BEITRAGE ZUR VÖLKERKUNDE
BAND 59
Herausgegeben für
ETHNOLOGISCHES MUSEUM
STAATLICHE MUSEEN ZU BERLIN
von
MARIA GAIDA
PAOLA IVANOV
VIOLA KÖNIG
HUMBOLDT
FORUM
Der lange Weg 1999-2012
Herausgegeben von
VIOLA KÖNIG und ANDREA SCHOLZ
Ethnologisches Museum
Staatliche Museen zu Berlin
Herausgegeben für
ETHNOLOGISCHES MUSEUM
STAATLICHE MUSEEN ZU BERLIN
von
MARIA GAIDA
PAOLA IVANOV
VIOLA KÖNIG
HUMBOLDT-FORUM
Der lange Weg 1999-2012
Herausgegeben von
VIOLA KÖNIG und ANDREA SCHOLZ
DIETRICH REIMER VERLAG
BERLIN
Ethnologisches Museum
Staatliche Museen zu Berlin
Baessler-Archiv, Band 59, 201 I
Herausgegeben für
von
Ethnologisches Museum - Staatliche Museen zu Berlin
Stiftung Preußischer Kulturbesitz
Maria Gaida, e-mail: m.gaida@smb.spk-berlin.de
Viola König, e-mail; v.koenig@smb.spk-berlin.de
Paola Ivanov, e-mail: p.ivanov@smb.spk-berlin.de
Ethnologisches Museum, Arnimallee 27, 14195 Berlin
Die Zeitschrift Baessler-Archiv, Band 59, erscheint 201 I in einem Jahres-
heft zum Preis von ca. Euro 79,50.
Bestellungen sind zu richten an den DIETRICH REIMER Verlag GmbH,
Berliner Str. 53, 10713 Berlin, oder an jede Buchhandlung.
www.reimer-verlag.de
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geschützt. Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde
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Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form - durch Fotokopie,
Mikrofilm oder andere Verfahren - reproduziert oder in eine von
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Sprache übertragen werden.
Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier
ISSN 0005-3856
Ausgegeben am 04.12.2012
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
5
Inhalt
Vorwort................................................................... 7
Viola König
Chronologie der Konzeptentwicklung zur Neupräsentation des Ethnologischen
Museums im Elumboldt-Forum 1999-2012.......................................9
Viola König
Die Konzeptdebatte........................................................13
Die Vorgeschichte 1999 bis 2001 ...................................... 13
Der Bundestagsbeschluss von 2002 und die Folgen bis zum
ersten Moratorium 2003.................................................45
Das Moratorium 2004 bis 2006...........................................48
Es wird Emst: Architekten- und Gestalterwettbewerbe 2007 bis 2010......51
Das Moratorium vom Juni 2010 und der Prozess bis Dezember 2011........55
Das Humboldt-Forum und seine Kritiker..................................60
Andrea Scholz
Das Humboldt-Forum in der Medienkritik: Berichterstattung und Kommentare
2000-2011 ................................................................63
Peter Junge
Bauplanung für das Ethnologische Museum im Humboldt-Fomm..................83
Markus Schindlbeck
Das Humboldt-Forum im Schloss oder „Anders zur Welt kommen“.
Eine Ausstellung als Werkstattblick.......................................95
Anita Hermannstädter
Die Humboldt-Box - Erfolgreich auf dem Weg zum Humboldt-Forum ...........103
Konzept zur Präsentation der außereuropäischen Sammlungen
im Humboldt-Fomm 2008 .................................................. 113
Autorinnen und Autoren...................................................185
Abbildungsnachweis ......................................................185
Index
186
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
7
Vorwort
Während der vorliegende Themenband 59 des Baessler-Archivs in den Druck geht, erar-
beiten die Gestalter Tim Ventimiglia, Philipp Teufel, Walther Frötscher und Vanessa
Offen von Ralph Appelbaum Associates den Masterplan der Ausstellungen für das
Humboldt-Forum. Nach dreizehn Jahren nimmt die Konzeption des Ethnologischen
Museums, von der wir hier berichten, Gestalt an. Einige der ehemaligen Verantwort-
lichen sind schon nicht mehr dabei, andere Akteure sind inzwischen neu hinzu gestoßen.
Sie können sich wohl kaum in die Lage derjenigen versetzen, die den langen Prozess
von Anbeginn miterlebt haben, die Moratorien, Unsicherheit, Kritik, Anfeindungen.
Auf massive öffentliche Kritik stieß die geplante Teilrekonstruktion des Berliner
Stadtschlosses. An der Nutzung des Schlossneubaus als ein Humboldt-Forum für Kultur,
Kunst und Wissenschaft im Geiste von Wilhelm und Alexander von Humboldt, d. h. in
einer anderen Funktion als der ursprünglichen, wurde ebenso Anstoß genommen wie
umgekehrt an der Tatsache, dass es keinen für die museale Nutzung entworfenen Bau
geben würde. Schließlich wurde das vermeintliche Fehlen konkreter Konzepte bemängelt.
Besonders dieser Vorwurf hat uns bewogen, die vorliegende Zusammenstellung an
Konzeptentwürfen bis hin zum ersten detaillierten Gesamtkonzept des Ethnologischen
Museums im Jahre 2008 einmal vorzulegen. Der lange und längst nicht abgeschlossene
Entstehungsprozess des Humboldt-Forums gebietet einen vorsichtigen Umgang mit der
Veröffentlichung eines Konzepts, das sich ja auch zu Themen wie Gegenwart, Globali-
sierung und anderen, nur aus einer zeitgenössischen Perspektive zu behandelnden The-
men bekennt und somit permanent zu aktualisieren ist. Unter anderem vor diesem Hin-
tergrund ist unsere vielschichtige Vision von „Bewegung“ zu verstehen.
Dennoch markiert diese Publikation eine wichtige Station auf dem Weg. Die bislang
noch unverbindliche Planungsphase geht nun über in die tatsächliche Realisierungspla-
nung. Die in diesen Monaten laufende Überarbeitung der vorhandenen Konzepte führt in
ein belastbares Drehbuch für die so genannte Ersteinrichtung, für die es eine Ausstellungs-
architektur zu erschaffen gilt, die dazu geeignet ist, das Humboldt-Forum nur in seiner
äußeren Fonn als ein statisches Gebäude erscheinen zu lassen. Denn in seinem Inneren
soll es ein lebendiger Ort des stetigen Wandels werden, der den Perspektivwechsel, dem
wir uns verschrieben haben, auch für künftige Kuratoren und Gestalter möglich macht.
Es war nicht leicht, eine Auswahl aus der Vielzahl von Manuskripten zu treffen, die
bislang niemals veröffentlicht wurden. Wir haben uns darüber hinaus für den Abdruck
dreier maßgeblicher Grundsatzpapiere von Eberhard Fischer, Klaus-Dieter Lehmann
und Peter-Klaus Schuster sowie einer wegweisenden Rede von Hermann Parzinger, die
in einer schwierigen Situation gehalten wurde, entschieden (s. Beitrag König, „Die
Konzeptdebatte“).
Neben der Dokumentation der Konzeptentwicklung und einer Chronologie der wich-
tigsten Begleitveranstaltungen (König) enthält der Band eine Übersicht über die Me-
dienkritik, der das Humboldt-Forum seit 2001 ausgesetzt war (Scholz). Peter Junge
berichtet in seinem Beitrag über die wichtigsten Stationen der Planung der Ausstel-
lungsflächen im Humboldt-Forum. Markus Schindlbeck gibt einen Rückblick auf die
kontrovers beurteilte Ausstellung „Anders zur Welt kommen“ (2010), die einen „Arbeits-
stand“ des Projekts dokumentierte. Anita Hermannstädter beschreibt die so genannte
„Humboldt-Box“, die seit 2011 als Infobox neben der jetzt schon zu beobachtenden
Baustelle bis zur Eröffnung eine Vorschau auf Ausstellungsideen und Gestaltungsent-
würfe für das Humboldt-Forum bietet. Den Abschluss der Beiträge bildet das ausführ-
liche Konzept von 2008, das von den Kuratorinnen und Kuratoren des Ethnologischen
Museums erarbeitet wurde.
Vorwort
Somit spiegelt der vorliegende Band erstmals explizit die Position des Ethnologi-
schen Museums in einem Prozess, der zugleich eine Neubestimmung seiner Zukunft
impliziert. Hinter den Kuratorinnen und Kuratoren liegen dreizehn Jahre äußerst kon-
trovers geführter interner Debatten. In diesen setzte man sich unter anderem mit dem
Symbolcharakter des Umzugs in ein Schloss auseinander, dem, so die postkoloniale
Kritik, ein imperialistischer Makel anhaftet.
Davon abgesehen steht jedes ethnologische Museum, das im 21. Jahrhundert eine
Neukonzeption wagt, aufgrund des Anteils an Sammlungen, die unter kolonialen Be-
dingungen gesammelt wurden, unter einer ganz besonderen öffentlichen Aufmerksam-
keit. Die geplante Schlossrekonstruktion wirkt im Fall des Humboldt-Forums lediglich
verstärkend. Diese öffentliche Aufmerksamkeit wird uns weiterhin begleiten, zur Refle-
xion herausfordern und im besten Fall inspirieren.
Wir danken den Herausgeberinnen der Zeitschrift Baessler-Archiv Maria Gaida und
Paola Ivanov für die große Unterstützung bei der Herausgabe dieses Themenbandes.
Auf dem langen Weg zum Humboldt-Forum wurden wir von zahlreichen Kollegen und
Kolleginnen des Ethnologischen Museums begleitet. Wir danken Peter Junge, Markus
Schindlbeck, Monika Zessnik sowie Peter Bolz, Manuela Fischer, Richard Haas, Fars-
Christian Koch, Wibke Fobo, Siegmar Nahser, Roland Platz, Ingrid Schindlbeck und
Mareen Hatoum, Martin Franken, Tanja Jaschke, Claudia Obrocki und Renate Sander,
die an der Erstellung dieses Bandes beteiligt waren.
Alle Mühe der konzeptionellen Arbeit für ein solches Großprojekt wie das Humboldt-
Forum wäre aber vergebens ohne das Vertrauen und die Bestätigung der Hauptverant-
wortlichen. Wir danken dem vorigen und dem jetzigen Präsidenten der Stiftung Preu-
ßischer Kulturbesitz, Klaus-Dieter Fehmann und Hermann Parzinger, die sich dieses
Projekt persönlich besonders zueigen gemacht haben, für ihre Unterstützung im Prozess
der Entwicklung und ihre Vertretung der Konzeption nach Außen.
Berlin, im Oktober 2012
Viola König
Andrea Scholz
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
9
* Im Jahre 2010 einigten
sich die Stiftung Berliner
Schloss - Humboldtforum
und die Nutzer auf die
einheitliche Schreibweise
„Humboldt-Forum“.
Chronologie der Konzeptentwicklung zur
Neupräsentation des Ethnologischen Museums
im Humboldt-Forum 1999-2012*
VIOLA KÖNIG
Die Entwicklung des Humboldt-Forums von der Idee bis zur Grundsteinlegung lässt sich
bis zum Zeitpunkt des Abschlusses der vorliegenden Publikation in drei Hauptetappen
unterteilen:
1. Von der Idee bis zum Bundestagsbeschluss 1999-2002
2. Vom Bundestagsbeschluss bis zum Architektenwettbewerb 2002-2007
3. Von der Architektenwahl bis zum Masterplan der Ausstellungsgestalter 2008-2012
Während der vergangenen 13 Jahre wechselten einige der wichtigsten Akteure und Für-
sprecher, Minister, Präsidenten, Generaldirektoren und Direktoren verschiedener beteilig-
ter Institutionen, aber auch Wegbegleiter, Unterstützer und Kritiker. Das Humboldt-Forum
ist ein Projekt, das sich über mehrere Generationen hinzieht. Von einer kleinen Konzept-
gruppe hat es sich in eine große Maschine gewandelt, in der viele große und kleine Räder
ineinander greifen und miteinander rollen hin auf das große Ziel der Eröffnung in einem
nur geschätzten, heute unbekannten Jahr, ln der Chronologie ist die Phase der oft ungesi-
cherten Vorbereitung in die Phase der konkreten und verbindlichen Umsetzung überge-
gangen. Für das Humboldt-Forum hat also 2012 tatsächlich ein neuer Zyklus begonnen.
Die folgende Chronologie folgt nicht den übergeordneten Kategorien des Großprojekts
Humboldt-Forum, sondern benennt Etappen, die für die Konzeptentwicklung des Eth-
nologischen Museums von Bedeutung waren.
1999
Der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Klaus-Dieter Lehmann, unterbreitet
im Herbst 1999 einen neuen Vorschlag für die Nutzung des Schlossareals in der Mitte
Berlins.
2000
Der Ethnologe Eberhard Fischer legt im Auftrag des Präsidenten der Stiftung Preußischer
Kulturbesitz ein Exposé zur neuen Konzeption vor.
2001-2002
Die internationale Schlossplatzkommission erarbeitet ihre Empfehlung zur teilweisen
Wiedererrichtung des Schlosses mit dem Nutzungskonzept eines Humboldt-Forums für
den deutschen Bundestag.
2001
Viola König wird zur Nachfolgerin von Klaus Helfrich als Direktorin des Ethnologischen
Museums berufen mit der expliziten Aufgabe, ein Konzept der Neupräsentation der
Dahlemer Sammlungen im künftigen Humboldt-Forum zu erarbeiten.
2002
Der deutsche Bundestag fasst am 4. Juli auf Empfehlung der internationalen Schloss-
platzkommission den Beschluss zur teilweisen Wiedererrichtung des Berliner Schlosses
für eine zukünftige Nutzung als Humboldt-Forum.
10
König, Chronologie der Konzeptentwicklung zur Neupräsentation des Ethnologischen Museums
Das Wissenschaftskolleg (Reinhart Meyer-Kalkus) gründet das Museumsforum
unter Leitung von Viola König und Narvid Kermani. In den folgenden Jahren werden
regelmäßig Workshops zur Frage der Neupräsentation ethnologischer Sammlungen ver-
anstaltet. In den Jahren 2002 bis 2005 finden insgesamt 18 Veranstaltungen statt.
Im Jahre 2003 löst der Kunsthistoriker Horst Bredekamp Narvid Kermani ab. Zu den
Vortragenden des Museumsforums gehören u. a. H. Belting (Karlsruhe), S. Subrahma-
nyam (Paris), A. Sheriff (Zanzibar), C. Harris (Oxford), O. Silier (Istanbul), J. Monson
(Northfield, USA), Z. Mir-Hosseini (London), Serge Gruzinski (Paris), Eberhard Fischer
(Zürich) u.v.a.
Das Museumsforum lässt Museumsspezialisten und Universitätswissenschaftler un-
terschiedlicher Disziplinen zu Wort kommen zu Fragen wie: Wie soll man außereuropä-
ische Kulturen und Kunstobjekte in westlichen Metropolen präsentieren? Wie kann
man gemeinsame Überlegungen und eine engere Kooperation zwischen Museumsleu-
ten und Wissenschaftlern stimulieren? Wie Erfahrungen von Museumsverantwortlichen
aus anderen Teilen der Welt berücksichtigen?
2003
Im Dezember findet im Auftrag des Generaldirektors der Staatlichen Museen zu Berlin,
Peter-Klaus Schuster, in Dahlem das Kolloquium „Ausstellen von Kunst und Kulturen
der Welt“ statt mit dem Ziel, für den Umzug in das Humboldt-Forum „die Entwicklung
tragfahiger Zukunftsstrategien im intensiven Ideenaustausch mit den großen Ausstel-
lungshäusern und Museumseinrichtungen im ln- und Ausland sowie die Neuordnung
der Sammlungen, die Formulierung interdisziplinärer Konzepte der Objektpräsentation,
die Verwandlung des Museums in ein öffentliches Labor des Wissens, der Kunst und
Kultur, sowie neue Konzepte der Betriebsorganisation zu fördern“. Zu den internationa-
len Rednern gehören George F. MacDonald (Seattle, USA), Catherine Homo-Lechner
(Marseille), Marie-Louise Gräfin von Plessen (Brüssel), John Mack (London), Germain
Viatte (Paris) u.v.a.
2004
Im Januar starten die drei Nutzer Staatliche Museen zu Berlin (SMB), Stiftung Preußi-
scher Kulturbesitz (SPK) und die Humboldt-Universität (HU) ein Ausstellungs- und
Begleitprogramm unter dem Titel „Auf dem Weg zum Humboldt-Forum“. Erstes Pro-
jekt ist „Brasilien in Berlin“, mit Objekten des Ethnologischen Museums, präsentiert im
Foyer der Humboldt-Universität.
2007
Ab Herbst führt das Ethnologische Museum regelmäßig interne Workshops durch, die
zur Erstellung von Thesenpapieren und Leitideen führen. Auf der Basis der gemeinsa-
men Lektüre wichtiger internationaler Fachpublikationen werden die Themen; „Ethno-
logie, Ethnologie heute, Ethnologie im Museum“, „Präsentation von Sammlungen, die
im kolonialen Kontext erworben wurden“, „Globalisierung, Migration, Lokalisierung“,
„Kunst“ sowie „Religion und Ritual“ diskutiert. Die Ergebnisse der Workshops bilden
die Grundlage für den Auslobungstext des Architektenwettbewerbs.
Am 26. November wird der Architekturwettbewerb für das Gebäude des Humboldt-
Forums ausgelobt und am 21. Dezember 2007 veröffentlicht.
2008
Der neue Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger, nutzt ab
2008 seine Auftritte vor nationalen und internationalen Gremien im In- und Ausland zur
Präsentation des Humboldt-Forums unter Berücksichtigung der Ausstellungskonzepte
des Ethnologischen Museums und des Museums für Asiatische Kunst.
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
11
Der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, der Rektor des Wissenschafts-
kollegs L. Giuliani und die Direktorin des Ethnologischen Museums führen als Ab-
schlussveranstaltung des Museumsforums im April einen gemeinsamen internationalen
Workshop „Representing Non-European Cultures“ durch. Zu den Teilnehmern zählen
Jette Sandahl (Wellington, Neuseeland), Anthony Shelton (Vancouver, Kanada), Sally
Price (Martinique/USA), Ruth Phillipps (Carlton, Kanada), Christian Feest (Wien),
Anne-Christine Taylor (Paris), Karl Eleinz Kohl (Frankfurt) u. a.
Am 23. Juli übergibt die Direktorin des Ethnologischen Museums dem Präsidenten
der Stiftung Preußischer Kulturbesitz das unter redaktioneller Mitarbeit des Gestalters
Harry Vetter erstellte detaillierte Ausstellungskonzept.
Im November wird das reich bebilderte gelayoutete Konzept auf Deutsch und Eng-
lisch für den internen Gebrauch in limitierter Auflage gedruckt.
Am 28. November wird der Architektenwettbewerb abgeschlossen. Der Entwurf des
italienischen Architekten Franco Stella wird mit dem ersten Preis prämiert und Stella
erhält den Auftrag zur Durchführung.
2009
Im Juli erscheint die von Thomas Flierl und Hermann Parzinger herausgegebene Publi-
kation „Humboldt Forum - Das Projekt“, in dem Kurzfassungen der Konzepte vorge-
stellt werden.
Das Buch erscheint zeitgleich zur Eröffnung der Ausstellung „Anders zur Welt kom-
men. Das Humboldt-Forum im Berliner Schloss“ am 8. Juli 2009. Die Ausstellung im
Alten Museum greift Kemideen und Struktur der Konzepte aller drei Nutzer auf (Staat-
liche Museen zu Berlin, Humboldt-Universität zu Berlin, Zentral- und Landesbiblio-
thek Berlin), ohne einen Vorgriff auf die tatsächliche Umsetzung im künftigen Hum-
boldt-Forum suggerieren zu wollen.
Am 2. Juli 2009 wird die Stiftung Berliner Schloss - Humboldtforum gegründet, mit
Manfred Rettig im Vorstand und als Sprecher des Vorstandes.
2010
Im Januar veranstaltet das Ethnologische Museum in Dahlem im Auftrag des Präsiden-
ten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz einen Workshop zum Thema „Das Humboldt-
Forum und die Ethnologie“. Die Moderation hat der Initiator Thomas Hauschild, Pro-
fessor an der Universität Halle-Wittenberg. Der Workshop richtet sich insbesondere an
die deutsche Universitätsethnologie und die Frage, wie sie in den Dialog um die Gestal-
tung des Humboldt-Forums einbezogen werden könne.
Im Frühjahr beginnt der Wettbewerb zur Gestaltung der Ausstellungsbereiche im
Humboldt-Forum unter der Federführung des Bundesamts für Bauwesen und Raumord-
nung (BBR). Grundlage für die Bewerber ist das bestehende Konzept, das in Teilen in
den Auslobungstext integriert wird. Vier Gestaltungsbüros kommen in die engere Wahl.
Da das Ergebnis die Juroren und die Nutzer jedoch noch nicht befriedigt, werden in den
folgenden zwölf Monaten vier Workshops durchgeführt.
Im Sommer gründet der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz in Abstim-
mung mit den zuständigen Direktoren des Ethnologischen Museums und des Museums
für Asiatische Kunst ein internationales Advisory Board, in das er hochrangige Spitzen-
leute aus der Museumswelt und aus verschiedenen Bereichen der universitären For-
schung aus Deutschland, weiteren europäischen Ländern, Nordamerika, Lateinamerika,
Afrika, Asien, Australien und Ozeanien beruft.
Im Dezember stellt Kulturstaatsminister Bernd Neumann den Kulturmanager Martin
Heller als neuen Projektleiter für die Erarbeitung eines Konzepts für das Veranstaltungs-
zentrum „Agora“ vor. Er wird dabei von einem hochrangigen Gremium beraten: Arjun
Appadurai, Professor für Medien, Kultur und Kommunikation an der New School in
12
König, Chronologie der Konzeptentwicklung zur Neupräsentation des Ethnologischen Museums
New York City, Okwui Enwezor, Dekan und Vizepräsident des San Francisco Art Insti-
tute, Jürgen Flimm, Intendant der Berliner Staatsoper Unter den Linden, Klaus-Dieter
Lehmann, Präsident des Goethe-Instituts, Wolf Lepenies, Professor (em.) für Soziolo-
gie an der FU Berlin und ehemaliger Rektor des Wissenschaftskollegs zu Berlin, Jette
Sandahl, Direktorin des Museums von Kopenhagen, Bernd M. Scherer, Intendant des
Hauses der Kulturen der Welt, Berlin, Hortensia Völckers, Vorstand und Künstlerische
Direktorin der Kulturstiftung des Bundes.
2011
Die Mitglieder des Advisory Boards erhalten das Konzept zur Vorbereitung ihres ersten
Workshops der vom 6.-8. April 2011 in Berlin stattfindet. Teilnehmer: George O. Abun-
gu (Kenia), Christoph Antweiler (Deutschland), Claudia Augustat (Österreich), Milo C.
Beach (USA), Elizabeth Hill Boone (USA), Clara Isabel Botero, (Kolumbien), Dawn
Casey (Australien, verhindert), Dipesh Chakrabarty (USA), Kwang-shik Choe (Korea),
Kung-shin Chou (Taiwan), VishakhaN. Desai (USA), Steven Engelsmann (Niederlan-
de), William W. Fitzhugh (USA), Jacques Gies, (Frankreich), Michael Gilsenan (USA),
Hans Peter Hahn (Deutschland), Jyotindra Jain (Indien), Margaret Kartomi (Austra-
lien), Hyonjeong Kim Han (USA), Chor Lin Lee (Singapore), Jeong-hee Lee-Kalisch
(Deutschland), Lothar Ledderose (Deutschland), Albert Lutz (Schweiz), Yves Le Für
(Frankreich), Julian Raby (USA), Lawrence Rosen (USA), Jette Sandahl (Dänemark),
Adele Schlombs (Deutschland), Klaus Schneider (Deutschland), Anthony Shelton (Ka-
nada), Yukiko Shirahara (Japan), Samuel Sidibe (Mali), Huhana Smith (Neuseeland),
Nicholas Thomas (England), Melanie Trede (Deutschland), James C. Watt (USA), Tobias
Wendl (Deutschland), Manuelito Wheeler (USA), Jay Xu (USA).
Am 29. Juni 2011 wird die Humboldt-Box auf dem Schlossplatz eröffnet. Das Infor-
mationszentrum soll über die zukünftige Nutzung und die Bauarbeiten des Berliner
Schlosses - Humboldt-Forum informieren.
2012
Am 13. April 2012 erhält die Arbeitsgemeinschaft Ralph Appelbaum / malsyteufel den
Auftrag zur szenografischen Gestaltung der Ausstellungsbereiche im Humboldt-Forum.
Damit kann die Arbeit an der Präsentation der Sammlungen des Ethnologischen Muse-
ums und des Museums für Asiatische Kunst beginnen.
Die Stabstelle des Humboldt-Forums nimmt zeitgleich mit Ralph Appelbaum / mal-
syteufel im Sommer 2012 ihre Arbeit auf. Das mit den Nutzem zu erarbeitende Ziel ist
die Vorlage eines ersten Masterplans zum Ende des Jahres 2012.
Die großen Sonderausstellungen des Ethnologischen Museums in den Jahren 2002-
2012 zu Themen der Ethnologie, der Kulturgeschichte und außereuropäischen Kunst in
Berlin und anderswo in der Welt hatten explizit oder implizit die Perspektive Humboldt-
Forum in ihrem Fokus.
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
13
Die Konzeptdebatte1
1 Sämtliche ohne spezifi-
sche Quellenangabe zitier-
ten oder abgedruckten
Papiere befinden sich als
Digitalisate und Ausdru-
cke im Archiv des Ethno-
logischen Museums Ber-
lin. Mit „die Museumslei-
tung“ werden Manuskripte
der Direktorin gekenn-
zeichnet. Einige entstan-
den unter Mitarbeit der
Kuratorlnnen des Ethnolo-
gischen Museums.
VIOLA KÖNIG
Die Vorgeschichte 1999 bis 2001
Die Idee, die außereuropäischen Sammlungen von Dahlem auf den Schlossplatz in
Berlin-Mitte zu verlagern, wird seit etwa Herbst 1999 vom damaligen Präsidenten der
Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK), Klaus-Dieter Lehmann, in die Debatte gewor-
fen, nachdem alle anderen vorgeschlagenen Nutzungen für diesen zentralen Ort Berlins
abgelehnt worden waren. Die neue Idee erscheint als Rettung in einer festgefahrenen
Situation. Im Mai 2000 berichteten die Medien erstmalig über Lehmanns Vorschlag:
„Der Präsident der Preußenstiftung will für Sanierung der Dahlemer Bauten kein
Geld mehr ausgeben
Die Debatte um Rekonstruktion und Nutzung des Berliner Stadtschlosses hat eine neue
Dimension bekommen. Klaus-Dieter Lehmann, Präsident der Stiftung Preußischer Kultur-
besitz, regte an, die Sanierung der Museen der außereuropäischen Kulturen in Dahlem
nicht mehr vorzunehmen und die Gelder für einen Umzug dieser Museen auf den Schloss-
platz zu nutzen. Er bezifferte den Platzbedarf der Dahlemer Museen auf 50 000 Quadrat-
meter und die in den nächsten zehn Jahren für die Sanierung benötigte Summe auf 400
Millionen DM. Bei den Museen der außereuropäischen Kulturen handelt es sich um jene
für Indische, Islamische und Ostasiatische Kunst. Lehmann äußerte sich im Rahmen einer
von der Stiftung Brandenburger Tor‘ der Bankgesellschaft Berlin veranstalteten Diskus-
sion über ,Das Schloß - Fassade ohne Inhalt?1.
,Neben der Konzentration der archäologischen Sammlungen mit dem Bogen zur Hum-
boldt-Universität als Zentrum der humanistischen Ideen Wilhelm von Humboldts möchte
ich daneben den Bogen schlagen zum Schlossplatz und dort Alexander von Humboldt dar-
stellen, also die Kulturen der Welt1, meinte Lehmann. ,Damit hätten wir die Brüder von
Humboldt mit ihren Leitideen des 19. Jahrhunderts versammelt.1 Seine Museumsdirekto-
ren stünden alle hinter dieser Idee.
Klaus-Dieter Lehmann sprach sich nicht für eine originalgetreue Rekonstruktion des
Stadtschlosses aus, gab aber zu erkennen, dass er mit einer solchen Lösung leben könne.
Volker Hassemer, Geschäftsführer von ,Partner für Berlin1, würdigte Lehmanns Idee
einer Präsentation der Kulturen Japans, Chinas, Afrikas und Indiens an der exponiertesten
Stelle der Hauptstadt als ein Signal der Offenheit an die Welt. Hassemer regte an, eine vom
Bundespräsidenten oder vom Bundeskanzler zu berufende Kommission führender Wissen-
schaftler solle nun eine einheitliche Konzeption für die Wissenschafts- und Museumsland-
schaft in Berlin-Mitte entwickeln.11
{Der Tagesspiegel, 4.5.2000)
In diesem Moment nimmt die 125-jährige Geschichte des Ethnologischen Museums
(EM) wieder einmal eine Wende. Nach Auszug aus dem im Zweiten Weltkrieg zerstör-
ten Stammgebäude an der Königgrätzer Straße (heute Stresemannstraße) bezog das ge-
samte Museum für Völkerkunde, wie es damals hieß, den ursprünglich als Studien-
sammlung geplanten Gebäudekomplex in Berlin Dahlem. Erweiterungsbauten durch
den Architekten Fritz Bornemann und darin die enge Nachbarschaft mit den aus den im
Ostteil der Stadt befindlichen Gebäuden ausgelagerten Kunstsammlungen der Staatli-
chen Museen zu Berlin ermöglichten ab den späten 1960em einen Besucherboom, der bis
zur Wende 1989 anhielt. Über den Auszug der Kunstsammlungen zurück in ihre Stamm-
häuser nach Mitte bzw. auf das Kulturforum und nach Charlottenburg in den 1990em
14
König, Die Konzeptdebatte
waren die Ethnologen dennoch keineswegs traurig. Die vielen Museen am Standort
Dahlem erlaubten dem Völkerkundemuseum bis dahin nur eine Auswahl ihrer Samm-
lungen zu zeigen: Südsee, Mesoamerika, Andenraum, Afrika sowie Teile der Asien-
sammlungen. Mit der Flächenerweiterung erhoffte die Museumsleitung auch die noch
fehlenden Bereiche der nord- und südamerikanischen Ethnologie sowie Asiens präsen-
tieren zu können. Allerdings beschloss man seitens der Staatlichen Museen zu Berlin
(SMB) zunächst einmal nur einen Neubau für das Museum für Ostasiatische Kunst
(OAK) und das Museum für Indische Kunst (MIK), heute zusamraengelegt als Museum
für Asiatische Kunst, zu errichten. Die europäischen Sammlungen des Völkerkundemu-
seums wurden 1999 ausgelagert und mit dem Museum für Volkskunde zusammengelegt
(Museum Europäischer Kulturen).
Die Kuratoren der Neukonzeption des Völkerkundemuseums planten großzügig,
denn eine Abnahme der Besucher durch den Auszug der Kunstsammlungen schien
undenkbar. Im Vorgriff auf die Realisierung der Neukonzeption wurde 1999 die Dauer-
ausstellung Nordamerika eröffnet, allerdings in einem Gelenkbau, für dessen langfristi-
ge Bespielung keine bauliche Genehmigung vorlag.
Die neuen Umzugspläne des Präsidenten Klaus-Dieter Lehmann stoßen bei den
Kuratoren auf gemischte Gefühle, denn die Verwirklichung der Neukonzeption ist nun
- wenn überhaupt - nur noch auf kleinem Niveau möglich. Doch man reagiert rasch und
baut die Asienausstellung im 1. Obergeschoss an der Lansstraße schon einmal ab. Auch
der Mesosamerikasaal im Erdgeschoss darunter steht dicht vor der Schließung, als der
Journalist Nikolaus Bernau, ein Verehrer Fritz Bornemanns, öffentlich gegen den Rück-
bau Stellung bezieht. Mit Erfolg: Der Mesoamerikasaal ist bis heute nur wenig verän-
dert geöffnet.
Der ehemalige Direktor des Ethnologischen Museums (so der Name des Museums
seit 1. Januar 2000), Klaus Helfrich, hatte sich für eine Neukonzeption seines Hauses
sehr stark gemacht. Er wird jedoch aus gesundheitlichen Gründen Ende 2000 in den
vorzeitigen Ruhestand versetzt. Bereits zu dieser Zeit zeichnet sich ab, dass die Reali-
sierung eines neuen Konzepts in Dahlem nur noch in stark eingeschränkter Form und
bei reduzierten Budgets möglich sein würde.
Eine erste Konzeptskizze
Bereits am 15. August 2000 legt der Ethnologe Eberhard Fischer, der damalige Direk-
tor des Museums Rietberg in Zürich, ein Museum für Kunst aus Asien, Afrika, Amerika
und Ozeanien, ein erstes „Exposée für ein Museum der Weltkulturen und ein Museum
der außereuropäischen Kunst bzw. der Weltkunst in Berlin“ im Auftrag des Präsidenten
der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Prof. Dr. Klaus-Dieter Lehmann, vor. Auf sieben
Seiten stellt er Ideen vor, die in den kommenden Jahren wiederholt von den zukünf-
tigen Nutzern als „Steinbruch“ verwendet werden. Vor allem aber dient das Exposé
Lehmann zur Vorbereitung seines Plädoyers vor der Internationalen Schlossplatzkom-
mission.
„Exposée für ein Museum der Weltkulturen und ein Museum der aussereuropäischen
Kunst bzw. der Weltkunst in Berlin
für den Präsidenten der Stiftung Preussischer Kulturbesitz, Prof. Dr. Klaus-Dieter Lehmann
Im Folgenden schlage ich vor, dass das jetzige Ethnologische Museum (Dahlem) neu als
,Museum der Weltkulturen‘ definiert, heutigen Ansprüchen entsprechend konzipiert wird
und - möglichst in einem neuen Gebäude und an einem besseren Standort - zusammen mit
einem gleichzeitig zu schaffenden Museum der aussereuropäischen Kunst (oder - bei Ein-
schluss europäischer Kunstwerke - noch besser: der Weltkunst) zu führen ist.
Ideal wäre ein solches Doppelmuseum in einem Gebäude untergebracht; Parterre das
Kulturenmuseum, darüber das Weltkunst-Museum, im dritten Stock die Studiensamm-
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
15
lungsräume für alle Museen und darüber und im Kellergeschoss die Bibliothek, Verwal-
tung, Werkstätten etc.
Überlegungen zu einem Museum der Weltkulturen
Das Ethnologische Museum (bis vor kurzem und seit hundert Jahren: Völkerkundemuse-
um) dokumentiert Kultur(en), d. h. zeigt menschliche Verhaltensweisen, Wertvorstellungen
und Errungenschaften, zeigt auf, warum und wie menschliche Gemeinschaften zu be-
stimmten Lebensweisen gefunden haben, warum bestimmte gesellschaftliche und kulturelle
Normen und Formen geprägt wurden und was für historische Entwicklungen diese durch
Umwelteinflüsse, Kulturkontakte etc. genommen haben. Ein Weltkulturen-Museum muss
deshalb historisch und ,polyzentrisch‘, d. h. den Standpunkt reflektierend und nicht aus-
schliesslich eurozentrisch konzipiert sein.
In einem modernen Museum der Weltkulturen werden (selbstverständlich ausgewählte)
schriftlose ,Naturvölker4 wie historische Zivilisationen (,Hochkulturen4), rurale wie urba-
ne Kulturen aller Zeiten und Regionen der Erde mit Sammlungsobjekten, Dokumenten al-
ler Art, mit Fotos, Filmen, Musikbeispielen, mit allen heute verfügbaren Medien erlebbar
gemacht. Vermutlich müssen die wichtigsten oder interessantesten Kultur-Entwicklungen
auf der Erde exemplarisch herausgearbeitet werden, so insbesondere solche, die in der
,westlichen Bildung4, entsprechend der der meisten Besucher, eine besondere Rolle spielen
oder spielen sollten, also auch diejenigen des Alten Ägyptens, der Antike, des frühen Chris-
tentums, des Islam, aber auch der Hunnen und Mongolen etc. Eventuell könnte - auch
heute noch - die Vielfalt der Kulturentwicklungen auf der Erde humangeographisch an-
hand von typischen, aber zu datierenden ,Kulturbildern4 gezeigt werden, so beispielsweise
die Anpassung an extreme Umwelt (Inuit, Tibeter, Australier, IKung).
Doch müsste dies relativiert werden durch eine ,synkronoptische Weltkulturgeschich-
te4, bei der Europa nicht im Zentrum steht, sondern auch die Kulturgeschichte beispiels-
weise der Arktis, von China und Westafrika gleichwertig aufgezeigt wird.
Selbstverständlich sollen in Einzelschauen dann wichtige Kulturphänomene wie Religio-
sität, Weltbilder, Hexerei, Buddhismus, Heiligenverehrung, Bildersturm, konfuzianisches
China, Kopfjagd und seine Alternativen, Geheimbünde, Beschneidung, Epen, Moden, die
Kontinente erobert haben, Handel, Verdienstfeste, Urbanisierung, etc. dargestellt werden.
Dabei ist aber von grösster Wichtigkeit, dass jeweils der Standpunkt des Berichters de-
finiert wird, dass er - dialektisch - zusätzlich zu einer analytisch-modernen Darstellung
stets mit einer anderen, eventuell sogar einer kontradiktorischen Ansicht, konfrontiert wird.
(Zwei Beispiele: 1. Umwelt und Kultur von Bau analytisch in westlicher Sicht - aber auch
aus dem alt-balinesischen Weltbild heraus betrachtet. 2. Die Entdeckung Amerikas - auch
aus der Sicht der Entdeckten.) Ein modernes Kulturenmuseum darf nicht eurozentrisch
konzipiert sein, sondern muss gerade diese, noch immer vorherrschende, einseitige Sicht-
weise permanent brechen, muss stets auch aus anderen Perspektiven heraus zu sehen und
unsere Vorstellungen in Frage zu stellen lehren. Dies ist m. E. der wichtigste Beitrag, den
ein solches Museum der Weltkulturen heute zur Entwicklung einer vielschichtigen Einsicht
in die kulturelle Vielfalt bieten kann - und zwar intensiver erlebbar als durch zweidimen-
sionale Medien allein. Ein solches Museum der Weltkulturen kann demnach einen wichti-
gen Beitrag zum Überwinden des europäischen Kolonialismus-Imperialismus Denkens4
bieten. Toleranz dem Fremden gegenüber, aber auch Lust, das kulturell Andere nicht nur
kennenzulernen, sondern auch sich mit seinen Erfahrungen, Überlegungen und Einsichten
auseinanderzusetzen, ist von politisch grösster Relevanz.
,Europäische Volkskunde4, ,Europäische Gestaltung4 (Kunstgewerbe) und Weltge-
schichte4 müssen integral in jedem zeitgemässen ethnologischen Museum behandelt wer-
den. In einem Weltkultur-Museum haben die Erfindung und Konsequenzen von Schwarz-
pulver, Dynamit und Atombombe, von Schreiben, Drucken und PC genauso ihren Platz wie
die Entwicklung von Moden, die verschiedenen Denker und Weltbilder, grundlegende
Überlegungen von Animismus wie Tiefenpsychologie. Und überall müssen Referenzen in
Büchern und PCs einsichtig sein. Ein solches Weltkulturen-Museum muss deshalb ausser
Ethnologen als Mitarbeiter und Berater, Historiker, Ökologen/Geographen, Philosophen,
16
König, Die Konzeptdebatte
Juristen u. a. mehr beschäftigen, um weltoffen und stimulierend zu sein, geistige Kontro-
versen sinnvoll auslösen zu können, dabei ,politically correct‘ zu bleiben, in Vokabular und
Stil zeitgemäss aufzutreten, ohne modisch zu werden. Die ,völkerkundliche Sammlung4
bleibt die stimulierende Basis und muss als Weltkulturen-Archiv betreut werden; sie muss
aber nicht ,ausgestellt4 sein. Die Mehrzahl der Objekte kann in einer zugänglichen Stu-
diensammlung dicht, aber gut sichtbar gezeigt werden. Grosse Teile könnten m. E. auch
ausgelagert werden, wenn die Verhältnisse dies verlangen und ihre Pflege an einem ande-
ren dezentralen Ort besser gewährleistet ist. Insbesondere muss die Sammlung auch wei-
terhin durch die Dokumentation repräsentativer heutiger Verhältnisse permanent wachsen,
was einen enorm steigenden Raumbedarf bedeutet.
Zu den verschiedenen Ausstellungsbereichen gehört selbstverständlich auch ein gross
angelegtes Aktionsforum mit Auditorien, Bühnen, Möglichkeiten, um periodisch grosse
Märkte oder Volksfeste durchzuführen, im Sommer Openair-Musikveranstaltungen abzu-
halten etc. Vielfältige und attraktiv gestaltete Rekreationsräume mit Restaurationsbetrieben
sollten in die verschiedenen , Kulturregionen4 integrierbar und jeweils mit Kleinbühne, einem
Café mit der Möglichkeit, der Region Entsprechendes zu servieren, ausgerüstet sein (Re-
giebetriebe, mit eigenen Zugängen auch abends nach Museumsschliessung offen etc.).
Man kann sich fragen, ob einem solchen Weltkulturen-Museum auch religiös funktionie-
rende öffentliche Zentren (Moschee, Hindu-Tempel) angegliedert sein könnten.
Ein solches Weltkulturen-Museum braucht sehr viel Freiraum und viele Zugänge, even-
tuell auch Werkelräume, didaktische Arbeitsplätze, neben den stilneutralen aber genormten
Ausstellungssälen, die überall rasche Umbauten und Modifikationen ermöglichen.
Überlegungen zu einem ,Museum aussereuropäischer Kunst4, bzw. zu einem
,Museum der Weltkunst4
Im Obergeschoss, sozusagen als ,Überbau4 zu diesem zeitgemässen (ethnologischen) Mu-
seum der Weltkulturen, sollte ein Museum der aussereuropäischen Kunst geschaffen wer-
den. Wenn hier (zumindest mit einem speziellen Bereich für Wechselausstellungen) auch
europäische bzw. zeitgenössische Kunst integriert wird, könnte man von einem idealen
,Weltkunst-Museum4 sprechen!
Ausgehend von dem Leitsatz ,ars una esf, d. h. es gibt auf der ganzen Erde in den ver-
schiedensten Kulturen hervorragende Gestaltungen, die wir ,Künstlerinnen4 verdanken
und ,Kunst4 nennen, werden in diesem Museum aussergewöhnliche oder perfekt geformte
Gegenstände aus Kulturtraditionen aller Kontinente gleichwertig und so ausgestellt, dass
ihre Qualitäten umfänglich zur Wirkung kommen. Diese Kunstwerke werden vor allem
dem Ethnologischen Museum Berlin entnommen, wobei Bestände von Afrika, Ozeanien,
Australien, Indonesien und Alt-Amerika betroffen sind. Ferner werden hier auch die als
eigene Einheiten schon im 20. Jahrhundert aus diesem Museum ausgegliederten Werke der
Museen für die Kunst Ostasiens und Indiens ausgestellt, zusammen mit repräsentativen
Werkgruppen aus den Museen für ägyptische, vorderasiatische, islamische und antike
Kunst, selbstverständlich immer mit dem angemessenen Hinweis auf die eigentlichen Mu-
seen im Bereich ,Archäologie4 (Museumsinsel/Charlottenburg). Dieses neu zu schaffende
Berliner Museum des Weltkunst-Erbes müsste versuchen, ausgewogen (nach unserem heu-
tigen Wissensstand) zu sein, d. h. quantitativ und qualitativ alle Kunstregionen der Welt
,gerecht4 zum Zuge kommen zu lassen, dabei repräsentative ,Meister‘-Werke aus allen
Epochen und Regionen der Menschheitsgeschichte zu zeigen, Entwicklungen und (auch
globale) Zusammenhänge sichtbar zu machen, die Oeuvres und Leistungen hervorragender
Künstler (auch aus schriftlosen Kulturen) hervorzuheben und die stilistische Vielfalt oder
auch Homogenität der wichtigsten Kunstperioden zu präsentieren etc. Dabei gäbe es für ein
solches Museum der aussereuropäischen Kunst/Weltkunst (dank des Besitzes an grossen,
über Jahrzehnte gewachsenen, globalen ,preussischen‘ Sammlungen) verschiedene Mög-
lichkeiten, spannend und nicht nur enzyklopädisch auszustellen.
In einem Weltkunst-Museum in Berlin müsste zu Beginn des 21. Jahrhunderts ein noch
kaum ,global-gebildetes4, d.h. noch weitgehend unreflektierendes ethnozentrisch auf Euro-
pa ausgerichtetes Publikum zunächst durch die verschiedenartigen Weltkunst-Regionen
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
17
(Kontinente, Regionen und Perioden) geführt werden und mit Einführungen in die ,Kunst
Asiens‘, die ,Kunst Afrikas4 etc. vertraut gemacht werden, wobei hier die Kunst-Gattun-
gen, Funktionen, Ikonografien und Stile, Symbolismen, die zu den Kunstschöpfungen ge-
hörenden Landschaften und Architekturformen, die gesellschaftlichen und religiösen Hin-
tergründe, Formen der Kreativität, Werkstattorganisationen, Individualisierungsmöglich-
keiten etc. aufgezeigt werden. Somit sollte zu jeder Weltkunstregion ein didaktischer Raum
mit Multimedien gehören. (Es wäre durchaus zu erwägen, zu jeder der Weltkunstregionen
auch einen eigenen, vollwertigen ,Architektursaal4 mit Modellen, Plänen etc. einzuplanen,
eventuell auch einen weiteren für ,Gestaltung von Gebrauchsgegenständen4). Dann müss-
ten die Vielfalt und die grossen Leistungen, Kunstprovinzen und Perioden der jeweiligen
Kunstregionen ausgeleuchtet werden und schliesslich in einem ästhetischen Klimax noch
die bedeutendsten Einzelwerke oder Werkgruppen, welche die individuellen Meister und
ihre Werkstätten aufleuchten lassen, ausgestellt werden. Am schönsten ist dieser jeweilige
Höhepunkt in dem Museum zentral vorzustellen, als sternförmiges Kunst-Zentrum, so dass
man von hier in irgendeine andere Kunstregion nun ,rückwärts4 vorstossen könnte und sich
so vielleicht auch verblüffende (globale) Quersichten offenbaren würden.
In einem solchen Weltkunst-Museum ist die Auswahl der qualitativ überzeugendsten
Werke und die quantitative Beschränkung von grösster Wichtigkeit. Dabei ist viel freier
Raum, eine sehr diskrete Möblierung, vorzügliche Beleuchtung und zurückhaltende Far-
bigkeit - bei einer solchen Vielzahl an Stilen und Bedeutungsgehalten - Voraussetzung für
eine akzeptable Präsentierung.
Auch sei hier schon erwähnt, dass ich den Etiketten zu den einzelnen Kunstwerken
grosse Bedeutung zumesse: Es geht nicht, sie aus historischem Kontext herauszunehmen,
d. h. nicht oder kaum zu datieren und als ,arts premiers4, Urkünste, zu bezeichnen, obwohl
sie meist im 20. Jahrhundert geschaffen wurden. Es geht auch nicht, sie anonym einem
, Volk4 zuzuschreiben, obwohl man sie meist sehr viel genauer lokalisieren und bestimmten
Werkstätten oder sogar Individuen zuordnen kann. Alle aussergewöhnlichen Gestaltungen
sind in allen Kulturen von aussergewöhnlichen Persönlichkeiten geschaffen!
Zu jeder Kunstregion (jedem Kunstmuseum) gehört deshalb - bei der starken Auswahl
in den Hauptsälen - selbstverständlich noch eine grosse, jeweils in sich gegliederte, allge-
mein zugängliche Studiensammlung (eventuell immer über den ,Kunstregionen4 und von
diesen aus direkt zugänglich im darüber gelegenen Stockwerk).
Die Didaktikräume wären modern auszustatten mit Filmen/Videos/Tonbildschauen, die
vor allem Kunstwerke in situ zeigen, ihre Herstellung, Funktion etc. dokumentieren. Dazu
gehören Lese- und PC-Räume, ev. kleine Cafés.
, Vielfalt, Ausgewogenheit und Qualität4 müssen vor allem und in allen Teilen des Welt-
kunst-Museums stimmen. Man darf also nicht eine Kunstregion aus Gründen der zufälli-
gen Grösse der Berliner Sammlungen breitwalzen oder das Forschungsgebiet eines Kura-
tors/einer Kuratorin (z. B. ,Kunst vom Sepik in Neuguinea4) überdimensionieren. Die
Platzbedürfnisse der einzelnen hier ausstellenden Museen (Kunst aus Afrika, Ostasien,
Südasien, Ozeanien, Altamerika etc.) richten sich also nicht nach dem vorhandenen aus-
stellbaren Material (oder Prestigedenken der Kuratorlnnen), sondern nach der Wichtigkeit
der Werke im Rahmen eines Weltkunst-Erbes und dem (heute wünschbaren bzw. voraus-
sehbaren) Kunsterfahrungs- bzw. Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit. Die Studien-
sammlungen der einzelnen Museen können und müssen selbstverständlich unterschiedlich
gross ausgebaut sein, so dass man hier möglichst alle im Weiteren wichtigen Kunstwerke
in angenehmer Umgebung sehen kann.
Der eurozentrische Standpunkt (,Wir bestimmen, was Kunst ist4) ist nur gerechtfertigt,
wenn gleichzeitig zum Weltkunst-Museum auch die einzelnen zu ihnen gehörenden Kultu-
ren in ihrer Komplexität im nahe gelegenen Weltkultur-Museum sichtbar gemacht werden.
Dort können in einer speziellen Sektion auch diese von uns zu Kunstwerken deklarierten
Gegenstände in ihrer ursprünglichen sozioreligiösen Bedeutung oder zusammen mit den
Weltbildern, die sie ja meist materialisiert haben, erlebbar gemacht werden.
18
König, Die Konzeptdebatte
Praktische Überlegungen zu einem ,Doppelmuseum4 in Berlin
Ein solches Doppelprojekt (Weltkulturen- und Weltkunst-Museum) ist nur in Berlin dank
seinen grossen, im Lauf von über hundert Jahren gewachsenen ethnografischen Sammlun-
gen aus allen Kontinenten möglich. In Paris ist die Entflechtung Louvre/Musée Guimet/
Musée de l’Homme zu weit fortgeschritten, im British Museum wird jetzt das Museum of
Man wieder zurück ins Hauptgebäude geholt, wird dort aber nicht als grundlegend4 aner-
kannt!
Die Chancen, mit diesem neuen Doppelmuseum im Zentrum von Berlin einen politi-
schen Standpunkt zu markieren, sind faszinierend:
• Alle Kulturen der Erde sind gleich bedeutend;
• wir sehen in allen die Grundlagen für die Gestaltung einer neuen globalen Gesellschaft;
• die Zeit des Kolonialismus und eines alles auslöschenden europäisch-christlichen Welt-
bildes, der Vorstellung von einer allgemeinen Evolution hin zum europäischen (Über)-
Menschen ist vorüber.
Es stünde einer Bundesrepublik Deutschland wohl an, in ihrer Hauptstadt dieses Kultur/
Kunsterfahrungszentrum zu schaffen, in dem die Würde aller Menschen der Erde, die
Gleichberechtigung aller Kulturen, aber auch die unterschiedlichen Formgebungen der
Werke der bedeutendsten Künstler und Künstlerinnen aus allen Kulturen miteinander ge-
zeigt werden. Ein solch monumentales Projekt lässt sich nur realisieren, wenn der Präsi-
dent SPK und Generaldirektor Berliner Museen dies zum zentralen Ziel ihrer Amtszeit er-
klären, wenn durch sie die politischen Kräfte gewonnen, die Finanzen bereitgestellt und die
nötigen planerischen und administrativen Freiheiten geschaffen werden (siehe Frankreich,
das unter Präsident Chirac das Museum der ,arts premiers4 als Musée du Quai Branly in
Paris plant).
Hierbei ist zu bedenken, dass als erstes die Verwaltung des Ethnologischen Museums
einer solchen Umgestaltung des Komplexes Dahlem in ein eigentliches ,Weltkulturen-
Museum4 und ein aus verschiedenen gleichwertigen Teilen bestehendes ,Museum der
aussereuropäischen Kunst4 zustimmen muss. Es braucht also parallel zu den drei bestehen-
den Museen für die Kunst Ostasiens, Südasiens und des Islams dann auch drei Museen für
die Kunst Afrikas, Alt-Amerikas und Ozeaniens mit eigenem Personal. Im Ethnologischen
Museum sind Kuratoren für diese Kulturregionen selbstverständlich weiterhin nötig - und
nicht in geringerem Umfang! Die neu zu ernennenden Museumsleiterinnen der drei nicht-
asiatischen Kunstmuseen müssen (idealerweise) als Kunstethnologen oder Archäologen
ausgebildet sein und eine Museums- oder Ausstellungserfahrung besitzen.
Es braucht selbstverständlich dann eine Direktorin/einen Direktor des Ethnologischen
Museums, welcher/welche die , Ausgliederung4 der Kunstwerke aus diesem Museum wirk-
lich unterstützt, selbst eine zeitgemässe Kulturdarstellung grossen Ausmasses konzipieren
und vorantreiben kann, und die ,Kunst‘-Präsentation als etwas Eigenständiges akzeptiert,
das in einen anderen Zuständigkeitsbereich fällt. Es braucht in diesem Museum der ausser-
europäischen Kunst dann eine Person, die gemeinsam mit allen Museumsdirektorinnen,
deren Sammlungen involviert sind, ein Weltkunst-Konzept erarbeiten und alle zu einem
gemeinsamen Ziel führen kann. Es darf kein Stückwerk (wie jetzt in Dahlem geplant) blei-
ben, wo jeder neben dem anderen sein Terrain bebaut und abgrenzt; es darf aber auch kein
Diktat eines Architekten mit einem vorfabrizierten Baukörper sein, sondern es muss ge-
meinschaftlich ein Gesamtkonzept erarbeitet werden, das dann auch realisiert wird.
Man muss vermutlich aus dem Ethnologischen Museum 15.000 bis 50.000 Kunstwerke
(aus Afrika, Alt-Amerika, Ozeanien/Australien, Asien) ausgliedern. Der Direktor muss
dies als Stärkung, nicht als Schwächung des neuen Museumskomplexes betrachten, dem er
allerdings dann nicht integral vorsteht!
Auch von den Direktorinnen der Museen für die Kunst Ostasiens und Südasien wird
freudiger Kooperationswille verlangt: Sie müssen sich mit dem Standort, den Zielen und
Ausstellungsprinzipien des Weltkunst-Museums nicht nur einverstanden erklären, sondern
an der Konzipierung und Durchführung aktiv mitarbeiten und eventuelle Eigeninteressen
und Ansichten einem gemeinsamen Weltkunst-Thema zuliebe unterordnen.
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
19
Die Einschränkung der sog. Unabhängigkeit1 der Direktorinnen der Kunstmuseen von
Ost- und Südasien würde durch ein sehr vergrössertes Publikumsinteresse, die zusätzlichen
Möglichkeiten für Veranstaltungen, rekreative Unternehmungen etc. mehr als wettgemacht.
Man müsste diesen, wie allen Kunstregionen, eigene Eingangsbereiche, Absperrungen für
Saalgruppen etc. einplanen. Es darf auch ausstellungsmässig kein Einheitsteig werden, und
doch muss ein Stilwille alles formen.
Schliesslich wäre die Bereitschaft der Berliner Museen europäischer Kunst zu erfor-
schen, ob sie in einem solchen Weltkunst-Museum ebenfalls Räume sinnvoll belegen wür-
den (aber nicht mit zweitklassigem Depotmaterial!), so dass man hier in einer Galerie auch
eine synkronoptische Weltkunstgeschichte zeigen könnte mit Querverweisen auf Reit-
kunst, um 3000 v. Chr.‘ oder ,um 1800/25 ‘, bzw. in Sonderausstellungen Themen präsen-
tieren würde wie ,Künstlerinnen erleben die Landschaft1, ,Das Porträt1, ,Primitivismus1,
,Die Kunst des Liebens - global1 etc.
Wenn Letzteres grundsätzlich denkbar wäre, sollte man von vornherein ein Museum der
Weltkunst planen!
Ferner müssen die Direktorinnen aller sonstigen Berliner Museen mit aussereuropäi-
scher Kunst (vor allem aus Vorderasien, Ägypten, dem Islam) bereit sein, in dem neu ge-
gründeten Flaus jeweils eine ,Dependance1 zu errichten, in Absprache mit dem Leiter des
Weltkunst-Museums, bzw. demjenigen des Ethnologischen Museums, wo ja in der
,Kultur‘-Repräsentation diese Regionen ebenfalls umfänglich dargestellt werden müssen.
Hierzu braucht es sowohl für die permanente Ausstellung wie für Sonderausstellungen
Werke, auch bedeutende Werke, aus den verschiedenen Berliner Museen.
Es stellt sich in Berlin die Frage, ob das ,Haus der Kulturen der Welt1 (finanziert vom
AA!) nicht in ein solches Doppelmuseumskonzept zu integrieren ist. Ein ,Aktionsforum1
ist sowieso im ,Museum der Weltkulturen1 notwendig; die Ziele, Bestrebungen und das
Publikum der beiden Institutionen sind weitgehend identisch oder ergänzen einander ideal,
eine Zusammenfügung wäre deshalb durchaus sinnvoll.
Eventuell ist auch die permanente Repräsentanz von KAVA Bonn (mit den Ergebnissen
deutscher archäologischer Forschung im Ausland, Teil des Deutschen Archäologischen In-
stituts, d. h. ebenfalls AA-finanziert) möglich, sind Teilaktivitäten des Ibero-Amerikani-
schen Instituts hierhin zu verlegen.
Ferner wird vor Beginn der Planung die Entscheidung nötig, wie mit zeitgenössischer
Weltkultur und -kunst umgegangen wird: Sollen solche Dokumente und Werke in die Aus-
stellungen integriert, sollen sie regelmässig gesammelt werden? Wird für sie eine neue In-
stitution gegründet, die Sammlungen des 21. Jahrhunderts für Kunstgewerbemuseum/
Hamburger Bahnhof/ Ethnologisches Museum integriert? Mündet alles in globale Moder-
ne Kunst und Kultur? Endet Reitkunst1 mit der Erfindung der Fotografie?
Das Projekt ,Arts premiers im Louvre1 hat gezeigt, dass es höchster staatlicher Autorität
und grosser Finanzmittel bedarf, um die längst fällige Aufwertung der afrikanischen und
ozeanischen Kunst durchzuziehen. Die Gründung eines neuen Museums anstelle des Mu-
sée de l’Homme in Paris ist überfällig, wird aber vermutlich Stückwerk bleiben, weil man
sich nicht traut, das Musée Guimet oder Cemuschi zu integrieren.
Im Metropolitan Museum of Art in New York sind zwar Sammlungen aus aller Welt
unter einem Dach vereint, eine ,Gleichgewichtung1, ja ein einheitliches Kunstkonzept und
die ethnologische Basis fehlen. Europäische Kunst ist übergewichtig.
Ein solches Weltkunst- und Kulturmuseum lässt sich in Berlin nur verwirklichen, wenn
es innerhalb kürzester Zeit geplant, gebaut und eröffnet wird (s. Paris). Zunächst braucht es
viele gute Ideen, ein klares Konzept, Kollaboration aller Berliner Beteiligten, dann eine
straffe Bauplanung und einen engen Terminplan bis zur erfolgreichen Grosseröffnung.
Man kann wichtige Teile eröffnen, wenn noch nicht alle Räume fertig gestellt sind.“
Dies bedeutet, dass ein solches zentrales Weltkultur- und Weltkunst-Doppelmuseum für
seine (auch manchmal semi-permanenten) Ausstellungen Objekte aus den Beständen aller
Berliner Museen erhalten muss. Da in einer zeitgemässen Weltkultur-Darstellung Europa
und seine Geschichte nicht ausgeklammert sein darf (die Volkskulturen Europas allein im
Ethno-Museum zu zeigen, ist nicht angebracht), ja, da permanent eine Rückbesinnung der
Besucher und Besucherinnen auf die erlebten einheimischen Zustände und Vorstellungen
20
König, Die Konzeptdebatte
notwendig ist, sollte in diesem Doppelmuseum auch die Kunst und Kultur Europas hoch-
karätig präsent sein.
(Dr. Eberhard Fischer, Museum Rietberg Zürich, vorgelegt am 15. August 2000)
Der Wechsel in der Leitung des Ethnologischen Museums. Etatkürzungen für die
Großsanierung des Ethnologischen Museums in Dahlem
Im September 2000 beginnen die Verhandlungen über die Nachfolge Helfrichs. Bedin-
gung des Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz an die Bewerber war, das
neue Konzept des Umzugs auf den Schlossplatz zu akzeptieren, ausdrücklich voranzu-
treiben und sich vorbehaltlos damit zu identifizieren. Unmittelbar nach dem Dienst-
antritt der neuen Museumsleitung am 15. Mai 2001 wird das Budget für die Neukonzep-
tion des Ethnologischen Museums seitens der Staatlichen Museen zu Berlin reduziert
und auf ein anderes Museum umgewidmet, der Vertrag der Gestalter Creamuse Straß-
burg wird aufgelöst.
In den folgenden Jahren soll auch das noch verbliebene Budget für die Sanierung und
Neueinrichtung des Bruno-Paul-Baus, des Altbaus an der Amimallee, durch die Träger
der Stiftung Preußischer Kulturbesitz weiter reduziert und zeitlich gestreckt werden. Nach
zehn Jahren Planungs- und Bauzeit beziehen das Ethnologische Museum und das Muse-
um für Europäische Kulturen schließlich 2011 das Erdgeschoss des Bruno-Paul-Baus.
Doch bereits 1999 befindet sich der Dahlemer Gebäudekomplex mit Ausnahme des
Neubautraktes des Museums für Asiatische Kunst in einem besorgniserregend maroden
Zustand. Der Aufwand der Instandhaltung, später Instandsetzung (Funktionsertüchti-
gung), wächst fortan kontinuierlich.
Die frühen Konzeptskizzen
Ende Mai 2001, zwei Wochen nach ihrem Dienstantritt, legt die neue Leitung des
Ethnologischen Museums dem Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin, Peter-
Klaus Schuster, auf dessen Wunsch erste Gedanken zu dem neuen Großprojekt vor. Das
zweiseitige Papier enthält Ideen, von denen einige bis in die aktuelle Konzeption erhal-
ten bleiben:
„Nutzungskonzepte Schlossplatz
Ausgangspunkte
• Wir planen ein Konzept, das die Besucher erst frühestens in 15 Jahren in Augenschein
werden nehmen können
• Wir wissen nicht, durch wen und in welcher Höhe die Konzepte finanziert und baulich
verantwortet werden
• Wir wissen nicht, ob es dann noch einen Museums- und Ausstellungsboom wie in den
vergangenen 20 Jahren geben wird
• Wir kennen nicht die Sehgewohnheiten des Besuchers von 2016+
Lösung
Die Konzepte müssen inhaltlich für Änderungen dem Zeitgeist entsprechend geöffnet blei-
ben (einzelne Module?)
Ggf. Verkürzung der Bau- und Einrichtungszeit durch Ausschalten der Bundesbaubehörde
(Private Public Partnership)
Leitlinie für die Konzepte
Die gegebene Heterogenität der kulturellen Hauptnutzer (Außereuropäische Museen, Bib-
liotheken, Humboldt-Universität et al.) muss als Chance gesehen werden. Sie ermöglicht
dem Besucher eine Nutzung nach dem ,Multiple Choice‘-Verfahren.
Im Gegensatz zu den europäischen Museen auf der Museumsinsel muss der Schwer-
punkt auf dem außereuropäischen bzw. überseeischen Aspekt liegen. (Dichotomie, Dialog
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
21
~d
2 Die Bundesregierung und
der Senat von Berlin ha-
ben unter Hinweis auf die
besondere Bedeutung des
Berliner Schlossplatz-
areals als Ausgangspunkt
der historischen und städ-
tebaulichen Entwicklung
der Stadt am 31. Oktober /
1. November 2000 die
Einsetzung einer Interna-
tionalen Expertenkommis-
sion „Historische Mitte
Berlin“ beschlossen
(http://www.bmvbs.de,
Zugriff am 24.10.2012).
3 Internationale Experten-
kommission Historische
Mitte Berlin - Materia-
lien, Berlin April 2002.
Europa - Übersee - Europa). Dies ist auch den übrigen nichtmusealen Hauptnutzern (Zen-
tral- und Landesbibliothek, Humboldt-Universität) zu vermitteln.
Vorschlag für ein Rahmenkonzept
Das ,Multiple Choice‘-Verfahren sollte auch innerhalb der außereuropäischen Museen Leit-
linie sein. Es gibt keine vorgegebenen Rundgänge. Vielmehr ist an einen großen interna-
tionalen Flughafen zu denken; denn Flughäfen dürfte es auch in 20 Jahren noch wenig
verändert geben. Der Besucher steht in der Eingangshalle. Auf einer großen Anzeigetafel
kann er Rundgänge auswählen und an der Kasse buchen wie einen Flug. Natürlich kann er
auch Rundgänge miteinander kombinieren wie Connecting Flights oder Gabelflüge. Dann
begibt er sich zu den Eingängen entsprechend den Flughafen Terminals mit Abflügen und
Ankünften.
Alternativ kann er entweder konventionell zu Fuß starten, vielleicht über ein Laufband,
oder sich virtuell (Flugsimulator) auf die Ausstellungsreise begeben. Der Vorteil eines sol-
chen Konzeptes ist, dass es noch während der langen Bauphase flexibel bleibt, nachgebes-
sert werden kann, und dass es zu keinerlei Kompetenzgerangel innerhalb der verschiede-
nen Museen, den Bibliotheken, der Humboldt-Universität u.a. Nutzem kommen kann. Jeder
bleibt in seiner individuellen Ausgestaltung völlig autonom.
Grundsätzlich ist zu überlegen, ob nicht nur die Ausstellungsbereiche, sondern auch
Teile der umfangreichen Sammlungen der außereuropäischen Museen sowie die der Hum-
boldt-Universität in Form von öffentlich zugänglichen ,gläsernen1, d.h. einsehbaren Schau-
und Studiensammlungen präsentiert werden.
Auch hier hat der Besucher wieder ,Multiple Choice1, er kann Schubladen aufziehen
oder Schränke öffnen und Inventare einsehen. Hier wird nichts in Textform erläutert; es
gibt nur die Inventar-Nummern, die man am Bildschirm per Multimedia aufrufen kann.
Der Besucher bestimmt selbst den Umfang der gewünschten Informationen, die er auf
verschiedenen Ebenen hierarchisch abrufen kann, inklusive Ton, Film etc.“
(Viola König, Ethnologisches Museum, für den Generaldirektor, vorgelegt am 30. Mai 2001)
Die Metapher des Flughafens mit Check-in und Gates wird folgend vom General-
direktor in seine Konzeptskizzen übernommen und erhält sich bis in die aktuellen Pla-
nungen mit den Gestaltern im Jahre 2012.
Namensgebung und Schlossplatzkommission
Im Rahmen der „Beiträge zur Kommissionsarbeit“ der „Internationalen Expertenkom-
mission Historische Mitte Berlin“ hält der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbe-
sitz, Klaus Dieter Lehmann, am 16. März 2001 den Vortrag „Kunst und Kulturen der
Welt in der Mitte Berlins“. Am 12. Juli folgt der Generaldirektor der Staatlichen Museen
zu Berlin, Peter-Klaus Schuster, mit dem Vortrag „Das Berliner Museumsschloss - eine
Freistätte für Kunst und Wissenschaft“.
Ebenfalls am 12. Juli spricht Bruno Flierl zu „Überlegungen zur Gemeinsamen
Nutzungskonzeption der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, der Humboldt-Universität
und der Zentral- und Landesbibliothek“ und beschreibt damit die spätere Nutzergemein-
schaft am Humboldt-Forum.2
Alle Beiträge werden gemeinsam vom Bundesministerium für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen sowie der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung 2002 veröffentlicht.
Lehmanns und Schusters Vorträge sind für den bis heute verfolgten Prozess der inhalt-
lichen Planung, der Konzeption und Vision des Humboldt-Forums maßgebend und wer-
den deshalb hier nochmals abgedruckt.3
„Kunst und Kulturen der Welt in der Mitte Berlins
Vorbemerkung
Die große bildungs- und kulturpolitische Leistung Preußens zu Beginn des 19. Jahrhun-
derts am Ende der Napoleonischen Kriege lag in den eindrucksvollen Reformbestrebun-
22
König, Die Konzeptdebatte
gen, Bildung und Wissenschaft zum Motor der gesellschaftlichen Entwicklung zu machen.
Die Gründung der modernen Universität und die Errichtung der Museumsinsel im Zeit-
raum von 100 Jahren (1830-1930) als Freistatt für Kunst und Wissenschaft waren äußere
bauliche Zeichen dieser Verpflichtung.
Fleute stehen wir vor anderen tief greifenden Veränderungen, die durch Globalisierung,
mediale Flüchtigkeit, ständige Beschleunigung, aber auch zunehmende Nivellierung der
Lebenswelten gekennzeichnet sind. Reformbestrebungen können kulturpolitisch heute da-
durch aktiviert werden, dass der Kultur ein hoher unverwechselbarer Stellenwert als Ver-
mittlerin eingeräumt und der eurozentrische Blick verändert wird zu einer gleichwertigen
Betrachtung der Kunst und der Kulturen der Welt.
Gegenüber der Museumsinsel mit ihrer Menschheitsgeschichte des werdenden Europa
sollten die außereuropäischen Kulturen auf dem Schlossplatz verankert werden - im direk-
ten Dialog miteinander. Damit könnte Deutschland in Berlin - stellvertretend für Europa
- einen neuen kulturpolitischen Akzent setzen, der die Vergangenheit zu Zukunftsaspekten
werden lässt und die Gleichrangigkeit und die Einzigartigkeit der Kultur zum Inhalt macht.
2. Der Schlossplatz
Der Berliner Schlossplatz ist der herausragende Hauptstadtstandort von hoher geschicht-
licher Bedeutung, städtebaulicher Akzentuierung und internationaler Identifizierung. Er
muss urban, öffentlich und hochwertig gestaltet und auch genutzt werden. Die derzeitige
- und seit zehn Jahren andauernde - Diskussion zur Bebauung des Berliner Schlossplatzes
ist bislang ohne überzeugendes Nutzungskonzept geführt worden. Sie reduziert sich auf
eine Fassadendiskussion mit einer unverbindlichen Beliebigkeit dahinter.
Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz hat 1999 einen schlüssigen Masterplan für die
Museumsinsel vorgestellt. Sie stellt jetzt einen Ideenansatz für die Bebauung des Schloss-
platzes vor, der in unmittelbarer Beziehung zur Museumsinsel steht. Während die Muse-
umsinsel, eines der eindrucksvollsten - aber auch eines der gefährdetsten - kulturellen
Ensembles, mit ihren archäologischen Sammlungen und denen der abendländischen Kultur
dem humanistischen Bildungsideal Wilhelm von Humboldts entspricht, könnte der
Schlossplatz, im Süden der Museumsinsel gelegen, die außereuropäischen Kulturen des
jetzigen Dahlemer Museumsquartiers aufnehmen. Dieses Konzept entspräche dem Denken
des Weltbürgers Alexander von Humboldt. Damit ergäbe sich eine einmalige Konzentra-
tion der Kulturen der Welt in der Mitte Berlins - mit der Leitidee beider Brüder Humboldt.
Während der Masterplan für die Museumsinsel mit der Zustimmung des Stiftungsrates
bereits in die Realität umgesetzt wird und seine Ausführung in zehn Jahren fertig gestellt
sein soll, befindet sich auf dem Schlossplatz eine unbehauste Leere. Dies kann als große
Chance begriffen werden. Die beste Adresse unseres Landes sollte als überzeugende Antwort
auf die wichtigen Fragen unserer Zeit gestaltet werden. Unsere Zeit ist geprägt von organi-
sierter Gleichzeitigkeit, medialer Flüchtigkeit und ständiger Beschleunigung. Globalisierung
und Ökonomismus führen zu einer unspezifischen Vermischung der Lebenswelten, zur
Nivellierung der Kulturen. Wir können aber auf einen Dialog der Kulturen nicht verzichten.
Die Dahlemer Sammlungen des Ethnologischen Museums, des Ostasiatischen Muse-
ums, des Indischen Museums und des Museums für Europäische Kulturen sind geeignet,
den Kulturen der Welt in unserem Denken und Handeln eine neue Präsenz zu geben, nicht
als Rangvergleich mit der abendländischen Kunst, sondern in der Eigenständigkeit, im
gegenseitigen Respekt, im Gespräch zwischen den Kulturen. Identität und Offenheit sind
das entscheidende Begriffspaar für diese Auffassung. Weder eine eurozentrische Sicht oder
imperiale Geste noch die Reduzierung dieser Kulturen auf formalästhetische Kategorien
sind geeignet, das neue Konzept zu bestimmen. Auch das ,musée imaginaire1 von André
Malraux, das alle Bildwerke der ganzen Welt vereinigen soll, genügt wegen seiner selbst-
referentiellen Ästhetik dem Ansatz der Kulturen der Welt nicht. Es muss ein Ort sein, der
Kunst und Leben in Beziehung setzt, der Mythen sichtbar macht, der auch unauflösbare
Fremdheit respektiert, der nicht über, sondern mit dem Fremden arbeitet, eine Werkstatt zur
Teilhabe, ein Reflexionsort des Staunens, Innehaltens und Verstehens. Damit kommen wir
von festgefahrenen starren Bildern zu einer lebendigen gleichrangigen Zeitgenossenschaft
der Weltkulturen. Wenn dieses Denken über Weltkulturen eine Werkstatt für den kulturel-
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
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len Dialog wird, dann hat Berlin einen neuen kulturpolitischen Impuls gesetzt, der im Zu-
sammenhang mit der Museumsinsel nicht nur eine enorme Ausstrahlungskraft haben wird,
sondern auch ein neues Bild für die Beziehungen unseres Landes zu anderen Kulturen
formen wird.
Eine interkulturelle Werkstatt benötigt aber mehr als nur die Museen. Sie bilden den
Kern. Hinzutreten müssen weitere Funktionen, wie ein interdisziplinäres Kulturkolleg mit
Kolloquien, Veranstaltungen und Wissenschaftsdisziplinen, ein Haus der Kulturen der Welt
mit Theater-, Literatur- und Musikaktivitäten, ein Medienzentrum zur Organisation techni-
scher und intellektueller Netzwerke. Dieser Ort der Seherfahrung, der Experimente, der
Wissenschaft und der Heiterkeit ist keine Utopie, sondern eine Vision. Eine Vision, die man
in pragmatischen Schritten erreichen kann.
Deutschland hat eine besondere Mittlerfunktion. Die Kultur ist dabei ein wichtiges Fer-
ment. Sie in der Hauptstadt wahrnehmbar zu bündeln und mit Wissenschaft, Bildung und
Veranstaltungen für die breite Öffentlichkeit zu vernetzen ist ein zeitgemäßer kulturpoliti-
scher Ansatz. Gerade in unserer globalisierten und virtuellen Welt sind diese Leitideen für
Identität und Offenheit ein unübersehbares Zeichen.
3, Einzelargumente
1. Dahlem kann auf Dauer nur mit hohen Kosten dauerhaft saniert werden: 300-400 Mio.
DM. So kann umgedacht werden von Gesamtsanierung auf mittelfristige Standortsiche-
rung. Für eine begrenzte Zeit würde für notwendige Erhaltungsmaßnahmen nur ein
Bruchteil dieser Mittel benötigt.
2. Die Randlage Dahlems wird auch bei hohen Anstrengungen den Besucherschwund
nicht stoppen können.
3. Nach Fertigstellung der Museumsinsel (10 Jahre) könnte ein Masterplan Schlossplatz
das Dahlemer Quartier umsetzen, zeitlich eher, wenn zusätzliche Geldquellen zur Ver-
fügung gestellt würden.
4. Es entstünde ein kulturelles Kraftzentrum mit hoher Ausstrahlung in der Mitte Berlins,
an das inhaltlich nahe Einrichtungen angedockt werden: z. B. Haus der Kulturen der
Welt, Collège d’Europe, Alexander v. Humboldt-Stiftung usw.
5. Der Vorschlag ist zunächst unabhängig von der äußeren Bauwerksgestalt. Das kann
Schlossgegner und -befürworter versöhnen.
6. Es ist ein vorwärts gerichtetes Programm, das Femkompetenz vermittelt, die Spezifika
der Kulturen sichtbar macht und in einer Koexistenz bündelt.
7. Eurozentrierte und außereuropäische Kulturen gleichrangig aufeinander zu beziehen,
setzt neue Akzente einer politischen Aufgeschlossenheit Deutschlands.
8. Die frei werdenden Liegenschaften in Dahlem könnten bis auf das ehemalige Magazin-
gebäude des Geheimen Staatsarchivs anderen Nutzem, beispielsweise der EU Berlin,
angeboten werden.
4. Zahlen
Für die Sammlungen sind ca. 50.000 m2 erforderlich. Das Gebäude auf dem Schlossplatz
wird ca. 150.000 m2 verfügbar machen.
Das Ethnologische Museum hat etwa 500.000 Ethnographica, 140.000 ethnologische
Tondokumente, 300.000 Fotos und 200.000 kulturhistorische Schriften.
Das Museum für Europäische Kulturen verfügt über etwa 300.000 Exponate, Ostasien
und Indien über 30.000 Exponate. Die Kosten für den Wiederaufbau am Schlossplatz wer-
den auf 1,2-1,5 Mrd. DM geschätzt.
5. Fazit
Ein kulturpolitisches Konzept für Berlins Mitte, auf dem Ideenansatz von Wilhelm und
Alexander von Humboldt fußend, ist nicht nur ein in sich logischer Ansatz, einprägsam als
Markenzeichen, sondern auch ein neuartiger, in die Zukunft weisender Entwurf. Er ist prä-
gend für das Verhältnis Deutschlands zu den Kulturen der Welt und wird damit zu einer
nationalen Aufgabe. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, von Bund und allen Ländern
getragen, kann diesem Auftrag in besonderer Weise gerecht werden.
24
König, Die Konzeptdebatte
Anlage 1
Thematische Schwerpunkte
Natur und Kultur:
• Kulturentwicklung und ihre ökologischen Voraussetzungen.
• Vielfalt und Gemeinsamkeit von Kultur.
Archäologie - Kultur und die Zeit-Raum-Dimension:
• Rekonstruktion außereuropäischer Kulturen.
• Definition und Entstehung von so genannten ,Hoch‘-Kulturen.
Kunst:
• Ästhetische Konzepte in außereuropäischen Kulturen.
• Kunst, Gesellschaft und Genius.
• Europäische und außereuropäische Beeinflussung in der Kunst.
Indigen-europäische Begegnungen:
• Das Fremde und das Eigene.
• Kolonialer Diskurs. Globalisierung.
Evolution der Flumandiversität. Fleterogenität von Kultur und die Folgen der Globalisie-
rung. Gegenströmungen:
• Überwindung von Rassendiskriminierung oder Verlust der Diversität menschlicher Kul-
tur?
• Romantisierung voreuropäischer Kulturen, Exotik, Esoterik.
• Neues Selbstbewusstsein ethnischer Minderheiten, Nationalbewegungen.
Alle Themen sind miteinander vemetzbar. Wenn man sich die Themen in der obigen Rei-
henfolge auf einem Kreis angeordnet vorstellt, werden die Vernetzungen in beiden Rich-
tungen sichtbar. Beispiele aus den übrigen Häusern der Staatlichen Museen - Stiftung
Preußischer Kulturbesitz (SMPK) könnten zwecks Erläuterung hinzugezogen werden. Für
Natur und Kultur wird ergänzendes Material aus naturkundlichen Sammlungen benötigt.
Natur und Kultur
• Kulturentwicklung und ihre ökologischen Voraussetzungen.
• Vielfalt und Gemeinsamkeit von Kultur.
Die Darstellung der unterschiedlichen Weltkulturen, ganz gleich ob monographisch oder
kulturvergleichend, muss im Rahmen ihres ökologischen Umfeldes erfolgen. Als Nachbar-
wissenschaften sind hier insbesondere die Kulturgeographie und Biowissenschaften mit
einzubeziehen. Letztere können durch ihre beliebten Präparate, Dioramen und andere Me-
dien die Beziehung Mensch und Kultur besonders anschaulich und attraktiv gestalten. Eine
Kooperation mit den in Berlin ansässigen Institutionen muss hergestellt werden.
Archäologie - Kultur und die Zeit-Raum- Dimension
• Rekonstruktion außereuropäischer Kulturen.
• Definition und Entstehung von so genannten ,Hochkulturen‘.
Der Umzug der Museen der Weltkunst und -kulturen in die Stadtmitte böte die Möglich-
keit, die gemeinsamen Fragestellungen der alt- und neuweltlichen Archäologie zu veran-
schaulichen, z. B. durch eine Überleitung (real oder virtuell) von Mesopotamien nach Me-
soamerika. Der Vergleich zwischen den vorhandenen Ausstellungen der Berliner archäolo-
gischen Museen und dem alt-amerikanischen Bestand des Ethnologischen Museums, wie
Teile aus Tempel- und Palastanlagen, Skulpturen, Befunde aus Gräbern, Wandmalereien
und Darstellung auf Keramik oder Schriftquellen, bezeugt, dass menschliche Gesellschaft,
Macht, Herrschaft und Untergang, Entstehung von Reichen oder Religionen, Riten und
Bräuche im so genannten ,Hochkultur‘-Bereich identischen Fragestellungen und wissen-
schaftlichem Methoden unterliegen. Die Sammlungen der Staatlichen Museen zu Berlin -
Stiftung Preußischer Kulturbesitz bieten hier einmalige Vergleichsmöglichkeiten. Archäo-
logische Themen sind stets Besuchermagnete.
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
25
Kunst
• Ästhetische Konzepte in außereuropäischen Kulturen.
• Kunst, Gesellschaft und Genius.
• Europäische und außereuropäische Beeinflussung in der Kunst.
