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TRIBUS 43, 1994
S. 139, 143, 146-148, 185 und 210 wurden z.B. Louis
Rousselet’s L'Inde des Rajahs, 2 1877 (pp.322-325; 317)
entnommen. So ist mit dem »Abend des 15.« (S. 139) der
15. November 1866 gemeint. Die Einladung zum Bankett
am Taj Mahal stammt nicht vom Fürsten Gwaliors, wie
angegeben, sondern vom Residenten Gwaliors (Rousselet,
p. 322). Der »Resident« war ein von den Briten eingesetz
ter, britische Beobachter, der vor Ort etwa die Einhaltung
der mit den Briten geschlossenen Verträge überwachte und
selbst Teil eines entsprechenden Abkommens war. Auf
S. 143 beschreibt Rousselet die Wirkung des künstlich
beleuchteten Taj Mahal gegen 18 Uhr. Diese Beleuchtung
kann nicht, wie auch in der französischen Originalausgabe
angegeben, um sechs Uhr abends stattgefunden haben, da
dies nicht nur dem vorherigen Text widerspräche, sondern
weil es auch im November in Indien um diese Zeit noch
nicht dunkel genug ist. Der Übersetzer und Herausgeber
der 1882 in London unter dem Titel India and its Native
Princes erschienenen englischen Ausgabe, Col. Buckle,
hatte dies erkannt und den Zeitpunkt der künstlichen
Beleuchtung, sicher auch nach Konsultierung der engli
schen Protokolle, richtiger auf zehn Uhr abends verlegt
(p.287). Auf S. 146 wird ein »Jawad des Taj« zitiert, das
der Leser vergeblich im Glossar suchen wird. In diesem
Gebäude nämlich wurde das »homerische Festmahl« ange
richtet. Der französische Text liest hier »Jawab«, was aus
dem Hindi kommt und »Antwort«, und zwar auf die Grab
moschee des Taj, bedeutet. Es ist dasselbe Gebäude, das
auf S.216 »Versammlungshaus« genannt wird. Auf S. 185
wird Rousselet selbst hierzu richtiger zitiert. Auf S. 147 f.
heißt es dann über das »Festmahl«: »Scindia hat übrigens
für dieses Diner allein zwanzig Millionen Rupien
gezahlt!«, was auch 1866 eine für diesen Anlaß unvorstell
bar hohe Summe gewesen wäre, die aber sowohl in der
französischen Originalausgabe als auch in der englischen
Überarbeitung auf glaubwürdigere 20000 Rupien
schrumpft.
Der Grundriß und die beiden Schnitte der S. 216 stammen
von Andreas Volwahsen und Gerd Mader, was der Leser
dem entsprechenden Hinweis auf S. 224 nicht zu entneh
men vermag. Der Grundriß ist für den Erstabdruck in
einer kleinformatigen Publikation akzeptabel (A. Vol
wahsen: Islamisches Indien, Fribourg, 1969, S.98), ist
aber schon wegen seiner unübersehbaren Unvollständig-
keit für ein prächtiges Ansichtswerk ungeeignet. Das
unter »10« auf S.216 angegebene »Mumtazabad ist dem
Plan z.B. nicht zu entnehmen, da nicht berücksichtigt.
»Der Plan von Agra« (S.218) soll dem »Archaeological
Survey of India, New Delhi« entstammen (S. 224). In der
Tat handelt es sich hier um eine beschnittene Wiedergabe
aus D. Brandenburgs Der Taj Mahal in Agra, Berlin,
1969, S.68. Brandenburg verrät zwar auch nicht direkt,
wer den Plan erdacht hat, kann ihn aber nur E. LaRoches
sechsbändigem Indische Baukunst, Basel, 1921, Band V,
Abb.299, p. 192, entnommen haben. LaRoche gibt dort
an, den Plan »nach Baedeker«, d. h. also nach dem zwi
schen S. 160 und 161 eingefalzten Plan in Karl Baedekers
Indien, Handbuch für Reisende, Leipzig, 1914, gezeich
net zu haben.
