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Buchbesprechungen
Wenn sie gutnachbarliche Beziehungen be
streitet, weil Nichtverwandte „nur“ Anspruch
auf Hilfe beim Hausbau hatten (S. 173), wel
che paradiesischen Zustände fordert sie dann
für Unyamwezi? Wiederholt bemängelt sie
die Kritikarmut gegenüber Autoritäten (S. 173,
175) und vergißt dabei, daß Autorität kon
struktives Element ersten Ranges in afrika
nischen Sozietäten jener Tage war.
Von Autorität ist noch bei den Literatur
hinweisen die Rede: Pater F. Bösch, Missionar
der Weißen Väter, ist der Verfasserin eine
„führende“ (S. 45), obwohl wiederholt kriti
siert und der Befangenheit (S. 51, „Urmono-
theismus“) verdächtigt. In den meisten Fällen
von Meinungsdifferenzen entscheidet sie sich
für ihn, der zwischen 1925 und 1948 schrieb,
und weist andere ab, z. B. Abrahams (1967)
mit dem Argument, er habe nie Kinyamwezi
gelernt (S. 72). Eine solide Quellenkritik, die
fehlt, müßte vor allem heraussteilen, an wel
chen Orten die Autoren arbeiteten und wer ihre
Vermittler waren oder gewesen sein könnten.
Das mit viel Fleiß zusammengetragene Ma
terial ist nicht soweit themenbezogen verar
beitet, wie es nötig wäre, den vorgehabten
Nachweis zu führen. Man kann nur wünschen,
daß sich die Autorin der Mühe einer revidier
ten Fassung unterzieht. Es wäre schade, wenn
die im einzelnen interessante Arbeit, wie vor
gelegt, sonst für den wissenschaftlichen Ge
brauch wenig empfehlenswert bleiben müßte.
Axel Freiherr von Gagern
Denise Bouche:
L’Enseignement dans les territoires fran
çais de l’Afrique Occidentale de 1817 à
1920 — Mission civilisatrice ou formation
d’une elite? Tome ////. Lille: Atelier Repro
duction Des Theses. Université Lille III,
1975. 347 S.
Denise Bouche wollte mit ihrem Werk,
dessen erster, hier vorliegender Band allein
fast 400 Seiten umfaßt, eine möglichst voll
ständige Geschichte des Erziehungswesens im
Senegal schreiben. Dies ist ihr ohne Zweifel
gelungen, das Buch stellt eine enorme Fleiß
arbeit dar (die Bibliographie und das Verzeich
nis des studierten Archivmaterials umfassen
allein 50 Seiten), eine minuziöse Chronik der
„mission civilisatrice“ Frankreichs. Die Auto
rin versucht mit Einfühlungsvermögen und
Kritik, die Aussagen der verschiedenen Quel
len sorgfältig gegeneinander abzuwägen.
Dargestellt wird nicht nur die Entwicklung
der verschiedenen Schulen (Elementarschule,
Sekundarschule, kurzlebige technische Schule,
Schule für Kinder der Chefs der Ethnien des
Hinterlandes, Schule für Mädchen), sondern
auch das Schicksal der Stipendiaten in Frank
reich und Algier und die oft fehlgeschlagenen
Versuche, auch die Moslems zu bewegen, ihre
Kinder zur Schule zu schicken.
Die Schulen im Senegal zeichnen sich da
durch aus, daß sie von Anfang an der Ver
waltung unterstellt waren und ihre Einrichtung
nicht, wie in englischen und belgischen Kolo
nien, der Mission überlassen blieb, obwohl die
Mission über längere Zeit die Lehrer stellte.
Spannungen zwischen Mission und Verwaltung
blieben somit nicht aus. Dard, der erste Leh
rer, versuchte Wolof zu lernen und in dieser
Sprache zu unterrichten; er schrieb eine Wolof-
Grammatik. Aus politischen Gründen wurde
er daran gehindert, nach einem Urlaub in
Frankreich seine Tätigkeit Im Senegal wieder
aufzunehmen. Der Lehrer Epinat, der gleich
falls in Wolof zu unterrichten versuchte, wur
de, nachdem er aus Gesundheitsgründen nach
Frankreich zurückgegangen war, später nicht
wieder eingestellt, obwohl er eine niedrigere
Bezahlung In Kauf nehmen wollte.
Weder Dard noch Epinat werden freund
lich von Denise Bouche behandelt. Ersterer
wird gleich in der Einführung offensichtlicher
Lügen (u. a. betreffs der Jahre, die er im Sene
gal verbrachte) überführt, so daß alles Wei
tere, das von ihm zitiert wird, unglaubhaft
wird. Seine Idee, in Wolof zu unterrichten, ist
für Bouche zwar nicht „a priori condam
nable“, nur sei es Dards Fehler gewesen zu
glauben, er habe das schon geschafft (71).
Epinat wird folgendermaßen vorgestellt:
„L’homme était étrange. Antiesclaviste . . .“ In
einem späteren Kommentar, in dem der Man
gel an Lehrern und ihr häufiger Wechsel be
klagt wird (häufig gab es auch keinen Lehrer,
weshalb die Frères von Ploermoel mit den
Erzichungsaufgaben betraut wurden), sagt
Bouche, daß es auch schlechte Lehrer gege
ben habe, die mangels anderer Möglichkeiten
mit einer mittelmäßigen Stellung hätten zu
frieden sein müssen, wie Epinat z. B. (92).
Epinat ging dennoch zurück in den Senegal
und unterrichtete dort auch ohne Bezahlung.
Dard, der heute im Senegal zu neuen
Ehren gekommen ist, und Epinat waren wohl
nicht geeignet, die erklärten Ziele der Kolonial
macht zu verwirklichen, eine genügend große
Anzahl von eingeborenen Helfern heranzuzie