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Buchbesprechungen Süd-/Südostasien
Delhi, 1984, fig. no. 4), aber sie kann in ihrer oberen
Linken wahrscheinlich nie eine aksamälä halten, wie von
den Autoren auf S. 67 vorgeschlagen wird. Zwischen
dem (abgebrochenen) oberen Arm und dem unteren
Arm ist immer noch der untere Teil eines Griffes sicht
bar, der entweder zum Spiegel oder, wahrscheinlicher,
zum tridanda gehörte (der Griff des Spiegels ((darpana))
wird gewöhnlich am unteren Rand mit einem wulstarti
gen Ring verziert, vergl. S. Mukhopadhyay, op. cit., fig.
12, Artibus Asiae, XLII, 1980, figs. 8, 9, 11, zwischen pp.
288-289. Das Holz des tridanda ist gewöhnlich unver-
ziert: S. Mukhopadhyay, op. cit., figs. 1, 5. und 8,
Artibus Asiae, XLII, 1980, fig. 6, zwischen Seiten
288-289). Warum Nr. 38 des Kataloges »Gaurl/Parvatl«
genannt und warum die Bronze der Kat. Nr. 46 mit
»Chandl« bezeichnet wird, erwähnen die Autoren nicht,
auch wird nicht auf tantrische Texte verwiesen, und auf
die Vorstellung von Vergleichsmaterial wird, wie gesagt,
verzichtet. Nr. 44 kommt wohl mehr aus Süd-Ost-Ban-
gladesh als aus dem »Rangpur district«, wenn wir einmal
nur die kiritamukuta auf den Köpfen der Göttinnen in
Betracht ziehen (Arts Asiatiques, XL, 1985, p. 24). Die
Bronze läßt sich vor allem sehr gut mit dem Visnu aus
Silber vom Sonarang Bezirk im Dacca-Distrikt verglei
chen (S.L. Huntington, op. cit., fig. 280). Nr. 57: Die
»male attendants« zur Seite der Göttinnen sind die ge
wöhnlichen äyudhapurusa der Schneckentrompete und
der Wurfscheibe, die an ihren Emblemen im Haar er
kennbar sind. Da Nr. 60 ein typisches Beispiel des nord
bengalischen Stiles aus dem 12.Jahrhundert ist, hätte die
Beschreibung des Stückes mehr als vier Zeilen verdient.
Nr. 61: die Identifikation einiger avatäras muß revidiert
werden, der »Krsna holding a flute (?)« dürfte eher
Räma mit dem Pfeil und dem Bogen sein, gefolgt von
»Balaräma«, der auch Parasuräma sein könnte (vergl.
N.K. Bhattasali, op. cit., Plates XXXV-XXXVII und
Text p. 92: Inkarnation »8«, Plate XXXV, oben und
unten und p. 90, Inkarnation »VI«),
R. Newman und E. Farell, die Autoren des »Appendix
I« veröffentlichen ein wichtiges Arbeitsergebnis in bezug
auf die von den Steinmetzen der »Päla-Sena«-Zeit be
nutzten Steinmaterialien. So wurden z.B. Steine aus
Steinbrüchen verwendet, die nicht in den »Rajmahal
Hills« zu suchen sind, wie ursprünglich angenommen
wurde (S. 96f.).
Einige Stücke der »Nalin collection« sind wie gesagt
hervorragend in bezug auf ihre Ästhetik und ihre unge
wöhnliche Ikonographie. Besonders gut sind die Kunst
schulen aus Süd-Ost-Bangladesh vertreten. Wir können
daher nur die unzureichenden Beschreibungen bedau
ern, die Oberflächlichkeit des Textes und seiner Edition
und die zahlreichen Lücken in der Bibliographie.
Claudine Bautze-Picron
Hotze, Ilona:
Darimana? Kemana? Leben auf der Insel
Bali. Berlin: Eigenverlag, 1986.
