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ZEITSCHRIFT
FÜR
1 NOLOGILE
Li A ju | 0
Organ der Berliner Gesellschaft
Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.
Redaetions - Commission:
A. Bastian, R. Hartmann, R. Virchow, A. Voss.
Dreiundzwanzigster Band.
1891.
Mit 10 Tafeln.
BERLIN.
VERLAG VON A. ASHER & Co.
für
1891
«C v 2040 — SGA HT
Inhalt.
Seite
Ernst, À., Dr. Ueber einige weniger bekannte Sprachen aus der Gegend des
Meta und oberen Orinoco . . . . . 4 ooo o onn D. 1
Undset, Dr. Ingvald. Archäologische Aufsätze über südeuropäische Fundstücke
(Fortsetzung).
VI. Alterthümer der Vólkerwanderungszeit in Italien. (Mit 57 Zinkogr). 14
VII. Orientalische Einflüsse innerhalb der áltesten europäischen Civilisation.
(Mit 18 Zinkographien) . . . . . . . 287
Virchow, Rudolf. Gedichtnissfeier für Heinrich Schliemann . . . . . . 4l
Anhang: Rede zur Bewillkommnung Schliemann’s als Ehrenbürger Berlins, ge-
halten 1881 von Rudolf Virchow . . . . . . . 2... 68
Achelis, Dr. Ths. Ethnologie und Ethik. . . . . . . . .- 11. 2 66
Schumacher, Dr. Karl, Assistent an den Grossherzogl. Sammlungen in Karlsruhe.
Barbarische und griechische Spiegel. (Mit T Zinkogr) - . . + . . 81
Seler, Ed. Zur mexicanischen Chronologie, mit besonderer Berücksichtigung des
zapotekischen Kalenders. (Mit 88 Zinkogr) . . . . . . . . . . . . . . 88
Fórstemann, Prof. Dr. E. Zur Maya-Ohronologie. (Mit 13 Zinkogr.) . . . . . 141
Schellong, Dr. O. Beiträge zur Anthropologie der Papua. (Mit 5 Zinkogr. und
Taf.IH—VD . . . . tos Cee MM . 156
Besprechungen:
Karl Schumacher, Beschreibung der Sammlung antiker Bronzen. Karls-
ruhe 1890, S. 89. — Archaeological Survey of India. Calcutta 1889, S. 39. — Brehm ’s
Thierleben, neue Ausgabe von Pechuel-Loesche. Leipzig und Wien 1890, S. 40. —
Heinrich Schliemann, Bericht über die Ausgrabungen in Troja im Jahre 1890.
Leipzig 1891, S. 78. — Daniel C. Brinton, Races and peoples. New York 1890.
The American Race. New York 1891, 8. 79. — E. Handtmann, Was auf deutscher
Haide spriesst. Berlin, S. 80. — B. Florschütz, Die Giganten-Säule von Schierstein.
Wiesbaden 1890, S. 134. — Ernst Krause (Carus Sterne), Tuisko-Land, der arischen
Stämme und Götter Urheimath. Glogau 1891, S. 134. — Carl Peters, Die deutsche
Emin Pascha-Expedition. München und Leipzig 1891, S. 135. — Objets du dernier
àge du bronze et du premier áge du fer découverts en Berry. Bourges 1891, S. 186. —
Aurel von Tórók, Grundzüge einer systematischen Kraniometrie. Stuttgart 1890,
S. 139. — Ferd. Freiherr v. Andrian, Der Hóhencultus asiatischer und europüischer
Völker, Wien 1891, S. 139. — R. Verneau, Les races humaines. Paris, S. 139, —
M. Hôfler, Der Isar-Winkel, ärztlich-topographisch geschildert. München 1891,
S. 140. Abhandlungen zur Landeskunde der Provinz Westpreussen. Heft I. Anger,
Das Grüberfeld zu Rondsen. Graudenz 1890. Heft II. Lissauer, Alterthümer der
Bronzezeit in Westpreussen. Danzig 1891, S. 981. — Richard Klebs, Aufstellung
und Katalog des Bernstein-Museum von Stantien und Becker, Kónigsberg i. Pr. Nebst
einér kurzem Geschichte des Bernsteins. Königsberg 1889, 8.282. — Georg Jacob,
Welche Handelsartikel bezogen die Araber des Mittelalters aus den nordisch-baltischen
Ländern? Berlin 1891. Ein arabischer Schriftsteller aus dem 10. oder 11. Jahr-
hundert über deutsche Städte. Berlin 1890, S. 938. — Alex. Bertrand, Nos origines.
1 V
La Gaule avant les Gaulois. Paris 1891, S, 234. — Moritz Hoernes, Die Urgeschichte
des Menschen nach dem heutigen Stande der Wissenschaft. Lief. 1—19. Wien, Pest
und Leipzig 1891, 8.236. — Paul Kohlstock, Aerzticher Rathgeber für Ostafrika
und tropische Malariagegenden. Berlin 1891, S. 986. — W. Schnarrenberger,
Die Pfahlbauten des Bodensees. Konstanz 1891, S. 246. — Alois Raimund Hein,
Maeander, Kreuze, Hakenkreuze und urmotivistische Wirbelornamente in Amerika.
Wien 1891, S. 947. — Garrick Mallery, Israeliten und Indianer. Leipzig 1891,
S. 248. — Snell, Hexenprozesse und Geistesstórung. München 1891, S. 948, —
Heinrich von Wlislocki, Márchen und Sagen der Bukowinaer und Siebenbürger
Armenier. Hamburg 1892, S. 249. — G. Hellmann, Moteorologische Volksbücher.
Berlin 1891, S. 250. — Edward Theodor Walter, Skandinavisches Archiv. Lund 1891.
S. 250. — Emil Carthaus, Aus dem Reich von Insulinde. Sumatra und der
malaiische Archipel. Leipzig 1891, S. 251. — Achelis, Adolf Bastian. Hamburg 1891.
8.252. — Christian Meyer, Eine deutsche Stadt im Zeitalter des Humanismus und
der Renaissance. Hamburg 1891, S. 252.
Verhandlungen der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und
Urgesehiehte mit besonderer Paginirung.
Ein chronologisches Inhalts-Verzeichniss der Sitzungen, sowie ein alphabetisches Namen-
und Sach-Register befinden sich am Schlusse der Verhandlungen.
| Nachrichten über deutsche Alterthumsfunde 1891 mit besonderer Paginirung.
Inhalts-Verzeichniss nebst Titel wird mit Nr. 6 ausgegeben.
Verzeichniss der Tafeln.
Tafel I. Kartensteine der alten und neuen Welt. Verhandl. der Ges. S. 951—951.
» IL Wendische Trachten der Niederlausitz. Verhandl. der Ges. S. 319.
» lII-IV. Umrisse von Hünden, V und VI Umrisse von Füssen.von Papua. Zeit-
schrift S. 156 und 228.
VII—X. Feuersteingeräthe aus Aegypten. Verhandl. S. 414.
U . . rz: * .
Verzeichniss der Zinkographien, Autotypien und
Holzschnitte im Text.
(À. = Autotypie, H. = Holzschnitt.)
Zeitschrift für Ethnologie, 1801.
Seite 14-40. Schmuckstücke der Völkerwanderungszeit in Italien (57 Zinkogr.).
