Jürgen Zwernemann
Spiegel- und Nagelplastiken vom unteren Kongo im Linden-Museum
Das Linden-Museum besitzt 42 Spiegel- und Nagelplastiken vom unteren Kongo.
Fast alle diese Plastiken sind nach Ausweis der Bücher und Angabe der Sammler von
den Yombe. Die ersten Spiegel- und Nagelplastiken kamen im Mai 1903 ins Linden-
Museum und wurden von Robert Visser gestiftet, von dem weitere Sammlungen in die
Völkerkundemuseen von Berlin und Leipzig gekommen sind. Graf Karl von Linden
wurde durch einen Oberleutnant zur See Müller-Palm, der damals auf S.M.S. „Ha
bicht“ diente, Anfang 1902 auf Visser aufmerksam gemacht. Visser war, wie Müller-
Palm schrieb, in Banana „sous-chef im dortigen holländischen Hause“. Zwischen dem
Grafen Linden und Visser, der bald darauf nach Chiloango übersiedelte, entwickelte
sich eine Korrespondenz, die bis Ende 1907 im Linden-Museum belegt ist. Zwischen
Mai 1903 und Januar 1905 kamen 5 von R. Visser gestiftete Sammlungen ins Linden-
Museum. Weitere Spiegel- und Nagelplastiken wurden im Dezember 1908 von Regie
rungsrat Dorbritz dem Museum gestiftet. Dorbritz erwarb diese Figuren alle in
Loanda. Ihre Herkunft ist in den Unterlagen des Linden-Museums mit „Chiloango,
Majombe“ angegeben. Die Richtigkeit dieser Herkunftsangabe besitzt aus stilistischen
Gründen große Wahrscheinlichkeit, ist aber nicht einwandfrei zu belegen, weil der
Spender die Stücke nicht im Stammesgebiet der Yombe erwarb. Die Herkunftsangabe
habe ich für die Stücke dieser Sammlung mit einem Fragezeichen gekennzeichnet. Zu
den von Visser und Dorbritz gestifteten Plastiken sind im Laufe der Jahre noch drei
weitere Stücke gekommen. Das eine Stück wurde von Graf Linden gestiftet, die ande
ren Stücke stammen von C. Scharf bzw. A. Speyer.
Über die Funktion der einzelnen im Linden-Museum befindlichen Spiegel- und
Nagelplastiken finden sich in den Unterlagen nur wenige Angaben von R. Visser, der
1907 an anderer Stelle einen Aufsatz über die Nkisi-Figuren veröffentlicht hat
(Visser 1907).
Eine Einteilung der Figuren nach verschiedenen Typen hat J. Maes (1930, 347 ff.
und 1935, 6 ff.) versucht. Maes unterscheidet Figuren des Konde-Typs, des Mpezo-
Typs, der Na-Moganga-Typs und des Mbula-Typs.
Die Figuren des Konde-Typs sind die eigentlichen „Nagelfetische“. Maes unter
scheidet sie weiter nach Figuren in Tiergestalt und Figuren in Menschengestalt. Bei den
Figuren in Menschengestalt unterscheidet er zwischen solchen mit erhobenem rechtem
Arm und anderen, deren Hände auf den Hüften ruhen. Letztere tragen nach Maes
(1935, 15) “in het algemeen meer kenteekens en zinnebeeide van het neger leven“
(Armschmuck, Schamschurze usw.) als der erstgenannte Typ. Maes (1935, 16 f.) folgert
daraus, daß es sich bei diesem Typ um Abbildungen von Verstorbenen („geestenbeel-
den“) handelt. Die Konde-Figuren sind Sitz böser Geister, der ndoki. Sie verursachen
ausschließlich schwere oder tödliche Krankheiten (Maes, 1930, 349).