Rezensionen
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Anth
ropos 79.1984
^vandtschaften im Ostnilotischen gibt. Mit diesem Kapitel
^urde eine erste, versuchsweise Gruppierung erreicht, wäh
rend im Kapitel 7 die komparative Methode zur Anwendung
kommt, um eine genetische Klassifikation der ostnilotischen
Sprachen oder Dialekte zu erstellen. Nach einer Einführung
ln die ausgewählten repräsentativen Sprachen und Dialekte
des Ostnilotischen werden ihre phonologischen Systeme und
die wichtigsten morphologischen Elemente untersucht. Es
folgt eine Serie von regelmäßigen Lautentsprechungen, auf
denen das rekonstruierte Vokabular der ostnilotischen Pro-
to-Sprachen basiert. Insgesamt werden 285 verschiedene
Rekonstruktionen dargeboten, und zwar 155 für das Proto-
Dstnilotisch, 77 für das Proto-Teso-Lotuko-Maa und 53 für
das Proto-Lotuko-Maa, die jeweils charakterisiert werden
durch den Zusatz „sicher, wahrscheinlich, fraglich“.
Der sehr ausgewogene dritte Teil über Sprache und
Geschichte der Ostniloten wird nicht nur Sprachwissen
schaftler, sondern auch Historiker und Ethnologen interes
sieren. Besonders wichtig ist wohl die Warnung vor den
Datierungsmethoden aufgrund der Giottochronologie. Vor
dem Hintergrund der eigenen Rekonstruktionen wird noch
einmal das Problem der frühen Geschichte der Ostniloten
au fgegriffen. Danach ist zu vermuten, daß wenigstens sieben
bevölkerungsgruppen mit annähernd unterscheidbaren Hei
matländern anzunehmen sind, ein allgemeines Muster einer
Wanderung, die charakterisiert ist durch eine Nord-Süd-
bxpansion, ein grob umrissenes Muster von Kontakten mit
umwohnenden Völkerschaften und eine ungefähre zeitliche
Dimension. Die in die Untersuchung einbezogenen archäo-
tagischen Ergebnisse ergeben kein sicheres Bild. Sehr inter-
es sant sind die Auswertungen der Vokabularien der Proto-
s ptachen hinsichtlich der Territorial-, Wirtschafts- und
Sozialgeschichte. Danach besaßen bereits die Proto-Ostnilo-
|- e n das Buckelrind, von dem man bisher annahm, daß es erst
jm ersten nachchristlichen Jahrtausend in die nilotische
Tierhaltung übernommen wurde (in Ägypten wurde es
Eferdings bereits im Neuen Reich gelegentlich aus Vorder-
<*sien bezogen). Ein weiteres Problem betrifft die Eisenbear-
° e itung. Lexikalische Rekonstruktionen ergeben keinen
Tfinweis darauf, daß sie früh bekannt war, und von archäo
logischer Seite hatte man angenommen, daß die Eisenbear-
be itung nicht vor Mitte des ersten nachchristlichen
Jahrtausends in den südlichen Sudan Eingang fand (482). In
^ er Zwischenzeit wurde jedoch ein archäologisches Ergebnis
aus einer Grabung bei Debbat El Eheima im Er Renk-Gebiet
ff 1°45’N, 32°46’0) bekannt, das als Resultat für Eisenobjekte
f-000 ± 100 v. Chr. zeitigt (E. Johansen Kleppe, Towards a
r ehistory of the Riverain Nilotic Sudan. Archaeological
h-Xcavations in the Er Renk District. Nuhian Leiters 1.
l9 83:19).
Das vorliegende Werk über die Ostniloten wird weit
t>er das Fachgebiet der Sprachwissenschaftler hinaus beson-
T ers bei Historikern, Archäologen und Ethnologen reges
meresse finden. Inge Hofmann
Walser, Ferdinand. Luganda Proverbs. XI+510 pp.
°ndon 1982. Mill Hill Missionaries. [Copyright by Dietrich
dinier Verlag Berlin.]
