ANTHROPOS
101.2006: 473-497
Geburt und Jugend des Helden im Gesar-Epos
der Monguor (VR China, Provinz Qinghai)
Bruno J. Richtsfeld
Abstract. - In the years 1948/49 Dominik Schröder noted down
a Monguor version of the Gesar epic, of which he could translate
°nly some parts; after his death in 1974 the manuscript was
e dited in 1980 by Walther Heissig. In 1988 another version of
*be Monguor-Gesar was published in Chinese translation in a
Chinese Gesar research periodical. In comparison to Schroder’s
re cord this epic demonstrates significant alterations but also
hel Ps us to understand some of the parts which Schröder was
n °t able to translate. On the other hand these two versions reveal
*be traits which connect them with motives, motive chains, and
Plots of Mongolian and Tibetan storytelling and Gesar/Geser
traditions. They also demonstrate the attributes and pecularities
°f the Monguor-Gesariade and prove that the similar motive
c hain and construction of the two variants represent a distinct
^ral poetry theme among the Gesar/Geser traditions in Innerasia.
languor, Gesar, Geser, epic, folklore, folktale, oral poetry]
Bru no J. Richtsfeld, Dr. phil. (München 1989), Leiter der Ab
teilung Inner- und Ostasien am Staatlichen Museum für Völker-
krinde München. Zu seinen Publikationen zählen neben Beiträ-
in Museumspublikationen auch Veröffentlichungen zu den
hörnen Schamanismus in der Mandschurei und Erzähltraditio-
nen Innerasiens; siehe zitierte Literatur.
^ Einleitung
Jahren 1948/49 zeichnete Dominik Schröder
: 0-1974) bei den Monguor im heutigen Au-
J? n °men Monguor/Tu-Kreis Huzhu (chin.; Huzhu
ü zu Zizhixian, tib.: dgon-luh [Gonlung]; nordöst-
J c hes Qinghai) 11 999 Zeilen, d. h. zwei Drittel,
p' nes Gesar-Epos auf, das ihm der Monguor-Barde
y U anbo-sdzia vortrug. Schröder konnte davon vor
^lassen seines Forschungsgebietes am 1. Juli
- die Volksbefreiungsarmee besetzte das Ge
biet im September 1949 (Li Keyu 1992: 5) - unter
Anleitung des Barden und von dessen Schwieger
vater Tuo Ifula (Duo Yifula; s. Yang Si 1987: 29)
noch 2 450 Zeilen übersetzen. 1 Der Barde Guänbo-
sdzia (chin. Transkription; Gongbu bzw. Guanbo-
jia) stammte aus Xiaoyangjuan in Daquan, Ge
meinde Dongshan, Kreis Huzhu, und verdiente sei
nen Lebensunterhalt mit dem Bemalen von Truhen
und Schränken. Sein chinesischer Name war Wang
Wenyu; Yang Si erwähnt ihn unter dem Namen Ye-
bu (1987: 29). Schröder gibt als Geburtsjahr 1903
an (1959: 9; Heissig 1980: 8), Yang Enhong ver
zeichnet hingegen die Lebensdaten mit 1900 bis
1974 (1988: 5f.).
Nach Schröders Tod machte Walther Heissig
(1913-2005) erstmals im Jahre 1977 auf das wert
volle Gesar-Fragment aufmerksam und publizierte
1980 das hinterlassene Manuskript mit Schröders
Übersetzungen bzw. Übersetzungsentwürfen.
In der zweiten Hälfte der 80er Jahre des 20. Jahr
hunderts wurden von chinesischen Forschern bei
den Monguor Teile weiterer Varianten des Gesar-
Epos sowie auf Gesar bezogene Erzählungen und
Sagen aufgezeichnet. Es hat den Anschein, dass
die chinesische Forschung sich insbesondere auf
die Vorgeburts- und Geburtsepisode konzentrierte,
1 Schröder (1959:8-16; s. 1952-53: “Lebenslauf” [ohne
Paginierung]). - Zu Aufzeichnung und Übersetzung der
Monguor-Geseriade s. Heissig (1977, 1980) sowie Schrö
der (1959: 11-14), zu der Zusammenarbeit mit Tuo Ifula
(1883-1949) vgl. ausführlich Schröder (1952-53: 8-16).