Heimo Rau, Stuttgart
ZUR PERSISCHEN KERAMIK DES ZEHNTEN
JAHRHUNDERTS
Die frühmittelalterliche Epoche vor der Wende des ersten nachchristlichen Jahr
tausends bedeutet für die islamische Kunst die Kenntnisnahme und beginnende
Verarbeitung der Elemente, welche die Träger der neuen Religion in den Kulturen
der eroberten Gebiete vorfanden. Es bleibt aber nicht bei einer eklektischen Auslese
und Zusammenstellung hellenistischer,sasanidischer und nomadischer Anregungen.
Der Stilcharakter wirkt archaisch und ist als Frühstufe einer überraschenden Ent
wicklung aufzufassen, die sich das Ererbte bald zueigen macht, die unterschiedlichen
Stilkomponenten einschmilzt und ihre Hochstufe in der Seldschukenkunst des 12.
und 13. Jahrhunderts erreicht.
Ein Kunstzweig wie die Keramik bedurfte für die Entfaltung der Gunst der
Herrscherhöfe und ihres Umkreises. Sie stellten die Aufgaben, die ein Gefäß über
den Gebrauchswert hinaus zu einem Objekte der Augenlust machten. Daher ist
diese Entwicklungsphase in Mesopotamien mit dem Abbasidenhofe (749—945
n. Chr.) verknüpft. In Transoxanien und Iran ist für die vorliegende Untersuchung
die Rolle der Dynastie der Samaniden (819—1004 n. Chr.) hervorzuheben.
Der Gouverneur von Khurasan sandte dem Kalifen Harun al-Rashid in Bagdad
zusammen mit zweitausend gewöhnlichen Porzellangefäßen „zwanzig Stück chine
sischen kaiserlichen Porzellans, desgleichen man an einem Kalifenhofe nie zuvor
gesehen hatte" 1 ). Aus diesen Worten, die Muhammed ibn al-Husain Baihaki 1059
n. Chr. niederschrieb, klingt die Bewunderung nach, die das Auftauchen chinesischen
Porzellans und Steingutes der T’angzeit (618—906 n. Chr.) am Hofe der Abba-
siden in Bagdad wie im gesamten vorderen Orient hervorrief. Dem Staunen folgte
der Wunsch, ähnliche Kostbarkeiten selbst herzustellen, und die islamischen Töpfer
waren Künstler genug, sich nicht mit der Nachahmung zu begnügen. Zwar sind die
grünen, braun und rot gefleckten Imitationen chinesischen Steingutes und die
zinnglasierte weiße Ware mit blauem Dekor, angeregt durch die Bekanntschaft
mit Porzellan, reizvoll genug. Die Versuche mit neuen Glasuren und mit Farben,
die auch der Hitze des Brennofens standhielten, führten alsbald zu neuen Ergeb
nissen. Die Vervollkommnung der Lüstertechnik, die durch den metallisch glän
zenden Niederschlag bestimmter Salze, z. B. des Kupferoxydes, auf dem Ton ein
Metallgefäß vorzutäuschen vermag, war der Höhepunkt dieser Bemühungen, und
damit gingen die islamischen Töpfer Wege, welche die chinesischen Werkstätten
nie beschritten haben. Der prachtliebende Kalifenhof der Abbasiden in Bagdad
auf dem Gipfel seiner Macht im 9. und 10. Jahrhundert war der rechte Nährboden
für diese Entwicklung, an der die fähigsten Handwerker aus allen Ländern, zu
sammengerufen von weitblickenden Fürsten, mitwirkten. Und so gehen von dort
Meisterwerke wie die olivgrüne Lüsterschale mit dem Pfauen (phot. 8) in die
ganze islamische Welt hinaus.