folgendermaßen vor sich gehen:
In der Mitte eines freien Platzes befinden sich 3 abgestimmte Trommeln, eine mit einem tiefen, eine mit einem
mittleren und eine mit einem hohen Tone. Diese Trommeln werden je von einem Manne mit der Hand geschlagen.
Die Melodie ist sehr schwer zu beschreiben. Es werden den Trommeln 4 lange und 6 kurze 1 öne entlockt. Neben der
Musik dieser den Rücken zukehrend, hockt der Vortänzer der Labischüler, jener obengenannte Junge mit dem be-
sonderen Haarschmuck, der den Tanz kommandiert und nach dessen Kommando der Tanz ausgeführt Wird. Man
muß sich das etwa so vorstellen, als wenn eine Française nach Kommando getanzt wird, wobei jedoch der Labitanz
bezüglich seiner Ausführung ja nicht mit einer Française verglichen werden darf.
Die Labitänzer hocken, mit dem Gesicht dem Vortänzer zugekehrt, etwa 4 — 5 m von diesem entfernt am Boden,
ihn scharf beobachtend. Über dem Knöchelgelenk des rechten Fußes und auf dem Gesäß tragen die Tänzer, zu einem
Knäuel gebunden, die Schalen einer Frucht, deren Namen ich nicht kenne. Die Schalen sind getrocknet und geben
bei jeder Bewegung des Körpers durch ihr Aneinanderschlagen ein Geräusch von sich, dem einer Kinderklapper
nicht unähnlich.
Die Trommler führen zunächst eine einleitende Musik auf. Nach einer ganz bestimmten Reihe von Takten
springen Vortänzer und Labischüler plötzlich auf. Alle halten ihre Oberarme dicht an den Körper gepreßt. Die Unter-
arme halten sie im rechten Winkel so nach vorwärts, daß die Handflächen nach aufwärts zeigen, wobei sie die Hände
in den Handgelenken und die Unterarme in den Ellbogengelenken nach dem Takte der Musik auf und abwärts be-
wegen; die Oberarme bleiben fest am Körper. Nach einigen weiteren Takten beginnt der Vortänzer seine Tanz-
bewegungen, indem er den rechten Fuß viermal vor- und zurücksetzt, wobei das Schalenbündel ein klapperndes Ge
räusch von sich gibt. Mit der fünften Bewegung des Vortänzers setzen alle Labischüler ein. Sie geben in diesem
Augenblicke die obengeschilderte Arm- und Handbewegung auf und legen ihre Arme und Hände ganz fest an den
Körper an, so daß die Handflächen die äußeren Oberschenkel berühren. Der Körper nimmt eine steife Haltung ein.
das Kinn ist nach vorwärts gestreckt, nur der rechte luß macht die Vor- und Rückwärtsbewegungen.
^1 b Auf ein zweites Kommando des Vortänzers wird plötzlich in die halbe Kniebeuge gegangen. Der Körper behält
seine Steife die Arme bleiben fest angelegt und nach dem Takte der Musik, welche immer den Trommeln die 4 langen
und 6 kurzen Töne entlockt, beginnt ein fabelhaftes Spiel der Gesäß- und Genitalpartie, wobei jetzt die auf dem Gesäß
angebrachten Schalen ihren Klang ertönen lassen.
Nachdem eine bestimmte Anzahl von Takten dieses Spiel gedauert hat, ertönt ein drittes Kommando des Vor-
tänzers, worauf die rechten Hände der Labischüler in die Musik eingreifen, indem sie 3 Takte lang das auf dem Gesäß
angebrachte Schalenbündel schlagen. Die nächsten 8 Takte setzt die Bewegung des Gesä.ßes das Schalenbündel in
Schwingung und so wechseln sich Gesäß und Hand je 8 Takte ab, bis auf ein viertes Kommando die Labischüler
t
56
BACHMANN
gerade wenn die 4 langen Töne der Trommel ertönen, 4 lange Schritte um den Vortänzer ausführen, indem sie, nach
rechts herum tanzend, mit dem rechten Fuß einen langen Schritt stets ausführen und den linken nach sich ziehen.
Nach diesen 4 Schritten beginnt der Tanz von neuem.
Es gibt jedoch noch eine Variation dieses Tanzes und zwar so, daß auf ein Kommando des Vortänzers hin der
linke Flügelmann der Labischüler den soeben beschriebenen Tanz für sich allein ausführt, während die andern ihn
nur insofern begleiten, als sie allein die Fußbewegungen ausführen. Hat er seinen Tanz, ohne sich die 4 Schritte seit-
wärts zu bewegen, ausgeführt, so kommt sein Nebenmann an die Reihe und so fort, bis alle ihren Solotanz ausgeführt
haben. Vermutlich soll die zweite Art des Tanzes den Teilnehmern die Möglichkeit bieten, sich etwas auszuruhen.
Wenn man den Labischülern beim Tanz zuschaut, so hat man nicht das Gefühl, daß sie sich nach Ruhe sehnen. Sie
tanzen von Mondaufgang bis Sonnenaufgang einen ganzen Monat lang. Nach Beendigung der Tänze dürfen sie sich
dem weiblichen Geschlechte nähern.
Im ersten Bande „Vom Kongo zum Niger und Nil“ auf Seite 42 schreibt Hauptmann v. Wiese: „Neben den Be-
schneidungsfestlichkeiten haben im Leben der Mandia die Samali-Zeremonien besondere Wichtigkeit. Sobald die
Kinder beiderlei Geschlechts erwachsen sind, müssen sie 3 Monate lang abgeschieden von ihrem Dorf und ihren Ver-
wandten in provisorischen Hütten wohnen. Unter der Leitung eines Fetischmannes werden sie in die Geschichte, in
die Sitten und Gebräuche ihres Stammes eingeweiht und erlernen eigenartige Tänze und Gesänge, sowie eine besondere
Geheimsprache, die Samalisprache. Nach Ablauf von 3 Monaten beginnt das Samalifest, zu welchem ein besonderes
Festkostüm angelegt wird. Bei den Weibern besteht dies aus kurzen Grasschürzchen und reichem Kaurimuschel-
behang auf Brust und Schulter, bei den Männern aus Strohmützen mit bunten Federn.
Jung und Alt zieht bei Neumond an die Stelle im Wald, wo die Samalischüler sich während der oben geschilderten
Zeit aufgehalten haben, und unter Tanz und Gesang werden diese in das Dorf zurückgeleitet. Dort erhalten sie unter
Vornahme bestimmter Zeremonien neue Namen und treten damit als Vollberechtigte in den Samalibund ein. An
diese Zeremonien schließen sich große Trinkgelage und Festlichkeiten an, bei denen das sehr berauschende Maisbier
eine große Rolle spielt.“
Es dürfte wohl keinem Zweifel unterliegen, daß diese Zeremonien dieselben sind, die ich bei den obengenannten
Völkern unter dem Namen „Labi“ beobachtet habe. Der Name tut an und für sich nichts zur Sache. Das Wort
„samali“ kommt auch in der Bayasprache vor und bedeutet Tanzschmuck. Aller Wahrscheinlichkeit nach nennen
die Mandias das Fest, weil bei seiner Feier der ganz bestimmte und charakteristische Tanzschmuck angelegt wird,
kurz Samali.
Die im folgenden angeführten Worte der Labisprache sind in Dume (Baya) und Baturi (Kaka) gesammelt und
in Nola (Jangere und Rande) verglichen worden. Es ist Aufgabe der vergleichenden Sprachwissenschaft, das so
gewonnene Material, welches infolge der Inanspruchnahme durch meine dienstliche Tätigkeit naturgemäß nur sehr
gering sein kann, zu prüfen und gegebenenfalls zu verwerten.
H immel, Erde, Tageszeiten.
Himmel
Erde
Sonne
Mond
Vollmond
ngoëli
ali
mbor oder silgoë
ngunderi
mbogalere
Tau wobili
Wolke mbodio
Hitze mbong
Kälte ngandil
Finsternis bisim
Helligkeit mbuna.
Stern sania
Tag mbuna
Nacht mbil Jahreszeiten, Tageszeiten.
Morgen mbuna Jahr Trockenzeit Regenzeit Monat mbis mui bar ngunderi
Mittag Abend Mitternacht ngoeli ngoeli waria ngegi (Mitte) mbil
Himmelsric htung, Wetter. Monatsnamen nicht bekannt
Erntezeit ngunderi oke (Essen)
Osten silgoe heute mbuna
Westen silgoe ngavalang morgen ngaballa
Norden | nicht bekannt übermorgen ndimakali
Süden gestern ngaballa mbaike (zu-
Wind bibina rück)
Sturm mas mbur vorgestern ndimakali mbaike
Gewitter babur früh mballa mballa
Donner 3 3 mittags ndindiri
Blitz 3 5 abends ngoeli faga (stirbt)
Regenbogen ndindi jetzt mbuna mbuna.
Mitteilungen über den labdkült der mandsghiavolkeR:
Mensch
Familie
Großvater
Großmutter
Bruder
Schwester
Stamm
Mann
Frau
Vater
Mutter
Kind, jung
Zwillinge
Onkel
Tante
Witwe
Bräutigam
junger Mann
junges Mädchen
Fa milic:
m hasse
veriani
bibibaï
nariani
mbalani
ngoë mating
semai i
mbasse, fondo
mating
bibiani
lariani
ngoë
mbori ngari
mbalani bibiani
mbalani bibiani nul-
ling
sundu
ambara
ngala fondo
mbassenge maling
Markt
Straße
Ebene
Erde
Wasser
Quelle
Fluß
Furt
Berg
Stein
Insel
Farm
Wald
Busch
Grenze
Höhle
weit
nahe
jenseits
auf
unter
hinten
rechts
links
Hut
Hose
Armring
Kopftuch
Gürtel
Nadel
Schuh
Sandale
Land.
nganke
mborogo
ndobolo ari
ari
man
ndong man
man siong
mbung man
ndong mbim
ïeri
minduru man
wuro
mbo.ro
mbogalage
jesege
boro
dilage
mbengeleke
ndoru
ndima
all
bai
fundu dar
gaua dar.
Kleidung.
feleng
ngaduri
ngiaru
difire
nguli
nderenke
l baidim
Junggeselle Volk: amenu
Jungfrau mbari fundu
Greis mera mbasse
Freund mballe
Gast ngor
Diener r
Sklave j mvema
Sklavin mvema maling
Häuptling ndangake
Richter mbasse mvungdale
Priester | mbasse mabo
Medizinmann
Berufe.
Spielmann mbasse ndondogo
Schmied ,, mbeike
Hirt mbossom
Fischer nangoro
Jäger mbasse njumke
Ackerbauer ,, jovulo
Schuhmacher ,, njornke
Weber ,, maskal
Sänger jellem
Dieb nduluge
Europäer ndurujese
Haussah | nduri
Der Fremde
D( orf, Haus.
Dorf nke
Haus ndong
Dach suruki
Hof silkoa
Zaun nge ’u
Palast mbarke.
Speer x Waffen, ndinga
Messer vera
Bogen ngormai
Köcher suru ngormai
Scheide mbeng
Stock suru
Gewehr ndinga buru (Feuer)
Beil mbog
Hacke bin j u
Sichel butong
Trommel nganga
Flöte furge.
H< rusgeräte.
Bett mbali
Matte ndali
Stuhl mbarke
Kopfkissen wulong
Topf ngevele
Kalabasse ndavuru,
58
BACHMANN
Korb ndjoèle
Strick nkuli
Spiegel ngumkom
Kamm mbeleng.
Pferdeausrüstung.
Pferd ndassenge
Sporn ndongdoko
Gebiß joli
Sattel mbarke
Steigbügel ngiéro
Peitsche nkoia
aufsitzen barke
absteigen ndingake
traben ngadidim
Hengst fondo ndassenge
Stute maling ndassenge
Schweif bardio
Schmiede.
Schmied mbasse mbeike
schmieden mbeike
Hammer mbang
Feuer buru
Rauch ngula
Asche ngurum.
Farbe.
schwarz bibilake
weiß fumake
rot mbeleke
grün mbemake.
Bäume.
Baum suru
Blatt nkama
Wurzel ndinke
Rinde dafulo
Ast ndar
Frucht oro
Bambus muvan
Korn oroke
Pfeffer ndisina
Reis mui
Palme uku.
Tierwelt.
Tier nda
Esel ndassenge narbina
(Last)
Rind daduri
Ziege biu
Hund mbis
Huhn mberembu
Elefant djoru
Leopard bir
Büffel mballa
Antilope dakuia
Affe ndagbam
Eidechse mbadom
Frosch ndadoke
Schlange kuli
Fliege ngormai
Maus mve
Vogel mbil
Fisch ngoro
Der mensc bliche Körper
Kopf ndom
Stirn mbalam
Auge ngom
Ohr bitare
Nase nduru
Mund ngang
Zunge oke
Zahn ngodiki
Herz ndile
Brust bungsuru
Magen ngulabor
Bart sassari ngang
Backe mbeng (Tasche)
ngang
Gesäß tio
Rücken mbei
Arm ndar
Eingeweide mbor
Hand ngava dar
Finger ngoe(Kind)dar
Fingernagel verebe
Fuß nding
Knie mbuduru
Sohle ndim
Zehe ngoe-nding
Haut ngue
Knochen mbenge
Blut ndima
Ausschlag nkuli
Medizin mabo
Lebensmittel.
Essen oke
Fleisch nda
Mehl mbeng
W asser man
Mimbo iru
Öl oku
Salz mbenda
Pfeffer ndissina
süß mberekum
bitter jam balla
gut rnbassenge
MITTEILUNGEN ÜBER DEN LABI-KULT DER MANDSCHIAVÖLKER
Zahlwörter.
1 vöng
2 kari
3 sobi
4 maete
5 nuru
6 nuru ndonke vöng
7 nuru ndonke kari
8 voakambele
9 ngoki vöng beria (weniger)
10 ngoki
11 ngoki ndonke vöng
18 ngoki ndonke voakambele
19 ngoki kari vöng beria
20 ngoki kari
21 ngoki kari ndonke vöng
30 ngoki sobi
40 ngoki maete
50 ngoki nuru
100 mbogefa vöng
200 mbogefa kari
1000 mbogefa ngoki.
60
Besprechungen und Büohereingänge.
An dieser Stelle werden nach Möglichkeit die bei der Redaktion eingehenden Werke und solche, welche dem
staatlichen Museum für Völkerkunde in Berlin als Geschenk überwiesen werden, zur Besprechung resp. Anzeige
kommen. Berücksichtigt werden nur Werke und Abhandlungen aus dem Gebiet der Völkerkunde und den zu ihr
gehörigen Wissenschaften. Die Redaktion.
Hauer, J. W., Die Religionen, ihr Werden, ihr Sinn, ihre Wahrheit. I. Das religiöse
Erlebnis auf den untern Stufen. Berlin, Stuttgart, Leipzig: Kohlhammer 1923, XII 556 S. 8°'
Schon der Titel des Buches zeigt, daß es nicht vom ethnologischen Standpunkt geschrieben ist, der immer den
möglichen Zusammenhang der Religion mit dem Ganzen der Kultur im Auge haben muß. Auch ist das Material aus
den untern Stufen der Menschheit bunt durcheinander gewürfelt, ohne geschichtliche Zusammenhänge zu ver-
suchen oder irgend welche Gliederung des Früheren und Späteren vorzunehmen, wenn auch der älteren Steinzeit
(deren Alter mit 250—500 000 Jahren viel zu hoch angenommen ist) als religiös bedeutsam ein besonderes Kapitel
gewidmet ist. Eine Kritik der Autoren inbezug auf ihre Glaubwürdigkeit wird ebenfalls nirgends versucht, sondern
der Verf. nimmt die Belege, die ihm passen, und zwar meistens aus sekundären Quellen. Ihm ist es endlich auch nicht
um genaue begriffliche Unterscheidungen der einzelnen Religionsformen zu tun, wie sie der Ethnologe als Unterlage
braucht. Trotzdem wird er das Buch mit Nutzen lesen wegen des großen psychologischen Wurfes, der ein verbin-
dendes Glied für die Entwickelung der religiösen Erscheinungen in den Vordergrund stellt, das ist das religiöse Er-
lebnis. Den Zauberglauben wie die Religion in engerem Sinne sieht er nirgends als fertiges Gebilde, sondern unter dem
Gesichtspunkt an, wie sie durch Träume, Visionen, Suggestion, Ekstase, Besessenheit usw. entstanden sind. Deshalb
ist ihm kein noch so gewöhnlicher Zauberglaube durch bloße Gedankenverbindung auf Grund eines Wunsches ent-
standen, sondern durch ein Erlebnis, eine Suggestion, und die Suggestibilität erscheint ihm um so größer, je mehr wir
zu dem Anfang der Menschheit gelangen. Obwohl diese Auffassung richtig ist, so setzt sie doch nur ein anderes Wort
als Erklärung hin. Wenn noch K. Beth in seinem verdienstvollen Werk Religion und Magie bei den Naturvölkern
sich abmüht, zwischen der Zauberei und der übersinnlichen Kraft zu unterscheiden, indem er erst von letzterer die
Religion, das Gefühl der Abhängigkeit von einer höheren Macht beginnen läßt, so ist nach dem Verf. auch der Zauber
glaube in den Allkraftglauben und in einen primitiven Monismus getaucht, der schon auf den untersten Stufen wahr-
zunehmen ist. Das Heilige, Göttliche beginne damit. Man sieht, es handelt sich dabei nicht um positive Belege,
sondern um einen Untergrund für das Begreifen einer Sache, die für den Verstand nicht recht begreiflich ist, obwohl
ein einheitlicher Gesichtspunkt für die Reihe Zauberglauben — Kraftglauben — primitiver Monotheismus auch dem
Referenten immer notwendig erschienen ist. Für das Begreifen dieser Dinge schwebt dem Verf. der persönliche
religiöse Glaube des Forschers als erforderlich vor, weil nur dieser durch seine eigenen religiösen Erlebnisse mit den
Tatsachen Fühlung nehmen kann. Er deutet daher auch an, daß in diesen unbewußten, unter- und überbewußten
Zuständen absolute Wahrheiten liegen können, ein Standpunkt, der erkennen läßt, daß wir es hier mit einem Grenz-
gebiet der Wissenschaft zu tun haben. Trotzdem hat man den Eindruck, daß der Verf. das Material objektiv und mit
wissenschaftlichem Erfolg meistert. Denn es ist nicht der geringste Zweifel, daß die Ursachen, von denen er ausgeht.
Träume, Visionen usw. für das Werden der religiösen Vorstellungen in erster Linie herangezogen werden müssen.
Ein Eingehen auf die Einzelheiten, wie sich die Tatsachen, z. B. Fetischismus, Maskenwesen, Tabu, Totemismus usw.
auf diesem LTntergrunde ausnehmen, muß ich mir hier versagen. Die Anwendung der psychoanalytischen Forschung
wird übrigens mit Recht abgelehnt. Preuß.
J u y n b 011, H. H., Oud j a vaansch-Nederl andsche Woordenlijst. Leiden: Brill 1 923. XI,
6 85 S. 8°.
Jeder, der sich mit Kawi beschäftigt hat, wird es dem Verfasser Dank wissen, daß diese neue Publikation über die
Kawisprache erschienen ist. Wer früher einmal genötigt war, sich mit Kawi zu befassen, denkt noch mit Schrecken
der Zeit, wo es nur das van der Tuuksche vierbändige Wörterbuch der Kawisprache als Hilfsmittel gab. Der Verfasser
der vorliegenden Woordenlijst spricht sich im Vorwort über dieses Buch aus. Man kann jedes Wort davon unter-
schreiben. Tatsächlich mußte man bei der Benutzung des van der Tuukschen Buches immer ein Javanisches und
ein Sanskritwörterbuch nebenher gebrauchen. Am ärgerlichsten aber war es, wenn man ein Wort suchte und es auch
fand, aber keine Erklärung dabei stand, vielmehr auf ein anderes verwiesen wurde. Schlug man nun dieses auf, so
fand man: einen Rückverweis auf das soeben aufgeschlagene Wort aber wieder keine Erklärung. Kurz, das Buch
konnte einem das ganze Studium des Kawi verleiden.
Ha erschien 1902 das Kawi-Balineesch-Nederlandsch Glossarium op het OudjavaanscheRämäyana desVerfassers
dct angezeigten Woordenlijst- Zu gleicher Zeit war auch durch Kern der Text publiziert, worden. Damit waien dem
Schüler des Kawi zwei Hilfsmittel in die Hand gegeben worden, mit denen sich schon was anfangen ließ. Man war
mm endlich in der Lage, sich erfolgreicher mit dem Studium des Kawi beschäftigen zu können.
Nun liegt dies neue Wörterbuch, nicht nur eine Woordenlijst, vor, denn das Verzeichnis der benutzten Werke
umfaßt allein drei Seiten. Hie Seite ist zweispaltig. Alles fremdsprachliche Material in Transkription. Daß das
Buch nach dem Sanskritalphabet geordnet ist, erleichtert sehr den Gebrauch. Denn nur für einen Kenner des Sanskrit
BESPRECHUNGEN UND BÜCHEREINGÄNGE
61
lohnt es sich, sich mit dem Altjavanischen abzugeben, von dem man sagen möchte natürlich cum . grano »Iib, daß sein
Wortschatz Sanskrit und seine Grammatik Javanisch sei. Gäbe es nur auch ein Javanisches Wörterbuch nach dem
Sanskrit-Alphabet geordnet. Aber das bekannteste Wörterbuch das von Genoke u. Roorda neu herausgegeben und
verbessert von Vreede. ist nach dem javanischen Alphabet geordnet, noch dazu unter N.clitachtung der Vokale wie
im Arabischen! . „„-..i. Es umfaßt auf 686 Seiten ein wohlgeordnetes umfassendes
Tinph kehren wir zum Kawi-Wörter buch zurucK. ^ . . f , n, . , ,
Uocn teuren . u o•pцflp•t kein Fehler. Der Unterzeichnete schließt sich ganz der
Material Daß es transkribiert ist, ist wie schon oben gesagt, Kein ^ 6
Material. uan es auch weiteren interessierten Kreisen zugänglich zu machen,
Ansicht Schlegels an: Jedes Wörterbuch muß, um es Stönner
neben der Originalschrift auch eine Transkription haben.
Maes, J., Amota-Kifwebe. Les masques des populations du Congo Beige et le i .1
circoncision. Anvers 1924, Edition „De SikkeU. 64 S., 60 Abb. c 1 des ntes de
Im Jahre 1906 besaß das Museum von Tervueren nicht mehr als 16 Masken aus dem KoneoaeW n- ,
m den „Annales duMusee“ publiziert worden sind, meist ohne genaue Angaben über Herkunft und 0 4 ’ ^ dam£ds
die Zahl der Masken auf 178 gewachsen, die wenigstens z. T. mit den früher fehlenden Angabe e rauch, heute ist
der Verfasser in der vorliegenden Arbeit diesen Reichtum seines Museums allgemein zugängl^h^^611 'Daß
man begrüßen und nur bedauern, daß das in so knapper Form geschehen ist und daß nicht alle M^ 1611 WlU’.inuß
sind, sondern nur einzelne Beispiele von jedem Typus. Es sind doch nur selten zwei Exemplare einand^ beScbrieben
und es wäre von Interesse, auch die Varianten der Grundformen kennenzulernen. c n ei ganz gleich,
Der Verfasser hat die sämtlichen Kongomasken in elf Gruppen geteilt, wie er angibt, nach den "
der Gesichtsdarstellung. Er fügt hinzu: „Diese Gruppierung ist durchaus künstlich und schließt nicht6*1 Merkmalen
z. B. als Bayaka-Typ bezeichnete Maske sich nicht auch bei anderen Stämmen finden könne “ j w- ^y**’ daß eine
hat Maes die Masken nur nach ihrer Herkunft gruppiert, wie schon aus den Namen seiner Gr 1 ^ cbke^ aßer
Bapindi-, Bakete-, Bakuba-Masken, Masken vom Sankuru, vom unteren Kongo usw. — hervor Pf °n ~~ Bayaka-,
Herkunft sich oft decken, ist erklärlich; daß das aber nicht durchweg der Fall ist, hat Maes selbst ’ l X ^AL118 und
Satz konstatiert und findet sich auch bei der Durchsicht der Abbildungen bestätigt. Eine Einteil1 C ^ z^erten
Formen wäre zweifellos vorzu ziehen gewesen; daran hätte sich eine Untersuchung schließen könne ganZ na°b den
oder welcher Stammesgruppe jeder Typ ursprünglich angehört habe. ea’ W(dcilem Stamme
Abgesehen von diesen grundsätzlichen Ausstellungen kann man dem Verfasser nur dankbar
mehrung und Verbesserung unserer Kenntnisse vom Masken wesen der Kongo Völker. Nicht nur daß ^ Ver‘
kennenlernen, die in den meisten Museen nicht vertreten sein dürften, und daß wir Herkunftsan Tb Maskenformen
erhalten, die wir bisher nur ungenau zu lokalisieren wußten, wir bekommen auch wertvolle Mitt& 1^ V°n Masken
Anlässe zum Maskentragen, über maskentragende Geheimbünde und besonders über die Besch1 'd UngGn Üb<3r die
verschiedener Stämme (Banza und Bwaka. Bapende, Bayaka), bei denen Masken zur Verwendung UngSZeremonien
Manche Behauptung ist nicht genügend begründet; so z. B. wenn Maes bei den Bayakadtfask111*160'
und einen jüngeren Typus unterscheidet, ohne zu sagen, worauf sich seine Annahme stützt' Di^ B^ alteren
Bakuba hätten ursprünglich keine Masken gekannt, ist zwar sehr erwägenswert, bedarf aber doch n - auPfung, die
Zu bedauern ist, daß vielfach die Bezeichnungen der Abbildungen mit den Angaben im Text11^ naberer Prüfung.
So steht unter den Abb. 31 — 33 „Bankutshu“, während sie im Text als Masken der Beim Luki- * übereinsttmmen.
Nr. 40 steht Bakuba, im Text richtig Baluba, unter Nr. 38 Basonge, im Text Bakete Diese Wid GZeicbnet sind’ unter
man nicht weiß, ob sie als Druckfehler anzusehen oder auf Flüchtigkeit des Verfassers zurikik 1fe!’SprUC.be’ Von denen
den Leser, der im Zweifel ist, woran er sich halten soll. Man sieht auch z. B. nicht ein weshalb nT*1 Verwirren
schiedenen Typus zeigen, unter Sankuru-Masken zusammengebracht sind, obwohl dem Text zuf ^ ^ Und.35, die Ver~
in einem eigenen Abschnitt behandelten Bakete, die andere von den Basonge-Batempa stau ^ ^ V°n den
Beschreibung mit einem Federbusch geschmückt sein, die Abbildung zeigt statt dessen zweMFU ^ 51 8011 nach der
hier eine Verwechselung mit der Bwaka-Maske Nr. 52 vor. Nr. 39 soll zwei riesige Hörner hai Vielleicht Legt
Abbildung nichts zu sehen ist. Übrigens dürfte dieses unter die Sankuru-Masken rubrizierte E ^ T* d.GnGn aUf der
sein als die Rückseite einer Bakuba-Maske vom Typus Nr. 26. Solche Versehen beeinträcbf Xemplar nicbts anderes
des Buches. * < c itigen natürlich den Wert
Ein Wort noch über den Titel des Buches. Aniota ist der Name des berüchtigten Leo a d
dessen Mitglieder, mit eisernen Krallen bewehrt, nachts in Vermummung auf Mord ausgehen • Kif ^ Unde® der M°bali,
einer Maske der Baluba. Aus welchem Grunde der Verfasser die ZusammenstellungVersdp dZ? V ! Bezeichnung
Titel seiner Arbeit gewählt hat, ist unverständlich. • g gerade dleser beiden Worte als
Die 60 photographischen Abbildungen, die, auf besonderen Tafeln vereinigt, das Büchlein ülustrie
größtenteils sehr gut ausgeführt. ren, sind
15 * Anker mann.
62
BESPRECHUNGEN UND BÜCHEREINGANGE.
Büchereingänge.
Pericot, Lluis, La prehistoria de la peninsula ibeiica. Barcelona 1923. (Minerva Vol. XLI.) 8°.
Serra i Rafols, Josep de C., La colleció prehistórica Lluis Marian Vidal. (Materials de prehistoria catalana I. Pu-
blicacions del seminari de prehistoria de la Universität de Barcelona. Barcelona 1921. 8°.
Arsamlaux, H., et Rivet, P., Nouvelle Note sur la Métallurgie Mexicaine. Paris (1923.) S. A. 8°.
Créqui-Montfort, de, et Rivet, P., La famille linguistique Takana. Paris 1923. S. A. 8°
Rivet, P., L’orfèvrerie précolombienne des Antilles, des Guyanes et du Vénézuéla. Paris 1923. 8°. S. A. 8°.
62 Siamesische Druckschriften, Geschenk der Vajirayan National Library, Bangkok.
Kroeber, A. L., The Eskimo of Smith Sound. New York 1900. S. A. 8°.
Saville, M. H., Cruciform structures near Mitla. New York 1900. S. A. 8°.
Report 54. 1923 of the Metropolitan Museum of Art. New York 1924. 8°.
The William Gates Collection, Manuscripts, Documents printed literature relating to Mexico and Central America.
New York. 1923. 8°.
Fonseca, Simon, Sketches of Madras. Madras 1851. 8°.
Bosch-Gimpera, El problema etnológico vasco y la arqueología San Sebastian. 1923. 8o. (Publicación de la sociedad
de estudios vascos.)
Posnansky, Arthur, Führer durch die geographisch-industrielle Ausstellung Bolivia. Berlin 1924. 15 S. 8°.
Culin, Stewart, East Indian Fortune Telling with Dice. Syrian Games with Knuckle Bones. Tip Cats. Philadelphia
1892. 14 S. S. A. 8°.
Gaerte, W., Besiedlung und Kultur Königsbergs und seiner Umgebung in vorgeschichtlicher Zeit. [Königsberg]
1924. S. A. 8°.
Willcrs, Heinrich, Das Rotkupfer als Geld der Italiker, o. O. 8°.
Karutz, Rieh., Negerplastik. Stuttgart; Der kommende Tag A.-G. 1922.
—, Anthropologie und Anthroposophie. Stuttgart: Der kommende Tag A.-G. 1923. 8°.
—, Auf der Suche nach der Wirklichkeit. Stuttgart: Der kommende Tag A.-G. 1923/24. 8°.
Collection rare archeological. Private Museum of Sr. Fritz Buck of La Paz, Bolivia. La Paz: ,,The West Coast
Leaderc' March 1924. 2°..
Culin, Stewart, Creation in art.—Beiderwand. o. O. 1924. 8°.
asifc*» > mi
I
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.
:,,’ -.V' .'v -‘ . -¿~ •'
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BEITRÄGE ZUR VÖLKERKUNDE
HERAUSGEGEBEN AUS DEM ERWERBUNGBFOND DES
STAATLICHEN MUSEUMS FÜR VÖLKERKUNDE
UNTER MTWIRKUING DER DIREKTOREN DER ETHNOLOGI-
SCHEN ABTEILUNGEN DES STAATLICHEN MUSEUMS FÜR
VÖLKERKUNDE IN BERLIN. REDIGIERT VON
ALFRED MAASS
BAND IX
Walter Kbickebebg, Die Totonaken (Schluß). Mit 25 Fig. im Text (Fig. 26—51).
Bücherbesprechungen - Büchereiugänge.
■'=:. -
- * 3éK ** >>1^
V-V ff
BERLIN 1925
VERLAG VON DIETRICH REIMER (ERNST VOHSEN)
DAS BAESSLER- ARCHIV FÜR VÖLKERKUNDE
erscheint in zwanglosen Heften, von denen 4 einen Band bilden. Einzeln sind die Hefte zu
einem je nach dem Umfang bemessenen, etwas erhöhten Preise käuflich. Der vorliegende
Band erscheint für das Jahr 1925.
Das Baessler-Archiv ist bestimmt für Arbeiten aus allen Gebieten der Völkerkunde mit Aus-
nahme der reinen Linguistik und physischen Anthropologie. Seine Hauptaufgabe ist die
wissenschaftliche Beschreibung und Verwertung des in den deutschen Museen aufgespeicherten
Materials nach seiner kulturgeschichtlichen und technologischen Bedeutung, doch werden auch
soziologische, mythologische, kunst- und religionsgeschichtliche Themata berücksichtigt, soweit
sie zur Erklärung von Museumssammlungen beizutragen geeignet sind.
Die Mitarbeiter erhalten 25 Sonderabzügo.
Redaktionelle Sendungen, Zuschriften und Anfragen sind zu richten an den Redakteur
Professor Dr. Alfred Maaß, Berlin W. 10, Tiergartenstraße 18 c.
Bisher erschienene
BEIHEFTE
1. Sprichwörter und Lieder aus der Hegend von Turl'ah. Mit einer dort aufgenommenen
Wörterliste von Albert von Lo Coq. Mit I Tafel. [100 S.] 1911.
2. Hie WagOgO. Ethnographische Skizze eines ostafrikanischon Bantustammes von Heinrich
Claus, Stabsarzt im Infanterie-Regiment Nr. 48, früher in der Kaiserlichen Schutz-
truppo für Deutsch-Ostafrika. Mit 103 Abbildungen. [IV u. 72 S.] 1911.
3. Hie Goldgewichte von Asante (Westafrika). Eine ethnologische Studie von Rudolf
geller. Mit 21 Tafeln. [IV u. 77 S.] 1912.
4. Mitteilungen über die Besiedelung des Kilimandscharo durch die Hschagga und
deren Geschichte. Von Job. Schanz. [IV u. 56 S.] 1912.
5. Original Odzibwe-Texts. With English Translation, Notes and Vocabulary collected and
published by J. B. de Josselin de Jong, Conservator at the State Museum
of Ethnography, Leiden, [IV u. 54 S.j 1912.
6. Ein Beitrag zur Ethnologie von Bougainville und Buka mit spezieller Berück-
sichtigung der Nasioi. Von Ernst Frizzi. [56 S.] 1914.
7. Ein Beitrag zur Kenntnis der Trutzwatfeu der Indonesier, Sttdseevölker und Indianer.
Von Hauptmann a. D. Dr. O. Fried er ici. [78 S.] 1915.
Hie Banjangi. Von F. Staschewski- Überarbeitet und herausgegeben von Prof.
B, Ankormann. [66 S.] 1917.
8.
BAESSLER-ARCHIV
BEITRÄGE ZUR VÖLKERKUNDE
HERAUSGEGEBEN AUS DEM ERWERBUNGSFOND DES
STAATLICHEN MUSEUMS FÜR VÖLKERKUNDE
UNTER MTWTRKUING DER DIREKTOREN DER ETHNOLOGI-
SCHEN ABTEILUNGEN DES STAATLICHEN MUSEUMS EUR
VÖLOJRKÜNDE in BERLIN. REDIGIERT VON
ALFRED MAASS
BAND IX
Walter Krickebeeg, Die Totonaken (Schluß). Mit 25 Fig. im Text (Fig. 26___51)
Bücherbesprechungen — Büchereingänge.
BERLIN 1925
VERLAG VON DIETRICH REIMER (ERNST VOHSEN)
DIE TOTONAKEN
EIN BEITRAG ZUR HISTORISCHEN
ETHNOGRAPHIE MITTELAMERIKAS
VON
WALTER KRICKEBERG
FORTSETZUNG *
5. Religion. Kultus. Priesterliche Wissenschaft.
Mit der Betrachtung des Juego del Volador habe ich bereits dem vorliegenden letzten Kapitel dies
em Stück vorweggenommen. Ehe ich hierzu übergehe, schicke ich voraus, daß schon Strebe! eine k Abscbmtts
Stellung der wichtigsten alten Nachrichten, die sich auf das religiöse Leben der Totonaken beziehen^ „sanill!len"
hat.215 Das von jpm herangezogene Material läßt sich allerdings nicht unbeträchtlich vermehren ^ Vea’Mfentlicht
Versucht werden, zur Erklärung und Kritik der Nachrichten Parallelen aus dem übrigen México aufz § ^ aUC^
Über kein Gebiet der alten totonakischen Kultur sind wir durch die spanischen*Chronisten ZaWeisen-
gut und so vollständig unterrichtet, wie gerade über die religiösen Verhältnisse. Las Casas, Mend^ta^ altnismaßig so
haben ihren Werken eine Anzahl merkwürdig eingehender Schilderungen über die Götter .le a und Torquemada
hingen der Totonaken einverleibt, die unter einander oft wörtlich übereinstimmen; doch hat^edeT lmd.Kultlland-
Wieder Angaben, die den anderen fehlen, so daß es nicht denkbar ist, daß sie alle nur voneina tl V°n lbnGn aUch
ältesten und augenscheinlich am besten unterrichteten Las Casas abgeschrieben haben 216 Es muß ‘ ? GP. Von dern
existiert haben, aus der sie alle schöpften, ein Bericht, der auf Grund direkter Erkundimmae^b W] emG ^UeIle
selbst verfaßt worden ist. Das wird in der Tat durch eine Bemerkung Las Casas’ bestätigt *Er ^ C ^ Totonaken
was er über die Indianer Neuspaniens berichte, von den ersten Eranziskaner-Aposteln erfahren • d^ Í ^ babe alles>
sehr gut mexikanisch verstanden und die Indianer über ihre alten Riten und Gebräuche ai 1 T ^ latten namlich
davon hätten sie mit eigenen Augen gesehen, sondern es nur aus den Erzählungen der Indianer fh aber nichts
stehe es mit dem, was er, Las Casas, im folgenden über die Riten der ,,Totones ó Totonawis^ ^ rF G1^abren- Anders
meeres berichte: „Ich erfuhr es von einer Persönlichkeit, die es als Knabe mit ei >• ' 88 a** ^ des Nord-
sus ojos), als sie allein, ohne irgend einen anderen Spanier, unter jenen Völkern lebte^^d H Sab (lo vido por
Christen Neuspanien betreten hatten. Vor ihm scheuten sie sich nicht, einmal weil * ^ T GrStG1? Zeit> nachdem die
weil er allein war, und schließlich, weil sie ihn für einen Sohn der Sonne hielten und d" GU!Knabe war> sodann,
später, als er ein Mann von Vermögen war und für einen guten Christen nah w es al° üebten- Dieser gab mir
das, was ich hinsichtlich der Religion, Zeremonien, Opfer, Gesetze undT'"Ü,tten sohriftIich alles
der Tetones oder Totonaoas sagen werde.“2!'Es folgt nun im Text eine h„ . l 'febl'auohe jener Provinz
tum, Räucheropfer, täglichen Kult, Kasteiungen, sakrale Bemalung, heilige Feuer 'IS.elllan'il®rsetz<lng über Priester-
beiden späteren Autoren nicht übernommen worden ist. Doch ist aus demude«, vt»« " ' ,r°tonaken. die von den
gaben über den Kult der großen Göttin, über Beschneidung, Kinderonfer u^v° r ^ 1 № Gn’ daß aucb die An-
’ 016 Slch an früheren und späteren
* Teil I siehe: Baessler-Archiv Bd. VII (1918—1 922), p. 1 — 55.
2i5 gtrebel, Altrnexiko I p. 11/12.
2J6Das zeitliche Verhältnis der drei Autoren und ihrer Werke zu
einander ist nach Weber, Beiträge zur Charakteristik der
älteren Geschichtsschreiber über Spanisch-Amerika (Leipzig
1911), folgendes; LasCasas 1474 —1566, Aufenthalt in México
als Bischof von Chiapas 1544-47, seit 1547 in Spanien. Seine
„ApologéticaHistoria“ wird 1561 vollendet. Mendieta 1525-
1604, erster Aufenthalt in México 1554 — 1570, zweiter 1 573 —
1604. Nach 1571 wird die „Historia Eclesiástica Indiana“ be-
gonnen, 1596 beendet. Torquemada ca. 1560 — 1624, tritt
1583 in México in den Franziskanerorden; 1610 wird die „Mo-
narchia Indiana“ begonnen. Er benutzte bei der Abfassung
des Werkes das Original der Historia Eclesiástica Mendietas,
1 Baessler-Aroliiy.
das er von dessen Schüler Bautista de Lagunas erhalten hatte
ebenso auch die Apologética Historia. — Es muß allerdings zu
Beurteilung der Abhängigkeit Mendietas und Tor quemada;
von Las Casas hervorgeboben werden, daß die wichtige Apolo
gótica Historia des letzteren bis jetzt nur fragmentarisch ver
öffentlicht worden ist, sowohl im 66. Bande der Colección d
documentos inéditos als auch im 8. Bande vonKmgsborough
Antiquities of Mexico. Verschiedene Stellen in der letztere]
Publikation weisen darauf hin, daß in den unpubliziertei
Teilen noch mehr über die Totonaken gestanden hat, darunte
möglicherweise auch das, was bei Mendieta und Torquemadi
neu ist.
217Las Casas ApoL Hist. c. 175 bei Kingsborough VIII p. 21
sq.
r -m
«Ü
WALTER KRICKEBERG
Stellen der Apologetica Historia finden und vielfach wörtlich bei Mendieta und Torquemada wiederholt werden,
aus den Berichten jenes Augenzeugen geschöpft sind.218
Wer war dieser Augenzeuge ? — Wahrscheinlich jener zwölfjährige Page des Cortes, den dieser, wie Herrera
berichtet, vor seinem Zuge ins Innere in Cempoallan zurückließ, damit er die totonakische Sprache erlerne.219 Leider
wird der Name des Pagen nicht genannt, es läßt sich auch auf Grund der verschiedenen Listen, die wir über die Mit-
glieder des Expeditionscorps besitzen, keine Vermutung darüber anstellen, wer er sein könnte. Es scheint nicht, als
ob die Schrift, die er als Erwachsener über seine Erlebnisse bei den Totonaken verfaßt hat, jemals veröffentlicht
wurde; aber vielleicht ist auch ihr Verlust nicht allzu groß, da sie ja von den späteren Historikern sehr ausgiebig be-
nutzt zu sein scheint . —
Von den primitivsten Äußerungen der Rel igiosität, dem Glauben an Zauberwirkung oder Beseelung aller
Naturobjekte, an das Heer der niederen Dämonen und Gespenster, erfahren wir naturgemäß in diesem ältesten Be-
richte nichts. Hier liefern neuere Beobachtungen einige Ergänzungen. Strebe! berichtet über Mittel der Küsten-
totonaken, um die bösen Einflüsse der Mondfinsternisse von den Chilepflanzungen abzuwehren (Misantla), und über
einen Gegenzauber, der vorgenommen wird, wenn sich ein Indianer beim Falle verletzt (Yecuautla).220 Etwas mehr
Material ergeben die Gebirgstotonaken. Den Tepehua von Huehuetla gelten alte Idole oder Teile von solchen als
besonders zauberkräftig; man bringt ihnen Gaben dar (Kopal, Kerzen und Blumen), versieht sie mit Kleidungs-
stücken und erwartet von ihnen einen günstigen Einfluß auf das Gedeihen der Feldpflanzen und den Regen. Denn
sowohl an den Tänzen, die an den Festen der Aussaat und Ernte stattfinden, nehmen sie teil, als auch an den Zauber-
handlungen, die bei besonderen Gelegenheiten stattfinden, wenn es z. B. zu viel regnet oder wenn Regenmangel
herrscht.221 Man wird an die Rolle erinnert, die die Tepictoton bei den alten Mexikanern spielten; kleine, aus Teig ge-
knetete und mit Miniaturgewändern bekleidete Idole von Berggöttern, die als Wolkensammler zugleich die Spender
des befruchtenden Regens und der aufkeimenden Vegetation waren, und denen man daher besonders in den Festen
Tepeilhuitl (im Oktober) und Atemoztli (im Dezember) opferte, wenn die Regenzeit zu Ende gegangen war.222—Die
Totonaken von Sta. Maria (de Tlapacoya) pflegen, um Gesundheit, gutes Wetter und gute Ernte für das kommende
Jahr zu erlangen oder um das Gegenteil abzuwehren, zu bestimmten Zeiten Feste (Costumbres) abzuhalten, deren
Leiterin eine alte Frau mit drei männlichen Assistenten ist, und zu denen jeder, selbst Witwen und unverheiratete
Frauen, etwas beisteuern muß. Die Feiern finden in einem großen Hause statt, das mit Blumen geschmückt ist, und
in dem zwei runde Papierlaternen mit aufgeklebten Stückchen Flittergold als Repräsentanten der großen Himmels-
körper und der Sterne hängen. Der Ritus besteht außer in Tänzen im wesentlichen darin, daß am ersten Tage Acker-
erde, am zweiten Maiskolben und Bohnen, die ein jeder von seinem Felde mitzubringen hat, mit dem Blute geschlach-
teter Truthühner besprengt werden, während man gleichzeitig auf den Papierlaternen mit dem Blute rote Kreuze
markiert. Gegen Ende des Festes schießen die Kinder mit Pfeilchen nach den Laternen und versuchen sie zu zerreißen.
Dann nimmt sich jeder Teilnehmer etwas von der Erde und den Samenkernen mit, um es in seinen Acker zu ver-
senken, damit er Frucht bringe. Schließlich werden noch „Ocotes“, d. h. Bündel flacher, dünner Holzsplitter, die
während des Festes angefertigt und gleichfalls mit Blut besprengt worden sind, in einer kleinen Grube des Ackers
in aufrechter Stellung verbrannt.223 Vielleicht sind die Festhäuser Abbilder der Welt, wie die Tempel der Huichol in
der Sierra de Nay arit, in denen ebenfalls die Abbilder der Gestirne (zwei Halbmonde) hängen.224 Und wenn am Schlüsse
dieser totonakischen Fruchtbarkeitszeremonien nach den Papierlaternen, auf denen die Sterne dargestellt sind
geschossen wird, so möchte ich wieder, wie bei der Besprechung des Juego del Volador, daran erinnern, daß ja die
Sterne getötet und geopfert werden müssen, um der Sonne die unumschränkte Herrschaft und der Erde Regen und
Maiswachstum zu gewährleisten. So ist das „Costumbre“ von Sta. Maria vielleicht ein letzter, harmloser Ausläufer
jener großartigen und furchtbaren Zeremonien, mit denen die alten Völker Mexicos alljährlich im Frühjahr und Herbst
die Fruchtbarkeit der Erde zu erzwingen suchten.
Uber die Ideen, die sich die Totonaken von Schicksalen, Fähigkeiten und Eigenschaften der Totenseele bildeten,
läßt sich auf Grund der archäologisch bisher erschlossenen Bestattungsgebräuche (Kap. 4) nicht viel aussagen.
Dafür ist es jedoch ziemlich wahrscheinlich, daß eine ganze Klasse totonakischer Altertümer mit dem Toten-
kult in Verbindung gestanden hat: die schon erwähnten Stein joche und Palmas. Die eigentümliche Form
der ersteren — man müßte sie eher ,, Steinhuf eisen“ nennen —- hat schon seit der Zeit Dupaix’, durch dessen
großes archäologisches Werk wohl das erste dieser Werkstücke der wissenschaftlichen Welt bekannt wurde, zu immer
neuen Deutungsversuchen verlockt. Zumeist brachte man sie mit dem mexikanischen Opferritus zusammen und
nannte sie „Opferjoche“. Strebei hat in seinen „Studien über Steinjoche“ (1890) zuerst mit dieser schon wegen der
Größe und Schwere der Stücke ganz unsinnigen Hypothese aufgeräumt, indem er an der Hand der Ornamentierung
der Steinjoche den Nachweis führte, daß sie nicht aufrecht gestanden haben können, sondern auf dem Boden gelegen
218 Man. müßte denn annehmen, daß diese Angaben aus dem gleich-
falls verloren gegangenen, nach 1533 verfaßten ,,Sumario“ des
Totonaken- und Huaxtekenapostels AndresdeOlmos, dessen
Bonutzung durch Mendieta feststeht (cf. Weber 1. c.p. 132,
2i9^7. 157), stammen.
9 Herrera Dec. II 1. VI c. 2. Torquemada 1. IV c. 26 (I p.
Strebel, Archâol. u. Ethnol. Mitteih aus Mexico p. 9; Id.,
Hie Huinen von Cempoallan p. 29.
Starr, Notes upon Ethnography I P* 185/6.
Seler G. A. II p. 505-508.
223 Starr 1. c. p. 187/8.
224 Preui3 i. Transactions of the 3rd Intern. Congress for the
History of Religions (Oxford) I p< <17.
221
222
DIE TOTONAKEN
3
A . ,. für die Deutung zu gewinnen, Form, Ornamentierung
haben müssen. Er hat auch bereits, um weitere Anha sp Äten gicher festgestellt worden225 — geprüft und ist
und Fundumstände — die letzteren sind bisher nur in vie ^ beweigen5 prunkstücke von hohem Wert waren,
zu dem Schlüsse gekommen, daß die Joche, wie Ma eiia Personen und darüber hinaus auch als Grabbeigaben
und daß sie daher als besondere Auszeichnung für hoc g Ornamenten von allgemeinerer Bedeutung vorzugs-
für dieselben gedient haben. In der Ornamentierung sa e ^ Darstellungen, die sich auf dessen Schicksale,
weise den Ausdruck persönlicher Beziehungen zu dem icht eigentlich nicht dem, was wir von dem mexika-
Taten und Rangverhältnisse usw. beziehen). Das letz e daß big jetzt nur ganz wenige wirklich historische
nischen Altertum, das ganz unhistorisch denkt — so un i ^ wissen. Eduard Seler hat daher in einer leider
Darstellungen auf Monumenten bekannt geworden sine ^ ^ ^ mythische Bedeutung der Darstellungen auf den
nur kurzen Abhandlung über die Steinjoche und Fa m ^ (wqzu auch die Fundumstände zweier derselben
Jochen mit Recht betont. Nach ihm haben die Joche d& Bbndei auf dem Boden des Grabes in aufrechter Stellung
gut stimmen), das die Leiche eines Fürsten en^ltel^®Ue plfttt auf dem Roden liegenden Frosch oder Frosch- .
festzuhalten. Deshalb stellen sie in der Mehrzahl c ei ^ Zeit die Frde? die das Mumienbündel trägt und in sich
menschen dar, „damit das Tragen und vielleicht z*®e^°Adler oder Adlermenschen, wobei vielleicht an die Sonne,
aufnimmt, zum Ausdruck bringend.“ Oder aber zur gonne trägt, gedacht ist.227 Die Ideen über das
vielleicht auch an das Tier, das die Seelen m den ' hervortreten, sind also zweifellos denen der Naua-Stämme
Schicksal der Totenseele, die in diesen Dars e * goweit die realistische Ornamentation nicht völlig in geo-
nahe verwandt. Neben Frosch- und Adlertypns Grundtypen vor: auf einem Joche des Berliner Mu-
metrisehe Gebilde aufgelöst ist, noch emige « ^ gleichfalls ein Tier der Erde ist; auf einem
seums ein um das ganze Joch Menschenfigur, die als tot durch ihre geschlossenen Augen charakte-
Joche der Beckerschen Sammlung mf ” “Schultemauf dem Bogenscheitel und die Arme auf den Bogenschenkeln
risiert wird, von der aber nur der Kopf nut zen Joch herum und scheinen die auf den Bogenenden dar-
dargestellt sind. Die Arme das Joch herumgelegten Arme kennen wir aus der S rebelschen Arbeit_
gestellten Profilköpfe zuhalten.- Solche^ Innenseite eines Froschjoches und sind deutliche. Skelettarme,
noch verschiedene; in einem Fälligen * ornamentalen Beiwerk der Joche immer wieder.-»
Embleme des Todes kehren auch 11 " 8 deutUch hervor, daß die Steinjoche etwas, was zwischen ihren
Besonders in den zuletzt angeMirten ^ kommen wir auf die äußere Form dieser merkwürdigen Stein-
Schenkeln liegt, tragen oder vmf hl f angen immer an die Bogen- oder Hufeisenform an und sah deshalb in den
gebilde. Früher knüpfte man " der gtämme (Chicomoztoc) ist. bald Darstehungen des Regenbogens.
- “Tü’riSiü“'
mS •*““ ““’a“ gestalt* Imgenietmig* age^tt«l. wie*,gebe.,- «*
liefen zum Vergleich heranzogen, die ottenk Li denen die Schenkelenden durch ein Querstuok verbunden sind,
Wir wissen, daß es auch geSch"aß'Übergänge von diesen sogar zu rein ovalen Steinringen hinüberführen- wird
und seit Fewkes nach gewiesen hat , daß L , J *u t vicht bei den Deutungsversuchen gelegt werden können. Viel-
auf die reine Hufeisenform nicht me u • Jt worden> weil der harte Diorit. Diabas oder Porphyrit so besser
leicht ist sie nur aus praktischen Grün » ^ sekundärer Bedeutung ist, beweisen ja auch die häufigen Frösch-
st bearbeiten war. Daß die Schenkeion S ^ unnatürlicher Verzerrung wiedergeben. Die Grundidee ist bei den
und Adlerjoche, die das Tier 8»*"" ‘ am realistischsten bei den geschlossenen Jochen zum Ausdruck
Jochen das Umschließen und hestna ■ von Holmes veröffentlichten Stück, auf dessen Innenseite ein ge-
konimt, sieht man sehr scho" beide Enden auf dem Verbindungsteile eine Verknotung zeigen, „to tie up
flochtenes Band wasemployed tohold together or restrain.“- Nach dem oben Gesagten wissen
whatevertheyoke m tsiuys ^ werden soUte. Dann aber stellt das Joch, wie schon Seler betont hat,
wir daß es der Tote ist, der * ^ die Seele in das Totenreich bringt, oder es ist, was wahrschein-
entweder ^botschtlusdrack für das Verschlungenwerden des Toten, sein Hinabgehen in die Erde, das
Hoher ist, er --* - tvpus ist die eine Hälfte des Tierleibes ganz von einer realistisch
ausgeführten, liegenden Skelettfigur überdeckt. Offenbar soll
hier zum Ausdruck gebracht werden, daß der Frosch das Skelett
(d. h. die Totenseele) auf dem Rücken trägt. — Sehr merk-
würdige Jochtypen sind die von Strebei, Steinjoche Taf.
y i3 Fewkes Antiqu. p. 258, 259) und Ernst i. Intern.
Arch. f.Ethn. V Taf. V, 1 abgebildeten. Soll auf dem ersteren
vielleicht ein ertrunkener Mensch dargestellt sein ?
23° strebel, Steinjoche p. 24. Holmes, Ancient Cities of Mexico
XI p. 317. Fewkes Antiqu. p. 259 — 61. Auch die merkwürdige
Zeichnung C.Magliabecchi f. 67 stellt offenbar kein horizontal
liegendes Steinjoch dar, sondern eine vertikale Grube.
23iFewkes Antiqu. p. 251 — 53. „It would seero, that these three
types are morphologically the same - a fact, which would
imply identity in use.“
232 Holmes 1. c. p. 312/3 (PI. UI).
225 «trebel steinjochep. 15 (Apaneca inS. Salvador nachHabel),
18 /pilón de Azúcar), 19 (Ranchito de las Animas). Dazu das
hbruchstück, das von der archäologischen Kommission der
Tnta Columbia (1892) in einer brunnenartigen, von Mauerwerk
Jun , ßten Vertiefung im Fußboden der Cella des Templo de
emge Cempoallan gefunden wurde. Cf. Del Paso y
las cantas i /(!
Tronco so Catálogo I p. 205/6.
/ i Archiv f. Anthrop. N. F. Bd. VI p. 118/9. Daß
226 Lehmann i. Arcniv " r . ,
selbst eine scheinbar sehr naheliegende historische Beziehung
mythisch gedeutet werden muß, hat Seler G. A. II p. 742-
745 an einer Steinkiste gezeigt.
227 Seler G. A. III p. 539.
228 Strebel, Nachtrag zu Studien über Steinjoche (Leiden 1893)
Taf. V, 3; Id., Steinjoche (Leiden 1890) Taf. IV, 7.
229 Strebel, Steinjoche Taf. IV, 8; Tafel VII, 26 d. Auf dem von
Fewkes Antiqu. p. 256, 257 abgebildeten Joch vom Frosch-
1*
4
WALTER KRICKEBERG
Totenreich. Man kann auch, wenn man an die unheimliche Macht der Totengeister denkt, noch eine dritte Möglich-
keit in Betracht ziehen; der Steinring oder Steinbogen ist der Bannkreis, nm dem unheimlichen Zauber des
Toten entgegenzuwirken, seine Rückkehr zu verhindern. Vielleicht haben auch alle drei Ideen zusammengewirkt.
Jedenfalls wird das Festhalten des Toten auch durch die verschlungenen und verknoteten Stricke, die in vielen Fällen
selbst über die TierdarStellungen der Joche hinweglaufen, noch besonders betont.
Für die Palmas liegen leider noch weniger authentische Fundberichte vor, als für die Steinjoche. Wir wissen
nur durch Strebei, daß in drei Grabhügeln von Ranchito de las Animas Palmas (in einem Falle zusammen mit einem
Steinjoch) gefunden wurden, und durch Fewkes, daß die prächtigen Palmas der Slg. Dehesa aus ,,caches“ in der Nähe
der Mounds von Texolo stammen.233 Der äußeren Form nach möchte man diese Altertümer, wie es auch vielfach gesche-
hen ist, für architektonische Zierate halten, die mit ihrer winklig ausgeschnittenen oder ausgekehlten Basis einer
entsprechend gestalteten Mauer, Dachkrönung, Treppenwange oder dgl. aufgesetzt waren. Aber die Reliefdarstellungen,
mit denen sie auf ihrer Vorder- und nicht selten auch Rückseite bedeckt sind, beweisen, daß wir es mit Gegenständen
des Kults zu tun haben, wie schon Strebei, Del Paso y Troncoso und Fewkes richtig erkannt haben.234 Und an einer
bestimmten Gruppe von Palmas habe ich im 3. Kapitel nach zu weisen versucht, daß die Figuren auf der Vorderseite vor-
nehme, vergöttlichte Tote darstellen, meist in Vogel- oder Schmetterlingsverkleidung. Das Relief auf der Rückseite
einer Palma von Zacatlan, die Seler beschrieben hat, zeigt sehr schön, wie einer dieser Toten in Schmetterlingsgestalt
herabschwebt und von Blume zu Blume fliegt.235 Genau dieselben Vorstellungen hatten die Naua-Völker von ihren
verstorbenen Helden. Ob sich die Fülle der sonstigen Palmas-Typen ebenfalls aus diesem Grundgedanken heraus
erklären lassen wird, kann erst eine umfassende und eingehende Untersuchung zeigen, wie sie Strebei für die Stein-
joche geliefert hat. Die Mehrzahl stellt Tierfiguren dar und unter diesen wieder vorzugsweise Vögel (Adler, Truthahn,
Quetzalcoxcoxtli, Reiher, Eule), die ja so häufig mit dem Totenkult in Verbindung stehen.236 Nach allem, was wir
bisher von diesen merkwürdigen Stücken wissen, ist es jedenfalls, wie Seler in der schon öfter erwähnten Arbeit
ausgeführt hat, nicht unwahrscheinlich, ,,daß diese Palmas vor der Leiche eines geehrten Toten als Schützer des
Grabes und Geleiter der Seele auf ihrer unterirdischen Reise aufgestellt wurden, wie in zapotekischen Gräbern über
der Eingangstür und im Innenraume jene merkwürdigen Gefäße mit der Figur und dem Gesichte des Gottes mit
dem Schlangenrachen einzeln oder in Reihen postiert wurden.“
Literarische Zeugnisse besitzen wir f ür den offenbar recht vielseitig ausgebildeten Totenkult der Totonaken gar
nicht. Eine einzige isolierte und daher nicht sehr vertrauenerweckende Nachricht spricht von Ahnenverehrung
bei den südlichen Totonaken. Vor dem Zug gegen México ermahnt Cortés die Cempoallaner, sie sollten ihre Idole
zerstören, sowie die Gräber der Kaziken, die sie auch wie Götter verehrten.237 Im modernen Totonakischen
gibt es für „Gespenst“ (espanta, fantasma, duende), womit wohl in erster Linie der spukende Totengeist gemeint ist,
zwei Ausdrücke, maqueglat und puscoyot, die augenscheinlich den Sinn von „Schreckbild“ und „Lichterscheinung“
(?) haben.238
Ixtlilxochitl nennt die Totonaken „grandes idólatras“.239 Sicherlich war ihr Pantheon nicht ärmer an Gottheiten,
als das der übrigen mexikanischen Völker. Aber bei ihnen scheint über allen eine Dreiheit von Gottheiten gethront
zu haben, auf die Las Casas wiederholt anspielt. Drei Idole standen neben einander in ihren Tempeln; das mittelste
war das größte an Gestalt und Ansehen.240 * Wir werden nicht fehlgehen, wenn wir den Sonnengott in diesem mittelsten
vermuten. Denn die Sonne hatte bei den Totonaken in der Verehrung immer den Vorrang (siempre llevaba el sol
en ser venerado, la ventaja), von ihr stammten alle anderen Götter ab (el Sol, de donde según opinaban y creian los
otros dioses habian descendido), und ihr zuerst von allen Göttern wurde, sobald sie am Osthimmel aufgegangen war,
in den Tempeln geräuchert. Der Oberpriester pflegte ihr täglich seine demütigste Verehrung zu bezeugen (haciendo
humildisimo acatamiento al Sol) und in seinen Reden vor allem ihre Güte und Herrlichkeit (la bondad y excelencia del
Sol) zu preisen.243 Fast gleich stand dem Sonnengotte an Ansehen im Kultus der Totonaken eine Göttin, die sie die große
Göttin des Himmels, die Gemahlin der Sonne nannten. Torquemada gibt ihr den aztekischen Namen Centeutl
„Göttin des Maises“ (an einer andern Stelle schreibt er, offenbar unrichtig, Tzinteutl und übersetzt es mit „Diosa
rodeada de Deidad“) oder Tonacayohua „die Erhalterin unseres Fleisches“, „die Sorge trägt für Saatkorn, Brot und
Lebensmittel“ und vergleicht sie mit der Ceres der Alten.24" TH® Übersetzung des alten Autors ist vollkommen richtig,
denn mit to-naca-yö „unser Fleisch“ bezeichneten die Azteken in der Tat metaphorisch den Mais. — Diese
233 Strebel, Altmexiko II p. 10; Id., Steinjoche p. 19. Fewkes
Antiqu. p. 261.
234 Strebei, Altmexiko II p. 10 („... um die Grabstätten zu
schmücken oder bestimmte Beziehungen der Bestatteten an-
zudeuten“), Del Paso y Troncoso Catálogo I p. 175 („objetos
de culto, colocándose dentro de los nichos de los templos“),
Fewkes Antiqu. p. 261 (,,mayhave formed parts of altars“).
f36Seler G- A- 111 P> 541^2'
236 Ob die Reptilfiguren und Menschenköpfe mit Reptilmasken,
üie ebenfalls häufige Pahnastypen bilden (cf. Strebei, Alt-
me*iko I Taf. XIV, 11; Fewkes Antiqu. PL 118a), ebenfalls
diese Bedeutung haben, scheint mir allerdings zweifelhaft.
Gomara Orón. c. 43 (p. 45).
maqueg-la-t ist ein Abstraktum und geht auf denselben Stamm
zurück, wie makeg-nän, macaj-la-y „espantar“. pu-scoyo-t kann
von dem Verbum iscoyo-y (eigentlich izlcoyo-y) „encender una
hiz abgeleitet werden. Es ist dann ein Verbalnomen mit Lokal-
präfix analog po-zlpit-na-t (cf. Anm. 11) rmd würde bedeuten
,,wo man ein Licht anzündet“, „wo es leuchtet.“ — Auch die
modernen Huaxteken haben nach Schüller (El Mex. Ant.
II p. 143/4) große Angst vor nächtlich spukenden Ge-
spenstern.
2"9Ixtlilxochitl Hist. Chich. c. 41 (p- 206).
240 LasCasasApolog. Hist. c. 175beiKingsborough VIII p. 213 —
222.
241Las Casas 1. c.; Mendieta 1. H c- 9 (p. 89).
242 Torquemada 1. VI c. 25 (II P- 52/3), VIII c, 5 (II p. 134),
IX e. 8 (II p. 181). "
DIE TOTONAKEN
5
große Göttin hatte ihren eigenen Tempel anf dem Gipfel einer hohen Sierra und ihre eigenen P .ester, zu denen
1 durch Orakel weh (s u.). Ihr Kult kannte nicht Menschenopfer, sondern nur Opfer von Vögeln (Tauben), Ka-
ninchen und Blumen Man brachte ihr die größte Ehrfurcht und Verehrung entgegen, denn sie galt als der Anwalt
der Menschheit vor der Sonne, der großen Gottheit. Insbesondere hoffte man daß der Sonnengott auf ihre Bitten
uei . . , 0 i . v, TTrde schicken werde.243 Dieser Sohn ist wohl der dritte in jener
Ein ,Wmalpinst ihrer beider Sonn als Erlöser aut die Hrae •'
lim dermaler . , , • Herabkunft werde, so glaubte man, allen Dingen auf dieser
Dötterdreiheit von der Las Casas spricht, gewesen, beme neiauK umt w = » . ’. . f. . 0.
Uotterareme , A1, meinten und deuteten sie dies nicht in vergeistigtem bmne,
Erde Erneuerung und Besserung bringen. ,,Allerdinös . n/r • i i u u u n
Hirne üiineuei fe ’ ® i Ankunft die Brote von reinerem Maismehl und gehaltvoller sein
sondern zeitlich und irdisch, so z.B., daß nach seiner AnKuiim u &
»onaern zeitu ’ uoa«pren Eigenschaften, und daß das Leben der Menschen veilangert
würden und die Früchte schmackhafter und von besseren nigei
wurde und dergleichen mehr in diesem Sinne einer Besserung.“ Ein großes Menschenopfer dis HHöe r i . A ~
eu u aZj lenen’ von dem „großen Gotte“ die Herabsendung seines Sohnes zu erlangen um die Mp ^ S a tfand’
EJeud und aUcc Bedrängnis zu befreien, vor allem auch von der grausamen Micht der Cscten^f T“1
8 a t sich nicht leugnen, daß diese Erzählungen sehr christlich gefärbt klingen und die deutT T § a
ia en, Gott Vater, die Jungfau Maria und Jesus Christus in die indianische Götterwelt hineinzuklüeM ^ AES1Cht VGr'
m i nen doch zweifellos ein ganz ursprünglicher Kern. Die große Himmelsgöttin und Gemahlin ^ ^ hegt
je zugleich die Göttin des Maises ist, ist, worauf bereits Seler hingewiesen hat, sicher keine andere l' °anengottes’
Mexikanern Tla9olteotl oder Teteoinnangenannte Göttin, deren Kult, wie schon bemerkt ursnrünalt.E V°n den
auf dem Hochland heimisch war, sondein von den Völkern der atlantischen Küste herstammte 246 j) * Slcher mcht
9olteotl ist einerseits eine Erdgöttin und als solche Herrin aller Fruchtbarkeit (am Ochpaniztli-Fest er 1 Tla~
zu als Maisgöttin kostümiert), andererseits eine Himmelsgöttin (die Mondgöttin); es wird nicht ansdrückr^E geiade_
in welchem Verhältnis sie zum Sonnengott steht, aber bei ihrem Hauptfest Ochpaniztli das man C '7° • ^ 1 gesa^t’
feierte, wurde mimisch dargestellt, wie sie sich vom Sonnengotte (Uitzilopochtli) begatten läßt und'den^ ^ K'nte
gott (Cinteotl Itztlacoliuhqui) gebiert. Dieser eigentümliche, mit einer Schenkelhautmaske und einem Mais'
Hute bekleidete Gott, der also gleichzeitig zum Sonnengott und zur Mondgöttin in nahen Beziehun g<T UUmmten
auch der Gott des Steins, der Kälte und der Strafe genannt wird, ist nach Seler der Morgenstern der * ^ der
Himmel erscheint, wenn sich Mond und Sonne zur Zeit der Konjunktion vereinigen.246 Ich möchte" ^ 1WUkllcl1 am
farblosen Erlösergott der Totonaken, den dritten in der Götterdreiheit, mit dem Morgenstern ide^f'* den etwas
sehe ich mich besonders durch das, was Preuß über die Religion der Cora in der Sierra de Navarif1 1Z*eien' ^azu
hat, veranlaßt. Dieser Nachbarstamm der Huichol, der gleichfalls noch ganz in seinen alten religiösen .Ver°ffentlicllt
lebt, hat, wie die Totonaken, eine Götterdreiheit an der Spitze seines Pantheons: Tayäu, den" Sonn n8chauungen
die Erd- und Mondgöttin, die Gattin des Sonnengottes (die übrigens viele Übereinstimmungen miW^rf’
aufweist), und Hätslkan, den Morgenstern, beider Sohn (von dem sich als besondere Gestalt noch Santa ‘ dLla^olteotl
Stern, abgezweigt hat). Auch Hätsikan ist, wie Cinteotl Itztlacoliuhqui, zugleich der Gott der Kälte undd M * ^
wenn auch mehr in der aktiven Rolle des Maisbringers (die passive Seite, den Mais selbst verkörpert bdsgo^’
im Frühjahr vom Himmel herabsteigt, als erster ein Maisfeld anlegt, Wachstum und Ernte des MaT f '^ der
bare Weise hervorruft und im Herbst wieder zum Himmel zurückkehrt, das Sonnenfeuer mit sich ^e^1 Wlmc^er'
vollzieht sich also das Herabkommen des Heilbringers vom Himmel alljährlich in regelmäßi ein T ^ mend‘ ^er
sikan hat den Menschen auch auf das Geheiß seiner Mutter, der Erd- und Mondgöttin Tatex^Hl ^nilS’ Hat
Gesänge gebracht und leitet sie bei ihren Festen persönlich; kurz, der ganze Kult und Kultarm ^ &-e ^eremomen lmd
Das ist eine Eigenschaft, die ihn mit Quetzalcouatl verbindet, der ja ebenfalls eine For d ™ rtv°nihmher-247
ist. Und von Quetzalcouatl, der die Menschenopfer verschmähte, dem nur Vögel Schmetterling C ^ p^r£ensterngottes
wurden, erwarteten die Mexikaner, daß er dereinst zurückkehren und sein Reich wieder aufricht'™ B,n 8e0Pfert
das die Mexikaner nicht müde wurden, mit allem Glanze eines goldenen Zeitalters auszustatt ™ WCTde’ 6In Reich’
Diesen Heilbringertypus vertritt mm offenbar auch der totonakische Heiland Er vereinigt die 7 ■
und Quetzalcouatls in sich. Denn auch von ihm erhofften die Totonaken ja in erster T ge Hatsikans
tation, ein Besserwerden der Maisbrote und Früchte, wie es der spanische Bericht naiv au!dri!ckt ”g ^ Vege‘
glaubten sie, daß er dereinst herabsteigen und daß dann, wie unter der milden Herrschaft n T , V°n ihm
blutige Kult aufhören werde. Ja man darf vielleicht sogar die Vermutung wagen, daß dieser'totomkfect Heilb
Quetzalcouatl ein und dieselbe Person waren. Denn auch Quetzalcouatl gehörte wie Tl«e u V , Heilb™ger
~ ..... in deren Erschein.^ V,!:™ ."nhdie
und
götter, zu jenen -
auf einen Ursprung in den atlantischen Küstenländern hindeuten 248
Abgesehen von diesen drei Hauptgottheiten, die wir also mit großer Wahrscheinlich! •* .
und Erdgöttin und Morgenstern- und Maisgott bezeichnen können, werden in den Quellen k & * Sonnengott, Mond
Gottheiten genannt. Sicher ist auf den regenfeuchten Gehirgsabhängen
ein ausgiebiger Kult zu teil geworden, von dem sich bei den Tepehua noch einige Reste erhalten h!tÄ8°tt,Ieite»
S' ° )- -Auf der
Gestalten des mexikanischen Pantheons, in deren Erscheinung, Mythus und Kultus zahlreiche Z
uge
243Las Casas Apolog. Hist. c. 121 Col.Voc. Ined. TomoLXVI
p. 444/5. Mendieta 1. II c. 9 (p- 89/9 )•
214Mendieta 1. IV c. 41 (p. 539). Torquemada 1. XV c. 49 (II
p. 134).
