DIE MATERIELLE KULTUR DER AZANDE UND MANGBETU 69
lieber Schärfe zu ziehen. Doch dürften die Lücken im Kartenbilde zwischen den nördlichen
und den südlichen Steppenländern mehr auf das vermutliche Vikariat der Schlitztrommel
zurückzuführen sein. Line weitere Ausdehnung der Schnurtrommel i t jedoch eher zu er
warten^ als eine solche der Pflockspannung. Abgesehen von der sicher eingeschleppten
Haussa-Wutetrommel (s. Karte) ist den Azande und Mangbetu wie schon erwähnt nur die
Konustrommel bekannt. Deren weitere Verbreitung läßt auf eine recht usrprüngliche Kultur
verwandtschaft schließen. Sie ist selbst den primitivsten Stämmen innerhalb ihres Areals
(exel. den Pygmäen) bekannt. Hypothetisch können wir sie der altsudanischen Kultur
zuordnen. Ebenso unsicher stehen wir dem gepflöckten Partner gegenüber. Sein Haupt
konzentrationsgebiet in den rhodesisch beeinflußten Gebieten läßt den Schluß nicht un
gerechtfertigt erscheinen, daß es sich um ein jüngeres Element in Südafrika handelt. 1 Be
merkenswert ist, daß die übliche Kulturscheide zwischen der Kongoprovinz und dem rho
desisch beeinflußten Teile der westafrikanischen Provinz auch hier in Erscheinung tritt.
Das relativ klarste kulturgeschichtliche Bild tritt uns bei der Betrachtung der Chor-
dophone entgegen (s. Karte 32, 33). Das für beide Völkergruppen wichtigste Saiteninstrument
ist die Bogenharfe, welche sich mit ihrem einheimischen Namen über das ganze nördliche Uelle-
gebiet verbreitet findet. Sie ist in diesem ihrem östlichen Expansionsgebiete völlig an die —das
Gesamte Kulturbild des Ubangi-Uellebeckens umgestaltende — Azande-Bwaka-Pangwe-
wanderung o-ebunden. Wie wenig bodenständig hier dieses, auch im alten Ägypten bekannte
Instrument ist, beweist das hartnäckige Sträuben, das sowohl die altsudanischen Schari-
stämme (Bana-Musgu, Sara-Lakka usw.) die Mandja-Baya, als auch im Osten die ebenfalls
höchst primitiven Momvu, Mombuttu, Baiesse, Bakumu der Einführung dieses wie jedes
anderen Chordophones entwickelterer Gestaltung entgegen setzen. Höchst wahrscheinlich
war das ganze Uelle-Mbomubecken vor der Azandeeinwanderung jedes höheren Saitenin
strumentes bar. Diese können wir im äquatorialen Westafrika stets den jüngeren Kulturen
zuschreiben. Fast nirgends im echt altsudanischen Gebiete finden wir ein fortgeschrittenes
Instrument, ohne daß der Verdacht vorliegt, es könnte von einer jüngeren Kultur herge
bracht sein. 5 Gerade diese „Kundi“harfe gibt uns einen guten Fingerzeig für die Herkunft
der Azande. Erst im Nordadamaua und am Tschad finden sich ganz dieselben Formen.
Die Pangwe haben sie sicher vom Ubangiknie mitgebracht und den Bateke ist sie durch
langsame Durchdringung vertraut geworden. 2 Zwischen beiden Arealen klafft eine eben
solche Lücke wie im Osten, wo die Uganda-Lenduharfe durch ein allerdings schmaleres Band
von der Kundi“ getrennt ist. Die Enklave um den Albertsee kann durch Verschleppung
erklärt werden; denn, wenn wir schon die Ankunft der Bogenharfe im Uellegebiet gleich-
. * mit der des Azandevolkes angesetzt haben, so bleibt uns nur diese Erklärung. Es wäre
allerdings auch möglich, daß die Harfe früher viel weiter über das obere Nilgebiet verbreitet
war und erst durch die semitische Lyra verdrängt worden ist. Selbständige Erfindung oder
W ^ onV ergenz anzunehmen, kann schon der überraschenden Detailkonkordanz wegen kaum
fcstattet werden. Es wird die glücklichste Lösung sein, die Bogenharfe mit irgend einer
Komponente der neusudanischen Kulturströmung 3 * in Zusammenhang zu bringen, zumal
sich ja fast alle südlichen Vorkommen auf ein nördliches Zentralgebiet am Benue-Tschad
1 Ein triftiger Grund dafür ist auch das Umbiegen der
Grenzlinie nach Nordosten zum Viktoriasee, was gegen
die westafrikanische Herkunft sprechen würde. Einer
solchen stünde allerdings das Vorkommengebiet in
Hinterindien zur Seite, wenn nicht die gesamte rhode-
sische Kultur auf diese Wurzel zurückgeführt werden
könnte.
2 Vergl.; „ngomo“ — „ngombi“— „kumbi“ — ,,kundi“.
(S. a. Karte.)
3 Die ehemalige weite Verbreitung vom Sudan über
Ägypten, Assyrien, Persien, Indien und Birma (s. a.
Ankermann 1901, S. 133) kann uns sogar für die Her
kunft der genannten herrschaftlich organisierten ncu-
sudanischen Kultur von höchstem Nutzen sein,