Jakob Mehringer/Jürgen Dieckert: Körper- und Wesensauffassung der Canela 247
bzw. ist der Gegenstand einer der Unterkategorien zugeordnet, gelten für ihn gleich-
zeitig auch jene durch die übrigen Unterkategorien festgelegten Merkmale. Diese zen-
tralen Kategorien entspringen offensichtlich der bewußten Auseinandersetzung mit
der Natur. Sie werden zudem den Prinzipien Sonne und Mond zugeordnet. In dieses
polare Spannungsgefüge ordnen die Canela alle Naturphänomene wie Trockenzeit,
Regenzeit, aber auch Tiere und Pflanzen wie auch alle kulturellen Aktivitäten, wıe Sin-
gen, Tanzen ihrer Wirkung nach ein. Es dient letztlich ebenfalls zur Beurteilung und
Bewertung des menschlichen Wesens.
Iji, der einbeitliche Menscb, ist von Frohsinn, Stärke, Wohlgeruch etc. gekennzeich-
net. Dies erscheint aber im Spannungsfeld Amy: Kin/Amji Krit nicht als Selbstver-
stándlichkeit. Das Kind z. B. erweist sich im besonderen Mafe von Traurigkeit, Mü-
digkeit, Schwäche etc. bedroht, was dem Zerfall der Einheit, 777, des menschlichen We-
sens gleichkommt. Um dem entgegenzuwirken, muß sich der Heranwachsende nach
dem ersten rituellen Sexualverkehr, im Alter zwischen 8 und 15 Jahren einer langen,
entbehrungsreichen Askese-Phase, Mepiacri®, unterziehen. Mepiacri bedeutet eine
mehrmonatige Fastenzeit, die von Drogengebrauch, sexueller Abstinenz und mitun-
ter von Seklusion begleitet wird. Die Canela-Indianer kennen insgesamt 10 individu-
elle von der Jahreszeit unabhängige Mepiacri-Typen, die sich im Leben eines jungen
Mannes aneinanderreihen können. Außerdem durchläuft jeder die gemeinschaftlichen
Mepiacri-Zeiten im Rahmen verschiedener Festzyklen.’
Abb. 5. Tägliche Klotzläufe während der Festzeit mit Gewichten bis zu 150 kg.
* Dies gilt insbesondere für Jungen, aber auch die Mädchen sind davon betroffen. Bislang konnte aber dies-
bezüglich der weibliche Bereich noch nicht hinreichend erschlossen werden.
Die Canela-Indianer veranstalten nach wie vor jáhrlich einen von insgesamt fünf verschiedenen Festzyk-
len. Zwischen Márz und September werden vielfáltige Rituale durchgeführt, welche die Heranwachsenden
an die Werte und Normen der Gesellschaft heranführen (zwei Zyklen stehen im Zeichen der Initiation). Die
Heranwachsenden werden in diesem Zusammenhang immer wieder auf die Tradition verpflichtet.