Nur der Mensch kann sich ästhetisch artikulieren. Die Fähigkeit, sich künstlerisch zu arti-
kulieren oder künstlerische Meisterwerke als solche zu erkennen, ist kulturübergreifend
über Zeit und Raum in allen menschlichen Gesellschaften vorhanden. In Europa hat sich
seit der Renaissance der spezifische Kunstbegriff im Sinne der Fart pour Fart herausgebil-
det und weiter entwickelt. Ähnliche oder gar identische Konzepte sind aus dem ostasiati-
schen und indischen Bereich bekannt. Das Museum für Ostasiatische Kunst und das Muse-
um für Indische Kunst leiten daraus ihre Existenzberechtigung ab. In den übrigen außer-
europäischen Kulturen stellt sich die Situation weitaus ungesicherter dar; Ist hier gar kein
Kunstbegriff vorhanden (gewesen)? Sind künstlerisches Schaffen und Leistungen rein
handwerklich zu bewerten? Standen sie im Dienst einer Religion oder einer Herrschaft,
vergleichbar etwa der Kunst des Mittelalters? Oder sind die Individuen, die Begabungen
und Genies, also die Künstler, die den Namen verdienen und deren Meisterschaft kultur-
übergreifend erkenntlich wird, anonym geblieben? Oder waren sie in ihrer eigenen Gesell-
schaft zwar bekannt, wurden aber vom europäischen Sammler unterschlagen, als unwichtig
erachtet mit der typischen Arroganz des Eroberers?
Sicher scheint, dass das Genie in seiner eigenen Gesellschaft, die es zum künstlerischen
Ausdruck fördert oder animiert, nicht unerkannt bleibt. Die aktuelle Diskussion um, und
die Suche nach den Namen dieser Namenlosen muss dem jeweiligen Kenntnisstand ent-
sprechend reflektiert werden, sowohl am Beispiel der vorhandenen Sammlungen, wie an
aktuellen Beispielen der zeitgenössischen Weltkunst. Fortschritte bei der Wiederent-
deckung namentlich fassbarer Künstler als Angehörige indigener Gesellschaften müssen
dokumentiert und stets aktualisiert werden. Ein dynamischer Dialog zwischen Vertretern
der klassischen Kunstgeschichte (klassischen Archäologie) und Ethnologie, wie er in
Nordamerika, Australien oder auch Frankreich längst geführt wird, muss verstärkt in von
Ethnologen und Kunsthistorikern gemeinsam konzipierten Ausstellungen sichtbar gemacht
werden. Dazu gehört selbstverständlich auch die Darstellung der gegenseitigen Beeinflus-
sung von indigener und Weltkunst.
Indigen-europäische Begegnungen
• Das Fremde und das Eigene.
• Kolonialer Diskurs. Globalisierung.
Die völkerkundlichen Museen Europas werden gern als die Repräsentanten europäischer
Kolonialisierung und europäischer Imperialismuspolitik angesehen. Das sind sie aber nur
zum Teil. Häufig entstanden sie aus den ehemaligen Kuriositätenkabinetten der europäi-
schen Fürstenhäuser. In Deutschland und insbesondere Berlin spiegeln sie zudem die akri-
bische Sammler- und Forschertätigkeit deutscher Wissenschaftler seit der Mitte des 18. Jahr-
hunderts (Alexander von Humboldt war keineswegs der Erste!).
Wie auch die archäologischen Museen der SMPK verdankt das Ethnologische Museum
seine einmaligen Schätze jener typisch deutschen Forschertradition. Die Sammlungen
spiegeln jeweils spezifische Zusammentreffen zwischen Geberkultur und Sammler- bzw.
Wissenschaftlerinteressen. Zu den Ergebnissen großer und kleiner Expeditionen kommen
koloniale Situationen (Ausbeutung der Eroberten durch die Kolonialherren), Handelsbe-
ziehungen, persönliche Beziehungen und anderes mehr.
Über all jenen Einzelfällen schwebt der postmoderne, postkoloniale Diskurs. Traditio-
nelle Bilder der Kolonialisierten, der ausgebeuteten Drittländerangehörigen lösen sich auf.
Die Inder beispielsweise sind längst in einen wissenschaftlichen Dialog eingetreten und
kritisieren das eigene Kolonialverhalten auf das Schärfste. Der Siegeszug außereuropäi-
scher Religionen in westlichen Metropolen ist nicht aufzuhalten (Schamanismus, Buddhis-
mus). Fernöstliche Sitten, Esskultur, Ausstattung haben den Eingang in die westliche Ge-
sellschaft gefunden. In thematischen Ausstellungen muss der jeweilige Kontext der Expo-
nate herausgestellt werden. Aus welchem Umfeld stammen sie? Was bezweckte der Samm-
26
König, Die Konzeptdebatte
ler? Was sagen sie über ihre Urheberkultur aus? Welche Funktion können sie heute bei der
aktuellen Wissensvermittlung übernehmen?
Evolution der Humandiversität. Heterogenität von Kultur und die Folgen der Globa-
lisierung. Gegenströmungen:
• Überwindung von Rassendiskriminierung oder Verlust der Diversität menschlicher Kul-
tur?
• Romantisierung voreuropäischer Kulturen, Exotik, Esoterik.
• Neues Selbstbewusstsein ethnischer Minderheiten, Nationalbewegungen.
Naturkundliche Museen haben es sich längst zur Aufgabe gemacht, ihre umfangreichen
Sammlungen und Präparate zur Demonstration der ursprünglich vorhandenen Vielfalt von
Fauna und Flora - Biodiversität - auszustellen und die Problematik der rasanten Reduzie-
rung des ursprünglichen Reichtums an Pflanzen und Tieren für die Zukunft der Erde darzu-
stellen.
In Völkerkundemuseen werden untergegangene Kulturen und ausgestorbene Stämme
meist monographisch abgehandelt. Was der Verlust an Vielfalt menschlicher Ausdrucks-
und Lebensformen, Sprachen, Kulturen, Denkmöglichkeiten, Kunstäußerung etc. bedeuten
könnte, müsste pointiert herausgestellt werden. Gerade in dieser Thematik liegt die Bedeu-
tung und Existenzberechtigung völkerkundlicher Museen der Zukunft; denn sie sind das
Archiv der Vielfalt menschlicher Kulturentwicklung.
Was geht verloren, wenn der Letzte seines Stammes stirbt? Was bedeutet es, wenn einst
gegensätzliche Denkformen und Handlungsweisen wie die heute noch existierenden fern-
östlichen mit den westlichen Kulturen gänzlich assimiliert werden? Was bedeutet die Re-
duzierung menschlicher Vielfalt? Das Ethnologische Museum kann solche Fragen anregen.
Es bietet das Forum für Präsentation und Rekonstruktion der Vielfalt menschlicher kultu-
reller Äußerungen über Zeit und Raum. Es wird zunehmend auch für die Naturwissen-
schaften zur Quelle; denn menschliches Verhalten scheint weit mehr als bisher angenom-
men von biologischen Prozessen gesteuert. Die Evolution der Kulturdiversität wird heute
nicht nur über soziale und kulturelle, sondern auch genetische Modelle erforscht.
Beispiel Migration, ein traditionelles Thema der Ethnologie und Soziologie. Migration
und die Verbreitung menschlicher Kultur wird heute ebenso von Paläoanthropologen wie
Gentechnikern untersucht, mit provozierenden Erkenntnissen.
Beispiel Rassismus, ebenfalls ein traditionell den Soziologen, Historikern und Ethnolo-
gen vorbehaltenes Thema. Die moderne Hirnforschung meint Mechanismen im mensch-
lichen Hirn (Austausch von Gedanken und Ideen zwischen verschiedenen Hirnsphären)
ausmachen zu können, die für Rassismus mit verantwortlich zeichnen könnten.
Völkerkundliche Sammlungen müssen auch auf neue naturwissenschaftliche Erkennt-
nisse über menschliches Verhalten und die Verbreitung von Kultur kritisch befragt werden.
Dies erfordert eine viel engere Zusammenarbeit mit naturwissenschaftlichen Disziplinen
als bislang. In der Archäologie wird dies methodisch wie interpretativ längst praktiziert.“
(Prof. Dr. h.c. Klaus-Dieter Lehmann, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz Ber-
lin, vorgetragen am 16. März 2001)
Während Lehmanns umfassender Vortrag den interdisziplinären Input von verschiede-
nen Fachleuten auf dem damaligen Stand wiedergibt, so spiegelt sich im brillant formu-
lierten Text des Kunsthistorikers Schuster ein aus kulturanthropologischer und ethnolo-
gischer Sicht fragwürdiges Schichtenmodell, von dem sich bis heute die als problema-
tisch angesehene Verortung der Bibliotheksetage zwischen der Veranstaltungsfläche
„Agora“ und den Ausstellungsflächen der Museen erhalten hat, mit einer obersten drit-
ten Etage, die überwiegend der Kunst Asiens gewidmet ist (Abb. 1).
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
27
Schlossareal - Raummodell
Kunst OAK MIK EM Betrachtung
Etimologica Archäologie Kultur- vergleich Ausstellungen Erfahrung
Amerika Portal Südsee und Australien Ost- und Nordasien Süd- und Südasien Orient
Archive Büroräume Bibliotheken Archive SMB Forschung
ZLB Archive HU
Abb. 1 Das Schichtenmodell.
„Das Berliner Museumsschloss - eine Freistätte für Kunst und Wissenschaft
Annäherung an das Neue
Der Name des Neuen, das in der Mitte Berlins nach Vorstellung der hier versammelten
Expertenkommission auf dem Schloss-Areal stattfinden könnte, ist nicht leicht anzugeben.
Am ehesten wohl ist es ein ,Museumsschloss4, in dem eine Verwandlung und Verzaube-
rung der Besucher durch die Begegnung mit dem faszinierend Anderen, mit dem gesamten
Universum der nicht-europäischen Künste und Kulturen stattfinden wird.
Die Begegnung mit der Welt des Fremden in der Mitte Berlins soll für die Besucher
zugleich zur Selbstbegegnung und Selbstbefragung werden. Denn es sind ja nicht nur die
weltberühmten außereuropäischen Sammlungen der Staatlichen Museen zu Berlin, die -
vis-à-vis der europäischen Sammlungen auf der Museumsinsel - kontrapunktisch auf dem
Areal des einstigen Berliner Schlosses ihren prominenten Platz finden sollen. Es soll zu-
gleich eine der größten öffentlichen Bibliotheken Deutschlands, die Zentral- und Landes-
bibliothek Berlin, gemeinsam mit den bisher meist verborgenen wissenschaftlichen Samm-
lungen der altehrwürdigen Humboldt-Universität das Schloss-Areal in der Mitte Berlins
beziehen.
Mit dieser Empfehlung für eine gemeinsame kulturelle Nutzung des Schloss-Areals
bündelt die Expertenkommission die Argumente, mit denen sowohl die Staatlichen Muse-
en zu Berlin, die Zentral- und Landesbibliothek Berlin sowie die Humboldt-Universität ihr
vitales Interesse an dem Schloss-Areal begründet haben. Dabei handelt es sich zumeist um
kulturpolitische und museologische Begründungen, die aus der Geschichte des Berliner
Schlosses mit innerer Notwendigkeit entwickelt wurden.
Für die Humboldt-Universität bedeutete dies den Rekurs auf die einst im Schloss be-
findliche kurfürstlich-königliche Kunstkammer, in der kein geringerer als Leibniz einst-
mals den unteilbaren Kosmos der Künste und Wissenschaften als Forschungsideal der
Neuzeit von Berlins Mitte aus konstruiert hatte. Die Herstellung von Wissen aus verglei-
chender Versenkung in die Realien und bildmächtiger Theoriebildung, dieser so faszinie-
rende Expeditions- und Kunstcharakter wissenschaftlicher Forschung, der bis in die so
virtuell scheinenden Netzwerke des Wissens unserer Gegenwart fortreicht, er hatte eine
seiner kostbarsten, weil reflektiertesten historischen Quellen in der barocken Kunstkammer
des Berliner Schlosses. Es ist deshalb nur folgerichtig, dass die Universität, die Bibliothe-
ken, die Akademie wie auch die Museen in Berlin sich alle aus dieser gelehrten Kunst- und
Herzkammer des ehemaligen Schlosses entwickelt haben.
Auch den Staatlichen Museen zu Berlin ist ihre Herkunft aus den Schlössern entschie-
den bewusst. Die einzigartige Disposition der Berliner Museumsinsel als Tempelstadt der
Weltkunst ist ohne das Schloss als antithetischem Orientierungspunkt gar nicht zu verste-
hen. Dies auch, weil die ethnologischen Sammlungen - der so überwältigende Reichtum
Berlins an Werken aus Afrika, Mittel- und Südamerika, Asien und Ozeanien; all das, was
wir heute als außereuropäische Kunst bewundern - bis weit in die Mitte des 19. Jahrhun-
derts in der Nachfolge der alten Kunstkammer ihren Sitz noch unverändert im Berliner
Schloss hatten. Die Berliner Museen, von Anfang an als Universalmuseum aller Künste
und Kulturen der Welt unter dem Einfluss der beiden Brüder Humboldt konzipiert, waren
28
König, Die Konzeptdebatte
also seit ihrer Gründung auf das Wechselspiel und die Ergänzung von Museumsinsel und
Museumsschloss angelegt. Die Zerstörung des Schlosses, als damnatio memoriae des preu-
ßischen Militarismus und wilhelminischen Ungeistes gedacht, würde in der Wiederkehr
der nichteuropäischen Sammlungen an ihrer alten Stelle die Wiederkehr eines anderen,
gelehrten, liberalen und toleranten Preußens signalisieren. Nirgendwo wurde das Außereu-
ropäische so großartig gesammelt wie eben in Berlin und nirgendwo würde dies zukünftig
wieder so sichtbar wie in der Mitte Berlins.
Diese gemeinsamen Argumentationen von Universität und Museen, das Schloss-Areal
als den für Berlin so charakteristischen universalen ,Weltort‘ wieder zu gewinnen, diese
Argumentation verhilft der Zentral- und Landesbibliothek Berlin zu einem weiteren Sitz
im Leben. Mit seinen geöffneten Höfen war schon das Berliner Schloss - wie die Veduten
von Eduard Gärtner zeigen - seit langem bereits ein vom Strom der Öffentlichkeit durch-
lebtes Gebäude. Entsprechend würde das neue Berliner Museumsschloss als gleichzeitiger
Sitz einer großen öffentlichen Bibliothek vom Andrang der schon heute bis zu 10.000 täg-
lichen Benutzer aus der Berliner Öffentlichkeit profitieren. Als Bibliothek für die Berliner
und mit ihren Spezialsammlungen zur Berliner und zur Preußischen Geschichte würde
zudem die Zentral- und Landesbibliothek diesen ,Weltort‘ insofern ideal ergänzen, als sie
an diesen so geschichtsträchtigen Platz wieder auf Berlin als Ort des Geschehens zurück-
verweist.
Als gemeinsamen Nenner der unterschiedlichen Argumentationen erkannte die hier ver-
sammelte Expertenkommission somit den Rückgang auf die Historie, wodurch dem
Schloss-Areal wieder zurückgegeben wird, was einst sein Bestes war: die Auszeichnung
der Mitte Berlins als Traditionsort Preußens für eine enzyklopädisch ausgreifende Welt-
neugierde, als Kulminationspunkt für einen Blick auf die Welt mit allen Sinnen und sämt-
lichen wissenschaftlichen Erkenntnismöglichkeiten. Das Berliner Schloss als traditioneller
Ort eines universellen Erkenntnisinteresses, das Künste und Wissenschaften ebenso ein-
schließt wie die Gleichwertigkeit des Europäischen mit dem Außereuropäischen, darf
Leibniz ebenso zu seinen Ahnen zählen wie die Brüder Humboldt. Es ist diese Berliner
Tradition, es ist dieses ,Berliner Programm4, das Friedrich Wilhelm IV. ausdrücklich fort-
setzte, als er seine ebenfalls auf alle Künste ausgerichtete Museumsinsel 1841 dezidiert als
,Freistätte für Kunst und Wissenschaft4 bezeichnete und in ihrem Zentrum bereits einen
eigenen Tempel mit Fest- und Hörsälen zur Erbauung und Belehrung für eine breite Öffent-
lichkeit in der Mitte Berlins vorsah.
Es ist dieses ,Berliner Programm4, das nun unverändert wiederkehrt in der Empfehlung
der Expertenkommission für eine intensive kulturelle Nutzung des Schloss-Areals mitsamt
seiner vitalen Integration in das urbane Leben der Stadtmitte. Das neue Berliner Museums-
schloss auf dem Gelände der noch immer ver- und zerstörten alten Stadtmitte wieder als
anschauungsgesättigten internationalen Diskussionsort über den Zustand der Welt zu etab-
lieren und mehr noch, das neue Berliner Museumsschloss gemeinsam mit der Museumsinsel
in der Mitte Berlins erstmals als jenes einzigartige Universalmuseum für die Künste und
Kulturen der ganzen Welt wirklich anschaulich werden zu lassen, das so umfassend und
grandios einzig die Sammlungen der Staatlichen Museen zu Berlin darzustellen vermögen,
und diese einzigartigen Sammlungen zu den Künsten und Kulturen der gesamten Welt
mitsamt den Wissenschaftssammlungen der Humboldt-Universität und den Buch- und
Medienangeboten der Zentral- und Landesbibliothek im Zentrum Berlins einer möglichst
breiten weltneugierigen internationalen Öffentlichkeit zu erschließen, mithin also das urba-
ne Herz einer großen europäischen Kunst-, Kultur- und Wissenschaftsmetropole so zu vita-
lisieren, dass diese neue alte Hauptstadt für die Offenheit, Toleranz und Humanität eines
vereinten demokratischen Deutschlands einstehen kann. Als Ausdruck all dieser Hoffnun-
gen und Erwartungen wurde der Auftrag der hier versammelten Expertenkommission von
der Trias aus Museen, Bibliothek und Universität aufgefasst, sich um eine gemeinsame
Bespielung für das Schloss-Areal in der Mitte der Mitte Berlins zu bemühen.
Geistige Architekturen
Bei ihren Gesprächen zur gemeinsamen Nutzung waren Universität, Bibliothek und Muse-
en sich einig, dass sie zur architektonischen Gestalt des Berliner Museumsschlosses kei-
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
29
nerlei Vorab-Festlegungen treffen wollen. Im Gegenteil sind sie offen für viele mögliche
architektonische Lösungen.
Auch hinsichtlich der Museumskonzeption soll noch nichts im Detail festgelegt werden.
Viel wichtiger schien es den Beteiligten jetzt, ein Gedankenbild zu entwickeln, eine Art
geistige Architektur, welche das von allen gewünschte Zusammenspiel so verschiedener
Einrichtungen in einem Gebäude anschaulich macht. Damit ist bereits als Grundüberzeu-
gung formuliert, dass die verschiedenen Einrichtungen nicht nebeneinander mit getrennten
Eingängen das Museumsschloss bespielen wollen. Erklärtes Ziel ist vielmehr ein intégrati-
ves und interdisziplinäres Konzept, das dem Besucher die verschiedenen Einrichtungen
und ihre unterschiedlichen Sammlungen als ein kontinuierliches Anschauungsfeld erlebbar
werden lässt. Statt additivem Nebeneinander, das zu vermeiden ist, ist das Ziel eine Gesamt-
inszenierung, die alle öffentlichen Räume dieses Museumsschlosses in einer Komposition
verbindet. Dem Besucher müssen diese Gesamtkomposition und ihre übergreifende Idee
sofort einsichtig werden.
Diese übergreifende Idee ist nichts weniger als ,die Erfahrung der Welt‘. Der Besucher
soll als Sehender, als Forschender, als Reisender und schließlich als Forschungsreisender
die ganze Welt erfahren, um schließlich nach der Durchquerung ferner Kontinente und
ihrer Kulturen am idealen Ende seiner Reise bei den Meisterwerken der außereuropäischen
Kunst und damit in einem Museum der Weltkunst zu enden.
Bei dieser Weltreise ins Außereuropäische soll dem Besucher allerdings stets die
europäische Perspektive deutlich bleiben. Eben darin liegt ja der unschätzbare Vorteil
dieser einzigartigen Berliner Verbindung von Bibliothek, Wissenschaftssammlungen und
seinen Kunstsammlungen, wie im Falle des Museums für Ostasiatische Kunst oder des
Museums für Indische Kunst, dass sie gemeinsam mit den ethnologischen, archäologi-
schen und kunsthistorischen Sammlungen des Völkerkundemuseums mit seinen Schwer-
punkten für Afrika, Asien, Amerika und Ozeanien allesamt hier in Berlin zusammengetra-
gen wurden.
All das wurde von hier aus gesammelt und erforscht. Berlin als die internationale Mu-
seums-, Universitäts- und Bibliotheksstadt mit all den Gelehrten, Forschern und Samm-
lern, die es angezogen hat und die hier gewirkt haben, sie werden mit ihrem weltausgrei-
fenden Forschungsdrang und ihrer enzyklopädischen Sammelleidenschaft in diesem Ber-
liner Museumsschloss somit zuerst anschaulich. Gerade dieser europäische Blick, der von
den Forschungspraktiken bis zur künstlerischen Wahrnehmung der Reisebeschreibungen
und photographischen Dokumentationen und noch viel weiter bis in alle Details der muse-
alen Präsentation reicht, gerade dieser europäische Blick macht dieses Berliner Museums-
schloss zu einem wirklichen Museum der Weltkunst und Weltkulturen.
In der übergreifenden Idee des Berliner Museumsschlosses als Ort universaler Welt-
erfahrung steckt der entscheidende Verweis auf das Reisen. Das Reisen bietet ein höchst
anschauliches Gedankenbild für die Gesamtinszenierung der so verschiedenen Sammlun-
gen und Einrichtungen. Das Gedankenbild des Reisens assoziiert Offenheit, Flexibilität
und Wahlfreiheit für den Besucher ebenso wie seine aktive Teilhabe durch Planung, Vorbe-
reitung und Durchführung der Reiserouten.
Im Kulturbereich ist das Gedankenbild des Reisens spätestens seit der Umwidmung von
Bahnhöfen zu Museen durchaus üblich geworden. Die Eisenbahn als das Verkehrsmittel
des 19. Jahrhunderts schlechthin inspirierte im Pariser Musée d'Orsay durchgängig die
Präsentation der Sammlungen, die die Kunst und Kultur Europas von 1850 bis 1900 um-
fassen. Dem 20. und 21. Jahrhundert gemäßer im Hinblick auf das Gedankenbild des Rei-
sens ist die Architekturform des Flughafens. Den futuristischen Aspekt dieser auch zukünf-
tig hochaktuell bleibenden Architekturform des Reisens repräsentiert im Museumsbau das
Centre Pompidou. Der Schlossbau des Louvre ist freilich durch Peis Umbau mit der hoch-
modernen Infrastruktur seiner großen Eingangs- und Informationshalle und seiner elabo-
rierten Logistik zur raschen Beförderung großer Besucherströme an jede gewünschte Stel-
le dieses Kunstkosmos nicht weniger vom Architekturbild des Flughafens geprägt.
Unter der Vorgabe einer im Bild des Flughafens inzwischen im höchsten Maße auch
museumswürdig gewordenen Architekturform für Flexibilität und Mobilität haben die be-
teiligten Einrichtungen für das neue Berliner Museumsschloss weiterhin ein Schichtenmo-
30
König, Die Konzeptdebatte
dell zur übersichtlichen Anordnung ihrer Sammlungen entwickelt. Dieses Schichtenmodell
ist aufsteigend von unten nach oben konzipiert und führt von der anschaulichen Fülle der
Realien und Bücher zum Reich reiner Kunstformen empor.
Dennoch will dieses Schichtenmodell nicht statisch oder als Einbahnstraße einer ver-
bindlichen Entwicklungsgeschichte der Wissenschaften und Künste verstanden werden.
Vielmehr ist dieses Schichtenmodell auf Transparenz, Querverweise, Durchblicke und
Durchdringung angelegt. Es versteht sich so als Aufforderung zu immer neuen Entde-
ckungsreisen, ganz nach den Wünschen des Betrachters, bei klarer Gliederung der ver-
schiedenen Museumsangebote.
Im Falle des Aufstieges vermag dieses Schichtenmodell als eine über die Erkenntnis zur
reinen Anschauung der Kunst sich läuternde Jakobsleiter aufgefasst werden. In der umge-
kehrten Richtung liefert es das Gedankenbild des Hinabsteigens zu den Quellen aller Kul-
turen und alles Wissens.
Auf der ersten Ebene dieses Schichtenmodells befindet sich - gleichsam als Sockel
unseres bisherigen Wissens - die Bibliothek gemeinsam mit den Archiven, Depots und
Werkstätten. Die Leitidee für diese Ebene ist die gläserne Datenbank. Der Besucher soll sie
wie einen Erlebnisraum des Wissens durchwandern können, affiziert mit all seinen Sinnen
von dieser geheimnisvollen und geradezu surrealistischen Versammlung der Dinge aus al-
ler Welt. Die Forschungsreise durch die Welt ferner Länder und fremder Kulturen wird so
zugleich zur Reise durch die Welt der Sinne. Welterfahrung gerät so zur Selbsterfahrung.
Zu diesem Zwecke sollen nicht nur die Depots und Magazine weitgehend zugänglich sein.
Auch die Lesesäle der Bibliothek sollen großzügigen Blickkontakt zu diesen wohlgeordne-
ten Labyrinthen der Realien und Daten ermöglichen. Vermöge moderner Informationstech-
nik kann sich der Besucher bei seiner Wanderung durch die gläsernen Depots und Archive
alle hier versammelten Daten sofort zugänglich machen.
Über dieser gläsernen Datenbank erhebt sich in einer zweiten Ebene der Anschauungs-
raum des Kulturvergleichs mit der Präsentation der Dauer- und Sonderausstellungen. Be-
sondere Bedeutung hat auch hier die Zwiesprache des Besuchers mit den authentischen
Objekten des Fremden und ihrer medialen Vermittlung durch Bild, Text und Ton, die sich
der Besucher nach Wunsch Zuspielen kann. Für diese mediale Vermittlung von Kultur-
kontexten werden die Sammlungen der Bibliothek ebenso hilfreich sein, wie die einzig-
artig reichen Bild- und Tonarchive der Museen sowie der Universität. Deren Wissen-
schaftssammlungen können etwa durch die Darstellung der ethnologischen Forschung von
Virchow und seinen Nachfolgern den Fortschritt des Wissens und die Verfeinerung des
Forschungsinstrumentariums im Blick auf das Fremde demonstrieren. Der Besucher wird
so zum Mitwisser über Forschung und zum Mitforscher.
Zugleich vermag die Wissenschaftssammlung als komplementäre Ergänzung zu den
Museumssammlungen auf dieser Ebene des Kulturvergleiches die Weltorientierung der
außereuropäischen Kulturen mit der unseren umfassend in Beziehung zu setzen. Welche
Systeme des Messens, Wiegens und Zählens gibt es hier wie dort, welche Formen der
Medizin, der Religion, der Ökonomie und des Sozialverhaltens. Auf dieser Ebene des Kul-
turvergleiches wird das neue Berliner Museumsschloss auf Grund der einzigartigen Kon-
stellation ihrer hochqualifizierten Mitspieler zu einem Anschauungslabor anthropologi-
scher Forschung, zu einem veritablen Musée de l’Homme, das seine Besucher durch den
Blick auf das Fremde auf die elementare Frage zurückverweist: Was ist der Mensch und
was vermögen all seine Sinne und Erkenntniskräfte?
Ergänzend und antipodisch zu dieser Schicht des Kulturvergleiches gelangt der Besucher
auf einer dritten Ebene zur Kunst. Alle Forschung dient hier zuerst der Präzisierung der äs-
thetischen Anschauung und endet in ihr. Die unterschiedlichen Kunstsprachen der außer-
europäischen Kulturen verbinden sich auf dieser, im obersten Ausstellungsgeschoss des
Museumsschlosses gedachten Ebene zu einer Galerie der Meisterwerke. Die Skulpturen und
Malereien aus Asien, Afrika, Amerika und Ozeanien bilden hier gleichwertig ein Pantheon
der Weltkunst, das in dieser Qualität und Vielfalt einzig durch den Reichtum der Berliner
Sammlungen anschaulich werden kann. Dieses Pantheon der außereuropäischen Kunst hat
sein komplementäres Gegenstück in den Meisterwerken europäischer Kunst auf der Mu-
seumsinsel.
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
31
Um den immer wieder neu zu entdeckenden Kanon der Weltkunst als ästhetisches Ideal
in seiner ganzen Fülle zu verdeutlichen, soll diese Ebene der Kunst im Museumsschloss
durch entsprechende Ausstellungen in ständige Dialoge mit der europäischen und interna-
tionalen Kunst, auch der jüngsten Gegenwart, treten. Den Blick für die Qualität der ästhe-
tischen Erscheinung jenseits der üblichen Kunstfelder unserer europäisch geschulten Seh-
weise, stiften aber auch die Meisterwerke der Wissenschafts-Sammlung. So etwa die krass
realistischen Gips-Moulagen aus den anatomischen Werkstätten von Hans Virchow oder
die geradezu surrealistisch wirkenden zoologischen Modelle der Dresdner Glasmanufaktur
Blaschka sowie die rein abstrakten Kugelresonatoren, die im Auftrag von Helmholtz lange
vor den Skulpturen von Brancusi und Arp in Paris gefertigt wurden. Wie wenig die künst-
lerische Kraft der Veranschaulichung einzig auf die uns geläufigen Formen europäischer
Hochkunst begrenzt bleibt, ist schließlich eine der revolutionären augenöffnenden Bot-
schaften dieses neuen Berliner Museumsschlosses.
Schnittstellen
Das Berliner Museumsschloss als Weltmuseum der außereuropäischen Kunst und Kulturen
und des Wissens von der Welt, dargestellt als synästhetischer Kosmos der Bilder, Bücher,
Töne und Realien, und so einzig als Gemeinschaftswerk der einzigartig reichen Berliner
Sammlungen realisierbar, - dieses Berliner Museumsschloss darf in der Tat als ein Haus
,mit hohem Niveau für Alle‘ bezeichnet werden. Im Zentrum des urbanen und auch touris-
tischen Lebens gelegen, sollte dieses Museumsschloss als Haus ,mit hohem Niveau für
Alle4 sich nicht scheuen, durch die Attraktivität seiner Museumsshops, seiner Buchläden
und mit einer vielfältigen Gastronomie aus allen Kontinenten, von Exotisch bis zur haute
cuisine, durchaus auch den Charakter eines attraktiven Kultur-Kaufhauses in der Mitte
Berlins zu entwickeln. Gerade durch die Esskultur aller Völker, aber auch durch ein breites
Kulturprogramm mit Film, Musik, Tanz und Theater, sollte das Haus dem Publikum weit
über die Museumsöffnungszeit bis in die späten Abendstunden zugänglich sein.
Seine gedankliche Architektur, polyfunktional und doch von einer Leitidee geprägt, der
Erforschung und Wertschätzung,des Fremden, bietet vielfältige Gelegenheit, dieses Muse-
umsschloss mit entsprechendem Auditorium zudem zu einem Ort der öffentlichen Diskus-
sion, Unterhaltung und Belehrung werden zu lassen. Die Durchführung der Fülle möglicher
Veranstaltungen wird wiederum von der Kompetenz und den Ressourcen der beteiligten
Einrichtungen profitieren können. So werden die Tonarchive der Universität und der Biblio-
thek sich mit dem musikethnologischen Archiv der Staatlichen Museen zu einem unver-
gleichlichen Klangkörper für die Musik und die Stimmen der ganzen Welt auf dem Schloss-
Areal zusammenfinden und zahllose Musikprogramme speisen können.
Von Seiten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz erscheint insbesondere das für die süd-
und mittelamerikanische Welt spezialisierte Ibero-Amerikanische Institut prädestiniert,
dieses Gemeinschaftsprojekt des Museumsschlosses zu verstärken. Für den Dialog mit den
europäischen Kulturen ist ferner die Mitarbeit des Museums Europäischer Kulturen bei den
Staatlichen Museen geradezu unerlässlich.
Unerlässlich - und so nur den Staatlichen Museen zu Berlin möglich - ist für diesen
Dialog aller Kulturen und Künste der Welt jedoch auch der ständige Austausch mit den
archäologischen und kunsthistorischen Sammlungen auf der Museumsinsel wie am Kultur-
forum. Man kann geradezu sagen, dass die archäologische Promenade der Museumsinsel
zukünftig ihre Ergänzung in den ethnologischen Passagen durch das Museumsschloss ha-
ben wird. Und gemeinsam ermöglichen sie dem Besucher die eine Geschichte der Welt-
kunst in ihrem ganzen Reichtum von Anfang bis zur Gegenwart und mit der Fülle aller nur
möglichen kulturellen Bezüge zu erleben.
Ein vergleichbar reiches Wechselspiel wird sich auf Seiten der Humboldt-Universität
mit ihren zahlreichen weiteren Instituts- und Universitätsmuseen entwickeln. Dieser viele
Millionen Einzelobjekte zählende Bestand, der etwa im Naturkundemuseum der Hum-
boldt-Universität thesauriert ist, soll ja nun nicht plötzlich auf dem Schloss-Areal umgelei-
tet werden. Vielmehr geht es im neuen Berliner Museumsschloss um kunstvolle Inszenie-
rungen jenes ,theatrum artis et naturae4 nach Leibniz, das ganz vordringlich die Anstren-
gungen der wissenschaftlichen Forschung im Kontext der außereuropäischen Museums-
32
König, Die Konzeptdebatte
Sammlungen als eine wesensverwandte kunstvolle Maßnahme zur Erkenntnis der Welt und
ihrer Künste verdeutlichen will. Das Faszinierende und Frappierende dieser Erfahrung im
Fichte der benachbarten Museumssammlungen können die unermesslichen Sammlungen
der Humboldt-Universität somit grenzenlos erneuern.
Diese so einzigartigen Ressourcen und die Fülle der inspirierenden Schnittstellen zwi-
schen den beteiligten Einrichtungen ermutigen schließlich, die Fieblingsidee Friedrich
Wilhelms IV. von der ,Freistätte der Kunst und Wissenschaften1, diese von ihm bereits
gewünschte öffentliche Universität für alle, die er wie einen Tempel im Zentrum der Mu-
seumsinsel geplant hatte, nun auf das neue Berliner Museumsschloss zu übertragen mit
dem Ziel, den Diskurs über die Kenntnis der Welt von einer europäischen Perspektive aus
zu befördern. Analog zur öffentlichen Universität des Collège de France in Paris wäre ein
solches ,Collège d'Europe1 in der Mitte Berlins, betreut von der Kompetenz der Humboldt-
Universität und der weiteren Einrichtungen, sehr wohl denkbar als Kem und Keimzelle
eines hoch angesehenen internationalen Kongresszentrums inmitten des neuen Berliner
Museumsschlosses.
Für all diese gelehrten wie auch für die überaus populären Schnittstellen wäre von den
beteiligten Einrichtungen eine gemeinsame Betriebs- und Veranstaltungsgesellschaft zu
begründen. Deren Programmbeirat ist von Vertretern der Einrichtungen unter Hinzuzie-
hung weiterer Persönlichkeiten des kulturellen Lebens hochkarätig zu besetzen.
Von dieser gemeinsamen Veranstaltungsgesellschaft und ihrem Programmbeirat wären
auch die großen gemeinsamen Ausstellungsprojekte des Museumsschlosses zu koordinie-
ren und durchzuführen. Ansonsten agieren die einzelnen Sammlungen und Einrichtungen
bei ständiger gegenseitiger Unterrichtung in eigener Verantwortung.
Diese gemeinsame Veranstaltungsgesellschaft hat ferner auch die repräsentativen Räu-
me des Museumsschlosses nach deren Schließung für die allgemeine Öffentlichkeit profes-
sionell zu vermieten. Sie kann ferner für die Gestaltung und Durchführung der Programme
und Veranstaltungen mit weiteren Partnern wie dem ,Haus der Kulturen der Welt1 intensiv
kooperieren. Das neue Berliner Museumsschloss erscheint somit, wie ausdrücklich ge-
wünscht, in hohem Maß ausgerichtet, auch auf die Vitalisierung und Revitalisierung der
Stadtmitte und auf die Integration der Museen in das urbane Leben!“
(Vortrag von Peter-Klaus Schuster, Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin,
12.7. 2001)
Kommentare und Konzeptskizzen infolge der Arbeit der Internationalen Schloss-
platzkommission
Am 16. Juli 2001 fassen Präsident Lehmann und Generaldirektor Schuster das neue
Programm in zwei Papieren schriftlich zur internen Kenntnisnahme zusammen und er-
bitten eine Kommentierung der Nutzer mit dem Ziel eines Nutzungskonzepts zur Vorla-
ge für die Schlossplatzkommission.
Die Museumsleitung des Ethnologischen Museums äußert sich am 24. Juli 2001
und fügt eine erste Skizze hinzu. Die Namensgebung ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht
abgeschlossen, doch die Gebrüder Humboldt als Namensgeber werden bereits genannt:
„Historische Mitte Berlin / Schlossplatz
Ausgangsbasis:
Seit dem Herbst 2000 liegen unterschiedliche Konzeptentwürfe für ein ,Museum der Kunst
und Kulturen der Welt1 vor (Fischer, Helfrich, darauf aufbauend Lehmann, Schuster).
Eine neue Dimension ergab sich durch die Hinzunahme weiterer Nutzer, der Humboldt-
Universitäts-Sammlung sowie der Landes- und Zentralbibliothek.
Eine erste schriftliche Fassung der neuen Programm-Konzeption wurde vorgelegt
(Schuster 16.7.01) sowie die Auflistung der Stichpunkte der Expertenkommission mit der
Aufgabe möglichst präziser Beantwortung (Lehmann 16.7.01).
Die Konzeption befindet sich in einem Entwicklungsprozess, der insbesondere durch
die Hinzunahme weiterer Nutzer sowie die Hervorhebung des Schwerpunktes nationales
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
33
Projekt mit internationaler Ausstrahlung4 als herausragendes Projekt für die Hauptstadt,
eine andere und konkretere Dimension gewonnen hat.
Die ursprünglich gesetzten Schwerpunkte bleiben zwar erhalten, müssen m. E. aber in
andere Bezugsrahmen und Kontexte gesetzt werden.
Einige Merkmale dafür wurden vor der Expertenkommission bereits benannt:
Darstellung ,200-jähriger Forschungsgeschichte von Weltgeltung4, Ort des ,Weltkultur-
erbes und globalen Dialogs4, ,Freistätte der Künste und Wissenschaften4.
Im Folgenden gehe ich ein auf die Punkte
Funktionsprogramm / Kernbereiche/Synergiebereiche / Übergangsszenarien / Einbezie-
hung von Sprach-, Tanz- und Musiktheater / Infrastruktur / Mehrzweckauditorium / zeit-
liche Präsenz / Finanzierungsmöglichkeiten.
Der Name
Humboldtzentrum:
• Netzwerke des Wissens
• Dreidimensionale Enzyklopädie des Wissens über die Welt
• Gläserne Datenbank
• Dialog der Kulturen — Diskurse in einer globalisierten Welt
• Multimediale Kommunikation (im wahrsten Sinne des Wortes)
Kommentar
Die Einzigartigkeit eines solchen Nutzungskonzeptes kann auf nationaler wie internationa-
ler Ebene idealerweise durch den Namen der Brüder Humboldt symbolisiert werden. Sie
verbinden die lokale Berlin-deutsche Komponente (Wilhelm) mit dem international aner-
kannten Renommée deutscher Forschung (Alexander). —> siehe Konzept Schuster.
Die Einzigartigkeit eines Humboldtzentrums liegt zudem in der weltweit einmaligen
Methode:
Anders als in den typischen Kolonialländern Großbritannien, Frankreich, Niederlande,
Spanien etc., wo ausgewählte Objekte als Beutegut in die europäischen Mutterländer ge-
langten, haben deutsche Sammler und Wissenschaftler in der ,Tradition Humboldt4 syste-
matisch und akribisch große Datenbanken auf erstaunlich moderne Weise angelegt. Wenn-
gleich der Darwinsche Ansatz als Kriterium für die Sammlungszusammensetzung heute
nicht mehr Gültigkeit besitzt, so spiegeln die häufig nach evolutionistischen Aspekten prä-
sentierten riesigen Magazine eine wichtige Epoche deutscher Wissenschaftsgeschichte.
Hier liegt eine wichtige Schnittstelle zwischen Museum für Völkerkunde und Humboldt-
Universität. (Besonders ausländische Besucher der Studienmagazine weisen uns immer
wieder auf die Besonderheit der Präsentation hin).
Eine Benennung in französischer Sprache (,Palais4,,Grand Projet4), auch wenn Alexan-
der in Französisch publizierte, sollte vermieden werden.
Unter dem Label, dem Logo bzw. der ,Corporate Identity4 eines Humboldtzentrums las-
sen sich tatsächlich alle Nutzer in einem gemeinsamen, überzeugenden Nutzungskonzept
vereinigen, selbst wenn natürlich der Besucher gezielt zu dem von ihm gewünschten Ziel,
z. B. Lesesaal der Zentralbibliothek, Ausstellung Indische Kunst etc. geführt werden muss.
Die Humboldts stehen zudem für das traditionelle Konzept des ,Sammelns, Bewahrens,
Erforschens, Vermittelns4.
Das Humboldtzentrum ist vergleichbar der Smithsonian Institution in Washington
D.C., hat jedoch seinen Schwerpunkt auf öffentlicher Zugänglichkeit und Präsentation.
Funktionsprogramm
Es besteht Konsens, dass der Schwerpunkt des Humboldtzentrums auf dem Außereuropä-
ischen4, dem überseeischen4 gewissermaßen dem ,Neuweltlichen4 stehen soll. Dieses ist
eine räumliche Definition.
Dem ist die zeitliche Dimension gegenüber zu stellen. Erst mit der Entdeckung Ameri-
kas, den Weltumseglungen und der Kolonisierung der Welt durch Europäer treten alle fünf
Kontinente in das Blickfeld europäischer Betätigung, inklusive ihrer Erforschung. Insofern
34
König, Die Konzeptdebatte
fungiert das Humboldtzentrum auch als eine zeitliche Ergänzung der Museumsinsel. Die
Brüder Humboldt, insbesondere Alexander, stehen dabei für die interdisziplinäre systema-
tische Erforschung der Kontinente.
In Konsequenz muss der überseeische/außereuropäische Aspekt übergeordnet erkenn-
bar sein und der überwiegende Teil der einzelnen Funktionen ihm unterworfen sein.
Die wichtigsten Funktionen sind:
• Objekt-Datenbanken der Museen und der Humboldt-Universität, teilweise ,gläsern1, d. h.
für das Publikum einsehbar;
• Bibliotheken für öffentliche Nutzer und Wissenschaftler (plus 1AI?4);
• Ausstellungen der drei Museen, der Humboldt-Universität und in geringerem Umfang
der Bibliotheken sowie ggf. des Hauses der Kulturen der Welt und anderer Fremdnut-
zer; durch vermietete Ausstellungs- und andere Flächen können die Einnahmen erhöht
werden. Der Schwerpunkt sollte auf außereuropäischen Themen und Kunst liegen;
• Welt-Kunstzentrum. Kunst im globalen Diskurs, die eurozentristische Perspektive ver-
lassend, dennoch den Standort Europa mit eigener dezidierter Kunstgeschichte berück-
sichtigend. Die Trends von heute - z. B. ethnographische Kontexte, oder Kunst = Wis-
senschaft, Wissenschaft = Kunst - sind zur Eröffnung des Humboldtzentrums sicherlich
nicht (mehr so) aktuell. Die Kunstdebatte muss daher allen Trends, Sehgewohnheiten
und Sichtweisen der Zukunft geöffnet bleiben, (s. Enwezors erweiterter Kunstbegriff
,ln der Kunst geht es immer um eine bestimmte Form, die Welt zu sehen, also um Ideo-
logien...1). Mit anderen Worten, im Humboldtzentrum begegnet dem Besucher die
Kunst allerorten, zuweilen sofort erkenntlich, zuweilen eher subtil, zuweilen wird der
Besucher selbst Teil der Kunst.
• Kongresszentrum für die Einrichtungen im Haus als auch für Fremdnutzer (Vermietun-
gen), Schwerpunkt globale Themen.
Kembereiche, Synergiebereiche
Im Kern des Gebäudekomplexes sollten sich, schon aus konservatorischen Gründen (Fens-
terlosigkeit), die Objekt-Datenbanken, d. h. die Magazine, befinden. Diese sollten hier
komplett untergebracht sein, damit der Besucher, auch wenn er nur einen Teil in Form einer
,gläsernen1 Datenbank zu Gesicht bekommt, eine Ahnung des Umfangs der Weltdatenbank
erhält und auf Anmeldung (Wissenschaftler) auch die nicht öffentlichen Bereiche einsehen
kann. Letztere sind als Kompaktanlagen platzsparend über mehrere Etagen vielleicht spi-
ralförmig (Metapher DNS) zu planen. Die multimediale besucherfreundliche Vernetzung
versteht sich von selbst (z. B. Tonbeispiele von Musikinstrumenten, Selbstkurse im Trom-
meln per Tastatur, Filmbeispiele von Tanzmasken, virtuelle Bedienung von Geräten [Hum-
boldt-Uni] etc.).
Struktur systemisch von Innen nach Außen:
• Dunkler Kern = Kompaktmagazin (nicht öffentlich).
• ,gläserner1 Ring, begehbare Datenbank (öffentlich). Schubladen und Schränke zum Sel-
beröffnen bieten einen Einblick in (hinter Glas ruhende) Schmuck- und Schmetterlings-
sammlungen, Fächer- und Flohsammlungen, Schuh- und Schlangensammlungen, Käfer-
und Keramiksammlungen. (Das Öffnen verschlossener-geheimnisvoller-Türen kommt
der menschlichen Veranlagung der Neugierde entgegen - Prinzip ,Sesam öffne dich1).
• breit angelegte Nutzungszone von unterschiedlichen Ausstellungsflächen, Lesesälen,
durchsetzt von Kunstinseln, Ruhezonen, Kinderecken, sauberer geruchsfreier Gastrono-
mie (Coffee Shops, Läden) und den anderen Komponenten (s.u.).
• Die Einzelkonzeptionen dieser Zone sind von den einzelnen Institutionen zu erstellen!
• Umlaufende Eingangshalle (Metapher Flughafen) mit den ,Counters1, d. h Tresen der
verschiedenen Einrichtungen für den Eintrittskartenverkauf, Garderoben, Broschüren-
auslagen, Wartebänken, Anzeigetafeln der , Reiserouten1, d. h. Besucherleitsystemen.
Hier befinden sich quasi als Außenring die Zugänge zu den Lese-, Vortrags- und Film-
sälen sowie Restaurants mit internationalem Speisenangebot (rückwärtige Aussichts-
fenster in die Ausstellungsflächen als Anreiz?).
4 Ibero-Amerikanisches
Institut.
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
35
• Die Eingangshalle sollte bewusst schlicht gehalten werden und höchstens neugierig auf
das hinter dem Eingangstresen befindliche Angebot machen.
Übergangsszenarien / Sprach-, Tanz-, Musiktheater / Infrastruktur / Mehrzweckauditorium
Diese Komponenten dienen dazu, die oben beschriebenen Hauptelemente miteinander zu
vernetzen. Vermieden werden sollte, wie z. Z. auf der Museumsinsel und andernorts, dass
die ,Eventkultur‘ davon ablenkt, dass Ausstellungsflächen im Regelbetrieb leer stehen und
von den Besuchern gemieden werden. Vielmehr sollen die Live-Theaterauffuhrungen und
Musikdarbietungen, die Vorträge, Filme, die Verkaufsangebote der Shops und die Gastro-
nomie den Besucher sanft dazu ,zwingen4, die Ausstellungen, d. h. nicht nur die Sonder-
ausstellungen, wahrzunehmen. Deshalb muss eine ,Inselarchitektur4 dafür sorgen, dass
Zu- und Abgänge (Metapher Flughafen) zu den Eventstationen immer wieder zwangsläufig
durch Ausstellungsflächen fuhren. Nur die Objekt-Datenbanken im Zentrum sind als ein
bewusstes Endziel gedacht mit längerer Aufenthaltsdauer.
Bei der Eintrittspreisgestaltung könnte in dem Preis jeder Konzert- Theater-, Filmkarte
etc. ein geringer Anteil für den Ausstellungsdurchgang enthalten sein.
Zeitliche Präsenz der Einrichtungen (Öffnungszeiten, Slots)
Nicht alle Eingangstüren in die Eingangshalle und von dort in die Ausstellungszone müs-
sen 24 Stunden geöffnet sein, aber es muss möglich sein, einzelne Zugänge unabhängig
voneinander offen zu halten. Die Gesamtkonzeption in Inseln bzw. Modulen ermöglicht
dies. Es sind nur die Counters besetzt, die in geöffnete Zonen führen. Da private Bewa-
chungsfirmen und Servicepersonal zu engagieren sind, sind hier grundsätzlich keine Limits
gegeben.
Bei Dunkelheit ist für eine ansprechende und einladende Ausleuchtung des Gebäude-
komplexes zu sorgen. Open Air Flächen, auf denen auch zeitgenössische Kunst neben nicht
36
König, Die Konzeptdebatte
witterungsgefährdeten Exponaten (z. B. aus Stein) gezeigt werden, sollen das internationa-
le Ambiente hervorheben. Auch hier sind Events rund um die Uhr möglich.
F inanzierungsmöglichkeiten
Ein Teil des Schlossplatzareals (incl. Palast der Republik?) sollte an private Nutzer ver-
kauft werden, Erlös kommt ausschließlich der Baumaßnahme zugute. Passende Mitanlie-
ger wären z. B. internationale Banken bzw. Außenhandelsbanken, Airlines, Reisebüros,
Galerien außereuropäischer Kunst, Restaurants etc., notfalls Versicherungen.
Frage: Ist der Marktwert des Schlossplatzareals bekannt? Was kostet der Quadratmeter
dort?
Anmerkungen zu den Skizzen (Abb. 2, Abb. 3, Seite 35)
Die Skizze stellt einige grundsätzliche Ideen dar, keineswegs soll sie architektonischen
Planungen vorweggreifen.
Die Eingangshalle basiert auf der Metapher der Flughafenhalle mit Terminals für Ab-
flug und Ankunft.
Die Nutzungszone wurde in Anlehnung an die Struktur des Computerscreens und des
Surfens von Icon zu Icon gestaltet.
Die , Insel‘-Struktur bzw. die Anordnung in Modulen wurde großen Spielcasinos ent-
nommen (Spielautomatenkomplexe umgeben von Cafés, Bars, Bühnen sowie inszenierten
Nachbauten historischer Strukturen um Atmosphären zu schaffen).“
(„Viola König / Ethnologisches Museum / 24/7/2001 Stellungnahme“)
Einen Monat später, am 29. August 2001, beschreibt die Museumsleitung des Ethnolo-
gischen Museums ein erstes Anforderungsprofil, das auf Gesprächen mit den damals
noch drei Direktoren der drei Nutzermuseen basiert, und die „Jakobsleiter“ als vom
Generaldirektor vorgegebene Struktur aufgreift.
„Historische Mitte Berlin / Schlossplatzareal
Ethnologisches Museum (Museum für Völkerkunde), Museum für Indische Kunst, Muse-
um für Ostasiatische Kunst - Anforderungsprofil für ihre adäquate Ansiedlung auf dem
Schlossplatzareal
Gemeinsame Identitäten
Innerhalb der Museumslandschaft Berlins - d. h. nicht nur innerhalb der Staatlichen Mu-
seen - haben EM, MIK und OAK als die einzigen den Schweipunkt auf den Kulturen
außerhalb Europas, d. h. Asiens, Afrikas, Amerikas, Australiens und Ozeaniens. Zwar wur-
den und werden die Sammlungen von Europäern angelegt und befinden sich in einer euro-
päischen Metropole, dennoch legen die drei Museen größten Wert auf eine Erschließung,
Erforschung und Präsentation ihrer Sammlungen aus der Sicht ihrer Produzenten, d. h. der
Träger der autochthonen Kulturen. Dies trifft selbst auf die archäologischen Sammlun-
gen zu.
Die Sammlungen der drei Museen haben Weltrang, weisen eine lange Tradition auf
(—> Sammlungen Humboldt-Universität) und ziehen seit ihrer Gründung ein nationales und
vor allem internationales Publikum mit sehr heterogenen Interessen an.
Im Bereich der regionalen Überschneidung (d. h. Indien, Ostasien) ergänzen sie einander.
Identität des Ethnologischen Museums (Museum für Völkerkunde)
Sammlung, Bewahrung und Erforschung des materiellen Kulturgutes der Kulturen in
Afrika, Asien, Amerika, Australien und Ozeanien.
Mit seinen außereuropäischen Sammlungen, Ausstellungen und Projekten fördert das EM
(Völkerkundemuseum) die interkulturelle Kommunikation, dient der wissenschaftlichen in-
terdisziplinären Forschung und klärt über globale Zusammenhänge über Zeit und Raum auf.
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
37
In der Museumslandschaft Berlin ist das EM (Völkerkundemuseum) zusammen mit den
Museen für Indische und Ostasiatische Kunst für die Sammlung, Bewahrung und Darstel-
lung der Zeugnisse aller Kulturen außerhalb Europas zuständig. Seine Rolle wird in einer
globalisierten Welt noch zunehmen.
Durch den kulturvergleichenden Ansatz der Ethnologie, aber auch mittels seiner um-
fangreichen archäologischen Sammlungen, schließlich durch die anerkannten Kunstwerke
aus verschiedenen Kontinenten, die zur Weltkunst gezählt werden, bietet das EM eine
wichtige Plattform für Interessen und Interessenten unterschiedlichster Couleur. Das EM
zählt im Übrigen weltweit zu den größten seiner Art. In Europa dürfte es sich unter den
ersten drei Plätzen befinden.
Erwünschte Kooperationspartner / Mitnutzer auf dem Schlossplatzareal
In Berlin existiert eine Reihe von Institutionen, die die Aufgabe der drei außereuropäischen
Museen sinnvoll ergänzen und mit denen es einen intensiven Austausch gibt. Der Wunsch
besteht, jene Institutionen ebenfalls auf dem Schlossplatzareal anzusiedeln. Dazu zählen:
• Haus der Kulturen der Welt
• Ibero-Amerikanisches Institut
• Asiatische Originalbestände der Staatsbibliothek
• Wissenschaftsgeschichtliche Sammlungen der Humboldt-Universität
• Humboldt-Stiftung, Akademie der Wissenschaften und vergleichbare Einrichtungen
Die Corporate Identity aller Nutzer sollte einem überseeischen/außereuropäischen Ge-
samtaspekt erkennbar unterworfen sein und der überwiegende Teil der einzelnen Funktio-
nen eine Befassung mit außereuropäischen oder wenigstens interkontinentalen Themen
spiegeln.
Implementierung der drei außereuropäischen Museen in das ,Schichtenmodell‘
1. Themenplattform des EM (überarbeitete Skizze in Arbeit).
Für die angemessene Präsentation seiner sehr heterogenen Bestände aus den Bereichen der
klassischen Völkerkunde, der außereuropäischen Archäologie und der kontextualisierten
Kunst, der Musikwissenschaften, der Religionswissenschaften u. a. benötigt das EM eine
große Plattform, die nicht nur Ausstellungselemente, sondern auch Aktionsflächen, Ruhe-
zonen, Kleingastronomie, Kleinbühnen, Kinderecken, Multimediazonen etc. aufweisen
sollte (Inselarchitektur). Die individuellen ästhetischen Konzepte der dargestellten Kultu-
ren sollen auf Kunstinseln erläutert werden.
Objektaustausch mit den übrigen Mitnutzern
Die Themen der einzelnen Ausstellungselemente werden fallweise einen Objektaustausch
mit den übrigen Mitnutzern wünschenswert machen, z. B.
• Thema Bekleidung (Federschmuck, Fischhautmäntel, Bisonverarbeitung u. a.)
• Thema Heil- und Pflanzenkunde etc. mit den Sammlungen der HU
• Entwicklung und Funktion von , Schrift1 bis hin zur reinen Kunstform mit dem OAK
• Druckgraphik mit dem OAK
• Grundfragen außereuropäischer Archäologie, Expeditions- und Grabungsgeschichte
mit dem MIK
• Entwicklung der Kartographie mit IAI und Staatsbibliothek
• u. a.
2. Kunst
Das ,Schichtenmodell‘ sieht eine Kunstebene vor, die für den Besucher als letztes Ausstel-
lungselement erreichbar sein soll (Jacobsleiter). Hier wird die Kunst Ostasiens und Indiens
präsentiert sowie ausgewählte Stücke der übrigen Kontinente.
3. Verbindungen der drei Museen untereinander
Die Präsentation der drei außereuropäischen Museen soll keineswegs in einer trockenen
38
König, Die Konzeptdebatte
verwissenschaftlichten4 Ausstellungsarchitektur münden. Vielmehr soll eine komplexe
Garten- und Gebäudearchitektur in ferne Welten einstimmen. Das Außergewöhnliche und
Neue der Verbindung könnte sich beispielsweise in einer vertikal angelegten Ausstellungs-
architektur äußern, diese als Verbindung der ,Spiegelabteilungen4 Ostasien- und Südasien
des EM mit dem OAK und MIK durch japanische Gärten, Teiche, Brücken, Teehäuser und
Tempelelemente mit Pflanzentreppen, die nach oben in die Kunstebene führen, sich aber
regional als eine Einheit darstellen (Prinzip Schloss- oder Botanischer Garten).
Die auf der Themen-Plattform befindlichen Elemente wie Coffee-ZTeeshop, Aktions-
zonen, Bücherecken und Angebotsvitrinen des/der Museumsshops, Multimediaräume etc.
müssen ebenfalls so angelegt sein, dass die vertikale Anbindung zur Kunstebene möglich
ist (Maisonette) und sich als Einheit präsentieren durch entsprechende Gestaltung (z. B.
indischer oder chinesischer Teeausschank). Der an Indien interessierte Besucher kann sich
sowohl von der Themenplattform des EM als auch von der Kunstebene des MIK dorthin
begeben. Entsprechend ist die Anbindung aller Sonderzonen zu planen.
4. Objekt-Datenbanken (teilbegehbare Magazine)
Die umfangreichen Magazine der Museen und der Humboldt-Universität sollten den Besu-
chern nicht vorenthalten werden, sondern zumindest in Teilen ,gläsern4, d. h. für das Pub-
likum einsehbar zugänglich gemacht werden, zum Teil interaktiv in Form bedienbarer
Schubladen. Bedarf und Akzeptanz sind bekannt von den ,Langen Nächten4 und Sonder-
führungen für Museumsbesucher in Dahlem.
Eine zentrale spiralförmige Anlage als ,gläserner Turm4 über alle Stockwerke bietet sich
an, da so die Magazine von allen Seiten und allen Nutzem unter Berücksichtigung konser-
vatorischer Aspekte erreicht werden können.
Die Magazine sollten hier komplett untergebracht sein, damit der Besucher, auch wenn
er nur einen Teil in Form einer ,gläsernen4 Datenbank zu Gesicht bekommt, eine Ahnung
des Umfangs der Weltdatenbank erhält und auf Anmeldung (Wissenschaftler) auch die
nicht öffentlichen Bereiche einsehen kann. Letztere sind als Kompaktanlagen platzsparend
über mehrere Etagen vielleicht spiralförmig (Metapher DNS) zu planen. Die multimediale
besucherfreundliche Vernetzung versteht sich von selbst (z. B. Tonbeispiele von Musik-
instrumenten, Selbstkurse im Trommeln per Tastatur, Filmbeispiele von Tanzmasken,
virtuelle Bedienung von Geräten (—> HU) etc.
5. Sonderausstellungen
Die drei Museen, die Humboldt-Universität und in geringerem Umfang ggf. die Bibliothe-
ken, das Haus der Kulturen der Welt oder auch andere Fremdnutzer (Erhöhung der Einnah-
men durch Vermietung) benötigen Sonderausstellungsflächen, die flexibel vergrößer- oder
verkleinerbar sind und in ihrer Ausstattung unterschiedlichsten Ansprüchen gerecht wer-
den. Der Schwerpunkt der Bespielung muss auf außereuropäischen Themen bzw. Kunst
liegen. Parallelbespielung muss möglich sein. Das Verhältnis zum Martin-Gropius-Bau ist
zu klären.
6. Tagungs- und Kongresszentrum, Gästehaus
Die Möglichkeit der Durchführung von Tagungen für die Einrichtungen im Haus selbst wie
auch für Fremdnutzer (Vermietungen), sollte baulich Berücksichtigung finden; desgleichen
die Unterbringung von Gästen. Schwerpunkt auch in diesem Bereich sollten globale The-
men sein.“
(„Viola König /Ethnologisches Museum / 29/8/2001“)
Ab September 2001 ringen die Museumsleitung und der persönliche Referent des Ge-
neraldirektors Peter-Klaus Schuster um einen konsensfähigen Text. Der Name Hum-
boldt-Forum ist nun gesetzt. Diese frühe Version gibt Positionen wieder, die später wie-
der aufgegeben werden und spiegelt sowohl den Zeitgeist als auch die tragfähigen kon-
zeptionellen Kernpunkte. Der Text wurde noch bis 2003 im ständigen kontroversen
Austausch zwischen Generaldirektor und Museumsleitung fortgeschrieben.
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
39
„Kunst und Kulturen der Welt in der Mitte Berlins
Standortkonzept für die Gründung eines Humboldtforums auf dem Schlossareal in der
Mitte Berlins
Berlin als Weltkulturmetropole
Mit seiner wiedergewonnenen Rolle als eine der großen und wichtigen Metropolen der
Welt und seiner geographisch bedeutenden Lage als Schnittstelle zwischen Ost und West
kommt Berlin heute und in der Zukunft eine wachsende Rolle als Trägerin unterschied-
licher Weltkulturen zu. Keine Weltmetropole von der Größe Berlins kann sich dieser Funk-
tion noch entziehen, zu groß ist der Anteil der ständig oder zeitweise in Berlin lebenden
Bevölkerung, der aus anderen Kulturkreisen stammt.
Längst ist die Bedeutung und das Ansehen Berlins in der Welt über den einer europäi-
schen Metropole hinausgewachsen. In Übersee scheint man diese Tatsache allerdings viel
schärfer wahrzunehmen als in Berlin selbst.
Die Präsenz von Weltkultur in Berlin heute
Weltkulturen werden im heutigen Berlin an unterschiedlichen Orten von verschiedenen
Trägerschaften präsentiert, ln den nach der Wende entwickelten offiziellen Masterplänen
kommen sie jedoch nicht vor. Die staatlichen Institutionen, die für die Präsentation von
Weltkultur zuständig sind, befinden sich entweder an marginalen Standorten (Dahlem-
Dorf) oder in keinerlei örtlicher Anbindung untereinander (Haus der Kulturen der Welt,
Ibero-Amerikanisches Institut).
Das Bewusstsein, welch unermesslicher Reichtum an Weltkultur und Weltwissen in
Berlin in allen erdenklichen Formen und Medien vorhanden ist, scheint im Ausland hinrei-
chend bekannter zu sein als in Berlin selbst.
Jedoch, der auswärtige Besucher, der sich gezielt dem außereuropäischen Sammlungs-
bestand Berlins zuwenden möchte und deshalb angereist kommt, muss sich zunächst mit
langen Zuwegen und einer umständlichen Linienführung des öffentlichen Transports aus-
einandersetzen.
Vielen Berlinerinnen und Berlinern scheint die Gewohnheit des regelmäßigen traditio-
nellen Besuches der außereuropäischen Sammlungen der Staatlichen Museen mit dem
Auszug der Gemälde- und Skulpturengalerie abhanden gekommen zu sein.
Mit anderen Worten: Der neue Rang Berlins als einer der wichtigsten Weltmetropolen
spiegelt sich leider nicht in einer adäquaten offiziellen Würdigung und Präsentation der
umfangreichen kulturellen Hinterlassenschaften aus aller Welt. Keine andere Metropole,
London, Paris, New York u. a., verbannt seinen Weltkulturbesitz derartig in die hintere
Reihe wie Berlin es heute tut.
Konsequenzen für die Zukunft
Berlin muss seinen kulturellen Masterplan erweitern um die konkrete Berücksichtigung
einer würdigen Präsentation seiner außereuropäischen Sammlungen. Neben den zahlrei-
chen multikulturellen Veranstaltungen in Berlin, die schon immer den Charme der Stadt
mit ausmachten, gilt es in der Zukunft, die kulturelle Beschäftigung mit anderen Kontinen-
ten, ihren Menschen und Kulturen an einer zentralen Stelle in der Stadt zu bündeln.
Diese Forderung besteht zunächst einmal ganz unabhängig von der Funktionsdebatte
um das Schlossplatzareal. Denn Berlin hat in jedem Fall die Pflicht, und zwar unabhängig
von der konkreten Trägerschaft, die auf dem Boden der Stadt deponierten außereuropäi-
schen Sammlungen als Weltkulturerbe nicht nur anzuerkennen, sondern auch als ein sol-
ches Weltkulturerbe der Öffentlichkeit zu präsentieren.
Zudem geht es um die bewusste Überwindung kolonialer Vergangenheit in dem Willen
außereuropäische Kulturen gleichberechtigt neben und im Dialog mit der eigenen Kultur
über Zeit und Raum zu würdigen.
Respekt und Bewunderung vor der Vielfalt menschlichen kulturellen Schaffens sind
auch als Ergebnis ihrer wissenschaftlichen Erforschung einem breiten Publikum zu er-
schließen und zu vermitteln. Das Schattendasein, das die außereuropäischen Sammlungen
in Folge der Wiedervereinigung heute führen, könnte sonst leicht als eurozentristischer
40
König, Die Konzeptdebatte
Provinzialismus einer Metropole erscheinen, die ihre Aufgabe als Weltkulturstadt nicht
akzeptieren will.
Das Schlossareal als kultureller Weltort
Nicht nur aus repräsentativen, sondern auch aus historischen Gründen wäre die Wahl des
Schlossareals als ein würdiger Standort des Weltkulturerbes Berlins angemessen. Hier, in
der einstigen königlichen Kunstkammer, wurde bereits ab 1831 unter dem Einfluss der
Brüder Humboldt die Idee geboren, die Zeugnisse von Vielfalt und Einzigartigkeit mensch-
lichen Schöpfungsvermögens an einem Ort zu versammeln und dort zu einem Gesamtbild
zu fügen (s. Leopold von Ledebur, Geschichte der königlichen Kunstkammer in Berlin,
Berlin 1831).
Die einzigartige Disposition der Berliner Museumsinsel als Tempelstadt der Weltkunst
ist ohne das Schloss als antithetischen Orientierungspunkt gar nicht zu verstehen; denn die
Sammlungen der außereuropäischen Kunst und Kulturen - der Reichtum Berlins an Wer-
ken aus Afrika, Mittel- und Südamerika, Asien und Ozeanien - hatten noch bis weit in die
Mitte des 19. Jahrhunderts in der Nachfolge der alten Kunstkammer ihren Sitz unverändert
im Berliner Schloss.
Die Berliner Museen, von Anfang an als Universalmuseum aller Künste und Kulturen
der Welt unter dem Einfluss der beiden Brüder Humboldt konzipiert, waren also seit ihrer
Gründung auf das Wechselspiel und die Ergänzung von Museumsinsel und Schlossareal
angelegt. War die Zerstörung des Schlosses, als damnatio memoriae des preußischen Mili-
tarismus und wilhelminischen Ungeistes gedacht, so würde die Rückkunft der außereuro-
päischen Sammlungen an ihre alte Stelle, in enger Verbindung mit der in Realien und Bü-
chern gespeicherten wissenschaftlichen Welterfahrung, auch die Wiederkehr des gelehrten,
liberalen und toleranten Preußen signalisieren. Nirgendwo wurde das Außereuropäische so
großartig und systematisch gesammelt und erforscht wie eben in Berlin. Hierhin, in die
Mitte Berlins gehört folgerichtig die aktuelle Fortsetzung des großen Werkes und im Sinne
der Brüder von Humboldt.
So würde dem Schlossareal wieder zurückgegeben, was einst sein Bestes war: die Aus-
zeichnung der Mitte Berlins als Traditionsort Preußens für eine enzyklopädisch ausgreifen-
de Weltneugierde, als Kulminationspunkt für einen Blick auf die Welt mit allen Sinnen und
sämtlichen wissenschaftlichen Erkenntnismöglichkeiten. Das Berliner Schloss als traditio-
neller Ort eines universellen Erkenntnisinteresses, das Künste und Wissenschaften ebenso
einschließt wie die Gleichwertigkeit des Europäischen mit dem Äußer-Europäischen, darf
Leibniz ebenso zu seinen Ahnen zählen wie die Brüder Humboldt. Es ist diese Berliner
Tradition, es ist dieses Berliner Programm, das Friedrich Wilhelm IV. ausdrücklich fort-
setzte, als er seine ebenfalls auf alle Künste ausgerichtete Museumsinsel 1841 dezidiert als
,Freistätte für Kunst und Wissenschaft1 bezeichnete und in ihrem Zentrum bereits einen
eigenen Tempel mit Fest- und Hörsälen zur Erbauung und Belehrung für eine breite Öffent-
lichkeit in der Mitte Berlins vorsah.
In Fortschreibung dieses ,Berliner Programms4 geht es um eine intensive und interkul-
turelle Nutzung des Schlossareals und seine vitale Integration in das urbane Leben der
Stadtmitte. In einer großen gemeinsamen Anstrengung könnten auf dem Gelände der noch
immer ver- und zerstörten alten Staatsmitte ein internationales Forum der Kulturen für eine
möglichst breite, weltneugierige, internationale Öffentlichkeit erschlossen werden und mit-
hin also das urbane Herz einer großen europäischen Kunst-, Kultur- und Wissenschaftsme-
tropole so vitalisiert werden, dass diese neue alte Hauptstadt für die Offenheit, Toleranz
und Humanität eines vereinten demokratischen Deutschlands einstehen kann.
Das Humboldtforum - geistige Architekturen und gedankliche Ebenen
Das Humboldtforum als futuristischer Kulturweltort muss noch zum Zeitpunkt seiner Er-
öffnung ein Novum sein, ein Komplex also, den es in seiner Zielgebung und Ausgestaltung
so noch nicht gab. Oberste Priorität der Zielvorgabe sollte - unabhängig von Anzahl und
Eigenschaft der teilnehmenden Institutionen die intensive Beschäftigung mit der außereu-
ropäischen Welt sein, hierzu zählt selbstverständlich auch der konkrete Dialog Europa/
Übersee. Die Vielfalt der einzusetzenden oder teilnehmenden Medien sollte stets bestimmt
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
41
werden von der Priorität für das Außereuropäische, jede zu inkorporierende Institution wie
eine Bibliothek, Universitätssammlung etc. sollte sich äußerlich erkennbar dieser Priorität
unterwerfen. Dem Besucher muss schon beim Eintritt diese Gesamtkomposition und ihre
übergreifende Idee einsichtig werden.
Einladung zur Weltreise
In der übergreifenden Idee eines internationalen Forums der Kunst und Kulturen als Ort
universaler Welterfahrung steckt der entscheidende Verweis auf das Reisen; denn ganz
gleich was für ein Ziel der Besucher hat, in jedem Fall wird er zum Weltreisenden, der
gleich dem Fluggast eine Entscheidung trifft, in welche Weltregion er aufbrechen will.
In der Gestaltung kultureller Räume ist das Gedankenbild des Reisens spätestens seit
der Umwidmung von Bahnhöfen zu Museen und durch das Bild des Schiffs in vielen mo-
dernen Bibliotheksbauten durchaus üblich geworden. Die Eisenbahn, als das Verkehrsmit-
tel des 19. Jahrhunderts schlechthin, inspirierte im Pariser Musée d'Orsay durchgängig die
Präsentation der Sammlungen, die die Kunst und Kultur Europas von 1850 bis 1900 um-
fassen. Dem 21. Jahrhundert gemäßer ist das Funktionsbild des Flughafens als Ausgangs-
punkt und Drehscheibe des Reisens und der Welterfahrung.
In Orientierung an diese museumswürdig gewordene Architekturmetapher für Flexibi-
lität und Mobilität beschränkt sich die Weltreise in einem Humboldtforum jedoch keines-
wegs auf die Wahl des Kontinents, einer Region oder einer bestimmten Kultur. Vielmehr
trifft der Reisende auch eine Entscheidung für ,Was‘ er der auserwählten Region entneh-
men möchte. Will er Einsicht in die Fülle der Daten nehmen? Will er sich mit einem be-
stimmten Thema auseinandersetzen und zu kulturvergleichenden Erkenntnissen gelangen?
Will er Kunst genießen oder ergründen? Oder ist er an einem bestimmten Vortrag, einer
Musikveranstaltung oder Filmvorführung interessiert? Wünscht er Wissensvertiefung durch
die entsprechende Lektüre oder multimediale Vermittlung?
Diese geistige Architektur lässt sich mit einer Spirale vergleichen, die vom Hauptportal
aus über Plattformen lebendiger Weltkulturen (Veranstaltungen aller Art) und urbanen Le-
bens zu einer dynamischen Präsentation der unterschiedlichen Weltkunstregionen und
Konzepte zu den Erkenntnis- und Wissensebenen führt und schließlich bei der Gegenüber-
stellung mit der Datenfülle der gläsernen Datenbank endet. Die Querschnittsuntergliede-
rung besteht aus den vier Kontinenten Asien, Amerika, Afrika, Australien und Ozeanien
sowie zusätzlich einem Abschnitt für nicht regionalgebundene Sonderausstellungen.
Der Lauf der Spirale
Urbanes Leben
Die Multifunktionalität des internationalen Humboldtforums als Ereignisort für interkultu-
relle Veranstaltungen aller Art wie Musik und Filmveranstaltungen, als Bildungseinrich-
tung und Publikumsmagnet sowie mit den außereuropäischen Sammlungen als Museum,
gewinnt in der Mitte des kulturellen Erlebnisorts Berlin neue Bedeutung. Internationales
Forum und städtischer Raum durchdringen sich wechselseitig.
Notwendig beginnt die gedankliche Architektur eines Forums der außereuropäischen
Kunst und Kulturen mit einer Plattform des urbanen Lebens, mit Kinosälen, Museums- und
Buch-Shops, einem Bistro der Kulturen, einem Restaurant der Kontinente, Auditorien,
Event-Locations sowie attraktiv bemessenen Räumlichkeiten für Kongresse und Festereig-
nisse. Vergleichbar der Eingangshalle eines zentralen ,Airports‘ bestimmt der Besucher
hier seine Reiseroute. Sie führt ihn, real oder virtuell, zu Fuß oder am Bildschirm, in die
Kulturräume Südost-, Zentral- und Ostasiens, Ozeaniens und Australiens, Amerikas und
Afrikas.
Weltkunst - Wege zur Kunst
Der Ring der Weltkunst spiegelt die unterschiedlichen ästhetischen Konzepte und Rezep-
tionen von Kunst. Die Berliner Sammlungen mit den (ständig zu ergänzenden) Kunst-
schöpfungen aus Asien, Afrika, Amerika und Ozeanien bilden ein komplementäres Gegen-
stück zu den Meisterwerken europäischer Kunst auf der Museumsinsel.
42
König, Die Konzeptdebatte
Wie wenig die künstlerische Kraft der Veranschaulichung einzig auf die uns geläufigen
Formen europäischer Hochkunst begrenzt bleibt, wird zur zentralen Botschaft dieses neuen
Berliner Forums. Nicht die eurozentristische Perspektive steht hier im Vordergrund, wenn-
gleich sie auch nicht unterdrückt werden darf, sondern der Versuch, außereuropäische
autochthone bzw. indigene Kunstauffassungen zu ergründen und zu vermitteln.
Das Pantheon der Weltkunst und die ästhetischen Weltdeutungen unterliegen jedoch
einem dynamischen Prozess. Wie auch immer die Deutung von Weltkunst in der Zukunft
aussehen mag, das Humboldtforum wird sich per definitionem als ein Forum den unter-
schiedlichsten Deutungen stellen und mit ihnen auseinandersetzen.
Wissen und Erkenntnis im Kulturvergleich
Themenorientierte Ausstellungen, die sich sowohl mit archäologischen und historischen
Fragestellungen der Weltkulturen interdisziplinär auseinandersetzen als auch aktuellen Tat-
beständen nicht entziehen dürfen, sind den Erwartungen der reisenden Besucher entspre-
chend nach Kontinenten getrennt. Dennoch werden hier auch Kontinent übergreifende
Sachverhalte präsentiert, z. B. im religionswissenschaftlichen Bereich (Islam, Schamanis-
mus etc.), der materiellen Kultur (Habitat, Kleidung etc.).
Die Ausstellungen zeigen kulturelle Vielfalt und unterschiedliche Ausdrucksmöglich-
keiten im Vergleich, sie beschreiben charakterisierende Lebensweisen als Reaktion auf
ökologische Bedingungen und daraus folgende kulturelle Innovationen, analysieren unter-
schiedliche Wertvorstellungen und rekonstruieren die historischen Voraussetzungen des
Globalisierungsprozesses.
In Ergänzung sind hier ebenfalls die Sonderausstellungsflächen für Wechsel- und The-
menausstellungen anzutreffen. Hier greifen internationale Ausstellungsprojekte unter-
schiedliche Themen zwecks eines Dialogs und der Begegnung der Kulturen auf.
Gläserne Datenbank und kulturkundliches Archiv
Die außereuropäischen Museen Berlins stellen in Umfang und Qualität eine der weltweit
bedeutendsten Primärquellensammlungen. Dieses Datenmaterial dient traditionell der wis-
senschaftlichen Erschließung, Aufbereitung und Bereitstellung für und durch die internatio-
nale Forschung und seine populäre Veranschaulichung für ein internationales Publikum.
Sie bilden das Basismaterial für interdisziplinäre Ausstellungsprojekte im In- und Ausland.
Als Werkstatt des Wissens sind die außereuropäischen Sammlungen jedoch noch neu zu
entdecken:
Der Besucher soll die Ebene der gläsernen Datenbank für eine individuelle interaktive
Entdeckungsreise nutzen können. Von Vitrine zu Vitrine, Schublade zu Schublade kann er
sich die Fülle der Sammlungen unter Zuhilfenahme der Angebote in den Medienräumen
selbst erschließen.
Die Staatlichen Museen zu Berlin schließen eine Auslagerung der Depots und der Stu-
diensammlungen und eine Beschränkung auf Schaudepots kategorisch aus. Die Ausstel-
lungsebene als Aktionsfläche der Sammlungen macht nur Sinn, wenn die Sammlungen vor
Ort und in vollem Umfang verfügbar sind. Auch der archivalische Grundstock der Samm-
lungen ist integraler Bestandteil der gedanklichen Architektur.
Schnittstellen
Im Zentrum des urbanen und auch touristischen Lebens gelegen bietet das Humboldtforum
ein ,hohes Niveau für Alle4. Über seine Ausstrahlung als Haus der Kulturen und des Wissens
hinaus entwickelt es Attraktivität durch seine Museumsshops, seine Buchläden und eine viel-
fältige Gastronomie aus allen Kontinenten und für jeden Geschmack. Außerdem wird das
Haus auch durch ein breit gefächertes Veranstaltungsprogramm mit Film, Musik, Tanz und
Theater dem Publikum bis in die späten Abendstunden verlockende Angebote machen.
Das weite Spektrum möglicher Veranstaltungen wird von der Kompetenz, den Ressour-
cen und internationalen Kontakten der beteiligten Einrichtungen geprägt. Tonarchive von
Universität und Bibliothek finden sich mit dem musikethnologischen Archiv der Staat-
lichen Museen zu einem unvergleichlichen Klangkörper für die Musik und die Stimmen
der ganzen Welt auf dem Schlossareal zusammen.
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
43
Ein überaus reiches Wechselspiel könnte sich auf Seiten der Humboldt-Universität mit
ihren zahlreichen weiteren Instituts- und Universitätsmuseen entwickeln. Im Zusammen-
spiel mit den außereuropäischen Museumssammlungen könnte hier die wissenschaftliche
Forschung der Welt im Sinne des einerseits interdisziplinären und andererseits globalen
Ansatzes der Gebrüder Humboldt verdeutlicht werden. Diese so einzigartigen Ressourcen
und die Fülle der inspirierenden Schnittstellen zwischen den beteiligten Einrichtungen er-
mutigen schließlich dazu, die Lieblingsidee Friedrich Wilhelms IV. von der ,Freistätte der
Kunst und Wissenschaften1 nun auf das neue Forum in der Mitte Berlins zu übertragen mit
dem Ziel, den Diskurs über die Kenntnis der Welt an einen zentralen europäischen Standort
zu befördern.
Für all diese gelehrten wie auch für die überaus populären Schnittstellen wäre von den
beteiligten Einrichtungen eine gemeinsame Betriebs- und Veranstaltungsgesellschaft zu
gründen. Deren Programmbeirat ist von Vertretern der Einrichtungen unter Hinzuziehung
weiterer Persönlichkeiten des kulturellen Lebens hochkarätig zu besetzen.
Von dieser gemeinsamen Veranstaltungsgesellschaft und ihrem Programmbeirat wären
auch die großen gemeinsamen Ausstellungsprojekte zu koordinieren und durchzuführen.
Ansonsten agieren die einzelnen Sammlungen und Einrichtungen in enger Kooperation,
doch in eigener Verantwortung. Diese gemeinsame Veranstaltungsgesellschaft hat ferner
auch die repräsentativen Räume, die vielfältig nutzbaren Veranstaltungsräumlichkeiten, für
die allgemeine Öffentlichkeit professionell zu vermieten.
Die Wirksamkeit dieses internationalen Forums der Kulturen könnte wesentlich ver-
stärkt werden durch enge, ggf. auch räumliche Zusammenarbeit mit einer Reihe von Berli-
ner Institutionen, die nach ihren eigenen Sammlungsbeständen oder durch ihre kulturelle
Kompetenz mit der Gesamtthematik des Forums eng verbunden sind. Von Seiten der Stif-
tung Preußischer Kulturbesitz erscheinen an erster Stelle das auf die süd- und mittelameri-
kanische Welt spezialisierte Ibero-Amerikanische Institut sowie die orientalischen Hand-
schriftenabteilungen und die wissenschaftsgeschichtlichen Bestände der Staatsbibliothek
mit ihren komplementären Sammlungen prädestiniert, das große Gemeinschaftsprojekt zu
verstärken. Von nicht zu überschätzender Bedeutung für die Gestaltung und Durchführung
der Programme und Veranstaltungen wäre eine enge Kooperation mit dem Haus der Kultu-
ren der Welt.
Das neue internationale Humboldtforum der Kulturen auf dem Schlossareal ist somit in
ganz besonderer Weise geeignet, die Vitalisierung der Stadtmitte und die Integration der
Museen in das urbane Leben zu bewirken! Es käme dem Anspruch Weltkulturmetropole an
den Schnittstellen der Weltkulturen - geographisch wie ideologisch - in einmaliger Weise
nach.
