Buchbesprechungen
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los hier wie dort vorhanden. Welche editorische
Logik nun aber dahinter steckt, pietätvoll
Selers Übersetzung des „Popol Vuh“ (s. Re
zension v. B. Spranz in dieser Ausgabe von
„Tribus“) — unbestreitbar zur Klasse der
„Quellenwerke“ gehörig! — als Band II einer
Folge „Stimmen indianischer Völker“ aufzu
nehmen, bleibt einigermaßen unerfindlich. Das
Verwirrspiel erreicht dort dann seinen Höhe
punkt mit durchaus irreführenden Illustratio
nen zur wichtigsten Tradition einer Hoch
land- Ethnie, die liebevoll aus Codices der
nördlichen Tiefland- Maya kopiert wur
den. Der Rezensent ist altmodisch genug, über
einen solchen Stilbruch innerhalb der so tradi
tionsbewußten Berliner Altamerikanistik be
trübt zu sein. Thqmas s _ Barthel
Wolfgang Lindig / Mark Münzel:
Die Indianer — Kulturen und Geschichte
der Indianer Nord-, Mittel- und Südameri
kas. München: Fink. 1976. 345 S., zahlr.
Ahb.
Die Aufgabe, die sich die beiden Autoren
— Wolfgang Lindig für Nordamerika, Mark
Münzel für Mittel- und Südamerika — stell
ten, nämlich eine Einführung in die Vielfalt
der indianischen Kulturen vor dem Hinter
grund ihrer natürlichen Umwelt zu schreiben,
ist voll gelungen, wenn auch die oft gerafften
und somit teilweise flüchtigen Ausführungen
an manchen Stellen beim unbedarften Leser zu
Mißverständnissen führen können und daher
nicht immer voll befriedigen. Jedoch — eine
detaillierte Darstellung der indianischen Vielfalt
schlossen die Verfasser von vornherein aus. Sie
ist auch in einem einzigen Band nicht möglich.
So erübrigt sich an und für sich der Hinweis,
daß das Buch — für eine breite Leserschaft
konzipiert — Kenntnisse voraussetzt. Vielleicht
kann bei der Taschenbuchausgabe dieser leichte
Anflug einer kritischen Anmerkung soweit
berücksichtigt werden, daß er gegenstandslos
wird.
Mit „Die Indianer“ ist ein Buch vorgelegt
worden, das es im deutschsprachigen Raum in
dieser Geschlossenheit bisher noch nicht gab.
Dafür und auch für das im Buch offen zutage
tretende Engagement der Autoren für die in
dianischen Rechte muß der an Amerikas Ein
geborenenvölkern Interessierte, zumal aber der
Freund indianischen Lebens, Lindig und Mün
zel sowie dem Verlag dankbar sein. In über
aus übersichtlicher Form ist der Pluralismus
der verschiedenen Indianerkulturen gegliedert
worden. Beide Verfasser folgten dabei der
nach wie vor zweckmäßigen Einteilung des
indianischen Nordamerikas und mit Einschrän
kung auch Südamerikas in Kulturprovinzen.
Vielleicht hätten die Eskimo bzw. Inuit (sehr
begrüßenswert, daß die Eigenbezeichnung die
ses Polarvolkes hier einmal Eingang in einen
Buchtext gefunden hat) in einem „Indianer“-
Buch besser an den Schluß und nicht gerade an
den Anfang des Nordamerika-Teils gestellt
werden sollen, denn sie sind keine Indianer,
worauf auch in der Einleitung hingewiesen
wird. Dennoch müssen sie natürlich ihren
Platz in einer Darstellung des autochthonen
Nordamerikas erhalten. Die klare Gliederung
setzt sich auch innerhalb der Beschreibung der
einzelnen Kulturprovinzen fort. Jeder dieser
kulturellen Großräume ist in die Abschnitte
Lebensraum, Lebensunterhalt, materieller Kul
turbesitz, soziale Umwelt, Religion und Ge
schichte (bis in die jüngste Vergangenheit) ein
geteilt worden, wobei im Südamerika-Teil bei
den zirkum-karibischen Indianern noch der
Abschnitt „Schrift“ und bei den Indianern der
Zentralanden der Abschnitt „Volksmusik unter
spanischem Einfluß“ hinzutritt. Den geschicht
lichen Abhandlungen ist bewußt große Bedeu
tung beigemessen worden und — insbesondere
was Südamerika anbelangt — auch mit Recht,
ist doch die Geschichte der südamerikanischen
Indianer, vor allem ihr oftmals erfolgreicher
Widerstand gegen die weißen Invasoren im
Gegensatz zu demjenigen der Ureinwohner
Nordamerikas, worauf Münzel in seiner Ein
leitung hinweist, einem breiten Leserkreis kaum
bekannt.
Nicht hoch genug einzuschätzen ist es, daß
jedes Kulturgebiet in einer Karte gezeigt wird,
wie überhaupt die vielen, sorgfältig ausge
wählten Zeichnungen im Text sehr instruktiv
sind und in den meisten Fällen mehr aussagen
als Fotos. Auf der US-Reservationskarte auf
S. 15 muß der Leser allerdings die Reservation
der Menominee (in Wisconsin, westlich der
Green Bay, Michigan-See) ergänzen, denn die
ser Stamm hat Ende 1973 seinen Status einer
Bundesreservation wieder zurückerhalten. Posi
tiv hervorzuheben ist ebenfalls die Literatur
auswahl, die jedem Kapitel angeschlossen
wurde.
Neben seinem zusammenfassend beschrei
benden Charakter hat das Buch auch den Vor
teil, daß es Aussagen zur aktuellen Diskussion
— die hier beispielhaft hervorgehoben werden
sollen — sowohl unter denen, die sich gerne