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Der augenblickliche Stand der Erforschung
der nordamerikanischen Sprachen
Von Karl-Heinz Gursky
Inhalt:
1. Deskriptive Sprachwissenschaft
2. Historisch-vergleichende Sprachwissenschaft
3. Ethnolinguistik
4. Sprachtypologische Untersuchungen
5. Genealogische Klassifikation
6. Die Entwicklung seit 1964
Vorbemerkung ; Die späte Veröffentlichung der Arbeit, die bereits im Juni 1964
fertiggestellt war, hat es notwendig gemacht, ihr einen längeren Anhang (Abschnitt 6)
heizugeben, der die inzwischen erschienene Literatur berücksichtigt und über die neuere
Entwicklung berichtet.
1. Deskriptive Sprachwissenschaft
Auf dem nordamerikanischen Kontinent gab es vor dem Erscheinen der
llr opäer eine verwirrende Anzahl von Sprachen. Nördlich von Mexiko dürften
1 e twa 300 gewesen sein. Mehr als die Hälfte von ihnen, nämlich 181, werden
-Ute noch gesprochen. Natürlich hat keine von ihnen politische Bedeutung,
lf ür sind die sie sprechenden Gemeinschaften zu klein - nur sechs von ihnen
'uvaho, Odjibwa, Teton-Dakota, Cree, Inupik-Eskimo, \ upik-Eskimo) zählen
le hr als 10 000 Menschen -, und auch die größte, die der Navaho, zählt
°lz des ungeheuren Anwachsens des Stammes nur knapp 100 000 Indivi-
6en k Für die Sprachwissenschaft sind diese Sprachen aber, gerade wegen
>rer großen Verschiedenheit, von großer Bedeutung. Man kann niemals zu
^gemeingültigen Aussagen über die Sprache kommen, ohne sie in Betracht
^ ziehen, denn die empirische Grundlage der Sprachwissenschaft würde sonst
^ klein werden. Ihr besonderer Wert liegt gerade darin, daß sie interessante
es tfälle für Verallgemeinerungen bieten. Wo gibt es sonst auf der Erde so
1 Chafe Wallace L.: Estimates Regarding the Present Speakers of North Amen-
Indian Languages. IJAL 28:162-171; 1962. [Die Erklärung der Abkürzungen s. p. 454.]
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ropos 61. 1966