ANHANG
Übersicht Raumbedarfspläne
SMB 53.140 m2
ZLB 57.400 m2
HU 7.500 m2“
(Standortkonzept, Manuskript für den Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin,
Viola König und Moritz Wullen, 30. September 2001)
Am 19. Dezember 2001 präsentiert Präsident Klaus-Dieter Lehmann der Schlossplatz-
kommission seine mit den übrigen Nutzern „abgestimmte Entscheidungsgrundlage für
das Nutzungskonzept Schlossplatz gemäß den Vorgaben der Kommission“. Sie enthält
eine Variante, die die Museen berücksichtigt: „3.2 Museum/Wissenschaft/Agora:
1. 42.400 m2/2. 8.000 m2/3. 15.000 m2 = 65.400 m2“ (gekürzter Ansatz), sowie eine
Variante zugunsten der Zentral- und Landesbibliothek: „3.3 Bibliothek/Wissenschaft/
Agora: 1. 44.000 m2/2. 8.000 m2/3. 15.000 m2 = 67.400 m2“ (gekürzter Ansatz).
Am 19. Dezember 2001 verabschiedet die Internationale Schlossplatzkommission
ihre Empfehlung für das Konzept des Humboldt-Forums (Auszug):
44
König, Die Konzeptdebatte
!\n\d. Sonderaussfeft
SilUDgfg,
Forum des Wir
^ssnojepuos
MUSEUM
Abb. 4 „Gedankenskizze Humboldtforum auf dem Schlossplatz-
areal“, Version Februar 2002 (überarbeitete Fassung).
Abb. 5 „Außereuropäische Kulturen der Stiftung Preußischer
Kulturbesitz auf dem Schlossplatzareal“, Version Februar
2002 (überarbeitete Fassung).
„1.3.2 Generelle Empfehlung für ein intégratives Nutzungskonzept
Das Humboldt-Forum als Ort des Dialogs der Kulturen und der Wissenschaften, der kultu-
rellen Begegnung im Raum der Öffentlichkeit, umfasst als Hauptnutzer
• die außereuropäischen Sammlungen der Staatlichen Museen zu Berlin Preußischer Kul-
turbesitz (in Korrespondenz zu den Sammlungen der Museumsinsel, dem Ort für die
europäische Bildungslandschaft),
• die Sammlungen der Humboldt-Universität, die wohl bedeutendsten wissenschafts-
geschichtlichen Sammlungen Deutschlands,
• die Zentral- und Landesbibliothek Berlin,
ergänzend
• weitere Einrichtungen wie das Ibero-Amerikanische Institut der Stiftung Preußischer
Kulturbesitz und Institutionen, die mit - zumal ausländischen - Künstlern und Wissen-
schaftlern arbeiten, wie die Alexander von Humboldt-Stiftung, die im Humboldt-Forum
Teile ihrer Organisation ansiedeln kann.
Als institutioneilen Eigenbereich die Agora
• ein großer Veranstaltungs- und Begegnungsbereich mit Möglichkeiten für Theater-,
Film-, Musik und Tanz-Aufführungen und mit vielfältiger Gastronomie.
Die Vernetzung und das Ineinandergreifen der Teilbereiche des Humboldt-Forums soll -
über die Grenzen der einzelnen Institutionen hinweg - nicht additiv, sondern funktional
und integrativ erfolgen. Dabei sind die jeweiligen Kernkompetenzen der beteiligten Ein-
richtungen jedoch zu erhalten (...).“
Im abschließenden Bericht wird eine Gedankenskizze „Humboldt-Forum“ abgedruckt5
(Abb. 4, Abb. 5). Die Nutzungsverteilung im zentralen Gebäudebereich wird auf der
Basis eines Richtwertes von ca. 80.000 m2 Hauptnutzfläche des Schlossgrundstücks im
Verhältnis 20 v. H. für die Agora und 80 v. H. für die außereuropäische Sammlungen,
die Humboldt-Universität sowie die Zentral- und Landesbibliothek festgesetzt.6
5 Internationale Experten-
kommission Historische
Mitte Berlin - Abschluss-
bericht, Berlin 2002: 26.
(Grafik: König/Sander)
Vgl. www.humboldt-
fomm.de, Zugriff am
24.10.2012
6 Internationale Experten-
kommission Historische
Mitte Berlin— Abschluss-
bericht, Berlin 2002: 27.
Des Weiteren empfiehlt
die Kommission die Er-
richtung eines kleinen
Schlossmuseums („Ge-
schichte des Ortes“): 28.
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
45
7 Beschluss des Deutschen
Bundestages vom 2. und
4. Juli 2002, s. http://
www.humboldt-forum.de/
pdfZ1409660.pdf und
http://www.humboldt-fo-
rum.de/pdf/bundestag-
I4248auszug.pdf., Zugriff
am 24.10.2012
8 Vgl. Fußnote 5
Der Bundestagsbeschluss von 2002 und die Folgen bis zum
ersten Moratorium 2003
Am 2. und 4. Juli 2002 befürwortet und beschließt der Deutsche Bundestag den Emp-
fehlungen der Internationalen Expertenkommission zu folgen, d. h. auf der Kubatur des
historischen Stadtgrundrisses die barocken Schlossfassaden und den Schlüterhof zu re-
konstruieren und das Konzept des Humboldt-Forums zu unterstützen.7
Die Schlossplatzkommission hatte in ihrem Bericht gefordert: „Zur inhaltlichen
Steuerung des gesamten Nutzungskomplexes bedarf es eines koordinierenden Gremi-
ums, in dem alle Verantwortung tragenden Nutzer des Humboldt-Forums sowie die
verantwortlichen Institutionen der Bundesregierung und des Berliner Senats für Wis-
senschaft, Forschung und Kultur vertreten sind“.8
Am 10. Juli 2002 konstituiert sich unter Leitung der Beauftragten für Kultur und
Medien die aus den vom Bundeskabinett benannten Teilnehmern bestehende Arbeits-
gruppe „Schlossareal“ mit zwei themenspezifischen Unterarbeitsgruppen. Unter Feder-
führung der Beauftragten für Kultur und Medien (Nutzungskonzeption) und des Bun-
desministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (Raumkonzeption) hat die
Unterarbeitsgruppe I (UAG I) die Aufgabe, eine Konkretisierung des von der Kommis-
sion empfohlenen Nutzungskonzepts in qualitativer und quantitativer Hinsicht vorzu-
nehmen und ein Raumkonzept zu entwickeln. Der Beauftragte für Museen beim Berli-
ner Senat, Rainer Klemke, legt am 29. Juli 2002 ein Papier „Fragen und Merkpunkte für
Schloss-AG“ vor. Die Museumsleitung des Ethnologischen Museums warnt davor, über
Flächenaufteilung zu verhandeln, bevor die Inhalte definiert sind und formuliert Prä-
missen, die vom Beauftragten für die Agora, Martin Heller, zehn Jahre später wieder
aufgegriffen werden:
„Hier: Definition und Struktur der Agora im Verhältnis zu den Raum- und Nutzungskon-
zepten der beteiligten Institutionen.
Vorbemerkung:
Das von Herrn Klemke vorgelegte Papier ,Fragen und Merkpunkte für Schloss-AG‘ vom
29.7.02 enthält wichtige und anregende Hinweise, von denen ich hier nur einen herausgrei-
fe, da seine inhaltliche Diskussion m. E. vor der Festlegung und Verteilung von Flächen
stehen muss.
Was ist unter Agora zu verstehen?
Die Agora ist integraler Bestandteil des Gesamtkonzeptes des Humboldt-Forums. Ebenso
wenig wie die drei Hauptnutzer additive Konzepte entwickeln dürfen, sollte die Agora als
ein separater Komplex geplant werden, der die Unzulänglichkeiten vieler Traditionsmuse-
en für kommerzielle Nutzungen wiederholt. Museale, multimediale und kommerzielle Nut-
zungsbereiche sollten sich dem Besucher als untrennbare Einheit darstellen, in der er indi-
viduell entscheiden kann, ob er flanieren oder verweilen, studieren oder konsumieren will.
Was muss vermieden werden?
Durch die integrale Planung von Agora, Museen und Bibliotheken sollten Mängel von
vornherein vermieden werden, die andernorts vielfach zu beobachten sind, wie
• menschenleere Dauerausstellungsflächen im Gegensatz zu gut besuchten Sonderaus-
stellungsflächen;
• unkoordinierte Veranstaltungen;
• räumlich zu weit voneinander entfernte Ausstellungen, Lesesäle, Gastronomie, Shops
oder Veranstaltungsbereiche etc.
• Hinderliche Absperrungen und unterschiedliche Eintritts-, bzw. Kassenbereiche bzw.
-Systeme;
• Unüberschaubare Öffnungszeiten.
46
König, Die Konzeptdebatte
Was sollte in den Museen effektiver nutzbar sein?
Die teuersten und am besten kommerziell nutzbaren Flächen in Museen sind nicht die
Foyers und Veranstaltungsflächen, sondern die Ausstellungshallen selbst, sofern sie atmo-
sphärisch entsprechend attraktiv gestaltet sind.
Beispiele sind die erfolgreichen und teuren Veranstaltungen vor dem Ischtar-Tor im
Vorderasiatischen Museum der SMB, den Ausstellungshallen im Deutschen Technikmuseum
oder den mit Palmen bestückten Lichthöfen des Übersee-Museums u.v.a. Doch aus konser-
vatorischen und sicherheitstechnischen Gründen sind ältere Gebäude und Ausstellungen
häufig nicht im gewünschten Maße ,bespielbar‘.
Atmosphären schaffen!
Angenehm empfundene, interessante und anregende Atmosphären fördern die Verweildau-
er und die Konsumfreudigkeit der Besucher. Botanische und Zoologische Gärten sind tra-
ditionelle Beispiele. Hier sind die Agoraflächen schon immer integraler Bestandteil des
Gesamtkomplexes gewesen.
Ein Stück Rekonstruktion des Schlossinnern in Erinnerung an die Kunst- und Wunder-
kammem, aus denen die Sammlungen des Ethnologischen Museums und die Wissen-
schaftssammlungen der Humboldt-Universität ja ohnehin hervorgegangen sind, ist zwar
denkbar, aber vor allem sind es Bauten wie asiatische Tempel, japanisches Teehaus und
Gartenarchitektur, in die eine passende Gastronomie (Sushi Bar z. B.) sowie die Veranstal-
tungs- und Aufführungsflächen (Theater, Film) ebenso zu integrieren sind wie in konserva-
torisch vertretbarer Form die Kunstwerke selbst.
Für alle anderen Bereiche, z. B. altmexikanische Monumentalkunst, Südseeboote etc.
gilt das Gesagte selbstverständlich in entsprechender Weise.
Die Flächen für Konzerte, Tanz- und Theateraufführungen sind eben hier integral zu
planen, d. h. nicht irgendwo separat in anderen Gebäudeteilen.
Gläserne Archive
Auch wenn man niemals den Gesamtbestand der musealen Sammlungen wird öffentlich
zugänglich machen können, so muss der sichtbare Anteil jedoch erheblich erhöht werden
und eine grundsätzliche Verfügbarkeit vor Ort geschaffen werden. Die unsichtbare Einla-
gerung ist teures, aber ,totes Kapital4. Die Begeisterung der Teilnehmer (gerade auch der
nicht wissenschaftlich Geschulten) an Depotführungen in Dahlem bezeugt das auch im
Humboldt-Forum zu erwartende Interesse.
Gedankenskizze
Mittels einer ovalen Skizze (Kubatur des Schlosses) hatte das EM vor einem Jahr versucht,
eine solche integrierte Ideenstruktur graphisch darzustellen. Vergleichbar multipel genutzte
,Inselstrukturen4 finden vielfache Anwendung (Flughäfen, Mails, Freizeitparks, Hotel- und
Convention Centers, Messegelände, Science Centers u. a.m.). Solche Strukturen muss man
nicht neu erfinden, ausschlaggebend ist vielmehr, dass der Inhalt des Humboldt-Forums ein
Novum darstellt mit der Kombination von Museen, Bibliotheken und Veranstaltungszen-
trum.“
(„EM/SMB, V. König 02.8.2002 für Arbeitsgruppe Schlossareal - Arbeitsaufträge der
UAG I“)
In den folgenden Jahren werden sowohl die Flächenberechnungen als auch die Grund-
satzpapiere regelmäßig überarbeitet, verfeinert, angepasst. Sie nehmen jeweils die aktu-
elle Diskussion in den Medien auf.
Der Schock des 11. September und die von Okwui Enwezor geleitete Documenta 2002
hinterlassen Spuren in den schriftlichen Argumentationen. Angesichts der langen Vorlauf-
zeit, aber auch aufgrund von inhaltlichen wie stilistischen Differenzen zwischen Gene-
raldirektion und Museumsleitung werden sie jedoch nur intern genutzt und nicht veröf-
fentlicht. Im September 2002 legt die Museumsleitung des Ethnologischen Museums
ein kurzes Papier zur Integration der zeitgenössischen Kunst im Humboldt-Forum vor.
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
47
-j-
9 Auf seiner Sitzung am
12.12.2011 bewilligt der
Stiftungsrat der Kulturstif-
tung des Bundes unter
Vorsitz von Staatsminister
Bernd Neumann Förder-
mittel im Gesamtumfang
von 4,1 Mio. Euro für ein
„Humboldt Labor Dah-
lem“.
10 Ein gemeinsam abge-
stimmtes Papier wird
schließlich erst am
26. September 2003
vorgelegt.
„Das Humboldt-Forum als Zentrum für zeitgenössische Kunst der Welt
Die Präsentation zeitgenössischer Kunst aus Asien, Afrika, Ozeanien, Lateinamerika sowie
den indigenen Zentren Nordamerikas und Australiens bildet ein unverzichtbares Modul der
Ausstellungsebenen des Humboldt-Forums.
Bereits ab 1975 hat das Ethnologische Museum systematisch Sammlungen zeitgenös-
sischer Kunst der Indianer Nordamerikas angelegt, von der bislang nur ein kleiner Teil in
der Dauerausstellung gezeigt werden kann. Die Südsee-Abteilung präsentiert seit Novem-
ber 2001 erstmalig Werke aus ihren seit 1988 angelegten Sammlungen zeitgenössischer
Kunst. Das aktuelle Sonderausstellungsprogramm der Museen außereuropäischer Kunst
SMB in Dahlem hat die außereuropäische Kunst als Schwerpunktthema. So war die im
Sommer 2001 gezeigte Ausstellung über japanische Mangas (Comics) eine der erfolg-
reichsten Ausstellungen des Museums für Ostasiatische Kunst überhaupt, mit einem be-
sonders hohen Anteil von Besuchern unter 35 Jahren. Die kurzfristig in das Programm
2002 aufgenommene Ausstellung des Ethnologischen Museums ,Zwischen Tradition und
Moderne - Junge Künstler aus Indonesien4 erwies sich als besonders erfolgreich im Zu-
sammenspiel mit einem spezifischen Veranstaltungsprogramm. Seite Mitte August ist im
Ethnologischen Museum die von dem angolanischen Künstler Antonio Oie neu aufgebau-
te ,Township Wall4 zu sehen - Ergebnis einer spontanen Aktion in Kooperation mit dem
Haus der Kulturen der Welt. Das Kunstwerk, das nun dauerhaft im Ethnologischen Muse-
um aufgestellt ist, war in 2001 viel beachtetes Meisterwerk in der von Okwui Enwezor
kuratierten Ausstellung im Martin-Gropius-Bau ,A Short Century4 über zeitgenössische
Kunst aus Afrika. Als nächsten Höhepunkt präsentiert das Ethnologische Museum ab dem
15. September eine Ausstellung über ,Große Meister der mexikanischen Volkskunst4 im
Rahmen des Berliner Gemeinschaftsprojektes MEXARTES-BERLIN.DE. Daneben set-
zen zahlreiche kleinere Projekte neue Akzente (z. B. die Kadiwéu-Ausstellung im Brasi-
lien-Programm).
Die schon heute intensiv genutzten Kontakte und Vernetzungen mit den Zentren außer-
europäischer Kunst, mit Künstlern und Galerien in Übersee, sollen im Humboldt-Forum in
der Mitte der Stadt weiter ausgebaut und der Besucher in die dynamischen Prozesse der
Diskussion um die Zeitgenössische Kunst mit einbezogen werden. Die gerade zu Ende
gehende Documenta 11 in Kassel könnte als Beispiel dienen.“
(„Viola König / EM SMB, 6. September 2002“)
Am 13. Dezember 2002 stellt die Museumsleitung des Ethnologischen Museums auf
Veranlassung des Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz einen ersten Antrag
für die Nutzung der Zeit bis Baubeginn als Probebühne. Unter dem Titel „Auf dem Weg
zum Schloss“ werden auf neun Seiten die Projekte, Orte und Medien der Präsentation
sowie ein Finanzierungskonzept in Höhe von knapp 4 Mio. Euro vorgestellt. Auch die-
ser Ansatz wird erst zehn Jahre später von der Bundeskulturstiftung aufgegriffen und
umgesetzt.9
Ab 2003 wird die Errichtung einer Infobox diskutiert und in einer gemeinsamen
Presseerklärung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, der Staatlichen Museen zu Ber-
lin und des Fördervereins Berliner Schloss e.V. am 30. Juli 2003 als „Forum Neue
Mitte - Infobox Berliner Schloss“ vorgestellt.
Über viele Monate arbeiten die damals noch drei Museen - Ethnologisches Museum,
das Museum für Ostasiatische Kunst und das Museum für Indische Kunst - an einem
gemeinsamen Konsenspapier für das Humboldt-Forum, doch die Kooperation gestaltet
sich schwierig, auch nachdem die Förderkreise unter Leitung des Vorstandsvorsitzen-
den der „Freunde des Ethnologischen Museums“, Volker Hassemer (Mitglied und Autor
der internationalen Schlossplatzkommission), die Moderation übernimmt.10 Für die Lei-
tungen der beiden asiatischen Kunstmuseen, die erst vor wenigen Jahren (2000) einen
Museumsneubau in Dahlem bezogen hatten, ist nicht einsehbar, warum sie diesen schon
wieder aufgeben und in die Stadtmitte umziehen sollen.
48
König, Die Konzeptdebatte
Ende August 2003 liegt der Abschlussbericht der Arbeitsgruppe Schlossareal vor, der
aufgrund der angespannten Haushaltslage eine überwiegend kommerzielle Nutzung
vorsieht. Die Zentral- und Landesbibliothek muss daher mit einer erheblich reduzierten
Fläche von nur noch 6.700 m2 für ihre öffentlichkeitswirksamen Bestände auskommen.
Auch die Flächen der übrigen Nutzer sind gekürzt.
Am 30. September 2003 schlägt die Arbeitsgruppe Schlossareal unter Leitung von
Kulturstaatsministerin Christina Weiss aufgrund der angespannten Haushaltslage ein
Moratorium von zwei Jahren vor, das jedoch dazu genutzt werden soll, den Planungs-
prozess weiter voran zu bringen.
Das Moratorium 2004 bis 2006
Die beiden Jahre des Moratoriums sind von einer großen Unsicherheit für die zukünftigen
Nutzer des Humboldt-Forums gekennzeichnet. Würde es damit jemals weitergehen? Wie
viele Energien sollte man in die Planung des unsicheren Großprojektes legen? Welche
Generation würde die Eröffnung noch im Amt erleben? Wie sollte man auf der Leitungs-
ebene die Motivation der Mitarbeiter erhalten oder überhaupt erwecken? Auf allen Ebe-
nen der Hierarchien sind sowohl Befürworter als auch Skeptiker und Gegner zu finden.
Unter dem Label „Auf dem Weg zum Humboldt-Forum“ werden die Jahre des Mo-
ratoriums dennoch konstruktiv als Probebühne für die inhaltlichen Konzepte genutzt.
Dabei werden aber auch die Differenzen in der Zielstellung der Nutzer offenbar, welche
auch innerhalb der Institutionen keineswegs unumstritten ist.
Ein im Mai 2004 von den Nutzern unter der Federführung der Humboldt-Universität
und der Generaldirektion SMB gestellter gemeinsamer Antrag „Die Erprobungsphase
des Humboldt-Forums“ an den Hauptstadtkulturfond in Höhe von 140.000 Euro schei-
tert. Wie schon die vorherigen Veranstaltungen der Reihe „Auf dem Weg zum Hum-
boldt-Forum“ werden Ausstellungsprojekte aufgeführt, die eher die persönlichen Prio-
ritäten der Antragssteller spiegeln denn ein stimmiges, auf das Humboldt-Forum ge-
richtetes Programm bilden." Auch die in den folgenden Jahren auf der von der Hum-
boldt-Universität betriebenen Website www.humboldt-forum.de aufgeführten Projekte
haben mit wenigen Ausnahmen keinen inhaltlichen Bezug zu den vorliegenden Nut-
zungskonzepten.12
Im Juni 2004 erstellt die Museumsleitung des Ethnologischen Museums für den Ge-
neraldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin eine dreiteilige farbig gedruckte Kon-
zeptbroschüre, in der das „Labor eines Humboldt-Forums“ wieder aufgegriffen wird.
„Das Programm für Dahlem als Interimsperspektive
Die als 2+1 vorgestellten Projekte beziehen sich ganz konkret auf die vorhandenen Flächen
des EM.
Die Reihenfolge ihrer Realisierung sieht vor
1. Welt des Islam im Bruno-Paul-Bau an der Arnimallee
2. Asiatisches Theater und Musik im 1. OG an der Lansstraße
3. Überarbeitung der Afrikaausstellung im 1. OG. (Kunst)
sowie
4. die Aktualisierung anderer veralteter Flächen wie das präkolumbische Amerika u. a.
Alle Konzepte unterscheiden sich von den traditionellen Dauerausstellungen des EM, in-
dem sie geographische Großräume unter spezifischen Themen behandeln, die jedoch in
allen Kulturen, auch den ,westlichen? bekannt sind. Der traditionelle enzyklopädische An-
satz wird jedoch bereits in der neu eröffneten Südseeausstellung durchbrochen. Themen
wie Religion im sozialen Kontext (z. B. Leben und Wohnen in ,Welt des Islam‘), Theater
11 „Natur als Vision. Meis-
terwerke der englischen
Präraffaeliten“, „Die Welt
der Brüder Grimm“, „Der
Körper - Objekt der Wis-
senschaft und der medizi-
nischen Aufklärung“,
„100 Jahre Deutsches
Museum“ u. a„ Zugriff am
24.10.2012.
12 Z. B. „Das Müller-Prinzip.
Zur naturwissenschaftli-
chen Erforschung des
Lebens“ (2008); „Aufge-
deckt und rumgedreht. In-
teraktive Flugblätter der
Frühen Neuzeit“ (2006-
2008); „Maß, Zahl und
Gewicht - Meisterwerke
der Sammlung Architektur
der Kunstbibliothek“
(2008); „Das abc der Bil-
der“ (2007); „Leonard
Euler in Berlin - Eine
Würdigung aus Anlass
seines 300. Geburtstages“
(2007); „Der Ball ist rund
- Kreis Kugel Kosmos“
(2006); „Speaking without
lips, thinking without
brain..- Schachautomat
und Sprechmaschine des
Wolfgang von Kempelen
(1734-1804)(2005);
„Tiermodelle - Modelltie-
re. Die Zoologische Lehr-
sammlung“, Zugriff am
24.10.2012.
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
49
und Musik (z. B. in unterschiedlichen Regionen und Kulturen Asiens) oder die Kunst (s.
Afrika) könnten staffettenartig von den benachbarten Museen aufgegriffen und ihrer spezi-
fischen Aufgabenstellung entsprechend weiter entwickelt werden, z. B. Poesie und Schrift
in Asien, Islam in Europa oder Berlin.
Schon heute präsentieren MIK, OAK und EM einen kontinuierlichen, wenn auch inhalt-
lich eher zufällig zusammengestellten Kanon an zeitgenössischer Kunst aus den von ihnen
betreuten Regionen.
Zu den Wissenschaftssammlungen der Humboldt-Universität gibt es ebenfalls zahlrei-
che Schnittpunkte. Natur und Kultur bzw. Mensch, Umwelt und technische Errungenschaf-
ten sind auch und gerade in anderen Kulturen untrennbar.
Der Reiz des Labors eines Humboldt-Forums bestünde vor allem in der Überwindung
der starren Grenzen zwischen den sog.,Dauer1- und ,Sonder‘-Ausstellungen einerseits und
den sog. ,Begleitprogrammen und Veranstaltungen1 andererseits, d. h. zwischen der passi-
ven Betrachtung des Besuchers in den Ausstellungen und der aktiven Teilnahme in den
Veranstaltungen. Durch die integrale Konzeption beider Bereiche wie z. B. Musik und
Theater als Ausstellungs- und Aktionsfläche für Künstler aus Übersee und Besucher kann
ein aktives, lebendiges Labor befördert werden, das die Aufarbeitung der Ausstellungsthe-
men in Form von Vortrag, Diskussion, Aktion in ergänzender Form unmittelbar befördert.
Mit einem für die Aktivitäten des Labors bestimmten Basisbudget, das ,Ausstellung4,
,Veranstaltung4, Werbemaßnahmen etc. über 5 bis 10 Jahre garantiert, ist es realistisch,
interessierte Drittmittelgeber als komplementäre Förderer hinzugewinnen.
Das Museum Europäischer Kulturen, dessen ethnographische Sammlungen ja erst vor
fünf Jahren dem damaligen Völkerkundemuseum entnommen wurden, ist zu einer inhalt-
lich nachvollziehbaren Zusammenarbeit seitens des EM gern willkommen, zu der derzeiti-
gen Interessenslage seiner Leitung (Polen u. a.) sehen wir jedoch keinen Bezug.“
(„V. König SMB, Juni 2004“)
Am 24. September 2004 legt die Museumsleitung auf Anforderung der Generaldirekti-
on ein weiteres farbig ausgedrucktes Programm vor mit ausführlichen Projektskizzen
für „eine intensive, nachhaltige und sich über mehrere Jahre erstreckende Vorbereitung
der im Neubau zu präsentierenden Inhalte“. Die Themen und Projekte sind „Die
menschliche Gestalt und das menschliche Antlitz“, 500 m2, 600.000 Euro; „Musik der
Welt“ mit multimedialer Ausstattung und Live-Konzerten, 1.000 m2, 1.000.000 Euro;
„Tropen“, großes interdisziplinäres und internationales Ausstellungsprojekt in Koope-
ration mit Goethe-Institut, Centro Cultural Banco do Brasil (Rio de Janeiro), Brasil
Connects (Sao Paulo), Staatliche Museen zu Berlin, Martin-Gropius-Bau; „Traditionel-
le Kunst aus Afrika unter zwei Blickwinkeln“, 1.000 m2, 600.000 Euro; „Gläsernes
Archiv“, „Kunst und Kulturen der amerikanischen Nordwestküste als Beispiel europä-
isch-indigenen Kulturaustauschs von 1778 bis heute“, 500 m2 + 300 m2, 800.000 Euro;
„Chinesische Heilkunde“, 600 m2, 400.000 Euro.
Die große Unsicherheit über die Zukunft der Dahlemer Sammlungen, die ambivalen-
ten Konzepte, die sowohl im Blick auf das Humboldt-Forum als auch den Verbleib in
Dahlem ausgerichtet sein müssen, drückt sich in einem Papier des Vorsitzenden der
„Freunde des Ethnologischen Museums“ vom Oktober 2004 aus:
„Humboldtforum in Dahlem
1. Das Ethnologische Museum, das Museum für ostasiatische Kunst sowie das Museum
für indische Kunst verbindet ein wunderbarer Grundsatz: Sie widmen sich großen Kul-
turen der Welt, nicht primär dem eigenen Kulturkreis. Sie sind dabei mehr als die Be-
wahrer eindrucksvoller Objekte fremder Kulturen. Mit ihrer Arbeit leisten sie einen
beispielhaften, weil auf Hochachtung und Interesse fußenden Beitrag für die Verständi-
gung unserer Völker. Sie präsentieren der internationalen Öffentlichkeit Glanzstücke
dieser Kulturen. Sie bieten damit diesen Kulturen und ihren Völkern in unserem Land
50
König, Die Konzeptdebatte
eine prominente Adresse und bezeugen unseren Respekt vor ihren Leistungen. Dies
wird durch den geplanten Umzug auf den Schlossplatz, den zentralsten Platz Deutsch-
lands, in einmaliger Weise unterstrichen. Besonders an einem solchen Ort haben die
Museen die Möglichkeit, als Zentrum und Treffpunkt der Weltkulturen, denen ihre
Sammlungen gelten, Wirkung zu entfalten. Gerade dort haben sie die Voraussetzungen,
noch mehr als Museen zu sein. Kein besseres Wort als ,Humboldtforum‘ könnte ver-
deutlichen, welche Möglichkeiten, aber auch welcher Anspruch dadurch eröffnet wer-
den.
2. Heute ist schwer abzusehen, wann dieser Umzug stattfinden kann. Es ist deshalb eine
großartige Idee der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, sich schon am jetzigen Standort
der Museen, in Dahlem, das ,Humboldtforum‘ konzeptionell vorzunehmen. Dieser Ort
ist durch große, auch durch die Stiftung verdienstvoll mitverursachte Entwicklungen im
Zentrum Berlins zweifellos etwas aus dem Scheinwerferlicht geraten. Die Substanz des
Ortes aber, die konzentrierte und attraktive Unterbringung in einem traditionsreichen
Museumskomplex, eröffnet objektiv auch in Dahlem glänzende Möglichkeiten und ist
es wert, dass dort das Projekt ,Humboldtforum‘ gestartet wird. Die Freundeskreise der
drei Museen begrüßen deshalb übereinstimmend die Absicht der Stiftung, schon in
Dahlem zu entwickeln, was das ,Humboldtforum‘ meint und ankündigt. Sie sehen darin
auch das Konzept, nachdrücklich zu belegen, warum es das ,Humboldtforum‘ verdient,
den Schlossplatz, diesen einmaligen Platz Berlins und Deutschlands, in Anspruch zu
nehmen. Warum die Erwartung berechtigt ist, dass das ,Hurnboldtforum‘ diesen Platz
durch Bedeutung und Ausstrahlung, durch über das Museale hinausgehende Wirkung
(und nicht nur räumlich) auszufüllen vermag. Kurz: dass man sich nichts Besseres für
diesen zentralen Ort in der Mitte der deutschen Hauptstadt als Nutzung vorstellen kann.
3. Wenn man sich vorstellen will, was das bedeutet; Humboldtforum in Dahlem, nähert
man sich am besten mit ganz konkreten Fragen, von denen hier einmal einige eher zu-
fällig genannt werden sollen; Wird es eine Eröffnung des Humboldtforums in Dahlem
geben? Wann? Welchen Stellenwert soll diese Eröffnung bekommen, wie wichtig will
man sie machen? Welche Botschaft soll mit ihr verbunden werden, welche über das
Eröffnungsfaktum hinausreichende Absicht will man damit verfolgen? Was wird diese
Eröffnung inhaltlich stärken - eine besondere Ausstellung, eine schon ohnehin geplan-
te? Welche? Wie soll die Eröffnung im Vorfeld wichtig gemacht werden? Denkt man an
Medienpartnerschaften, an zusätzliche Partner zum Promoten des Ereignisses? Denkt
man daran auch dann, wenn kein besonderes ,Eröffnungsereignis1 geplant ist (weil es
ja dann noch schwieriger wäre, die Tatsache ,Humboldtforum in Dahlem1 auffällig ge-
nug zu kommunizieren)? Gibt es zumindest einen besonderen Flyer zum Humboldt-
forum? Gibt es den Schriftzug über den Eingängen? Findet das Humboldtforum Ein-
gang in die Flyer, in das Präsentationsmaterial der beteiligten Museen? Wird es so et-
was wie eine gemeinsame Arbeitsplattform der beteiligten Museumsdirektoren geben,
um das gemeinsame Humboldtforum als etwas Zusammengehöriges zu betreuen?
Was die Freundeskreise tun können, um zur Bewältigung dieser großen Aufgabe beizutra-
gen, werden sie tun. Fragen wie die aufgeworfenen können sie allerdings nicht beantwor-
ten. Ihre Beantwortung jedoch ist unerlässlich für jeden, der sich ein Bild von dem Plan
Humboldtforum in Dahlem machen oder gar dazu - wie die Freundeskreise - Unterstüt-
zung leisten will. Die Freundeskreise hatten einmal zum Anspruch des Humboldtforums
auf dem Schlossplatz Überlegungen angestellt. Diese können so nicht für den Vorlauf Dah-
lem gelten. Man muss aber entscheiden, ob solche Überlegungen gar nicht oder ob einige
von ihnen schon in die Startzeit des ,Humboldtforums1 in Dahlem einfließen sollten. Bzw.:
wenn nicht, welche dann für den Dahlemer Vorlauf gelten sollen (...).“
(Auszug aus Volker Hassemer, „Humboldtforum in Dahlem“, Oktober 2004)
Nicht nur hier, sondern auch außerhalb der institutioneilen Mauern wird deutlich: Die
Idee des Humboldt-Forums ist für viele Akteure trotz oder gerade wegen seiner unsiche-
ren Zukunft attraktiv geworden, ein virtueller Tummelplatz der Ideen und Wünsche.
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
51
13 Z. B. die Initiative Hum-
boldt-Forum unter Leitung
von Volker Hassemer und
Marianne von Heinz.
14 Das Logo wird schluss-
endlich im Jahre 2012 ent-
wickelt und zum Einsatz
gebracht. Es schmückt das
Cover der vorliegenden
Publikation.
15 Während das Ethnolo-
gische Museum seine
Sammlungen im Zentral-
depot Friedrichshagen un-
terbringen soll, da die ur-
sprünglich vorgesehene
Unterbringung auf dem
Schlossplatz nicht finan-
zierbar ist, gesteht der Ge-
neraldirektor den asia-
tischen Kunstmuseen zu,
ihren Gesamtbestand auf
dem Schlossplatz zu zei-
gen. Ein Grund dafür mag
die ablehnende Haltung
der asiatischen Kunst-
museen gewesen sein, sich
mit der Schlossplatzkon-
zeption überhaupt ausein-
ander zu setzen. Erst auf-
grund des Einschreitens
des Präsidenten der SPK
nehmen sie die Planungen
auf.
16 Für den vollständigen
Auslobungstext s. Archi-
tektenkammer Berlin,.
http://www.ak-berlin.de/
publicity/ak/internet.nsf/
tindex/dewwkulturbau.
htm, Zugriff am
24.10.2012
Zahlreiche Veranstalter und Veranstaltungen in Berlin nehmen auf die Planungen Be-
zug, fordern, kritisieren und initiieren Podiumsdiskussionen unter dem allgemeinen
Vorwurf, die Nutzer trieben ohne Konzepte unvorbereitet auf das Großprojekt zu.13
Zweifellos halten sie in den Jahren der Unsicherheit das Interesse in der Öffentlichkeit
lebendig. Die Jahre des Moratoriums sind noch darüber hinaus bis 2011 in Berlin eine
Zeit umtriebiger Unruhe; denn immerhin geht es ja um die Nutzung des unübersehbar
leeren Ortes in der Mitte der Stadt, des Schlossplatzes. Nach wie vor ist die Nutzung des
rekonstruierten Stadtschlosses als Humboldt-Forum umstritten. In Deutschland und im
Ausland findet das Langzeitprojekt jedoch nur noch geringe Aufmerksamkeit.
Ungeachtet der herrschenden Unsicherheit gehen die Planungen im Jahre 2005 wei-
ter. Das im September 2004 vorgelegte Programm „Auf dem Weg zum Schloss“ wird
erweitert und strukturiert:
„Angesichts der mehrjährigen Vorbereitungsphase bis zum Umzug auf den Schlossplatz
sind einige Projekte als Teilprojekte übergeordneter Fragestellungen gedacht - z. B. Mode,
Kunst, Musik, Medizin etc. Diese Themen sind unter Berücksichtigung unterschiedlicher
Sammlungsanteile und unter verschiedenen Aspekten sowie der Hinzunahme von potenti-
ellen Agora-Komponenten wie Live-Musik und Theateraufführungen, Galerien und Shops,
Konferenzen und Workshops etc. fortzuschreiben. Besonders erfolgreiche Ausstellungen
und Inszenierungen sollten an andere Standorte weiterwandern. Zur Wiedererkennung aller
Präsentationen ist ein Logo ,Auf dem Weg zum Schloss4 (Arbeitstitel) zu entwerfen, das
die institutionsübergreifende Corporate Identity des künftigen Humboldtforums bereits im
Vorfeld vermitteln soll. Hierfür wird - das versteht sich von selbst - eine Übereinstimmung
aller beteiligten Nutzer vorausgesetzt“.14
(Auszug aus Viola König, „Auf dem Weg zum Schloss“, 10. Februar 2005)
Die Einzelprojekte sind unter Oberthemen zusammengefasst und auf spezifische Ziel-
gruppen gerichtet, u. a. „Architektur, Urbanisierung und Globalisierung“, „Kolonialzeit
und postkoloniale Situationen“, „Medizin und Heilpraktiken“, „Mode“, „Terms of Trade“,
„Kunst“. Die bisher verfassten Grundsatzpapiere werden hier in konkrete Themen für
eine Umsetzung gebracht. Sie finden sich im Konzept von 2008 wieder.
Bei der Abfassung der Vorlage für den Architektenwettbewerb im Frühjahr 2005 ver-
schieben sich die vorgesehenen Flächen zulasten des Ethnologischen Museums zugunsten
der Unterbringung aller Objekte der beiden asiatischen Kunstmuseen im Humboldt-Fo-
rum.15 Fehlerhafte Berechnungen fuhren im Verlauf des Architektenwettbewerbs wieder
zu Reduzierungen zulasten des zusammengeführten Museums für Asiatische Kunst. Für
die Konzeptphase schüren die wenig transparent gemachten Planungen der General-
direktion aufseiten der Nutzer Konflikte, die zwar zum Teil schon historisch bedingt wa-
ren, die jedoch im Rahmen der großen Aufgabe dringend zu überwinden gewesen wären.
Im Jahre 2006 wird nach weiteren Protesten mit dem Abriss des Palastes der Repu-
blik begonnen und damit eine weitere Voraussetzung für den Bau des Humboldt-Forums
geschaffen.
Es wird Emst: Architektur- und Gestaltungswettbewerbe 2007
bis 2010
Mit Beginn des Jahres 2007 neigt sich das Moratorium endlich seinem Ende zu; der
damalige Bundesbauminister, Wolfgang Tiefensee, setzt sich für eine zügige Auslobung
des Realisierungswettbewerbs für das Gebäude des Humboldt-Forums ein. Sie erfolgt
am 26. November, der Text wird am 21. Dezember 2007 veröffentlicht.16
Im Juni 2007 - das Musée du quai Branly wurde zwischenzeitlich eröffnet - legt die
Museumsleitung des Ethnologischen Museums dem Präsidenten der Stiftung Kultur-
52
König, Die Konzeptdebatte
Abb. 6 Umschlag der gedruckten Fassung des „Konzeptes der außereuropäischen Sammlungen im Hum-
boldt-Forum“ von 2008
besitz die angeforderte Raumplanung und das Nutzungskonzept vor, untergliedert in
Aufgabe, Präambel, Leitlinie für das Konzept der Museen, Auftrag an die Architekten
sowie die inhaltliche Konzeption, bestehend aus Ausstellungen, Sonderausstellungen,
großformatigen Objekten, öffentlich zugänglicher Studiensammlung, Multimedialität
und Archivvernetzung.17
In Vorbereitung der Erstellung eines detaillierten Konzeptes führt die Museumslei-
tung des Ethnologischen Museums im Rahmen der Standortkonferenz in Dahlem mit
den beteiligten Kuratorlnnen zwischen Oktober 2007 und März 2008 Workshops durch,
in denen die theoretischen Grundlagen und relevante Oberthemen diskutiert werden.
Im Auftrag des neuen Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann
Parzinger, erarbeiten die Direktorin und die Kuratorlnnen des Ethnologischen Muse-
ums ab Mai ihr erstes detailliertes Konzept für das Humboldt-Forum. Der Gestalter
Harry Vetter berät die neu gegründete „Konzeptgruppe“ und übernimmt die Redaktion
und Produktion der Broschüre, die dem Präsidenten der SPK am 23. Juli 2008 überge-
ben wird (Abb. 6).18
Zeitgleich erstellt die Museumsleitung eine Kurzfassung
„Konzept Humboldt-Forum - Kurzfassung
Präambel
Das Humboldt-Forum als eines der bedeutendsten kulturellen Bauvorhaben Deutschlands
wird sich ganz den Kulturen der Welt widmen und mit seinem kulturellen Angebot, den in
die Zukunft gerichteten Themen und Fragen, den Dialog der Wissenschaft und der Künste
fördern.
Mit dem Humboldt-Forum auf dem Schlossplatz wird diesem herausragenden Hauptstadt-
standort von hoher geschichtlicher Bedeutung und städtebaulicher Akzentuierung eine be-
sonders anspruchsvolle Funktion gegeben, zudem eine Aufgabe von internationalem Ge-
wicht. Das Konzept für ein Forum der Weltkulturen im Zentrum der deutschen Hauptstadt,
gedacht auch als ein Dialog mit den europäischen Kulturen auf der Museumsinsel, wird
sich jedoch grundsätzlich von der Präsentation der alten Kulturen auf der Museumsinsel
17 Diese Vorlage wird an
dieser Stelle nicht abge-
druckt, da der Inhalt so-
wohl in die veröffentlich-
ten Auslobungstexte der
Architekten- und Gestal-
terwettbewerbe eingeflos-
sen ist als auch in dem in
diesem Band veröffent-
lichten „Konzept zur Prä-
sentation der außereuro-
päischen Sammlungen im
Humboldt-Forum 2008“
wiedergegeben wird
(siehe S. 113-184).
18 Das Museum für Asia-
tische Kunst folgt im
Herbst 2008.
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
53
unterscheiden. Als ein Forum, das der Humboldtschen These von der Gesamtvernetztheit
von Natur und Kultur gerecht werden will, muss es gleichermaßen Wissen vertiefend wie
Erlebnis bietend, neue Horizonte öffnen, und transdisziplinäre Zugänge schaffen. Unter
Einbeziehung aller Medien der Text- und Bildkultur, Theater, Musik und Film sollen die
Vielfalt und Besonderheiten außereuropäischer Kulturen in ihrer Wechselwirkung, d. h.
ihrer Wirkung auf Europa und Europas auf diese Kulturen vermitteln.
Das Humboldt-Forum muss sich als ein globales Netzwerk präsentieren, das Kunstge-
nuss neben die Auseinandersetzung mit den Chancen und Risiken der Globalisierung stellt
und sich gleichzeitig als ein attraktives Veranstaltungszentrum versteht, als ein offenes Haus,
das auf eine nationale und internationale Besucherschaft mit vielfältigen Interessen zielt.
Struktur und Dramaturgie des Humboldt-Forums
Basierend auf den außereuropäischen Sammlungen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz
mit ihren über 520.000 Originalbeständen aus allen Erdteilen - Kulturzeugnissen universa-
ler Art, Kunstwerken, Tonaufnahmen, Fotodokumenten und Filmen, wird die Vielfalt
menschlicher Kulturen und Lebensräume über Zeit und Raum in einem offenen Haus auf
24.000 m2 präsentiert.
Die Dramaturgie des Humboldt-Forums beginnt mit der Agora. Sie fungiert als Portal
zur Welt. Auf 10.000 m2 erlebt der Besucher die Welt des 21. Jahrhunderts auf Weltstadt-
niveau mit einem spezifischen Programm von Musik-, Theater-, Film- und Vortragsveran-
staltungen auf hohem Niveau neben einer bunten Fülle an Restaurants, Cafés, Buchhand-
lungen und Shops. Die Agora inspiriert die Neugier auf die Wurzeln kultureller Vielfalt,
historische Kontexte, Gemeinsamkeiten, Trennendes und aktuell Zusammenwachsendes.
Hier befindet sich auch ein Forum für außereuropäische Gegenwartskunst.
Teil 1
Die erste große Ausstellungssektion spiegelt den historischen Weg der Sammlungen von
der ehemaligen Kunstkammer des Berliner Schlosses in der historischen Mitte Berlins bis
zur ,Rückkehr4 in das Humboldt-Forum.
Die Kunstkammer - Eine Sammlung außereuropäischer Seltenheiten4
Die ehemalige Kunstkammer des Berliner Schlosses, die Leibniz für sein Modell eines
Theaters der Natur und Kunst vor Augen stand, ist die gemeinsame Urzelle der Staatlichen
Museen zu Berlin, der Humboldt-Universität zu Berlin und der Bibliotheken. Sie umfasste
Objekte aus Antike, Kunst und Kunsthandwerk, Musik, Natur- und Völkerkunde. Von den
Räumen der Kunst- und Wunderkammer reist der Besucher in die Zeit von Leibniz und der
Brüder Humboldt zurück.
Von der Kunstkammer zur Kolonialzeit
Der historische Teil der Ausstellungen des Humboldt-Forums befasst sich darüber hinaus
mit
• Wilhelm und Alexander von Humboldt - ihre Bedeutung für die außereuropäischen
Sammlungen
• Ein Archiv der Kulturen - Adolf Bastian und die Gründung des Königlichen Museums
für Völkerkunde
• Wilhelm von Bode und das Museum für Asiatische Kunst
• Die Erschließung der Welt von Berlin und Europa aus
• Handelskolonialistische Unternehmungen
• Frühe Forschungsreisen und Sammlungen bis 1859
• Die Aneignung der Welt im Kolonialismus
Schaumagazine
Der historische Teil der Ausstellungen geht in den ersten Teil der Schaumagazine über;
denn vor allem während der Zeit des Kolonialismus kamen neue Sammlungen in so großer
Menge nach Berlin, dass man sie eng gedrängt in Vitrinen zeigte. Doch nicht nur aus ehe-
maligen deutschen Kolonialgebieten kamen riesige Sammlungskonvolute, systematisch
54
König, Die Konzeptdebatte
sammelnde wissenschaftliche Forschungsexpeditionen, z. B. nach Nord-, Mittel- und Süd-
amerika, trugen zum enormen Zuwachs wesentlich bei. In der Einführungssequenz soll ein
großer Schaumagazinsbereich verdeutlichen, in welch großem Umfang Objekte vor hun-
dert Jahren in die Berliner Sammlung kamen. Dieser Teil des Schaumagazins ist also
Sammlungspräsentation und Inszenierung der Fülle der Sammlungen zugleich.
Wegen der weiten räumlichen Trennung von Ausstellungen im FIumboldt-Forum und
den Sammlungen in den Magazinen in Dahlem und Friedrichshagen sollen Teile der
Sammlungen den Besuchern in Schaumagazinen im Humboldt-Forum zugänglich sein.
Sie ermöglichen den zentralen Zugang von Fachwissenschaftlem zu bedeutenden Samm-
lungen, liefern eine Fülle von Anschauungsmaterial über die aufbereiteten Ausstellungen
hinaus für Besucher mit besonderen Interessen wie Künstler, Designer usw. und machen
dem Besucher deutlich, dass die riesigen Sammlungen des Museums, die normalerweise
nur auf Anmeldung für ausgewählte Besuchergruppen zugänglich sind, ein zentraler, kon-
stitutiver Teil des Museums sind, von dem in Ausstellungen nur Bruchteile präsentiert
werden können.
Schaumagazine befinden sich auch als Teile der Ausstellungen in den einzelnen Regionen.
In ihnen werden bestimmte Themen durch eine Präsentation vergleichender oder vertiefender
Objektgruppen in ihrer ganzen Breite darstellbar. Die Gliederung dieses Schaumagazinteils
ist nach verschiedenen Themen möglich wie archäologische Sammlungen, Sammeln und
Kriegsbeute, wissenschaftliche Sammlungen, Objekte für den Handel mit Europäern.
Die Schaumagazine ermöglichen zudem den Zugang zu bislang unzugänglichen Be-
ständen des Ethnologischen Museums für alle Besucher.
Teil 2
Welten in Bewegung
Die Ausstellungen des Humboldt-Forums stehen unter dem Generalmotto Bewegung.
Der Aspekt der Bewegung äußert sich vielfältig, in den Reisen von Sammlern, die Ob-
jekte nach Europa verbringen, in Objekten, die ihren Standort wechseln als Handels- und
Tauschware, zuweilen als Kriegsbeute, in Objekten, die zwischen alten und neuen Muse-
umsgebäuden, zwischen Magazin und Wechselausstellungen verschoben werden. Objekte
reisen durch die Welt als Exponate, wechseln ihre Authentizitäten, von ihrer ursprüngli-
chen in andere Funktionen, als Original oder auch als Fake.
Auch im Humboldt-Forum werden ausgesuchte Exponate immer wieder ihren Standort
verändern. Wie in einem technischen Logistiksystem , durchwandern ‘ diese Objekte, z. B.
auf einem Laufband, verschiedene Bereiche und halten Themen permanent in Bewegung.
Entsprechend werden in definierten Bereichen Themen ausgetauscht und Themenbezüge
zueinander immer wieder neu gestaltet. Bewegung geschieht in der Abgrenzung, der Inter-
pretation und der funktionalen Zuordnung, in der Flexibilisierung der Ausstellungsräume
wie der Mobilität der Nutzer und Hersteller.
Bewegung ist Handel und Austausch, nicht nur von Waren, sondern auch von Kultur,
Ideen und Innovationen, aber auch der Menschen selbst.
Bewegung ist auch Kommunikation zwischen Menschen, Angehöriger derselben oder
verschiedener Kulturen.
Multiperspektivität im Humboldt-Forum - der Wechsel der Erzählposition
Ein Grundprinzip von Bewegung im Humboldt-Forum ist der ständige und gleichzeitige
Wechsel der Erzählposition. Fragen und Antworten an die Objekte als Dialog, im Wechsel
der Regionen, Zeiten und Themen, die sie präsentieren.
Zulassen unterschiedlicher, auch kontroverser Positionen - darin unterscheidet sich das
Humboldt-Forum von den es umgebenden europäischen Museen und Institutionen.
Der Wechsel der Erzählposition ist ein Alleinstellungsmerkmal des Humboldt-Forums.
Unter den Bedingungen von Globalisierung, Migration und Transportabhängigkeit zum
Überleben (ökonomisch, ökologisch, kulturell) kann das Humboldt-Forum sich nicht als
statisches Gebilde präsentieren, sondern es selbst ist ,in Bewegung1. Hinter und vor seinen
Fassaden muss es pulsieren.
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
55
Kontinente in Bewegung - die Ausstellungsmodule
Auf dieser Reise durch eine Welt in Bewegung werden die außereuropäischen Kulturen -
zunächst grob geordnet nach Kontinenten - in ihrer ganzen Lebens- und Kunstvielfalt mit
Originalzeugnissen der Bild-, Sach- und Tonkultur anschaulich gemacht, unterstützt von
allen Medien der Gegenwart. Schausammlungen und Wissenschaftssammlungen gehen
nahtlos in die verschieden gestalteten gläsernen Schaumagazine über.
Um den Besuchern regelmäßig und nicht nur ausnahmsweise Neuerungen präsentieren
zu können, werden die regionalen Ausstellungen in Form von Modulen eingerichtet, die
jederzeit und an jeder Stelle ergänzt oder ganz ausgetauscht und durch neue Module ersetzt
werden können.
Die Ausstellungsmodule des Ethnologischen Museums setzen sich aus den großen Regio-
nalsammlungen Afrika, Amerika (Indianer Nordamerikas und Tieflandindianer Südameri-
kas, Amerikanische Archäologie), Ostasien, Süd- und Südostasien, Islamischer Orient und
Südsee (Australien und Ozeanien) zusammen. Zur Vermittlung kultur- und kunsthistori-
scher Zusammenhänge werden auch transkontinentale Module entwickelt.
Die Ausstellungen zur außereuropäischen Kunst Ost-, Süd-, Südost- und Zentralasiens
erfolgen unter chronologischen und regionalen Gesichtspunkten.
Darüber hinaus gibt es gemeinsame Sonderausstellungen zu fächerübergreifenden The-
men, darunter themenorientierte Sonderausstellungen zu aktuellen Fragestellungen als
,Schaulabor‘ in Zusammenarbeit mit der Humboldt-Universität und der Zentral- und Lan-
desbibliothek sowie den Sammlungen auf der Museumsinsel in der Agora und entspre-
chenden Ausstellungsbereichen.
Nicht die klassische Dauerausstellung ist das Ziel, sondern eine belastbare offene Struk-
tur, welche die Vielfalt, die Veränderungen, die thematischen Wechsel und aktuellen Bezü-
ge der Sammlungen anspruchsvoll übersetzt und reflektiert.“
(„V. König / 22. Jul. 2008“)
Mit der Entscheidung des Preisgerichtes am 28. November 2008, das Architekturbüro
Francesco Stella aus Vicenza mit dem Bau des Humboldt-Forums zu beauftragen, ist der
Weg für den „Wettbewerb Ausstellungsgestaltung Humboldt-Forum“ frei gegeben. Für
den Auslobungstext ist das Konzept der Nutzer verbindlich festzulegen. Bis März 2010
wird der Auslobungstext „Szenografischer Wettbewerb Humboldt-Forum“ vom Bundes-
amt für Bauwesen und Raumordnung in deutscher und englischer Sprache zusammen-
gestellt.19 Bis zum 18. Juni 2010 müssen Bewerber die Arbeiten abgegeben haben.
Das Moratorium vom Juni 2010 und der Prozess
bis Dezember 2011
19 Für den vollständigen
Auslobungstext s. Archi-
tektenkammer Berlin,
http://www.ak-berlin.de/
publicity/ak/intemet.nsf/
tindex/de_ww_kulturbau.
htm, Zugriff am 24.10.
2012
Noch während der Auslobungsphase des Gestaltungswettbewerbs löst das Sparpaket der
Bundesregierung vom 7. Juni 2010 einen Schock bei allen Beteiligten aus. Entschieden
wird, bis zum Jahr 2014 keine Haushaltsmittel für das Projekt in den Bundeshaushalt
einzustellen. Der Baubeginn des Stadtschlosses wird auf das Jahr 2014 verschoben. Doch
anders als beim ersten Moratorium regt sich starker Widerstand, nicht nur bei den direkt
Beteiligten, sondern in der Öffentlichkeit und selbst in den eigenen Reihen der Regierung.
Der Ausschuss für Kultur und Medien, der dem Projekt des Humboldt-Forums sehr
wohlgesonnen ist, bittet den Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann
Parzinger, am 9. Juni 2010 zu einem Gespräch. Teile seines Vortrags sind hier wieder-
gegeben:
„Der Name ,Humboldt-Forum‘; Es wäre viel zu einfach zu sagen, Alexander steht für das
Humboldt-Forum und Wilhelm für die Museumsinsel. Natürlich hat Wilhelm die grundle-
genden Gedanken für die Gestalt der Museumsinsel mitentwickelt mit dem ,Masterplanar-
chitekten‘ Stüler und der Rückendeckung Friedrich Wilhelms IV. Aber er war als Sprach-
56
König, Die Konzeptdebatte
forscher auch mit der außereuropäischen Welt verknüpft, und er praktizierte das, was für
uns im Humboldt-Forum auch wichtig ist: das institutionenübergreifende Denken. Das ist
neu! Das Humboldt-Forum soll nicht nur eine museale Weiterentwicklung sein, sondern es
soll auch ein Bereich sein, der Institutionen an diesem Ort in ganz neuer Art miteinander
verknüpft. (...)
Um zum Inhalt zu kommen: Das Humboldt-Forum wird von drei Nutzem bespielt, den
Staatlichen Museen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, das heißt, insbesondere von den
außereuropäischen Sammlungen in Dahlem, dem Ethnologischen Museum und dem Muse-
um für Asiatische Kunst. Zum Vergleich: Präsident Jaques Chirac hat in Paris 2006 als
ethnologisches Museum das große quai Branly eröffnet und damit ein Zeichen gesetzt.
Wenn man jedoch nur auf die Sammlungen schaut, die wir hier für das Humboldt-Forum
haben, dann ist das soviel wie quai Branly und Musée Guimet zusammen. Das muss man
sich klarmachen, einfach von den Beständen her. Das Ethnologische Museum ist weitaus
größer als quai Branly. Gut, das Musée Guimet ist sicher noch bedeutender als das Museum
für Asiatische Kunst. Aber dennoch: Beide zusammen bilden schon einen ganz zentralen
Auftritt. (...)
Weil immer wieder gefragt wird: Wo ist eigentlich der Bezug zum Gebäude? Der Bezug
zum Humboldt-Forum ist natürlich sehr wohl da. Es gab die Kunst- und Wunderkammer
im Schloss, die geistesgeschichtlich eine zentrale Rolle spielt. Fast jede europäische Fürs-
ten- und Königsresidenz, die etwas auf sich hielt, besaß in irgendeiner Form eine Kunst-
kammer. Darin spiegelte sich die Beschäftigung mit Geschichte, mit der Welt, das Begrei-
fen, Sammeln, Ordnen, der Beginn der Forschung, der Beginn der Gliederung der Wissen-
schaften. Das ist die geistes- und wissenschaftsgeschichtliche Bedeutung der Kunstkam-
mer. Und in der Kunstkammer entstanden alle unsere Sammlungen. Es gibt einen Kupfer-
stich, der eine Raumflucht zeigt, in der die völkerkundlichen Sammlungen wunderbar
ausgestellt waren. Auch die Antike wurde gezeigt. All das war früher im Schloss und ist
dort aus Platzmangel nach und nach ausgelagert worden.
Auch das wissenschaftliche systematische Sammeln von Literatur hat im Schloss seinen
Ursprung gehabt und natürlich Wilhelm von Humboldt mit seiner Denkschrift für die Ber-
liner Universität, die wissenschaftsgeschichtlichen Sammlungen der Humboldt-Universi-
tät, die auf Leibniz und andere zurückgehen in der Kunstkammer. Also, letztlich kehren
drei Einrichtungen wieder zurück, die in diesem Gebäude ihren Ursprung hatten und neh-
men es jetzt ganz in Besitz, ohne dass hier noch staatliche Repräsentation in dieser früheren
Form eine Rolle spielt.
Wir haben noch etliche Elemente der Kunstkammer erhalten. Wir werden diese Origi-
nalobjekte nicht mehr am alten Ort aufstellen, denn das war oben unter dem Dach an einer
Stelle, die für einen Rundgang keinen Sinn macht. Aber die Kunstkammer wird unten als
Einführungsbereich nachempfunden werden. Es gibt dazu auch Möbel. Aber vor allem
muss in dem Bereich, in dem wir sie sichtbar machen, ihre geistesgeschichtliche Bedeu-
tung deutlich werden.
Was den Sammlungsbeginn betrifft oder die Entstehung der Sammlung, so hat Deutsch-
land - glücklicherweise, muss man sagen - zwar eine koloniale Vergangenheit, aber nicht
so wie andere europäische Mächte. Sie sehen oben Georg Förster, der James Cook auf
seinen Südsee-Reisen begleitet hat. Das ist der Grundstock unserer Südsee-Sammlung.
Oder Alexander von Humboldt aus Südamerika, Schlagintweit, die Preußische Seehand-
lung. Dann begann mit Adolf Bastian und der Gründung des Völkerkundemuseums 1874
ein systematisches Sammeln von kulturellen Hinterlassenschaften, weil man damals schon
ahnte, dass die Welt bald nicht mehr so sein wird, wie sie damals war. Der Erhalt dieses
kulturellen Erbes und dessen Erforschung bildete einen positivistischen Ansatz, den man
damals verfolgte und der dazu führte, dass wir mit über einer halben Million Objekten eine
der reichsten, wenn nicht sogar die reichste völkerkundliche Sammlung haben. (...)
Die Agora ist im Grunde immer die große Unbekannte. Agora, was ist das? Im Grunde
ist es gar nicht so kompliziert, es ist relativ einfach. Die Agora hat zwei unterschiedliche
Arten von Funktionen. Die eine Funktion entspricht der Empfangssituation: schnelle Ori-
entierung, optimale Besucherführung, Gastronomie, Museumshops, alles, was zu einem
solchen Bereich gehört. Auch die Besucherführung ist wichtig, dass aus einem zentralen
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
57
Bereich die unterschiedlichen Bereiche erschlossen werden. Und dann gibt es inhaltliche
Funktionen. Dabei geht es um Sonderausstellungsflächen, Multifunktionsräume mit Bühne
und Auditorium, um Orte, wo die Weltkulturen in ihrer ganzen Vielfalt auftreten können.
Da geht es um Musik, um Film, um Theater, um Performances, um Sonderausstellungen
zeitgenössischer Kunst, um Podiumsdiskussionen und wissenschaftliche Kongresse. Das
soll dort stattfinden. Dort soll das Leben sein, ein Bereich, offen für Besucher aus allen
Teilen unserer Gesellschaft.
Darüber erheben sich dann im ersten Stock die Werkstätten des Wissens. Es gab im
Architekturwettbewerb unterschiedliche Verteilungen für diese Funktionen auf das Gebäu-
de, aber der Stella-Entwurf folgt dieser Idee der Werkstätten des Wissens. Dabei geht es um
4.000 m2 für die Zentral- und Landesbibliothek (ZLB), die mit den Teilen in das Gebäude
einzieht, die optimal zum Elumboldt-Forum passen, also etwa Außereuropäischem und
Reiseliteratur. Daneben gibt es aber auch Bestände zu Bühne, Musik, Tanz, eine moderne
Teaching Library. Die ZLB hat ja eine große Kompetenz im Bereich der Arbeit mit Kindern
und Jugendlichen. Ich war mal einen Nachmittag lang in der Amerika-Gedenkbibliothek.
Wenn es uns gelingt, diese ,Kundschaft1 in das Humboldt-Forum zu holen, dann ist das
Humboldt-Forum wirklich gelungen. Und dabei spielt die Bibliothek eine ganz zentrale
Rolle oder kann sie jedenfalls spielen, und ich bin sicher, sie wird sie spielen. Dort sind
auch die Bereiche der Humboldt-Universität und die Forschungsbereiche der Staatlichen
Museen untergebracht, ihre Archive, ihre Forschungsbibliotheken.
Im zweiten und dritten Obergeschoss folgt eine Reise durch die Welt. Die einzelnen
Kontinente bleiben in ihrer kontinentalen Gliederung zwar erhalten, aber gegliedert in klu-
ger Art und Weise. Wir werden nicht - wie man es in anderen Museen sehen kann - Eski-
mos und Islamisches nebeneinanderstellen, nur weil beides Asien zugeordnet wird. Die
Frage des Naturraumes wird natürlich eine wichtige Rolle spielen.
Unser Ziel ist, dass die Ausstellungen aus Dahlem nicht inklusive einer Konzeption für
die nächsten 30, 40 Jahre umziehen, sondern einen gewissen Wechsel in der Präsentation
zu erreichen. Wir haben einen solch reichen Bestand, dass es sich lohnt, die Bestände aus
den einzelnen Kontinenten immer wieder unter veränderten Themenstellungen zu zeigen
und wirklich Kulturgeschichte zu erzählen. Das ist der entscheidende Punkt. Kunstge-
schichte und auch Kulturgeschichte müssen hier erzählt werden.
Wir haben ein großes Expertengremium von Kultur- und Museumsleuten aus Südame-
rika, Schwarzafrika und Asien versammelt, das wir eingeladen haben und das sofort be-
geistert zugesagt hat. Wir wollten diese Experten eigentlich Ende des Jahres einladen, um
mit ihnen unsere Konzepte zu diskutieren. Das ist keine Sache, die man im Closed Shop
macht, sondern da muss man die besten Museumsleute und Kulturspezialisten versam-
meln. Da geht es nicht um irgendwelche Derwische und Schamanen, sondern es geht um
die Leute, die davon wirklich etwas verstehen. Und das sind nicht nur wir, sondern auch
Leute von diesen Kontinenten, mit denen wollen wir Zusammenarbeiten. Das ist eine Ein-
ladung an die Kollegen in der Welt, hier mitzuwirken, das ist nicht nur Pathetik.
Hier sehen Sie noch einmal die Agora mit ihren Ausstellungsflächen, den Multifunkti-
onsraum und das Auditorium. Ich will nicht in die Details gehen, nur noch einmal sagen;
Die zeitgenössische bildende Kunst mit wechselnden Veranstaltungen in der Agora ist im
Grunde das Großartige. Hier können wir aus den historischen Sammlungen der Museen die
Brücke in die Gegenwart schlagen. Zeitgenössische Kunst ist geradezu ein Seismograph
gesellschaftspolitischer und sonstiger Entwicklungen. Es gibt Kunstbiennalen von Buenos
Aires bis Shanghai. Hier das Humboldt-Forum zu haben - nicht als Konkurrenz zum Ham-
burger Bahnhof, aber doch als einen Ort, der an dieses Netzwerk angebunden ist - halte ich
einfach für wichtig. (...)
Im ersten Obergeschoss sind die Werkstätten des Wissens, die Humboldt-Universität,
die ZLB und unsere Forschungsbereiche. Ich möchte in diesem Zusammenhang die Wachs-
walzen - die sogenannten Edison-Walzen - erwähnen. Es geht um 30.000 Wachswalzen
von den Forschungsexpeditionen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, auf denen - ob aus
Ozeanien, der Südsee, Amazonien oder Afrika - Stimmen, Gesänge oder Sprachen von
Völkerschaften aufgezeichnet wurden, die zum Teil gar nicht mehr existieren. Das ist ein
einmaliges Wissens- und Kulturarchiv, das von der UNESCO vor einigen Jahren in die
58
König, Die Konzeptdebatte
Liste ,Memory of the World4 aufgenommen wurde. Wir haben es schon weitgehend digita-
lisiert. Dieser Schatz wird in den Werkstätten des Wissens für Forschungen zur Verfügung
stehen, aber auch mit den Ausstellungsbereichen verbunden werden. Das ist wirklich ein
einmaliges Archiv.
Hinsichtlich der Werkstätten ist ebenfalls wichtig, dass wir mit der Alexander von Hum-
boldt-Stiftung sowie der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften Gesprä-
che über ein Stipendienprogramm führen. Dort ist man sehr gewillt, ein Humboldt-Kolleg
oder ein ähnliches Programm auf den Weg zu bringen, mit dem man renommierte Wissen-
schaftler und einige Postdocs einladen könnte, die über die Themen forschen, die für das
Humboldt-Forum wichtig sind.
Dann kommt das zweite Obergeschoss mit der Präsentation Ozeaniens, Afrikas, Ameri-
kas und Asiens. Lassen Sie mich zum Abschluss an einigen wenigen Aspekten aufzeigen,
um was es uns in der Präsentation eigentlich geht.
Die Bootshalle in Dahlem bietet eine der grandiosesten Bootssammlungen der Welt.
Aber, es ist doch klar, dass man auch erzählen muss, was Navigation in einer Inselwelt ei-
gentlich bedeutet hat. Wie funktionierten Kontakte und Ansiedlung eigentlich? Wie war
das Verhältnis Südamerikas zu Südasien? Diese Dinge sind nicht erzählt und man kann sie
mit unseren Beständen wunderbar erzählen. Das heißt, die kulturgeschichtliche Kontextu-
alisierung muss eine viel größere Rolle spielen und erklären, wie der kulturelle Entwick-
lungsgang war und warum er so war und nicht anders.
Jede Sammlung völkerkundlicher Art hat afrikanische Masken. Im quai Branly werden
sie ästhetisiert. Diese Objekte sind aber nie als Kunstwerke geschaffen worden. Wir dürfen
nicht in eine Situation kommen, in der wir sagen: Wir stellen nur das aus, was wir Europä-
er als Kunst betrachten. Natürlich ist das irgendwo auch wieder Kunst und wir werden die
Bestände auch als Kunst ausstellen. Aber es sind doch auch Exponate, die so viel über die
Struktur dieser Kulturen erzählen. Es gab damals in Westafrika Stammesgebiete, die solche
Masken als politische Repräsentationswerke genutzt haben. Es ist hochinteressant, das im
Vergleich zu sehen. Ich finde, das muss man bei der Präsentation dieser Dinge erzählen.
Eine andere Frage ist, wie eigentlich der Blick auf uns Europäer gerichtet war. Da gibt
es genügend Quellen. Das ist die Multiperspektivität und eben nicht nur das Eindimensio-
nale. Das bedeutet, die Welt nicht nur aus unserer Sicht zu erklären, sondern Äußerungen
dieser Kulturen - sofern sie in irgendeiner Form festgehalten wurden und wir sie haben -
sichtbar zu machen.
Ein Beispiel ist dieser Federschmuck aus Amazonien, der im späten 18., frühen 19.
Jahrhundert gesammelt wurde und wunderbar erhalten ist. Es kann ja nicht genug sein, den
Schmuck in eine Vitrine zu legen und zu sagen: Schaut her, was für ein toller Feder-
schmuck! Entscheidend ist, dass wir erzählen, wie der Entwicklungsgang war. Amazonien,
eine lebensfeindlichere Umwelt gibt es ja eigentlich gar nicht. Wie hat der Mensch der
Umwelt seinen Lebensraum abgerungen? Wie hat er soziale Institutionen entwickelt? Das
sind die Dinge, die entscheidend sind. Das gilt ebenso für die Zivilisationen des vorspani-
schen Amerika, wie die Maya, Azteken und Inka, zu denen wir mit die reichsten Sammlun-
gen außerhalb Lateinamerika besitzen. Dort gab es die ersten Megastädte, meine Damen und
Herren, die ersten Kalenderrechnungen, die erste Schrift: All das muss eine Rolle spielen.
Im zweiten Obergeschoss wird die Kunst dann eine dominantere Rolle spielen. Hier
werden die Bestände des Museums für Asiatische Kunst präsentiert, in erster Linie religiö-
se Kunst, die buddhistischen Wandmalereien der Seidenstraße, die Turfanexpeditionen, bis
hin zur Malerei Japans und Chinas des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Überall im Ausstel-
lungsrundgang werden sich natürlich auch Bereiche befinden, die in Verknüpfung mit der
Agora Orte sein werden, an denen Veranstaltungen stattfinden können, wie z. B. Teezere-
monien. Das hat in der jeweiligen Kultur eine rituelle Bedeutung und muss auch gezeigt
werden.
Hier sehen Sie die Humboldt-Box. Wichtig wäre sie, um die Öffentlichkeit darüber zu
informieren, was auf dem Schlossplatz eigentlich passiert. Wir haben vor, mit immer wie-
der wechselnden Ausstellungen zu erklären, wie sich unser Konzept entwickelt. Ich glaube,
das ist ganz wichtig. Es geht um das Konzept, es geht noch nicht um ein Programm. Es
wäre absurd, 2010 ein Programm zu entwickeln, das 2020 bespielt werden muss. Die Zei-
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
59
ten und die Herangehensweisen werden sich ändern. Aber diese Dynamik und das Prozess-
hafte muss gezeigt werden.
Im Grunde ist es so: Die Museumsinsel zeigt die Kunst und Kultur Europas und des
Nahen Ostens. Das war die große Vision unserer Altvorderen im 19. Jahrhundert. Diese
Vision auf dem Schlossplatz im Humboldt-Forum weiterzuentwickeln und das Ganze in
der Summe zu einem Ort der Weltkulturen bzw. der Gleichberechtigung in der Präsentation
der Weltkulturen zu machen, Entwicklungsgänge kultur- und kunstgeschichtlich erfahrbar
werden zu lassen, das ist das Großartige, das man hier verwirklichen könnte und nie errei-
chen kann, wenn man die außereuropäischen Sammlungen irgendwo in Dahlem oder sonst-
wo lässt. Das ist die große Chance!“
(Auszug aus einer Präsentation von Prof. Dr. Dr. h.c.mult. Hermann Parzinger, Präsident
der Stiftung Preußischer Kulturbesitz vor dem Ausschuss für Kultur und Medien des Deut-
schen Bundestages, 9. Juni 2010)20
In den kommenden Monaten wird die Öffentlichkeit ausführlich über den maroden bau-
lichen Zustand der Dahlemer Museen informiert. Es werden Führungen für Politiker,
Journalisten vor und hinter den Kulissen organisiert und die Dramatik der aktuellen
Sicherungsmaßnahmen vorgeführt: Aus der Bausanierung, dann dem Bauerhalt ist
längst eine „Bauertüchtigung“ geworden im Verlauf derer täglich neue Hiobsbotschaf-
ten weitere - und kostspieligere - Mängel der Bausubstanz, der Infrastruktur und Tech-
nik entdeckt werden. Nicht nur die wertvollen Sammlungen sind gefährdet durch die
klimatischen Bedingungen und den maroden Magazinbau, sondern selbst die Besucher,
die sich in Ausstellungsräumen mit uralter technischer Anlage bewegen.
Doch ungeachtet der Sparbeschlüsse gehen die Planungen in 2010 und 2011 zügig
weiter voran. Nur der Wettbewerb für „Bauliches Corporate Design“ wird zunächst aus-
gesetzt. Auch die Entscheidung für den Preisträger des Gestaltungswettbewerbs zögert
sich hinaus - jedoch aus inhaltlichen Gründen.
Neuen Input bekommen die Konzeptbeteiligten anlässlich des Workshops des „Inter-
national Advisory Boards“ zur Neupräsentation der Sammlungen des Ethnologischen
Museums und des Museums für Asiatische Kunst im Humboldt-Forum vom 6.-8. April
2011 in Berlin (Abb. 7).
20 Deutscher Bundestag
17. Wahlperiode, Proto-
koll Nr. 17/15, Ausschuss
für Kultur und Medien,
Wortprotokoll * 15. Sit-
zung, 9.6.2010, vgl. www.
bundestag.de, Zugriff am
24.10.2012
Abb. 7 Gruppenbild mit den Advisory Board-Mitgliedern, dem Präsidenten der Stiftung Preußischer
Kulturbesitz, den Direktoren und den Kuratorlnnen des Ethnologischen Museums und des
Museums für Asiatische Kunst. Foto: Claudia Obrocki.
60
König, Die Konzeptdebatte
Das Jahr endet mit einem positiven Ausblick für 2012: Nach mehreren Workshops
und zahlreichen Beratungen einigen sich Juroren und Berater, der Arbeitsgemeinschaft
Ralph Appel bäum und Malsyteufel den Auftrag zur szenografischen Gestaltung der
Ausstellungsbereiche im Humboldt-Forum zu vergeben. Zur Entlastung der bisher Be-
teiligten und Effektivierung der Koordination der Nutzer werden die Weichen für die
Einrichtung einer Stabstelle Humboldt-Forum gestellt, und die Bundeskulturstiftung
vergibt am 12. Dezember 2011 4,1 Mio. Euro für das Humboldt Lab Dahlem unter Lei-
tung von Martin Heller. Am 13. Dezember 2002 hatte die Leitung des Ethnologischen
Museums erstmalig Mittel von ebenfalls 4,1 Mio. für eine Probebühne in Dahlem bean-
tragt; Der Weg zum Humboldt-Forum ist nicht nur lang - er verläuft auch zyklisch.
Das Humboldt-Forum und seine Kritiker
Wie im folgenden Beitrag von Andrea Scholz an einer Auswahl von Presseberichten
nachzuverfolgen ist, stehen nicht nur die Rekonstruktion des Berliner Stadtschlosses
unter öffentlichem Dauerbeschuss, sondern auch die neue ungewohnte Nutzung als
Humboldt-Forum. Die Kritik ist vielschichtig. Bemängelt wird das Fehlen eines über-
zeugenden integrativen Gesamtkonzeptes und die mangelnde Transparenz bestehender
Konzepte. Es gibt nur wenig Verständnis dafür, dass Inhaltskonzepte, die sich als Teil des
Programms auch mit der globalen Gegenwart beschäftigen sollten, bei einer zehn- bis
zwanzigjährigen Wartezeit permanent zu überarbeiten sind, um aktuell zu bleiben.
Die Kritiker rekrutieren sich aus ganz unterschiedlichen Gruppierungen, politisch
von rechts bis links, sie stehen dem Museum fern, aber auch besonders nah (Freundes-
kreis, Ethnologen u. a.), manche haben die Lager gewechselt. Die Nutzer sehen sich
einer misstrauischen Grundhaltung ausgesetzt, einer unterschwelligen Annahme, dass
sie für die Konzeptarbeit ohnehin unfähig und überfordert seien. Eine selbstbewusste,
unvoreingenommene Arbeit an der Konzeption war und ist für die Nutzer angesichts
solch skeptischer, ja feindseliger Haltungen nicht immer einfach.
Auf einer Direktorenkonferenz fasst die Leitung des Ethnologischen Museums die
wesentlichen Kritikpunkte zusammen. Tatsächlich ist es ab diesem Zeitpunkt ruhiger;
das Humboldt-Forum im Schloss scheint nicht mehr zu stoppen zu sein, und die Medien
entdecken andere museale Schauplätze.
„Das Humboldt-Forum in der Kritik
Das Konzept des Humboldt-Forums stand von Anbeginn in der Kritik:
• wegen der Unterbringung der außereuropäischen Sammlungen der Staatlichen Museen
zu Berlin im rekonstruierten Berliner Stadtschloss;
• wegen der von vielen als willkürlich angesehenen Partnerschaft der drei Nutzer Staat-
liche Museen zu Berlin, Zentral- und Landesbibliothek und Humboldt-Universität.
Kritisiert wurden:
• die nicht erkennbare Integration der drei Nutzer;
• das nicht vorhandene Konzept der Agora;
• die fehlende Diskussion der Konzepte der Museen bis zum Advisory Board Meeting im
April 2011.
Bezüglich der außereuropäischen Sammlungen wird thematisiert:
• die mehr als drei Jahrzehnte alte Frage nach Kunst oder Kontext?
• die Rechtmäßigkeit und der Umgang mit den Sammlungen mit kolonialem oder angeb-
lich kolonialem Hintergrund in Berlin;
• die Konsequenzen der akademischen postkolonialen und postmodernen Debatten;
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
61
21 Ankündigung der Veran-
staltung der Stiftung
Zukunft am 10.2.2010.
22 Ankündigung der Veran-
staltung der Gruppe
Alexandertechnik am
11.7.2011.
23 Das Programm der Ta-
gung ist noch auf ver-
schiedenen Adressen im
Internet veröffentlicht. Die
Bundeszentrale für Politi-
sche Bildung hat es aus
ihrer Website entfernt.
• sowie konkret die Verortung der Präsentation der islamischen Sammlungen der Staatli-
chen Museen zu Berlin.
Neben den Kommentaren in der Presse fühlten unterschiedliche Gruppierungen kritisch
orientierte Veranstaltungen in der Öffentlichkeit durch. Sie warnten, mahnten, forderten,
zweifelten - einige Beispiele:
Veranstaltungsreihe ,Streitort4 - Erwartungen an das Humboldt-Forum4:
,Das Humboldt-Forum soll ein Ort des Austausches über die Zukunftsthemen unserer enger
zusammenrückenden Welt werden. Die Herausforderungen können im ,Gespräch4 mit den
kulturellen Zeugnissen früherer Zeiten geschärft werden. Die Besonderheit des Humboldt-
Forums muss aber ausmachen, dass diese in ihrer heutigen Aktualität auf die Agenda kom-
men. Das Humboldt-Forum ist daher weit mehr als ein - noch so aufgeklärtes - Museum.
Für die dafür zu wünschenden Dialoge sind angemessene Arbeits- und Präsentationsfor-
men erst noch zu entwickeln. Was dafür von Alexander von Humboldt und aus szenogra-
phischer Praxis gelernt werden kann, soll an diesem Abend ausgelotet werden: ,Wie sind
Inszenierungen von Welt heute imaginierbar und realisierbar?421
Die Gruppe Alexandertechnik, Veranstaltung ,Der Anti-Humboldt4;
,Alle bisherigen Verlautbarungen der Federführenden lassen erkennen, dass es bei dem
Humboldt-Forum nicht um eine Reflexion der Gewalt geht, die im Zuge des Kolonialismus
von Europa aus auf den Rest der Welt ausgeübt wurde. Vielmehr wird Andersheit ontologi-
siert, die zur Souveränitäts- und Kosmopolitismusdemonstration der Ausstellernation
dient. Die Schlossfassade steht symbolisch für die verlorene und rückgewonnene Einheit
Deutschlands, sowie für das ,goldene Zeitalter4 des Preußentums, das nun zum nachtei-
lungsgeschichtlichen Lückenfüller wird. Ausgerechnet in einem solchen Zusammenhang
sollen nun ,Kulturschätze4 aus aller Welt zur Demonstration von Weltoffenheit der selbst-
ernannten ,Kulturnation4 dienen. Eine derartige Rekontextualisierung an diesem symbo-
lisch aufgeladenen Ort in direkter Nachbarschaft zur Museumsinsel mit ihren Sammlungen
,klassischer Hochkulturen4 nennen wir eine Instrumentalisierung nichteuropäischer Küns-
te und Kulturen.
Eignen sich die Sammlungen des Ethnologischen Museums und des Museums für Asia-
tische Kunst als Grundlage, um im neugebauten Stadtschloss ,große Menschheitsthemen4
zu verhandeln? Wäre es nicht Bedingung für den ebenso oft beschworenen wie diffus um-
rissenen ,Dialog der Kulturen4, die Frage nach dem Eigentum an Objekten zu stellen, die
hauptsächlich im Kontext kolonialer Kulturen nach Europa gelangten? Ist Restitution eine
Antwort auf die restaurative Politik des ,Universalmuseums4?422
Die Bundeszentrale für Politische Bildung, Veranstaltung ,Rethinking Humboldt4 am 23.9.
2011, aus dem Konzeptentwurf:
,Hier setzt die im Folgenden skizzierte Diskussionsreihe an. Voraussetzung für Vielstim-
migkeit, Dialog und Reziprozität ist einerseits die Auseinandersetzung mit kolonialem
Erbe und illegitimer Herrschaft, mit Praktiken der Repräsentation, des Erinnerns und Ver-
gessens. Darüber hinaus ist der Bezug auf aktuelle Fragen und Problemstellungen im Zuge
globaler Mobilisierung und Krisenhaftigkeit wichtig. Dies kann jedoch nur dann gelingen,
wenn im Vorfeld konkrete Vorschläge erarbeitet werden, die nicht von bestehenden elitären
Meinungsführern und Experten dominiert werden. (...)
Für eine zeitgemäße Konzeption eines Diskussionsraumes wie dem Humboldt-Forum
hieße dies, als intrinsisches Strukturprinzip konsequent Vielstimmigkeit und Dialogizität
durchzuhalten. Somit gilt es von Beginn an auf allen Ebenen - von der Planung über Kura-
torenteams, über Ausstellungsmacher, Beiräte etc. - Akteurinnen und Akteure in die Pla-
nung und Durchführung einzubeziehen, die nicht den etablierten Institutionen und Eliten
angehören und eine Perspektive aus zuvor marginalisierten Kontexten mitbringen. Dieses
Prinzip gilt auch für die hier vorgestellte Veranstaltungsreihe. (.. .)‘23
Kennzeichnend für all diese Foren ist, dass sie es vermeiden, den direkten Dialog mit den für
die Realisierung des Humboldt-Forums verantwortlichen Personen (und Institutionen) zu
62
König, Die Konzeptdebatte
suchen. Dabei ist man in den Positionen gar nicht so weit voneinander entfernt. Doch im Mo-
ment eines echten Dialogs laufen geliebte Feindbilder wohl Gefahr, ins Wanken zu geraten.