215 Seler T. A. p. 94/5, C. B. I p. 161-164.
246 Seler C. B. II p. 145, 248.
2 u P r e u ß, Die Nayarit-Expedition (Leipzig 1912) p. LXI—LXIX
Der große Mythus vom „göttlichen Sämann“, dem Morgenstern
in Leguangestalt, ibid. p. 169 — 182.
248 Seler C. V. p. 140-143.
6
WALTER KRICKEBERG
Hauptpyramide von Cempoallan standen Idole „nach Art furchterregender Drachen von der Größe eines Kalbes
(hezerro) und andere, wie ein halber Mensch gestaltete oder wie große Hunde, und was dergleichen häßliche Dinge
mehr sind.“ Als Cortés die Cempoallaner auftorderte, von diesen Göttern zu lassen, erwiderten sie ihm, das würden
sie nimmermehr tun, „da diese ihre Götter ihnen Gesundheit, gute Ernten und alles, was sie sonst nötig hätten, gäben.“
Als dann Cortés mit seiner Drohung, die Idole zu zerstören, Ernst machte, glaubten sie, daß ihre letzte Stunde ge-
kommen sei, begannen zu weinen und flehten zu den Göttern in ihrer Sprache, sie möchten ihnen verzeihen, es läge
nicht in ihrer Macht, sie zu retten.249 Aus diesem Bericht lassen sich natürlich keine Schlüsse ziehen, welcher Art die
Gottheiten des Haupttempels waren. Der pyramidale Unterbau dieses Tempels, der seine Front nach Süden kehrt,
ist noch heute erhalten, aber es fehlt ihm sonst alles, was eine Bestimmung der Gottheit, der er geweiht war, ermöglichen
würde. Mehrere Baulichkeiten von Cempoallan sind rund, mögen also, wie die runden Tempel im ganzen übrigen México,
dem Kult Quetzalcouatls gedient haben. Bei einem anderen Bau, der von den Umwohnern der Ruinenstätte heute
„Fortín de las caritas“ (wegen seines Schädelfrieses) genannt wird, hat Seler an der Hand der glücklicherweise er-
haltenen ornamentalen Verzierung der Cellawände den Nachweis geführt, daß er der Tempel einer Nachthimmel-
und Mondgottheit war; daher ist auch seine Hauptfront nach Osten gerichtet.250
Die Idole, die die Spanier zerstörten, waren aus Holz, denn Cortés ließ sie, nachdem seine Soldaten sie in Stücke
geschlagen und die Stufen der Pyramide herabgerollt hatten, an einem abgelegenen Orte verbrennen. Was uns von
steinernen und tönernen „Idolen“ aus totonakischem Gebiet bisher bekannt wurde, ist nicht viel. Strebei hat mit
Recht darauf hingewiesen, daß sich unter der großen Masse der figürlichen Darstellungen seiner Sammlung vielleicht
kaum eine wirkliche Gottheit befinden dürfte, jedenfalls sei es schwer, diese Frage zu entscheiden, da die meisten einen
ganz indifferenten Typus aufwiesen.251 Das gilt vor allem von den rohen Steinköpfen, Steinbüsten und Hockerfiguren,
die im 3. Kapitel beschrieben wurden. Diese haben vielfach eine abgerundete oder zapfenartig zugespitzte Basis und
müssen daher, da sie nicht ohne Unterstützung stehen können, in Mauerwerk oder Erdreich eingelassen gewesen sein.
Man findet sie nicht selten in den Hügeln neben den Leichenresten und Beigaben,252 aber ihr ursprünglicher Platz war
wohl oben auf den Hügeln selbst. Hierfür sprechen zwei Fundtatsachen: Auf verschiedenen der künstlichen Hügel
von Pilón de azúcar erhob sich an den vier Ecken der Plattform, bzw. in ihrer Mitte, ein etwa 60 cm hohes, zuckerhut-
förmiges Gebilde aus weichem, weißlichem Stein, und auf jedem der zahlreichen Grabhügel von Loma de Los Santos
(einer Örtlichkeit der Misantla-Gegend, wie Pilón de azúcar) soll früher eine Hockerfigur von jenem eigentümlichen,
eckigen Typus gestanden haben, von dem bereits einmal die Rede war. Strebei sieht in diesen letzteren keine direkten
Ahnenbilder, sondern meint, sie hätten einfach das Grab bezeichnen sollen, wobei ihre hockende Haltung vielleicht
an die bei den Indianern übliche Art, jemandem Ehrerbietung zu erweisen, gemalmte.253 Eine Entscheidung über alle
diese Fragen wird natürlich erst möglich sein, wenn derartige Figuren einmal in gänzlich unberührter Stellung an-
getroifen werden. Die hockende Haltung mit den um die Knie gelegten Armen ist beiläufig im mexikanischen Gebiet
besonders für die Steinfiguren Xochipillis typisch.
In einigen Ruinenplätzen haben sich, z. T. noch in sitn, größere Steinskulpturen gefunden, deren Beziehung zum
Kultus unverkennbar ist. So standen in Los Idolos (Chalagüite) auf der Innenseite des großen, von langgestreckten
Terrassen und Tempelunterbauten umgebenen Platzes große steinerne Figuren eines Pumas (oder Jaguars ?), Hundes
(Pumas ?), einer Schildkröte und einer plumpen Menschengestalt mit reichem Kopfschmuck und über der Brust
gekreuzten Armen. Auf einer langgestreckten, anscheinend künstlichen Plattform bei S. Isidro — gleichfalls in der
Misantla-Gegend — erhoben sich in einer Reihe neben einander sechs niedrige Säulen, jede aus mehreren Trommeln
zusammengesetzt, die nach Strebe! vielleicht als Postamente von Figuren (Ahnen- oder Götterbildern) zu deuten
sind.254
Von Jico Viejo (Xicochimalco) beschreibt Fewkes eine steinerne Herme, die noch heute an ihrer alten Stelle
auf einem offenen Platz zur Seite der Hauptpyramide steht und sogar noch von der heutigen Bevölkerung der Umgebung
Opfer empfängt. Sie zeigt an ihrem oberen Ende ein gut gearbeitetes Menschengesicht mit Nasenstab und mächtigen
Ohrscheiben; auf der Rückseite des Kopfes ist ein Datum eingemeißelt, das Fewkes 1 tochtli liest, das ich aber wegen
der Einschnürung des Tiergesichtes über der Nase lieber 1 ogomätli lesen möchte. 1 oyomätli ist der Anfangstag des
3. Tonalamatl-Abschnittes; sein Regent ist im mexikanischen Kalender der Pulquegott (Pátecatl). Beziehungen zu
diesem vermag ich an dem Steinbild nicht zu entdecken, doch wäre daran zu erinnern, daß die Pulquegötter in den
atlantischen Provinzen Méxicos ganz besondere Verehrung genossen. — Außer der Herme fand Fewkes in der Nähe
von Jico noch große Felsblöcke mit Skulpturen, die in einem Fall einen Affen (?), in einem andern eine mächtige
Schlange darstellten.255 Die wichtigsten größeren Skulpturen mit figürlichen Darstellungen, die bis jetzt aus totonakischem
24i)B. Diaz c. 51 (I P- 116 — 148). Herrera Dec. II 1. V c. 13
(I p. 130) spricht von „Dragones, Tigres, i Osos (Bären) que
tenian los Cuerpos Humanog.“ Ähnlich Torquemada 1. XV
c. 21 (III p. 65).
*5°seler G. A. V p. 144-149.
1 Strebei, Altmexiko I p- 90.
252 Strebei, Altmexiko II p. 32, Taf. V, 11; p. 41. Taf. IV, 11;
P- 51, Taf. VIII, 69. Der Steinkopf Taf. IV, 10 stand in der
natürlichen Aushöhlung eines Felsens, nach Norden sehend
(p. 41).
253 Strebei, Altmexiko II p. 36, 40, 48/9. Nach Strebei, Arch.
m Ethnol. Mitteil. p. 7, wurden auch in Pilón de azúcar Stein-
figuren auf den Plattformen der Terrassenbauten gefunden.
254 Strebei l.c. p. 59 —61, 69 —72. Aus älteren Berichten sei noch
die Steinfigur einer nackten Frau aus der Gegend von Mes-
calteco, Distr. Jalacingo, und dl® merkwürdige, in den Fels
gehauene Brunnenfigur (Wassergöttm ?) vonTuzapan erwähnt.
Bancroft N. B. IV p. 451/2 (nach Mühlenpfordt) und 456-
458 (nach Nebel).
255 Fewkes Antiqu. p. 246 — 248, PI. CVI — CVIIT.
DIE TOTONAKEN
7
Gebiet bekannt geworden sind, sind die beiden schon öfter erwähnten Reliefplatten von Huilocintla hVw • T i
und S. Isidro bei Tuxpan), die Seler beschrieben hat. Sie zeigen beide in ziemlich gleichartiger Darstoll ' m ' a apa
kasteiende Figur mit zahlreichen Abzeichen Quetzalcouatls und dem Namen Ce Ocelotl.256 Offenbar h ^ Zr* ^
fertiger dieser, in ihrem Stil von dem der Steinjoche und Palmas abweichenden Beliefe bereits unte/dem U
der mexikanischen Kolonien am Rio Tuxpan gestanden. Daß das mexi kanische Element auf dem C IV T 7
Kults noch manche anderen Spuren in Totonacapan hinterlassen hat, wird im dritten Abschnitt erörtert i
Die Hauptstatten der Verehrung waren, wie überall in México, die Tempel. Vom Tempel der großen T
göttin und Gemahlin des Sonnengottes heißt es, daß er auf dem Gipfel einer hohen Sierra stand umgeben v h T
lieh angelegten Parks, Obsthainen und Blumengärten, die einen sauberen und erquickenden Eindruck maebt^
Sonst haben die Tempel natürlich meist inmitten der Ortschaften gestanden. Von dem allgemeinen Tvm ■ Z n
totonakischen Siedlungen ist im 2. Kapitel ausführlich die Rede gewesen. Es wurde dabei auch betont daß die zinf!" ^
terrassen- und pyramidenförmigen Unterbauten, die man in ihnen trifft, und auf denen heute nur selten 1 ^
Gebäude erhalten ist, zweifellos nur zum kleineren Teil Unterbauten von Tempeln waren, da solche Unt 1 n°C 1 ^
einst auch alle übrigen öffentlichen Gebäude sowie die hervorragenderen Wohnbauten trugen. Die Te ^ i^v*1 ^
unterschieden sich nur durch Größe und Prunk von den übrigen Bauten des Ortes. Das sagt auch der äh^d R^
über die mexikanischen Küstenländer, der speziell das totonakische Gebiet im Auge hat: die Tempel e^lc t
die sich oft in Zahl von zweien, dreien oder vieren am Eingänge der Palastkomplexe erhöben, seien sehr hoclfundM^611 ’
Stufen zu ersteigen ; oben ständen die Sakrarien (mezquitas y adoratorios y sus andenes) mit den Idolen a** qU1-C ^
Ton und Holz. ,,Diese sakralen Bauten, in denen sie ihre Idole haben, sind die größten, schönsten und ^h ^
gearbeiteten im ganzen Orte und sind vielfach mit Federwerk, reich gewirkten Decken und jeder sonstigen Art SA^m^^!^
verziert.“258 es
Schon während des Marsches von S. Juan de Ulüa nach Cempoallan fand Cortés’ Expeditionscorps a f
linken Ufer des Rio de la Antigua in Orten, die Cempoallan untertan waren, „Götzenhäuser und Opfer U Et
vergossenes Blut, Räucherwerk und noch andere Dinge, wie Idole, Stein(messer), mit denen sie opferten Pnu- ^ •Cn’
federn und viele Bücher.“259 Vielleicht sind die Spanier damals an der noch heute wohl erhaltenen, stattlich enT^1611'
ruine von Puente Nacional (Templo de la calera), die in dieser Gegend, auf dem linken Antigua-Ufer !T]
vorübergekommen. Sie ist zuerst 1843 von José María Esteva untersucht worden, dann 1890/91 von ¿p6
gischen Kommission der Junta Colombina unter der Führung Del Paso y Troncosos.260 ^ arclliiol°-
Nach ihrem Typus gehört die Pyramide von Puente Nacional eng mit den Bauten von Cempoallan zusa
Von den Tempeln dieser Stadt geben uns die spanischen Berichte ein verhältnismäßig detailliertes Bild währ^d^’
sonst, z. B. bei Quiauiztlan, nicht über die bloße Erwähnung smn „cues e casas grandes de sus ydolos“ hinausgeh en !!!
Die Berichte scheinen sich allerdings sämtlich nur auf einen der zehn durch die moderne archäologische Forschu •
Cempoallan freigelegten Tempelkomplexe zu beziehen, und zwar auf den größten, annähernd zentral gelegene ^ l
zuerst Cortés, später Narvaez als Standquartier diente. Für die Cortés-Expedition liegen die Berichte von B ry ^
und Gomara vor. B. Díaz spricht von „la gian plaça y patios donde estavan los aposentos,“ wo den Reit , - IZ'
Vortrabes der verzeihliche Irrtum passieite, die spiegelblank polierten Stuckflächen der Mauer für Silbe - i** ^
zu halten. Nach den Reitern erreicht das Gros der Expedition die „aposentos.junto al patio“ und wird v-^ attCn
dickenKaziken ,, en unos aposentos arto buenos y grandes, que cabíamos todos“ (wo wir alle hineingingen) ei V °.n eni
Sehr viel klarer und reicher an Einzelheiten ist der Bericht Gomaras, der augenscheinlich Cortés’ pere'^r^1^^ ^
teilungen wiedergibt. Die Spanier rücken durch das „Tor“ der Stadt ein und marschieren eine lange Strvß ^
„Als sie einen sehr großen Platz passierten, erblickten sie zur Rechten eine große Einfriedigung von M ° entlang‘
mit Zinnen (cercado de cal y canto con sus almenas), abgeputzt mit weißem, spiegelblankem Gins der aUf^.erk
poliert war, daß er in der Sonne wie Silber erglänzte..Innerhalb dieses Patio oder dieses ummanerU pf ?°h
standen auf der einen Seite eine hübsche Kette von Gebäuden (hilera de aposentos) auf der andere , , s
Türme, ein jeder für sich, und unter ihnen einer viel höher als alle anderen.“ Nach der Begrüßung des K n' 7
dessen Palast werden die Spanier auf dem ummauerten Platz einquartiert, der für alle Raum hat da i„ TV™ U
schöne Gebäude stehen. Am Tor läßt Cortés zur Vorsicht Kanonen auffahrend* Wahrscheinlich lag die hohe
pyramide, von der Cortés’ Soldaten dann später die Hole herabstürzten (s. o.), ebenfalls innerhalb dfesès
bezirks. Auch während der Narvaez-Episode war er der Schauplatz der Ereignisse. Denn Narvaez’ H« t ^
A ID p. 516—521. Cf. auch Batres, Läpida de
256 belei • /jgQgi p. 15/6 u. Läm. IX; Fewkes im Amer, An-
pepat ax ^ yjjj (1906) p. 633 — 639. Fewkes identifiziert
tluop. • ‘ ‘ Ähnlichkeit des einen Reliefs mit Darstel-
wegen äu ®r rwtesianus die Hauptperson mit dem „Gott
Ä. Mayabilderschrüten und findet, daß das
Belief im Stil eine ausgesprochene Verwandtschaft mitMaya-
denkmälern. dagegen nur geringe mit aztek,sehen besitze.
Durch Selers Vergleich beider Reliefe sind diese Aus-
führungen hinfällig geworden.
257Las Casas Apob Hist. c. 121 (Col. Doc. Ined. TomoLXVI p.
c. 5
444/5), Mendieta 1. II c. 9 (p. 89), Tor quemada 1. VIII
(II p. 134).
258 Carta de Veracruz p. 24. Cf. P. Martyr, De Insuhs p. 34;
Templa quae frequentant, aureis ornant auleis (Vorhängen),
et suppellectibilibus gemmeis admixtis.
259 B, Díaz c. 44 (I p-126).
260 Bancroft N. R. IV P- 437/8. - Del Raso y Troncoso Catá-
Ino-o II p. 29/30. Jesús Galindo y Villa i.Beiheft zu d. Anales
del Museo Nacional, México 1912, p. CXL/LII u. Lam. 36-38.
26ib. Díaz c. 46 (I p- 130).
262B. Díaz c. 45 (I p- 128).
seo Gomara Cróm c. 32 (p- 34).
8
WALTER KR1CKEBERG
war, wie Cortés selbst angibt, der feste Haupttempel (mezquita mayor) von Cempoallan. Dieser war aber kein ein-
zelner Bau, sondern gehörte zu einem Komplex von Gebäuden — eben jenem ,,cercado de cal y canto“. Unser Bericht
erwähnt einen Hof (patio), in den später Cortés’ Soldaten eindrangen, und darin 3 oder 4 ,,Türme“ (Gomara sagt
„torrecillas“, B. Díaz ,,muy altos cues“) und sonstige „aposentos fuertes,“ die von Narvaez’ Truppen besetzt
waren. Dieser Komplex von Bauten muß ziemlich ansehnlich gewesen sein, da er das ganze, etwa 900 Mann starke Heer
des Narvaez beherbergte. Auf der Plattform eines der „Türme“, in dem Sakrarium, war Narvaez selbst mit 50 Mann
einquartiert, und am Fuß der zu ihm hinaufführenden Treppe standen seine Geschütze, 19 an Zahl. Einige Quellen
sprechen sogar von 100, andere allerdings nur von 30 Mann auf der von Narvaez selbst verteidigten Pyramide. Das
Sakrarium hatte ein Strohdach ; einem der stürmenden Soldaten des Cortés, der ein besonders langer Kerl war,
gelang es, es über den Köpfen der
Verteidiger anzuzünden. Von den
übrigen 2 oder 3 Pyramiden wird
weniger gesprochen; auf eine zogen
sich nach Tapia fast 400 Leute des
Narvaez gegen Ende des Kampfes
zurück.264 Schließlich besitzen wir
noch zwei Berichte über die Nar-
vaez-Episode, die einige Ergänzun-
gen und z. T. auch Abweichungen
enthalten. Einen, die ungedruckte
Delación des Conquistador s Francisco
de Aguilar, der später die Mönchs-
kutte anzog, hat Del Paso y Troncoso
herausgegeben. Nach ihm ist Nar-
vaez’ Quartier ,,un patio todo cer-
cado de cúes, iglesias de los indios.“
Dieser „Patio“ hat nur einen Ein-
gang, an dem die ganze Artillerie
postiert ist, und zwar auf einem
etwas erhöhten Punkt, so daß die
Schüsse nachher zu hoch gehen. Der
andere Bericht steht bei Herrera und
läßt besonders gut den terrassenförmigen Aufbau, auf dem die Tempel liegen, erkennen. Narvaez’Truppen sind auf drei
Pyramiden des Tempelkomplexes verteilt ; die Artillerie ist so aufgestellt, daß sie die Zugangsstraße bestreichen kann,
so daß Cortés seinen Soldaten den Befehl erteilt, sich möglichst dicht an die Seiten der Straße zu halten Sandoval
der die Aufgabe hat, das Hauptquartier zu stürmen, überrumpelt die Posten, die am Fuße der Treppe zum Eingang
des Patio stehen. Dann geht es die erste Treppe hinauf zum Patio, auf dem Narvaez’ Neger ihr Quartier in
einem Gebäude haben, darauf über eine zweite Treppe (vier Stufen) zu einer Terrasse, auf der die Artillerie steht,
und schließlich eine dritte (fünf Stufen) hinauf zu dem eigentlichen Quartier des Narvaez. Nach dessen Gefangen-
nahme, und nachdem der größte Teil seines Heeres die Waffen gestreckt hat, leisten noch 300 Soldaten auf einer anderen
Pyramide Widerstand und können erst gegen Morgen durch Kanonenschüsse zur Kapitulation gezwungen werden.265
Wenn wir diese 5 Hauptberichte (B. Díaz und Gomara über den ersten Besuch Cempoallans, Cortés, Aguilar
und Herrera über die Narvaez-Episode), die ich der Bequemlichkeit halber mit I—V bezeichne, mit einander ver-
gleichen, so ergibt sich, daß sich alle auf einen von Mauern umgebenen, großen Hof (II—IV; cercado de cal y canto,
patio) beziehen, der den Haupttempel (III: mezquita mayo]) von Cempoallan und noch verschiedene* andere Ge-
bäude (aposentos) und Tempelpyramiden (II, III, V. toires, I, IV. cues) umschloß. Es besteht kein Zweifel, daß damit
der Komplex des Haupttempels gemeint ist, dessen Grundriß ich nach den von der mexikanischen Expedition ver-
öffentlichten Plänen hier in Zeichnung wiedergebe (Abb. 26).266 Nach II lag dieser Tempelkomplex beim ersten Ein-
züge der Spanier zur Rechten; sie hatten jedenfalls den Rio Actopan auf dem noch heute viel benutzten Paso del
Bobo überschritten, so daß sie in der Tat nicht direkt von Süden, sondern von Südosten her einrückten, also von Osten
her den großen Platz auf der Südseite des Haupttempelkomplexes überqueren mußten. Das Innere dieses Komplexes
ist ganz so, wie es II schildert: denn in der Tat sehen wir auf der einen Seite eine „hübsche Kette von Gebäuden“
(D, E, F), auf der anderen „Türme“, d. h. Tempeipyramiden (A,B). Während aber hier die Zahl der letzteren über-
halten soll; man vergleiche z. B. Tempel E auf Lám. 21 und
31 Bis! Die Bezeichnung der Hauptgebäude habe ich beibe-
halten (A— F), für die Nebengebäude dagegen eine einheitliche
Benennung (a — h) durchgeführt. H*e Sakrarien von A und B
sind nach Grundrissen, die mir Herr Geheimrat Seler freund-
lichst zur Verfügung stellte, gezeichnet. Die durch gestrichelte
Linien eingeschlossenen Teile waren z. Z. des Abschlusses dieser
Arbeit noch nicht ausgegraben.
Abb. 26.
Der Haupttempel von Cempoallan. Nach den Aufnahmen des P. P. de Romero
und F. de Castillo.
264 Cortés II. Carta p. 123/4. Gomara Crón. c. 101 (p. 103). B.
Biaz c. 122 (I p. 397 — 402). Tapia, Relación p. 590.
5 braue, de Aguilar bei Del Paso y Troncoso Catálogo II
■>66 ^/2. Herrera Dec. II L X c. 3, 4 (p. 255/6).
Hie Zeichnung stellt eine Kombination der von Jesús Galindo
y Villa 1. c.Lám. 20, 21 und 31 Bis veröffentlichten Pläne dar.
Leider weichen diese drei Pläne in vielen Einzelheiten so sehr
von einander ab, daß man oft nicht weiß, woran man sich
DIE TOTONAKEN
9
TTT , tt p v,nV»p 3_4 Türme“ und sonstige „aposentos fuertes“ umfaßt,
trieben ist, trifft die Angabe von III, er ganze g steigen nur A, B, D und E in mehreren Absätzen zu
wörtlich zu, denn von den Bauten des aup empe c ^ ^ weniger Adrige Plattformen sind, die wohl Nebenge-
einer stattlicheren Höhe an, wahrend a e u ugen ^ alg0 aucb die von den Soldaten des Narvaez verteidigten
bäude, Priester Wohnungen usw trugen , un haben sich wohl die 300 bzw. 400 Mann (III, V) bis zum
Pyramiden; auf E, das die umfangreichste a orm <^ Einklang zu bringenj was III und IV über die Stellung der
Ende des Kampfes gehalten. — Schwer ist mi ein z e zum patio,267 nach III dagegen am Fuß der Treppe
Artillerie sagen. DennnachMV stand diese andem ein^enurfriedigung (1) für die von IV erwähnte Puerta hält, er-
zu Narvaez’ Quartier.26 Wenn man das Sudtor r hat bier unter dem „Patio todo cercado de cues“ nicht
geben sich unlösbare Widerspruche. Ich glaube, ei a ^ umgebenen Hof verstanden, so daß mit der Puerta
den ganzen Tempelkomplex, sondern den inneren, T°n ’ ’ g¡ch d¡e beiden Angaben ganz gut mit einander vereinigen.
die breite Lücke zwischen a und C gemeint ist. Han pyramiden von Cempoallan nicht wesentlich von denen,
Ihrem Typus nach unterscheiden sich die folgender Weise charakterisiert: „Wie andere pyramidale
die wir aus dem übrigen México kennen. Seiet » Cempoallan in Absätzen oder Stufen auf . Einige der Bauten
Bauten in mexikanischen Landen, steigen »uo denen der untere ringsum, oder nur an der Vorderseite, ein
weisen nur zwei, aber ziemlich hohe Absätze au^ Hier ¡gt infolgedessen die Treppe, die an der Vorder-
beträchtliches Stück über die Basis des Absätze geteilt. Bei anderen Pyramiden, die zugleich beträchtlich
seite zur Höhe der Plattform emporführ ’)"f™abgätzen vorhanden, die nach oben sich gleichmäßig verjüngen, und
höher sind, ist eine größere Anzahl von " gtufen ¡n ununterbrochener Folge zur Höhe der Plattform führen.“«»
der Vorderseite ist eine Treppe angetug , großen pyl,amiden des Hauptkomplexes (Abb. 2«, A und B),
Zur letzteren Kategorie gehören vor ai mayor“ („Fortín de la plaza“) und „Casa de los pozos“ („Fortin
die bei der heutigen Bevölkerung die JN >> arftretenden) die Pyramide E des Hauptkomplexes, ferner das bo-
de las chimeneas“) führen, zur «Steren ( < » - de Mootezuma“. Was die Tempelpyramiden von Cempo-
reits erwähnte „Fortín de las caritas d g augzeicbnetj «die Mannigfaltigkeit ihres Grundrisses So
alian unter den in México erhaltene ^ einander liegenden Gebäuden, einem rechteckigen Nordbau.
besteht die Casa de Moctezuma eigen Riidbau verbunden ist. Insbesondere aber sind Pyramiden,
der durch einen niedrigen Wall m Baukörper vollständig zu einem zusammengewachsen sind, wobei der reoht-
bei denen ein rechteckiger und ein r ^ der r,mdc das Sakrarium trägt, nicht selten. Eine solche Pyramide
eckige der vordere ist (mit derIde!£auptkomplexes (D); eine andere („Templo delDios del Aire ) ist südlich davon
steht in der Mauerumfned,g',n“ u j angetroffen worden.2™
als Zentrum einer besonderen Wato g 6 ? ansteigenden „Templo de la calera . der Pyramide von
schönsten ist dieser iyP™ der hintere> ninde Baukörper allerdings schon mehr wie ein halbrunder
Nacional (s. o.), ausgebildet. ^ mexikanische„ Archäologen haben sicher Recht mit ihrer Annahme
_ ....des vorderen, viereckigen er ■ Quetzaloouatls diente, dem allein in México runde Tempel errichtet
daß diese Klasse von Tempeln e pag0 y Troncoso nunmehr glaubt, daß alle Tempel Quetzalcouatls
wurden Aber es geht zu weit, we’ ndeinem rundenMassiv bestehenden Baukörper besessen hätten.222
diesen eigentümlichen, aus einem i mexikanischen Hochland zahlreiche kleine Tonmodelle von Quetzalcouatl-
Genn es gibt in den Sammlungen au ß obne viereckigen Anbau, haben, und bei Huexotla hat man einen
Tempeln, die ^"n"e“ ausgegraben’. der noch die besondere. vWM.,.. - — ’
Am
a _ — *---- , uer Pyramide von
T 1 ‘Idet bei der der hintere, runde Bankörper allerdings schon mehr wie ein halbrunder
Puente Nacional (s. o.), ausge i Die mexikanischen Archäologen haben sicher Recht mit ihrer Annahme,
Aushau des vorderen, viereckigen ^ *Quetzalcouatls diente, dem allein in México runde Tempel errichtet
daß diese Klasse von Tempe n Del paso y Troncoso nunmehr glaubt, daß alle Tempel Quetzalcouatls
wnrdpn AEpr OS veht zu wei , hteckigenundeinem rundenMassiv bestehenden Bankörper besessen hätten.271
dem mexikanischen Hochland zahlreiche kleine Tonmodelle von Quetzalcouatl-
■unden Grundriß, ohne viereckigen Anbau, haben, und hei Huexotla hat man einen
Tempeln, die einen absolut üreisi ausgegraben, der noch die besondere, gleichfalls auf Quetzalcouatl hinweisende
kreisrunden, gut *^ne Absätze spiralig, wie die Windungen einer Schnecke, ansteigend72 Ich bin eher ge-
Eigentümlichkeit esi z ^ p<eInpoallan und Puente Nacional für einé besondere Eigenart des Küstengebietes zu halten,
neigt, dieRundtemp^von^ei^^^ Baxlten von Cempoallan ist die Zinnenverzierung, die schon Gomara an ihnen
Eine welter® 6stufenzinnen, einfache und doppelte, umgaben ursprünglich die Plattformen der meisten Pyra-
hervorgehohen a, ‘ nd und an ¿en Seiten,273 Zinnen bekrönten auch die Umwallungen der Tempelbezirke, so stellen-
naiden auf der m jjaupttempels. Außerhalb Cempoallans ist diese Verzierung im totonakischen Gebiet nur
weise noch jetz 116 Nacional (an der Mauer, die sie auf der Rückseite umgibt) und auf der Ruinenstätte von
bei der Pyramide von
worden 274 Es scheint auch, daß sie hei den Tempeln des mexikanischen Gebietes nicht gerade
Jico Viejo angetro e ^ ^ Wort tenamitl in den Ortsnamen des Codex Mendoza durch eine Zinnenmauer aus-
häufig vorkam; zwar hen
Atenanco Tenanco, Tenantzinco, Tenayocan, Tetenanco), doch fehlen in den histo-
gedrückt (vgh dJ8 H'erc
B indem in solchen Einzelheiten sehr genauen Lienzo deTlaxcala, die Zinnen bei der Dar-
rischen Bilderschn en^ pelumwallungen usw. stets. Aber ganz allgemein war der Zinnenschmuck offenbar hei den
Stellung vonManem^- ^ ^ ^ BilderBchriften der Codex Vindobonensis-Gruppe stammen: Besonders schön
Tempol11 de. . . 271 p>el Paso y Troncoso Catálogo II p. 12.
__________.1 „.Uniinatmertatnr^o.—
O' 1 oxría pn el patio una puerta por donde avian de entrar
„.. .00 o a\ +a toda la artillería.“
y en ella estava pe »
... y en la una de las dichas torres, donde el dicho Narvaez
estaba aposentado, tenia á la escalera della hasta diez y
nuevo tiros de fusilería.“
269 Seler G. A. V p. 143/4.
270 Paso y Troncoso CatálogoHp- 314/5, 336/7. Jesús Galindo
y Villa 1. c. p. CXXXVIII/IX und Lám. 31-33. Heute ist
sie nach Seler 1. c. p. 149 fast ganz zerstört.
w 1 *
272 ßatres, Mis exploraciones en Huexotla, Texcoco etc. (México
1904) p. 14/5, Lám. 14 — 17.
a’2 Noch erhalten sind sie am Templo mayor. Fortín de las
chimeneas, Casa de Moctezuma, Templo almenado (nördlich
vom Haupttempel). Zu letzterem cf. Hel Paso y Troncoso
Catálogo II p. 308.
274 pewbes Antiqu. p. 246. „Parts of a battlement like that on
Cempoalan pyramids.“
10
WALTER KRICKEBERG
zeigt der Codex Nuttall auf einigen Blättern die den Tempelhof umschließende Zinnenmauer. Auf dem Lienzo de
Zacatepec stehen sämtliche Tempel scheinbar auf einer Mauer mit nach unten gerichteten Zinnen, wodurch wohl
in naiver Weise ausgedrückt werden soll, daß die Plattform der Pyramide von einer Zinnenmauer umgeben ist. Im
Codex Vindobonensis dienen Zinnenmauern als Umrahmungen für alle möglichen Symbole und Gegenstände, und
im Codex Becker spielt sich das Sacrificio gladiatorio (das Xipe-Opfer) innerhalb einer zinnenbekrönten Umfriedigung
ab.275
Vor den Treppenaufgängen der Pyramiden stehen gewöhnlich niedrige Aufbauten oder Pfeiler von kubischer
oder zylindrischer Gestalt, die nicht selten mit einem Teil ihres Umfanges noch auf der Treppe selbst ruhen.276 277 Sie werden
als Postamente von Götterbildern und sakralen Gefäßen, als Altäre u. dgl. gedient haben. Interessanter sind die
niedrigen, mit Treppen versehenen Plattformen, gleichfalls von quadratischer oder runder Gestalt, die sich
in den Höfen der Tempelbezirke vor den Pyramiden erheben, und die die mexikanischen Archäologen „momoztli“
oder „humilladeros“ nennen. Ein ganzes System solcher Auf bauten findet sich z.B., wie der Plan Abb. 26 zeigt, in dem
viereckigen Raum, der durch die großen Pyramiden A und B und die kleine Doppelpyramide a gebildet wird (b, c, d),
eine weitere Gruppe (e) nebeneinander gestellter momoztlis vor der großen Pyramide E (ähnlich auch vor dem Templo
del Dios del Aireusw.). Die letzteren sind viereckig, ebenso wie b, zu dessen Plattform Stufen auf allen vier Seiten
emporführen, c ist eine massive, runde Plattform mit Stufen auf drei Seiten und einem Zinnenkranz am Rande, d ein
einfaches Mauerrund (pretil), gleichfalls zinnenbekrönt, mit Treppe auf einer Seite und innen mit festgestampfter
Erde ausgefüllt. Del Paso y Troncoso vergleicht b mit den „monumentos votivos al Sol“, c mit den „recintos que se
usaron para el sacrificio gladiatorio“ des mexikanischen Gebietes und d mit gewissen sakralen Bauwerken, die auf
taraskischen Bilderschriften erscheinen.27 7 Was b und c betrifft, wird Del Paso y Troncoso, der die Plattformen für das
quauhxicalli und den temalacati der aztekischen Tempelanlagen meint, das Richtige getroffen haben; denn es ist
anzunehmen, daß diese Kultbauten, die wohl bei keinem mexikanischen Volke, das Menschenopfer gekannt hat,
gefehlt haben, auch bei den Totonaken vorkamen. Ganz ähnliche viereckige und runde Aufbauten mit Stufen sind
in den tzapotekischen Städten allgemein angetroffen worden,278 und in den Codices der schon öfter herangezogenen
Vindobonensis-Gruppe sieht man sie gerade auf den Bildern des Sacrificio gladiatorio dargestellt.279 Zur Erklärung von d
möchte ich aber statt auf die entlegene taraskische Parallele lieber auf Darstellungen im Codex Nuttall —also wiederum
in einer Bilderschrift der Codex Vindobonensis-Gruppe —verweisen, die Seler als Feuerherde gedeutet hat. Hier
sieht man, stets in Verbindung mit Tempeln, aber nicht unmittelbar vor dem Treppenaufgänge, sondern etwas seitlich
(also ganz wie im Hof des Haupttempels von Cempoallan) gemauerte Postamente, darauf eine mit Zinnen umsetzte,
kreisrunde Steinmauer, die perspektivisch falsch in Aufsicht wiedergegeben ist. Aus dem Loch in der Mitte kommt
das Feuer in Gestalt der Feuerschlange (xiuhcouatl) hervor. Eine ganz ähnliche Darstellung kommt an einer Stelle
des Codex Borgia vor, und in mehr realistischer Auffassung sieht man den mit Zinnen umsetzten Feuerherd auf dem
schönen, dem Panquetzaliztli-Feste gewidmeten Blatte des Codex Borbonicus, hier allerdings im Innern eines
Tempels; doch auch auf einem der erwähnten Blätter des Codex Nuttall ist über dem Herde ein spitzes Strohdach
dargestellt, ein Zeichen, daß diese Bauten bisweilen überdacht waren. Nach Seler ist vielleicht auch ein runder, halb-
unterirdischer Bau, der bei den Ausgrabungen in der Calle de las Escalerillas in der Stadt México freigelegt wurde
und der am Rande eine runde Mauer mit einem Zinnenkranz und in der Mitte ein zu einem kellerartigen Raum
hinabführendes Loch aufwies, zu diesen Bauten zu rechnen.280
Zu einer anderen Klasse von Bauten, die mit Tempelpyramiden verbunden sind, gehören die gewöhnlich auf
dem untersten Terrassenabsa tz unmittelbar vor dem Treppenaufgang stehenden, durch niedrige Mauern und Pfeiler
(oder Halbsäulen) gebildeten rechteck igen Einfriedigungen, die der Casa de los pozos (oder de las chimeneas)
den Namen gegeben haben, die aber auch von anderen Bauten in Cempoallan und anderwärts beschrieben werden.281
Beim Fortín de las chimeneas ist dieser Bau am besten erhalten. Vier hohle Halbsäulen aus Mörtel, 1,30 m hoch,
bilden, mit den flachen Seiten einander zugekehrt, ein Rechteck, an dessen Schmalseiten sich niedrige Steinmauern
(Sitzbänke ?) anschließen. Auf der flachen Seite der beiden der Tieppe am nächsten stehenden Halbsäulen waren
Mörtelreliefe von Eidechsen angebracht. Beim Templo del pimiento sind augenscheinlich nur die niedrigen Steinmauern
erhalten, beim Templo del Dios del Aire ähnelt der ganze Bau mehr dem Grundriß eines Sakrariums mit einem durch
zwei Pfeiler geteilten Eingang. Am meisten Ähnlichkeit hat noch die Anlage von Paschilila, die sich ausnahmsweise
275 C. Nuttall f. 5, 10, 21, 37/8. C. Vindob. f. 2, 26, 13 verso.
C. Seiden f. 3, 6, 7, 9 etc. C. Becker f. 9/10.
276 Viereckiger und runder Aufbau; Casa de Moctezuma, Templo
del baño (Del Paso y Troncoso Catálogo II p. 26, 308),
Fortín de las caritas (Fewkes Antiqu. p. 242). Ein runder
Aufbau: Casa de los pozos (Strebel, Ruinen von Cempoallan
P- 12/13), Templo del Dios del Aire (Del Paso y Troncoso
b c- p. 315). In verschiedenen dieser Aufbauten finden sich
277 i,ache Vertiefungen.
b^lPaso y Troncoso Catálogo jj p. H/12. Bei demHinweis
auf taraskische Parallelen hatDelp.yT. Bauwerke im Auge,
27jjM(^e s^e Seler G. A. III p. 93/4 beschrieben hat.
“ 8 Seler G.A. II p. 187, 191 (Quiengola), III p. 482 (Mitla).
Holmes, Ancient Cities of Mexico II p. 214/5, 217, 220, 224
etc. und Batres, Explorations of Mount Alban (México
1902) p. 11 (Monte Alban). Cf. auch Seler G. A. II P- 206
(Tepoztlan).
2,9C, Becker (ed. Henri de Saussure) f- 19*
280 Seler C. B. II p. 88-40. Cf. auch Seler G.A. II p. 762 und
868 — 870 (hier wird der kellerartige Bau in der C. de las Es-
calerillas noch anders gedeutet).
281Templo del pimiento = Tempel No. IH (Stiebei) in Cempoallan
(Strebel, Die Ruinen von Ceinpoa^an P* H Taf. III, 3;
Hel Paso y Troncoso Catálogo H P« 310). Templo del Dios
del Aire in Cempoallan (Del paso y Troncoso l.c.p. 314/5,
Jesús Galindo y Villa 1. c. p* t'XXXVIII/IX u. Lám. 31).
Tempel in Paschilila (Strebel 1. c. p. 35 u. Taf. VI, 1).
te
'
die totonaken
11
. , p,att.form der Pyramide selbst erhebt, mit der des Fortín de las
nicht vor dem Treppenaufgänge, sondern auf der P . massive zylindrische Pfeiler ans Mörtel von 2 m Höhe,
chimeneas, nur finden sich hier statt der vier hohien H ^ #n dag qnauhxicalli und den temalacatl der
_ Während man bei den werter oben erwähnten pla beschriebenen unwillkürlich an das teotlachtli und das
aztekischen Tempel erinnert wird denkt man J»61 d<® totonakiSchen Tempeln gefehlt zu haben, da sie B. Diaz
tzompantli. Aber tzompanths (Schadelgeruste) scheu Hochlande von Tlaxcala als etwas ganz Neues, bis
erst in Cocotlan (heute Zautla unweit Iztacamaxtitlan) teotlachtli (Götterballspielplatz) ist die Form doch
dahin nicht Gesehenes ausführlich beschreibt - Vn Mi dargestellt worden sein. Näher liegt es wohl, diese
zu abweichend, auch könnte natürlich nur ein Mmiatm ^ ^ deuten-283 eine Parallele aus dem übrigen México auf-
Einfriedigungen als Bäume für bestimmte Kulthandlunge da’ß auch auf einem Bilde des Haupttempels von
zufinden, ist mir nicht möglich gewesen, doch sei dar d ^ der untersten vorgeschobenen Terrasse, allerhand
Tenoch tifian in der Collection Aubin-Goupü auf dem P
merkwürdige Baulichkeiten angedeutet sind.2 empoallan leider nur wenig erhalten. Augenscheinlich bestanden
Von den Sakrarien ist auf den Pyramiden von ,ms Holz und Stroh; das ist uns ja auch für die Haupt-
sie nur zum Teil aus Stein und Kalk, zum größeren bezeugt (,. o.). Verhältnismäßig am besten
Pyramide durch die Berichterstatter der Narvaez- J - ten m derZeit .ais Strebei die Ruinen untersuchen ließ.28?
war noch das gakrarium der kleinen Casa doMoctez _ Türöffnung, über der noch der abschließende Holzbalken
Es ist ein einfacher, rechteckiger Baum (6 X3.5 m, p iden des Hauptplatzes (Abb. 26, A und B) sind die
zum größten Teil vorhanden war. Au f ”“ ^hen Archäologen 1890/91 freigelegt worden, doch scheint leider
Grundmauern der Sakrarien erst durch d|e mexik sein> wie ein Vergleich mit der neueren Aufnahme
der von den Ingenieuren entworfene Grundriß me J ^ ^ ^ ianggestrecktes, rechteckiges Gebäude mit
desFortin de las chimeneas durch Seler «£ A" len für Idole an der Rückwand. Komplizierter ist der Grund-
breiter Türöffnung an der Vorderwand und zw i P^ bei den Tempeln von Palenque, das Allerheihgste ein be-
riß <les Sakrariums auf dem Haupttempeh Hier w ^ die Büokwand angebaut war und nur für ein Idol ein
1 IT « rvmach das im Innern des Sak ^ erhebt sich auf der Pyramide des Fortín de las ca-
sonderes, kleines hemacn, a+4S11Tld interessanteste Hau erneut J J _ ,
Piedestal enthielt.287 Der eigentümlichste und m ^ ^ ^ bis zum Rande der oberen ca 13,5 X m messenden
ritas. Seiner ziemlich großen Ausdehnung wegen ^ und ist im Innern weder durch Querwände noch Pfeiler
“ , -Mropt Mich nach der Treppe zu 11 «ondern nur einen oben offenen, mauerumschlossenen
-nehmen, daß er einst kein Dach tiug,—^ ^ an den Rand der Plattform vorge-
get ’ * u jie Pyramide von Xochi g angenommen, daß es einst überdacht war. Die Mauer
ErT : tkrariurn th Wird von diesem ziem,in sehr bemerkenswerter Weise verziert; oben
schoben f dem Fortín de las cantas is diPWand eingelassenen Totenschädeln eingenommen werden,
des Sakranum auf dem^ Kassetten, die von tönernen, in dieWandeing darstellen. Seler hat diese Ver-
TigtTrX*en d" die Hieroglyphen der Sonne^^“haft aufmerksam macht, die zwischen dem Schädel-
danin C1 d beschrieben, wobei er au i , d zwischen den Fresken und gewissen Darstellungen
“Änhimmelfries der ^"^"Suensis-Gruppe, besteht.288 Es sind also eine ganze Reihe
In mexikanischen Bilderschriften speziel^^ B¡ldersohr¡ften mit den Tempeln von Cempoallan verbinden. Daß das
auffälliger Parallelen, die diese ™ eiter unten sehen.
seine guten Gründe hat, werden wn- wm Tempelbauten ist die Pyramide von Papantla im nord-
Von Völlig anderer Art als die w bekannt als die Pyramiden von Cempoallan und nicht weniger berühmt
liehen Totonakengebiet die schon v.e^fccharakteristik der sie im Winter 1902 besuchte, an den Anfang:
diese ist. Wieder setze ich eme aufgeführte, in sieben Absätzen aufsteigende Pyramide, die bei den
' Es ist eine, aus festem vulkamso en _ der Blitz d. h. wohl der Regengott, bekannt ist. Ihre besondere Eigen-
Totonaken der Gegend unter mR Nischen geschmückt ist. Gruppen von je drei kleineren Nischen
tümlichkeit ist, der Mitte, in Abständen von 7 bis 8 Stufen, angebracht. Größere Nischen, von nahezu
quadratische* Nischen, deren (nicht mehr genau feststellbare) Zahl
iDiese oben durch ein pior Bed(mt geführt hat, und deren jede einst eine Figur enthalten haben soll,
. allerlei Mutmaßungen über Temnelarchitektur des ganzen übrigen México, das Mayagebiet eingeschlossen,
kommen »““^^chtwar die Nischenverzierung also wirklich ein besonderes Charakteristikum der totonakischen
nicht wied ag5 Strebei, Die Ruinen von Cempoallan p. 16. Ähnlich bei dem
fil (I P- 175/6)- „ kleinen ,,Tempel IV“ (ibid.), den ich in den späteren Beschrei-
B- 1)1 aZ. , -pewkes haben angenommen, daß die 4 a - bungen Von Cempoallan nicht wiederfinden kann.
Strebei un Daches bildeten; ,,this buildmg vas ^ T n„i;urin x, Villa, 1. c.TAm. 20undSelcT- n \ ^ ko
. tt IV, kleinen ,,iempci x v opowicu J
-o Díaz c. 6t H V- 1' ■ ' ben angenommen, daß die 4 Ha - , en von Cempoallan nicht wiederfinden kann.
Strebei und Fewk 1 DacbeS büdeten; „Ibis building was 286 jesds GaHndo y Villa l.c.Lam. 20undSeler G. A. V p. 153.
Säulen die Stützen ein ^ gateway, a waiting room for those ^ platt{oriI1 {anden sich die Grundmauern von „pilastras,
possibly an antecham .eginthetempleontbepyrainlck . escalinatas, paredes exteriores, tabiques divisorios
who took part in the ce paso y Troncoso nennt das departamentos, etc. Es notable la pequeña escalinata
(Fewkes Antiqu. p- ^Tn^rindgotttempel vergleicht er a. ‘ , . ------- TVi p.-« -
(Fewkes Antiqu. p. 239)- 1/01 ’
Bauwerk eine „glorieta“. Am Windgotttempel vergleicht er
die -„casilla“ mit den in den Treppenaufgang des Tajin von
Papantla eingebauten Nischen; die Ähnlichkeit mit der „glo-
rieta“ des Fortín de las chimeneas ist ihm nicht aufgefallen.
2S4Abbildung bei Seler G. A II p. 7^'
repisas, escalinatas, Uivisorios
de los departamentos, etc. Es notable la pequeña escalinata
del santuario, con sus indispensables estribos.“ Del Paso y
Troncoso Catálogo II p. 303.
288 Seler G. A. Y p. 144-148.
289 Seler G. A. II p. 269/70.
12
WALTER KKICKEBERG
Architektur. Denn sie findet sich auch bei der jetzt zum größten Teil in Ruinen liegenden Pyramide von Yohualliche
im Distrikt Zacapoaxtla, die ohne Zweifel ebenfalls dem alten Totonakengebiet angehört.290 Sodann kommt sie, wenn
auch entfernt nicht in der Ausdehnung wie amTajin, an einigen Bauten des südlichen Totonacapan vor. In der Mitte
des Unterbaues des schon erwähnten Tempels von Paschilila fand sich nach Strebe! eine 80 cm hohe, 60 cm breite und
1,15 m tiefe Nische, in der eine steinerne Figur stand.291 In Cempoallan zeigt der Unterbau des Fortín de las caritas
auf der Rückseite eine quadratische Nische.292 Vor allem aber haben die Tempelpyramiden von Rancho Colorado,
Los Atlixcos und Puente Nacional, weiterhin auch die der Umgegend von Centla (also schon außerhalb des totonakischen
Gebiets) als durchgehendes Kennzeichen eine Nische in dem oberen, vertikal verlaufenden Abschnitt der Treppen-
wangen, und auch in diesen sind öfter Idole gefunden worden.293 Auch beim Tajin ist ja dieser Teil der Treppenwangen
mit einer Nische verziert, wie es die von Jesús Galindo y Villa veröffentlichte Rekonstruktion der Pyramide deutlich
zeigt. —Von diesen vereinzelten Parallelen abgesehen, fehlt meines Erachtens bisher noch jede Möglichkeit, den Typus
des Tajin an irgend einen der sonst bekannten Typen mexikanischer Sakralbauten anzuknüpfen. Jedenfalls kann ich
nicht finden, daß er dem der zentralamerikanischen Bauten nahe verwandt sei, wie Fewkes294 behauptet hat.
Das Sakrarium auf der Plattform des Tajin ist heute größtenteils zerstört, doch hat es offenbar ganz den massiven
Stufenabsätzen geglichen und gleichfalls Nischen besessen. Bei der ebenfalls im nördlichen Totonacapan gelegenen
(übrigens nicht zum Typus des Tajin gehörenden) Pyramide von Tuzapan, die meines Wissens seit Carlos Nebel
nicht mehr beschrieben worden ist, soll das Sakrarium ähnlich wie bei den zentralamerikanischen Mayabauten eine
dreieckig zulaufende, also durch Überkragen gebildete Steindecke besessen haben,295 jedenfalls ein Unikum in diesem
ganzen nördlichen Gebiet, das nur flache Balkendecken oder spitz zulaufende Strohdächer kannte. Das Monument
scheint auch sonst manches Interessante auf gewiesen zu haben, z. B. einen um die Cella laufenden skulptierten Ornament-
fries.
Zum Schluß möchte ich noch auf eine besondere Klasse von sakralen Bauwerken kurz hinweisen, die vorläufig
allerdings nur unter einem gewissen Vorbehalt zusammengefaßt werden können, da die aus drei verschiedenen Quellen
stammenden Berichte nicht ausführlich oder klar genug sind, um einen Vergleich in allen Punkten durchführen
zu können. Es handelt sich um eine Art kleiner, freistehender „Kapellen“, d.h. um Bauwerke mit Nischen aut der
Vorderseite und gewöhnlich in Verbindung mit Gräbern. Am besten sind sie durch Strebei aus Tacahuite bei Vega
de Alatorre (9 Leguas von Misantla) beschrieben worden. Hier stehen inmitten des Urwaldes zahlreiche, einem kleinen
Hause ähnliche Aufmauerungen aus Flußsteinen und Mörtel, an der Basis eine Vara lang, mit einer ausgehöhlten Stufe
im Fundament, einer Nische im Mittelbau und einem Pultdach. Unter einer fand man menschliche Knochenreste.296
Strebei weist selber auf die Ähnlichkeit hin, die diese Bauwerke mit den von Gondra auf dem Monte Real bei Misantla
entdeckten Grabbauten haben. Diese Grabbauten, von denen Gondra eine ziemlich phantastische Zeichnung
(mit gewölbtem Nischenabschluß !) veröffentlicht hat, sollen menschliche Skelette in Hockerstellung enthalten haben.297
Schließlich wurden noch auf dem Cerro de Maria Andrea (Meeresküste, nahe Laguna Verde) von den Mitgliedern der
Expedition der Junta Colombina zahlreiche kleine Bauwerke aufgefunden, denen sie den Namen „Boveditas“
gaben. Del Paso y Troncoso beschreibt sie mit folgenden Worten: „Alle haben das Aussehen aztekischer
Häuser und sind aus Laja-Platten erbaut und mit Mörtel bekleidet. ... sie haben die gemeinsame Eigentümlichkeit
mit ihren Eingängen dem Meere zugekehrt und infolgedessen im allgemeinen östlich orientiert zu sein. Sie sind auf
allen übrigen Seiten geschlossen und haben nur einen einzigen Eingang, der ihnen den Anblick von Nisc hen gibt.“
Die letztere Bemerkung und die Angabe, daß sie sich wie kleine „aztekische Häuser“ ausnähmen, lassen ihre Ähn-
lichkeit mit den von Strebei beschriebenen Bauten erkennen.298 Während nun dieser glaubt, aus ihrer ungewöhnlichen
lorm auf eine Entstehung in spanischer Zeit schließen zu müssen, und sie als Kapellen für Heiligenbilder oder als
Grabmonumente deutet, hält Del Paso y Troncoso, wie ich meine mit Recht, an ihrer vorspanischen Entstehung fest.
Er nimmt an, daß in den Nischen Idole standen, daß es also Kultstätten waren, in denen man die aufgehende Sonne
gemeinsam mit dem Meere verehrte, oder, wie mir näher zu liegen scheint, in denen man die Reste der zu Ehren
der Berg- und Regengötter geopferten Kinder niederlegte.
Wir verlassen nunmehr das archäologische Gebiet und wenden uns wieder den Berichten der alten spanischen
Autoren zu, die für Priestertum und Kultus der Totonaken allein als Quellen in Betracht kommen.
„Die Priester werden ,Quines4, in der Einzahl Quin genannt; sie leben ehelos und unverdorben. Man verehrt
sie mit achtungsvoller Scheu.“ Mit diesen Worten spricht P. Martyr über die Priester von Cempoallan.2" Der Name
Quin scheint indes nicht totonakisch zu sein. Vielleicht gibt P. Martyr, der in seinen rasch geschriebenen Berichten
des öfteren nicht zusammengehörige Dinge durcheinander wirft, — verlegt er doch einmal Potonchan an die Veracruz-
290 Seler G. A. III p- 538.
291 Strebei, Die Ruinen von Cempoallan p. 35, Taf. VI, 1 D.
292 Del Paso y Troncoso Catálogo II p. 25/6; Jesús Galindo
y Wlla 1. c. Lám. 18.
9,5 Del Paso y Troncoso 1. c. p. 319, 320, 334; die Nischen sind
(*er -.carácter constante de todos los monumentos totonacos
qae he reconocido, salvo los de Cernpoala. . . . “ (p. 30). Über
Centla cf. Bancroft N. R. IV p. 442/3 (nach Sartorius).
294 I ewkes Antiqu. p. 249.
90 Nebel, Voyage pittoresque. Planche „Templo Antiguo de los
Totonacos en Tusapan.“ („Le haut de cet endroit est voûté
en pointe en suivant la ligne extérieure du toit. )
296 Strebei, Altmexiko II p. 15/16.
297 Gondra bei Bancroft N. R. IV p. 45L
298 Deipas0yTroncoso Catálogo H p- 282/3, Jesús Galindo
y Villa l.c.p. CXLIV/V. Leider ist die von einem Teilnehmer
der Expedition entworfene Zeichnung, die Del P. y T. seiner
Monographie über die Totonaken einverleiben wollte, noch
nicht veröffentlicht.
299 P. Martyr, De Insulis p. 35.
DIE TOTONAKEN
13
wie
in
Küste, — hier eine verstümmelte Form des Maya Wortes für „Priester“, ah-kin, wieder. — Der Eindruck den die
totonakischen Priester in Cempoallan auf die Spanier machten, war höchst abstoßend. Sie starrten von Schn nt
und vom Blut der Opfer, ihr Haar war lang und wirr und schwarz die Farbe ihrer Tracht, ganz wie wir es auch ° T Z
aztekischen Opferpriestern hören. B. Diaz schildert die acht Priester, die für die später von den Spaniern zerstö t^
Idole zu sorgen hatten, mit folgenden Worten: „Die Kleidung, die sie anhatten, waren schwärzliche Stücke Zeu ^
nach Art von Soutanen und weiten Leibröcken (lobas) bis zu den Füßen reichend, ferner eine Art Pelerinen (c^R68-5
sc. capillas) ähnlich denen, die die Kanoniker, und kleinere, wie sie die Dominikaner tragen. Die Haare trugen sF
sehr lang, bis zum Gürtel, einige sogar bis zu den Füßen, vollgeklebt mit Blut und so verfilzt (enrretr ados) daß nuT
sie nicht ausbreiten konnte. Die Ohren waren in Stücke geschnitten, da man aus ihnen sich Blut abzapfte Sie stanken
Schwefel, und um sie verbreitete sich noch ein anderer übler Geruch, wie von totem Fleisch.“300
Strebei hat darauf aufmerksam gemacht, daß eine Gruppe von Tonfiguren der Ranchito de Jas Animas-Fund
ihrer Kleidung ganz dieser Schilderung entspricht. Auch hier besteht die Tracht der Priester aus zwei Stücken^
einem weiten „Leibrock“ und einer Art Pelerine (oder einem überfallenden Kragen, wie Strebe! sagt).30* Ich möchte
noch hinzufügen, daß sich dieselbe Eigentümlichkeit bei anderen Tonfigurentypen des südlich an Totonaca
grenzenden Gebietes wiederholt; diese auffällige Erscheinung und die ebenfalls schon von Strebei bemerkte Tatsache
daß die Tracht der Priester der Insel S. Juan de Ulüa von B. Diaz (c. 14) mit fast denselben Worten wie oben beschrieben
wird, legen es nahe, bei dieser Priestertracht an ein südliches Kulturelement zu denken, das in Totonacapan'EiiTa^1
gefunden hat. Die Tracht der aztekischen Priester war jedenfalls ganz anders; sie trugen anstatt des Rockes die Schamf
binde und anstatt der Pelerine ein ärmelloses Wams (xicolli).
,,Wie sie sagten und wir in Erfahrung brachten,“ fährt B. Diaz an der bezeichneten Stelle fort, „waren diese
Priester die Söhne Vornehmer. Sie hatten keine Frauen, fröhnten dafür aber dem verruchten Laster der SodomicT
Sie fasteten an bestimmten Tagen; was ich sie essen sah, war das Mark oder der Kern (meollos o pcpitas) der Baum
wollfrucht, (den man gewinnt,) wenn man sie abstreift. Vielleicht aßen sie aber auch andere Sachen, die ich glaube ich
nicht sehen könnte.“ Eingehendere Angaben über Tätigkeit und Stellung der Priester finden sich in den Bericht
jenes oben erwähnten, ungenannten Augenzeugen der totonakischen Zeremonien, die uns Las Casas und Torquemad
überliefert haben. Es gab danach 6 Priester,302 die gewählt wurden, und zwar war einer von ihnen der Oberpriest &
dann folgten die übrigen, deren Rang sich in der Reihenfolge, in der sie gewählt waren, abstufte. Der zuletzt ErvChlT’
hatte also den niedrigsten Rang. Wenn der Oberpriester starb und die Bestattungsfeierlichkeiten vorüber^ G
übernahm der im Range Nächste seine Würde. Eine große Feier wurde veranstaltet, wobei die übrigen Priester T*’
mit einer Paste aus flüssigem Kautschuk (ulli) und dem Blute geopferter Kinder salbten. Hierauf bezeugte ihm d^
ganze Ort seine Ehrerbietung, dankte ihm dafür, daß er die Würde auf sich genommen habe, und leistete ihm den Fi l
des Gehorsams.303 Überhaupt waren Achtung und Verehrung, in der die Priester standen, außerordentlich geltet
die Kaziken und Vornehmsten begegneten ihnen mit fast demütiger Scheu. Wenn sie zur Verrichtung ihrer täalicl e
Andacht im Tempel erschienen, beugten sie ihr Haupt vor ihnen und sprachen: „Große Sonne und Du Gotth TI
Möget ihr ihm (dem Oberpriester) sein Leben durch lange Jahre erhalten.“ — ’ leit •
Aufgabe der Priester war vor allem der tägliche Kult, der überwiegend in Räucherungen (s. u.) bestand
mit profanen Dingen durften sie sich nicht abgeben. Bei diesen Kultübungen diente der dem Range nach zweite p’ • T*
dem Oberpriester als Assistent. Nach Beendigung der Zeremonien brachte ihnen ein Tempeldiener große C*?- rT
oder Schalen mit Erdpech (betumen), mit dem sie sich Gesichter und Körper tief schwarz färbten Geo- r° 6 ^ ^
morgens versammelten sie sich dann in einem großen, zu diesem Zwecke bestimmten Gebäude und setzten1 ^i!*1
strenger Beobachtung ihrer Rangfolge nieder. Dann erschienen Diener, ebenfalls kohlschwarz ‘mfärb/milT '
ihnen Essen, bisweilen Fleisch, sonst Bohnen, die auf vielerlei Art zubereitet waren. Drei alte Weiber’ ie 1 ™hten
Jahre alt, kochten ihnen das Essen. Ihr Lebensunterhalt wurde aus den Almosen der Kaziken Vornehm ^ ^
übrigen Volkes bestritten und reichte stets aus. Was übrig blieb, wurde in Kästen aus dünnen Brettern aufb^ l ^
Nach dem Essen begann der Oberpriester alte Geschichten zu erzählen, von der Güte und Herrlichkeit ! * q ~~
der anderen Götter usw. Ein andermal erließen sie Gesetze und Verordnungen zur guten Verwaltung der n
dermal wieder pflogen sie erbauliche Gespräche (platicas honestas). Um die Vesperzeit herum machte. u ^
i Spaziergang in die Berge hinein, erquickten sich und lustwandelten, worauf sich jeder in seine Wohm i
zog. Vorher aber ging der zweite Priester noch einmal zum Tempel und schärfte den „Sakristanen“ d h denT i
dienern, ein, sorgsam nach den Idolen zu sehen und sie sauber zu halten. Diese Tempeldiener waren eine Art r-'
brüder; jeder einzelne diente eine Woche (era semanero) und hatte vor allem die Aufgabe, das Tempelfeuer zu unte'
halten.304
Neben dieser, sozusagen offiziellen Priesterschaft, die sich dem Kult aller Götter und vor allem dem
widmete, gab es noch eine besondere Klasse von Priestern speziell für den Dienst der großen Himmelsgött
an
einen
300 B Díaz c. 52 (I p. 149). Es muß capillas heißen, wie aus der
Parallelstelle 1 U (p. 41) ^vergeht. Herrera Der, II 1.
V c. 14 sagt: Mantas largas, negras, con Capülas como de
Capas de Coro, con otras menores, que parecían de Frailes
Dominicos...........
301Strebel, Altmexiko I p. 11 und 78.
302 D. h. wohl in jedem der kleinen totonakischen Gemeinwesen.
Speziell beziehen sich die Angaben wohl auf Cempoallan.
303Torquemada 1. IX c. 7 (II p. 180).
304Las Casas Apol. Hist. c. 175 bei Kingsborough VIII p. 213 —
222. Ich gebe die sehr weitschweifige Erzählung teilweise
gekürzt und mit einigen Umstellungen wieder.
14
WALTER KRICKEBERG
bei Tag und Nacht aufzuwarten hatten. Der spanische Bericht nennt sie „Mönche“, nicht ganz mit Unrecht. Es
waren zwei alte Männer, die im Geruch besonderer Heiligkeit standen, denn sie führten ein untadeliges Leben; daher
suchte sie jedermann auf, der ihre Vermittelung bei der Anrufung der Göttin oder auch der anderen Götter brauchte.
So bestanden ihre ganzen Andachtsübungen darin, für das Gedeihen der Länder, Orte und Personen, die sich ihnen
empfohlen hatten, zu beten. Selbst die .Oberpriester verschmähten es nicht, sie aufzusuchen, um sie um ihren Rat
in geheimen, schwierigen Angelegenheiten zu bitten. Aber nur zu denen, die in irgend einem Falle ihren Rat, ihre
Hilfe oder Gunst in Anspruch zu nehmen kamen, durften die „Mönche“ überhaupt sprechen. Wer sie aufsuchte,
fand sie stumm, mit geneigtem Haupte und niedergekauert dasitzen, in Demut und Selbsterniedrigung vor der Gott-
heit. Ihre Kleidung waren Schakalfelle, ihre Haare in Flechten gelegt und mit Schnüren umwunden (encordonados
ó hechas crisnejas); sie aßen kein Fleisch . So führten sie ein Leben voll Einsamkeit und Buße im Dienste der großen
Göttin. Wenn einer von ihnen starb, wählte der Ort einen anderen, der wegen seiner ehrenwerten, exemplarischen
Lebensführung allgemeine Achtung genoß, nicht mehr jung war — er mußte die Sechzig oder Siebenzig bereits über-
schritten haben —und verheiratet gewesen, jetzt aber schon Witwer war. Neben ihrer Hauptaufgabe, allen Bedrängten
Zuspruch und Hilfe zu spenden, fiel den beiden „Mönchen“ noch besonders die Anfertigung der Bilderschriften zu,
die nachher von den Oberpriestern in ihren Predigten dem Volke ausgelegt wurden.305
Die große Himmelsgöttin, der diese „Mönche“ dienten, ist, wie wir oben sahen, wohl zweifellos mit der Tlagol-
teotl (Teteoinnan) der aztekischen Quellen zu identifizieren. Von ihr sagt Sahagün zwar nicht, daß sie von
den Totonaken, wohl aber, daß sie von den Mixteca und Olmeca (d. h. der Bevölkerung der Küstengebiete im Süden
von Veracruz, wo es auch eine „Mixteca“ oder vielmehr „Mistequilla“ genannte Landschaft gab) verehrt wurde.
Bei diesen war es, wenn einer krank wurde, Brauch, daß er einem Priester (der Tla9olteotl) alle seine Sünden beichtete,
und daß der Beichtiger ihm dann befahl, das Unrecht wieder gut zu machen, geschuldete oder gestohlene Güter wieder
herauszugeben usw. Auch in der Hauptstadt México ging man zu den Priestern der Tlagolteotl, um ihnen allerlei
Sünden zu beichten, vor allem die geschlechtlichen; der Priester konnte den Beichtenden durch Auferlegung einer
Buße oder Kasteiung vollkommen absolvieren, doch durfte sich dann kein Rückfall mehr ereignen, denn dieser war
nicht wieder gut zu machen. Daher verlegte man seine Generalbeichte gewöhnlich in das späte Lebensalter.306 Es ist
sehr bezeichnend, daß in dieser letzteren Schilderung der Beichtiger ganz in der Rolle des Vermittlers zwischen
Gott und Menschen erscheint, ja als das „Abbild und der Stellvertreter“ (imagen vicario) der Göttin selbst; er
hört nicht als Mensch, sondern als Gott die Beichte an und weiß daher später nichts mehr von dem, was ihm ge-
beichtet worden ist. Es ist ferner sehr bezeichnend, daß von diesen, die Beichte abnehmenden Tla9olteotl-Priestern
zugleich auch ausdrücklich gesagt wird, sie seien die Bilderschriftkundigen gewesen, die sich auf Wahr-
sagerei und Zauberei verstanden und die Hüter der alten priesterlichen Traditionen waren. Beides, meine ich, ist ein
Beweis dafür, daß die beiden „Mönche“ der großen totonakischen Göttin diesen Beichtpriestern der südlichen
Veracruz-Küste und der Hauptstadt Mexico entsprechen. Zwar wird nicht ausdrücklich von einer Sündenbeichte
erzählt, die man vor ihnen ablegte, aber es heißt doch, daß alle mit Not und Kümmernissen Beladenen zu ihnen
kamen, um durch ihre Vermittlung (tomándolos por intercesores) die große Göttin um „Wohlergehen“ (prosperidad)
anzuflehen (— die Wünsche werden schwerlich so allgemeiner Natur gewesen sein); auch mußten die Mönche selbst
einen untadeligen Lebenswandel geführt haben und weiter führen, was von den anderen Priestern keineswegs
behauptet wird.
Unter den Kulthandlungen erwähne ich zuerst die Unterhaltung des Tempelfeuers, die, wie bemerkt,
den niederen, aus der Laienschaft hervorgehenden Priestern oblag. Sie hatten über „ein großes Feuer aus dicken
Holzkloben, das das ganze Jahr bei Tag und Nacht brannte und nie ausging“ zu wachen. In den Ruinen von Cempo-
allan sind runde, mit Zinnen umsetzte Aufmauerungen wahrscheinlich als Feuerherde zu deuten (s. o.). Nur wenige
Tagemärsche von der Westgrenze des totonakischen Gebiets entfernt, auf der Paßhöhe des Puerto de la Leña, fanden
die Spanier neben einer kleinen Tempelpyramide zahlreiche Stapel Holz aufgeschichtet , ein Zeichen, daß man auch hier
ein Tempelfeuer zu unterhalten pflegte.307 Übrigens gehörte die Unterhaltung des Tempelfeuers im alten México zu
den fast allgemein verbreiteten Kulthandlungen; eine besonders große Rolle spielte sie im religiösen Leben derTarasken
von Michuacan.308
Gleichfalls zu den auch im übrigen México gewöhnlichsten Kulthandlungen gehört das Räuchern. Es war bei
den Totonaken die alltägliche religiöse Übung der Priester, mit der sie am frühen Morgen der Sonne und den übrigen
Göttern ihre Verehrung bezeugten. Kurz nach Sonnenaufgang begaben sich die sechs Priester in feierlichem Zuge
zum Tempel. Nachdem sie dort den Idolen durch Verbeugungen ihre Reverenz erwiesen hatten, brachte der
zweite Priester ein Räuchergefäß aus Ton nach Art einer Pfanne voll glühender Kohlen, auf die der Oberpriester
Kopal und andere aromatische Substanzen legte, die er einer Kalebasse entnahm und gleichsam segnend mit der
Hand berührte. Der zweite Priester hob nun das Räuchergefäß dreimal zum Himmel empor und bezeugte so der Sonne,
der höchsten Gottheit, seine Verehrung. Darauf ergriff der Oberpriester das Räuchergefäß nnd räucherte vor den
dreilü0ien des Tempels (s. o.); vor dem vornehmsten, in der Mitte stehenden dreimal, vor den andern beiden je einmal.
:i05Las Casas Apol. Hist. c. 121 in Col. Doc. Inéd. Tomo 66 p. 307 Cortés II. Carta p. 58. B. Díaz c. 61 (I p. 173).
