Die Rechtfertigung des Mannes aus der Frau
bei Ituri-Pygmäen
Peter Weidkuhn
In einem völlig vergessenen Aufsatz in der Schweizerischen Zeitschrift
für Psychologie 1944 machte der Basler Ethnologe Felix Speiser unter dem
Titel „Die Frau als Erfinderin von Kultgeräten in Melanesien“ auf die selt
same Tatsache aufmerksam, daß zwischen der aktuellen und der mythischen
Stellung der Frau in melanesischen Gesellschaften ein Widerspruch besteht-
Dieser Widerspruch findet sich auch in Australien und Südamerika und ist
neuerdings an einem besonders schönen Beispiel in Afrika bekanntgeworden-
Ich möchte kurz über die Arbeit Speisers referieren, dann das afrikanische
Material darbieten und zum Schluß eine Interpretation vorlegen, die rechts-
und wissenssoziologische Methoden an religionsethnologischem Material anzu
wenden versucht.
Speiser weist darauf hin, daß in Melanesien die Frau im allgemeinen
von religiösen Zeremonien ausgeschlossen ist. Sie darf an ihnen höchstens als
Zuschauerin • teilnehmen. Vom ganzen Geheimbundwesen ist sie nicht nm
isoliert, sondern ist dessen Opfer: sie wird erschreckt und erpreßt. Die Natur
der Kultgeräte bleibt für die Frauen streng geheim. In den Mythen jedoch
gilt die Frau als Entdeckerin dieser Kultgeräte.
Das religiöse Leben der Männer verdichtet sich in den Geheimbündeu
und deren Masken wesen. Die Masken stellen Tote oder Dämonen dar und
werden den Uneingeweihten in voller Körperlichkeit und Lebendigkeit gezeigt-
Während der Initiation wird den Knaben das Maskengeheimnis enthüllt ml
der Mahnung, bei Todesstrafe das Geheimnis vor den Frauen zu bewahren-
Eine Frau, die hinter das Geheimnis kommt, wird getötet. Die Stimme der
maskierten Jenseitswesen ertönt in dem heulenden Brummen der Schwirr-
hölzer. In Australien sind Schwirrhölzer derart gefürchtet, daß Frauen mitt e11
* Referat, gehalten am 11. April 1972 in Berchtesgaden auf der 12. Jahrestagen
des Deutschen Zweiges der International Association for the History of Religions v 0111
10. bis 13. April 1972.