Das Medienecho nach dem Adivisory Board Meeting im April 2011
Wesentliche Aspekte des Konzepts des Ethnologischen Museums wurden in der Presse
zwar kontrovers, aber doch wohlwollend diskutiert, wobei die Statements allerdings den
Teilnehmern des Advisory Boards zugeschrieben wurden, selbst wenn sie sich auf das
Konzeptmanuskript oder den Einführungsvortrag der Direktoren bezogen. Die Autoren-
schaft des Konzeptes wurde in der öffentlichen Wahrnehmung den Urhebern somit entzo-
gen, um ihnen gleichzeitig vorzuwerfen, sie hätten keines oder nicht das richtige Konzept.
Kia Vahland in der Süddeutschen Zeitung ist ein treffliches Beispiel. Auch wenn Vah-
land die Autorenschaft der von ihr hervorgehobenen Forderungen verschweigt, sie stammen
fast wortwörtlich aus dem Konzept - so spiegelt ihr Beitrag ansonsten doch einen Konsens,
wohin die Reise zu gehen hat.
,In all seiner Problematik wird das geplante Berliner Schloss mit dem Humboldt-Forum
der Weltkulturen eine identitätsbildende Funktion übernehmen. (...)
Es sind nicht die anderen, die Hilfe brauchen, sondern die Deutschen. Sie können und
wollen sich in ihrem neuen Museum nicht als alleinige Deuter fremder Kulturen geben. Die
einzige Alternative ist Gleichberechtigung, und die beginnt mit sehr viel entschiedeneren
Kooperationen als bisher - Dauerleihgaben, Schenkungen oder Tauschaktionen gegen neu-
ere Objekte und Expertisen eingeschlossen. Das Humboldt-Forum hat nur eine Chance,
wenn es mit dem 2019 geplanten Einzug Stellas Schlossmauern gleich wieder zu überwin-
den versteht. Man müsse auf Konfrontation setzen, sagte Julian Raby von der Washingto-
ner Smithsonian Institution, so dass nicht nur Architektur und Sammlung, sondern auch
verschiedene Sichtweisen auf die Objekte bewusst aufeinanderprallen: Warum nicht auch
einmal einen in Berlin lebenden Flüchtling aus Somalia kuratieren lassen? Oder einen Na-
vajo für eine Weile in die Chefetage einer deutschen Bank schicken, überlegte Manuelito
Wheeler, Direktor des Navajo Nationalmuseums in Arizona. Es gibt kein überzeugendes
Vorbild für ein Weltkulturenmuseum des 21. Jahrhunderts. Das Musée du Quai Branly in
Paris lässt historische Erklärungen missen und hat zudem die Europakunde verbannt. Das
Kölner Rautenstrauch-Joest-Museum zeigt überraschende Kontraste, verzichtet aber weit-
gehend auf geografische Gliederung, was in einem Großmuseum verwirren würde. (...)
Ausgerechnet das Humboldt-Forum im Schloss, belastet durch die deutsche Welther-
rensehnsucht des 19. und die Zerstörungswut des 20. Jahrhunderts, hat nun die Aufgabe, es
besser zu machen. Die Kuratoren müssen Fragen nach dem Kolonialerbe, nach Globalisie-
rung, Migration von Menschen und Objekten angehen, denen der Rest der Gesellschaft
sich nicht gerne stellt, weil sie angst- oder schuldbeladen sind. Noch scheinen die vielen
praktischen wie theoretischen Probleme kaum zu lösen zu sein. Wenn es aber gelingen
sollte, hätte Europa in seinem Zentrum einen Symbolbau der diskursiven Gesellschaft, der
tatsächlich für eine neue Aufklärung stünde/24“
(Auszug aus einem Vortrag von Viola König in der Direktorenkonferenz der Staatlichen
Museen zu Berlin, 14. September 2011)
Genau das ist das Ziel der Konzeption, eine Präsentation im Humboldt-Forum vorzuberei-
ten, die unter dem Leitgedanken von „Bewegung“ und Multiperspektivität die Wahrneh-
mung und Diskussion gesellschaftlicher und kultureller Bewegung und Erneuerung in der
Welt und bei uns garantiert. Die Berliner Sammlungen als Ergebnis eines historischen Pro-
zesses der Erschließung der Welt fur Europa sind der Ausgangspunkt. Geschichte und Ge-
genwart der einzelnen Kontinente sind ohne diesen Prozess nicht zu verstehen und nicht
darstellbar. Doch gilt es, einseitige postkoloniale Vorstellungen zu überwinden, die das
Humboldt-Forum in der Nachfolge des Kolonialismus ansiedeln wollen. Das Humboldt-
Forum wird nur dann erfolgreich sein, wenn es die Trennung von Europa und „Außer-Eu-
ropa“ überwindet. Die Perspektive der Ausstellungen geht eben nicht von Berlin in exo-
tisch fremde Welten, sondern gleichermaßen vice versa und bezieht Europa stets mit ein.2"’
24 Auszug aus „Schloss der
Zauderer. Nicht das Natio-
nalmuseum in Peking,
sondern das Berliner
Humboldt-Forum muss
ein Ort der Aufklärung
werden“ von Kia Vahland
in Süddeutsche Zeitung,
Feuilleton, Montag,
11. April 2011, Hinter-
grund München Seite 11,
DIZ digital.
25 In Anlehnung an V. Kö-
nig, P. Junge, M. Schindl-
beck und A. Scholz,
„Mehrsprachigkeit, Multi-
perspektivität, Vielstim-
migkeit und Wechsel der
Erzählposition (Perspek-
tivwechsel) im Humboldt-
Forum“, unveröffentlich-
tes Manuskript vom
28. Mai 2012.
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
63
Das Humboldt-Forum in der Medienkritik:
Berichterstattung und Kommentare 2000-2011
ANDREA SCHOLZ
Als öffentliches Projekt ist das Humboldt-Forum seit Beginn der Planungen in der Pres-
se kritisch dokumentiert und kommentiert worden. Die Idee des vorliegenden Beitrags
besteht darin, beispielhaft Stimmen der Berichterstattung einzufangen und damit so-
wohl chronologisch als auch thematisch die wichtigsten Kritiklinien seitens der Presse
aufzuzeigen, ohne einen Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben.
Berücksichtigt sind im Wesentlichen die großen überregionalen deutschen Tages-
und Wochenzeitungen, darunter vor allem die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ),
die Süddeutsche Zeitung (SZ), Die Zeit und Die Welt. Hinzu kommen Wortmeldungen
aus der Berliner Presse, vor allem aus dem Tagesspiegel', und einzelne Zitate aus Presse-
erklärungen der Nutzer.
Geburt des Humboldt-Forums und Auftakt der Mediendiskussion
Die Idee, die Ethnologischen Sammlungen ins Stadtschloss umziehen zu lassen, wurde
einem Pressebericht zufolge zum ersten Mal vom ehemaligen Präsidenten der Stiftung
Preußischer Kulturbesitz, Klaus-Dieter Lehmann, vor einem größeren Publikum ge-
äußert. Die Berliner Zeitung berichtet am 5.5.2000:
„ Er könne sich vorstellen, dass die Museen für außereuropäische Kulturen der Staat-
lichen Museen in Dahlem eines Tages in das wiederaufgebaute Stadtschloss in Mitte
umziehen. Mit dieser Äußerung sorgte Klaus-Dieter Lehmann, Präsident der Stiftung
Preußischer Kulturbesitz, am Mittwochabend für großes Erstaunen. Während einer
Diskussion über die künftige Nutzung des Stadtschlosses auf Einladung der Bankgesell-
schaft Berlin am Pariser Platz äußerte Lehmann erstmals öffentlich diesen Gedanken.
Angesichts des auf über vierhundert Millionen Mark geschätzten Renovierungsbedarfs
für die Museumsbauten in Dahlem könne diese Summe auch für die Einrichtung eines
Sammlungskomplexes für außereuropäische Kulturen im Schloss verwendet werden.
Lehmann schätzte den Raumbedarf auf50 000 Quadratmeter ein; das entspräche etwa
einem Drittel der vom Schloss-Förderverein berechneten Gesamtnutzfläche im Schloss.
Neben baupraktischen Gründen führte Lehmann den kulturgeschichtlichen Sinn eines
solchen Umzugs an. In direkter Nachbarschaft zur von Wilhelm von Humboldt gegrün-
deten Universität würden die ethnographischen Sammlungen das Vermächtnis des Völ-
kerkundlers Alexander von Humboldt verkörpern. (...) Die Diskussionsteilnehmer Wil-
helm von Boddien vom Schloss-Förderverein und Volker Hassemer vom Berlin-Marke-
ting begrüßten Lehmanns Überlegungen, weil damit die Frage nach einer würdigen
Schlossnutzung beantwortet sei, indem Deutschland an seinem zentralen Platz ein Zei-
chen für wissenschaftliche Kulturförderung und Weltoffenheit setze. “
An die breite Öffentlichkeit gelangt die Idee des Humboldt-Forums im Jahr 2001, als
sich die künftigen Nutzer Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK), die Humboldt-Uni-
versität (HU) und die Zentral- und Landesbibliothek Berlin (ZLB) auf Bitten der inter-
nationalen Expertenkommission „Historische Mitte Berlin“ zusammenfinden, um ein
gemeinsames Konzept für eine kulturelle Nutzung des Neubaus zu formulieren. Damit
64
Scholz, Das Humboldt-Forum in der Medienkritik: Berichterstattung und Kommentare 2000-2011
beginnt auch die Mediendebatte um seine Inhalte, denn bis dato hatte sich die über ein
Jahrzehnt andauernde öffentliche Diskussion über den Schlossplatz im Wesentlichen
auf seine äußerliche Gestaltung, allen voran die Frage „Schlossrekonstruktion-ja oder
nein?“ beschränkt.
Vom Votum der Expertenkommission und den Folgen berichtet die FAZ am 19.10.2001:
„Im Zentrum der kulturellen und wissenschaftlichen Nutzung soll der Dialog der Kul-
turen und Wissenschaften stehen. Die Offenheit für die Kulturen der Welt (Dahlemer
Sammlungen und anderes) sollte hier mit der Tradition wissenschaftlicher Forschung
und ihren universalistischen Ansprüchen und Traditionen verbunden werden, vor allem
indem die Verflechtungen zwischen unterschiedlichen, zwischen westlichen und nicht-
westlichen Kulturen, zwischen Kultur und Wissenschaft, zwischen Tradition und Mo-
derne für eine breite Öffentlichkeit erlebbar gemacht werden. Insbesondere soll ein Ort
der Begegnung von Wissenschaft und Öffentlichkeit entstehen. Der vorgeschlagene Titel
, Humboldt-Forum ‘ ist in dreifacher Hinsicht treffend: Er verweist auf den Humanismus
(res et verba), die große Geschichte deutscher und Berliner Wissenschaft, aber auch auf
die Faszination des kulturell Entfernten. “
Fassadenstreit und Inhaltsleere
Der Abschlussbericht der Expertenkommission, vorgelegt im Frühjahr 2002, ruft ein
geteiltes Echo in der Presse hervor. Während über die „kulturelle Nutzung“ des Gebäu-
des weitgehend Einigkeit herrscht, streiten Schlossgegner und -befürworter weiter über
den Vorschlag der Kommission, einen Teil des Schlüterbaus originalgetreu zu rekonstru-
ieren. Die Divergenz der Meinungen spiegelt sich in den Pressestimmen. Die Gegner
plädieren dafür, die Entscheidung über die Fassade im Zuge eines Wettbewerbs zu tref-
fen. Zu ihren prominenten Vertretern gehört der damalige Bausenator Strieder, kritisiert
von Stäche in der Zeitung Die Welt.
„Strieder votiert für eine schnelle Entscheidung über einen Neubau, die die Politik in
Gestalt von Bund und Ländern treffen müsse. Über das Aussehen des Neubaus habe ein
Architektenwettbewerb zu entscheiden. Damit unterbricht Strieder den demokratischen
Entscheidungsprozess und ignoriert, dass es die ausdrückliche Aufgabe der Kommission
war, die Politik in Kernfragen zu beraten und entscheidungstauglich zu machen. “ Be-
zug nehmend auf den Schlossbefürworter Boddien heißt es in dem Artikel weiter:
Diejenigen, denen jetzt die Felle wegschwimmen, greifen zu immer stärkerer Pole-
mik‘, sucht Schlossfreund Boddien nach Erklärungen für das plötzliche Infragestellen
der Kommissionsentscheidung, der sich vorher noch alle unterwerfen wollten. “ (Die
Welt, 8.3.2002).
Kurz vor der Bundestagssitzung am 4. Juli 2002, bei der über die Neugestaltung des
Berliner Schlossplatzes entschieden werden soll, richtet sich Mlynek, der Präsident der
Humboldt-Universität zu Berlin, in einer Presseinformation gegen die Konzentration
auf die Fassaden-Debatte:
„In letzter Zeit fokussieren sich die Diskussionen zum Schlossplatz wieder fast aus-
schließlich auf die Frage nach der äußeren Gestalt des neuen Gebäudes. Es steht zu
befürchten, dass auch die Diskussion im Bundestag sich auf diese Problematik be-
schränken wird. Leider verschleiert die Diskussion zunehmend den Blick auf die zweite,
nicht weniger wichtige Komponente, was innerhalb des Gebäudes geschehen wird. Die
Erörterung der Hülle bleibt so lange oberflächlich, wie sie nicht auch die Nutzung ins
Zentrum stellt. Die Empfehlung der Expertenkommission , Historische Mitte Berlin ‘ hat
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
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ein hervorragendes Nutzungskonzept hervorgebracht, das eine gemeinsame Bespielung
des Gebäudes durch die Zentral- und Landesbibliothek, die Außereuropäischen Samm-
lungen der Staatlichen Museen und die wissenschaftlichen Sammlungen der Humboldt-
Universität in einem , Humboldt-Forum ‘ vorsieht. Die Kombination aus kultureller und
wissenschaftlicher Nutzung bietet die Chance zu einem lebendigen Labor für einen Dia-
log zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit, die in dieser Form einmalig sein wird. “
Kurz vor der parlamentarischen Sommerpause beschließt der Bundestag die Teilrekon-
struktion des Schlüterbaus. Zugleich wird eine „Arbeitsgruppe Schlossareal“ unter dem
damaligen Kulturstaatsminister Nida-Rümelin ins Leben gerufen. Ihr Vorsitzender er-
klärt in einem Interview mit dem Tagesspiegel (10.7.2002);
„Jetzt geht es darum, dass diejenigen, die am Ende die Verantwortung tragen, genau
prüfen, ob das Finanzierungskonzept realistisch ist. “
Nach Ansicht Jens Biskys von der SZ besteht die übergeordnete Aufgabe der Arbeits-
gruppe im Folgenden;
„Eine bürgerliche Öffentlichkeit in einer zurück gewonnenen Stadtmitte - wie man
diese beiden Traumbilder verwirklicht, von denen keiner wissen kann, ob sie gut zuein-
ander passen, soll die Arbeitsgruppe SchlossareaT beraten. “ Nutzungskonzept, Fläche
und räumliche Vorgaben lassen sich schwerlich miteinander vereinbaren, wie Bisky zu
bedenken gibt: „Julian Nida-Rümelin sprach von einem ,Berechnungsfehler‘, auch kann
man mit dem einer Privatuniversität überlassenen Staatsratsgebäude nicht mehr rechnen.
Der Vorsitzende der Internationalen Expertenkommission ,Historische Mitte“, Hannes
Swoboda, erklärte inzwischen: ,Es war in der Kommission immer klar, dass es nicht
aufgehen kann, wenn man in einem Schlossbau die Museen, das Veranstaltungszentrum
und die Bibliothek unterbringen will. ‘ Passen das Traumbild vom Humboldt-Forum
und die Rekonstruktion barocker Fassaden wirklich zusammen? War das viel beklatsch-
te Nutzungskonzept, mit dem nach äll den ergebnislosen Diskussionen über die Gestalt
eine Entscheidung möglich wurde, bloß leichtfertig in die Welt gesetzt? “ (SZ, 11.9.2002).
Mitten im „Sommerloch“ berichtet Schwägerl in der FAZ von der Debatte um ein neu-
es, vermeintlich attraktiveres Konzept für das Schlossinnere;
„Doch wie wäre es mit einem Konzept, das die Angst vor einem Retroklotz Lügen straft
und zugleich Sponsoren für eine Barockrekonstruktion anzieht? Es liegt in jedem Fall
im Interesse der Allgemeinheit, daß das Schloß ein attraktives Inneres erhielte und nicht
mit einem eklektischen Gemisch aus Starbucks, Polynesierschmuck und Souvenirläden
ausstafßert wird. Instant-Trash gibt es in Berlin schon genug. Genau zur richtigen Zeit
kommt daher die Forderung der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaf-
ten nach einer neuen Institution für die deutsche Forschung, einer Nationalen Akade-
mie der Wissenschaft, wie es sie etwa in Amerika oder Frankreich längst gibt. Eine
solche Institution wäre dem hohen Rang von Wissenschaft und Forschung für die Ent-
wicklung der gesamten Gesellschaft nur angemessen. (...) Der Schlossplatz, als Gravi-
tationszentrum der Republik apostrophiert, aber bisher bar jeden Inhalts, wäre da ein
idealer Sitz für die Akademie. “ (FAZ, 20.8.2002).
Das Vorhaben, mit den ethnologischen Sammlungen aus Dahlem in das Schloss umzu-
ziehen, scheint noch längst nicht abschließend diskutiert.
„ Standorte sind oft auch Standpunkte ", erklärt Pett im Tagesspiegel unter Bezugnahme
auf die Museumsdirektorin, „ Viola König ist sich dessen bewusst. Und darum hadert
die Direktorin des Ethnologischen Museums Dahlem mit der beschaulichen Lage ihres
Domizils: Ausgerechnet wir, mit einer der größten Sammlungen der Welt, liegen mar-
ginalisiert in Dahlem Dorf. (...) Über einen Umzug der außereuropäischen Sammlun-
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Scholz, Das Humboldt-Forum in der Medienkritik: Berichterstattung und Kommentare 2000-2011
gen in das dereinst zu bauende Stadtschloss laufen intensive Verhandlungen -für König
ein Signal in die richtige Richtung. “ Eine andere Meinung vertritt die Gesellschaft zum
Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses, ebenfalls zitiert von Pett; „ ,Am vornehmsten
Ort der Hauptstadt fremde statt eigene Leistungen zu präsentieren, zeugt von Weltoffen-
heit und Zeitgeist, aber mehr noch von Selbstverleugnung. ‘ Provokationen wie , Was
sollen die Südseeboote im Schloss? ‘ oder die Phobie einer, musealen Verwüstung ‘ sind
König nur allzu vertraut. Schließlich, so verlautete es allen Ernstes in einer der Kontro-
versen, stünden in Bangladesh oder Kuala Lumpur auch keine Preußenschätze im Zen-
trum der Stadt. Wie aber ließe sich dann, konsequent zu Ende gedacht, der Pergamon-
altar auf der Museumsinsel legitimieren? Ein Kulturgut von Weltrang zweifellos - aber
nicht eben preußischer Provenienz. “ Der Artikel formuliert ein eindeutiges Plädoyer,
die Objekte des Ethnologischen Museums den Kunstwerken der Museumsinsel gleich-
zustellen: „Die Schätze des Ethnologischen Museums sind von ebenso unbestreitbar
hohem Rang wie die heute auf der Museumsinsel versammelten Kunstwerke. Gemein-
sam mit London unterhält Berlin eine der bedeutendsten Sammlungen der Welt, darun-
ter die wichtigste präkolumbische außerhalb Mexikos. , Ohne zu übertreiben', so die
Direktorin, , können wir sämtliche Abteilungen durchschreiten und immer wieder in Su-
perlative verfallen. Schließlich erinnert der Tagesspiegel daran, dass „paradoxerwei-
se [...] ausgerechnet die Schlossplatzdiskussion die bereits begonnene Neukonzeption
und Sanierung des maroden Museumskomplexes in Dahlem [stoppte]. Nachdem das
Museum für Ostasiatische und das Museum für Indische Kunst bereits generalüberholt
worden sind, wäre das Ethnologische Museum nun an der Reihe. Der Schwebezustand
darf sich - trotz der klammen Kassen — nicht endlos ausdehnen, sonst bestünde eine
ernsthafte konservatorische Gefahr für die Sammlung. Daran, welche Nutzung Berlin
für den Schlossplatz zulässt und wie es derweil mit seinen Museen umgeht, wird vieles
zu ermessen sein. Gesellschafts-, kultur- und außenpolitisch sagt ein Standort eben
auch vieles über den Standpunkt. “ {Der Tagesspiegel, 3.1.2003).
F inanzierungsnöte
Ein knappes Jahr später, als Pläne für eine überwiegend kommerzielle Nutzung des
Schlossneubaus kursieren, berichtet Appenzeller im Tagesspiegel;
„Ende September stellte das Bundesfinanzministerium fest, dass man kein Geldfür den
Wiederaufbau habe. Und empfahl eine Umkehrung der Finanzierung: 80 Prozent priva-
te, nur noch 20 Prozent öffentliche Gelder, verbunden mit einer Nutzungsänderung.
Weniger Kultur, mehr Büros, mehr Hotel, mehr Fast food. Da schäumte nicht nur der
Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Klaus-Dieter Lehmann. Ein solches
Schloss wäre Talmi. (...) Die Dahlemer Gebäude, wie veranschlagt, für mehr als 200
Millionen Euro grundlegend zu sanieren, wäre eine sträfliche Geldverschwendung.
Heute kann es nur darum gehen, den Bestand zu sichern und vor Verfall zu behüten, bis
die bauliche Lösung auf dem Schlossplatz fertig gestellt ist - in acht bis zehn Jahren. “
{Der Tagesspiegel, 11.10.2003).
Was den Zeitrahmen des Baus angeht, gibt sich der damalige Generaldirektor Peter-
Klaus Schuster in der Berliner Morgenpost weniger optimistisch, dafür aber mit einem
ebenso deutlichen Bekenntnis zur kulturellen Nutzung. Baier und Haubrich berichten:
„ Die vom Parlament beschlossene kulturelle Nutzung als Humboldt-Forum sei, die bis-
her einzig überzeugende würdige Lösung für die einstige Staatsmitte \ so Schuster.
,Selbst wenn es nicht morgen ist: Das wird schon! Und wenn wir mit dem Humboldt-
Forum noch nicht auf das Schloss-Areal dürfen, machen wir es eben in Dahlem — und
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
67
zwar so dringlich wie nur möglich. ‘ Die dortigen außereuropäischen Sammlungen
müssten auf eine neue, zeitgemäße Weise präsentiert werden. Sie seien ein großartiges
Pfund“, mit dem man wuchern müsse ,gerade in Zeiten der Globalisierung“. (...) Und
[Schuster] verweist auf Frankreich, wo man gerade im Herzen von Paris den ,Zweiten
Louvre“ für die außereuropäischen Künste und Kulturen baut. ,Das Schloss-Areal ist
der Platz für diesen außereuropäischen Louvre in Deutschland. ‘ “ (Berliner Morgen-
post, 8.1.2004).
Über erste Pläne der Stiftung Preußischer Kulturbesitz in Kooperation mit dem Förder-
verein Berliner Schloss für eine so genannte „Info-Box“ auf dem Schlossplatz, die das
Großprojekt bewerben soll, informiert Haubrich erneut in der Morgenpost:
„In Anlehnung an das höchst erfolgreiche Vorbild vom Potsdamer Platz, das vor eini-
gen Jahren abgebaut wurde, können sich in der neuen Info-Box die Bürger ein Bild von
diesem wohl ehrgeizigsten Kulturprojekt des Landes machen. (...) Über den Wiederauf-
bau des Berliner Schlosses mit dem geplanten Humboldt-Forum würden die Politiker
letztlich ,nach Medienlage“ entscheiden, so Boddien. Deshalb suchten beide Partner
über die Info-Box bewusst eine breite Öffentlichkeit. Nur so, glaubt Preußen-Präsident
Klaus-Dieter Lehmann, könne eine, Bürgerbewegung ‘für das Projekt entstehen. “ (Ber-
liner Morgenpost, 30.7.2004).
Die Option der Privatisierung des Schlossplatzes samt zukünftiger Bebauung steht an-
gesichts klammer Kassen als Gerücht weiterhin im Raum, wie Wefing in der FAZ be-
richtet:
„(...) Im Herzen der Stadt entstünde eine renditeträchtige Mischung aus Luxusbüros
und Nobelkaufhaus - ,Hohenzollern-Mall statt Humboldt-Forum “. Wefing gibt sich we-
nig angetan von solchen Ideen: „Man muss kein militanter Kapitalismuskritiker sein,
um in diesem Vorschlag eine Provokation zu sehen. Wie geschichtsvergessen dürfen
deutsche Beamte eigentlich sein? Können sie tatsächlich übersehen haben, dass der
Schloßplatz nicht irgendein Grundstück ist, auf dem sich wahlweise Reihenhäuser oder
Bürocontainer errichten lassen, sondern ein mit deutscher Geschichte tief durchtränk-
ter Ort, den man nicht einfach an einen Investor verhökert? Ein Ort zudem, der seit der
Gründung Berlins, über alle Zeitenbrüche hinweg, ausschließlich öffentlichen Zwecken
gedient hat? (...) Die Privatisierungs-Option jedoch ist nichts weiter als eine unverfro-
rene Mißachtung des zuerst im Juni 2002 gefaßten und im November 2003 bekräftigten
Beschlusses des Bundestages, die historische Fassade des Berliner Schlosses wieder
aufzubauen. “ (FAZ, 1.2.2005).
Von der Absage an solche Pläne berichtet die Frankfurter Rundschau (24.8.2005) unter
Bezugnahme auf eine durch den Bundestag in Auftrag gegebene immobilienökonomi-
sche Machbarkeitsstudie:
„Mit dem Ergebnis (...) konnten die Vertreter des Bundes, des Landes Berlin wie des
Preußischen Kulturbesitzes (SPK) zufrieden sei. Noch im Januar waren Spekulationen
laut geworden, der Bund wolle sich seiner Pflichten entledigen und die kulturelle Nut-
zung des Schlossareals zugunsten privater Investoren wie einer rein kommerziellen
Nutzung aufgeben (...) Solche Befürchtungen sind jetzt definitiv vom Tisch. Nach
Ansicht der Studie erbrächte eine Kommerzialisierung des Gebäudes auf der Basis
privaten Investments keinerlei Rendite. Ökonomisch sinnvoll sei allein eine öffent-
liche, kulturelle Nutzung. Auf Grund der räumlichen Nähe zur Museumsinsel und der
sich daraus ergebenden Notwendigkeit, das Schlossareal museumstechnisch anzubin-
den, ist dieses Ergebnis nicht überraschend. Gründlich durchgerechnet, steht das Vor-
haben, das so genannte Humboldt-Forum zu errichten, aber auch verfahrenstechnisch
besser da. “
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Scholz, Das Humboldt-Forum in der Medienkritik: Berichterstattung und Kommentare 2000-2011
Dennoch empfiehlt auch diese Studie eine kommerzielle Teilnutzung des Gebäudes:
„Ein Drittel der 135 000 Quadratmeter Brutto geschossfläche sind für ein 5-Sterne-
Hotel mit 250 Zimmern und eine Tiefgarage vorgesehen. Bau, Finanzierung und Betrei-
ben des Schlossgebäudes lägen in der Hand eines privaten Investors, erläuterte Stolpe,
ln einer Art Leasing-Modell zahle die öffentliche Hand über einen Zeitraum von rund
30 Jahren ein Nutzungsentgelt dafür. Er rechne mit einer jährlichen Haushaltsbelas-
tung von 17 bis 30 Millionen Euro. “ (SZ , 24.8.2005).
Ein Volkshaus ohne Zukunft - Der Palast der Republik
Eine kulturelle Nutzung des Schlossplatzareals, insbesondere für Ausstellungen zeitge-
nössischer Kunst, wäre keine neue Erscheinung. Von den Protesten kurz vor dem Abriss
des symbolträchtigen und zuletzt für Kunstaktionen umgewidmeten DDR-Volkshauses
„Palast der Republik“ erinnert Dieckmann in der Wochenzeitung Die Zeit:
,, Von Januar an soll der Bagger einen Streit beenden, zu dessen Beginn der Kanzler der
Einheit sprach: Abreißen! Möglichst rasch! Seit der Eröffnung 1976 hatte der mächtige
Bau als Volkspalast funktioniert: Regierung und Regierte unterm selben Dach, Hoch-
und Populärkultur, Theater, Diskothek und Kegelbahn, dazu gepflegte Speisung im Zen-
trum Ost-Berlins, nein: im Herzen der Hauptstadt unserer Republik. Der Palast war
eine Schatulle der sozialistischen Utopie. Folglich wurde seine Schleifung Zentralpro-
jekt zur Delegitimierung der DDR. Aber welcher DDR? Die der SED-Macht oder die
des Volkes? Unsere gelebte Geschichte wird getilgt, so empfand die Ostmehrheit, und
wollte den Palast behalten. (...) Aus Trotz würde der Autor gern den Palast der Repu-
blik zur Frauenkirche erklären, fürchtet jedoch, gelinde zu übertreiben. Denn selbstver-
ständlich kann auch der Palast nicht wieder werden, was er war - und wie er ist, nicht
bleiben. Er verkörpert aber, materiell wie als Idee, einen kolossalen Wert. Es gibt kei-
nen Grund, ihn jetzt abzureißen. Man belebe ihn, als einen magnetischen Ort der Kon-
frontation von herkünftigem und zukünftigem Berlin. Das Wesen der Stadt ist ihre Ge-
schichte. Berlin lebt in Brüchen. (...). “ (Die Zeit, 24.11.2005).
Als Kompromiss stand eine zeitlang der Vorschlag der Opposition im Raum, den Palast
der Republik bis zum Baubeginn des Humboldt-Forums stehen zu lassen. In einem In-
terview mit Rauterberg und Bernau in der Zeitung Die Zeit äußert sich der frisch er-
nannte Bundesbauminister Tiefensee zu dieser Idee:
„Nein, das Parlament hat den Abriss beschlossen. Und an diesem Beschluss wird auch
die jetzige Regierung nichts ändern. (...) Die Debatte, das dürfen sie nicht übersehen, ist
bereits geführt worden, und sie mündete in einer Entscheidung des Bundestages. Sie wur-
de mit einer übergroßen Mehrheit und quer durch alle Fraktionen getroffen. Und ich
halte mich an die demokratischen Spielregeln. Ich respektiere diese Entscheidung, die
nach langen Untersuchungen gefunden wurde. Jetzt gilt es, sich der Zukunft zuzuwenden.
(...) Ich sehe keine einleuchtende Entscheidung, den Palast weiterhin zu nutzen. Auch der
Vorschlag, hier eine Kunsthalle einzurichten, erscheint mir nur wenig sinnvoll. Berlin hat
bereits sehr viele Orte der Kultur und die kranken alle an zu wenig Einnahmen. Zudem ist
mein Verdacht, dass mit diesen kulturellen Nutzungen des Palasts am Ende die Abriss-
Entscheidung noch einmal infrage gestellt werden soll. Da mache ich nicht mit. “
Noch erwägen die Verantwortlichen, einen Privatinvestor in die Finanzierung des Hum-
boldt-Forums einzubeziehen. Tiefensee erläutert:
„Am Ende müssen die Kosten möglichst niedrig und die Qualität möglichst hoch sein.
Daher erwägen wir, ein Hotel ins Humboldt-Forum zu integrieren. (...) Die Frage ist
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
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am Ende ohnehin eine viel prinzipiellere: ob der Bundestag das Humboldt-Forum so
überzeugendfindet. “ Rauterberg und Bernau fragen nach: „ Und was sagen Sie, ist das
Forum überzeugend? Hat es eine nationale Bedeutung? Warum sollen am Ende auch
die Bürger in Augsburg oder Gelsenkirchen für einen Berliner Museumskomplex mit
Hotel zahlen?u Tiefensee entgegnet; „ Weil er eine zentrale Bedeutung hat. Er ist neben
der Museumsinsel Berlins Mittelpunkt. Das Schlossareal markierte einen architekto-
nisch wichtigen Ort im Herzen der Stadt. (...) Der Bau wird schon durch die künftigen
Sammlungen des Humboldt-Forums bedeutsam werden, also durch die außereuropä-
ischen Sammlungen und die wissenschaftlichen Sammlungen der Humboldt-Universi-
tät. In der Kombination mit der Museums insel ergibt das ein Kleinod für ganz Deutsch-
land. “ {Die Zeit, 19.1.2006).
Ein gutes Jahr später ist der Abriss in vollem Gange und der Neubau eine vom Bundes-
tag beschlossene Sache. Am 5. Juli 2007 berichtet Der Spiegel.
,, Kultur-Baustelle Berlin: Wo sich jetzt die Digicams der Touristen auf die Ruine des
Palastes der Republik richten, soll nach dem Abriss das Humboldt-Forum errichtet
werden. Heute hat die Bundesregierung grünes Licht für den Neubau des Stadtschlosses
gegeben. (...) Der Neubau am Schlossplatz soll im Jahr 2010 beginnen. Die Kosten
werden auf 480 Millionen Euro beziffert. Das Humboldt-Forum mit der Außenfassade
des alten Hohenzollernschlosses solle, Schaufenster des Weltwissens ‘ sein und außereuro-
päische Kulturen erlebbar machen, sagte Tiefensee. Das Konzept passe gut zur Museums-
insel gegenüber. Kultur-Staatsminister Bernd Neumann (CDU) begrüßte laut Nachrich-
tenagentur AP das vom Kabinett verabschiedete Konzept, das Humboldt-Forum werde
, ein einzigartiges Universum der Künste und Weltkulturen bilden ‘, sagte der Minister. “
Kunst oder Kontext: Das Musée du quai Branly - ein Vorbild für das
Humboldt-Forum?
Zurück zu den Inhalten des „Universums der Künste und Weltkulturen“: Der langjäh-
rige Leiter des Wissenschaftskollegs zu Berlin, Wolf Lepenies, meldet sich in einem
Artikel in der Zeitung Die Welt (1.4.2008) zu Wort, in dem er versucht zu benennen,
was das Humboldt-Forum aus der Debatte um das Pariser quai Branly lernen kann:
„(...) Auf Kritik stößt (...) bis heute, dass am Quai Branly nicht nur ein Präsident,
sondern auch ein Sammler und Kunsthändler sein Museum planen konnte (...). Die
Kunst verdrängt das Kuriosum. (...) Alle ethnologischen Museen der Gegenwart sind
mit der Frage konfrontiert, wie weit sie sich zu Kunstmuseen fremder Kulturen wandeln
wollen. Je nach Sitzland stellen sich darüber hinaus Fragen nach dem Umgang mit der
einheimischen , Urbevölkerung ‘ und nach der Auseinandersetzung mit der eigenen kolo-
nialen Vergangenheit. (...). Hier versagt das Musée Branly - und es wird deutlich, wie
sehr die Strategie der Àsthetisierung auch eine politische Funktion erfüllt. (...) Aus der
Pariser Debatte lassen sich Schlussfolgerungen für die Verlagerung der ethnologischen
Museen von Berlin-Dahlem in die Mitte der deutschen Hauptstadt ziehen. Dort soll mit
dem Humboldt-Forum hinter den rekonstruierten Fassaden des Stadtschlosses eben-
falls ein Museum der nicht-europäischen Künste entstehen - als Pendant zur Museums-
insel. Der Kolonialismus muss dabei ein Thema sein - Berlin war schließlich 1884/85
Ort der von Bismarck einberufenen Afrika-Konferenz. (...) Bleibt die Kernfrage: Soll im
geplanten Humboldt-Forum ein ethnologisches Kunstmuseum entstehen? Sollen auch
dort , Objekte1 zu , Werken ‘ werden? Es käme in Berlin auf einen Versuch an, an die
Stelle eines Entweder-oder ein Sowohl-als-auch zu setzen. In Berlin könnte durch ent-
sprechende Inszenierungen ein Museum des doppelten oder mehrfachen Blicks entste-
70
Scholz, Das Humboldt-Forum in der Medienkritik: Berichterstattung und Kommentare 2000-2011
hen, das dem Besucher deutlich macht, wie sehr der Charakter dessen, was er sieht,
vom Arrangement des Kurators und von seiner eigenen Wahrnehmung bestimmt wird.
Und schließlich sollte in Berlin ein neugeordneter Komplex ethnologischer Museen ent-
stehen, in dessen Konzeption und Leitung die Wissenschaft eine größere Rolle spielt als
dies in Paris der Fall war. (...) Ein Forschungsverbund Regionalwissenschaften könnte
den ethnologischen Museen eine neue und originelle Perspektive geben. Das Stichwort
hierfür hieße ,Beziehungsgeschichte1. (...). “
Zu einem ähnlichen Schluss hinsichtlich der Bewertung des Musée du quai Branly
kommt Bisky in der SZ:
„ (...) Die Massen strömen, der Architekt Jean Nouvel hat den Pritzker-Preis erhalten.
Wäre das nicht ein Vorbildfür Berlin? Bloß nicht, möchte wohl jeder sagen, der in die-
ser Woche einen Vortrag der Anthropologin Sally Price gehört hat, in dem sie den äs-
thetizistischen Sentimentalismus des Musée du Quai Branly kritisierte. Der Abend im
Ethnologischen Museum in Berlin-Dahlem war der einzige öffentliche Teil einer kultur-
politisch wichtigen Tagung. Gemeinsam mit vielen Fachleuten diskutierte die Stiftung
Preußischer Kulturbesitz Ausstellungskonzepte für ihre außereuropäischen Sammlun-
gen. (...) Uber die Ausstellungspläne ist bisher wenig bekannt. Sie sind wohl bisher
auch noch nicht sehr weit gediehen. (...) Sally Price hat das Pariser Museum in einem
vielgelobten Buch , Paris Primitive: Jacques Chirac’s Museum on the Quai Branly ‘
(2007) gewürdigt. Ihre Einwände lassen sich so zusammenfassen: Durch die Dominanz
des kennenschaftlichen Blicks, der die Objekte aus ihren Kontexten löst und nahezu
ausschließlich ihre ästhetischen Valeurs inszeniert, wird ein sentimentales, ahistori-
sches, unaufgeklärtes Bild exotischer, ,primitiver ‘ Kulturen präsentiert. An den Compu-
tern im Museum kann sich jeder über Schamanismus, Kannibalismus, Initiationsriten
und Inzesttabus informieren. Kolonialismus, Tourismus und die Geschichte der Samm-
lungenfehlen weitgehend, ebenso die vielfältigen Beziehungen der uns fremden Kultu-
ren untereinander. (...) Während der Einrichtung des Museums haben, so Price, die
Sammler eine außergewöhnliche Machtstellung besessen. Es gelang ihnen, Wissen-
schaftler an vielen Stellen zurückzudrängen. Die neuen Erkenntnisse der vergangenen
25 Jahre, in der Zusammenarbeit von Ethnologen und Kunsthistorikern gewonnen,
wurden vielfach ignoriert. Museen sollten aber ein Schaufenster der Wissenschaft blei-
ben, nicht dem Kunsthandel und Repräsentationsbedürfnissen dienen. Horst Brede-
kamp wies in der Diskussion auf die Kunsthistoriker Franz Kugler und Carl Schnaase
hin, denen der koloniale Blick des späten 19. Jahrhunderts noch fremd war. Berlin hat
eine eigene Tradition, die auf der Höhe unserer Kenntnisse im neuen Museum darzu-
stellen wäre, sonst bliebe der ,Dialog der Kulturen ‘ nur ein weiterer Kick im Amüsier-
betrieb für Selbstzufriedene. “ (SZ, 12./13.4.2008).
Architekturwettbewerb - Gebäudeinneres
Während der Abriss des Palastes der Republik noch im Gange ist, wird die Auslobung des
Architekturwettbewerbes in die Wege geleitet. Die Diskussion um das Gebäude läuft da-
mit in eine neue, konkretere Phase, auch das Gebäudeinnere rückt wieder in den Fokus der
medialen Aufmerksamkeit. Die Welt vermeldet am 27.11.2007 geradezu euphorisch:
„Seit gestern steht fest: Es könnte wirklich etwas werden mit dem Berliner Schloss. Der
internationale Architekturwettbewerb ist eröffnet, Baumeister aus aller Welt sind aufge-
rufen, Ideen zu entwickeln, wie man die geforderte Nutzung als , Humboldt-Forum ‘ der
Künste und Wissenschaften hinter den rekonstruierten Barockfassaden Andreas Schlü-
ters am besten unterbringen kann. (...) Es soll einen mehrstufigen Wettbewerb geben,
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
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bei dem zunächst 150 Teilnehmer weiterkommen, für die Endrunde werden 30 bis 40
ausgewählt. Im November 2008 soll der Sieger prämiert werden (...). “
„Nun ist der Schlossplatz leer und grün. ", meldet Timm in der Zeitung Die Zeit gut
eineinhalb Jahre später, am 7.7.2009. „ Und über allen Palastruinen, allen Rekonstruk-
tionsdebatten wächst das Gras. Rollrasen um genau zu sein, so wie vom Bundestag als
,gärtnerische Übergangslösung ‘ gefordert. Vor ein paar Tagen wurde der Vertrag mit
dem Architekten Franco Stella unterzeichnet, er soll das Humboldt-Forum mit seinen
neubarocken Fassaden bauen. Nur was hinter diesen Hüllen eigentlich passieren soll,
wofür das Humboldt-Forum gut ist, das wusste bislang niemand recht zu sagen. Man
hatte nur immer um die Form gestritten und den Inhalt fast vergessen. Das soll sich jetzt
ändern. Geplant ist das ambitionierteste deutsche Kulturprojekt seit der Wiedervereini-
gung. Nichts Geringeres haben die Politiker und künftigen Nutzer vor, als die Institution
Museum neu zu erfinden. Und mehr noch: Es soll dem vereinigten Deutschland einen
neuen Quellcode einschreiben. Einen, der sich nicht mehr auf die Nation bezieht, ja
nicht einmal mehr auf Europa, sondern auf die ganze Welt. Die Vorstellung vom Frem-
den, aber auch vom Eigenen soll hier neu verhandelt werden (...). “
Das Verfahren um die Vergabe des Architekturauftrags ist allerdings rückblickend nicht
gerade glatt gelaufen, wie Der Tagesspiegel resümiert:
„Ein Jahr ist es her, dass der Wettbewerb zum Humboldt-Forum im Berliner Schloss
entschieden wurde. Aus dem Wettbewerb war der Vicentiner Architekt Franco Stella
siegreich hervorgegangen — ein unbeschriebenes Blatt, was im internationalen Archi-
tekturreigen Berlins seit dem Mauerfall etwas heißen will. Im September dieses Jahres
aber hatte die 3. Vergabekammer beim Bundeskartellamt der Bundespolitik vorerst einen
Strich durch die Rechnung gemacht, zügig mit dem Schlossbau beginnen zu können.
(...) Die Vergabekammer zog Stellas Teilnahmeberechtigung in Zweifel - ohne jedoch
das Wettbewerbsergebnis in Frage zu stellen. (...) Seither herrscht Konfusion. (...) Dass
es Dissonanzen gebe, weist der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Her-
mann Parzinger, gegenüber dem , TagesspiegeT zurück: ,Ich möchte ausdrücklich her-
vorheben, dass alle Nutzer seit Anfang des Jahres sehr konstruktiv und harmonisch mit
Franco Stella Zusammenarbeiten. Ich finde, der weiterentwickelte Entwurf hat sehr ge-
wonnen. ‘Nun gut, kein größeres öffentliches Vorhaben gelangt unverändert zur Ausfüh-
rung. Das bedeutendste deutsche Kulturbauvorhaben des neuen Jahrhunderts aber
macht seine Legitimation nicht größer, wenn es Verfahrensfehler aufweist. So erscheint
Stella zunehmend nur als Figur in einem Schachspiel. Hier die Politik in Land und
Bund, die die Schlossrekonstruktion aus städtebaulichen, aber auch geschichtspoliti-
schen Gründen betreibt. Dort die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die sich vom unge-
liebten Standort Dahlem für ihre Außereuropäischen Sammlungen trennen und in Ber-
lins Mitte Position beziehen will. (...) Über einen Intendanten für eine so komplexe Insti-
tution ist noch nicht entschieden. Unbestritten ist, so Parzinger, dass die Agora, die das
Herz des Humboldt-Forums bilden und in die anderen Bereiche ausstrahlen wird, einen
Leiter beziehungsweise Intendanten brauchen wird. Und der benötigt Personal und ein
Budget für ein attraktives Programm. “ (Der Tagesspiegel, 30.11.2009).
Das „Herzstück“ des Humboldt-Forums
Es bietet sich an, an dieser Stelle das Stichwort „Agora“ aufzugreifen, von der bislang
noch nicht die Rede war: Wie äußert sich die Presse zum vermeintlichen „kommunika-
tiven Herzstück des Humboldt-Forums“, wie sie mit ironischem Unterton von Timm
betitelt wird:
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Scholz, Das Humboldt-Forum in der Medienkritik; Berichterstattung und Kommentare 2000-2011
„ Vage sind bisher vor allem die Entwürfe für die Agora (...) Hier sollen einst Ausstel-
lungen mit Gegenwartskunst aus Afrika, Amerika und Asien zu sehen sein, in , Multi-
funktionsräumen ‘ werden aber auch Tanz-, Film-, und Theateraufführungen gezeigt.
Auf Diskussionsveranstaltungen soll über das gestritten werden, was in einer globali-
sierten Welt auf der Agenda steht und auch auf den Sonderausstellungsflächen in den
oberen Stockwerken thematisiert wird: Megacitys, Migration, religiöse Konflikte. (...)
Allerdings gibt es einen Ort wie diese Agora in Berlin schon lange. Mit einigem Erfolg
fördert das Haus der Kulturen der Welt im Tiergarten seit Jahrzehnten den Dialog zwi-
schen den Kulturen. Ob das Haus der Kulturen in der Agora aufgehen wird, ob ein In-
tendant beide Häuser bespielen wird, das ist noch genauso wenig geklärt, wie die Frage
nach dem Geld für das Programm dieser Agora. (...) “ (Die Zeit, 7.7.2009).
Am 8.7.2009 druckt Der Tagesspiegel ein Interview mit dem damaligen und derzeitigen
Intendanten des Hauses der Kulturen der Welt:
,,Herr Scherer, die Stiftung Preußischer Kidturbesitz stellt ihre Pläne zum Humboldt-
Forum in einer Ausstellung im Alten Museum vor. Die sogenannte Agora ist dabei die
große Leerstelle. Sie sind als Leiter des Hauses der Kulturen der Welt als Partner für
diesen Bereich im Gespräch. Wo sehen Sie die Agora im Schloss? “ Erstaunlich nah an
späteren Planungen antwortet Scherer; „Ich würde die Agora nicht territorial auf einen
bestimmten Bereich im Gebäude begrenzen. Auch im Museum muss es Räume geben,
die als Agora bespielt werden. Es geht um die zeitgenössische Annäherung an Fragen,
die im Humboldt-Forum gestellt werden. “ Auf die Frage, ob das Humboldt-Forum nun
ein „Museum oder ein Veranstaltungszentrum für Gegenwartsfragen“ werde, entgegnet
Scherer: „ Wenn die Agora als reiner Veranstaltungsort betrieben würde, wo ein Kultur-
veranstalter Konzerte einkauft, würde man eine große Chance verspielen. Ich bin mir
auch sicher, dass keiner der Verantwortlichen das will. Aber nur Museum geht auch
nicht. Das Humboldt-Forum darf an der Stelle, an der es gebaut wird, am Berliner
Schlossplatz, kein rückwärtsgewandtes Projekt werden. Es muss eine Institution sein,
die sich heute mit der Welt und der Rolle Deutschlands in dieser Welt auseinander-
setzt. “
Zur inhaltlichen Abgrenzung des Humboldt-Forums vom Haus der Kulturen der Welt,
das ja ebenfalls viel mit außereuropäischen Kulturen befasst ist, erläutert Scherer: „Das
Humboldt-Forum hat Ressourcen, über die wir nicht verfügen. Zunächst gibt es diese
Riesensammlung von Objekten, die noch nicht systematisch in einem zeitgenössischen
Kontext aufgearbeitet wurden. Es ist eine einmalige Chance zu zeigen, was man mit so
einer Sammlung heute machen kann. Im westlichen Bewusstsein ist ja nicht klar, welche
Bedeutung diese Themen haben können. “ Der Tagesspiegel merkt an; „Das erklärt
wahrscheinlich auch die nicht unbedingt große Begeisterung in der Öffentlichkeit,
wenn es um inhaltliche Fragen des Humboldt-Forums geht. “ Scherer ergänzt; „In der
klassischen Kulturelite unserer Landes ist zum Teil immer noch nicht klar, was die inter-
nationalen Beziehungen und Entwicklungen für uns bedeuten. Es geht nicht darum,
einfach fremde Kulturen vorzustellen. Man muss klarmachen, dass unsere eigene Ge-
sellschaft nur in diesem internationalen Kontext zu verstehen ist. Für viele Menschen,
die als Migranten nach Berlin gekommen sind, erzählen diese Objekte auch einen Teil
ihrer Geschichte. Diese Erzählungen bereichern die Stadt, die sich zunehmend kosmo-
politisch versteht. Es gibt einen Großteil der Gesellschaft, der das noch nicht verstan-
den hat. “
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
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Kontrovers diskutiert: Vorschau auf die Ausstellungspläne in
„Anders zur Welt kommen“
Bisky verfasst für die SZ ein geradezu überschwängliches Lob der Ausstellung „Anders
zur Welt kommen“, die vom 9. Juli 2009 bis zum 17. Januar 2010 im Alten Museum
gezeigt wird:
„Das hätte man nicht gedacht, dass es so schön werden würde, so aufregend, interes-
sant. Eigentlich schien dafür gesorgt zu sein, dass die erste gemeinsame Ausstellung der
drei Akteure des Elumboldt-Forums bestenfalls bemühten Durchschnitt bieten würde.
Zu lange hatten die Dahlemer Museen, die Humboldt-Universität und die Landesbiblio-
thek unter dem Siegel eines Hauhaltssperrvermerks vor sich hin gewerkelt, die Energie
der ersten Begeisterung verpuffen lassen. (...) Aber etwas Besseres als den , Werkstatt-
blick‘, der nun im Alten Museum zu sehen ist, wird der an Geschichte, Kultur, Kunst
Interessierte derzeit in Berlin nicht finden. Die Ausstellung will kein Miniaturmodell des
kommenden Forums sein, sondern Ideen und Gestaltungsprinzipien vorstellen. Gekonnt
wird hier Fülle inszeniert, ohne den Besucher zu ermüden oder zur Flucht zu reizen.
Dies glückt dank der einzigartigen Gegenstände aus den wissenschaftshistorischen
Sammlungen und den Beständen des Ethnologischen Museums wie des Museums für
Asiatische Kunst. Dass diese so neugierig machen, dass man über bald jedes zweite
Objekt gern einen kleinen Aufsatz lesen würde, liegt an der Art, in der die Exponate
präsentiert und kommentiert werden. (...) “ (SZ, 9.11.2009).
Unter dem Titel „Ein ideologisches Programm aus Gemeinplätzen“ äußert sich Bahners
in der FAZ weit weniger lobend:
„Die Kultgegenstände und religiösen Praktiken aller Völker der Erde haben ihren eige-
nen Wert, verdienen studiert und konserviert zu werden. Dieses hermeneutische Prinzip
ist ebenso eine Selbstverständlichkeit wie die Aussage, die Begegnung von Kulturen,
selbst die kriegerische, sei immer auch ein Austausch, ein Geben und ein Nehmen. Das
,Humboldt-Forum ‘ macht aus diesen Gemeinplätzen ein ideologisches Programm. (...)
Als Phantasieprodukt, als Kopfgeburt des sehr spezifischen Völkchens der Kultur mana-
ger, Kulturwissenschaftler und Kulturpolitiker, gäbe das , Humboldt-Forum ‘ selbst ein
faszinierendes ethnologisches Studienobjekt ab. Die Leitidee des Weltbildes, das im
Schloss besichtigt werden soll, ist die Romantisierung der Migration. Kultur, das soll
hier heißen: Bewegung und Wanderung. Die Touristen, die das Schloss besuchen, wer-
den vorher vielleicht glauben, sie kehrten nach dem Ende der Reise nach Hause zurück.
Hinterher sind sie aufgeklärt, haben erkannt, dass sie als Andenkensammler ewig neue
Jagdgründe suchen. Doch der Glaube, im Zuge der Globalisierung erwiesen sich alle
Kulturen als nomadisch, hat einstweilen Evidenz nur für Tagungsreisende. (...) Das
, Humboldt-Forum ‘ ist selbst das Produkt eines Tauschgeschäfts. Hinter den barocken
Fassaden soll sich etwas Ultramodernes abspielen. Doch der Multikulturalismus mit
den Fetischworten der ,Anerkennung' des ,Anderen' wirkt schon vor Baubeginn ver-
altet. Die Befürwortung des ,Humboldt-Forums' im Bundestagsbeschluss von 2002
steht unter dem Vorbehalt, dass sich das Konzept bei näherem Hinsehen als angemessen
erweist. Noch bis zum 17. Januar 2010 werden die Abgeordneten des neuen Bundes-
tags Gelegenheit haben, sich im Alten Museum darüber ein Urteil zu bilden. “ (FAZ,
29.8.2009).
Auch Tilmann kommentiert die Ausstellung im Tagesspiegel eher kritisch:
„ Vom legendären El Dorado haben schon viele geträumt, und auch Alexander von
Humboldt hat sich 1807 auf die Suche nach Gold begeben, das der Legende nach jeder
Herrscher bei seinem Amtsantritt in den See von Guatavita im Bergland bei Bogotá
74
Scholz, Das Humboldt-Forum in der Medienkritik: Berichterstattung und Kommentare 2000-2011
geworfen hat. (...). So ein Goldsee würde heutzutage gerade reichen, um das auf 500
Millionen Euro Baukosten geschätzte Berliner Stadtschloss aufzubauen. Alexander von
Humboldt jedoch steht erneut Pate, bei einer Ausstellung im Alten Museum in Berlin,
die in Zusammenarbeit zwischen den Staatlichen Museen zu Berlin, der Humboldt-Uni-
versität und der Berliner Landesbibliothek entstanden ist. Im Vorgriff auf das künftige
Humboldt-Forum soll hier prototypisch vorgeführt werden, wie deren Zusammenarbeit
als künftige Nutzer aussehen kann. Die Idee ist schon über dreihundert Jahre alt. Gott-
fried Wilhelm Leibniz entwarf in seinem Essay ,Dróle de pensée ‘ 1675 ein ideales Wis-
senschaftstheater und träumte dabei von Zauberpalast und Zauberinsel, Taschen-
spielertricks, Pferdeballett, Schattentheater und Feuerwerken, von Akademien, Kolle-
gien, Ballsälen, Konzerten und Gemäldegalerie, Konversationen und Konferenzen und
davon, dass man verstehen lerne, wie ein Kind, ein schweres Gewicht mit einem Faden
heben kann ‘. (...) Und ein bisschen von diesem Geist kehrt nun in der Ausstellung In-
ders zur Welt kommen ‘ wieder. Sehr essayistisch werden im Obergeschoss des Alten
Museums Verbindungslinien und Themeninseln entworfen, historische Ursprünge, For-
schungsausblicke und eine Reise um die Welt in nur drei Räumen. (...) Problematisch
jedoch ist der Bereich, der das Mittelstück der Ausstellung bildet und im künftigen
Schloss den Hauptteil ausmachen wird. Der Versuch, mit den Beständen der außereuro-
päischen Museen Schneisen durch die Kulturen der Welt zu schlagen, leidet am The-
menüberfluss und Raummangel zugleich. (...) ein Sammelsurium der globalen Assozia-
tionen. Ein Kuriositätenkabinett, auch das. Aber eins, das erst noch der Klärung bedarf.
(...) “ (Der Tagesspiegel, 9.7.2009).
Wenige Tage später ergänzt Tilmann ihren Bericht um einen Kommentar zur Veranstal-
tung der kritischen Initiative Anti-Humboldt, die sich parallel zu den ersten Ausstel-
lungsfragen trifft, um
„ (...) Fragen zu diskutieren, die sie bei den bisherigen Plänen zum Humboldt-Forum
vermissen. (...) Rechtefragen, Rückgabefragen, diese Themen hätte man auch in der
vorläufigen Humboldt-Ausstellung gern erörtert gesehen. Doch bezeichnenderweise
endet die Forschungsgeschichte, die der Kunstkammer-Teil im ersten Saal der Aus-
stellung so opulent eröffnet, mit den systematischen Forschungsreisen von Adolf Bas-
tian, kritisieren die Anti-Humboldtianer. Danach ist Schweigen. (...) “ (Der Tagesspiegel,
14.7.2009).
Eine fast schon melancholische Rückschau auf den mittlerweile eliminierten Palast der
Republik und die kulturellen Aktivitäten in seinen letzten Tagen druckt die taz am
13.7.2009. Bergs Resümee zur Ausstellung „Anders zur Welt kommen“ fällt dabei eher
negativ aus;
,, Wo einst der Palast der Republik stand, wächst Gras. Nun ist also im ideellen Mittel-
punkt der Berliner Republik erreicht, was Walter Ulbricht zuvor mit dem Abriss der
Kriegsruine des Hohenzollernschlosses vorgemacht hat: Tabula rasa (...) Die Betreiber
haben sich nach eigenem Bekunden dem Dialog der Kulturen verschrieben. Aber schon
der Schlossreplik als Sitz des Humboldt-Forums haftet der Makel an, nur dadurch Ge-
stalt angenommen zu haben, dass Dialogpartner aus der Kultur ignoriert und eliminiert
wurden. Ein Dialog mit der jüngsten Geschichte und deren (Bau-)Kultur in Gestalt des
Palastes sowie mit den Künstlern und Kulturschaffenden der Initiative , Volkspalast ‘,
die das Haus 2005, kurz vor dem Abriss, einer populären , Zwischennutzung ‘ zuführten,
fand nicht statt. Der Akzent des HUF soll stattdessen auf dem Dialog mit den außereu-
ropäischen Kulturen liegen. Diesen Leitgedanken entwickelte 2001 der damalige Prä-
sident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Klaus-Dieter Lehmann, der eigentliche
Urheber der HUF-Idee. Bei den historischen Anknüpfungspunkten geht das HUF sogar
noch weiter zurück bis zur kurfürstlichen Kunstkammer aus dem 17. Jahrhundert. Des-
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
75
sen Staunen machende Versammlung von Kuriositäten gibt nun das Vorbildfür Konzept
und Methode des zukünftigen HUF ab. Zu sehen in der Ausstellung , Anders zur Welt
kommend im Alten Museum. (...) Von der Wunderkammer zu Rumpelkammer könnte
man den (...) Parcours der Ausstellung beschreiben. Die angestrebte Multifokalität
sorgt vor allem für große Unübersichtlichkeit. (...) Im Grunde ist das HUF eben doch
nur eine Notlösung für eine vorgegebene Form. Denn ohne das Schloss gäbe es das
HUF gar nicht. “
Bauverzögerung
Ungeachtet der Diskussionen um die Ausstellungspläne mehren sich im darauf folgen-
den Jahr die Gerüchte um eine geplante Bauverzögerung. Schönball kommentiert im
Tagesspiegel'.
„Der Ton wird schärfer in der Debatte über einen möglichen Stopp aller Planungen für
den Bau des Berliner Stadtschlosses, auch Humboldt-Forum genannt. Als .fatal ‘ und
, einer Kulturnation unwürdig ‘ beurteilte Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung
Preußischer Kulturbesitz, am Donnerstag ein solches Szenario gegenüber dieser Zei-
tung. Und der Vizepräsident des Bundestages Wolfgang Thierse sagte auf Anfrage: ,Die
Bundesregierung steht vor einer einfachen Alternative: Will sie das größte Kulturpro-
jekt in der Geschichte der Bundesrepublik stoppen oder den Bau von ein paar Kilome-
tern Autobahn verschieben. ‘ (...) Wie Hermann Parzinger weiter sagte, sei es auch , unter
wirtschaftlichen Gesichtspunkten grob fahrlässig, jetzt das Vorhaben zu stoppen'. Bau-
liche und inhaltliche Planungsarbeiten liefen , unter Hochdruck. ‘ Die Akzeptanz für das
Projekt werde nicht größer, wenn man es jetzt auf Eis lege. ,Die Realisierung des Hum-
boldt-Forums ist ein starkes Zeichen hinsichtlich der Gleichberechtigung der Weltkul-
turen in einer längst globalisierten Welt‘, so Parzinger. Durch das hier geplante ,Kunst-
und Kulturzentrum gänzlich neuen Zuschnitts ‘ werde ein , völlig neues Miteinander der
Kulturen erlebbar‘. Das sei die große Chance, ,um die uns die Welt heute schon benei-
det. ‘ (...) So lange der Bundestag keinen neuen Beschluss fasst, will der Sprecher der
bundeseigenen , Stiftung Berliner Schloss Humboldt-Forum ‘, Bernhard Stokar von
Neuforn, Spekulationen über einen möglichen Baustopp nicht kommentieren. Das Team
von 60 Architekten und Ingenieuren um Franco Stella werde bis Ende des Jahres die
, Entwurfsplanung ‘ vorlegen. Das ist eine detaillierte Zeichnung des Gebäudes im Maß-
stab eins zu hundert. Koordiniert werden die Arbeiten vom Bundesamt für Bauwesen
und Raumordnung. (...)“. (Der Tagesspiegel, 3.6.2010).
Letztlich entscheidet der Bundestag am 7.6.2010 den Baubeginn für das Humboldt-
Forum von 2011 auf 2014 zu verschieben. Hermann Parzinger, der Präsident der Stif-
tung Preußischer Kulturbesitz, äußert sich dazu am selben Tag in einer Presserklärung:
„Ich bedaure es sehr, dass es aufgrund des heutigen Kabinettbeschlusses zu einer be-
trächtlichen Entschleunigung in der Realisierung des derzeit bedeutendsten kulturpoli-
tischen Projekts in Deutschland kommen wird und sich die aktuelle Finanzsituation in
Deutschland damit direkt darauf auswirkt. Es ist jedoch zu begrüßen, dass sich die
Bundesregierung sogar in dieser finanziell schwierigen Zeit weiterhin klar zum Hum-
boldt-Forum bekennt. Wir gehen davon aus, dass die Bauarbeiten auf dem Schlossplatz
2014 beginnen werden. (...) “ (Pressemitteilung Humboldt-Forum, SPK, 7.6.2010).
Weissmüller erinnert in der SZ daran, dass die Verschiebung des Baus keine wirkliche
Kostenersparnis bedeutet, denn der jetzige Standort des Ethnologischen Museums in
Dahlem ist in marodem Zustand:
76
Scholz, Das Humboldt-Forum in der Medienkritik: Berichterstattung und Kommentare 2000-2011
„Anders als die beiden kleineren Häuser für die indische und die ostasiatische Kunst,
die vor einigen Jahren gründlich saniert worden waren, vernachlässigte man das Eth-
nologische Museum - mit fatalen Folgen: Täglich landen Hiobsbotschaften auf dem
Schreibtisch der Direktorin. Neben dem Brandschutz sind auch Klima- und Elektrotech-
nik zum Teil in einem miserablen Zustand. ,Man hat das nur ertragen, weil man wusste,
dass es nicht mehr lange bis zum Umzug dauertsagt König, die nach wie vor für eine
Verlagerung der Sammlung von Dahlem nach Mitte plädiert. “ (SZ, 8.6.2010).
In ähnlichem Tenor berichten Jürgens und Westphal in der Welt am Sonntag:
„Etwas verloren steht Viola König in der großen Ausstellungshalle des Ethnologischen
Museums in Dahlem. Um die Museumsleiter in herum ist Platz - sehr viel Platz. Eine
Ausstellung gibt es in diesem Saal im Obergeschoss des Hauses an der Lansstraße
schon seit eineinhalb Jahren nicht mehr. Aus den Regensammelrohren am Dach tropft
es. , Zum Schutz der kostbaren Exponate ist eine Nutzung undenkbar ‘, sagt die Ethnolo-
gin. Der Schaden am Dach ist nur einer von vielen an dem Gebäude. Bereits in den
90er-Jahren wurde deshalb eine Generalsanierung beschlossen. Doch dazu kam es
nicht. Erst hatte die milliardenteure Sanierung der Museumsinsel Priorität. Dann kam
die Idee eines Museumsschlosses in der Mitte Berlins auf in das die Dahlemer Samm-
lungen eigentlich 2017 einziehen sollten. Dass die Bundesregierung beschließen würde,
den Baubeginn des Schlosses zu verschieben, damit hatten die Museumsmacher nicht
gerechnet. (...) Das Stahlskelettgebäude aus den 70er-Jahren galt bei seiner Eröffnung
als wegweisend in Sachen Museums di daktik und musealer Inszenierung, nun ist das
Haus überaltert. Besonders dramatisch für seinen Betrieb war die Entdeckung der Sta-
tiker, dass die Stützkonstruktion der Balustrade in der großen Bootshalle nicht mehr
sicher war. (...)
Die schlimmsten Auswirkungen der immer wieder aufgeschobenen Generalsanierung
bekommen die Zuschauer jedoch nicht zu sehen. ,Das Magazingebäude entspricht in
keinster Weise mehr den Anforderungensagt Direktorin König. Im Sommer werde es
in dem ungedämmten Haus zu heiß, im Winter dagegen laufe Tauwasser an den Wänden
herab. (...) Im Kulturausschuss des Bundestags hatte Hermann Parzinger, der amtie-
rende Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, am Mittwoch angesichts der ma-
roden Museumsgebäude in Dahlem noch einmal mit Verve für den Bau des Humboldt-
Forums geworben. Den Baubeginn aus Spargründen um drei Jahre zu verschieben sei
eine falsche - und teure — Entscheidung. Mit jedem Jahr Verzögerung, warnte Parzin-
ger, müsse der Bund weiterhin mit Millionen für den Erhalt der Dahlemer Museen auf-
kommen. (...) Sollte sich der Umzug an den Schlossplatz weiter verzögern (schon ist von
2022 die Rede), oder sollte die Forumsidee gar aufgegeben werden, sind neue Konzep-
te für die Dahlemer gefragt. (...) “ (Welt am Sonntag, 13.6.2010).
Kilb von der FAZ nutzt die Gelegenheit der Bauverzögerung, das Anliegen konservati-
ver Leser/innen an die Öffentlichkeit zu bringen. In einem Kommentar über neue alte
Pläne zu einer alternativen Nutzung des Schlosses wird die Idee des Humboldt-Forums
grundlegend in Frage gestellt:
„ (...) Offensichtlich denken weder die Stiftung Preußischer Kulturbesitz als Hauptnut-
zer noch die Kulturpolitiker des Bundes und der Stadt Berlin daran, die fällige Konse-
quenz aus der Verschiebung des Schlossbaus zu ziehen und die Leitidee zur musealen
Gestaltung dieses Denkmals - oder Mahnmals? - der Bundeskulturpolitik unvoreinge-
nommen zur Debatte zu stellen. Das Konzept des Humboldt-Forums, heißt es nun wie-
der, sei nicht genügend ,kommuniziert1 worden. (...) Dabei soll das Humboldt-Forum
nach den Wünschen seiner Planer ja gerade ein Muster an Weltoffenheit und Transpa-
renz werden. Nur wenn es darum geht, diese Offenheit auf das Projekt selbst anzuwen-
den, werden seine Nutzer intransparent. Aber Umzugskostenrechnungen, gewürzt mit
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
77
kulturbürokratischer Bockigkeit, werden den festgefahrenen Großen Plan kaum wieder
in Bewegung bringen. Es bleibt dabei, dass der barocken Hülle ein Sammelsurium von
Objekten und Institutionen eingetopft wird, das weder auf den ersten noch auf den zwei-
ten Blick wirklich zu ihr passt. Doch das vorurteilslose Nachdenken darüber, welche
Museen für den Schlossbau grundsätzlich geeignet wären, scheint seit Jahren tabu zu
sein. Gerade jetzt aber wäre der richtige Augenblick, damit anzufangen. Eine solche
Gelegenheit, die vor acht Jahren in gewisser Eile vom damaligen Stiftungspräsidenten
Klaus-Dieter Lehmann und seinem Generaldirektor Peter-Klaus Schuster geschmiedete
und seither kaum veränderte Humboldt-Konzeption zu überarbeiten, kommt nicht wie-
der. Nicht nur den Skeptikern, auch den ratlosen Befürwortern des Projekts wäre auf
diese Weise geholfen. (...)
Dass die Landesbibliothek im Schloss im Grunde nichts zu suchen hat und nur als
Platzhalter für den Kostenanteil der Stadt Berlin dient, hat sich bei vielen herumgespro-
chen. Auch der Anteil der Humboldt-Universität dürfte bei genauem Hinschauen denk-
bar gering sein. Bleibt das Flickwerk der außereuropäischen Sammlungen aus Dahlem.
Was dieses teils sinnwidrige Zusammenwerfen von kulturhistorischen und ethnologi-
schen Objekten mit dem Geist der Humboldt-Brüder zu tun haben soll, rätselte man
schon im vergangenen Jahr in der Werksausstellung,Anders zur Welt komme ‘ im Alten
Museum. Man fragt es sich wieder angesichts der wirren Präsentation im Kronprinzen-
palais. Denn der Humboldt-Geist kann ja nur einer der Erkenntnis, nicht der tönenden
Besserwisserei sein. Die Gegenstände sollen zum Sprechen gebracht werden, aber nicht
durch Texttafeln, sondern durch den Zusammenhang, in dem sie stehen. Der geschicht-
liche Orientierungspunkt des Schlossbaus ist die Kunstkammer der Hohenzollern. Von
ihr gingen die Sammlungen aus, die heute auf der Museums insel und am Kulturforum
am Potsdamer Platz gezeigt werden. Ohne den Bezug auf die Kunstkammer bliebe das
Schloss eine museumspädagogische Luftnummer. “ (FAZ, 30.7.2010).
Im Leserbrief eines Mitglieds der ^Freunde des Ethnologischen Museums“ wird dem
Artikel vehement widersprochen:
„Man muss der FA.Z. dafür danken, dass sie die wirklich erstzunehmende Diskussion
um das Humboldt-Forum immer wieder warm hält, ja geradezu neu entfacht. Und in
der Tat wäre ein Kunstgewerbemuseum im wieder aufgebauten Schloss vorstellbar.
Aber ein Humboldt-Forum könnte dies nicht genannt werden. Denn weder hätte es et-
was mit dem Denken, Wirken und Wollen der Brüder Humboldt zu tun, noch könnte es
dem Austausch von Lebensfragen, gar dem ,Dialog der Kulturen ‘, wie ihn die Experten-
kommission schon 2002 empfohlen hat und wie er in Bundestagsbeschlüssen von 2002
und 2007festgeschrieben worden ist, genügen. Kunstgewerbe im Schloss wäre eine nur
sehr vordergründig überzeugende Lösung: rückwärts gewandt und nicht zukunftswei-
send. (...)“ (FAZ, 27.8.2010).
Wenig positives hat die Presse für die im Zuge des Gestaltungswettbewerbs präsentier-
ten Entwürfe für die Inneneinrichtung des Schlosses übrig. Ungeachtet des Baustopps
findet der Wettbewerb als entscheidender Schritt im Hinblick auf die Ausstellungspla-
nung ebenfalls 2010 statt. Timm schreibt dazu in der Zeitung Die Zeit.
„Immer weitermachen, einfach so tun, als ob nichts geschehen sei, einfach die Ohren
zuhalten. Wer denkt, dass die Regierung den Wiederaufbau des Berliner Schlosses
durch ihren Sparbeschluss vom Juni vorerst gestoppt hat, der irrt gewaltig. Der Pla-
nungsprozess läuft auf Hochtouren: Am vergangenen Wochenende wurden im Kron-
prinzenpalais Unter den Linden die vier Siegerentwürfe aus dem Wettbewerb für die
Ausstellungsgestaltung im Humboldt-Forum präsentiert. (...) Die Entwürfe bringen die
Diskussion darüber, was das Humboldt-Forum überhaupt sein soll, wahrscheinlich
schon durch die Konkretion der Zeichnungen ein wenig weiter. Zugleich beweist auch
78
Scholz, Das Humboldt-Forum in der Medienkritik: Berichterstattung und Kommentare 2000-2011
dieser Wettbewerb ein weiteres Mal, wie grundsätzlich vermurkst das Thema Schloss-
aufbau ist. (...) Der großen Mehrheit der Architekten schien die Aufgabe, die Innenräu-
me eines der wichtigsten Bauten des Bundes zu gestalten, offensichtlich zu kompliziert.
Schuld an der Ohnmacht mögen die unausgegorenen Vorstellungen von der Funktion
des Humboldt-Forums sein. Vor allem aber ist es Franco Stellas Entwurf und dessen
Raumaufteilung, die abschrecken. Es kann, so das Motto der sich verweigernden Mehr-
heit der Raumplaner, keine richtige Architektur in der falschen geben. Und so hat auch
keiner der jetzt prämierten En twürfe die Jury wirklich überzeugt, alle müssen überar-
beitet werden (...). Stoppen kann das fortgeschrittene Debakel sowieso nur noch der
Bundestag. Er müsste seinen Beschluss zum Bau des Humboldt-Forums in der Hülle
des Schlosses revidieren. Dann könnte man in Berlin ganz entspannt ein neues Völker-
kundemuseum planen. (...) “ (Die Zeit, 2.9.2010).
Eine kritische Stimme aus der Ethnologie und Reaktionen
Ein vernichtendes Resümee aller bisherigen Planungen auf dem Weg zum Humboldt-
Forum wird am 12.1.2011 in einem langen Artikel in der FAZ abgedruckt. Überra-
schend ist, dass die Kritik diesmal aus der Ethnologie kommt, vom langjährigen Frank-
furter Universitätsprofessor Kohl. Dieser bezeichnet das Humboldt-Forum als „Lotte -
riegewinn“ für die deutsche Ethnologie und wirft dem Ethnologischen Museum Berlin
vor, diesen Gewinn leichtfertig zu verspielen. Als Beleg für seine Aussagen greift Kohl
auf eine Reihe von Vereinfachungen zurück. Unter anderem beklagt er, die Kustoden
ethnographischer Sammlungen hätten bislang den Fehler begangen, den künstlerischen
Eigenwert ihrer Objekte hinter einer kontextualisierenden Ausstellungsdidaktik zurück-
zustellen, und als positive Referenz nennt Kohl das im Juni 2006 eröffnete Musée du
quai Branly in Paris, hier würde gezeigt
„ (...) welche großartigen Effekte sich mit ethnographischen Artefakten erzielen ließen,
wenn man bei ihrer Präsentation die üblichen Wege nur ein wenig verlässt. “ An den
Konzeptentwicklungen des Ethnologischen Museums lässt Kohl hingegen kein gutes
Haar; „ Was den Beitrag der Ethnologie anbelangt, stellt sich die bald neunjährige Ge-
schichte des Humboldt-Forums (...) als eine einzige Abfolge von Desastern dar. Es
wundert insofern nur wenig, dass gegen den Beschluss der Bundesregierung, den Bau-
beginn für ein paar Jahre zu verschieben, kaum protestiert worden ist. Die für die inhalt-
liche Gestaltung Verantwortlichen werden ihn wohl eher mit Erleichterung aufgenommen
haben. Denn es ist ihnen bis heute nicht gelungen, für die Dauerausstellung ein Konzept
vorzulegen, das der Bedeutung des Vorhabens tatsächlich gerecht werden könnte. (...)
Anstatt sich von außen Rat zu holen, verschanzten Museum und Stiftung sich hinter
ihrer angeblichen Fachkompetenz. Über Jahre hin wurden keinerlei Anstalten gemacht,
ein versiertes ethnologisches Beraterteam einzuberufen. Erste Schritte sollen in dieser
Hinsicht zwar vor einigen Monaten unternommen worden sein. Doch hält man die Zu-
sammensetzung des Gremiums noch so geheim, dass nicht einmal die angeschriebenen
Mitglieder wissen, mit wem sie sich zukünftig treffen werden.
(...) wie es im Moment aussieht, ist die von manchem Kritiker des Humboldt-Forums
vorgebrachte Befürchtung, man werde im Berliner Stadtschloss Baströckchen ausstel-
len wollen, vielleicht doch gar nicht so absurd. Die Ethnologie hat freilich entschieden
mehr zu bieten. Es wäre für das Fach ein Unglück, würde diese einmalige Chance durch
Starrsinn, Selbstüberschätzung und mangelnde Bereitschaft zur Kooperation vertan
werden. “
Auf diesen Frontalangriff aus der universitären Ethnologie antwortet der Präsident der
Stiftung Preußischer Kulturbesitz in einem Leserbrief;
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
79
„, Völkerkunde ist ein kleines Fach geblieben, das über keine nennenswerte Lobby ver-
fügt‘, schrieb Karl-Heinz Kohl am 12.01. in der FAZ. Wenn man seinen Artikel liest,
dann versteht man auch, warum das so ist. (...)
, Starrsinn, Selbstüberschätzung und mangelnde Bereitschaft zur Kooperation ‘ wirft
der Frankfurter Ethnologe einer Einrichtung vor, die zu diesem Projekt mit einem großen
Kreis von renommierten Wissenschaftlern aus aller Welt kooperiert, mit denen wir dem-
nächst die in Dahlem erarbeiteten Konzepte diskutieren und gemeinsam weiterentwickeln
werden. (...) “ (FAZ, 16.1.2011).
Auch der in der Regel eher kritische Sammler Schlothauer stellt angesichts des schlech-
ten Selbstzeugnisses, das Kohl der Ethnologie in seinem Artikel ausstellt, in seiner Zeit-
schrift Kunst und Kontext die Frage:
„ Mit welchem Recht spricht die deutsche Ethnologie, sprechen deutsche Ethnologen,
für indigene Gemeinschaften? Ist das Fach Ethnologie die legitimierte Vertreterin aller
Außereuropäischen? Ist diese versteckte Abart des Eurozentrismus nicht peinlich, da in
der heutigen Welt innerhalb von 24 Stunden die lebenden Vertreter von indigenen Ge-
meinschaften selbst kommen und sprechen können? “ {Kunst & Kontext 15 , 1/2011).
Expertentagung und grünes Licht für den Bau
Im April 2011 findet eine Tagung des internationalen Expertengremiums statt, auf das
sowohl Kohl in seinem Artikel, als auch Parzinger in seiner Antwort hinweist. Tilmann
berichtet im Tagesspiegel:
„ Wie erzählen wir Geschichte, und was ist überhaupt Kunst? Das sind Fragen, mit de-
nen sich Museumsleute derzeit verstärkt beschäftigen. Denn die Wahrnehmung außer-
europäischer Kunst politisiert sich in dem Maße, in dem etwa die Vorgänge in Nordafri-
ka, China oder der Elfenbeinküste unseren europäischen Blick auf Kultur beeinflussen
und in Frage stellen. Eine klassische Präsentation asiatischer Kunst, wie sie offenbar
in Peking versucht wurde und in den asiatischen Museen des Westens üblich ist, er-
scheint da plötzlich nicht mehr angemessen, ja fast eskapistisch, weil sich Kunst von
ihren Entstehungsbedingungen nicht trennen lässt. Noch immer allerdings ist die Tren-
nung zwischen Kunst und Ethnologie in den Museen gängige Praxis. (...) Diese hohen
Erwartungen an das, was Stiftungspräsident Hermann Parzinger als , wichtigstes Kul-
turprojekt des 21. Jahrhunderts in Deutschland ‘ ankündigt, haben den Druck auf die
Stiftung Preußischer Kulturbesitz immerhin derart erhöht, dass man nun zu einem drei-
tätigen Workshop Fachleute aus aller Welt nach Berlin eingeladen hat, um die schon
seit drei Jahren in der Schublade liegenden Konzepte zu diskutieren und evaluieren zu
lassen. Und die Experten aus Vancouver, Washington, Sydney, Delhi, Mali oder Tokio
stellen schon am ersten Vormittag die richtigen Fragen: Wird es am Schlossplatz einen
gemeinsamen Auftritt und einen einzigen Verantwortlichen geben? Oder planen die ein-
zelnen Museen auf eigene Faust? Ziehen wirklich die kompletten Sammlungen aus
Dahlem um, obwohl absehbar ist, dass der Platz für eine anspruchsvolle Neupräsenta-
tion kaum reichen wird? Wie passen die Barockfassaden zum Inhalt? Ist mit dem neuen
Auftritt auch ein grundsätzliches Überdenken dessen verbunden, was man heute unter
Ethnologischen Museen fasst? Was passiert genau in der geplanten Agora? Und wie
will man die auf Sammeln und Forschen ausgerichteten Museen dazu bringen, tatsäch-
lich einen offenen Dialog zu führen? Fragen, die in der Öffentlichkeit schon lange ge-
stellt werden. Denen gegenüber das Humboldt-Konzept mit seinen Ausstellungsmodu-
len und Schaudepots schon jetzt ziemlich veraltet wirkt. Es reicht einfach nicht, die
Raumeinrichtung so flexibel und offen zu halten, dass jede Generation nach Belieben
80
Scholz, Das Humboldt-Forum in der Medienkritik: Berichterstattung und Kommentare 2000-2011
ihre eigenen Geschichten erzählen kann. Gefragt ist, mehr denn je, auch eine Haltung
der Museen zu ihren Beständen und den Kulturen, die sie repräsentieren, zu der Ge-
schichte die man erzählen will. So offen und inspiriert wie diese Workshop-Auftaktdis-
kussion wünscht man sich den Dialog über das Humboldt-Forum jedenfalls häufiger.
Und irgendwann, so hofft ein indischer Historiker, wird die Welt dann auf Berlin blicken,
weil hier Ernst gemacht wurde mit Konzepten, die ein völliges Umdenken klassischen
Sammlungsverhaltens bedeuten. “ {Der Tagesspiegel, 11.4.2011).
Vahland meldet sich zum gleichen Thema in der SZ zu Wort:
„Deutschland hat diese historische Chance. Es baut demnächst selbst eine nationale
Repräsentanz: In all seiner Problematik wird das geplante Berliner Schloss mit dem
Humboldt-Forum der Weltkulturen eine identitätsbildende Funktion übernehmen.
