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Buchbesprechungen
einmal herbe Kritik übt — sei es wegen un
nötiger Reisemühen und Schikanen unterwegs,
sei es wegen der Schwierigkeiten mit der welt
lichen Obrigkeit — ist seine Sprache offen
und derb, aber ohne Bosheit. Ein kraftvoller,
oft kecker Humor (der sich immer wieder in
launigen Sdrilderungen oft gar nicht ergötz
licher Situationen beweist!) und eine tiefe
Glaubenssicherheit lassen ihm sein Liebes-
werk leicht werden. Dem Ethnologen von be
sonderem Interesse ist Pauckes offensichtliches
Geschick, sich bei seiner seelsorgcrischen Ar
beit der Akkomodationsmethode zu bedienen.
Einfühlungsvermögen und pädagogische Be
gabung helfen ihm bei der schwierigen Auf
gabe, ein typisches Jägervolk an landwirt
schaftliche und handwerkliche Tätigkeiten
heranzuführen und den an unstetes Schweifen
gewöhnten Indianern die Anfangsgründe
vorausschauenden Planens und bedachtsamen
Wirtschaften nahezubringen.
Das MS enthält eine Fülle ethnographi
schen Materials, das Etta Becker-Donner im
2. Teil des Werkes auswerten wird und das
daher hier noch nicht im einzelnen zu be
sprechen ist.
Der „Zwettler Codex 420“ wird in einer
sorgfältigen Ausstattung und mit ausgezeich
neten Bildwiedergaben vorgelcgt. Um so mehr
sähe man zwei Schönheitsfehler gern vermie
den; das Fehlen der Akzente sowie Druck
fehler bei spanischen Ortsnamen und die
wiederholte Eindeutschung spanischer Orts
und Eigennamen. Es geht nicht an, beispiels
weise aus einem „Caspar de Caravaca“ einen
„Kaspar von Caravaca“ zu machen — zumal
das „de“ in spanischen Eigennamen nur in
wenigen Fällen ein Adelsprädikat, meist aber
ursprünglich eine Herkunftsbezeichnung dar
stellt. Nennt man eine Reduktion „St. Joseph“
anstatt „San José“, so müßte „San Estanislao“
konsequenterweise „St. Stanislaus“ heißen —
eine Kombination wie „St. Joachim (San
Joaquin) de Taruma“ erscheint uns vollends
unmöglich! —
Im deutschen Sprachbereich fließen die
Quellen zur frühen Kolonialgeschichte Ibero-
amerikas nicht so reich wie in den Archiven
Spaniens und Portugals. Um so dankbarer
dürfen wir der Herausgeberin des Zwettler
Codex sein, daß sie das wichtige Manuskript
des P. Florian Paucke uns in einer so anspre
chenden Form zugänglich gemacht hat.
G. Calvo
HELMUT DE TERRA:
Alexander von Humboldt und seine Zeit
Wiesbaden: F. A. Brockhaus 1956.
Unter den zahlreichen deutschsprachigen
Veröffentlichungen anläßlich der hundertsten
Wiederkehr des Todesjahres von Alexander
von Humboldt befinden sich nicht eben viele,
die dem wissenschaftlich nicht Vorgebildeten
eine Vorstellung von der Persönlichkeit, dem
Werk und der wissenschaftlichen Bedeutung
des großen Forschers zu geben suchen. So
gewinnt das vorliegende Buch des bekannten
Vorgeschichtlers Helmut de Terra erhöhte
Bedeutung. Ohne die Prätention ernsthafter
wissenschaftlicher Untersuchungen über Hum
boldts Leben und Wirken, will es den „Ver
such“ (so der Autor selbst) wagen, den genia
len Forscher und bedeutenden Menschen in
einer volkstümlichen Darstellung dem Leser
näherzubringen.
de Terra legt eine Biographie vor, die alle
wesentlichen Lebensstationen Humboldts be
rührt, ohne sich indessen auf eine Wiedergabe
bloßer „Daten“ zu beschränken: mit Bedacht
wählte der Autor den Titel „Humboldt und
seine Zeit“ — daß eine so vielschichtige Per
sönlichkeit, ein so universeller Geist nur zu
verstehen ist aus der geistigen Situation, aus
der Kenntnis der auf ihn wirkenden Ein
flüsse von Elternhaus und Familie, Freunden,
wissenschaftlichen Mitarbeitern, der politi
schen und menschlichen Atmosphäre — dies
Bewußtsein bestimmte maßgeblich den Auf
bau des Buches.
Schon während der Kinder- und Jugend
jahre erwachte das Interesse an den Erschei
nungsformen und Gesetzen der Natur in
Alexander v. Humboldt, aber auch die Nei
gung zu versponnener Zurückgezogenheit und
eine gewisse Empfindlichkeit dürften in der
Kindheit des „schwierigen“ Knaben ihre Wur
zeln gehabt haben. So aufschlußreich übrigens
der Versuch eines solchen psychologischen Ju
gendbildes ist, erscheint es uns überflüssig,
um der „historischen Genauigkeit“ willen die
Unterrichtung des Lesers auch auf gewisse
abartige Züge in der Psyche Humboldts aus
zudehnen. Gerade eine volkstümliche Dar
stellung sollte dort Zurückhaltung üben, wo
der Leser — einer heute weit verbreiteten
Neigung folgend — Gefahr laufen könnte,
seinen Gegenstand unter dem Einfluß höchst
einseitig gesetzter Akzente nur noch verzerrt