4A4/5. Mendieta 1. II c. 9 (p. 90). Tor quemada 1. IX c. 308 Seler G. A. III p. 124. Für das Valle de México cf. Sahagün
o6^RI P- 181). 1, XI Ap. und Gomara Crón. c. 215 (p. 227).
“Sahagún 1. VI c.7 und l.I c. 12. Cf. Seler G. A.III p. 251.
DIE TOTONAKEN
15
t, . , v rW nacheinander vor dem Oberpriester und seinen übrigen
Dann gab er es wieder dem zweiten ries ei z^ru i te nun wieder das Ränchergefäß dem Oberpriester, der frischen
Priesterkollegen räucherte. Einer ( er e zteren u er geine demütigsten Huldigungen darbrachte. Damit
Kopal auflegte, die Tempelcella verließ und Jaußen der ^ ^ der runden Altäre geschüttet, ebenso
war die Zeremonie beendet. Die glimmern en ° en chergefäße auf den Altären. Um acht oder neun Uhr früh
entleerten auch die übrigen Priester ic u i rer nachdem sie sich ihrer Sandalen entledigt hatten, verrich-
betraten dann der Kazike und die \ ornehmen en en » Oberpriester herab. Aber während diese Andacht ihrem
teten ihre Andacht und flehten den Segen der Gott ici a oberpriester die beschriebenen Kulthandlungen alltäglich
freien Willen entsprang, mußten die Priester und voran d
mit peinlicher Gewissenhaftigkeit vornehmen.309 ^ Behälter mit den Kopalkugeln in Totonacapan dieselbe
Die Schilderung zeigt, daß das Räuchergefa u ^ wie im übrigen México. Den Spaniern, die in México
wichtige Rolle unter dem Handwerkzeug des Pries imd dementsprechend behandelt wurden, ist später noch
ja überall zuerst als die zurückkehrenden Götter ange^^^ ¿uvch Räucherungen begrüßt zu werden. Auch hierbei
oft die Ehre widerfahren, von ihren totonakisc ien ^ ^ ^ der gtrebelsammlung ist diese Klasse von Altertümern
wird wieder der brasero oder braserillo de barro erwaOntoso-Kulturgruppe, die hier allein in Betracht kommt, hat
mehrfach vertreten. Unter den Funden der
Strebei zwei Typen von Räuchergefaßen un chbrechungen in der Wandung der Schale, mit langem, hohlem
1) Flacher, löffelartiger Typus, meist ohne autl Ooatlatlan) läuft der Griff fast durchweg in einen
Grift. Bei den Räucherlöffeln der Jalapa- egen
Schlangenkopf aus. . , . Abschnitten in der GefäßWölbung; drei Füße, von denen der eine ver-
2) Napf artiger Typus mit dreieckigen ejnen Tierkopf auslaufend).311
längert ist und als Handgriff dient (vereinzei ^ ^ aUgemein von den Hochlandsvölkern mexikanischer Zunge
° Der erste Typus entspricht den Baucne ’ die die mixtekisch-tzapotekischen Völker bevorzugten, nahe
gebraucht wurden, der zweite ist den auc e
verwandt.312
An den Priestern von
Cempoallan fiel den Spaniern besonders auf, daß ihre Ohren zerfetzt und in Sf 1
ten undihre Haare schmutzig waren vom Blute der vielen Kasteiungen, die sie an sich vollzogen Es T ^esc^,ni^‘
die Totonaken ein ganz besonderes Gewicht auf diese Seite des Kults gelegt haben. Daß die Beschneidtu <T i^ ^
nur eine Form der rituellen Blutentziehung war, ist schon im 4. Kapitel hervorgehoben worden. Aber au ß ^ ei ^^n(^er
sich die Spitzen des Volkes regelmäßig in ziemlich kurzen Zeitabständen einer rigorosen Kasteiung" lln¿ ^ muiiten
Casas sagt darüber: „Es war ein bindendes Gesetz, daß an allen Festtagen (Sabados, d.h. wohl an allen ?r7j.lehen- Las
der 20 Dreizehnheiten des Tonalamatl) Groß und Klein nach den Tempeln zu gehen und in den Vorhöfen angstaSen
Stunde zu verweilen hatte. Dann begaben sich die vornehmen Herren und ersten Ritter zu dem mitt 1 ^
Gestalt und Ansehen (von den dreien, s. o.) war, und vor diesem kasteite sich ein iede ' f Ido1,
25 Strohhalme (pajas), zusammengebunden wie ein Besen, trennte sich mit eine^ M ÍOlgender
Stück der Zungenspitze ab (se cortaba un pico de la lenmuO — nW Messer> Jas
' • - ’ ^ ^ . .. S W aber nicht ganz, sondern nur
das das größte an
Weise: Man brachte 9
ein
jeder bei sich hatte, ^ T"entstand — und machte ein Loch, durch das die Strohhalme hindurchgingen. Hierauf
Wuncie ei> __ttt_j. jn.o i,;_x.. * a i A
hindurch, und aus der Wunde floß hierbei viel Blut. Am nächsten Festtage kehrten
so, daß eine kleine
steckten sie sie hinein und zogen sie
sie zum Tempel zurück, sakrifizierten sich aber diesmal nicht an der Zunge, sondern an den S
Festtagen wieder an den fleischigen Partien der Arme (d.h. am Oberarm), an anderen an d TT ° eniieai1’ an anderen
Handspanne, an anderen an der Brust, an anderen an dem oberen Teil der Ohrrm * i ? erarmen oder an der
'........ • ---------- «------x.K,» mAlTS°W‘eiten.sie sich jede
Woche an einem
Küstenfahrt nach Norden wurden Montejo und Alaminos m t
zapften und dasselbe auf Strohhälmchen (naiuela«l i o ingeborenen begrüßt die <ünb
,P J 6iaS) ^ *>* Eichen8 der fZZCI W " ^ ^
r göttlichen
anderen Glied.“313 Auch vor den Spaniern haben sich die Totonaken bisweilen kasteit. Auf ihrer
“ 1
Verehrung anboten.314
Die Kasteiung mittels Hindurchziehen eines am unteren Ende •, , göttlichen
in der Zunge ist auf beiden Reliefen von Huüocintia i„ sehr nnT vT'" D°™en besetzten Stab d
México gehörte übrigens das Hindurchziehen von kleinen WeidensMbT CT Wefae ^gestellt WW ein Wh
in Zunge und Ohren am Fest der Ixcuinanmé (d. s. Formen der'r ^ A (-teocaI?acatl“ oder thu „ A HauPtstadt
der Tla9olteoti denen, die zu ihnen beichten kamen, auferfegten V "" den «*weren BußT / №ch Lö°her
totonakischen Vornehmen als eine Art Generalbuße aufzufassen ^gemeine' fcW
‘ * dCT “ mCht V°n ihr> Widern von dem
allerdings spricht der
Das Menschenopfer scheint im Kult der Totonaken eine
309 Las Casas Apol. Hist. c. 175 bei Kmgsborough VIII p. 213
sq. Die illucescente turificant templa:F. Martyr, De Ins. p. 34.
310 Tomó un Braserillo de Barro, con Ascuas, hecho una cierta
Resina, que parece Anime blanco, i que huele á Incienso, i
saludó á Cortés incensando...* Gomara Crón. c. 34 (p. 36).
Cf. auch B. Díaz e. 45 (I P- l28)’ 46 130h 58 (P- 166).
311 Strebel, Ornamente auf Tongefäßen p. 29/30; Id.. Altmexiko
II Taf. XXI, 1, 13, 29, 30, 31, 35.
312Cf. z. B. Seler G. A. II p. 352 (Abb. 84).
und größten Idol, also dem Sonnengott,
ziemlich bedeutende Bolle gespielt zu haben,
175 bei Kingsborough VIII p. 213
Auch Carta de Veracruz p. 24 und P. Martyr, De
sulis p. 34/5 beziehen sich wohl im wesentlichen auf die
Totonaken. Nach ihnen wurde das Kasteiungsblut teils auf
den Estrich des Tempels gespritzt, teils zum Himmel empor-
geschleudert.
313Las Casas Apol. Hist, c
sqq
314 Gomara Crón. c. 29 (p.
315 Seler G. A. III p. 520.
30).
16
WALTER KEICKEBEEG
wenn anch nicht entfernt in dem Maße, wie auf dem Hochlande, wo die Spanier mit-jedem Schritt die grauenvolle
Menschenschlächterei immer größeren Umfang annehmen sahen. Das ist nicht weiter wunderbar, da ja den in halber
Abhängigkeit von den Azteken lebenden Totonaken die Möglichkeit, durch Kriege den Bestand an Opfergefangenen
zu vermehren, ziemlich abgeschnitten war. Aber wo sie konnten, haben auch sie jede Gelegenheit ergriffen, ihre Götter
mit Menschenblut zu sättigen; so während der großen Hungersnot zur Zeit Motecuhgomas I., als sie zahlreiche,
freiwillig in die Sklaverei gehende Hochlandsindianer lediglich kauften, um sie zu opfern;316 so noch in der ersten Zeit
ihres Verkehrs mit den Spaniern, als sie die festgenommenen aztekischen Tributeinnehmer und die Gefangenen der
Stadt Tizapantzinco von den Spaniern zu demselben Zwecke reklamierten. Schon auf dem Wege von S. Juan de
Ulúa nach Cempoallan fanden die Spanier überall in den Tempeln der kleinen Orte Anzeichen von Menschenopfern,
Opfersteine und Blutlachen, steinerne Opfermesser unddgl.317 An jedem Tage ihres Aufenthaltes in Cempoallan opferten
die Totonaken, wie B. Díaz berichtet, vor ihren Augen ,,3—5 Indianer, boten die Herzen ihren Idolen an, schmierten
das Blut an die Wände des Tempels, schnitten den. Leichen Arme, Beine und Lenden ab und aßen sie, wie wir das
Rindfleisch essen, und ich habe sogar den Verdacht, daß sie es in kleinen Stücken auf den Tiánguez oder Märkten
verkauften.“318 Die Haare der Priester starrten vom Blute der Opfer, und an den Tempelwänden bildete das Blut eine
dicke Kruste, wie derselbe Gewährsmann berichtet.319 Die zum Opfer bestimmten Gefangenen zogen, mit kostbaren
Gewändern angetan und reich mit Federn geschmückt, tanzend und Almosen heischend durch die Stadt; das dauerte
20 Tage lang, und so oft sie sich auf den Straßen zeigten, wurden sie demütig von allen Einwohnern gegrüßt, gleichwie
Wesen, die in Bälde zu den Himmlischen zu zählen seien.320
Einmal gelang es Cortés, der seine neugewonnenen Freunde natürlich nicht sogleich durch strenge Maßregeln
wieder abschrecken wollte, vier Indianer, die bereits zum Opfer bestimmt waren und in Holzkäfigen (jablas de madera)
eingekerkert ihr Schicksal erwarteten, zu retten. Aber nur ungern gewährten ihm die Cempoallaner die Bitte, sie ihm
als Geschenke für den Kaiser zu überlassen (nach P. Martyr hätte Cortés schließlich die Sklaven sogar wieder zurück-
gegeben), denn, so sagten sie, wenn die Opfer aufhörten, so würden die Götter zornig werden und ihnen den Mais,
die Kinder und das eigene Leben nehmen, oder, wie P. Martyr es ausdrückt, die Saaten würden von Würmern
zernagt (a gurgulionibus corrodi), vom Hagel zerschlagen (grandinibus deturbari), von Wolkenbrüchen
verwüstet werden (torrentibus imbribus vastari) oder in Dürre verkommen (siccitate consumi).321 Die Worte
zeigen klar, was man von den Göttern durch die Menschenopfer zu erlangen hoffte. Das religiöse Leben dieser Küsten-
völker, deren Wirtschaft auf dem Maisbau beruhte, war eben durchaus von agrarischen Zauberkulten erfüllt,
durch die man die Erneuerung und Kräftigung der Vegetation zu bewirken suchte. ,,Wenn das Samenkorn
in die Erde gesenkt wird, und wenn die Saaten Ähren bekommen, dann bestimmt das Volk Sklaven zum Opfer für
seine Idole.“322 Dieser ganze Frühjahrs- und Herbstkult hat sich zweifellos in erster Linie an die große,
mit Tia^olteotl gleichzusetzende Himmelsgöttin gerichtet, die ja auch Cinteotl ,,die Göttin des Maises“ und
Tonacayohua „die unser Fleisch (d. i. Mais) hat“ hieß. Es ist anzunehmen, daß bei diesen Zeremonien auch das für
den TIaQolteotl-Kult geradezu typische Pfeilopfer (tlacäcaliliztli), bei dem man den Gefangenen mit Händen und
Füßen an ein leiterartiges Gerüst festband, vorgenommen wurde, und vielleicht hat im Zusammenhang damit das
Juego del Volador in seiner ursprünglichen Form eine Rolle gespielt (Kap. 4).
Darin, daß ich auch im Kult der großen totonakischen Himmels- und Vegetationsgöttin das Menschenopfer
voraussetze, befinde ich mich allerdings im Widerspruch mit der Angabe des spanischen Chronisten, die proße
Göttin sei deshalb so verehrt worden, „weil sie nicht Menschenopfer empfangen wollte, vielmehr sie verabscheute
und verbot. Die Opfer, die sie liebte und an denen sie ihre Freude hatte, um. die sie bat und die sie verlangte, waren
Turteltauben und andere Vögel, sowie Kaninchen, denen sie vor ihrem Idol die Köpfe abrissen.“323 Bei den mexikanischen
Erd- und Mondgöttinnen, deren kriegerische Natur oft sehr stark betont wird, sind wir eigentlich nicht daran gewöhnt,
daß sie Menschenopfer verschmähen, ganz im Gegenteil gehörte sogar ihr Kult zu den blutigsten von allen. Ich möchte
daher annehmen, daß die Auffassung der großen Himmelsgöttin als einer Art Jungfrau Maria mitgewirkt hat, ihr
Bild in dem spanischen Bericht etwas freundlicher zu gestalten. Noch wahrscheinlicher ist es, daß man auf die Göttin
Züge ihres Sohnes, des Heilbringers, dessen Herabsendung der Sonnengott auf ihre Bitten dereinst gewähren soll,
übertragen hat. Denn dieser Heilbringer ist, wie oben ausgeführt wurde, augenscheinlich mit Quetzalcouatl gleich-
zusetzen, dem einzigen Gott des mexikanischen Pantheons, der Menschenopfer verabscheute, und dem man deshalb
nur Schlangen, Vögel und Schmetterlinge opferte.324 —Daran, daß Tieropfer im Kult vorkamen, daß sie sogar die
Regel bildeten, während Menschen nur bei besonderen Gelegenheiten geopfert wurden, ist natürlich nicht zu zweifeln.
Im Codex Nuttall, der schönen Bilderschrift der Codex Vindobonensis-Gruppe, erscheint neben dem allgemein üblichen
316 .... Todos los esclavos que compraban los sacrificaban á sus
dioses, pareciéndoles que los tenían propicios para no corriese
la misma calamidad en su tierra. Ixtlilxocliitl Hist. Chicb.
c. 41 (p. 206).
7B- Díaz c. 44 (I p. 126, 127).
318B. Díaz e.51 (I p. 146). VonOpferkannibalismus spricht auch
P. Martyr, De Insulis p. 35.
319B. Díaz c. 52 (I p. 149).
320 Gomara Orón. c. 39 (p. 42). P. Martyr, De Insulis p. 34.
3“:B. Díaz c. 54 (I p. 155), Gomara Orón. c. 39 (p. 42), P. Mar-
tyr, De Insulis p. 35.
322 P. Martyr, De Insulis p. 34. Die Stelle spiicht nicht ausdrück-
lich von den Totonaken, kann aber nur sie im Auge haben.
323 Las Casas Apol. Hist. c. 121 in Cob T>oc- Ued. Tomo LXVI
P- 444/5, Mendieta 1. II c. 9 (p- 89)*
'124 Auch von den Michuaque wird in einen sonst sehr guten Quelle
(Sahagüu) behauptet (hier sogal §anz allgemein), sie hätten
keine Menschenopfer gekannt, sondern nur Opfer von Schlangen,
Vögeln und Kaninchen. Seler G. A. III p. 124/5.
DIE TOTONAKEN
17
Wachtelopfer besonders das Hundeopfer als Ersatz des Menschenopfers; denn der Hund wird hier in
derselben Weise wie der Mensch, durch Auf schneiden der Brust und Herausreißen des Herzens, getötet- seiifßlut
tropft, wie häufig im Codex Vindobonensis, auf eine Haarflechte.325 Hunde wurden auch in Yucatan an Stell 1
Menschen geopfert.326 ‘' VOn
Um die Herabsendung des Heilbringers vom Sonnengott zu erlangen, opferten die Totonaken in einer bestimmten
Zeit des Jahres 18 Personen, Männer und Frauen, denen sie vorher Mut zusprachen, und die sie ermahnten, sie sollten
es für ein großes Glück halten, Abgesandte des Staates zu sein, um für diesen den großen Gott um die Entsend
seines Sohnes zu bitten.327 Wir haben also den typischen Fall eines Botenopfers vor uns, wie es auch in der HaiTT
stadt México am Tage ,,naui olin“ vollzogen wurde, indem man einen besonders erlesenen Gefangenen mit Wanderstab
und Reisebündel ausrüstete, ihm eine Botschaft vorsagte und ihn dann als Boten an die Sonne absandte (d. h. opferte) 32,s
Ob der eigentliche Beweggrund jenes
Opfers die Sehnsucht nach dem Heil-
bringer war, ist zweifelhaft. Hie Zahl
18 hat sicher eine ganz bestimmte symbo-
lische Bedeutung besessen. Vielleicht ist
sie aus dem Kalender zu erklären und be-
zieht sich, woran Del Paso y Troncos© ge-
dacht hat, auf die 18 Jahresfeste.329 Wa-
ren es deren Repräsentanten oder Götter,
die man dem Sonnengott opferte ?
Eine andere Art Opfer war das Kin-
deropfer, das alle drei Jahre vollzogen
wurde. Der Bericht darüber lautet: „Alle
drei Jahre töteten sie drei Kinder, rissen
ihnen die Herzen heraus und bereiteten
aus dem Blute, das aus der Wunde floß,
aus einer Art Baumharz, die sie Ulli
(Kautsclmk) nennen, und gewissen Säme-
reien, den ersten, die in ihren Tempel-
gärten aufgingen, eine Paste (una con-
fección y masa); diese war ihre Abend-
mahlsspeise und galt als etwas sehr Hei-
liges, und es bestand die Vorschrift, daß ______
alle sechs Monate die Männer über 25 und Abb. 27 und 28. Palmas mit Darstellungen des Menschenopfers. Coatepec bei Jai
die Frauen über 16 Jahren das Abend- 81g1- Heredia. (Museo Nacional de Mexico). ^ ’
mahl nehmen mußten (habían de comulgar). Sie nannten diese Paste Yoliainitlacualoz (bei Mendieta u
Torquemada: Toyolliaytlaqual) d. h. ,das Essen unserer Seele4 (manjar de nuestra alma). Erstaunlich ^
die tiefe Ehrfurcht und Demut, mit der die Priester diese Kommunion verabfolgten, indem sie jeder per Wfr
sehr kleines Stück davon gaben und es ihr zwischen die Lippen steckten; und die Person schluckte Glson ein
geringerer Ehrfurcht und Demut hinunter. Wenn die Paste vertrocknete, lösten sie sie mit andere™
dem Herzen Geopferter wieder auf.“339 Nach Taufe und Buße stellen die spanischen Chronisten die ia st T ^
ausgehen, christliche Einrichtungen bei den Völkern der neuen Welt nachzuweisen, nun auch die’ Existenz V
munion bei den Totonaken fest. Eine „Kommunion“ wird auch das „Gottessen44 (teoqualo) beim aztekisebe d
quetzaliztli-Feste genannt, an dem man aus den zerquetschten ölhaltigen Samen gewisser wildwachsender m
(tzoalli) ein Teigidol Uitzdopochths formte, dann regulär opferte, zerstückelte und den Festteilnehmern
gab.331 Der Sinn dieses Kultaktes ist, daß man auf magische Weise bestimmter übernatürlicher Kräfte teilb
d h. die eigenen magischen Fähigkeiten durch Einverleibung anderer steigern will. Das deuten auch die N
to-yoli-a y-tlaqual bzw. (to-)yoh-a in i-tlaqua-Ii-z (so ist -tlaqualoz zu verbessern) heißt wörtlich das Fss.nT ^
womit wir leben.44332 Beim teoqualo verleibt man sich Teile Uitzilopochtlis, des Sonnengottes, ein’man cLVT?1’
die Kraft, die die Sonnenwärme erzeugt, oder man erhöht die dem eigenen Körper innewohnende’, wänneerzcu! T
Zauberkraft.333 Das Essen der Teigabbilder des Gottes kann man als Abschwächung des ursprünglichen kannibM^E
Brauches betrachten, der sich im totonakischen Ritus noch zum Teil erhalten hat: daß man nämlich den n ^
325 seier C. B. i p. 10. ii;11P*283/4;
326 Gomara Crón. c. 14 (P- 15): saCnflcan Nl™s, mas pocos i
muchas veces Perros en su luga1*
327 Mendieta 1. IV c. 41 (p* 539); lor(luemada 1. XV c.
49 (III p. 134/5).
328 Durán Trat. II c. 10. Cf. Seler G. A. II p. 796/7.
329 Del Pas'o y Troncoso Catálogo II p* 283.
330 Las Casas Apol. Hist. c. 175 bei Kingsborough VIII p. 122.
Mendieta 1. II c. 19 (p. 109).Torquemada 1. VI c. 48 (II
2 Baessler-Archir.
p. 83).
331 Sabagün 1. III c. 1 § 2.
332 To-yoli-a ist eine instrumentale Ableitung von yoli „leben“
mittels des Suffixes -ya (cf. no-cocbi-ya „womit ich schlafe“
— mein Abendbrot; i-tlachia-ya „womit er sieht“ = sein Seh-
werkzeug); tlaqua-li-z-tli ein Abstraktum von qua „essen“
(cf. atamal-qua-li-z-tli „das Wasserkrapfenessen“).
333Preuß, Der Ursprung der Religion und Kunst. Globus Bd.
86 p. 391-393.
18
WALTER KRICKEßERG
liehen Vertreter des Gottes oder Teile von ihm ißt. Nun fanden Kinderopfer in México gewöhnlich an den Festen
der Berg-, Regen- und Wassergottheiten statt, z. B. am ersten Jahresfeste Atlcaualo. Es scheint, daß man den Kindern
eine besondere Zauberwirkung auf den Regen zuschrieb, —vielleicht, weil sie vor dem Opfer viel weinten, denn darauf
wurde ganz besonders geachtet.334 Wir können also wie beim Teoqualo annehmen, daß das Toyolia itlaqual den Er-
wachsenen diese Zauberkraft der Kinder verlieh. Vielleicht wurden aber auch die drei Kinder als Stellvertreter der
drei großen Gottheiten der Totonaken geopfert, denn das Gottopfer zum Zwecke der Gotterneuerung und -Wieder-
geburt war bei den Mexikanern, wie Preuß in verschiedenen seiner Abhandlungen näher ausgeführt hat, die Grundidee
des Menschenopfers überhaupt.335
In den spanischen Berichten wird des öfteren davon gesprochen, die Totonaken hätten die Menschenopfer als
eine schwere Last und unerträgliche Pein empfunden, die ihnen durch die harte Tyrannei der Götter auferlegt worden
sei, und hätten sie nur gezwungenermaßen, aus übergroßer Furcht vor jenen, dargebracht. Sicher heißt das den In-
dianern christliche Anschauungen unterschieben, die ihnen ganz fern lagen. Das Menschenopfer hat in Totonacapan
noch bis tief in die spanische Zeit hinein bestanden. Mendieta erzählt selbst ein Beispiel davon aus den nordwest-
lichen Gebirgsdistrikten, und nach Del Paso y Troncoso sind auf den Tempelpyramiden von Cempoallan Skelette, meist
von Kindern, gefunden worden, die dort erst nach der Zerstörung der Bauten niedergelegt worden sein können.336
Als Beispiele totonakischer Darstellungen des Menschenopfers füge ich hier Zeichnungen nach Abgüssen
zweier Palmas bei, deren Originale zu der Sammlung Heredia des Museo Nacional in México gehören. Abb. 27 ist die flache
Rückseite einer Palma, deren Vorderseite bereits oben abgebildet und beschrieben wurde (vergl. Abb. 5). Man sieht in
niedrigem Relief eine stehende Figur mit reicher Hüftbekleidung (Hüfttuch und Schambinde) und Adlerhelmmaske,
die in der rechten Hand einen abgeschnittenen Menschenkopf, in der linken eine blattförmige Steinklinge, das Opfer-
messer, hält. Exemplare des letzteren, aus Feuerstein und Obsidian, sind in der Strebelschen Sammlung vielfach
vertreten. Abb. 28 zeigt uns eine sehr interessante Umbildung des Palmatypus. In die dreikantig prismatische, oben
schaufeiförmig ausladende Grundform der Palma ist eine vollständige menschliche Profilfigur so geschickt hinein-
komponiert, daß die Grundform vollkommen gewahrt bleibt; die nach hinten erhobenen Arme füllen die Lücke aus,
die sonst zwischen Kopfputz und Kreuz entstehen würde, so daß die Umrißlinien des Körpers wie die Konturen
einer gewöhnlichen Palma verlaufen. Die Figur stellt einen bis auf die Schambinde unbekleideten Menschen mit
stattlichem Kopfputz (?) dar. Er kniet mit einem Bein auf dem Postament, seine Hände sind auf dem Rücken ge-
fesselt, und mitten auf der Brust, augenscheinlich unterhalb der letzten Rippe,, zeigt sich ein klaffender Spalt, der
Querschnitt, den der Priester mit dem Steinmesser machte, um das Herz herauszureißen.337
Von den beiden Spezialpriestern der großen Göttin wird, wie bereits erwähnt wurde, gesagt, daß sie die Anfertiger
der Bilderschriften waren. ,,Sie schrieben mittels Bildern Geschichten auf (escribian por figuras historias) und
gaben sie den obersten Priestern oder papas, die sie dann dem Volke in ihren Reden erläuterten.“ Das ist nicht die
einzige Nachricht, die wir über die Bilderschrift der Totonaken haben. In den Tempeln, die die Spanier auf dem Wege
von S. Juan de Ulúa nach Cempoallan in kleinen Orten auf dem linken Ufer des Rio de la Antigua antrafen, fanden
sich außer anderem Kultgerät „viele Bücher aus dem einheimischen Papier, in Falten gelegt (cogidos a doblezes),
wie man es in Spanien mit den Tüchern macht.“338 Hier wird also bereits die am meisten in die Augen fallende äußere
Eigentümlichkeit der mexikanischen Bücher, das Zusammenlegen der Blätter nach Art eines Leporelloalbums, richtig
hervorgehoben. Und daß die Bilderschrift bei den Totonaken neben dem religiösen Zweck auch dem praktischen
der Mitteilung diente, beweist die Angabe, der Cacique gordo habe die Niederlage des Narvaez auf ein ,,paño“ malen
und dieses durch Gesandte Motecuhgoma überbringen lassen.339
Existieren noch heute totonakische Bilderschriften ? Es ist eigentlich von vornherein anzunehmen, daß die Spanier,
bei ihrem monatelangen Verkehr mit den Totonaken, dem ersten mexikanischen Volke, das sie näher kennen lernten,
nicht achtlos an diesen merkwürdigen Erzeugnissen des indianischen Geisteslebens vorübergegangen sein werden
und daß sie bei ihrer ersten Sendung an den Kaiser den vielerlei Proben aller Zweige des Kunsthandwerks auch einige
besonders schöne Belegstücke von Bilderschriften beigefügt haben werden. In der Tat erwähnt die Liste der an den
Kaiser gesandten Geschenke „dos libros de los que acá tienen los indios“. Gomara sagt ausführlicher; „Sie legten
zu diesen Sachen auch einige Bücher mit Bildern statt der Buchstaben, wie sie die Mexikaner gebrauchen, wie Tücher
zusammengenommen (gefaltet) und auf allen Seiten beschrieben. Bei den einen lieferten Baumwolle und Leim (en-
grudo), bei den anderen Agaveblätter das Material, das als Papier diente; eine merkwürdige Sache, die aber die Spanier
nicht verstanden und darum nicht achteten.“340 In Spanien sah sie dann Petrus Martyr, und von ihm haben wir jene
ausgezeichnete, sehr eingehende Schilderung der Herstellung und äußeren Form der „Bücher“, die bereits Valentini
334 Sahagün 1. II c. 20.
335 Preuß, PhalÜsche Fruchtbarkeitsdämonen als Träger des
altmexikanischen Dramas. Arch. f. Anthr. N. F. Bd. I S. 129
sqq. Id., Der Ursprung der Menschenopfer in Mexiko. Globus
Bd. 86 p. 108 sqq.
336 Mendieta 1. V, 1 c. 45 (p. 675). Del Paso y Troncoso Ca-
tälogo II p. 283.
337 Vgl. hierzu die Ausführungen von L. Pfeiffer, Die Opfer-
anatomie der Germanen und Azteken, i. Korresp. Blättern
des Allg. Ärztlichen Vereins v. Thüringen 1911, Heft 1 u. 2.
—• Eine photographische Abbildung der Palma Abb. 28
findet sich bei Lehmann, Altmexikanische Kunstgeschichte
Taf. 23. L. sieht in der Kopffrisur den geflochtenen Gras-
ballen (gacatapayolli), der zur AufuM11116 der mit Kasteiungs-
klut bestrichenen Agaveblattspit'2611 diente.
338 B.Diazc. 44 (Ip. 126); Torquemada 1. IV c, 19 (I p. 395).
339 Herrera Dec. II 1. X c. 4 (p- 251)> Torquemada 1. IV c.
66 (I p. 488).
340 Carta de Veracruz p- 33; Gömara Crön. c. 39 (p. 42).
die totonaken
19
n extenso veröffentlicht und in ihrer besonderen Wichtigkeit gewürdigt hat.341 Ic}j f^ge daher hier nur bei
itierten Stelle noch über den Inhalt gesagt wird: „Die Schriftcharaktere sind den unseren sehr unähnlich S T iT
itehen aus Strichen, Häkchen, Schlingen, Feilen ( ?), Sternen und dergleichen Figuren, die zeilenweise nach uT^ ^
\.rt aufgezeichnet werden; fast ähneln sie ägyptischen Formen. Zwischen die Zeilen malen sie die Bilder von M 8<^er
.md Tieren, vorzugsweise von Königen und Vornehmen. Auf diese Weise, kann man annehmen, sind die ]
Vorfahren eines jeden Königs dort auf gezeichnet, wie es auch zu unserer Zeit noch geschieht.....Mit hülTdT
Kunstfertigkeit bemalen sie auch die oberen Holzdeckel; wenn die Bücher zugeklappt sind, scheinen sie sich in T +*
von den unsrigen zu unterscheiden. Auch die Hechts-, Opfer- und Festgebräuche, astronomische BemerkurT 1 8
und Berechnungen, Art und Zeit der Aussaat vertrauen sie den Büchern an.“342 V ^en
Die „dos libros“, die Karl V. im Frühjahr 1520 bei seinem Aufenthalt in den Niederlanden zusammen mit den
anderen Kostbarkeiten aus México erhielt, sind höchstwahrscheinlich der Codex Vindobonensis und der Cod^
N u 11 a 11. Dieser Nach weis konnte durch Zelia Nuttall und W. Leh mann für den Codex Vindobonensis einwandfrei f'h >t
werden, da ein alter lateinischer Vermerk auf seiner ersten Seite bewies, daß er bereits vor 1521 in Europa war also
zu einer Zeit, da es von mexikanischen Raritäten in Europa nur solche gab, die der Sendung aus Villa Rica vom 10
Juli 1519 entstammten. Vom Codex Nuttall ließ sich wenigstens nachweisen, daß er, wie der Vindobonensis ebenfalls
ursprünglich in Florenz aufbewahrt wurde; im übrigen läßt seine nahe Verwandtschaft mit dem Vindobonensis1 '*
auch nur die Annahme zu, daß beide eng zusammengehören und aus derselben Quelle stammen.343 Somit kann sich auch
der Bericht P. Martyrs, der bald nach dem Eintreffen der ersten mexikanischen Sendung abgefaßt ist, nur auf Tie
beiden Codices beziehen. Es fällt da zunächst auf, daß er eine so ausführliche Schilderung von der Herstellung der
Bücher aus Baststoff (ex interiore arborum tenui cortice) gibt, während doch C. Vindobonensis und C Nuttall
aus Hirschleder bestehen. Augenscheinlich folgt er hier lediglich den mündlichen Mitteilungen der Überbrin er
der Geschenke (Montejo und Puertocarrero), die ihm andere, in México gesehene Beispiele von Bilderschriften1^^
schrieben,344 ohne sich die Mühe zu machen, das Material der ihm selbst vorliegenden Bilderschriften zu prüfen Auf
diese aber paßt sehr gut alles übrige, was er in seinem Bericht sagt: daß sie mit hölzernen Deckeln (ligneis tabellT
versehen seien ;345 daß sie auf beiden Seiten beschrieben seien; daß die Schrift aus zeilenweise angeordneten '
fächeren Charakteren (damit sind wohl die Tageszeichen gemeint) und dazwischen verteilten komplizie t
Bildern bestehe; und daß schließlich den Inhalt teils die Taten einzelner hervorragender Personen teils di D **
Stellungen von Zeremonien, teils astronomische Berechnungen bildeten. Mit der letzteren Bemerkung bek T~
der „Geschichtsschreiber des Weltmeeres sogar ein für seine Zeit ganz überraschendes Verständnis für die b VI ^
schönen Codices, die darin so verschieden von allen Bilderschriften der Codex Borgia-Gruppe und des engeren inexik
nischen Gebietes sind. Wir wissen heute in der lat, daß fast die ganze Rückseite des Codex Nuttall die Lebens
schichte eines Gottes (Chicuei manatí) erzählt, daß auf vielen Blättern religiöse Zeremonien, z. B das Sacrif’^
gladiatorio (s. o.), dargestellt sind, und daß astronomische Berechnungen (zur Korrektur der Jahreslänge) einen TT
breiten Raum in diesen Bilderschriften einnehmen, wenn sie nicht sogar in der Hauptsache derartigen Berechnun
gewidmet sind.346 ®
Da im Jahre 1519 Cortés’ Expedition nur wenige Leguas über die unmittelbare Küste hinausgekomr
so können nach Seler Codex Vindobonensis und Nuttall nur entweder aus der Provinz Totonacapan od ^ Wai%
südlich angrenzenden Provinz Cuetlaxtlan stammen.347 Ich möchte das erstere annehmen, da Bemal DíaT^8 ^
davon spricht, daß man Bilderschriften in den totonakischen Orten am Rio de la Antigua fand und da^ ° ^ ^
beiden Codices, wie wir sahen, allerlei deutliche Beziehungen zu Cempoallan aufweisen AbeTt t die
Bilderschriften sind sie darum keineswegs. Nichts von der eigenartigen, selbständigen Mythologie ,w°t* ,°he
wie sie uns auf den Beliefen der Stemjoche und Palmas entgegentritt, finden wir in ihnen wieder Stil °"aken-
der Figuren und zahlreiche Einzelheiten lassen vielmehr, wie Seler betont hat, nicht den mindesten 7 ^e!°h,nung
entstehen, daß die Verfertiger der Codex Vindobonensis-Bilderschriften denen Stammes- und knlturverwlndt waren"
" ' P“™" "°SOhÍcl,te »• >*• Eb““ Seler o. A. II p. 927/8, III p. 203/4
P.Martyr, De Insulis p. 32/3. Cf. Valentini, Mexican Paner
in Proceedmgs of the Amer. Antiquar. Soc. 1880. S. A. p \ 0/l 1
• Sunt characteres a nostris ualde dissimiles, taxillis hamis
laqueis, limis, stellisque ac formis eiusmodi, lineatim exarati
nostro more: Aegyptias fere formas aemulantur: Interlineatim
hominum, animaliumque species, regum praecipue ac procerum
depingunt: quare credendum est gesta esse ibi maiorum cuius
que regis conscripta, quemadmodum nostra fit tempestate
arte quoque grata superiores tabulas compingunt nil differ. re
a nostris clausi uidentur: legum quoque, et sacrificiorum cere.
moniarumque ritus, astronomicascme
4 . , . que annotationes,
et computationes quasdam, semmandinup t.o + -
PoraHbris commendant. P. Martyr, D. CCZ1 T
;i3 Weglassung der Abkurzungen), P' 33/4 <unter
Z‘ Attali in d. Introduction zur Ausgabe des at „
(1902) p. io/ii . r t • + «es Godex Nuttall
. J p /14> Eehmann, Les pemtures Mixteco
im Journ. Soe a™' ■ AT o tt o™ xtec°-ZaPoteques
• Americ. N. S. II, p. 266-270; Id., Kunsi-
344
geschichte p. 12. Ebenso Seler G
und 485.
Das deutet die Bemerkung „putandum est autem eos aliqua
gypso consanguinea materia tabellas vidisse“ direkt an. —
1 - ---— d Di-*rs4n/iLiuL'
îltenBilderschnften hergestem, wie scno.
3 richtig hervorgehoben hat (er schließt aus dem Be-
richt P. Martyrs und einer Stelle bei Landa, daß der Bast-
stoff hauptsächlich bei der Mayabevölkerung der Küste die
sonst zu diesem Zweck geeignetere Agavefaser der Hochlands-
völker ersetzte); allgemeiner verwandte man Bastpapier im
Kult, zur Anfertigung der Götterkleider und Votivgaben (s. o.).
s« Der Codex Vindobonensis hat am Anfang und Ende je eine
ancienne couverture eu bois brun, autrefois poli.“ Lehmann,
Les peintures etc. p. 266.
346 geler C. B.Ip. № G. A. III p. 203.
347 geler G. A. III P- 203/4.
2:
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«my
20
WALTER KRICKEIJERG
die einst den Codex Borgia niederschrieben und ohne Frage einem Nauastamme angehörten.348 Aller Wahrschein
lichkeit nach ist die Heimat der Bilderschriften vom Codex Vindobonensis-Typus in verschiedenen Gegenden der
ausgedehnten Provinz Cuetlaxtlan zu suchen. Von hier aus sind sie offenbar mit mancherlei anderen mexikanischen
Kulturelementen bis in das südliche Totonacapan verbreitet worden und haben sicher auch im Kultus der dortigen,
schon halb mexikanisierten Bevölkerung Verwendung gefunden.
Den Angelpunkt aller mexikanischen Priesterweisheit bildete der Kalender. Leider haben wir über den Kalender
der Totonaken so gut wie gar keine direkten Angaben. Die Conquistadoren berichten, die Totonaken hätten die Ent-
fernungen nicht nach Tagemärschen, sondern nach ,,Sonnen“ angegeben.349 P. Martyr wiederholt diese Angabe aus-
führlicher, doch mit deutlicher Beziehung auf die mexikanisch sprechende Bevölkerung im Süden der Totonaken. —
Eine weit wichtigere Tatsache läßt sich indirekt aus dem bereits einmal zitierten kurzen Abriß der totonakischen
Geschichte schließen, den Torquemada überliefert h^t.350 Er bringt dort die folgende Liste der Herrscher des ältesten
Totonakenzentrums Mizquihuacan:
1. Umeacatl. 5. Nahuacatl.
2. Xatontan. 6. Ithualt^ntecutli.
3. Tenitztli. 7. Tlaixehuatenitztli.
4. Panin. 8. Catoxcan.
9. Nahuacatl und Ixcahuitl.
Jeder von den acht ersten Herrschern, bei denen immer der älteste Sohn auf den Vater folgt, regiert achtzig Jahre,
und erst unter dem neunten Herrscherpaare erfolgt die Auflösung des Deiches. Diese achtzigjährige Dauer der Re-
gierungszeit erscheint schon Torquemada als „ein Fall, der spezielle Beachtung verlangt. Die Tatsache selbst ist
durchaus sicher und wird erschlossen und bewiesen aus sehr authentischen und glaubwürdigen Geschichtswerken.“351
Auf die mit acatl zusammengesetztenKalendernamen vondreien der neun Herrscher ist bereits im 4. Kap.
hingewiesen worden, als auf eine interessante Parallele zu der bei den Tzapoteken, Mixteken und in den Bilderschriften
der Codex Vindobonensis-Gruppe herrschenden Sitte der Namengebung. Aber man kann Liste und Namen auch
noch unter einem anderen Gesichtspunkt betrachten. Es ist auffallend, daß nur drei Könige von Mizquihuacan
Kalendernamen tragen, daß diese drei Herrscher gerade der erste, fünfte und neunte der Reihe sind, daß die Namen
stets nur mit acatl zusammengesetzt sind, und daß schließlich der erste Herrscher ausgerechnet Ome acatl heißt,
also nach dem Datum, das bei den Mexikanern den Beginn derZeitrechnung bezeichnete. Sind schon diese vier
Punkte sehr geeignet, den Argwohn zu erwecken, daß in dieser Herrscherliste eher die Umkleidung eines kalen-
darischen Systems, als der reine Niederschlag geschichtlicher Überlieferungen vorliegt, so wird dieser Eindruck durch
die Angabe von der achtzigjährigen Regierungsdauer der Herrscher nur noch verstärkt. Ein Zeitraum von achtzig
Jahren spielt allerdings sonst nirgends im mexikanischen Kalender eine Rolle. Man wird aber an die durch Seler
im Codex Nuttall nachgewiesene Periode von 82 Jahren erinnert, nach deren Verlauf es zur Korrektur des Kalenders
nötig war, ungefähr 20 Tage einzuschieben; denn das mexikanische Jahr von 365 Tagen blieb um 5 Stunden
48 Minuten 471/2 Sekunden hinter der wahren Länge des Sonnenjahres zurück.352 Nun läßt* sich zwar im vorlieo-enden
Falle weder mit 80 noch mit 82 Jahren etwas anfangen; wenn man aber für die offenbar abgerundete Zahl 81 Jahre
einsetzt, so ergibt sich das Folgende:
Angenommen, Umeacatl bezeichne den Tag (und das Jahr), an dem der erste Herrscher seine Regierung antrat
so würden wir nach genau 81 Jahren (zu 365 Tagen) auf den Tag 5 tecpatl kommen; bei stillschweigender Weiter-
zählung von 20 Tagen ergibt sich dann 12 tecpatl als Datum für den Regierungsantritt Xatontans. Nach wiederum
81 Jahren tritt dieselbe Verschiebung ein; man erhält statt 2 calli 9 calli als Datum des Regierungsantritts Tenitz-
tlis, dann 6 tochtli als Datum für Panin, 3 acatl als Datum für Nahuacatl und so fort, wie es die folgende Reihe
zeigt:
2 acatl (Umeacatl).
plus 81 Jahre: 5 tecpatl; plus 20 Tage:
12 tecpatl (Xatontan).
plus 81 Jahre: 2 calli; plus 20 Tage:
9 calli (Tenitztli).
plus 81 Jahre; 12 tochtli; plus 20 Tage:
6 tochtli (Panin).
plus 81 Jahre: 9 acatl; plus 20 Tage:
4 acatl (Nahuacatl).
3 acatl (Nahuacatl).
plus 81 Jahre: 6 tecpatl; plus 20 Tage:
13 tecpatl (Ithualtpintecutli).
plus 81 Jahre: 3 calli; plus 20 Tage:
10 calli (Tlaixehuatenitztli).
plus 81 Jahre: 13 tochtli; plus 20 Tage:
7 tochtli (Catoxcan).
plus 81 Jahre: 10 acatl; plus 20 Tage;
348 Seler G. A. III p. 220. Spinden (Anc. Civiliz. p. 223)
rechnet Codex Vindobonensis und Codex Nuttall wegen ge-
wisser Ähnlichkeiten mit dem Ornamentstil von Mitla zu
den mixtekisch - tzapotekischen Bilderschriften. Daß di®
Mitla-Ornamente (wie die Fresken) Naua-Stil sind, hat Beyer
in El Mex. Ant. II (1924) p. 84—86 nachgewiesen. Auch
die Bilderschriften der Cod. Borgia-Gruppe, die den Mitla-
Fresken noch näher stehen und wohl aus dem Umkreis von
Teotitlan del Camino stammen, sind nicht mixtekisch oder
tzapotekisch, wie Spinden meint. Also ist sein absprechen-
des Urteil (Maya Art p. 225) über die Kommentare Selers
zu diesen Bilderschriften nicht berechtigt.
349 Górnara Crón.c. 28 (p. 29). B.Díaz c' ^ ü P‘ 126/7). Her-
rera Dec. II 1. V c. 8 (p. 122).
^"Torquemada 1. III c. 18 (I p. 278-280).
351 .... parece que es Caso, que pide nota, y particular con-
sideración; y esto es cosa mui cierta, y averiguada, y probada
con Historias mui autenticas, y fidedignas.
352 Seler G. A. III p. 205 — 215.
DIE TOTONAKEN
21
, . , ... ,. „„,1 neunten Herrscher das Datum des Regierungsantritts auf
In der Tat fallt also nur beim eis en, un xi„.rsoher seinen Namen von dem allgemeinen Anfangsdatum
einen Tag aoatl, und zwar stimmt, wenn er ers e ^ neunten wieder mit dem Datum seines Regierungs-
der mexikanischen Chronologie berge ei e ia ,, y ; acatl) heißt, ist wohl sicher aut einen Irrtum des
Antritts überein. Daß der fünfte abweichend Hahumatl Gleiclinamigkeit mit dem neunten Herrscher. - Was wir
Chronisten zurückzuführen, schon wegen der au a = lernen, — abgesehen von der schon an und für sich
also meines Erachtens aus dieser mythischen ®rrS , tem hatten, wie die übrigen mexikanischen Völker, und
wichtigen Tatsache, daß die Totonaken dasselbe a hg (|(j|, Xageszeichen mit acatl begann,353 — ist vor allem
daß auch bei ihnen, wie in Metztitian und Nicaragua. ^ ßegulierung des Kalenders. Anstelle der 42-jährigen
dies: Die Totonaken.kannten die Interkala i Blättern 49—52 des Codex Borgia vorliegt, anstelle der
Periode mit einer Einschaltung von 10 Tagen, ‘® * die aus den Blättern 1—3 und 9—10 des Codex Nuttall
82-jährigen Periode mit einer Einschaltung von - g’ Jahren, nach deren Verlauf gleichfalls eine Einschaltung
zu erschließen ist,354 verwendeten sie eine Perio go genau wje die 82-jährige Periode — nach 81 Jahren
von 20 Tagen vorgenommen wurde. Diese 18 ™ statt 20 Tagen eingeschaltet werden —, aber immer noch genau
müßten genau 19 Tage 14 Stunden 24 Minuten a^'Verschiebung des Jahresanfangs nicht fühlbar zu machen, genau
genug, um auf Jahrhunderte hinaus eine weinw gcharfginn der alten totonakischen Priestergelehrten zu erfüllen.
genug auch, um uns mit Bewunderung vor em^ Quellen nicht unterrichtet. Sicher werden sie z. B.
Über deren sonstige Leistungen sin der Natur reichgesegneten Lande, dem die europäische Pharmazie
auf dem Gebiet der Heilkunde in ihrem ^ Jala nwurzel (Convolvulus Jalapa) verdankt, einen Schatz
u. a. die nach dem Orte Jalapa (Aalap 18 ^ dem Mineralreich entnommene Medizin weiß uns Sahagün zu
von Erfahrungen haben sammeln können ^ Tlatlanhquitepe0 gab es einen Stein, der zur Heilung be-
berichten. In den Gebieten von Xalapan P ^ mnnte ihn quiauhteocuitlatl „Kot des Regengottes“ und
stimmtet körperlicher Gebrechen gebraucn ^ ß VQm Himmei. Er wurde gesammelt, pulverisiert und mit
glaubte, er falle während der die von einem Blitzschlag betäubt waren, wieder zu sich zu bringen.
Wasser vermischt und diente dazu, rei| ’ d Brechreiz zu bannen; d. h. offenbar, er war ein Mittel gegen
innerliche Hitze zu vertreibe«' "“Sengott ansah.355 Als Universalheilmittel galt auch den Totonaken.
alle Krankheiten, als deren Urheber m ^ toton. xaoa). Ein alter Bericht sagt sogar, in der Gegend
wie den übrigen Mexikanern, das bc das einzige Mittel gegen Krankheiten gewesen. Es spielte auch in
von Huauchinango sei das Schwitzb. dor erste König von Mizquihuacan stirbt nicht sondern vor-
der totonakischen Sage eine Bote, * ^ vondenTotonaken viel angewendet. In der Gegend von Misantla
schwindet in einem Schwitzbad• nicht die gewöhnliche backofenförmige Gestalt zu besitzen,
scheint das Temascal, das S1 j ^ f als0 viereckig zu sein, wie bei den Huaxteken. 3 -
sondern aus Baumstämmen und Erde ^ ^ ^ de( Ethnographie der Totonaken zu gewinnen angelangt.
Wir sind am Ende unseres Vers ’ zei ine unzweifelhafte Höhe, diesieweitehernutdengroßen Kultur-
Materielle und geistige Kultur diese a]g mit primitiveren Völkern, wie den Huaxteken oder Otomi, auf
nationen Mexicos (Azteken, Tzapotei ^ ^ Urtei]e der Spanier wieder. Dem gegenüber ist es nicht uninteres-
eine Stufe stellt. Das spiegeln auch me barbarisches Volk verachteten. Zwar haben sie ihnen nie moralische
aant, daß die Azteken die Totonaken • afeer rohe sitten und bäuerische Manieren. So macht der aztekische
Fehler vorgeworfen, wie den Huaxder Tlalhuica (1. X c. 29 § 9) die Bemerkung:
Gewährsmann Sahagum bei er muixmü tolonM umyo. iteeh ca. anezmlicayoll.
<mh trän toc®fTlalhuike Cohuixke,357 Totonake, Huaxteke — ihnen allen haftet der Begriff der Un-
„Und die
bildung358 an-“
i n A T n. 142/3, 175/6, 417/8, 516—521. Hierzu
^Lehmann,' Zentral-Amerika II p. 994; Id.. Seler-Fest-
schrift p. 293^ 200 sqq. Auf einem ganz abweichenden
354 Seler • hinsichtlich der Interkalation steht Zelia Nut-
Anthrop. N. S. VI, 1904, p. 486-490); siegreift
tal Ite Theorie Jacinto de la Sernas, Sigüenza y Göngoras.
dl6 a Leon y Gamas u. a. wieder auf, die eine Einschal-
Clavigeio. ■ ^ Tagen nach 52 Jahren annahmen, und weist
tung ^ pq der schriftliche Darstellungen begründete Aus-
fiVhrimeen zurück, ohne sie zu widerlegen. Rundweg ablehnend
gegenüber allen
fzeitschr. f. Ethnol. 1906 P- o00-505); ahiihch Beyer i.
El Mex. Ant. II (1924) P- l^6 s(i; J°nghf Haupteinwand,
daß die Mexikaner schon deshalb die Korrekturen nicht vor-
nehmen konnten, weil ihr wundervolles Kalendersystem durch
die Einfügung der Schalttage außerordentlich kompliziert
worden und die Sonnenjabresrechnung sogleich mit der da-
neben herlaufenden Venusperiodenrechnung in Konflikt ge-
raten wäre (denn für diese hatte ja die Einschaltung keinen
---r cu ti tu OOlör
____ — <ли. лисп tür den
oben besprochenen Fall gilt, was Seler sagt, daß die Mexikaner
sich vielleicht damit begnügten, in ihren Bilderschriften die
Größe der notwendigen Einschaltung festzustellen, sie also nur
als rechnerische Größe zu behandeln, ohne sie wirklich durch-
zuführen. Ans einer solchen, der Korrektur der Jahreslänge
gewidmeten Bilderschrift mag Torquemada seinen Bericht
von den Königen von Mizquihuacan geschöpft haben.
355 Sahagün 1. XI c. 6 § 6.
356 p)escr. de Guauchinango (1609) i. Col. Doc. Ined. IX (1868)
p. 125. Torquemada 1. III c. 18 (I p. 278). Strebei, Die
Ruinen von Cempoallan p. 24.
357 offenbar muß man hier couixcatl statt cuextecatl lesen, da
für „Huaxteke“ bereits das Synonym toveyo steht.
358 izCalia, nite; „abiuar a otro, о doctrinarlo у corregirlo de pa-
labra ocastigo“ (Molina); Verbalableitung von izcalli „Wachs-
tum“, also eigentlich „wachsen machen“, dann „erziehen“;
mo-zealia „er wird wachsen gemacht,“ „er wächst (als ge-
bildeter Mensch) auf“, ä-mo-zcalia das Gegenteil. Davon das
Abstraktum ä-ne-zcali-ca-yo-tl „das Nichtgebildetsein,“
22
WALTER KRICKEBERG
In aquin amozcalia. quilvia. cuix titlalvicatl. cuix titotonac. cuix ticouixcatl. cuix titoveyo.
„Wer keine Erziehung hat, zu dem sagt man; (Du bist) wohl ein Tlalhuike, ein Totonake, ein Cohuixke,
ein Huaxteke!“ —
yoan quilhuia. cuextecapol. toionacapul. tlalvicapul.
„Man sagt zu ihm auch: (Du) ungeschlachter Huaxteke, Totonake oder Tlalhuike!“
Von den Totonaken gilt gewiß dasselbe, was Seler von den Tlalhuiken gesagt hat; wenn die Azteken sie als dumm,
roh und bäuerisch verschrieen, so lag dies wohl daran, daß sie ein in altvaterischen Sitten lebendes Volk waren, das
sicher manchen archaischen Zug in seiner Kultur besser bewahrt hatte, als dié verfeinerten Bewohner der großen
Städte des Hochlandes.359 Das haben wir an manchen Elementen ihrer Kultur feststellen können. Natürlich kam auch
die Abneigung hinzu, die der Azteke als Eroberer und Unterdrücker dem wohl nicht selten gegen seine Herrschaft
aufbäumenden Küstenvolke gegenüber empfand ; die gefangenen aztekischen Tributeinnehmer rieten Cortés, er
solle nur ja nicht auf die Totonaken von Cempoallan bauen, denn diese seien „barbaros, serranos, i vengativos, re-
beldes, i amigos de poner en gasto, i cuidado á su Señor, como otras veces lo havian hecho.“360
359 Seler G. A. II p. 160.
360 Herrera Dec. II 1. V c. 11 (p. 126).
III. Abschnitt.
Versuch einer
Geschichte und Kulturgeschichte der Totonaken.
H fotonaldschen Kultur hat ein Bild ergeben, dessen Hanptmerk-
Die bisher versuchte Rekonstruktion der a‘ hiedensteI1 Kulturformen ist. Es handelt sich also um eine Kul-
mal ein buntes Neben-und Durcheinander er ve^ nlit Graebner zu reden; dasselbe Resultat
turprovinz vom „Typus der scheinbar rege hisohen Bezirke der Golfküstc — Ouextecapan, die alte Provinz
wird gewonnen, wenn man auch die übrigen e Tabasco _ in ähnlicher Weise untersucht. Die Betrachtung
Cuetlaxtlan, das Papaloapan- und CoBtwcoa co^ dfe pflic}ltj der Forderung Ratzels, die Raumordnung
kann aber hierbei nicht stehen bleiben; ei ^ ^ Kausalordnung umzuwandeln, nach Möglichkeit zu genügend
der Kulturen in eine Zeitordnung und J“ . lg erscheint es vielleicht recht verfrüht, diesen Versuch in einem ab-
Bei der Lückenhaftigkeit unseres * a ¡„dessen auch nur die Richtlinien aufgewiesen werden, in denen sich
schließenden Kapitel zu unternehmen. <« . natürlich zur Vergleichung Daten aus der Ethnographie und Arohä-
eine zukünftige Forschung bewegen kori . ^ einerseitS; der Völker im südlichen Teil des Staates Veracruz und in
ologie der Nachbarvölker, also der ^ ' um eine breitere Basis zu gewinnen.
Tabasco andererseits, herangezogen wer wie die vorliegende, zu beschreiten hat, ist klar vorgezeichnet.
Der Weg. den eine zusammenfassen -
Es gilt: , .. der archäologischen und ethnographischen Tatsachen gewonnenen Kulturbilde
1) in dem durch eine Verknüpf g ^ zeitliches Verhältnis festzustellen;
die einzelnen Schichten herauszuaJ ^ Weise sich überlagernden und durchsetzenden Kulturschichten
2) den Beziehungen dieser i
zu den Nachbargebieten ^zugenem ^ ren Zusammenhang der altmexikanischen Kulturgeschichte hin-
3) die so gewonnenen Resu
einzustellen. . ten ldar zu Tage liegenden Kulturschichten und steigen allmählich zu den alteren,
Wir beginnen mit den]^ Geschichtliche Überlieferungen und Sagen sind, soweit sie über die einzelnen Epochen
mannigfach überlagerten hin ^ -£ulturpetrachtung vorangestellt ,
vorliegen, jedesmal der eigei
1 Die Zeit der aztekischen Vorherrschaft.
"lt ismäßig hellem Licht liegen die letzten 100 Jahre, die der Entdeckung vorausgingen, vor uns. Es
In verba erischen Ausbreitung der Azteken, über die' reichhaltige einheimische Quellen fließen, deren
war die Zeit er^ ^ Berichte der spanischen Entdecker und durch archäologische Funde gesichert ist.
Authentizität ur ^ aztekischen Zügen bildeten die Reichtümer der atlantischen Küste, die schon seit alters auf
Den Anla •) ^nde]gstraßen vor anem auf derjenigen, die Cortés später auf seinem Zuge nach Honduras benützte,
viel begangenen ZUströmten. Das Streben der Azteken ging daher schon frühzeitig dahin, die Kontrolle über
den Hochlanc svo ^ ^ ^ Hand zu bekommen. Unabhängig von den Kriegs- und Handelszügen sind zu wiederholten
diese Handelsstra te^jscpen Geschichte große Teile der Hochlandsbevölkerung, angeblich infolge von Hungi
Malen im Verlauf der a -
iörs-
die Küste ausgewandert .
nöten, an ------ _
Hie geschichtlichen Nachrichten, die sich auf den mittleren Küstenabschmtr i • i
gischer Anordnung kurz folgende: 1 beziehen, sind in chronolo-
Itzcouatl, 1427-1440.
Nach einer vereinzelten Nachricht des nicht sehr zuverlässigen Ixtlilxochitl hätte sch
bedeutenden aztekischen Herrschers Negaualcoyotl von Tetzcoco einerseits die Gebiete von ^eses ers^en
chinanco (Huauchinango) und Xicotepec und weiterhin die ganze „Sierra de Totonanan“ /«*n\ ° ardz*nco> Quauh-
T (sie) unterworfen, andrer-
1 Graebner, Methode der Ethnologie (Heidelberg 1911) p.
130/1. Ratzel, Geschichte, Völkerkunde und historische Per-
spektive, Histor. Zeitschrift Bd. 93 (1904) p. i gq. Schüller
vertritt in El Mex. Ant. II (1924) p. 147/8 den Standpunkt,
daß die Huaxteken dem vateirechtlich - totemistischen, die
Totenaken dem mutterrechtlichen Kulturkreis der sog.
kulturhistorischen Richtung der Ethnologie angehören. Ab-
gesehen davon, daß die kulturellen Verhältnisse bei
beiden Völkern doch nicht mehr so einfach liegen wie bei
Naturvölkern, bestätigt wenigstens die totonakische Ethno-
graphie schwerlich die Ansicht Schüllers.
24
WALTER KRLCKEBERG
seits Cuetlaxtlan (Cotastla) und Quauhtochco (Huatusco). Auch von der Unterwerfung von Tlapacoyan (am Ober-
lauf des Flusses von Nauhtla) wird gesprochen. Hierauf sei N. vonTochpan (Tuxpan) aus an der Küste des Ozeans
entlang bis zur Provinz Tochtepec (Papaloapan-Gebiet) gezogen.2 Das klingt recht fabelhaft und ist wohl teilweise
eine Vorwegnahme der Ereignisse, die sich erst unter den folgenden Herrschern abspielten.
Motecuhçoma I., 1440—1469.
Wahrscheinlich dehnte sich erst unter ihm die aztekische Macht nach Norden und Osten bis in die Küstenländer
aus. Dies geschah nach zwei Richtungen:
1) Von einem Zuge in die südliche Huaxteca (Tziuhcouac und Tochpan) berichten alle unsere Quellen überein-
stimmend. Jedenfalls steht damit die Unterwerfung dreier Orte an der Grenze des totonakischen Gebietes, am Ober-
laufe des Flusses von Nauhtla, in Zusammenhang, die nur im Codex Mendoza genannt werden: Tlapacoyan, Cha-
policxitlan und Tlatlauhquitepec (Abb. 29, 1—3).3
2) Auf der Straße südlich vom Cofre de Perote dringen die Azteken in das Gebiet von Cuetlaxtlan vor, das sie
unterwerfen, wobei auch das südliche Totonacapan mit Cempoallan in Mitleidenschaft gezogen wird. Das Ereignis
ist sicher historisch, da es von allen unseren
Quellen berichtet wird; bei Tezozomoc und Du-
ran wird es sogar zweimal nach demselben
Schema erzählt, womit vielleicht zusammen-
hängt, daß der Codex Telleriano-Remensis
1461, die Histoire Mexicaine (von 1576) 1470
als Jahr der Unterwerfung angeben. Tezozomoc
und Duran nennen als Ursache beider Züge die Ermordung mexikanischer Gesandter (Kaufleute) durch die Leute
von Cuetlaxtlan, wobei TIaxcalteken die Rolle der Anstifter spielen. Das mexikanische Heer unterwirft zuerst
Auiliçapan (Orizaba) mit zugehörigen Ortschaften, unter denen die am Fuß des Perote-Vulkans gelegenen Quimichtlan,
Teoixhuacan und Oceloapan genannt werden, dann Cuetlaxtlan (Cotastla). In Cuetlaxtlan und Cempoallan werden
aztekische Gouverneure eingesetzt. Nach Torquemada richtet sich der erste Stoß gegen Quauhtochco (Huatusco),
erst dann wird das von einem starken Heer unterstützte Cuetlaxtlan unterworfen.4
Von nicht geringerer Tragweite als diese Eroberungen war die große Hungersnot, die nach einer Reihe von Miß-
ernten im Jahre 1 tochtli = 1454 die Hochlandsvölker heimsuchte und die deshalb in der aztekischen Tradition allgemein
necetochuiloc „als im Jahr 1 tochtli alles fortgerissen wurde“ hieß. Die Folge davon war, daß Familienväter ihre Kinder
und sich selbst gegen Lebensmittel an die Küstenvölker verkauften und daß ganze Scharen an die Küste auswanderten,
vor allem zu den Totonaken:
ynic ontlamantli moteneMia netotonacahuiloc
„In zweiter Linie heißt sie (die Hungersnot) ,als alles zu den Totonaken hinabzog',“ _
auh yehica ipampa ca oc cenca yehuantin y Totonaque yn quincohuaco tlaoltica ynMexica.
„Und zwar weil wirklich sie es waren, die Totonaken, die gegenMais die Mexikaner kauften.“
Fast mit denselben Worten, wie Chimalpain, dem diese Stelle entnommen ist, erwähnen
alle Quellen das denkwürdige Ereignis, und Duran fügt hinzu, daß nach dem Erlöschen der
Hungersnot viele der Ausgewanderten wieder in ihre alte Heimat zurückgekehrt seien, ausge-
nommen diejenigen, die nach Totonacapan gezogen waren; „und so finden sich noch heutigen
Tages in jenem Land Gemeinden (barrios) von Mexikanern, Leuten von Chalco, Tetzcuco,
Xochimilco und Tepaneken, die in jener Zeit hinabzogen, um dort zu leben und bis zum
heutigen Tage zu bleiben. Sie wollten nicht mehr in ihr Stammland zurückkehren, da sie ein
anderes, ähnliches Unghick befürchteten und wußten, daß das mexikanische Gebiet der
Ländereien zur Aussaat entbehrte und daß alle Lebensmittel von auswärts eingeführt werden
mußten. Deshalb blieben sie an jenen Orten und in vielen abgelegenen Teilen des Landes,
245 — 249), Ixtlilxochitl Hist. Chich. c. 41 (p. 205 — 208),
Torquemada 1. II c. 47 (I p. 158/9), Sahagún L VII c.
9 und 1. VIII c. 1, An. de Quauhtitlan (An. Mas. Nac.
HI, Apéndice) p. 77, Chimalpain ed. Rémi Siméon p- H6/7,
Histoire Mexicaine von 1576 p. 27 (teilweise wörtlich mit
Chimalpain übereinstimmend). Die französischen Übersetzer
der beiden zuletzt angeführten Quellen haben in dem V\ orte
ne-totonaca-huilo-c nicht einmal den Namen der Totonaken
erkannt! — Das Bild des Cod. Telleriano-Remensis zeigt
drei an der Hungersnot gestorbene MerlSC*ien inmitten merk-
würdiger, punktierter Kringel.'—Hnngeisnöte sind als Beweg-
giünde von Auswanderungen auch sonst öfter in mexi-
kanischen Annalen verzeichnet; 80 s°üen z. B. die Nicarao
dadurch zur Abwanderung nach dem Süden veranlaßt worden
sein. Lehmann, Zentral-Amerika II p. 1005 n. 3; Id., bei
Sei er G. A. IV p. 359.
in dem sie das Bürgerrecht erlangt hatten.“ (Abb. 30).5
2 Ixtlilxochitl Hist. Chich. c. 39 (p. 196—198); Id., Relac.p.
320, zählt unter den von Ne^aualcoyotl unterworfenen Pro-
vinzen wieder Cuetlaxtlan und Quauhtochco, Tlapacoyan und
Tochpan auf.
3 Die Hieroglyphen stellen 1. eine Hand mit einem Stein und
einem Wasserstrome (Tlapacoyan „am Orte, wo man wäscht“),
2. den Fuß (icxitl) einer Heuschrecke (chapolin), 3. einen roten
Berg (tlatlauhqui tepetl) dar. — Tziuhcouac ist nach Staub
(Zeitschr. Ges. Erdk. 1923, p. 205) das heutige Cicuaque
am Rio Tuxpan, oberhalb Tuxpans,
Tezozomoc c. 31/2 (p. 325 sq.) und 34/5 (p. 343 sq.), Durän
Trat. Ic. 21 (I p. 180-187) und 24 (I p. 199-207), Torque-
mada 1. n c. 49 (I p. 161/2), C. Teller.-Rem. fol. 33 verso,
Histoire Mexicaine von 1576 p. 28 (Nicä pohuhq cuetlax-
teca), C.Mendoza fol. 8 no. 21, 22 (Cuetlaxtlan, Quauhtochco).
Tezozomoc c. 39/40 (p. 362 sq.), Durän Trat. I c. 30 (I p.
Abb. 30. Die große Hun-
gersnot im Jahre 1 Kanin-
chen (tochtli) = 1454. Cod.
Telleriano-Remensis fol. 32.
Abb. 29. Hieroglyphen totonahischer Ortschaften.
Cod. Mendoza fol. 8 (18—20), 12 (23—24) und 13 (14).
DIE TOTONAKEN
25
Axayacatl, 1469—1482.
Nach dem Codex Mendoza hätte Axayacatl die Er ober ungen seines großen Vorgängers befestigt da auf Eni in
nV” Ke!he Orten, die rn der Gegend von Auiligapan (Orizaba) und Cuetlaxtlan (Cotastla) liegen and
aufgezahlt werden, die in die südliche Huaxteca (Tochpan, heute Tuxpan) gehören. Totonakische Orte werden 1 im
nicht genannt. Doch berichtet Tezozomoc und übereinstimmend mit ihm Duran, Axayacatl habe zu der f * ,i- t ^
Einweihung des neuen Temalacatl (des zylindrischen Steins, auf dem das Kampfopfer vollzogen wurde 1 ucho^ ^
Fürsten auch Tlehuitzilm von Ce mp oallan und Quetzalayotl von Quiauiztlan, „I03 vasallos nuevos deT
mar“, eingeladen.6 *" ue la §ran
Tizoc, 1482—1486.
Seme kurze und unglückliche R egierung bringt für die Geschichte Totonacapans nichts Neues Die N- 1 '1
Ixtl ilxochitls von einer erneuten Unterwerfung der Provinz Auili§apan (Orizaba) durch den jungen tetzco 'b
Fürsten Ne9aualpilli wird anderweitig nicht bestätigt. Wahrscheinlicher klingt der Bericht Tezozomocs undU[)1SC' ^
es seien zur Feier des mocxipacaz (motlatocapaca) oder „labatorio de pies“, d. h. der offiziellen Thro b Ulans’
Tízocs, neben Vertretern der unterworfenen Städte Cuetlaxtlan und Auiligapan, Tochpan und Tziuhc ^ eigUn^
totonakische Fürsten von Cempoallan und Tuzapan erschienen. Den tatsächlichen Machtverhältnissen°UaC
es auch, wenn auf dem berühmtesten historischen Monument dieser Zeit, dem großen QuauhxicaJJi Tízocs * ^ S?J1Cht
der atlantischen Küste, die diesem Herrscher untertan waren, nur Tochpan (bzw. Tochtla), Auiliyapan und Cr
tlan hieroglyphisch wiedergegeben sind.7 le ax“
Ahuitzotl, 1486—1502.
