Berichte und Kommentare 197 Anthropos 92.1997 mern die Menschen nach uns, sonst aber kümmern sie sich nicht um uns. Sie graben uns mit dem Spaten aus, nicht mit dem Grabstock. Die Zäune bessern sie nicht aus, die Schweine kommen in den Garten und richten uns zugrunde. Wir werden alle miteinander fortgehen, wenn sie es weiter so machen, dann müssen sie Hungers sterben.” Die Frau lief zurück nach Gore wagere und er zählte den Männern, was sie gehört hatte. Die Leute versammelten sich und berieten, was sie tun sollten. Sie schlachteten fünf Schweine. Von dem Blut der Schweine schütteten sie etwas auf die Erdhaufen der beiden Süß kartoffelranken. Der “Vater des Gartens” rief die Süß kartoffeln an und sagte: “Wir haben euch Leid zugefügt, jetzt bitten wir euch um Verzeihung!” Aus den beiden Erdhaufen grub er je eine große Knolle der Tauben Frau und der Hinterbackenfrau aus. Sie wurden mit dem Schweinefleisch zusammen gekocht. So versöhnten die Leute von Gore wagere die Geister der Süßkartoffeln mit dem Essen. 2 Anpassung der Technologie an die Bedürfnisse Papua-Neuguinea ist ein reiches Land mit einer wenig bemittelten Bevölkerung. Die Menschen sind ausreichend ernährt und hungern nicht, doch die Möglichkeiten, in ihrem Land Geld zu ver dienen, sind begrenzt. Das obere Simbu Tal gilt als ausgesprochenes Notstandsgebiet. Infolge der Höhenlage ist die Malaria, die verbreitetste Krank heit in Papua-Neuguinea, hier nicht endemisch, was zum Anwachsen der Bevölkerung geführt hat. Der Anbau von Kaffee, der Haupteinnahmequelle der gartenbauenden Bewohner des mittleren Wahgi und unteren und mittleren Simbu Tales, bringt nen nenswerte Erträge nur zwischen 1.400 und 1.860 m. Über 2.000 m gedeiht der Kaffeestrauch nicht mehr. Die Einnahmen aus dem Anbau von eu ropäischem Gemüse, insbesondere von Weißkohl, sind minimal. So verlassen viele, vor allem jüngere Leute, das Tal und begeben sich in größere Orte oder an die Küste, um dort Arbeit und Einkommen zu suchen. Die Kriminalität hat in allen größeren Orten in den vergangenen 15 Jahren zugenommen. Während meiner Feldforschungen 1975/76 und 1977 prüfte ich eine Reihe von Kulturpflanzen, um herauszufinden, ob sie am oberen Simbu angebaut Werden könnten. Ich suchte nach Pflanzen, deren Erträge sich verkaufen lassen, und fand, daß Son nenblumen sich eignen, als Wirtschafts- oder Han delspflanze (cash crop) bis in 2.700 m Höhe kul 2 Eine ähnliche Erzählung veröffentlichte Hermann Strauss von den Hagenberg-Stämmen unter dem Titel “Das Mär chen von der Süßkartoffel” (Strauss und Tischner 1962: 456). Meine Simbu-Gewährsleute bezeichneten ihre Erzäh lungen* nicht als “Märchen” (kumbu kaman), sie sagten, daß es sich wirklich so zugetragen habe. tiviert zu werden (Sterly 1977: 100; 1978: 21). Zwar wird heute im Hochland von Papua-Neugui nea Speiseöl importiert, doch besteht nach wie vor Bedarf an fetthaltigen Nahrungsmitteln. Das aus den Sonnenblumenkernen gepreßte Öl würde sich gut absetzen lassen. Die Sonnenblume (Helianthus annuus L.) stellt keine besonderen Ansprüche; sie kann in Haus gärten, in gemischten Gemüsegärten oder in spe ziellen “cash crop”-Gärten zusammen mit Mais angepflanzt werden und würde in Gärten mit ge- mulchten Hügelbeeten gut gedeihen. Die Gar tenbauer am oberen Simbu würden dieses An bauverfahren ohne weiteres annehmen, wenn es mit einer Wirtschaftspflanze zusammen eingeführt wird, deren Ernte ihnen Einnahmen verschafft. Voraussetzung wäre die Gründung eines genos senschaftlichen Unternehmens und die Installation einer einfachen Ölpresse. Was wir Europäer tun können, ist zunächst nichts anderes als unsere Voreingenommenheiten zurückzustellen, um das Einfache und Angemes sene der Wirtschaft wenig industrialisierter Länder verstehen zu lernen. Die ökologische Überlegen heit vieler lokaler Anbauverfahren ist unbestrit ten, während der Gesichtspunkt volkswirtschaftli cher Effizienz in unserem Sinne das ökologische Gleichgewicht eher beeinträchtigt. Die Geschichte des Süßkartoffelanbaus im Hochland von Neugui nea lehrt uns, daß die einheimische Bevölkerung sich sehr wohl selbst zu helfen weiß. Die Hilfe der Industrieländer sollte sich auf die Vermitt lung einer den lokalen Verhältnissen angepaßten Technologie beschränken (Schumacher 1973). Die Süßkartoffel gehört zu den angestammten Kultur pflanzen der Einwohner Mittel- und Südamerikas. Die Spanier und Portugiesen taten nichts anderes als sie über den Pazifik zu bringen. Die Garten bauer Indonesiens und Melanesiens fanden selbst heraus, wie sie unter den gegebenen Bedingungen am besten anzubauen ist. Zitierte Literatur Barrau, Jacques 1960 Plant Introduction in the Tropical Pacific. Pacific View point 1: 1-10. Bowers, Nancy 1968 The Ascending Grasslands. An Anthropological Study of Ecological Succession in a High Mountain Valley of New Guinea. [Ph.D. Thesis, Columbia University; Ann Arbor: University Microfilms, 1970] Brookfield, Harold C., and Paula Brown 1963 Struggle for Land. Agriculture and Group Territories among the Chimbu of the New Guinea Highlands. Mel bourne: Oxford University Press.