Schon die neobarocke Architektur erzählt eine nationale Geschichte, wenn auch nicht
gerade eine schmeichelhafte. ,Eine doppelte Rache ‘ nannte ein afrikanischstämmiger
Kurator am Rande der Tagung des internationalen Ratgebergremiums zum Humboldt-
Forum diese Erzählung: Erst reißt die DDR-Führung das Schloss ab und errichtet den
Palast der Republik, dann vernichtet das wiedervereinigte Deutschland diesen und baut
wieder ein Schloss. (...) Das Zögern ist noch groß, sich im Humboldt-Forum zu offen-
baren, es als Selbstreflexion und Positionsbestimmung in einer sich ändernden Welt zu
nutzen. So groß, dass Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kultur-
besitz, am ersten Tag der Sitzung des Beratergremiums die noch nicht begonnene Dis-
kussion am liebsten gleich wieder klein halten wollte. Nachdem die Berliner Museums-
leute ihre Konzepte für das Humboldt-Forum vorgestellt hatten, bat er nur ,um Ver-
ständnisfragen ‘ und darum, jetzt nicht Architektur und Aufteilung der Museen anzuge-
hen. Das ließen sich die von Singapur bis Kolumbien angereisten Experten nicht sagen
und stellten die richtigen Fragen: Warum das islamische Museum nicht einziehe, son-
dern nur das asiatische und das völkerkundliche? Warum die Berliner immer noch von
außereuropäischen ‘ Kidturen sprechen, als gebe es nur sie und den Rest der Welt? Sei
es klug, Kunst und Alltagsdinge im Asiengeschoss zu trennen, nicht aber bei den Kultu-
ren Afrikas, Amerikas und Ozeaniens? Und ob man wirklich die Weltkulturen mit einer
zeitlich beschränkten Sammlung repräsentieren wolle, gescheffelt im Kolonialgeist des
19. und frühen 20. Jahrhunderts? Und die Gegenwartskunst? Ohne sie geht es nicht,
denn in ihrer Vielstimmigkeit bei gemeinsamem Vokabular ist sie als einzige wirklich
international. Mit ihr geht es aber auch nicht, denn kein afrikanischer oder indischer
Künstler von Rang mag sich im Völkerkundemuseum auf seine Herkunft reduzieren
lassen. Das Lieblingswort der Berliner Kuratoren war, Vielfalt ', und schnell zeigte sich
auf der Tagung, welch große Unsicherheit sich dahinter verbirgt: Sie wissen, was in ihr
Schloss hinein darf und was nicht, aber sie wissen nicht, was genau das bedeuten könn-
te und wie es gehen mag. (...) Am liebsten würden die Berliner wohl die ausländischen
Fachleute bitten, diese gigantische Kolonialschuld für sie zu sortieren. Samuel Sidibé,
Direktor des Nationalmuseums in Mali, lachte: Gerne helfe er, aber bitte mit Gegenleis-
tung. Warum nicht etliches in afrikanische Kunsthäuser schicken? Davon wollte Par-
zinger nichts wissen: Es gebe schließlich keine Rückgabeforderungen. Das stimmt, die
meisten Herkunftsländer haben andere Sorgen. Nur: Es sind nicht die anderen, die Hilfe
brauchen, sondern die Deutschen. Sie können und wollen sich in ihrem neuen Museum
nicht als alleinige Deuter fremder Kulturen geben. Die einzige Alternative ist Gleichbe-
rechtigung, und die beginnt mit sehr viel entschiedeneren Kooperationen als bisher -
Dauerleihgaben, Schenkungen oder Tauschaktionen gegen neuere Objekte und Exper-
tisen eingeschlossen. (...) Es gibt kein überzeugendes Vorbild für ein Weltkulturenmus e-
um des 21. Jahrhunderts. Das Musée du Quai Branly in Paris lässt historische Erklä-
rungen missen und hat zudem die Europakunde verbannt. Das Kölner Rautenstraueh-
Joest-Museum zeigt überraschende Kontraste, verzichtet aber weitgehend auf geogra-
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
81
fische Gliederung, was in einem Großmuseum verwirren würde. (...) Ausgerechnet das
Humboldt-Forum im Schloss, belastet durch die deutsche Weltherrensehnsucht des
19. und die Zerstörungswut des 20. Jahrhunderts, hat nun die Aufgabe, es besser zu
machen. (...)“ (SZ, 11.4.2011).
ln der Beilage „Christ und Welt“ der Zeitung Die Zeit wird am 14.4.2011 ein verhalten
optimistischer Beitrag über das Humboldt-Forum abgedruckt. Der Autor Neubauer
greift zwei zentrale Stichworte aus den Konzepten des Ethnologischen auf: „Multipers-
pektivität“ und „Bewegung“.
„ (...) Vielleicht wird sich das Museum der Zukunft nicht nur durch eine Vielzahl der
Dinge auszeichnen, sondern auch durch eine Vielzahl der Perspektiven. Künstler, indi-
gene Gruppen, Forscher und Museums experten sollen mit ihren Fragen den in Jahr-
zehnten des Sammelns fest gefügten Kosmos der Sachen aufbrechen. Manche Objekte
werden dabei ihren festen Platz verlieren, einige können zwischen zwei Orten und damit
zwischen zwei Identitäten pendeln. Als ästhetische werden sie hier wahrgenommen, als
rituelle in dem Land, aus dem sie kamen. Nichts soll fest bleiben und das ausgerechnet
im Museum. , Wenn auch die Welt im Ganzen vorschreitet ‘, meinte Goethe zu Ecker-
mann; , die Jugend muss doch immer wieder von vorn anfangen und als Individuum die
Epochen der Weltkultur durchmachen. ‘ Das ist bei Museen nicht anders. Von der Wun-
derkammer über das koloniale Depot bis hin zu den durchpädagogisierten Kontext-
Maschinen der Gegenwart hinterlassen die historischen Formen der Inszenierung von
Dingen Spuren. Wenn diese Spuren erlebbar und verstehbar gemacht werden, könnte
das auch die anderen Museen auf der Insel verändern. Dann wäre Kunst nicht mehr nur
Kunst. Sich im Humboldt-Forum zu orientieren, wird nicht leicht sein. Aber es könnte
Spaß machen, sich seinen Weg hindurch zu suchen. Ob das Ganze dann noch , Museum ‘
heißt, wird sich zeigen. Baubeginn ist 2014. Vielleicht.“
Nur wenige Monate später kommt aus der Politik ein Signal, das auch den Konzeptdis-
kussionen wieder neuen Antrieb verleihen wird: Der Haushaltsausschuss des Bundesta-
ges macht den Weg frei für den Wiederaufbau des Stadtschlosses:
,,Der Haushaltsausschuss des Bundestags hat am Mittwoch endgültig grünes Licht für
den Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses gegeben. Die Abgeordneten stimmten
mit überwältigender Mehrheit dem Kostenanstieg um 38 Millionen Euro zu. (...) Erst
letzte Woche war am Schlossplatz die Humboldt-Box eröffnet worden, ein Informations-
zentrum, in dem über den komplizierten und langwierigen Wiederaufbauprozess des
Schlosses Auskunft gegeben werden soll. (...) “ (Der Spiegel, 6.7.2011).
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
83
Bauplanung für das Ethnologische Museum
im Humboldt-Forum
PETER JUNGE
1. Raumprogramm
Für das Ethnologische Museum begann die Bauplanung mit der Erstellung des Raum-
buches. Da parallel zum Humboldt-Forum neue Magazinflächen in Friedrichshagen
geplant wurden, sollten in dem Neubau in der Stadtmitte nur die öffentlichen Bereiche
und die notwendigen administrativen Flächen vorgesehen werden. Die Flächen für die
umfangreichen Sammlungen mit ca. 500.000 Objekten, die Restaurierungswerkstätten,
das Fotolabor, das Archiv des Ethnologischen Museums, Räume für die Magazinver-
walter und sammlungsbezogene Arbeitsplätze für die Mitarbeiter des Museums und für
Gastwissenschaftler werden in dem neuen Magazingebäude in Friedrichshagen geplant.
Die räumliche Trennung von Ausstellungen und Sammlungen wurde innerhalb des
Ethnologischen Museums scharf kritisiert. Sie ist allerdings ein Ergebnis der meisten
Magazinneubauten der letzten Jahrzehnte, da die Innenstadtlage der Museen und die
Grundstückspreise dem Neubau und der meist notwendigen Erweiterung der Magazine
schon im Wege stehen. Das Ethnologische Museum machte diese Erfahrung bereits
nach dem Ersten Weltkrieg, als das Magazin nach Dahlem ausgelagert wurde und die
Ausstellungen in der Stresemannstraße in der Nähe des Potsdamer Platzes blieben. Erst
die Situation nach dem Zweiten Weltkrieg brachte Sammlungen und Ausstellungen des
Ethnologischen Museums in Dahlem wieder zusammen. Verschärft wird die Trennung
von Ausstellungen und Sammlungen noch dadurch, dass zunächst nur ein erster Bauab-
schnitt in Friedrichshagen geplant ist, in den nur etwa 60 % der Sammlungen einziehen
werden. Etwa 180.000 Objekte bleiben auf unabsehbare Zeit in Dahlem, so dass das
Museum nach dem Umzug der Ausstellungen ins Humboldt-Forum auf drei weit über
Berlin verstreute Standorte zerrissen sein wird.
Die Planung für das Ethnologische Museum im Humboldt-Forum umfasst die Aus-
stellungsflächen, die Bibliothek der Dahlemer Museen und die fachwissenschaftlichen
Funktionen (Büroflächen für die Mitarbeiter des Museums, Grafikstudio, Fotostudio).
Wegen der Entfernung zu den restauratorischen Werkstätten in Friedrichshagen und Dah-
lem werden zur Behandlung der ca. 20.000 ausgestellten Objekte zusätzlich drei kleine
Pflegewerkstätten für organische und nichtorganische Materialien eingerichtet. Dadurch
sollen konservatorisch bedenkliche Transporte zwischen dem Humboldt-Forum und
den anderen Standorten vermieden werden. Im Bereich Facility Management befindet
sich außerdem ein gemeinsamer Schleusenbereich für das Einbringen von Objekten für
alle Ausstellungen mit zwei Räumen zur Schädlingsbekämpfung (Stickstoff und Kälte).
In den vorangegangenen Diskussionen hatte das Ethnologische Museum eine größe-
re Fläche für die Ausstellungen gefordert (mindestens 12.000 nf). Hintergrund war die
Vorstellung, dass man die in Dahlem vorhandenen Ausstellungsflächen für Amerika,
Afrika und die Südsee in etwa erhalten wollte und zusätzliche Flächen für die nicht oder
nur unzureichend ausgestellten Sammlungen aus Amerika (Südamerikanisches Tief-
land) und Asien (West- und Zentralasien, Süd- und Südostasien) gewinnen wollte.
Durch die Generaldirektion der Staatlichen Museen zu Berlin wurde die Ausstellungs-
fläche für das Ethnologische Museum im Raumbuch auf 10.000 m2 festgelegt.
84
Junge, Bauplanung für das Ethnologische Museum im Humboldt-Forum
Funktion m2
Agora 9.500
Sonderausstellung Staatliche Müssen zu Berlin 1.200
Museum für Asiatische Kunst
Ausstellungen 6.033
Restaurierung 430
Fachwissenschaftliche Funktionen 846
Bibliothek 900
Ethnologisches Museum
Ausstellungen 10.000
Restaurierung 195
Fachwissenschaftliche Funktionen 960
Bibliothek 620
Phonogrammarchiv 442
Facility Management 2.374
Zentral- und Landesbibliothek 4.000
Humboldt-Universität 1.000
2. Der RealisierungsWettbewerb für die Architektur
des Humboldt-Forums
Von Ende 2007 bis zur Entscheidung am 27. und 28.11.2008 lief der Entscheidungspro-
zess im Wettbewerbsverfahren zum Bau des Humboldt-Forums. Wesentliche Grundla-
gen waren die Bundestagsbeschlüsse von 2002, 2003 und 2007, die festlegten, dass auf
dem Schlossplatz ein Gebäude in der Kubatur des Berliner Schlosses einschließlich der
Nord-, West- und Südfassaden sowie der drei Fassaden des Schlüterhofes errichtet wer-
den sollte. Der Entwurf sollte auch die Möglichkeit der Wiedererrichtung der Kuppel
über dem Westportal vorsehen.1
Die Nutzung des neuen Gebäudes durch die Sammlungen des Ethnologischen Muse-
ums und des Museums für Asiatische Kunst der Staatlichen Museen zu Berlin, der Zen-
tral- und Landesbibliothek und der Humboldt-Universität war im Detail beschrieben im
Raumprogramm. Außerdem wurde eine Gebäudestruktur in Schichten vorgegeben: Im
Erdgeschoss die Agora, darüber die so genannten „Werkstätten des Wissens“, also die
Zentral- und Landesbibliothek und die Bibliotheken der Dahlemer Museen, und darü-
ber die Ausstellungsflächen. Dieses von der Generaldirektion der Staatlichen Museen
festgelegte Modell zeigt sich im Laufe des Planungsprozesses zunehmend als kritisch,
da es die Agora von den Ausstellungsflächen trennt.
Unabhängig von der kulturpolitischen Diskussion über die Wiedererrichtung der
Fassaden des Berliner Schlosses war das Ethnologische Museum (EM) vor allem daran
interessiert, einen Neubau zu bekommen, der trotz historisierendem Äußeren im Inne-
ren museumstaugliche Flächen bietet. Das Schloss in seinem historischen Grundriss ist
dafür nur begrenzt geeignet: Es war ein langer Bau mit zwei großen Innenhöfen, um die
sich lange und eher schmale Räume ziehen. Dem Schloss fehlte ein zentraler Eingang,
von dem aus die Flächen vor allem für die Ausstellungen für die Besucher erkennbar
erschlossen werden. Der Wettbewerb sah Abweichungen von diesem Grundriss vor al-
lem im Bereich des Eosanderhofes und im Ostflügel zur Spree hin vor. Für das Ethno-
logische Museum waren daher Entwürfe besonders interessant, die in diesen Bereichen
Abb. I Verteilung der
Flächen im Hum-
boldt-Forum laut
Raumbuch (Stand
3.3.2009).
1 Vgl. Bundesministerium
für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung (Hg.),
2009: Schloss Berlin/
Humboldt-Forum. Realisi-
serungswettbewerb 2008.
Berlin, S. 28ff.
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
85
die Mängel des Schlossgrundrisses für die Nutzung als Museum kompensierten. Es fa-
vorisierte daher den mit einem Sonderpreis ausgezeichneten Entwurf von Kuehn Mal-
vezzi, Berlin, der die Schlossfassade in Teilen freistellte und damit eine größere Freiheit
in der Gestaltung der Innenräume ermöglichte. Damit ergaben sich bei diesem Entwurf
großzügige Flächen im Zentrum des Baus und im Eosanderhof sowie im Ostflügel zwi-
schen Schlüterhof und der Spree.
Der mit dem 1. Preis ausgezeichnete Entwurf von Franco Stella gehörte für das Eth-
nologische Museum zu den möglichen, aber nicht idealen Vorschlägen. Durch zwei in
den Eosanderhof eingestellte Baukörper ergaben sich hier immerhin zusätzliche, größe-
re Flächen für die Ausstellungen.
Abb. 2 Grundrisse der Aus-
stellungsgeschosse
im preisgekrönten
Entwurf von Franco
Stella.2 Links: 2. Ober-
geschoss, rechts:
3. Obergeschoss.
2 Copyright aller Abbildun-
gen: Stiftung Berliner
Schloss - Humboldtforum /
Franco Stella.
Im äußeren Bereich, hinter den Schlossfassaden, befinden sich längliche Ausstellungs-
flächen, die den ursprünglichen Flächen im Schloss folgen. Neue Ausstellungsflächen
gibt es in zwei Riegelbauten an beiden Seiten des von Stella eingefügten Schlossforums,
einem neuen Durchgang vom Lustgarten zum Schlossplatz. Zwei in den Eosanderhof
isoliert von der Innenfassade eingestellte Blockbauten mit großzügigen Ausstellungs-
flächen schließen an den westlichen Riegelbau an. Im Ostflügel zwischen Schlüterhof
und Spree befinden sich nur im 2. Obergeschoss schmale Ausstellungsflächen. Insge-
samt sind die Ausstellungsflächen zergliedert, sie nehmen in vielen Bereichen nicht die
gesamte Fläche des Baukörpers ein. Mögliche Rundgänge sind unterbrochen durch die
Räume über den Portalen und im 3. Obergeschoss durch das Belvedere, das den größten
Teil des Ostflügels ausmacht. Durch eine breite Fuge ist es deutlich als Neubau von der
rekonstruierten Fassade getrennt. Das Belvedere ist ein über alle Etagen von Treppen
erschlossener öffentlicher Raum, der den Blick über die Spree in Richtung Alexander-
platz öffnet.
Die Erschließung der Ausstellungsgeschosse erfolgt durch Treppen an der inneren
Westseite des Eosanderhofes und durch die vier Portale an der Süd- und Nordseite. Der
Raum zwischen den beiden Blockbauten bildet im Erdgeschoss die in diesem Entwurf
noch 5-schifiig angelegte Eingangshalle.
86
Junge, Bauplanung für das Ethnologische Museum im Humboldt-Forum
3. Veränderungen der Ausstellungsflächen im Planungsprozess
Für das Ethnologische Museum war von Beginn des Planungsprozesses an klar, dass
der im Wettbewerb vorgelegte Entwurf von Franco Stella im Interesse der Funktionen
von Ausstellungsflächen eines Museums verändert oder weiterentwickelt werden muss-
te. Stellas konzeptionelle Idee der Wiedererrichtung und Vollendung des Schlüter’sehen
Schlossentwurfs sah kein Gebäude vor, das hinter einer rekonstruierten Fassade Anfor-
derungen eines modernen Museumsbaus erfüllte. Das Innere des Gebäudes war von der
Fassade, ihren Setzungen für die Geschossaufteilung, der Struktur des historischen Ge-
bäudes mit fünf Portalen und entsprechenden Treppenaufgängen sowie der Rekonstruk-
tion beider Höfe des Schlosses mit ihren Fassaden her gedacht. Eigene architektonische
Formen entwickelte Stella mit dem Schlossforum und den beiden es begrenzenden Rie-
gelbauten und dem Belvedere. Für einen Architekten, der ein Schloss wiederrichten
will, ist dies eine konsequente Haltung - sie steht allerdings im Widerspruch zu den
Interessen eines Museums, das von einem Museumsneubau qualitativ gute Museums-
flächen erwartet. Diese grundsätzlich gegensätzlichen Positionen näherten sich im kau-
fe des Planungsprozesses an. Das danach vorliegende Ergebnis ist ein Kompromiss,
dessen Qualitäten - oder Mängel - sich erst zeigen werden, wenn die Arbeit mit den
Ausstellungsgestaltern abgeschlossen und die Ausstellungen eröffnet worden sind.
Belvedere
Ein zentrales Problem für das Ethnologische Museum ist die adäquate Aufstellung der
Großobjekte, vor allem die Schiffe und Häuser der Südsee-Sammlung. In Dahlem ge-
hört die Bootshalle zu den beeindruckenden Ensembles. Im Stella’schen Entwurf bot
sich das Belvedere als von der Fassadengliederung des Schlosses unabhängiger Neubau
an, einen über zwei Geschosse führenden Raum für diese Objekte zu schaffen. Die Idee
Stellas, den Gebäudeteil vor allem für eine öffentliche, mehrgeschossige Galerie mit
Aussicht („Belvedere“) auf das Marx-Engels-Forum zu nutzen, wurde in den Planun-
gen verworfen. Damit bot sich der für die Großobjekte notwendige Raum. Die Verände-
rungen des Belvedere, die sich im Planungsprozess zwischen April 2009 und Anfang
2011 zeigen, haben ihre Ursache in den Forderungen des Ethnologischen Museums
nach einem Raum für die Großobjekte und im Kostendruck, gegen den die Vorstellun-
gen des Architekten und die Nutzerwünsche cháncenlos blieben.
I--------------------------------------------------
Abb. 3 Belvedere, Planstand
vom 6.4.2009. Links:
2. Obergeschoss,
rechts: 3. Oberge-
schoss.
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
87
Im Planstand vom 6.4.2009 war der öffentliche Treppenaufgang verschwunden. Im Be-
reich des Belvedere ergaben sich zwei langgezogene Ausstellungsflächen, die allerdings
noch durch einen Luftraum, der der Gebäudefuge zwischen rekonstruierter Schlossfas-
sade und dem Neubau entsprach.
Abb. 4 Belvedere, Planstand
vom 29.5.2009.
Links: 2. Oberge-
schoss, rechts: 3.
Obergeschoss mit
dem weiß markierten
Luftraum über den
Ausstellungsflächen
(blau) im 2. Oberge-
schoss.
Sechs Wochen später war diese Fuge als Raum verschwunden. Der Ostteil des Schlos-
ses bot eine breite, allerdings von zwei Säulenreihen, die die Fuge markierten, unterbro-
chene Ausstellungsfläche. Dieser nur wenige Monate währende Planungsstand bot dem
Ethnologischen Museum zum ersten Mal angemessene Flächen innerhalb des Schloss-
grundrisses mit der Möglichkeit, die Schiffe und Häuser der Südsee-Sammlung auszu-
stellen.
Nach einer Kalkulation der Gesamtkosten für den Bau wurde diese Situation aller-
dings zuungunsten der Fläche verändert. Das Gebäude wurde an der Ostseite um einige
Meter verkürzt, um es zurück in den Kostenrahmen zu zwingen. Im Planstand vom
29.9.2009 verkürzte sich das Belvedere nun auf einen schmalen Raum hinter der Ost-
fassade.
Abb. 5 Belvedere, Planstand
vom 29.9.2009.
Junge, Bauplanung für das Ethnologische Museum im Humboldt-Forum
Der großzügige Raum für die Großobjekte reduzierte sich nach dieser einschneidenden
Planänderung auf zwei kleine Bereiche im Restbelvedere und auf vier schmale Öffnun-
gen der Decke zum 3. Obergeschoss im Bereich der Portale. Damit war zwar die im
Raumbuch vorgeschriebene Fläche mit 10 m Deckenhöhe nachgewiesen, eine sinnvolle
Nutzung für die Ausstellung der Schiffe und Häuser der Südsee-Sammlung war aller-
dings unmöglich.
Die Forderungen des Ethnologischen Museums nach Änderungen innerhalb des
Grundrisses, um dieses Problem zu lösen, berührte eine andere Diskussion, die vor al-
lem von konservativen Schlossbefürwortern außerhalb, aber auch innerhalb der Pla-
nungsgruppe geführt wurde. Die Nutzung des Gebäudes durch die außereuropäischen
Sammlungen war in diesen Kreisen nicht unumstritten. Schon in der Terminologie zeig-
te sich diese Diskrepanz: Man sprach nicht vom Bau des Humboldt-Forums, sondern
von der Wiederrichtung des Berliner Stadtschlosses. In diesem Verständnis war es kon-
sequent, Anteile der Schlossarchitektur nicht nur auf die Fassade zu begrenzen, sondern
auch die Innenräume zu rekonstruieren bzw. so zu gestalten, dass sie einer späteren
Rekonstruktion nicht im Wege stehen. Diese hätte allerdings die Nutzung für die Samm-
lungen des Ethnologischen Museums und des Museums für Asiatische Kunst in Frage
gestellt. Da aber die Interessen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz an der Errichtung
des Humboldt-Forums auch weit in die Politik hinein unterstützt wurde, wurden der Idee
der Wiedererrichtung des Schlosses Grenzen gezogen. Die Möglichkeiten zur Rekon-
struktion des Inneren des Schlosses reduzierten sich auf Teile, die der Nutzung des Hum-
boldt-Forums für die außereuropäischen Sammlungen nicht grundlegend im Weg standen.
Abb. 6 Belvedere, Planstand
Anfang 2011.
Ein solcher Kompromiss, der auch vom Ethnologischen Museum akzeptiert wurde, be-
traf die Änderung des Raums für die Großobjekte im Belvedere. Die Zusammenlegung
der verteilten Flächen mit 10 m Deckenhöhe, wie sie der Planstand vom 29.9.2009
zeigte, erbrachte eine zusammenhängende T-förmige Fläche, deren Grundriss der Idee
verhaftet war, die Rekonstruktion des Gigantentreppenhaus hinter dem Risalit an der
Ostfassade des Schlüterhofs grundsätzlich zu ermöglichen. Dadurch entstand ein schma-
ler, länglicher Raum, der sich im Bereich des ehemaligen Treppenhauses bis an die
Hoffassade erweiterte. Im 3. Obergeschoss sollte eine schmale Galerie mit Blick auf die
Großobjekte den Ausstellungsrundgang ermöglichen.
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
89
Eine weitere kleinere Fläche mit 10 m Deckenhöhe, auf der die ca. 7 m hohen To-
tempföhle der Nordwestküste Amerikas aufgestellt werden sollten, fand ihren Platz im
2. Obergeschoss des Portals 4 (das westliche an der Lustgartenseite des Schlosses).
Diese Position blieb im Rahmen des Planungsprozesses unverändert.
Blockbauten im Eosanderhof
In einem anderen Bereich wurden die Interessen des Ethnologischen Museums vom
Kostendruck unterstützt. Von Beginn der Planung an forderte das Museum, die beiden
in den Eosanderhof eingestellten Blöcke in die Ecken des Hofes zu schieben, um ge-
schlossene Ausstellungsflächen zu erhalten (vgl. Abb. 2).
-j.■
Abb. 7 Grundriss des Hum-
boldt-Forums mit
neuer Position der
Blockbauten im
Eosanderhof (vgl.
Abb. 2).
Mit der Verlegung des Haupttreppenhauses zur Erschließung des Gebäudes von der
Westseite des Eosanderhofes in den ihn östlich abschließenden Riegelbau war die Iso-
lation der Ausstellungsflächen in den Blockbauten noch verschärft. Diesem Wunsch des
Museums wurde entsprochen, wohl auch, um die Kosten für die Fassaden des Eosan-
derhofes am Schlossbaukörper und an den Blockbauten zu sparen.
Im zweiten und dritten Geschoss ergab sich so eine erhebliche Verbesserung der
Ausstellungsflächen. Die geforderte Sonderausstellungsfläche der Staatlichen Museen
mit 1.000 m2 fand im ersten Geschoss dieser Blockbauten ihren Platz, allerdings geteilt
auf je zwei Flächen mit ca. 550 m2.
Die Lage der Großobjekte und die Nutzung der Blockbauten waren trotz der Verän-
derungen im Planungsprozess nicht endgültig. Im Rahmen des Wettbewerbs für den
Gestalter der Ausstellungsflächen war als eine Aufgabe die Einrichtung der Fläche mit
den Häusern und Schiffen der Südsee-Sammlung im Belvedere vorgesehen. In den ver-
schiedenen Workshops mit den Gestaltern in der zweiten Phase des Wettbewerbs zeig-
ten sich die Schwierigkeiten, diesen T-förmigen Raum überzeugend mit den Großob-
jekten einzurichten. Den Überlegungen des Ethnologischen Museums, hier eine Lösung
zu finden, kam ein anderes Problem entgegen. Mit der Detaillierung der Planung ergab
sich für die Flächen im 2. Obergeschoss der Blockbauten eine Reduzierung der lichten
Raumhöhe auf 4,35 m. Die im Raumbuch geforderte minimale Deckenhöhe von 5 m
wurde erheblich unterschritten. In Anbetracht einer Fläche von 550 m2 ergab sich hier
ein Raum - einer der wenigen ohne eingestellte Stützen - dessen großzügige Wirkung
durch die niedrige Decke erheblich beschränkt wurde.
90
Junge, Bauplanung fur das Ethnologische Museum im Humboldt-Forum
Um für beide Probleme eine Lösung zu finden, schlug das Ethnologische Museum
eine grundlegende Veränderung vor. Die Decken zwischen dem ersten und zweiten Ge-
schoss der Blockbauten sollten herausgenommen werden, um dadurch zwei Räume mit
10 m Deckenhöhe herzustellen und die Großobjekte vom Belvedere in diese Räume zu
verschieben. Diese Lösung hat den Vorteil, dass das Problem der niedrigen Deckenhö-
hen in diesem Bereich, sowie die Probleme bei der Einrichtung des ursprünglichen
Raums im Belvedere gelöst wurden. Der Verlust von ca. 1.100 m2 Ausstellungsfläche
wurde durch den Gewinn von ca. 800 m2 Fläche im 3. Obergeschoss kompensiert. Die
Größe und Qualität der dort für die Asien-Sammlungen des Ethnologischen Museums
vorgesehenen Flächen wurde erheblich verbessert. Ein Ausstellungsrundgang, der bis-
her nur durch die schmale Galerie an der Großobjektefläche ermöglicht wurde, wurde
hergestellt.
Nachteil dieser Lösung war der Verlust der Sonderausstellungsflächen für die beiden
Museen. Diese sollten in die Ausstellungen des 2. und 3. Obergeschosses integriert
werden. Für das Ethnologische Museum, das sich in seinem Konzept zum Humboldt-
Forum von den zum Teil 40 Jahre alten Dahlemer Dauerausstellungen zugunsten eines
häufigeren Wechsels von Ausstellungsmodulen verabschiedet hatte, war dieser Verzicht
relativ leicht zu ertragen.
Die Aufteilung der neuen Fläche für die Großobjekte in einen Bereich für die Häuser
und einen zweiten für die Schiffe aus der Südsee entsprach der Dahlemer Situation.
Auch hier werden beide Objektgruppen in getrennten Bereichen präsentiert.
Ein bisher noch nicht genutzter Vorteil ergibt sich dadurch, dass Ausstellungsflächen
jetzt auch im ersten Geschoss liegen. Die Trennung von Agora und Ausstellungen durch
die sogenannten Werkstätten des Wissens im 1. Obergeschoss könnte in Teilen aufgeho-
ben werden. Dafür müsste der Zugang zu den Ausstellungen, der bisher im 2. und 3.
Obergeschoss geplant ist, im 1. Obergeschoss ermöglicht werden.
Deckenhöhen
Im Raumbuch hatte das Ethnologische Museum für 6.800 m2 Ausstellungsfläche eine
Mindestdeckenhöhe von 5 m gefordert, weitere 2.000 m2 sollten 6 m, je 600 m2 8 und
10 m hoch sein. Aufgrund der Fassadengliederung ergaben sich für die Ausstellungsflä-
chen im 2. und 3. Obergeschoss zum Teil erhebliche Abweichungen. Die geforderten
Räume mit 8 m Höhe ließen sich nur mit 10 m Höhe herstellen. Trotz leichter Vergrö-
ßerung der Ausstellungsfläche aufgrund des nicht variablen Schlossgrundrisses sind
von den geforderten 6.800 m2 Ausstellungsfläche mit einer Deckenhöhe von 5 m nur
etwa 6.300 m2 nachgewiesen. Räume mit 6 m Deckenhöhe - gefordert waren 2.000 m2 -
fehlen ganz. Dafür stehen ca. 3.000 m2 mit Deckenhöhen zwischen 3,87 und 4,77 m
Höhe zur Verfügung, die also von den geforderten 5 m Mindesthöhe abweichen. Diese
befinden sich vor allem im 3. Obergeschoss.
Insgesamt lässt sich festhalten, dass das Schlossgebäude, auch mit den beiden Ein-
griffen Franco Stellas, dem Schlossforum und den im Eosanderhof eingestellten Block-
bauten, für eine Nutzung, die dem Konzept des Ethnologischen Museums für das Hum-
boldt-Forum entspricht, einige Einschränkungen hat.
1. Die Fassadengliederung bedingt in den meisten Bereichen die Raumhöhe. Mit
Ausnahme der Bereiche mit Deckendurchbrüchen verringert sich aufgrund der Fassa-
dengliederung die durchschnittliche Deckenhöhe der Geschosse vom 1. bis zum 3. Ober-
geschoss. Im 1. Obergeschoss liegt sie knapp unter 6 m, im 2. Obergeschoss um 5 m und
im 3. Obergeschoss um 4,70 m.
Da die Bibliotheken im 1. Obergeschoss diese hohen Räume eigentlich nicht benöti-
gen, schlug das Ethnologische Museum vor, die Ausstellungsflächen ins 1. und 2. Ober-
geschoss und die Bibliotheken ins 3. Obergeschoss zu verschieben. Da sich die endgül-
tige Höhe der Räume jedoch erst im Laufe des Planungsprozesses herausstellte, wurde
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
91
dieser Vorschlag aufgrund der Höhe der Umplanungskosten vom Bauherrn, der Stiftung
Berliner Schloss - Humboldt-Forum, abgelehnt.
2. Die Kubatur des Gebäudes mit länglichen Räumen um zwei große Innenhöfe wird
nur durch die beiden Blockbauten im Eosanderhof abgemildert. Das Ethnologische Mu-
seum hätte große, geschlossene Flächen mit einem klar definierten Zugang bevorzugt.
Das Schlossforum mit seinen beiden schmalen Riegelbauten unterstützte die Zergliede-
rung des Gesamtgebäudes. Das Ethnologische Museum schlug daher im Planungspro-
zess vor, das Schlossforum zu schließen. Damit hätte sich eine große Ausstellungsfläche
im Zentrum des Gebäudes ergeben, von dem aus sich die einzelnen Themen der Aus-
stellungen viel besser hätten entfalten können. Der gewünschte Nord-Süd-Durchgang
durch das Gebäude, die Verbindung von Lustgarten und Breite Strasse, wäre auch durch
den im Vergleich zum schmalen Schlossforum viel attraktiveren Schlüterhof möglich
gewesen. Dieser Vorschlag wurde abgelehnt, da das Schlossforum ein wichtiger Grund
für die Preisvergabe an Franco Stella war.
3. Inwieweit die zahlreichen Fenster in den Ausstellungsräumen Probleme bei der
Einrichtung machen werden, ist in erster Linie eine Frage, die vom Gestalter gelöst
werden muss. Vor allem nördlich und südlich des Schlüterhofes, wo sich die schmälsten
Ausstellungsräume befinden, ziehen sich Fensterreihen an beiden Längsseiten hin, was
Hängeflächen erheblich einschränkt. Das Ethnologische Museum hatte für etwa zwei
Drittel der Ausstellungsflächen Tageslicht mit der Möglichkeit der Verdunkelung gefor-
dert, dabei aber nicht die gleichmäßige, enge Abfolge von Fenstern, wie sie jetzt in den
Ausstellungsräumen existiert, im Sinn gehabt. Die Gestalterbüros Ralph Appelbaum
Associates und Malsyteufel, die 2012 den Wettbewerb für die Gestaltung der Ausstel-
lungsräume gewonnen haben, versuchen, den Rhythmus der Fenster als ein wesentliches
Element in die Gestaltung einzubeziehen.
Auswirkungen auf die Klimatisierung des Gebäudes haben die vielen Fenster jedoch
nicht. Nach der jetzigen Planung lassen sich die von den Museen vorgegebenen Werte
einhalten. Unterstützt wird die Stabilität des Klimas durch Bauteilaktivierung in den
Decken der meisten Ausstellungsräume - mit Ausnahme der Räume in den Blockbau-
ten. Auf die in den meisten Ausstellungsräumen vorhandene Säulenstellung - auch dies
ein Wermutstropfen für die Qualität der Flächen - wurde in den Blockbauten zugunsten
von Unterzügen verzichtet, die allerdings nicht genug freie Fläche in den Decken für
eine Bauteilaktivierung übrig lassen.
4. Bibliothek und fachwissenschaftliche und
technische Räume
Bibliothek
Neben den Ausstellungsflächen befindet sich in der Südwestecke des Schlossgebäudes
zwischen den Portalen 2 und 3 in der ersten Etage die öffentliche Bibliothek der Dahle-
mer Museen. Sie ist zusammen mit den ca. 1.000 nf für die Humboldt-Universität und
den ca. 4.000 m2 für die Zentral- und Landesbibliothek Teil der sogenannten „Werkstät-
ten des Wissen“, die sich als öffentlich nutzbarer Raum zwischen die Agora im Erdge-
schoss und die Ausstellungsflächen im 2. und 3. Obergeschoss schieben.
Mit ca. 150.000 Bänden stellen die Bibliotheken des Ethnologischen Museums und
des Museums für Asiatische Kunst die wichtigste Fachbibliothek in Berlin dar. Unter-
stützt von der Kunstbibliothek der Staatlichen Museen soll sie zu einer Bibliothek für
außereuropäische Kultur und Kunst ausgebaut werden.
Nach der bisherigen Planung verfügt diese Präsenzbibliothek über einen Lesesaal,
mehrere kleine Studios für audiovisuelle Medien und einen kleinen Gruppenarbeits-
raum. Außerdem sind hier drei Büros mit insgesamt acht Arbeitsplätzen für Gastwissen-
92
Junge, Bauplanung für das Ethnologische Museum im Humboldt-Forum
schaftler vorgesehen. Die Bücher befinden sich zum Teil in Freihandaufstellung auf
zwei Ebenen und in geschlossenen Magazinen mit Kompaktregalen.
Die endgültige Einrichtungsplanung erfolgt durch das Architekturbüro Holzer Kobler,
die 2012 den Wettbewerb für die Gestaltung der öffentlichen Bereiche des Humboldt-
Forums mit Ausnahme der Ausstellungsflächen gewonnen haben.
Klangwerkstatt
Ein weiterer, zumindest für angemeldete Gruppen öffentlicher Bereich, ist die Klang-
werksatt der Abteilung Musikethnologie des Ethnologischen Museums. Auf ca. 200 m2
bietet sie die Möglichkeit für musikalische Workshops, Proben und Konzerte. Ange-
schlossen sind je zwei Audio- und Video-Studios.
Die Klangwerkstatt befindet sich im Zwischengeschoss zwischen 1. und 2. Etage im
Riegelbau zwischen Schlossforum und Schlüterhof. Hier sind auch die Archive und die
verschiedenen Arbeitsplätze der Abteilung Musikethnologie angesiedelt.
Büros
Im 2. Obergeschoss im gleichen Riegelbau befinden sich die Büros für die Direktion
und die Sekretariate, für die Wissenschaftler, Volontäre und Museologen des Ethnologi-
schen Museums. Auch das Grafikstudio des Museums und einige Plätze für Praktikan-
ten und Gastwissenschaftler sind hier vorgesehen.
Restaurierung und Fotowerkstatt
Nach dem endgültigen Umzug der etwa 500.000 Objekte in den Sammlungen des Eth-
nologischen Museums in den Magazinneubau in Friedrichshagen werden dort auch die
Restaurierungswerkstätten und das Fotostudio des Ethnologischen Museums sein. In
Anbetracht der Entfernung zwischen Humboldt-Forum und dem Magazin in Friedrichs-
hagen und in Anbetracht der Menge von ca. 15.000 Objekten, die sich in den Ausstel-
lungen des Humboldt-Forums befinden werden, war es notwendig, restauratorische
Pflegewerkstätten und ein kleines Fotostudio vor Ort einzurichten, um restauratorische
und fotografische Arbeiten im Humboldt-Forum zu machen, ohne die Objekte den Be-
lastungen durch Transporte auszusetzen.
Diese Werkstätten des Ethnologischen Museums sind zusammen mit dem Fotostudio
und den Restaurierungswerkstätten des Museums für Asiatische Kunst ebenfalls im
Riegelbau zwischen Schlossforum und Schlüterhof in der 3. Etage geplant.
Anlieferung
Die Anlieferung der Objekte für alle Ausstellungsbereiche erfolgt über eine Rampe, die
es LKWs erlaubt, vom Schlossplatz an der Südostecke des Gebäudes in das Unterge-
schoss zu fahren. Hier befinden sich Flächen zum Auspacken der Objekte, ein Proto-
kollraum und ein Schleusenbereich, der die Schädlingsbekämpfung erlaubt. Er besteht
aus einem Schwarzraum vor je einer Stickstoff- und Kältezelle und einem Weißraum
zum Lagern der behandelten Objekte.
Über das Untergeschoss und zwei Fahrstühle, einer davon ein Lastenfahrstuhl, im
zentralen Treppenhaus im westlichen Riegelbau lassen sich die Objekte in die verschie-
denen Ausstellungsräume verteilen.
Zusammenfassung
Die hier vorgetragene Kritik an den Ergebnissen der Planungen für die Ausstellungs-
flächen des Ethnologischen Museums geht von der Position aus, dass ein Museumsneu-
bau ein Optimum an Ausstellungsflächen herstellen muss. Zugleich ist allen Beteiligten
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
93
klar, dass dieser Neubau nur im Rahmen der Wiedererrichtung des Berliner Stadtschlos-
ses im Entwurf des Architekten Franco Stella möglich war. Das Ethnologische Museum
hat versucht, in diesem „Korsett“ ein Maximum für seine Interessen zu erreichen.
Unabhängig von der Beurteilung des Ergebnisses ist für das Ethnologische Museum
der entscheidende Grund zur Kompromissbereitschaft mit der vorgegebenen Architek-
tur die Lage des Gebäudes selbst. Als Teil der Museumsinsel werden die Sammlungen
aus Asien, Afrika, Amerika und der Südsee auf Augenhöhe mit den Sammlungen zur
europäischen Kunst- und Kulturgeschichte im Zentrum Berlins präsentiert. Allein diese
Tatsache ist wegen ihrer kulturpolitischen Bedeutung Grund genug für Kompromisse in
der Architektur. Der Umzug der Dahlemer Sammlungen in das Zentrum Berlins beendet
die Trennung der „europäischen“ Sammlungen auf der Museumsinsel von den „außer-
europäischen“ Sammlungen an der Peripherie in Dahlem.
Selbst die viel kritisierte Schlossfassade, hinter der die Dahlemer Sammlungen prä-
sentiert werden, kann diese insgesamt positive Grundhaltung nur schwer beeinträchti-
gen. Für ein Objekt der Afrika-Sammlung erfüllt sich mit der Wiedererrichtung der
Schlossfassade sogar seine ursprüngliche Bestimmung. Als 1909 König Njoya von
Bamum, einem Königreich in der damaligen deutschen Kolonie Kamerun, Kaiser Wil-
helm II. den bekannten perlenverzierten Thron schenkte, ging er davon aus, dass der
Kaiser diesen Thron in seinem Schloss aufstellen werde. Kolonialer Dünkel brachte den
Thron aber in die Sammlungen des damaligen Museums für Völkerkunde. Es ist eine
Ironie der Geschichte, dass es mehr als hundert Jahre dauerte, dass es einer Revolution,
zweier Weltkriege, des Abrisses und des Neubaus bedurfte, bis dieser Thron als Teil der
Afrika-Ausstellungen an dem Ort ankommt, für den er gedacht war.
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
95
Das Humboldt-Forum im Schloss oder „Anders zur
Welt kommen“. Eine Ausstellung als Werkstattblick.
1 Kuratoren der Ausstellung
für das Ethnologische Mu-
seum waren Viola König,
Monika Zessnik und der
Autor.
2 Als Urheber sind unter an-
derem die Stiftung Berli-
ner Schloss - Humboldt-
forum, die Arbeitsgruppe
Initiative Humboldt-Fo-
rum (eine Initiative der
Stiftung Zukunft Berlin),
eine „Anti-Humboldt“-
Bewegung sowie der För-
derverein Berliner Schloss
zu nennen. Dabei werden,
von einer Hervorhebung
der Brüder Humboldt über
eine größtmögliche und
nicht auf die Fassaden be-
schränkte Rekonstruktion
des Schlosses bis zu einer
„antikolonialistischen Be-
wegung“ ganz unter-
schiedliche Interessen ver-
folgt.
2 Zu dieser Zeit wurde von
drei Standorten der Staat-
lichen Museen in Berlin
ausgegangen; Dahlem
sollte außereuropäische
Kulturen, das Kulturforum
europäische Kunst und die
Museumsinsel archäologi-
sche Sammlungen präsen-
tieren.
4 Eine Infobox war bereits
2003, nach dem Beschluss
des ersten Moratoriums
für das Schloss geplant.
Nachdem im Juli 2010
eine sehr kleine Interims-
Ausstellung im Kronprin-
zenpalais vorgestellt wur-
de, fand die immer wieder
verschobene Eröffnung
der „Humboldt-Box“ im
Sommer 2011 statt.
MARKUS SCHINDLBECK1
„Der Neubau des Museums für Völkerkunde zu Berlin ist keine rein interne Verwal-
tungsfrage, sondern ein Grundinteresse der ganzen ethnologischen Welt“ (Graebner
1908: 213). Obgleich diese Aussage von 1908 stammt, könnte man meinen, dass auch
die Pläne für die Neugestaltung der Dahlemer Sammlungen in Berlin-Mitte eine ähn-
liche Breite erfordern würden. Im Gegensatz zu 1908 äußert sich zu dem geplanten
Humboldt-Forum jedoch weniger die ethnologische Welt als vielmehr ein Stimmenge-
wirr aus allen Richtungen.2 Dabei geht es meist nicht um den ethnologischen Teil des
Projektes. Eine der Hauptkontroversen bezieht sich auf die Problematik des geplanten
Wiederaufbaus der drei Fassaden und des Schlüterhofes des Berliner Stadtschlosses.
Durch die Lokalisierung in der Mitte der Stadt erhalten Ort, Gebäude und dessen Inhalt
eine symbolische Bedeutung, die für eine unabhängige, auf ethnologischer Basis beru-
hende Planung des zukünftigen Museums höchst fragwürdig ist. Zum Vergleich sei da-
rauf hingewiesen, dass bei der Errichtung des Musée du quai Branly in Paris niemand
über dessen Lokalisierung in der Nähe des Eiffelturms diskutiert hat. Bei den Vorberei-
tungen für ein neues Ethnologisches Museum in Berlin sollte auch bedacht werden,
dass sich die zeitlichen Verschiebungen inzwischen so oft wiederholt haben, dass von
einem „Mehr-Generationen-Projekt“ gesprochen wird. Nachdem man die auf den
Standort in Dahlem bezogenen, sehr umfangreichen Planungen der 1990er Jahre3 zur
Jahrtausendwende annulliert hatte, wurde die Errichtung des Schlosses 2003 (bis 2007)
und dann nochmals 2010 (bis 2014) mit einem Moratorium versehen, so dass man in-
zwischen von einer Eröffnung frühestens um 2019 ausgeht.
Die Vorbereitungen der Sonderausstellung „Anders zur Welt kommen“ waren durch
die kulturpolitischen Rahmenbedingungen bestimmt. Das erste Gespräch über „Anders
zur Welt kommen“ fand am 9. Juni 2008 beim Präsidenten der Stiftung Preußischer
Kulturbesitz statt, und am 9. Juli 2009 wurde die Ausstellung der Öffentlichkeit präsen-
tiert. Damit wird bereits deutlich, unter welchem zeitlichen Druck gearbeitet wurde. Als
Grund für die Ausstellung führte man ein Informationsdefizit in der Öffentlichkeit über
das Konzept beziehungsweise die Inhalte des Humboldt-Forums an. Da sich die Errich-
tung einer ursprünglich geplanten „Humboldt-Box“, in der nach dem Vorbild der Info-
box am Potsdamer Platz über die Entstehung des Humboldt-Forums mit fortlaufender
Aktualisierung informiert werden sollte, zum damaligen Zeitpunkt weiter verschoben
hatte, und da auch eine Ausstellung im Kronprinzenpalais nicht durchführbar war, ent-
schloss man sich zu einer Präsentation im Alten Museum ab Mitte 2009.4
Im Oktober 2008 wurde das erste Gespräch wieder aufgenommen und ab Dezember
2008 fanden regelmäßige Treffen zwischen Vertretern der Staatlichen Museen, der
Humboldt-Universität und der Zentral- und Landesbibliothek Berlin als den zukünfti-
gen Nutzem des Humboldt-Forums statt. Obgleich das Ethnologische Museum von An-
fang an Bedenken wegen der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit angeraeldet hatte,
wurde bestimmt, dass die Ausstellung im Juli 2009 und damit vor den Sommerferien
sowie vor den Bundestagswahlen im September 2009 zu eröffnen sei. Die Mittel stamm-
ten zwar fast ausschließlich aus dem Etat der Staatlichen Museen, so dass in Dahlem
selbst während des ganzen Jahres 2009 keine Sonderausstellung stattfinden konnte,
dennoch verzichtete die Stiftung Preußischer Kulturbesitz aus kulturpolitisch begründe-
ter Rücksichtnahme auf die Partner des Projektes darauf, einen für die gesamte Ausstel-
96
Schindlbeck, Das Humboldt-Forum im Schloss oder „Anders zur Welt kommen“
lung verantwortlichen Kurator zu bestimmen. Da bei der Humboldt-Universität und der
Zentral- und Landesbibliothek Berlin in Ausstellungsarbeit unerfahrene Mitarbeiter be-
teiligt waren, fiel die Koordinationstätigkeit dem Architekten Harry Vetter zu - eine bei
Ausstellungen höchst unübliche Vorgehensweise.
Zu Beginn der Arbeiten wurde entschieden, dass kein Katalog zur Ausstellung vor-
bereitet werden sollte. Dennoch erschienen mehrere größere und kleinere Publikatio-
nen, die mit der Ausstellung bzw. mit dem Humboldt-Forum Zusammenhängen (Flierl/
Parzinger 2009, Schindlbeck 2009b, Zessnik 2009).5 Der vom Tagesspiegel heraus-
gegebene „Ausstellungsführer“ enthält u. a. stark überarbeitete Texte der Kuratoren zu
den einzelnen Ausstellungsteilen.6 Der Aufsatz von Zessnik wurde vor der Eröffnung
der Ausstellung geschrieben und enthält damit Ideen, die später nicht realisiert wurden,
so z.B. im Raum der Rotunde des Alten Museums: „In der Schinkelschen Rotunde wer-
den in regelmäßigem Wechsel singuläre Exponate des Ethnologischen Museums und
des Museums für Asiatische Kunst ihren Platz finden - abendländische Klassik trifft auf
außereuropäische Kunst“ (Zessnik 2009: 29). Dieser Teil der Ausstellung war gedacht
als Hinweis auf die in vielen Reden immer wieder angeführte Komplementarität zwi-
schen Museumsinsel und Humboldt-Forum. Aus finanziellen Gründen wurde das Vor-
haben später auf eine Plastik von den Marquesas-Inseln reduziert, die auf nicht sehr
große Gegenliebe seitens der Antikensammlung stieß. Hier wurde deutlich, wie schwie-
rig heute noch eine Verbindung von europäischer Kunstbetrachtung und außereuropä-
ischer Ästhetik ist. Ebenfalls nicht verwirklicht wurde eine gestalterische Verwandlung
des Treppenaufganges in den ersten Stock des Alten Museums als Zugang zur Ausstel-
lung, ein äußerst problematischer Zugang im Freien, vor allem im Winter, da die Besu-
cher an der Garderobe im Erdgeschoss ihre wärmende Kleidung abgeben mussten. Die
Konzipierung des Eröffnungsraumes wurde von Maren Eichhorn übernommen, mit ei-
nem Film und Hinweisen auf die Schlossarchitektur sollte der Ort des zukünftigen
Humboldt-Forums erklärt werden.
In den dann folgenden drei großen Raumteilen des Obergeschosses sollten eine his-
torische Einführung („Kunstkammer“), die außereuropäischen Sammlungen und Kon-
zepte für die Zukunft präsentiert werden. Während die Vorbereitung des Teiles „Kunst-
kammer“ in der Zusammenarbeit zwischen Ethnologischem Museum und Humboldt-
Universität durch eine deutliche Abgrenzung der Arbeitsgebiete nur geringe Probleme
aufwarf, stellte sich die gemeinsame Präsentation der Sammlungen des Ethnologischen
Museums und des Museums für Asiatische Kunst als viel schwieriger heraus. Durch die
bestehenden Zwischenwände im Obergeschoss mussten die vier Hauptregionen Ozea-
nien, Asien, Afrika und Amerika in drei Räumen vorgestellt werden. Während von Sei-
ten des Museums für Asiatische Kunst schon seit längerem feststehende Ausstellungs-
konzepte für das spätere Humboldt-Forum übernommen wurden, versuchte das Ethno-
logische Museum, Herangehensweisen und Leitideen einer späteren Ausstellung für das
Humboldt-Forum vorzustellen. Aus diesem Grunde wurde dieser Hauptteil der Ausstel-
lung auch „Welten in Bewegung“ genannt; das Prinzip der Bewegung, der Wandel von
Kunst und Kultur, Migration und Veränderung sollen auch Themen des Humboldt-Fo-
rums sein. Die Schwierigkeit in diesem Hauptteil der Ausstellung bestand vor allem
darin, eine große Anzahl von Kuratoren zu einer Zusammenarbeit zu motivieren, die in
dieser Weise bisher nicht stattgefunden hatte. Vor allem der methodische Ansatz des
Blick- oder Perspektivenwechsels - unterschiedliche Erzählpositionen zu den Objekten
oder Objektgruppen sollten eine Multivokalität ermöglichen, um auch modernen ethno-
logischen Ansprüchen an eine Interpretation von Kulturen besser Genüge leisten zu
können - stellte die Mitarbeiter vor große Probleme.
In der vorbereitenden Phase stellte sich jedoch der dritte Teil als viel kontroverser
heraus, sollte er doch „Visionen für die Zukunft“ enthalten und alle drei Nutzer des Hum-
boldt-Forums einschließen.7 ln zahlreichen Sitzungen wurden Möglichkeiten durch-
5 Im Nachhinein stellt sich
diese Entscheidung als
falsch heraus, vor allem
im Hinblick auf die dann
doch gemachten, sehr un-
terschiedlichen Publika-
tionen.
6 Obgleich alle Texte im
Ausstellungsführer ohne
Autorenangaben veröf-
fentlicht wurden, geschah
dies nicht für den Kunst-
kammerteil seitens der
Humboldt-Universität.
Man könnte hier darüber
spekulieren, dass die
Humboldt-Universität der
Autorenschaft von Texten
mehr Gewicht beimisst als
die Staatlichen Museen zu
Berlin.
7 Eine nicht weiter verteilte
Broschüre zur Ausstellung
erschien schon 2008 mit
dem Titel „Vision Hum-
boldt-Forum. Die Welt in
der Mitte Berlins“.
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
97
8 Entsprechend sollte auch
auf den Sammlungsbe-
stand der Humboldt-Uni-
versität bzw. der Zentral-
und Landesbibliothek
Berlin zurückgegriffen
werden, was besonders in
Bezug auf die Humboldt-
Universität nicht gesche-
hen ist.
9 Die Agentur MetaDesign
hatte schon für die Aus-
stellungen „Azteken“,
«Das MoMA in Berlin“,
«Die schönsten Franzosen
kommen aus New York“
und „Babylon“ gearbeitet.
10 Der Architekt konnte sei-
ne Arbeit erst im Februar
2009 aufnehmen.
'' Horst Bredekamp wollte
den Raum ursprünglich
nur „Kunstkammer“ nen-
nen.
' ~ Von den zahlreichen
Äußerungen greife ich
hier folgende heraus:
«Während das Wirken
Wilhelm von Humboldts
S1ch mit der Museumsin-
sel verbindet, einer huma-
nistischen Bildungsland-
schaft, die mit ihren mehr
als sechstausend Jahren
Menschheitsgeschichte
das Werden Europas do-
kumentiert, ist Alexander
v°n Humboldt der geistige
Vater des Schlossplatzes
als Humboldt-Forum, das
sich der Welt öffnet und
Kompetenz in Weltver-
ständnis vermittelt“
(Lehmann 2006: 116).
Vgl. auch Lehmann 2009.
gespielt. Unklar blieb auch die Einbeziehung der zeitgenössischen Kunst, die für das
Humboldt-Forum immer wieder erwähnt wird, vor allem für den Bereich der so ge-
nannten Agora. Schließlich konnte man sich auf das Konzept eines „Labors der Zu-
kunft“ einigen.
Die Ausstellung sollte nicht en miniature das spätere Humboldt-Forum zeigen, son-
dern ein Experimentierfeld, work in progress und Ansätze einer Präsentation vorstellen.
Auch sollte sie auf die innerhalb der Staatlichen Museen8 vorhandenen Objekte zurück-
greifen und nicht Leihgaben präsentieren, um deutlich zu machen, welche „Schätze“
dereinst in das Humboldt-Forum einziehen würden. Leider ist der Aspekt des work in
progress in der Öffentlichkeit nicht genügend wahrgenommen worden bzw. konnte
nicht vermittelt werden. Die Schwierigkeiten der Vermittlung begannen jedoch schon
vorher, so beim Titel der Ausstellung und der Werbung. Im Frühjahr 2009 wurde seitens
der Berliner Agentur MetaDesign9 ein Workshop mit den drei Nutzem des Humboldt-
Forums abgehalten, um eine Kommunikationsstrategie für das Humboldt-Forum zu
entwickeln. Als ein Folgeprodukt dieses Workshops entstand der Titel der Ausstellung,
der leider in seiner Formulierung zu zahlreichen Missverständnissen führen musste.
Dem Titel stimmten während einer Sitzung bei der Agentur MetaDesign alle drei am
Humboldt-Forum beteiligten Institutionen zu. Das Plakat, das in dem um 180 Grad ge-
drehten Bild eines Vulkans (Bezug zu Alexander von Humboldt) die Idee der Umkeh-
rung aufnimmt, die auch in der Ausstellung thematisiert wird, war wie der Titel leider
einem allgemeinen Publikum kaum verständlich; auch ging aus dem Text des Plakates
nicht hervor, welche Ausstellung den Besucher erwartete.
Die Gestaltung der Ausstellung wurde in die Hände von harry vetter team gelegt.
Harry Vetter hatte im Sommer 2008 ebenfalls unter großem Zeitdruck an der Bearbei-
tung des Konzeptentwurfes des EM für das Humboldt-Forum mitgewirkt. Man wird es
als eine große Leistung ansehen müssen, dass das harry vetter team in der so knapp
bemessenen Zeit die Ausstellung termingerecht aufgebaut hat.10 Wie oben erwähnt, war
die Ausstellung in drei große Teile gegliedert. Nach dem einführenden Raum mit dem
Schlossmodell des preisgekrönten Architekten Franco Stella und dem Film zur Einstim-
mung in die Schlossgeschichte folgte der Raum zur Geschichte und Entstehung der
Sammlungen, der schließlich den Titel trug „Von der Kunstkammer zum Museum“.11
Ganz zu Beginn wurde auf die Bedeutung von Gottfried Wilhelm Leibniz für das Hum-
boldt-Forum hingewiesen, der besonders in seinem Text „Dröle de pensée“ eine Vision
der Kunstkammer als Denk- und Aktionsraum vorgetragen hatte. Dieser Text wurde
dem Besucher mit audiovisuellen Mitteln, vor allem einer großen beleuchteten Wand-
installation, nahe gebracht. Eine vollständige Kopie der Seiten des Inventarbuches der
Kunstkammer von 1694 sollte die Besucher auf den Beginn des musealen Sammelns
verweisen.
Dass das Humboldt-Forum die „Fortentwicklung Leibniz’scher und Humboldt’scher
Ideen mit den Mitteln und in den Formen des 21. Jahrhunderts sei“, wie von Larissa
Förster behauptet (2010; 244), ist vom Ethnologischen Museum und seinen Mitarbei-
tern nie propagiert worden. Diese Vorstellung sowie insbesondere die Hervorhebung
von Leibniz gehen vielmehr auf den Einfluss zurück, den der Kunsthistoriker Horst
Bredekamp auf die Planungen der Sonderausstellung und des Humboldt-Forums insge-
samt ausgeübt hat. Auch die Hervorhebung von Humboldt war nie Konsens der Wissen-
schaftler des Ethnologischen Museums, zumal sich immer die Frage gestellt hat, auf
welchen der beiden Humboldts man sich bezieht. In den anfänglichen Darstellungen,
besonders von Klaus-Dieter Lehmann,12 wurde vor allem auf Alexander von Humboldt
und seine Reisen in exotische Länder verwiesen, während Wilhelm von Humboldt für
die Kunstsammlungen auf der Museumsinsel stand. Tatsächlich war Wilhelm von Hum-
boldt selbst dagegen, die damals schon existierenden ethnographischen Sammlungen in
das 1830 eröffnete Alte Museum aufzunehmen (Westphal-Hellbusch 1973: 8), und erst
98
Schindlbeck, Das Humboldt-Forum im Schloss oder „Anders zur Welt kommen“
vor kurzem - der genaue Zeitpunkt wäre noch festzustellen - wurde er den founding
fathers des Humboldt-Forums zugerechnet. Zwar erkennt Förster den Bezug auf die
Kunstkammer als einen Versuch der Legitimation, aber dennoch missversteht sie ihn:
Legitimiert werden sollte nicht der Wiederaufbau des Schlosses, sondern die Entschei-
dung, mit außereuropäischen Sammlungen in ein Schloss in der Mitte Berlins zu ziehen.
Ich kann Förster dagegen nur zustimmen, wenn sie „die Herleitung der ethnologischen
Sammlungen aus der kurfürstlichen Kunstkammer“ als „[hjöchst problematisch“ be-
zeichnet (2010: 246). Das Ethnologische Museum hat sich immer gegen diesen Ansatz
gewandt und konnte ihn insoweit zurückdrängen, als dass die Präsentation der Kunst-
kammer auf die Hälfte des ersten Raumes der Ausstellung reduziert wurde.
In unterschiedlich großen Nischen waren im zweiten Raum der Ausstellung Objekte
zu den Themen „Naturalia“ (Produkte der Natur wie z.B. Enten), „Scientifica“ (z.B.
Messgeräte) und „Artificialia“ (z.B. Artefakte aus exotischen Materialien) zu besichti-
gen. Der Labor-Charakter der Kunstkammer wurde durch in der Mitte des Raumes auf-
gestellte Tische verdeutlicht, auf dem die Besucher mit Stempeln ihre eigene Kunst-
kammer-Sammlung zusammenstellen konnten. Die Mitte des Raumes war bestimmt
durch die Büsten von Alexander und Wilhelm von Humboldt, die einen Tisch mit Do-
kumenten zu ihrer Arbeit umgaben. Eine gesonderte Nische wies auf die Bedeutung von
Alexander von Humboldt für Lateinamerika hin, während auf der gegenüberliegenden
Seite eine Bücherwand und weiteres Archivmaterial die Bedeutung von Wilhelm von
Humboldt für die Anthropologie, für die Berliner Universität und für die Linguistik
verdeutlichen sollten.13 Besonders die Aktivitäten von Alexander von Humboldt erlaub-
ten eine Überleitung zu den folgenden Sammlungen der frühen Reisenden im 19. Jahr-
hundert, die den Grundstock für das Ethnologische Museum bilden.14 Neben den da-
mals zufälligen Sammlungen von Offizieren und Diplomaten gab es jedoch auch zahl-
reiche Reisende mit Sammlungsaufträgen, die mehr oder minder gezielt Ethnographica
zusammenstellten. Als Abschluss des Raumes füngierte eine Büste von Adolf Bastian
neben einem Tisch mit unterschiedlichen Karten von Reisenden, die die Besucher in die
Hand nehmen konnten. Eine Nische mit Zitaten von Reisenden und ihren Zielorten
Abb. 1 Zweiter Raum der Ausstellung mit der Büste von Adolf Bastian, im Hintergrund rechts eine
Rekonstruktion eines Schrankinhaltes der Amerikanischen Archäologie und Gegenstände von
Sammlungsreisen aus dem 19. Jahrhundert.
13 Auch hier entzündete sich
so mancher Konflikt: Es
war nicht die Aufgabe der
Ausstellung, über die bei-
den Humboldts zu berich-
ten, dazu hatte es schon
genügend eigene Ausstel-
lungen, gerade auch in
Berlin, gegeben. Es solle
lediglich auf den (oder
die?) Namensgeber des
Humboldt-Forums hinge-
wiesen werden.
14 Zu diesen frühen Reisen-
den gehören u. a. Prinz
Maximilian zu Wied,
Friedrich Sellow, Balduin
Möllhausen, Ferdinand
Weme, Julius Heinrich
Petermann, Emil Hermann
von Schlagintweit; von
den Sammlungen dieser
Reisenden wurden Bei-
spiele gezeigt.
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
99
Abb. 2 Raum mit Modulen des Ethnologischen Museums und des Museums für Asiatische Kunst,
im Vordergrund Bootsmodelle der Südsee.
15 Die Sammlungsaktivität
von Bastian selbst wurde
mit Beispielen aus dem
Iran und von Südostasien
vorgestellt.
16 Aus konservatorischen
Gründen war eine mög-
lichst getreue Imitation
der Aufstellung jedoch
nicht möglich.
12 Die Aufstellung dieses
Fresko war ebenfalls ein
^kulturpolitischer“ Kom-
promiss, der sich nicht
folgerichtig aus der Aus-
stellungskonzeption ergab.
18 Die gestalterischen Mög-
lichkeiten des Architekten
waren hier sehr einge-
schränkt durch die obliga-
torische Übernahme von
Vitrinen aus dem Bestand
des Alten Museums, die
nicht beiseite geräumt
werden konnten. Dadurch
kam es zu einer störenden
Diskrepanz zwischen Vit-
rinen- und Objektgrößen.
Zur Kritik vgl. auch Förs-
ter 2010 und meine Erwi-
derung darauf von 2011;
vgl. auch Schindlbeck
2009a für eine Retrospek-
tive.
verdeutlichte das globale Netz, das im späten 19. Jahrhundert ausgeworfen wurde, um die
Mengen von zu „rettenden“ Ethnographica nach Berlin zu schaffen. Diese von Bastian
gewünschte Dokumentation aller Regionen der Welt,15 die ja bekanntlich zu einer Über-
füllung des Berliner Museums führte, d. h. die Fülle der Sammlungen, wurde am Ende
des Raumes mit zwei Magazinschränken angedeutet, einmal die Rekonstruktion des
Bestandes eines Schrankes mit amerikanischen Archäologica, und einmal ein Schrank
voller Waffen aus Afrika.16
Der Übergang in den Hauptraum wurde durch ein restauriertes Fresko aus dem Be-
stand des Museums für Asiatische Kunst gebildet.17 In den folgenden Räumen wurde
Ozeanien anhand von Waffen aus Polynesien, verschiedenen Bootsmodellen vor allem
aus Mikronesien und Darstellungen des Motivs „Krokodil“ aus Neuguinea präsentiert.
Aus Asien standen sakrale Bildwerke Südasiens, indonesische Schattenspielfiguren und
Darstellungen des chinesischen Kaisers aus der Qianlong-Zeit, gefolgt von Schleiern in
islamischen Gesellschaften, persischer Lackmalerei unter den Qadscharen und Objekte
nomadischer Viehzüchter den Besuchern zur Ansicht. Objekte aus Afrika, darunter
Messingplastiken aus dem Königreich Benin und Kunstwerke der Chokwe, sollten den
Wechsel von einer ethnologischen hin zu einer historischen Betrachtung verführen. Eini-
ge wenige afrobrasilianische Kultobjekte bildeten den Übergang zum amerikanischen
Kontinent, mit u. a. Gegenständen zum rituellen Ballspiel in Mesoamerika, moderner
indianischer Kunst und Fotografien von Frank A. Rinehart.
Insgesamt wurde dieser mittlere Teil der Ausstellung am meisten kritisiert.18 Neben
den Ansätzen einer multiperspektivischen Präsentation sollte er auch den Modulcharak-
ter der zukünftigen Ausstellungen im Schloss verdeutlichen. Dieser war entstanden aus
der Situation heraus, dass in Zukunft die Sammlungen von den Ausstellungen räumlich
getrennt sein werden. Die Brüche in der Geschichte des Konzeptes für das Humboldt-
Forum sind an der Öffentlichkeit unbemerkt vorübergegangen. Die geplante Auslage-
rung der ethnologischen Sammlungen nach Friedrichshagen, mit der der Gedanke eines
„Welt-Archivs“ im Humboldt-Forum aufgegeben werden musste, fand in der Sonder-
ausstellung „Anders zur Welt kommen“ keinerlei Erwähnung. Sie taucht auch in der
100
Schindlbeck, Das Humboldt-Forum im Schloss oder „Anders zur Welt kommen“
Presse nur ganz selten auf, wurde allerdings von Michael Oppitz in seinem Beitrag zu
einem von Thomas Flierl und Hermann Parzinger herausgegebenen Sammelband er-
wähnt: „Die gewaltige Menge des Sammelgutes wird jedoch auf Dauer in den Kata-
komben der Magazine verschwinden und - wie man beiläufig erfährt - nicht im Hum-
boldt-Forum am Schlossplatz, sondern in Dahlem und Friedrichshagen ausgelagert
bleiben“ (2009: 152). - Leider irrt Oppitz, wenn er meint, dass „vielleicht ein Viertel der
Bestände partiell sichtbar“ bleiben würde (2009: 152). Dazu müsste man 125.000 Ge-
genstände ausstellen, was auch mit den geplanten Schaumagazinen und wechselnden
Ausstellungen nicht möglich sein wird. Eine Digitalisierung der Bestände kann die For-
schung an den Objekten selbst nie ersetzen. Gerade diese im Zusammenhang mit dem
Humboldt-Forum so oft angeführte Frage der Forschung an den Objekten gewinnt an
Brisanz, wenn man die Situation an den Museen kennt, bei denen der Zugang zu den
Beständen wie in Paris und in den USA streng geregelt oder (wie seit vielen Jahren in
Hamburg und in rezenter Zeit auch in Leipzig) vollständig verwehrt ist, weil die Samm-
lungen verpackt sind. Wenn für Oppitz die Zukunft der Ethnologie in den Archiven
liegt, weil „die indigenen Gesellschaften der alten Ethnographie [...] nicht mehr [sind],
was sie - vermutlich oder nicht - einmal waren“ (2009: 152), so gilt es, andere Bedin-
gungen in den Museen zu schaffen.
Der mittlere Teil der Ausstellung enthielt einige mutige gestalterische Details wie
eine doppelt seitenverkehrte Landkarte, die pixelartig aufgelöst war, herabhängende
Leittafeln vergleichbar mit einer Abflughalle, oder auf Stativen montierte Texttafeln.
Dieser Teil hatte besonders mit einer Überfüllung an Objekten und Texten zu kämpfen,
da mehrere der beteiligten Wissenschaftler sich nicht bei den Objekten beschränken und
auch den vorgegebenen Textmengen nicht folgen wollten. Da es keine eindeutige Ent-
scheidungsstruktur gab, mussten zahlreiche ungute Kompromisse eingegangen werden.
Die Fülle der Texte drohte die Besucher zu erschlagen, vor allem in den auf großen
Stativen angebrachten so genannten Perspektiven bzw. unterschiedlichen Erzählweisen
zu Objekten. Den Übergang zum letzten Raum bildete die Vorführung eines Filmes als
Kunstinstallation; „Muhheakantuck - Everything Has a Name“, von Matthew Bucking-
ham. Der Film zeigt einen Flug über die Halbinsel von Manhattan und erzählt dabei die
leidvolle Geschichte der Indianer. Da der Film nur als 16 mm-Kopie gezeigt werden
durfte, führte die permanente Vorführung des Filmes zu einem ständigen Ausfall des
Projektors.19
Im letzten Ausstellungsraum betrat der Besucher ein modernes Labor, in dem er die
aktive, vor allem forschende und vermittelnde Arbeit der drei Partnerinstitutionen ken-
nenlernte. Dies geschah in der Ausstellung anhand von verschiedenen Projekten mit
unterschiedlichen Methoden: Analyse und Interpretation durch modernste naturwissen-
schaftliche Arbeitsweisen; die Untersuchung der kulturellen Bedeutung von Objekten
für die Identitätsbildung der heutigen Nachfahren der Ursprungskulturen; Möglichkei-
ten der Zugänglichkeit zu Objekten, Texten usw. durch moderne Technologien. An den
Wänden des Raumes waren zahlreiche Kojen untergebracht, in denen Besucher sitzen,
liegen, lesen oder auch Musik hören konnten. Die Idee der Kojen ging auf die Anregun-
gen von Jonas Fansa (Zentral- und Landesbibliothek Berlin) zurück. Oberhalb der Ko-
jen waren Filme bzw. Bilder zu sehen, die die einzelnen Projekte vorstellten. Am Ende
des Raumes hatte man überraschenderweise noch im April ein so genanntes „gläsernes
Labor“ eingefügt, um dessen Größe und Auswirkung bis in die letzten Tage vor Ausstel-
lungsbeginn gerungen wurde. An der Stirnwand des Raumes wurde auf Wunsch der
Humboldt-Universität noch eine Projektion angebracht, welche Pressekommentare zum
Humboldt-Forum projizieren sollte. Dazu konnte man über SMS eigene Kommentare
zum Humboldt-Forum an die Wand werfen lassen.20 Insgesamt war dieser Raum ver-
mutlich der anschaulichste und gestalterisch am besten gelungene der gesamten Aus-
stellung.
19 Als Erklärung für die Ein-
beziehung dieser Installa-
tion muss angeführt wer-
den, dass das Thema
„zeitgenössische Kunst“
als Teil des zukünftigen
Humboldt-Forums (bzw.
der Agora) in der Ausstel-
lung angesprochen werden
musste, so dass dieses
Kunstwerk von Seiten der
Neuen Nationalgalerie
vorgeschlagen wurde.
20 Auch diese technische
Projektion war nur zu Be-
ginn der Ausstellung aktiv,
da man nicht bereit war,
zusätzliches Geld für eine
Programmierung zu inves-
tieren.
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
101
-1 Während verschiedene
Beiträge der Frankfurter
Allgemeinen Zeitung
schon seit langem gegen
einen Einzug der ethnolo-
gischen Sammlungen in
das „Schloss“ zu Felde
ziehen, ist in der Süddeut-
schen Zeitung auch ein
zustimmender Beitrag zu
»Anders zur Welt kom-
men“ erschienen: „Das
hätte man nicht gedacht,
dass es so schön werden
würde, so aufregend inter-
essant“ (SZ 09.07.2009).
Abb. 3 Letzter Raum der Ausstellung mit Darstellung von Projekten, im Vordergrund Gegenstände aus
Nordamerika und der Südsee.
Die KLritik an der Ausstellung war sogar noch über ein Jahr später zu vernehmen.
„Die mit großen Erwartungen befrachtete Werkstattausstellung , Anders zur Welt kom-
men4 im Alten Museum hat eigentlich nur deutlich gemacht, was man im Humboldt-
Forum alles nicht sehen will: Krabbelkisten, Schilderwälder, Schiffesammlungen, Zu-
sammengewürfeltes und um die Ecke Gedachtes. Der überzeugendste Teil der Ausstel-
lung war gerade der von dem Kunstgeschichtler Horst Bredekamp kuratierte histori-
sche, jener also, der nach den Vorstellungen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz im
künftigen Weltkulturenmuseum das geringste Gewicht haben soll“ (Kilb 2010).21 Wie
oben dargestellt, ist der Raum „Von der Kunstkammer zum Museum“ keineswegs von
Horst Bredekamp allein kuratiert worden, sondern zusammen mit dem Ethnologischen
Museum.
Die Ausstellung hat den Besuchern erstmals zahlreiche Gegenstände zeigen können,
die bisher weder in Sonder- noch in Dauerausstellungen zu sehen waren. Ferner hat sie
zum ersten Mal Wege beschritten für eine gemeinsame Ausstellung von Kunst und Eth-
nographien aus dem südasiatischen Raum. Die Vielfalt in dem Projekt-Raum war für
zahlreiche Besucher ein besonderes Erlebnis. Die historischen Bezüge der frühen
Sammlungen waren ebenfalls so noch nicht präsentiert worden. Die einseitige Beto-
nung der Multivokalität auf Textfassungen war leider aus Kostengründen erfolgt, hätte
doch eine Einbeziehung verschiedener Medien für die Vermittlung der unterschied-
lichen Perspektiven auf die Objekte den finanziellen Rahmen gesprengt. Leider ist die
Begleitung der Ausstellung durch eine offensive Öffentlichkeitsarbeit nicht erfolgt, ja
man hatte den Eindruck, dass nach der Eröffnung und den ersten kritischen Stimmen
von den Veranstaltern die Ausstellung vergessen oder verdrängt worden war. Damit
wurde auch deutlich, wie gering die Zusammenarbeit der an dem großen Projekt Hum-
boldt-Forum beteiligten Wissenschaftler war. Mangelnde Teamarbeit, offen vorgetrage-
ne Kritik aus den eigenen Häusern und offensichtliche Vernachlässigung der Öffentlich-
keitsarbeit trugen mit dazu bei, dass die Ausstellung nicht der Erfolg wurde, der sie
hätte sein können.
102
Schindlbeck, Das Humboldt-Forum im Schloss oder „Anders zur Welt kommen1
Literaturverzeichnis
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2009 Das Humboldt-Forum im Schloss. Ein Werkstattblick. Berlin: Verlag Der Tagesspiegel.
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Schindlbeck, Markus
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2009 Anders zur Welt kommen. Spk. Magazin der Stiftung Preußischer Kulturbesitz 1: 29-31,
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
103
Die Humboldt-Box - Erfolgreich auf dem Weg zum
Humboldt-F omm
ANITA HERMANNSTÄDTER
Abb. 1 Die Humboldt-Box
auf dem Schlossplatz.
Staatliche Museen zu
Berlin - Preußischer
Kulturbesitz. Foto:
A. Brörmann, 2011.
Im Sommer 2011 wurde auf dem Berliner Schlossplatz die Humboldt-Box eröffnet, die
über die Geschichte des Ortes, die geplante Teilrekonstruktion des Berliner Schlosses
und seine künftige Nutzung als Humboldt-Forum informiert. Als temporäres Gebäude
wird sie die konzeptionelle Ausarbeitung und bauliche Umsetzung dieses höchst ambi-
tionierten Zukunftsprojekts bis zur geplanten Fertigstellung im Jahre 2019 mit wech-
selnden Ausstellungen begleiten. Der Humboldt-Box kommt die wichtige Aufgabe zu,
die öffentliche Aufmerksamkeit für das kulturelle Großvorhaben zu erhöhen, Zustim-
mung eines breiteren Publikums für die inhaltliche Konzeption zu erzeugen und nicht
zuletzt die notwendigen Spendengelder für die Rekonstruktion der historischen Fassa-
den, des Schlüterhofes und der Schlosskuppel einzuwerben. Als Vorbild diente die Info-
box, die von 1995 bis 2001 die Bauarbeiten am Potsdamer Platz begleitete. Auch die
Humboldt-Box sollte ihren Betrieb zeitgleich mit dem Baubeginn für das Humboldt-
Forum aufnehmen. Dessen erneute Verschiebung durch die Bundesregierung im Juni
2010 um mindestens drei Jahre sorgt jedoch dafür, dass sich Sinn und Zweck des Infor-
mationszentrums zumindest in der Anfangszeit nicht auf den ersten Blick erschließen,
die Funktion der Baubegleitung zunächst weitgehend entfällt und damit die Ausstellun-
gen im Inneren an Bedeutung gewinnen.
Entworfen wurde das fünfstöckige Gebäude mit Aussichtsterrasse auf die künftige
Großbaustelle vom Berliner Architekturbüro Krüger Schuberth Vandreike. Das Infor-
mationszentrum für das größte Kultur- und Bauvorhaben in Deutschland beruht auf
einer Public-Private-Partnership zwischen dem Fand Berlin, welches das Grundstück
zur Verfügung stellte, und einem Privatinvestor, der Firma Megaposter GmbH aus Neuss,
spezialisiert auf Großflächenwerbung im Stadtraum, die zugleich für den Betrieb ver-
104
Hermannstädter, Die Humboldt-Box - Erfolgreich auf dem Weg zum Humboldt-Forum
antwortlich ist. Die Refinanzierung erfolgt über die Eintrittsgelder, die Vermietung der
vierten Etage als Veranstaltungsfläche sowie über kommerzielle Werbung an der Hum-
boldt-Box und am späteren Bauzaun.
Ein Großteil des Gebäudeinneren steht jedoch den Protagonisten und Akteuren des
Zukunftsprojekts Humboldt-Forum mietfrei zur Verfügung. In der ersten Etage infor-
mieren der Förderverein für den Wiederaufbau des Berliner Schlosses e.V und die Stif-
tung Berliner Schloss - Humboldtforum als Bauherrin über die Geschichte des Ortes
und das Bauvorhaben. Auf ca. 1.000 m2 Ausstehungsfläche, verteilt auf drei Etagen,
präsentieren die Partner im Humboldt-Forum, das Ethnologische Museum und das Mu-
seum für Asiatische Kunst der Staatlichen Museen zu Berlin, die Humboldt-Universität
sowie die Berliner Zentral- und Landesbibliothek ihre Konzeptideen in einem gemein-
samen Auftritt. Ein „Humboldt-Parcours“ mit elf exemplarischen Themenmodulen, die
rund um den Globus führen, soll einen Vorgeschmack auf die inhaltliche Vielfalt und
Attraktivität des künftigen Zentrums der Weltkulturen geben und zugrunde hegende
methodisch-konzeptionelle Herangehensweisen illustrieren. Die Frage nach der Rele-
vanz der überwiegend historischen Sammlungsbestände für aktuelle Anliegen und The-
men verbindet die inhaltlich voneinander unabhängigen Module ebenso wie das Aufzei-
gen von Globalisierungsphänomenen und interkulturellem Austausch als Teil einer
weltweiten Beziehungsgeschichte in mehreren Bereichen. Den Abschluss bildet die
Humboldt-Lounge der Bibliothek mit multimedialen Vertiefungsangeboten zur Ausstel-
lung, bequemen Sitzmöbeln und einer spektakulären Aussicht auf die gegenüberliegen-
de Museumsinsel.
Da der Infopavillon mit seinem Standort an einer touristischen Flaniermeile überwie-
gend Gäste anzieht, die nicht unbedingt über Vorwissen verfügen oder ganz allgemein
mehr über das Projekt Berliner Schloss - Humboldt-Forum erfahren möchte, galt es, die
Ausstellung möglichst allgemeinverständlich, unterhaltsam sowie generationsübergrei-
fend umzusetzen. Gestaltet wurden die Räume vom Kölner Ausstellungsbüro res d.
Aufgrund der fehlenden Klimatisierung in der Humboldt-Box ist die Präsentation von
Originalobjekten aus dem Bestand der Museen nur begrenzt möglich. Diese technisch
bedingte Einschränkung bot jedoch die Chance, neue und für die Museen eher unge-
wohnte Formen der Inszenierung zu erproben, die die Ausstellungsplanung für das
Humboldt-Forum bereichern können. So spielen narrative Elemente sowie interaktive
und multimediale Installationen in der Humboldt-Box eine wesentlich größere Rolle als
dies später im Humboldt-Forum mit seinem Fokus auf kulturhistorisch und künstlerisch
wertvollen Exponaten der Fall sein wird.