Die Einweihung des unter Tizoc beinahe vollendeten Tempelneubaues in der Hauptstadt im Anfan ' i
tzotls konnte, wie üblich, nur unter Strömen von Blut vor sich gehen. Daher sehen wir den König gleich nach ^
Regierungsantritt einige Kriegszüge unternehmen, die nichts anderes als Menschen]agden großen Stiles seinern
Hauptziel bildeten diesmal die Huaxteken von Tziuhcouac und Tochpan, die man seit Motecuhyoma I ^
gestört gelassen hatte und die nun das Hauptkontingent der nach den bescheidensten Angaben (z B Cod TM]° • Un
Remensis fol. 39) 20000 Menschen zählenden unglücklichen Schlachtopfer stellten. Mehr als diese Orgie ! e™°~
durstes interessieren uns hier ein paar Züge ins Totonakenland, die offenbar mehr politisch-militärisch 7A ^
iolgten. Der eine richtete sich gegen die Gebiete am Süd- und Ostfuß des Cofre dePerote, die vielleicht erst ‘ ^ ^
gültig unterworfen wurden, nachdem sie schon unter dem erstenMotecuh9oma vorübergehend tributpflicht'CnC^
worden waren. Die Codices Mendoza (Abb. 29, 4) und Telleriano-Remensis führen nämlich unter den lggGmacht
tzotl eroberten Städten Xicochimalco (heute Jico) an, dessen Unterwerfung auch von Chimalpain unTd^^1*1"
de Quauhtitlar bestätigt whd, und Torquemada spricht in einer kurzen Notiz von Gefangenen, die man aus AnaIes
tlan (heute Quimistlan) einbrachte. Ob auch der im Codex Mendoza auf Xicochimalco folgende Ort XiuhtUlmiCh_
(„Grassteppe des Feuergottes“) in derselben Gegend lag, ist fraglich. Auch nur mit Vorbehalt ist hier der auf
von Eroberungen an der pazifischen Küste folgende Ort Xolotlan (Abb. 29, 6) anzureihen. Ein Xolotla ^
atlantischen Abfall der Sierra Madre in der Nähe von Teciuhtlan (es kommt in der Tributliste in d ain
Tlatlauhquitepec neben Teciuhtlan vor; die Hieroglyphe xolotl ist hier aber noch mit dem Element quauh ^ GruPPe
ein anderes nach mündlicher Mitteilung Selers an der Barra de Nauhtla. Wenn das letztere gemeint^' T*bUnden) ’
eine interessante Nachricht Ixtlilxochitls ihre Bestätigung, die davon spricht, daßNe9aualpilli vonT ^ ’ S° .^ndet
Verbündeter, im Jahre 1486 „über die Küste von Nauhtla (die man jetzt Almería nennt) kam & ^C°C°’
einigen Schwierigkeiten wegen der Gebirgigkeit und Unwegsamkeit der Zugänge jener Provinz Ti 'iE ’ °fbw°hl er mit
dennoch in Kürze unterjochte und viele Anführer und Krieger der Vornehmsten jener Nation (di /t“ SÍG
Niederlandes heißen) gefangen nahm. Damit blieb diese ganze Küste bis zum Panuco unter seiner H °tonáken des
Wenn die Nachricht richtig ist, so hätten wir in ihr den einzigen historischen Beleg für die Be aft.....“®
kanischen Herrschaft in Nauhtla, das ja ein fester aztekischer Stützpunkt war, als die Snai ' ^^ ^ mexi~
Daß aber gerade Ne9aualpilli mit dieser Eroberung in Zusammenhang gebracht' wird -' ft 161 • fX1C° Gntdeckten-
licht auf die engen Beziehungen, die seitdem Tetzeoco mit dem nördlichen Totonacapan'verbandenTf“*“ Streif-
Der betreffende Küstenstrich hat wohl zum speziellen tetzcoca nischen Verwaltungsbereich'gehöd-t gfmde)'
Tezozomoc c. 49/50 (p. 407 sq.), Duran Trat. I c. 36(1
9Qi __ 283).
r* Tvochitl Hist. Chich. c. 55 (p. 262/3), Tezozomoc
1x 1 445 Sq.), Duran Trat. I c. 40 (I p. 316), Beier G.A.
5 805 — 810. — Auch Sahagún 1. VIII c. 34 (aztekischer
11 bei Seler G. A. H P- 50) berichtet, zu dem großen Men-
JotonopUbeim Regierungsantritt der Könige seien neben
zahlreichen anderen feindlichen Fürsten auch die Totonacapan
tlatoque („die Könige von Totonacapan ) geladen worden.
C, Teller -Rem. fol. 40, Chimalpain ed. Rémi-Siméon p.
166, An. de Quauhtitlan (An. Mus. Nac. III, Apéndice)
p. 80, Torquemada 1. H 0. 66 (I P- 191), Ixthlxochitl
Hist. Chich. c. 59 (p. 271). Vgl. auch die Aussagen D. Hernando
Pimentei Nexgavualcuyutls, eines Enkels Negaualpillis, in
einem an den König von Spanien gerichteten Memorial bei
Orozco y Berra Geogr. p. 244: „Die Ortschaften, die meine
Vorfahren durch Krieg gewannen und wo sie ihre Pächter und
Domänen hatten, sind Tulancingo, Acoac, Tuchpa, Tla-
tlauhtepec, Tuchtepec.....“ Auch Motolinia Mem. I
c 53 (p 145) un<^ ^ c’ ® (P1 ^65) und na°b ihm Las Casas
Apol. Hist. c. 211 (ed. Kingsborough VIII p. 251) sagen vom
König vom Tetzeoco, er habe „15 Provinzen bis zur Provinz
Tuzapan am Nordmeer beherrscht.“ - Die Hieroglyphen des
Tod Mendoza (Abb. 29, 4-6) stellen 1. einen Schild (chimalli)
roit; einer Bieue (xicötli) darauf, 2. den Kopf des Feuer-
Gottes (Xiuhteoütli) mit drei Blütenrispen eines Grases (?aoatl),
3. den Kopf des Gottes Xolotl di i.
26
WALTER KEICKEBERG
Motecuhgoma II., 1502—1520.
Der letzte Herrscher Mexicos h?t zu den Eroberungen seiner Vorgänger in den Küstenländern nichts Neues
hinzugefügt; seine größte Ausdehnung hatte das Reich schon unter Ahuitzotl erreicht. Nur von einem Feldzug gegen
Tecuhtepec in der Huaxteca ist in den meisten Quellen die Rede, ferner von Unternehmungen, die sich gegen die
Gebiete am Oberlauf des Papaloapan richten. Der Codex Mendoza führt unter den Ortschaften, mit denen gekämpft
wurde, außerdem noch folgende mit ihren Hieroglyphen an: Molanco, Ueyapan, Tecpatlan, Amatlan, Caltepec,
Pantepec und Teoatzinco. Abgesehen von Amatlan, das in der Gegend von Cordova im südlichen Veracruz liegt,9
gehören alle diese Städte den nördlichen Strichen des Staates Puebla und dem angrenzenden Staat Hidalgo an, liegen
also auf dem Wege zur Huaxteca, insbesondere Molanco,
das im Norden der kleinen Provinz Metztitian das Ein-
fallstor in die Huaxteca bildete und schon von Ahuitzotl
unterworfen war. Caltepec (bei Teciuhtlan) und Pantepec
liegen außerdem im totonakischen Sprachgebiet. —Es ist
seltsam, daß hiernach Orte, die doch schon längst zum
aztekischen Herrschaftsbereich gehörten, noch einmal in
einen Kampf mit Tenochtitlan gerieten, wo doch gerade
die nordöstlichen Gebirgsdistrikte (Zacatlan, Tuzapan,
Tetela, Iztacamaxtitlan, Tzauctla) im Anfang der Re-
gierung Motecuh9omas II. diesem Gefolgschaft im Kampf
gegen die Republik Tlaxcala hatten leisten müssen. Ich
möchte die Vermutung wagen, daß diese Angaben des
Codex Mendoza mit den folgenschweren Ereignissen zu -
sammenhängen, die sich nach Ixtlilxochitl und Torque-
mada im Jahre 1516 und 1517, also kurz vor der An-
kunft der Spanier, abspielten und beinahe den Abfall
der ganzen nördlichen Provinzen zur Folge gehabt hätten.
Nach dem Tode Negaualpillis von Tetzcoco war ein
Thronstreit zwischen seinen drei Söhnen Cacama, Coana-
cochtzin und Ixtlilxochitl ausgebrochen. Cacama wird
Von Motecuhyoma II. begünstigt, Ixtlilxochitl erklärt
sich gegen ihn, flieht nach Metztitian, wo er aufgewachsen
war, und gewinnt nicht nur die tapferen Bewohner
dieses Gebirgslandes für sich, sondern auch die nörd-
lichenTotonaken(todaslas gentesde lassierras de los totonaques), die die gute Gelegenheit, das harte mexikanische
Joch abzuschütteln, nicht vorübergehen lassen wollen. Mit einem starken Heer zieht er gegen Tenochtitlan, dringt bis
Otumba, Zumpango und Huehuetoca vor und bedroht schon den Bestand des Reiches, da kommt es zu einem Ver-
gleich der drei Brüder, durch den Ixtlilxochitl die nördlichen Provinzen erhält, Cacama aber als rechtmäßiger Könio-
von Tetzcoco anerkannt wird. So erklärt es sich wohl auch, daß kurz vor der Einnahme Tenochtitlans die nordto-
tonakischen Städte Tuzapan, Mezcaltzinco und Nauhtla durch Vermittlung Ixtlilxochitls den Spaniern ihre
Unterwerfung anboten.10
Das Jahr 1 tochtli — 1506 soll wieder eine schwere Hungersnot mit darauf folgender Auswanderung großer Teile
der Hochlandsbevölkerung nach Totonacapan mit sich gebracht haben. Das Ereignis wird von vielen Quellen
übereinstimmend und nach demselben Schema wie die Hungersnot von 1454 erzählt (Abb. 31).11 Schon dies, noch
mehr aber die Übereinstimmung des Datums läßt es zweifelhaft erscheinen, daß diese Hungersnot wirklich historisch
Abb. 31. Die große Hungersnot in den Jahren 13 Hans (ealli) = 1505
und 1 Kaninchen (tochtli) = 1506. Cod. Telleriano-Remensis fol. 41 verso.
9 Auch bei Torquemada 1. II c. 76 (I p. 211) wird ein Zug
gegen Amatlan erwähnt. Vielleicht hängt er mit der Auf-
sässigkeit der Provinz Cuetlaxtlan gegen die mexikanischen
Tributeinnehmer zusammen, deren Anlaß nach Tor quemada
1. II c. 78 (I p. 214) eines der vielen, die Ankunft der Spanier
ankündenden unheimlichen Vorzeichen war.
10 C. Mendoza fol. 15 no. 1 u. 4 — 9, Ixtlilxochitl Hist. Chich.
c, 76 (p. 330 — 333) und 92 (p. 423), Torquemada 1. II c. 72
(I p. 202) u. c. 83 — 86 (p. 220 — 227). Vgl.hierzu auchChimal-
pain ed. Rémi Simeon p. 184 sub 10 acatl (1515); No yhuan
ypan in pehualloque Tlatlauhquitepeca ,,in demselben Jahr
wurden die Leute von Tlatlauhquitepec besiegt.“
i'Jotolinia Mero. II c- 21 (p. 323), Mendieta 1. III c. 2 (p-
IxtlilxochitlHist. Chich.c. 71 (p. 309), Torquemada
L 11 c. 73 (I p. 203) und c. 90(1 p. 235), An.de Quauhtitlan
(An. Mus. Nac. III Apéndice) p. 80 Sahagún 1. VIII c. 1. -
Nach Herrera Dec. IV 1. IX c. 8 (p. 188) hätte Motecuhçoma
als Ersatz für die durch große Seuchen (cocoliztli) dezimierte
Küstenbevölkerung SOOOHochlandsfamilienan den atlantischen
Gestaden angesiedelt —: mit diesyr Auffassung steht Herrera
allerdings ganz allein unter den alten Chronisten. — Im Cod.
Telleriano-Remensis sieht man (Abb. 31) unter dem Datum
13 calli die Hungersnot durch einen Vogel mit Menschenkopf
symbolisiert, die unglücklichen Hochlandsbewobner durch
einen weinenden Menschen. Eine Figur mit Wanderstab und
Rückenkraxe deutet auf die Auswanderung an die Küste, ein
kleiner, durch Stricke gefesselter Mensch auf den Verkauf der
Kinder in die Sklaverei hin; eine Rückenkraxe mit einem Sack
voll Mais zeigt, was man dafür von den Küstenbewohnern er-
hielt. Unter dem Datum 1 tochtli ist c*ab ®ro^e Opfer dar-
gestellt, das man zur Abwendung der Not der Eidgöttin Tlagol-
teotl darbrachte: ein Mensch, der em leiterartiges Gestell
gebunden und mit Pfeilen durchsdl0bsei1 kt. Darunter eine der
Ursachen der Hungersnot (©ine Feldmaus, die Maispflanzen
frißt).
DIE TOTONAKEN
27
war - im Gegensatz zu der gut beglaubigten älteren die legendäre Verdoppelung erklärt sich wohl daraus daß
Tan vo dem durch die Tradition zu trauriger Berühmtheit gelangten Jahr 1 tochtl. aberglaub.sohe Scheu hatte
man vor ctem amen u ■ x\r a \ «einer Schrecken befürchtete, in ähnlicher Weise, wie man
-nnri iodo«mal bei seiner Rückkehr anch eine Wiederholung semei ouue
und jedesmal oei seiner rvuuiv y den Untergang der gegenwärtigen „Sonne“, d. h.
etwa am Tage 4 olin („Bewegung“) stets mit Zittern und Zagen 8 ö 80
Erdperiode, erwartete. u. , letzten Zeit mexikanischer Selbständigkeit zum aztekischen
Einen guten Überblick über die Gebiete die de Tributos, der in drei Abschriften erhaltenen bilder-
Machtbereich gehörten, mußte man eigen ic vom Tribute erwarten.12 Aber sei es, daß dieses Dokument
schriftlichen Aufzahlung der unterwor enen i e unc bestimmten Verhältnis zur Krone stehenden Orte an-
unvollständig erhalten ist, oder daß es nur ic m em® un¿ die Orte am Fuß des Cofre de Perote doch längst
führt: jedenfalls vermissen wir in ihm Orte, die**« ^ fo Bezirke in Betracht:
unbestrittener aztekischer Besitz waren. Für un Tributos 32j Lorenzana 30. (Abb. 32a).
1. Tributbezirk Tochpan. Cod. Mendoza ’ _ Ciuateopan, Papantla, Ocelotepec, Miauapan, Mic-
Dazu gehören die Orte Tochpan, ila iv ^e’coco<q3 diese 7 Orte in einer Gruppe von 72 bzw. 67 auf-
tlan. In der „Lista de los pueblos que pertenecían a^^ ^ Bundesstaaten Tenochtitlan, Tetzcoco und Tlacopan
gezählt, deren Tribute zu annähernd gleichen rpi7apan für Ciuateopan (in der ersten Version der Liste) Cihua-
verteilt wurden. Für Tlalt^apan steht m pibro de Tributos liegen sämtlich am Nordende der alten Provinz
teotitlan, für Mictlan Micquetlan. Die 7 1 ®d Ocelotepec auch noch auf modernen Karten14 festzustellen: Tuxpan,
Totonacapan und sind bis auf Tlalt^apan^un^^^ ^ihuat.eutla im Staat Puebla (Distr. Huauchinango). Die Ort-
Miquetla, Miahuapa und Papantla im ^ denKarten verschwunden, doch haben mir genauere Spezialkarten
schäftender „Lista“sind allerdings wo me* tanden _ I)ie Tribute, die diese Orte jährlich zweimal nach México
dieses Gebietes leider nicht zur Verfügung ^ von Kleiderstoffen: Schulterdecken und Schambinden, Weiber-
abführen mußten, bestanden aus einer und reich verzierten. 3440 Ballen Decken, 400 Ballen Schambinden
hemden und -rocken; einfachen weißen ge^ ^ beredtes Zeilgnis für die hohe Blüte der Weberei in diesen Küsten-
und 400 Ballen Weiberhemden sind au gezc wie’dergegebenen Decken heißen nach Sahagün:
ländern. Die drei in der Tributliste Di ^ ^ ^ dem pulquegefäß-Muster und einer Augenborte versehene Decke.“
1. ometochtecomayó tilmäth te™xy^ä”. die orangefarbene Decke, die mit dem Windgeschmeide gemustert und
2. camo'pcdecacozcayo tenimy <«
mit einer Borte in Federarbeit verse ^ Meerschneckenmuster und einer Augenborte versehene Decke.“
3. tecucizyö tilmäth ten^ ” den Trachtabzeichen des Königs bzw. hohpr Beamter.15
Alle drei gehörten in Tenochtm iefemden Tributen erscheinen zwei Devisen der Art, welche die Mexikaner
Unter den alljährlich einma ^ hammartiger Schmuck“ nannten, mit Schilden, die das xicalcoliuhqui
quaxolotl „Xolotl-Kopf“ unc ga]bmond)’.Muster auf der Fläche zeigen, ferner 20 Sack mit weißen Federn, Ketten
(Stufenmäander)- und cuexyo ^ gcheiben mit Türkismosaik. Mosaiken werden sonst bei keinem Tributbezirk unter
aus Jadeit- und Türkisperlen un > ^ daß die atlantische Küste neben der Mixteca die Heimat dieser feinen,
den Gaben genannt; wir wissen m ’ auch die südlichen Totonaken es verstanden, z. B. die Oberfläche ihrer
geschmackvollen Flächenkunst war und
1) Libro del^nhu tog ed. Ant. Peñafiel in den „Monumentos
del Arte Mexicano Antiguo“ Taf. 228-259. 2) Codex Men
doza ed. Kmgsborough in den „Antiquities of Mexico“ I(Bi{
der) undV (Text) 3) Lorenzana, Historia de Nueva España
(Ausgabe der Briefe des Cortés), México 1770, hinter p ]7ß
Cordillera de los pueblos que antes de la conquista pagaban
tributo á el emperador Muctezuma. 32 (31) Tafeln Am r u
ständigsten ist die Tributliste im Codex Mendoza dodh I? H
die Bilder hier nicht so gut gezeichnet, wie die des Libro de Tri
butos, dem aber einige Blätter fehlen (die Blätter, Tziuhco “
und „Tlatlauhquitepec sind hier durch flüchtige uncTrohe
Kopien ersetzt). Lorenzana gibt die Bilder in der dem Geschmack
seiner Zeit entsprechenden Umzeichnung, doch mit wert*
vollen aztekischen Beischriften, die wieder den beiden andere
Ausgaben fehlen.
Liste ist der Kommentar einer verloren gegangenen
i3 Biese der uns Zwei Fassungen erhalten ist: 1) in
. e_K- -e des José Fernando Ramírez, von der wieder
Manuel Orozco y Berra eine Abschrift genommen hat; ver-
von Francisco del Paso y Troncoso im 4. Bande der
Uates del Mus.Nac.de Mtóco (1887) p. 48-66; 2) in einer
Kopie Fr Toribio Motolmias. veröffentlicht am Ende
seiner „Memoriales“ von Luis Garcia Pimentei. México 1903.
p. 353-356. - 1) ist durch den aztekischen Text, 2) durch
die Hinweise auf die Bilder interessant. Im übrigen stimmen
die beiden Listen leidlich überein, nur gruppiert Motolinia die
Ortschaften etwas anders ( — das ist ein Beweis dafür, daß
die Ortshieroglyphen auf einem „Lienzo“ derart angeordnet
_______„„cx vxiD/xagcnorigKeit zur einem
oder zur anderen Gruppe entstehen konnte) und nennt auch ein
paar andere Namen. Auszüge aus diesen Listen sind übrigens
auch bei Torquemadal. II c. 53 (I p. 167) undZurita (Breve
y Sumaria Relación) erhalten. Endlich bezieht sich auch Ix -
tlilxochitl auf sie, wenn er in der Hist. Chich. c. 39 (p. 197)
sagt; La gran provincia de Tochpan se dividía en siete pro-
vincias , que contenían todas ellas sesenta y ocho pueblos ä
ellas sujetas. Im Libro de Tributos sind also nur die 7 Haupt-
orte der Provinz aufgezählt, die im ganzen etwa 70 Orte um-
faßte.
14 Ich benutzte als Kartenroaterial die García y Cubás’schen
Kartender einzelnen Staaten, die zwar in vielen geographischen
Einzelheiten heute veraltet sind, aber eine Menge Ortsnamen
enthalten, wodurch sie lür die vorliegende Arbeit besonders
nützlich waren. Herr Geheimrat Seler stellte mir diese jetzt
seltenen Karten auf das liebenswürdigste zur Verfügung, wofür
ich ihm besonderen Dank schulde. Daneben leisteten mir außer
einigen Spezialkarten die Blätter Veracruz und Puebla des
„Atlas Ibero-Americano“, herausgegeben von Benito Chías,
gute Dienste. Nach diesem Material ist auch die dem
ersten Teil dieser Arbeit beigegebene Karte gezeichnet. —
Für das nördliche Totonacapan kommt auch die 1919 in
México von der technischen Kommission der Secretaría de
Industria, Comercia y Trabajo herausgegebene Carta de la
Zona Petrolífera del Norte de Veracruz (1:400000) in Be-
tracht, von der ich ein Exemplar Herrn Dr. Staub verdanke.
15 Seler G. A. II p. 522—524.
28
WALTER KRICKEBERG
33 um 333
Lippenscheiben mit Türkisinkrnstation zu überziehen. — Endlich sind noch 800 Ballen Chilepfefferschoten unter
den Tributen genannt. Im 2. Abschnitt, Kap. 2, ist näher ausgeführt worden, daß die Chilesaucen in der Küche der
Totonaken einen selbst für mexikanische Verhältnisse ungewöhnlich breiten Raum einnahmen.
Lie ,,Lista de los pueblos que pertenecían á Tezcoco“ führt unter den Tributen der Gruppe Tochpan zunächst
auch eine Menge Ballen (quimilli) von Mänteln, Schambinden, Enaguas und Weiberhemden an; die Stoffe sind 4
oder 8 Klafter breit (nanauhmatl undchicuematl), was im Libro de Tributos hieroglyphisch durch darübergezeichnete
Finger angedeutet wird, und es ist ein Beweis für die Identität beider Listen, daß die einzelnen Posten
Kleiderballen der ,,Lista“ zusammengezählt auch genau 4240 ergeben. Die ,,Lista“ läßt die Devisen, Federn und
Schmuckstücke fort, führt aber auch
Chilepfeffer (chiltecpin) unter den
Tributen an, ferner Rohbaumwolle,
blutrot bemalte Matten (ezpetlatl),
Coyotefelle (coyoeuatl), Streusalz
(iztaxalli), Waldhühner (totolin),
Kaninchen, Hirsche und männliche
und weibliche Sklaven (tlacatl ciuatl
tlacotin).
2. Tributbezirk Tlatlauhquitepec.
Cod. Mendoza 53, L. de Tributos 31,
Lorenzana 29. (Abb. 32b).
Orte; Tlatlauhquitepec,
Ateneo, Teciuhtlan, Ayotoch-
co, Yancuictlalpan (L. de T.;
C. M.: Yayauquitlalpa), Xolotlan
(L. deT.; C. M.: Xonoctla), Teo-
tlalpan, Itztepec (L. deT., C. M.;
Lorenzana: Itztepetitlan), Ixcoya-
mec, Yaonauac, Caltepec. —
Yancuictlalpan ist zweifellos die
richtige Lesart, denn yaneuie ist
nach Molina ,,cosa nueva ó reziente“
und wird hieroglyphisch durch eine
reine, weiße Fläche ausgedrückt, in
diesem Fall durch einen weißen
Acker streifen.16 Xolotlan ist viel-
leicht zu Quauh-xolotlan zu ergän-
zen; denn die Hieroglyphe zeigt
einen typischen Xolotl-Kopf mit den
gestutzten Ohren und dem Ohr-
schmuck Quetzalcouatls und darüber
einen Baum (quauhtli) .Die genannten
Ortschaften liegen sämtlich über
einen verhältnismäßig kleinen Raum verteilt in den heutigen Distrikten Zacapoaxtla, Tlatlauhquitepec und
Teciuhtlan; Tlatlauhquitepec, Atempan (= Ateneo), Yaonauac, Teciuhtlan dicht beieinander noch im Gebirge, Yan-
cuictlalpan, Ayotochco, Cuauxocola { = Quauhxolotlan ?) mehr nach der Küste zu in der Richtung auf Papantla. Viel-
leicht ist Ixcoyam.ec mit dem heutigen Oyameles südlich von Tlatlauhquitepec, Teotlalpan mit Hueytlalpan im
heutigen Distrikt Zacatlan gleichzusetzen. Caltepec wurde oben bereits erwähnt.17
Zweimal jährlich hatten diese Orte zu liefern; 1600 Ballen einfache, weiß und schwarz gestreifte Mäntel (,,tül-
papatlahuac tilmätli“, Lorenzana) und 8000 Ballen Xochiocotzotl oder Liquidambar, ein wohlriechendes
Baumharz, das hauptsächlich in den nördlichen Teilen des Staates Puebla gewonnen wird. Hier bilden die Liqui-
dambarbäume neben Eichen die Charakterbäume des Regenwaldes der mittleren Bergregionen. Es scheint, daß der
Liquidambar in alter Zeit ein Haupterzeugnis von Totonacapan war; Sahagün sagt es ausdrücklich in seinem ethno-
graphischen Kapitel, und eine alte Relación bemerkt, daß auch Misantla in alter Zeit 40 Ballen Liüulclam^Jaf> den
Ballen zu 4 Arrobas, an México abzuliefern hatte. Das Hauptgebiet der Gewinnung war allerdings die unteiste Terrasse
Abb. 32. Hieroglyphen totonaldscher Ortschaften der drei Tributbezirke Tochpan (a),
Tlatlauhquitep ec (b) und i lapacoyan (c). Cod. Mendoza fol. 54, 53 und 52.
die Hieroglyphe für Yancui(c)-tlan (= Yanhuitlan) im
G Mendoza fol. 45 no. 4.
txtepec (Itztepec) und Xolotla sind unter den Orten des Staates
Ruebla, in denen totonakisch gesprochen wird, bei Orozco
V Berra Geog’. p. 214 — 216 aufgezählt; nach der Reh del
Obisp. qe Tlaxcala (ed. Pimentei 1604) p. 3 10 wird in
Itztepec, das neben Hueytlalpa genannt ist, mexikanisch ge-
sprochen. Auch Sahagün 1. XI c- 6 § 6 nennt Itztepec neben
Tlatlauhquitepec und Xalapan.
DIE TOTONAKEN
29
des Hochlandrandes mit Huauchinango nnd Jicotepec. Der Saft der hohen, mit efeuartigen Blättern 2eschm,int+
aume wurde eingedickt und in die Form von Stollen gebracht; er diente als Bäuchermittel und Medizin 18 ^
Einmal jährlich lieferte dieser Tributbezirk eine Ocelotl- und eine Cuextecatl-Devise (d. h. ein gesten t
Federn geschmücktes Wams, das den Krieger als Jaguar oder Huaxteken erscheinen ließ) mit Schilden TT
Art, wie sie die Leute von Tochpan lieferten. ierselben
3. Tributbezirk Tlapacoyan. Cod. Mendoza 52, L. de Tributos 26, Lorenzana 28. (Abb. 32c).
Orte: Tlapacoyan, Xiloxochitlan, Xochiquauhtitlan, Tochtlan, Couapan. Aztaapan А
9acatlan. Es gibt in dem hier behandelten Gebiet zwei Orte namens Tlapacoyan: der eine liegt im Distrikt Zacatl&'
an einem Zufluß des Bio Tecolutla, der andere im Staat Veracruz am Oberlauf des Flusses von Nauhtla beideT T
an der atlantischen Abdachung der Sierra Madre. Welcher hier gemeint ist, läßt sich nicht entscheiden da dieTb ^
Ortsnamen dör Gruppe auf modernen Karten nicht mehr festzustellen sind. Ich möchte aber doch annehmen^daß
es sich um das Tlapacoyan am Bio de Nauhtla handelt, über das die wichtige, von Teciuhtlan nach der Küste &
laufende Straße (s. I. Abschnitt, Кар. 1) führt, und daß die übrigen Orte in der weiteren Umgebung dieses TJa у T*'
nach Nauhtla zu lagen. Als Beleg hierfür möge dienen, daß die Spanier auf Grijalvas Küstenfahrt nach dem TT
bruch von S. Juan de Ulüa zuerst „las sierras que se dizen de tuztla“ und dann erst die Sierra von Tu храп zu G
sicht bekamen, und daß Orozco y Berra im südlichen Totonacapan einen Ort S. Pablo Coapan anführt- Xiloxoclu"
tlan heißt nach dem xiloxochitl oder Balsambaum, einer Bombacee (Carolinea princeps), die nach Motolinia
Ufern der Flüsse auf der atlantischen Abdachung häufig vorkam und von den Indianern zur Gewinnun TrT
kostbaren, heilkräftigen Harzes angezapft wurde.19
Die Tribute dieser Gruppe bestanden aus 400 Ballen gestreifter und 800 Ballen einfacher weißer Denken Г
zweimal jährlich geliefert wurden, und aus Devisen der Arten, die im Trachtenkapitel Sahagüns den Namen TMt ^
mitl „Schreckgespenst“ und Cuextecatl „Huaxteke führen (einmal jährlich).
Die drei südlichen Tributbezirke des Libro de Tributos (Quauhtochco, Cuetlaxtlan, Tochtepec) kommen f"
Totonacapan nicht mehr in Betracht. Im Norden aber besitzen die aufgezählten Ortsnamen für uns eine besond T
Bedeutung; denn die Bezirke Tochpan, Tlatlauhquitepec und Tlapacoyan repräsentieren ja gewissermaßen die 1
Bichtungen, in denen, wie wir im zweiten Abschnitt (Kap. 1) sahen, die Azteken durch das nördliche Totona
der Küste zustrebten: Huauchinango-Tuxpan, Teciuhtlan-Papantla und Teciuhtlan-Nauhtla, ^
Mit den Tributen, die in den offiziellen Listen aufgezählt werden, sind die Reichtümer, die die Hochlands
aus den Küstenländern bezogen, noch keineswegs erschöpft. Nicht nur die kostbaren, buntgemusterten BaunT^ T
Stoffe kamen von dorther, sondern (z. B. aus Cuetlaxtlan) auch die gewöhnlichen, für den alltäglichen Gebra
bestimmten, und neben der feinsten, seidenartigen Rohbaumwolle lieferten die Gebirgsabhänge (z. B. Hueytlal j !
auch Sorten dritten, vierten Ranges bis zu der minderwertigen quauhichcatl herab.20 Jaguarfelle sind noch in ne ^
Zeit ein wichtiger Handelsartikel der Distrikte Papantla, Misantla und Jalapa gewesen. Von Schmuckvö
lebt zwar nicht der Quetzalvogel, dessen prachtvolle, metallisch grüne Schwanzfedern aus dem fernen Tee wj
(im nördlichen Guatemala) herbeigeholt werden mußten, in diesen Küstenstrichen, dafür aber manche andere A t ^
der Qaquan (Trupial) und der Ayoquan, der grüne Papagei (Toznene) und der rote Arara (Alo), der Xochitenac tl’ ^
der Teotzanatl; bei den beiden letzteren nennt Sahagün direkt Totonacapan als Heimat und bemerkt daß +
tzotl den Teotzanatl, eine Art Elster, deren Federn die Mexikaner zur Herstellung der Konturen in den Fede^8 •
benutzten, im Hochland akklimatisiert habe.21 Von Schmucksteinen kam der verschiedenfarbig schiß Ti
tziltetl („Kolibristein“) aus Totonacapan, wo man ihn an den Ufern der Flüsse fand; man erzählte v”
nachts wie ein Glühwurm funkele und dadurch die Blicke der Suchenden auf sich zöge Nur Vorn ob TT ' 'T ^ 6Г
diese Kostbarkeit leisten. Nach Seler handelt es sich hier nicht um einen Stein, sondern um die K-U T Slch
nannten Deckel der Schneckengattung Turbo, die nach Hernández allerdings hauptsächlich aus’der TT gC‘
Tototepec an der pazifischen Küste kamen.22 Daß Gold in den Flüssen nahe dem Abfall der SiWm M i 8 Von
wurde, erfuhren schon die Begleiter Grijalvas: ein Mann sei imstande, auf diese Weise au XXfXXX
Rohr mit Goldstaub zu füllen. Bergbaulich wurden Gold und Silber noch im 18. Jahrhundert bei ТеЫп T**
un nördlichen Puebla, im 19. Jahrhundert bei Zomdahuacan im Staat Veracruz gewonnen und zwar
Mühlenpfordt die Minen bei Zomelahuaean und Yecuautla (Distr, Misantla) schon in alter Zeit betrieben ХеГ
i» Seler G. А. II P- 267, 274. Relación des López de Arteaga ” - sein.“
X ¿i Orozco y Berra Geogr. p. 204. Descr. de Guau-
1 n o (1609) i. Col.Doc.Inéd.IXp. 121, 125, 127. Moto-
,C. \a Tvfem. I c. 56 (p. 158/9).
i» iToiaz c. 16 (I P- 45)’ 0rozco y Berra Ge°gr- P- 214/6-
rr' rtViUsm ist vielleicht schon auf dem Stein des Tízoc hiero-
glvphisch abgebildet (Seler G.A. U p. 806); das heutige S
Andrés Tuxtla im südlichen Verac uz kann hrer moht gememt
sein, da es altmexikanisch Toztlanhieß und h.eroglyphisch ganz
anders, durch einen Papagei (tozth . wiedergegeben wurde
(C. Mendoza fol.48 no. 21). - Zu xiloxochitl of. Soler G.A,
II p. 611 und Motolinia 1. C. Schon Tapia Reh p. 593 erwähnt
árboles de bálsamo an der Veracruz-Küste. Dieser Balsam ist
nicht mit dem oxitl zu verwechseln, der heilkräftigen I ichten-
harzsalbe, nach der der Ort O xitipan in der Gegend von Tochpan
(s. Tributliste) seinen Namen hat. Sahagün 1. X c. 28 § 1
und Seler G. A. II p. 475, 476.
20 B. Díaz c. 91 (I p. 284), Sahagün 1. X c, 20 (III p. 50),
Descr. de Guauchinango (1609) i. Col. Doc. Inéd. IX p.
122.
21 Mühlenpfordt, Versuch einer Schilderung der Rep. Méji-
co II p. 61. - Sahagün 1. XI c. 2 § 1, 2 und 7 (III p. 168-17],
195), Seler G. A. II p. 648.
22 Sahagün 1. XI c. 8 § 1 und 5 (III p. 296, 302), Seler G. A.
II p. 639/40.
23 itin. de Grisalva p. 299, P. Martyr De Insulis p. 15,Müh-
lenpfordt 1. c. II p. 59, 263.
30
WALTER KRICKEBERG
Man vermißt in den alten Tributlisten auch die zahlreichen verschiedenen edlen Hölzer (Zedern, Palo moral usw.),
die heute einen Hauptreichtum dieser Küstenstriche, vor allem des Distriktes Tuxpan, bilden; die Schoten der Va-
nillerebe, die in den Wäldern um Misantla, Nauhtla und Papantla gedeihen, von den Indianern bündelweise ein-
gesammelt und nach einem umständlichen Back- und Trockenprozeß in Mengen exportiert werden; die heilkräftige
Jalappenwurzel der Wälder von Jalapa und Jalacingo und endlich den Chicle (aztek. tzictli), das Harz des Frucht-
baumes Ohicozapote (Achras sapota), das von den alten Aztekinnen mit derselben Leidenschaft gekaut wurde, wie
von den modernen Amerikanerinnen, und das man früher hauptsächlich im Gebiete von Tuxpan produzierte.24
Die Berichte aus der Entdeckungszeit ergänzen das Bild, das uns die altmexikanischen Annalen und Tribut-
listen zeigen, nach vielen Richtungen hin. Wir sehen mächtige aztekische Statthalter in Cuetlaxtlan (Cotastla) und
Nauhtla residieren: Von Coatlpopoca, dem Gouverneur von Nauhtla, ist das ganze nördliche Totonacapan
abhängig, und auch in Papantla und Tuzapan liegen mexikanische Garnisonen.25 Im Süden besitzt die Bevölkerung
von Cotastla, Orizaba und Huatusco keinerlei politische Selbständigkeit mehr; über ihr waltet Tentliltzin, der
höchste Beamte dieser wichtigen Küstenprovinz, die durch einen gut geregelten Kurierverkehr mit der Hauptstadt
verbunden ist. Starke mexikanische Garnisonen halten auch die Bergnester am Abhange der Sierra Madre besetzt.
Zu ihnen gehören Xicochimalco und Teoixhuacan (beide noch heute existierend), vielleicht auch das jetzt ver-
schwundene Tizapantzinco. Sie waren nach dem Ausweis der Berichte und Funde alle drei ursprünglich totona-
kischer Besitz. Und endlich seufzt auch das politisch noch unabhängige südliche Totonakenland mit Cempoallan
und Quiauiztlan an der Spitze seit kurzem unter dem Druck der aztekischen Aussaugungspolitik, als deren Ver-
treter mexikanische Tributeinnehmer in Quiauiztlan während des ersten Aufenthaltes der Spanier erscheinen.26
Der aztekische Einfluß auf die Küstenvölker hat nicht lange genug gedauert, um durchgreifende Veränderungen
in ihrer Kultur hervorzurufen. So hebt sich diese jüngste Schicht klar von dem älteren Kulturgut ab. Am nach-
haltigsten ist vielleicht die sprachliche Einwirkung gewesen. Das südliche Veracruz ist vollständig aztekisches
Sprachgebiet geworden, und am Fluß von Nauhtla zeigt noch heutzutage ein Streifen mit aztekisch redender Be-
völkerung die Tendenz des aztekischen Vordringens, die sich auch in der Richtung auf Papantla bemerkbar macht.
Allerdings ist gerade hier wegen des Fehlens neuerer Sprachaufnahmen schwer zu sagen, ob nicht manche dieser mexi-
kanischen Sprachkolonien an der Küste schon auf Rechnung älterer, voraztekischer Naua-Einwanderungen kommen;
in den Provinzen Cotastla und Orizaba ist die mexikanische Sprache sicher schon sehr alt, ebenso im Kanton Tuxtla
und in der Huaxteca (s. u. 2. Kapitel). Daß die totonakischen Ortsnamen fast überall durch aztekische verdrängt
worden sind, ist wohl nicht in vorspanischen Verhältnissen begründet.27
Die aztekische Fremdherrschaft hat natürlich auch unter den Altertümern allerlei Spuren hinterlassen. Manche
der festungsartigen Siedlungen mögen auf sie zurückgehen, wie dies z. B. Fewkes von der einen der beiden alten
Höhenburgen von Jico (Xicochimalco) vermutet hat. Die aztekischen Ansiedler brachten neben vielen anderen Dingen
auch ihre Götter und ihren Kult mit. Das kann man sehr schön in der alten Ansiedlung Castil lo de Teayo beob-
achten, von der Seler neben einer wohlerhaltenen Stufenpyramide vom Hochlandstypus eine ganze Anzahl Stein-
figuren, die bekannte mexikanische Götter wiedergeben, beschrieben hat. Eine ähnliche Stufenpyramide aztekischen
Stils — mit einem Sternhimmelfries über dem Eingang, ganz wie ihn die kleinen tönernen Tempelmodelle des Hoch-
landes zeigen — stand noch im Anfang des 19. Jahrhunderts in Huatusco in der alten Provinz Cotastla. Zwei Stein-
figuren von Pulquegöttern in mexikanischer Auffassung sind an der Küste, zahlreiche Xochipilli- und Chicomecouatl-
Darstellungen in Stein an den Abhängen der Sierra Madre gefunden worden, und bei Pilón de azúcar deckte Strebei
den vollständigen Apparat einer kleinen aztekischen Kultgenossenschaft mit tönernen Tlaloc-Figuren, Schlangen
und Kröten den Tieren Ilalocs auf; ganz ähnliche Tlaloc-Figuren sah Seler in Orizaba mit der Herkunftsan-
gabe Tocuila. Rechnet man hierzu noch die Tonköpfchen der mexikanischen Wassergöttin Chalchiuhtlicue, die
bei Cempoallan zum Vorschein gekommen sind, die Beigaben aztekischen Stils (TorVeller usw.) der Gräber in
den Dünen von Casitas gegenüber Nauhtla, die Staub öffnete, endlich allerhand archäologischen Kleinkram von
unzweifelhaftem Hochlandstypus („Molcajetes“, d. h. tönerne Reibschalen für Chilepfeffer, Tonstempel zur Körper -
24 Mühlenpfordt l.c.II p. 52, 53, 56, 87; Fages, Dept. de Tus-
pan p. 85; Seler G. A. II p. 269, 271. — Aus der Huaxteca
kam speziell Salz, das die Indianer noch heute, wie in alten
Zeiten, oft von weit her aus der Gegend von Tampico
beziehen. Dafür heißt die huaxtekische Erdgöttin Tla^olteotl
im C. Teller.-Rem- ,,Diosa de la Sah“ Staub i. Zeitschr.
Ges. Erdk. 1923 p. 200, 206.
25 B. Díaz c. 94 (I p. 302); Entre tuzapan y . . , almeria bzW.
gerca de tuzapan. Juan de Carrion bei Orozco yBerra Geogr-
p. 204; En Papantla había un gobernador puesto por Motecu-
zoma. — Es ist vollkommen unbegründet, wenn Bandelier
(Art of War and Mode of Warf are p. 100) Nauhtla lieber für
em selbständiges mexikanisches Fürstentum als für eine az-
tekische Garnison hält; er übersieht dabei, daß Ixtlilxochitl
Hist. Chich. c. 85 (p. 378) angibt, Quauhpopoca (Coatlpopoca)
- sei ,,Señor de Coyoacan, uno de los grandes del imperio“ ge-
wesen, und daß die An. de Quauhtitlan (An.Mus.Nac. III
Apéndice) p. 83 Coatlpopoca in der Liste der mexikanischen
Gouverneure z. Z. der Ankunft der Spanier nennen. Mie hätte
Motecuh^oma auch sonst ihn und andere „capitanes der
Küstenprovinz, unter denenB.Diaz c. 95 (I p. 310) noch zwei,
Coate und Quiavit (Coatí, Quiauitl), namhaft macht, einfach
nach México zitieren können ?
26 Gomara Crón. c. 28 (p. 29/30); Marina erfährt von den Toto-
naken, Cempoallan sei „no sujeto ä Motecgurna, sino en cierta
manera, i por fuerga“; die Abhängigkeit bestände darin, daß
sie ihm zinsten (pechaban), und zwar erst seit kurzem (depoco
tiempo ä esta parte). Auch andere Ant°ren (B.Díaz, Cortés,
Herrera) betonen, daß dieses Abhäigigkeitsverhältnis erst
seit wenigen Jahren bestand. Das giü Hu das ganze südliche
Totonacapan mit seinen 30 — 50 Orten. Vgl. sonst Abschnitt
I Kap. 2 ,,Entdeckungsgeschiohte
27 Vgl. AbschnittII Kap. 1 „Einteilung und Verbreitung der To-
tonaken.“
DIE ÏOTONAKEN
31
m.. i v t was die aztekische Eroberung den Totonaken an Neuem
bemalung, Ohr-und Lippenpflöcke aus si lan), ’ drängen können wie sich z. B. neben den Molcajetes
Cn vipmliob erschöpft 28 Meist hat es das Alte nicht verdiangc » .,. r T „ ,.
brachte, so ziemiicn erscnopir. ^halten haben und neben den Obsidianlippenknopfen die
q1+_ «t pin schalen zum Zerreiben des Chilepfeffers erhalten naum
die alten fetemscnaien zum v südlichen Totonaken beschreiben.
großen Lippenscheiben, die die Conquis adoren „Kürelementen junger aztekischer Einfluß vorliegt, oder
Ob noch in einigen anderen totona isc en nehmen sind, möchte ich vorläufig dahingestellt sein
ob hier ältere Entlehnungen oder gar Urverwan sc üdlicben. Totonaken (mit tilmätli und uipilli), die Sklaven-
lassen. Zu diesen Elementen gehören : die Kleidung e q häeIlj die Vorstellung, daß die Seelen verstorbener
halsjoche, die Gentilverfassung! ?), die malteotl-ar igcn daß die gterne getötet werden müssen, um der Erde
Krieger Vogel- und Schmetterlingsverkleidung annehme^ ^ Mengchenopfers (Botenopfer, Teoqualo). Der Kult
die Fruchtbarkeit zu erhalten, endlich verschiedene reifen mit aztekisch redenden Leuten zwischen Totonacapan
desPulquegottes, der besonders indem schmalen e den 0rtsnamen Tochpan, der an die ,,400 Kaninchen“,
und der Huaxteca im Schwange gewesen zu sei**SCp*cken nqt dem Pulquekrugmuster, die unter den Tributen aus
den Kamen der Pulquegötter, erinnert, ferner ^wgottfiguren aus der Gegend von Papantla usw.), muß wohl
derselben Gegend auf treten, die oben erwähnten ^ Pulque ist das Getränk der Agaveregion des Hoch-
sicher als ein Hochlandselement angesehen wer greinend mit wesensverwandten Vegetations- und Mondgottheiten
landes; doch ist der alte H ochlandsgott nachher ans<m besonders im Nordwesten (Huauchinango, Za-
des Küstenlandes verschmolzen worden. Daß ni^ei (im Hausbau z. B. der Lehmverputz der Wände, in
catlan usw.), die fremden Elemente v_iel fa ^„ende Betrachtung von geringem Belang,.
der Bewaffnung das macquauitl), ist für die vo 8^ obne Rückwirkung auf die Hochlandsvölker ge-
Natürlich ist die Unterwerfung der Kus e^a Genußmitteln oder von Schmuck- und Frachtstücken, die doch
blieben. Neben dem Import von Nahrungs- U”hlandgkuitUr bildeten, sind die weit tiefer greifenden Einflüsse auf
immerhin nur eine äußerliche Bereicherung ®
und Kulte des Hochlandes sind ursprünglich bei den Küsten-
religiösem Gebiet zu erwähnen. Zahlreiche ° Uem die große Mond- und Erdgöttin Tlagolteotl, die beiden
Völkern heimisch gewesen. Hierher gehör v°mekenj eine Hauptrolle im Pantheon spielte. Mit der Göttin wur-
Totonaken, ebenso wie bei den Huaxteken u^beichte ^ a den Hochlandsvölkem ursprünglich fremde Kult-
den die Phallustänze, das Pfedop er, ie den Azteken die fremde Herkunft der Göttin im Bewußtsein geblieben
elemente ins Valle de México eingetu r . Tatsacke! daß ihr Tempel außerhalb des Weichbildes der Stadt (wahr-
ist beweist neben manchem anderen und eine von allen übrigen Tempelbauten ganz abweichende Ge-
..¿„„m, .. *, »-yraagl i. 4. »i.
stalt (die Form eines Stangeng
2. Ältere Naua-Elemente.
' atlantischer Kulte durch die Hochlandsbevölkerung schon vor der az-
Wahrscheinlich hat sich die weitgehende Assimilierung des Tla5olteotl-Kults, seine Verschmelzung
tekischen Eroberung vollzogen, wofür ge ‘ tionsgöttinnen, seine Einordnung in den Kalender usw. spricht. Tat-
mit den Kulten einheimischer Erd- un 6 strichen der Küste mexikanisch sprechende Leute vor. Und die Er-
schlich fanden die Azteken bereits in ^ Kügte war auch noch in später aztekischer Zeit wach, wenn sich auch
mnerung an Züge älterer Naua-VolKe ^ dichles Gespinst mythischer und symbolischer Zutaten gelegt hatte,
um den historischen Kern der a en mexikanisch redender Kustenbewohner, der sich von der alten Provinz
Das Vorhandensein eines und der nach allen alten Nachrichten eine besondere hohe, sehr verfeinerte
Cotastlabisandie Grenzenvon ,^^^ ^ ^ yon den Tolteken erklären. Die spanischen und aztekischen Chro-
Kultur besessen aaztekischen Völkerwanderung zu erzählen, die sie gewöhnlich als ein einmaliges
nisten wissen von e‘neI g , . (¡hel. und geistiger Beziehung hochstehendes, mexikanisch sprechendes Kulturvolk, die
Ereignis schildern. Ein » seines Gottes und priesterfürsten Quetzalcouatl seine angestammten Sitze im
Tolteken. verläßt unter Q ^ ^ Ländern der südlichen atlantischen Küste hinabzuziehen. DenAnlaß
Hochland (Tollan, Ghoi mn Unglücksfällen, die gewöhnlich als Folgen von Verfehlungen hingestellt
dieser Wanderung bilde Leben entnervte Volk begeht, und denen auch sein sittlich hochstehender,
werden, die das "“cMen'1 Frömmigkeit erfahrener Führer unterliegt. Auf ihrer Wanderung nach Osten bleiben
in allen Übungen durchzogenenLändern zurück und sorgen so dafür, daß die Spuren ihrer hohen Kultur
Teile der Tolteken^eral^aicouati ^ feis nach Tlillan TlapaUan, dem „Lande der schwarzen
nicht verw
, a 248. Seler G. A. III p. 410 —449, 543/4.
” Dupaix Ani. Mexic. I (Tert) P- 8/9 und II (Atlas), I. Exped.
„1. IX. Hamy, Galerie Américaine du Trocadéro pl. IX,
Seler, Mitla p. 35. Strebel, Altmexi o I Taf. I no 8, 11 u.
10 TJ Alt. I TT ^ ^5 —47 und Taf. V no. 9; VI no. 12;
12. Id., Altmexiko II p. ¿0 ’ ’
VII no. 7 und 10; VIII no. 29; XXVIII no. 41 etc. Id.,
Ornam. auf TongefâBen Taf. 32 no. 16. Selex i. Intern.
Arch. f. Ethn. II p. 287. S tau b i. El Méx. Ant. I p. 51. -
Selbst von den erwähnten Altertümern mag manches einer
älteren Schicht von Naua-Yölkern angeboren. Seler (G.
A IV ])• 92/4) macht darauf aufmerksam, daß Mixcouatl,
der unter den Götterfiguren von C. de Teayo auftritt, auf
dem Hochlande mehr von den älteren Stämmen chichi-
mekischer Abkunft (z. B. Tlaxcalteken) verehrt wurde. Auch
die Xochipilli-Eiguren mögen voraztekisch sein (vgl. Kap. 2,
unten p. 45).
32
WALTER KRICKEBERG
und der roten Farbe“, das in den meisten Quellen deutlich in Tabasco lokalisiert wird, und verbrennt sich dort
oder verschwindet auf geheimnisvolle Weise im Meer. — Weil „toltekische“ Kultur in später, aztekischer Zeit noch
immer in diesen Küstengegenden des mexikanischen Golfes blühte, wird die Golfküste in manchen, offenbar
jüngeren Sagen die Urheimat nicht nur der Tolteken, sondern überhaupt aller Kultur, wohin die Urahnen der
mexikanischen Stämme zuerst gelangen. Das ist natürlich eine völlige Umkehrung der ursprünglichen Sage.29
Es spricht für die hervorragende Rolle, die der Mythus von Tollan in den Traditionen der Indianer gespielt hat,
daß selbst die Maya ihn von den unter ihnen lebenden Nauastämmen adoptiert und ihren eigenen Stammessagen
einverleibt haben. Diese nennen die Tolteken Yaqui vinak (azt. ya-que, die Ausgewanderten) und geben-ihnen Quetzal-
couatl zum Gotte. Tulan, auch Tulan Zuiva oder Tul(lan)apan Chiconahthan (,,Tollan, der neunfach fließende
Strom“) ist in ihnen ganz allgemein der Name für die Urheimat aller Stämme geworden, die bald in den Osten, bald
in den Westen verlegt, bald den Himmelsrichtungen entsprechend vervierfacht wird; es ist das große, alte Kultur-
zentrum, von dem die Stämme mit ihrem ikan (,,Reisebündel“, d. h. dem Inbegriff aller Dinge, die die Besonderheit
des betreffenden Stammes bilden) ausziehen, und von wo auch nachträglich noch die Insignien der Herrschaft geholt
werden müssen, denn alle Rechtssatzungen gehen auf Tollan zurück. Und dem entspricht es wieder, daß es fast
keinen mexikanischen Hochlandsstamm gab, der nicht auf seinerWanderung von irgend einer mythischen Urheimat,
mag sie Aztlan, Chicomoztoc oder sonstwie heißen, zuerst nach Tollan gekommen sein wollte; — alle, die auf den
Rang einer Kulturnation Anspruch erhoben, leiteten eben in der einen oder anderen Weise ihren Ursprung von
Tollan her.30
So lange die Amerikanistik als Wissenschaft besteht, hat die Deutung dieser Sage mehr als alle anderen
mit den amerikanischen Kulturvölkern zusammenhängenden Fragen berufene und unberufene Geister beschäftigt.
Im allgemeinen teilt sich die Gelehrtenwelt in zwei Lager, je nachdem die mythische oder die historische Deu-
tungsweise bevorzugt wird. Ich will hier nur von älteren Autoren Brinton undValentini als zwei extreme Vertreter
beider Auffassungen anführen.31 Die Wahrheit liegt, wie gewöhnlich, in der Mitte zwischen den beiden Extremen: ein
historischer Kern ist in den Toltekensagen trotz aller mythischen Züge unverkennbar. Nach Seler hat man es
mit drei verschiedenen Auffassungen der Tolteken zu tun: 1. mit den my thischen Tolteken, 2. mit den historischen
Tolteken, d. h. den Bewohnern der alten Stadt Tollan im heutigen Staat Hidalgo, die schon in aztekischer Zeit
in Trümmern lag, 3. mit den prähistorischen Tolteken, die als die Urheber der meisten Kulturerrungenschaften
der mexikanischen Völker galten, und als deren Nachkommen man insbesondere die mexikanisch redenden Küsten-
völker ansah. Diese drei ursprünglich getrennten Elemente32 sind in der Form, in der die Tollan-Sagen jetzt vor-
liegen, zu einem ,,schier unentwirrbaren Knäuel“ verknüpft.33
29 Die Toltekensagen liegen in zahlreichen Versionen vor; die
wichtigsten sind:
1) Anales de Quauhtitlan u.Hist. de Colhuacany de
México (=2. Teil der An. de Quauhtitlan), beide in den
Einzelheiten ziemlich verschieden.
2) S ahagún 1. III c. 3— 14 und X c. 29 § 1; C. Vaticanus
A fol. 7 — 9 verso. Hierzu gehört auchMendieta 1. II c. 5,
8, 10.
3) Ixtlilxochitl, Sumaria Relación (in den ,,Relaciones“
ed. Chavero) und Historia Chichimeca; Torquemada 1. I
c. 14,
4) Duran c. 79 und Torquemada 1. III c. 7,
5) HistoiiaTolteco - Chi chime ca der Coli. Aubin- Goupil,
Ms. 54 58 (bis auf die photographisch wiedergegebenen RI.
46 58 imBoban sehen Atlas noch unveröffentlicht). Fol. 6 — 7
enthalten die Toltekengesehichte in sehr eigenartiger, von
den übrigen Quellen stark abweichender Darstellung.
Hierzu kommen noch einige alte Hymnen, Klagelieder
auf Quetzalcouatls Auszug, die W. Lehmann behandelt
hat (Seler-Festschrift p. 281— 283, 316—317; vgl. auch Id.,
Zentral-Amerika II p. 827 — 829).
Über die erwähnte Umkehrung der Tradition vgl. Lehmann,
Zentral-Amerika II P- 829, 840; Id., Seler-Festschrift p. 302,
305/6, 311. Sie tritt besonders deutlich bei Ixtlilxochitl
hervor; er läßt die Tolteken aus einer Urheimat Hueluic
Tlapallan (,,Alt-Tlapallan“) ausziehen und über Tlapal-
lanconco, Huei Xallan, Xalixco, Chimalhuacan Ateneo, Toch-
pan, Quiauiztlan Anauac, Zacatlan, Tozapan, Xiuhcouac nach
Tollantzinco und Tollan gelangen. Überall ist in diesen Orts-
uarnen deutlich auf die Küste angespielt (Ortsnamen mit xa1li
' >>Sand“; a-tenco, a-nauac,, an der Küste“), und essindsogar
bekannte Orte der atlantischen Küste wie Xalixco (Heimat der
Harina: Gomara, Crón. c. 26),Tochpan, Quiauiztlan,Tozapan,
Xiuhcouac (lies Tziuhcouac) namhaft gemacht, so daß die
ganze spätere Wanderung der Tolteken gewissermaßen in um-
gekehrter Reihenfolge wiederholt wird. Orozco y Berra
Hist. III p. 22 sq. hat diesen klaren Sachverhalt vollkommen
verkannt. Andererseits haben sich Valentini (s. u.) und
Bandelier (Tour in México II p. 7/8)durch ähnliche Berichte
(Sahagun, Mnndieta, Las Casas) verleiten lassen, die Heimat
der Tolteken in den Mayaländern zu suchen.
30 Seler G. A. II p. 22, 42, 61; III p. 48, 574 — 576; IV p. 108
bis 110. Wenn auch bei den Maya Tollan gelegentlich in
den Osten verlegt wird, so hängt das natürlich mit der
Entlehnung der Sage von den Mexikanern zusammen.
31 Brinton, American Hero Myths, Philadelphia 1882. Id., The
Toltecs and their fabulous empire, in Essays of an Americanist
p. 83 — 100. — Valentini, The Olmecas and the Tultecas,
1883. Ähnlich Charnay, der in seinem großen Werk ,,An-
ciennes Villes du Nouveau Monde“ eine genaue Karte der Tol-
tekenwanderungen veröffentlicht hat.
32 Sahagún 1. X c. 29 § 12 unterscheidet z. B. noch zwischen
den ,,Weisen“ (tlamatinime), d. h. den prähistorischen Tol-
teken, die Bilderschriften, Musik, Tänze, kurz ,,das ganze Tol-
tekentum“ (in ixquich toltecayotl) besitzen, und den histo-
rischen Tolteken, die Tollantzinco und Tollan gründen. Noch
schärfer trenntdie Historia Tolteco-ChichimecaderColl.
Aubin-Goupil die historischen und prähistorischen Tolteken.
Sie läßt schon im Tollan der Urzeit zwei verschiedene \ ölker,
die Tolteca Chichimeca und die Nonoalca Chichimeca’ bei ein-
ander wohnen. Die Nonoalca Chichimeca wandein zuerst
aus, unter der Führung Xelhuas; dabei nehmen sie alle Habe
Quetzalcouatls mit sich. Das sind also die prähistorischen
Tolteken, die nachmals die heißen, vom zentralen Hoch-
land nach Süden ziehenden Täler (Quanhnauac und Tepoztlan,
Quauhquechollan und Itztzocan, Tehnacan und Tzoncoliuhcan,
das heutige Zongolica im Staat Veracruz) besiedeln, ganz so
wie es auch Motolinia (P- 9) unc^ Mendieta (1. II c. 33)
von der Descendenz Xelhuas belichten. Die noch in Tollan
zurückbleibenden Tolteca Chichimeca, die historischen
DIE TOTONAKEN
33
^ m n ■ i i- ‘Wanderung der Tolteken bzw. Quetzalcouatls
Für die mythische Deutung der Sage von,T° anb* Mondmythus, der denLaui des Mondes am Hirnmei
von Westen nach Osten maßgebend; dies ist ein sehr durchsic g schließlich als Neumond in den Strahlen der
während der Dauer eines Monats, sein Näherrücken an ie ®nn®’ eg hier nur mit der historischen Siite der
aufgehenden Sonne verschwindet (verbrennt), sc i er • \ m lteco.Chichimeca und den paar dürftigen Bildchen
Sage zu tun. Es ist sehr zu bedauern, daß wir, von c er is ona Bilderschriften mehr besitzen, die die tol-
im Duran und Codex Vaticanus A abgesehen, keine er sic er z seiner Toltekenkapitel Vorlagen (vgl. die
tekische Geschichte darstellten und z. B. Ixthlxochit ei er ^ werden sie die Wanderungen, die einzelnen
Aufzählung seiner Quellen in der „Sumana Relacion P- , ’ «haltenen historischen Bilderschriften anderer mexi-
Herrscher, die Hauptereignisse des Auszugs usw. ahn ic en 6 Annalen ist z. B. das, was die Anales de Quauhtitlan
kanischer Stämme dargestellt haben.3* Ganz im Stil ieser a en Huemac erzählen, die sie von 752 bis 1064 p. C.
von der langen Reihe der Toltekenherrscher von Mixcouamaga ^ ^ Briedens und der unblutigen Opfer unter dem
regieren lassen. Das goldene Zeitalter des Reichtums um i Qnetzalcouatl stirbt 895) ein; nach Quetzalcouatls
Scepter Quetzalcouatls nimmt darin nur eine kurze fc panne big zur endgültigen Auflösung des historischen
Auszug nach Tlillan Tlapallan regieren noch fünf io eceni Ereignisse zu Grunde liegen, wird schon da-
Reiches Tollan im Jahr 1 tecpatl. Daß hier ganz bes|/im™ Ecdhuacan südlich von Tenochtitlan-Mexico unmittelbar
durch bewiesen, daß die Herrscherlisten der kleinen S a und daß Quetzalcouatl, der Heros und Gott der
an die toltekischen anknüpfen, ja z. T. identisch mit 1^^ergage Ahnherr der Colhua von Colhuacan ist.36 So ist
Tolteken, in der von Motolinia überlieferten Form der ^ gtädte des Hochlandes, abgesehen von Tollan und Col-
es auch sicher nicht ohne Bedeutung, wenn ganz be® ^“ mit den Tolteken gebracht werden.
huacan vor allem Cholula,37 in besonders h(J erklären: 1. das Vorhandensein einer reichen Kultur und
Die Toltekensage will folgende geschichtliche la bemerkt} in den südlichen Strichen der mexikanischen Golf-
Kunst aus voraztekischer Zeit, nicht nur, wie sco ^ Zentralplateaus (Teotitlan del Camino, Mixteca etc.);
küste, sondern auch sonst noch in den Ländern s* ^ Kultur. und Sprachverwandschaft in Ländern, die die
2 das Vorhandensein einer Bevölkerung von a ^ (TabasCo, Yucatan, Guatemala, Salvador und Nicaragua).
Azteken nachweisbar nie erobert und kolonisie ^ ^ ^ alten Sagen recht damit hatten, diese Tatsachen als
Archäologie und Sprachwissenschaft bi*ben u ¿dturepoche und Völkerbewegung anzusehen. Sowohl die Funde als
den Niederschlag einer großen, praaztekisc_ ^ Gebietell erweisen sich als vielfach altertümlicher und reicher
auch die mexikanischen Dialekte m den g der gpäteren historischen Zeit. Natürlich kann die Verbreitung
entwickelt als die aztekische Kultur und . P . ^ ^ Ate —- ~ w
der alten Kultur, wie schon jene
Funde und Dialekte lehren, kein einmaliger Akt gewesen sein, und es hat neuerdings
ur, wie sen^ j----ibre Heschichte zu rekonstruieren; im größten Maßstabe ist ein solcher Versuch
auch nicht an Versuchen gef eh t, 38 Lehmann geht davon aus, daß die Tolteken ein sprachlich und archäo-
von W. Lehmann unternommen wo ^ mexikanische Sprache redeten, also aus dem Nordwesten Méxicos
logisch greifbares Volk waren ^d Zacatecas altertümliche mexikanische Dialekte gesprochen werden. Er
stammten, wo noch heute in a gprachentwicklung auf, eine schoschonische (bis 1000 a. C.), sonorische (bis
stellt vier Perioden altmexi anise ^ ^ ß()0 ^ und jungtoltekische (bis 1064 bzw. 1070 p. C.), und entsprechend
500 a. C.), proto- und altto e ?1fC ®immte archäologische Typen zuweist. In der jungtoltekischen Epoche sind die
vier Kulturepochen, denen er es gewissen Königen“ politisch abhängig, eine Angabe, die L. auf die Olmeken
Tolteken nach Torquema^a^ b^ziebt die 1168 p. C. aus Cholula vertrieben werden. In die Zeit dieser „Olmeken-
der Hist• {Tol^C(° acb To^uemada) auch die Vertreibung der Vorfahren der Nicarao, die nach Oviedo aus ,,Ticomega
Tyrannei ä ^ (nac ^ und Miahuatlan südlich von Cholula, stammen, also eine Abteilung der Jungtolteken
e Maguatega , cl. n.
waren. esichts der Tragweite der Schlußfolgerungen, die Lehmann aus seiner Geschichtskonstruktion zieht, not-
Es ist ang > Aschen Charakter der meisten seiner aus alten Quellenangaben erschlossenen Zahlen zu betonen.39
wendig, den yP -a de los Reynos de Colhuacan y de Mexico, der auf etwa 1000 a. C. führt, ist nämlich
Der Nullpunkt der 11 is
T ueken besiedeln später unter der Führung Icxicouatls
nnd Quetzal teueyacs das Hochland von Pnebla. besonders
n 1 la von wo sie die Olmeca Xicalanca vertreiben. Sie
erden von Camargo 1. I c. 6 und Torquemada 1. III
wel9_G ajg Vorläufer der Teochichimeca betrachtet. (Ich
’danke die Einsicht in den wichtigen Text der Hist. Tolt.-
Z der Güte Geheimrat Selers, der eine Abschrift besaß).
n A II ü. 6/7, 23-27. III p. 433. Id., Mitla p. 49.
SetrL AHl p 333-338; IV p. 108-110. Id. C. B. II p.
191 213 und an vielen anderen Stellen. Tollan entspricht m
diesem Sinne durchaus dem mythischen Westen (als dem Lande
der Geburt, dem Paradies der Lebensmittelfülle) vieler nord-
amerikanischer Stämme.
Manche Bilderschriften der Cod. Vindobonensis-Gruppe schei-
nen Toltekenwanderungen wiederzugeben; cf. Lehmann,
Zentral-Amerika II p. 986: Id., Seler-Festschrift p. 288.
1 Cf. Torquemada 1. HI c. 7 mit An. de Quauhtitlan (pas-
3 Baessler-A rchiv.
sirn) und Gomara Cron. c. 197; Motolinia ed. Icazbalceta
p. 13;Ixtlilxochitl Rel. p. 90 und Hist. Chich. p. 73. Hierzu
Seler G. A. II p. 43/4 und 1020 und Lehmann, Zentral-Ame-
rika II p. 983, 984.
37 Vgl. die Belege bei Lehmann, Zentral-Amerika II p. 982.
38 Vgl. besonders IV. Lehmann, Zentral-Amerika II an vielen
Stellen, z. B. p. 792/3, 1005, 1088/9, 1090; Id., Seler-Festschrift
p. 289/90, 292/3; Id., b. Seler G. A. IV p. 357—361; Id., Alt-
mexikanische Kunstgeschichte p. 16—18 (dazu die chrono-
logische Tabelle hinter p. 27). Hier kann natürlich nur ganz
kurz auf die chronologische und archäologische Seite der An-
sichten Lehmanns eingegangen werden.
39 Auch Seler hat noch in einem seiner neueren Aufsätze über die
Toltekenfrage seinen Skeptizismus in bezug auf die Chrono-
logie deutlich ausgesprochen (G. A. IV p. 346/7). Vgl. auch
Spinden, Anc.Civil, p. 154/5.
№
I
34
WALTER KRICKEBERG
I
M
V
nur dadurch zustande gekommen, daß zu den 485 Jahren geschichtlicher Zeit 2028 = 3 x (13 x 52) Jahre mythischer
addiert wurden, und selbst die zeitlich viel näher gerückten 312 Jahre der Geschichte Tollans (s. o.) sind nur
ein vielfaches der 52 Jahre, die als höhere Einheit mexikanischer Zeitrechnung etwa unserem „Jahrhundert“ ent-
sprechen, bei allgemeinen Zeitangaben also dieselbe Unbestimmtheit besitzen, wie wenn wir von einem Ereignis sagen,
es sei „viele Jahrhunderte“ her. Dasselbe gilt natürlich auch von den „2000 Jahren“ mexikanischer Gesamt-
geschichte bei Sahagün und von den „1000 Jahren“, die nach demselben Autor seit der Zerstörung Tollans verflossen
sein sollen, und selbst bei den „1571 Jahren“ der Geschichte Azcapotzalcos, von denen Torquemada einmal
spricht, wird man den Verdacht nicht los, daß hier der Beginn der Stadt von einem Autor, dem T. diese Zahl entnahm
und der um 1571 schrieb (wie Sahagün!), einfach in die Zeit „um Christi Geburt“ verlegt werden sollte. Es scheint,
daß in den alten Quellen doch vielfach ganz schematische Zeitansätze vorliegen, eine konstruierte Geschichte, wie
ich sie auch bei dem Totonakenkapitel Torquemadas angenommen habe, aber keine verläßliche Chronologie.40 Damit
soll natürlich keineswegs das hohe Alter der NauaVölker in Abrede gestellt werden; die Existenz der Izalco in San
Salvador, die ein sehr altertümliches Mexikanisch reden, zwingt zur Annahme von Nauawanderungen in verhältnis-
mäßig früher Zeit, mit denen aber noch keineswegs ein starker kultureller Einfluß verbunden gewesen zu sein braucht,
da diese ältesten Naua möglicherweise noch einen recht altertümlichen, schoschonischen oder sonorischen Kultur-
typus aufwiesen und höchstens Verbreiter der sog. „primitiven“ oder archaischen Kultur (Kap. 3) waren, nicht aber
der „toltekischen“.41
Die einzigen, durch mehrere sich ergänzende Angaben der Anales de Quauhtitlan und der Historia Tolteco-Chi-
chimeca leidlich gesicherten Daten sind diejenigen für die Zerstreuung der Tolteken (1064/70) und für die Vertreibung
der Olmeken (1168). Ich betrachte das 11. und 12. Jahrhundert demnach als eine Zeit großer Umwälzungen und
Völkerverschiebungen in México und als die Zeit, in der sich auch die eigentliche Toltekenausbreitung vollzog. Diese
ist archäologisch und chronologisch, linguistisch und mythengeschichtlich vor allem durch das Auftreten mexi-
kanischer Stammesabteilungen in den Mayaländern, das in eben diese Zeit fällt, einwandfrei bewiesen.42 Was uns
hier vor allem interessiert, sind die Beziehungen der Tolteken zu den Küstenländern. Es wurde schon oben
(Anm. 29) bemerkt, daß Ixtlilxochitl die einwandernden Tolteken bekannte Orte der atlantischen Küste vom Rio
Coatzacoalco bis zum Rio de Tuxpan berühren läßt. Hiermit stimmt überein, daß im aztekischen Text der Historia
Tolteco-Chichimeca der Coli. Aubin-Goupil unter den 20 Tochterstädten der Tolteken fast nur Küstenorte von
Tabasco bis zur Huaxteca angeführt sind. Die betreffende Stelle lautet:
yzcate yn ialtepepouan yn tolteca
„Folgendes sind die Städte, die gehörten den Tolteken,“ —
yn ' imunicayan cattca ym ueycan tollan
„die die Gesamtheit ausmachten des großen Ortes Tollan;“ —
centecpantli yn altepetli
„Zwanzig Städte,“—
yn ima yn icxi mochiuhticac yn toltecatli
„die Hand und Fuß (untergeordnete Glieder) waren des Tolteken,“ —
yn iyapo yn itepepo cattca
„die seine ihm gehörenden Städte waren.“—
fein oncan xixinque yn ueycan tollan
„Ebendaselbst trennten sie sich, in dem großen Ort Tollan,“—
ynic quitlatlamafeuito yn imaltepeuh
„Um in Besitz zu nehmen ihre Städte.“
Es folgen dann die Namen der Städte in vier Gruppen zu je fünf:
I. Pantecatli „die Leute von Rantlan (Panuco)“, Itzcuintzoncatli „die von Itzcuintzonco“, Tlematepeua
„die von Tlematepec“, Tlequaztepeua „die von Tlequaztepec“, Tezcatepeua „die von Tezcatepec.“
40 Ich kann Lehmarm auch darin nicht beipflichten, daß die
Daten für die chichimekische Geschichte bei Sahagün 1. VIH
o. 5 und Torquemada 1. I c. 15 und 33 eine wesentliche Stütze
seines Datums der angeblichen ersten Zerstörung Tollans (600,
genauer 596 p. C.) seien. Denn. Sahagün spricht von einer Zer-
störung Tollans vor 1890 Jahren, was man wohl nicht ohne
weiteres in. 1000 verändern, darf, und bei Torquemada werden
für die ersten vier Chichimekenherrscher Regierungszahlen
(180, 156, 133, 200 Jahre) angegeben, die man wohl kaum für
eine Chronologie verwerten kann, so wenig wie die Daten der
Totonakengesohichte Torquemadas (hierzu Lehmann, Seler-
Wstschrift p. 304, 306, 308). Die Zahlen der Hist, de los
^eynos de Colh. y de Mex. für den Beginn der geschicht-
lichen Zeit Tetzcocos (686 p. C.) und Quauhtitlans (635 p. C.)
mögen ähnlich zustande gekommen sein wie das Datum für den
Beginn der Geschichte Tollans (752 p. C., s. o.). Die chichi-
mekische „Frühgeschichte“ von 364 Jahren ist wieder nur ein
schematischer Zbitansatz (7 X52 Jahre).