- 81—88. Barbarische und griechische Spiegel (7 Zinkogr.).
89—133. Mexikanische Kalenderfiguren (88 Zinkogr.). -
141—155. Zur Maya-Chronologie (13 Zinkogr.).
156—230. Papua-Zeichnungen (5 Zinkogr.).
231—245. Alteuropäische Schmucksachen mit orientalischem Einfluss (18 Zinkogr.).
Verhandlungen der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie
und Urgeschichte, 1891,
Seite 35—41. Alte und neue Gefüsse, Flecht- und Holzarbeiten, Spinngeráthe u. s. w. aus
Cypern (95 Abbild.).
» 29. Modernes Holzschloss von Cypern (Fig. 26).
- 1$. Neolithisehes Ornament an Thongefüssen aus der Niederlausitz (7 Abbild.).
82. Nephritring zum Bogenspannen (8 Abb.) von Erbil, Mesopotamien.
96—91. Artefakte der Steinzeit aus einer neolithischen Ansiedlung bei Werschetz,
Ungarn (Fig. 1—4).
Ve
Seite 91. Artefakte aus Gold, Kupfer und Bronze von Werschetz (Fig. 5).
, 95. Graburnen ans der Flur Ludosch bei Werschetz (Fig. 1—4).
, 118—42. Altmexikanischer Federsehmuck und militärische Rangabzeichen (96 Abb.):
, 151—55. Altmexikanischer Federschmuck (6 Abb.).
. 161. Felsenzeichnung von Vancouver Island.
, 179. Situationsskizzen des Schlossberges von Rathsdorf, Westpr. (2 Zinkogr.)
, 186. Ornamentirte Urnen und Grab von Hochstüblau, Kr. Pr. Stargardt, Westpr.
(Fig. 1-3).
. 187. Giebel eines Hauses in Werbelin, Kr. Putzig, Westpr.
, 188. Giebelverzierungen aus Ostpreussen (41 Abb.)
, 189—219. Photographien und Umrisszeichnungen der Handstands - Künstlerin
Eugenie Petrescu (44 Abb.).
. 288—41. Vorgeschichtliche Kartenzeichnungen aus der Schweiz (9 Abb.).
. 249. Eiserner Arbeitslôffel zu Ausgrabungen (2 Abb.).
. 244. Miss Annie Jonas, die bärtige Dame (Autot.).
‚ 252. Alte Kartenzeichnung des Nils und der Seen.
254. Felszeichnung und Erklärung eines Kartenbildes aus Venezuela (2 Abb..
261. J. Rittersbach, der Mann mit dem Riesenbart.
268—16. Hügelgräber und Fundstücke von Kehrberg, Kr. Ost-Priegnitz (95 Abb.).
271. Riemenverzierungen aus einem Hügelgrabe von Milow, Kr, West-Priegnitz.
. 980. Dualla-Knabe aus dem Oberlande von Kamerun (2 Abb.).
, 283. Zwei Papua-Knaben von Neu-Britannien und der Missionshischof von Matupí.
(Autotypie).
, 294. Aegyptische Bernsteinperle von Saqqarah (H.).
, 9891. Eisencelt mit Keil und anliegendem Ring aus dem Zihl-Kanal bei Port,
Schweiz (Zinkogr.).
, 882. Bronzering mit Knöpfen und Thierköpfen von Port (4 Autotypien).
, 386. Bronze- und Thongeräthe aus bosnischen und kroatischen Gräbern und ober-
italienischen Terramaren (16 Abb.).
, 337. Vergleichende Darstellung von Bronzegeräthen von Glasinac, Bosnien und
schweizer Pfahlbauten (9 Abb.). |
, 940. Geologischer Durchschnitt einer Fundstátte aus Rio Grande do Sul.
, 941. Steinmesser der ältesten, der mittleren und der neuesten Periode aus dem
Gebiete des Rio Cahy und Forromecco, Siid-Brasilien (18 Abb.).
. 845. Steinäxte, Schleifsteine, Topfsteine und Stampfkeulen von ebendaher (9 Abb.).
, 946. Scherben, Angel und Knochenlóffel vom Bodensee (9 Abb.).
. 361. Verletzter und angebrannter Oberarmknochen aus einem Hügelgrabe von
Parsberg, Oberpfalz (2 Abb.).
366—067. Xiphodymes Skelet eines Neugeborenen (2 Autot).
380—81. Blauer Glasarmring und Eisenmesser aus Gräbern des Kreuzrains bei
Hedingen, Zürich (2 Abb.).
. 887. Hametzen von der Nordwestküste America’s (Autot.).
. 887-95. Masken, Flöten, Bartringe u. dergl. von Indianern der Nordwestküste
America’s (11 Autotypien).
. 400. Kostbare Perlen der Basutho in Transvaal (15 Abb.)
. 406. Bronzeschmuck von Alt-Storckow bei Nórenberg, Pommern (8 Abb. und H.).
, 408. Ornamentirte Hirschzacken von einem modernen Pferdegeschirr (Fig. 1) und
Feuerstein-Amulet in Messingfassung (Fig. 2) aus Oberbayern.
, 411. Feuersteinmesser (Fig.1—8), Bronzeblech (Fig.4) und bearbeitete Knochenleisten
mit Knöpfen (Fig. 5—7) aus archaischen Grübern von Syracus (Autotypie).
. 418. Aehnliche Knochenleiste von Hissarlik (3 Aut.).
. 426. Doppelring aus Golddraht von Schlesien (?).
. 458. Doppelaxt aus Kupfer (Fig. 1—2), Pfriemen mit Thierkopf (Fig. 9) und Urne
(Fig. 8) von Ketzin, Osthavelland.
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Seite 463—64. Zeus- und Blitzbilder aus Ilium (6 Abb.).
, 464—695. Probe arabischer Zahlzeichen von 1249 und einer dazu gehórigen Inschrift
vom Drachenfels in der Pfalz.
, 467. Schidel aus einem neolithischen. Grabe von Glasow bei Lócknitz, Pommern.
. 469. Blutstein aus Oberbayern (2 Abb.).
, 487. Silberner Daumenring zum Bogenspannen (2 Abb.) vom Kaukasus (?).
, 491. Bronzeringe mit Knópfen und Thierkôpfen aus dem Rhein und der Nachbar-
Schaft (Fig. 1—5) und aus Transkaukasien (Fig. 6) (Autotypie und H.).
. 495- 506. Grundrisse und Bauart des dänischen Hauses in Schleswig (Fig. 1 aus
Sorup, Fig. 2—3 aus Süderbrarup, Angeln, Fig. 4—06 von Barsó, Fig 7 von
Faró, Fig. 8 von Kindsby, Fig. 9 Fóhr, Fig. 10—11 von Ostenfeld, Fig. 12—18
von Fóhr.
921—380. Babylonische Gewichte (26 Abb.).
532. Babylonische Elfenbeinplatte (2 Abb.).
578. Situationsskizze des Grüberfeldes von Rakhameh im Negeb.
583— 89. Vorslavische Gräberfunde der Niederlausitz (Fig. 1—8 Niemaschkleba,
Fig. 4 Ossig, Fig. 8—14 Reichersdorf).
. 598. Slavisches Thongefäss vom Silberberge bei Wollin, Pommern.