Themenhäppchen zur Vorfreude
In der Auftaktausstellung der Humboldt-Box sind die außereuropäischen Sammlungen
der Staatlichen Museen mit insgesamt sechs Themenbereichen vertreten, die im Wesent-
lichen auf der Grundkonzeption für das Humboldt-Forum von 2008 beruhen, aber auch
- vor allem im Bereich des Museums für Asiatische Kunst - neuere Überlegungen auf-
greifen, die im April 2010 beim ersten Treffen des International Advisory Board öffent-
lich vorgestellt wurden.1 Wie die bisher vorliegenden Konzeptideen der Museen in der
Humboldt-Box beispielhaft umgesetzt wurden, soll hier an drei ausgewählten Themen-
bereichen näher erläutert werden.
Mit zwei Themenmodulen, einem Schaudepot sowie einem Meeting Point für Veran-
staltungen folgt der Ausstellungsbereich des Ethnologischen Museums der strukturellen
Grundkonzeption für das Humboldt-Forum. Außerdem ermöglicht es die Integration
einer klimatisierten Großvitrine als Schaudepot attraktive, empfindliche Objektgruppen
aus Naturmateriahen zu zeigen, die zumindest einen Einblick in den Reichtum der eth-
1 Die Beiträge und Ergeb-
nisse des International Ad-
visory Board: The Presen-
tation of the Ethnological
Museum and the Museum
of Asian Art in the Hum-
boldt-Forum, 6.-8. April
2011 in Berlin werden im
Jahrbuch der Stiftung
Preußischer Kulturbesitz
2011 publiziert.
105
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
Abb. 2 Die Verwandlungs-
maske des Nulis be-
grüßt die Besucher.
Die Humboldt-Box
zeigt eine Kopie,
das Original befindet
sich in der Daueraus-
stellung des Ethnolo-
gischen Museums.
Staatliche Museen zu
Berlin - Preußischer
Kulturbesitz. Foto:
A. Hermannstädter,
2012.
nologischen Sammlungen geben. Die beiden Themenmodule erläutern beispielhaft in-
haltliche Leitlinien des Konzeptes wie die Kooperation mit indigenen Partnern, Multi-
perspektivität als prinzipielle Herangehensweise und die kritische Auseinandersetzung
mit der Erwerbungsgeschichte des Hauses.
Zu Beginn der Ausstellung begrüßt eine Verwandlungsmaske, die die Ahnenfigur
eines indianischen Klans an der Westküste Kanadas darstellt, das Publikum. Solche
Masken werden bis heute bei Potlatch-Festen der Kwakiutl getragen und symbolisieren
die Großzügigkeit, mit der Gäste empfangen und beschenkt werden. Im Gegensatz zum
Original, das in der Dauerausstellung des Museums in Dahlem aufgeklappt zu sehen ist,
erlaubt es der mit einer Mechanik ausgestattete Nachbau in der Humboldt-Box, die
Maske in Bewegung zu erleben und damit die Verwandlung - das Öffnen der Arme als
Willkommensgeste - nachzuvollziehen. Ausgewählt wurde dieses Objekt nicht nur,
weil es auf die in den 1880er Jahren erworbene, international herausragende Sammlung
der Nordwestküsten-Kulturen im Ethnologischen Museum hinweist, sondern auch we-
gen seiner symbolischen Bedeutung für die Kooperation mit indigenen Partnern. Denn
erst durch einen Forschungsaufenthalt des Kwakiutl William Wasden 2007 in Berlin
wurden der mythologische Kontext der Maske und ihr heutiger ritueller Einsatz be-
kannt.
Eine Folge dieses Besuchs war das vom Bundesministerium für Bildung und For-
schung von 2009 bis 2012 geförderte Forschungsprojekt „Eine Geschichte - zwei Per-
spektiven“, das die inhaltliche Grundlage für dieses Modul bildete, ln Kooperation mit
dem indigenen Kulturzentrum in Alert Bay (Kanada) soll eine Datenbank für die Nord-
westküstensammlung erstellt werden, die den weltweiten Zugriff sowie eine gemein-
same Bearbeitung der Objekte ermöglicht. Das Ausstellungsmodul, das von Rainer Ha-
toum kuratiert wurde, stellt ausgehend vom Besuch William Wasdens die Geschichte
der Sammlung vor und gibt einen Einblick in das Forschungsprojekt und den Stand der
digitalen Erfassung (vgl. Hatoum 2011).
Das zweite Themenmodul des Ethnologischen Museums, das von Michaela Oberho-
fer konzipiert wurde, widmet sich der ungewöhnlichen Geschichte und der sich wan-
delnden Bedeutung eines Herrscherthrons aus Bamum in Kamerun, den König Njoya
106
Hermannstädter, Die Humboldt-Box - Erfolgreich auf dem Weg zum Humboldt-Forum
Abb. 3 „Der König und sein
Thron“ - Themen-
modul des Ethnolo-
gischen Museums
mit multiperspek-
tivischer Medien-
installation.
Staatliche Museen zu
Berlin - Preußischer
Kulturbesitz.
Foto: A. Kleuker,
2011.
1908 Kaiser Wilhelm II. zum Geburtstag schenkte (vgl. Oberhofer 2010). Die meisten
Afrikawissenschaftler und Ethnologen gehen heute davon aus, dass dieser Akt die be-
reits bestehende politische Allianz zwischen dem Königreich Bamum und der deut-
schen Kolonialmacht stärken sollte. Vor dem Hintergrund reziproker Austauschprozes-
se unter Verbündeten im Kameruner Grasland erwartete Njoya vermutlich eine adäquate
Gegengabe vom deutschen Kaiser, die allerdings ausblieb. Die wissenschaftliche Deu-
tung des Vorgangs blieb aufgrund des kolonialen Kontextes lange Zeit umstritten eben-
so wie das Verhalten des Königs Njoya, der bis heute in Bamum als Förderer kultureller
und technologischer Errungenschaften verehrt wird, jedoch auch als Kollaborateur ver-
urteilt wurde.
Die Kontroversen um Thron und König, aber auch die ästhetische Ausdrucksstärke
des Objekts boten ideale Ausgangsbedingungen, das Thema multiperspektivisch zu prä-
sentieren. Im Zentrum des Ausstellungsmoduls steht eine Fotografie des Königsthrons,
der zu den bedeutendsten Stücken im Ethnologischen Museum zählt, umringt von fünf
Filminstallationen, in denen sich je eine Person zu dem Thema äußert. Die Afrikawis-
senschaftler Stefanie Michels und Andreas Eckert erläutern aus wissenschaftlicher
Sicht die Geschichte des Objektes und den Wandel der Interpretationen im Laufe der
Zeit. Zakari Njoya Monti, ein in Deutschland lebender Enkel des Königs, schildert die
besondere Bedeutung seines Vorfahren für das Königreich Bamum. Peter Junge, Kustos
der Afrika-Sammlung am Ethnologischen Museum, reflektiert kritisch die Erwerbungs-
geschichte seiner Abteilung. Einen ganz anderen Zugang schildert der Designer Mark
Kwami, für den die Begegnung mit dem Thron im Ethnologischen Museum zu einem
Schlüsselerlebnis für die Entwicklung eines eigenen, vom Reichtum der Formenspra-
che Afrikas inspirierten Stils wurde. Diese unterschiedlichen Blickwinkel, die gleichbe-
rechtigt nebeneinander stehen, illustrieren die Bandbreite an Fragestellungen, mit denen
man sich dem Thema nähern kann, zeigen deren Kontextgebundenheit auf und ermun-
tern zugleich, den eigenen Blick infrage zu stellen und womöglich ganz neue Zugänge
zu entwickeln. Das Ausstellungsmodul veranschaulicht eine Variante, wie Multiper-
spektivität als Leitbegriff für das Humboldt-Forum in der Praxis umgesetzt werden kann
und fordert zu einer Auseinandersetzung mit dem Potential, aber auch mit den Grenzen
dieser zentralen Konzeptidee heraus. So ist kritisch zu hinterfragen, welche Auswahl-
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
107
kriterien angesichts der geradezu unerschöpflichen Vielfalt der Möglichkeiten zugrunde
gelegt werden, wer letztendlich bestimmt, welche Stimmen im Humboldt-Forum zuge-
lassen werden und wie Besucher mit einem solch multiplen Deutungsangebot umgehen.
Das Museum für Asiatische Kunst ist mit zwei Themen vertreten. Das Museum will
auch im Humboldt-Forum weiterhin den Charakter eines klassischen Kunstmuseums
beibehalten, wird aber stärker als in der Dahlemer Dauerausstellung einzelne Objekt-
gruppen und Kunstwerke in den Kontext ihrer Entstehungsgeschichte einbetten. Unge-
wöhnliche, überraschende Inszenierungen sollen die Präsentationen bereichern. Wie
eine solche Umsetzung aussehen könnte, zeigt die Humboldt-Box im Kleinen. Während
ein Themenmodul die Rekonstruktion einer Tempelhöhle der Seidenstraße mit origina-
len Wandgemälden für die Ausstellung im Humboldt-Forum vorstellt, geht es im zwei-
ten Bereich um chinesisches Porzellan, das seit dem späten 14. Jahrhundert massenhaft
in der Stadt Jingdezhen produziert und in alle Welt exportiert wird. Das von Herbert
Butz konzipierte Modul richtet den Blick auf die Produktionsprozesse selbst, auf Han-
delswege sowie frühe Globalisierungsphänomene und veranschaulicht den Kulturtrans-
fer von Ost nach West.
Die zentrale Installation präsentiert wertvolle chinesische Porzellanteller des 17. Jahr-
hunderts, die mancherorts noch in Porzellankabinetten von Schlössern zu bewundern
sind, umringt von Stapeln heutiger Massenware. Das Großfoto eines Porzellanmarktes
in Jingdezhen aus dem Jahre 2010 integriert die Exponate augenfällig in die über Jahr-
hunderte ungebrochene Tradition der Porzellanherstellung in China und zieht den Be-
trachter mitten in das lebendige Handelstreiben. In Ergänzung zu diesem Modul läuft
nebenan, im Meeting Point, mehrmals am Tag ein Video der Tate Modem von 2010, das
die Entstehung der Arbeit des Konzeptkünstlers Ai Weiwei „Sunflower Seeds“ zeigt.
Das Werk besteht aus Millionen von Sonnenblumenkernen aus Porzellan, die in Jing-
dezhen hergestellt wurden. Da nicht nur das Museum für Asiatische Kunst wie schon
bisher, sondern auch das Humboldt-Forum als Ganzes der zeitgenössischen Kunst
Raum geben will, verweist dieser Film auf die Zukunftsplanung.
Abb. 4 „Made in China -
Porzellan für die
Welt“ - Themen-
modul des Museums
für Asiatische Kunst.
Staatliche Museen zu
Berlin - Preußischer
Kulturbesitz. Foto:
A. Kleuker, 2011.
108
Hermannstädter, Die Humboldt-Box - Erfolgreich auf dem Weg zum Humboldt-Forum
Anders als erwartet - Medienresonanz und Gästefeedback
Schon vor ihrer Eröffnung sorgte die Humboldt-Box für Aufregung in den Medien. Im
Tagesspiegel fühlte sich Lothar Heinke erschlagen von einem „architektonische(n) Mons-
trum in galaktischen Ausmaßen“ und kritisierte den „Kotzbrocken“ als Fremdkörper im
klassischen Umfeld. Ein launiger Beitrag mit Star-Wars-Zitaten in den Tagesthemen
verschaffte der Empörung überregionale Aufmerksamkeit, indem die Humboldt-Box
als „Koloss“ mit dem „Charme einer Mülltonne“ vorgeführt wurde. Tags darauf fragte
der Berliner Kurier nach den Verantwortlichen des „hässlichen Gebildes“, das in einem
Folgeartikel als eine der Berliner „Bausünden“ und „Schand-Klops“ bezeichnet wurde.
Mag man jedoch der Online-Befragung der Zeitung Glauben schenken oder sie zumin-
dest als Indiz werten, so folgten nur 51 % der teilnehmenden Leser diesem vorgegebe-
nen Urteil („hässlich“). Fast ebenso viele (49 %) hielten die Humboldt-Box durchaus
für „gelungen“.
Auch die Haltung in den Medien wurde mit der Eröffnung der Humboldt-Box am
29. Juni 2011 und einem Besuch der Ausstellung differenzierter. „Außen pfui, innen
hui!“ titelte der Berliner Kurier noch am selben Tag und lobte die hohe Erlebnisqualität
im Innern. Während Jens Bisky in der Süddeutschen Zeitung das Fehlen eines überzeu-
genden Gesamtbildes, eines „sinnlichen Eindruck(s)“ und Andreas Kilb in der Frank-
furter Allgemeinen Zeitung den Mangel an Originalobjekten und „Phantasielosigkei-
ten“ in der Umsetzung des musealen „Amuse-Gueule“ beklagten, würdigte Thomas
Loy im Tagesspiegel „was moderne Museumspädagogik aus verstaubten Depots he-
rausholen kann“, obgleich die Präsentation als „äußerst unterhaltsam, wenn auch nicht
unbedingt nachhaltig bildend“ empfunden wurde. In der Berliner Morgenpost wandte
sich Gabriela Walde gegen notorische „Nörgler und Kritiker“ der Schlossplatz-Planun-
gen und zeigte sich begeistert von der Ausstellungskonzeption: „Die Idee [des Hum-
boldt-Forums, A.H.] ist so überzeugend wie zukunftsweisend - sie anspruchsvoll zu
vermitteln, ist den Ausstellungsmachern der Box gut gelungen. Der Besucher wandelt
auf den Spuren des Humboldtschen Ideals des ewigen Forschers und neugierigen Welt-
reisenden - und das macht Spaß (...). Freilich sind das spezielle Themen-Häppchen,
doch sie zeigen, welches erstaunliche und verborgene Potenzial Berlins Museen und
ihre Sammlungen haben.“ Einer solchen Argumentation folgte auch Eckhard Fuhr in
der Welt, wohingegen Andreas Rosenfelder in einem Contra-Artikel kritisierte, dass die
„außereuropäischen Schätze (...) in dieser als Miniaturmuseum getarnten PR-Installa-
tion wie Billigware in einem Souvenirshop“ wirken würden. Aber selbst die Frankfur-
Abb. 5 „Schätze der Seiden-
straße“ - Themen-
modul des Museums
für Asiatische Kunst.
Staatliche Museen zu
Berlin - Preußischer
Kulturbesitz. Foto:
A. Kleuker, 2011.
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
109
2 Angaben siehe Quellen-
und Literaturverzeichnis.
3 Handzählung in den bei-
den Ausstellungsetagen,
die sich ausschließlich
dem Humboldt-Forum
widmen. Gesamtzahl der
Besuche seit Eröffnung
am 29. Juni 2011 bis
31. August 2012: 321.928;
Besuche im Juli: 64.569 /
im August 2011: 38.995;
niedrigste monatliche Be-
suchszahl seit November
2011; im Januar 2012 mit
12.498, höchste Besuchs-
zahl im April 2012 mit
21.527 Besuchen.
4 Die Besuchsstatistik der
Besucher-Dienste der
Staatlichen Museen zu
Berlin zum Dahlemer
Standort liegt nur bis Mai
2012 vor. Seit Januar 2011
wurden nur im November
und Dezember 2011 sowie
im Januar 2012 mehr als
10.000 Besuche gezählt.
Die durchschnittliche mo-
natliche Besuchszahl lag
2011 bei knapp 9.000.
5 Diese Möglichkeit der
Rückmeldung haben 388
Personen seit Einführung
am 10. Januar 2012 bis
zur letzten Auswertung
am 27.7.2012 genutzt. Ne-
ben einem freien Feld für
Bemerkungen können fol-
gende Kategorien durch
das Ankreuzen von fünf
Feldern von sehr gut bis
schlecht bewertet werden
(Ergebnis in Klammer):
„Ausstellungsinhalt“ (54 %
sehr gut), „Ausstellungs-
texte“ (45,9 % sehr gut),
„Ausstellungspräsenta-
tion“ (61,3 % sehr gut),
„Interaktive Medien“
(60,1 % sehr gut), „Wege-
führung & Information“
(52,1 % sehr gut), Perso-
nal & Service vor Ort“
(58,4 % sehr gut) und
„Eintrittspreis“ (44,9 %
sehr gut).
ter Allgemeine Zeitung kam nach einem zweiten Besuch, diesmal von Peter Richter, zu
einem versöhnlichen Fazit: „Man könnte die Sache einfach einmal hinnehmen, die
ideologischen Scheuklappen an der Kasse abgeben (...); dann hat man nämlich einen
überraschend unterhaltsamen Nachmittag.“ Mit etwas mehr Abstand resümierte Joa-
chim Günther in der Neue Zürcher Zeitung die Medienkritik im Nachbarland; „Lustig
ist, dass die auf Zeit errichtete FIumboldt-Box gleich nach ihrer Eröffnung vorige Wo-
che mit ähnlicher Schärfe kritisiert wurde, wie man das aus den Grundsatzdebatten über
Sinn und Unsinn des Schlossbaus kennt. Die Exponate aus den ethnologischen Samm-
lungen, seien es indianische Masken oder chinesische Porzellane, fanden die Kritiker
nicht sensationell genug, die ökologischen und botanischen Demonstrationen [der
Flumboldt-Universität, A.FI.] zu oberflächlich. Natürlich sind die Möglichkeiten einer
Info-Box limitiert, ihre Auskünfte denkbar bündig, ihre Inszenierungen möglichst kind-
gerecht. Wer sich aber einmal im sonntäglichen Gedränge durch die Ausstellung schob,
wird sagen: Nur so geht es.“ Als im Februar 2012 der 250.000 Gast der Humboldt-Box
medienwirksam vom Regierenden Bürgermeister Berlins begrüßt wurde, revidierte so-
gar Lothar Heinke sein vernichtendes Urteil und berichtete über den Erfolg des „zu-
nächst wegen seiner architektonischen Form etwas gewöhnungsbedürftigen Gebäudes“.2
Die Ausstellung in der Humboldt-Box, die einen kleinen, spielerischen Vorgeschmack
auf mögliche Themen und Umsetzungsformen im Humboldt-Forum gibt, vermag sicher-
lich nicht die Kritiker des Nutzungskonzeptes oder Freunde des Kunstgenusses zu über-
zeugen. Enttäuscht werden auch diejenigen, die die Präsentation einer übergreifenden,
integrativen Gesamtkonzeption für alle Bereiche des Humboldt-Forums erwarten, da
diese erst noch im Entstehen begriffen ist. Aber dennoch zeigt bereits das Medienecho,
dass es mit der Ausstellung in der Humboldt-Box durchaus gelungen ist, Sympathie für
die Konzeptideen und ihre Umsetzung zu erzeugen sowie Fürsprecher für das Zu-
kunftsprojekt zu mobilisieren.
Im Gegensatz zur geteilten Pressekritik findet die Ausstellung in der Humboldt-Box
sehr großen Anklang bei den Gästen. Für einen Publikumserfolg sprechen auch die
hohen Besuchszahlen. Nach gut einem Jahr Laufzeit wurden mehr als 320.000 Besuche
in der Ausstellung zum Humboldt-Forum gezählt. Nach dem ersten Ansturm mit mehr
als 64.500 Besuchen im Juli und fast 39.000 im August 2011 pendelt sich die durch-
schnittliche Anzahl seit November vergangenen Jahres auf ca. 15.000 Besuche im Mo-
nat ein.3 Diese hohe öffentliche Aufmerksamkeit für das Projekt Humboldt-Forum ist
besonders erfreulich, wann man bedenkt, dass der gesamte Museumskomplex Dahlem
mit dem Ethnologischen Museum, dem Museum für Asiatische Kunst und dem im De-
zember 2011 wiedereröffneten Museum für Europäische Kulturen selten mehr als
10.000 Besuche im Monat vorzuweisen hat. Die Gesamtzahl belief sich dort 2011 auf
107.434 Besuche, was zeigt, dass die Humboldt-Box an ihrem prominenten Standort
deutlich mehr Menschen erreichen kann.4
Dass die Besucherinnen und Besucher noch dazu sehr zufrieden sind mit dem Darge-
botenen, belegen Rückmeldungen und eine seit Februar 2012 kontinuierlich durchge-
führte, repräsentative Umfrage. „Kompliment! Ein Museum zum Stöbern und Verwei-
len“, „Interessant und kurzweilig auch für Kinder“, „Unglaublich liebevoll arrangiert!“,
„Sehr unterhaltsam und informativ“, „Excellent display“ - mit solchen Kommentaren
würdigen viele die Ausstellung auf „Feedbackkarten“5, die vor Ort als strukturiertes
Gästebuch dienen. Mehrfach werden dabei die ansprechende Gestaltung, der hohe In-
formationsgehalt und die Vielseitigkeit der Themen sowie ihre anschauliche Vermitt-
lung und insbesondere die Kinderfreundlichkeit positiv hervorgehoben. In den Katego-
rien, die auf den Karten bewertet werden können, finden die Ausstellungspräsentation,
der Einsatz interaktiver Medien und der Ausstellungsinhalt besonders hohen Zuspruch.
Die vergleichsweise seltene Negativkritik konzentriert sich auf das Fehlen eines „logi-
schen Zusammenhangs“ in der Präsentation, die von manchen als „verwirrend“ oder
110
Hermannstädter, Die Humboldt-Box - Erfolgreich auf dem Weg zum Humboldt-Forum
„oberflächliches Anschneiden der Themen“ wahrgenommen wird und somit das Modul-
konzept als solches kritisiert.
Obgleich solche Rückmeldungen keineswegs repräsentativ sind, bestätigen die ers-
ten Ergebnisse einer professionellen Besucherumfrage6 die mehrheitlich positive Reso-
nanz der Gäste. Auf einer Skala von 1 (vollkommen zufrieden) bis 5 (vollkommen un-
zufrieden) erhält die Humboldt-Box als Institution insgesamt mit 1,76 eine sehr gute
Bewertung. Aber auch die Zufriedenheit mit der besuchten Ausstellung ist sehr hoch,
wobei die interaktiven Medienstationen mit der Note von 1,53 am besten abschneiden
(zum Vergleich: Gesamteindruck: 1,7; Beschriftung: 1,71; Umfang der Ausstellung:
1,82). Wie an diesem Standort zu erwarten war, kommt die Mehrheit der Gäste nicht aus
Berlin und besucht die Ausstellung in der Humboldt-Box nur einmal (93,7 % Erstbe-
such). 44,73 % der Gäste haben ihren Wohnsitz im Bundesgebiet, nur 22,21 % stammen
aus dem Ausland. Mit 35 % ist jedoch der Anteil der Berlinerinnen und Berliner mehr
als ein halbes Jahr nach Eröffnung immer noch beachtlich hoch. Fast die Hälfte aller
Besucher (45,23 %) wird erst durch Außenwerbung am Haus auf die Humboldt-Box
aufmerksam und kommt damit zufällig in die Ausstellung. Dass diese nachhaltig positiv
empfunden wird, belegt eine hohe Weiterempfehlungsrate. 20,6 % der Gäste besuchen
die Humboldt-Box, weil ihnen Freunde, Bekannte oder Familienmitglieder davon be-
richtet haben.
Die bisherige Auswertung der Evaluationsmaßnahmen belegt, dass die Ausstellung
zum Humboldt-Forum äußert positiv rezipiert wird und bei einem breiten Publikum auf
große Zustimmung stößt. Inwieweit sich tatsächlich eine Zustimmung zu den vor-
gestellten Konzepten daraus ergibt und welche Vorstellung die Ausstellung vom künf-
tigen Humboldt-Forum hervorruft, müsste jedoch durch intensivere, qualitative Unter-
suchungen erforscht werden. Umgekehrt würde die Humboldt-Box mit ihrem hohen
Besucheraufkommen eine ideale Plattform bieten, um die Wünsche und Erwartungen
an das Zukunftsprojekt zu ergründen und diese in die Planungen einfließen zu lassen.
Auch eine Nichtbesucherbefragung würde aufschlussreiche Ergebnisse zum Image
der Humboldt-Box, aber auch zur Haltung in der Bevölkerung dem Projekt Berliner
Schloss - Humboldt-Forum gegenüber ergeben.
Fazit und Ausblick
Mit der fortschreitenden Weiterentwicklung und Konkretisierung der Konzeption für
das Humboldt-Forum wird die Ausstellung in der Humboldt-Box bis 2019 immer wie-
der modifiziert, ergänzt oder komplett neu gestaltet werden. Schon im ersten Jahr wur-
den Wünsche von Gästen nach mehr Basisinformationen zum Projekt aufgegriffen und
in Kooperation mit der Stiftung Berliner Schloss - Humboldtforum entsprechende Er-
gänzungen im allgemeinen Einführungsbereich vorgenommen. Nach gut einem Jahr
Laufzeit lässt sich sagen, dass die Humboldt-Box mit bisher mehr als 320.000 Gästen
und einer deutlich positiven Resonanz auf die Ausstellung das wichtigste Medium ist,
um mitten in der Stadt ein breites Publikum für die Inhalte des Humboldt-Forums zu
interessieren und für das Zukunftsprojekt zu werben. Insofern kann sie auch weiterhin
als geeignetes Experimentierfeld für einen Testlauf der Konzeption des Humboldt-Fo-
rums und deren Umsetzungsformate in der Öffentlichkeit genutzt werden.
6 Die Ausstellung in der
Humboldt-Box wird seit
dem 13.2.2012 durch
KULMON (Kulturmoni-
toring des Landes Berlin)
evaluiert. Im Vordergrund
stehen Fragen zur Besu-
cherstruktur, die Auskunft
über touristisches Verhal-
ten in Berlin geben. Be-
fragt werden erwachsene
Gäste. Bisher liegt eine
Auswertung von 1.238
Datensätzen, die bis zum
30. Juni 2012 erfasst wur-
Baessler-Archiv, Band 58 (2010)
111
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2012 Magnet Humboldt-Box. Der Tagesspiegel, Ausgabe 14. Februar.
Jarasch, Oliver
2011 Bericht in den Tagesthemen vom 16. Juni.
Kilb, Andreas
2011 Verschämt gehüllt in die Maske des Flotten. Frankfurter Allgemeine Zeitung, Ausgabe 29. Juni.
Loy, Thomas
2011 Innenansichten einer Box. Der Tagesspiegel, Ausgabe 01. Juli.
MOW
2011 Schloss-Klops jetzt eröffnet. Außen pfui, innen hui! Berliner Kurier, Ausgabe 29. Juni.
NKK
2011 Der Schloss-Klops. Wer hat sich das nur ausgedacht? Berliner Kurier, Ausgabe 17. Juni.
Oberhofer, Michaela
2010 Die Wiederentdeckung und Reinterpretation einer verloren geglaubten Afrika-Sammlung aus
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Ohne Autor
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2008 Konzept zur Präsentation der außereuropäischen Sammlungen im Humboldt-Forum, Ethnolo-
gisches Museum und Museum für Asiatische Kunst. Berlin: Staatliche Museen zu Berlin - Preu-
ßischer Kulturbesitz.
Walde, Gabriela
2011 Wissen braucht Zeit. Berliner Morgenpost, Ausgabe 01. Juli.
Konzept zur Präsentation
der außereuropäischen Sammlungen
im Humboldt-Forum
2008
Ethnologisches Museum
Staatliche Museen zu Berlin -
Stiftung Preußischer Kulturbesitz
114
Konzept zur Präsentation der außereuropäischen Sammlungen im Humboldt-Forum 2008
Inhalt
Vorwort...................................................................115
Situation ................................................................117
Einführung ...............................................................124
Das Ethnologische Museum im Humboldt-Forum ...............................134
Treffpunkte: Meet you in the exhibition -
Contact Zones in den Ausstellungen
182
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
115
Vorwort
Das Humboldt-Forum als eines der bedeutendsten kulturellen Bauvorhaben Deutsch-
lands soll zur städtebaulichen Neugestaltung der Mitte der Spreeinsel beitragen und mit
seinem auch in die Zukunft gerichteten kulturellen Angebot den „Dialog der Kunst und
der Wissenschaft“ fördern.
Mit der Entscheidung für das Humboldt-Forum auf dem Schlossplatz wird dieser
herausragende Hauptstadtstandort von hoher geschichtlicher Bedeutung, städtebauli-
cher Akzentuierung und internationaler Ausstrahlung nicht nur urban, öffentlich und
hochwertig gestaltet, sondern es wird ihm eine besonders anspruchsvolle Funktion für
die Zukunft gegeben; als einer der vornehmsten Plätze Berlins und Deutschlands soll er
den Kulturen der Welt gewidmet werden. Berlin kann sich so auf eine sehr wirksame
Weise einer Aufgabe von internationalem Gewicht stellen.
Doch gerade aufgrund der politischen Bedeutung und geschichtlichen Brisanz des
Schlossplatzes wird das Konzept des Humboldt-Forums in der Öffentlichkeit, in Fach-
kreisen und selbst im engsten Kreis der zukünftigen Nutzer besonders kritisch hinter-
fragt.
Das Konzept für ein Forum der Weltkulturen im Zentrum der deutschen Hauptstadt,
gedacht als ein Dialog mit den europäischen Kulturen auf der Museumsinsel, muss
nicht nur heute breit überzeugen, sondern aufgrund der jahrelangen Vorlaufzeit auch für
Themen und Fragen der Zukunft planbar gestaltet werden, womit es sich grundsätzlich
von der Präsentation der alten Kulturen auf der Museumsinsel unterscheidet.
Die Globalisierung der Welt stellt die Menschheit vor immense Herausforderungen.
Unterschiedliche Kulturen entwickeln und begegnen sich in nie da gewesener Geschwin-
digkeit und Komplexität. In dieser Welt werden das Wissen von den globalen Zusam-
menhängen und interkulturelle Kompetenz zur wichtigen Ressource.
Ein Nutzungskonzept, das der Humboldt’schen These von der Gesamtvernetztheit
von Natur und Kultur gerecht werden will, muss gleichermaßen Wissen vertiefend wie
Erlebnis bietend sein, neue Horizonte öffnen, zum Dialog herausfordern und transdiszi-
plinäre Zugänge schaffen. Text- und Bildkultur, Wissenschaft, Film, Theater, Musik
sollen in ihrer Wechselwirkung die Besonderheiten außereuropäischer Kulturen und
ihre Wirkung auf Europa vermitteln.
Das Humboldt-Forum muss sich als ein globales Netzwerk präsentieren, das Kunst-
genuss neben die Auseinandersetzung mit den Chancen und Risiken der Globalisierung
stellt und sich gleichzeitig als ein attraktives Veranstaltungszentrum versteht, als ein
offenes Haus, das in Anlehnung an den alten Volkshauscharakter des Palastes der Repu-
blik nicht auf ein ausgewähltes Spezialpublikum zielt, sondern auf eine nationale und
internationale Besucherschaft mit vielfältigen Interessen.
Nur ein vitaler Ort, der den zutiefst politischen Schlossplatz wiederum politisch nutzt
und mit einer populären Idee verbindet, ist in der Lage, die urbanen Kräfte zu mobili-
sieren und zu bündeln: Alle Kulturen der Erde sind in ihrer gleichberechtigten Eigen-
ständigkeit wichtige Elemente zur Gestaltung und Bereicherung einer neuen globalen
Gesellschaft. Wissen und Anerkennung der Vielfalt von Leben, Denken und Gestalten
der Kulturen sind Voraussetzung für Verständnis, Toleranz und Freiheit.
Im Humboldt-Forum auf dem Schlossplatz werden die Sammlungen der außereuro-
päischen Kulturen und Kunst der Staatlichen Museen zu Berlin erstmals in der Mitte
Berlins ihren weltweit einzigartigen Reichtum entfalten, in engster Allianz mit den
Wissenschaftssammlungen und Forschungseinrichtungen der Humboldt-Universität zu
Berlin einerseits sowie der Zentral- und Landesbibliothek Berlin andererseits, die als
116
Konzept zur Präsentation der außereuropäischen Sammlungen im Humboldt-Forum 2008
größte öffentliche Zentralbibliothek Deutschlands mit ihren vielfältigen Aktivitäten die
Bildungs- und Informationsarbeit des Humboldt-Forums mit größter Breitenwirkung
für alle Schichten der Bevölkerung unterstützen wird.
Die Vermittlung einer kulturellen und interkulturellen Kompetenz wendet sich in
besonderer Weise an die junge Generation: Mit dem Humboldt-Forum auf dem Schloss-
platz entsteht ein öffentlicher Ort, der die Chance zur kulturellen Teilhabe und zur inter-
kulturellen Bildung bietet und insbesondere Kindern und Jugendlichen als primärer
Zielgruppe einen Zugang zu ethischen und ästhetischen Werten, zu Kunst, Geschichte
und Wissenschaft fremder Kulturen erschließt.
Mit dem Humboldt-Forum kehren Museen, Universität und Bibliothek an ihren Ur-
sprungsort zurück. In der Brandenburgisch-Preußischen Kunstkammer waren einst im
Schloss sämtliche Sammlungen und Bibliotheken zu Kunst und Natur noch vereint. Die
Welt als Makrokosmos spiegelte sich im Mikrokosmos der königlichen Kunstkammer
im Schloss.
Mit ihrem Bildungsideal einer fächerübergreifenden Universalgelehrsamkeit zur Be-
förderung der allgemeinen Bildung, der Toleranz und Humanität, die zwischen Alter
und Neuer Welt keinerlei Rangunterschiede mehr kennt, folgten die Brüder Wilhelm
und Alexander von Humboldt der Neugierde der Aufklärung auf die Welt. Bereits da-
mals haben beide diesem kosmopolitischen Ideal mit der Gründung von Museum, Uni-
versität und Bibliothek zu öffentlichkeitswirksamer Verbreitung verholfen.
Das Humboldt-Forum befördert im interdisziplinären Austausch und in der nachhal-
tigen Kooperation von Museum, Universität und Bibliothek nicht nur die Kenntnis über
die Welt, sondern auch mit der Welt. Es lädt Künstler und Wissenschaftler aus aller Welt
als Gäste ein, damit sie dort in der Mitte Berlins ihren Wirkungsort haben.
Hermann Parzinger
Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz
Michael Eissenhauer
Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin
(ab 1.11.2008)
Peter-Klaus Schuster
Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin
(bis 31.10.2008)
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
117
Situation
Struktur des Humboldt-Forums
Das Humboldt-Forum versteht sich als ein globales Netzwerk zur Vermittlung von
außereuropäischen Lebensformen und außereuropäischer Kunst und Kultur durch
Ausstellungen und Veranstaltungen in einer lebendigen Wechselwirkung von Bild- und
Textkultur, Wissenschaft und Forschung, Theater, Film und Musik, in dem sich drei
Hauptnutzer und Partner wechselseitig ergänzen:
• die Staatlichen Museen zu Berlin (SMB) - Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK)
mit dem Ethnologischen Museum (EM) und dem Museum für Asiatische Kunst
(AKu) mit ihren über 520 000 Originalbeständen aus allen Erdteilen - Kulturzeug-
nissen universaler Art, Kunstwerken, Tonaufnahmen, Fotodokumenten und Filmen
- 24 000 m2;
• die Zentral- und Landesbibliothek Berlin (ZLB) mit fünf ihrer Kernbereiche - Tanz/
Bühne, Film, Kunst, Musik, Kinder/Jugend (Teaching Library) - sowie dem Service-
bereich (Service, Ausleihe, Information) - 4000 m2;
• die Humboldt-Universität zu Berlin (HU) mit ihrem Konzeptraum, ihren spezifischen
Aktivitäten und Veranstaltungsformaten zu Wissenschaft und Forschung, aufbauend
auf ihren wissenschaftlichen Sammlungen - 1000 m2.
In der gemeinsam zu nutzenden Agora stehen 9500 m2 und auf den entwurfsabhängigen
Dispositionsflächen weitere 1500 m2 zur Verfügung.
Die geistige Architektur des Humboldt-Forums basiert institutionsübergreifend auf
einem umfassenden Panorama der außereuropäischen Kulturen und Lebensräume in
einem offenen Haus, das sich als lebendiger Präsentationsort einzigartiger außereuro-
päischer Sammlungen, als attraktives Veranstaltungszentrum sowie bedeutendes Forum
für Forschung und Wissensvermittlung im interkulturellen Austausch über die und mit
den außereuropäischen Regionen darstellt.
Die weltbedeutenden außereuropäischen Sammlungen der Staatlichen Museen zu
Berlin - das Ethnologische Museum und das Museum für Asiatische Kunst - bestim-
men das Konzept des Humboldt-Forums, indem sie das in diesen Museen gesammelte
Wissen und Können in ihren historischen und kunsthistorischen Dimensionen verständ-
lich und lebendig für alle Generationen zugänglich machen.
Das geschieht durch
• Ausstellungsmodule des Ethnologischen Museums aus seinen großen Sammlungen:
Afrika, Amerika (Indianer Nord- und Südamerikas, Amerikanische Archäologie), Ost-
asien, Süd- und Südostasien, Islamischer Orient, Südsee (Australien und Ozeanien)
und Musikethnologie zur Vennittlung kultur- und kunsthistorischer Zusammenhänge;
• Ausstellungen zur außereuropäischen Kunst Ost-, Süd-, Südost- und Zentralasiens
unter chronologischen und regionalen Gesichtspunkten;
• gemeinsame Sonderausstellungen beider Museen zu fächerübergreifenden Themen;
• themenorientierte Sonderausstellungen zu aktuellen Fragestellungen als „Schau-
labor“ in Zusammenarbeit mit der Humboldt-Universität zu Berlin und der Zentral-
und Landesbibliothek zu Berlin sowie den Sammlungen auf der Museumsinsel in der
Agora und entsprechenden Ausstellungsbereichen;
118
Konzept zur Präsentation der außereuropäischen Sammlungen im Humboldt-Forum 2008
• Schaffung eines Forums für außereuropäische Gegenwartskunst in der Agora;
• Öffnung bisher öffentlich unzugänglicher Bestände des Ethnologischen Museums
für alle Besucher in Schaumagazinen;
• Öffnung bisher dem Publikum unzugänglicher Bestandsgruppen des Museums für Asia-
tische Kunst aus nichtorganischen Materialien für alle Besucher in Studiensammlungen.
Die Ausstellungen werden begleitet und ergänzt durch gastronomische, musikalische,
literarische und wissenvermittelnde Aktionen - von der Teezeremonie über musikver-
mittelnde Kurse, Lesungen, Tanzrituale, Theateraufführungen, Maskenspiele bis zu Vor-
trägen und Ton- oder Filmvorführungen aus den Sammlungs- und Bibliotheksbestän-
den. Diese finden z. T. auch innerhalb der Ausstellungsbereiche an „Treffpunkten“ statt.
Die Dramaturgie des Humboldt-Forums
Die im Folgenden formulierte Dramaturgie des Humboldt-Forums stellt einen Wunsch
der Nutzer dar, ist jedoch - insbesondere hinsichtlich der Zuordnung bestimmter Funk-
tionen zu bestimmten Ebenen - entwurfsabhängig interpretierbar. Wesentlich ist die
grundsätzliche Wegeführung von unten nach oben, die auch die verschiedenen Besu-
cherströme z. B. der Ausstellungen und der Bibliotheken berücksichtigen muss.
Die Dramaturgie des Humboldt-Forums beginnt mit der Agora. Sie fungiert als Por-
tal zur Welt. Bei ihrer Durchquerung erlebt der Besucher die Welt des 21. Jahrhunderts
in ihrer ganzen kulturellen und medialen Vielfalt auf metropolitanem Niveau. Alle seine
Sinne werden angesprochen - mit einem reichen Programm von Musik-, Theater-,
Film- und Vortragsveranstaltungen sowie einer bunten Fülle an Restaurants, Cafés,
Buchhandlungen und Shops. Die Agora inspiriert die Neugier auf die Wurzeln dieser
kulturellen Vielfalt, auf die großen historischen Zusammenhänge, auf das Gemeinsame
und Trennende.
Kunstkammer (600 m2)
Hier erfahrt der Besucher, dass das Schloss als die historische Mitte Berlins schon früh
ein gemeinsamer Ort der Kunst und Wissenschaft war. Durch die konzeptionelle oder
tatsächliche Rekonstruktion (Raumprogramm: ca. 600 ra2 Dispositionsfläche) von Räu-
men der Kunst- und Wunderkammer reist der Besucher in die Zeit von Leibniz und den
Brüdern Humboldt zurück. Die ehemalige Kunstkammer des Berliner Schlosses, die
Leibniz für sein Modell eines Theaters der Natur und Kunst vor Augen stand, ist die
gemeinsame Urzelle der Staatlichen Museen zu Berlin, der Humboldt-Universität zu
Berlin und der Bibliotheken. Sie umfasste Objekte aus der Antike, Kunst und Kunst-
handwerk, Musik, Natur- und Völkerkunde.
Ausstellungen (20308 m2)
Dieser Bereich umfasst die folgenden Programmflächen:
• Staatliche Museen zu Berlin (17 858 m2)
• Humboldt-Universität zu Berlin (750 m2)
• Konzeptraura (750 m2)
• Sonderausstellungen (1500 m2)
• Lapidarium (200 m2)
Auf dieser Reise durch eine Welt in Bewegung werden die außereuropäischen Kulturen
in ihrer ganzen Lebens- und Kunstvielfalt mit Originalzeugnissen der Bild-, Sach- und
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
119
Tonkultur anschaulich gemacht, unterstützt von allen Medien der Gegenwart. Ausstel-
lungen gehen nahtlos in gläserne Archive über, und verborgene Schätze sind so für den
Besucher neu zu entdecken.
Ziel des Architektur-Wettbewerbs ist es, für das Nutzungskonzept Humboldt-Forum mit
einer Hauptnutzfläche von rund 40000 m2 einen Neubau zu schaffen. Ziel der nachfol-
genden Wettbewerbe ist es, für die Nutzer der Staatlichen Museen zu Berlin auf einer
Fläche von rund 20 000 m2 eine Ausstellungsarchitektur zu entwickeln, die den wech-
selnden Bedingungen heutiger Ausstellungen gerecht wird.
Nicht die klassische Dauerausstellung ist das Ziel, sondern eine belastbare offene
Struktur, welche die Vielfalt, die Veränderungen, die thematischen Wechsel und aktuel-
len Bezüge der Sammlungen anspruchsvoll übersetzt und reflektiert.
Die Wettbewerbe gliedern sich in zwei Phasen:
• Entwicklung eines modularen Raum- und Ausstellungssystems, welches für sämtli-
che Ausstellungsbereiche angewendet werden kann. Dieses System ermöglicht so-
wohl die raumbildende wie auch detaillierte Präsentation von Exponaten und Inhal-
ten in allen Darstellungsformen. Objektpräsentationen, Flächen, Medien, szenische
Bauten, Kunstinstallationen, Lichtinszenierungen und Aktionsflächen können er-
stellt und verändert werden, ohne dass der laufende Betrieb wesentlich eingeschränkt
wird.
• In der zweiten Phase wird der inhaltlichen Gesamtkonzeption folgend das ent-
wickelte System vollständig bespielt. Die Ausstellungsthemen werden nach und
nach so übersetzt, dass sowohl die Identität der jeweiligen Sammlungen als auch der
inhaltlich-gestalterische Gesamtzusammenhang erkennbar bleiben. Nach dieser
„Ersteinrichtung“ können Einzelbereiche immer wieder verändert, ergänzt und be-
wegt werden.
Bestandsaufnahme - Zur Geschichte des Ortes „Schloss“
in Zusammenhang mit den Sammlungen außereuropäischer
Kulturen
„Staunen und Neugier“ - Die Anfänge der Kunstkammer und die
außereuropäischen Sammlungen
In der Brandenburgisch-Preußischen Kunstkammer waren im Schloss Sammlungen zu
Kunst und Natur vereint. Kurfürst Joachim II. von Brandenburg (1505-1571) sandte
zuerst Leute aus, die Seltenheiten und „merkwürdige Dinge“ ankaufen sollten. Die an-
fänglichen Antiken- und Münzsammlungen wurden dann vor allem erweitert von Kur-
fürst Joachim Friedrich (1546-1608) und zu einer „Churfürstlichen Kunstkammer“
ausgebaut. Sie umfasste Edelmetallgeräte, Schmuck, Glas- und Alabasterarbeiten, Ge-
genstände aus Elfenbein und Bernstein. Diese Kunstkammer wurde auch als Schatz
benutzt, um Geschenke an Gäste zu verteilen. Gleichzeitig gab es einen Domschatz,
eine Rüstkammer und eine Silberkammer. Der dreißigjährige Krieg machte diesen ers-
ten Anfängen ein Ende. So begann erst Friedrich Wilhelm von Brandenburg (1620-
1688) die Kunstkammer neu aufzubauen, geprägt von seinem besonderen Interesse für
die Antike und seinen Verbindungen zu den Niederlanden. Um die Mitte des 17. Jahr-
hunderts gab es wieder eine „Antiken-, Kunst- und Naturalien-Kammer“. Die ersten
außereuropäischen Gegenstände sind asiatische Waffen aus Japan, von den Molukken
und aus Sri Lanka und weitere Kunstgegenstände, die über die Ostindische Kompanie
120
Konzept zur Präsentation der außereuropäischen Sammlungen im Humboldt-Forum 2008
erworben worden waren. Brandenburgische Schiffe brachten von einer Afrika-Expedi-
tion 1680 erste „Merkwürdigkeiten“ mit, und 1685 enthielt die Sammlung auch „india-
nische Sachen“. Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg (1657-1713) baute dann diese
Sammlungen weiter aus.
Im 16. und 17. Jahrhundert vertraten die Kunstkammem in Europa ein universalisti-
sches Konzept. Kuriosität und Seltenheit waren als Auswahlkriterien wichtig, nicht die
Herkunft und der Kontext der Gegenstände. Die Objekte waren Beispiele für die Viel-
falt der Schöpfung, Ethnographica waren gleichrangig mit europäischen Gegenständen.
Die Aufstellung geschah nach Material oder Funktion. Als Grundhaltung der Betrach-
tungsweise galten Staunen und Neugier. Die damaligen Kolonialmächte Spanien und
Portugal waren nicht so sehr an Ethnographica interessiert, so dass die Gegenstände
häufig an die anderen europäischen Höfe (z. B. Ferdinand II. mit Schloss Ambras, Ru-
dolf II. in Prag, Albrecht V. in München) weitergegeben wurden. Die Ethnographica,
die nicht dokumentiert waren, bildeten Nebenprodukte des Handels. Nach 1670 traten
erneut Veränderungen auf. Die Entwicklung der Naturwissenschaften und die Entste-
hung von Spezialsammlungen führten zu einer Auflösung des Universalismus, die zu
einer Unklarheit der Zuordnung der Ethnographica führte. Weitere 100 Jahre später
traten durch die Reisen von James Cook wieder Änderungen ein, vor allem durch sys-
tematisch gesammeltes Material.1
Eine „Sammlung außereuropäischer Seltenheiten“ -
Die Kunstkammer um 1800
Nach den Reisen von James Cook zwischen 1768 und 1779, der wissenschaftlichen
Erschließung des Pazifik und der endgültigen Klärung der Frage nach einem „Südkon-
tinent“ sowie nach den Ereignissen der Französischen Revolution gab es eine neue Pha-
se für die Kunstkammer, die schließlich zu ihrer Auflösung führen sollte. Die folgenden
Jahrzehnte waren geprägt von Fissionen der Sammlungen und Neuordnungen der Be-
stände.
Im Jahre 1794 wurden die Sammlungen von Kunstwerken und Naturalien unter die
Leitung des Predigers Jean Henry (1761-1831) gestellt, der eine verstärkte Erwer-
bungspolitik betrieb, wobei er vor allem Münz- und Medaillensammlungen anlegte.
Gleichzeitig trat jedoch eine Teilung der Sammlungen ein, gefördert durch die Spezia-
lisierung bei den Naturwissenschaften. Im Jahre 1798 gab es im Königlichen Schloss
drei Abteilungen, davon war eine die „Kunst- und Raritätenkammer“ mit der „Samm-
lung von außereuropäischen Seltenheiten“. Nach 1805 kam es zur Abtrennung der na-
turkundlichen Sammlungen, in den Jahren 1826-30 zur Abgabe der Kriegswaffen an
das Zeughaus. Organisatorisch wurden die Sammlungen statt der Akademie der Wis-
senschaften den Ministerien unterstellt, zuerst dem Innenministerium 1810, dann 1817
dem Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medicinal-Angelegenheiten.
Diese Jahre waren geprägt von der Auseinandersetzung zwischen der Idee von einem
allumfassenden Museum und der Vorstellung von einem spezialisierten Kunstmuseum.
Jean Henry verteidigte vergeblich bis 1826 den Zusammenhalt der Sammlungen. 1830
kam es zur Aufteilung: Münzen, Medaillen, Gemmen und Vasen kamen in das Antiqua-
rium, Gemälde, Antiken und Skulpturen in Schinkels Neubau (das heutige Alte Muse-
um) und die Ägyptischen Sammlungen mit den „vaterländischen Altertümern“ in das
Schloss Monbijou.
Die Reste der Kunstkammer verblieben im Stadtschloss, mit drei Abteilungen, davon
war eine die Abteilung für Völkerkunde. Schon vorher waren allerdings von Jean Henry
die Ethnographica in einer Sammlung zusammengefasst worden. Die Abspaltungen im
19. Jahrhundert bildeten das Ende der Kunstkammer, die nur dem Namen nach noch
bestand, aber nicht mehr die Idee der Kunstkammer vertrat.
1 Siehe Bujok, Elke, 2004:
Neue Welten in europäi-
schen Sammlungen.
Africana und Americana
in Kunstkammern bis
1670. Berlin: Reimer.
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
121
2 Königliche Museen Ber-
lin, 1880: Zur Geschichte
der Königlichen Museen
in Berlin. Festschrift zur
Feier ihres fünfzigjäh-
rigen Bestehens am
3- August 1880. Berlin:
Reichsdruckerei, S. 48.
3 Vgl. zur Kunstkammer:
Theuerkauff, Christian,
1981: Zur Geschichte der
Brandenburgisch- Preußi-
schen Kunstkammer bis
1800. In: J. Hildebrandt
und C. Theuerkauff (Hg.)
F>ie Brandenburgisch-
Preußische Kunstkammer.
Eine Auswahl aus den
ölten Beständen. Berlin:
Staatliche Museen Preu-
ßischer Kulturbesitz,
S- 13-15; Bolz, Peter,
2007: From Ethnographie
Curiosities to the Royal
Museum of Ethnology.
Early Ethnological Col-
lections in Berlin. In:
Manuela Fischer, Peter
Bolz und Susan Kamel
(Hg.), Adolf Bastian and
Eis Universal Archive of
Eumanity. The Origins of
German Anthropology.
Hildesheim u. a.: Olms
VeHag, S. 173-190.
Wilhelm und Alexander von Humboldt - Ihre Bedeutung für die
ethnologischen Sammlungen
Die beiden Brüder Wilhelm und Alexander von Humboldt haben auf sehr unterschied-
liche Weise Einfluss auf die Entwicklung der Ethnologie und die Geschichte der ethno-
graphischen Sammlungen in Berlin genommen. Als die Entscheidung getroffen wurde,
die königlichen Sammlungen öffentlich zugänglich zu machen, hatte Wilhelm von Hum-
boldt den entscheidenden Einfluss darauf, dass im Alten Museum gegenüber dem
Schloss 1830 Kunstgegenstände, Gemälde und Antiken einzogen, nicht jedoch ethno-
graphische Objekte. Hier wurde die folgenreiche Zäsur gesetzt, die auf eine Förderung
der europäischen Kunst hinauslief; „Wenn aber von Kunst die Rede ist, so muss man
zuerst und hauptsächlich an die antike Skulptur und die Malerei in allen ihren Schulen
und Epochen denken.“2
Die von Alexander von Humboldt auf seinen Reisen 1799-1804 in Mexiko gesammel-
ten „Altertümer“ kamen erst später in die Sammlungen, auch übergab von Humboldt
selbst heute berühmte Steinobjekte nicht der ethnographischen Sammlung, sondern
dem „Mineralogischen Cabinett“, womit er seinem naturwissenschaftlichen Interesse
Ausdruck gab. Wichtiger als diese Beziehungen zur Sammlung waren jedoch von Sei-
ten Alexander von Humboldts die Anregungen für Reisen und die Unterstützung von
Reisetätigkeiten. Die Einflüsse Wilhelm von Humboldts sind vor allem auf dem Gebiet
des Sprachenstudiums und in seiner vergleichenden Anthropologie zu sehen. Beide
Wissenschaftler waren stark geprägt worden von den Schriften und Reisen von Georg
Förster, der mit seinem Vater Johann Reinhold an der zweiten Reise von James Cook
1772-75 teilgenommen hatte. 100 Jahre später wurden die ethnologischen Sammlun-
gen nicht mehr als Kuriositäten angesehen, sondern vom damaligen Generaldirektor
Schöne als den naturwissenschaftlichen Sammlungen „analog“ bezeichnet. Wenn auch
die Jahre vor der Gründung des Museums für Völkerkunde 1873 in der Sammlungstä-
tigkeit noch von vielen Zufälligkeiten bestimmt waren, so sind dennoch die zahlreichen
Reisen und Expeditionen hervorzuheben, auf denen nun gezielt Gegenstände erworben
wurden. Dem Weg der räumlichen Abspaltung von Sammlungen folgten die ethnogra-
phischen Gegenstände der Kunstkammer. In das Neue Museum, das 1843-59 gebaut
worden war, zogen 1856 die Ethnographica ein. Dort waren inzwischen auch die ägyp-
tischen und die prähistorischen Sammlungen untergebracht. Die Objekte unterstanden
weiterhin Leopold Freiherr von Ledebur (1799-1877), der 1830-75 die Kunstkammer
leitete; sie waren also lediglich an einem anderen Ort, aber in der gleichen Organisa-
tionsstruktur geblieben. Sein Assistent war der Hofrat Friedrich Christoph Förster
(1791-1868), ebenfalls Historiker, dessen Nachfolger 1869 Adolf Bastian (1826-1905)
wurde.3
Ein Archiv der Kulturen - Adolf Bastian und die Gründung des
Königlichen Museums für Völkerkunde
Bastian baute einerseits auf dem umfassenden Forschungsansatz von Alexander von
Humboldt auf, in dessen Nachfolge er auch die zukünftige Einrichtung sah, andererseits
war er stark von einem historischen Ansatz geprägt, wie er von Ledebur und Förster ver-
folgt worden war. Die Sammlungen sollten ein einziges großes Archiv der Kulturen wer-
den, um anhand der Objekte die Geschichte der schriftlosen Kulturen zu rekonstruieren.
Die Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte war maß-
geblich beteiligt an der Gründung der nun folgenden Institution, die sich ganz der
Wissenschaft verschrieben hatte. Nach der räumlichen Loslösung vom Schloss kam nun
auch die organisatorische. Im Jahre 1873 erfolgte die Gründung des „selbständigen
ethnologischen und anthropologischen Museums in Berlin“ mit Unterstützung von Ru-
dolf Virchow; der Bau folgte allerdings erst in der Zeit zwischen 1880 und 1886. Das
122
Konzept zur Präsentation der außereuropäischen Sammlungen im Humboldt-Forum 2008
„Königliche Museum für Völkerkunde“ an der damaligen Königgrätzerstraße enthielt
neben den ethnologischen auch prähistorische und anthropologische Sammlungen. In
der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts trafen dann bald so zahlreiche Sammlungen ein,
dass der Neubau schon kurz nach der Eröffnung überfüllt war.
Das Schloss hatte keine Bedeutung mehr für die ethnographischen Sammlungen. Die
Kunstkammer war 1875 aufgelöst worden. Obgleich das Schloss nicht mehr als Gebäu-
de entscheidend war, spielten dennoch die Reichseinigung von 1870 und die Herausbil-
dung von Berlin als Hauptstadt eine große Rolle für die weitere Entwicklung des Muse-
ums. Der Aufbau der Museen mit einem hohen Ankaufsetat ist vor dem Hintergrund der
machtpolitischen Rivalitäten innerhalb des Kaiserreiches zu sehen, wobei dem Schloss
als Residenz des Kaisers eine symbolische Bedeutung zukam. Die angestrebte koloniale
Expansion ging einher mit der Expansion der Sammlungsbestrebungen von Bastian.
Das Museum für Völkerkunde, obwohl Teil der Königlichen Museen, verhielt sich
jedoch distanziert zu den kolonialen Bestrebungen des Kaiserreiches. Obgleich an der
Einrichtung der Kolonialausstellung 1896 mitgewirkt wurde, unterstützte man nicht die
Einrichtung eines Kolonial-Museums in Berlin. Für das Museum stand sein wissen-
schaftlicher Auftrag an erster Stelle.
Aus Bastians Distanzierung zu kolonialpolitischen Ambitionen, die auf eine Erwer-
bung von großen Kolonialgebieten zielten, und der Fokussierung auf die wissenschaft-
lichen Ergebnisse einer späteren Aufarbeitung der zahlreichen Sammlungen ergibt sich
auch die Folgerichtigkeit, dass die Rückkehr der ethnographischen Sammlungen an den
Ort des Schlosses bzw. der ehemaligen Kunstkammer nicht bedeuten kann, dass die
ethnographischen Objekte in der Hülle einer wilhelminischen Gebäuderekonstruktion
präsentiert werden. Eine Darstellung von Gegenständen u. a. aus den Gebieten der ehe-
maligen Kolonien in einem feudalen Ambiente würde einen zeitgenössischen Dialog
mit außereuropäischen Kulturen verunmöglichen.
Dem von Bastian und seinen Nachfolgern gegebenen wissenschaftlichen Auftrag
wurde in zahlreichen Expeditionen und Sammlungsreisen bis zum Ersten Weltkrieg und
teils noch darüber hinaus in vielerlei Hinsicht nachgegangen. Die großen Sammlungs-
bestände konnten schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts nicht mehr Aufnahme finden,
so dass auf königlicher Domäne am Stadtrand ein neuer Standort gesucht wurde. Die
Mittellage von Dahlem zwischen der Stadt Berlin und der Stadt Potsdam sollte bei wei-
terem Wachstum der beiden Städte Gewähr für eine zukünftige zentrale Positionierung
bieten. Die großen Sammlungen aus Afrika, Amerika, Asien und Ozeanien sollten je
eigene Gebäude erhalten, und mit dem Bau für das Gebäude der Asien-Sammlung wur-
de noch vor dem Ersten Weltkrieg begonnen.
Das Schaufenster in der Frontstadt - Das Museum in der Nachkriegszeit
und der Neubau von Dahlem
Diese großräumigen Pläne wurden durch den Ersten Weltkrieg und die nachfolgenden
Wirren und wirtschaftlichen Probleme unterbrochen und erst wieder nach dem Zweiten
Weltkrieg in den 1960er Jahren aufgegriffen. Aber auch der in den 1970er Jahren eröff-
nete Dahlemer Komplex konnte den ethnographischen Sammlungen nicht genügend
Ausstellungsflächen bieten, blieben doch die europäischen Kunstmuseen anders als
vorgesehen wegen der wirtschaftlichen Rezession von 1973 weiterhin in Dahlem. Vor
allem die ethnographischen Sammlungen aus Amerika und aus dem Vorderen Orient,
aber auch wichtige Sammlungsteile aus Afrika und Südasien blieben daher weiterhin
magaziniert. Dennoch boten in der Zeit unmittelbar nach der Auflösung der Kolonial-
reiche das Dahlemer Museum für Völkerkunde und insgesamt der Dahlemer Museums-
komplex mit seiner Vielfalt an Sammlungen ein Vorbild für zahlreiche andere Instituti-
onen. Dahlem war als Publikumsmagnet in der eingeschlossenen Stadt äußerst erfolg-
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
123
reich. Die bei Auszug der europäischen Kunstmuseen in den 1990er Jahren gemachten
Ausbaupläne für Dahlem, das für ein Zentrum der außereuropäischen Kulturen und
Kunst bestimmt worden war, wurden abrupt durch die im Jahre 2000 gefällte Entschei-
dung unterbrochen, die Sammlungen und Ausstellungen in ihrer Gesamtheit in die
Stadtmitte zu verlegen.
124
Konzept zur Präsentation der außereuropäischen Sammlungen im Humboldt-Forum 2008
Einführung
Abb. 1 Ollin, das aztekische
Kalenderzeichen für
„Bewegung“ oder
„Erdbeben“.
Auf zahlreichen Ob-
jekten des Ethnolo-
gischen Museums zu
sehen, symbolisiert
es dynamische Welt-
bilder, d. h. die
stetige Bewegung
des Kosmos und die
Veränderungen auf
der Erde
„Alles ist Wechselwirkung“4
„Ein durch innere Kräfte bewegtes und belebtes Ganzes “5
„Eine allgemeine Verkettung nicht in einfach linearer Richtung
sondern in netzartig verschlungenem Gewebe “6
Alexander von Humboldt über Natur
„ Wahrheit an sich ist kostbar,
kostbarer aber noch die Fertigkeit, sie zu finden “7
Alexander von Humboldt an G. C. Lichtenberg, 3.10.1790
Vision
Die zentrale Idee des Humboldt-Forums
Die Vision für das Humboldt-Forum ist die Welt in der Mitte Berlins. „Welt“ bezeichnet
hier die Welt außerhalb Europas. Sie in einem Hause zu „beherbergen“, unserem Bil-
dungsauftrag gemäß vorzustellen und erlebbar zu machen, ist unser Ziel. Das Hum-
boldt-Forum ergänzt somit die archäologischen und kunsthistorischen Sammlungen auf
der Museumsinsel einerseits und die kulturhistorischen Sammlungen des Deutschen
Historischen Museums andererseits, die sich auf Europa und die so genannte „Alte Welt“
konzentrieren. Das Humboldt-Forum mit seinem Schwerpunkt auf den Sammlungen
Asiens, Amerikas, Afrikas und Ozeaniens folgt dem Ansatz Alexander von Humboldts,
die Welt wissenschaftlich zu deuten und dabei ausdrücklich die Vielfalt menschlichen
Denkens und Schaffens zu berücksichtigen.
Als natürliches außereuropäisches Pendant zu den kunsthistorischen und archäologi-
schen Sammlungen des europäischen Kulturkreises werden die Dahlemer Sammlungen
an prominenter Stelle ganz im Sinne der globalen Sichtweise Alexander von Humboldts
ihren Beitrag zur Weltdeutung leisten.
4 „Reisetagebuch“. In:
Humboldt, Alexander von
1990: Reise auf dem Rio
Magdalena, durch die
Anden und Mexico. Teil II,
übersetzt u. bearb. v.
Margot Faak. Berlin:
Akademie-Verlag, S. 258
5 Humboldt, Alexander von,
1993: Kosmos. Entwurf
einer physischen Welt-
beschreibung (1845).
Bd. 7 der Studienausgabe,
hg. v. Hanno Beck.
Darmstadt: Wissenschaft-
liche Buchgesellschaft,
Teilbd. 1, S. 7
6 Ebda., S. 37.
7 Humboldt, Alexander von,
1940: Briefe Alexander
von Humboldts aus seiner
Frühzeit an Georg Chris-
toph Lichtenberg: Aus der
Humboldt-Sammlung von
Arthur Runge. Leipzig:
J.A. Barth, o.S.
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
125
8 Vgl. z.B. Penny, H. Glenn,
2003: Objects of Culture.
Ethnology and Ethnogra-
phic Museums in Imperial
Germany. Chapel Hill:
l Jniv. of North Carolina
Press; Schiffer, Michael
1999: The Material
Eife of Human Beings.
Artifacts, Behavior and
Gommunication. London;
Taylor & Francis.
Die Vision des Ethnologischen Museums für das Humboldt-Forum
Die Vision des Humboldt-Forums ist Bewegung. Der Aspekt der Bewegung ist in all
seinen Facetten zu verstehen. Bewegung und Kommunikation bilden die Leitmotive für
unsere Ausstellungen.
Bewegung äußert sich:8
• in den Reisen von Sammlern, die Objekte nach Europa verbringen (z.B. Expeditio-
nen seit Alexander von Humboldt);
• in Objekten, die ihren Standort wechseln als Handels- und Tauschware, zuweilen als
Kriegsbeute;
• in Objekten, die zwischen alten und neuen Museumsgebäuden verschoben werden,
zwischen Magazin und Ausstellung;
• in Objekten, die durch die Welt reisen als Exponate in Wechselausstellungen;
• in Objekten, die ihre Authentizitäten wechseln, von ihrer ursprünglichen in andere
Funktionen, als Original oder als Fake.
So, wie sich ein weit gespannter Sammlungsrahmen verändern kann, so können auch im
Detail ausgesuchte Exponate immer wieder ihren Standort verändern. Wie in einem
technischen Logistiksystem „durchwandern“ diese Objekte, z.B. auf einem Laufband,
verschiedene Bereiche und halten Themen permanent in Bewegung. Die Reihenfolge
innerhalb einer Sammlung, von den besonderen Einzelexponaten über weitere Objekt-
gruppen und deren Erweiterungen, bis hin zur Schausammlung kann sich immer wieder
verändern; die möglichen Bewegungsströme innerhalb eines Zeitraumes werden festge-
legt. Die Aufgabe einer systemorientierten Ausstellungsarchitektur ist es, diese Bewe-
gungsströme zu bedienen.
Entsprechend werden in definierten Bereichen Themen ausgetauscht und Themenbe-
züge zueinander immer wieder neu gestaltet. Bewegung geschieht in der Abgrenzung,
der Interpretation und der funktionalen Zuordnung, in der Flexibilisierung der Ausstel-
lungsräume wie der Mobilität der Nutzer und Hersteller.
Bewegung ist
• Handel und Austausch, nicht nur von Waren (Terms of Trade), sondern auch von
Kultur, Ideen und Innovationen, aber auch von Menschen selbst als Gefangene, Gei-
seln, Sklaven, Frauen, Adoptionen etc.;
• Kommunikation zwischen Menschen, sei es zwischen Angehörigen verschiedener
Kulturen, nicht nur in Übersee, sei es zwischen den Angehörigen verschiedener sozi-
aler Schichten oder Funktionsträgem derselben Gesellschaft (z.B. Wissenschaftler,
Künstler, Museumsbesucher), zwischen Lebenden und Toten (Ahnenkulte), Kommu-
nikation ist Perspektivwechsel zwischen den miteinander Kommunizierenden, auch
hinsichtlich ihrer unterschiedlichen Perspektiven auf die Sammlungen und Objekte.
Perspektiven, Wahrheiten - Wechsel der Erzählposition
Doch es existiert nicht nur eine Wahrheit gemäß westlicher Standards und Erkenntnisse.
Ein Gmndprinzip von Bewegung im Humboldt-Forum ist der ständige und gleichzeiti-
ge Wechsel der Erzählposition; Fragen und Antworten an die Objekte als Dialog, im
Wechsel der Regionen, Zeiten und Themen, die sie präsentieren. Das Zulassen unter-
schiedlicher, auch kontroverser Positionen - darin unterscheidet sich das Humboldt-
Forum von den es umgebenden europäischen Museen und Institutionen.
126
Konzept zur Präsentation der außereuropäischen Sammlungen im Humboldt-Forum 2008
Der Wechsel der Erzählposition ist ein Alleinstellungsmerkmal des Humboldt-Fo-
rums.
Bewegung fließt wie die Zeit, gemäß einem linearen oder zyklischen oder als Spiral-
wechsel kulturell definierten Zeitverständnis, denn nichts ist statisch, sondern alles, und
vor allem Kulturen, verändert sich, entsteht, geht unter, wird abgelöst, schwankt zwi-
schen Kontinuität und Diskontinuität, Tradition versus Neuem - selbst und gerade in
einer scheinbar alles vereinheitlichenden globalisierten Welt. Unter den Bedingungen
von Globalisierung, Migration und Transportabhängigkeit zum Überleben (ökono-
misch, ökologisch, kulturell) kann das Humboldt-Forum sich nicht als statisches Gebil-
de präsentieren - weder vor noch hinter seinen Schlossfassaden, die ja so mobil sind
wie das alte gesprengte Schloss, seine Geschichte und die seiner Erbauer selbst. Das
Humboldt-Forum selbst ist „in Bewegung“, „in Emotion“, „in Transit“. Hinter und vor
seinen Fassaden muss es pulsieren.
Ein Humboldt-Forum der Weltkulturen als einen lebendigen „Ort in Bewegung“ zu
definieren, ist über die Konzepte und Programme des Hauses hinaus vor allem auch eine
Aufgabe der Ausstellungsarchitektur, die in der Lage sein muss, unterschiedliche Bewe-
gungsarten zu ermöglichen und zu unterstützen.
Bewegung findet in und zwischen Zeiten und Räumen statt. „Be-weg-ung“ ist der zu
bewältigende Weg und Antriebsmotor (E-motion). Durch das Angebot einer gesteuerten
Besucherführung werden alternativ vom Kurzzeit- bis zum Langzeitbesuch ausgearbei-
tete Wege angeboten. Doch die Wahl des Weges bleibt dem Besucher ebenso überlassen
wie die Geschwindigkeit, er kann seinen Standort wechseln, verändern, auch den Weg
abkürzen - um wiederzukehren.
Techniken, „Tools“ und Manual: Die Darstellung von Bewegung
Gemäß den Sehgewohnheiten 2008, in der die globalisierte und vernetzte Welt vor al-
lem digital kommuniziert, insbesondere die junge Generation, setzen wir unsere Vision
von „Bewegung“ mit Techniken bzw. „Tools“ um, die sich aus der Nutzung des WWW
und hier insbesondere von Google und Wikipedia ableiten. Diesen Zugang versteht je-
des Kind, und er ist in seinem allgemeinen Zugriff zunehmend nicht mehr sprachgebun-
den, sondern bildgesteuert.
Für die professionelle Umsetzung unseres Konzeptes in eine marktgerechte Form
schlagen wir zu einem späteren Zeitpunkt die Einschaltung einer Marketingfirma vor.
Google Earth:
Zoomen von draußen nach drinnen, von drinnen nach draußen. Bezug: global - lokal,
Zentrum - Peripherie (gleichwertig). Historisch gab es verschiedene Weltzentren, He-
gemonien:
Europa/Alte Welt; Mesoamerika/Azteken; Asien/China. In der globalisierten Welt
bewegt man sich zwischen lokalem Ort und der Welt hin und her. Diese Bewegung wird
im Humboldt-Forum aufgegriffen.
Wikipedia:
Hyperlinks, d. h. Verknüpfungen, Verbindungen, Verweise auf Themen und Objekte,
Personen, Sammlungen, Regionen etc. in den Ausstellungen - die Ausstellung als Hy-
pertext. Die Hyperlinks leiten die Besucher durch die Ausstellung. Wir übernehmen das
Hyperlinksystem als Ausstellungsleitsystem.
Eintragungen wie Text, Graphiken, Bilder etc. können jederzeit wieder entfernt, ge-
ändert oder ausgewechselt werden.
Wir gehen davon aus, dass traditionelle Beschriftungssysteme neben neuen stehen
oder ganz ersetzt werden.
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
127
Anhang: Bewegung in den Sammlungen und Ausstellungen
des Humboldt-Forums
Auszustellende Inhalte
• Menschen in Bewegung
- Migration (Raum)
• Kulturen im Wandel (Zeitläufe)
- historische Abfolgen in der Weltkulturgeschichte, Epochenwechsel
(allgemein global)
- Generationswechsel, Rites de Passage (individuell)
- Weltreisen und Expeditionen (hier: Europäer)
• Vielfalt der Kulturen, Charakteristika und ihre transkontinentale, interregionale
Verbreitung und Vernetzung
- gesellschaftliche Normen
- Religionen, Glaubensformen
- Musik
- Technologien
- Ikonographie
Objekt- und Sammlungstransporte, Museumsgründungen
und Institutionsverlagerungen
• Objekte
- von ihrer Herstellung bis zum Exponat
- ihre Präsentation in Museums- und Wechselausstellungen
- Funktion als Repräsentanten der Erinnerung, der Herstellerkultur oder der
europäischen Sammlungsgeschichte
- ist Repatriierung, Rückgabe, Rückführung denkbar? (Human Remains, illegal
erworbenes sowie so genanntes sensibles Kulturgut?)
• Sammlungen
- geschlossene und auseinandergerissene Sammlungen
- Multidisziplinarität der Sammlungen
Bewegung der Präsentationsform
• innerhalb des Humboldt-Forums
- modulare und flexible Ausstellungsarchitektur
- flexibles Leitsystem, auswechselbare Beschriftung
- individuell erstellbare Vermittlungsmaterialien etc. (z.B. Vancouver Datenbank
für Besucher „simpüfied multilayered search“ = Start mit der gesamten Daten-
bank, auch aus anderen Museen, Institutionen; jeweils aktuelle Diskussion im
Internet, „was, wer, wo?“, ggf. daraufhin Änderung der Museumspräsentation)
• außerhalb des Humboldt-Forums
- z. B. durch Elemente, Gegenstände der Bewegung wie Schaukeln, Hängematten,
Karussell, außereuropäische Fortbewegungsmittel
Bewegung im Wechsel der Erzählposition
• unterschiedliche Geschichten über die Objekte bzw. deren Interpretation. Welche Er-
zählpositionen? Wie verändern sie sich bzw. werden ausgetauscht, mit welchem
Ziel?
128
Konzept zur Präsentation der außereuropäischen Sammlungen im Humboldt-Forum 2008
• der Wechsel der Erzählposition, es gibt eine Vielfalt an Erzählpositionen, die An-
erkennung und Formulierung verschiedener Erzählpositionen und Perspektiven ist
Alleinstellungsmerkmal gegenüber den übrigen Museen im Umfeld des Schlossplat-
zes und europäischen („westlichen“) Museen generell. Es wird mehr als nur eine (die
„eigene“) Erzählposition zugelassen. Wechsel zwischen verschiedenen Kulturen und
Authentizitäten, Erzählern, Aspekten, Blickwinkeln aus verschiedenen Zeiten, ver-
schiedenen Räumen, in verschiedenen Sprachen. Welche Wahrheiten gibt es?
Erzählpositionen
1. Kuratoren und Wissenschaftler/wechselnde Theorien und Interpretationsmodelle der
Wissenschaft (Ethnologie, Regionalwissenschaften, Archäologie, Kunstgeschichte, Re-
ligionswissenschaft, Musikwissenschaft etc.) über die präsentierten und thematisierten
Kulturen; Geschichte der Institution, der Fächer
• Kuratoren des Ethnologischen Museums heute
• ehemalige Kuratoren (siehe 100-Jahre-Band Baessler-Archiv)
• Ethnologen, Archäologen, Kunsthistoriker
• Gastwissenschaftler, national, international
• Gastkuratoren, national, international
2. Stimmen der Ursprungskulturen
• Rezeptionsgeschichte außerhalb Europas, z. B. Sinozentrismus, Aztekozentrismus
• indigene Mythen/Ursprungs- und Welterklärungsmodelle etc.
• indigene Interpretation von Objekten, ihrem Ursprung, ihrer Funktion etc.
• Tabus, was ist „heilig“? Was darf gezeigt werden, was nicht? Was darf wem gezeigt
werden, aus der eigenen, der anderen Kultur? Was ist eine angemessene Form, auch
„heilige“ Dinge wie Ritualgegenstände zu zeigen? Umgang mit Mumien, menschli-
chen Knochen, Skeletten?
• aktuelle Revivalbewegungen, Wiederaneignungsprozesse, Neuinterpretationen (Hin-
terfragen europäischer Antike und Geschichte, Infragestellen westlicher Autorität,
„old fashion chronology“, „native people looking back at the Europeans“, MacMas-
ters)
3. Künstlerpositionen
• indigene, unterschiedliche kulturelle Ästhetik
• Künstler der europäischen Moderne und zeitgenössische Künstler
4. Andere Positionen
• Medien, Journalisten, Filmemacher
• Besucher, auch als interaktive Teilnehmer und nicht nur als passive Besucher
Was ist Bewegung?
• Dynamik, Prozess
• Veränderung, Kontinuität, Diskontinuität
• Lineare, zyklische und spiralige Abläufe (z. B. Welterklärungsmodelle, mythische
und historische Prozesse)
• Zeitenwechsel; Vergangenheit - Jetzt - Zukunft
• voreuropäisch, kolonialzeitlich, postkolonialzeitlich
• Blüte, Verfall (z. B. von Staaten, Imperien)
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
129
• Kommunikation, Interaktion, Vernetzung, Austausch (z.B. Handel, Terms of Trade,
inter- und transkontinental, Austausch, Handel und Wandel von Ideen, Erfindungen,
N euschöpfungen)
• Hinterfragen, gibt (gab) es jemals „Reinkulturen“? Mischkulturen, Mestizokulturen.
Kulturelle Entscheidungsmöglichkeit, auch der Besiegten oder Eroberten
• Perspektivwechsel, verschiedene Sichtweisen
• Mobilität, Flexibilität (z. B. Wanderungsbewegungen, Migration)
• Moden als Prinzip des Wandels (z.B. in der materiellen Kultur, welche Aussage
macht Kleidung, was sagt sie über den/die Trägerin, z.B. unverheiratet, verheiratet,
verwitwet)
• Entstehen und Wachsen, Dasein, Vergehen (Leben, z.B. des Individuums, Rites de
Passage)
• Verwandlung/Rückverwandlung (z. B. Alter Ego, Nahual-Vorstellungen)
• Anpassungsfähigkeit an Wetter, Klima, Gezeiten, Tages- und Jahreszeiten (abhängig
von Längen- und Breitengrad, ökologischen Rahmenbedingungen einer Kultur,
menschlichen Eingriffen und Auswirkungen)
• Planeten, Umlaufbahnen (Astronomie in vielen Kulturen)
Einleitende Ausstellung - Von der Kunstkammer zu Adolf Bastian
Als Einführung in die Ausstellungen des Humboldt-Forums kann eine Abfolge von Bil-
dern/Themen vom Vorplatz vor der barocken Fassade bis zu den regional aufgeteilten
Ausstellungsflächen führen.
Dies entspricht einer historischen Bewegung von der Frühen Neuzeit bis zur Situa-
tion des Ethnologischen Museums im 20. Jahrhundert.
Die Abfolge soll zudem durch den Wechsel der historisch-räumlichen Richtung (Ob-
jekte von außen nach Berlin/Erschließung der Welt von Berlin aus) und den Wechsel
von Perspektiven das Prinzip „Bewegung“ unterstreichen.
Von der Gegenwart in die Geschichte
Eintritt vom Museumsvorplatz durch die Fassade. Der Besucher bewegt sich aus der
Gegenwart des Vorplatzes durch die Barockfassade zurück in die Geschichte und trifft
auf die Kunstkammer.
Erste Sammlungen
Die Kunstkammer
Die Kunstkammer enthält Objekte, die in der Frühen Neuzeit nach Berlin gekommen
sind. Dabei gibt es weder eine Trennung in naturkundliche, ethnographische oder künst-
lerische Objekte noch eine Trennung in europäische und außereuropäische Objekte.
Gesammelt wurde „Merkwürdiges“, unabhängig von späteren Klassifikationen nach
geographischen Einheiten oder wissenschaftlichen Disziplinen.
Die Kunstkammer im Humboldt-Forum ist nicht eine l:l-Nachbildung nach alten
Vorlagen. Sie soll als ein „Zitat“ gestaltet werden, z. B. als ein zeitgenössisches Kunst-
werk durch einen Künstler, der allerdings die Originale, sofern vorhanden, mit einbezie-
hen muss. Kunstkammern im Sinne des Aufbewahrens exotischer Kunstwerke, Requi-
siten, Asservate aus fremden Kulturen, sei es als Kriegsbeute, in Verehrung der Vorfah-
ren oder als mächtige Requisiten eines Schamanen, sind keine europäische Erfindung.
Auch dieser Aspekt ist im Humboldt-Forum zu berücksichtigen.
130
Konzept zur Präsentation der außereuropäischen Sammlungen im Humboldt-Forum 2008
Abb. 3 Tongefäß, Chimu
Abb. 2 Westafrikanisches Salzgefäß aus der
Kunstkammer, um 1500
Erschließung der Welt von Berlin/Europa aus
Die seit der Frühen Neuzeit einsetzende Entdeckung und Erschließung der Welt kann nicht nur von Berlin aus dar-
gestellt werden, sondern ist ein europäischer Prozess. Berliner/preußische Aktionen können, eingebettet in diese
Gesamtentwicklung, exemplarisch dargestellt werden.
Handelskolonialistische Unternehmen Preußens
Gründung der Kolonien Groß-Friedrichsburg in Ghana (1681-1721) und Arguin (1685-1721), einer Insel, die heute
zu Mauretanien gehört.
Abb. 4 Groß-Friedrichsburg (Ghana)
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
131
1720 verkaufte Preußen die Kolonien an die Niederländisch-Westindische Kompa-
nie. Der Verkaufspreis umfasste u. a. zwölf Afrikaner, die als Militärmusiker in die Ar-
mee aufgenommen wurden. In der heutigen Mohrenstraße stand die Kaserne, in der sie
untergebracht waren.
Ähnliche handelspolitische Ziele verfolgte die Ende des 18. Jahrhunderts gegründete
Preußische Seehandlung. Von einer ihrer Reisen 1825-30 nach Südamerika, Asien und
in den Pazifik kamen einige Objekte in die Sammlung der Kunstkammer.
Forschungsreisen vor 1850
Mit dem frühen Handelskolonialismus und den spanisch/portugiesischen Koloni-
aleroberungen um 1500 setzte die Erkundung der Welt ein, die sich im 18. Jahrhundert
zur an der Aufklärung orientierten Erforschung der Welt wandelte.
Berlin und Preußen spielten hier zunächst nur eine untergeordnete Rolle. Mit der
Person Alexander von Humboldts und seinen Reisen nach Mittelamerika und Südame-
rika zwischen 1799 und 1804 sowie nach Asien wuchs Preußen eine herausragende
Stellung bei der wissenschaftlichen Erschließung Lateinamerikas zu.
Neben Humboldt gab es aber eine Reihe weiterer Forschungsreisender - einige eben-
falls mit Berliner Ursprung -, die in den Sammlungen des Ethnologischen Museums
ihre Spuren hinterlassen haben. Dazu gehören u. a. der von J. C. Graf von Hoffmannsegg
ausgesandte Friedrich Wilhelm Sieber (Brasilien), Maximilian Prinz zu Wied (Brasilien
und Nordamerika), James Cook, Johann Reinhold und Georg Förster (Südsee, Nord-
amerika) sowie Hermann Schlagintweit (Tibet und Mongolei).