41 Über die Izalco cf. Lehmann, Zentral-Amerika II P* 646,
792/3, 985, 990/1, 1036 sq., 1086. L. erblickt in den Izalco und
den Pipil des Motaguatals Reste der Tlamatininae Sahagüns
(cf- Anm. 32) und läßt durch diese „Alttolteken“ Chich en Itza
über Bacalar besiedelt werden, 584 bzw. 642 p- U nac6 Maya-
quellen (Id., Seler-Festschrift p. 305, 315). DaI3 die Pipil des
Motaguatals und von Südguatemala (Esoumtla) vielmehr von
den Maya kulturell beeinflußt worden sind, hat schon Seler
(ü. A. III p. 628, 634) betont.
42 Chich’en Itza wird nach dem Chilam Balam von Chumayel 1195,
nach dem von Mani 1193 p. C. von einem mexikanisch redenden
Stamm besetzt. Acxopü, der erste Herrscher von Utatlan in
Guatemala, ein Mexikaner seinem Namen nach wie sein Nach-
folger luitemal, regiert etwa 1100 p. C. Lehmann, Seler-
Festschrift p. 294—296, 319.
DIE TOTONAKEN
II. Tecollotepeua „die von Tecollotepec (Tecollotlan)“, Tochpaneca „die von Tochpan“ CennonaU^
„die von Cempoallan , Cuetlaxteca „die von Cuetlaxtlan“, Cozcateca „die von Cozcatlan.“
III. Nonoualca „die von Nonoualco“, Cuitlapiltzinca „die von Cuitlapiltzinco“, Aztateca „die von A f
tian , Tzanatepeua „die von Tzanatepec“, *Tetetzme[lo]catli „die von Tetzmelocan“.
IV. Teuhxilcath „die von Teuhxilco“, Qacanca „die von Qacanco“, Cuixcoca „die von Cuixcoc“ Qu h
chichinolca „die von Quauhchichinollan“, Chiuhnauhteca „die von Chiucnauhtlan.“
Von diesen Namen lassen sich noch manche lokalisieren. In der ersten Gruppe scheinen Ortschaften der Hnax
teca, anfangend mit Panuco, aufgezählt zu sein; auch im ethnographischen Kapitel Sahagúns ist Pantlan eine Neben
form von Panuco. Gruppe II nennt vier bekannte Orte des mittleren Küstenstrichs: Tuxpan und Tecolutla anTer
Mündung der nach ihnen benannten Flüsse, Cempoallan, die Hauptstadt der südlichen Totonaken, und Cotastlm
außerdem noch Cozcatlan in dem angrenzenden Gebiet im Süden des Staates Puebla. Gruppe III führt uns vielleicht
nach Tabasco, das die Mexikaner ja Nonoualco nannten, und Gruppe IV z. T. in ein Gebiet, das auf dem We nach
Tabasco lag, denn Cuixcoc und Qacanco werden in der Historia de los Reynos de Colhuacan y de México (dem 9 ^eil
der Anales de Quauhtitlan) unter den Orten erwähnt, die Quetzalcouatl bei seiner Ostwanderung nach Acallan und
Tlapallan, d. h. Tabasco, berührte, und kehren auch in einer unedierten Relación Chimalpains bei der Aufzähl
der sieben aus Chicomoztoc auswandernden Stämme wieder, Qacanco außerdem in einem aztekischen Hymnus neben
Xicalanco. — Es ist in diesem Zusammenhang von besonderem Interesse, daß auch die Historia de los Mexica
por sus pinturas berichtet, Ce acatl (Quetzalcouatl) habe, als er Tollan verließ, um nach Tlapallan zu gehen in
vielen Orten Tolteken zurückgelassen, so in Cholula, Cozcatlan und Cempoallan, und daß nach Ixtlilxochitl ’
Tochpan, Tozapan, Tziuhcoac und Xicotepec „an der Küste des Nordmeers“ Reste der Tolteken nach dem Unter o-
ihres Reiches lebten, während er an einer andern Stelle als Toltekensitze neben Guatemala, Tehuantepec, Totote ^
Tecolotlan und Campeche Xiuhcouac und Cuauhtzacualco, d. h. Tziuhcouac und Coatzacoalco, nennt 43 ^ *
Als das Toltekenland xaV éEoyr¡v galt den späteren Mexikanern der südliche Teil der Golfküste Tlill
Tlapallan wurde meist der Provinz Coatzacoalco und den östlich anstoßenden Gebieten, also Tabasco gleich
setzt. Copilco in Tabasco ist eins der Ziele der wandernden Tolteken in den Anales de Quauhtitlan und Acal]86
am oberen Usumasinta das Land, wohin Nacxitl Topiltzin ( = Quetzalcouatl) nach einem alten Hymnus zog un
zu sterben.44 Copilco und Acallan sind auch von Cortés auf seinem großen Zug nach Honduras berührt worden”1] ^
also an der großen, vielbegangenen Handelsstraße nach den Mayaländern — die Toltekenwanderungen erscli agen
also geradezu als Vorläufer der Züge der späteren aztekischen Handelskarawancn.45 — Daß die in diesen KüT6*1
strichen Wohnenden ganz allgemein als Nachfahren der Tolteken galten, geht auch daraus hervor, daß von manch ”
mexikanischen Geschichtsschreibern der Begriff „Tolteken den stets auf die Bevölkerung der südlichen Golfk i
angewandten Ausdrücken Nonoualca („die Fremdsprachlichen“), Teotlixca („die vom Antlitz der Sonne“ d h" c
Östlichen) und Anauaca („die Küstenleute“) koordiniert wird ;46 vor allem aber daraus, daß überall da, wo von f
tekischen“, d. h. älteren Naua-Einflüssen und -Einwanderungen im Mayagebiet die Rede ist, diese stets ^ ”1
Ländern der südlichen Golfküste hergeleitet werden. Die Cocom rufen Mexikaner aus Tabasco und Xic 1^ •
Land, um ihre Gewaltherrschaft in Mayapan zu stützen, und die Tutulxiu von Maní, die zwar diese fremden8^"]0 ^
vertreiben, aber doch wieder mit ihrer Bewaffnung (Wurfbretter und Lanzen) und ihren Sitten (Steinl un * ° ( ner
brechern) westliche, mexikanische Elemente nach Yucatan hineintragen, wandern in Yucatan aus^ih]8 V°n ^e'
Nonoual, dem Tulan Apan Chicunauhtlan, d. i. Tabasco, ein — Herrera sagt noch bestimmter- aus de" V | lmat
Lacandonenberge.« luitemal, einer der ersten Herrscher von Utatlan in Guatemala wo wir nach denY™ -der
listen bei Fuentes y Guzmin und Juarros eine ähnliche „toltekische“ Herrenschicht vorauszusetzen haben XV
Chich’en Itza (vgl Anm. 42 . .st aus den toltekischen Legenden und Hymnen wohlbekannt als toltekische.- Hell
und Begleiter Quetzalcouatls auf seinem Zuge nach Tlapallan, d. i. Tabasco. Ebenso müssen die Pinil . r/cher
Motaguatales, die ein altertümliches Mexikanisch reden, aus diesen südlichen Küstenstrichen über das PUén eto"
28!.. Unter Tlapallan oder Huey Tlapallan könnte anel
" «““ bestimmte Landschaft noch weiter im Osten r
Honduras, verstanden worden sei., Cortés yXjte
4j Über diese vgl. Seler, Mitla p. 12; Id„ G. A. IV p 405 ^
entspricht nicht den Tatsachen, wenn Morley (Inscr. at Po S
p 444) behauptet, die Nauawanderungen hätten sich ausschließ’
.ei angs der pazifischen Küste bewegt, also seien die Nai"
höchstens in Ococngo und Copan mit der hohen , 1
in Berührung gekommen (die ihrerseits nie nach der
Küste hinübergriff). Pazifisehen
46 Seler G. A. II p. 60 sq. und 1041/2; IV p. 103. r
Seler-Festschr. p. 292, 311, 316/7 * 641mann,
47 Seler G.A.Ip. 671-676, Vp.l98.‘ Herrera Dec IV, v ,
(p. 207). über Cocom und Tutulxiu vgl. auch Seler i
M x?l"'nr,: XTnI “ 19‘2)P- 220/1 Morley
ibid. XIX (Washington 1917) p. 147/8. ^
Das betreffende Blatt der Historia Tolteco-Chiehimeca
(Fol. 5 in der Zählung der Coli. Aubin-Goupil) ist im Atlas
Bo bans PL 55 photographisch wiedergegeben und bereits ein-
mal, aber etwas abweichend, von Lehmann (Zentral-Amerika
II p. 982/3) übersetzt worden. Die mit * bezeichnten Worte
sind emendiert. Zu imagicayan cf. Moli na s. v. macic cosa
entera“, macica-caqui, nitla „comprehender y entender algo
enteramente“. Ima icxi yn altepetl übersetzt M. geradezu mit
„aldea de la ciudad, 0 barrio“. Qui-tla-tla m»Mu't
. ^^-mayemto von ma-
ceuia, ninotla, „merecer o alcan^ar lo desseado “_Zu Cuix
coca und üacanca cf. Seler G A I p. m und Leh" an^
Irad. des anciens Mexicams p. 283 u. Seler-Festschr p 284
Hist, de los Mexicanos por sus pinturas (Codex iL«,-'
raga) i. An. Mus. Xac. II (1882) p. 91. Ixtlilxoohitl Hist'
Cluch. c. 4 (p.37); Id., Reh p. 56 u. 89.
p.283/4’n ' Wf; Lehmann' Trad- des anciens Mexicaina
kommenden Stelle u f”,6 Wied,,rgabe d<sr **“«>1 in Frage
-ii bei Lehmann, Seler-Festschr. p. 28] und
3*
m
36
WALTER KR1CKEBERG
gewandert sein; auch hierfür gibt es ein paar wichtige Anhaltspunkte: Bei Velasco heißen die Pipil von Acasaguastan
noch geradezu Yaqui, d. i. Tolteken (s. o.), und über die Pipil von Salamá (Honduras) besitzen wir eine Lokal-
tradition, wonach diese aus Tuxtla an der südlichen Veracruz-Küste stammen.48
Von der Sprache der Tolteken sagt Sahagún, sie sei ein Dialekt der mexikanischen gewesen, sei zwar von
dieser abgewichen, aber doch noch von den Azteken verstanden worden, wie die aller „Nahoa“ (Nana), die demnach in
einen gewissen Gegensatz zu den Nauatlaca treten, zu denen sich auch die Azteken rechneten. Diese Angabe hat
W. Lehmann zum Ausgangspunkt genommen, um eine scharfe dialektische Zweiteilung der mexikanischen Sprachen
in die altertümlichere,,^ au at‘‘-Gruppe mit den Sprachen derTolteken und ihrer Verwandten und die jüngere,,Nauatl“-
Gruppe mit den Sprachen der Azteken,Tepaneken, Acolhua, Chalca, Tlateputzca (Hochland von Puebla) undTonayan-
tlacá (Morelos und Guerrero) vorzunehmen. Hauptmerkmal der Verschiedenheit ist nach ihm, daß in der ersten
Gruppe der häufige tl-Laut der zweiten durch ein t ersetzt ist. Die größere Altertümlichkeit der ersten Gruppe geht
aus dem t-Charakter der dem Mexikanischen urverwandten sonorischen und schoschonischen Sprachen sowie daraus
hervor, daß einerseits die bereits erwähnten alten mexikanischen Stämme von Jalisco und Zacatecas, andrerseits
die Pipil Guatemalas, Izalco Salvadors und Nicarao Nicaraguas — also jene Stämme, in denen sich ja für die späteren
Mexikaner die ,,Ausgezogenen“ (Yaque), d. h. Tolteken, hauptsächlich verkörperten, — ein mehr oder weniger alter-
tümliches ,,Nauat“ sprechen. Auch wo sonst in México Nauat-Dialekte auftreten, führt Lehmann sie auf zurück-
gebliebene Toltekenreste zurück.49 Wie weit die Annahme in dieser allgemeinen Form berechtigt ist, wird erst eine
zukünftige vergleichende Untersuchung aller mexikanischen Dialekte, die noch fehlt, lehren.50 Hier möge die bloße
Feststellung genügen, daß auch längs der ganzen atlantischen Küste ,,Nauat“-Dialekte verbreitet waren oder es noch
sind, von denen gewiß manche auf eine voraztekische, also „toltekische“ Besiedlung der Küste zurückgehen mögen.51
Sahagún beschreibt im ethnographischen Kapitel seines großen Werkes (1. X c. 29 § 1) die Tolteken so, daß man
den Eindruck gewinnt, der Pater müsse eine ganz bestimmte ethnische Einheit im Auge gehabt haben. Das geht auch
aus anderen Quellen hervor. Freilich ist manches, was den Tolteken an ethnographischen Besonderheiten
zugeschrieben wird, auf das Konto ihrer mythischen Bedeutung zu setzen. So hängt das, was von dem Reichtum
des mythischen Tollan und seiner Bewohner, ihrer türkisfarbenen Tracht, ihrer Schnellfüßigkeit, übermenschlichen
Größe usw. erzählt wird, mit dem Mondcharakter der Stadt Tollan zusammen, und wenn Duran den Tolteken
große Schneckengehäuse als Kopfbedeckungen gibt, so kennzeichnet er sie dadurch deutlich als Mondwesen.52 Aber
anderes ist doch wieder zweifellos ein Ausdruck ihrer nationalen Eigenart, kann also als toltekisches Kulturgut an-
gesehen werden. Ich denke hier zunächst an die Schilderung der Tolteken als großer Baumeister, deren „Balken-
häuser“ (uapalcalli), „Schlangensäulen“ (coatlaquetzalli), „Steinpyramiden“ (tzaqualli bzw. tlatilli) und „(bemalte)
Stuckwände“ (tlatlaquilli) des öfteren erwähnt werden, denn diese Schilderung ist durch die Archäologie in über-
raschender Weise bestätigt worden (s. u.).53 Fast überall wird ferner die hohe Blüte ihres Kunsthandwerks hervor-
gehoben (toltecatl war später geradezu gleichbedeutend mit „Künstler“), in erster Linie ihre Fertigkeit, kostbare
Steine und Federn zu farbigen Mosaiken zusammenzufügen. Der Priesterkönig Quetzalcouatl von Tollan
läßt sich nach den Anales de Quauhtitlan von Coyotl inaual eine Schlangenmaske aus Türkismosaik (xiuhcoua-
xayacatl) mit dazu gehöriger Quetzalfederkrone, die die Gestalt eines herabschwebenden Vogels mit ausgebreiteteu
Flügeln hat (quetzalapanecayotl), verfertigen. Beide sehen wir auf dem Bilde Duräns, das Quetzalcouatl dar-
stellt, wie er sich vor seinem Verschwinden in Tlillan Tlapallan seines kostbaren Schmuckes entäußert. Beide werden
auch unter den Geschenken beschrieben, die Motecuhgoma Cortes, dem heimkehrenden Quetzalcouatl, an den Strand
von San Juan de Ulúa sandte. Nach neueren Untersuchungen besitzen wir noch heute diese kostbaren Prunkstücke
in einer Mosaikmaske des Britischen Museums und in dem berühmten Ambraser Federschmuck der Wiener Sammlung.
\ on den Federarbeitern der Tolteken berichtet auch Sahagún, sie hätten besonders Quetzalapanecayotl-Schmucke
Seler G. A. III p, 628. Lehmann, Zentral-Amerika II p. 993
n. L 1007, 1061, 1062; Id., Seler-Festschrift p. 294—296 und
301. Von einer Besiedlung Guatemalas durch Tolteken sprechen
schon Sahagün 1. X c. 29 § 12 und T orquemada 1. I
c. 14 (I p. 38; hier neben „Campech“). Daß die Pipil nicht
erst auf aztekische Handels- und Kolonisationszüge zurück-,
gehen können, hat schon St oll (Zur Ethnogr. d. Rep.
Guatemala p. 11—14» 25) gegenüber Fuentes y Guzman und
Juarros festgestellt.
49 Sahagün l.Xc. 29 §1 (III p. 113 u. 114) und § 3 (p. 121). Leh-
mann, Zentral-Amerika II p. 790, 978—981, 990/1, 999; Id.,
Altmexik. Kunstgeschichte p. 8/9, 12/3; Id., bei Seler G.A. IV
p. 357/8. Über das „Ohneco-Mexicano“ Lorenzanas und den
von Boas untersuchten Dialekt von Pochutla (Oaxaca) cf.
Lehmann, Zentral-Amerika II p. 836, 992, 995, 1075 sq.
■W°h aug t]er Gegend von Tepoztlan ist ein recht altertüm-
liches Mexikanisch bekannt geworden (Casanova i. El Mex.
ro I p. 291 sq.).
Einen, gerade entgegengesetzten Standpunkt in dieser Frage —
die t-Dialekte gehen aus den tl-Dialekten hervor — nimmt
Sapir ein (Journ. Soc. Amer. X. S. XI p. 456 sq.).
51 Über Ortsnamen in ,,Xauat“-Form in der Huaxteca cf. Staub
i. Zeitschr. Ges. Erdk. 1923 p. 204. Der Dialekt von Citlaltepee
(Munic. Ozuluama): Starr, Notes upon Ethnogi’aphy II p.
74 sq. und Lehmann, Zentral-Amerika II p. 1080/1. Das
,,Nauat“ von Tuxtla: Juan Manuel Onorio i. El Méx. Ant. IJ
(1924) p. 159 gq. Dialekte von Amatlan und Tuxtepec: Mech-
ling i. Amer. Anthr. X. S. XIV (1912) p. 677/8. Die sprach-
liche Stellung des Ahualulco im westlichen Tabasco ist noch
nicht geklärt (cf. Orozco y Berra Geogr. p. 13, 163/4; Nie.
Le ón , Familias lingüísticas p. 282; Lehmann h c. p- 992,995).
52 Seler G. A. IIIp. 336/7, IV p. 149. Durán Trat. II Lám. 1 B,
Ü P- 77: qua-tecciz-e. Motecuh§oma II. sandte an Oie Spanier
außer den vier Göttertrachten auch teucuitlaquatecciztli
toztlapilollo „goldene Schneckexxgeliause» die auf dem
Kopf getragen wurden, mit Behang vou 1 aPagcienfedern, ‘‘
denn die Spanier galten ja als die zurückkehrenden Tolteken.
Sahagün 1. XII c. 4; vgl- auch Carta de Veracruz
Inventar Xo. 20, 21.
53 Aztekische Texte bei Lehmann, Seler-Festschrift p. 281 u.
285—287.
- - " ■
DIE TOTONAKEN
....... t_ ... «h * f :ä:
d.1,1 u, dl. S.bl..g™.k.; “*n „,h ... dl.... Gallun. ... .......I..
als zur Kriegstracht der Tolte «m ge orig ei ^ Wiener Türkisschild, in dem Londoner Mosaikschild und zwei
wir schöne Beispiele in dem von cgei esc r befindlichen Mosaikschilden, die in Höhlen des Mixteoa-Gebietes
erst jüngst bekannt gewordenen, jetzt m New tolteki6ch bezeichnet
gefunden worden sind. - Wenn diese Schmucl«.also ^ Bewohner des
werden, so dürfen wir hier n.ch an die T°‘ "'^kanischen Hochland nur selten
Hochlandes denken. Denn wir in en sie ai B. nur als Teil der Kriegstracht des
im aktuellen Gebrauch — das Quc za apaneca. dgn Hochlandsvölkern ebenfalls ur-
mexikanischen Königs, die diesen a s er __ und fas4 ebenso selten unter den
sprünglich fremden) Gottes Xipe ersc Jtertraohtenkapitel Sahagüns trägt nur Painal
Trachtstücken der Gottheiten (im G ind vielmehr Schmuckstücke der atlan-
Quetzalapanecayotl und Xiuhchimalli). * tischenLänder und der
Mixteca und nicht ein-
mal solche, die ursprüng-
lich allein der mexika-
nisch redenden Bevölke-
rung dieser Gebiete ange-
hörten. Die Mosaikkunst
blühte an der ganzen
Küste, sowohl im nörd-
lichen Abschnitt, wie wir
im vorhergehenden Kapi-
tel sahen (Tribute der
Landschaft Tochpan!), als auch vor allem im Süden.
Abb. 33- Tonfigur von EI
Buzón, Slg. Streb el (M. Y.
Berlin, IV Ca 19937).
33. a—e
El Buzón, h La Soledad, k
.---..va* im ouaen.
Denn Türkisschilde wurden nach einer Sahagün-Stelle
besonders aus der Provinz Coatzacoalco importiert
(nach dem Codex Telleriano-Remensis aus der süd-
lichen Huaxteca, der Landschaft Tziuhcouac), und
Mosaikmasken sind mehrfach in den Inventaien er-
wähnt, die die Geschenke des Kaziken von Tabasco
an Gri jaiva auf zählen. Das Quetzalapanecayotl ist,
wie schon der Name sagt, der „Schmuck der Küsten-
leute“ (apaneca) und ist in Verbindung mit Mosaik-
masken sehr schön an einigen der Kriegergestalten zu
sehen, die in der untersten Reihe der Reliefe des Saales
E von Chich’en Itza dargestellt sind und wahr-
scheinlich Maya wiedergeben( Kap. 4).54 Einen dem
Quetzalapanecayotl analogen Kopfputz erblicke ich
auch an einer ganzen Gruppe von Tonfigürchen vom
Typus der Abb. 33 aus La Soledad und El Buzón
uy .¿uuo«, 19983, 19548, in der alten Provinz Cotastla. Die Zusammenstellung
lV Ca 20 396, 20 ur 4, 20 ó io, 20 o • , in 34 zeigt, daß diesem Kopfputz, wie dem
die Idee eines mit ausgebreiteten Flügeln von oben herabschwebenden Vogels zu Grunde liegt.
Quetzalapanecayotl, die ^6®oohdeutlichzu erkennen ist, wird allmählich auf eme trapezmdale Platte (Schwanz),
Der Vogelkörper, der “JA d einen Stimwuist (Kopf) reduziert.
i Seitenbalken (Flügel) una Erbschaft der alten Küstenkultur angetreten hatten, wurden ihnen auch
Nachdem die Tolteken em und Xiuhchimalli als ethnographische Besonderheiten zugeschrieben. Wenn
^ , /,1iaPanecayotl, Xiuhcouax } gelegentlich Nonoualca heißen (s. o.), oder wenn sie der Sahagün-
T tUd' den0stenVe ieg Vlr blrerLm der Olmeca üixtotin ausstattet, so sind das ähnliche über-
lhr6 mit der Haartracht (der ausgtsc 1 , , j( . Vorzeit gegenüber zu verstehen sind. Bis zu welchem
BenChLn dteVr aus dem späten aztekischen SKürelemente gilt, insbesondere für Schrift. Kalender-
tragung e "Übertragung auch für andere „ . iten der Tolteken genannt werden,55 das hier zu er-
Grade eine solche u die gewöhnlich Errungenschatten 8
und Qnetza ,
sammenfassend behandelt worden (Turquois Mosaic Art in
Anciert Mexico, New York 1922). — Über die Amanteca
vgl. das folgende Kapitel.
55 Auch in den mexikanisch beeinflußten Mayaquellen; cf.
Seler T. A. p. 43 und Lehmann, Ergebnisse und Aufgaben
146 163/4. Die Quetzalcouatl-Verehrung findet sich läng!
k I
Abb. 34. Kopfpntze von Tonfiguren nach Art von Abb
Cerro de Cajetes, f La Purga, g n. i El Buzón, h La
Baños de Carrizal, 1 u. ni Sollacuautla. Slg. Strebel. (M. V. Berlín
IV C« 20 396, 20 074, 20 375, 20 309, 20 371, 20 038, 19 983, 19548,
20018, 14 718 c, 14626 b, 14 626 f)
wesen
» Seler G. A. I p. 688, II P- '9’ 430/1 und 6S3/k IV
p. 362 sq.. V p. 171-118 und 312-315. Lehmann, Alt-
mexikan. Mosaiken p. 320-322. Außer den hier zitierten alten
Schriftstellern vgl. Sahagün 1. HI Ci 8 (I P- 250) und Cod.
Teller.-Remensis toi. 33 (Tribut von Tziuhcouac). Neuer-
dings ist das ganze Material von Marshall H. baville zu-
¿áf mb
4*K V
38
WALTER KRICKEBERG
örtern würde zu weit führen. Es sei nur darauf hingewiesen, daß gerade aus den Gebieten toltekischer Descendenz
unsere schönsten Bilderschriften stammen, so der Codex Borgia und die ihm verwandten Codices aus der Gegend von
Tehuacan, Cozcatlan und Teotitlan del Camino an der Straße nach Oaxaca (Ortschaften, die die Anales de Quauh-
titlan ausdrücklich unter den von Tolteken besiedelten nennen) und die Bilderschriften vom Vindobonensis-Typ aus
der alten Landschaft Cuetlaxtlan. Diese Bilderschriften rühren zweifellos von einem mexikanisch sprechenden Volke
her (s. o. S. 19/20). Dagegen ist der Gott Quetzalcouatl in seinen verschiedenen Formen auch mit nichtmexikanischen
Völkern verknüpft.56
Der Beweis der Realität der Toltekenüberlieferungen, die schon durch diese historischen, linguistischen und
ethnographischen Tatsachen genügend gesichert war, ist in neuerer Zeit in besonders überzeugenderWeise auf archäo-
logischem Gebiet geführt worden. Die Untersuchung der Ruinen von Chich’en Itza in Yucatan, die von Charnay
und Le Plongeon angebahnt, aber erst von Seler in grösserem Maßstabe durchgeführt wurde, hat das wichtige
Ergebnis gehabt, daß ein großer Teil der Bauten dieser alten Stadt samt den darin gefundenen Reliefen, Rundfiguren
und Fresken von einem in Yucatan stammfremden Element herrührt, das mit den von Landa und den Büchern des
Chilam Balam erwähnten mexikanischen Söldnern der Cocom (s. o.) identisch sein muß. Dies Fremdvolk ist nämlich
nach dem Zeugnis seines Bau- und Kunststils, seiner Bewaffnung und Tracht, seiner Götterverehrung und Bilder-
schrift ein Naua-Volk gewesen, nahe verwandt den Stämmen, die sich in vorgeschichtlicher und geschichtlicher Zeit
in immer neuen Wellen von Norden her ins mexikanische Hochland und von dort nach den Ländern der a tlantischen
und pazifischen Küste ergossen.57 Aber noch etwas anderes hat die Betrachtung der Funde von Chich’en Itza gelehrt:
die Kultur dieses mexikanischen Fremdvolkes trägt einen ausgesprochen archaischen Zug. Er äußert sich in den steifen,
etwas eckigen Formen desKunststils, im altertümlichen Charakter der Architektur, vor allem aber in der Tatsache, daß die
Krieger und Könige auf den Reliefen und Fresken Waffen und Schmuckstücke tragen, die bei den späteren Nana des mexi-
kanischen Hochlandes längst dem profanen Gebrauch entrückt und nur noch Göttern und Königen Vorbehalten waren—ein
Vorgang, der sich bekanntlich auch bei altweltlichen Kulturvölkern oft genug abgespielt hat. Selbst mythische und
kosmogonische Vorstellungen zeigen auf den Wandbildern von Chich’en Itza ein ursprünglicheres Gepräge als
etwa in den erhaltenen Bilderschriften des mexikanischen Gebietes. Es lag von vornherein nahe, bei der Deutung
dieser Funde an die Tolteken zu denken, zumal ja alle fremden Bevölkerungselemente Yucatans aus dem alten Tol-
tekenlande Tabasco eingewandert sein sollten (s. o.) und der Kult Quetzalcouatls, des Gottes in der Verkleidung der
Federschlange, den ersten Platz unter den szenischen Darstellungen der Ruinenstadt einnimmt. Aber diese Ver-
knüpfung hätte doch wieder nur hypothetischen Wert besessen, wäre es nicht möglich gewesen, zu einer Reihe von
Chich’en Itza-Elementen ganz überraschende Parallelen unter den archäologischen Funden des mexikanischen Hoch-
landes nachzuweisen. Eine Federschlangenbalustrado von genau der gleichen Art, wie sie an mehreren Tempeln
Chich’en Itzas erhalten ist, hat man jüngst bei Ausschachtungen in der Hauptstadt México an der Basis des Haupt-
tempels, überbaut durch spätere Erweiterungen der Treppe, also aus einer Zeit lange vor der Ankunft der Spanier
stammend, aufgedeckt;58 die Federschlangensäulen fanden sich sogar ausgerechnet in den Ruinen von Tula
wieder, dem alten Tollan; die steinernen Karyatidenfiguren, die als Träger der Türbalken und der Göttertische
dienten, in Tlaxcala und Tula; die halbliegenden Figuren vom „Chacmool-Typus“, die ein Libationsgefäß auf
der Brust halten, waren noch viel weiter verbreitet. Sie können geradezu als ein ,,Leitfossil“ dieser alten Kultur
gelten, denn sie treten überall da auf, wo sehr alte Naua-EinWanderungen und -Einflüsse nachweisbar sind: außer
im Hochtal von Mexico (I acubaya) mehrfach im Gebiet von Tlaxcala, im Gebiet der in altväterischen Sitten lebenden
Tlalhuica (Cuernavaca), in Michoacan, von dessen ,,toltekischem“ Bevölkerungselement ja das Lienzo de Jucutäcato
Kunde gibt,59 in Cempoallan im südlichen Totonacapan und in Ahuachapan im westlichen Salvador. Der Fund von
Cempoallan ist von besonderer Wichtigkeit: er schlägt die Brücke zwischen dem westlichen und dem östlichen Ver-
breitungsgebiet der alten „toltekischen“ Kultur.
Im Hochtal von México hat eine jüngere Welle von Naua-Völkern diese archaische Kultur verdrängt oder doch
e
f<
der ganzen Straße nach den Mayaländern bis zu dem von Pipil
bewohnten Cozcatlan in S. Salvador (nach Palacio, Reh de
Guatemala), ja noch bis zu den mexikanisch redenden Stämmen
Nicaraguas (nach Oviedo); cf. Seler, Mitla p. 45 und Leh-
mann, Ergebnisse einer Forschungsreise in Mittelamerika u.
Mexico p. 702 n. 1; Id., Zentral-Amerika II p. 994/5 und 1026.
Die acatl-Form des Kalenders, die Lehmann für eine toltekische
Schöpfung hält, war in historischer Zeit außer in Metztitian
(und vielleicht auch im angrenzenden nordwestlichen Totona-
capan; vgl. 2. Abschnitt, Kap. 5) bei den Nicarao in Übung,
ülmann, Zentral-Amerika II p. 994; Id., Seler-Festschrift
eP- 293, 300, 302.
Wh z. B. Quetzalcouatls huaxtekische Trachtabzeichen in
seiner Form als Windgott. Lehmann hält Qu. für einen alten
Regengott der tropischen Golfküste, wofür in der Tat manches,
z- B. seine Identifizierung oder enge Verbindung mit den Regen-
göttern bei den Maya (Ergehn, u. Aufgaben p. 163/4; Zentral-
Amerika II p. 986 n. 4) und eine gewisse Ähnlichkeit mit dem
langnasigen Gotte Chac, spricht (vgl. Spinden, Anc. Civil,
p. 209). Eine bestimmte Schlangenart quetzalcouatl kam in
Totonacapan vor (Sahagün 1. XI c. 5 § 6). Vgl. auch Leh-
mann, Zentral-Amerika II p. 946.
57 Seler G. A. I p. 668—705, V p. 197—388; Spinden, Maya
Art p. 205—214. Übrigens ist Chich’en Itza nicht der einzige
Platz im Mayagebiet, wo diese Naua-Einflüsse archäologisch
greifbar sind. Spinden führt als Beispiele dafür die Ballspiel,
plätze von Uxmal und Chaculä, die Säulenhallen von Ake und
Cancun, die Fresken von Santa Rita an. Weiteres hierüber
s. im Kap. 4.
08 Spinden, Anc. Civil, p. 186 u. 187.
59 Seler G. A. III p. 41 sq., besonders 44-48. Das Lienzo ge-
hört zu einer Gruppe von Quellen’ die die Ei Schaffung der
Menschen aus Asche durch Quetzalcouatl in der Urheimat
Chalchiuhapazco an den Anfang dei Dinge stellen (cf. Seler
G. A. IV p. 55/6).
DIE TOTONAKEN
39
stark umgewandelt,'° und m Yucatan ist sie durch emeRationl Mer nach Süden auslaufenden Tälern
gefegt worden. Anders war es im Gebiet von Tlaxcala und Cholu a empoaW< wie die schon einmal heran-
und in dem vorgelagerten Küstenstrich. Hier, in lapidarer Kürze ausdrückt - hat sich jene alte
gezogene Stelle der Historia de los JV exicanos por sus r wovon die Biiderschriften vom Codex Borgia-Typ
Kultur noch einmal zu einer wunderbaren Nac prrlicheCholula-Keramik, die Mitla-Fresken und vieles andere
und Codex Vindobonensis-Typ, die ihnen na es e en ■ . Hochkultur sind Kunst und Bilderschrift, Kalender-
beredtes Zeugnis ablegen. In diesen Ausläufern „ o menheit entwickelt worden. Viele ihrer Elemente zeigen
wesen und Mythologie zu einem hohen Grade von Chich’en Itza, als mit der Kultur, deren Träger die
noch immer eine nähere Verwandtschaft mit der Kuiti
historischen Azteken waren.62 gtand der Forschung sagen, daß die Tolteken im historischen
Zusammenfassend läßt sich also nach dem ^ ursprüngiich auf die Hochtäler von México und Puebla
Sinn die Vertreter einer altertümlichen Naua-Ku^u^^ ^ uralten Handelsstraße an die atlantische Küste ver-
beschränkt war, sich dann aber nach Süden un ^ lebenskräftige Ausläufer bis ins nördliche Yucatan einerseits
breitete, bis nach Tabasco, von wo sich wei eie,^^ andrerseits erstreckten. Bei dieser Ausbreitung hat
und nach Guatemala, Honduras, S. Salvador ^ ^ayagebiet manche Elemente anderer Kulturen assimiliert,
sie sich besonders an der atlantischen Kus bewahrt. Es geht also nicht an, so heterogene Kulturen,
im großen und ganzen aber doch ihren » ^ ^ oft geschehen ist (vgl. darüber das folgende Kapitel). Wohl
wie die von Teotihuacan, mit ihr zu verknup• > Naua.Kulturen des Hochlandes in Betracht zu ziehen,
aber ist ihr Verhältnis zu anderen pramsr ^ ^ Toiteken“ und „Chichimeken“ ein. Zu den ersteren rechnet
Ixtlilxochitl teilt die meflkuu^en Colhuacan und Cholula, von Tochpan und Xicalanco (nörd-
er die Tepaneken und Chinampaneken üie ^ ^ Mixteken und die Leute im fernen Quauhtemallan (Guate-
liehe und südliche Veracruz-Küste), <üe^ dieChichimeken im engeren Sinn, ferner die Bewohner von Tetzcoco,
mala) und Tecolutlan (Verapaz)- Ch^hime Matlateinoa (von Toluca) und Tarasken (von Mrehuacan) im Hooh-
Tenochtitlan und Tlaxcala und Aotonaken an der Küste. Sahagún dagegen rechnet die Chichimeken nn engeren
land, die Huaxteken, Tejehua und Jo Aztekeni Otomi undTarasken samt und sonders ^ den Chichimeken (an
Sinne (Teochiohimeca), die Tolteken i Mexica, Cuexteoa, Temme und Totonaca) und stellt ihnen als be-
einer andern Stelle die Acolhua Co ^ ’ d. h. die Küstenbevölkerung, die sich toltekischer Abkunft rühmte,
sondere Gruppe die „OlmecaUixtotm i Landschaft Chalco-Tlalmanalco zwei Bevölkerungselemente,
s. o.). Hierbei ist zu beachten daB Sahagún
Chichimeca und die Nonoualca ie ^ d. h. die ein Provinzialmexikanisch sprechenden und daher
der angezogenen Stelle unter
an
r-/ --
immer den Azteken gegenüber gestellten drei Hauptgruppen der Naua des Hochtals von México (Te
und Chalca), der Tlateputzca (der Leute von Tlaxcala, Cholula und Uexotzinco) und der Tonayantla ^c°lhua
der heißen Täler südlich des Hochlandes) versteht, während er in einem speziell den Nana gewidrnT P BeWohner
augenscheinlich eine ganz bestimmte Gruppe, nämlich die „Nauat“ redenden Ñaua (s. o ) imAn^h^ ParagraPhen
dort ausdrücklich, sie seien Nachkommen der Tolteken. Auf eine in diesem Zusammenbau e nicht at’ .denn er sagt
bei Chimalpain hat Seler bereits hingewiesen: der indianische, gewöhnlich gut unterrichtete Unw*c^%e Notiz
Fürsten von 20 Städten auf, die 1410 zu Gunsten des von México bedrängten Chalco ei h -Tt die
Städten des Hochtals von México (Tetzcoco, Xochimilco, Azcapotzalco, Colhuacan) nncTvoj P fi* darunter neben
cala, Uexotzinco, Totomihuacan) auch Orte der heißen südlichen Täler und des Hochtals v^T T & ^Cholula’ Tlax-
nennt er Anauaca tlahtoque „Fürsten der Küstenleute“, was nach dem oben ^ '° uca- Diese Fürsten
*" *.... »oen besagten wiederum nichts anderes
bedeuten kann,
als „Fürsten toltekischer Abkunft.4
*7 auf der Hand, daß die alten Autoren hier keine Klassifikation nach sprachlichen Gesichtspunkten haben
wollen- Das Einteilungsprinzip war vielmehr ethnographisch-kulturgeschichtlich: der Gegensatz zwischen dem
ge № Tessenen, höher kultivierten „toltekischen“ Element und dem später zugewanderten, aus den rohen Jäger-
altemge ^ ^ordeng berv0rgegangenen „chichimekischen.“65 Ganz richtig wird dieser Gegensatz bei Sahagün, ent-
6° Verdrängt wurde z.B. der Quetzalcouatl-Kult. In Tenochtitla
besaß der Gott z.Z. derConquista kein Fest, kaum eine Kult”
statte; ebenso war es in anderen Städten des Valle (mit einziger
Ausnahme vonMizquic), während er z. B. in Cholula noch der
Hauptgott war. Seler, Mitla p. 45.
«i Gleichsam eine nähere Ausführung dieser Stelle sind die Listen
toltekischer Städte in den Anales de Quauhtitlan (aztek
Text bei Lehmann, Seler-Festschr. p. 289) und in der Histo-
ria Tolteco-Chichimeca (s o. S. 34/6). Auf die kulturelle
Bedeutung von Teotitlan del Camino hat Seler wiederholt
hingewiesen, auf die der Mixteca besonders in n a
368—370. A. IV p.
G2 7^' B‘ die Federschlangenbalustraden der Tempelpyramiden
63C. Borgia fol. 33, 34 (Seler C. B. II p. 17). Py m,d6n
tekPn- u1 al8° Wieder derselbe Doppelsinn des Namens , Toi-
hervor, wie in der Wandersage, die allerdings für die
prähistorischen Tolteken den Ausdruck Tlamatinime gebraucht
Vgl. Anm. 32 dieses Abschnitts. - Die in Parenthese erwähnte
Sahagún-Stelle findet sich nur im Manuskript der aztekischen
Ausgabe der Academia de la Historia. Seler G. A. II p. 1019.
64 Ixtlilxochitl, Relaciones ed. Chavero p. 106. Sahagúnl.
X c. 29 § 12 (III p. 147) und § 3 (III p. 121),Chimalpain p.
25/6 und p. 85/6. Cf. Seler G. A. II p. 59-69 und Orozco
y Berra Hist. III p- HO.
65 Auch in der Wandersage, die die Blätter 25 —28 des Cod. Tel-
leriano -Rexnensis und 67 — 70 des Cod. Vaticanus A auf-
bewahrt haben, erscheinen neben den Chichimecadie Nonoualca
als Repräsentanten der Hocblandsvölker (außer denMichnaque).
Nonoualca kenn hier nur ein Synonym für’ „Tolteken“ sein,
wie bei Chimalpain nnd in der Hist. Tolteco-Chichimeca
(Seler G A. II P- 60 — 62), denn die fremdsprachliche
Küstenbevölkerung wird schon durch die Cuexteca, To-
40
WALTER KRICKEBERG
sprechend den bei der Ankunft der Spanier herrschenden Verhältnissen, zu einem Gegensatz zwischen Küsten- und
Hochlandsbevölkerung, denn als „toltekisch“ sah man damals vor allem die Küstenvölker an. Aber auch die Hoch-
landsstämme wollten doch gern als Nachfahren der Tolteken gelten. Im Einklang mit anderen Nachrichten finden
wir daher bei Ixtlilxochitl vor allem Colhuacan und Cholula neben den Gebieten der Popoloken (d. h. dem Gebiet
von Tehuacan, Cozcatlan und Teotitlan) und der Mixteken, also Gegenden, die die schöne Nachblüte der toltekischen
Kultur erlebt hatten (s.o.), und neben den eigentlichen Toltekensitzen an der großen Handelsstraße nach den Maya-
ländern als ,,toltekisch££ erwähnt. Daß auch die verfeinerten Bewohner Tetzcocos den Ehrgeiz besaßen, teilweise
von den Tolteken abzustammen, obwohl gerade sie speziell mit den Chichimeken in Verbindung gebracht wurden,
lehrt eine andere Angabe Ixtlilxochitls, nach der unter der Regierung des Chichimekenherrschers Techotlalatzin vier
Clane der aus Colhuacan vertriebenen Tolteken in Tetzcoco angesiedelt wurden. Aber einstimmig sind alle Autoren
darin, daß die Azteken, die jüngsten Einwanderer des Hochtals, nicht toltekischer Abkunft waren. Sie sind viel-
mehr echte „Chichimeken“, Teochichimeca Azteca Mexitin Chicomozteca („Leute aus den 7 Höhlen“, der nördlichen
Urheimat der Jägerstämme), wie sie eine unveröffentlichte Relación Chimalpains nennt.06
Die Begriffe „Tolteken“ und „Chichimeken“ lassen also sowohl eine weitere als auch eine engere Fassung zu.
Von den Chichimeken im engeren Sinne handelt Sahagün in seinem inhaltsreichen ethnographischen Kapitel. Er
schickt zwar voraus, daß die Chichimeken dreierlei Stammes seien, Otomi, Tamime und Teochichimeca, behandelt
dann aber nur die beiden letzteren Gruppen, von denen die Tamime eine durch Berührung mit Naua und Otomi
oberflächlich zivilisierte Abteilung der Teochichimeca (der eigentlichen Chichimeken) waren. Das Kulturgemälde, das
er dann von den Teochichimeca entwirft, paßt in allen Zügen auf die wilden, in der Hauptsache von Jagd und Krieg
lebenden Stämme, die z. T. noch heute in den von Kugelkakteen und Agaven, Dornakazien und Pfefferbäumen er-
füllten Hochflächen des nördlichen México und des anstoßenden Teils der Union nomadisieren. Gewiß waren manche
fremdsprachlichen Stämme darunter, nach Herrera z. B. die „Pamies, Capuces, Samues, Qan^-as, Maiolias, Guamares,
Guachichiles“; auch die Otomi werden außer bei Sahagün z. B. bei Torquemada „Chichimeken4£ genannt, und von den
Chichimeken Tetzcocos sagt Torquemada übereinstimmend mit Ixtlilxochitl, daß sie die Sprache der noch im Lande
lebenden Tolteken nicht verstanden hätten.67 Aber ein großer Teil der Chichimeken sprach sicher mexikanisch, wie
die in den Steppen von Jalisco und Zacatecas sitzenden alten Nauavölker (s. o.). Die Urzeitsagen aller mexikanischen
Stämme, so verschieden sie auch sonst sein mögen, — darin sind sie sich doch einig, daß jeder dieser Stämme ein
chichimekisches Jägerstadium mit Bogen und Pfeil in den Steppen des Nordens (im Mimixcouä in tlalpan „dem
Lande der Wolkenschlangen“ oder Nequameyocan „dem Ort der wilden Agave“) durchmachte.68 Auch ethno-
graphische Erwägungen sprechen dafür. Selbst in der späteren Hochkultur Tenochtitlans und Tlaxcalas gab es noch
manch’ „survival“ aus chichimekischer Zeit, z. B. die tzotzocolli-Haartracht aztekischer Krieger, den Kreuzspiegel
(tezcacuitlapilli), den religiösen Kannibalismus, die Malteotl-Trophäen (vgl. 2. Abschn., Kap. 4), den Kult des Jäger-
gottes Mixcouatl-Camaxtli und der Itzpapalotl. Chichimecatl war der Ehrentitel sowohl der Acolhua-Herrscher von
Tetzcoco, als auch namentlich der Tlaxcaiteken.09 Denn die alten Annalen leiteten beide Stämme von Chichimeken-
scharen ab, die nach der gewöhnlichen Darstellung in die nach dem Abzug der Tolteken verödeten Hochländer ein-
gezogen waren. Wenn auch in diesen Berichten viel geschichtliche Konstruktion ist, vor allem in der ausgestalteten
Form, in der sie uns in der Chichimekengeschichte Fernando de Alva Ixtlilxochitls70 entgegentreten, so kann
doch mit fast noch größerer Bestimmtheit als bei den Toltekensagen ein unzweifelhaft realer Kern angenommen
werden. Ungefähr seit dem Beginn des 11. nachchristlichen Jahrhunderts sind die Hochländer des nördlichen México
der Schauplatz großer, langdauernder Völkerbewegungen gewesen. Der Herd lag vielleicht weit im Norden; der letzte
Ausklang war die Gründung Tenochtitlans auf den Inseln des Salzsees im Jahre 1325.
Die Geschichte der Chichimeken interessiert uns hier nur soweit, wie ihre Einwanderung auch die Küstenvölker
in Mitleidenschaft gezogen hat.71 Schon sehr früh, unter dem ersten „Uhichimekenkaiser“Xolotl, soll das Chichi-
tonaca und OlmecaXicalanca repräsentiert. Eine andere Auf-
fassung vertritt W. Lehmann (Zentral-Amerika II p. 986;
Seler-I estschrift p. 307 n. 1), der die Nonoualca hier für Maya
oder Popoloca-Chochontin hält.
66 Lehmann, Trad. des anciens Mexicains p. 266 n. 14. Ixtlil-
xochitl Hist. Chich. c. 13 (ed. Chavero p. 74). Über Mexitin
cf. Lehmann, Zentral-Amerika II p. 979, 981, 983 n. 1, 984;
Id., Altmex. Kunstgesch. p. 16, 17.
67 Sahagün 1. X c. 29 § 2 bei Seler G. A. IV p. 422/3 (nach dem
aztekischen Text). Herrera Dec. VIII 1. VI c. 14 (p. 140).
Torquemada 1- HI c- 10 (I p. 261); 1. I c. 19 (I p. 44).
Ixtlilxochitl Hist. Chich. c. 13 (ed. Chavero p. 73). Über die
Trage einer besonderen chichimekischen Sprache im Valle de
-^léxico cf. Pimentei, Cuadro desciptivo (1862) I p. 155, Oroz-
Co y Berra Geogr. p- 6—8 und Lehmann, Zentral-Amerika II
68P; 983—985.
‘Selbst di© Tolteken werden, wie wir sahen, in diesem Sinne
gelegentlich zu den Chichimeken gezählt. Sie heißen Chichi-
meca mochanecatoca („die alle aus ihren Häusern vom
vV in de fortgetrieben waren“) oder geradezu Tolteca Chichi -
meca (Lehmann, Zentral-Amerika II p. 978, 979; Id., Soler-
Festschrift p. 287/8). Dennoch ist es nicht ratsam, die in den.
alten Quellen stets beobachtete Unterscheidung von Tolteken,
Chichimeken und Azteken so zu verwischen, wie es Seler zu-
letzt (G. А. IV p. 346, 425) getan hat.
69 Seler G. А. I p. 231—235 und IV p. 92—94, 419/20, 422/3, 428.
Lehmann, Zentral-Amerika II p. 985.
70 ¡Seine Darstellung, die auch Torquemada übernommen hat,
stützt sich auf Bilderschriften, die uns z. T. erhalten sind:
„Codex Xolotl“, „Mappe Tlotzin“ und „Mappe Quina-
tzin.“ Vgl, jbre photographische Reproduktion bei Boban,
Atlas Pl. i_i2, unci ihre Erläuterung bei Oi’ozCO У Berra
Historia III c. 5 u. 6; außerdem Lehmann, Ergehn. und Aufg.
p. 117. Meine Bedenken gegen die chiobimekiscbe Chronologie
Lehmanns (Zentral-Amerika II p. 1089; Altmex. Kunstgesch.
p. 16—18, besonders 17 n.; bei Seler Gl. А. IV p. 360/1) habe
ich schon in Anm. 40 geäußert. .
71 Ixtlilxochitl Reh p. 81 — 133, Hist- Chich. c. 4 — 11 (p. 35 —
68). Torquemada 1. I o. 15 — 48, II с. 1 —6.
SSSä
DIE TOTONAKEN
41
me enreich von Tenanyocan-Tetzcoco bis an die nördlichen atlantischen Abhänge des Staates Puebla gereicht haben
da Zacatlan und Quauhchinanco als Grenzorte angegeben werden. Zacatlan und Tenamitic (in der Totonakenee-
schichte Torquemadas bezeichnen beide Namen einen Ort) werden unter Xolotls Nachfolger Nopaltzin Sekunde
genituren des Reiches unter den Prinzen Quauhtequiua und Popoyoc. Unter Quinatzin, dem vierten Chichimeken-
herrscher, erscheinen neue, noch ganz unzivilisierte Chichimekenscharen, Teochichimeca zum Unterschied von den
anderen genannt, an den Grenzen des Reichs und erhalten von Quinatzin Wohnsitze auf den Llanos von Poyauhtlan
am Ostufer des Sees von Tetzcoco. Als sie sich an einer allgemeinen Erhebung gegen Quinatzin beteiligen, werden sie
in einer blutigen Schlacht besiegt und aus dem Valle gedrängt. Torquemada erzählt, ihr Gott Camaxtli habe ihnen
das Orakel erteilt: „Wo der Tag anbricht, wo es Morgen wird, dahin sollt Ihr gehen“, und sie beschließen, „teotlixeo
anauac d. h. nach Osten an die Küste auszuwandern. Dieser Sage liegt, nur leicht verschleiert, ein sicher historisches
Ereignis zu Grunde, dessen Folgen von weittragender Bedeutung für die voraztekische Geschichte der Küste waren
Denn die Teochichimeken sollen sich nunmehr in zwei Gruppen geteilt haben, deren südliche sich im Gebiet des
späteren Tlaxcala niederließ. Das waren die Ahnen der späteren Tlaxcalteken. Die nördliche aberschlägt unter der
Führung ihres Häuptlings Chimalquixintecütli die Richtung nach Tollantzinco und Quauhchinanco ein die
bereits seit der Zeit Xolotis und Nopaltzins von Chichimeken besiedelt waren und dem Kaziken Macuilacatlte-
c ütli gehorchten. Die Neuangekommenen werden gut aufgenommen und teilen sich friedlich mit der älteren Be-
völkerung in das Gebiet. Torquemada, bestrebt, eine Erklärung für die merkwürdige Mischung der mexikanischen und
Otomisprache in der ganzen nördlichen Sierra bis nach Metztitian hin zu finden, — eine Mischung, die so weit ging
daß zu seiner Zeit die Nordhälfte der Stadt Tollantzinco Otomi, die Südhälfte mexikanisch sprach, — meint, daß das mexi-
kanische Element, das den Dialekt von Tetzcoco sprach, der älteren chichimekischen, das Otomi-Element der
jüngeren teochichimekischen Einwanderung seinen Ursprung verdanke, — eine Vermutung, die nicht sehr wahr-
scheinlich klingt, da ja auch die Teochichimeken als die Väter der Tlaxcalteken Nauatl gesprochen haben müssen
wenn auch eine Otomi-Beimischung in der späteren Kultur der Tlaxcalteken unverkennbar ist und einzelne Otomi'
Elemente mit den Teochichimeken nach Huauchinango und vielleicht auch an die Küste (vgl. folgendes Kapitel)
gelangt sein werden.72
Von der nördlichen Abteilung der Teochichimeken heißt es nun weiter, sie habe große Gebiete in der Sierra
und an der nördlichen und östlichen Küste besiedelt, nämlich Tuzapan, Papantlan, Tonatiuhco, Metztitian
Achachalintlan, Nauhtlan — bis auf Metztitian lauter Gebiete, die zu Totonacapan gehören.73 Auch die südlich *
Abteilung (die späteren Tlaxcalteken) tritt in nähere Beziehung zu den Küstenländern, dadurch daß sich ein Tru ^
Xicochimalco am Ostabhang des Cofre de Perote niederläßt. Diese beiden wichtigen Notizen werden bestätigt durch
das, was Torquemada an anderer Stelle von der älteren totonakischen Geschichte berichtet. Zur Zeit Xatontans
des zweiten Totonakenherrschers von Mizquihuacan (dem heutigen S. Francisco nahe Zacatläh), erscheinen an der
Grenze seines Gebiets Chichimeken, die sich in Nepoalco, „dem Ort der Zählung“, 6 Leguas von Mizquihuacan fesT
setzen. Sie sind ein rohes Jägervolk, das erst von den Totonaken höhere Kultur annimmt. Solange das Totonakenrei h
von Mizquihuacan unter seinen acht ersten Herrschern stark und ungeteilt besteht, ändert sich nichts an dem fre ^d
schaftlichen Verkehr der beiden Völker. Aber als nach Catoxcans, des letzten Alleinherrschers, Tod das geteilte R ^
von Aufständen erschüttert wird, ergreifen die Chichimeken unter ihrem Führer Xihuitlpopoca der 1^°
ein großer Zauberer ist, von dem zerrütteten Land Besitz und zwingen die Totonaken, ihnen dienstbar zu s ’
da an herrschen chichimekische Fürsten über die Totonaken. Unter dem zweiten Nachfolger Xihuitlpopocas 0 ^
tlaeuana, werden die Chichimeken den Azteken tributpflichtig. Aber erst zur Zeit der spanischen Vhek" V'
man den Totonaken die von den Chichimeken rechtswidrig angceigneten Ländereien, die diese bis dahin0"*8]' i
halten Ratten, zurückgegeben.71 noch be-
Die Chichimeken Xihuitlpopocas sind zweifellos mit jener nördlichen Abteilung der Teoohichimeke ,r
Tollantzinco und Quauhchinanco allmählich nach der Küste vordrang, identisch, nicht etwa mit den d UU
Teochichimeken aus Tlaxcala vertriebenen Olmeca und Zacateca, wie Strebei meint 75 Denn sie komn " d№
Westen, wie Torquemada ausdrücklich sagt, und läge nicht unsere Chronologie so im Argen so ließe «dchvTn T*
auch eine Konkordanz zwischen den Daten der Chichimeken- und der Totonakengeschichte’ hersteUen - „t
ist es aussichtslos. Die stereotype, achtzigjährige Regierungsdauer der einzelnen Totonakenherrscher läßt wie t S°
zweiten Abschnitt (Kap. 5) näher ausgefflhrt habe, nur die Deutung zu, daß wir es hier mit einer mythischen He^
1 -i— m,____,
o 1 I c. 6 (p. 49 — 54)- Torquemada 1. III c. 9 — 11
Cama91fg°_263). Vgl. hierzu die Historia Tolteco - Chichi-
(I P a der Coll.Aubin-Goupil (Seler G. A. II p. 61): Die Grün-
meca Q1(quta treffen in Colhuacatepec Chicomoztoc, der
der von g gtämme der Chichimeken, näm-
lich^die Leute von Quauhtinchan. die Moquiuixca. die To-
tomioaque. die Acolchichimeca, Tzauheteca, Zacateca, Tex-
calleca und die Leute von Malpan. - Das sind meist Orte des
Hochtals von Puebla; Quauhtinchan und Totem,huacan hegen
südlich von Puebla. Tzauctla (Zautla)und Zacatlan im Norden;
Texcallan war der alte Name von Tlaxcala (cf. Durän c. 2,
I p. 13; Sahagün 1. XII c. 10, III p- U)-
73 Achachalintla liegt nach der Hel. del Obisp. de Tlaxcala
ed. Pimentei 1904 p. 7/8 8 Leguas von Papantla und Tuzapan
entfernt; in dem Ort wird totonakisch und aztekisch ge-
sprochen. Ein Matlac - tonatiuhco erwähnt dieselbe Relacion
unter gemischtsprachlichen Orten der Distrikte Papantla (Zo-
zocolco, Tenampulco) und Zacatlan (Hueitlalpa, Xoxopango).
Von Metztitian bemerkt auch Gri j alva (Cron. de la orden de
N. P. S. Augustin p. 32), es sei von Indios Tlaxcaltecos be-
siedelt worden.
74 Torquemada 1. III c. 18 (I p. 278-281). _
75 Strebei, Die Ruinen von Cempoallan p. 5. Eber diese Olmeca
und Zacateca vgl. das folgende Kapitel.
. .
42
WALTEE K RICKEBERG
scherreihe zu tun haben, die als Umkleidung eines kalendarischen Systems herhalten mußte. Für die Vertreibung der
Chichimeken aus Poyauhtlan hat Orozco y Berra das Jahr I tecpatl= 1324 herausgerechnet, also etwa die Zeit, in
der nach den meisten Quellen Tenochtitlan gegründet wurde. Wahrscheinlich hat aber jene ChichimekeneinWanderung
ins nördliche Totonacapan schon viel früher begonnen.
Von wesentlicher Bedeutung bleibt die Tatsache, daß in allen diesen Traditionen die Naua-Elemente in Toto-
nacapan in engste Verbindung mit den Teochichimeken, d. h. den Gründern des alten Freistaats Tlaxcala, gebracht
werden. Die Tlaxcalteken besaßen, bevor die aztekischen Kaufleute und Krieger in das Küstenland hinabstiegen,
das Handelsmonopol mit den Totonaken, waren aber anscheinend nicht von dem Ehrgeiz erfüllt, diese auch politisch
zu beherrschen. Dreihundert Jahre, berichtet Camargo, hätten sie in Frieden und Eintracht mit ihren Nachbarn von
Tzauctlan, Iztacamaxtitlan, Zacatlan, Tetela und Tlatlauhquitepec im Norden, Tepeyacac, Teotitlan, Tecamachalco,
Tehuacan und Cozcatlan im Süden gelebt und dies gute Verhältnis zur Ausbreitung ihrer Handels- und Kolonisations-
tätigkeit nach den Ländern der atlantischen Küste benutzt; neben Yucatan und Tabasco, Coatzacoalco und Tuxtla
nennt der tlaxcaltekische Geschichtsschreiber als Hauptstapelplätze Cempoallan, Nauhtlan, Tonatiuhco,
Tozapan, Papantla, Achachalintlan, Metztitian und die Huaxteca, also fast dieselben Gegenden, die schon
das Ziel der Ausbreitungsbestrebungen der Teochichimeken von Huauchinango waren — vielleicht fallen beide in
der Überlieferung getrennten Kolonisationszüge in Wirklichkeit zusammen. Das gute Verhältnis zu den Nachbarn
hätte nun aber, fährt Camargo fort, ein Ende gehabt, als die Ausbreitung der aztekischen Macht unter Motecuhyoma I.
— er nennt fälschlich Ahuitzotl als Vorgänger Axayacatls — begann. Die Wegnahme zuerst der südlichen, dann auch
der nördlichen Grenzländer habe die Tlaxcalteken ganz von der Küste abgeschnitten und ihren Handel lahmgelegt,
um dessen Wiedereröffnung sie in einem siebzigjährigen erbitterten Kampf mit dem allmächtigen Tenochtitlan rangen.
In diesem von den Tlaxcalteken mit Heroismus geführten Krieg habe es das tapfere Volk gelernt, allmählich auf
alles zu verzichten, was bisher die Annehmlichkeit seines Lebens gebildet habe, auf Baumwolle und Federn, Gold
und Kakao, zuletzt sogar auf das Salz.76 — Die Richtigkeit dieser farbigen Schilderung wird durch die Beobachtungen
der spanischen Conquistadoren bewiesen; sie fanden den Freistaat von einem Wall aztekischer Garnisonen umgeben,
der sich zwischen Tlaxcala und die Küstenländer schob;77 aber trotz dieser langen Abschnürung lebte noch immer bei
den Totonaken von Cempoallan die dankbare Erinnerung an die alte Freundschaft mit Tlaxcala.
Es bedurfte dieser breit ausgesponnenen Erörterung der Tolteken- und Chichimekenfrage, um die historischen
Vorbedingungen einer unzweifelhaft von Naua-Völkern herrührenden Kulturschicht aufzudecken, die
im atlantischen Küstengebiet auftritt und ihrem altertümlichen Charakter nach sicher nicht erst von den Azteken
stammt, wenn es auch oft schwer ist, zu entscheiden, was der jüngeren und was der älteren Schicht angehört. Denn
naturgemäß haben sich die Elemente der beiden nahe verwandten Hochlandskulturen vielfach mit einander ver-
quickt. Die Azteken Werden meist an schon Vorhandenes angeknüpft haben, besonders wenn es ihrer eigenen Kultur
nahe stand. Laute einer verwandten Sprache schlugen überall an ihr Ohr, verwandte Sitten trafen sie allenthalben,
und in den Tempeln der Küstenebene verehrte man Götter, deren Ruhm auch ihre alten Sagen kündeten. So ist ihnen
auch die Eroberung und Mexikanisierung der Küstenländer so rasch und leicht gelungen, am leichtesten vielleicht im
südlichen Veracruz, wo die Provinz Cuetlaxtlan zu den sichersten Besitztümern der aztekischen Krone zählte und sich
bei einer oberflächlichen Betrachtung als eine fast rein mexikanische Kulturprovinz darstellt. Auch der ganze Süden
Totonacapans bis Misantla, der den Azteken zwar nicht untertan, aber tributpflichtig war, ist ein Gebiet sehr alter
Naua-Beeinflussung. Man hat hier meist an die Chichimeken, weniger an die Tolteken gedacht, und nach Strebeis
Vorgang hat Seler die Totonaken von Cempoallan geradezu als Mischvolk „aus einer einheimischen Urbevölkerung
und einem später zugewanderten, den Tlaxcalteken verwandten und befreundeten Erobererstamm, den sogenannten
Chichimeken , Cempoallan selbst als „die alte, von einem chichimekischen Bevölkerungselement gegründete#Haupt-
stadt des Totonakenlandes“ bezeichnet;78 im zweiten Abschnitt ist wiederholt darauf hingewiesen worden, daß das
starke Zurücktreten einer spezifischen, auf die Totonaken hindeutenden Eigenart in den Funden des südlichen Toto-
nacapan (im Gegensatz zum nördlichen) nur aus einer wiederholten Überflutung und Abschnürung dieses Gebietes
durch Naua-Invasionen zu erklären ist.
Unter den archäologischen Zeugnissen einer frühen Naua-Kultur steht der bereits erwähnte Fund einer
typischen Chacmool-Figur in Cempoallan obenan. Die aus Mörtelmasse (nicht aus Stein) gebildete Figur stand
einstmals ganz analog der im „Tempel des kleinen Göttertisches vonChich’en Itza noch in situ gefundenen Chacmool-
Figur auf der Höhe der Pyramide des „Fortin de las chinieneas ‘ vor dem eigentlichen Sakrarium, das Gesicht dem
Westen, dem Treppenaufgänge, zugekehrt; sie war aber zur Zeit der Eroberung durch die Spanier schon prähisto-
risch, denn sie fand sich nicht auf dem Steinpflaster der gegenwärtigen Plattform, sondern 2 m tiefer, in unmittel-
76 Camargo ]. I c. 7 (p. 69 sq.) und c. 12 (p. 105 sq.);
Torquemada 1. III c. 13 (I p. 268/9) und II c. 70-72 (I p.
197-203).
77 den aztekischen Grenzfestungen gegen Tlaxcala gehörten
auch die oben erwähnten Orte Tzauctlan oder Tzacuhtlan
(heute Zautla) und Iztacamaxtitlan, beide in einem lang-
gestreckten Tal gelegen, durch das die wichtige Straße Teciuh-
tlan-Kauhtla führt. Sie wurden von Cortes auf seinem Zuge
ms Innere besucht und erscheinen in den spanischen Berichten
als (/aclotan (oder Qocotlan) und Iztacmastit»11 (ot^ei Ktacmix-
tlitan), das Tal unter dem Namen Caltanm1 0<'01 atimi ( ?).
Cortes II. Carta p. 58/9, Gömara Cr°n• c' ^ (P* 48). Vgl.
1. Abschnitt, Anm. 34.
78 Seler G. A. I p. 158, V p. 267. caSe&eu abzulehnen,
wenn Spinden (Anc. Civil, p- 153) clie Kunst von Cempoallan
ebenso wie die Fresken von Mitla (ib. p, 14g) erst auf
aztekische Einflüsse zurückführt.
MH
DIE TOTONAKEN
43
barei Verbindung mit einer älteren Plattform, die früher einmal den Abschluß der damals 21j2 m niedrigeren Pvram'd
gebildet hatte.79 Das entspricht auch den geschichtlichen Verhältnissen, denn nach der Überlieferung geht das tolt
kische Reich clern^ chichimekischen voraus. Im großen und ganzen sind wohl die Bauten Cempoallans der jüngeren
chichimekischen Zeit zuzurechnen; wir haben dabei an eine Kultur zu denken, die ihre charakteristische A *
prägung in 4 laxcala und vor allem in Cholula, Teotitlan del Camino, in der Mixteca und der Provinz Cotastla erlebt
und als eine späte Nachblüte der toltekischen Kultur angesehen werden darf (s. o.); die schönsten Zeugnisse dieser
Kultur, die Bilderschriften des Codex Borgia- und Codex Vindobonensis-Typus, zeigen in der Tat in ihren Darstellungen
manches, was dem Stil derBauten von Cempoallan verwandt ist. Hier ist vor allem die Zinnenverzierung der Tempeb
Plattformen und Wallanlagen (auch an der Pyramide von Puente Nacional und den Bauten von Jico Viejo) die
typisch für die Tempeldarstellungen der Vindobonensis-Codices ist, hervorzuheben, denn sie fehlte anscheinend den
Tempelbauten der späteren aztekischenZeit. Auch die niedrigen, mit Stufen versehenen Plattformen und runden
zinnenbesetzten Mauerkränze vor den Tempelpyramiden lassen sich in diesen Codices belegen, während die vor keinem
Tempel späterer aztekischer Zeit fehlenden Aufbauten teotlachtli (Götterballspielplatz) undtzompantli (Schädelgerüst)
in Cempoallan nicht nachzuweisen waren (s. oben S. 11). Seler hat auch darauf aufmerksam gemacht daß
die besondere Form der Mondhieroglyphe am Sternhimmelfries des „Fortin de las caritas“, der an sich auch
ein spätmexikanisches Element sein könnte, nur in den Codices Vindobonensis und Nuttall wiederkehrt._____Als Be
Sonderheiten der Bauten von Cempoallan, die bisher noch nicht an bestimmte Vorbilder des Hochlandsgebietes
anzuknüpfen waren, die aber jedenfalls nicht der jüngsten, aztekischen Schicht eigen sind, müssen die rechteckigen
Einfriedigungen vor den Tempelpyramiden (auch aus der Misantla-Gegend belegt) und die aus einem recht-
eckigen und einem runden Baukörper bestehenden Pyramiden, zu denen auch Puente Nacional gehört
bezeichnet werden; letztere stellen vielleicht die Form dar, die die (auch sonst runden) Quetzalcouatl-Tempel in
der spättoltekischenZeit besaßen. Das Sakrarium auf der Pyramide des Fortin de las caritas, das in Gestalt
einer niedrigen Mauer bis an den Rand der Plattform vorgeschoben ist und sich nach der Treppe zu in voller Breite
öffnet, so daß eigentlich die ganze Plattform in das Sakrarium einbezogen ist, erinnert an die Form der Sakrarien
von Xochicalco und Tepoztlan im Staate Morelos, während die Sakrarien der aztekischen Tempelpyramiden schmale
hochstrebende Gebäude (daher torres „Türme von den Spaniern genannt) waren, die sich auf dem hinteren Teil
der Plattform, oft zu mehreren neben einander, erhoben. Die beiden erwähnten Pyramidentempel liegen im Gel ' \
der Tlalhuica, eines in altvaterischen Sitten lebenden Naua-Volkes. Tepoztlan ist wohl jüngeren Ursprungs NocK
calco aber besitzt in seinen archaischen, strenghmgen Reliefen eine unverkennbare Verwandtschaft mit dem Kunst
stil von Tula und Chich’en Itza.80
Die schräg ansteigenden Wände dei Pyramidenabsätze teilt Cempoallan mit dem ganzen übrigen nordmexika
nischen Gebiet, dagegen sind auffälligerweise für die Pyramiden der Misantla-Gegend senkrechte Wände charakte"
ristisch. Das Auftreten solcher Varianten ist sicher nicht immer auf provinzielle Unterschiede zurückzuführe
sondern auch auf zeitliche, d. h. auf eine Aufeinanderfolge verschiedener Wellen der alten Naua-Kultur. Eine b^
sonders stark ausgeprägte Eigenart behauptet die Cerro-Montoso-Keramik innerhalb dieser Kultur Nachd
sie schon Strebei in seinen früheren Arbeiten als ein Erzeugnis der chichimekischen Herrenschicht der Tot °
richtig erkannt hatte,81 können wir jetzt sagen, daß sie eine ausgesprochene Verwandtschaft mit der Keramil^ ^
Cholula besitzt, ja geradezu als ein Ableger dieser zu betrachten ist. Die sorgfältige, saubere Arbeit der Gefäße 'd U
fein geschlämmte Ton, die mineralischen Auftragfarben, vor allem ein Dunkelblutrot (Eisenoxyd) und einV^
freies Weiß, sind auch für die Cholula-Keramik typisch. Besonders häufen sich die Parallelen wenn man d^
formen und -Verzierungen betrachtet. Gefäßfüße in Form von Tierköpfen und Menschengesichtem mit verlär r
Kinnteil, seltsam stilisierte Ornamente in Gestalt von Feuerflammen und Rauchwolken, Federn und Tierköpfen^reten
bedeutet. Später ist er übrigens von der Geringschätzung a
Chichimeken abgekommen: Nach „Altmexiko“ II „ . ro/!
stellen die Funde von Cerro Montoso>die Kultur der ein ^
“ Oiichimeken („Archäol. Etlm/l mL« “
Teochichimeken) dar, die in 3-400 Jahren die eiubm •' i ’
Kultur vollkommen —Wngten, bis auf eZnZlZT
bietsteil, wo sie sich behauptete (Ranchito de 1 \ •
Kultur). In der Misantla-Kultur, di“ ausg“^
ethnische Eigenart besitzt, „mögen Überreste toRnfv T*
Ef,rf n ”°fh "«neu aufgeswungtÜ .