Der zwischen S.217 und 224 gesetzte Text von
M.C. Joshi, dem Direktor der indischen Denkmalspflege
(Archaeological Survey of India) bringt einige sehr inter
essante Informationen und Gedanken, die mitunter schon
andere Mitarbeiter der indischen Denkmalspflege äußer
ten, aber hier endlich einen beachteten Platz finden. Fast
alle Flüsse sind jedoch in Indien weiblich, so auch die am
Taj-Komplex vorbeifließende Yamuna (S.220) und das
Grabmal Jahangirs liegt nicht in Agra (S. 222) sondern
bei Lahore in Pakistan.
Die gutgemeinte Übersicht der S. 225 (»Herrscher und
Bauten«) ist ebenso unvollständig (die größte Moschee
Indiens, die Jama Masjid von Delhi, fehlt in der Liste der
unter Shah Jahan erbauten Monumente, um nur ein Bei
spiel zu nennen) wie die Bibliographie (S. 230 f.). Beides
hätte, gerade in bezug auf die anvisierte Leserschaft,
wegbleiben können, um dafür etwa ein Detail einer
Blume aus der inneren Bekrönung der Kenotaphumfrie-
dung abzubilden. Doch selbst diese Unvollständigkeiten
vermögen es nicht, den Reiz der Anlage des Taj Mahal zu
vermindern, jenen betörenden Charme, den Jean-Louis
Nou hier dem Betrachter mit seinen Fotos vermittelt. Der
Taj Mahal ist ein Grundstein zur weiteren Beschäftigung
mit der Anlage und ein sehr schöner dazu!
Joachim K. Bautze
Sellato, Bernard:
Nomads of the Borneo Rainforrest: The Eco
nomics, Politics and Ideology of Settling
Down. Honolulu: University of Hawaii
Press, 1994. 280 Seiten, 12 Karten, 3 Tabel
len, Index.
Unter den mancherlei aufstrahlenden Sternen der letzten
zehn Jahre am Borneologenhimmel wird man sich den
Namen des dynamischen, ehrgeizigen Südfranzosen Sel
lato (Jahrgang 1951 ) merken müssen, schiebt er sich doch
unaufhaltsam vorwärtsdrängend an den Platz des Zentral
gestirns eben dieses Himmels. Anthropologe ist er aus
Berufung. 1973 betrat er als blutjunger Geologe im Dien
ste eines französischen mineralogischen Unternehmens
(Uran?) erstmalig bornesischen Boden. In der Regen
waldlandschaft des gebirgigen oberen Mahakam fühlte er
unwiderstehlich den Drang zur Erforschung der dayaki-
schen Stammeskulturen. Seit 1978 konnte er hauptberuf
lich dieser Neigung nachgehen, weltweit massiv unter
stützt (u. a. von Elf Aquitaine, von indonesischen
staatlichen Stellen, von der Ford Foundation und vom
französischen Kulturministerium), so daß 1994 bereits 17
Titel (u.a. ein voluminöser Borneo-Bildband) im Litera
turverzeichnis unter seinem Namen aufgeführt sind.
Unwillkürlich wird man an holländische Kolonialbeamte
erinnert, die vom »Gouvernement« ähnlich unterstützt
uns wichtige Standardwerke hinterlassen haben
(M. T. H. Perelaer, A. W. Nieuwenhuis, J. Mallinckrodt).
Man darf gespannt sein, was bei Sellato herausspringt
und in Zukunft noch präsentiert werden wird.
Vorliegendes Buch sei die Frucht von 13 Jahren Feldfor
schung, zunächst 1986 in französischer Originalfassung
als Promotionsarbeit unter den Titel »Les Nomades fore
stiers de Bornéo et la sédentarisation: Essai d’histoire
économique et sociale« erschienen. Die englische Aus
gabe weist Kürzungen auf in der Stammesgeschichte der
Pnihing und der Ot vom Murung und Ratah; linguistische
Studien über die Punansprachcn sind unverständlicher-
und unverzeihlicherweise ganz eliminiert worden. Wie
der Titel andeutet, bezweckt Sellato Allgemeingültiges