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Joseph Henninger
Anthropos 74.1979
Er regte die Missionare zur ethnologischen Forschung an und baute im
Auftrag des Papstes das missionarisch-ethnologische Museum im Lateran
auf.
Dreißig Jahre lang dozierte er an den Universitäten von Wien und
Freiburg/Schweiz und weckte bei zahllosen Schülern, die sein Werk fort
setzen sollten, Begeisterung und Liebe für die Wissenschaft/'
Jetzt, nach nunmehr 25 Jahren, mag man fragen: Besteht dieses Urteil
über W. Schmidt noch zu Recht? Wie weit ist er noch lebendig, gelten seine
Ideen und Aussagen? Schon zu Schmidts Lebzeiten wurde Kritik an seinen
Aufstellungen laut - selbst im engsten Kreis -, und doch bewahrte er, wie W.
E. Mühlmann schreibt, „die uneingeschränkte charismatische Führerschaft bis
zu seinem Tode.“
Erheblich anders äußerte sich K. Jettmar: „Nach dem Zweiten Welt
krieg wurde es zunehmend klarer, daß P. W. Schmidts Charisma im Erlöschen
war. Sein Werk konnte nicht länger richtungweisend für den Kurs des [Wie
ner] Völkerkunde-Instituts sein. ... Kritik wurde Mode, Köppers selbst verlor
seine Sicherheit.“
Nun ist es für die Bedeutung eines Gelehrten nicht ausschlaggebend, in
wieweit die Einzelresultate seines Forschens überholt oder abgelehnt werden
(das ist mit dem Fortschreiten der Wissenschaft notwendig gegeben); entschei
dend sind die Denkanstöße, die von ihm ausgingen, und in diesem Sinne konnte
H. Petri mit vollem Recht Wilhelm Schmidt als den „großen Anreger in der
völkerkundlichen Forschung“ bezeichnen.
Einen überzeugenden Beweis dafür liefert das wissenschaftliche Gesamt
werk P. W. Schmidts. Für das Anthropos-Institut, vornehmlich für den da
maligen Direktor Fritz Bornemann, war es nach Schmidts Tod die vor
nehmste und dringlichste Aufgabe, das literarische Gesamtwerk der wissen
schaftlichen Öffentlichkeit vorzustellen. Das geschah zunächst durch das von
F. Bornemann besorgte „Verzeichnis der Schriften von P. W. Schmidt S.V.D
(1868-1954)“ [Anthropos 49. 1954: 387-432). Es folgten die Bände 11 und 12
des „Ursprungs der Gottesidee“ (Bd. 11 war noch von P. W. Schmidt fast bis
zum Abschluß gebracht worden; das nachgelassene Manuskript des 12. Bandes
wurde von F. Bornemann herausgegeben). In Buchform erschienen ferner
„Gebräuche des Ehemannes bei Schwangerschaft und Geburt“ (Wiener Bei
träge zur Kulturgeschichte und Linguistik, 10) und „Das Mutterrecht“ (Studia
Instituti Anthropos, 10 [Wien-Mödling 1955]). Ein umfangreicher restlicher
Teil des Nachlasses (Tausende von handgeschriebenen Seiten) wurde auf Mikro
film aufgenommen und von F. Bornemann durch Artikel in Anthropos ange
kündigt (49. 1954 -53. 1958). Dabei handelt es sich teilweise um Studien, die
noch nicht druckfertig waren, aber als Materialsammlungen von Bedeutung
sind, z. B. über den Totemismus in den einzelnen Erdteilen, teilweise um
begonnene Neubearbeitungen von früher erschienenen Büchern wie etwa „Völ
ker und Kulturen“.