«■halten haben.“ In den „Tierornamenten aut lon&mZ
und den „Ornamenten aut Tongetäßen“ hat dann Strebe!
seine Ansichten, wie ich glaube, mit wenig Glück dl■ ,1
geändert, daß er in der C. M.-Kultur die Ege„art der T t
naken und nur in den weniger charakteristischen Gr,
(Misantla. Atotonilco) die Eigenart der Chichimeken verfc-PPe“
sieht; dagegen ist ihm zuzustimmen, wenn er die R. A °TVert
der alten Bevölkerung von Cuetlaxtlan zuweist (vsl
pitel). Vgl. die Kritik Selers im Intern. Arch. f. Ethn II n qqq'i
p. 286-288. (i889)
79 Seler G. A. V p. 144, 153/4.
so Seler G. A. II P- 132/3 und 206; vgl. auch p. 160/1 (überdie
Ui 'cal Ibid. p. 158/60 weist Seler auf die Verwandtschaft
R j^epefe von Xochicalco mit gewissen archaischen Monu-
‘ 01 les Hochlandes, u. a. auch von Tula, hin. Auch Leb-
-- TwZentral-Amerika II p. 839/40 u. 1086; Altmex. Kunst-
mschichte p. 17t 18) und Spinden (Anc. Civil, p. 158/9 und 156)
Sen Xochicalco als „toltekisch“ an, wobei Spinden richtig den
A ehaismus der Reliefe hervorhebt und die Ruine deshalb in
t iiUo Periode versetzt, während Lehmann merk-
eine sem n uii ... . . (£
d Verweise gerade Xochicalco einer „toltekisch-aztekischen
Übergangszeit zuweist. Übrigens sagt schon Sahagün, daß
die Ruinen von Xochicalco ebenso wie die von Tollan und
Tollantzinco sehr hohes Alter besäßen (Seler G. A. II p. 160).
bi In seinem „Altmexiko“ I P- U steht Strebel noch auf dem
Standpunkt, die Chichimeken hatten ihrer niedrigen Kultur
wegen und auch, weil sie nicht als Eroberer auftraten, die Eigenart
der Totonaken nicht entfernt so nachhalt ig beeinflussen können,
wie die Azteken, die selbst eine ausgebildete Kultur besaßen
und sie den Besiegten aufzwangen. Er übersieht hier, daß
„Chichimeken“ in diesen Sagen nicht ohne weiteres Barbaren
44
WALTER KRICKEBERG
hier wie dort in nahezu identischen Formen auf.82 Der Reichtum der Cerro Montoso-Kultur an stilisierten Tierdar-
stellungen ist allerdings noch größer als der der Cholula-Keramik. Schon Strebei hat hervorgehoben, daß diese
Kultur unter den neuen Lebensbedingungen in der berauschenden Farben- und Formenftille der tropischen Länder
eine Entfaltung erlebte, der gegenüber z. B. die verwandten Kulturen am Gebirgsabhang fast dürftig erscheinen.
Die Cerro Montoso-Keramik ist nur stellenweise vergesellschaftet mit Steinjochen und Palmas, rohen Steinköpfen
und Hockerfiguren, die die Eigenart der alteingesessenen Bevölkerung verkörpern und sich deshalb auch da noch
finden, wo (wie in Misantla einerseits, Atotonilco-Quimistlan andrerseits) die Cerro Montoso-Ware nur noch durch
abgeschwächte, weniger typische Beispiele vertreten ist.83 Einen Beweis endlich dafür, daß die Cerro Montoso-Leute
auch manches totonakische Kulturelement übernommen haben, sieht Strebei in dem Überwiegen der Leichenbestattung
— nur in der Jalapa-Gegend (Soncuautla) tritt Leichenbrand neben Leichenbestattung auf — und in der Verwendung
von Muschel- und Schneckenschalen zu Schmuckgegenständen im Bereiche dieser Kultur.84
Einen südlichen Ausläufer der Cerro Montoso-Kultur birgt die Isla de Sacrificios. Nicht nur fanden sich auf
dem Steingeröll, das das Aufschüttungsmaterial der alten Tempelterrasse bildete, eine Menge Scherben, fast ausschließ-
lich vom Cerro Montoso-Typus, sondern auch die vollständigen Gefäße, die man bei Ausgrabungen auf der Insel ge-
borgen hat und die jetzt die Sammlungen von México und London zieren, sind typische Gefäße dieser Kultur. Mit
einigen Ausnahmen allerdings: Ein paar Gefäße vom Huaxteca-Typus, ein Gefäß, das wohl der Colina a-
Kultur zuzuweisen ist, ein typisches Räuchergefäß aus der Mixteca alta, einige der weit verbreiteten Töpfe
mit metallisch glänzender Politur, deren Fabrikationszentrum vielleicht in Chiapas oder Guatemala lag,
und hohe zylindrische Becher mit abgesetztem, leicht geschweiftem Fuß und eingeritzten oder reliefartig herausgear-
beiteten figürlichen Darstellungen in einem quadratischen Feld, die nach Yucatan weisen, sind neben der Cerro
Montoso-Ware noch auf der Insel gefunden worden. Dazu kommt ein großer Teil, wohl die Mehrzahl, aller aus México
bisher bekannt gewordenen Beispiele jener prachtvoll gearbeiteten Gefäße aus alabasterähnlichem, durch-
scheinendem Aragonit (Tecali nach dem Fundort im Staat Puebla genannt); ein Gefäß dieser Art gruben schon
die Soldaten Grijalvas auf der Insel aus. Alles das sind besonders schöne, erlesene Stücke, und es liegt nahe, hier
an Weihgeschenke zu denken, die von weither kamen. Der Radius des Kreises, der die auf Sacrificios vertretenen
Kulturen umschreibt, ist außerordentlich groß, so daß die Bedeutung der kleinen Insel im religiösen Leben Altméxicos
in das hellste Licht gerückt wird. Durch eine ausgezeichnete Arbeit Zelia Nuttalls, die zum ersten Mal auch die
Ruinen und Altertümer der Insel vollständig beschrieb, wissen wir, daß die Gottheit, die hier verehrt wurde, Quetzal-
couatl war, der Gott in der Verkleidung der Federschlange. Von einem runden Tempel, der überall in México
dem Quetzalcouatl-Kult diente, sprechen die ersten spanischen Besucher der Insel, und an dem letzten Stück Mauer,
das von diesem Tempel noch steht, hat Zelia Nuttall noch den Rest einer Federschlangendarstellung auf der Stuck-
schicht erkennen können.85 Daß der Gott hier, inChalchiccueyécan — so nannte man in alter Zeit diese Küsten-
gegend86 —, besondere Verehrung genoß, nimmt nicht Wunder, denn die südlichen Küstenstriche waren ja altes
Toltekenland; und daß unter den Weihgaben fast alle Länder vertreten sind, deren Bevölkerung in irgend einer Weise
in Beziehung zu den Tolteken stand, ist bei der großen Verbreitung des Quetzalcouatl-Kults (vgl. Anm 55)
begreiflich. Für uns ist hier von besonderer Bedeutung, daß auch die Cerro Montoso-Leute, also das chichimekische
Bevölkerungselement des südlichen Totonacapan, den Gott verehrten. Die runden Tempel von Cempoallan und
Puente Nacional und die Nachrichten des Las Gasas über den Erlösergott der Totonaken, der in der Götterdreiheit
zugleich den Morgenstern (wie Quetzalcouatl) vertrat, verdienen in Verbindung damit besondere Beachtung. Auch
die beiden Reliefe von Huilocintla zeigen einen sich kasteienden Gott mit Trachtabzeichen Quetzalcouatls.87 In
den Toltekensagen ist in der Tat Quetzalcouatl stets der Erfinder der priesterlichen Bußübungen, der erste, der sich
kasteit hat. Die besonders übertriebene Form der Kasteiung bei den alten Totonaken dürfen wir daher vielleicht als
toltekischen Kultbrauch in Anspruch nehmen. Kasteiungen mittels Durchziehen von Dornenstöcken oder einzelnen,
82 Seler G. A. II p. 294 — 302 (Abb. 6—18, Haupttypen der
Cholula-Ware) und 3P7. III p. 538, V p. 534.
83 Mitten in der Misantla-Gegend, die sonst nur minderwertige
Tonerzeugnisse aufweist, liegt eine Enklave von absoluter Cerro
Montoso-Eigenart (Chalagüite), die gute Beispiele der er-
wähnten Steinaltertümer geliefert hat. Strebei, Altmexiko II
p. 64. — Die Son cuautla-Funde zeigen in den keramischen
Erzeugnissen C. M.-Typen, allerdings meist solche einfacherer
Art, mit „diskreter Farbenkombination.“ Von derselben Art
sind auch die Tonsachen von Atotonilco, einem Fundort,
der besonders ergiebig an Steinfiguren teils von rohem, teils
von fortgeschrittenem Typus war. Ibid. p. 93, 149.
84 Strebei, Altmexiko II p. 145/7, 153/4.
85 Z. Nuttall, The Island of Sacrificios, im Amer. Anthrop. N.
Xll, 2 (1910) p. 257 — 295. Außerdem Brantz Mayer,
Mexico asit was andas it is,p. 93 —96; Waldeck,Monuments
anciens du Mexique (Atlas) PI. XLIX; Seler G. A. V p. 142,
322; Guide to the Amer. Antiqu. in the Brit. Museum p. 29. —
Zu den von Br. Mayer und Waldeck abgebildeten Vasen vgl.
die huaxtekischen „Melonenkrüge“ (Seler G. A. II p. 327),
zu Nuttall PL XI N0, 957 eine Vase der Berliner Yucatan-
Sammlung (IV Ca 5298); Guide p. 29 d gehört zu dem Typus,
denHamy in der Gal. Amer. duTrocadero I PI. XXVII N0. 85
beschrieben hat (Gefäß aus Tikul, Yucatan). Tecali-Gefäße
ähnlicher, wenn auch einfacherer Form sind sonst noch in den
Gegenden am Gebirgsabhang (Atotonilco-Quimistlan), ferner
in Ranchito de las Animas gefunden und von Strebei, Alt-
mexiko II p. ne und Taf. XXIX 1, 3 und 7 und Lehmann,
Ergehn. u. Aufgaben Taf. VIII, 4 und 5 beschrieben worden
(jetzt im Berliner Museum). Der Bericht über den Fund eines
lecali-Gefäßes auf Sacrificios durch die Spanier L 4- lei8 steht
hei P. Martyr, De Insulis p. 13 und i. It*n' c^e Grisalva
p. 298; Gömara Crön. c. 6 (p. 5) erwähnt es in der Liste der
Geschenke, die Grijalva von den In<hanel r' erhielt. H eiteres
über ’lecali-Gefäße bei Lehmann, Ergehn, (inm lorschungs-
reisep. 738/9 undAltmex. Kunstgesch. P- 24 (zu Taf. 19), über
Gefäße mit metallisch glänzender Politur bei Seler G, A. V
p. 557—585.
86 Seler G. A. III p. 48.
87 Seler G. A. III p. 516-521.
DIE TOTONAKEN
45
, . . T , . , ~ ap Hlacoquixtiliztli, ?acaquixtiliztli), wie wir sie bei den
an Schnüren befestigten Stäbchen durch ein Loch m e ?rKxc£ja und in den westlichen Mayaländern verbreitet;
Totonaken belegen können, waren außerdem hauptsac ic q sowohl als auch aus Yucatan und Nicaragua
aus dem Gebiet von Tehuacan, Cozcatlan und iw i an iedenfalls auch die in Totonacapan nach spanischen
hören wir auch von Kasteiungen an den Geschlechtstei e , 88 Tlaxcala und Tehuacan sind ebensogut altes
Berichten geübte „Beschneidung“ der Kinder zuruc zu u * anem in Yucatan) läßt sich, wie wir sahen, der
Toltekenland, wie die atlantische Küste, und in den Mayalai
„toltekische“ Einfluß sogar archäologisch nachweisen. ^ Totonaken in ihrer besonderen Ausbildung als
Noch näher liegt es, Bilderschrift und Kalen Gebiet von Cuetlaxtlan war aller Wahrscheinlichkeit nach
alte Naua-Elemente zu betrachten. Denn das benac ^r ^ Codex Yindobonensis ist — es ist sogar wahrschein-
die Heimat jener Gruppe von Bilderschriften, deren r Yverwandte Codex Nuttall aus dem südlichen Totonacapan
lieh, daß der Codex Yindobonensis selbst und den der totonakischen Kultur manche Parallele geliefert
stammen —, Bilderschriften, die uns bei der ®^mmeilhang> daß auch die Totonaken Kalenderdaten als
haben. Am überzeugendsten spricht für den nTlpTiqis. Gruppe, und eine 81-jährige Schaltperiode kannten,
Namen gebrauchten, wie alle Codices der m o
die der 82-jährigen im Codex Nuttall entspne _ zwischen der totonakischen und der älteren Hochlands-
Was die alten Nachrichten sonst noch an ^ anzureihen. Ich erwähne das Stadtkönigtum und die
kultur ergeben, ist wenig und nur unter Vor e ^ 0rganisation der Hochlandsvölker vor dem Empor-
Städtebünde der südlichen Totonaken, cue ^ n Lippenscheiben, die für die älteren Hochlands-
kommen der aztekischen Großmacht ermn ^ ^ denn die Azteken trugen nur kleine Pflöcke (tentetl) und
Völker (Tarasken) eher typisch waren als f 1* ^ Begtandteil der Königstracht.89 Die Götterdreiheit der
kannten die Lippenscheibe (temalacatentet L ^ Azteken wieder> sondern bei den heutigen Cora, einem Pima-
Totonaken fanden wir in typischer ™ Elemente aus altchichimekischer Zeit bewahrt hat.
stamm, dessen Kultur wohl n0^..~hen und ethnographischen Tatsachen !st uns manche bemerkenswerte Uber-
In den bisher erwähnten archäologischa und den angrenzenden Küstenstrichen (Cotastla usw.) einerseits
einstimmung zwischen dem andrerseits entgegengetreten: hier wie dort
und den Gebieten südlich von von Xochicalco, herrliche polychrome Gefäße der sog Chohiia-Keramik ,
Tempel sakrarien vom Typus der 0 ^ Mitla erscheint der Gott an hervorragender Stelle) Kasteiungsriten
Quetzalcouatl-Kult (auch auf Stikj eine blübende Mosaikkunst Kalenderdaten als Namen
von besonders rigoroser Form “c ^ der guten alten Tradition (vgl. Anm. 61) mit gleicher
,v„i Raßler-Archiv VII, S. «/’)• sich wohi am besten diese Übereinstimmungen erklären. Es hegt
Bestimmtheit als «ensit- meinet Arbeit berührte, auffällige Parallelen zachen den
nahe, aueh noch einige “nnaken- und des Mixteko-Tzapotekengebietes auf Rechnung der glereh-
archäologischen Funden des * °‘°i" beider Völker zu setzen, denn beide lagen ja den Brennpunkten spattoltekisoher
mäßigen „toltekisohen“ Beeinfluß .gb ^ steinernen Hockerfiguren der südtotonakischen Fundplatze, denen
Kultur verhältnismäßig nahe, len ® Hockerfigürchen aus Quarzit, Silikat oder Jadeit, die typisch für die
die kleinen, als Schmuokanhanger ! ^ aueh Xoohipiui, der Gott mit dem Scheitelfederkamm, der durch
Mixteca sind, stilistisch entsprechen, vl ^ .fchen Grun<je in beiden Gebieten so häufig anzutreffen. Für
ähnliche Hockerfiguren’diese Gebiete ebenfalls die Hauptfundstätten innerhalb Mexicos. Zugewissen
kupferne und bronzene llacha ßl iden Cempoallans, ließen sich Parallelen in tzapotekischen Ruinen-
sakralen B»UYban Quiengola) aufweisen, und auch einer der beiden Typen von Räueherschalen aus Cerro
Stätten (Monte Alban, yu g wieder Am auffälligsten ist die bis zur Identität gehende Übereinstimmung
Montoso kehrt «üteapot n und Schmuokplatten aus Totonacapan einerseits, dem Tzapoteken-
von kupfernen um g . aQch daran eriimert, daß die beiden einzigen Bilderschriften, die Darstellungen des
gebiet andrerseits^-E TotonaUen beliebten „Juego del Volador“ enthalten, aus dem cuicatekisehen Gebiet
beute vor allem bei eie ^ bei den Nioarao bekannt war, einem Nauastamm toltekiseher Kultur,
stammen und “ Y,tor einst aus der Gegend von „Ticomega e Maguatega“, d.i.Tecoman und Miahuatlan im süd-
der df“f von Cholula, nach Mittelamerika gewandert war.»
flehen bim v . f i Oviedol XLII nach der Hauptstadt gekommen.
a 1ornB.IP163 (Tehuacan um uemau), ' .., so Die Tarasken nannte man cama-coyauac „der im Munde ein
be TV n 98 (Nicaragua). Zu dem Bericht des ms OTnßfls T.ooh hat“ weeen ihrer großen Lippenscheiben. Seler
b. 1L IV P* 9Ährende Kasteiung der Totonaken vgl.
XV p. 98 (Nicaragua;, ------------
° • ' „eimäßig wiederkehrende Kasteiung der Totonaken vgl.
Torquemada 1. X c. 31 (III p. 289) und Gömara Crön. c. 222
232 so ) über die Selbstpeinigung der Tlaxcalteken am Fest
Camaxtlis bei der man 405 Stäbe durch Löcher in der Zunge
zog Es wäre allerdings auch möglich, daß diese Kasteiungs-
riten auf Einflüsse der Maya zuruckgmgen, die schon im „alten
Reich“ (also vor 610 p. C. nach S. G. Morley) diesen Kult-
gehrauch übten (vgl. z. B. die bekannte Reliefplatte von Menche
i. Guide to the Amer. Antiqu. in the Bnt. Mus. p. 7). Die
im 2. Abschnitt (Kap. 5) bei der Besprechung der Kasteiungs-
riten erwähnte Kasteiung der Mexikaner am Fest der Ixcui-
nanme ist wohl erst mit dem Tla ^olte o tl -Kult (vgl. Kap. 4)
großes Loch hat“ wegen ihrer großen Lippenscheiben. Seler
G A. III p- 87. — Temalacatentetl: Seler G. A. II p. 541.
90 Belege für die meisten hier erwähnten Tatsachen s. im Bäßler-
Archiv VII p. 36 (Hockerfiguren), 36 n. 106 (Ringe und Schmuck-
platten), 41 n. 130 (Kupferäxte), 52/3 (Juego del Volador) und
oben p! 10 (sakrale Bauwerke) und 15 (Räucherschalen).
Zu den mixtekischen Hockerfigürchen cf. Seler G. A. IV
369/70, zu den Xochipilli-Darstellungen Id., G. A. II p. 317
und zu den Quetzalcouatl-Fresken von Mitla Id., Mitla p. 44 sq.
Über das Juego del Volador der Nicarao cf. Oviedo 1. XLII
o. 11 (IV p. 93/4) und Lam. 5a. - Vgl. auch „Nachträge“
zu Bässler-Archiv VII p. 47 (Nagualismus).
46
WALTER KRICKEBERG
3. Olmeken und Teotihuacan-Kultur.
Im Dunkel des Mythus verliert sich alles, was die einheimische Tradition von den Zeiten vor den ältesten Naua-
Einfallen zu erzählen weiß. Die Geschichte des Totonakenreichs von Mizquihuacan ist halbmythisch. Wollte
man selbst den neun Herrschern, die Torquemada unter Beigabe einiger weniger geschichtlicher Notizen aufzählt,
historische Realität zugestehen, so würde auch das nicht viel weiter führen, denn der Schauplatz, auf dem sich die
Ereignisse abspielen, ist, wie schon im zweiten Abschnitt (Kap. 4) hervorgehoben wurde, nur klein. Die mit dem
Anspruch, die Geschichte eines Volkes zu sein, auf tretende Erzählung gibt offenbar nur die Lokaltradition eines
der vielen kleinen Stämme wieder, in die die Totonaken wie andere mexikanische Völker zerfielen, und das ,,Reich“
von Mizquihuacan schrumpft vor der kritischen Betrachtung zu einem bedeutungslosen Stadtkönigtum zusammen.91
In demselben Kapitel bemerkt Torquemada einleitend, die Totonaken seien gemeinschaftlich mit den Xal-
paneken aus der mythischen Urheimat Chicomoztoc (,,den sieben Höhlen“) ausgezogen, und zwar noch vor den Chi-
chimeken; ihre erste Niederlassung hätten sie in Teotihuacan gehabt, wo sie nach ihrer ausdrücklichen Versicherung
die beiden großen Pyramiden der Sonne und des Mondes erbaut hätten. Erst dann seien sie nach Atenamitic, dem
heutigen Zacatlan, gekommen, und weiterhin nach Mizquihuacan. Die Xalpaneken seien in Sprache und Sitten ihnen
gleich gewesen, und jede der beiden Nationen habe ursprünglich 10 Sippen (parcialidades ó familias) gezählt.92— Auch
diejenigen unter den mexikanischen Ursprungssagen, die einen weiteren Gesichtskreis haben und sich anscheinend
bemühen, die vielfach zersplitterten mexikanischen Völker auf einen einheitlichen Ursprung zurückzuführen, nennen
die Totonaken unter den Stämmen, die aus den ,,sieben Höhlen“ hervorkamen. Der Codex Vaticanus A erwähnt
neben ihnen:
1. und 2. Chichimexi und Nonoalca,d. h., wenn wir für Nonoalca Tolteca einsetzen (Anm. 65), die jüngeren
und älteren Naua-Völker des Hochlandes;
3. Michiuacca (Michuäque), d. h. die Tarasken;
4. Couixca, d. h. die an die Mixteken und Tzapoteken grenzenden und von diesen mannigfach beeinflußten Naua-
Stämme der heißen Täler, die vom Hochlandsrand nach Süden ziehen (vielleicht sind auch die Mixteken und Tzapoteken
selbst mit darunter verstanden);
5. Cuexteca, d. h. die Huaxteken;
6. Olmeca Xicalanga, d. h. die Bevölkerung der südlichen Golfküste bis nach Tabasco hin.
Auch die Völkertafel, die das azteklsche Sahagün-Manuskript der Academia de la Historia zu Madrid enthält,
vergißt die Totonaken nicht; sie werden an letzter Stelle neben den folgenden Stämmen aufgeführt:
1. Tecpil oder Aculvaca Chichimeca, d. h. die Chichimeken im engeren Sinn, von denen sich das spätere
Königsgeschlecht von Tetzcoco herleitete;
2. Colhuaca Chichimeca, d. h. die Leute von Colhuacan, die ja, wie wir sahen, toltekischer Abstammung
waren;
3. Otontlaca, d. h. die Otomi;
4. Mexica Chichimeca, d. h. die Azteken;
5. Cuexteca Chichimeca, d. h. die Huaxteken;
6. Tenime Chichimeca, d. h. die „Fremdsprachlichen.“93
Damit ist unser Quellenmaterial über die Urgeschichte der Totonaken erschöpft. Reicher fließen die Quellen über
die Olmeken, die ebenfalls für unsere abschließende Betrachtung von Wichtigkeit sind. Sie werden an der zuletzt
zitierten Sahagün-Stelle nicht erwähnt, sind aber anscheinend mit den Tenime gemeint, denn in seinem ethnogra-
phischen Kapitel sagt Sahagün von ihnen: „Sie heißen Tenime deshalb, weil sie Popoloca sind (d. h. eine unver-
ständliche Sprache reden); viele von ihnen sprechen Nauatl.“ Da sie zur Zeit, als der Pater schrieb, in den südlichen
Strichen des Staates Veracruz und in Tabasco lokalisiert wurden, fragt es sich, was für eine fremde Sprache sie eigent-
lich redeten, da doch in dem betreffenden Gebiet zur Zeit der spanischen Eroberung in der Hauptsache mexikanisch
und Maya gesprochen wurde. Tenis, d. h. Tenime, nannten die spanischen Eroberer das sprachlich isolierte Volk
der Chinanteken am oberen Papaloapan, die Berendt tatsächlich für die Nachkommen der Olmeken gehalten hat —
eine Ansicht, die wenige Anhänger gefunden hat und auch unwahrscheinlich ist, da man doch zunächst einmal irgend
welche Anhaltspunkte für eine ehemalige größere Ausbreitung der Chinanteken besitzen müßte.94 Popoluca heißen
die Bewohner einiger Dörfer des Kantons Acayucan westlich vom Coatzacoalco, deren Sprache schon in einer Relación
91 Torquemada 1. III c- 18 (I p. 278 — 281). Alle in dieser Tra-
dition erwähnten Örtlichkeiten liegen, wie schon früher be-
merkt, dicht beieinander. Tecpan Quimichtlan, das mit dem
Herrscher von Mizquihuacan Krieg führt, wird von Tzauc-
üa und Iztacamaxtitlan unterstützt, liegt also auch nicht weit
v°n Zacatlan. Das Quimichtlan am Fuße des Cofre de Perote
kann hier nicht gemeint sein, ebensowenig wie das Quimichtepec,
das unter den von Motecuhyoma II. eroberten Orten mehrfach,
z> B. im Codex Mendoza, Telleriano-Remensis und in
den An. de Quauhtitlan, erwähnt wird.
Daß unter den Xalpaneca vielleicht die diesen nördlichen
Totonaken benachbarten und nahe verwandten Tepehua zu
verstehen sind, ist im 2. Abschnitt (Kap. 4) bemerkt worden.
93 *“'• Vaticanus A fol. 66 verso. Seler G. A- H P' 1619. Hierzu
auch Lehmann, Zentral-Amerika II p- 98Ö/6 u. Seler-Festschr,
p. 305/6 u. 307 n. 1.
94 Cortes II. Carta p. 93 und G6m»ra Oron. c.90 (p. 91) sagen
Tenis bzw. Tenich, B. Diaz c. 103 (I P- -’37/8) an der Parallel-
stelle Chinanteca. In seinem 3. BGef (p.204) spricht Cortes
selbst von 7 Städten der ,,Tenez , unter denen Chinanta der
Hauptort ist. — Berendt bei Bi inton, Amer. Race p. 144.
47
DIE TOTONAKEN
von 1580 als „die Sprache der Provinz Guazacualco“ neben dem Mexikanischen erwähnt wird. Sie war nach Villa
Señor y Sánchez um die Mitte des 18. Jahrhunderts noch bis in die Jurisdiktion von Cozamaloapan (am Papaloamn)
verbreitet und ist durch Berendt und Baker als ein vom Hauptstamm abgesprengter Dialekt des Mixe (einer d
Hauptsprachen des Isthmus von Tehuantepec) erkannt worden.95 Vom geographischen Standpunkt aus könnte
berechtigt erscheinen, die Olmeken mit diesen Popoluca zu verknüpfen, doch darf nicht vergessen werden, daß Teninp8
Popoluca und ähnliche Ausdrücke im Mexikanischen einfach „Fremdsprachliche Leute“ bedeuteten96 und auf sprach'
lieh und ethnographisch sehr verschiedenartige Völker übertragen wurden; z. B. werden auch die Totonaken einmal
bei Sahagün Popoluca, die Tlappaneken Tenimé genannt. Also kann der mexikanische Gewährsmann Sahagúns
noch eine ganz andere Sprache im Auge gehabt haben, als er die Olmeken Tenimé und Popoluca nannte. Wir werden
weiter unten sehen, daß eine solche Möglichkeit in der Tat vorliegt.
In späterer Zeit bezog man, wie gesagt, sowohl bei den Mexikanern als auch bei den Maya die Begriffe Olman und
Olmeca auf den südlichen Abschnitt der Golfküste, der von der Provinz Cuetlaxtlan bis nach Tabasco reichte
Olman leitet sich von dem aztekischen Wort für Kautschuk (olli) ab, bezeichnet also eine tropische Gebend wo
olli, das zum Weihrauch dienende Harz, vorkommt. Daß die südliche Golfküste in alter Zeit mit Recht ein l and
des Kautschuks“ genannt werden konnte, beweisen das ethnographische Kapitel Sahagúns, das Kautschuk unter den
Haupterzeugnissen des Olmekenlandes aufzählt, das Popol Vuh, das dem Weihrauch von Mixtlan (= Mistequilla im
südlichen Veracruz) den Vorzug gibt, und die Tributliste des Codex Mendoza, die einzig und allein unter den Tributen
der Gruppe Tochtepec, d. h. der Orte des Papaloapan-Gebiets, Kautschuk in Form von Bällen, wie sie zum Balls üel
gebraucht wurden, nennt; 16000 wurden jährlich von dort nach México geliefert (nach Ixtlilxochitl allerdings nur 200)
Quetzalcouatl-K’ucumatz heißt daher im Popol Vuh als Gott der Golfküste nicht nur ah toltecat „der Tolteke“
sondern auch ah k’ol „der Herr des Kautschuks“, d. h. der Olmeke, eine Gleichsetzung, die auch sonst vorkommt'
heißen doch die Olmeken bei Sahagún geradezu „zurückgebliebene Teile der Tolteken“ und Söhne Quetzalcouatls’
Neben der Umschreibung (k’ol) kommt auch der Name Olman selbst in den Mayasagen vor, und zwar in den Formen
Tapen Oloman und Tepeu Oliman, die auf das mexikanische Tlapco Olman „Olman im Osten“ bzw. Tepeuh Olman
„der Eroberer Olman“ zurückgehen; Name und Verlegung in den Osten beweisen, daß diese Traditionen aus mexh
kanischer Quelle stammen, wie denn überhaupt in den Qu iche- und Cakchiquel-Sagen vieles nur vom mexikanische
Standpunkt aus verständlich ist. Nach den Cakchiquel-Annalen kommen die Stämme auf ihrer Wander
aus der im Westen gelegenen Urheimat über 4 eoyacuancu, Meahauh und Valval xuexue (mexikanische Na o
nach Tapcu Oloman im Osten, wo sich ihnen die Ah Nonovalcat, Ah Xulpiti feindlich entgegenstellen diT^11
Rande des Meeres und auf Booten leben.“ Diese werden besiegt, und auf den Booten der Ah Nonovalcat fahre”1
die Stämme nach dem weiter im Osten gelegenen Lande der Ah Zuiva, vor deren Zauberkünsten sie aber wieder
nach Tapcu Oloman zurück weichen. Hier erhalten sie ihre Götter und ziehen dann weiter nach ihren später
Wohnsitzen. Das Popol Vuh der Qu’iche versetzt uns in die Zeit, da die Stämme bereits ihre späteren Wohn 6
eingenommen haben. Nach einer langen Periode der Dunkelheit ist die Sonne endlich erschienen; die St" ^ ^
begrüßen sie dankbar mit Opfern, gedenken dann aber mit Wehmut der Nationen, mit denen sie einst zus
lebten, und die im Osten, woher siegekommen, zurückgeblieben waren; nämlich der Yaqui vinak, d. h der ^1S^mmen
und der Chah-car vinak xqui canah chila relebel k’ih Tepeu Oliman qui bi, d. h. der „Ballspieler und Fischer° rp ^
dort im Sonnenaufgang zurückließen; Tepeu Oliman werden sie genannt.“97 ’ c le sie
Nach diesen Berichten decken sich also die folgenden geographischen und ethnographischen Begriffe •
Tapcu Oloman = Tepeu Oliman = Land der Nonovalcat; 8
__ Land des Sonnenaufganges; \
— Rand des Meeres;
__ Land, wo man auf Booten wohnt;
= Land der Yaqui, d. h. der ausgewanderten Tolteken;
Land der Ballspieler und Fischer.
Alles weist deutlich auf den südlichen Küstenabschnitt hin. Denn dies an den Lagunen und we't
stromlaufen des Coatzacoalco und Grijalva gelegene Gebiet war in der Tat ein Land, in dem man auf BootJTIUUf
> ~"«n = „Land der Boote“, oben S. 35) und Fischfang betrieb; es war das Land, an das die Merfkanorb T8 ’
ilfUier vor allem
Acallan
ción de la Gente del Obisp. de Antequera ed. Pi-
9o Re a 904) p. 96. Villa-Señor bei Waitz, Anthrop. d.
mente ^ g^ Barnard, Isthmus of Tehuantepec p. 219.
NatinVpt . Yerhandl. Berl. Ges. f. Anthr. V (1873) p. 147.
erel ypm Ind Races of the State of Vera Cruz p. 568.
Ltndts Vokabular bei Brintou i, C. R. VIH. Amor. Cgr.
(París 1890) v 564; «eitere Vokabulare (von Eust, Calderón)
bei Lehmann, Zentral-Amerika XI p.77 1—779. Auffälligerwelse
hat Orozco y Berra inseiner sonst so sorgfältigen Geografía
de las lenguas die Existenz dieser Sprache vollkommen igno-
riert. Trotz Berendts ausdrücklichem Hinweis werfenBrmton
(Amer. Racep. 150/1) undThomas und&wanton (lud. Laug,
of Mexico and C. America p. 53/4) dies Popoloco mit dem Po-
poloco-Chocho von Puebla und Oaxaca, mit dem es nicht das
Geringste zu tun hat, zusammen. Stoll (Zur Ethnogr. d. Rep.
Guatemala p. 26—28) mit dem in Guatemala gesprochenen
Popoloco ( = Xinca).
96 Tenime geht nach Staub (Zeitschr. Ges. Erdk. 1924, p. 218)
auf die Stammesbezeichnung der Huaxteken (Tenec) zurück.
97 c. Mendoza fol. 48, no. 47 und 48. Ixtlilxochitl Hist.
Chich. c. 39 (p. 198). Seler G. A. I p. 688, II p. 1041, III p.
574—576. Lehmann, Zentral-Amerika II p. 837; Id., Seler-
Festschrift p. 299. — Lehmann hält die Ah Nonovalcat, Ah
Xulpiti wegen der Ähnlichkeit von Xulpiti und Chupichin
(= Xinca) für Mixe-Zoque, mit denen die Urmaya in Tabasco
gekämpft hätten.
48
WALTEE KR1CKEBEEG
dachten, wenn sie von Nonoualco sprachen; das Land, in dem nach allen Sagen die vertriebenen Tolteken eine neue
Heimat gefunden hatten; und endlich das Land der Ballspieler, d. h. der Olmeca, ,,der Kautschukleute“, denn die
Bälle wurden aus Kautschuk gemacht.
In den aztekischen Berichten wird der Name Olmeca gewöhnlich nicht allein gebraucht, sondern mit Zusätzen;
Uixtotin oder Xicalanca. Xicalanca leitet sich von dem Namen des berühmten Handelsemporiums an der Bahia
de Términos ab. Uixtotin ist nach Seler etymologisch verwandt mit Uixto-ciuatl (Göttin des Salzes, ältere Schwester
der Regengötter) und Uixto-tlan (Name eines der zwölf Himmel) und leitet sich ab von uiuixca ,,zittern“ und uiuixoa
„schütteln, wiegen, rütteln, hin- und herbewegen“. I)ie ursprüngliche Bedeutung von uixto- ist also wohl das Meer
als das unruhige, ewig bewegte Element; Uixtotin sind demnach die „Leute am Meer“.38 Offenbar sind beide Aus-
drücke, Olmeca Uixtotin und Olmeca Xicalanca, ursprünglich ganz synonym auf die gesamte nichtmexikanische
Küstenbevölkerung südlich von den Totonaken angewandt worden. Bei Uixtotin geht dies eigentlich schon aus der
Bedeutung des Namens hervor. Seler zieht sogar aus der Tatsache, daß im ethnographischen Kapitel Sahagüns von
den südlich von den Mexikanern sitzenden Völkern nur die Tlalhuica, Couixca und Yopi geschildert werden, den
Schluß, alle übrigen, also auch z. B. Mixteken und Tzapoteken, seien unter den Olmeca Uixtotin, den „im Sonnem
aufgang lebenden Leuten“ (tonatiuh iixco tlacä) mit einbegriffen." Und was Xicalanca anbetrifft, so spricht schon
die Existenz zweier Orte namens Xicalanco an den beiden ungefähren Endpunkten des Olmekengebietes, an der
Bahía de Términos und in der Provinz „Maxcalcingo“ oder „Mexicalcinco“ nahe Veracruz, dafür, daß man bei diesem
Namen an die ganze südliche Golfküste gedacht hat, um so mehr, als Motolinia angibt, beide Orte seien von den
Olmeca Xicalanca besiedelt worden.98 99 100 Daher wird auch Anauac Xicalanco in den aztekischen Quellen als Name für
die ganze Golfküste verwendet.
Allerdings hat man unter den Olmeca Uixtotin auch einen ganz bestimmten Teil der Küstenbevölkerung ver-
standen. Sahagün nennt sie auch „Mixteca“ und sagt von ihnen:
auh ga atentli ic onmotzotzonato
„An der Küste des Meeres ließen sie sich in dichten Scharen nieder; 101“—
quil yehoantin in axcan mitoa Anavaca Mixteca
„Man sagt, sie seien die, die heute ,Mixteca des Küstenlandes£ heißen.“
Mixteca sind hier nicht etwa die im heutigen Staat Oaxaca wohnenden Stammverwandten der Tzapoteken, wie Orozco
y Berra gemeint hat, sondern die Bewohner einer Landschaft Mixtlan („Wolkenland“; weiter unten wird sie von Sahagün
Tlalocan „Land des Regengottes“ genannt), die noch heute „La Mistequilla“ heißt und der alten Provinz Cuetlaxtlan
angehört. Auf diese Leute wird man auch in der Hauptsache das beziehen dürfen, was Sahagün in seinem ethnogra-
phischen Kapitel von den Olmeca Uixtotin erzählt. —Andrerseits ist Olmeca Xicalanca nicht selten die Bezeichnung
der östlichen, in Tabasco sitzenden Abteilung der Olmeken (vielleicht geradezu ein Synonym für Chontal) geworden.102
Die mexikanische Geschichtsschreibung verstand unter Olmeken nicht nur diese, sozusagen historischen Küsten-
stämme, sondern auch ein prähistorisches Urvolk, das auf dem Hochland, in der Gegend von Tlaxcala und Cholu-
la, gesessen haben sollte.
Unsere Quellen hierüber scheiden sich je nach dem Standpunkt, den sie der chronologischen Seite der Frage
gegenüber einnehmen, in zwei Gruppen. Die eine verlegt das Auftreten der Olmeca Xicalanca in die mythische Urzeit.
Sie sind das erste Kulturvolk des Hochlandes, das im dritten Weltzeitalter von Osten (Potonchan) her auf dem Hoch-
land von Puebla, am Ufer des Rio Atoyac, erscheint. Mit List entledigen sie sich der Giganten (Quinametin), der
Menschen des zweiten Erdzeitalters, die der Vernichtung durch die zweite Weltkatastrophe entgangen sind und die
Neuangekommenen zuerst bedrückt haben, und gründen ihre Herrschaft in Cholula, dessen Pyramide nach dem
Codex \aticanus A allerdings schon von Xelhua, einem der Giganten, erbaut ist. Im vierten Weltzeitalter werden
die Olmeca Xicalanca von den Tolteken abgelöst. Ixtlilxochitl sagt außerdem, Quetzalcouatl habe in den Städten
der Olmeca „gepredigt“ und se i, als er dengeringen Erfolg seines Wirkens sah, nach Osten gegangen.103
98 Seler, Altmexik. Studien p. 155; Id., G. A. II p. 480. —
Valentini (The Olmecas and Tultecas p. 38) leitet das Wort
aus dem Maya ab. Seine Etymologie ist sicher verfehlt.
99 Seler, Wandgemälde von Mitla p. 12,, 45. Vgl. auch Id., G.
A. IV p. 431.
100 Motolinia Memor. p. 10, Hist. p. 7/8. Mendieta 1. II c.
33 (p. 146). Gömara Crön. c. 195 (p. 210). — Sahagün 1.
XII c. 4 und 6 berichtet, daß die Gesandten Motecuhgomas
an Cortes von Cuetlaxtlan aus zu Wasser auf Kähnen (aztek.
Text: acaltica, atl iitic) zuerst nach Xicalanco und darauf
'weiter zu den Schiffen der Spanier gelangten. Danach muß
Oer Ort in der Nähe des heutigen Medellin gelegen haben,
wohin ihn auch BrasseurdeBourbourg nach Vorgefundenen
Resten, verlegt hat (Rech, sur les Raines de Palenque, p. 33
n. 2).
101 tzotzona, nino; ,,darse algun golpe en la pared, o en el umbral
de la puerta“ (Molina). Also eigentlich: sich an einer Kante
stoßen; hier von dem Sichdrängen, dem Engbeieinanderwohnen
an der Küste gebraucht.
102 Orozco y Berra, Geogr. p. 119; Id., Hist. III p- 1 ^ SCR 18
sü- Seler G. A. II p. 480; Id., C. B. I p. 161.
103 Ixtlilxochitl Hist. Chich. c. 1 (p.22-24) undRel.p- 19/20.
T o r que m a d a 1.1 c. 13 (1 p. 34-36). Über die Giganten vgl. noch
Ixtlilxochitl Rel.p. 13/4undl7/8, C.Vatic.A f°hl1"< lso>Du-
rän c. 2 (I p. 13-15), Herrera Dec. III 1- 11 c‘ 10 (P* 59)>
Hist, de los Mexic. por sus pinturas p- 87 unc^ Saha-
gün 1. X c. 29 § 12. — Die Sagen über die. Weltalter liegen in
verschiedenen Versionen vor. Der ,,k»nonisc en Anordnung
der Monumente und der Hist, de l°s ^ex. poi sus pinturas,
die das Zeitalter des Wassers an die fetzte Stelle rucken, stehen
andere gegenüber, bei denen es an der Spitze der Weltperioden
steht. Die Giganten werden stets in das Zeitalter der „ Jaguar-
sonne“ versetzt (außer im Cod. Vaticanus A, der sie wohl irr-
tümlich der ,,Wassersonne1 zuteilt), also niemals in die letzte
DIE TOTONAKEN
49
M , r a , den Boden nüchterner Geschichtsschreibung stellt sich die zweite Gruppe von Quellen die für uns heute
Mehr aut den Doaen nuon ö r ■ , „„u- 7U bedauern, daß die aztekisch geschriebene,
in erster Linie durch den BerichtCamargos repräsentiert wird. Esistseh^^^^^ ^ № Aubin-Goupil in Paris
mit Bildern versehene Olmekengeschichte der Historia oe f, Torquemada) ihr Material entnommen,
Fragment ist; ihr haben anscheinend Camargo und zu erschöpfen. - Nach diesen Quellen
ohne sich gewissenhaft an die Vorlage zu halten und sie auch nur eg ^ gleichzeitig mit der Einwanderung
erfolgt die Einwanderung der Olmeca Xicalanca Qacateca ins Toltekenreichs. Sie kommen von Westen her
von Naua-Stämmen ins Valle de Mexico erst nach er ers noch unbewohnt vor und gründen ihre Haupt-
über den Paß zwischen Popocatepetl und Iztaccmatl, tmaen^ Xenayacac, wo noch zur Zeit des Schreibers (und
niederlassung zwischen dem Cerro de Xochitecatl un c Bergfestung von ihrem Dasein zeugen. — Soweit Ca-
noch heute, s. u.) gewaltige Reste einer Ringmauer un da neue yölkerscharen ins Hochtal von Puebla ein-
margo. Die Historia Tolteco-Chichimeca führt uns ^ner ¿eg historischen Reiches Tollan, die sich unter Icxi-
dringen. Es sind die Tolteca-Chichimeca, d. h. ie ^ ^ Cholula, niederlassen. Die olmekischen Fürsten dieser
couatl und Quetzalteueyac am T^^^^^^a.Qhichimeca schlecht, bis diese zu einer List greifen und —
Stadt, Tlalchiach und Aquiach, behandeln ie ^ g0 kann man wenigstens mutmaßen; die Handschrift bricht
anscheinend ihre Peiniger überwältigen und vert^!c^anca nicbt mehr. Aber es geht aus Camargo und Torquemada
an dieser Stelle ab und spricht von den 01meCad.eXeochicllimeca, d. h. die späteren Tlaxcalteken, ins Land gebracht
hervor, daß eine letzte große Völkerwanderung c m ^ .g aug ’ihren Wohnsitzen vertreiben. Nachdem der letzte
hat, die vereint mit ihren Vorgängern die Olmec' ^ der gtatte des späteren Tlaxcala), erobert ist, verlassen
feste Punkt, der noch von ihnen besetzt war ( P Norden au8, über Coyametepec und Tenamitic, wo sie schon
die Olmeca Xicalanca ihre alten Sitze und wan• derlassung gründen. Die drei hier genannten Örtlichkeiten sind der
Ansiedler finden, nach Otlatlan, wo sie ihre i Zacatlan und Otlatlan im Distrikt Zacatlan.104 An einer späteren
Cerro de Oyameles im Distrikt TlatlauhquitepcJBevölkemng vonTzauctlanund Iztacamaxtitlan, Tlatlauh-
Stelle bemerkt Camargo noch ergänzend, die ges und Atzopan (lie8 Tozapan) stamme von den Olmeca Xi-
quitepec und Zacatlan, Teouhtlan (lies
calanca ab.«5 , nwkensagen nimmt endlich der Bericht Motolimas ein. Nach ihm wären
Eine Sonderstellung unter den 1um und otomitl, die Urahnen der nach ihnen benannten Stämme
Xelhua, Tenoch, Olmecatl und Xica a > puebla, vgl. Anm. 103), aus Chicomoztoo, den „7 Höhlen“, nach ihren
(Xelhua ist der Urahn der Naua un su xical£|ncatl hätten ursprünglich in der Gegend von Ciudad de los Angeles,
späteren Wohnsitzengelangt. ^ puebla) gewohnt, wären aber, von dort vertrieben, an die Küste
dem heutigen Puebla, un ° _ Xicalanco gegründet.«6
gezogen und hätten dort die beide X g Jj als einen Versuch, die Tradition mit den zur Zeit des Autors
g Wenn man die letztem Angabe zum
in Einklang zu bringen, beiseite läßt, so bleiben folgende Züge als historischer
herrschenden tatsächlichen er
Kern der Olmeken-Sagen übrig : c& annt _ d. h. „Grassteppenbewohner“ —, sind sehr frühe Siedler des
1) Die Olmeca Xicalanca, aucn * tenkamen und spater durch eine große Naua-Invasion vertrieben wurden.
Hochlandes von Puebla, die aus dem ^ den yon ihnen gegründeten Niederlassungen genannt.
Cholula, Tlaxcala, Totomihuacan wer lancasaßenin historischer Zeit in den Ortschaften der nördlichen atlantischen
2) Nachkommen dieser Olmeca . ica Tlatlaubquitepec im Osten bis Zacatlan im Westen, also in Gebieten,
GebiTgsatdacto^^St^tM^ue schon starke totonakische Volksteile beimischten, z. T. sogar in
überwiegender^Zahh^ abgesehen, liegt alles übrige außerhalb des Bereiches historischer Nachprüfung
Weitperiode unmittelbar vor dem Anbruch der historischen
Zeit. Ferner heißt es an der zitierten Sahagün-Stelle ini azte
löschen Text, die gewaltigen Pyramiden von Teotihuacan schi.'
nen kaum Menschenwerk zu sein, aber sie seien es doch ca oc
quinametin y mieccan iquac „denn noch gab es damals Giganten
an vielen Orten." Vorher ist aber nicht von den Giganten
sondern von den in Tamouanchan vereinigten Stämmen als den
Erbauern der Pyramiden die Rede. Xelhua ist nach der gewöhn
liehen Auffassung (Mo toi inia, Hist. Tolteco-Chichimeca)
ni cht einer der Giganten, sondern der Ahnherr der Naua- Stämme
die sich vom Hauptstamm loslösten (Xel-uä = Herr der Tren'
mmg“, Seler C. V.p.329) und die heißen TSteim Süden des
Staates Puebla besiedelten. Aus alledem geht ni E klar her-
vor, daß die Giganten nicht, wie manche Forscher' geglaubt
haben, eine bestimmte Nationalität vertreten (Brasseur de
Bourbourg: Chiapaneken; Valentin!: Maya; Lehmann.
Chocho-Popoloca. Cf, Lehmann, Zentral-Amerika II p. 826
, “ n. 2, 982), sondern einfach die Repräsentanten der ia viel.
104 nl 1 riesenllaft gedachten mythischen Urmenschen sind
L iS"** n ?; 3 r 6 <!>■ «“«t Torquemada
c- »-H (I p. 256-264). Betreffs der Historia Tol-
teco-Chichimeca, die die Vertreibung der Olmeken auf Fol,
24 — 26 erzählt, vgl. das oben in Anmerkung 32 Gesagte, außer-
dem Orozco y Berra Hist. III p. 41/42. Daß Icxicouatl und
Quetzalteueyac auch bei Camargo Vorläufer der Teochichi-
meca sind, geht aiu dem Anfang des Kapitels 6 hervor;
algunos quieren decir quesehabianadelantado otras cuadrillas
de Chichimecas, y venido ä Cholollan el ano de primero
de un Acatl, e que fueron los capitanes que alli vinieron Tololo-
huitzitl, Ixicohuatl, Quetzal tehuiac, Cohuatlinechcuani y
Ayapantli.... Auf die Gewaltherrschaft der Olmeken von
Cholula bezieht Lehmann die Angabe Torquemadas (1.
I c. 14), die Tolteken seien mehr als 500 Jahre von „einem
gewissen König oder Königen" bedrückt worden (s. o. S. 33),
Camargo 1. I c. 12 (p. 106); vgl. auch die Parallelstellen c.
7 (p. 69), wo das ,,Y“ hinter Ulmecas durch einen Doppel-
punkt zu ersetzen ist, und c. 13 (p, 116), wo richtig
Tozapanecas undTetelaques steht, ferner Torquemada 1. III
c. 12 (I p. 269).
io« Motolinia Mem. p. 7 — 11, Mendieta 1. II c. 33 (p. 145
146), Torquemada 1. I c 12 (I p. 32). Hierzu Seler O
A. II p. 323/4 und 1019/20.
105
4 Baessler-Archir.
50
WALTER KRICKEBERG
Es läßt sich an bestimmten Zügen sogar feststellen, daß sie ganz schematisch auch in anderen Sagen wiederkehren;
z. B. berichtet Torquemada, die ein wandernden Teochichimeca seien so unzivilisiert gewesen, daß sie das Fleisch nur
roh oder auf Bratrosten zubereitet gegessen hätten, bis ihnen die Toltekenabkömmlinge Icxicouatl und Quetzal-
teueyac Töpfe gaben und das Kochen -beibrachten — dasselbe erzählt er ein paar Kapitel weiter genau so von den
Teochichimeca, die unter Xatontan an der Grenze des Totonakenreichs von Mizquihuacan erscheinen. Es ist auffallend,
daß dies wichtige Kapitel über die Geschichte der Totonaken nichts von der Einwanderung der Olmeca Xicalanca
erzählt, die doch dieselben Gegenden (Zacatlan usw.) besiedelt haben sollen wie die Totonaken, und man könnte
versucht sein, diese Olmeca den Totonaken, die unter Umeacatl in Zacatlan einwandern, gleichzusetzen. Dem scheint
allerdings zu widersprechen, was die alten Autoren über die sprachliche Zugehörigkeit der Olmeca Xicalanca
angeben. Diese sind nämlich eng verbunden mit einer Gruppe von Naua-Stämmen — den Colhua, Tepaneca,
Acolhua und Chalmeca oder den Acolhua, Chalmeca, Tepaneca, Xochmilca und Tlalhuica —, und Camargo sagt noch
ausdrücklich, sie seien „todos de una descendencia, linaje y lenguaje y frasio“ gewesen. Die erwähnten Stämme sind
die gleichen, die auch in anderen, speziell mexikanischen Versionen der Wandersage auf treten, nur werden dann ge-
wöhnlich an Stelle der Olmeca Xicalanca die Tlaxcalteca, Chololteca und Uexotzinca genannt, d. h. die Gruppe von
Naua-Stämmen, die Sahagün Tlateputzca nennt.107 Hier handelt es sich also einfach um eine Übertragung des Namens
Olmeca Xicalanca auf Naua, die ihre Nachfolger im Hochtal von Puebla waren. Noch weniger Gewicht ist darauf
zu legen, daß die auf Fol. 20—23 der Historia Tolteco-Chichimeca aufgezählten Fürsten der Olmeca Xicalanca sämtlich
aztekische Namen tragen, — dasselbe ist ja auch bei den meisten totonakischen Fürsten und Führern der Fall. Und
wenn endlich eine Notiz des Bischofs Lorenzana besagt, daß zu seiner Zeit (1770) in der Sierra von Huauchinango
(Puebla) ein „Olmeco-Mexicano“ mit Nauat-Formen (s. o.) gesprochen wurde, so kann diese Notiz ebenso wie die
Angabe Sahagüns, viele Olmeca Uixtotin an der Küste sprächen mexikanisch, nur dahin interpretiert werden, daß
die Olmeken allmählich mexikanisiert worden waren.108
Manche Forscher, wie Orozco y Berra, sind freilich diesen Angaben gefolgt und haben die Olmeken als einen
alten Naua-Stamm angesehen.109 Wie erklärt sich dann aber die Bestimmtheit, mit der so zuverlässige, der alten,
guten Überlieferung noch so nahestehende Autoren, wie Sahagün, die Fremdsprachlichkeit der Olmeken betonen ?
Es ist gewiß auch nicht ohne Belang, wenn Sahagün die gesamte Hochlandsbevölkerung als die „Chichimeca“ den
Olmeca Uixtotin als den „Nonoualca“ gegenüberstellt, mag auch bei dieser Gegenüberstellung zugleich die Unter-
scheidung zwischen zwei Kulturen, der jüngeren chichimekischen und der älteren toltekischen, mitsprechen (s. o.),
denn mit den Tolteken, die in ihre Gebiete eingewandert waren und deren Sprache und Kultur sie offenbar in weitem
Umfange angenommen hatten, sind die Olmeken, wie wir sahen, in den Sagen öfter verschmolzen worden.
Für die Hauptfrage, welcher Nationalität die Olmeca Xicalanca des Hochlandes waren, glaubt W. Lehmann
neuerdings einige Anhaltspunkte gewonnen zu haben. Auf Grund von (bisher noch unveröffentlichten) Glossen auf
der ersten Seite der sonst aztekisch geschriebenen Historia Tolteco-Chichimeca nimmt er an, daß die Sprache der
Olmeken das Chocho war, das noch heute in Coaixtlahuaca und Teposcolula (Mixteca alta) gesprochen wird und
dem Popoloco von Tecamachalco, Qiiecholac und Cozcatlan in der alten Provinz Tepeaca, südlich von Cholula, nahe
verwandt ist. Alte Nachrichten über „Pinome“ in Tlaxcala, „Chuchume“ in Tacuba, die bei Geschichtsschreibern
des 16. Jahrhunderts als Reste einer fremdsprachlichen Bevölkerung auf dem Hochland erwähnt werden, sind eine
gewisse Stütze dieser Annahme.110 Lehmann hat weiterhin den Olmeken eine äußerst wichtige Rolle in der präazte-
kischen Völkergeschichte Mexicos zugewiesen. Er rechnet sie, wie die Maya, im Gegensatz zu den Naua zur Ur-
bevölkerung Mexicos und nimmt ihre Ursitze in der Nähe des Gebietes der den Chocho-Popoloca sprachverwandten
Mazateken an, die damals mit den gleichfalls sprachverwandten Chiapaneken einerseits, Otomi andrerseits eine große,
kompakte Völkerfamilie in den Gebirgsdistrikten südlich des zentralen Hochlandes bildeten. Um 600 p. C. begannen
die Olmeken nach Lehmann sich auszubreiten; sie überlagerten als ,,Olmeca Uixtotin“ an der südlichen Golfküste
die Urmaya und stürzten als „Olmeca Xicalanca“ auf dem Hochland das ältere Reich Tollan. Der Druck der Olmeken
ruft große Völkerverschiebungen hervor; er zwingt nacheinander Teile der Chiapaneken, Tlappaneken (Yopi) und
Tolteken von Cholula zur Abwanderung nach Süden, wo ihre Nachkommen in historischer Zeit als Mangue, Maribio
107 Vgl. z.B. Duran c.-2 (I p. 10 — 13) und Herrera Dec.lH 1.
II c. 10(p. 58 —60); Cod. Boturini ed. Kingsborough I fob
1 (wo nur die Matlatzinca nicht zu den Naua-Stämmen ge-
hören). Die Chalmeca Camargos entsprechen den Chai ca an-
derer Wandersagen und sind die Bewohner der sich am Fuß
des Popocatepetl und Iztaeciuatl breitenden Ebenen (Seler
G. A. II P- 1654, 1090). — Sahagün 1. X c. 29 § 12
(III p. 147).
108 Lorenzana, Hist, de Nueva España (Ausgabe der Briefe des
Cortés), México 1770, p. III n. Vgl. auch Del Paso y Tron-
coso Catálogo I p. 382 und Lehmann, Zentral-Amerika II
P-836, 992, 995; Id., bei Seler G. A. IV p. 359. Auch das von
Fr. Al. Ponce 1586 (i. Col. Doc. Inéd. Hist. Esp. 57 p. 343,
352) in Nicaragua erwähnte Dorf Olomega hatte eine mexi-
kanisch (Nicarao) redende Bevölkerung, cf. Lehmann, Zen-
tral-Amerika II p. 1003. Die ,,Olmeca“, die Torquemada
b III c. 40 (I p. 332) neben „Nicaragua“ (Nicarao) und ,,Ni-
coya“ (Mangue) in Nicaragua erwähnt, sind nach Lehmann
(b c. p. 793, 833. 1087) Maribio.
Orozco y Berra Geogr. p. 119. Id., Hist. III p. l2sq„ 18 sq.
Vgl. auch Spinden, Ancient Civiliz. p. 154-
Lehmann, Seler-Festschrift p. 291; Id., AltrueJdL- Kunst-
geschichte p. 10 n.; Id., bei Seler G. A. IV P- 359> Uber die
Chocho-Popoloca cf. Id., Zentral-Amerika H p-838, 970, 971,
Rnome und Chuchume; Ibid. p. 970, 984. Ich glaube nicht,
daß man die Nonoualca Teotlixca Tlae°0^ja VOn Chalco und
die öfter erwähnten fremdsprachig ic umeca des Valle
de México mit den Olmeca Xicalalica bzw. Chocho in Verbin-
dung bringen darf, wie es L. tut (Zential-Amerika II p. 826,
838, 984/5; Seler-Festsohr. p- 291/2), ebensowenig wie die
Quinametin (vgl. Anm- 103).
DIE TOTONAKEN
(Subtiaba) und Nicarao in Nicaragua, weit entfernt vöu
zwischen hat sich auf dem Hochlan unter er po^„^inflüsscii die Olmeken allmählich unterliegen (sie werden
in Cholula gebildet, dessen ku ure en un sprac ic ^ einwandernden Teochichimeca, kriegstüchtiger jüngerer
„toltekisiert“), bis sie endlich auc i P° 1 1SC 1 mi Historia Tolteco-Chichimeca den Sturz des Olmekenreiches,
Nauastämme, ausgesohaltet werden. >. p. C. a ier Völker der die Olmeken angehören, nach sich zieht.
der auch die Zersplitterung der großen Gruppe sprachverwanate ^ versmcht wird, bringt uns die Olmeken als
Weder die sprachliche, noch die geschichtliche^.xierung des gahagùn.Kapitels (1. X c. 29 § 10)
Volkstum wesentlich näher. Auch die dürftigen e n g bß. Lehmann der Begriff der Olmeken deshalb so
ergeben für die Olmeca Uixtotm nur wenig. Archao °gis° unterworfen sein und selbst ein so typisches Erzeugnis
unbestimmt, weil er sie einer weitgehenden „Tote isieru toltekigierter olmeken“ stammen läßt, andrerseits den
des Nauageistes, wie den Codex Borgia, aus dem e ^ deg Alvarado-Gebietes betont.112 Ich glaube,
„mayoiden“ Charakter mancher angeblich ohne igcpes Kriterium für das Olmekenproblem zu gewinnen,
daß es aber doch nicht ganz unmöglich ist, ein are ^ekeningpäterer Zeit mit großen, ehrwürdigen Bauwerken
Ein wichtiger Zug in den Sagen ist, daß nian ie^ Tlachiualtepetl („künstlicher Berg“), d. h. der Pyramide
des Hochtals von Puebla in Verbindung brac Cerro de Xochitecatl und dem Cerro de Tenayacac. Die
von Cholula, und den Befestigungsanlagen ^WlbCg.° begtehen aus einem befestigten Heiligtum, dem „Palacio del Key
letzteren hat noch Seler im Jahre 1909 geseh®n^ Regten einer großen Mauer, die sich vom Fuß dieses Berges, den
Cacaxtle,“ auf dem Cerro de Xochitecatl un ® überliegenden Cerro de Tenayacac (oder Tenanyeccan) hinzieht.
Talweg des Rio Atoyac sperrend, bis zum geg ^ Tlaxcalteken, entsprechend jener anderen, die die Spanier auf
Seler hält diese Anlagen für eine Grenzles un^ ^ Huamantla antrafen.113 Die große Pyramide von Cholula
ihrem Marsch von Iztacamaxtitlan nach ec ^ ^ ^ yon Bandeiier zum Gegenstand genauerer Untersuchungen
ist seit Humboldts Besuch im Jahre ISOSmneu^ ^ nach der ethnischen Stellung ihrer Erbauer ergeben haben.
gemacht worden, die aber auch nicht ve 1 natürlicher Hügel von 2360 m Umfang an der Basis und 51,7 m
Sie erscheint heute nur noch als ein un ° genommen und dadurch und durch ein Erdbeben so stark defor-
Höhe der über und über bewachsen, z • Bandelierg nicht viel mehr als ein interessanter, aber wenig überzeugender
miert ist, daß der Rekonstruktionsentwur
des Baues daß er nämlich aus Adobes mit dazwischen gebetteten Mörtel-
Versuch ist. Die HaupteigentümhohKe kehrt auch an anderen mexikanischen Monumenten (Tetzco-
schichten (zur Erzielung größerer » 8 ' altige, alle Pvramidenhauten aus aztekischer Zeit übertreffende Größe,
tzinco, Tlacolula, Mitla) wieder aw verschiedenen Teilen des Pyramidenkörpers aufgedeckten Doppeltreppchen
die umgebenden Terrassen und die a ^ Teotihuaoan nahe, deren merkwürdige innere Konstruktion durch
legen den Vergleich mit den Py™“1 Archäologen klargestellt worden ist; auch die „Sonnenpyramide“ von
die neuesten Ausgrabungen ^ ?u ^ „ Höhe empor.«
Teotihuaoan mißt an der Basis -- Quellen berichten, aus dem Westen über die Gebirge nach 1 laxeala und
Die Olmeken kamen, wie ie a ing Qebiet von Tlatlauhquitepec und Zacatlan, wo sie wohl in den
Cholula und wandelten später nac ' weim sie nicht überhaupt identisch mit ihnen sind (s. o.). Von diesen Toto-
Totonaken von Mizquihuacan au g g ’ ^ c lg^ gie hätten einst — wie die Olmeken in Cholula — in Teotihuaoan
naken berichtet nun aber Torquema ^ U Da igt eg denn von besonderer Bedeutung, daß tatsächlich
gesessen und dort die beiden gro en Totonaken und der Teotihuacankultur bestehen : Seler hat darauf hin-
archäologische Beziehungen zwisc en Gefäßundein in Teotihuaoan gefundenes steinernes Werkstück die schuppen-
gewiesen, daß ein typisches leot,
r sc hl un ge ne n Ornamente zeigen, die für die eigentlich totonakischen Altertümer
artigen, bzw. bandartiger^ ^ papantla) so kennzeichnend sind. Dieselben Ornamente sind, farbig aus-
(die Steinjoche, Pahnas m ^ ^ „Subterraneums“ in Teotihuacan festgestellt worden. Der alte Feuergott von
geführt, von Gamm aUp ^rbecken auf dem Haupt) erscheint, wie Beyer nachgewiesen hat, in abgeleiteter Form (auf
Teotihuacan (mit alg Totonake mit Lippenpflock, Kopfdeformation usw. Und endlich fanden sich bei Ausgrabungen
tt ^ ß45 647, 791—793, 829,
ui Lehmann, Zsntral-Ameri 1 • ’ 299 306, 306. 308,
834/5; KL. Seler-Fest chnftV ^Q/l ;M„bei Seler Q.A. IV
309/l°;M..A to einemMsiBrasseurs und bei Toi-
p- 358T die L veranlassen, die Abwanderung der Ch.apa-
quemada, oin chronologische Beziehung zu der Penod
neken aia - Tvrannei“ zu setzen, sind reichlich nnbestunm •
der „Olmeken- y Tolt .Chicht dürfen wohl kaum
Die Nonoa ca ^ genannt werden (vgl. Anm. 32).
„tohekisierte №hrift p. 304; Id., Altane*.
112 Lehmann, oei ^ 25, 26, 27, 36 (vgl. hierzu die Kritik
geschickte p. 10 uiH ^ R p_ 53). Id., Zentral-Amerika II
H. Beyers i. El eX' dex Borgia stilistisch nahe verwandte
p. 829, 839. Der dem Co■ ^ von Teotitlan del Camino.
Codex Fejérvàry und der A ’ * hört>werden dagegen
der auch in diese Verwandtscha A gtoHeki8ehen) Stils“
„Ausläufer des klassischen (bz ■ J fe
4^*
genannt. Id., Altmex. Kunstgeschichte p. 24,
und 18.
113 Seler G. A. II p. 264. Über die große Mauer am andern
Ende des tlaxcaltekischen Gebiets cf. Cortes II. Carta p. 60,
Gomara Crön. c. 45 (p. 48), B. Diaz c. 62 (I p. 179).
114 Bandelier, Tour in Mexico p. 233 — 254, PI. 13 — 16.
Seler G. A. II p. 113/4, 336. Älteres Material über Cho-
lula ist bei Bancroft, Native Races IV p. 469 — 477 gut zu-
sammengestellt. Die große Pyramide von Cholula hat üb-
rigens mit dem Kultus des toltekischen Gottes Quetzal-
couatl nichts zu tun: der Tempel dieses Gottes stand in Cho-
lula vielmehr da, wo sich später das Eranziskanerkloster erhob
(Beyer i. El Mex. Ant. I p. 318). — Über die Konstruktion
der Pyramiden von Teotihuacan vgl. Gamio, Pohl, del Valle
de Teotihuacan I p. 117/8, 131/2, 134/5 und besonders p. 150
sq. (mitFig. 35). Dadurch werden die phantastischen Angaben
von Batres (cf. Seler G, A. V p. 419/20) widerlegt.
52
WALTER KRLCKEBERG
in Teotihuacan die Fragmente zweier Steinjoche vom „Froschtypus“ (eines in der Nähe der Sonnenpyramide).115 An-
gesichts solcher Tatsachen möchte man doch fast meinen, daß das Auftreten zahlreicher Steinjoche im Hochland von
Puebla (unter den Fundstätten werden Huamantla, Cholula und Totomihuacan genannt) nicht auf eine spätere Ver-
breitung durch den Handel zurückzuführen ist, wie ich im 2. Abschnitt (Kap. 1) angenommen habe, sondern darauf,
daß die Totonaken einst wirklich, wie die Olmeken, auf dem Hochland saßen. Vielleicht bildeten sie damals mit den
Olmeken ein Volkstum, das für uns in den Altertümern des Teotihuancanstils archäologisch greifbar wird.116
Zu den wichtigsten Resultaten der neueren archäologischen Forschung in México gehört zweifellos die Aus-
dehnung, die der Begriff der Teotihuacan-Kultur nach der Breite und Tiefe gewonnen hat. Hatte man sie früher ledig-
lich als eine lokale, allerdings präaztekische Industrie der alten Ruinenstädte Teotihuacan und Tula angesehen, so
weiß man jetzt, daß sie einst über das ganze Hochland verbreitet war. Tonfigürchen und -Scherben von echtem Teo-
tihuacan-Typus sind in Massen in Quauhtitlan und Azcapotzalco nahe der Hauptstadt, Cholula,Huamantla bei Tlax-
cala, Jalapazco am östlichen Rand des Hochlandes, S. Juan de los Llanos und Huauchinango im nördlichen Teil des
Staates Puebla auf getaucht. Die alte Kultur ist trotz des Auftretens mancher lokaler Varianten, besonders in
den Grenzgebieten (z. B. in Huauchinango und Jalapazco), im allgemeinen doch so charakteristisch ausgestaltet
und so gleichartig, daß die bunten Malereien zweier prachtvoller Tongefäße des Berliner Museums, die man in S.
Rodrigo Aljojuca bei Jalapazco, fast am Fuß des Piks von Orizaba, ausgegraben hat, geradezu wie eine vereinfachte
Wiederholung der großen Fresken von Teopancalco bei Teotihuacan anmuten; so genau entsprechen sie ihnen in der
Technik, der Zeichnung, der Farbengebung und der Handlung, die die dargestellten Priesterfiguren vornehmen. Wir
kennen jetzt auch die zeitliche Stellung der Teotihuacan-Kultur. Grabungen, die Boas und Gamio im Winter 1911/12
in S. Miguel Amantla bei Azcapotzalco unternommen haben, zeigten deutlich die Schichtung der Hochlandskulturen.