»Mosaiksteine aus Bali«
Das Erlebnis Bali löst auf der Ebene der subjektiven
Empfindungen Schwingungen aus, die auch den nüchtern
um Sachlichkeit ringenden Wissenschaftler zuweilen vi
brieren lassen. Das Leben auf der Insel Bali hat für
Nicht-Balinesen eine poetische Qualität, die sich seit
Jahrzehnten in unzähligen farbigen Tagebüchern, in eth
nographischer Belletristik und in touristischer Propagan
da niederschlägt. Doch auch wer Bali und seine einzigar
tige Kultur nach wissenschaftlichen Kriterien zu sezieren
hat, kann sich dem magischen Ambiente der Insel nur
schwer entziehen. Man kann zwar nicht Balinese werden,
ohne auf der Insel, im Kreislauf der Wiedergeburten,
geboren zu sein. Aber man kann Bali so erfahren, daß
man nach seiner Rückkehr ins Herkunftsland ein anderer
Mensch ist. Verändert durch ein neues Verständnis von
Zeit und Raum, von solidarischer Gemeinschaft, von der
ganz anderen, aber nicht weniger zwingenden Logik des
assoziativen (nicht kausalen) Denkens, dem es gelingt,
Dinge harmonisch zu vereinen und zu versöhnen, die für
uns disparat oder antagonistisch sind.
Wer sich also dem Erlebnis Bali stellen möchte, sollte
daran denken, neben wissenschaftlichen Abhandlungen
und praktischen Reiseführern auch solche Bücher zu
lesen, die etwas von der unverwechselbaren Atmosphäre
der Insel herüberbringen, deren Kultur mit wissenschaft
lichen Begriffen allein nicht faßbar und verständlich
wird. Deshalb ist das Buch »Liebe und Tod auf Bali« von
Vicki Baum genauso unentbehrlich, wie die wissenschaft
liche Aufsatzsammlung »Bali, Studies in Life, Thought
and Ritual« (The Hague and Bandung 1960) oder wie
eines der gelehrten Bücher von C. Hooykaas über die
balinesische Literatur. Und deshalb gehört auch der
schmale Band von Ilona Hotze, auf den ich hier aufmerk
sam machen möchte, zu meinen Lieblingspublikationen
über Bali, die ich Freunden vor einer Reise zur Einstim
mung auf den Flug mitgeben würde.
Ilona Hotze hat im Verlaufe von zehn Jahren im Kreise
einer balinesischen Großfamilie Spuren des einheimi
schen Lebens verfolgt und diese zu einem Gesamtbild
zusammengefügt, das einsichtig und gut verständlich ist,
ohne die balinesischen Realitäten zu verzerren. Die Ver
fasserin reiht Beobachtungen, persönliche Gedanken
und Gefühle und Aufzeichnungen ethnographischer Art
wie Perlen auf den roten Faden eines tragischen Erleb
nisses: den tödlichen Verkehrsunfall, die anschließende
Kremation und Seelenreinigung ihres Freundes Cokorda
Sambeh. Man nimmt mit der Autorin als Gast, und nicht
als anpasserischer Voyeur, am alltäglichen und rituellen
Leben eines genau umschriebenen Bekanntenkreises
teil, denkt mit ihr über die Balinesen und ihre Kultur,
über das Schicksal von Menschen unterschiedlicher Her
kunft, verschiedenen Alters und Geschlechts nach und
erhält aus Gesprächsprotokollen sehr handfeste Informa
tionen über Gesellschaft und Kultur. In kleinen Porträts
jüngerer und älterer Menschen werden Vorlieben, Freu
den, Ängste und Sorgen faßbar, die um das kreisen, was
alle Tage auf den Tisch kommt, was an Arbeiten auf dem
Reisfeld oder im Tempel anfällt, was Musik, Tanz und
bildende Kunst und den Kunstmarkt angeht, der, zusam
men mit den reichen Touristen, das Leben der Familie
verändert hat. Neben der hartnäckig verteidigten Tradi
tion steht der Wandel, der als Verlockung, aber auch als
Gefährdung begriffen wird.
Zwei kritische Bemerkungen seien zum Schluß erlaubt,
die den Wert dieses handlichen, feinfühlig, mit präzisem