, Es handelt sich mit über 5000 Sprichwörtern und
Metaphern in der Ganda-Sprache um eine der umfangreich
sten Sammlungen dieser Art, die je zu einer afrikanischen
Sprache veröffentlicht wurde. Sie geht zurück auf Ferdinand
Walser, einen österreichischen Missionar der Gesellschaft der
Mill Hill Fathers, der sich von 1923 bis 1959 in Uganda
aufhielt. Walser unternahm mehrere Publikationsversuche.
Sie scheiterten jedoch am Geld und vorübergehend auch
daran, daß 1947 die offizielle Orthographie des Ganda
geändert wurde, wodurch Walser gezwungen war, das
gesamte Material auf die neue Orthographie umzustellen.
Das von ihm verfaßte Vorwort stammt aus dem Jahre 1957.
Jedoch erst 25 Jahre später konnte das Werk dank mehrerer
Spender und nicht zuletzt auch dank der redaktionellen
Überarbeitung durch Herrn Dr. Peter Wanko veröffentlicht
werden - zwei Jahre nachdem Walser 88jährig in seiner
Heimat Vorarlberg verstorben war.
Die Sammlung beruht auf älteren, wenig zugänglichen
Quellen sowie auf eigenen Erhebungen Walsers. Zeitlich
wird die gesamte erste Hälfte des 20. Jh.s abgedeckt. Viele der
Sprichwörter haben inzwischen schon einen sprachhistori-
schen Wert, da sie nicht mehr gebräuchlich sind oder ohne
hilfreiche Kommentare nicht mehr verstanden werden. Die
Sprichwörter sind im Ganda-Wortlaut nach der alphabeti
schen Reihenfolge des jeweils ersten Wortes angeordnet und
wegen der zahlreichen Querverweise mit einer fortlaufenden
Nummer versehen. Varianten desselben Sprichwortes sind
nach diesem System an verschiedenen Stellen aufgeführt,
wenn sie unterschiedliche Wortanfänge besitzen. Entspre
chende Verweise machen jedoch die Beziehungen für den
Leser sichtbar. Auf inhaltlich ähnliche Sprichwörter wird
ebenfalls hingewiesen. Fundstellen und Quellen werden
durch Siglen angezeigt. Ein dazugehöriges Abkürzungsver-
zeichnis ist der Sammlung vorangestellt. Dem Ganda-
Wortlaut, durch Fettdruck hervorgehoben, folgt zumeist
eine mehr oder weniger wörtliche Übersetzung auf Englisch.
Es sei gleich hinzugefügt, daß diese zumindest für den
wissenschaftlichen Leser nicht immer ausreichend ist. Er
kommt für die genaue Interpretation der originalen Texte
nicht ohne ein gutes Wörterbuch aus. In etwa zwei Dritteln
aller Eintragungen hat Walser einen Kommentar zum besse
ren Verständnis hinzugefügt. Nicht selten besteht dieser aus
dem Zitat eines Sprichwortes in einer anderen Sprache.
Leider ist dieses Verfahren nicht ganz unproblematisch, da es
den kulturexternen Leser mitunter auf eine falsche Fährte
locken kann. An einem Beispiel sei dies erläutert: Zum
Doppel-Sprichwort 0088 „The one who suffers with the
patient (who nurses him): does not (as a rule) inherit from
him; the flying ants don’t swarm into the hole of the anthill
(in which they live)“ findet man den Kommentar: „Ingrati-
tude. Germ. ,Undank ist der Welt Lohn.'“ Man könnte aus
der Sicht unserer Kultur versucht sein anzunehmen, daß in
dem ersten Sprichwort der Undank des Kranken gegenüber
seinem Pfleger angesprochen sei. Tatsächlich ist aber das
Verhältnis zwischen dem Kranken und seinem zukünftigen
Erben gemeint. Ob es sich dabei um Undank handelt, wenn
der zukünftige Erbe den Erblasser nicht pflegt, ist fraglich.
Anders als in unserem Rechtssystem hat ein Mitglied der
Ganda-Gesellschaft nach traditionellem Recht keinen Ein
fluß auf die Erbfolge. Warum sollte man von einem
traditionell afrikanischen Standpunkt aus für etwas dankbar
sein, das mit quasi naturgesetzlicher Kausalität auf einen