Buchbesprechungen
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Seelenvorstellungen nicht benutzt worden ist.
Die Arbeiten von Hultkrantz (z. B. „Con-
ceptions of the soul among North American
Indians“, 1953), Paulson (z. B. „Die primi
tiven Seelenvorstellungen der nordeurasischen
Völker“, 1958, u. frühere Aufsätze in „Eth-
nos“), oder ältere Arbeiten wie: Koch-Grün-
berg („Zum Animismus der südamerikani
schen Indianer“, 1900), Kruijt (z. B. „Het
animisme in den Indischen Archipel“, 1906),
um nur einige zu nennen, sind nicht benutzt
worden. Wenn aber über die Erscheinungen
der Brandbestattung gesagt wird (XI): „Um
bei einer zukünftigen Erforschung ethnologi
scher Probleme bis in die letzten Tiefen vor
stoßen zu können, ist es notwendig, erst ein
mal genügend Material beizubringen, das
eine exakte Untersuchung einzelner Elemente
gestattet“, so muß dies auch für Fragen der
Seelenvorstellungen gelten.
Zusammenfassend sagt die Autorin (p.216):
„. . . Ob die Brandbestattung oder die Kör
perbestattung in der Klassengesellschaft geübt
wird, ist ausschließlich abhängig von den Jen
seitsvorstellungen und dem Seelenglauben ...“
Diese Behauptung kann sie anhand ihrer Ar
beitsmethode und des Materials jedoch gar
nicht belegen. Die Voraussetzung wäre der
Nachweis, daß unterschiedliche Seelen- und
Jenseitsvorstellungen bei Gruppen mit Brand
oder Körperbestattung existieren. Da aber
nur Anmerkungen über die Seelenvorstellun
gen in Zusammenhang mit der Brandbestat
tung gemacht worden sind, ist dieser Gegen
satz gar nicht herausgearbeitet worden.
Man wird die Arbeit als eine brauchbare
Materialsammlung zur Frage der Verbreitung
der Brandbestattung ansehen dürfen. Die wei
tergehenden Folgerungen (soweit sie für die
ganze Erde verallgemeinert werden) im Hin
blick auf einen Zusammenhang zwischen
Brandbestattung und Seelenglauben können
jedoch nur als Hinweise zu intensiver For
schung betrachtet werden.
H. Fischer
CURT SACHS:
Vergleichende Musikwissenschaft. Musik der
Fremdkulturen. Heidelberg: Quelle &
Meyer 1959. 76 S. (Musikpädagogische Bib
liothek Band 2).
Als Gurt Sachs am 5. 2. 1959 in New York
starb, riß der Tod eine Lücke, die sich nur
schwer wird schließen lassen. Mit Sachs ver
lor die Musikwissenschaft einen ihrer führen
den Köpfe. Vor allem sein Wirken auf dem
Gebiet der Musikinstrumentenkunde ist bis
heute unübertroffen. Seine Veröffentlichun
gen — das „Real-Lexikon der Musikinstru
mente“ (1913), das „Handbuch der Musik
instrumente“ (1920), „Geist und Werden der
Musikinstrumente“ (1929), um nur einige zu
nennen — weisen ihn als den bedeutendsten
Instrumentenkundler unserer Zeit aus. Auch
seine in der Emigration 1940 geschaffene
„History of Musical Instruments“ gehört zu
den Standardwerken der Literatur und zeigt
den auf Zusammenschau bedachten Forscher.
Man würde Sachs aber kaum gerecht werden,
wollte man ihn einseitig auf ein begrenztes
Gebiet festlegen: von der Weite der Themen
stellungen geben die über 200 Titel seiner
Arbeiten beredtes Zeugnis (mitgeteilt von
Kurt Hahn in „Acta Musicologica“ II—III,
1957, p. 94—106).
Noch kurz vor seinem Tode konnte Gurt
Sachs das Vorwort zur Neuauflage seiner
„Vergleichenden Musikwissenschaft“ schreiben
(erschienen als 2. Band der „Musikpädagogi
schen Bibliothek“ bei Quelle & Meyer, Hei
delberg — Erstauflage 1930). In diesem Vor
wort weist der Verfasser darauf hin, daß
gerade die letzten Jahrzehnte für die Musik
und die Völkerkunde eine Fülle neuer Er
kenntnisse gebracht haben. Wenngleich er ver
sucht habe, diese Erkenntnisse in die Neu
auflage einzuarbeiten, so konnte ihnen doch
im Rahmen eines kleinen Büchleins von noch
nicht achtzig Seiten kaum voll Rechnung ge
tragen werden.
So betont Sachs zwar gleich in der Einlei
tung, daß die Wissenschaft von der Musik der
fremden Völker ihren alten Namen „Verglei
chende Musikwissenschaft“ als irreführend
aufgegeben habe. Wenn auch durch den Un
tertitel „Musik der Fremdkulturen“ diese in
den Mittelpunkt der Betrachtung gerückt
wird, so geschieht dies aber nun doch nicht
um ihrer selbst willen, sondern wegen des
Vergleichs mit unserer europäischen Entwick
lung. „Denn was uns die Wissenschaft von
der Musik fremder Kulturen zeichnet, ist das
Schicksal, das uns geführt hat und führen
wird, und der Weg, den wir gegangen sind“
(S. 5).
Sachs fußt hier — wie auch in seinen an
deren Werken — auf dem Entwicklungs
gedanken. So wertvolle Erkenntnisse aus
einer solchen Betrachtungsweise auch gewon