Buchbesprechungen
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hen, damit sie „genährt von christlichen Prin
zipien und den Ideen der Zivilisation, sich an
den Ufern des Senegal verteilen können und
durch die tausenderlei geschäftlichen Verbin
dungen zur gleichen Zeit Waren und franzö
sische Ideen mit der Bevölkerung des Flusses
tauschen“ (rapport sur l’instruction publique,
115).
In der von den Frères geleiteten Schule
wurden die Schüler, die Wolof sprachen — und
sei es in der Freizeit — streng bestraft. Die
Schüler lernten in der 1. Klasse zunächst
lesen, in der 2. lernten sie schreiben, in der
3. Latein (bis 1882). Bouche bemerkt dazu,
daß das Lateinstudium nach dem Studium einer
fast genauso unbekannten Sprache „ne devait
pas être spécialement déroutante“ (166), was
gar nicht unwahrscheinlich ist. Das Lesebuch,
das zunächst benutzt wurde, war „Les devoirs
du Chrétien envers Dieu et les moyens de
pouvoir bien s’en acquitter“ von de la Salle,
es hatte 379 Seiten! In der vierten Klasse
wurden dann die wichtigsten Gebete gelehrt
und die ersten und wichtigsten Begriffe des
Katechismus.
Nichtsdestotrotz, 1903 gingen fast alle
Kinder in Corée, 30% in St. Louis und 25%
in Dakar in die Schule. Alle waren Christen
— vornehmlich Mischlinge, die sogenannten
assimilés — und sie kämpften mittlerweile um
die gleiche Qualität der Ausbildung wie im
Mutterland. Das Ziel aller Schüler war es, sich
eine Stelle in der Verwaltung zu sichern, und
gerade die „Assimilierten“ widersetzten sich der
Schaffung von Schulen im Hinterland. Das Ziel
des Gouverneurs Jubelin, den Senegalesen „le
goût de nos biens et de notre industrie“ (82)
einzuflößen, war geschafft.
Bouche sieht im Schulwesen der ersten
hundert Jahre ein „enseignement d’élites à une
classe sociale privilégiée, celle des assimilés,
qui en profitait dans sa totalité“ (431). Eine
Karriere wie die des Generals Dodd, der für
die Franzosen im Krieg gegen Dahomey
kämpfte, erscheint so „pas exceptionelle que
par son achèvement“ (427).
Es ist durchaus möglich, das von Denise
Bouche gesammelte Material etwas anders zu
interpretieren. Sie versucht, den Geist der Zeit
darzustellen und bringt eine Chronik der Ver
waltung, die alles daransetzt, ihre „mission
civilisatrice“ durchzuführen. Indes bringt die
Autorin genügend Stoff, so daß man aus der
„mission civilisatrice“ auch eine „mission
d’alienation“ machen könnte. Dafür sei ihr ge
dankt- Irene Löffler
Jean-Paul Lebeuf:
Études Kotoko. In: Cahiers de l’homme.
Nouvelle Série XVI. Paris-La Haye: Mou
ton. 1976. 105 S., 8 Fotos, 32 Fig. i. T.,
14 Tab. i. T.
Jean-Paul Lebeuf hat seinen zahlreichen
Arbeiten über die Völker des unteren Schari-
und Logone-Gebietes eine neue hinzugefügt,
deren Titel „Études Kotoko“ allerdings nicht
sehr vielsagend anmutet. Wenn in dieser allge
meinen Form in Verbindung mit einer ethni
schen Gruppe von „Studien“ die Rede ist, so
möchte man zunächst einen linguistischen Bei
trag darunter vermuten. Lebeuf ist jedoch
kein Sprachwissenschaftler, sondern Ethnologe,
und daran ändert auch die Tatsache nichts,
daß linguistisches Material, Namen von Tieren,
Pflanzen, Zahlen, Naturphänomenen etc., die
Grundlage der vorliegenden Arbeit bildet. Die
ses Material dient der analytischen Durchdrin
gung der für einen außenstehenden Beobachter
schwer erfaßbaren Zusammenhänge, die die
symbolische Weltordnung des Kotoko-Volkes
betreffen. Obgleich darin das übergreifende
Forschungsanliegen erkennbar wird, wirken
die acht Hauptkapitel letztlich doch so hetero
gen, daß das Dilemma des Autors, eine prä
zisere Überschrift für diese Abhandlung zu fin
den, nur zu offenkundig wird. Die Kapitel
behandeln folgende Teilaspekte: 1. Katego
rien. Ordnung und Gegenordnung; 2. das Spiel
der Erderbsen; 3. Zahlensystem; 4. Zeitrech
nung; 5. Sémiologie; 6. Nachtrag zu den
Schöpfungsmythen; 7. Zwiebeln und Frucht
barkeit.
Was die Klassifikation und die Gesamtord
nung der Schöpfung in der Vorstellungswelt
der Kotoko angeht, so läßt sie sich auf eine
grundlegende Zweiteilung in eine männlich und
eine weiblich aufgefaßte Komponente und eine
damit in Zusammenhang stehende Zahlensym
bolik zurückführen. Als die fünf übergeordne
ten Kategorien werden die wilden Säuge
tiere, die Vögel, die als Nahrung dienenden
Zerealien, die Wildpflanzen und die Fische an
gesehen, von denen die ersten vier je 24 Un
terarten und die Fische 36 umfassen. Jeweils
die Hälfte dieser Klassen von Spezies gilt als
männlich bzw. weiblich. Der zahlenmäßig
höhere Anteil der Fische erklärt sich aus den
ökologischen und wirtschaftlichen Verhältnis
sen, denn dem Fischfang kommt bei den am
Logone und Schari lebenden Kotoko für die
Ernährung eine zentrale Bedeutung zu.