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Buchbesprechungen
Micheline Centlivres-Demont:
Volkskunst in Afghanistan — Malereien an
Lastwagen, Moscheen und Teehäusern. Graz:
Akademische Druck- u. Verlagsanstalt. 1976.
72 S., zahlr. Farb-Abb., mehrere Schwarz
weiß-Fotos.
In ihrer neu erschienenen Arbeit, die auch
in Englisch und Französisch vorliegt, beschreibt
und kommentiert Micheline Centlivres-
Demont drei Arten volkstümlicher Malerei im
heutigen Afghanistan: Malerei an Fahrzeugen,
in Moscheen und Teehäusern.
Etwa gleichzeitig mit der Einführung von
Lastautos nach Afghanistan begann auch deren
Ausschmückung. In sprudelndem Färb- und
Fantasiereichtum wird Weltliches und Religiö
ses in Dekorationen gemischt, direkt auf Ka
rosserie oder Aufbauten gemalt oder auf lose
Blechtafeln, die nach der Bemalung an den
Lastautos befestigt werden.
Hier kommt die Verfasserin mit einem
wichtigen Hinweis, der in gewisser Hinsicht
der üblichen Auffassung widerspricht: Techni
sche Veränderungen müssen nicht die Verar
mung einer traditionellen Kultur herbeiführen,
sondern können, wie im Fall der bemalten
Lastautos, kulturell neuschaffend wirken.
Bemaltes Moschee-Interieure, allerdings mit
einer strikteren Motivwahl, zeigen, wie sich
volkstümliche Religiosität von dogmatischem
Ideal unterscheidet. Abseits der großen Wege
schmückt man seine Moscheen mit Malereien,
etwas, was in den größeren Städten und Zen
tralorten kaum vorkommt.
Teehausmalereien bilden, parallel zu der
zunehmenden Fülle von Fotografien und ge
rahmten Farbdrucken, die dritte Gruppe volks
tümlicher Dekorationen. In noch höherem Grad
als in Moscheen sind Teehausmalereien stark
klimatisch bedingten Beschädigungen ausgesetzt.
Diese Malereien sind kurzlebig und für die
Jetztzeit bestimmt — nicht für die Zukunft.
Weiter wird vermerkt, daß sich diese beiden
Dekorationstypen — im Gegensatz zur Last
automalerei — auf dem Rückzug befinden.
Der Geschichte der Moschee- und Teehaus
malereien ist schwer auf die Spur zu kommen,
und die Verfasserin versucht auch nicht, hier
weiterzukommen, was dem Mangel an Belegen
in der Literatur zuzuschreiben ist — diese Ein
wendung ist im übrigen meine einzige.
Micheline Centlivres-Demonts Arbeit ist
nicht nur ein geschmackvoll angelegtes Bilder
buch, sondern auch ein Stück afghanischer Ge
genwartsgeschichte. Bilder und beschreibende
Texte bilden eine Einheit und werden in den
sozialen Zusammenhang gestellt — etwas, was
dieses Buch zu mehr als nur einer Beschreibung
isolierter Erscheinungen macht.
C.-J. Charpentier
Charles Masson;
Narrative of Various Journeys in Baloch-
istan, Afghanistan and the Panjab including
a Residence in those Countries from 1826
to 1838. Introduction by Garry J. Alder.
3 Bde. Graz: Akademische Druck- u. Ver
lagsanstalt. 1975. (Repr. der Ausgabe Lon
don: R. Bentley. 1842.) 464 S.
Dieses bisher ebenso schwer erreichbare wie
wertvolle Werk liegt nun in einem hervor
ragend ausgestatteten Reprint vor.
Charles Masson (eigentlich: James Lewis),
1798—1853, gibt hier einen Reisebericht, der in
einer solchen Qualität der Vermischung per
sönlich-erzählerischer und sachlicher Darstel
lung von einem „Abenteurer“ selten so intensiv
vermittelt wurde. Er bereiste das Land in und
um Afghanistan zu einer Zeit, da sich die
Kenntnis von diesen Gebieten (ungeachtet des
dennoch überragenden Wertes etwa der For
schungen Elphinstones) in der „second-hand“-
Sammlung von Informationen erschöpfen
mußte, wollte man sich nicht den Unberechen
barkeiten der „terra incognita“ aussetzen.
Der Persisch und Urdu sprechende Masson,
aus der Bengal Artillery in Calcutta desertier
ter Engländer, taucht im fraglichen Raum zu
einer Zeit auf, da britischer und russischer Ein
fluß in ihrer beider Interessensphären immer
spürbarer wurde. Im Dienste der East India
Company im Kabul des Amir Dost Moham
mad betätigt er sich zunächst als Münz- und
Kunstobjektsammler, als Ausgräber — und ge
rät ins schiefe Licht des Antiquitätenjägers.
Dennoch werden seine enthusiastischen For
schungen zum Beginn einer afghanischen Ar
chäologie: Bamyan wird besucht, Ausgrabun
gen (natürlich nicht im heutigen Sinne) werden
vorgenommen — die Fundstätten von Begram
etwa im Norden Kabuls, die er besonders
nach Münzen untersucht, identifiziert er als
Alexandria ad Caucasum; Stupas werden frei
gelegt (Hadda, Guldara), im Journal der
Asiatic Society of Bengal erscheinen Artikel
zu diesen Tätigkeiten.
In der Zeit des sich anbahnenden anglo-
afghanischen Krieges wird seine intime Kennt
nis afghanischer Zustände für die britische Poli