594. Bronzefund von dem Gräberfelde von Obliwitz, Kr. Lauenburg (7 Abb.).
597. Nephritbeil von Ohlau, Schlesien (3 Abb.).
602. Tempelbild von Mykenae (3 Abb.).
604—5. Darstellungen des Palladium in Mykenae (Fig. 1) und Tiryns (Fig. 2—4).
608— 13. Roggenkorngemmen des frühchristlichen Kirchengeräthes (21 Abb.).
672--77. Ringe und andere Einrichtungen zum Bogenspannen (12 Abb., A. und Z.).
681. Hiinenbett von Drebenstedt, Altmark (Autot.).
691. Archaische Bronzefibel von Santa Lucia im Litorale (Z.).
. 699. Kartenskizze der Nephritgegend in Turkestan (Z.).
» 694. Steinwaffe (shouldered celt) von Ober-Birma.
. 696—97. Caximbos von Rio Grande do Sul (Fig. 1—10).
„ 697. Steingeräthe von ebendaher (Fig. 11—22).
. 699. Intaglio eines Ringes von Mykenae (Z.).
. "00. Stierkopf mit Doppelaxt von Mykenae (Z.).
708. Steinzeitliche Ornamente aus Pommern (12 Abb.).
710. Topfscherben aus dem Gräberfelde auf dem Galgenberg bei Wollin (6 Abb.).
714. Slavische Gefässe von ebendaher (6 Abb.).
“17. Muldenbild am Waldsteinfelsen im Fichtelgebirge (2 Abb.).
118. Der Herrgottsstein bei Hendelhammer im Fichtelgebirge (8 Abb.).
719—94. Kartenbilder archaischer und wilder Stimme (12 Abb.).
726. Modernes Holzthürschloss von Barbis im Harz (2 Abb).
727. Mandragoras-Wurzeln aus dem Orient (6 Autot).
181. Vorlaubenhaus von Lenzen bei Elbing (2). .
188. Galindischer Hof- und Hausgrundriss von Alt-Wartenberg, Ostpr. (Z.).
790—91. Giebelschmuck und Häuser von Nidden, Kurische Nehrung (8 Abb.)
192. Mastsehmuck eines kurischen Bootes (Z.).
792. Grundriss eines kurischen Hauses, yon Nidden, Kurische Nehrung (Z.).
795—96. Häuser von Schwarzort, Kurische Nehrung (3 Abb.).
799. Litauischer Hof von Ilgenjàn bei Memel (8 Abb.). :
912. Orientalisch bemalte Scherbe von Hissarlik (Z.).
» 815. Bronzeringe mit Knôpfen und Thierkôpfen von Stradonitz in Bôhmen und
Trentschin, Ungarn (7 Autot.).
» 830. Kartenskizze der Volkerstimme auf Malacca (Z.).
» 839. Umrisszeichnungen von Nasen, Gesichtsprofil und Brust der Blandass, Malacea
(4 Zinkogr.).
» 847. Mundstück eines Blasinstruments aus dem Spitzhoch von Lattorf (2 H.).
VII
VY
Seite 849. Keulenknauf von ehendaher und ein zweiter aus der Warnicker Forst,
Samland (9 H.).
» 858. Lituus von Hannover (?) (8 H.).
» 861-62. Rillen an dem Isistempel von Philae (2 Abb.).
» 877—79. Bronzeringe mit Knöpfen und Thierköpfen von Elbeteinitz, Stradonitz,
Svärov und Ptin, Böhmen und Mähren (14 Zinkogr.).
„ 882. Durchlochte Nadeln aus californischen Gräbern (7 Zinkogr.).
JIT
NHL. 05.
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ZEITSCHRIFT
FÜR
Organ der Berliner Gesellschaft
fov
Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.
Redactions - Commission:
A. Bastian, R. Hartmann, R. Virchow, A. Voss.
Dreiundzwanzigster Jahrgang 1891. — Heft I.
BERLIN.
VERLAG VON A. AsHER & Co.
1891.
0
11
Es wird gebeten, Geldsendungen für die Berliner anthropologische Gesellschaft, ins-
besondere Beiträge der Mitglieder, an‘ den Schatzmeister, Hrn, Banquier W. Ritter, SW.
Charlottenstrasse 14/75, dagegen an das Bureau der Gesellschaft, SW. Königgrätzer-
strasse 120, im Kgl. Museum für Völkerkunde; alle anderen geschäftlichen Mittheilungen
zu adressiren, z. B. Anmeldungen neuer Mitglieder, Adressenveränderungen, Reclama-
tionen (wegen nicht erhaltener Hefte der Zeitschrift oder Nummern des Corres ondenzblattes,
der Einladungen zu den Sitzungen, der für die correspondirenden Mitglieder bestimmten
Sitzungsberichte oder der Sonderabzüge von Mittheilungen), Zusendungen an die Bibliothek
der Gesellschaft, Correspondenz, betreffend Austausch von Zeitschriften u. A.
Bei Anmeldung neuer Mitglieder ist ausser Angabe der Wohnung auch die Angabe des
Vornamens wünschenswerth und behufs Vermeidung von Irrthümern auf eorreete Schrei-
bung der Zunamen zu achten. Letzteres gilt auch für die Anzeige von Adressenverinderungen-
Nur diejenigen Reclamationen wegen fehlender Hefte oder Nummern von Schriften
welche sogleieh nach Eingang der nüchstfolgenden Nummer angebracht werden, kónnen
mit Sicherheit erledigt werden.
Inhalt.
2. . ] Seite
L Ueber einige weniger bekannte Sprachen aus der Gegend des Meta
und oberen Orinoco. Von A. Ernst in Caracas 00!
IL. Archäologische Aufsätze über südeuropäische Fundstücke (Fort-
setzung). Von Ingvald Undset in Christiania.
VL Alterthümer der Vólkerwanderungszeit in Italien. (Mit
57 Zinkogr.) . . . . . . 14
Besprechungen:
Karl Schumacher, Beschreibung der Sammlung antiker Bronzen. Karlsruhe 1890.
S. 39. — Archaeological Survey of India. Calcutta 1889. S. 39. — Brehm's Thierleben,
neue Ausgabe von Pechuel-Loesche. Leipzig und Wien 1890. S. 40.
Verhandlungen der Berliner Gesellschaft fiir Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.
Verzeichniss der Mitglieder des Vorstandes und des Ausschusses, der Ehren- und correspon-
direnden Mitglieder S. 3, Verzeichniss der ordentlichen Mitglieder, zunüchst der immer-
wührenden S. 6.
Uebersicht der im Tausch oder als Geschenk zugehenden Zeitschriften S. 15.