Die zum aztekischen Typus des Tals von México gehörenden Gegenstände fand man nur in den allerobersten
Schichten; dann kam eine breite Tuffbank, das Produkt einer subaerischen Ablagerung, ausschließlich mit Gegen-
ständen vom Teotihuacan-Typus und zu unterst, in 4 m Tiefe, eine Schicht grober Sande und Kiese, die durch
einen alten Flußlauf von den umliegenden Höhen hier herunter geschwemmt waren, mit Stücken eines dritten, sehr
primitiven Typus, dem Boas den Namen „Tipo de los cerros“ gegeben hat, weil er sich besonders auf den Bergen im
Norden des Tals von México gefunden hat. Die Schichtung der Kulturen an dieser Stelle schließt allerdings nicht
aus (worauf Seler und Beyer aufmerksam gemacht haben), daß an anderen Stellen ein Nebeneinander und eine Gleich-
zeitigkeit bestand, wie es sich tatsächlich an einigen Fundstätten nachweisen läßt (Vasen des Teotihuacan-Stils
sind z. B. am Orte des Haupttempels von México gefunden worden), und daß Menschen der Teotihuacan-Kultur
in manchen Gegenden bis in aztekische Zeit hinein gelebt haben. Wenn auch Teotihuacan selbst in aztekischer Zeit
in Trümmern lag, so haben doch Teotihuacan-Leute kolonienweise in vielen Städten des nördlichen México als ge-
achtete Künstler und Handwerker unter der späteren Naua-Bevölkerung gewohnt und weiter in den alten, überlieferten
Formen ihrer Kultur gearbeitet. Nach Seler war z. B. der Clan der Federarbeiter oder Amanteca in Tenochtitlan
eine solche Kolonie, die nach der Zerstörung des Tepanekenreiches (unter Itzcouatl) zwangsweise aus ihrer Heimat-
stadt Amantlan (= S. Miguel Amantla) nach der Hauptstadt übergesiedelt wurde. Denn sie heißen bei Sahagün
„die ersten Ankömmlinge“ und in einer alten Hymne „die Feinde“ Uitzilopochtlis und der Azteken, womit man
schwerlich Toltekenreste bezeichnet haben würde. Ihr Clangott Coyotl inanal, der der Sage nach die Türkismosaik-
maske und den „Quetzalfederschmuck der Küstenleute“ (Quetzalapanecayotl) herstellt, zählt ja auch zu den Wider-
sachern des Toltekengottes Quetzalcouatl. Vielleicht haben die Amanteca also schon in der Toltekenzeit eine ähnliche
Rolle gespielt wie in der aztekischen; daß sie Künste pflegten und Kunstwerke herstellten, die, wie wir sahen, ur-
sprünglich nicht toltekisch waren, wohl aber in der Mixteca (im Gebiet der Chocho) und an 'der südlichen Golfküste
ihre Heimat hatten, ist besonders bedeutsam.117 — Die Teotihuacan-Kultur ist nach alledem offenbar von sehr langer
Dauer gewesen; dafür sprechen ja auch die drei Lagen von Zementfußböden, die man in Teotihuacan übereinander
gefunden hat, ferner die Wohnräume älterer Zeit, die man zugemauert und als Fundamente für spätere Bauten ver-
wendet hat, und die verschiedenen Schichten der Fresken, die sich in manchen Bauten überdecken; die schönsten
Fresken, die besten Steinskulpturen und die technisch und künstlerisch vollendetsten Tongefäße hat man in den
älteren Teilen der Ruinenstadt gefunden.118
115 Seler G. A. V p. 438/9, 519. Beyer i. Anthropos XVIII/IX
(1923/4) p. 257. Gamio, Pobl. del Valle de Teotihuacan
Ip. LXVI, 293—295. Ibid., Lám. 132 b und Lehmann, Ergeb-
nisse einer Forschungsreise p. 737. •—- Über die Herkunft
der Gefäße aus ,,Onix“, d. h. alabasterähnliehern Aragonit
oder Tecali, die Batres in den Ruinen von Teotihuacan
gefunden haben will (,,Teotihuacan“, México 1906, Apéndice
Lám. I-—X) und die, wie schon Lehmann (Zeitschr. für Ethn.
39, 1907, p. 440) hervorgehoben hat, den im Bereich der Cerro
Voutam-Kultur gefundenen Tecali-Gefäßen (s. o. Anm. 85) sehr
ähnlich sind, bestehen wohl berechtigte Zweifel. Ich be-
merke, daß eine dieser Vasen (Lám. X), die sich jetzt in
Berlin befindet, ihrer Form nach fast identisch ist mit der
berühmten Obsidianvase von Tetzcoco im mexikanischen
Nationalmuseum, die Boban i. Revue d’Ethnogr. III p.
70/1 beschrieben hat.
116 Auch Lehmann bringt Totonaken und Olmeken zusammen,
meint aber, daß sie gemeinsam den Untergang der feoti-
huacankultur (des ,,alttoltekischen Reiches“) herbeigeführt
hätten (Seler-Festschrift p. 305, 306, 307).
117 Beyer bei Gamio, Pobl. del Valle de Teotihuacan I p.
274—276, 290/1. Seler G. A. I p. 422; II p. 460, 490, 970; IVp.
166/7; Vp. 454. Meine Auffassung weicht von dei von ehmann
(Zen trab Amerika II p. 981) geäußerten, die Amanteca seien
loltekenreste, ab. Übrigens entsprießt o\otl inaual wahr-
scheinlich dem Ueuecoyotl, der wieder, einer alten Angabe
zufolge, mit dem Otomi-Gotte Tatacoada identisch ist; er
war also auf keineJ Fall ein Toltekengott.
118 Die Teotihuacan-Kultur behandelt Seler zusammen fassend
in seinen G. A. V p- 495 585. Hier sind die älteren For-
DIE TOTONAKEN
53
, _ , .. , v j:„ TVotihuacan-Kultur durchaus den archäolo-
Nach ihrem Alter, ihrer Verbreitung und Dauer honnte alsoj^ ^ Kultur fügen sich gut dem Bilde
gischen Hintergrund fur die O me ensagen a ge en. tic’ haben. Besonders wichtig sind die Beziehungen
ein, das die alten Geschichtssc rei er von en me vGn gie unterStreichen einen typischen Zug der Olmeken-
der Teotihuac an-Kultur zu c en us en an e , ^ ^ nördlichem Wege, über Zacatlan, sei es in südlicher
sagen; die Auswanderung der Olmeken an le us , , f fbe ganz entschiedene und intime Verwandtschaft“
Richtung, auf Xicalanco zu. Seler ist der erste gewesen, e c”n und sok;hen der Küstenstämme besteht, und
hingewiesen hat, die zwischen manchen Erzeugnissen von Mutterstadt oder eine der Mutterstädte war, von der
er hat die Überzeugung ausgesprochen, daß Teoti uaca ^ Bie Zusammenhänge scheinen über die bloße
sich die großen Kultur- und Handelszentren dei u® e Qrab, das Ales Hrdlicka im Jahre 1910 südöstlich der
kulturelle Verwandtschaft hinaus noch tiefer zu reic^e^ ziembcber Tiefe (unter zwei Zementfußböden) im ge-
großen Sonnenpyramide von Teotihuacan öffnete, un ^ un(d Frau) mit ausgesprochen brachykephalen und
wachsenen Boden angelegt war, ergab zwei. b Merkmale, die sich fast an der Hälfte aller in Teotihuacan gefundener
künstlich deformierten Schädeln. Beide e^ ^ yztekenschädel hin, die dolichokephal und nicht deformiert
Schädel wiederholen, weisen weder auf Otomi- n K-ügtenbevölkerung von der Huaxteca bis nach Tabasco, also auch
sind wohl aber auf die Schädel der gesamten a ten Teotihuacan-Kultur den Stämmen der Golfküste auch
auf die der Totonaken. Danach müssen die Menschen
anthropologisch verwandt geweseni sein. ^ Ranchito de las Animas, La Soledad, El Buzón und
Am engsten sind die berühmten Funds a ^ auch noch die des siidhch anstoßenden Distrikts S. André sTuxt la
Tlalixcoyanin der alten Provinz Cuetlaxt an,^ ^ Übereinstimmungen treten besonders bei den Tonfiguren an
mit den Altertümern von Teotihuacan ver nup^ ^ erwähne nur die turban- oder polsterartigen Kopfputze, die
zahlreichen Trachteigentümlichkeiten ^ ^ Ranchito- und Mistequilla-Köpfe (Abb. 39—40)J2<> die breit
unglaublich kunstvolle und mannigfache rt ^ langem Leibrock bestehende Kleidung der sog. „Priesterfiguren“
ausladenden Kopfbinden und die aus trei Auffallende Parallelen zeigen sich auch bei bestimmten Gefäß-
von Ranchito de las Animas (Abb. 4d) -Lhniken; Tonschalen (Hängeurnen) mit auf der Innenseite des Randes auf-
formen und gewissen dekor ativen endendeI1; hohlen Griffen sind in ziemlich gleichartigen Formen aus Teoti-
gesetzten, in einen Tier- oder Mensc3 ^ F als Malgrund dienende Tonüberzug sowie die Methode, Flachenmuster
huacan und Tuxtla bekannt f ^ ’ obersten geglätteten Schicht der Gefäßwand herzustellen, findet sich in der
auf Tongeiäßen durch Absehen d ebenso wie in der von Teotihuacan. Seihst religiöse Vorstellungen
alten Keramik von Ranchito de las ä b Tonköpfchen mit glatten, die Augen umgebenden Bingen beweisen,
haben die beidenKulturkreise gem^ sollen> und auch im Kult ist man ähnliche Wege gewandelt denn die
die wohl tlalocartige mythische v e Feuerbecken der Gegenden am Fuß des Cofre de Perote gehen zweifellos auf
von Karyatiden getragenen steine r eineg alten Gottes (des Feuergottes), der eine Schale auf dem Kopf
die für Teotihuacan sehr typischen d
trägt, zurück.121 h nach den nördlichen Küstengegenden ausg estrahlt ist, haben die Ausgrabungen
Daß die Teotihuacan- u l22
Staubs in der Huaxteca bewie. • ^ Teotihuacan-Funde mit den Totonaken und Olmeken ist natürlich die
Voraussetzung für eine Verknup 8 ^ ^ Erzeugnissen der eigentlichen Nauakultur. Zu der letzteren
stilistische Verschiedenheit c ies^^ ^ diesem Begriff auch, wie allen Namen, die Urvölker bezeichnen, etwas
rechne ich auch die Kultur der ®en g-e à°ch in den guten Quellen stets als ein Nauavolk, das mit den späteren
Unbestimmtes anhaften, 80 verknüpft war und dem wir deshalb nur Altertümer zuschreiben dürfen, die
Nau a Völkern z. T- noch gesc _ 1 steken. Dieser Forderung genügen allein gewisse archaische Skulpturen und
den späteren aztekischen stilistisch n
o pn bis 1912 verarbeitet. Über die neuesten Grabungen
SChUrg __ Sontiocfn AVmifvn+la
90-
cf. Tozzer,
Excavation of a site at Santiago Ahuitzotla
100; Xd., i.Rev. d’Ethnogr. XV
/Washington 1921) und besonders Gamio, Población del
Valle de Teotihuacan, Tomo I: La Población prehispánica
• o 1922). Hier ist p. 127/8 eine kurze Charakteristik der
rbe^ archäologischen Epochen Teotihuacans gegeben. Die
M nung Lehmanns, die reich skulptierte östliche Mittel -
emmide der „Cindadela11 Teotihuacans sei jünger („jung-
tAtekisch“) als die vorgebaute westliche (Altmexik. Kunst-
chiehte chronolog. Tabelle), wird weder von den mexi-
kanischen Archäologen (Gamio 1. c. p. LXVI, 154/5), noch
von Spinden (Anc. Civiliz. p. 159—161) geteilt und ist auch
lieh dem Befunde wenig wahrscheinlich.
»•Seler G. A. V p. 438/9, 441/2, 461, 474, 495, 585.
Gamio 1 c p 57/8. — Fie Brachykephalie der Huaxteken
ist*'durch Starrs Untersuchungen an lebenden Individuen
aus Tancoco erwiesen (Physical Characters p. 48/9). Uber
die durchweg brachykephalen, teilweise stark deformierten
Schädel von Orizaba, Sacrificios und Xicalanco cf. Gratiolet
i. Mém. Soc. d’Anthr. de Paris I (1860) p. 391 sq.; Id., i.
Bull. Soc. d’Anthr. de Paris II (1861) p. 67 sq.; Hamy,
Anthrop. du Mexique p.
(1885) p. 181.
izo Die Haartracht der Miste quilla-Figuren weicht von allem ab,
was wir sonst aus México kennen. Bald türmt sich das Haar
zu einer hohen Frisur auf, die bisweilen mit einem Kranz um-
wunden ist (Abb. 47), bald ist auf der Stirn ein Viereck mit
merkwürdigen Ornamenten ausgespart, bald erscheinen plasti-
sche Muster, wie Voluten, Mäander, schräge Streifen und
Flechtbänder, auf dem anscheinend kahl geschorenen^Schädel,
während von einer Seite her ein niedriger, transversaler Kamm
zum Scheitel emporsteigt (Abb. 39, 44). Vgl. Boban, Terres
cuites etc. p. 45 —51; Hamy, Galerie américaine I p. 37/8,
PI. XIX; Strebei, Altmexiko II p. 138 — 143, Taf. XXXII,
XXXIII; Batres, Lápida arqueológica Lám. XIII, 2 u. 3-
Id., Papaloapan Lám. LUI, 1 und LIV, 2.
m Seler G. A. V p. 460/1, 464, 465, 474/5, 476/7, 495, 520,
536 — 538. Zu den Tonschalen mit „inneren Griffen“ Vgl. auch
Tozzer 1. c. p. 50 und PI. XV g, wo ein vollständiges Exem-
plar dieses merkwürdigen Gefäßtypus von Santiago Ahuitzotla
abgebildet ist (in Tuxtla fanden sich nur Randbruchstücke),
i22 Staub i, Zeitgehr, Ges, Erdk, 1923 p, 203, 204,
54
WALTER KRICKEBERG
Bauten des mexikanischen Hochlandes und der yucatekischen Ruinenstadt Chich’en Itza, sowie, als Zeugnisse einer
späten Nachblüte, die Bilderschriften vom Borgia- und Vindobonensis-Typus und die ihnen verwandte sog. Cho-
lula-Keramik, nicht aber die Altertümer der Teotihuacan-Kultur, die neuerdings vielfach mit den Tolteken in Ver-
bindung und mit echten Naua-Altertümern in genetischen Zusammenhang gebracht werden.123 Wenn nun auch
gewisse Stilformen der, Teotihuacan- und der Naua-Kunst gemeinsam sind, was ja bei den engen Beziehungen zwischen
beiden Kulturen kein Wunder ist,124 so müssen wir doch daran festhalten, daß die Erzeugnisse der Teotihuacan-Kunst
in Technik und Farbengebung, Stil und Ornamentik durchaus eigenartig sind, daß sich Beziehungen zu den Gestalten
des aztekisehen Pantheons nur ganz vereinzelt (bei Tlaloc) nachweisen lassen und daß die Altertümer von Teotihuacan
denen der atlantischen Küste weit näher stehen als denen der aztekisehen Zeit des Hochlandes.125 Die Fremd-
artigkeit tritt z. B. sehr auffällig in der Dekoration der Tongefäße hervor, denn die ,,Fresko-“, „Cloisonné-“ und
„Batik-Technik“ der Teotihuacan-Töpfe sind der aztekisehen Keramik durchaus fremd und wurzeln möglicherweise in
der noch heute im südlichen México und in Mittelamerika geübten Technik der Kalebassenverzierung; daß die Cloi-
sonné-Technik besonders schön in den Funden von Zacatecas und Jalisco auftritt, möchte ich nicht als Beweis für
ihre nördliche Herkunft, sondern vielmehr als Beweis für die nördliche Ausstrahlung der Teotihuacan-Kultur ansehen.126
Den Vorläufer der Teotihuacan-Kultur bildete auf dem Hochlande eine Kultur, deren archäologische Eigenart
Del Paso y Troncoso bereits 1892 richtig erkannt hat. Ihre Erzeugnisse hat Boas als „Tipo de los cerros“ bezeichnet
(S. 52), Seler den Otomi zugeschrieben. Denn die Otomi saßen und sitzen noch heute im ganzen Bereiche der Teoti-
huacan-Kultur, vor allem aber auf den Höhen im Westen und im Norden der Hauptstadt, die die Hauptfundstätten
des Bergtypus bilden.127 Sie sind ein altes Volk des Hochlandes, das von Toluca bis Tulancingo, von Tlaxcala bis
Querétaro und bis zur Sierra Gorda an der Grenze der Huaxteca verbreitet ist, und haben sich trotz aller Völker-
stürme, die von Norden her über die beiden Hochtäler dahinfegten, zähe in ihren Sitzen gehalten und immer wieder mit
den neuen Machthabern vermischt, ohne dabei die Eigenart ihrer primitiven Kultur und Sprache aufzugeben. Ebenso
wie in Azcapotzalco und Jalapazco die Altertümer vom Tipo de los cerros bereits mit den Erzeugnissen der Teotihuacan-
Kultur vergesellschaftet auftreten, haben sich auch in späterer, aztekischer Zeit der Naua-Kultur manche Otomi-
Elemente beigemischt, die z. B. in der Kultur Tlaxcalas und Uexotzincos einen sehr wesentlichen Einschlag bildeten.128
Die den Otomi zugeschriebenen Altertümer sind nun aber zweifellos nicht auf sie beschränkt, sondern gehören
einer über das ganze México und Mittelamerika verbreiteten primitiven Kultur an, wie Spinden gezeigt hat.
Daß diese Kultur in México die älteste ist, beweist die Auffindung primitiver Altertümer unter der 30 bis 40 Fuß
mächtigen Lavadecke des „Pedregal“, die einst vom Cerro Ajusco ins Tal von México herabfloß. Spinden faßt die
Träger der primitiven („archaischen“) Kultur als die ältesten Bewohner der mexikanischen Hochländer auf, die auf
diesen halbtrockenen, tropischen Hochebenen zuerst aus einem nomadischen Urzustand zu Maisbau und Seßhaftigkeit
übergingen und Töpferei und Weberei erfanden. Wie die Teotihuacan-Kultur hat auch die primitive in manchen
Gegenden sich bis in späte Zeiten behauptet und z. B. im Gebiet von Colima eine eigenartige Weiterbildung erfahren.129
Auch an der ganzen atlantischen Küste treten, wenn auch vereinzelt, Altertümer des primitiven Stils auf. Sie
brauchen dorthin nicht durch Otomi gebracht worden zu sein, sondern rühren wohl von den ältesten Siedlern der Küste
überhaupt her. Die Eigenart der Tonfigürchen primitiven Stils hebt sie gut aus der Masse der anderen Funde
123 So von Spinden (Anc. Civil, p. 156 sq.) und Verne au (Journ.
Soc. Amer. N. S. XII, 1920, p.7 — 9), vor allem aber von Leh-
mann (Zentral-Amerika II p. 828/9, 989 n. 2, 1086; Seler-
Festschrift p. 305, 306/7, 315, 318/9; Altmex. Kunstgesch.
p. 13, 14, 17 und chronolog. Tabelle). L. nennt so heterogene
Dinge, wie die typische Teotihuacan-Fassade der östlichen
Mittelpyramide der „Ciudadela“, Mitla, Xochicalco, tzapo-
tekische Reliefe, Chieh’en Itza-Bauten vom Nauastil, die
Keramik der Nicarao, die Alabastergefäße, die Reliefe von
Huilocintla, den Codex Fejerväry usw. ohne Unterschied
„jungtoltekisch“ bzw. „Ausläufer des jungtcltekischen Stils“
(Zentral-Amerika II p. 1086; Altmex. Kunstgesch., Er-
läuterungen zu Taf. V, XVII. XVIII, XIX, XXVIII, XL, XLI).
Dem gegenüber hat H. Beyer bei Gamio (1. c.) p. 274 und
in El Mex. Ant. II (1924) p. 50—52 mit vollem Recht vor der
Verwischung der Stilunterschiede zwischen Teotihuacan- und
Naua-Altertümern gewarnt.
124 Cf. Seler G. A. IVp. 348 und 350,Vp. 419. 454/5, 491, 520, 580
und die wertvolle Untersuchung Beyers bei Gamio (1. c.)
p. 274-—293. Beyer erörtert eine ganze Reihe von wirk-
lichen und scheinbaren Übereinstimmungen und kommt zu
hern Schluß, daß nur beim Tlaloc-Typus und beim „Zeichen
t'(!r Rede“ gegenseitige Beeinflussungen festzustellen seien,
uri(l zwar gehört der erstere der Teotihuacan-Kunst an, das
letztere der Naua-Kunst. Bei der gleichfalls gemeinsamen
Jahreshieroglyphe (Ring-Strahl) bleibt die Frage der Her-
kunft unentschieden; die Maya, die sie auch kannten, kommen
als Erfinder nicht in Betracht.
12j Seler G. A. IV p. 347 und 350. Sonst neigt auch Seler in
diesem zuletzt erschienenen Bande seiner G. A. dazu, die
Teotihuacan-Kultur den Tolteken zuzuschreiben (1. c. p. 346,
348/9, 350, 424).
126 Spinden, Maya Art p. 229/30; Id., Anc. Civil, p. 162.
165—168. Dagegen sieht Lehmann in der Keramik von
Chalchihuites und La Quemada (Zacatecas), Estanzuela und
Totoate (Jalisco) Erzeugnisse eines „fundamentalen“ Stiles,
der die Grundlage des „archaischen“, d. h. alttoltekischen
Stils bildet (Altmex. Kunstgesch. p. 13, 14 u. 17).
127 Seler G. A. IV p. 348, 424; Vp. 140/1, 446/7, 450—452, 534.
Del Paso y Troncoso beschreibt diesen Typus im Catálogo
I p. 23/4 und 381—391 und nennt ihn „nuevo grupo pre-
histórico Ulmeca“. Vgl. auch Beyer i. El Méx. Ant. I (1921)
P- 239 sq.
128 gitterartige Gesichtsbemalung aus roten Streifen, die
hinten lang herabfallenden Haare (piochtli) und die schweins-
hauerartig gekrümmten Lippenpflöcke aus weißer Muschel-
schale (tezgacanecuilli) der Krieger von Tlaxcala und Uexotzinco
(vgl. Cod.Mendoza, Teller.-Remensis, Lienzo JeTlax-
cala) sind Trachteigentümlichkeiten der Otomi. Seler G.
A- I p. 232-234, II p. 34/5, 497 und 540/J •
129 Spinden, Anc. Civil, p. 43—64: „The Archaic Horizon“. Ich
gebrauche hier lieber den Ausdruck „primitiv“, weil ich unter
„archaisch“ die ältere („toltekisobe“) Form der Nauakultur ver-
stehe. Über die Pedregal-Funde cf. Beyer i. Mem. de la Soc.
Cient, „Antonio Alzate XXXVII (1917) p. 1 sq.
Abb. 37. Köpfe von Tonfiguren. Ranchito de las Animas,
Slg. Strebe!. (M, Y. Berlin, IY Ca 17313, 17314, 17529),'
Abb. 35. Tonfigur. Cerro de
Cajetes, Slg. Strebe!.
(M. V. Berlin, IV Ca 20369).
Abb. 36. Tonfigur. Rancho El Päntano,
Slg. Seler.
(M. V. Berlin, IV C» 25943).
heraus. Nach Seler sind „die Figuren voll ausgearbeitet, in der Haltung
unseren Kinderpuppen ähnelnd, mit abstehenden Aimen und Beinen, die
Schenkel - wenigstens bei den Figuren weiblichen Geschlechts - bim-
förmig verdickt, der Leib hervorgewölbt, der Bauchnabel m der Regel deut-
lich bezeichnet. Der Kopf verlängert, nach oben sich verflachend. Die
Augen in der Regel nur durch drei Einstiche, die die Pupille und die beiden
Augenwinkel markieren, zum Ausdruck gebracht.“ Ich verweise auf die
drei Köpfchen der Abb. 4 (Bäßler-Archiv VII, S. 37), die aus der Jalapa-
und Misantla-Gegend stammen, und füge zum Vergleich damit Abb. 35—38
Abb. 38. Köpfe von Tonfiguren. Rancho Tres
Zapotes, Slg. Seler. (M. V. Berlin,
31551 c, i und 31552 h
IV Ca
i).
hinzu, die Typen des gleichen primitiven Stils aus der Gegend unmittelbar bei der Hafenstadt Veracruz (35) aus
Mistequilla (36), dem Cempoallan- (37) und rl uxtla-Gebiet (38) wiedergeben. Auch in der Huaxteca-Sam l ^
des Berliner Museums ist der Typus häufig vertreten.130 ' ' 1111 11
ng
Der primitiven Kultur gehören auch plumpe Steinfiguren an, oft nur rohe Steinklötze, denen man dur •
gehauene Löcher und Furchen Ähnlichkeit mit menschlichen Gesichtern und Gestalten gegeben hat. Selbst l • j **
besseren Stücken sind die Gliedmaßen noch nicht vom Körper losgelöst, sondern liegen ihm winklig gebogen C 611
vertreten, in Totonaca
Augen wölben sich gewöhnlich halbkugelig vor.131 Auch dieser Typus ist an der Küste
besonders durch die rohen, eiförmigen Köpfe, Büsten und Hockerfiguren der Gegend von Misantla, Jico und Ato
tonilco, die im 3. Kapitel des 2. Abschnitts (Bäßler-Archiv VII S. 36/37) beschrieben worden sind.
an; die
pan
4. Maya.
■ d Schichtung der Kulturen nunmehr hinabgestiegen bis zu den ältesten Zeiten. Alle bisher be
Wir sind m der Schichtung paralle,enj ihre nächsten Verwandten, ihre Wurzeln auf dem be-
trachteten Elemente der mg würde nioht vollständig sein, wenn sie die starken und nachhaltigen Be-
nachbarten Hochto . “ . _ außer Betracht ließe.
lüsse, die von den Ai y < » teca, während die späteren Teetihuacan-Typen (vgl. Anm. 122)
nur in der Nähe der Wasserläufe auftreten (Id., i. Zeitschr,
Ges Erdk. 1924, p. 216). Das entspricht ganz den Anschau-
ungen Spin de ns von dem Ackerbau der „archaischen“ und
der späteren Zeit. — Spinden hebt richtig hervor, daß die
primitiven Tonfiguren von Totonacapan und Cotastla das
Durchschnittsniveau der primitiven Kunst überragen und
wahrscheinlich eine späte Phase derselben darstellen (Anc.
Civil, p. 149).
i3i Spinden 1. c. p. 55-57 mit PI. Via und YIII a. Vgl.
auch Staub über die Steinidole der Huaxteca, die eine
Entwicklung vom Halbrelief zur vollen Rundplastik zeigen
(El Mex. Ant. I p. 231/2).
flüsse, die von den Maya ausgingen, außer Betracht ließe
130 Die weitaus größte Zahl von Köpfen und Figuren dieses
Typus, die das Berliner Museum besitzt, stammt aus der
Huaxteca und aus dem Kanton Tuxtla. Auch die Stücke aus
der Umgegend von Alvarado die Batres (Papaloapan Lim.
XIX, 2; XXVI, 1 und 4) abbildet, gehören hierher. Strebei
bildet Altmexiko I Tal. IV, 1 einen Kopf dieses Typus aus
Ranchito ab, bei dem ihm bereits die „sehr abweichende Tech-
nik“ auffällt, und schildert dann Altmexiko II p> 57 treffend
diese eigentümliche Technik, die beim Modellieren der Fi-
guren angewandt ist. Über die primitiven, durchweg frei
modellierten Tonfigürchen der Huaxteca („pastillage “-Typus
im Gegensatz zu den in Formen gemachten Tonfigürchen des
QSei?TliefCt'Typus) cf> Staub b E1 M®x- Ant. I p. 220 222/3
ie in en sich mehr in trockenen Gebieten der inneren Huax-
WALTER KRICKEBERG
5ß
Die Frage, wie weit die Einflüsse der Mayakultur reichten und wie stark sie auf die mexikanischen Völker gewirkt
hat, ist noch immer sehr umstritten. Eduard Seler hat gegenüber Förstemann stets den Standpunkt vertreten,
daß die Maya kulturell in hohem Maße von der mexikanischen Kultur abhängig gewesen und daß insbesondere Schrift
und Kalender Schöpfungen der ältereii Nauavölker (Tolteken) seien; die Toltekenzüge längs der großen, von Cholula
nach Tabasco und von da weiter nach dem Fetén und nach Honduras führenden Handelsstraße hätten im wesent-
lichen erst die Blüte der großen Zentren der Mayakultur an dieser Straße hervorgerufen.132 Mit großem Nach-
druck verficht diese Anschauung j etzt W. Lehmann, der alttoltekische Kalenderwissenschaft und Schrift entweder durch
tzapotekische Vermittlung oder direkt vom innern Golfwinkel (der alten Provinz Cuetlaxtlan) zu den Urmaya
gelangen läßt, die von da an überhaupt erst ihren kulturellen Aufstieg nehmen, während sie vorher etwa auf der Stufe
derHuaxteken standen: ,, Von Maya-Kultur kann überhaupt erst seit Befruchtung der Maya durch toltekische Kultur
(alten und neuen Stils) die Rede sein.die ,Kultur', d. h. die höhere Gesittung der Maya sowie anderer Urbewohner
beginnt erst seit Berührung mit den Tolteken“.133
Einen gerade entgegengesetzten Standpunkt nehmen in dieser Frage die amerikanischen Gelehrten ein, die sich
seit Bowditch und Holmes mit besonderem Eifer der Mayaforschung gewidmet und auf diesem Felde bereits wichtige
Ergebnisse erzielt haben, auf dem Gebiete der Inschriften besonders S. G. Morley, auf dem der Kunst H. Spinden.
Sie weisen den Maya die Rolle der großen Kulturnation Mittelamerikas zu (— der Griechen der neuen Welt, wie sie
Spinden genannt hat —), die der ehedem gleichmäßig über die trockenen Hochländer Méxicos verbreiteten, einen
niederen Ackerbau treibenden ,,archaischen“ (= primitiven, s. o.) Kultur erst den mächtigen Anstoß zum Aufstieg
gab,134 indem sie sie in die fruchtbaren Tiefländer verpflanzte, wo der Mensch der üppigen Vegetation nur in
organisierter Arbeit, in größeren staatlichen Verbänden Herr werden konnte. Dieser soziale Faktor und der wirtschaft-
liche — der Reichtum einer verschwenderisch üppigen Natur — machten bald zahlreiche Kräfte zur Entwicklung einer
hohen geistigen Kultur frei, die auf dem Gebiet der Zeitmessung und Gestirnbeobachtung auch von unmittelbarer Bedeu-
tung für den Bodenbau wurde. Die Wiege der hohen Mayakultur stand an der mittleren Golfküste, wo im KantonTuxtla
das älteste datierte Mayadenkmal (die Nephritstatuette eines vogelköpfigen Gottes) gefunden worden ist. Die Schrift-
zeichen dieser Statuette sind zwar noch plump und primitiv, aber sie zeigen doch schon Mayastil, was nicht der Fall
wäre, wenn die Schrift von den Tolteken stammen würde. Dementsprechend sehen denn die amerikanischen Gelehrten
in Schrift und Kalender der übrigen mexikanischen Völker durchaus Erzeugnisse des Mayageistes und weisen dabei
auf den weit komplizierteren, geradezu raffinierten Ausbau beider bei den Maya und auf deren erstaunliche mathe-
matische und astronomische Kenntnisse hin, die in der Tat die vieler altweltlicher Kulturvölker in den Schatten stellen.135
Der Gegensatz zwischen beiden Anschauungen beruht vor allem auf chronologischen Fragen. Das Problem
der toltekischen Chronologie, die Lehmann für weit gesicherter hält als die der Maya,136 worin ihm wohl nur wenige
folgen werden, ist bereits im 2. Kapitel dieses Abschnittes kurz behandelt worden; auf die Chronologie der Mayamonu-
mente kann hier natürlich nicht eingegangen werden, und ich begnüge mich mit dem Hinweis, daß die Ansätze bei
Lehmann 800—1000 Jahre später liegen, als bei Morley, und daß die in den ,,Büchern des Chilam Balam“ überlieferten
Zahlen für die erste Besiedelung Chich’en Itzas durch die Itza von Südosten (Bacalar) her, 584 bzw. 642 p. C., von
Lehmann statt auf Maya auf ,,Alttolteken“ bezogen werden, die damals bereits als hochkultivierter Stamm im Motagua-
tal gesessen hätten. Der Zeitraum von 300 bis 1500 p. C. erscheint Lehmann hinreichend für die Gesamtgeschichte
einer Kultur, die mit ihrer Kunst, ihren Dutzenden von gewaltigen Ruinenstädten und Monumenten, ihrer priester-
lichen Wissenschaft den altv eltlichen ebenbürtig war, während der Entwicklung der „Tolteken“ und ihrer Epigonen
ein Spielraum von mindestens 500 vor bis 1500 nach Christus gegeben wird.137 Das höhere Alter der Mayakultur wird
von Lehmann auch mit archäologischen Tatsachen bestritten: mit dem guten Erhaltungszustand der südlichen
(älteren) Mayastädte und mit dem barocken Stil ihrer Plastik. Aber der Urwald, der nach der allmählichen, friedlichen
132 Selers Ansicht stützt sich in der Hauptsache auf Namen und
Formen der Tageszeichen, ferner auf den Jahresanfang und den
Yenuskult der älteren („toltekischen“) Nauavölker der Küste.
(G. A. I p. 365/6, 695/6, 702—705; II p. 25—27). Doch hat
Seler auch die Möglichkeit zugegeben, daß der Kalender bei
den Tzapoteken entstanden sei, deren Tageszeichen eine Art
Mittelstellung zwischen denen der Mexikaner und Maya ein-
nehmen (G. A. I p. 520, 534, 553/4; Wandgemälde von Mitla
p. 17, 21/2, 27). Auch H. Beyer nennt die Naua die Schöpfer
des Tonalamatl und damit der ganzen geistigen Kultur
Mexicos und Mittelamerikas (bei Gamio, Pobl. del Valle de
Teotihuacan I p. 276).
133 Lehmann, Zentral-Amerika II p. 839; Id., Seler-Festschrift
p. 293, 303, 307, 314, 315. An einer Stelle, wo L. vom chia-
Paxrekischen Kalender spricht (Zentral-Amerika II p. 876),
scheint auch er eine andere Möglichkeit ins Auge zu fassen.
Natürlich sind die Angaben im Popol Vuh und in den Cak-
ehiquel- Annalen über die Herkunft aller Kultur aus „Tulan“
aus dem oben (S. 32) genannten Grunde nicht beweiskräftig.
134 In Tuxtla und im Uloa-Tal (Honduras), also an den Rändern
des Mayagebietes, bildet die „primitive“ Kultur nach dem
Ausweis der Funde offensichtlich die Unterlage der späteren
Mayakultur, und auf den Hochländern von Chiapas und Gua-
temala ist sie sogar anscheinend nicht einmal durch diese
verdrängt worden (vgl. die zahlreichen „primitiven“ Stein-
skulpturen bei Seler, Die alten Ansiedlungen von Chaculä).
In dem Fundament zweier Stelen von Copan hat man zwei
„primitive“ Skulpturen, ähnlich denen aus dem Hochland von
Guatemala, vermauert gefunden, offenbar als ehrwürdige und
daher als heilig angesehene Relikte der Vorzeit. Cf. SpinCien-,
Anc. Civil, p. 69, und Morley, Inscr. at Copan p. 421/2.
iss Ygh besonders Spinden, A Study of Maya Art (1913);
Morley, The Rise and Fall of the Maya Civilization (1917);
Id., The Inscriptions at Copan (1920); Spinden, Ancient Civi-
lizations of Mexico and Central America, Second Ed. (1922).
136 Lehmann, Seler-Festschrift p. 313 »• (“die toltekische
Chronologie ist von der der Maya durchaus unabhängig und
für die letztgenannte die Grundlage ) und 315 („die best-
beglaubigte absolute Chronologie reicht jedoch bei den Tolteken
viel weiter zurück als bei den Maj a ).
137 Lehmann, Zentral-Amerika II p. 1087/8; Id., Seler-Fest-
schrift p. 310—315 und 318/9.
DIE TOTONAKEN
57
Aufgabe dieser Städte hochschoß, war weit eher ein Schutz vor schädlichen Natureinflüssen und feindlicher Begehrlich-
keit, alsein Zerstörer, und die „flamboyancy“ des Stils der späteren Mayakunst des Südens darf doch nur relativ, nicht
absolut als junge Erscheinung der Stilentwicklung gewertet werden, denn sie tritt beinahe mit Notwendigkeit in jeder
Kultur auf, deren Kunst sich lange Zeit hindurch in klassisch-ruhiger Formensprache bewegt hat und ihrer überdrüssig
geworden ist.138
überhaupt spricht die archäologische Sachlage urehr zugunsten der
Es ist anzunehmen, daß ebenso Wie Bilderschrift und Kalenderwesen auch*^ ^ weftUn verbreitet worfen
hohe religiöse Plastik in einem bestimmten Gebiet Mittelamenkas entsta d Torausgeeilt; ihre Eeliefkunst hat
sind. In beiden sind die Maya beträchtlich allen anderen amerikanisch ^ ^ pers“ektive und Komposition
in der Darstellung des menschlichen Körpers, m dem omament ^ überlegen zeigen. Daß diese wahrhaft
Leistungen aufzuweisen, die sie manchem altweltlichen o y..pier ausüben mußte, ist nahezu selbstverständlich,
hohe Kunst einen tiefgehenden Einfluß auf alle umwo nen ^ Anregungen von ihr empfangen;139 auch die Bilder-
Tatsächlich hat ja auch die tzapotekische Kunst ic s Mayaelemente haben sich über das tzapotekische
schrift der rIzapoteken ist von der der Maya a ang Qhalco, ja nochbisTeotihuacan und Tula, wo übrigens
Gebiet noch weiter nach Norden, übei Xochica ^ worden sind, verbreitet: die Zahlenschreibung (ein wagerechter
auch echte Mayaskulpturen als Importstücke ge unc^^ ^ annähernd gleich großes Feld reduzierten Hieroglyphen.140
Balken für die Ziffer fünf) und die Umrahmung e^ Xochicalco bis auf das mexikanische Hochland zu ver-
Auch in Relief- und Rundplastik sind Mayaem^u ^ der Xochicalco-Reliefe und an einen bestimmten Typus
folgen; ich denke hier besonders an die si zeI^unde und wulstigen, aufgeworfenen Lippen, häufig auch mit konisch
rundplastischer Menschenfiguren mit breitem iranischen Hochland verbreitet und schon von Seler als Import
zugespitztem Schädel, der von Chiapas bis zum m
aus dem Süden angesehen worden ist. Untersuchungen bedürfen, um zu entscheiden, bis zu welchem Grade Teoti-
Natürlich wird es noch eingehender ^ waren.142 Auch die Maya haben von Norden her manche An-
huacan- und Nauakultur der Maya^ nr° mexikanigche Eiemente in größerer Zahl im Mayagebiet auftreten, wie in
regungen empfangen.143 Schnittes), Santa Rita, Santa Lucia Cozumalhuapa, heben sie sich völlig klar
Chich’en Itza (vgl. Kapite 2 iese^ ihrer Maya-Umgebung ab, ganz so, wie die mexikanischen Sagenelemente
und unzweideutig als etwas rem^ ^ Cakchiquel Guatemalas. Alle diese Elemente sind gegenüber der einge-
in den Überlieferungen e^ar jüngeren Datums; sie fügen sich recht gut in den Rahmen der Toltekenexpansion,
wurzelten Mayakultur o en ^ ^ Jahrhundert erfolgt ist. Darüber hinaus ist nun ein sehr viel älterer und tiefer
die wahrscheinlich erst ^ he^t Kunst auf die Maya behauptet worden, der sich in den Fresken Palenques, den großen
gehender Einfluß „tolte 1S°n yucatans und sogar in einem so spezifischen Erzeugnis des Mayageistes, wie den sog.
Maskenfassaden der Bau en iften der großen südlichen Mayastädte, äußern soll.144 Aber das von Seler heran-
Zahlkopfhieroglyphen auf den
iss Lehmann, Seler-Festschrift p. 313, 315. Hierzu Morley,
Inscr. at Copan p. 442 sq. über die Ursachen der Abgabe
der südlichen Mayastädte und Spinden i. Proceed. XIX.
Intern. Congr. Amer. (Washington 1917) p. 166 sq. über das
allmähliche Anwachsen der ,,flamboyancy . Der barocke
Stil ist in der altweltlichen Kunstgeschichte zu ganz ver-
schiedenen Zeiten aufgetreten, z. B. in der Amarnazeit
Ägyptens, der späteren römischen Kaiserzeit, der Spätgotik
und im 17./18. Jahrhundert, also stets am Ende und
Höhepunkt einer langen kulturellen Entwickhmg.
iss Spinden, Maya Art p.221—227; Id., Anc. Civil, p. 141—144.
Hauptsächlich kommen hier die Bauten und Skulpturen vom
Monte Alban und die Grabplatten von Etla und Zaachila
in Betracht; Mitla ist jünger und zeigt „toltekische“ Einflüsse,
wo Ich habe bereits in Anm. 80 dieses Abschnittes auf eine
Gruppe von Altertümern des mexikanischen Hochlandes ver-
wiesen, die mit Xochicalco verwandt ist und „archaischen“
Nana-Stil zeigt; die gleiche Gruppe weist auch die erwähnten
Mayaelemente auf (die „Fünferbalken“ auch Cod. Fejerväry-
Mayer und Cod. Cospi). Vgl. auch Holmes, Arch, Studies II
p] 50 (Onyxtafel aus dem Chalco-Gebiet). Offenbar war der
Fünferbalken“ schon in der Teotihuacan-Kultur bekannt;
Beyer i. El Mex. Ant. I p. 211 sq. und Id., b. Gamio, Valle
de Teotihuacan I P- 28L fl£- 131- — Mayaimportstück in
Chalco: Seler G. A. lü P- 456, in Tula: Peiiafiel Monum.
Atlas I Läm. 169 (- Charnay, Anc. Villes p. 74), in Teoti-
huacan: Gamio 1. c. Läm. 132a.
141 Caec. Seler, Auf alten Wegen p. 129; Lehmann,Altmex.
Kunstgesch. Taf. 32 u. 33; Seler G. A. V p. 434; Danzel,
Mexiko II Taf. 66 u. 67. — Die stilistische Verwandtschaft der
Xochicalco-Reliefe (vgl. auch Batres, C. de las Escalerillas
p. 24, fig. 7) mit der Mayakunst tritt besonders bei einem
Vergleich mit der sitzenden Figur der in Anm. 140 erwähnten
Muschelschale von Tula hervor; die Sitzweise (mit unter-
geschlagenen Beinen) ist auch für die Teotihuacankunst,
dagegen nicht für die Nauakunst typisch (Beyer b. Gamio
1. c. p. 289). Nach dem Süden weist auch die merkwürdige
Reliefplatte von Chapultepec (Lehmann 1. c. Taf. 30). Die
Verbreitung eines häufigen Göttertypus der altmexikanischen
Kunst (Menschengesicht in Schlangenrachen) führen Gordon
(i. Transact. Dep. Arch. Univ. Penns. I, 3; p. 131 sq.) und
Spinden (Maya Art p.221) gleichfalls auf die Maya zurück.
142 Ich halte die Auffassung Spindens, der den ganzen kul-
turellen Aufstieg der älteren mexikanischen Hochlandsvölker
auf den „quickening effect of Mayan contact“ zurückführt
(Anc. Civil, p. 154, 156—158), noch entschieden für verfrüht.
Spinden gibt selbst bei manchen architektonischen und
ornamentalen Elementen (Ballspielplätze, Sonnensymbol,
„Zeichen der Rede“; zu letzterem vgl. auch Beyer b. Gamio
1. c. p. 288/9, 292/3) rein nördlichen Ursprung zu. — Im Gegen-
satz zu Spinden ist Gamio der Meinung, daß die Teotihuacan -
kultur der Mayakultur lange vorausging, da jede Spur gegen-
seitiger Beeinflussung fehle (Pobl. del Valle de Teotihuacan
I p. LIX —LX). Da das letztere nach dem oben Gesagten doch
nicht ganz zutrifft, möchte ich lieber an der Gleichzeitigkeit
beider Kulturen festhalten.
143 Cf. Beyer i. El Mex. Ant. II p. 84 sq. über den Stufenmäander;
Id., bei Gamio 1. c. p. 284/5 über das Jahressymbol.
144 Sei er G. A. V p. 482 — 486; Id., Beobacht, und Studien i. d.
Ruinen v. Palenque p. 112—124; Id., Die Quetzalcouatl-
Fassaden yucatek. Bauten p. 69 sq. Lehmann, Seler-
Festschrift p. 301, 302, 303, 308/9, 314, 319.
58
WALTER KRICKEBERG
gezogene Teotihuacan-Ornament ist schwerlich mit einer Zeichnung in den unteren Freskenschichten von Palenque
identisch, sondern mit einer häufig inXochicalco auftretenden, also „mayoiden“ Hieroglyphe,145 und auch für die sog.
Quetzalcouatl-Fassaden Yucatans scheint mir der Beweis ihrer mexikanischen Herkunft nicht erbracht. Und selbst
wenn es sich hier um „toltekische“ Elemente handeln würde, so sind sie doch auf zweifellos typischen Mayabauten
(und zwar einer verhältnismäßig späten Epoche) angebracht worden, so daß auch dann die Priorität der Mayakultur
gesichert wäre.
Als die „Tolteken“ auf der alten Handelsstraße in die Mayaländer vordrangen, fanden sie entweder die südlichen
Mayareiche, deren Wohlstand sie offenbar nach dem Süden gelockt hatte, bereits in voller Auflösung, oder, was wahr-
scheinlicher ist, die klassische Zeit der älteren Mayakultur, die die mächtigen Städte des Südens hervorrief, war über-
haupt schon vorüber. Urwald bedeckte die Gegenden, wo sie einst geblüht hatte, und Morley berechnet, daß das Petén
nahezu 800 Jahre verödet war, ehe es nach der Zerstörung Mayapans von Norden her wieder besiedelt wurde. Daher
haben die Naua (ebenso wie die Spanier 1525) so wenig Widerstand auf ihrem Zug nach Süden gefunden und so
geringe Spuren in den Städten des „Alten Reiches“ der Maya hinterlassen. Nur im Norden, wo seit etwa 1000 p. C.
eine Art „Maya-Renaissance“ eingesetzt hatte, nisteten sie sich in den Mayastädten ein und drückten den Bauten
den Stempel ihres nördlichen Kunststiles auf, nicht ohne dabei selbst manche von der alten Mayakunst empfangene
Anregung zu verarbeiten.146
Die ganze Frage: Tolteken oder Maya ? rührt in letzter Linie an das Grundproblem der Amerikanistik, das Problem
der Entstehung der Hochkultur in Amerika. Wer sich, wie W. Lehmann, für die Tolteken entscheidet, der muß die
Wurzeln aller höheren amerikanischen Kultur im Pueblogebiet oder noch weiter nördlich, wo die Vorfahren der Naua-
völker saßen, suchen.147 Alle Tatsachen der nordamerikanischen Völkerkunde beweisen aber, daß die Bodenbau-
kulturen im Pueblogebiet sowohl wie im südöstlichen Nordamerika primitive Grundlagen hatten und daß Agrikultur,
Töpferei, Weberei, Steinarchitektur, Stein- und Tonplastik wie alle sonstige höhere Kultur aus dem Süden kamen,
aus Mittelamerika, der Urheimat des Maises.148 Dieser Urheimat haben die Maya zweifellos seit alters nahe gesessen,
und es liegt daher viel näher, im Mayagebiet den Brennpunkt und das Ausstrahlungszentrum aller höheren
amerikanischen Kultur zu suchen. —
Am nachhaltigsten ist die Wirkung der Mayakultur in der historischen Zeit an der mexikanischen Golf küste
gewesen, denn hier haben wir eine alte Maya-Urbevölkerung vorauszusetzen, die zwar später durch Totonaken,
Olmeken und Mexikaner (Tolteken und Azteken) überlagert wurde, in der Kultur dieser Völker aber sehr deutliche
Spuren hinterließ. Das soll im folgenden an archäologischen und ethnographischen Tatsachen gezeigt werden.
Daß die Verbreitung der Maya längs der Golfküste in ferne Zeiten hinaufreicht, beweist die Existenz des Maya-
stammes der Huaxteken, der noch heute in den nördlichen Strichen von Veracruz und im Südosten von San Luis
Potosí anzutreffen ist, ehedem aber, wie Ortsnamen und Funde beweisen, das ganze Gebiet vom 21. bis zum 23. Grad n. Br.
und von der Golfküste bis 80° w. I.. eingenommen haben muß. Die räumlich nächsten Verwandten der Huaxteken,
die Chontal, wohnen 750 km entfernt von ihnen in Tabasco bis zum Rio Seco im Westen. Zwischen den beiden Völkern
klaffte zur Zeit der spanischen Entdeckung eine breite Lücke, die von lauter Nationen anderer Sprachen und anderer
Kultur ausgefüllt wurde, von denen es z. T. sicher, z. T. mindestens wahrscheinlich ist, daß sie ehedem auf den benach-
barten Hochländern wohnten und erst infolge großer Völkerverschiebungen an die Küste gedrängt worden oder freiwillig
ausgewandert sind, wodurch die Huaxteken von dem Hauptstamm abgeschnürt wurden. Die Zeit, da dies geschah,
muß sehi weit zuiückliegen. Denn erstens entfernt sich die huaxtekische Sprache in ihrem Wortschatz am weitesten
von allen übrigen Mayasprachen und hat einen sehr altertümlichen Charakter,149 zweitens ist der große Abstand auf
kulturellem Gebiet in Betracht zu ziehen. Die Huaxteken haben als einziger von allen Mayastämmen an dem
kulturellen Aufstieg der übrigen nicht teilgenommen. Weder von der großartigen Architektur, noch von der hoch-
stehenden Plastik, noch von dem scharfsinnig ausgedachten Schrift-, Rechen- und Kalendersystem der östlichen Maya
findet sich bei ihnen eine Spur. Sie sind ein halbes Naturvolk geblieben, roh und primitiv in ihren Sitten, dabei
kriegerisch wie ein echter Wildstamm, verachtet, aber auch gefürchtet von den zivilisierten Hochlandsbewohnern.
Her Stil ihrer Töpfereien und Steinskulpturen behauptet eine starke Eigenart und hebt sich scharf von dem Stil aller
145 Cf. Seler G. A. II p. 139 — Pe nafiel, Monum. Atlas II Läm.
185 u. 186. Das betreffende Teotihuacan-Ornament erscheint
übrigens in T. so vereinzelt und in so merkwürdig stereotyper
Form, daß Seler hier selbst von einer ,,Hieroglyphe“ spricht;
Hieroglyphen aber sind sonst der Teotihuacan-Kultur fremd
und können nur aus dem Süden (Xochicalco usw.) stammen.
146 Vgl. z. B. den Seerosenfries in Chich’en Itza (S pinden, Maya
Art p. 212; Beyer b. Gamio 1. c. p. 281/2), daneben natürlich
anch die Gewölbekonstruktion der Bauten ,,toltekischen “
8tils in dieser Ruinenstadt. Seler (G. A. V p. 318) nimmt bei
dem ersteren wiederum ein umgekehrtes Verhältnis (Ent-
lehnung seitens der Maya) an, was ich für ausgeschlossen halte.
( Auch die Kunst der Pipii von Guatemala (Sta. Lucia
Cozumalhuapa) ist vom Mayastil beeinflußt (Lehmann,
Zentral-Amerika II p. 991, 1005).
Lehmann, Altmexik. Kunstgesch. p. 19.
148 Beyer i. El Mex. Ant. II p. 233. Krause, Die Kultur der
kaliforn. Ind. (Leipzig 1921) p. 60 u. 64 (p. 53 über die primi-
tiven. Grundlagen der Pueblokultur). Wissler, The American
Indian (New York 1917) p. 27, 28, 49, 69, 100, 134, 227. Nach
Harshberger und Collins hat sich der Mais aus einer 4\ ildgias-
pflanze des Mayagebietes entwickelt.
149 Staub gip-f- -n qer Zeit sehr. Ges. Erdk. 1924 p. 216/7 hierfür
einige Beispiele. Die Berechtigung von SapPerS Annahme
einer engeren sprachlichen Zusammengehörig1-/11 < es Huax-
tekischen mit dem Chicomuceltekischen von Suc ost Chiapas
(Der gegenw. Stand d.ethnograph. Kenntms von . ittelamerika,
p. 5) wird neuerdings von Schulkr bestritten, der vielmehr
die Tzeltal als die nächsten Sprnchver wandten der Huax-
teken betrachtet (,,Ethnos“, Tercexa Epoea I, 3/4, p. 53/4,
besonders p. 54 n. 4).
DIE TOTONAKEK
59
anderen Völker Méxicos ab; sie sind offenbar wenig von ihren Nachbarn beeinflußt worden, haben aber ihrerseits
Einfluß ausgeübt, wofür mancherlei huaxtekische Elemente in der Kultur der Hochlands Völker zeugen.350
Das Huaxtekenproblem hängt unmittelbar mit der Frage nach der Urheimat der Maya zusammen. Man hat
sie bald in den Süden, auf die Hochländer von Chiapas und Guatemala, bald in den Norden, in die Huaxteca, verlegt
und dementsprechend in den Huaxteken bald einen vorgeschobenen Außenposten, bald den Rest der in der alten
Heimat verbliebenen Urmaya erblickt.151 Au s verschiedenen Gründen liegt es wohl am nächsten, die ältesten nachweis-
baren Sitze der Maya, von wo ihre Ausbreitung längs der Küste nach Norden und Süden ausging, da zu suchen, wo
nach dem Ausweis der Funde später auch ihr Aufstieg zu höherer Kultur erfolgte. in der Mitte der Golfküste, also etwa
in der Gegend von Tuxtla. Einerseits lassen sich nämlich damit die sprachlichen Reziehungen der Maya zur Urbe-
völkerung des Isthmus (Mixe-Zoque und Huave), die Radin neuerdings nachgewiesen hat,152 gut in Einklang bringen,
andrerseits machen sich gerade in der Gegend von Tuxtla unter den Funden auch huaxtekische Elemente bemerkbar,
nämlich Erdhügel nach Art der huaxtekischen „Cues“, Gefäße in „Teekannen -form und Scherben mit schwarzer Be-
malung auf weißem Grunde (huaxtekische Tatauierung in J uxtla s. u.).153 Es ist nicht ausgeschlossen, daß sich Reste der
Maya in dieser Gegend sprachlich sogar noch bis in die Gegenwart behauptet haben, wie ja auch ein Rest der ehemals
offenbar viel weiter verbreiteten Mixe noch heute im Kanton Acayucan lebt (s. o. S. 46/7); so wenigstens möchte ich,
wenn auch mit aller Reserve, eine sonst unbestätigte Notiz deuten, nach dei noch in den achtziger Jahren des
19. Jahrhunderts 440 Indianer im Kanton Tuxtla „Mayo sprachen.
Was jetzt bestenfalls nur noch in Spuren erhalten ist, spiegeln die archäologischen Funde in voller Klarheit
wieder. Die am weitesten westlich vorgeschobenen Ruinenstätten mit Bauten im Mayastil sind Comalcalco und
Bellote im Gebiet des Rio Seco, die von Désiré Charnay untersucht worden sind. Auch die Ruinen von Blasillo an
der Bai von Tonalä von der die Berichte der Teilnehmer an der Expedition Grijalvas so viel über Tempel, Schmuck-
sachen und Geräte zu erzählen wissen, sollen in manchen Einzelheiten an die von Comalcalco erinnern.155 Aber noch
weit darüber hinaus sind kleinere Altertümer von ausgesprochenem Mayacharakter verbreitet. Tonfiguren,
die iin Distrikt Tuxtla gefunden werden und die allerhand Tiere (Eule, Fledermaus, Schildkröte, Hund) und mensch-
liche Gestalten wiedergeben, ähneln, wie Seler bemerkt hat, sowohl in der Technik, als auch im Stil auffallend den
Figuren, die wir von den Ufern des Usumasinta, von Campeche und von der Insel Jaina (Yucatan) kennen. Hier
muß also ein Volk gesessen haben, dessen Vorstellungskreis und Kunststil dem der östlichen Maya nahe verwandt
waren. Wann das war, zeigt die dunkelgrüne Nephritstatuette, die man 1902 in S. Andrés Tuxtla beim Pflügen gefunden
hat und die Mayahieroglyphen auf den Seitenflächen und einen Kopf tierischer Bildung mit breitem, entenartigem
Schnabel trägt, der in ganz derselben Form auf einem Tonbruchstück aus der Verapaz wiederkehrt. Holmes hat die
Inschrift des Birdgod“ entziffert und als die älteste bisher entdeckte Mayainschrift erkannt. Der Aufstieg der Maya-
kultur in diesem Gebiet hatte eine rasche Ausbreitung nach dem Osten zur Folge; schon 166 Jahre später erscheint
die erste datierte Mayastele im Fetén (üaxactun), 600 km östlich von Tuxtla, und weitere 140 Jahre später die erste
datierte Stele in Copan, dem „Athen der neuen Welt“, 900 km östlich von Tuxtla.156
C ' Eine alte May aunterschicht ist auch in dem Gebiet zwischen dem Kanton Tuxtla und dem Fluß von Tuxpan
o in der Mistequilla, der Provinz Cotastla und dem ganzen Totonacapan, unverkennbar, was Seler schon vor vielen
Tahren Ausgesprochen hat.157 Belege dafür liefern sowohl die Funde als auch die alten Berichte über diese später
eingedrungenen „mayoiden Zwisohenvölker“. wie man sie genannt hat.«*
150 Ich verweise nur auf die von den Huaxteken stammende Sitte 86/7 („vasos con tubo de tetera“). Tm übrigen Berliner
üer vornehmen aztekschen Damen, die Zähne spitz zu feilen Museumsmaterial.
d dunkelrot zu färben, wie es ja schon im alten Rom bei den 154 Baker, Aboriginal Indian Races p. 568. Um den Cahita
T) neu Mode war, sich die Haare rotblond, nach Germanen- Stamm der Mayo, naher Verwandter der Yaqui, kann es
-T zu färben, ferner auf das huaxtekische, ponchoartige sich hier wohl kaum handeln, da deren Deportation aus Sonora
i----.1-.»„nrnolmifi aztelrisfllift -'L i------- Tn« M«YÍlrnn«r> V,qU«„ «„«u
al-t zu färben, «u- •— - , , , ,
nhereewand Quechquemitl, das auch nur vornehme aztekische
Damen und Göttinnen trugen. Seler G. A. II p. 479, 521,
984 Über den Quetzalcouatl-Kult, der in aztekischer Zeit
' Tauche huaxtekischen Züge aufwies, ist schon oben gesprochen
m den- über Tlagolteotl s. u. — Gewisse Vorkommnisse be-
W°Den daß die Huaxteken schon in der Teotihuacan-Epoche
^enger Fühlung mit den Hochlandsvölkern lebten: vgl. die
Abfindung eines echten huaxtekischen Gefäßes vom Typus
7^ Teekannen“ in Teotihuacan und die beiden, Huaxteken
6 ¡¡enden Teotihuacan-Gefäße von Jalapazco bei Seler
al V P. 508/9, 521-526.
i5i v l Sapper» üasnördliche Mittelamerikap. 390 sq. Morley,
Tnsoriptions at Copan p. 408 sq. Schullev 1. c. p. 52 sq.
- Radin i Joum. Soo. Amev. N. S. XVI (1924) p. 317-324.
Noch viel weitergehende sprachliche Beziehungen der Maya
nehmen Lehmann (nun Jioaque; Zentral-Amerika II p. 711.
780; Seler.Festschriftp.308)und Schüller (zuallen möglichen
südamerikanischen Sprachen; Anthropos XIV/XVp. 466 sq.)
an.
153 Staub i. Zeitschr. Ges. Erdk. 1923 p. 200; Batres, Papaloapan
Läm. 3 u. 4 und Del Paso y Troncoso Catälogo I p. 82,
erst 1906 begonnen hat. — Die Mexikaner haben auch auf
diese Mayareste zuweilen den Namen „Olmeken“ angewandt,
der sonst wohl das Volk der Teotihuacan-Kultur bezeichnete
(Kap. 3).’ Daher läßt Ixtlilxochitl (Rel. p. 19) die Olmeca
Xicalanca von Osten her übers Meer nach Potonchan (Tabasco)
kommen und nennt das Popol Vuh (ed. Brasseur p. 206; ed.
Pohorilles p. 68/9. Die Übersetzung ist bei beiden ungenau)
die Tepeu Oliman neben lauter Mayastäramen. Natürlich darf
man aber deswegen die Olmeken nicht durchweg mit den
Maya identifizieren, wie es Valentini getan hat.
155 Charnay, Anciennes Villes p. 154—176.
156 Seler im Führer durch die Ausstellung der Neuerwerbungen
der Amerik. Abt. des Museums für Völkerkunde zu Berlin-
Id., G. A. III p. 681/2, V p. 534. Caec. Seler i. Seler-Festschr.
p. 546, 548. Holmes, Nephrite Statuette of San Andrés
Tuxtla, im Amer. Anthr. N. S. IX (1907) p. 691—701; Id.,
i. Art and Archaeology 111(1916) p. 275 sq.; Morley, Inscr.
at Copan p. 403, 407, 411—415.
i” Seler im Intern.Archivf.Ethn.il (Leiden 1889) p. 286 — 288.
158 Lehmann, Ergehn, einer Forschungsreise p. 694/5; Id.,
Seler-Festschrift p. 304, 307.
60
WALTER KRICKEBERG
Die Altertümer dieses Gebietes zeigen nur geringe Anklänge an die Huaxteca—Erdhügel nach Art der „Cues“
in der Misantla-Gegend, Tonköpfchen huaxtekischen Stils159 —, desto stärkere Spuren hat die höhere Mayakultur
hinterlassen. Schon Spinden hat den Mayastil der Reliefplatten von Tepatlaxco und Alvarado in den südlichen Teilen
des Staates Veracruz betont und auf das Felsrelief von Maltrata hingewiesen, das die Zahlenschreibung der Maya
(„Fünferbalken4c) und die Umrahmung der Tageszeichen zeigt, ähnlich den Skulpturen von Xochicalco und
Chalco (s. o.). Die „Lápida de Tepatlaxco“ und der „Ob elisco de Alvarado“, zu denen sich als drittes, offenbar
verwandtes Stück die „Losa de Hueyapan“ gesellt (von der nur eine kurze Beschreibung existiert), gehören ihrem
Stil nach zusammen. Allen dreien ist auch gemeinsam, daß auf ihnen eine dominierende Hauptperson und eine davor-
stehende kleinere Gestalt in unterwürfiger oder dienender Haltung wiedergegeben sind. Auf der Lápida de Tepatlaxco ist
die letztere damit beschäftigt, die Enden einer eng anliegenden Binde, die den Oberkörper der Hauptperson korsett-
artig einschnürt, fest anzuziehen. Hierzu kann vielleicht als bilderschriftliche Parallele eine Darstellung im Codex
Fernández Leal (Bässler Archiv VII, Abb. 25) herangezogen werden, in der dieser Akt gleichfalls von zwei Personen
neben dem Mast des Juego del V olador vorgenommen wird. Ihrem allgemeinen Typus nach finden die drei Reliefe
indessen weniger im mexikanischen Gebiet, als vielmehr in den an Tabasco angrenzenden Ruinenstädten des Usuma-
sinta-Tals ihre Parallelen, denn hier sieht man auf den Reliefplatten häufig ähnliche Szenen. Auch die auf der
Tepatlaxco-Platte dargestellte Umwicklung des rechten Unterarms mit Binden kehrt im Mayagebiet wieder (s. u.).160
Ein anderer Stil tritt auf den beiden Reli ef platten von Huilocintla hervor, die Spinden mit denen von Tepa-
tlaxco und Alvarado zusammen nennt. Wenn es auch nicht zu verkennen ist, daß diese Reliefe in manchen Einzelheiten
einen ebenfalls fremden, nach dem Süden weisenden Stil zeigen, wie die verwandte Reliefplatte von Chapultepec (Anm.
141), so überwiegen doch Elemente des Nauastils, wie Seler gezeigt hat.161 Seler sieht in den erwähnten fremdartigen
Elementen offenbar den Ausdruck totonakischer Eigenart, da er die beiden Reliefe an die Steinjoche, Palmas undTajin-
Skulpturen anreiht. Das bringt uns auf die Frage nach Herkunft und Beziehungen der totonakischen Kunst.
Der Begriff der totonakischen Kunst wird gewöhnlich viel zu weit gefaßt. Spinden sieht z. B. als totonakisch
nicht nur die erwähnten Relief platten, Steinjoche, Palmas und Tajin-Skulpturen, sondern auch die verschiedenen
Klassen von Tonfiguren der alten Provinz Cuetlaxtlan (Ranchito-, La Soledad-, Mistequilla-Typus) und die Altertümer
der Isla de Sacrificios (offenbar die dort gefundenen Tongefäße des Cerro Montoso-Stils) an und gibt nur bei Cempoallan
eine stärkere Einwirkung des Naua-Stils zu.162 Ich habe bereits im 2. Abschnitt bemerkt, daß man von allen diesen
heterogenen Altertümern vorsichtigerweise nur die stilistisch gleichartigen Steinjoche, Palmas, Tajin-Skulp-
turen und die Relief platte von Tuzapan vorläufig als totonakisch bezeichnen sollte, weil wenigstens die Tajin-
Skulpturen in engem Zusammenhang mit einem zweifellos totonakischen Bauwerk auftreten. Alle übrigen archäo-
logischen Typen Totonacapans müssen entweder als Vorläufer totonakischer Kunstübung bezeichnet werden, wie die
Tonköpfchen und Steinfiguren des „primitiven“ Stils (Kap. 3), oder als Erzeugnisse von Nachbarstämmen (Olmeken ?),
deren Einfluß teilweise bis in das südtotonakische Gebiet hineinreichte, wie die Tonfiguren vom Ranchito-Typus,
oder endlich als Erzeugnisse einer „chichimekischen“ Herrenschicht, wie die Tongefäße des Cerro Montoso-Stils.
Betrachtet man nun die erwähnten totonakischen Skulpturen mit ihren verschlungenen Bandmustern, ver-
schnörkelten Vogel- und Reptilköpfen, eigenartigen Menschenfiguren, so fällt es sofort in die Augen, daß selbst da
wo Naua-Einflüsse auf den Inhalt mancher Darstellungen, besonders der Palmas, zu verspüren sind, doch
keinerlei Stilverwandtschaft mit der aztekischen Kunst des Hochlandes bemerkbar ist, daß diese auch technisch
vollendeten Steinskulpturen vielmehr, wie Strebei, Del Paso y Troncoso und Spinden hervorgehoben haben und Holmes
in einigen speziellen Fällen gezeigt hat, dem „flamboyanten“ Stil der späteren Mayakunst nahestehen.163 Damit ist
nun freilich über die Herkunft dieses „mayoiden“ Stils noch nicht das letzte Wort gesprochen, da ja auch, wie im vor-
hergehenden Kapitel erwähnt wurde, starke Verbindungsfäden von der totonakischen Kunst zur Teotihuacan-Kunst
des Hochlandes hinüberlaufen. Aber auch die besondere Form der Steinjoche und Palmas läßt sich bis zu den Maya
verfolgen. Man hat Steinjoche nicht nur längs der großen Handelsstraße nach den heutigen Mayaländern, sondern
auch in diesen selbst und südlich davon (in Guatemala, S. Salvador und Nicaragua) gefunden, und zwar sind sie hier
gewöhnlich unverziert.164 * * * Nicht so weit ist der Palmatypus verbreitet. Doch gehört er eng mit einer Klasse von Alter-
159 Lehmann, Ergehn, u. Aufg. p. 145-—147; Staub i. El Méx.
Ant. I p. 229. Eine eingehende Untersuchung, wie sie
Muellerried über die Struktur der huaxtekischen Cues an -
gestellt hat (El Méx. Ant. II p. 20 sq.), fehlt für Totonacapan
noch völlig, so daß der Vergleich der totonakischen und huax-
tekischen Erdhügel vorläufig nur geringen Wert hat.
160 Spinden, Maya Art p. 231; Batres, Lápida arqueológica
Lám. I, VI, VII u. p. 17, 18; Seler G. A. III p. 514/5 u.
i6 V P- 313—316; Del Paso y Troncoso Catálogo II p. 375/6.
Seler G. A. III P- 517—521. Lehmann, Altmex. Kunst-
geschichte p. 25 (Erläuterung zu Taf. 28 u. 29) nennt den Stil
dieser Reliefe „totonakisch, jungtoltekisch beeinflußt“ ( ?). —
Venn ich auch mit Beyer (El Méx. Ant. II p. 54) glaube,
daß die Reliefe die huaxtekische Tatauierung wiedergeben, so
kann ich ihm doch nicht darin beipflichten, daß es sich hier
um huaxtekische Monumente handele.
162 Spinden, Maya Art p. 222, 229, 231; Id., Anc. Civil- p.
I1!® 153. Der bei Lehmann (Altmex. Kunstgesch. P- ^4,
zu Taf. 24) als „vielleicht totonakisch“ bezeichnete Steinkopf
stammt nach Beyer (El Méx. Ant. II p. 53) aus dem Valle de
México.
163 Strebei, Steinjoche (passim): „palenkanischer stl1 ■ PM
Paso y Troncoso Catálogo II p. 326 (»0i ™ arn-
i. Beiheft der An. Mus. Nac., México 1913- Spinden, Maya
Art p. 224; ld„ Anc. Civil, p. 153. Kol«168 ’ Archaeo1- Studies
II p. 317, 318, 320.