Abb. 5 Maisgöttin, Azteken
132
Konzept zur Präsentation der außereuropäischen Sammlungen im Humboldt-Forum 2008
Abb. 6 Federzepter, Mundu-
rucü, Brasilien
Frühe Sammlungen bis 1859
Diese Forschungsreisen zwischen der Mitte des 18. und der des 19. Jahrhunderts führ-
ten nicht zu großen systematischen kulturgeschichtlichen Sammlungen. Oft in der Zahl
eher klein, gehören diese Sammlungen aber wegen ihres Alters zu den wichtigen Ob-
jektgruppen des Ethnologischen Museums. Sie sind Ausdruck frühen wissenschaftli-
chen Interesses an der außereuropäischen Welt und unterscheiden sich somit von den
eher zufällig zusammengetragenen „Merkwürdigkeiten“ der Kunstkammer. In einer ex-
emplarischen Auswahl sollen sie als Teil der Geschichte des Erforschens und Sammelns
unter dem Einfluss der Aufklärung hier ausgestellt werden. Je nach Größe der Samm-
lung werden Teile von ihnen auch in den regionalen Ausstellungsbereichen präsentiert.
Die Aneignung der Welt im Kolonialismus
Die Kolonialinteressen Preußens und nach der Reichsgründung des Deutschen Reiches
beschränkten sich anfänglich auf den Ausbau des Handels. Es war der spätere erste
Direktor des Museums für Völkerkunde, Adolf Bastian, der die Verbindung von wissen-
schaftlicher Erforschung und der Erschließung von Handelsmöglichkeiten für Preußen
durch die von ihm mitgegründete „Afrikanische Gesellschaft“ propagierte. Sie ermög-
lichte ihm Anfang der 1870er Jahre seine Reise nach Afrika an die Loango-Küste, von
der er auch erste Sammlungen aus dem Gebiet der Kongo-Mündung nach Berlin brach-
te. Bis zu seinem Tod hat er diese Reisen in alle Teile der Welt fortgesetzt. Neben den
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
133
von ihm selbst angelegten Sammlungen gelang es ihm aber vor allem, ein internationa-
les Netz von Verbindungsleuten aufzubauen, die den Strom von Objekten nach Berlin
in großem Maße anschwellen ließen. Dieses Netz bestand aus Europäern, die in den
jeweiligen Gebieten als Kaufleute, Ärzte, Sammler oder Forscher tätig waren und die
von Bastian breite Sammlungsaufträge erhielten. Diese Sammlungen erwarb er für das
Museum, er unterstützte und organisierte aber auch selbst Reisen von Forschern, die
unmittelbar für das Museum sammelten.
Mit der Berliner Kongo-Konferenz, die den afrikanischen Kontinent unter den euro-
päischen Mächten aufteilte, hatte sich auch im Deutschen Reich eine Kolonialpolitik
durchgesetzt, die sich nicht mehr auf den Handel beschränken wollte, sondern die die
territoriale Eroberung von Kolonien in den Vordergrund stellte.
Schaumagazin
Wegen der weiten räumlichen Trennung von Ausstellungen im Humboldt-Forum und
den Sammlungen in den Magazinen in Dahlem und Friedrichshagen sollen wenigstens
Teile der Sammlungen den Besuchern in Schaumagazinen im Humboldt-Forum zugäng-
lich sein. Sie ermöglichen den zentralen Zugang von Fachwissenschaftlern zu bedeu-
tenden Sammlungen, sie liefern eine Fülle von Anschauungsmaterial über die aufberei-
teten Ausstellungen hinaus für Besucher mit besonderen Interessen an den Objekten,
wie Künstler, Kunsthandwerker, Designer usw. Außerdem machen sie dem Besucher
deutlich, dass die riesigen Sammlungen des Museums, die normalerweise nur auf An-
meldung für ausgewählte Besuchergruppen zugänglich sind, ein zentraler, konstitutiver
Teil des Museums sind, von dem in Ausstellungen nur Bruchteile präsentiert werden.
Schaumagazine befinden sich als Teile der Ausstellungen in den einzelnen Regionen.
In ihnen werden bestimmte Themen durch eine Präsentation vergleichender oder vertie-
fender Objektgruppen in ihrer ganzen Breite darstellbar. Schaumagazine ermöglichen
es aber auch, den Besuchern wichtige, international bekannte Objekte aus den Samm-
lungen zu zeigen, wenn diese für eine bestimmte Zeit nicht in thematisch wechselnden
Ausstellungen präsentiert werden können.
In der Einführungssequenz soll ein großer Schaumagazinbereich verdeutlichen, in
welch großem Umfang Objekte vor 100 Jahren in die Berliner Sammlung kamen. Die-
ser Teil des Schaumagazins ist also Sammlungspräsentation und Inszenierung der Fülle
der Sammlungen zugleich.
Für die Gliederung dieses Schaumagazinteils sind verschiedene Themen möglich.
134
Konzept zur Präsentation der außereuropäischen Sammlungen im Humboldt-Forum 2008
Das Ethnologische Museum im Humboldt-Forum
Blickwechsel: Das Auftreten der Europäer in den vier Kontinenten
Europa entdeckte die Welt nur für sich, die Bewohner der vier Kontinente hatten sie
lange vor den Europäern entdeckt, besiedelt etc. Das Erscheinen von Europäern etwa in
Afrika löste keine Freude aus, „endlich entdeckt zu werden“, sondern Erstaunen, ge-
paart mit dem Interesse, die neuen Bedingungen auch wirtschaftlich und politisch zu
nutzen.
Die abgebildete Darstellung zeigt, wie die Europäer in der frühen Neuzeit als Han-
delspartner und militärische Unterstützer in Benin geschätzt und in das Weltbild integ-
riert wurden. Mit Beginn der Kolonialzeit änderte sich das Bild grundsätzlich. Holzre-
liefs aus Benin aus dem 19. Jahrhundert zeigen Europäer als moralisch und sozial min-
derwertige Wesen. Andere Kunstwerke zeigen und parodieren ihre Machtposition, wie
die in der Sammlung aufbewahrte Darstellung eines Missionars aus Lagos (um 1900),
der seine „Gaben“ den zu Bekehrenden vorenthält oder schwer zugänglich macht, oder
stellen sie als Händler dar, wie auf einem beschnitzten Flusspferdzahn von der Loango-
Küste (Ende 19. Jahrhundert).
Abb. 7 Darstellung von Por-
tugiesen als Teil der
Welt des Meeres-
gottes Olokun und
somit des Beniner
Kosmos - auf Re-
liefplatten aus Benin,
• 16./17. Jahrhundert
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
135
Abb. 8 Auslegerboot
von den Santa-Cruz-
Inseln
Ausstellung Südsee und Australien
Einleitung: Die Sammlung
Die Berliner Südsee-Sammlung mit ca. 65 000 Objekten ist weltweit bekannt für ihre
besonders große Ausgewogenheit in den Beständen. So hat sie ausgesprochen gute
Sammlungen auch aus den Gebieten, die nicht Teil des deutschen Kolonialgebietes wa-
ren. Ferner ist sie gekennzeichnet durch Sammlungen, die auf gezielten Expeditionen
im Auftrag und mit Unterstützung des Museums stattfanden. Dieser Aspekt betrifft auch
noch die rezente Zeit durch die Reisen von Gerd Koch. Damit geht eine meistens sehr
genaue Dokumentation einher, wie sie an vielen anderen Museen nicht vorhanden ist.
Ein weiteres wichtiges Merkmal ist ihre historische Tiefe, die bis an den eigentlichen
Beginn der Sammeltätigkeit im Pazifik, nämlich die Cook-Reisen, zurückreicht.
Die Schwerpunkte der Sammlung sind ein großer Komplex von Booten in Original-
größe, von Architekturteilen in Originalgröße, von ethnographischen Sammlungen zu
Nordost-Neuguinea, vor allem aus dem Sepik-Gebiet und von der Nordküste, vom Bis-
marckarchipel mit vor allem Neuirland, von Hawai’i, den Marquesas-Inseln und Samoa
sowie von Palau.
Die geplante Dauerausstellung der Südsee im Humboldt-Forum sollte folgende
Sammlungsteile und Sammlungsbereiche umfassen, die in größere Zusammenhänge
gestellt und damit auch neu beleuchtet und interpretiert werden können:
136
Konzept zur Präsentation der außereuropäischen Sammlungen im Humboldt-Forum 2008
Ausstellungsmodule
Umwelt, kognitive Systeme und Navigation
Hier werden fünf Originalboote (Luf-Boot, Marshall-Boot, Sta. Cruz-Boot, Salomon-
Plankenboot, Sepik-Einbaum) gezeigt, dazugehöriges Inventar wie Paddel, Ösfässer,
Mittel zur Navigationstechnik, Gegenstände zur Nutzung der marinen Ressourcen usw.
(mit ungefähr 50 Objekten). Der Schwerpunkt liegt in der Darstellung der kognitiven
Systeme, d. h. der Systeme der Klassifikation von Raum, Natur und Transzendenz. An-
dererseits sollte die Anpassung an die Umwelt, die äußerst ausgebaute Nutzung der
Ressourcen und nicht zuletzt die Siedlungsgeschichte hier thematisiert werden. Die
Boote stellen nicht nur für die Besucher, sondern vor allem für viele Bewohner des
Pazifiks heute ein wichtiges Identifikationsmerkmal dar, wie an zahlreichen Reaktionen
von Tonganern, Maori usw., die in den letzten Jahren in Berlin waren, festzustellen ist.
Aus Platzgründen wird das begehbare Boot (das tongiaki) nicht in die Ausstellung
selbst aufgenommen werden können, daher wird vorgeschlagen, es als Eye Catcher in
die Agora zu integrieren. Dort sollen ja auch Objekte auf das verweisen, was später den
Besucher erwartet.
Boote sind wie kaum ein anderes Objekt mit Bewegung verbunden. Nicht nur Küs-
tenbewohner, sondern auch Inlandbevölkerungen haben auf Flusssystemen für Handel,
Krieg und Migration eine Kommunikation mit Booten aufrechterhalten. Boote haben
im kulturellen Wandel starke Veränderungen erhalten oder sind teilweise auch ganz
verschwunden und durch westliche Formen ersetzt worden. Veränderte Formen und
heutige Nachbauten werden durch Filmmaterial präsentiert (Fahrt der Hokulea, Nach-
bau des Sta. Cruz-Bootes).
Schaumagazin
Das Element der Fülle und Vielfalt wird durch 100 Bootsmodelle aus Ozeanien in ei-
nem Schaumagazin in Verbindung zu den großen Booten gezeigt. Die meisten Modelle
wurden für den europäischen Sammler hergestellt, sie sind somit im strengen Sinne
keine „Originale“, haben einen starken Lehr- und Schaucharakter und spiegeln wie alle
Modelle eine Welt „im Kleinen“. Sie bilden eine wichtige Erweiterung der in der Aus-
stellung gezeigten Großobjekte.
Palau und die Begegnung expressionistischer Künstler mit der Südsee
Das Palau-Haus und weitere bisher nicht ausgestellte Palau-Balken zusammen mit der
Sammlung von Palau geben eine Einführung in die Begegnung der Europäer mit der
Südsee inklusive Romantisierung (Schiffbruch von Kapitän Wilson und seine Rettung
1787; Lustspiel von August von Kotzebue; Georg Förster: „... ein geringes Völkchen,
arm an Kenntnissen, aber reich an jenen inneren Anlagen, auf welchen die Würde der
Menschheit beruht“, 1789) und Rezeption durch Brücke-Maler (erster Beleg: Ernst
Ludwig Kirchner, Postkarte 1910 mit Nachzeichnung von Motiven eines Palau-Bal-
kens in Dresden). Die Südsee hat für die Verklärung anderer Gesellschaften in der eu-
ropäischen Geistesgeschichte eine große Rolle gespielt, als Utopie, als Entwurf für ein
anderes Dasein, auch wenn viele Darstellungen mit der Wirklichkeit nicht überein-
stimmten. Das Palau-Haus ist das in westlichen Museen einzig erhaltene Haus und
daher ein absolutes Muss für eine zukünftige Dauerausstellung. Anders als heute sollte
es jedoch nicht so isoliert, sondern in einen größeren Kontext gestellt werden, zusam-
men mit den anderen Palau-Objekten (100 Objekte) und mit seiner Rezeptionsge-
schichte. Anhand von Palau wird die erste Romantisierung der Südsee-Insulaner the-
matisiert, die bis in die Zeit der Expressionisten fortgeführt werden kann und mit dem
Aufenthalt von Max Pechstein auf Palau 1914 ein vorläufiges Ende findet. Das Palau-
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
137
Abb. 9 Palau-Klubhaus, von
Krämer 1907 für
Berlin erworben
Haus und seine Fläche davor bieten auch den Raum bzw. die Fläche für Aktivitäten der
Vermittlung.
Abb. 10 Malerei auf Palm-
blattscheide, Sepik-
Gebiet
Malerei in Ozeanien
In bisherigen Ausstellungen und auch Publikationen ist der Malerei Ozeaniens wenig
Aufmerksamkeit zugewandt worden. Im Vordergrund stehen meistens die Schnitzereien.
In der neuen Südsee-Ausstellung des Metropolitan Museum (vom November 2007)
wird erstmals ein größeres Objekt mit Malerei gezeigt. Hier im Humboldt-Forum be-
steht die Möglichkeit, an dieser Stelle etwas Neues zu präsentieren, als großer Quer-
schnitt, der auch einen Bezug zu den Kunstmuseen ergeben kann. Dabei wird die Stel-
lung des Künstlers in Ozeanien thematisiert. Malerei auf Rindenbaststoffen, auf Palm-
blattscheiden und auf Schilden geben einen einmaligen Überblick über verschiedenste
Stile und Maltechniken Ozeaniens. Hier werden Giebelwände der Maprik-Häuser,
große Palmblattmalereien von Neuguinea, Rindenmalereien Australiens und Tapa von
Polynesien gezeigt. Räumlich werden hier vor allem hohe Wandflächen benötigt (100
Objekte).
Schaumagazin
Anhand der Schilde lassen sich zahlreiche Variationen in der Verzierung einer bestimm-
ten vorgegebenen Fläche zeigen. Schilde sind wie begrenzte Bilder. Die Fülle an Moti-
ven kann hier eine Verbindung zur Ausstellung von Kunst hersteilen (100 Objekte).
Kulturen Melanesiens
Anhand der Kulturen vom Sepik-Gebiet (mit ca. 200 Objekten) und von Neuirland (ca.
200 Objekte) sollen in sich geschlossene Einheiten von Ethnien gezeigt werden, mit
allen Gegenständen des Alltags und des Zeremoniallebens. Hier werden auch Gegen-
138
Konzept zur Präsentation der außereuropäischen Sammlungen im Humboldt-Forum 2008
Abb. 11 Figur von den Admiralitätsinseln Abb. 12 Uli-Figur von Neuirland
stände der Gegenwart in ihrer heutigen Nutzung einbezogen werden, d. h., es soll ge-
zeigt werden, wie verschiedene Materialien, aber auch Objekttypen verschiedener Her-
kunft in einer Kultur integriert sind. Wie oben dargelegt, bilden die Sammlungen aus
diesen Gebieten unsere Kernbereiche, bei denen aus dem Vollen geschöpft werden
kann.
Als ergänzende Varianten der Ausstellung können andere Gebiete Melanesiens ge-
zeigt werden: Für die Erstaufstellung wird vorgeschlagen: Zentrales Hochland von
Neuguinea (100 Objekte). Nachfolgende Module können sein: Figuren der Admirali-
tätsinseln; Form und Farbe von Neubritannien; Schnitzereien der Salomonen; Vanuatu;
Neukaledonien.
Schaumagazin
Menschliche Figuren aus Nordost-Neuguinea sind ein Schwerpunkt der Schnitzwerke
Melanesiens. Die Figuren, alle zwischen 10 und ca. 40 cm groß, sind äußerst zahlreich
und zeigen eine große Vielfalt in der Gestaltung. Schon in der Ausstellung von 1970
wurden sie in einer Art „cluster“ gezeigt. Die Anzahl für eine mögliche Ausstellung
wird auf über 200 geschätzt. Hier wird die Fülle eines Typs selbst zum Kunstwerk.
Herrschaftszeichen und Göttersymbole
Die Highlights der Sammlung wie der Federmantel von Hawai’i und das Trauergewand
von Tahiti, aber auch die Figur der Sope neben anderen Insignien werden hier exempla-
risch vorgestellt. Krieg und Macht in Verbindung mit einer geschichteten Gesellschaft
und ihrem Gegenüber in einer hierarchisierten Geister- und Götterwelt sind zentrale
Themen in diesem Bereich. Grundlage bilden die zahlreichen und zu den besten Samm-
lungen gehörenden Objekte aus Hawai’i, aber auch die systematische Sammlung von
den Marquesas-Inseln durch Karl von den Steinen und ergänzend Objekte von der Os-
terinsel, aus Neuseeland und Zentralpolynesien (Objektanzahl ca. 100).
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
139
Abb. 13 Federmantel von
Hawai’i
Als ergänzende Varianten der Ausstellung können folgende Regionen oder Objekte
gezeigt werden; Flechtarbeiten aus Polynesien; Marquesas-Inseln; Atoll-Kulturen;
Kleidung und Schmuck (Modul für ca. 100 Objekte).
Abb. 14 Darstellung eines
Matrosen, Yap,
Mikronesien
Objekte aus Mikronesien in der kolonialen Begegnung
Anhand der Sammlungen von den Marianen, Karolinen, Marshall-Inseln und Nauru
soll auf die Auswahl von Gegenständen, die Typisierung von Kulturen, die Produktion
für die Fremdherrschaft und die koloniale Aneignung fremder Kulturen eingegangen
werden. Gegenstände aus Mikronesien werden in vielen Dauerausstellungen kaum oder
gar nicht gezeigt; so fehlen sie z. B. in der neuen Ausstellung in Paris. Auch in Publika-
tionen ist dieses Gebiet vollständig unterrepräsentiert, was vor allem mit der so genann-
ten mangelnden „Kunst“ zusammenhängt. Da ein größerer Teil der Sammlung aus ehe-
maligem deutschem Kolonialgebiet stammt und die Gegenstände von einzelnen deut-
schen Kolonialbeamten wie Georg Fritz oder Arno Senfft gesammelt wurden, kann hier
einerseits auf ein vernachlässigtes ethnographisches Gebiet eingegangen werden, ande-
rerseits die Erwerbungspolitik, die Teilnahme von Mitgliedern der Kolonialbehörden
und die Interaktion zwischen Sammlern und Indigenen bis hin zur Bildung von Identität
heute behandelt werden (Objektanzahl ca. 100).
Als ergänzende Ausstellungsvarianten könnten folgende Objekte oder Regionen im
Wechsel gezeigt werden: mikronesische Exklaven; Fischerkulturen; Webarbeiten der
Karolinen; Schmuck und Geldfonnen (Objektanzahl ca. 100).
Australien im Blick der Wissenschaftsgeschichte
Gegenstände aus Australien werden gezeigt im Zusammenhang mit der Entwicklung
der Disziplin Ethnologie. Australien war ein wichtiges Experimentierfeld für die religi-
onshistorischen Theorien von James G. Frazer, Emile Durkheim, P. W. Schmidt und
140
Konzept zur Präsentation der außereuropäischen Sammlungen im Humboldt-Forum 2008
Abb. 15 Schale der Aranda,
Zentralaustralien
16
Robyn Kahukiwa,
„Taniwha wounded
but not dead“,
01 auf Leinwand
Abb.
anderen bis hin zu Claude Lévi-Strauss. Nicht nur die Gesellschaften und ihre Rituale,
auch die Objekte haben Auswirkungen auf die Fragestellungen und wissenschaftlichen
Darstellungen durch die westliche Zivilisation gehabt, bis in die Gegenwart mit der
Aneignung der Malerei der Indigenen durch die moderne Kunstwelt bzw. durch den
heutigen Staat von Australien. Im Mittelpunkt wird hierbei die Kultur der Aranda aus
Zentralaustralien stehen (Objektanzahl ca. 50).
Kunst aus Neuseeland und ihre Fortentwicklung in die Gegenwart
Aus Neuseeland sollen wichtige Gegenstände zur Kunst gezeigt und in ihrem Zusam-
menhang mit Weiterentwicklungen von Kunstformen in der Gegenwart präsentiert wer-
den. Neuseeland ist vermutlich das auf dem Gebiet der bildenden Künste produktivste
Gebiet von Polynesien. Durch die historische Tiefe lassen sich Veränderungen zeigen,
die das Element der Bewegung in Kulturen hervorheben (Objektanzahl ca. 50).
Südostasien und seine Verbindung mit Ozeanien
Um eine Verbindung mit anderen Teilen der Ausstellung im Humboldt-Forum herzu-
stellen, sollen an wenigen Beispielen Vergleiche mit Gegenständen aus dem Gebiet von
Indonesien (vor allem Batak und Nias) und von West-Neuguinea, aber auch mit Objek-
ten der ursprünglichen Bewohner von Taiwan gezeigt werden (Objektanzahl 50). Dazu
zählen u. a. Gegenstände mit der Technik des sonst in der Südsee unbekannten Verzap-
fens wie auch Textilien mit der Technik des Webens, die auf indonesische Einflüsse
zurückgeht, aber auch stilistische Elemente wie durchbrochene Schnitzwerke.
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
141
Ausstellung Afrika
Einleitung: Die Sammlung
Die Afrika-Sammlung umfasst ca. 75 000 Objekte und gehört weltweit zu den bedeu-
tendsten. Sie enthält Objekte aus dem gesamten Kontinent südlich der Sahara, aller-
dings in unterschiedlicher Quantität und Qualität. Bestand sie bis zur Berliner Konfe-
renz 1884/85 nur aus etwa 7000 Objekten, so wuchs sie während der Kolonialzeit um
ca. 50 000 Objekte. Die Sammlung bezieht sich im Wesentlichen auf den Zeitraum von
der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts. Einzelne Bereiche -
vor allem in den Sammlungen aus Nigeria - gehen zurück bis ins 12. Jahrhundert.
Prozentual handelt es sich um kleine, aber außerordentlich bedeutende Sammlungen
(Ife ca. 20 Objekte [12.-15. Jahrhundert], Benin ca. 500 Objekte [15.-19. Jahrhun-
dert]).
Die Dokumentation der Objekte ist unterschiedlich. Nur Teile der Sammlung stam-
men aus wissenschaftlichen Sammlungsunternehmen und sind entsprechend dokumen-
tiert. Große Teile kamen durch Adolf Bastians Netzwerk von Händlern, Sammlern, Ko-
lonialoffizieren und Kolonialbeamten nach Berlin und müssen in ihrer historischen
Bedeutung - soweit dies möglich ist - rekonstruiert werden.
Sammlungsschwerpunkte sind:
Nigeria
Zu den wichtigsten Beständen der Berliner Afrika-Sammlung gehören die ca. 500 Ob-
jekte aus dem Königreich Benin, die von Felix von Luschan zwischen 1897 und 1914
erworben wurden, sowie die Ife-Sammlung von Leo Frobenius. Darüber hinaus verfügt
das Museum über eine breite Yoruba-Sammlung sowie umfangreiche Bestände aus dem
Norden Nigerias.
Kamerun
Die ca. 12 000 Objekte der Kamerun-Sammlung wurden vor allem in der Kolonialzeit
erworben. Schwerpunkte sind das Kameruner Grasland, das Ekoi-Gebiet, das Waldland
und die Region der Fang im südlichen Kamerun und im benachbarten Gabun. Sammler
waren deutsche Kolonialoffiziere, Kolonialbeamte und Händler. Außerdem sind die gut
dokumentierte Sammlung von Ankermann aus dem Grasland (1907-09) und die weni-
gen, aber bedeutenden Geschenke Sultan Njoyas von Bamum an den Deutschen Kaiser
zu erwähnen.
Kongo/Zentralafrika
Die ältesten Objekte stammen von der Loango-Küste aus der Sammlungstätigkeit Bas-
tians beginnend mit seiner Loango-Expedition 1873/74 und aus dem von ihm aufgebau-
ten Netzwerk von Sammlern in der Region. Bis zum Ersten Weltkrieg wurden ebenfalls
umfangreiche Sammlungen aus dem zentralen und östlichen Kongo-Gebiet, vor allem
Euba, Hemba, Tabwa und Mangbetu im Nordosten, erworben. Die Sammlung umfasst
insgesamt ca. 8000 Objekte.
Angola
Die ca. 2000 Objekte umfassende, breite Sammlung wurde auf Sammlungsreisen für
das Museum vor allem von Schachtzabel vor dem Ersten Weltkrieg und von Baumann
zwischen den Weltkriegen erworben.
Ostafrika
Die Mehrzahl der ca. 23 000 Objekte der Ostafrika-Sammlung wurde ebenfalls vor dem
Ersten Weltkrieg gesammelt. Sie umfasst die materielle Kultur der wichtigsten Kulturen
dieses Raumes.
142
Konzept zur Präsentation der außereuropäischen Sammlungen im Humboldt-Forum 2008
Abb. 17 Gedenkkopf eines Königs, Ife, 12.-15. Jahrhundert
Abb. 18 König Akenzua, Königreich Benin, 18. Jh.
Ausstellungsmodule
Die Afrika-Sammlung soll im Humboldt-Forum durch drei thematische Schwerpunkte
präsentiert werden. Diese Schwerpunkte setzen sich aus einzelnen Modulen zusammen,
die im Wechsel gezeigt werden können. Mindestens ein Modul pro Themenschwer-
punkt sollte parallel gezeigt werden; In der ersten Einrichtungsphase sollten der Einfüh-
rungsraum und die beiden ersten regionalen Themen (Südnigeria und Kameruner Gras-
land) verwirklicht werden. Die einzelnen regionalen Ausstellungsbereiche sind gleich-
wertig und könnten nacheinander in einem längeren Zeitraum ausgestellt werden. Die
zentralen, international bekannten Objekte der jeweils nicht ausgestellten Regionen sol-
len in einem Schaumagazinbereich öffentlich zugänglich sein.
Geschichte Afrikas
Afrika war kein geschichtsloser, isolierter und in sich abgeschlossener Kontinent, wie
die Kolonialideologie suggerierte, sondern aktiver Teil historischer Prozesse, die sich in
Teilen bis in frühgeschichtliche Zeiten zurückverfolgen lassen.
In einem den Modulen vorgelagerten Einführungsbereich soll ein Überblick gegeben
werden über die Geschichte Afrikas von Altägypten bis zur afrikanischen Diaspora in
Amerika, über Afrikas Beziehungen zum Mittelmeerraum seit der Antike, über den Han-
del zwischen den mittelalterlichen Reichen und Europa, dem Nahen Osten, Indien und
China, über den europäischen Kolonialismus und seine Folgen bis in die Gegenwart.
Mit wenigen exemplarischen Objekten (etwa Beispiele aus Altägypten, chinesisches
Porzellan als vorkolonialer Export nach Ostafrika etc.), Karten, multimedial aufbereite-
ter Information sollen diese Themen Umrissen werden. Die Auswahl der Objekte und
Medien soll optisch ein deutliches Gegenbild zum kolonial geprägten Afrika-Bild mit
Trommeln, Masken, Ahnenfiguren bilden.
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
143
Die sich anschließenden Ausstellungsmodule werden am Beispiel einzelner Regionen
(und an Schwerpunkten der Afrika-Sammlung) diesen historischen Prozess veranschau-
lichen.
Kernpunkte dieser Präsentationen regionaler Prozesse sind:
• ihre historischen Veränderungen (im Gegensatz zum statischen Bild von Ethnien, das
ethnologische Museen bis heute produzieren);
• die aktive Rolle afrikanischer Gesellschaften im überregionalen Beziehungsnetz (im
Gegensatz zum kolonial geprägten Bild Afrikas als passivem Objekt);
• die Produktion von Selbst- und Fremdbildern als Teil der Identitätsbildung bei allen
an diesem Prozess beteiligten Subjekten;
• die unterschiedliche Perspektive auf diese Prozesse durch europäische und afrikani-
sche Wissenschaftler, durch Vertreter der jeweiligen Kulturen und durch die neuen
Nationalstaaten.
1. Geschichte und Kultur Südnigerias sowie des südwestlichen Kameruns und der euro-
päische Handel seit der Frühen Neuzeit
Einzelne Sammlungsbestände gehen zurück bis ins 12. Jahrhundert (Ife-Sammlung). Vor
allem aber die Benin-Sammlung u.a. mit Gedenkköpfen, Plastiken und Reliefplatten
bietet die Möglichkeit, die Entwicklung des Königreichs Benin in enger Verbindung mit
dem entstehenden europäisch-afrikanischen Handel und dem sich daraus entwickelnden
Dreieckshandel zwischen Europa, Afrika und Amerika vom Ende des 15. Jahrhunderts
bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts zu thematisieren.
Benin ist zugleich ein gutes Beispiel für das Nebeneinander verschiedener Erzählpo-
sitionen. Bei der Interpretation von Objekten und bei der Einschätzung der historischen
Rolle Benins gibt es fundamentale Unterschiede zwischen europäischen und nigeriani-
schen Wissenschaftlern sowie dem Königshaus von Benin. Die bekannten Reliefplatten
werden von europäischen Wissenschaftlern als Verbildlichungen des Kosmos von Be-
nin interpretiert, von einigen nigerianischen Forschern und vom Königshof selbst wer-
den sie oft als bildliche Darstellungen historischer Personen und konkreter Ereignisse
angesehen. Verschiedene Positionen gibt es auch zwischen dem Hof von Benin und
dem nigerianischen Staat zum Charakter der Objekte. Während Letzterer sie als natio-
nales Erbe Nigerias ansieht, stellen sie für den Hof geraubtes Eigentum des Königtums
dar.
Regional wird dieser Teil auch das südöstliche Nigeria und das angrenzende Kamerun
(Cross-River-Region) umfassen. Der Sklavenhandel führte zur Entstehung der afroame-
rikanischen Diaspora, die beispielhaft mit der Candomblé- Sammlung und der Surinam-
Sammlung in der Abteilung Südamerikanische Ethnologie vorgestellt werden kann. Die
musikethnologischen Sammlungen bieten ebenfalls umfangreiches Material zu diesem
Thema.
2. Kameruner Grasland und der deutsche Kolonialismus
Die Berliner Kamerun-Sammlung erlaubt eine umfassende Darstellung der verschiede-
nen Kulturen dieser Region vom 19. Jahrhundert bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs.
Die Sammlungsgeschichte spiegelt zugleich die Phase des deutschen Kolonialismus, der
exemplarisch am Beispiel des Kameruner Graslandes dargestellt werden soll.
3. Loango-Küste und Nordangola und das Ende des Sklavenhandels
Mit den Sammlungen von der Loango-Küste bis in den Norden Angolas lassen sich vor
allem die Umbrüche des 19. Jahrhunderts seit der Abschaffung des Sklavenhandels bis
zur Kolonialisierung darstellen. Anhand der Geschichte der Sammlung von „Fetischen“
von der Loango-Küste, beginnend mit Bastian, lassen sich auch ideologiegeschichtliche
Prozesse wie die Entwicklung der europäischen „modernen“ Identität durch Projektion
„vormoderner“ Vorstellungen auf Afrika nachvollziehen.
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
145
Abb. 21 Gedenkfigur aus Bangwa,
Kamerun, 19. Jh.
Abb. 23 Kraftfigur, Kongo, 19. Jh.
Abb. 22 Europäische Formen in der Kunst
der Loango-Küste Hl. Antonius,
18./19. Jh.
Die Entstehung der Kunst der Chokwe in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zeigt,
welche Wirkungen welthistorische Bedingungen - die Abschaffung des Sklavenhandels
- auf eine innerafrikanische Gesellschaft hatten.
4. Ostafrika und der Handel mit dem asiatischen Raum
Die Sammlungen erlauben eine Darstellung der verschiedenen vorkolonialen Kulturen
Ostafrikas, vor allem aber der Kulturgeschichte der Swahili an der ostafrikanischen
Küste und ihre Einbindung in ein Handelsnetz zwischen Afrika, Arabien und Indien.
5. Sahel, Sahara und Nordafrika als Handelspartner mit dem Mittelmeerraum
Die Kulturen Nordafrikas und des (geographischen) Sudans, der Transsahara-Handel
und die Ausbreitung des Islam in Westafrika und Ostafrika: In Zusammenarbeit mit dem
Ägyptischen Museum und der Antikensammlung der Staatlichen Museen zu Berlin
lässt sich die Geschichte des Sahara-Raums und der angrenzenden Gebiete seit dem
5. Jahrtausend v. Chr. bis in die Gegenwart skizzieren.
Kunst aus Afrika
Aufgrund der Bedeutung der Berliner Sammlung für die Kunst aus Afrika soll jeweils
ein Thema aus diesem Bereich fester Bestandteil der Ausstellungen der Afrika-Abtei-
lung sein.
Kunst aus Afrika soll nicht als Dauerausstellung im Sinne einer Ethnographie der
„schönen Objekte“ präsentiert werden, vielmehr soll ein regelmäßiger thematischer
Wechsel die Vielfalt von Kunst afrikanischer Kulturen regional und historisch zeigen.
Wechselnde Themen sind:
• Kunst einzelner Kulturen und Austausch von künstlerischen Formen innerhalb einer
Region
146
Konzept zur Präsentation der außereuropäischen Sammlungen im Humboldt-Forum 2008
Abb. 24 Königinmutter, Benin, 16. Jh.
• Kunst und Design
• europäische Rezeption der Kunst aus Afrika und wechselnde Perspektiven
• frühe städtische Kunst (Lagos-Sammlung)
• Formen der Kunst (vom Realismus zur Abstraktion)
• Kunst und Globalisierung, Wege und Irrwege der Moderne in Afrika
• zeitgenössische Kunst
Ausstellungen zur zeitgenössischen Kunst sollen in Zusammenarbeit mit Fachkuratoren
und/oder der Nationalgalerie Berlin konzipiert werden.
Nicht alle diese Themen lassen sich durch die vorhandene Sammlung darstellen.
Eine Sammlung zeitgenössischer Kunst aus Afrika sollte (in Zusammenarbeit mit der
Nationalgalerie) angelegt werden. Themen zur Kunst aus Afrika seit den 1960er Jahren
können auch in Zusammenarbeit mit Leihgebem und Sammlern ausgestellt werden.
Abb. 25 Brustschmuck,
Lobi, 20. Jh.
Die gegenwärtige Situation Afrikas
Die gegenwärtige Situation Afrikas wird anhand von Themen erläutert, die im engen
Zusammenhang mit dem Globalisierungsprozess stehen. Am Beispiel des Warenange-
bots auf einem Markt in einer afrikanischen Stadt lässt sich zeigen, wie sich die Inter-
nationalisierung des Handels auf das Alltagsleben auswirkt (neu anzulegende und stän-
dig zu aktualisierende Sammlung).
Beispiele etwa der nigerianischen Film- und Femsehproduktion, integriert in die
Ausstellung und als Filmreihe im Begleitprogramm, sollen den Einblick in das gegen-
wärtige Alltagsleben vertiefen.
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
147
Abb. 26 Ijele-Maske (Ibo,
Nigeria) als Teil
einer Kunstper-
formance auf dem
Karneval der Kul-
turen, Berlin, 2008
Leben von Afrikanern in Berlin
Die andere Seite des Globalisierungsprozesses ist die verstärkte Migration, sie ist Teil
der Globalisierung und beginnt mit dem Sklavenhandel vor allem nach Amerika. Afri-
kanische Kultur ist heute in vielen Aspekten der Gesellschaften Brasiliens, der Karibik
und der USA zu sehen. Insbesondere die städtische Kultur der USA ist heute in vielen
Facetten afroamerikanisch geprägt. Ursprünglich lokale Kulturelemente wie Kente-
Stoffe oder die Farben des äthiopischen Kaiserreiches (Rot, Schwarz, Grün, Gelb) oder
musikalische Stile von Jazz bis Hip-Hop gelten in den USA als panafrikanische Kultur
und wirken zurück auf die städtische Kultur in Afrika selbst. Durch die Migration nach
Europa in den letzten 40 Jahren existieren heute auch in Berlin nicht mehr nur Samm-
lungen historischer Artefakte aus Afrika im Ethnologischen Museum. Restaurants, Kul-
turzentren, Konzerte bilden eine lebendige Diaspora-Kultur. Eine Dokumentation des
Lebens von Afrikanern in Berlin soll dies veranschaulichen.
148
Konzept zur Präsentation der außereuropäischen Sammlungen im Humboldt-Forum 2008
Ausstellung Islamischer Orient
Einleitung: Die Sammlung
Der Beginn der muslimischen Sammlung des heutigen Ethnologischen Museums liegt
in den außereuropäischen Beständen der Kunstkammer begründet, zu denen nachweis-
lich seit etwa 1830 auch Einzelstücke muslimischer Provenienz gehörten. Seit 1857
wurden die Sammlungen in einem gesonderten Katalog (IB) geführt. Dieser Grundbe-
stand wurde bis zum Ersten Weltkrieg durch größere Schenkungen an das damalige
Königliche Museum für Völkerkunde erweitert. Zu den Mäzenen des 19. Jahrhunderts
zählten bekannte Persönlichkeiten wie der Orientalist Julius Heinrich Petermann
(1801-1876) oder der Diplomat Max von Oppenheim (1860-1946), aber auch Männer
wie Emil Riebeck (1853-1885) oder Willi Rickmer Rickmers (1873-1965), deren wirt-
schaftliche Situation es ihnen erlaubte, Reisen durchzuführen und Sammlungen zu er-
werben. Petermann übergab eine Sammlung aus Persien, zu der zwei als besonders
wertvoll anzusehende Bilder des dritten Qadscharen-Schahs Mohammed und einer
Hofdame gehören, die auf die Zeit um 1840 datiert werden. Eine Bereicherung des Be-
standes geht auch auf den Begründer des Museums, Adolf Bastian, zurück, der während
seiner Reise 1878-80 in Iran eine umfassende Sammlung zusammenstellte. Es sind
insbesondere Gegenstände dieser Epoche, die den wertvollen Altbestand ausmachen.
Abb. 27
Schah Mohammed
Qadschar, Persien
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
149
Rickmers besuchte um die Wende des 19./20. Jahrhundert mehrfach Turkestan und
schenkte dem damaligen Museum für Völkerkunde eine umfangreiche Sammlung, die
turkmenische Knüpfarbeiten der nomadischen Tekke, Ersari und Salor ebenso umfasste
wie Metallgefäße, Keramiken, Kleidung und „Susani“ genannte bestickte Tücher als
Beispiele des städtischen Kunsthandwerks.
Erst mit dem Neubau des Museumskomplexes Dahlem kam es 1970 zur Einrichtung
einer „Westasien“ genannten Abteilung, die nach der Eingliederung der nordafrikani-
schen Sammlungen im Jahr 1991 in die Abteilung „Islamischer Orient“ umbenannt
wurde. Insgesamt umfasst das Fachreferat Islamischer Orient heute ein Sammlungsge-
biet, das von Marokko bis nach Nordwestchina reicht und die Länder Nordafrikas, der
Arabischen Halbinsel, der Levante, die Türkei, Iran, Afghanistan und Pakistan sowie
die ehemaligen islamischen Sowjetrepubliken von Aserbaidschan bis Kirgisien ein-
schließt. Die Bestandsaufnahme von 1970 ergab für West- und Mittelasien ca. 5000
Objektnummern. Die Sammlung wurde in den folgenden Jahren wesentlich ausgebaut,
so dass sie heute ca. 25 000 Objekte zählt. Die Bestände konnten bisher nie in einer
Dauerausstellung gezeigt werden.
Das folgende Konzept berücksichtigt ausschließlich die Kernbereiche der Samm-
lung, die durch gläserne Schaumagazine ergänzt werden können. Eine Reduzierung die-
ser Kernbereiche würde eine erneute Magazinierung der wichtigsten Sammlungsteile
bedeuten. In Anbetracht der bisherigen Geschichte der Sammlung, die seit dem Beste-
hen der Abteilung nie adäquat ausgestellt werden konnte, ist dies nicht zu verantworten.
Insbesondere angesichts der Bedeutung eines Dialoges mit muslimischen Gesellschaf-
ten von heute ist eine wesentliche Bereiche der islamischen Welt (türkisch-, persisch-
und arabischsprachiger Bereich sowie indopakistanischer Raum) repräsentierende Aus-
stellung unabdingbar. Das Fachreferat Islamischer Orient sieht die im Folgenden auf-
geführten Ausstellungsbereiche im Humboldt-Forum vor.
Ausstellungsmodule
Das Ausstellungskonzept berücksichtigt einerseits das Thema der Religion des Islam,
andererseits werden die wichtigsten Kulturräume - der turksprachige, arabisch- und
persischsprachige sowie der indopakistanische Kulturraum - unter verschiedenen The-
men vorgestellt. Ergänzt wird die Präsentation mit einzigartiger Schnitzkunst aus Nuris-
tan (Afghanistan).
Welten des Islam
Dieser Ausstellungsbereich ist einer ethnologischen Darstellung der unterschiedlichen
Aspekte der Religion des Islam gewidmet, unter Bezugnahme auf zeitgenössische Kon-
troversen wie z. B. Verschleierung. Dies impliziert hinsichtlich der Objektauswahl eine
kulturübergreifende Herangehensweise und hinsichtlich der wissenschaftlichen Metho-
de eine sozialwissenschaftliche Annäherung an das Thema, im Unterschied und in voll-
kommen eigenständiger Ergänzung zum kunsthistorischen Ansatz des Museums für
Islamische Kunst.
Thema: Die Buchreligion - Koran, Moschee und Religionsgelehrte
Die transnationale Einheit aller Muslime, die Gemeinschaft der Gläubigen (umma),
beruht auf der Anerkennung der von Gott an den Propheten Mohammed offenbarten
heiligen Schrift des Koran und der den Islam konstituierenden fünf Säulen von Glau-
bensbekenntnis, Gebet, Almosen, Fasten und der Pilgerfahrt nach Mekka. Die Diversi-
fikation der Muslime in einen sunnitischen und schiitischen Islam, historisch entstanden
nach dem Tode Mohammeds im Streit um seine Nachfolge, verweist auf die Bedeutung
150
Konzept zur Präsentation der außereuropäischen Sammlungen im Humboldt-Forum 2008
Abb. 28 Schreibetui, Türkei
Abb. 29 Heilschale, Buchara
der islamischen Rechtsgelehrten (ulama) und unterschiedliche Herrschafts- und Staats-
ideen. Ort der religiösen Verehrung ist die Moschee, deren Gebetsnische die Gläubigen
nach dem heiligen Mekka verweist. Das ethische Prinzip der Gleichheit aller Gläubigen
vor Gott wird differenziert durch die islamischen Werte von Reinheit und Unreinheit,
eine Geschlechtsdifferenzierung zwischen Männern und Frauen wird errichtet.
Thema: Die Volksreligion - Heilige Schreine
Viele führende Sufi-Lehrer und Gründer von Bruderschaften wurden über ihre lokalen
Zentren hinaus bekannt und erzielten den Status der Heiligkeit bald nach ihrem Tod,
manche sogar auch während ihres Lebens. Übernatürliches Wissen und die Macht,
Wunder zu vollführen, werden ihnen auch heute noch von den Gläubigen zugespro-
chen. Ihre Gräber sind Orte der Pilgerfahrt, die von den Pilgern aus allen Teilen der is-
lamischen Welt aufgesucht werden. Abgesehen von diesen führenden historischen Per-
sönlichkeiten des Sufismus weisen viele islamische Regionen lokale Heiligenschreine
(ziyarat) auf, die insbesondere von Frauen besucht werden. Mit ihrer Pilgerfahrt und
dort vorgenommenen Gelübden oder durch Amulette und so genannte Heilschalen ver-
sprechen sie sich die Hilfe des Heiligen bei Krankheit, Sterilität oder anderen Proble-
men des Lebens. Diese instrumentelle Zielrichtung - nicht der Respekt vor der Person
des Verstorbenen - wird vom orthodoxen Islam abgelehnt.
Thema: Gender
Seit der Kolonisierung muslimischer Gesellschaften wurde in westlichen Narrativen der
Schleier zum Symbol für deren Rückständigkeit und die Unterdrückung der islamischen
Frau. Rezente islamische Bewegungen greifen diese Symbolhaftigkeit des Schleiers auf
und machen ihn ihrerseits zum äußeren Emblem ihrer neuen „islamischen Gesellschaft“.
Anhand der Sammlung zu muslimischen Schleiern und anhand von Beispielen aus der
Hausarchitektur werden geschlechtsspezifische Ethik in muslimischen Gesellschaften
sowie die Auseinandersetzung um den islamischen Bekleidungsstil thematisiert.
Thema: Die islamische Mystik
Der islamische Mystiker, Sufi genannt, sucht mit Hilfe verschiedener Techniken der
Askese die Gotteserfahrung. Ziel des Sufi ist die Überwindung des eigenen Selbst, die
Entwerdung, die als Voraussetzung für die mystische Vereinigung mit Gott gesehen
wird. Der mystische Weg zu höheren Formen religiösen Wissens steht jedem männli-
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
151
Abb. 30 Fenstergitter, Xinjiang
Abb. 31 Mantel eines Derwisch, Persien
chen Muslim offen und wird in der Regel innerhalb von organisierten Bruderschaften
unter der Anleitung eines Lehrers (shaykh) verfolgt. Nur wenige Bruderschaften neh-
men auch Frauen auf. Zu den sichtbaren äußerlichen Zeichen der Ablehnung der mate-
riellen Welt des einfachen Derwisches gehören z. B. Flickenmantel und Bettelschale.
Kleidung und Attribute können zugleich auf die Zugehörigkeit zum jeweiligen Orden
verweisen. Historisch gesehen war das Verhältnis von Staat, orthodoxem Islam und
mystischen Bruderschaften immer wieder Spannungen unterworfen. Religiöse Orden
gehören nicht der Vergangenheit an, sondern spielen in der Politik und den zeitgenössi-
schen islamischen Erneuerungsbewegungen verschiedener muslimischer Gesellschaf-
ten eine sehr wichtige Rolle.
Ergänzende Ausstellungsvarianten
• Schiiten
• Nahrung und Speisen im Islam
Regionale Schwerpunkte
Unabhängig von der Religion des Islam muss im Humboldt-Forum die Möglichkeit
bestehen, auf der Basis der Sammlungsschwerpunkte spezifische Regionen, „Kultur-
räume“ oder auch einzelne Länder des Nahen und Mittleren Ostens, Zentralasiens und
Nordafrikas zu präsentieren. Aufgrund der spezifischen Art der jeweiligen Sammlungs-
bestände können diese regionalen Präsentationen zugleich jeweils eine thematische
Ausrichtung erfahren; das eine schließt das andere nicht aus. Ohne eine Prioritätenset-
zung zu implizieren, wird für das Fachreferat Islamischer Orient das im Folgenden
Aufgeführte vorgeschlagen.
152
Konzept zur Präsentation der außereuropäischen Sammlungen im Humboldt-Forum 2008
Turksprachiger Raum
Der turksprachige Raum mit Sammlungen aus Zentralasien steht unter dem Thema
„Identität und Selbstverständnis im Kontext russischer Kolonisierung bis hin zur heuti-
gen Unabhängigkeit der betroffenen zentralasiatischen Staaten“.
Die ausgezeichnete Sammlung des Fachreferates zu West- und Ostturkestan (heuti-
ges Usbekistan, Kirgisien, Tadschikistan etc. und Xinjiang) stammt aus dem Ende des
19. und dem Anfang des 20. Jahrhunderts (Turfan-Expeditionen). Sie umfasst sowohl
städtisch-höfische als auch nomadische Kulturen, die hinsichtlich ihrer Wechselwirkun-
gen sowie auch hinsichtlich der Bildung von Identität präsentiert werden sollten. Insbe-
sondere die letztgenannte Thematik kann bis in die Gegenwart verfolgt werden.
Schaumagazin: Städtisch-höfische Kultur
• Susani-Textilien
• Keramik
Ergänzende Ausstellungsvariante
• Mützen und Schleier, muslimische Kopfbedeckungen und Identität
Schaumagazin: Nomadische Kultur
• Turkmenische Knüpfarbeiten
Abb. 32 Mantel, West-Turkestan
Abb. 33 Mädchenmütze, Turkmenen
Arabischsprachiger Raum
Der arabischsprachige Raum mit einer Sammlung aus Palästina, Saudi-Arabien und
Nordafrika steht unter den Themen „Ethnologische Wissenschaftsgeschichte“ und „So-
ziale Hierarchie“.
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
153
Abb. 34 Schmuckplatte,
Jemen
Hervorzuheben sind hier die Sammlungsbestände von den Beduinen des Negev
(Westjordanland), aus den Gesellschaften Nordafrikas (Kabylen und auch städtisch-
arabische Beispiele) sowie zum Silberschmuck verschiedener arabischer Gemeinschaf-
ten (Jemen, Palästina, Nordafrika). Am Beispiel der ehemals nomadischen Beduinen
des Negev kann die wissenschaftsgeschichtliche Bedeutung der Kategorie des Stam-
mes, der Genealogie erörtert werden, am Beispiel der städtisch-arabischen Kultur Nord-
afrikas die „Traditionalisierung“ der Altstädte und ihrer Bewohner und die Schaffung
des Mythos „Orient“ im Rahmen der Kolonialisierung durch westliche Gesellschaften.
Und schließlich verweist der Silberschmuck auf die gesellschaftliche Differenzierung
und auf die Bedeutung der arabischen Abstammung innerhalb der Bevölkerung am Bei-
spiel der jüdischen Silberschmiede.
Schaumagazin
• Schmuck aus Jemen
Persischsprachiger Raum
Der persischsprachige Raum mit Sammlungen aus der Qadscharen-Zeit steht unter dem
Thema „Begegnung von Orient und Okzident“. Das Fachreferat besitzt eine sehr schöne
Sammlung zum qadscharischen Persien des 19. Jahrhunderts in Form von Keramiken,
Metallarbeiten, Kleidung, Gemälden (Abb. 27), Miniaturen und Holzarbeiten. Geplant
ist, diese Sammlung vor dem Hintergrund der politischen Öffnung und Annäherung der
qadscharischen Herrscher an westliche Gesellschaften zu präsentieren. An diesem his-
torischen Beispiel soll die bis heute aktuell gebliebene Begegnung des „Orients“ mit
dem Westen behandelt werden.
Indopakistanischer Raum
Der indopakistanische Raum mit der Sammlung Swat, Sindh und Belutschistan steht
unter dem Thema „Kulturökologie“. Die in den 1970er und 1980er Jahren stark erwei-
terte Sammlung zu Pakistan ist rezent und bezieht sich auf drei ökologisch unterschied-
lich vermiete gesellschaftliche Gruppierungen: die Fischerkulturen des Sindh, die bäuer-
154
Konzept zur Präsentation der außereuropäischen Sammlungen im Humboldt-Forum 2008
liehen Gemeinschaften des Swat sowie die Nomaden Belutschistans. Eine Präsentation
würde daher den Zusammenhang von Ökologie, Wirtschaft und Gesellschaft hervorhe-
ben. Durch die multireligiöse Bevölkerung des Sindh (Muslime und Hindus) wäre ge-
gebenenfalls auch eine Verbindung zum Fachreferat Süd- und Südostasien denkbar.
Ergänzende Ausstellungsvariante: Sammlung aus Indus-Kohistan
Nur is tan
Ebenso herausragend ist die Sammlung zu Nuristan, einer kleinen, lange Zeit unzu-
gänglichen Gebirgsregion in Afghanistan, die erst Ende des 19. Jahrhunderts islamisiert
wurde. Es handelt sich um eine bäuerliche Kultur, deren materielle Objekte (Häuser,
Haushaltswaren, Gottheiten bzw. Ahnen) sich durch eine einzigartige Schnitzkunst aus-
zeichnen. Hier haben wir das Beispiel einer „Rückzugskultur“ inmitten einer islamisch
geprägten Umgebung.
Abb. 35 Totengedenkfigur, Pakistan
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
155
Ausstellung Süd- und Südostasien
Einleitung: Die Sammlung
Die Sammlungen des Fachreferats Süd- und Südostasien des Ethnologischen Museums
umfassen zurzeit ca. 35 000 Objekte. Sie stammen aus nahezu allen Bundesstaaten der
Indischen Union einschließlich der Inselgruppen Andamanen, Nikobaren und Lakka-
diven, dann den Ländern Malediven, Sri Lanka, Nepal, Sikkim, Bhutan, Bangladesh,
Myanmar (Burma), Thailand, Laos, Kambodscha, Vietnam, Malaysia, Indonesien, Tai-
wan (malaiisch-polynesische Bevölkerung) und den Philippinen. Der größte Teil ge-
langte zwischen dem Ende des 19. Jahrhunderts und dem Beginn des Ersten Weltkriegs
in das Museum, aber auch in jüngerer Zeit wurden bedeutende Konvolute erworben. Bis
1963 gehörten alle Objekte aus Süd- und Südostasien zur Indischen Kunstabteilung des
damaligen Museums für Völkerkunde (MV). Nach der Gründung des Museums für In-
dische Kunst 1963 wurden sie in eine Kunstsammlung (MIK) und eine ethnographische
Sammlung (MV) aufgeteilt und seit 1971 in getrennten Räumen präsentiert. Vor allem
bei den zu damaliger Zeit als Kunsthandwerk eingestuften Objekten vom 17. bis zum
19. Jahrhundert muss die Trennung neu überdacht werden.
Die Auswahl der folgenden Objektgruppen für längerfristige Ausstellungen im Hum-
boldt-Forum orientiert sich an der Bedeutung und Seltenheit der Sammlungsteile und
-j der Attraktivität und Aktualität des Themas.
Ausstellungsmodule
Die Gottheiten des Hinduismus
Gelbgussfiguren, Bronzen, Hinterglasmalerei, Holzschnitzerei, Malerei auf Textil und
Papier sowie Ton- und Alabasterfiguren und Ritualgerät aus Indien aus dem 18. bis 20.
Jahrhundert werden in einem hinduistischen „Ritualraum“ zusammen mit Objekten des
Museums für Asiatische Kunst gezeigt. Es ist beabsichtigt, in getrennten, doch aneinan-
Abb. 36 Linga-Aufsatz mit Gesicht des Gottes
Shiva auf der Schlange Ananta, Indien
Abb. 37 Göttin mit Strahlennimbus, Indien
156
Konzept zur Präsentation der außereuropäischen Sammlungen im Humboldt-Forum 2008
Abb. 38 Kopfmaske des Dämonen-
herrschers Thotsakan, Thailand
Abb. 39
Schattenspielfigur des Kresna aus dem Wayang-
Purwa, Java
der anschließenden Räumen der panhinduistischen Tempelkunst die regionalen Tradi-
tionen im Bereich der Hausaltäre gegenüberzustellen. In diesem Ausstellungsteil ist ein
Bezug zur lebendigen Religion mit ihren jährlich wiederkehrenden Festlichkeiten, wie
sie auch in Europa (z. B. Berlin, Paris, Zürich) praktiziert werden, besonders zu beachten.
Die Auseinandersetzung der hinduistischen Bevölkerung mit den Adivasis (Urein-
wohnern) sollte sich an diesen Bereich anschließen. Objekte der Kondh in Orissa, der
Gond in Madhya Pradesh, der Warli in Maharashtra oder der Rabari in Gujarat können
beispielhaft ihre wechselseitige Beeinflussung zeigen (ca. 200 Objekte aus Süd- und
Südostasien; hinzu kommen die Objekte aus dem Museum für Asiatische Kunst).
Die Welt als Theater - Spiel der Götter und Helden in Asien
Es ist vorgesehen, diesen Ausstellungsteil zusammen mit den Fachreferaten Ost- und
Nordasien und der Musikethnologie des Ethnologischen Museums in einer regional
übergreifenden Ausstellung zu zeigen. Das Fachreferat Süd- und Südostasien steuert
bei: Schattenspielscheiben aus Indien, Thailand und Indonesien (Java und Bali), Tanz-
masken aus Sri Lanka, Thailand und Java, Stabpuppen aus Java, Marionetten aus Myan-
mar (Burma). In die Präsentation dieser Objekte sollen auch Beispiele aus den Samm-
lungen der javanischen Krisse (Ritualdolche) und Textilien einbezogen werden, da sie
Status und Funktion der in den Theaterstücken agierenden Personen anzeigen.
Eine in den Ausstellungsraum integrierte oder an ihn unmittelbar anschließende Büh-
ne soll Raum für Aufführungen bieten. Das Epos Ramayana, von Indien über Thailand
bis Indonesien seit fast zwei Jahrtausenden von größter Bedeutung, wird einen Schwer-
punkt bilden und die weiträumige Wanderung (Bewegung) dieses Themas zeigen. Die
meisten Objekte stammen aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert. Ein Bezug zu heuti-
gen Aufführungspraktiken in den Ursprungsländern und ihren modernen Varianten (Su-
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
157
Abb. 40 Korb der Ao-Naga, Nagaland, Indien
perman) soll einbezogen werden, zumal heutige Künstler diese Thematik gerne in ihren
Werken aufgreifen (z. B. Heri Dono).
Hier ist die Bühne mit genügend Raum für ca. 50-100 Zuschauern (auf Klappstühlen
oder Kissen) zu bedenken. Eine javanische Hauswand von 10 m Länge und 2,50 m
Höhe sollte ebenfalls integriert werden, z. B. als Rückwand für das Gamelan-Orchester.
Die Schattenspielscheiben reichen in ihrer Größe von ca. 2 x 2 ra bis zu 50 x 20 cm und
brauchen viel Platz. Die Stabpuppen wirken auch in dicht stehenden Reihen sehr attrak-
tiv, brauchen also weniger Platz.
Eine gesonderte Gruppe bilden elf Malereien auf Leinwand aus dem Tempel von Kas-
sumba, Bali, von vor 1846, die Szenen zu einem der bis heute wichtigsten Theaterthemen,
dem Panji-Zyklus, und zum Ramayana zeigen (ca. 200 Objekte aus Süd- und Südostasien).
Die große Fülle von Schattenspielscheiben, Marionetten und Stabpuppen kann zu-
züglich als „cluster“ in einem angefügten Schaumagazin präsentiert werden.
Die Naga - Ein Volk im östlichen Himalaya
Objekte der Naga-Kultur, die Mitte und Ende des 19. Jahrhunderts in das Museum ka-
men und seither nie gezeigt wurden, sollen ihrer Bedeutung gemäß präsentiert werden.
Die Naga wurden nach Bekanntwerden ihrer Kultur im 19. Jahrhundert viel beachtet
und von europäischen Forschern und Sammlern besucht. Mit der indischen Unabhän-
gigkeit 1947 wurde das Land wegen kriegerischer Auseinandersetzungen unzugänglich,
da die Naga es ablehnten, Teil der Indischen Union zu werden. Seit kurzem erst öffnet
sich das Land wieder und hat Interesse daran, seine Kultur bekannt zu machen. Die al-
ten, in Vergessenheit geratenen, nie gezeigten europäischen Museumssammlungen und
das Interesse einer Nation, die beginnt, sich neu zu definieren, können jetzt zusammen-
gebracht werden. Es wird deshalb besonders wichtig sein, neben den Objekten die ge-
158
Konzept zur Präsentation der außereuropäischen Sammlungen im Humboldt-Forum 2008
Abb. 41 Kleidung einer Frau, Akha (Kaw), Thailand
Abb. 42 Ahnenfigur aus Nias, Indonesien
genwärtige Situation im Ursprungsland zu thematisieren. Es müssen hier die Fragen
nach den Folgeproblemen von Kolonisierung und christlicher Missionierung, der Iden-
titätsfindung der heutigen Generation sowie der Nationenbildung behandelt werden.
Bei den Objekten handelt es sich um Kopfbedeckungen, Schmuck, Kleidung, Korb-
waren und Waffen (Speere, Lanzen, Schilde). Der sehr attraktive Schmuck aus Pflan-
zenfasern und Haaren braucht besondere Beachtung (ca. 200 Objekte).
Die Völker des „ Goldenen Dreiecks “
Die weltweit bedeutende Sammlung zur materiellen Kultur der halbnomadischen Völ-
ker im Grenzgebiet zwischen Thailand, Myanmar und Laos, das wegen des Opiuman-
baus seinen Namen bekam, bildet einen Schwerpunkt der Sammlungen aus Festland-
Südostasien. Die ca. 2000 Objekte, gesammelt in den 1960er Jahren an Ort und Stelle
und in den 1980er Jahren vom Museum angekauft, umfassen Textilien, Silberschmuck,
Musikinstrumente, Korbwaren und Werkzeuge der Karen, Hmong, Mien (Yao), Lahu,
Akha und Lisu sowie Ritualtexte/-bilder und Utensilien von Schamanen der Mien
(Yao). Sie wurden anlässlich einer Sonderausstellung in den 1980er Jahren publiziert.
Während in der Ausstellung „Asiatisches Theater“ die kulturübergreifenden Aspekte
aus Indien, Sri Lanka, Indonesien und Thailand präsentiert werden, stehen in diesem
Modul beispielhaft südostasiatische Minderheiten im Mittelpunkt. Die Präsentation der
Objekte soll einerseits ein Bild der individuellen Kulturen mit ihrer großartigen Textil-
kunst und Silberschmiedetradition vermitteln, andererseits auch die Probleme aufgrei-
fen, denen sich diese Völker in der Gegenwart zu stellen haben: von der Staatsmacht
verordnete Ansiedlung, Umstellung auf den Anbau legaler Produkte, neue Identitätsfin-
dung (ca. 250 Objekte).
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
159
Die Welt der Ahnen- und Schutzgeister
Aus Indien, aber vor allem aus Indonesien kommt eine große Anzahl von Ahnenfiguren.
Die Holzskulpturen aus Sumatra und Nias (westlich vor Sumatra liegende Inselgruppe)
sowie aus Sulawesi und von den indischen Inseln Andamanen/Nikobaren bilden inner-
halb dieses Themas besondere Schwerpunkte, weil sie von herausragender künstleri-
scher Qualität sind. Der reduzierte, abstrahierende Stil, die tiefsinnige, phantasievolle
Umsetzung von Schutzbedürfnis in plastische Formen geben diesen Objekten einen
besonderen Reiz.
Sie kamen als Folge der christlichen Missionierung nach Berlin, denn da sie als
„Teufelszeug“ galten, wurden sie von den missionierten Gruppen nicht mehr verehrt.
Das Thema Missionierung als Vorbereitung und Folge von Kolonisierung, als Zerstö-
rung lokaler Traditionen, aber auch die damit verbundene Einführung von Schulbildung
und medizinischer Versorgung und die Hilfe für die benachteiligten Gesellschaftsgrup-
pen können in diesem Zusammenhang dargestellt werden.
Die Auffassung vom Tod in einer Gesellschaft mit zumeist zyklischem Zeitverständ-
nis und traditionelle wie heutige Bestattungsbräuche gehören ebenfalls zu diesem The-
ma (ca. 100 Objekte sowie ein Schaumagazin, das clusterartig die Fülle zeigt).
Historische Fotografien
Es sind Fotografien aus fast allen Länden zwischen Indien und den Philippinen vorhan-
den, teilweise von Fotografen, die im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert berühmte
Studios betrieben. Neben den Studiofotografien gibt es Dokumentationen von For-
schungsreisen.
Ein gesonderter Raum für Fotoausstellungen, den alle Fachreferate des Ethnologischen
Museums nutzen können, sollte eingeplant werden (ca. 100 Fotografien pro Ausstellung).
Sumatra: Die Kultur der Batak und die Ostindische Kompanie
Anhand der einzigartigen Sammlung von Holzskulpturen, Ethnographica und Schriften
auf Bambusrohr, Knochen und Rinde der Batak aus dem späten 19. Jahrhundert, die
bisher nicht ausgestellt wurden, kann ein Bild von der Kultur der Batak im nördlichen
Sumatra gezeichnet werden. Die Batak gehören heute mit ca. 5 Millionen Menschen zur
zahlenmäßig größten Ethnie Indonesiens. Vor allem ihre Schriften in Alt-Karo und To-
ba-Batak, die zum Teil in deutscher Übersetzung vorliegen, vermitteln in ihrer Poesie
und historischen Bedeutung die Veränderungen der traditionellen Lebensformen durch
die Handelsinteressen der Ostindischen Kompanie bzw. Niederländisch Ostindien so-
wie der christlichen Missionierung.
Schaumagazin
Abgesehen von der Bestückung der genannten Ausstellungsmodule kann das Fachrefe-
rat Süd- und Südostasien für eine regional übergreifende Präsentation von Fülle und
Vielfalt im Ethnologischen Museum folgende Objektgruppen beisteuern: Textilien aus
Indien, Indonesien und den Philippinen, Kampf-, Zeremonial- und Repräsentationswaf-
fen aus Indien und Indonesien, Silberschmuck aus Indien und Thailand, Korbwaren aus
Indien und Indonesien, Keramik aus Sri Lanka und Indonesien, Bootsmodelle aus Indi-
en und Indonesien.
Daneben eignen sich für das Schaumagazin farblich gefasste Holzskulpturen aus
Bali, Lackobjekte aus Indien, Thailand, Burma und Vietnam, Tempelskulpturen aus
Myanmar (Burma).
160
Konzept zur Präsentation der außereuropäischen Sammlungen im Humboldt-Forum 2008
Ausstellung Ost- und Nordasien
Einleitung: Die Sammlungen
Die Sammlungen sind primär definiert durch ihre auf Ethnien und Regionen bezogene
Erwerbungsgeschichte nach Forschungs- und Sammelreisen zwischen 1870 und 1990.
Zum Charakteristikum gehört jedoch auch das Prinzip der Diversität, wonach in den
Dekaden des Sammlungsaufbaus nach unterschiedlichen Kriterien vorgegangen wurde.
Die Sammlungen sind zur materiellen Hinterlassenschaft des Alltags je Ethnien entstan-
den. In der Regel hat es in diesem Kontinuum sowohl aus der sammelnden wie wissen-
schaftlichen Bearbeitung von Teilbeständen heraus Bezüge zur jeweiligen Gegenwart,
hier des späten 18. bis ausgehenden 20. Jahrhunderts, gegeben.
So enthält die Sammlung neben Archäologica (Neolithikum bis frühes Mittelalter)
einen großen religionskundlichen Bestand, Gebrauchsgeräte aus dem Alltag nahezu
aller Schichten (vornehmlich seit dem 17. Jahrhundert bis in die Gegenwart) und um-
fangreiche chinesische Theaterrequisiten.
Trotz zahlreicher Kriegsverluste von z. T. hochgradig wertvollen Gegenständen be-
steht ein weiterer Vorzug nicht nur in dem gewaltigen Umfang (45 000 Objekte aus
Ostasien und 6000 aus Sibirien), sondern auch in dem Vorhandensein einer Themen
entsprechenden Foto- und Archivsammlung, d. h. die genannten Forschungs- und Sam-
melreisen (und weitere Erwerbungen) sind überwiegend gut dokumentiert. Nicht nur
die jeweiligen Regionalwissenschaften, sondern ebenso Indigene, Vertreter aus Sibi-
rien, aus Korea, Japan, Taiwan und natürlich China nutzen dieses Archiv für Fragen zu
ihrer Landes- oder Regionalgeschichte.
Ausstellungsmodule
Die nachfolgende thematische Gruppierung ergibt sich aus zwei inhaltlichen Schwer-
punkten: Erstens Darstellung und Vergleich von Wirtschaftsformen an je einem Fallbei-
spiel des 18. bis 21. Jahrhunderts zu je einer Region und Ethnie, ausgehend von Nord-,
Nordwest- und Ostasien mit ihren Auswirkungen auf die Lebensweise, und zweitens
parallel dazu eine je eigene oder daran gekoppelte Darstellung der bestimmenden reli-
giösen Praxis.
Ländliche und städtische Siedlungskulturen im Umfeld von Steppe, Flachland, Gebir-
ge, zur Küste hin oder auf Inseln - klimatisch zudem verschieden - prägten unterschied-
liche Sicht- und Handlungsweisen aus. Dies ist die horizontale Ebene der Darstellung,
die vertikale wird bestimmt durch das Gerüst der Themengruppen: zum Alltagsleben
aller Schichten und zu den Vorstellungswelten zwischen Vergangenheit und Gegenwart.
Hinzu kommen Ausstellungen zu chinesischer Medizin, japanischer Volkskultur,
Zen-Buddhismus und Religionen von China und Tibet.
Wirtschafts- und Lebensformen in Nord- und Ostasien
Lebensformen in Sibirien anhand der Nanai
Der Alltag wird über die Ausstattung eines Winterzeltes des 19. Jahrhunderts vorge-
stellt. Sie zeigt ferner Werkzeuge der Nahrungsgewinnung (z. B. der Jagd und des Fisch-
fangs). Die wertvollsten Stücke bezeugen die Fertigkeit, aus Fischhaut und Fellen Klei-
dung herzustellen. Dabei werden ältere und neuere Objekte nebeneinander präsentiert.
Eine vollständige Ausstattung eines Schamanen und seine mehrschichtige funktio-
nale Stellung, darunter die des Heilers, verdeutlichen Praxis- und Sinnbezüge dieser
Lebensform. Dieser Teil wird dargestellt an Gegenständen der Sammlung Pjotr Simke- Abb 43 Nanai-Schamane
vitch (um 1896). mit Ausrüstung
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
161
Das Beispiel kann im Wechsel mit Sammlungen der Ewenken (Solonen) und Oroqen
gezeigt werden, die auf Forschungs- und Sammelreisen von Walther Stötzner (1914-20)
zurückgehen.
Die Burjaten-Mongolen
Eine Jurte mit zugehörigen Möbeln und einer Kücheneinrichtung steht im Zentrum der
Ausstellung der Burjaten-Mongolen. Diverse religiöse Gegenstände werden so präsen-
tiert, wie sie von den Bewohnern der Jurte darin platziert werden, etwa Thankhas (Roll-
bilder) mit Darstellungen von Figuren des mongolische Spezifika aufweisenden Panthe-
ons des tibetischen Buddhismus oder kleinformatigere Götterbilder auf Leinen oder
Papier, die in Holzrahmen gefasst werden. Daneben ein Hausschrein mit einer Figur
eines tibetischen Mönches, Statuen diverser Gottheiten, zugehöriges Ritualgerät wie
Gefäße für Opfergaben, eine Gebetsmühle und Gebetsflaggen. Ausgestellt werden Ge-
brauchsgegenstände, von denen einige zu den frühesten Erwerbungen der Sammlung
gehören: die Ausstattung eines Jägers, daneben Reitersattel und Zaumzeug; hinzu kom-
men Kleidung und Schmuck. Historische Fotografien aus dem Gebiet der Burjaten
(Landschaften, Porträts) ergänzen die Ausstellung. Die Ausstellung kann in Wechsel
mit Dokumentationen über die Giraten treten. Im Zentrum stehen hier eindrucksvolle
Ölporträts (18. Jahrhundert). Ferner findet sich darunter ein Objekt, das in besonderer
Weise die Migrationen von Objekten veranschaulicht: die Irrfahrt eines Schamanenge-
wandes von Kijachta über Peking und St. Petersburg (unter Einschaltung des Agenten
Eugen Pfaffius in Jakutsk 1885) nach Berlin. Aus der Vorstellungswelt des wiederbeleb-
ten tibetischen Buddhismus in der Mongolei heute ergibt sich ein direkter Bezug zum
Ausstellungsmodul „Asiatisches Theater“ mit Werken zum Zam-(Masken-)Tanz und
seiner heutigen (2005) Aufführungspraxis im Kloster Daschtschoiling/Ulan Bataar.
Tradition und Gegenwart einer Ackerbaukultur in Nordostchina
Hier werden Beispiele für ländliches Leben gestern und heute präsentiert, dargestellt an
der Sammlung des Forschers Ferdinand Lessing (um 1935) und an Neuerwerbungen.
Im Wechsel können Gegenstände des ländlichen Lebens aus der Sammlung Wilhelm
Grube (um 1895) gezeigt werden.
Schaumagazin
• Stadtkultur aus der späten Qing-Zeit mit Beispielen zum Thema Wohnen und Haus-
bau (80 Objekte)
Schaumagazin zum erweiterten Thema
• Devotionalien, Hausinventar (Umfang ca. 30 m2, 80 Objekte)
Die Küsten- und Inselkulturen im Dreieck Taiwan, Ningpo, Xiamen
Die Küsten- und Inselkulturen stehen im Mittelpunkt einer Darstellung mit Gegenstän-
den der Fischerei und des Feldbaus sowie des städtischen Lebens dieser Region. Damit
verbunden wird in religionshistorischer Parallele auf Formen des Volksglaubens (zum
Schutz bei Seefahrt) eingegangen. Als Wechsel können Gegenstände des chinesischen
Abb. 44 Tragealtar für eine und japanischen Beitrages der Internationalen Fischereiausstellung in Berlin 1880 vor-
gestellt werden.
Chinesische Medizin
Als ein wichtiger Themenschwerpunkt wird die Sammlung traditioneller chinesischer
Medizin mit einer Apotheke als Kernpunkt einbezogen. Dieses Ausstellungsmodul wird
in Kooperation mit der Humboldt-Universität zu Berlin geplant. Ausgehend von dem in
der chinesischen Kultur durch Formen des Daoismus tradierten Wunsches nach langem
Leben, ist eine umfängliche Sammlung medizinischer und pharmazeutischer Objekte
162
Konzept zur Präsentation der außereuropäischen Sammlungen im Humboldt-Forum 2008
des 18. bis 20. Jahrhunderts Anknüpfungspunkt für eine mehrschichtige Bearbeitung zu
diesem Themenkreis.
Im Zentrum steht die Ausstattung einer kompletten Apotheke. Sie veranschaulicht
Hilfsmittel chinesischer Heilkundiger, in erster Linie Arzneien. Dabei können unter-
schiedliche Aspekte des Umgangs mit der Tradition bis in die Gegenwart dargelegt
werden, etwa die heterogene Herangehensweise mit den überlieferten Rezepturen durch
Gelehrtenärzte über Wanderheiler bis hin zur heutigen Verquickung mit Erkenntnissen
der modernen Schulmedizin. Der Heilkunde dienliche Praktiken werden durch zahlrei-
che Gegenstände und Darstellungen erklärt.
Japanische Volkskultur am Beispiel der Schreinfeste
Hierfür gibt es eine ursächliche Verbindung zur Vorstellungswelt des Shintö (dargestellt
an ländlichen Kleinschreinen und Umfeld). Dazu dienen Beispiele des 19. und 20. Jahr-
hunderts wie ein originaler Schrein, Modelle und Ausstattungsgegenstände.
Eine räumliche oder thematische Verbindung zur Ausstellung „Urbanisierung in Ja-
pan“ des Museums für Asiatische Kunst ist hier gegeben.
Als Wechsel können moderne Souvenirs oder Andenken europäischer Reisender aus
Japan wie die Erna- und Tenugui-Sammlungen aus den Jahren 1890-1990 gezeigt werden.
Zur Stellung des Zen-Buddhismus
Zum gegenwärtigen Japan wird anhand einer Auswahl von Objekten aus dem Tenryü-ji
Kloster in Kyoto die Vorstellungswelt des Zen illustriert und thematisiert. Im Zentrum
der Ausstellung steht eine Meditationshalle (2,5 x 6 m). Eine umfängliche Sammlung an
Inventar eines solchen Klosters lässt das Leben der Mönche deutlich werden. Zen-Ritu-
ale und ihr religionshistorischer Hintergrund werden ebenso dargestellt wie die Verbin-
dung zur Außenwelt (über Tourismus und Managerkurse).
Abb. 45 Platte eines Ahnen-
schreins
Welt- und Jenseitsvorstellungen, zur Religionsgeschichte von China
Geplant ist ein Ausstellungsteil, von dem aus die genannten Regionen in ihrer Einzigar-
tigkeit erschlossen werden können. In diesem Bereich sollen Werke des Ahnenkultes
der Zeitenwende mit denen der jüngeren Gegenwart und heutigem Brauchtum verbun-
den werden.
Ahnenkult am Beispiel von Grab- und Ahnenhallenarchitektur
Archäologica in Form von mit Reliefzeichnungen versehenen Innen- und Außenarchi-
tekturelementen einer als Opferschrein dienenden Ahnenhalle aus der Han-Zeit werden
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
163
Abb. 46 Schreinsäule,
China
ein wichtiger Bestandteil der religionshistorischen Ausstellung Chinas sein. Anhand der
Bildinhalte von Reliefs auf der genannten, aus der heutigen Provinz Shandong stam-
menden Bauplastik sind Rückschlüsse auf a) die Rolle des Konfuzianismus beim Grab-
und Ahnenkult dieser Zeit, etwa durch die Darstellung von entsprechenden rituellen
Handlungen durch Menschen, und b) die Rolle von Tiersymbolik und anderen figurati-
ven Darstellungen bei Jenseitsvorstellungen jener Zeit zu ziehen. Letzteres gilt auch für
die Ornamentik von Grabziegeln aus der Han-Zeit, die ebenfalls ausgestellt werden - in
unmittelbarer Nähe der Architekturelemente, da sich das Grab vor der Ahnenhalle be-
fand. Die Hohlziegel geben zudem weiteren Aufschluss über Formen von Architektur
im Kontext religiöser Jenseitsvorstellungen.
Die Gestaltung ganzer Bauteile sakraler Architektur in Form von Fabeltieren wie
Drache, Phönix oder Löwe in ihrer Funktion als Schutzwesen wird in der Ausstellung
durch entsprechend gestalteten glasierten Firstschmuck, Dachreiter und Traufenab-
schlussziegel aus späteren Dynastien als ein wiederkehrendes Phänomen bis in die Neu-
zeit dargestellt.
Beim Thema Ahnenkult soll den Fragen nachgegangen werden, warum ein Verstor-
bener zum Ahnen wird, wie und von wem er verehrt wird und welche Elemente des
Ahnenkultes erhalten geblieben sind.
Zum Daoismus
Daoistische Formen des Volksglaubens vom 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart sol-
len über mehrere Objektgruppen erläutert werden: über die Verehrung und Verbreitung
der „Acht Unsterblichen“, von vergöttlichten Helden der Geschichte und über Erzäh-
lungen um die Suche nach Elixieren für „Langes Leben“. Von dieser Warte aus wird
auch die Verbindung zur Ausstellung „Chinesische Medizin“ hergestellt.
Im Zentrum steht ein großformatiges Rollbild, das Mitglieder einer Familie beim
Gang in den Ahnentempel zwecks Durchführung des Opferrituals für die Vorfahren
zeigt. Die durchzuführenden Ritualhandlungen, deren Vorbereitung ebenfalls darge-
stellt ist, werden in der Ausstellung anhand der hierfür verwendeten materiellen Aus-
stattung in Form von Ritualgegenständen aus den Beständen der Sammlung erläutert:
Aufwändig gestaltete Ahnentafeln werden unter Berücksichtigung der Erläuterung ih-
res Dekors und ihrer Inschriften nebst dazugehörigem Ritualgerät (etwa Gefäße für
Räucherwerk als Opfergabe) gezeigt. Aufschluss über die Praxis des Ahnenverehrungs-
rituals im häuslichen Bereich am Ende der Kaiserzeit geben ein reichlich mit Schnitz-
dekor versehener Ahnenaltar aus Südchina sowie Genrebilder. Des Weiteren werden
Rollbilder mit Ahnenporträts ausgestellt. Als Bezug zur Gegenwart werden aus dem
Bestand der Fotosammlung Fotos vom praktizierten Ahnenritual des 19. bis 20. Jahr-
hunderts in die Ausstellung mit einbezogen.
Zum Buddhismus: China
Die sogenannte Buddhapredigt (9 x 5 m) steht mit ihrer bis in den südasiatischen Raum
greifenden synkretistischen Ikonografie als ein weiterer Ausgangspunkt multimedial
und/oder im Original bereit: Einzelne Gottheiten, die auf dem Tempelbild abgebildet
sind, werden dem Besucher in ihrem kulturell-funktionalen Kontext vorgestellt, indem
(im zeitlichen Wechsel) Plastiken oder Bilder bestimmter buddhistischer Gottheiten in
ihrer Funktion als Ritualobjekte erläutert werden. Zugrunde liegt hier die Einteilung des
buddhistischen Pantheons in Buddhas, Bodhisattvas, Götter, Sadhitas und historische
Personen, deren Funktion anhand von Kriterien wie Attributen, Schmuck, Kleidung,
Gesichtsausdruck, Handgesten oder Sitzhaltung erläutert wird. Großplastiken des in
China besonders populären Bodhisattvas Guanyin aus Holz werden mit Porzellanstatuen
dieses Bodhisattvas in kleinerem Format aus der Yuan-Dynastie ausgestellt; sie gehen
einher mit Guanyin-Darstellungen aus späteren Dynastien, sowohl kleinformatigen als
164
Konzept zur Präsentation der außereuropäischen Sammlungen im Humboldt-Forum 2008
Abb. 47 Mittelteil der
Buddhapredigt
auch großformatigen Plastiken, womit eine aufschlussreiche und abwechslungsreiche
Präsentation gewährleistet ist. Dasselbe gilt auch für andere Figuren aus dem buddhis-
tischen Pantheon, z.B. für eine bekannte Erscheinungsform des Buddhas der Zukunft.
Auch hier werden in zeitlichen Abständen Statuen aus unterschiedlichem Material prä-
sentiert und ihre Rolle im Buddhismus erläutert. Historische Figuren wie Schüler des
Buddha (Arhats) sind in der Ausstellung durch Holzfiguren vertreten. Aufwändig herge-
stellte, großformatige Weihrauchgefäße, wie sie in buddhistischen Tempeln in China bis
heute verwendet werden, weisen den Besucher auf die Funktion buddhistischer Statuen
und Bilder als Ritualobjekte hin. Hier ist auch auf die Rolle des Buddhismus bei denjeni-
gen Ritualen des Lebenszyklus hinzuweisen, die von einem Synkretismus gekennzeich-
net sind, etwa Trauer- und Beerdigungsrituale: An Opfergaben und Objekten der Toten-
ausstattung aus der Sammlung sind buddhistische Elemente aufzuzeigen und zu erläutern.
Bestimmte Kulthandlungen basieren zudem auf illustrierten Sutras (Lehrschriften), von
denen einige, etwa in Blockdruckform oder in Form von Handschriften, in der Samm-
lung vorhanden sind; sie werden ebenfalls zeitweilig in die Ausstellung eingebracht.
Zum Buddhismus: Tibet
Drei herausragende Plastiken aus vergoldeter Bronze im sinotibetischen Stil aus dem
17. bis 18. Jahrhundert stellen einen stringenten Übergang in die Welt der tibetischen
Form des Buddhismus dar. Die Sammlung tibetisch-buddhistischer Bildrollen (Thang-
kas) eignet sich hervorragend für eine Illustration der reichhaltigen tibetisch-buddhisti-
schen Götterwelt. Auf Funktion und Stellung der einzelnen Gottheiten, die in zahlrei-
chen Erscheinungsformen dargestellt werden, wird in der Ausstellung in erklärender
Form eingegangen. Kleinformatige Plastiken einiger Gottheiten werden, jeweils ergän-
zend zu ihrer Darstellung auf dem jeweiligen Thangka, ausgestellt.