Ausserordentliehe Sitzung vom 10. Januar 1891. Heinrich Schliemann t 8.21. —
Trojanisehe Aegis-Urne. A. v. Heyden, R. Virchow 8.29. — Internationaler geo-
graphischer Congress in Bern S.23. — Internationaler Congress für Anthropologie,
Drühistorische Archäologie und Zoologie in Moskau S. 23. — Jahrbuch der Gesellschaft
für bildende Kunst und vaterlàndische Alterthümer zu Emden. Unterrichtsminister
S. 29. — Verzeichniss der von der anthropologischen Gesellschaft an das Museum für
Völkerkunde abgegebenen prähistorischen Gegenstände S. 23. — Commission für die
einheitliche Erforschung des römischen Grenzwalles in Deutschland S. 23. — Alt-
preussische Wirthschaftsgeschichte. Nehring S. 23, R. Virchow S. 24. — Begräb-
nisse der jetzt lebenden Eingeborenen in Brasilien. Rath S. 24. — Fruchtkuchen
(Patai) aus Salta, Argentinien. Virchow S. 30. — Distomum haematobium (Bilharzia)
aus Südafrika. Virchow S. 30. — Ausgrabungen im Litorale und in Istrien, Urnenharz
in S. Lucia und Caporetto. Marchesetti, Salkowski S. 81. — Dreikôpfge Figur
in Brixen. Vater S.32, W. Schwartz, R. Virchow 8.88. — Photograp len aus
Java, Bássler 8.33. — Parallelen in den Gebräuchen der alten und der jetzigen
Bevölkerung von Cypern (26 Zinkogr). M. Ohnefalsch-Richter S. 94. — Zur
Anthropologie der Westafrikaner, besonders der Togo-Stämme. L. Wolf, R. Virchow
S. 44, — Amazonen des Kónigs von Dahome. Rob. Hartmann S. 64.
Nachrichten über deutsche Alterthumsfunde. Nr. I.
Bronzefunde aus dem Rhein. S.1. — Der Ringwall von Walsleben, Kreis Ruppin,
Prov. Brandenburg. S. 2. — Bibliographische Uebersicht über deutsche Alterthumsfunde
im Jahre 1890 (Fortsetzung von Nr.6, 1890). S. 9.
Ueber emige weniger bekannte Sprachen aus der
Gegend des Meta und oberen Orinoco.
Von
A. ERNST in Carácas.
(Vorgelegt in der Sitzung der Berliner anthropol. Gesellschaft vom 20. December 1890.)
Durch einen glücklichen Zufall gelangte ich unlängst in den Besitz
mehrerer handschriftlicher Wôrterverzeichnisse aus Sprachen des genannten
Gebietes, deren Veróffentliehung von Interesse sein dürfte, da der Inhalt,
Wenigstens so weit ich hier die Sache zu beurtheilen vermag, noch gróssten-
theils unbekannt zu sein scheint.
| Leider kann ich über die Herkunft der Listen nur mittheilen, dass
dieselben aus dem Nachlasse eines Herrn Firmin Toro stammen, der
im Jahre 1865 in Carácas starb und sich als Schriftsteller und Staatsmann
emen sehr geachteten Namen unter seinen Landsleuten erworben hat. Auf
Wissenschaftlichem Gebiete bescháftigte er sich viel mit Botanik; dass er
ausserdem der amerikanischen Linguistik eine gewisse Aufmerksamkeit
Zugewendet hat, beweisen überdies seine, mir gleichfalls vorliegenden um-
fangreichen Aufzeichnungen über die Sprache der Guajiros. Das von ihm
selbst geschriebene Manuscript dürfte wegen mehrerer Provinzialismen in
den spanischen Wórtern neu-granadischen Ursprungs sein; wahrscheinlich
verschaffte sich Toro das betreffende Material in Bogotá, wo er sich
làngere Zeit als venezuelanischer Gesandter aufhielt.
Das Heft enthält Angaben über die Sprachen der nachfolgenden sieben
Stämme: Achaguas, Pamiguas, Churruyes, Tamas, Guahibos,
Sebondoyes und Almagueros.
Bei dem anonymen Charakter der Verzeichnisse könnte allerdings ihre
Zuverlässigkeit angezweifelt werden, und ferner wäre es möglich, dass die-
selben nur Abschriften aus irgend welchen gedruckten Werken sind. In
Betreff deg ersten Punktes glaube ich jedoch, dass die Uebereinstimmungen,
welche einige der Vocabulare (Tamas, Churruyes, Guahibos und Almagueros)
mit anderweitig bereits bekanntem Material zeigen, auch zu Gunsten der
allgemeinen Riehtigkeit der übrigen sprechen. Was den zweiten Punkt
anbetrifft, so finden sich in den einschlägigen Hauptwerken von Gilij und
Hervas, soweit mir dieselben hier zugänglich sind, nur sehr allgemeine
Angaben über einige der genannten Sprachen. Sollte eine andere gedruckte
Quelle vorhanden sein, so ist dieselbe auch den belesensten Amerikanisten
unbekannt geblieben, da die beiden neuesten Arbeiten auf diesem Felde,
Zeitschrift für Ethnologie, Jahrg, 1891.
L
A. ERNST:
von Karl von den Steinen und Lucien Adam*), die angeführten Stämme,
oder wenigstens einige derselben, im entgegengesetzten Falle sicherlich
irgendwie berücksichtigt hätten.
Indem ich aus den vorstehenden Gründen die Publikation dieser
Vocabulare übernehme, habe ich geglaubt, es dürfte nicht überflüssig sein,
einige weitere erläuternde Bemerkungen hinzuzufügen, die sich namentlich
auf die Ethnologie der genannten Stämme beziehen. Die Aussprache ist
in allen Listen spanisch.
1. Achagua.
Gott: guamander. kleiner Finger: nucaje énibe.
Mann: guasíari caber. Feuer: chicháy.
Frau: inetua. Wasser: ciétey (?).
Kind (neugeborenes): tirracua. Salz: nibituma.
Knabe: samarto. Beil: chu.
Mädchen: samarta. Waldmesser: nu-másten *).
alter Mann: salirran. Lasst uns gehen: vacavaje.
alte Frau: saritoén. Wie geht es dir?: citajicabiope.
Seele, Geist: favanás. gut, wohl: ceíca.
Körper: nu-nacaje. krank: nu-barinaca.
Kopf: nu-bita. Gute Nacht: taicarajín.
Haar: nu- bivés. Freund: nu-taricáy.
Stirn: nu-nané. Er ist erzürnt: ibin taibaba.
Ohr: nu-biva. Kaiman: umana.
Nase: nu-daco. Honig: maba.
Mund: nu-numa. Biene: nanay.
Kinn: nu-einuma. Ameise : guesi.
Schulter: nu- cejo. Gürtelthier: che.
Ellbogen: nu-na. Wald-Gürtelthier: che-manuy.
Arm: nu-natuer. Jaguar: chabi.
Hand: nu-caje. Puma: mirrienari.
Daumen: nucaje mana jui. Bär (Ursus ornatus): sarro.
Zeigefinger: nucaje juni. Fuchs: isärito.
Mittelfinger: nucaje beba mise”). Eichhórnchen: matin.
Ringfinger: nueaje émana casé*). Hund: aurí.
^ 1) Kar von den Steinen, Vergleichende Tabelle der Nu-Aruak (Durch Central-
Brasilien, S. 204) — Lucien Adam, Trois familles linguistiques des bassins de l’Orénoque
et de l'Amazone (Compte-rendu du Congrès international des Américanistes, Berlin 1888,
p. 489 — 497).
2) Nach dem Vocabular wörtlich: „mein Finger, der in der Mitte ist“.
3) Nach dem Vocabular wörtlich: „mein Finger, der an einer Seite ist“.
Beide Erklärungen (zu 2 und 3) scheinen mir etwas verdächtig, da nucaje seiner
Stellung nach doch wohl eine Beziehung des Besitzes bezeichnet, also mit „der Hand“ zu
übersetzen ist.