164 Strebei 1. c. p. 14/5 (ob die Joche Taf. V, 15 und Taf. VII, 28
tatsächlich aus Yucatan stammen, ist bei den ungenauen
Herkunftsangaben der Slg- Jimeno des Berliner Museums
zweifelhaft). —- loh finde als lundplätze von Jochen im süd-
DIE TOTONAKEN
61
tümern zusammen, die in Ranchita de las Animas, Jalapa und Chalchioomula neben den Palmas gefunden worden sind,
dann aber in den südlichen Strichen des Staates Veracruz (Tlalixcoyan, Alvarado, Santiago ux a, e o aven o,
von Oaxaca und Ch.apas ganz an die Stelle der Palmas t.eten E • * Item Schnitt, beide duroh ihre
Vogelköpfe mit ausdrucksvollen Zugen. teils mehr rundplastische Kofde von gre palmaB ähnlich. Der gti,
ornamentale Verzierung und eine hintere oder untere Auskehlung, d»» au Mayaoharakter.165
dieser Köpfe mit ihren sicher und elegant geschwungenen Konturen zeigt 8 Bedeutung Ich habe im
Dadurch gewinnen auch einige andere Funde, die man in his^Amhnas^md^eine'jad^tschmuck-
1. Teil meiner Arbeit (Bäßler-Archiv VII, S. 36) einen Tondecke ihrer fi ürliohen Verzierungen für Import-
platte aus Colipa (bei Misantla) erwähnt die ich mit Strebei wegen d ^ totonakische AJ,eiten handellb
stücke aus den Mayaländern hielt. Wahrscheinlich durfte es sic merkwürdige Kombination des in der
zumal der Tondeckel zwischen den sitzenden Figuren Masken zeigt, die eine merkwürdige Kombination des m der
zumai uw . , , : Schlangenrachen mit dem aus der Teotihuacan-Kunst
Mayakunst häufigen Motivs des mensch ic len Archäologie Totonacapans auch sonst nicht Hinweise auf die
stammenden Tlaloc-Gesioht darstel en. » ‘w l ender Mahlsteine und die Manoplas (hantelartigen Steingebilde),
Mayaländer fehlen, beweisen die brettartig.Hacnen ^ die Architektur Spuren der Mayaeinflüsse bewahrt.'"
die in ähnlicher hormin Guatemala au tre e der ynstequilla-Figuren (s. u.) und der auf der Isla de Sacri-
Außerhalb Totonacapans stehenStil1 und^ besonders nahe.
ficios gefundenen zylindrischen ionbeci hisc hen Tatsachen zu. Huaxtekische Züge in der Ethnographie
Ich wende mich nunmehr c . , erwähnt worden; dabei braucht indessen keine Entlehnung von den
der Totonaken sind im 2. Absc m , jrer an die alte Mayagrundlage der Bevölkerung der Golfküste zu
Huaxteken vorzuliegen, es ist We'*c“"ographischen Tatsachen verrät.
denken, die sich auch sonst in mr formation und Zahnmutilation zu nennen; beide sind bekanntlich fur die Maya
An erster Stelle sind Ko? Zweige, den Huaxteken, überliefert. Die Kopf deformation gehört zu den
typisch und auch von lhrem gevölkerung rund um den Golf von México, einschließlich der großen Antillen, Baha-
Kulturmerkmalen, diedieJ|^™ika mit einander verbinden; ich möchte daher ihr Auftreten in der Teotihuacan-Kultur
mas und des südlichen . derKüste her zurückführen. Sie wurde schon im Bereich der mexikanischen Golf-
(s. o. S. 53) auf einen a en vorgenommen, was wohl auf Stammesunterschiede der ursprünglichen Mayabe-
küste nach verscme 9 Abschnitt (Kap. 3) habe ich darauf hingewiesen, daß sich die Totonakenund Huaxtekenin
völkerung hindeute _ ^ ^ Longheads« und „Flatheads“verhielten. Während sich die Erbauer der alten Städte
dieser Beziehung zu ^ Menché, Piedras Negras usw.) auf ihren Reliefen im allgemeinen als „Longheads“
des Usumasmta-Ge ie s K ^ ^ Schilderung Landas annehmen, daß in Yucatan eher eine Abflachung durch zwei
präsentieren, “u man dHinterkop{ des Kindes gelegt und durch Schnüre fest angezogen wurden — so fest, daß der
Bretter, die auf fetirn v1 gei; fügt der alte Autor hinzu—, erzielt wurde.169 In der Provinz Cuetlaxtlanbevorzugte
Schädel manchma geP a ,iuf der Insel Sacrificios gefundenen Schädel geradezu abenteuerliche Formen, die seit den
man nach dem Zeugnis er a in der Literatur als „Tête trilobée4 £ und „Tête bilobée“ bekannt geworden
Untersuchungen Gosses un ^ ^ gchadel) von oben gesehen, den Eindruck eines kleeblattförmigen Gebildes,
sind. Bei der „Tête tri ^iden parietalen Wölbungen und die obere Anschwellung des Stirnbeins) durch tiefe, von
dessen drei „Lappen ^ laufende Furchen getrennt sind. Selbst an einem modernen Schädel von Orizaba
der Hinterhaupts^ upp^n^h abgegchwächtj durch Hamy noch festgestellt worden. Noch interessanter ist die „Tête
ist diese De or^a ^-e gckeitelbeine durch eine breite, mediane Furche von einander und durch eine tiefe Einsenkung der
bilobee , bei
liehen Veracruz verzeichnet: Huatusco, Paso del Macho
Orizaba, Zongolica, Motzorongo, Tlalixcoyan., Tlacotlalpan
Hueyapan, Santiago und S. Andrés Tuxtla, Cuauhcuetz pal to-
pee und EI Juil.
i«5 Beispiele für beide Arten von Köpfen bei Sei er G A V
553—557 u. Taf. LXXV u. LXXVI, 1—3; Strebel', Alt-’
mexiko II Taf.XIV, 9; Fewkes Antiqu. PI. CXXI a-f, hu i-
Lehmann, IV. Bericht des K. Ethnogr. Mus. zu München
(1911) p. 98 u. 99 (Abb. 24a u. 25a); Batres, Lápida arqueo-
lógica Lám. XIII, 1 (ein nahezu identisches Stück vom
Rio Tesechoacan im Berliner Museum); Id., Papaloapan
Lám. V; Danzel, Mexiko II Taf. 29-33. Im Leipziger
Museum existiert ein interessanter Kopf dieses Typus aus
Ranchito de las Animas, im Brit. Museum aus Tabasco. Ähn-
liche Stücke sind offenbar auch die von Del Paso y Tron-
coso Catálogo I p. 79, 85 (no. 84), 89 (257) 93 /53______58)
97 (154), 98 (161) und 204 (209) beschriebenem — Vgl. auch
I aec. Seler, Seler-Festschr. p. 553, zu Taf. X, 31.
166 Daß die beiden Stücke zusammengehören, beweist die ganz
ähnliche Ausstattung und Haltung der sitzenden Figuren.
Jf- ,eC,hfk beider läßt sich durch vie]e Stücke aus dem Maya-
e egen; zu dem Tonrelief vgl. Spinden, Maya Art
p. 135/6 und Verneau i. Journ. Soc. Amer. N. S. XII (1920)
p. 1—10. Verneau führt die Dekoration „au champleve“
auf die „Tolteken“ (= Teotihuacan-Kultur) zurück, obwohl
die vollendetsten und zahlreichsten Stücke in dieser Technik
aus den Mayaländern stammen, zumal die ausgebildeten
Tonreliefe, die ich nicht ohne weiteres, wie Verneau und
Spinden, mit der viel weiter verbreiteten Technik des ein-
fachen Aushebens der Konturen auf eine Stufe stellen möchte.
— Über die Entstehung des Tlaloc-Gesichtes cf. Beyer b.
Gamio, Valle de Teotihuaean I p. 277—281 und 292.
167 Vgl. Bäßler-Archiv VII p. 41 (n. 128) u. 51 (n. 199) und oben
p. 11,12 (Cella eines Sakrariums von Cempoallan und gewölbe-
artiger Abschluß der Cella der Pyramide von Tuzapan). Das
tzapotekische Vorkommnis einer Manopla (Seler G. A. II
p. 364) möchte ich wie das Auftreten seitlich komprimierter
Köpfe im Tzapotekengebiet (ibid. p. 363) gleichfalls auf Maya-
einflüsse zurückführen. Manopla-Darstellung an einer Tuxtla-
Statuette; Lehmann, Altmex. Kunstgesch. p. 24 (zu Taf. 26).
168 Hierzu vgl. Seler G. A. V p. 322 u. 323. Man könnte aller-
dings gerade hier auch an Import (als Weihgeschenk) denken;
vgl. o. S. 44.
169 Landa ed. Brasseur de Bourbourg c. XXX (p. 180).
Abb. 40. Köpfe von Tonflöteu. Eanchito de las Animas,
Slg. Strebei. (M. Y. Berlin, 1Y Ca 14 4 62, 14 424 a, 14 010)
Abb. 41. Tonfigur, angeblich aus Miahuatlan
(Oaxaca), wahrscheinlich aus Eanchito de las
Animas (Veracruz). Slg. Höge. (M. Y. Berlin,
IV Ca G788).
Auch die Zahnmutilation tritt in mindestens zwei
verschiedenen Formen auf: als Zahnfeilung und Zahnin-
krustation. Beide waren in den Mayaländern bekannt, die
Zahnfeilung sogar in zwei Unterarten, je nachdem man
1) die Zähne einkerbte und zwischen den Kerben sägezahn-
artig spitz zuschliff, wofür der Bericht Landas171 und einige
in Yucatan gefundene Schneidezähne als Belege dienen oder
2) die beiden mittleren Schneidezähne durch rechtwink-
liges Herausfeilen der äußeren Ecken und Abschleifen der benachbarten Zähne wie in einem Nagetiergebiß hervorhob
eine Gebißform, die z.B.die Darstellungen des Maya-Sonnengottes auf Monumenten von Copan und Tonaltertümern
der Verapaz (Guatemala) stets zeigen. Die Zahninkrustation, bei der man in die Fläche der Schneidezähne des Ober-
kiefers eine runde Vertiefung bohlte und mit einem Jadeit-, türkis- oder Goldplättchen auslegte, kennen wir von
Schädeln aus Yucatan, Chiapas (nahe Palenque) und Honduras (Copan), also aus drei Hauptgebieten der kompakten
Mayaverbreitung. Wie sehr die Huaxteken auch ethnographisch den Charakter eines alten Mayastammes bewahrt
haben, wird vielleicht am besten durch die Tatsache beleuchtet, daß auch bei ihnen die Zahnfeilung in Sägeform und
die Zahninkrustation bis in die Gegenwart hinein geübt wurden; das wissen wir durch Sahagún, De la Mota Padilla,
einen Autor, der lange nach der Eroberung schrieb (1625), und Pinart, einen modernen französischen Reisenden.
Daher fällt das Auftreten beider Hauptarten der Zahndeformation bei der alten Bevölkerung von Cuetlaxtlan —
der Nagetierform an den Tonköpfen von Ranchito de las Animas (Abb. 40,41)172 und der Mistequilla (Abb. 39 a), der
Inkrustation an einem von Hamy beschriebenen Tonkopf von lejar in der Mistequilla — besonders schwer ins Ge-
wicht zugunsten der Annahme, daß hier einst Maya saßen. Auch die Totonaken haben sich dieser Mayasitte unter-
worfen, denn an Cerro Montoso-Schädeln sieht man Einkerbungen an den mittleren Schneidezähnen des Oberkiefers,
von der Art, wie sie Zähne von Loltun und Labnä (Yucatan) zeigen. Ich möchte daher die Zahndeformation auch überall
dort, wo sie außerhalb der atlantischen Küste in México auf tritt, auf den Einfluß der Maya zurückführen, sowohl im
Bereich der Teotihuac an-Kultur, in dem wir durch Lehmann einen Schädel mit inkrustierten Zähnen aus Chalchi-
comula (Distr. Jalapazco), durch Seler ein Tonköpfchen mit „Nagetiergebiß“ aus S. Miguel Amantla kennen, als
auch im Bereich der tzapotekischen Kultur, wo Figurengefäße die Einkerbungen zeigen und SaviHe unter den
Crabfunden von Xoxo (bei Oaxaca) angefeilte Eckzähne mit Hämatiteinlagen zu Tage gefördert hat. Die Schädel
Museums gleicht nach Danzel (Mex,k° tl p. 31, zu Taf. 39)
„mit den winkelig ausgefeilteu beiden mittleren oberen
Schneidezähnen und dem eingepreßten, hakenkreuzartigen
Zeichen auf der Stirn dem Sonnengotte der Mayastämme
Kinchahau“.
ми
US
DIE TOTONAKEN
, х • и Ат - г, nlbn Тярпла in Mich uac an ausgrub, hält auch Seler nicht
mit eingekerbten Zähnen, die Plancarte m der Nahe des a ^Totoelement zu -
für taraskisch, sondern schreibt sie einem rem en, emgew Küstenvölkorn verbreitete Tatauieren eine
Wie Kopfdeformation und Zahnmntüation war auch da. beete ^ ^ gleich ^ vergchie_
alte Mayasitte, und wieder stehen wir vor er mer wur '8' n be„tatauierung. Die Stichtatauierung, über deren
dene Arten dieser Deformation vorfuhren: die Stich- und die Warn
Abb. 42. Tonköpfcben und Torso einer Tonfigur. Pánuco
(M. V. Berlin, IV О 10 038 und 10 047).
Slg. Seler.
Abb. 43. Hohler, maskenartiger Tonkopf. Distrikt Tuxtla,
Slg, Seler. (M. Y. Berlin, IV О 31381).
Vorkommen bei den Yucateken Landa
und Aguilar interessante Aufschlüsse
geben,174 war so typisch fürdieHuax-
teken, dai3 sie selten bei Darstellungen
dieses Stammes in Bilderschriften und
Tonaltertümern (Abb. 42) vergessen
wird. Außer einem in Jalapazco ge-
fundenen Tongefäß vom Teotihuacan-
Typus, einigen schon länger bekannten
Figurengefäßen und Tonköpfen aus
der Huaxteca, dem Sahagün-Bericht
und einer bilderschriftlichen Darstel-
lung im ,,Codex Kingsborough“ be-
sitzen wir jetzt einen ausgezeichneten
Beleg füt die huaxtekische Tatauierung
in einer bei Consuelo (S. Luis Potosi)
gefundenen Steinfigur; diese gibt sich
durch ihre Nacktheit, die abgeflachte
Stirn, das große Loch in der Nasenscheidewand und die reiche Flächen-
tatauierung auf beiden Armen, der rechten Körperseite und dem rechten
Bein unzweideutig als Huaxtekendarstellung zu erkennen.175 Ganz ebenso
Tatauierung zeigen die Hauptfiguren der beiden Reliefe von Huilocintla
Abb. 44. Ausguß einer Tonform (oberer
Tuxtla, Slg. Seler. (M. V.
О 31573).
Teil)- Santiago
Berlin,
IV
Abb. 45. Tontigur. Yucatan, Slg. Jimeno.
(M. V. Berlin, IV О 4863).
reiche _.
173 pie Literatur über die Zahndeformationen der Amerikaner ist
schon recht reichhaltig. Ich nenne nur einige zusammenfassende
Arbeiten: Hamy, Les mutilations dentaires au Mexique et
dans le Yucatan, in „Decades Americanae“ II p. 88 — 94
Lasch, Die Verstümmlung der Zähne in Amerika, i. Mitteil.
Anthrop. Ges. Wien, 3. Folge I (XXXI), 1901, p. 13 — 22.
Bo man. Antiquités delà Région Andine delà République
Argentine, Paris 1.108, IIp. 581 589. Saville, Precolumbian
décoration of the teeth in Ecuador, i. Amer. Anthr N S. XV,
3(1913)P. 377-394. Engerrand, Les mutilations dentaires
chez les anciens Mayas, i. Revue Anthrop. XXVII Paris 1917,
p. 488-492. Van Rippen, Mutilations and décorations of
teeth among the Indians of North, Central and South America,
i. Journ. of Allied Dental Soc. XIII, New York 1917/8, p.
219—242. (Die beiden zuletzt genannten Arbeiten waren mir
nicht zugänglich). — Betreffs des „Nagetiergebisses“ vgl.
Seler G. A. I p. 729/30, 132, 854/5, III p. 613/4 und Vp. 465.
J011 ein er aus Chalco (Valle de México) stammenden Tonflöte
ei Berliner Sammlung, die ein Reliefgesicht mit dieser Zahn-
(Ölung zeigt, nimmt S. an, daß sie ,4n der Küstengegend ver-
mutlich sogar im Mayagebiete“ angeiertigt worden sen G. A.
.LanPda4c6XXII (p.120), XXX (p. 178) und XXXI (p. 182);
Sánchez de Aguilar, Informe contra idolorum cultores del
Obisp de Yucatan p. 96. - Nach Landa hätte man die Muster
zuerst mit Rußfarbe auf den Körper gezeichnet und dann ein-
gestochen während Aguilar wohl richtiger sagt, daß man
zuerst mit Steinsplittern Einschnitte machte und m diese dann
dunkle Farberde oder Kohlenpulver verrieb. Dies geschah bei
den Männern beim Eintritt der Geschlechtsreife. Die Frauen
tatauierten sieb, wohl auch erst nach dem Eintritt der ersten
Menstruation, von den Hüften aufwärts unter Auslassung
der Brüste. Zu Aguilärs Zeit (1639) tatauierten sich noch die
Cupul im westlichen Yucatan. Nach Landa tatauierte man er-
pteDiebe zur Strafe auf einer Gesichtshälfte. Das erklärt
vielleicht die einseitige Tatauierung mancher Tonfiguren.
i75 Die betreffenden Textstellen aus dem Sahagün-Ms. und das Bild
aus dem Codex Kingsborough sind bei Seler G. A. II p.
64
WALTER KRICKEBERG
die Beyer und Staub deshalb wohl mit Recht als Huaxtekendarstellungen auffassen.170 Wir haben die Stichtatauierung
ferner bei den Totonaken kennen gelernt und können sie schließlich auch im Kanton Tuxtla (im
südlichen Veracruz) belegen, von wo ein prächtiger, hohlgearbeiteter Tonkopf der Slg. Seler stammt
(Abb- 43), der mit feinen Tatauiermustern überzogen ist, die auffallend den Tataüiermustern des huaxtekischen
Köpfchens Abb. 42 gleichen. — Als Schmucknarben möchte ich dagegen die sehr merkwürdigen knöpf artigen Wülste
auffassen, die bei zwei Figuren vom Mistequilla-Typ, gleichfalls aus Tuxtla, rings um den Mund, über der Nasen-
wurzel und an den äußeren Augenwinkeln in parallelen Reihen verlaufen (Abb. 44). Vielleicht gehören auch Ein-
schnitte auf dem Oberarm sitzender Figürchen
vom Soledad-Typus, sowie leisten- und knöpf -
förmige Erhöhungen an den Brüsten zweier
weiblicher Torsi vom Cerro de Cajetes, die sich
in der Berliner Sammlung befinden, hierher.
Ähnliche Verzierungen, besonders solche der
Art, die die beiden Mistequilla-Figuren zeigen,
lassen sich bisher nur im Mayagebiet nach-
weisen: an Göttergestalten des CodexDresdensis,
Tonfigürchen aus Yucatan (Abb. 45) und Ta-
basco und Relieffiguren aus Menche.177 Ich
bemerke, daß aus dem Bereich der Teotihuacan-
Kultur bisher nur ein Köpfchen mit Tatauierung
bekannt geworden ist, und daß von den Hoch-
landsvölkern nur die Otomi tatauierten.178
Bei anderen Schmuckformen ist der Mayaur-
sprung entweder nicht so einwandfrei, wie bei
den soeben behandelten, nachzuweisen, oder
sie treten diesen drei gegenüber an Bedeutung
zurück. Zu den kunstvollen Haarfrisuren
und -rasuren der Mistequilla-Figuren (Anm.
120) lassen sich zwar auch in Darstellungen aus
dem Mayagebiet manche Parallelen aufzeigen,
doch sind gerade Haartrachten ganz analoger
Art ein so wesentliches Kennzeichen einer Haupt -
gruppe von Teotihuacan-Figürchen und -Köpfen,
daß ich sie lieber zu den Elementen dieser alten
Kultur zählen möchte.179 Das Gleiche gilt von der merkwürdigen Tracht der ,,Priesterfiguren“ von Ranchito de las
Animas und La Soledad (Abb. 41), die aus langen Leibröcken und weiten, pelerinenartigen Überwürfen besteht. Bei zwei
anderen Trachtstückender Stämme des südlichen Veracruz ist dagegen die Übereinstimmung mit Dingen, die wir von den
Maya kennen, selbst in sekundären Merkmalen so groß, daß sie unbedenklich zum Mayabestand gerechnet werden
können. Ein Ohrpflock dieses ganzen Küstenstrichs, der sowohl im Original vertreten, als auch an Tonfi-
guren aus La Soledad und Cerro de Cajetes (Mistequilla) dargestellt ist, besteht aus einem kleinen Zylinder aus
Muschelschale, Ton, Aragonit oder Knochen, der hinter dem Ohrläppchen in einen rechtwinklig nach unten gebo-
genen Fortsatz übergeht. Die eigentümliche Form gibt offenbar eine Blume mit Kelch und Stiel wieder. Zum Ver-
wechseln ähnliche Stücke, aus Muschelschale geschliffen, enthält die große Yucatan-Sammlung des Berliner Museums
(Abb. 46). Die zweite auffällige Parallele betrifft ein Kleidungsstück. Die schon oft zitierten, interessanten Ton-
figuren der Mistequilla zeigen außer Kopfabflachung, Zahnschliff, Narbentatauierung und phantastischen Haar-
trachten eine überaus reiche Kleidung. Alle Stoffe sind aufs zierlichste mit teils geometrischen, teils naturalistischen
Motiven gemustert. Schambinde und Weiberrock sind die häufigsten Formen dieser Kleidung. Bei einigen Figuren
Abb. 46. Olirschmrick besonderer Form : a Tonkopf, Cerro de Cajetes. b und c
Oberteile von Tonfiguren, El Buzön. d Ohrpflock aus Muschelschale, Ranchito
de las Animas. e dgl. aus Ton, Ranchito de las Animas. f dgl. aus weißem
Aragonit, El Ojite. g dgl. aus Knochen, Distr. Tuxtla. h dgl. aus Muschelschale,
Yucatan.’ a—f Slg. Strebei, g Slg. Seler, h Slg. Jiraeno. (M. V. Berlin, IV Ca
20 070, 19 784, 19 908, 16 516, 17 290, 18 088, 31 572 a, 6426a und b, 6434).
622/3 und V p. 156 — 158 wiedergegeben. Sonst vergleiche
man noch Seler G. A. V p. 508/9 und Tafel LIX 3, CaeciHe
Seler, Die Huaxteca-Sammlung des Kgl. Mus. f. Volk,
zu Berlin, p. 120 — 123 und Tafel XIX, und Walther Staub,
Some data about the pre-hispanic andthenow living Huastec
Indians, p. 63/5 und PI. V a —c.
176 Beyer i. El Mex. Ant. II p. 54; Staub i. Zeitschr. Ges. Erdk.
1923, p. 205/6.
177 Üble, Ausgewählte Stücke zur Archäologie Amerikas p- V2
nnd 16. Schellhas, Vergleichende Studien auf dem Felde
der Mayaaltertümer p. 212/3. Batres, Arqueol. Mexic. Läm.
III, 1 u. 2(,,tatuaje en forma de aperlado“, bei der einen Figur
am Kinn und unteren Nasenrand). Maudslay, Archaeology
II Pb 88 (Detail des bekannten Reliefs PI. 86). Maler, Re-
searches in the central portion of Usumasintla Valley PL 58.
8 pin den , Maya Art p. 150. — Oder soll man diese knöpfchen-
artigen Wülste als plastische Verzierung durch Kautschuk-
auflagen deuten ?
Seler G. A. V p. 470, Abb. 70 a. Sahagün 1. X c. 29 § 4 (III
P- 124/5).
179 Seler G. A. V p. 474/5. Das Rasieren des Kopfes in kunst-
vollen Mustern war schon, in der „primitiven Kultur üblich
(Bäßler-Archiv VII, p. 37); auch die Otomi und Tarasken
rasierten den Kopf (Seler G. A. IV p- 426; 428)- Wenn es
von den Tolteken bei Sahagün heißt, daß sie ihr Haar über der
Stirn bis zum Scheitel ausschoren, so ist hier wohl wieder, wie
so oft, an die Toltekennachkommen an der atlantischen Küste,
im Lande der Olmeoa Uixtotin, bei denen die Haarrasur
besonders üblich war, zu denken (Seler 1. c. p. 149).
die totonaken
65
Abb. 47. Tonfiguren der Mistequilla. Cerro de la^ Mesa..,
Slg. Strebei. (M. V. Berlin, 1У C» 14563 a, 14 561).
a b
Abb. 48. Oberteile von Tonfignren. Ranchito de las Animas, Slg.
Strebei. (M. V. Berlin, IV О 16746, 16749).
andern wieder mit einer schmalen,
ist der Oberkörper mit einem enganliegenden Hemd 1laufenden Binde (Abb. 47a). Obwohl diese
unter den Achselhöhlen hinweg <lue' “d einer anderen Figur des Berliner Museums sieht man sie im Verein
Brustbinde hier von Männern getragen «rd bei еш h(m Bestemdteü der Frauentracht halten, die diese
mit der Schambinde), möchte ich sie doch fur eine tragen;darin bestärkt mich eine Stelle m der Carta
Figuren, Wie die „Priesterfiguren“ von Ranchito ae schi,dert (Bäßler-Archiv VII, S. 35). Ich mache zum Ver-
deVeracruz, die offenbar die Tracht der Mistequi ^ zufolge die Frauen von Bacalar und Campeche (Yucatan) ein
gleich damit auf eine Stelle bei Landa aufmer seihöhlen durchgeführt wurde.180
Tuch quer über die Brüste legten, das unter en Golfküste scheint sich noch die Mayaeigenart erhalten zu
Auch in der Bewaffnung der Völker der nu e roh ausgeführten Tonfiguren wieder, die Strebei bei einer
. ben. Tn Abb. 48 gebe ich Bruchstücke von zwei zi anderen von demselben Stil entdeckt, in seinem archä-
Grabung im Hügel 16 von Ranchito de las Annna von den übrigen Ranchito-Erzeugnissen ab und
logischen Werk aber nicht publiziert hat. 16 v sken dar (48 a: Dämonenkopf, b: Kaninchen. Andere haben
°tellen Krieger mit höchst phantastischen ^ n nieder mausköpfen, Topfhelmen usw.), die außerdem Keule
die Gestalt von Vogelköpfen mit hohem Federüa ’ еп (4gb) eine Umwicklung des rechten Armes
d Schild, Koller mit Schulterstücken und grone etwas an die bekannten Kriegerfiguren aus Tabasco181 er-
it dicken Binden tragen. Man wird bei i iem ^ Uelmmasken von mancherlei Art trugen auch die aztekischen
m ert von denen sie aber stilistisch verschieden Form der Helmmasken dieser Tonfiguren, verbunden
KTeger der späteren Zeit. Aber die besonders p anderen Vergleich näher zu legen. Auf dem berühmten Relief
't der Armumwicklung, scheint mir doc i en treten in der fünften Reihe der Gabenbringer, die dem großen
T Saales E“ am Ballspielplatz von Chl™ e" rf. n auf, die inmitten der Mexikaner, auf deren „toltekische“
(,f J.’ der gefiederten Schlange huldigen, 1 w^fde ^g 33^ einen ganz fremdartigen Eindruck machen. Auch sie
Tracht und Bewaffnung bereits hmgf^1®^. fachen, seltsamen Formen auf dem Haupt, tragen Speere mit langer
1 ben Helmmasken von außerordent ic ^ und Retén-Gebiets, oder mit gezackter Holzspitze, führen Keulen,
Feuersteinspitze, wie die Maya des Usumas^ die auf den Reliefen von Mendié, Piedras Kegras usw.
die einem Schwertfischschwert ähn ic plizierte Umwicklung der Unterschenkel mit Riemen auf, der bei manchen
wiederkehren, und weisen daneben eine ^ ^ darauf aufmerksam gemacht, daß hier Fremdvölker dargestellt sind,
• e ähnliche Armumwicklung entspnc wed die Lapida de Tepatlaxco (s. o.) in der Landschaft Cuetlaxtlan,
6 d hat an die Olmeca Uixtotin ge , ^ derselben Umwickhmg des rechten Unterarms und Unterschenkeis
Im alten Lande der OlmecaUixtotin ei » d„ bedeutet, was vielleicht gerade auf diese ethnographische
und weil Cuetlaxtlan auf Deutsch » mexikanischer Zunge nicht kannten, Bezug nimmt.18* Zahlreiche
i.0 ’ tümlichkeit in der Panzerung, die die Л о hinzutreten, lassen indes keinen Zweifel bestehen, daß wir es
Eigentumn die zu den bereits erwähnten hinzmiet ,
Einzelheiten des r ’ dieser Küste war.
VXK1 (P. 185/6). — Di© Musterung der Klei g ш c{ Hamy ^ Galerie Américaine I PI. XXIV, 71 u. 72.
reo Landa c..^ a ;Figureil) sowohl die ge0metrische. a 182 geler q_ a_ у p. 312—316. Lehmann glaubt in den
stäche der ist in dem Stil der Textilornamen 1 begleitenden Hieroglyphen der Figuren die ebenfalls nach
auch die natural > ^ vAp.väber besonders Spinden, Maya ® _ . л— ---~~ ir\ -
auch die naturalistiscne, w» **-
der Maya gehalten (vgl. hierüber besonders Spinden, Maya
Art p. "147—150). Ich bin der Meinung, daß nicht nur die
Form der Kleidung, sondern überhaupt die ganze, hochent-
wickelte Weberei der atlantischen Küstenstämme (vgl.
Bäßler-Archiv VII, p.41)ein Erbteil der altenMayabevölkerung
ÖeitJI VT. rx. V U’ — ----
begleitenden Hieroglyphen der Figuren die ebenfalls 1
Cuetlaxtlan weisenden Ortsnamen Auiligapan (OrizabaWMi
quiyetlan, Mixtlan, Tonatiuhco zu erkennen (Seler-FesL
Schrift p. 312, 316 n. 3). Diese Lesung ist aber sehr zweifel-
haft,
5 Baessler-Arcliiv.
66
WALTER KRICKEBERG
mit Darstellungen von Maya zu tun haben, Abordnungen von Städten, die sich den mexikanischen Gewaltherren
Yucatans beugen mußten und nach Chich’en Itza kamen, um dem mexikanischen Gotte zu huldigen; so wie noch später-
hin, als die Mexikaner längst vertrieben waren, Abordnungen aus allen Provinzen Yucatans nach Maní zum Feste
Kukulcans (= Quetzalcouatls) kamen, um ihm allerlei Gaben darzubringen, darunter Federbanner, wie sie auch
die Führer der Gabenbringer in der vierten Reihe (vor dem Idol) in der Hand zu halten scheinen.183
Neben dieser archäologischen Parallele ist noch eine Tatsache aus der Literatur bedeutsam. Im zweiten Ab-
schnitt (Kap. 4) sind unter den Waffen der Totonaken nach einer Notiz bei Petrus Martyr kupferne Streitäxte
genannt. Am „Rio de Canoas“ (wahrscheinlich dem Ausfluß der Lagune von Tamiahua) werden bei einem Scharmützel
zwischen den Spaniern der Expedition Grijalvas und den dort wohnenden Huaxteken wiederum kupferne Streit-
äxte erwähnt, diesmal von Bemal Díaz (c. 16), einem Teilnehmer der Expedition. Weiter sagt Sahagún von
den Olmeca Uixtotin des südlichen Veracruz in seinem ethnographischen Kapitel (1. X c. 29 § 10):
iniquey pan mochipa quitquitinemi yn Üavitolli yvan yn mactepuztli.......
„Diese pflegten immer bei sich zu tragen Bogen und kupferne Handäxte........“
Und endlich handelten die Soldaten Grijalvas an der Bai von Tonalä (im westlichen Tabasco) in Mengen Kupferäxte
ein, die sie wegen ihres schönen Glanzes zuerst für goldene hielten, und die aus einer Legierung (Bronze ?) bestanden
und in hölzernen Stielen staken.184 Das Mactepuztli ist eine typische Mayawaffe; es vertrat bei ihnen das Mac-
quauitl der Mexikaner, ein Holzschwert mit eingekitteten Obsidiansplittern. Landa beschreibt es unter
Beigabe einer Skizze, aus der hervorzugehen scheint, daß die Kupferklinge in einen Spalt des Stiels eingelassen war.
Solche Streitäxte sah schon Columbus neben Holzschwertern mexikanischer Herkunft am 30. Juli 1502 auf seiner
vierten Reise in einem indianischen Handelsboot, das er im Golf von Honduras bei der Insel Guanaja traf, — also bei
der ersten Begegnung, die die Spanier mit Angehörigen des mittelamerikanischen Kulturkreises hatten.180
Es würde sich wenig lohnen, den Spuren der Mayaeinflüsse auch im Bereich der gesellschaftlichen und religiösen
Einrichtungen der Küstenvölker nachzugehen, denn dazu ist unser Material zu dürftig; die Verhältnisse liegen hier
auch viel verwickelter als in der materiellen Kultur, und es bedürfte eingehender Untersuchungen, um festzustellen,
was den älteren Nauakulturen und was der Mayakultur angehört.186 Nur bei einer Götterfigur ist der Ursprung
nicht zweifelhaft. Die an der ganzen Küste verehrte und, wie wir sahen, auch den Totonaken geläufige Gestalt der
großen Erd- und Mondgöttin Tlagoiteotl ist zwar bei den Yucateken und sonstigen östlichen Maya, über deren
religiöse Vorstellungen wir verhältnismäßig wenig wissen, nicht belegt, doch lassen manche Nachrichten keinen Zweifel
daran übrig, daß der Kult der Göttin bei an deren Völkern der Mayaschicht im Vordergründe des religiösen Lebens
stand. Das einzige, was wir über die Götter der Huaxteken wissen, ist die Angabe im 6. Buch Sahagúns, Kapitel 7,
daß Tlacjolteotl bei ihnen verehrt worden sei. Deshalb hat Staub die in der Huaxteca so häufig gefundenen Steinbilder
einer weiblichen Gottheit als Darstellungen der Tlatjolteotl gedeutet und sieht wohl mit Recht in ihrem aztekischen
Beinamen Ixcuinan eine volksetymologische Verballhornung des huaxtekischen Wortes Ix-cuynim „Herrin der Baum-
wolle“ — offenbar galt Tlayolteotl als Patronin des an der ganzen Küste blühenden Baumwollbaus.187 Von den Huax-
teken stammt augenscheinlich auch die Form, die der Tlagolteotl-Kult in aztekischer Zeit in der Hauptstadt México
angenommen hatte. Denn die Diener der Göttin wurden hier icuexuän „ihre Huaxteken“ genannt, ihr Bild hatte
huaxtekischen Schmuck (Gürtelbehang aus rasselnden Schneckengehäusen), und die Kultgebräuche zeigten am Fest
Ochpaniztli, das man der Göttin im Herbst, zur Zeit der Ernte, feierte, einen ausgesprochen sexuellen Grund-
18:i Cf. Seler G. А. I p. 673. Die Arm- und Schenkelumwicklung
der Figur von Tepatlaxco ist demnach ein weiterer Beweis für
den Mayacharakter dieses Reliefs. Ich habe schon oben (S. 37)
darauf hingewiesen, daß einige der Figuren der fünften
Reihe Quetzalapanecayotl und Xiuhcouaxayacatl,
die Schmucke, welche die Tolteken an der atlantischen Küste
kennen lernten, tragen. Dadurch wird auch der Mayaursprung
dieser Schmucke wahrscheinlich. -— Eine ausführlichere
Darstellung des Obigen gedenke ich an anderer Stelle zu
publizieren.
184 Oviedol. XVII с. ]6 (T p. 530, 531); GomaraHist. Ind. c. 49
(p. 40); Id., Cron. c. 6 (p. 5/6); Itin. de Grisalva ed. Icaz-
balceta I p. 303; B. Diaz c. 16 (I p. 46/7). -— Da die Spanier
diese Äxte gleich massenweise von den Indianern erhielten
(Oviedo spricht von 39 Äxten mit einem Gesamtgewicht
von 1997 pesos und 5 tomines, B. Diaz sogar von 600), möchte
man fast glauben, daß es sich hier um eine Art „Geld“ in
Axtform handelte, ähnlich dem, das Diego Godoy in der Provinz
Coatzacoalco erhielt (Godoy Rel. ed. Barcia p. 173), und das
nach Motolinia (Mem. II c. 22, p. 330; danach Tor quernadа
XIV c. 14, II p. 560) fast die Form des griechischen Tau
hatte, ähnlich dem tzapotekischen „Axtgeld“ (Seler G. А. II
P- 365/6). -— Bei den Azteken waren ähnliche Kupferäxte
Zerernonialwaffen und Abzeichen der Musikanten (Beyer i.
r El Mex. Ant. I p. 172/3).
38j Eanda с. XXIX (p. 170). Ferd. Colombo, Vita di Cristoforo
Colombo (trad. da Alfonso Ulloa) c. LXXXVIII, p. 292:
mannarini di tagliar legna, simili a quei di sasso che usano gli
altri Indiani, salvo che questi erano di buon rame. . . . \ orher
sind deutlich Macquauitl beschrieben: spade di legno lunghe
con un canale da ogni banda de’ fili, a quali erano attaccati
con filo e pece rasoi, fatti di pietra focaia.
186 ln der Provinz Coatzacoalco gab es z. Z. der Conquista weib-
liche Oberkaziken (Cortés IV. Carta p. 274; Gomara Crón,
c- 148, p. 154); auch Doña Marina, Cortés’Freundin, hätte das
Kazikat ihres Heimatsortes Painallan (heute Jaltipan westl.
vom Coatzacoalco) geerbt, wäre sie nicht von ihrer Mutter,
die sich selbst und ihrem Sohn aus zweiter Ehe das Kazikat
sichern wollte, in die Sklaverei verkauft worden (B. Díaz c. 37,
I P- 103/4). Bei den südlichen Totonaken geboten ebenfalls
Flauen über Ortschaften (Bäßler-Archiv VII p. 46). Fiesen
möglicherweise auf Mutterrecht deutenden Verhältnissen
gegenüber zeigen die Maya Yucatans in der ersten spanischen
Zeit entschieden vaterrechtliche Tendenz; (he Stellung
der Frauen war dabei, wie bei den heutigen Huaxteken
(Schüller i. El Méx. Ant. II p. 134 u. l41/2h niedrig und
gedrückt.
187 Staub i. Zeitschr. Ges. Erdk. 1923 p. 200 und 1924 p. 228.
Bezeichnenderweise trägt TIasolteo« in den mexikanischen
Bilderschriften Baumwollsträhnuu a s i tun- und Ohischmuck
und ein Paar Spindeln im Haar,
DIE TOTONAKEN
(»7
Zug (Phallustanz der icuexuän; Pfeilopfer als symbolischer Begattungsakt; mimische Darstellung der Geburt des
Maises), der den Erdgöttinnen der Nauavölker mehr oder weniger fremd war, in den religiösen Gebräuchen der Huax-
teken dagegen eine hervorragende Rolle gespielt zu haben scheint. Darauf deuten die Berichte über die Schamlosigkeit
und Unzucht der Huaxteken und direkte Nachrichten von einem Phalluskult in der Provinz Panuco188 hin._Vielleicht
ist auch das Tocititlan oder Tociquauhtitlan, der schon ein-
mal erwähnte, eigentümlich fremdartige Tempel der Tlagol-
teotl in Tenochtitlan, der außerhalb des Weichbildes der
Stadt lag und aus einem Stangengerüst bestand (Abb. 49),
aus der Huaxteca importiert worden.
An der zitierten Stelle spricht Sahagün weiter davon,
daß Tlagolteotl außer von den Huaxteken besonders von den
Mix teca und Olmeca, d. h. den Bewohnern der südlichen
Hälfte des Staates Veracruz, wo es ja auch „Mixteca“ gab
(S. 48), verehrt worden sei,189 und knüpft daran die Bemerkung:
,,Man sagt, daß zu derZeit, da sie noch Ungläubige waren, die
Mixteca, wenn sie krank waren, alle ihre Sünden einem
Priester beichteten, und daß der Beichtiger ihnen befahl, die
Sache wieder gut zu machen, die Schulden zu bezahlen, das ge-
stohlene Gut, Wucherzinsen und durch Betrug Erworbenes
zurückzuerstatten, und, mochte es nun ein Arzt oder ein
Wahrsager sein, immer befahl der Priester dem Kranken, der
beichtete, daß er das fremde Gut, das er in seinem Besitz
hatte, zurückerstattete.“ Neben dem sexuellen Moment ist
die Beichte ein besonderes Kennzeichen des Tlagolteotl-
Kults, auch in der Hauptstadt México; wir haben bei der
Betrachtung der totonakischen Religion gesehen, wie eine
ganz ähnliche Kulthandlung bei einer der Tlagolteotl nahe-
stehenden Göttin gleichfalls eine große Rolle spielte (S. 14). —
Vielleicht ist die in dem südlichen Küstenabschnitt noch heute
nicht ganz erloschene Verehrung der Malinche (Marina), die so
häufig an die Stelle der alten Erdgöttinnen getreten ist, ein
Rest der ursprünglichen Tlagolteotl-Verehrung.190
Die Beichte und die Betonung des Sexuellen sind Dinge,
die auch dem Kult der Yucateken nicht fremd waren. Lauda
nennt die Beichte einen allgemeinen Gebrauch in Yucatan,
ähnliches erzählt Fr. Gerónimo Román aus Guatemala.191 Die
blutigen Kasteiungen an den Geschlechtsteilen, die ich schon
einmal in anderem Zusammenhang erwähnte (S. 44/5), könnten
auch für die Existenz sexueller Riten zeugen. Es fehlt hier in
Yucatan eben nur an einer Verbindung dieser Riten mit einer
bestimmten weiblichen Gottheit. Deshalb ist es für die Frage
nach der Herkunft der Tlagolteotl von so großer Bedeutung,
U
¿.
Abb. 49. Tocititlan, der Tempel der TIacoltanU „ r* ,
At*; j t2s-,» n— * 46.«
de] Palacio (nach Seler). d Codex Fejerväry-Mayer f o,
daß Sahagün zwei Völker als Hauptverehrer der Tlacolteotf nennt ja-.
das andere auch in seiner materiellen Kultur noch viele Eiven’t. /' dene" "S em echter Mayastamm ist
wenn die mexikanischen Quellen sowohl die Huaxteken als auch‘dt ^ “Tf!“”“® bewahrt hatte. Und
Gaukelkünste mächtig nennen,so ist das wieder eine Übereinstimmung6ro8e Zauberer, aller
^chtig ist. weil wir wissen, daß auch den Yucateken eine besondere Bega^bung^ür^^Zauberefnach^sagtv^irde"
Der Conquistadoranónimo, einer der Teilnehmer an Cortés’
Zug gegen die Huaxteken, berichtet (p. 387), man habe Phallen
in Tempeln und auf öffentlichen Plätzen aufgestellt, zusammen
mit Reliefbildern, die alle Arten von Wollust wiedergegeben
hätten (imagini di rilievo di tutti i modi di piaceri chepossono
essere fra l’huomo e la donna). Eine archäologische Bestätigung
dieser bestimmten Angabe war die Auffindung eines stei-
nernen Phallus in ó ahualica an der Südwestecke der Huaxteca,
von der aus Cortes in die Provinz Panuco einrückte: Nie.
León. El culto al falo en el México, i. An. Mus. Nac. II,
Época I, p. 278 — 280.
Deshalb nennt wohl der Interpret des Codex Teller.-Re-
mensis Ixcuina (= Tlagolteotl), die Regentin des T3. Tages-
zeichens, „Diosa de la Sal,“ identifiziert sie also mitUixtociuatl,
der Göttin der Uixtotin (denn diese Göttin wurde in Tenoch-
5*
titlan von den Salzsiedern verehrt). Seler T. A. p 9o (eine
andere Deutung des Namens „SalzgottnV s. o. m Anm. 24).
-o Vgl hierher Mühlenpfordt, Mejico II p. 32; Barnard,
Isthmus of Tehuantepec p. 224; Orozco y Berra Hist. III
p. 113.
191 Seler C. B. I P- 162/3.
1" Vielleicht hängt auch das mit dem Tlagolteotl-Kult zusammen.
Denn Tlagolteotl war die Göttin der Medizinen, die Repräsen-
tantin der Ärzte, Wahrsager, Zauberer, daher auch die Patronin
des 14. Tageszeichens ocelotl „Jaguar“, für das andere Listen
teyolloquani „Zauberer“ setzen; auch im Kalender der Maya
heißt das 14. Tageszeichen hiz„ yiz oder ix, was nach Ximenez
Zauberer“ bedeutet (Seler G. A. I p. 486/7). Über die
Zauberkunststücke der Huaxteken cf. Sahagün 1. III c. 5 sq„
X c 29 § 12 und Tapia Zenteno, Lengua Huasteca p. 65,
1$ 4B&
■O*
wv
68
WALTER KR1CKEBERG
Ich glaube durch alle diese Tatsachen den Nachweis geführt zu haben, daß in historischer Zeit an der atlanti-
schen Küste Stämme saßen, die wichtige Bestandteile ihres Kulturbesitzes einem oder mehreren
Mayavölkern verdankten, die einst vor ihnen längs der ganzen Küste wohnten. Ein unvermischter
Rest dieser alten Mayaschicht sind die Huaxteken und die Leute, die den ,,Bird-God“ und die sonstigen Maya-
altertümer des Kantons Tuxtla hinterließen; wahrscheinlich gehören auch die Tonfiguren der Mistequilla noch der
gleichen., unvermischten Mayaschicht an, deren letzte Reste im Kanton Tuxtla vielleicht erst in der Gegenwart
verschwunden sind. Die späteren Eindringlinge aus dem Hochland haben sich bald mehr, bald weniger von der unter-
worfenen Mayabevölkerung kulturell beeinflussen lassen, am stärksten die Bewohner der alten Provinz Cuetlaxtlan.
Gerade diese Provinz bietet archäologisch ein Bild, das an Buntheit nichts zu wünschen übrig läßt. Die große
Strebei-Sammlung des Berliner Museums enthält allein sechs verschiedene Stilgruppen figürlicher Tonaltertümer, dazu
kommt im angrenzenden Distrikt von Tuxtla noch eine Reihe anderer.193 Und dabei kennen wir doch erst die Archäologie
eines so kleinen Teiles des Staates Veracruz! Man wird am besten beim Studium dieser Tonfiguren inne, wie
bunt gemischt die Bevölkerung an der Küste war, und wie sehr sich noch lokale Besonderheiten unausgeglichen
neben einander behaupteten. Die verschiedenen Schmuckformen, die als Stammes- und wohl auch Standesmerkmale
aufzufassen sind, treten durchaus nicht in jeder Gruppe mit gleicher Häufigkeit oder Stärke auf. Die Kopfdeformation
erreicht beispielsweise ihren Höhepunkt in der Mistequilla-Gruppe, die Zahnmutilation in der von Ranchito de las
Animas. Während die Haarschur in der Mistequilla-Gruppe überwiegt, zeigen andere wieder mehr Neigung zum
Ansatzschmuck usw. Dies schwankende Verhalten möchte ich ebenso wie die sehr verschiedene künstlerische Höhe,
auf der die Figuren stehen, aus lokalen Eigentümlichkeiten erklären (wie weit auch zeit liehe Unterschiede mitwirken,
dafür fehlt uns vorläufig noch jeder Anhaltspunkt).194 Selbst der Einfluß der jüngeren Hochlandskulturen hat an
dieser Buntheit des Bildes nicht viel geändert, er hat keineswegs nivellierend gewirkt. Obgleich diese Gegenden doch
lange Zeit aztekischer Besitz waren, tritt merkwürdigerweise noch verhältnismäßig am meisten das im engeren Sinne
mexikanische Element, das doch in Totonacapan an manchen Stellen, z. B. in Pilón de azúcar, unter den Erzeugnissen
der figürlichen Keramik durchaus dominiert, hier in Cuetlaxtlan zurück. In der Berliner Sammlung von Ranchito de
las Animas, La Soledad, Mistequilla und Tuxtla ist bis auf ein paar Tlaloc-Darstellungen (die auch schon der Teoti-
huacan-Kultur angehören können) kein Stück von ausgesprochenem Valle- oder Cholula-Typus vorhanden. Der
Einfluß älterer Kulturen ist hier also stark genug gewesen, um das aztekische Element nicht auf kommen zu lassen.
73, 105 —107 ; über die der Bewohner der alten Provinz Cue-
tlaxtlan Sahagún 1. X c. 29 § 12,Tezozomoc c. 40 (p. 371/2)
und 106/7 (p. 684, 686) und Tor quemada l.ITc.78(Ip.214).
193 Cf. Caecilie Seler, Seler-Festschrift p. 546/7 und 555/6 über
die verwirrende Mannigfaltigkeit der Tonfigurenstile dieses
Gebietes.
194 Selbst innerhalb jeder Gruppe sind die figürlichen Darstellungen
von sehr verschiedener künstlerischer Qualität. Man vergleiche
z. B. die unendlich rohen Figürchen von Baños de Carrizal
(Strebel, Altmexiko II Taf. XXXI; oben Abb. 34 k) mit
den besten Erzeugnissen des La Soledad-Typus (z. B. Batres,
Papaloapan Lám. VI). In solchen Fällen liegt es natürlich
nahe, an eine allmähliche Herausbildung des Typus aus rohen
Anfängen oder an eine Degeneration des künstlerischen Emp-
findens zu denken, also jedenfalls einen zeitlichen Abstand
der beiden Typen von einander anzunehmen.
Quellennachweis
Vorbemerkung; Außer der gedruckten Literatur ist bei
der Abfassung der vorliegenden Arbeit auch ungedrucktes Ma-
terial in ziemlichem Umfang herangezogen worden. Der Ver-
fasser verdankt es der Güte seines hochverehrten Lehrers Eduard
Seler. An erster Stelle steht der aztekische Text der Sahagün-
Mss. der Academia de la Historia zu Madrid und der
Florentiner Biblioteca Laurentiana, der deshalb so
wichtig ist, weil er viel ausführlicher und genauer ist und den
alten Verhältnissen weit näher steht, als die spanische Über-
setzung. Seit langem war es der Wunsch aller Amerikanisten,
daß diese höchst wertvolle Quelle durch den Druck der All-
gemeinheit zugänglich gemacht werde. Eine von Sr. Del Paso y
Troncoso besorgte Facsímile-Ausgabe ist jetzt im Erscheinen be-
griffen, und eine Auswahl wichtiger Texte soll nach Abschriften
Selers 1926 und 1927 bei Strecker & Schroeder in Stuttgart
veröffentlicht werden.
In dem folgenden Literaturverzeichnis ist oft auf Sammel-
werke verwiesen; die wichtigsten sind folgende:
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España. 112 vols. Madrid 1842 f.
Colección de documentos inéditos relativos al descubri-
miento, conquista y organización de las antiguas pose-
siones españolas en América y Oceanía.......... Ed. Luis
Torres de Mendoza. 1. Serie. Madrid 1864 — 1884.
Colección de documentos para la historia de México....
Ed. Joaquín García Icazbalceta. 3 vols. México 1858—
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Colección de los viajes y descubrimientos que hicieron
por mar los Españoles desde fines del siglo XV. Ed. Martín
Fernández de Navarrete. 5 vols. Madrid 1825—1837.
Historiadores primitivos de las Indias occidentales que
juntó, traduxó en parte y sacó á luz, ilustrados con eruditas
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Nachträge und Berichtigungen
zum 1. Teil.
(Bäßler-Arch iv Bd. VII S. 1—55.)
Die vorliegende Arbeit wurde im Jahre 1914 abgeschlossen und 1920 ohne wesentliche Änderungen der
philosophischen Fakultät der Universität Leipzig als Inaugural-Dissertation vorgelegt. Auch die Drucklegung des
ersten leiles im Jahre 1922 erfolgte noch in fast unveränderter Gestalt. Seit dem Ende des Krieges ist eine
Reihe wichtiger Arbeiten über zahlreiche Probleme der mexikanischen Altertumskunde teils im Inlande, teils im
Auslande erschienen — ich nenne nur die Namen H. Beyer, M. Ga in io, W. Lehmann, S. G. Mor ley und
H. Spinden sowie den 4. (abschließenden) Band der „Gesammelten Abhandlungen“ Eduard Selers (| 1922)
—, die vor allem für den 3. Abschnitt des vorliegenden zweiten Teiles in Betracht kamen und dessen völlige
Neugestaltung geboten. Der erste Teil ist dadurch weniger betroffen worden, zumal in Totonacapan leider noch
immer neuere archäologische und ethnographische Untersuchungen, wie sie in der Huaxteca seit einigen Jahren
durch F. K. Muellerried, R. Schuller und W. Staub angestellt worden sind, gänzlich fehlen. Trotzdem
enthält der erste Teil natürlich manche Feststellungen, die der Ergänzung bedürfen oder nicht mehr aufrecht ge-
hallen werden können. Dazu gehören z. B. meine Folgerungen aus der Verbreitung der Steinjoche und Palmas
sowie der sog. Cholula-Keramik (Bäßler-Archiv VII, S. 20/1), die durch das oben (S. 45, 52) Gesagte zu berich-
tigen wären. Auch auf meine veränderte Auffassung in der Beurteilung der primitiven Steinfiguren (oben S. 55),
der Reliefe von Hui locintla (S. 63/4) und zweier „mayoider“ Fundobjekte aus der Misantla- und Cempoallan-
Gegend (S. 61) möchte ich hier ausdrücklich hin weisen. Einige wichtigere Nachträge mögen folgen.
S 3f. Geographie. Der nördliche Abschnitt der Golfküste ist
infolge der großen Erdölfunde (seit 1910) geographisch
gut erschlossen worden. Vgl. jetzt über die Huaxteca
W. Staub i. d. Zeitschr. d. Gesellsch. f. Erdkunde zu Berlin,
S.
Jahrgang 1923, und über den Abschnitt Nauhtla-Veracruz
E. Wittieh i. d. Verhandl. d. Naturhist.-Medizin. Vereins
zu Heidelberg, N. F. Bd. XV (Beilageheft). Eine vortreff-
]iche geographische Charakteristik des ganzen atlantischen
Gebietes bei Seler, Gesammelte Abhandl. IVp 410______413
15. Volkszahl. Nach einer Statistik von 1890 verteilt sich
die indianische Bevölkerung auf vier totonakische Kantone
wie folgt: Tuxpan 12798 (vorwiegend Azteken), Chicontepec
35869 (dgl.), Papantla 14638 (vorwiegend Totonaken),
Misantla 4414 (dgl.). Staub 1. c. p. 211.
S. 16. Sprache. Nach freundlicher Mitteihmg des Herrn Prof
W. Lehmann existiert eine neuere totonakische Grammatik
von Celestino Pati n o; auf diesen geht auch das erwähnte
unedierte Spraehmaterial zurück. — Die totonakische
Sprache wird noch von Morley (Inecnpt.one at Oopan
p. 409) und Spinden (Anc. Civilis, p. 149) lediglich auf die
Autorität Orosoo y Berras hin als .nayo.d bezeichnet.
W Lehmann weist auf gewisse, allerdings sehr gering-
tägige lexikalische Anklänge an das Mixe-Zoqne hin, rechnet
das Totonakische im übrigen aber auch au den isolierte..
Ursprachen Mexicos (Zentral-Amenka II p. 787, 788, 834
n 1 902).
S 18 Ortsnamen. Ein wie wertvolles Hilfsmittel die Orts-
namenforschung für das Studium der ehemaligen Verbreitung
eines Stammes sein kann, hat W. Staub 1. c. p. 195 sq. und
ibid., Jahrgang 1924 p. 215 sq. an den huaxtekischen Orts-
namen gezeigt. Ich finde auf der großen, oben p. 27 (n. 14)
genannten, 1919 erschienenen Karte nur folgende Namen, die
möglicherweise totonakischen Ursprungs sind: Achichipec,
Altapan, Chintapan und Taxca im Kanton Chicontepec und
angrenzenden Puebla und Talaxca im Kanton Papantla.
S 20/1. Verbreitung totona bischer Altertümer. Frau
DIE TOTONAKEN
75
Caecilie Seler erwähnt im Kanton Tuxtla Altertümer totona-
kischen Stils (Seler-Festschrift p. 545 zu Taf. V 3 und 548
zu Taf. VI 6).
S. 28. Jacales. Der huaxtekische Jacal ist eine Rundhütte mit
Kegeldach (Schüller i. El Mex. Ant. II p. 134 u. 143,
Läm. III 10), und auch in der Tierra caliente von Orizaba
und Cördova überwiegt nach Sartorius der runde J.-Typ
mit Wand aus Bambusstangen und steilem Palmblattdach
(Seler Ges. Abh. IV p. 414. Moderne Photographien im
Berliner Museum zeigen bei Hütten der Gegend von Cördova
allerdings einen mehr ovalen Grundriß). Man wird also wohl
auch bei den Totonaken runde Jacales voraussetzen dürfen.—-
Kopfbänke erwähnt auch Schüller bei den Huaxteken
(1. c. p. 143).
Abb. 51. Hieroglyphe Cempoallan. Cod. Mendoza fol. 22
no. 9 und Libro de Tributes fol. 3 no. 9. Nach Originalkopien von
H. Beyer.
S. 30f. Äußere Erscheinung. Herr Prof. H. Beyer macht
mich in einer Besprechung im Anthropos (XVIII/XIX
p. 253._257) auf zwei bilderschriftliche Darstellungen von
Totonaken aufmerksam, die mir entgangen waren, und die
ich hier nach den Kopien B.’s wiedergebe. Nur wem, wie B.,
die Originale der beiden Bilderschriften Vorlagen, konnte
allerdings erkennen, daß es sich hier um Totonaken handele.
Die erste Hieroglyphe, die ich im Bäßler-Archiv VII p. 8 n. 20
erwähnt habe, ist von dem Zeichner Kingsboroughs dafür
viel zu ungenau wiedergegeben, die zweite von Penafiel
in seiner Ausgabe des Libro de Tributes noch schlechter
reproduziert worden. B.’s Nachweis ist deshalb so wichtig,
weil er uns einerseits lehrt, daß von den Azteken die Begriffe
,, Cempoallan “ und ,,Totonaken“ synonym gebraucht wurden,
auch wenn es sich gar nicht um das totonakische Cempoallan
handelte (ähnlichTohueyö = Huaxteke; cf. Seler Ges. Abh.V
p. 157), und uns andererseits gestattet, eine Gruppe von Ton -
altertümern des mexikanischen Hochlandes (meist Tabaks-
pfeifen) als Darstellungen von Totonaken zu bestimmen. Da-
durch gewinnen wir für die Quellenangaben über totonakische
Kopfdeformation, Lippen scheiben, Ohrschmucke, Nasen-
schmucke, Haartrachten archäologische Belege, wie B. im
einzelnen gezeigt hat. Auch in der alten Slg. Uhde des Ber-
liner Museums befindet sich eine sehr gut erhaltene Tabaks-
pfeife mit der Darstellung eines Totonaken, die ich bisher
wegen ihrer Isoliertheit nicht auf diesen Stamm zu beziehen
wagte, zumal Lippenscheiben auch bei Hochlands Völkern
vorkamen (oben S. 45).
S. 35/6. Fingerringe. Zur Technik vgl. Arsandaux und
Rivet i. Journ. Soc. Amér. N. S. XIII (1921) p. 261/2 und
i. L’Anthropologie XXXIII (1923) p. 64/5.
S. 40. Palmas. Rückseite einer Palma des Museum of Natural
History in New York mit sehr interessanter religiöser Dar-
stellung („Schlangentanz“) bei Spinden, Anc. Civil, p. 152,
PL XXXb.
S. 41/2. Weberei. Schüller nennt noch die heutigen Toto-
nakinnen „las más hábiles tejedoras y muy expertas en
hermosos y artísticos bordados“. Ihre Weberei hat auf die
der benachbarten Naua Einfluß (El Méx. Ant. II p. 133, 145).
S. 46. Verwandtschaftsbezeichnungen. Auch die Huax-
teken machen ähnliche Unterscheidungen (Staub i. Zeitschr.
Ges. Erdk. 1924 p. 217). Schüller nennt die Totonaken im
Gegensatz zu den Huaxteken mutterrechtlich organisiert,
ohne sich vorläufig näher darüber zu äußern (El Méx. Ant. II
p. 147/8).
S. 47. Nagualismus. Weiteres hierüber bei Alfonso Toro,
Una creencia totèmica de los Zapotecas (El Méx, Ant. II
p. 123 sq.). Danach verknüpften die Tzapoteken ehedem
in gleicher Weise tonali! und naualli und befolgen heut-
zutage fast die gleiche Methode, den Nagual zu erkunden,
wie die Totonaken. Daß auch auf dem mexikanischen
Hochland einst ähnliche Vorstellungen herrschten, beweisen
der Bericht des Hernando Ruiz de Alarcön (Bestimmung
des Nagual aus dem Kalender) und ein Brauch beim Teotl-
eco-Fest in der Hauptstadt México; die Ankunft Uitzil-
opochtlis, der als Stammesgott gleichsam der Nagual der
aztekischen Nation war, wird durch eine Aschenstreu er-
kundet (Seler Ges. Abh. IV p. 386).
S. 51 f. Juego del Volador. Unter der Voraussetzung, daß
das Spiel ursprünglich von den „Tolteken“ stammt (oben
S. 45), hat sein Vorkommen bei den Totonaken einerseits
und bei einem mexikanischen Stamm der Gegend von
Quiotepec (südlich von Cholula) andererseits nichts Auf-
fälliges. Bei den ,,toltekischen“ Nicarao, die aus derselben
Gegend stammen, hatte es noch im 16. Jahrhundert eine
ziemlich altertümliche Form bewahrt (Oviedo 1. XLII c. 11,
IV p. 93/4 und Lám. VI). Es fand hier nach der (Kakao-)
Ernte statt, und auf der Spitze des Pfahls thronte das Idol
des Kakaogottes. Die beiden (statt der vier) Flieger waren
Knaben; der eine hielt Bogen und Pfeile, der andere Fächer
und Spiegel in den Händen, sie waren also wohl Repräsen-
tanten der Krieger und der Kaufleute, die ja in Altméxico
auf der gleichen hohen Rangstufe standen und nach dem
Tode in den Himmel der Sonne kamen. Während des Her-
abfliegens umtanzten 60 nackte Männer mit eigentümlicher
Bemalung und z. T. mit Vogelmasken den Pfahl. — Durch
freundliche Vermittlung des Herrn Dr. Staub habe ich von
Herrn W. Gugelmann (Zürich) ein paar vortreffliche
Photographien verschiedener Phasen des Spiels, wie es im
August in Papantla vor sich geht, erhalten; für die liebens-
würdige Erlaubnis, sie hier veröffentlichen zu dürfen, spreche
ich ihm an dieser Stelle meinen verbindlichen Dank aus.
Der Ausputz der Flieger, das Umtanzen des Pfahls ent-
sprechen der Schilderung von A. Breton. Der Flötenspieler
oben auf dem Mast schlägt während des Herabfliegens dau-
ernd eine kleine, an seinem Arm befestigte Trommel. Während
des Festes sind vor der Kirche Festbögen mit künstlichen
Blumen als Schmuck errichtet.
Besprechungen und Büchereingänge.
An dieser Stelle werden nach Möglichkeit die bei der
Redaktion eingehenden Werke und solche, welche dem staat-
lichen Museum für Völkerkunde in Berlin als Geschenk über-
wiesen werden, zur Besprechung resp. Anzeige kommen. Be-
rücksichtigt werden nur Werke und Abhandlungen aus dem
Gebiet der Völkerkunde und den zu ihr gehörigen Wissen-
schaften. „ . _ 1 1 X •
Die Redaktion
Sven Loven, Über die Wurzeln der Tainischen Kultur. Teil I:
Materielle Kultur. Inauguraldissertation Göteborg: Eiander
1924, IV und 453 Seiten nebst 8 Seiten Druckfehlerberich-
tigungen und 11 Tafeln. 8°.
Im Grunde genommen bedeutet das wertvolle Buch ein
Ringen mit dem Problem, auf welche Weise die Kultur einer
geographisch-ethnischen Zone erschöpfend dargestellt wird, um
ein dauerndes, handbereites Rüstzeug für die Kulturprobleme
Amerikas zu bilden, ohne daß man jederzeit auf die zugrunde
liegenden Quellen zurückzugreifen braucht, wenn man nicht
bestimmte, nur angedeutete Einzelheiten verfolgen will. Ein
verwandtes Ziel stecken sich z. B. die Bücher von John R.
Swanton, Indian Tribes of the Lower Mississippi Valley and
Adjacent Coast of the Gulf of Mexico (1911) und John M. Cooper,
Analytical and Critical Bibliography of the Tribes of Tierra del
Fuego and Adjacent Territory (1917). Solche Ziele, die ja in
den genannten beiden Büchern in ganz verschiedener Weise
in Angriff genommen werden, in vorbildlicher Weise zu er-
reichen, erscheint mir für die amerikanische Völkerkunde und
für die Ethnologie überhaupt von grundlegender Bedeutung.
Ohne daß die Frage solcher Monographien geschickt gelöst
wird und wir solche Handbücher über alle Kulturzonen be-
sitzen, ist ein weiterer Flug schwer möglich. Es ist allerdings
leicht zu verstehen, daß die Forscher das Gefühl haben, eine
derartige „Zusammenstellung“ sei ihrer unwürdig, und man
müsse daher immer versuchen, der Verzweigung und dem Ur-
sprung der in der betreffenden Kulturzone angetroffenen Kultur-
güter über das in Angriff genommene Gebiet hinaus nachzugehen.
Namentlich pflegt dieser Gesichtspunkt stets auf dem Gebiet
der materiellen Kultur zu herrschen, während die sozial-wirt-
schaftliche und religiöse Kultur in einem Gebiet zusammen-
hängender Kultur eher — vorausgesetzt daß die Quellen nicht
ganz versagen — bestimmte Ergebnisse durch die einsichtsvolle
Feststellung des Vorhandenen allein versprechen und sogar
mechanische Vergleiche mit allen möglichen Nachbargebieten
gefährlich erscheinen lassen, insofern als die verglichenen Teile
leicht auf einer anderen Linie stehen und ihre Sondervergleichung
zu falschen Ergebnissen führen kann.
Solche über das Gebiet hinausgreifenden Arbeiten über die
materielle Seite haben wir z. B. in Fritz Krause, Die Kultur der
kalifornischen Indianer in ihrer Bedeutung für die Ethnologie
usw. (1921) und in einzelnen Arbeiten Erland Nordenskiölds in
seinen Südamerika betreffenden vergleichenden ethnographischen
Studien, in denen ein Gebiet nur den Ausgang für die Vergleichung
bieten soll. Auch unser Verf. hat den letzteren Weg beschritten,
wie schon aus dem Titel hervorgeht. Indessen ist das Schwer-
gewicht der Beurteilung auf die Tainokultur auf den Großen
Antillen und den Lucayischen Inseln als solche zu legen, während
die umfangreichen Überschreitungen des Gebiets bis weit nach
Peru einerseits und andererseits zu den Mounds dazu geeignet
sind, die dort vorkommenden Typen genauer zu isolieren, ohne
daß die Einzelheiten der Beziehungen mehr zu Wege bringen,
Ms das schon bestehende Bild der Herkunft dieser Kultur von
Südamerika, in kleinerem Maße von Mexiko und den Maya
etwa irn Ganzen zu bestätigen. Aber die Inventaraufnahme
sozusagen an der Hand der vorhandenen alten Literatur und
der neueren über die archäologischen Funde nebst der Heran-
ziehung der Museumsschätze von Göteborg, Kopenhagen, des
British Museums, des Trocadero und Berliner Museums führt
den Forscher, der in Zukunft gerade den Einzelheiten nach-
zugehen die Pflicht und das Bedürfnis hat, gut in die ethnolo-
gischen und archäologischen Fragen des Gebietes ein, obwohl
es gerade bei den letzteren angesichts der wenigen Tafeln nie-
manden erspart bleibt, die betreffenden Veröffentlichungen
nachzuschlagen, und die Berufung auf unveröffentlichtes Mu-
seumsmaterial manchmal peinigend wirkt. Gewisse Dinge, die
fehlen, wie die Steinringe von Porto Rico sollen wohl in dem
in Aussicht gestellten Teil II in der Religion und den sozialen
Verhältnissen behandelt werden. Dort folgt hoffentlich auch
ein Index, der zur Erleichterung des ohnehin schwierigen Ein-
dringens durchaus notwendig wäre. Ebenso wird eine Karte
sehr vermißt.
Im einzelnen nimmt die archäologische Seite weitaus den
größten Raum ein (S. 70—312), obwohl dort namentlich auf
Haiti und Jamaica, auch auf Cuba, noch viel zu tun bleibt. Im
ersten Kapitel, das von den Bevölkerungsverhältnissen handelt,
fällt es auf, daß die Mazoriger oder Ciguayos auf Haiti als ganz
fremde Bevölkerung, aber auch nicht als Karaiben aufgefaßt und
daß Fahrten der Karaiben nach Cuba und Jamaica nicht ange-
nommen werden. Das Gebiet der Karaiben reichte nach ihm
nur bis zur Insel Vieques an der Ostküste von Portorico.
Im ganzen haben wir eine sehr beachtenswerte Leistung
vor uns, die weit über den Zweck einer Dissertation, zu der sie
dienen sollte, hinausgeht. Auch die Wahl des Gebietes ist gut,
der wissenschaftliche Bedarf einer solchen Monographie fraglos
in hohem Maße vorhanden, nur der Einzelverfolg mancher
Archaeologica vielleicht etwas weitschweifig und unübersicht-
lich. Hoffentlich hat die Amerikanistik in dem fleißigen Ver-
fasser einen dauernden Jünger gewönnet?. K. Th. Preuß.
Adam, L,, Buddhastatuen. Stuttgart, Strecker & Schröder 1925.
XII. 121 S. 48 T. 8°.
Ankermann, B., Die Religion der Naturvölker. Tübingen:
Mohr. 1924. S. A. 8°. (Lehrb. d. Religionswissensch.)
Bang, W., Manichäische Miniaturen, o. O. S. A. (Le Museon
t. 37) 8°.
Glasenapp, H. von, Indien. München; Georg Müller 1925.
124 S. 248 T. 4°. (Der Indische Kulturkreis in Einzeldar-
stellungen, herausgegeben von K. Doehring.)
Maaß, A., Sternkunde und Sterndeuterei im malaiischen Archipel.
Weltevreden; Albrecht. 1924. 172 S. 21 Abb. 2 Tab. 8°.
Loven, Sven, Über die Wurzeln der Tainischen Kultur. Teil I.
Materielle Kultur, Göteborg; Eiander 1924. IV. 453 S.
11 T. 8°.
Mendana, A. de, Die Entdeckung der Inseln des Salomo. Be-
arbeitet u. eingeleitet von Georg Friederici. Stuttgart:
Strecker & Schröder 1925. 209 S. 34 Abb. 2 K. 8°.
(Klassiker der Erd- u. Völkerkunde.)
Plischke, H., Anthropologie, Vorgeschichte, Völkerkunde. Das
Schrifttum des Jahres 1924. Leipzig; Börsenverein d.
Deutsch. Buchhändler. 69 S. 8°. (Jahresberichte des
Literarischen Zentralblattcs. Bd. 17.)
Schmidt, Max, Völkerkunde. Berlin: Ullstein. 1924. 445 S.
80 T. 6 K. 8°.
Schmidt, Max, Unter Indianern Südamerikas. Berlin: Ullstein.
1924. 156 S. 1 K. kl. 8°.
Sydow, E. von, Ahnenkult und Ahnenbild der Naturvölker.
Berlin: Furche Kunstverlag. 1924. 36 S. 19 T. 8°.
Stutterheim, w., Räma-Legenden und Räma-Reliefs in Indo-
nesien. München: Georg Müller. 1925. Textband XIII,
'333 s„ Tafelband 230 T. 4°.
Trautz, F. M., Japanische wissenschaftliche Hilfsmittel zur
Kultur- und Religionsgeschichte Zentral- und Ostasiens.
Leipzig; Asia Major-Verlag. 1924. 75 S. 8°. S. A.
Rüdenberg, W., Chinesisch-Deutsches Wörterbuch. Hamburg;
Friederichsen. 1924. IX, 687 S. 4°.
58 Siamesische Druckschriften. Geschenk der Vajrayan National
Library, Bangkok.
Steinen, K. von den, Die Marquesan©!’ und ihre Kunst. Band 1.
Tatauierung. Berlin: Dietrich Reimer. 1925. 199 S. 4°.
Krickebcrg, W., Indianermärchen aus Nordamerika. Jena:
Diederichs. 1924. ^14 S. 8
Goctz, H., u. Munk, Rose Ilse, Gedichte aus der indischen Liebes-
mystik des Mittelalters (Krishna und Rädha.) Leipzig:
„Asia Major“. 1925. 177 S. 12 T. 8°.
Universitätsbibliothek der HU Bei
00941100002281
Zweigbibliothek Europäische Ethnologie
' * • • .■ *
BAESSLER-ARCHIV
BEITRÄGE ZUR VÖLKERKUNDE
HERAUSGEGEBEN AUS MITTELN DES BAESSLER-1NSTITUTS
UNTER MITWIRKUNG DER DIREKTOREN DER ETHNOLOGISCHEN
ABTEILUNGEN DES STAATLICHEN MUSEUMS FÜR VÖLKERKUNDE
IN BERLIN REDIGIERT VON
ALFRED MAASS
BAND VI
MIT 362 ABBILDUNGEN UND 2 KARTENSKIZZEN IM TEXT
SOWIE 2 EINFARBIGEN UND 2 BUNTEN TAFELN
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VERLAG UND DRUCK VON B. G.TEUBNER • LEIPZIG • BERLIN 1922
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