Betrachtungen zu 60 Jahren japanischer Völkerkunde
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Aithropos 79.1984
1. Internationalen Kongreß in London als grund
sätzlich bedeutend genannte einzige Beispiel eines
kultischen Geheimbundes in Japan, die Zeremo
nien der akamata-kuromata im Yaeyama-Archi
pel, intensiv bearbeitet. Sumiya schließlich ist von
diesen Izu-Forschungen her auf die Bedeutung
der miyaza genannten Kultgruppen als auf forma
ler Gleichheit aller Männer des Dorfes beruhen
den sozialen Strukturen gestoßen, wobei er auf
volkskundlicher Seite an die Arbeiten des großen
Yanagita-Gegners Toshiaki Harada anschloß, der
die Gottesvorstellung der miyaza als die einer
dauernd an der Kultstätte anwesenden, zumindest
auf Dorfebene einzigen und allmächtigen Lokal
schutzgottheit beschrieb, diese Yanagitas Ahnen
gottheit- und Besuchergottheit-Konzeption dia
metral gegenüberstellte und als historisch älter als
jene auswies (Sumiya: Nihon no ishiki [Das
Japantum]. Tökyö 1982).
Die große Zahl hat klar gezeigt, daß sein
Problemansatz von der Komplexität der japani
schen Kultur richtig und jener Yanagitas nicht
aufrechtzuerhalten war. Ishida war es, der die
’wissenschaftstheoretische Folgerung formulierte,
daß nämlich die Volkskunde nur eine Zukunft
habe als Teil einer Anthropologie als Wissenschaft
vom Menschen im weiteren, konkret der Völker
kunde im engeren Sinne. Vgl.: Nihon minzokuga-
ku no shörai, toku ni jinruigaku to no kankei ni
tsuite [Uber die Zukunft der japanischen Volks
kunde, besonders über das Verhältnis zur
Anthropologie] {Nihon minzokugaku 2/4. 1955)
u nd seine Diskussion mit Yanagita und Origuchi
von 1950: Minzokugaku kara minzokugaku e
[Von der Volkskunde zur Völkerkunde] (In:
Minzokugaku ni tsuite; Dai-ni Yanagita Kunio
taidan-shü [Über Volkskunde; zweite Sammlung
Von Diskussionen Yanagitas. Tökyö 1965]). Die
Folge dieser als Kritik verstandenen Äußerungen
'War jedoch eher ein Abrücken der Volkskunde
Von der Völkerkunde (bis auf wenige Ausnahmen
Vne etwa Hirofumi Tsubois Arbeit Minzoku-
kenkyü no genjö to kadai [Lage und Aufgaben der
Volkskunde] {Kokuritsu-rekishi-minzoku-haku-
butsukan-kenkyühökoku 1. 1982: 239-329) und
e m Sich-Zurückziehen Yanagitas, der 1957 sein
seit 1947 bestehendes privates Volkskunde-Insti
tut schloß und seine Bibliothek dem Lehrstuhl für
Volkskunde an der Seijö-Universität, Tökyö,
übergab.
Oka hatte sich von der theoretischen Diskus
sion ferngehalten und bereits den nächsten Schritt
getan - nun zu Feldforschungen im Umkreis von
Japan, die die Grundlage für künftige Vergleichs
arbeiten darstellen sollten. 1957 wurde unter
seiner Präsidentschaft von der Japanese Society of
Ethnology eine Feldforschung in Thailand, Kam
bodscha und Laos durchgeführt, die das Studium
der Reisbaukultur Südostasiens zur Aufgabe hat
te. Zahlreiche Forschungen sind dieser Pionierun
ternehmung gefolgt und haben wertvolle Ergeb
nisse gebracht. Von großer Bedeutung für Okas
ursprünglichen Problemansatz südlicher Kompo
nenten innerhalb der japanischen Kultur sind die
Arbeiten von Kömei Sasaki vom National
Museum of Ethnology, der besonders den Brand-
rodungs-Feldbau Südwestchinas und Indochinas
erforschte und Zusammenhänge mit Japan postu
lierte: Vgl. Jäyöjürin-hunka no michi [Der Weg
der Kultur des immergrünen Laubwaldes] (NHK
Books 422. Tökyö 1982) als leicht verständliche
Zusammenfassung. Oka selbst leitete 1960 die
völkerkundliche Abteilung der Alaska-Expedi
tion der Meiji-Universität, die der japanischen
Völkerkunde ein völlig neues Feld erschloß. Vor
allem Okas Nachfolger auf dem Lehrstuhl der
Meiji-Universität, Masao Gamö, nahm die Wei
terführung dieser Aufgabe auf sich, aber auch die
Hokkaido-Universität (Hiroaki Okada) und das
National Museum of Ethnology (Yoshinobu
Kotani) sind sehr aktiv an der Eskimo-Forschung
beteiligt. Oka selbst widmete sich in seinen
letzten Lebensjahren mit aller Energie der Unter
suchung der Sozialstruktur der Inland-Eskimo
vom Anaktuvuk-Paß in den Brooks-Mountains
(Forschungsreisen 1960, 1962, 1964, 1967, 1975,
1977), wo er am Fuße des Mt. Oka neben seinem
Freund und „letzten Lehrer“, dem Eskimo-Chef
Simon Paniak, eine seiner letzten Ruhestätten
gefunden hat.
Nicht so erfolgreich in dem Sinne wie die
beiden beschriebenen Projekte, die zahlreiche
aktive Folgestudien anregten, war Okas Versuch,
die so lebhafte Diskussion über Familie, Ver
wandtschaftsorganisation und Dorfstruktur in
Japan durch eine vergleichende Forschung in
Europa über das erreichte Niveau hinauszuheben.
Mit seinen Mitarbeitern Gamö, Emori, Sumiya
und Kin’ichi Ogo arbeitete er 1970 im Burgenland
und Oberösterreich. Nur Sumiya hat darüber