4) Vielleicht verdorben aus dem span. machete.
“)
Ueber einige Sprachen aus der Gegend des Meta und oberen Orinoco.
Tapir: emayenesi. Banane: parátona.
Nabelsehwein: cham. Zuckerrohr: basué.
Kaninchen: paruparuma. Mandioca (süsse): quenirro.
Reh: ner. » (bittere): arir.
Aasgeier: guachuri. Cassave (Mandioca-Brot): berre.
Weisser Aasgeier: guachuri cabarey. Mais: cana.
Hoccohuhn: Sübita, cuisi. Fluss: uniaco. |
Berghuhn: marrey, cutuy. Wald: abaca.
Adler: caibaj. Savanne: bachaida.
Huhn, Henne: tabamay. Silber: barroa.
Dies ist mein grosser Hahn: taba- Gold: jirrí.
may besieri caberre. geh: vayuba.
Topf: carraje. schwarz: cachajurey.
Kalabasse: muriquia. eins: abaí.
Teller: mitaje. zwei: chamay, ochamay.
Löffel: biya. drei: matavi.
Tisch: mesani (hisp. mesa). vier: grajunejaca.
Chicha: cutuy.
leh füge noch aus Gilij (III. 946) die Personal-Pronomina hinzu:
nujà: ich. guajà: wir.
gija: du. ijà: ihr.
pijà: er. najà: sie.
TUjà: sie.
Aus dem Vocabular geht deutlieh hervor, dass die Achaguas zur
Familie der Nu- Aruak gehôren, und dass aueh Gilij Recht hat, wenn er
ihre Sprache für nahe verwandt mit dem Maipure hält. Hervas sagt
zwar auch, das Achaguas sei ein Dialekt des Maipure (Catäl. de las len-
guas, I. 208), bezweifelt aber doch bald darauf (I. 220), dass dies so sein
kónne wegen der Nachbarschaft mit den Omaguas, deren Sprache zum
Guarani gehört. In ähnlicher Weise bringt auch Friedrich Müller
(Allgem. Ethnographie, 272) die Achaguas irrthiimlich mit den Omaguas
zu den Tupis und Guaranis. Waitz (Anthrop., III. 428) meint ebenfalls,
indem er sich auf Vater stützt, dass alle Volker, deren Namen dem der
Omaguas gleich sind oder diesen als Bestandtheil enthalten, auch ver-
muthlich Verwandte derselben sind. So weit diese Ansicht die Achaguas
betrifft, ist sie entschieden aufzugeben, und würde sie kaum auf diese
Anwendung gefunden haben, wenn man die Angaben des verdienstvollen
Gilij gebührend berücksichtigt hätte.
Von den glten AÁchaguas handelt mit ziemlicher Ausführlichkeit der
Jesuitenpater Juan Rivero in seiner, im Jahre 1883 in Bogotá zuerst
gedruckten Historia de las Misiones de los Llanos de Casanare
y los rios Orinoco y Meta, die im Jahre 1736 geschrieben wurde. Er
ist nach Gilij (III. 410) auch Verfasser eines Worterbuches der Sprache
Du
A. ERNST:
der Achaguas, wahrscheinlich desselben, welches sich, wie ich glaube
irgendwo gelesen zu haben, handschriftlich in der Privatbibliothek des
Konigs von Spanien befindet.
Nach allen Berichten waren die Achaguas ein zahlreicher Stamm von
friedfertigem und gelehrigem Naturell, der aber gerade aus diesem Grunde
durch die Grausamkeiten der Spanier und die Angriffe der benachbarten
Chiricoas und Guahibos bald aufgerieben wurde. Sie bewohnten in alten
Zeiten einen grossen Theil der weiten Ebenen südlich vom Apure bis zum
Orinoco und über den Meta hinaus; doch schon zu Rivero’s Zeit existirten
nur noch vereinzelte kleine Horden, auf die er den Vers des Virgil an-
wendet: Apparent rari nantes in gurgite vasto.
Der Stamm zerfiel in eine Menge von Clans, deren meist sehr lange
und schwerfällige Namen oft auf berrenais endigen, z. B. Marraiberrenais,
Guachurriberrenais, Manuberrenais, Atarruberrenais, Charaberrenais, Virrali-
berrenais, Murriberrenais, Isirriberrinais; andere Namen sind Juadavenis,
Quirichanies, Guadevenis, Chubacanamis, Jurredas, Majurrubitas, Nerichen,
Chevades und Cuchivavas. Die Endung berrenais erinnert allerdings an
berre (Cassave-Brot); doch glaube ich, dass ihre Wurzel in dem zweiten
Theile (caber) des Wortes für Mann zu suchen ist. Dafür scheint auch
zu sprechen, dass Rivero auf p. 326 angiebt, der Name der Isirriberrinais
komme von isirri (Fledermaus), weil diese Indianer glaubten, von einer
Fledermaus abzustammen. Sie wären demnach wôrtlich ,Fledermaus-
Männer“ und das genannte Thier war wohl ihr Totem. Rivero hat das
allerdings nicht so verstanden; er sagt, diese Namen seien nur ein Scherz,
wie aus dem Worte cuisaunasi hervorgehe, womit man im Allgemeinen
jeden Clan bezeichne, das aber eigentlich „chanza, burla“ bedeute.
Die Achaguas waren wohl gebaut und von guter Grösse („gente bien
dispuesta, de forma gallarda y de buen talle“). Beide Geschlechter trugen
das dichte Haupthaar lang, bis zum Gürtel hinabhängend. Vor ihrer
Bekehrung durch die Jesuiten gingen die Männer ganz nackt oder
gebrauchten höchstens einen kleinen Schamschurz; während die Weiber
sich vorn mit einer aus feinen Palmenfasern sorgsam geflochtenen Matte
(lMlauto) bedeckten, die etwa 3 Fuss lang und 2*/, Fuss breit war und
durch Schnüre an den Schultern festgehalten wurde. Die Barthaare wurden
auf das Sorgfältigste entfernt, sei es durch aufgeklebtes Harz, welches
man dann gewaltsam abriss, oder durch kleine hölzerne Zangen, oder
durch Fäden, die man möglichst nahe an der Haarwurzel befestigte, um
das Haar damit herauszureissen. Der ganze Körper wurde bemalt, oft in
sehr bunten Mustern; doch färbte man Kopf und Haare gewöhnlich roth
mit Chica und die Hinde schwarz (mit dem Fruchtsafte der Genipa-
Caruto).
Die Weiber bestellten Anpflanzungen von Mandioca, aus deren Wurzeln
sie in bekannter Weise das von ihnen berri genannte Cassave-Brot
Ueber einige Sprachen aus der Gegend des Meta und oberen Orinoco. 5
' machten, welches auch bei ihnen zur Bereitung eines berauschenden
Getránkes (b erría) verwandt wurde, von dem sie ganz erstaunliche Mengen
consumirten, wobei der spanisehe Pfeffer (Capsieum) als Reizmittel des
Durstes diente. Salz war ihnen ursprünglich unbekannt; wahrscheinlich
bekamen sie es zuerst von den am Ostfusse der Cordillere wohnenden
Stämmen, in deren Gebiete noch heut zu Tage salzhaltige Quellen aus-
genutzt werden.
