PSYCHOLOGISCHE GRUNDLAGEN DER
BESTATTUNGSBRÄUCHE BEI DEN
VÖLKERN SUMATRAS
MIT i KARTE
VON
DR. PHIL. H. HEDENUS
A. EINLEITUNG.
Indonesien, die große Durchgangspforte für zahlreiche Völkerströmungen nach dem
Pazifik, und selbst ein Gebiet, indem jahrhundertelang die Einflüsse der wichtigsten Kulturen
Asiens die arabische, indische und chinesische — aufeinanderstießen, sich befruchteten
und z. T. auch wieder verdrängten, dürfte wie nur wenige andere Gebiete der Erde für das
Studium völkerpsychologischer und ethnologisch-kultureller Züge geeignet sein.
Dank der umfassenden wissenschaftlichen Arbeiten holländischer und auch anderer
europäischer Gelehrter ist reichlich Material für die wichtigsten Teile Sumatras vorhanden.
Allerdings ist es sehr verstreut in den Werken verschiedenster Forschungsgebiete und in den
Ergebnissen z. T. recht abhängig von jeweilig geistesgeschichtlichen Strömungen und per
sönlichen Einstellungen der Autoren. Es empfiehlt sich daher, bei unseren Betrachtungen
von einem oder zwei dieser Völkerstämme auszugehen, für die ziemlich einwandfreies
Quellenmaterial vorliegt, und von da aus Parallelen zu ziehen für die übrigen Gebiete
Sumatras. Die andernfalls notwendige Textkritik und die Rekonstruktion von manchem
nur sehr bruchstückartig überlieferten Material liegt nicht im Rahmen dieser Schrift, die
in erster Linie völkerpsychologischen Erwägungen gewidmet sein soll. Ich wählte die Bataker
und Niasser aus, die auf Grund ihrer Verwandtschaft in mancherlei Hinsicht sich ergänzendes
Material liefern, wenn aufgezeichnete Quellen überhaupt fehlen oder nicht ganz zuverlässig
sind. So ergibt sich ein ziemlich einheitliches und vollständiges Bild der Bestattungsgebräuche
in ihrer Gesamtheit, das zugleich einen Gewinn für das Verständnis der Riten und Kulte der
übrigen Gebiete bringt. Denn nach den Quellen gibt es für die übrigen Teile Sumatras keine
wichtigen Züge, die nicht bei dem einen oder dem anderen der beiden zu schildernden
Völkerstämme vertreten wären.
Da es Aufzeichnungen dieser Völker über sich selber kaum gibt, und materielle Kultur
denkmäler, die die Jahrhunderte überdauerten, in tropischem Klima nur sehr vereinzelt
sind, so bleibt neben den Ausgrabungen das Studium der alten Mythen, Riten und Kulte für
uns die einzige Quelle zur Erschließung urtümlichen geistigen und wirtschaftlichen Lebens.
Auch Frobemus sagt daher einmal: ,,Die Sitten und Gebräuche sind bei jenen (den Primi
tiven) gewissermaßen Ausdrucksformen dessen, was bei uns die Sprache, das Denken, das
Bewußtsein wiedergeben.“ Um nun jedoch diese „Sprache richtig zu deuten, dürfen wir
sie weder symbolisch, noch allegorisch auffassen, sondern müssen sie vielmehr, um mit
Cassirer (p. 51) zu sprechen, tautegorisch aus sich selbst heraus erklären.
Unter den Riten nun, die für solche Ausdeutung in Frage kommen, sind die, die das
unvermeidliche Erlebnis des Todes in Formen zu fassen suchen, die wichtigsten und fast
immer die archaischsten. Die Furcht vor dem Tode, der mit Geburt und Pubertät im Mittel-
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