Anthropos 79.1984 ; 223-237
Tabakanbau und -genuß bei den nichtchinesischen
Ethnien Taiwans
Thomas O. Höllmann
Zwölf ethnische Minderheiten mit insgesamt
etwa 300.000 Angehörigen leben heute auf Tai
wan (Formosa): Atayal, Saisiat, Sediq, Thao,
Tsou, Kanakanabu, Saaroa, Ami, Rukai, Bunun,
Puyuma und Paiwan. Diesen der austronesischen
Sprachgruppe zugerechneten „Ureinwohnern“
steht eine Mehrheit von knapp 17 Millionen Han
gegenüber - obschon die nur rund 150 km vom
chinesischen Festland entfernte Insel erst 1683 in
das Reich der Mitte eingegliedert wurde. Ebenso
wie in den sechs vorangegangenen Jahrzehnten,
als sich die Holländisch-Ostindische Kompanie
(1624-1662), die spanische Krone (1626-1642)
und das Haus Cheng (1662-1683) weiter Teile
Formosas bemächtigt hatten, konzentrierten sich
Landnahme und Behördenautorität allerdings
auch unter der Ch’ing-Dynastie auf die westliche
Ebene und das nördliche Hügelland. Das schwer
Zugängliche Zentralmassiv mit seinen Ausläufern
und der schmale Küstenstreifen im Osten boten
hingegen nicht nur den bereits dort siedelnden
»Barbaren“ Schutz, sondern gewährten auch den
Eingeborenengruppen und -grüppchen Zuflucht,
die sich dem immer stärker werdenden chinesi
schen Akkulturationsdruck zu entziehen suchten.
So blieb die Erschließung dieser Regionen der
japanischen Kolonial Verwaltung Vorbehalten, die
von 1895 bis 1945 über Taiwan gebot und der es in
e inem langwierigen Kleinkrieg gelang, die für die
Ausbeutung der in den Bergen reichlich vorkom-
Thomas O. Höllmann, Dr. phil, M.A., derzeit
Stipendiat des Deutschen Archäologischen Instituts und
Lehrbeauftragter am Institut für Völkerkunde und
■Afrikanistik der Universität München. 1973/74, 1975, 1978/
Z9 Studien- und Feldforschungsaufenthalte auf Taiwan.
Veröffentlichungen vor allem zur Ethnologie, Volkskunde,
Archäologie und Geschichte Ostasiens, darunter die Mono
graphien Die Tsou: Werden und Wandel einer ethnischen
Minderheit in Zentraltaiwan (Wiesbaden 1982) und Neolit-
bische Gräber der Dawenkou-Kultur in Ostchina (München
1983).
menden Ressourcen notwendige Kontrolle über
die autochthone Bevölkerung zu erlangen. Zur
Absicherung ihrer Herrschaft verordneten die
neuen Machthaber, nicht ohne vorher eingehend
die Indianerpolitik der Vereinigten Staaten stu
diert zu haben, eine strikte Trennung von Han
und „Wilden“. Ein beträchtlicher Teil der zu
diesem Zweck eingerichteten Reservate existiert -
wenn auch unter weniger restriktiven Bedingun
gen - noch heute, beinahe vier Jahrzehnte nach
dem Taiwan wieder chinesische Provinz wurde.
1 Saisiat
2 Atayal
3 Sediq
4 Thao
5 Tsou
6 Kanakanabu
7 Saaroa
8 Bunun
9 Ami
10 Rukai
11 Puyuma
12 Paiwan
13 Yami
A Kuvalan
B Pazeh
Taiwan mit den genannten Ethnien und Orten
1. Herkunft des Tabaks
In seinem längst zum Standardwerk avancier
ten Buch über die materielle Kultur der Eingebo