Die Männer betrieben Jagd und Fischfang. Ihre Pfeile waren oft
mit Curare vergiftet, das sie durch Tausch von ihren Nachbarn am oberen
Orinoco erhielten. Auch beim Fischfange, der in den zahlreichen Gewässern
ihres Landes sehr reichlichen Ertrag gewährte, bedienten sie sich des
Bogens, gebrauchten aber ausserdem Lanzen und Harpunen, letztere
Namentlich bei grösseren gemeinsamen Unternehmungen, wobei sie im
Flusse quer verlaufende Hürden aus starkem Rohr anlegten, gegen welche
die durch den giftigen Saft der Cuna-Wurzel (wahrscheinlich eine Art
der Gattung Tephrosia) betäubten Fische in grossen Mengen strom-
abwärts trieben. Beim Beginne der Fischerei, der mit dem der trockenen
Jahreszeit zusammenfällt, beobachteten sie einen von Rivero beschriebenen
Gebrauch, der chaca genannt wurde und eine Art ritueller Einweihung
gewesen zu sein scheint. Man kochte nehmlich in einem grossen Topfe
einige der zuerst gefangenen Fische und unter diesen einen sehr kleinen,
der chaca hiess, und brachte überdies eine Menge Cassave-Brot und
Tabaksblätter zur Stelle. Der Piache blies dann unter mancherlei
Ceremonien und Gesängen Tabaksrauch auf Fische und Brot, worauf beides
unter die Anwesenden vertheilt und von diesen gegessen wurde, damit der
bevorstehende Fang reichlich ausfallen und Jedermann vor Unfall bewahrt
bleiben möchte. Ebenso gab man den Kindern von diesem „Speiseopfer“,
um sie gegen alle schädlichen Folgen, auch des übermässigsten Fisch-
Senusses, zu sichern, und gleichfalls den jungen Mädchen, die hierdurch
Vor zu grosser Beleibtheit in späteren Jahren geschützt werden sollten.
Rivero hält den Gebrauch natürlich für Teufelswerk; doch hat er kaum
den ganzen Vorgang richtig verstanden, da er von der Bedeutung des
kleinen Fischleins, das doch eine grosse Hauptsache dabei zu sein scheint,
gar nichts zu sagen weiss. Vielleicht lässt sich der Sinn durch Vergleich
mit ühnlichen Gebriuchen bei anderen Fischerstimmen weiter aufkliren,
wobei ich beispielsweise an eine Sitte der Timucua erinnern will, bei
denen die Eróffnung der Fischerei auch mit bestimmten religiösen
Ceremonien stattfand 1)
Die Achaguas lebten meistens in Polygamie. Rivero berichtet nichts
über besondere Hoehzeits-Gebrüuche; dagegen macht er einige Angaben
1 Man vergleiche die aus Pareja’s Katechismus von Gatschet (Zeitschr. f. Ethnol.
XIII. 8.195) und von Raoul de la Grasserie (Compte-rendu du Congrés intern. des
Américanistes, Berlin 1888, pag. 409) angeführten Fragen des Beichtvaters.
À. ERNST:
über Behandlung der Kranken und Art der Leichenbestattung. Die Kranken
erhielten keine Pflege, nur legte man neben ihre Hängematte alle ihre
Waffen, damit sie sich damit gegen Krankheit und Tod vertheidigen konnten.
Manchmal blieb indessen auch ein Mitglied der Familie neben dem Kranken,
um seinen Körper mit Tabaksrauch anzublasen, oder eine Frau, um mit
der grössten Ruhe seine Haare zu kämmen. War der Tod eingetreten,
so wurden sämmtliche Genossen des Clan durch besondere Boten nach
der Hütte beschieden, wo sie unter reichlichem Chicha-Genuss schreiend
und heulend drei bis vier Tage lang das Andenken des Verstorbenen
priesen und ihn schliesslich in ein in der Hütte geöffnetes Grab mit allen
seinen Habseligkeiten, Waffen und einigen Lebensmitteln begruben, aus
welehen Zugaben Rivero wohl mit Recht auf ihren Glauben an ein Fort-
leben naeh dem Tode schliesst.
Die religiósen Vorstellungen waren wenig verschieden von denen
anderer Stämme. Nach Rivero hatten sie die Idee eines Schópfers aller
Dinge, neben welchem er mehrere Untergótter nennt, wie z. B. Jurrana-
minari, den Gott der Anpflanzungen; Baraca, den Gott des Reichthums;
Cuisiabirri, den Gott des Feuers; Pruvisana, den Urheber der Erd-
beben; Achacaté, den dummen Gott (,dios tonto“), u.s. w., jedenfalls
nichts weiter als mehr oder weniger persönlich gedachte Erscheinungen
des Naturlebens. Sie hatten auch eine Sage von einer allgemeinen Fluth,
die sie catana nannten, und von der sie erzáhlten, dass einer ihrer Vorfahren
sich durch die Flucht nach einem hohen Berge gerettet habe. Gôtzenbilder
kannten sie nicht; dagegen hatten sie Zauberer, die aus der Begegnung
mit gewissen Thieren, den Stimmen der Vogel und anderen Zufilligkeiten
die Zukunft verkündigten, wobei sie sich durch Einathmung des Niopo-
Pulvers in einen ekstatischen Zustand versetzten. Wie alle Naturmenschen
waren die Achaguas fest überzeugt von der Realität ihrer Träume, und
verbrachten einen Theil des Morgens, um sich dieselben gegenseitig zu
erzihlen. Von besonderen Cultus-Handlungen wird nichts berichtet; doch
dürften ihre, chuvay genannten Masken- Tánze hierher zu rechnen sein.
Um ihre Feinde auf eine den Thiter nicht compromittirende Weise
aus der Welt zu schaffen, brauchten sie gewisse Zaubermittel, die in ganz
ähnlicher Form bei vielen Vôlkern vorkamen und noch heute vorkommen.
Man suchte sich Haare, Abschnitte der Nägel, Speichel und andere der-
gleichen Dinge von der zum Opfer bestimmten Person zu verschaffen,
machte aus diesen mit chica (dem rothen Farbestoff der Arrabidea
chica) eine Mischung, die carrage, mojan oder auch camerico genannt
wurde, und indem man dabei laut den bösen Geist anrief (,invocando à
grandes voces al demonio“), glaubte man sicher den Tod des Feindes zu
veranlassen'). Auf wirklicher Vergiftung scheint die Tödtung mit den
^ ]p Ueber Zauber mit Menschenblut und anderen Theilen des Kórpers vergleiche man
den interessanten Aufsatz von Ulrich Jahn in den Verhandl. der Berliner Gesellschaft
"
Ueber einige Sprachen aus der Gegend des Meta und oberen Orinoco. é
kurzen, rothen Haaren eines Wurmes oder einer Raupe (Rivero sagt, es
sel eine Schlange) zu beruhen, den die Achaguas barbarí nannten, und
die man heimlich in die Speise oder das Getränk der betreffenden Person
brachte, deren Tod dann in drei oder vier Monaten nach einer, von öfterem
Bluterbrechen begleiteten Abzehrung erfolgte.
Die Achaguas lebten in Hiitten von eigenthiimlicher Construction.
Rivero beschreibt dieselben leider nicht, giebt aber an (p. 35), dass man
an ihrer Form und Bauart schon von weitem eine Niederlassung der Acha-
5088 erkennen konnte. Ihre Hängematten waren aus Palmenfasern gefertigt.
