Buchbesprechungen
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Gegenstände der Zweckforschung waren, nun
aber drängend vordergründige Anliegen der
praktischen Ethnosoziologie sind. (Ich halte
die wie folgt formulierte Feststellung des
Verlages für denkbar unglücklich: „Balan-
diers Buch gehört zu den bahnbrechenden
Werken der modernen Kolonial-Soziologie!“)
Von aktuellem, die völkerkundlichen Fach
belangeüberschreitendem Interesse dürfte u. a.
die Untersuchung über die „Gegensätzlichen
Bewegungen“ oder die politisch-religiösen Zu
stände im Kongoraum sein.
Dennoch sind alle Reflexionen auf den
Völkerkundler bezogen, von dem B. unmiß
verständlich sagt, daß er die Aufgabe habe,
seine Gedanken ohne Zurückhaltung auszu
sprechen. „Es ist weder sein Beruf, Schmeich
ler noch bezahlter Rezensent zu sein.“ Balan-
dier hat für seinen Teil in diesem Buch und
durch sein Wirken als Publizist und akade
mischer Fehrer diesen für alle geltenden Auf
trag in vorbildlicher Weise erfüllt, und wenn
seiner Arbeit nichts weiter als Nachahmung
in dieser Zielstrebigkeit beschieden wäre,
hätte sie zweifellos Bestand. Sie gibt jedoch
mehr — aber das erschließt sich dem enga
gierten wie distanzierten Feser nur auf dem
Wege des Nacherlebens des zwielichtigen,
keineswegs hellen Afrika.
W. Konrad
ELSY LEUZINGER:
Afrika, Kunst der Negervölker. Baden-
Baden: Holle-Verlag 1959. 235 S., 64 far
bige Abb., 144 Zeichnungen, 4 Karten
(Kunst der Welt, die außereuropäischen
Kulturen). Preis: DM 29.80.
Jeder Versuch, einen Überblick der Kunst
Afrikas zu geben, führt dem Feser vor
Augen, wie schwierig solche Aufgabe ist. Die
Fiteratur wird von Jahr zu Jahr umfangrei
cher, und bei der Beschäftigung mit der
Kunst muß der Verfasser auch über solide
Kenntnisse der Ethnographie schlechthin ver
fügen. Die Verfasserin demonstriert mit
ihrem Buch, wie notwendig das ist. Im ersten
Viertel des Buches schafft sie allgemeine
Grundlagen zum Verständnis des Haupttei
les, in dem die Stilregionen abgehandclt wer
den. In knapper und klarer Form werden
zunächst Fand und Feute, Religion und So
ziologie beschrieben. Anschließend zeigt die
Verfasserin die In Kunst und Kunsthand
werk verwendeten Materialien auf und cr-
läutert endlich noch Form und Stil. Die
gründliche Einführung ist im Hinblick auf
den Feserkreis erforderlich und ist gut ge
lungen.
Der Hauptteil ist in acht Kapitel unter
teilt, die sich mit den Stilregionen befassen:
Einleitung zu Westsudan und Westafrika;
Westsudan; Westatlantische Küstenländer;
Ostatlantische Küstenländer; Kamerun und
Französisch-Äquatorialafrika; Belgisch-Kon-
go; Ostafrika; Südostafrika und Madagaskar.
Das Material ist klar und übersichtlich dar
geboten. Unter der Überschrift Ostafrika
wird das Gebiet zwischen dem Südostsudan
und Südwestäthiopien und dem Rovuma-
Gebiet zusammengefaßt. Bei der reichlich
knappen Behandlung, die dieses Gebiet fin
det, mag das aus praktischen Erwägungen
geschehen sein. Dann hätten aber Südost
afrika und Madagaskar angeschlossen wer
den können, die Inhalt eines noch kürzeren
Kapitels sind. Ob Madagaskar überhaupt in
den Zusammenhang afrikanischer Kunst ge
hört, sei dahingestellt. Da es jedoch einmal
hinzugezogen worden ist, hätte es eine aus
führlichere Würdigung verdient. In dem sehr
kurzen Abschnitt über Togo vermißt man
die Erwähnung der Plastik Nordtogos (z. B.
Moba). Allgemein sind Fehmplastik und Ma
lerei (Hausschmuck!) unzureichend darge
stellt worden. Die etwas unbefriedigende
Ausführung einzelner Abschnitte mag zum
Teil wohl auf Platzgründe zurückzuführen
sein. Im Text sind kleine Unebenheiten zu
beanstanden, die die Verfasserin übersehen
hat.
Das Wort „Poro-Geheimbund“ (S. 74) ist
eine Tautologie. „Poro“ ist in der Fiteratur
in der Bedeutung „Geheimbund“ eingeführt.
Der Gebrauch von „Poro“ in Verbindung mit
den Senufo ist zwar der Fiteratur entnom
men (vgl. B. Holas, Fes Senoufo, Paris 1957,
S. 129), das Wort ist jedoch in erster FInie
für die Geheimbündc Fiberias und Sierra
Leones anzuwenden.
„Die Baga-Gruppc . . . gehört rassisch und
kulturell noch zu der West-Mandingo-Grup-
pe...“ (S. 80). Infolge des Kontaktes mit
Mandingo ist bei den Baga und ihren Ver
wandten zweifellos ein Mandingo-Einfluß
festzustellen. Trotzdem erscheint mir eine so
enge Verbindung, wie sie hier ausgedrückt
ist, nicht gerechtfertigt. Die in Guinea, Portu-
giesisch-Guinea usw. lebenden Mandingo sind
übrigens auch nicht ohne Einfluß ihrer Nach