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Buchbesprechungen
Dieses höchst phantastische Gedankenge
bäude wird in gewissem Maße durch den Hin
weis darauf, heute sei oft nur noch ein toter,
magisch-abergläubischer Mechanismus zu finden,
der endlos und sinnentleert reproduziert werde,
immunisiert.
Daß Maurier im Schlußkapitel noch auf
die ökonomischen Kosten des relationellen
Lebens eingeht und meint, die Daten dessen,
was ist und dessen, was sein sollte, brauchten
nur aufgrund von choix éclairés in das öko
nomische Kalkül der Firmen einzugehen, so
könne eine neue ökonomisch-soziale Realität
geschaffen werden, verwundert schon beinahe
nicht mehr, denn schließlich ist die Idee Lies
Profits „sans doute c’est qui est au monde le
mieux et le plus naturellement partagé“ (247).
Irene Löffler
Roswitha Rothlach:
Der Wandel der Wanjamwesi-Gesellschafl
in vorkolonialer Zeit und die Ideen Nye-
reres über die traditionelle afrikanische
Gesellschaft. Arbeiten aus dem Institut für
Völkerkunde der Universität zu Göttingen,
Bd. 10. (Diss. 1974.) München: Renner.
1975. 195 S., 1 Karte.
Ansatzpunkt der Arbeit ist ein Politikum
der Gegenwart: Der Versuch des Präsidenten
von Tanzania, Nyerere, seine Idee von einem
afrikanischen Sozialismus mit dem — behaup
teten — Sozialismus in den traditionellen
Gesellschaften seines Landes zu begründen.
Wenn es diesen Sozialismus gegeben hat,
sagt sich die Verfasserin, dann müßte sich dort
seine Tragfähigkeit bewährt haben, wo er Be
lastungsproben durch Eingriffe von außen aus
gesetzt war. Die koloniale Phase scheidet für
die Prüfung allerdings aus, weil unter dem
Druck der totalen Beherrschung und Verwal
tung auch das stabilste Gefüge samt seinem gei
stigen Substrat nicht zu überleben vermag.
Bleiben also Siedlungsräume und Zeiten, für
die erstens ausreichende Quellen vorliegen und
in denen zweitens nachhaltige Störungen auf
traten. Beides trifft zu für die Landschaft
Unyamwezi im 19. Jh. Der arabische Sklaven
handel, die afrikanischen Reaktionen, die eu
ropäische Gegenwehr und die ersten For
schungsreisen brachten diesem Gebiet viel Un
ruhe. Die konkrete Frage lautet also, welche
Strukturen charakterisieren die ansässige Ge
sellschaft und wie resistent erweisen sie sich
gegenüber den hereingetragenen Provokationen.
Das Resultat dessen war schließlich mit Nyere-
res Thesen zu vergleichen.
Ein für sich genommen interessantes Unter
nehmen. Ob am geeigneten Objekt durchge
führt, ist eine Frage, wie methodisch gehand-
habt, eine weitere. Zunächst muß aber darauf
hingewiesen werden, daß es dem Leser leider
nur bedingt möglich ist, zu den Einzelheiten
des Inhalts korrekt Stellung zu nehmen. Die
Schrift ist ein verfielfältigtes Dissertationsma
nuskript, man wird also gern orthographische
und typographische Pedanterie zu Hause lassen.
Nicht aber, wenn Fehler durchschnittlich auf
jeder Seite Vorkommen, Wörter ausgelassen
oder gedoppelt werden, zuweilen Satzteile
fehlen, fremdsprachliche Zitate die gleichen
Verhunzungen erfahren und afrikanische Na
men bzw. Termini nicht wiederzuerkennen
sind, weil ihre Schreibweise manchmal auf der
selben Seite wechselt. An einigen Stellen geht
das bis zur Unverständlichkeit, z. B. S. 19,
sechste Zeile von unten; S. 100, erste Zeile.
Des guten Rufs der sonst vorzüglichen Göt
tinger Reihe zuliebe sollte eine Korrektur nicht
zu lange auf sich warten lassen.
Zur Untersuchung selbst. Sie ist ein Schul
beispiel für die folgenreiche Tatsache, daß es
jungen Ethnologen so selten vergönnt ist, das
Land ihrer Studien unmittelbar kennenzuler
nen. Erfolgversprechende Themenwahl, richtige
Fragestellungen im einzelnen, heranzuziehende
Fakten, Vorsicht in der Anwendbarkeit von
Schulbegriffen und Modemeinungen, derglei
chen lernt man an Ort und Stelle nahezu
mühelos. Beanstandungen gelten deshalb in
dem Maße eingeschränkt, wie man Frau Roth
lach keinen Vorwurf machen kann, Ostafrika
nicht bereist zu haben.
Die Erforschung lokaler Agrargesellschaf
ten schwebt in der Luft, wenn nicht ausführ
liche landeskundliche Daten Lebensraum und
Bezugsfeld charakterisieren. Keine Zeile liest
man darüber. Unyamwezi ist eine nach allen
Seiten offene Landschaft und war Durchzugs
gebiet vieler Wanderbewegungen. Darin, aber
auch in der ökologischen Dürftigkeit wird die
späte Besiedlung ihren Grund gehabt haben.
Nur die südlich angrenzenden Ukonongo und
Ukumbu zeigen sich noch unwirtlicher, wie
noch jetzt die Bevölkerungsdichte bestätigt.
Ukonongo zählte 1957 einen, Ukimbu drei,
Unyamwezi 14, das natürlich reichere Ussu-
kuma dagegen 64 Einwohner auf die Quadrat
meile, ganz zu schweigen von der dicht besie
delten interlakustrinen Zone. Wie lag Unyam
wezi örtlich zu staatenbildenden und anders