Im Verkehr mit anderen Stämmen, und namentlich mit den Cariben des
Orinoco, benutzten sie ausser Tauschartikeln auch eine Art Muschelgeld,
welches quiripa hiess und von den Maibas am Cañapurro während der
Regenzeit angefertigt wurde).
Gegenstand des Handels waren unter anderen Artikeln auch die bunten
Federn der verschiedenen Arten von Papageien, und die Achaguas ver-
standen es, die Vôgel so zu behandeln, dass ihre Federn von viel grôsserer
Farbenpracht wurden, als gewöhnlich. Zu diesem Zwecke rupfte man
dem Vogel die Federn aus und bedeckte dann die Haut mit einer Salbe,
deren Zusammensetzung Rivero also beschreibt: Man nahm eine gewisse
Króte und verwundete dieselbe durch mehrere Stiche in den Rücken,
bis Blut kam. Darauf brachte man das Thier in eine Calabasse und rieb
die Wunden mit Capsicum-Pulver ein. Das nach dieser Behandlung aus-
tretende, mit Eiter vermischte Blut vermengte. man schliesslich mit
gepulvertem Chica, und die Salbe war fertig. Es ist bekannt, dass viele
andere Stämme noch heut zu Tage es verstehen, durch ein wahrscheinlich
ähnliches Verfahren die Farbe der Federn lebender Vögel zu ändern, und
wäre es von Interesse, wenn einmal das seltsame Experiment von einem
In der Physiologie der Thiere wohl bewanderten Beobachter genau studirt
würde.
Im Jahre 1606 unternahm ein gewisser Alonso Jimenez die erste
Expedition in das Gebiet der Achaguas, bei welcher Gelegenheit viele der
für Anthropologi
5 Kapit ropologie 1888. $. 131 und 182, und auch Lubbock, Origin of Civilisation, im
n 2 (Spanische Uebersetzung von José de Caso, Madrid 1889. p. 209, 211).
Fluss Pi Sagt Rivero, p.19, 88. Der Cañapurro soll nach ihm ein wasserreicher
beiden Ne den Onocutare aufnehmen und in den Orinoco münden. Ich habe keinen der
Onocutane weder auf Karten, noch in Büchern, auffinden können. Da jedoch der
der Ca = nach Rivero etwa drei Tagereisen nôrdlich vom Meta fliesst, so ist vielleicht
nicht P And der Karten der hier genannte Caüapurro. Den Onocutare vermag ich
haben vi 1 *ntfieiren. Die Maibas müssen ihr Muschelgeld aus Flussmuscheln gemacht
die u n Sicht aus der oft über einen Decimeter langen Unio syrmatophora Gronov.,
bekannt si Jenen Flüssen vorkommt und unter dem Namen guarura am ganzen Orinoco
earbeit Le . Im National-Museum von Carácas befinden sich einige aus Muschelschalen
M ih p" * Scheiben, von 5.—6 em Durchmesser und mit einem runden Loche in der
v 1 E hl auch Muschelgeld sind. Dieselben wurden in einer Hóhle des Kalkgebirges
on de gefunden und scheinen aus dem Flügel des Strombus gigas geschnitten
Zu Sem, dessen wellige Faltung auf der einen Seite noch deutlich sichtbar ist.
A. EnNST:
letzteren erschlagen oder als Sklaven fortgeführt wurden. Andere folgten
ihm, bis endlich im Jahre 1661 die Jesuiten Erlaubniss erhielten, Missionen
unter diesen Indianern anzulegen. Diese scheinen ziemlich guten Erfolg
gehabt zu haben; doch mit der Vertreibung des Ordens aus Spanien ver-
fiel Alles und die Achaguas kehrten zu ihrem alten Leben zurück. In
Venezuela stammt noch aus jener Zeit der Missionen der Name des Ortes
Achaguas in der Provinz. Apure; was aber dort noch von Abkömmlingen
der Indianer lebt, ist eine bunte Mischung aller möglichen Elemente. In
Neu-Granada dagegen giebt es noch einige Hunderte von Achaguas von
reinerer Rasse, unter denen wahrscheinlich das mitgetheilte Vocabular auf-
genommen worden ist. Sie bewohnen als halbe Nomaden die Ebenen im
Osten der Staaten Boyacá und Cundinamarca, vom Casanare südlich bis
zum Vichadu und Meta. Perez behauptet, unter Brüdern sei Polyandrie
bei ihnen im Sehwange, aus Mangel an Weibern, da die Mütter gewóhn-
lich neugeborene Kinder weiblichen Geschlechts tódten. Einige verfertigen
Thongescehirr, welches sie mit Eisen- und Manganoxyd bemalen und die
Farbe dann dureh einen Firnis aus dem Harze der Hymenaea cour-
baril fixiren?).
Aristides Rojas?) giebt die nachstehende Uebersetzung des Vater-
unsers in die Sprache der Achaguas, naeh Vergara y Vergara, Historia
de la literatura en Nueva Granada (Bogotá 1867), einem Werke, welches
ich leider nicht habe consultiren können:
Guasina bai, yerricdi erri irrico, santificaba jidena, rinubita guarrico
jisina Reino rimedabita jibabaitacare cainabe itaba erri irrico chu-Guaba-
baida eajurrucha sai jiayu guarriuni guarreje, cayacachu jibabaidauyuni
guaucha guamabenicare guayabaidacachuni camabenicarebeni yucha guariu
cayacachu ujita jide guacacaba tentacasimaco : riayucata gizamanidauyucubi
menami masicaibe yucha. Amen.
Nahe verwandt mit den Achaguas ist der heute sehr kleine Stamm
der Amarizanas von Giramena am oberen Meta, die gleichfalls von den
Jesuiten christianisirt wurden. Rivero leitet ihren Namen von amarizán
ab, wie eine gewisse Art von Schlangen heissen soll welche die Indianer
als ihren Stammvater betrachten und die hiernach wohl ihr Totem war.
Nach F. Perez sollen noch etwa 1200 im Staate Cundinamarca leben,
eine vermuthlich viel zu hoch gegriffene Zahl. Dieselben wurden im
Jahre 1824 von Mariano Eduardo de Rivero y Ustariz besucht, bei
welcher Gelegenheit er ein kurzes Vocabular ihrer Sprache aufnahm, das
in seiner ,Coleecion de Memorias científieas, agrícolas é industriales“
1) Felipe Perez, Jeografica física i política de los Estados Unidos de Colombia.
IT. (Bogotá 1868) pag. 215, 363.
2) A. Rojas, Estudios indígenas (Carácas 1818), pag. 214.
Ueber einige Sprachen aus der Gegend des Meta und oberen Orinoco. 9
abgedruckt steht), und welches ich aus dem in der Anmerkung gegebenen
Grunde hier einschalte.
2. Amarizama.
Sonne: keybin. Knabe: samane. Kopf: nu-ita.
Mond: kede. . Topf: curragi. sprechen: muylak.
Stern: ivine, Auge: no-tuy. essen: nuniak.
Mann: guarina licaverri. Mund: no-numa. trinken: nuiraca.
Frau: insatog. Nase: nu-cariz (spanisch schlafen: nuimaca.
Wasser: cietay. nariz). rufen: agua.
