Besprechungen und Büchereingänge. Das Gesicht des Rif. Von Hans Felix Wolff. 240 S. 16 Ta feln. Berlin. Reimar Hobbing. Der Verfasser war 1925 in Spanisch-Marokko und genoß die Gastfreundschaft des spanischen Heeres. Seine Ab sicht war, von höherer Warte aus die Triebfedern der aufständischen Bewegung im Rif zu verstehen. Er ging dem „Woher“ des Aufstandes nach, um das sich der Rifi selbst nicht kümmert und dessen Nationalstolz keines wegs einheitlich ist. Überdies bemüht sich Wolff, in das geschichtliche Dunkel des Mittelmeeres einige Lichter zu setzen. Dabei sind seine Wege nicht immer ganz einwand frei. Er arbeitet etwas zu viel mit unbeweisbaren Etymo logien. Er liebt zweifellos, aus alten Orts- und Flurnamen alte ethnische Geschichte zu enträtseln, ein Verfahren, das man nur bei bester Kenntnis der alten und neuen Sprachen betreiben sollte. Der Fernerstehende kommt aber sicher bei ihm zu der Auffassung, daß „ligurische“, „iberische“, „libysche“ Sprachen gut fundierte und klar erkannte Größen sind. Der Verfasser bemüht sich, Marokko und Spanien als geographische und ethnische Einheit darzustellen. Er weist auf „ligurische“ Spuren in Nordafrika hin. Er hält das Baskische mit anderen als modernen Ersatz für das Ligurische, ähnlich wie er aus dem heutigen Berberischen auf das alte Libysche schließt. Für den Ethnologen kann das Kapitel „Das goldene Zeitalter“ als das interessan teste angesehen werden. Es regt an, wenn auch oft zum Widerspruch. Wirklich lebendig ist die Schilderung der modernen Städte Ceuta, Tetuan, Arzila und Larache, sowie das aktuelle Kapitel: Alhucemas. Hier haben wir vorbildliche Kriegsberichterstattung, die nicht nur Lo kalbericht ist. Herrn. Baumann. Günter Tessmann, Menschen ohne Gott, ein Besuch bei den Indianern des Ucayali. Veröffentlichung der Har- vey-Bassler-Stiftung, Völkerkunde, Bd. I. Stuttgart 1928. 244 S. 64 Taf. (darunter 5 bunte), 5 Abb. im Text und 1 Karte. Durch seine westafrikanischen Studien, denen wir u. a. Monographien über die Pangwe und Bubi verdanken, ist der Verfasser in der ungewöhnlichen Lage, auf Grund eingehender Untersuchungen an Ort und Stelle Ver gleiche zwischen zwei so verschiedenen Rassen, wie es die Neger und Indianer sind, anstellen zu können. Dadurch muß sein Buch auch weiteren Kreisen sehr interessant werden. Von einem Forscher, der sich so selbstlos den völkerkundlichen Forschungen hingibt wie Tessmann, und der auch in diesem Buche seinen Aufenthalt von 10 Mo naten am Ucayali außerordentlich gut für die Kenntnis der Indianer ausgenutzt hat, müßte man eine irgendwie geartete innere Fühlungnahme mit seinen Studienobjekten erwarten, wie es schließlich alle Feldforscher der neueren Zeit erfahren haben. Das ist aber keineswegs der Fall. Ehrlich und offen sagt er (S. 181): „Ich stehe nicht an zu behaupten, daß unsere nette Kapuzineräffin ,Dominga‘ wißbegieriger und geistig regsamer war als im Durch schnitt der ischama“, d. h. das Volk der Ssetebo, Ssipibo und Kunibo, das er am Ucayali studiert hat. „Ich schäme mich fast, die 1 atsache aufzeichnen zu müssen, daß es Menschen, ganze Stämme gibt (eben seine I schama), die sich nur wenig über den geistigen Dunst kreis des Tieres erhoben haben, die nicht mehr, nein weniger — sogar von der ursprünglichsten Religion haben, als etwa ein guter Hund.“ (S. 183.) Selbst ihre schönen Muster auf Stoffen, auf der Haut, auf den Töpfen, bei deren Anschauen unser künstlerisches Gefühl, wie er selbst sagt, in lebhafte Schwingungen gerät, bezeichnet er als empfindungsloses Nachäffen (S. 178f.) und ihren Stolz darauf als Einbildung, und so wird man in dem ganzen Buch trotz vieler an sich keineswegs abstoßender Züge nicht ein einziges Lob über die Tschama entdecken, während im Gegensatz zu ihnen „der phantasiebegabte Neger mit seiner reichen Ideenwelt“ gepriesen wird. Am Tschama gibt es nach Tessmann nur materielle Ge sichtspunkte und konventionelle Gefühlsausdrücke. Wahr ist es, daß die südamerikanischen Indianer dem Forscher große Schwierigkeiten bereiten, indem sie den Fremden nicht gern sehen, seine Fragen wider willig und einsilbig beantworten, sich manchmal auch nicht photographieren lassen und bei der Aufnahme von Sätzen nicht das übersetzen, was man sie fragt, sondern eine sachliche Antwort darauf erteilen. Der Ge reiztheit darüber gibt der Verfasser durch das ganze Buch hindurch lebhaften Ausdruck und liefert dadurch zugleich mit eine Begründung seines absprechenden Urteils. Diese Charakterzüge habe ich selbst sogar bei Indianern „mit Gott“ gefunden, obwohl mit der Be zeichnung „Menschen ohne Gott“ der Verfasser den Tief stand der Indianer kennzeichnen will — aber sobald ich sie dazu gebracht hatte, mir ihre Überlieferungen in ihrer Sprache zu diktieren, merkte ich, daß ihre geistige Welt mir bisher nur verborgen geblieben war. Tessmann wird daher vielleicht auch etwas milder urteilen, wenn er von vornherein die Zurückhaltung des Indianers gegen über den Weißen als eine höhere, wenn auch unbequemere Eigenschaft bewertet als die sich unterordnende Zutrau lichkeit des Negers. Daß sie auf Tessmann’s offene und versteckte Fragen nach einem Gott (dios) (S. 183) nichts antworteten, ist mir nach meinen Erfahrungen durchaus nicht wunderbar. Ich selbst würde in dieser Weise auch nie mit Indianern verkehrt haben. Indessen will ich damit nicht sagen, daß der Verfasser mit seiner Angabe, sie hätten keinen Glauben an einen Gott oder an mehrere Götter, noch an ein Fortleben der Seele, nicht Recht habe, obwohl sie die Leiche schön schmücken und sorg fältig in der Hütte selbst beisetzen, während sie alle Habe verbrennen. Ein Zeichen für seine Fähigkeit, auch die geistige Verfassung des Indianers für die Völkerkunde zu sichern, ist die genaue Darstellung des Zauberglaubens. Es handelt sich dabei aber nicht um zauberische Dinge in der Natur, die auf das Ergehen der Menschen Bezug haben, 12 Baessler-Archiv.