TRIBUS 43, 1994
Gebäuden, Bestattungsorten, ganzen Sektoren innerhalb
eines Ortes, mit Erfolg. Eine Reihe dieser lokativen
Bezeichnungen bezieht sich auf große Bereiche eines
Ortes (z. B. El Duende als Sektor von Dos Pilas), andere
auf einzelne Strukturen (z. B. Zwillingspyramiden,
Tikal).
Die als Ortsnamen identifizierten Hieroglyphen sind ver
mutlich echte Toponyme und variieren erwartungsgemäß
von Ort zu Ort im Gegensatz zu den Emblem-Hierogly
phen, die größere politische Einheiten bezeichnen.
In der historischen Perspektive stellt es sich so dar, als ob
im ersten Teil der Frühklassik bestimmte Ortsnamen
gebräuchlicher waren als Emblem-Hieroglyphen; dies
traf möglicherweise u.a. für Tikal zu, wo das Hauptzei
chen des lokalen Emblems konsistent nach ut-i erscheint.
Der simultane Gebrauch von Toponym und Emblem-Hie
roglyphe in einer einzigen »clause« ist eine relativ späte
Innovation, die vielleicht das Anwachsen der politischen
Gemeinwesen reflektiert bis zu einem Punkt, an dem sie
zusätzlich größere Zentren inkorporierten.
Die Autoren, die sich ausdrücklich nicht nur an Epigra
phiker richten, wollen ihre Publikation als Diskussions
grundlage verstanden wissen und erheben keinen
Anspruch auf endgültige Ergebnisse oder Vollständig
keit. Es ist gerade auch deshalb erfreulich, daß diese für
historische und mythologische Texte so wichtige Hiero-
glyphen-Kategorie dem aktuellen Forschungsstand ent
sprechend der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird.
Die Argumente, u.a. durch zahlreiche Hieroglyphen-
Umzeichnungen sichtbar gemacht, sind geeignet, die
Hypothese von der Existenz spezifischer Ortsnamen
nachzuvollziehen und auch Interessierten, die nicht zum
»inner circle« der Maya-Epigraphiker zählen, eine eigene
Einschätzung des Problems zu ermöglichen. Durch die
Beleuchtung der Orts-Hieroglyphen gewinnen wir Ein
sicht darüber wie die Maya ihre geographischen und
mythologischen Landschaften benannten und strukturier
ten. Signifikant wird die Erhellung dieser geographischen
Konzepte für das, was sie uns eines Tages über Gesell
schaft, Politik, Religion und Geschichte der alten Maya
sagen werden. »Whal remains for the future is an intégra
tion of such emic geographica! concepts with the etic pat
terns documented by Settlement pattem archaeology
(S. 95).
Berlin, Heinrich:
El glifo »emblema« en las inscripciones Mayas. Journal
de la Société des Américanistes 47: 11-119, 1958.
Maria Gaida
Verswijver, Gustaaf Hubert:
Ornaments and Ethno-History in the Ama
zon: Proposition of a Methodological Model.
(Werkdocuments over Etnische Kunst 7).
Gent: Universiteit Gent, Seminarie voor
Etnische Kunst 1993. 49 Seiten mit 1 Karte
und 11 Abbildungen.
In den Jahren 1974-82 hat Verswijver mehr als 38
Monate bei den Kaiapo Zentralbrasiliens verbracht. Seine
Arbeit »The Club-Fighters of the Amazon« (Gent 1992)
war eine eindrucksvolle Zusammenfassung seiner minu
tiösen Studien der materiellen Kultur, der Ethnohistorie
sowie der Außenkontakte und der Kriegführung bei den
verschiedenen Kaiapo-Untergruppen.
Diesmal gilt sein Interesse der Signifikanz und den Effek
ten der Kontakte zwischen amazonischen Ethnien. Er
nimmt an, daß Begegnungen - welcher Art auch immer -
stets ihren Niederschlag in Objekten der materiellen Kul
tur finden; letztere also sehr oft Zeugnisse solcher histo
rischer Ereignisse und daraus resultierender intertribaler
Akkulturationsprozesse sind.
Für gewöhnlich stützten sich Ethnohistoriker auf die
Analyse schriftlicher Dokumente und ikonographischen
Materials oder auf die Interpretation oraler Tradition. In
Einklang mit dem heute zurecht praktizierten Metho
denpluralismus schlägt Verswijver für die Fälle, in denen
Zeugnisse dieser beiden Kategorien unzureichend sind,
die genauere Untersuchung materieller Objekte vor.
Die im Tocantins-Araguaya-Xingü-Gebiet zwischen
anderen Makro-Ge, Tupi, Arawaken und Kariben leben
den Ge-sprachigen Kaiapo sind, historisch gesehen, recht
homogen und verdanken die bemerkenswerte Varietät
ihrer kulturellen Ausdrucksformen nicht etwa ökologi
schen Faktoren, sondern, und das will Verswijver zeigen,
v. a. ihren zahlreichen Kontakten mit Nicht-Kaiapo in den
letzten beiden Jahrhunderten. Ä
Zu diesem Zweck untersuchte Verswijver u.a. Materia
lien, Konstruktionsprinzipien und Größe von etwa 1000
Kaiapo-Objekten und 400 Artefakten benachbarter Grup
pen.
Er hatte festgestellt, daß zwei der drei Kaiapo-Untergrup-
pen, nämlich die Goroti und Xikrin, in den letzten hun
dert Jahren die Größe und Anzahl ihrer krökrökti-Feder-
kronen enorm steigerten. Diese Entwicklung sieht er in
direktem Zusammenhang damit, daß diese Kaiapo etwa
zeitgleich die in Hinblick auf die Vogelpopulation nicht
ausgejagten Gebiete von kleineren Nachbargruppen
besetzten, effektive Feuerwaffen erwarben und ihre
eigene Gruppengröße reduzierten. Pro Siedlungseinheit
konnten also rasch nicht nur mehr, sondern auch größere
Kronen hergestellt werden.
Tatsächlich war die dritte Gruppe, die der Ira’amran-re,
die weiterhin kleine Kronen anfertigte, nicht migriert und
hatte erst dann Zugang zu Gewehren, als schon Tausende
von Brasilianern in ihr Territorium eindrangen.
Das technologisch interessante Detail beim äkkäti-Kopf-
schmuck, Verswijvers zweitem Beispiel, ist ein hufeisen
förmiger Rahmen aus Palmblattrippen. Verswijver zeigt
nun, daß dieses Konstruktionselement von den tupi-spra-
chigen Tapirape stammen muß, die im frühen 19. Jh. am
unteren Araguäya Kontakt mit den Goroti und Ira’amran-
re hatten. Folgerichtig fand sich bei den Xikrin, die sich
schon im späten 18. Jh. von den beiden anderen Gruppen
trennten, dieser Kopfschmuck erst kürzlich, nachdem sie
ihn ihrerseits von den Xikrin übernommen hatten.
In Übereinstimmung mit den Beobachtungen aus dem
ersten Beispiel gibt es diesen aufwendigen Schmuck, für
den bis zu 60 Vögel einer Art erlegt werden müssen, bei
den Ira’amran-re seltener und zudem in kleinerer Aus
führung.
Beim dritten Typ, äkkäkry-re, sind die Federn auf einem
Kopfreif aus Baumwolle montiert; manchmal zweilagig
und manchmal mit längeren Federn über der Stirn. Ver
swijver fand fünf Kombinationen dieser drei Merkmale,
wiederum die einfachste davon bei den Ira’amran-re. Die