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Buchbesprechungen
EMIL WERTH:
Grabstock, Hacke und Pflug. Versuch einer
Entstehungsgeschichte des Landbaues. 435
S. mit 231 Abb. und 25 Karten. Verlag
Eugen Ulmer, Ludwigsburg 1954.
Mit der wachsenden Zuwendung der For
schung verschiedenster Wissenschaftszweige
zu den Problemen urtümlicher Wirtschaftsfor
men wuchs auch der Wunsch, es möge Emil
Werth vergönnt sein die Summe seiner Le
bensarbeit — soweit sie diesem Fragenkreis
gewidmet war — noch einmal zusammenge
faßt vorzulegen. 64 Nummern zählt das als
Anhang beigefügte Verzeichnis seiner Ein
zelabhandlungen aus den Jahren 1898—1953
zu solchen Fragen und dies war ja nur ein
Teilgebiet seines weitgespannten Interessen
feldes. Nun liegt das Werk des Gelehrten,
der die 80 längst überschritten hat, vor uns.
Es ist schwer, den Maßstab zu finden, der
eine Beurteilung möglich macht. Allein die
Fülle und Vielfalt, die Generationen über
dauernde zeitliche Ausdehnung einer solchen
Lebensleistung sind ein Phänomen das zu
geistesgeschichtlicher Besinnung verlockt. Es
ist unmöglich auch nur in Stichworten aufzu
zählen, welche Einzelfragen angeschnitten,
welchen Erscheinungen nachgegangen wurde.
Wer sich mit den Frühformen der Landwirt
schaft im weitesten Sinne beschäftigt, wird
das Buch zur Hand nehmen müssen; auch
dann, wenn er mit Arbeitsweise und Einzel
ergebnissen des Verfassers nicht einverstan
den ist.
Emil Werth ist immer ein Einzelgänger ge
wesen: Temperamentvoll in der Diskussion,
zäh — ja hartnäckig — an der eigenen Mei
nung festhaltend, selbst wenn die übrige
Forschung zu ganz anderen Ergebnissen ge
langt war. Deshalb muß der Fernerstehende
dringend davor gewarnt werden von diesem
Buch etwa eine handbuchartige, gültige Zu
sammenfassung des heutigen Wissens über
diesen Themenkreis zu erwarten. Nicht nur
weil es die freilich kaum noch zu übersehende
Literatur der letzten Jahrzehnte nahezu un
berücksichtigt läßt. Darüber dürfen auch die
spärlichen Zitate neuerer Arbeiten nicht hin
wegtäuschen. Sondern vor allem weil derje
nige, der sich eingehend wenigstens mit einem
Teil der angeschnittenen Fragen beschäftigt
hat, eine Fülle sachlicher und methodischer
Bedenken gegen einen großen Teil der hier
vorgetragenen Ansichten anzumelden hätte.
Dies selbst in solchen Fällen, wo im End
ergebnis zuzustimmen wäre. Es ist wohl nicht
nur generationsbedingt, wenn wir heute ver
langen, daß der Sicherheitsgrad einer Aus
sage deutlicher formuliert und zwischen Ar
beitshypothese und gesicherter Erkenntnis
unterschieden wird. Was soll man z. B. da
zu sagen, daß der Verfasser den Pflug von
Walle immer noch „in eine sehr frühe
Phase der Jungsteinzeit . . . bzw. an die
Grenze zur Mittelsteinzeit“
(Sperrung im Original) datiert, obwohl er
mit dieser Annahme von vorn herein im Ge
gensatz zur Ansicht aller Sachkenner steht,
die den Fund nach gründlichsten Unter
suchungen frühestens in die ältere Bronze
zeit stellen. Der unkundige Leser muß fer
ner darauf aufmerksam gemacht werden, daß
der Verfasser häufig Begriffe verwendet —
wie etwa den des „Campignien“ — die in
seinen Schriften zwar seit Jahrzehnten zu
finden sind, von der gesamten übrigen For
schung aber ebenso seit Jahrzehnten abge
lehnt oder zumindestens als nicht exakt ge
nug umschrieben beanstandet werden. Es
mutet fast schon tragikkomisch an, wenn man
lesen muß, daß es sich bei einer frühneoli-
thischen Fundschicht aus dem Iran, deren
Datierung durch die Radiokarbon-Methode
K. Dittmers Allgemeiner Völkerkunde ent
nommen wurde, wohl um den Befund von
Susa handle. Der unbefangene Leser muß
hier wie an anderen Stellen den Eindruck
gewinnen, als ob hier gewollt oder unge
wollt nicht mehr zur Kenntnis genommen
wurde, daß die Forschung in den letzten
Jahrzehnten weitergegangen ist.
Manches zu Beanstandende wird man dem
hohen Alter des Gelehrten und den schweren
äußeren Arbeitsbedingungen zugute halten
dürfen unter denen das Buch geschrieben
wurde. Es kann aber nicht verschwiegen wer
den, daß sich das hier nur an wenigen Bei
spielen gezeigte Vorgehen schon in frühen
Arbeiten des Verfassers erkennen läßt. Ver
söhnlich stimmt das Ausbleiben der sonst
bei ihm häufigen Polemik, die einem sach
lichen, manchmal sogar humorvollen I on
gewichen ist.
Der Verlag hat leider versäumt nachzu
holen, was man dem greisen Gelehrten bil
ligerweise nicht mehr zumuten konnte: Den
Text so bearbeiten zu lassen, daß die An
merkungen einheitlich unter die Seiten und