Buchbesprechungen 295
wird insbesondere dann deutlich, wenn einerseits von der „impliziten Logik der hier beschrie-
benen Vorgänge“ (S. 616) gesprochen, andererseits aber dargelegt wird, daß die von den Teil-
nehmern selbst vorgenommenen Erklärungen denen des Ethnologen manchmal widersprechen
oder zumindest nicht entsprechen (S. 556). Wer legt dann die implizite Logik fest? Die Autorität
des Ethnologen bei der Definition des Bedeutungsgehaltes kommt auch zum Vorschein, wenn
er die „symbolischen Verdrehungen der Medizinmänner“ erwähnt, die einer der Informanten
„für bare Münze“ nimmt (S. 57), oder wenn er zu der Aussage gelangt, daß ein bestimmtes in-
strumentales Symbol „rein magische Funktion“ habe und sich hier keine soziale Symbolik mehr
manifesuere (S. 561).
Diese Anmerkungen sollen jedoch weniger als abwertende Kritik gemeint sein, als vielmehr
die generelle Problematik verdeutlichen, der sich Schefold bei seiner Interpretation konfrontiert
sah. Wie bewußt er sich dieser Problematik ist, zeigt er spätestens im sechsten Teil des Buches, in
dem er ausführlich auf die Reaktion der Teilnehmer auf seine zu jenem Zeitpunkt abgeschlos-
sene Interpretation des puliaijat eingeht. Er betont, daß letztere sein „eigenes Ergebnis“ sei, und
daß weiterhin die Sakuddei „kein Bedürfnis nach solchen Formulierungen“ hätten: „Warum
mit Worten aussagen, was man einer symbolischen Gestaltung zu entnehmen gelernt hat?“
(S. 625). Schefold präsentiert hier eine fruchtbare Diskussion über das Problem des „Hineinin-
terpretierens“ (S. 628), die vor dem Hintergrund der von ihm als integraler Bestandteil der Ana-
lyse eingebrachten Rückkopplung seine differenzierten Überlegungen zur Deutung von Sym-
bolen aufzeigt. Allerdings scheint auch diese Diskussion wiederum auf eine Untermauerung der
autoritativen Position des Ethnologen hinauszulaufen: Bis auf Einzelheiten, die auf Mißver-
ständnissen von seiten des Autors beruhten (S. 633), akzeptierten oder „begriffen“ die Teilneh-
mer seine Interpretation, ja „erkannten“ (im Falle der ebenfalls dazu befragten Gymnasiasten in
Padang) sie oftmals erst durch die ihnen vorgelegte wissenschaftliche Analyse die Bedeutung ei-
nes Symbols (S. 633). Dazu mag jeder Leser stehen, wie er will, jedoch erscheint dem Rezensen-
ten die Art und Weise, wie Schefold seine eigene Position bei der Interpretation zu differenzie-
ren versteht, als sehr nachahmenswert. Durch die Ausführlichkeit seiner Darstellung und der
theoretischen Erórterung ist eine entscheidende Basis für den symbolistischen Ansatz gewähr-
leistet: die Transparenz der verwendeten Daten unter weitestgehendem Einschluf$ der Hinter-
gründe. Diese Feststellung bezieht sich auch auf Schefolds Darlegung, daf er seine Interpreta-
tion auf die Durchführung eines konkreten Rituals stützt, obwohl er insgesamt drei puliaijat-
Riten vollständig und mehrere fragmentarisch miterlebt hat. Aus Gründen, die er überzeugend
formuliert, läßt er es bei knappen Hinweisen auf lokale oder kontextbedingte Variationen der
Durchführung bewenden, deren Berücksichtigung die Gesamtaussage nicht modifizieren
würde (S. 295, S. 313f.).
In anderer Hinsicht ist die Transparenz der Darstellung nicht in áquivalentem Mafte gege-
ben, was allerdings für die gewählte Form der Präsentation auch nicht möglich gewesen sein
mag. Im Verlauf des gesamten Textes gewinnt man den Eindruck, daß hier eine etwas modell-
hafte Handlung präsentiert und interpretiert wird, und daß der Autor seine persönliche Bezie-
hung zu den Menschen, unter denen er jahrelang lebte, nicht mit einbringt. Über die dramatis
personae erfährt der Leser eigentlich nur in einem eigens dafür angelegten Kapitel etwas
(S. 53-60) sowie ansatzweise in der Beschreibung der Rückkopplung. Bis auf diese wenigen Pas-
sagen, in denen konkrete Individuen und Persönlichkeiten geschildert werden, wirken Be-
schreibung und Deutung des Rituals eher wie ein Theaterstück, innerhalb dessen der Zuschau-
er/Leser zwar die Rollen und die Aussage verstehen lernt (und dies in hohem Maße), die Persön-
lichkeiten der Darsteller ihm jedoch verborgen bleiben. Etwas unklar bleibt auch die Bedeutung