Hervorgehoben werden auch die besonderen Formen von Ritualgeräten, die bei der
Verehrung der entsprechenden Gottheiten Verwendung finden, z. B. aufwändig gestalte-
te und verzierte Gebetsmühlen, teilweise großformatige, plastisch gestaltete Ritualstäbe
sowie Mani-Gebetssteine, die mit eingravierten Gebets- bzw. Anrufungsformeln verse-
hen und charakteristisch für die tibetische Landschaft in Klosternähe sind.
An der Ausstellung „Archäologisches Fenster“ des Museums für Asiatische Kunst
werden folgende Sachgruppenbeispiele beteiligt sein: Die Sammlung neolithischer
Funde aus Aomori und Hokkaido, der fragmentarisch erhaltene Nachlass von Erwin v.
Baelz; Erwerbungen durch Herbert Müller, Boden- und andere Funde Chinas der Han-
bis Tang-Zeit; Kleinfunde aus Korea.
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
165
Ausstellung Ethnologie Nordamerikas
Einleitung: Die Sammlung
Die Sammlung zur Ethnologie Nordamerikas (Indianer bzw. Native Americans und Es-
kimo bzw. Inuit) besteht aus etwa 25 000 Objektnummern mit etwa 30000 Objekten.
Die Entstehung der Sammlung ist heterogen: Alter, Umfang und Qualität der Samm-
lungen in den unterschiedlichen Teilregionen (Kulturarealen) sind sehr unterschiedlich
ausgeprägt.
Die Sammlungen aus dem Osten der USA und Kanadas bestehen zum überwiegen-
den Teil aus relativ alten (spätes 18., frühes 19. Jahrhundert) Einzelstücken, darunter
zahlreiche Jagdtaschen, Ledermäntel und empfindliche Stoffkleidung. Hinzu kommen
verschiedene Souvenirartikel aus der Gegend der Niagarafälle, die den Kulturwandel
dieser Region dokumentieren.
Der überwiegende Teil der Nordamerika-Sammlung stammt aus dem Gebiet westlich
des Mississippi. Aus der Zeit vor 1850 sind besonders die Sammlungen Prinz zu Wied,
Herzog Paul von Württemberg und Friedrich Köhler zu nennen, die sich durch Klei-
dungsstücke und Zeremonialobjekte auszeichnen, die selbst in amerikanischen Museen
nicht vorhanden sind. Besonders hervorzuheben ist die Sammlung von bemalten Bison-
roben, eine der weltweit größten Sammlungen dieser Objektgruppe aus der Zeit vor 1850.
Durch die Vermittlung von Franz Boas und durch Adolf Bastians gute Kontakte zu
amerikanischen Museen und Sammlern kamen in der Zeit um 1900 größere Sammlun-
gen aus dem Gebiet der Prärien und Plains sowie aus dem Südwesten nach Berlin, die
von amerikanischen Ethnologen wie Clark Wissler oder Frank Cushing speziell für Ber-
Abb. 49 Kachina-Figur mit Tablita (Kopfaufsatz), Hopi
Abb. 48 Federhaube mit Schleppe, Comanche
166
Konzept zur Präsentation der außereuropäischen Sammlungen im Humboldt-Forum 2008
lin angelegt wurden. Weitere Sammlungen wurden von Händlern erworben oder mit
Museen „ausgetauscht“.
Die einzige Sammelreise nach Nordamerika, die von Berlin ausging, war die von
Adrian Jacobsen an die Nordwestküste und nach Alaska von 1881 bis 1883. Mit insge-
samt ca. 7000 Objekten ist dies die größte Sammlung aus diesen Regionen in Europa.
Das Material aus Kalifornien zeichnet sich zum einen aus durch sein relativ hohes
Alter (Sammlung Deppe um 1830), zum anderen durch die Fülle an unterschiedlichen
Korbtypen. Aus dem Südwesten kommt eine umfangreiche prähistorische Sammlung
(vor allem Keramiken). Bei den ethnologischen Sammlungen liegt der Schwerpunkt auf
den Kulturen der Pueblo-Indianer und ihren religiösen Aktivitäten. Besonders bedeu-
tend ist die Sammlung von Kachina-Figuren der Hopi.
Ausstellungsmodule
Frühe Reisende und Sammler in Nordamerika
Themen sind die Motivation, die Ergebnisse und die Rezeption. Frühe Reisende, von
James Cook bis Balduin Möllhausen, brachten Sammlungen nach Europa, die das Inter-
esse an der Erkenntnisgewinnung über fremde Kulturen und Lebensweisen dokumen-
tieren, ohne dabei kolonialistische Ziele zu verfolgen.
Indianer und Europäer
Das Verhältnis von Indianern und Europäern wird unter den folgenden Themen vorge-
stellt:
a. Indianische Geschichte: Kolonisierung, Vertreibung, Zwangsassimilierung und heu-
tige Probleme der indianischen Minderheit als Grundlage für das Verständnis ihrer Le-
benswelt auf den Reservationen und außerhalb sowie ihres Anteils an der modernen
amerikanischen Kultur.
b. Anpassung und Widerstand: Die verschiedenen Regionen Nordamerikas haben unter-
schiedliche Anpassungsmuster hervorgebracht, von der relativ friedlichen Adaption eu-
ropäischer Einflüsse bis hin zum militärischen Widerstand in Form der so genannten
Indianerkriege. Eine ganz besondere Form der Anpassung war die Übernahme des Pfer-
des und die Entwicklung einer indianischen Reiterkultur, die es bis dahin auf dem ame-
rikanischen Kontinent nicht gab (siehe hierzu auch „Die Reiterkulturen Südamerikas“
im Ausstellungsteil „Südamerikanisches Tiefland“).
c. Klischeevorstellungen sowie deren besondere Ausprägungen in Europa und in
Deutschland (Rousseau, „Edle Wilde“; Karl May, Winnetou); Im Mittelpunkt dieser
Ausstellung werden die Plains-Indianer stehen, die sich im besonderen Maße durch den
Kontakt mit den Europäern entwickelt haben und gleichzeitig als besonders typisch für
Indianer von Seiten der Europäer gesehen wurden.
Ein Kulturareal
Die traditionellen Kulturen Nordamerikas unterschieden sich erheblich in ihren Um-
weltbedingungen, der Wirtschaftsweise, der materiellen Kultur, der sozialen Struktur,
Religion und in ihrer historischen Entwicklung in der Auseinandersetzung mit den Wei-
ßen. Nach einem Überblick soll ein einzelnes Kulturareal wie der Südwesten, der Süd-
osten oder auch der Nordosten vorgestellt werden. Die Besucher sollen dabei erkennen,
wie unterschiedlich Kulturen, die pauschal als „Indianer“ bezeichnet werden, sich unter
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
167
verschiedenen Umweltbedingungen entwickeln können. Auf die Nordwestküste wird
im Ausstellungsmodul „Kulturelle Schnittstelle“ eingegangen.
Vom Geistertanz bis zur Peyote-Religion
Traditionelle religiöse Formen und ihre Veränderung unter dem Einfluss der Euroame-
rikaner sind das Thema dieses Ausstellungsmoduls. Kultureller Widerstand zeigte sich
im indianischen Amerika häufig in Form von religiösen Bewegungen, die gegen die
Einflussnahme der weißen Gesellschaft gerichtet waren und dabei traditionelle und
christliche Elemente miteinander verbanden.
Geschichte und Entwicklung des Powwow
Wie kein anderes indianisches Fest gilt das Powwow heute als Inbegriff von indiani-
schem Traditionalismus und moderner Festkultur. Gleichzeitig dient es als identitätstif-
tendes Abgrenzungsmerkmal gegenüber der dominanten angloamerikanischen Gesell-
schaft. Vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg wurden neue Formen des Tanzes ge-
schaffen und parallel dazu neue Kostümformen entwickelt, die in einem modernen
ethnologischen Museum unbedingt dokumentiert, gesammelt und ausgestellt gehören.
Hierbei könnte das Berliner Museum durch das Anlegen einer umfassenden Sammlung
eine in Europa einmalige Vorbildfunktion erfüllen.
Moderne indianische Kunst
Die moderne Kunst bildet heute eine wichtige Brücke zwischen der indianischen Min-
derheit und der amerikanischen Mehrheitsgesellschaft. Die Präsentation erfolgt einer-
seits als Regionalkunst, in der traditionelle Gestaltungsformen transformiert und neu
interpretiert werden, andererseits als Ausdruck einer panindianischen Identität, die be-
wusst zur kulturellen und politischen Abgrenzung gegenüber der dominanten amerika-
nischen Gesellschaft eingesetzt wird. Hierbei sollte ein Grundbestand permanent ge-
zeigt werden, der durch wechselnde Themen und Neuankäufe ergänzt wird.
Transkontinentales Ausstellungsmodul - Kulturelle Schnittstelle: Sibirien, Alaska,
Nordwestküste und Pazifikeskimo
Die Kulturen des Nordpazifiks beidseitig der Beringstraße von der amerikanischen
Nordwestküste (Tlingit, Haida, Kwakiutl u. a.), den Pazifikeskimo, Aleuten, Sibiriern
(Tschuktschen, Ewenken, Itelmen, Koryaken) weisen in Ikonographie, Glaubensvor-
stellungen und materieller Kultur Gemeinsamkeiten auf, die auf die gemeinsamen Um-
weitbedingungen, auf direkte und indirekte Kontakte in historischen und prähistori-
schen Zeiten zurückzulühren sind. Die künstliche Trennung in Ausstellungsbereiche,
die sie entweder dem Kontinent Asien oder Amerika zuordnen, macht es jedoch unmög-
lich, dies zu erkennen. Dabei gehören die Objekte zuweilen zu derselben Sammlung,
weil der Sammler sich beidseits der Beringstraße aufhielt, forschte und sammelte.
So sandte die Geographische Gesellschaft, d. h. der ehemalige Verein für Deutsche
Nordpolarforschung, die Berliner Gebrüder Arthur und Aurel Krause auf eine Expediti-
on zur Tschuktschen-Halbinsel (Asien) und nach Alaska - ein interkontinentales Unter-
nehmen.
Der deutschstämmige Franz Boas, ehemaliger Mitarbeiter des Berliner Völkerkun-
demuseums, ging als einer der ersten Wissenschaftler und Teilnehmer der beiden „Jesup
North Pacific Expeditions“, (1897-1902 und 1900-01) systematisch den transpazifi-
schen kulturellen Kontakten zwischen Nordostsibirien und der amerikanischen Nord-
168
Konzept zur Präsentation der außereuropäischen Sammlungen im Humboldt-Forum 2008
Abb. 50 Fritz Scholder, Luiseno,,
Lithographie
,Indian with Tomahawk“, 1975,
Abb. 51 Tintenfisch-Maske, Chilkat-Tlingit, Nordwestküste
Westküste nach. Völkerkundliche Sammlungen spiegeln jedoch keineswegs nur „unbe-
rührte“ Kulturen, sondern geben darüber hinaus Zeugnis großräumiger indigener Kon-
takte und europäischer Entdeckungs-, Expansions-, Wirtschafts- und Siedlungsge-
schichte, z. B. Importe aus China (Pfeifen u. a.) oder Hawai’i, europäische Importartikel
und ihre einheimischen Variationen (z. B. Schnitte und Verzierung russischer Kleidung
in Mänteln aus Seehunddarm).
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
169
Abb. 52 Opferblutschale,
Quauhxicalli,
Mexiko, Zentrales
Hochland, Azteken
Ausstellung Amerikanische Archäologie
Einleitung: Die Sammlung
Die Sammlung „Amerikanische Archäologie“ des Ethnologischen Museums umfasst
ca. 120 000 überwiegend archäologische Objekte, darunter auch kleinere Konvolute
von kolonialzeitlichen und ethnologischen Objekten sowie historischen Fotografien, die
aus dem kulturhistorisch definierten Raum „Mesoamerika“ und dem Andengebiet Süd-
amerikas stammen. Zu „Mesoamerika“ gehören die heutigen Länder Mexiko, Guatemala,
Honduras, Belize, El Salvador, Nicaragua, Costa Rica, Panama. Der Umfang der Samm-
lung beläuft sich auf ca. 50000 Objekte. Das Territorium des inkaischen Reiches um-
fasst die heutigen Länder Kolumbien, Ekuador, Peru, Bolivien, Argentinien und Chile.
Der Umfang der Sammlung beläuft sich auf ca. 70000 Objekte; sie stammen zu einem
großen Teil aus privatem Besitz. Das bedeutet, dass der Fundkontext nicht dokumentiert
ist und vom Sammler eine Auswahl getroffen wurde, bevor das Konvolut in das Muse-
um kam. Die größte Sammlung ist von einem einzigen Sammler, Christian Theodor
Wilhelm Gretzer (1874-1926), in den Jahren 1872-1904 zusammengetragen worden.
Durch zwei Ankäufe 1899 und 1907 kamen 44 600 Objekte der 70 000 Artefakte, über-
wiegend Grabfunde von der Küste Perus, nach Berlin. Die größten Sammlungen für den
Bereich Mesoamerika sind die Sammlung Uhde, gesammelt in den 1830er Jahren (ehe-
mals Museum aztekisch-mexikanischer Altertümer [1861] mit ca. 4000 Objekten) und
die Sammlung Eduard und Caecilie Seler (ca. 13 000 Objekte), gesammelt Ende des 19.
und Anfang des 20. Jahrhunderts. Einen besonderen Stellenwert im Humboldt-Forum
haben die Objekte, die Alexander von Humboldt von seiner Amerikareise 1799-1804
nach Berlin mitbrachte; es handelt sich dabei um die einzigen Objekte aus der
Humboldt’schen Sammlung im Ethnologischen Museum, denn Anlegen von archäolo-
gischen und ethnographischen Sammlungen gehörte sicherlich nicht zu Humboldts Pri-
oritäten, die meisten dieser Stücke scheinen nach mineralogischen Gesichtspunkten
ausgewählt worden zu sein.
170
Konzept zur Präsentation der außereuropäischen Sammlungen im Humboldt-Forum 2008
Ausstellungsmodule
Die aztekische Expansion, Dynamik inkaischer Herrschaft und europäische
Eroberungen
Azteken
Im zentralmexikanischen Hochland erlangte im ersten nachchristlichen Jahrtausend die
dominierende Metropole Teotihuacan eine überregionale, zentrale Bedeutung. Einer-
seits gab es Migrationen aus verschiedenen Teilen Mesoamerikas (z. B. Oaxaca) nach
Teotihuacan, andererseits gab es Allianzen und eine massive Präsenz von Teotihuacan
in weit abgelegenen Gebieten, besonders im südlichen Maya-Tiefland und -Hochland.
Die große Maya-Metropole im zentralen Petén, Tikal, geriet in die politische, kulturelle
und ökonomische Sphäre von Teotihuacan, wahrscheinlich durch Eroberung und die
dann folgende Institutionalisierung einer neuen Herrscherlinie aus dem Haus von Teo-
tihuacan selbst. Das alles schlägt sich archäologisch, ikonographisch, stilistisch, archi-
tektonisch und auch textlich nieder.
Die zweite fast flächendeckende Kolonisierung, ausgehend vom zentralamerikani-
schen Hochland, ereignete sich in der Postklassik und endete mit der spanischen Erobe-
rung 1521: das Aztekenreich. Erst im frühen 14. Jahrhundert hatten die Azteken ihre
Hauptstadt Tenochtitlan gegründet. Zuvor waren sie lediglich einer von mehreren riva-
lisierenden Stämmen im Hochtal von Mexiko, die als Jäger und Sammler umherzogen.
Um 1430 schlossen sich die Azteken mit zwei strategisch günstig gelegenen Ortschaf-
ten zusammen und bildeten eine Allianz, die sowohl eine gemeinsame politische Stra-
tegie verfolgte als auch die militärischen Kräfte bündelte. So gelang es dem Dreibund,
Provinzen vom Atlantik bis zum Pazifik tributpflichtig zu machen und wertvolle Res-
sourcen an Rohstoffen und Arbeitskräften zu kontrollieren. Das Tributwesen spielte
daher eine entscheidende Rolle. Mit der Eroberung 1521 endet die Aztekenherrschaft.
Inka
Staatlich verordnete Verbreitung von Kultur, eine Art vorspanischer Kolonialismus,
lässt sich am Beispiel der Inka darstellen. Innerhalb von weniger als einem Jahrhundert
gelang es den Inka, das zu dieser Zeit weltweit größte Territorium zu kontrollieren
(Südkolumbien, Ekuador, Peru, Bolivien, Nordwestargentinien, Nordchile). Unsichere
Gebiete wurden durch Umsiedlung von loyalen Bevölkerungsgruppen kontrolliert, wo-
durch die lokale Bevölkerung auch die Verkehrssprache (Quechua) erlernte. Ein Netz
von Straßen sorgte für eine gute Kommunikation und ermöglichte eine schnelle Ver-
schiebung von Truppen sowie die Einführung eines Tribut- und Austauschsystems, das
auf durch die inkaische Verwaltung geführten Lagern basierte. Diese Lager wurden
durch so genannte khipucamayoc verwaltet, die als mnemotechnische Hilfsmittel khipu
(Knotenschnüre) verwendeten. Das Ethnologische Museum verfügt über ca. 50 Prozent
des Weltbestandes dieser Knotenschnüre.
Spanier
Einige Aspekte der europäischen Eroberungsgeschichte werden in der Ausstellung auf-
gegriffen wie: zentrale Figuren der Eroberung, Vorgehensweise der Eroberer, Wider-
stand und Kollaboration der Eroberten, Krankheiten, Mission usw.
Mesoamerika - Charakteristika und Definition eines kulturgeographischen Raumes
Mesoamerika ist ein kulturgeographisches Konzept, das durch gemeinsame Merkmale
der vorspanischen Kulturen in dem Gebiet der heutigen Länder Mexiko, Guatemala,
Belize, El Salvador und Honduras definiert wird; Entwicklung von Staaten und Stadt-
staaten, Fernhandelsbeziehungen, Pyramidenbau, Schrift und Kalender, Festzyklen,
rituelles Ballspiel, Grünsteinbearbeitung u.a.
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
171
Abb. 53 Tongefäß, Maya
Kommunikationssysteme
Kommunikationssysteme sind in Mesoamerika ein zentrales Thema, da hier im Gegen-
satz zu Südamerika Schriftsysteme entwickelt wurden. Der Themenschwerpunkt Kom-
munikations- und Schriftsysteme lässt sich besonders am Beispiel der Maya-Sammlung
veranschaulichen. Das Thema wird jedoch auch die Kommunikationssysteme anderer
mesoamerikanischer Kulturen vergleichend einbeziehen, zumal konzeptuelle Gemein-
samkeiten, z. B. über den überall verbreiteten Ritualkalender, nachweisbar sind. Dieses
überregionale mesoamerikanische Thema wird an Schriftbeispielen aus verschiedenen
Regionen vorgestellt. Darüber hinaus bietet sich ein Vergleich zu Südamerika (inkaische
khipu) an.
Rituelles Ballspiel, eine Form von Krisenmanagement
In allen größeren Zentren Mesoamerikas wurden Ballspielplätze entdeckt, darunter auf-
fällig viele in El Tajin an der mexikanischen Golfküste. Das rituelle Ballspiel war mehr
als ein sportlicher Wettkampf, es war in erster Linie ein kultischer Akt. Den symboli-
schen Charakter veranschaulicht der Schöpfungsmythos der Quiche-Maya, in dem die
göttlichen Zwillinge in die Unterwelt (Xibalba) zitiert werden, um sich dort mit den
Flerren von Xibalba im Spiel zu messen und sie schließlich zu besiegen. Die gegneri-
schen Parteien standen für widerstreitende Mächte wie Regenzeit und Trockenzeit,
Licht und Finsternis, Leben und Tod. Das rituelle Ballspiel scheint in bestimmten Kon-
fliktsituationen eine wichtige Rolle gespielt zu haben (Herrschemachfolge, Gebiets-
streitigkeiten). In der Berliner Sammlung gibt es hinreichend Objekte, um das Thema
zu visualisieren, ergänzt durch Fotos von Ballspielplätzen, Markiersteinen und histori-
schen Berichten von Augenzeugen. Varianten des Ballspiels werden noch heute in den
indigenen Gemeinden Mexikos gespielt.
Kosmologie und Jenseitsvorstellungen
Die meisten Archäologica aus Mesoamerika im Berliner Museum stammen aus dem
Abb. 54 Ballspieler, Huaxteken,
Pánuco, Veracruz
172
Konzept zur Präsentation der außereuropäischen Sammlungen im Humboldt-Forum 2008
Bestattungszusammenhang oder fanden im religiös-rituellen Kontext Verwendung. Die
Jenseitsvorstellungen spiegeln sich in unterschiedlichen Formen wieder - Schachtni-
schengräber (Westmexiko), Grabkammern, Bahren (Oaxaca, Maya), Steinkisten (Azte-
ken) - insbesondere aber in der Ikonographie der Grabkeramiken. Einem Vergleich
unter den im Ethnologischen Museum am besten dokumentierten mesoamerikanischen
Kulturen sollte sich ein Exkurs zum heutigen mexikanischen Totenfest anschließen.
Vertiefende Informationen über kosmologische Vorstellungen und weltanschauliche
Unterschiede, aber auch Übereinstimmungen, wie etwa den Gebrauch des 260-tägigen Ri-
tualkalenders oder das dualistische Prinzip, beziehen wir über Mythen, Bilderhandschrif-
ten (Reproduktionen) und Berichte der Eroberer. Wichtige Einblicke zur Weitsicht, Reli-
gion, den Festzyklen und den komplexen Götterwelten lassen sich im Ethnologischen
Museum hervorragend anhand der aztekischen Götterskulpturen der bedeutenden Samm-
lung Uhde oder den zahlreichen Götterdarstellungen auf zapotekischer Keramik gewinnen.
Das Erbe Mesoamerikas in den dynamischen Weltbildern der Huichol- und
Cora-lndianer, das Interesse der Forscher daran und die Sehnsucht der Alternativen
des 20. und 21. Jahrhunderts
Während seiner zweijährigen Feldforschung 1905-07 sammelte der Ethnologe Konrad
Theodor Preuss im Auftrag des Berliner Völkerkundemuseums bei den Huichol und
Cora-Indianern im Gebiet des Gran Nayar (Westmexiko, Jalisco, Nayarit) 2300 Objek-
te, darunter überwiegend Ritualgegenstände („magische Instrumente der Götter“). Sei-
ne Erfahrungen bei der Teilnahme an den Ritualen hielt er in Tonaufnahmen, Fotografi-
en und ausführlichen indianersprachlichen Textdokumenten und Berichten fest. Zwar
verbrannten diese Texte vollständig im Zweiten Weltkrieg, doch bilden die Objekt-
sammlungen, Ton- und Fotoaufnahmen sowie die mit Erläuterungen und Zeichnungen
versehenen Karteikarten heute einmalige Originalquellen. Preuss studierte Gebete, Ge-
sänge, Musik, Tanz und erlebte selbst die Ekstase des Peyoterausches. Die Erklärung
der Welt und der Kräfte, die sie beherrschen, gab er aus der Sicht der Coras und Huicho-
les in ihren eigenen bis dahin unerforschten Sprachen wieder.
War Preuss einer der ersten Ethnologen, die die lebenden Kulturen des Gran Nayar
studierten, so zogen insbesondere die Huichol-Indianer in jüngster Zeit nicht nur das
Interesse von Wissenschaftlern auf sich; Das traditionelle Leben in unzugänglichen
Bergregionen, das Festhalten an den alten Ritualen, die in abstrakten Mustern auf Gür-
teln und Taschen sowie auf grellbunten Fadenbildern festgehaltenen Weltbetrachtungen
und Mythen, vor allem aber die jährliche Pilgerfahrt, um den stark berauschenden Peyo-
tekaktus zu „jagen“, üben einen Reiz auf Forscher wie auch auf nach alternativen Le-
benskonzepten Suchende aus. Die Huicholes und Coras, die bereits zu Preuss’ Zeiten
äußerst reserviert gegenüber Fremden waren, sind dadurch noch misstrauischer gewor-
den. Bild- und Tonaufnahmen, wie sie Preuss gelangen, sind heute nicht mehr gestattet.
Doch Preuss’ Werk ist im heutigen Mexiko anerkannt, Huichol-Indianer reisen nach
Berlin, um die wertvolle Hinterlassenschaft ihrer Vorfahren zu studieren und die Requi-
siten wieder zeremoniell zu verwenden.
Für Preuss war das Studium lebender Indianergruppen wie der Coras und Huicholes
vor allem auch unter dem Aspekt wichtig, neue Erkenntnisse über die vorspanischen
Kulturen des Alten Mexiko zu gewinnen. Er fand sie z. B. in der kleinen Holzpyramide,
die man ihm als eine Himmelstreppe für die Sonne zum Erklimmen des Zenits deutete,
in Kürbisschalen, die die Erde symbolisieren, oder in heiligen Bündeln, die auch auf
polychromen Gefäßen der vorspanischen Zeit abgebildet sind.
Im Humboldt-Forum wird angestrebt, die Huicholes an der Auswahl und würdigen
Präsentation der Sammlung zu beteiligen, ihre eigenen Erklärungen sowie die Interpre-
tation durch deutsche und mexikanische Wissenschaftler zu vermitteln, aber auch auf
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
173
Abb. 55 „Fine-line-drawing“, Kampfszene, Moche, Peru
die aktuelle Darstellung dieser Kultur im Internet einzugehen und so die multiperspek-
tivische Befassung mit einer Kultur, die gleichsam idealtypisch die „longue durée“ be-
legt, aufzuzeigen.
Weniger bekannt sind ganz profane Entwicklungen, in denen sich die Kultur der
Huicholes heute international wiederfindet: So begegnet man dem Design des typischen
Huichol-Sessels in modernen Büros, Restaurants und Wohnzimmern.
Kulturökologie der Nordküste Perus
Am Beispiel der Nordküste von Peru wird die vorspanische Entwicklung einer Region
nachgezeichnet. Dabei geht es um die Adaption des Menschen an einen Lebensraum
(hier Wüste), archäologisch nachweisbare Katastrophen mit schwerwiegenden kulturel-
len Veränderungen als Folge und den Versuch, das ökologische Gleichgewicht zu beein-
flussen. Zur Illustrierung stehen vor allem Tonobjekte mit bildlichen Darstellungen zur
Verfügung, die die kulturellen Einflüsse und regionalen Entwicklungen innerhalb einer
Region über einen Zeitraum von ca. 2500 Jahren demonstrieren.
Tod und Jenseitsvorstellungen
Der größte Teil der Sammlung südamerikanischer Archäologie besteht aus Objekten aus
dem Bestattungszusammenhang. Ein erheblicher Teil davon wiederum stammt von der
Zentralküste Perus, woher auch die Sammlung an Totenbündeln stammt, die eine be-
sondere Form der Bestattung darstellen. Die Berliner Sammlung verfügt über 64 Mumien
174
Konzept zur Präsentation der außereuropäischen Sammlungen im Humboldt-Forum 2008
aus verschiedenen Regionen Südamerikas, 20 davon sind Totenbündel in ihrer origi-
nalen Form, die restlichen sind vor oder zu Museumszeiten geöffnet worden. Die Be-
stattungsform in Totenbündeln soll im kulturellen Zusammenhang dargestellt werden,
auch im Vergleich zu anderen Bestattungsformen innerhalb Südamerikas.
Kultureller Pluralismus: Gemeinsame Sprache und kulturelle Diversität
Von Zentralamerika bis in den nördlichen Andenraum erstreckt sich ein Gebiet, dessen
Gemeinsamkeit die Zugehörigkeit zu einer Sprachgruppe (Macro-Chibcha) ist. Dieses
Gebiet ist darüber hinaus durch eine soziale Organisationsform gekennzeichnet, die als
„cazicazgo“, Häuptlingstum, bezeichnet wird. Die Besonderheit dabei sind die engen
Beziehungen und Einflüsse (Handel, Spezialisierung) zwischen diesen Gruppen von der
Zeitenwende bis 1500 n. Chr. Zur Zeit der spanischen Eroberung im 16. Jahrhundert
kam es in wenigen Fällen zu militärischen Konföderationen, jedoch nicht zu einer Staa-
tenbildung. Diese Vielfalt von verschiedenen ethnischen Gruppen und die spezifischen
kulturellen Ausprägungen sind in der Sammlung gut dokumentiert durch Ton-, Stein-
und Goldobjekte, um die wichtigsten zu nennen. Diese Region bietet ein gutes Beispiel,
um das Nebeneinander von Kulturen zu demonstrieren.
Abb. 56 Tonfigur, Muisca,
Kolumbien
Abb. 57 Totenbündel, Peru
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
175
Ausstellung Südamerikanisches Tiefland
Einleitung: Die Sammlung
Die Sammlung Südamerikanisches Tiefland umfasst ca. 35 000 Objekte. Diese doku-
mentieren die kulturgeographischen Großräume Amazonien, Chaco, Patagonien und
Feuerland. Außerdem ermöglichen sie einen Einblick in die afroamerikanischen Kultu-
ren am Beispiel Südbrasilien und Surinam. Wie auch in vielen anderen Sammlungsbe-
reichen des Ethnologischen Museums ist schon allein die Größe und Ausgewogenheit
der Sammlungen zum südamerikanischen Tiefland eine Besonderheit. Hieraus leitet
sich ab, dass es viele Teilbereiche gibt, die in diesem Umfang und dieser Qualität auch
im internationalen Maßstab herausragend sind. Da das Ethnologische Museum gerade
auch über große alte Bestände aus Amazonien verfügt, nämlich aus der ersten Hälfte des
19. Jahrhunderts, zählt es auch unter diesem Aspekt zu den bedeutendsten Sammlungen
weltweit. Diese Sammlungen sind in den letzten 50 Jahren nur noch in Sonderausstel-
lungen gezeigt worden. Schwerpunkte der Sammlung sind heute neben den herausra-
genden Federarbeiten und den Masken aus Amazonien der Silberschmuck der Mapu-
che-Indianer aus Chile, der Goldschmuck und die Mola-Sammlung der Kuna aus Pana-
ma sowie die Sammlungen aus Westamazonien, zu denen die feinen Tonarbeiten der
Shipibo und Conibo sowie die Schrumpfköpfe der Shuar (Jivaro-Indianer) zählen.
Ausstellungsmodule
Deutsche Forscher und Reisende in Südamerika
Als Einstimmung in die Ausstellung wird die Sammlungsgeschichte verschiedener be-
deutender Südamerika-Sammlungen vorgestellt, mit dem Fokus auf frühe deutsche Expe-
ditionen in Brasilien. Dazu zählen die ältesten Ethnographica Brasiliens in Deutschland.
Die Geschichte der Erforschung Amazoniens ist eng mit den großen deutschen Expe-
ditionen verbunden, die, bereits als ethnologische Forschungsreisen geplant, die Ethno-
logie Südamerikas nachhaltig beeinflusst haben. Diesem Thema wird auch deshalb ein
eigener Bereich gewidmet werden, weil die Zeit der großen Expeditionen nach Amazo-
nien auch die Zeit der größten Sammlungszuwächse der Brasilien-Sammlung war.
Kulturökologie
Für dieses Thema können Beispiele aus dem Regenwald, aber auch z. B. aus Feuerland
vorgestellt werden. Denkbar wäre, es als fachreferatsübergreifend zu behandeln: z. B. Re-
genwald in Zentralafrika, in Indonesien, arktisches Klima nicht nur in Südpatagonien/
Feuerland, sondern auch im zirkumpolaren Raum usw.
Die Zerstörung des Regenwaldes durch Ausbeutung der Fauna und Flora und der
Bodenschätze sowie die Schäden durch die immer weiter vordringende Tourismusin-
dustrie hat für die Bevölkerung Folgen wie die der Landkonflikte, Abwanderung in die
städtischen Favelas, führt aber auch zu einer verstärkten Organisation der Indigenen.
Auch dieses Thema kann zwar exemplarisch am Beispiel Brasiliens abgehandelt wer-
den, betrifft aber auch viele andere Regionen der Welt.
Fest und Ritual
Zum Thema der Feste und Rituale gehören Tänze und Musik - das Ritual ist eingebun-
den in den großen Themenkomplex Religion. Gezeigt werden Schmuck, Musikinstru-
mente und Tanzutensilien. Zu den Musikinstrumenten gehören Flöten der Tukano und
Urubü, Rasseln der Tukano und Karajä sowie Tonpfeifen, Trommeln und Zeremonial-
176
Konzept zur Präsentation der außereuropäischen Sammlungen im Humboldt-Forum 2008
Abb. 58 Zierflöte, Kayapö, Brasilien
Abb. 59 Ohrfederstäbchen, Kayabi, Brasilien
trompeten der Urubù. Tanz und Ritual werden anhand von Tanzschürzen, Tanzstäben
und Masken thematisiert. Auch die Präsentation von Schrumpfköpfen kann hier im ent-
sprechenden Kontext eines Festes erfolgen. Dabei soll über den Hintergrund informiert
und auf die gegenwärtige Situation eingegangen werden.
Körperbemalung, Körperschmuck und Federn
Der Schmuck Amazoniens, aber auch des Chaco, ist in Form und Material sehr vielfäl-
tig. Die umfangreiche Sammlung im Ethnologischen Museum erlaubt eine Ausstellung,
die durchaus nach ästhetischen Gesichtspunkten präsentiert werden könnte, ohne natür-
lich den ethnologischen Kontext zu vernachlässigen. Interessant wäre hier auch, die
Materialvielfalt zum Thema zu machen. So wurden im Rahmen eines Forschungspro-
jektes vor kurzem Samen und Früchte an Schmuckobjekten botanisch bestimmt. Die
Pracht von Federarbeiten hat Menschen schon immer in ihren Bann gezogen und ist
auch von Künstlern aufgegriffen worden. So könnte die Kulturgeschichte der Feder
Thema sein. Interessant ist allerdings auch die Bestimmung von Federn, ihre unter-
schiedliche Verarbeitung und Verwendung. Eine Zusammenarbeit mit dem Berliner Na-
turkundemuseum wäre hier denkbar. Der ethnologische Aspekt wäre u. a. die Verwen-
dung der Federn als Handelsware, für Heilrituale und andere magische und symbolische
Handlungen.
Kunst aus Südamerika und der Karibik
Textilkunst der Kuna aus Panama
Die Textilkunst der Kuna aus Panama ist durch ein bestimmtes, europäisch beeinfluss-
tes Kleidungsstück, und zwar eine buntgemusterte Bluse, „Mola“, weltweit bekannt
geworden. Die Molakana-Sammlung des Ethnologischen Museums ist sehr umfassend.
Herstellungstechnik und Ikonographie der Molakana, aber auch deren Geschichte sind
wichtige Themen dieser Präsentation. Ebenso kann hier die Goldschmuck-Sammlung
der Kuna gezeigt werden.
Töpferkunst
Die Keramik-Sammlung der Shipibo und Conibo aus Ostperu mit ihren filigranen Mus-
tern eignet sich besonders für eine Ausstellung, die schwerpunktmäßig ästhetische Eie-
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
177
Abb. 60 Mola, Kuna, Panama
Abb. 61 Tongefäß, Shipibo, Peru
mente in den Vordergrund stellt. Auch die Töpferkunst der Kadiweu erregt seit über 100
Jahren Aufmerksamkeit. Inzwischen schmücken ihre Muster sogar eine Plattenbausied-
lung in Berlin-Hellersdorf. Man kann hier also den Bogen von der Verwendung und
Bedeutung der Kadiweu-Muster im traditionellen Umfeld über ihre Weiterführung in
der zeitgenössischen Kunst bis zum Architekturprojekt in Hellersdorf spannen.
Schmuck der Mapuche
Der Silberschmuck der Mapuche aus Mittelchile überrascht durch Reichtum in Form
und Gestaltung. Zwar spiegeln sich hier europäische Vorbilder wider, doch sind sie
traditionellen Formen angepasst. Die Verarbeitung von Silber war bereits in präkolum-
bischer Zeit bekannt. Die reichhaltige und z.T. sehr alte Silberschmuck-Sammlung
kann nicht nur Vielfalt an Formen und an Verwendungsmöglichkeiten zeigen, sondern
sich auch den Silberverarbeitungstechniken widmen. Darüber hinaus sollte dieses The-
ma natürlich im ethnologischen Kontext vorgestellt werden und auch Kultur und Ge-
schichte der Mapuche aufgreifen.
Die Geschichte der Indianer Feuerlands
Nicht zuletzt durch die Forschungsarbeiten (und das beeindruckende Fotomaterial) von
Martin Gusinde sind die Indianerkulturen Feuerlands der Fachwelt und einer breiteren
Öffentlichkeit bekannt. Dieser Ausstellungsteil soll sich den drei Ethnien Feuerlands
widmen, der Extremsituation, in der sie lebten, optimal an die Umwelt angepasst, mit
einfacher materieller, aber hochstehender geistiger Kultur. Ebenso soll die Geschichte
der Feuerländer und ihr Untergang, der einem Genozid gleichkam, wesentlicher Teil der
Ausstellung sein.
Die Reiterkulturen Südamerikas
Seit dem 17. Jahrhundert übernahmen die Indianer des Chaco, aber vor allem auch Pa-
tagoniens, von den Spaniern das Pferd. Das führte zu einer kulturellen Umwälzung, die
an die Entstehung der Plains-Kultur in Nordamerika nach Übernahme des Pferdes erin-
nert. Die Patagonier wurden zu Reitervölkern. Mobilität, z. B. bei Jagd und kriegeri-
schen Auseinandersetzungen, veränderten das Leben grundsätzlich. Dies spiegelt sich
auch in der materiellen Kultur dieser Ethnien wider. Die reichhaltige und sehr bedeuten-
178
Konzept zur Präsentation der außereuropäischen Sammlungen im Humboldt-Forum 2008
Abb. 62 Fläschchen, Brasilien
de Sammlung des Ethnologischen Museums, vornehmlich aus dem 19. Jahrhundert,
erlaubt es, Kultur und Geschichte der Ethnien Patagoniens von den Mapuche bis zu den
Aonikenk vorzustellen.
Afroamerika
In dieser Ausstellung sollen sakrale Objekte und solche aus dem Alltagsleben der Afro-
amerikaner in Brasilien und Surinam gezeigt werden. Das Ethnologische Museum be-
herbergt die wohl weltweit älteste Sammlung von afrobrasilianischen Kultobjekten.
Diese stammen aus Rio Grande do Sul/Südbrasilien und stellen somit nicht nur auf-
grund ihres Alters, sondern auch ihrer Herkunft eine Besonderheit dar. Eigentlich gilt ja
Bahia als Wiege afrobrasilianischer Kultur. Einen Vergleich bieten sakrale Gegenstände
der damals so genannten „Buschneger“ Surinams: „Fetischstäbe“, „Götzen“, Priester-
gewänder, Glocken und Trommeln. Abgerundet wird das Thema durch die Präsentation
von Objekten aus dem Alltagsleben.
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
179
Abb. 63 Phonograph und Walzen
Ausstellung Musikethnologie und Berliner Phonogramm-Archiv
Einleitung: Die Sammlung
Einer der drei Kernbereiche ist das Berliner Phonogramm-Archiv mit seinen frühen
Wachszylinderaufnahmen, die zwischen 1893 und 1954 gemacht wurden, und einen
Bestand von mehr als 16 000 originalen Wachswalzen aus fast allen Gegenden der Welt
umfasst. Dieser bildete den Grundstein für das heute international anerkannte Fach
„Vergleichende Musikwissenschaff7„Musikethnologie“. Die „Early cylinder record-
ings of the world’s musical traditions in the Berlin Phonogramm-Archiv“ wurden 1999
in die UNESCO-Liste „Memory of the World“ aufgenommen. Nach dem Zweiten Welt-
krieg begann mit dem Kauf eines Tonbandgerätes eine neue Ära der Aufnahmetechnik
und die Grundlage für das Schallarchiv wurde gelegt. Es umfasst kommerzielle und
nicht kommerzielle Tonaufnahmen, die sowohl auf Feldforschungen als auch anlässlich
von Konzerten traditioneller Musik in Berlin gemacht werden. Mit über 150000 Ton-
aufnahmen aus mehr als 100 Jahren gehören diese beiden Archive zu den größten und
bedeutendsten weltweit. Schließlich kommt als dritter Kernbereich die nach 1950 ange-
legte Musikinstrumentensammlung mit knapp 3000 Objekten hinzu.
Ausstellungsmodule
Phonogramm-A rchiv
ln diesem Ausstellungsbereich stehen fachgeschichtliche Aspekte im Vordergrund. Das
Berliner Phonogramm-Archiv beherbergt heute eine der weltweit bedeutendsten und
umfassendsten Sammlungen traditioneller nicht europäischer Musik. Das Archiv wurde
von Professor Carl Stumpf 1900 am Psychologischen Institut der Berliner Universität
gegründet. Das Interesse Carl Stumpfs richtete sich dabei hauptsächlich auf akustische
und musikpsychologische Aspekte, während Erich Moritz von Hornbostel (Direktor des
Phonogramm-Archivs in den Jahren 1905-33) bald enge Verbindungen und eine erfolg-
180
Konzept zur Präsentation der außereuropäischen Sammlungen im Humboldt-Forum 2008
reiche Zusammenarbeit mit dem Museum für Völkerkunde aufbaute. Das Hauptanlie-
gen des Archivs war es, möglichst viele Beispiele traditioneller Musik zu sammeln, um
auf diese Weise Theorien zur Entstehung und Evolution von Musik zu formulieren und
weiterzuverfolgen. Auf diese Weise entstand auf der Grundlage der großen Zahl von
Walzenaufnahmen aus aller Welt eine neue akademische Disziplin: die „Vergleichende
Musikwissenschaft“, heute „Musikethnologie“.
Die Wachszylinderaufnahmen des Phonogramm-Archivs umfassen eine Geschichte
von mehr als 50 Jahren. Zwischen 1893 und 1954 erhielt das Archiv mehr als 16000
originale Wachswalzen aus fast allen Gegenden der Welt, die zusammen mit der Origi-
naldokumentation, der Korrespondenz sowie Bezügen zu Literatur und Fotos inventari-
siert wurden. Nach dem Zweiten Weltkrieg entstand ein Schallarchiv, das neben kom-
merziellen Tonaufnahmen weiterhin einen Schwerpunkt auf Feldforschungsaufnahmen
legt. Hinzu kommen Mitschnitte von Konzerten traditioneller Musik in Berlin. Die Zahl
der Aufnahmen wächst weiterhin. Dies bildet den Übergang zum zweiten Bereich der
Ausstellung, die direkt mit den sich ändernden Forschungsmethoden nach 1960 in Zu-
sammenhang steht.
Forschungsaktivitäten, aktuelle Forschungsprojekte
An den forschungsgeschichtlichen Bereich anschließend sollen Forschungsaktivitäten
und aktuelle Forschungsprojekte vermittelt werden. Zurzeit finden zahlreiche For-
schungen im Bereich globaler Popularmusik statt, wobei besonders den Bewegungen
musikalischer Konzepte und Strategien zwischen den Kulturen eine gesonderte Rolle
zukommt. Urbanen Klangräumen, der Rolle und Bewegung von Musik in ihnen und
dem damit verbundenen globalen Austausch wird ein ebenso großes Forschungsinteres-
se entgegengebracht. Virtuelle Klangräume und -Instrumente sind hier auch in wissen-
schaftlicher Hinsicht von Bedeutung, wie sie sich interaktiv durch Bewegung in Aus-
stellungskonzepte integrieren lassen. Insgesamt wird es darauf ankommen zu zeigen,
dass Musikethnologie über einen historischen Rahmen hinausgeht und sich zu einer
Kulturwissenschaft mit zahlreichen interdisziplinären Verbindungen entwickelt hat.
Musikethnologie und Instrumentenkunde
Anhand von Musikinstrumenten lassen sich kulturelle Aspekte wie höfische Kultur,
ländliche Lebenswelten, Popularkultur, aber auch Kunsthandwerk verdeutlichen. Aus-
gewählte Sammlungsbestandteile sollen diese Themen abdecken. Ein für Berlin und die
hiesige Fachgeschichte wichtiger Punkt ist die Entwicklung einer richtungsweisenden
Musikinstrumenten-Systematik. Die beiden Gelehrten Erich Moritz von Hornbostel
und Gurt Sachs veröffentlichten 1914 eine Systematik, die aufgrund ihrer sprachlichen
und gedanklichen Klarheit auch heute noch die Grundlage für die Beschreibung vor
allem außereuropäischer Musikinstrumente bildet.
Diese Systematik soll in der Ausstellung mit möglichst allen Instrumentengruppen
präsentiert und vermittelt werden, hier bieten sich erfahrungsgemäß vielfältige pädago-
gische Umsetzungsmöglichkeiten. Im Schaumagazin soll die Möglichkeit gegeben sein,
dies anhand einer Vielzahl von Instrumenten zu vertiefen. Von der Klassifikation kann
übergeleitet werden zum Bau von Instrumenten, Herstellungstechniken und Material,
aber auch Spielmöglichkeiten und kultureller Einbindung.
Schaumagazin
Anschließend an den Bereich der Systematik und Instrumentenkunde wäre ein Schauma-
gazin von großer Attraktivität und Nutzen. Hier könnte, der Systematik von Hornbostel/
Sachs folgend, anschaulich vermittelt werden, wie Musikinstrumente im Museum geord-
B ae s s 1er-Arc hiv, Band 59 (2011)
181
Abb. 65 Sarangi, Indien
net, klassifiziert und bearbeitet werden, immer unter dem Gesichtspunkt, dass es sich um
in der Bewegung klingende Objekte handelt, die hier in ihrer Vielfalt gezeigt werden, in der
Ausstellung aber anhand von Vergleichsobjekten zum Klingen gebracht werden können.
Die gesamte Magazinfläche der Abteilung Musikethnologie ist mit 260 m2 relativ
klein, dennoch ist die gesamte Sammlung (ca. 2900 Objekte) dort untergebracht. Am
Humboldt-Forum sollte dies in vergleichbarer Weise möglich sein.
Es müsste dann etwas mehr Raum für die Besucher geschaffen werden. Ferner wäre
zu überlegen, ob die Möglichkeit besteht, eine ausgeweitete Schausammlung mit Mu-
sikinstrumenten zu gestalten, bei der Objekte anderer Fachreferate einbezogen werden.
Das Ethnologische Museum verfügt mit einem Gesamtbestand von ca. 7000 Musikins-
trumenten - exakte Zahlen liegen noch nicht vor - über eine auch weltweit sehr große
Sammlung, deutlich mehr, als viele Fachmuseen haben.
Orchesterinstrumente
Die Abteilung Musikethnologie, Medientechnik und Berliner Phonogramm-Archiv ver-
fügt in ihrer ca. 3000 Instrumente umfassenden Sammlung über einige herausragende
Instrumentalensembles. Dazu gehört neben dem in den Klangwerkstätten ausgestellten
javanischen Gamelan auch ein bedeutendes balinesisches Gamelan-Ensemble. Hinzu
kommen die südasiatischen Ensembles, Phi Phat Mon und Hsaing Waing, und das afri-
kanische Trommel-Ensemble Fontomfrom aus Ghana. Diese Orchester sollen verdeut-
lichen, dass große Orchester weltweit zum Bestand von Musikkulturen gehören.
Die Ausstellung der Instrumentalensembles könnte eine direkte Überleitung bilden
zur bereits geplanten Ausstellung der Asien-Fachreferate des Ethnologischen Museums
„Die Welt als Theater - Spiel der Götter und Helden in Asien“, in der Musik eine zent-
rale Rolle spielen wird.
182
Konzept zur Präsentation der außereuropäischen Sammlungen im Humboldt-Forum 2008
Treffpunkte
Meet you in the exhibition - Contact Zones in den
Ausstellungen
Für das Humboldt-Forum sind die Konzepte der Vermittlung auch räumlich eng an die
Sammlungen, Ausstellungen und ihre Inhalte geknüpft. Geplant sind daher Raumen-
sembles, die in Anpassung an die Ausstellungsinhalte für unterschiedliche und interdis-
ziplinäre Vermittlungs- und Kommunikationszwecke auch in Bezug auf ihre kulturelle
Bedeutung zu nutzen sind.
Im Ausstellungsmodul „Palau und die Begegnung expressionistischer Künstler mit
der Südsee“ wird das Klubhaus von Palau zu finden sein. Als Objekt gibt es eine Ein-
führung in die Begegnung der Europäer mit der Südsee inklusive Romantisierung und
ist das einzige in westlichen Museen erhaltene Palau-Haus. In Bezug auf die vermittle-
rischen Aktivitäten kann das Haus sowie der Platz davor als atmosphärischer Mittel-
punkt, als Raum für Veranstaltungen kleineren Ausmaßes, Aktivitäten mit Versamm-
lungscharakter oder als Treffpunkt von Schulklassen und anderen Gruppen dienen.
In der Afrika-Sammlung hingegen befinden sich keine Objekte wie begehbare Häu-
ser etc. Denkbar ist die Inszenierung eines urbanen Raumes, der Treffpunktcharakter
hat. Im Zusammenhang mit dem Ausstellungsmodul „Die gegenwärtige Situation Afri-
kas“ könnte man etwa eine Bushaltestelle mit den typischen Formen von Straßenhandel
als Raum für Aktivitäten aufbauen. Um den Charakter von Pappmache-Installationen ä
la Tropenmuseum im Amsterdam der 1970er Jahre zu vermeiden, könnte man eine Ins-
tallation durch einen zeitgenössischen Künstler vorsehen.
Alternativ könnte man eine abstrahierte Installation eines Hofes in der Sahelzone aus
Lehmwänden und Wellblech, ausgestattet mit Plastikmatten und Holzhockern, für päda-
gogische Aktionen nutzen.
„Die Welt als Theater - Spiel der Götter und Helden in Asien“ bietet sich als Ausstel-
lungsmodul besonders gut an, um Formen asiatischen Theaters, des Tanzes und der
Musik performativ und partizipatorisch an Besucher zu vermitteln. Eine in den Ausstel-
lungsraum integrierte oder an ihn unmittelbar anschließende Bühne mit genügend
Raum für Akteure und Rezipienten soll Raum für Aufführungen, Präsentationen oder
Lecture Demonstrations geben.
Klangwerkstätten
Die Musikethnologie bietet zahlreiche Möglichkeiten für die direkte Nutzung der Ob-
jekte zur Vermittlung, z. B. die Klangwerkstätten: Hier handelt es sich um einen multi-
funktionellen Raum, in dem permanent Instrumente ausgestellt sind, die gespielt bzw.
vorgeführt werden können. Dazu gehören vor allem das große Gamelan-Orchester der
Sammlung des Ethnologischen Museums, aber auch speziell hergestellte oder beschaff-
te Instrumente für den pädagogischen Bedarf (Amadinda, unterschiedliche Trommeln,
Saiteninstrumente etc.).
Gleichzeitig sollte dieser Bereich schnell für Konzerte, Performances, Vorträge und
kleinere Tagungen wie auch Workshops (musikalische Praxis, Instrumentenbau, Musik-
produktion, Mediengestaltung) umgebaut werden können. In diesem Raum wird das
Grundkonzept der Bewegung besonders deutlich. Hier sollen die bereits bestehenden
vielfältigen Aktivitäten im Bereich pädagogischer Projekte und Konzertveranstaltungen
weitergeführt und ausgebaut werden.
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
183
9 Landry, Johanne, 1998:
Museology and Empower-
ment for the New Millen-
nium. In: Lisette Frerera
(Hg.), Museums and
Sustainable Communities:
Canadian Perspectives.
Quebec: ICOM Canada
and Musée de la Civili-
sation.
In Hinblick auf Nachhaltigkeit und Zukunftsperspektive der Aktivitäten dieses Ak-
tionsraums wird darauf zu achten sein, dass die in der Forschung an der Abteilung
Musikethnologie, Medientechnik und Berliner Phonogramm-Archiv gewonnenen For-
schungsergebnisse in praktischer Arbeit erprobt und umgesetzt werden.
Audiovisuelle Stationen
Im Übergang zum eigentlichen Ausstellungsbereich sollen audiovisuelle Stationen, so-
fern diese nicht in entsprechender Weise in der Agora integriert sind, den Besuchern der
Ausstellungen im Humboldt-Forum die Möglichkeit geben, sich mit den Klängen un-
terschiedlichster Kulturen vertraut zu machen.
Diese audiovisuellen Stationen werden integriert in Sitzgelegenheiten, die die Besu-
cher zum Verweilen einladen und ihnen die Möglichkeit bieten, sich in Ruhe mit Klang
und Musiksprachen zu beschäftigen. Auf diese Weise lassen sich unterschiedliche As-
pekte der einzelnen Häuser, Abteilungen und Fachreferate über die Perspektive der
Klangphänomene im Sinne menschlicher Kommunikationsformen thematisieren und
vermitteln.
Das Modul „Forschungsaktivitäten und aktuelle Forschungsprojekte der Musiketh-
nologie“ wird wechselnd die Möglichkeit für die Besucher bieten, das zentrale Konzept
der Bewegung zu erfahren. Entwicklungen von elektronischen Musikinstrumenten wie
Reactables, wie sie von Musikern wie Björk schon bei Konzerten genutzt werden, ge-
ben mit erfahrbaren und berührbaren Oberflächen bzw. Benutzerschnittstellen (Tangible
User Interfaces) den Besuchern die Möglichkeit, als aktive Musiker gleichzeitig das
Instrument durch Bewegen von physischen Objekten auf einer Multitouch-Oberfläche
zu bedienen und so zum Komponisten eigener musikalischer Schöpfungen zu werden.
Auf diese Weise können Rhythmen und Notationen unterschiedlichster Musikkulturen
aktiv genutzt und neue Kreationen geschaffen werden.
Eingebettet in den im Humboldt-Forum (als Kooperation zwischen dem Ethnologi-
schen Museum und dem Museum für Asiatische Kunst) neu geplanten Hindu-Ritual-
raum sollen audiovisuelle Stationen die Möglichkeit bieten, die Rituale, die sich um die
ausgestellten Kultobjekte ranken, auch in ihrer Performanz (im bewegten Bild, in der
Einbeziehung von sakralem Raum, von Musik, Rezitation und anderen Klängen, in ih-
rer Bindung an Tages- und Jahreszeiten) medial und interaktiv zu erleben. Diese Inseln
zur Vermittlung ritueller Bewegung und Interaktion sollen zwar in einer gewissen räum-
lichen Nähe zu den Objekten stehen, auf die sie sich beziehen. Sie sollen jedoch auch
eine gewisse eigene Sphäre innerhalb der Ausstellung bilden, in der der Besucher zum
einen zur Ruhe kommen kann, zum anderen sich den Objekten auf anderer Ebene weiter
annähern kann.
Durch die Nutzung solcher interaktiven Räume, die auch einen bei der Einrichtung
des Humboldt-Forums aktuellen Stand von Medien und Technik mit einbeziehen, sollen
alle Zielgruppen unter dem Stichwort „Empowerment“, das im Sinn von Johanne Land-
ry, Präsidentin des ICOM Kanada, verstanden wird („to have the abilities to do things
and to exert them“)9, befähigt werden, das Humboldt-Forum mit all seinen Facetten als
Wissensspeicher, der jedem Besucher offen steht, aktiv zu nutzen. Der angedachte ste-
tige Objekt- und Themenwechsel in den Ausstellungen kann beim Besucher das Inter-
esse nach Mehrfachbesuchen fördern, ebenso wie die Kontextualisierung durch Veran-
staltungen bzw. Vermittlung durch Künstler oder Vertreter der Kulturen, die in den Aus-
stellungen des Humboldt-Forums präsentiert werden.
184
Baessler-Archiv Band 59 (2011)
Impressum (Konzept 2008)
Die Staatlichen Museen zu Berlin sind eine Einrichtung der Stiftung
Preußischer Kulturbesitz
Konzept des Ethnologischen Museums;
Viola König, Peter Junge, Markus Schindlbeck, Monika Zessnik
unter Mitarbeit von Peter Bolz, Manuela Fischer, Maria Gaida, Richard Haas,
Lars-Christian Koch,Wibke Lobo, Siegmar Nahser, Ingrid Schindlbeck
In diesem Band nicht veröffentlicht: Konzept des Museums für Asiatische Kunst
© 2008 Staatliche Museen zu Berlin
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
185
Autorinnen und Autoren
Anita Hermannstädter, Historikerin und Altamerikanistin, von 2010 bis 2012
Projektkoordinatorin der Humboldt-Box für die Staatlichen Museen zu Berlin.
Peter Junge, Ethnologe, seit 2002 Leiter der Abteilung Kommunikation und Kurator
der Afrika-Sammlung des Ethnologischen Museums.
Viola König, Altamerikanistin und Ethnologin, seit 2001 Direktorin des
Ethnologischen Museums.
Markus Schindlbeck, Ethnologe, seit 2009 Leiter der Abteilung Visuelle
Anthropologie und seit 1985 Kurator der Sammlung Südsee und Australien des
Ethnologischen Museums.
Andrea Scholz, Ethnologin, seit 2012 wissenschaftliche Museumsassistentin in
Fortbildung im Ethnologischen Museum.
J
Abbildungsnachweis
Wenn nicht anders gekennzeichnet, stammen alle in diesem Band abgedruckten Fotos
von Fotografen des Ethnologischen Museums - Staatliche Museen zu Berlin:
Martin Franken, Dietrich Graf, Claudia Obrocki, Waltraut Schneider-Schütz.
Ausnahmen:
Historische Fotografien des Ethnologischen Museums;
S. 144, Abb. 20; S. 145, Abb. 21: Eric Hesmerg;
S. 146, Abb. 24: Jürgen Liepe.
186
Baessler-Archiv Band 59 (2011)
Index
A
Abungu, George O. 12
Advisory Board 11, 12, 59, 60-62, 104
Afrika 11, 13, 15, 36, 57, 58, 79, 80, 83, 99, 106, 120,
132-134, 141, 142, 144-147, 151, 152, 175, 182
Afrika (Ausstellung) 48, 83, 93, 96
Afrika (Kunst aus) 14, 16-19, 27, 30, 40, 41, 47, 49,
72, 80, 145, 146
Afrika (Sammlungen) 14, 29,41,55,93, 111,117, 122,
124, 130, 141, 142, 144, 149, 153, 181, 182, 185
Afrika-Konferenz (—> Kongo-Konferenz) 69
Afrikanische Gesellschaft 132
Agora 11, 26, 43, 44, 45, 46, 51, 53, 55, 57, 58, 60,
71,72, 79, 84, 90, 91, 97, 100, 117, 118, 136, 183
Ai Weiwei 107
Akademie der Wissenschaften (Berlin Brandenburgi-
sche) 37, 58, 65, 129
Alexander von Humboldt-Stiftung 44, 58
Alexandertechnik (Gruppe) 61
Amerika (—► Lateinamerika, —> Mesoamerika, —>
Mittelamerika, —> Nordamerika, —> Südamerika)
14, 15, 16, 17, 18, 33, 36, 41, 58, 65, 80, 96, 98, 99,
142, 144, 147
Amerika (Ausstellung) 83, 96
Amerika (Kunst aus) 30, 41,47, 72, 99, 167
Amerika (Sammlungen) 29, 55, 83, 93, 117, 122, 124
Anders zur Welt kommen 7, 11, 73-75, 95-102
Anti-Humboldt 61, 74, 95
Antweiler, Christoph 12
Appadurai, Arjun 11
Appelbaum (Ralph, Associates) (—> Ralph Appelbaum
/ malsyteufel) 7
Archäologie 13, 16, 19, 22, 24-26, 29, 31, 36, 37, 42,
54, 55, 95, 98, 99, 117, 124, 128, 160, 164, 169—
171, 173
Architekturwettbewerb 9-11, 51, 52, 55, 57, 70, 119
Arp, Hans 31
Asien (—> Ostasien, —> Nordasien, —> Südasien, —>
Südostasien, —> Westasien, —> Zentralasien) 11, 14,
36,41,49,58,96, 99, 117, 126, 131, 166, 167, 181,
182
Asien (Ausstellung) 14, 80, 96
Asien (Kunst aus) 16, 17, 19, 23, 26, 27, 30, 40, 47, 72
Asien (Sammlungen) 14, 29, 83, 90, 93, 122, 124
Augustat, Claudia 12
Ausstellungsfläche 7, 26, 34, 35, 38, 42, 45, 57, 72,
83-92, 104, 122, 129
Austellungsmodul (—> Modul) 55, 79, 90, 105, 106,
117, 136, 142, 144, 149, 155, 159-161, 166, 167,
170, 175, 179, 182
Ausstellungsrundgang 58, 88, 90
Australien 11, 12, 16, 18, 25, 36, 41, 47, 55, 117, 135,
137, 139, 140
B
Bahners, Patrick 73
Bastian, Adolf 53, 56, 74, 98, 99, 121, 122, 129, 132,
133, 141, 144, 148, 165
Baubeginn 47, 55, 68, 73, 75, 76, 81, 103
Bauplanung 20, 83-93
Bauverzögerung (—» Moratorium) 75
Beach, Milo C. 12
Belting, Hans 10
Belvedere 85-90
Berg, Ronald 74
Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie
und Urgeschichte 111, 121
Berliner Kurier 108
Berliner Morgenpost 66, 67, 108, 111
Berliner Zeitung 63
Bernau, Nikolaus 14, 68, 69
Besuchszahlen 109
Bewegung (Prinzip der) 7, 54, 55, 62, 73, 81, 96, 118,
124-129, 136, 140, 156, 180, 182, 183
Bibliothek (des Ethnologischen Museums) 83, 84, 91,
118
Bibliothek (des Landes Berlin, —> Zentral- und Lan-
desbibliothek) 11, 15, 73, 74, 77
Bibliothek (im Humboldt-Forum, allgemein) 15, 20,
21,26, 28-31, 34, 38, 42, 45, 46, 53, 90, 116
Bibliothek (Kunst-) 48, 91
Bisky, Jens 65,70, 73, 108, 111
Blickwechsel (—> Perspektivwechsel) 134
Boas, Franz 165, 167
Boddien, Wilhelm von 63, 64, 67
Bode, Wilhelm 53
Bolz, Peter 8, 121, 184
Boone, Elizabeth Hill 12
Bomemann, Fritz 13, 14
Botero, Clara Isabel 12
Brancusi, Constantin 31
Bredekamp, Horst 70
Buckingham, Matthew 100
Buddhismus 15, 25, 160-164
Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR)
11,55,75
Bundesfinanzministerium 66
Bundeskartellamt 71
Bundeskulturstiftung 47, 60
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
187
Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)
105
Bundestag 9, 45, 59, 64, 65, 67-69, 71, 73, 75-78, 81,
84, 95
Bundeszentrale für politische Bildung 61
Butz, Herbert 107
C
Casey, Dawn 12
Chakrabarty, Dipesh 12
Chirac, Jacques 18, 56, 70
Choe, Kwang-shik 12
Chou, Kung-shin 12
Cook, James 56, 120
Corporate Identity 33, 37, 51
Cushing, Frank 165
D
Daoismus 161, 163
Depot (—> Magazin, —> Studiensammlung) 30, 42, 46,
81 J
Desai, Vishakha N. 12
Dieckmann, Christoph 68
Diversität 24, 26, 160, 174
Dròle de pensée 74, 97
Durkheim, Emile 139
E
Eissenhauer, Michael 116
Engelsman, Steven 12
Enwezor, Okwui 12, 34, 46, 47
Erzählposition 54, 62, 96, 125, 126-128, 144
Expertengremium 57, 79
F
Fansa, Jonas 100
Fischer, Eberhard 7, 9, 10, 14, 20, 32
Fischer, Manuela 8, 121, 184
Fitzhugh, William W. 12
Flierl, Bruno 21
Flierl, Thomas 11,96, 100, 102
Flimm, Jürgen 12
Förster, Friedrich Christoph 121
Förster, Larissa 97-99,102
Forster, Georg 56, 121, 131, 136
Forster, Johann Reinhold 121
Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) 63-65, 67, 73,
76-79, 111
Frankfurter Rundschau (FR) 67
Frazer, James G. 139
Freundeskreis 50, 60
Friedrich III. von Brandenburg 120
Friedrich Wilhelm IV. 28, 32, 40, 43, 55, 121
Friedrich Wilhelm von Brandenburg (Kurfürst) 119
Friedrichshagen 51, 54, 83, 134
Frobenius, Leo 141
Frötscher, Walther 7
Fuhr, Eckhard 108, 11
G
Gaida, Maria 8, 184
Gegenwart (Fragen/Probleme der) 7, 57, 60, 62, 72,
138, 146, 158, 161, 182
Gegenwart (Kunst der) 31, 53, 80, 118, 140
Gestaltungswettbewerb 51, 55, 59, 77
Gies, Jacques 12
Gilsenan, Michael 12
Gläsernes Archiv (Datenbank, Schaudepot, Studien-
sammlung) (—» Schaudepot, —> Schaumagazin) 21,
30, 33,42, 46, 49, 119
Globalisierung 7, 10, 22, 24-26,42, 51, 53, 54, 62, 67,
73, 104, 107, 115, 126, 146, 147
Gretzer, Christian Theodor Wilhelm 169
Großobjekte 86, 88-90
Gruzinski, Serge 10
H
Haas, Richard 8, 184
Hahn, Hans Peter 12
Harris, Cläre 10
Hassemer, Volker 13, 47, 51,63
Hatoum, Rainer 105, 111
Haubrich, Rainer 66, 67
Haus der Kulturen der Welt 19, 23, 32, 37, 38, 39, 43,
47, 72
Hauschild, Thomas 11
Heinke, Lothar 108, 109, 111
Heinz, Marianne von 51
Helfrich, Klaus 9, 14, 20, 32
Heller, Martin 11, 45, 60
Helmholtz, Hermann von 31
Henry, Jean 120
Hermannstädter, Anita 185
Hoffmannsegg, J. C. Graf von 131
Homo-Lechner, Catherine 10
Hornbostel, Erich Moritz von 179, 180
Humboldt, Alexander von 7, 13, 22, 23, 25, 28, 32-
34, 40, 43, 53, 55, 56, 61, 63, 73, 74, 77, 97, 98,
116, 118, 121, 124, 125, 131, 169
Humboldt, Wilhelm von 13, 22, 28, 32-34, 40, 43, 53,
55, 63, 77, 97, 98, 118, 121
Humboldt Lab Dahlem 47, 60
Humboldt-Box 7, 12, 58, 81, 95, 103-111, 185
Humboldt-Lounge 104
188
Baessler-Archiv Band 59 (2011)
Humboldt-Universität (HU) 10, 20, 21, 27, 28, 31-34,
36-38, 43, 44, 46, 48, 53, 55-57, 60, 64, 65, 69,
73, 74, 77, 84, 91, 95-97, 100, 104, 109, 115, 117,
118, 161
Humboldtzentmm 33, 34
I
Ibero-Amerikanisches Institut 19, 31, 34, 37, 39, 43, 44
ICOM 183
Infobox 7, 47, 67, 95, 103, 109
Internationale Expertenkommission Historische Mitte
Berlins 21, 44
Islam 15, 18, 19, 42, 48, 49, 57, 99, 145, 149-154
Islamischer Orient (Sammlung) 55, 117, 148, 149
Ivanov, Paola 8
J
Jacobsen, Adrian 166
Jain, Jyotindra 12
Joachim II. von Brandenburg (Kurfürst) 119
Joachim Friedrich (Kurfürst) 119
Jürgens, Isabell 76
Junge, Peter 8, 62, 106, 184, 185
K
Kartomi, Margaret 12
Kermani, Narvid 10
Kilb, Andreas 76, 101, 108, 111
Kim Han, Hyonjeong 12
Kirchner, Ernst Ludwig 136
Koch, Lars-Christian 8, 184
Köhler, Friedrich 165
König, Viola 9, 10, 21, 36, 38, 43, 44, 46, 47, 49, 51,
55,62, 65,66, 76, 95, 184, 185
Kohl, Karl-Heinz 11,78,79
Kolonialismus 8, 10, 15, 18, 24, 25, 39, 51, 53, 56,
60-62, 69, 70, 80, 93, 106, 122, 130-135, 139,
141-143, 145, 153, 170
Kommission für Allgemeine und Vergleichende Ar-
chäologie (KAVA) 19
Kongo-Konferenz 133
Krause, Arthur und Aurel 167
Krüger Schuberth Vandreike (Architekturbüro) 103
Kugler, Franz 70
Kulturgeschichte 12, 15, 57, 93, 127, 145, 176
Kulturvergleich 24, 30, 37, 41, 42
Kunst (außereuropäische, —> Weltkunst) 10, 12, 14,
25, 27, 29-31, 34, 36, 38, 40-42, 47, 55, 67, 79, 91,
96, 115, 117, 123
Kunst (Zeitgenössische, —► Gegenwart, Kunst der) 16,
19, 25, 35, 46, 47, 49, 57, 68, 72, 97, 100, 107, 128,
129, 146, 149, 177, 182
Kunstgeschichte 19, 25, 34, 57, 128
Kunstkammer 27, 40, 53, 56, 74, 77, 96-98, 101, 116,
118-122, 129-132, 148
Kwami, Mark 106
L
Lateinamerika 11, 47, 58, 100, 133
Le Fur, Yves 12
Ledderose, Lothar 12
Ledebur, Leopold von 40, 121
Lee, Chor Lin 12
Lee-Kalisch, Jeong-hee 12
Lehmann, Klaus-Dieter 7-9, 12, 13, 14, 21, 26, 32,
43, 63, 66, 67, 74, 77, 97, 102
Leibniz, Gottfried Wilhelm 27, 28, 31, 40, 53, 56, 74,
97, 118
Lepenies, Wolf 12, 69
Lévi-Strauss, Claude 140
Lobo, WibkeS, 184
Logo (Humboldt-Forum) 33, 51
Luschan, Felix von 141
Lutz, Albert 12
M
MacDonald, George F. 10
Mack, John 10
Magazin (—■> Depot, —> Studiensammlung) 30, 33, 34,
38, 53-55, 59, 83, 92, 99, 100, 118, 125, 133, 181
Malraux, André 22
Masterplan (Humboldt-Forum) 7, 9, 12, 23
Meeting Point (—> Treffpunkt) 104, 107
Megaposter 103
Mehrsprachigkeit 62
Memory of the World 58, 179
Mesoamerika 14, 24, 101, 128, 171, 172-174
Michels, Stefanie 106
Mir-Hosseini, Ziba 10
Mittelamerika 31, 40, 43, 44, 54, 133
Mlynek, Jürgen 64
Modul (—>■ Ausstellungsmodul) 20, 35, 36, 47, 55,
101, 107-112, 121, 129, 140, 141, 144, 158
Möllhausen, Balduin 98, 166
Mohammed (Schah) 148
Monson, Jamie 10
Moratorium (—> Bauverzögerung) 45, 48, 51, 55, 95
Multiperspektivität 54, 58, 62, 81, 105, 106
Multivokalität (—> Vielstimmigkeit) 96, 101
Musée de l’Homme 18, 19, 30
Musée du quai Branly 18, 51, 62, 69, 70, 78, 80, 95
Musée Guimet 18, 19, 56
Musée imaginaire 22
Museum Europäischer Kulturen (MEK) 14, 49
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
189
Museum für Asiatische Kunst (AKu) 14, 52, 53, 56,
84, 104, 107, 109, 111, 117, 156, 183
Museum für Indische Kunst (MIK) 14, 25, 36, 38, 47,
49, 66
Museum für Ostasiatische Kunst (OAK) 14, 25, 36-
38,47, 49
Museum für Völkerkunde (Königliches) 122, 148
Museum Rietberg 20
Museumsinsel 16, 20, 22, 23, 27, 28, 30-32, 34, 35,
40, 41, 44, 52, 55, 59, 61, 66, 67, 69, 76, 77, 93,
95-97, 104, 115, 117, 124
Musikethnologie 92, 117, 156, 179-183
N
Nahser, Sigmar 8, 184
Neubauer, Hans-Joachim 81
Neue Zürcher Zeitung 109, 111
Neumann, Bernd 11, 47, 69
Nida-Rümelin, Julian 65
Njoya, König von Bamum 93, 105,106, 141, 144
Njoya Monti, Zakari 106
Nordamerika 11, 14, 25, 48, 55, 91, 103, 133, 167,
168, 169
Nordasien 162
O
Oberhofer, Michaela 105, 111
Offen, Vanessa 7
Oie, Antonio 47
Oppenheim, Max von 148
Oppitz, Michael 100, 102
Ostasien 16, 17, 19, 23, 36, 37, 38, 41, 55, 119, 162
Ozeanien 11, 36, 41, 57, 58, 80, 96, 99, 136, 137, 140
Ozeanien (Kunst aus) 14, 16, 18, 27, 29, 30, 40, 41,
47, 137
Ozeanien (Sammlungen) 17, 27, 29, 36, 40, 55, 99,
117, 122, 124
P
Palast der Republik 36, 68, 74, 80,
Parzinger, Hermann 7, 8, 10, 11, 52, 59, 71,75, 76, 79,
80, 96, 100, 102, 116
Paul von Württemberg (Herzog) 165
Pechstein, Max 136
Perspektivwechsel (—> Blickwechsel) 7, 62, 125, 129
Petermann, Julius Heinrich 98, 148
Pett, Inge 65, 66
Phonogramm-Archiv 84, 179-81, 183
Platz, Roland 8
Plessen, Marie-Louise Gräfin von 10
Postkoloniale Debatte 25, 60, 62
Preußen 21, 28, 40, 61, 130-132
Preußische Seehandlung 56, 131
Preuss, Konrad Theodor 172
Price, Sally 70
Public Private Partnership 103
Q
Quai Branly (—> Musée du quai Branly) 56, 69, 70
R
Raby, Julian 62
Ralph Appelbaum / malsyteufel (Arbeitsgemeinschaft)
12, 60, 91
Raumbuch 83, 84, 88-90
Rautenstrauch-Joest-Museum 62
Rauterberg, Hanno 68, 69
Realisierungswettbewerb 51, 84
Religion 10, 24, 25, 30, 48, 127, 149-151, 156, 160-
163, 166, 167, 172, 175
Repatriierung 127
Restitution (—> Rückgabefragen, —> Repatriierung) 61
Rettig, Manfred 11
Richter, Peter 109, 111
Rickmers, Willi Rickmer 148, 149
Riebeck, Emil 148
Rinehart, Frank A. 99
Rosen, Lawrence 12
Rosenfelder, Andreas 108, 111
Rückgabefragen (—> Repatriierung, —> Restitution)
74, 80, 127
S
Sachs, Curt 180
Sandahl, Jette 11,12
Sander, Renate 44
Schaudepot (—► Gläsernes Archiv, Gläserne Daten-
bank, Gläserne Studiensammlung, Schaumagazin)
42, 79, 104
Schaumagazin (—> Gläsernes Archiv, Datenbank, Stu-
diensammlung, —> Schaudepot) 53-55, 100, 118,
133, 136-138, 142, 149, 152, 153, 157, 159,161, 180
Scherer, Bernd M. 12, 72
Schichtenmodell 26, 30, 37
Schindlbeck, Ingrid 184
Schindlbeck, Markus 8, 62, 95, 102, 184, 185
Schlagintweit, Hermann 56, 98, 131
Schlombs, Adele 12
Schloss-Areal (Schlossareal, —*■ Schlossplatzareal) 27,
28,31,66, 67
Schloss-Förderverein 63
Schlossforum 85, 86, 90, 91, 92
Schlossplatz 12, 13, 20, 22, 23, 32, 43, 50-52, 58, 59,
64, 65, 66, 67, 69-72, 75, 76, 79, 81, 84, 85, 92, 97,
100, 103, 108, 111, 115, 116, 128
190
Baessler-Archiv Band 59 (2011)
Schlossplatzareal (—► Schloss-Areal) 21, 36, 37, 39,
44, 68
Schlossplatzkommission 14, 21, 32, 43, 45, 47
Schlothauer, Andreas 79
Schlüter, Andreas 70
Schlüterhof 45, 85, 88, 91, 92, 95, 103
Schmidt, Pater Wilhelm 139
Schnaase, Karl 70
Schneider, Klaus 12
Schönball, Ralf 75
Scholz, Andrea 62, 185
Schuster, Peter-Klaus 7, 10, 20, 21,26, 32, 33, 38, 66,
67, 77, 116
Schwäger], Christian 65
Seler, Eduard und Caecilie 169
Shelton, Anthony 11,12
Shirahara, Yukiko 12
Sidibe, Samuel 12, 80
Sieber, Friedrich Wilhelm 131
Silier, O. 10
Smith, Huhana 12
Smithsonian Institution 33, 62
Sonderausstellung 12, 19, 30, 35, 38, 41, 52, 55, 57,
84, 95, 97, 99, 117, 118, 158, 175
Staatliche Museen zu Berlin (SMB) 10, 11, 14, 43,
46^19, 60, 103, 105-108, 111, 113, 117, 118,
184
Staatsbibliothek 37, 43
Stabstelle Humboldt-Forum 12, 60
Stäche, Rainer 64
Stella, Franco (Francesco) 11, 55, 57, 62, 71, 75, 78,
85, 86, 90, 91, 93, 97
Stiftung Berliner Schloss - Humboldtforum 9, 11, 75,
85, 91, 95, 104, 110
Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) 8-11, 13, 14,
18, 20-24, 26, 31, 43, 44, 47, 50, 51, 53, 55, 56, 59,
63, 66, 67, 70-72, 74-80, 88, 95, 101, 102, 104,
113, 116, 117, 184
Stokar von Neuforn, Bernhard 75
Stolpe, Manfred 68
Strieder, Peter 64
Studiensammlung (—> Depot, —■> Magazin) 13, 16, 17,
21,42, 52, 118
Stumpf, Carl 179
Subrahmanyam, Sanjay 10
Südamerika 14, 27, 31, 40, 43, 44, 54, 55, 56, 57, 58,
83, 117, 131, 143, 166, 169, 171, 173-177
Südasien 17, 18, 19, 38, 55, 58, 83, 99, 117, 122, 154,
155-159
Süddeutsche Zeitung (SZ) 62, 63, 102, 111
Südostasien 55, 83, 99, 117, 140, 154-159
Südsee (—*■ Australien, —> Ozeanien) 14, 47, 55-57,
66, 83, 86-90, 93, 99, 101, 117, 131, 135-137, 140,
182, 185
Swoboda, Hannes 65
T
Tagesspiegel, Der 13, 63, 65, 66, 71-75, 79, 80, 96,
102, 108, 111
Tagesthemen 108, 111
Teufel, Philipp 7
Theater 23, 31, 33, 35, 42, 44, 46, 48, 49, 51, 53, 57,
68, 72, 74, 102, 115, 117, 118, 156, 157, 158, 160,
161, 181, 182
Themenorientierte Ausstellung 42
Thomas, Nicholas 12
Tiefensee, Wolfgang 51, 68, 69
Tilmann, Christina 73, 74, 79
Timm, Tobias 71, 77
Trede, Melanie 12
Treffpunkt (—> Meeting Point) 50, 114, 118, 182
U
Ulbricht, Walter 74
UNESCO 57, 179
Universitätssammlung (—► Wissenschaftssammlung)
41
V
Vahland, Kia 62, 80
Ventimiglia, Tim 7
Veranstaltungsbereich 45
Vetter, Harry 11,52, 96, 97
Viatte, German 10
Vielstimmigkeit (—> Multivokalität) 61, 62, 80
Virchow, Hans 30, 31
Virchow, Rudolf 121
Völckers, Hortensia 12
W
Wachswalzen 57, 179, 180
Walde, Gabriela 108, 111
Wasden, William 105
Watt, James C. 12
Wefing, Heinrich 67
Weiss, Christina 48
Weissmüller, Faura 75
Welt, Die 63-65,69, 70, 111
Welt am Sonntag 76
Wendl, Tobias 12
Baessler-Archiv, Band 59 (2011)
191
Werkstätten des Wissens 57, 58, 84, 90
Westasien 83, 149
Westphal, Dirk 76
Wheeler, Manuelito 12, 62
Wied, Maximilian Prinz zu 98, 131, 165
Wilhelm II. 93, 106
Wissenschaftssammlung (—> Universitätssammlung)
28-30, 46, 49, 55, 115
Wissler, Clark 165
Wullen, Moritz 43
X
Xu, Jay 12
Z
Zeit, Die 65, 70, 71, 73, 74, 79, 80, 83
Zentral- und Landesbibliothek (ZLB) {—> Bibliothek
des Landes Berlin) 11, 21,27-33, 43, 44, 48, 55, 57,
60, 63,84,91,95,96, 100, 104, 115-117
Zentralasien 41, 55, 83, 117, 151, 152
Zessnik, Monika 8, 95, 96, 102, 184
Instructions for Contributors
Submission The journal Baessler-Archiv publishes contributions of relevance to museums questions, theoretically informed results on material culture, past and present, in any region and articles about the main subjects as collections, ethnographical research, conservation and exhibitions. Original articles are welcomed in German, English, French and Spanish. Manuscripts should be submitted in one copy together with a diskette and sent to the Editors, Ethnologisches Museum, Arnimallee 27, 14195 Berlin. Submitted articles should not be under consideration elsewhere.
Presentation Manuscripts should not exceed 40 pages of text, printed single- sided, one and one-half spaced, with a 3 cm margin on all sides. Please arrange your manuscript in the following order of presen- tation: The title, author’s name (with capitals) and reference of locality are followed by an English abstract of not more than 200 words. Foreign words should be italicized throughout the article. Footnotes should be kept to a minimum und numbered consecutively. All maps, diagrams, drawings and photos should be on a separate sheet (or sheets), referred to as figures, and should be numbered consecutively in Arabic numerals. Please indicate in the text where they should appear. Any captions to figures should be on a separate sheet.
References References within the text should be given by the name of the author, the year of publication, and the number of the page, e.g.: ...as Douglas (1966:2) has noted... Douglas has already said:“Dirt offends against order” (1966:2). ...the well-known maxime:“Dirt offends against order” (Douglas 1966:2)... At the end of the article all references cited should be arranged alphabetically according to the surnames of the authors and in chronological order in the following style:
Douglas, Mary 1966 Purity and Danger. An Analysis of Concepts of Pollution and Taboo. London: Routledge & Kegan Paul.
Gross, Daniel 1971 Ritual and Conformity: A Religious Pilgrimage to Northwestern Brazil. Ethnology 10: 129-148.
Storret, Gregory 1997 The Anthropology of Islam. In: Stephen Glazier (ed.), Anthropology of Religion. Westport, Connecticut, London: Praeger, pp. 279-303.
General All articles are submitted to referees. Responsibility for opinions published remains with the authors. Proofs of articles are sent to authors who must check them for typographical errors. Corrected proofs have to be returned within two weeks. Authors may be billed for major changes and additions. Authors of articles receive 30 free offprints.
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PAOLA IVANOV
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Der lange Weg 1999-2012
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