Banane: paratuna. Ohr: nu-bi. schnell: guariguari.
Mandioca: alirri. Zahn: nu-e. wir sprechen: noa ita.
Haus: cagii. Fuss: nu-iba. jene sprechen: ariede ita.
Baum: irita. Hand: nu-cagi
Die Aehnlichkeit mit dem Achagua ist ohne Zweifel; manche fremde
Elemente scheinen jedoch hinzugekommen zu sein. So stimmt kede
(Mond) zu Tariana kéthi (Mond, Sonne), nu-niak (essen) zu Moxo nu-
Nico (ich esse), nu-imaca (schlafen) zu Tariana nu-maka (ich schlafe),
und alle übrigen mit nu beginnenden Wörter gehören gleichfalls vielen
anderen Sprachen der Nu-Aruak an.
3. Pamigua.
Gott: chimaja, chuimaja. Freund: comijaguiga. vier: chijastijance.
Mann: piesiga. Feind: quinojá. fünf: sacsucuaja.
Frau: nixtá. Guacharaca (Penelope sechs: coadsucuaja ayi-
Knabe: meevé. argyrotis): nontaca. paquiaji.
Mädchen: nixtä-mecve. Jaguar: jiñaga. Sieben: sabsepsa ayipa-
Geist: amayijagá. Banane: mandotá. quiaji.
Körper: gocuá. Mandioca: joayoa. acht: sabsepsa chibsuaja.
Kopf: blustes. Mais: jucja. neun: chiastipsa ipa-
Feuer: equisá. Hund: jannó. quiaji.
Wasser: nicagué. Auge: sete (jete?). zehn: patsucuaja ipâ-
Salz: saja. eins: chijance. quiaji.
Lasst uns gehen: mengja. zwei: sajancesa. elf: chipsé ipaquiaji.
Guten Tag, Gute Nacht: drei: sajance, sanchi- zwanzig: cinching ipa-
ayojagua. cance. 5 quiaji.
Nach einer Anmerkung in dem Toro’schen Manuscripte wohnen die
Pamigüas in Concepcion de Arama, einem Dorfchen in den Llanos
von San Martin, südsüdöstlich von Bogotá (nach Mosquera liegt der Ort
0° 25" 35" O. Bogoté und 3° 24' 25" N. Breite). Ich habe den Namen
1) Dieses Werk wurde im Jahre 1857 in zwei Bänden auf Kosten des Verfassers in
Brüssel gedruckt. Da indess die ganze Auflage sofort nach Perü ging, ist das Buch in
Europa sehr Selten, ein Umstand, welcher die Wiederholung des Vocabulars rechtfertigen
mag. Im Original steht es T. I. p. 91.
19 A. Ernst:
Pamiguas nur einmal in Rivero (Historia de las Misiones, pag. 35) wieder-
gefunden; er nennt sie Bamigua und sagt von ihnen nur, sie seien noch
zu seiner Zeit sehr zahlreich gewesen und hätten auf beiden Ufern des
Guaviare gewohnt. Perez erwähnt sie nicht, und ebensowenig erscheint
ihr Name in dem Verzeichnisse columbischer Sprachen auf pag. XXXVII
und XXXVIII der Grammatik der Chibcha-Sprache von E. Uricoechea.
An eine Identifieirung mit den Baniva ist aus sprachlichen Gründen nicht
zu denken. Ich finde in dem Vocabular nur zwei Wörter: equisä (Feuer)
und nieagué (Wasser), die mit den betreffenden Wórtern des Saliva:
egussa und eaglea, übereinstimmen (Gilij IIL. 383). Das von Gilij
veróffentlichte Vocabular des Saliva enthált nur noch drei andere Wórter,
die auch in dem Vocabular der Pamiguas vorkommen, aber in beiden
Sprachen ganz verschieden sind, nehmlich Mann — sal: cocco, pam.:
picsiga; Frau — sal.: gnacu, pam.: nixtd; Auge — sal.: pacute, pam.:
sete. Es ist demnach noch sehr fraglich, ob die Pamigua wirklich Stamm-
verwandte der Salivas sind. Die Zahlwôrter sind in der mitgetheilten
Form wahrscheinlich mit fremden Elementen beladen; übrigens scheint
ihnen das Quinar-System zu Grunde zu liegen.
4. Churruyes.
Gott: tirovan. Hund: samuri. Chicha: cusuira.
Mann: pevi. Himmel: fato. Cassave: najaija.
Frau: piavichi. Sonne: guámeto. Erde: asá.
ich: yagué. Mond: máometa. Katze: misí.
du: né. Stern: -pefal. eins: cai matacavi*).
Körper: sirieto. Tag: naléano. zwei: cabale matacaviva.
Feuer: ijito. Nacht: merabí. drei: omopesiva.
Wasser: menera. Jahr: caebasi. vier: penasalavi buba.
Salz: romato. Banane: parasa. fünf: caicabebaje.
Honig: manna. Mandioca: quebaji. sechs: caicacubaje.
Tiger: negueté. Mais: jesá.
Ueber die Churruyes hat Prof. Nicolas Sáenz aus Bogotá im Jahr-
gange 1876 der „Zeitschrift für Ethnologie*, S. 328 —334, eingehende Mit-
theilungen gemacht, auf welche ich verweise. Perez spricht von ihnen
ebenfalls, namentlich im zweiten Bande, p. 220 und 221. Säenz giebt
auch eine aus 20 Nummern bestehende Liste von Wörtern aus ihrer
Sprache; von diesen kommen sechs auch in unserem Vocabular vor,
nehmlich:
Sáenz Ernst
Feuer hin = ijito -
Wasser minta menera
1) matacavi heisst Tag bei den Guahibos.
UM
1
Ueber einige Sprachen aus der Gegend des Meta und oberen Orinoco. 11
Sáenz Ernst
Hund uilg samuri
Sonne mshojaint guämeto
Mond juimit máometa
Banane parasa parasa
Zwei stimmen ganz überein; zwei andere (Wasser und Mond) zeigen
gewisse Aehnliechkeit, aber die beiden letzten (Sonne und Hund) sind ganz
verschieden,
Es geht aus diesen Vocabularen deutlich hervor, dass die Sprache
der Churruyes mit derjenigen der Guahibos sehr nahe verwandt ist, aus
welcher letzteren wir zwei ziemlich umfangreiche Vocabulare besitzen).
Das Toro'sche Manuscript enthält auch 7 Wörter derselben Sprache, die
mit den beiden citirten Vocabularen gut übereinstimmen, mit Ausnahme
des Wortes für „Seele, Geist“, welches in jenen nicht vorkommt. Ich
füge dieselben zum Vergleiche hier an:
9. Guahibos.
Mann: pebaji. Seele, Geist: dubate.
Frau: pitiriba. Kopf: pimatanai.
Knabe: pebajinyo. Augen: petajotá.
Mädchen: chiquiriyo.
Nach Hervas (Catäl. de las Lenguas, I. 220) berichtete der Pater
Manuel Alvarez, der als Missionar unter den Achaguas gelebt hatte, diese
hätten ihm erzählt, sie könnten die Sprache der Guahibos ziemlich gut
Verstehen, woraus Hervas schliesst, dass die letztere, wie das Achagua,
ein Dialekt des Maipure sein müsse. In dem oben mitgetheilten Vocabular
des Achagua finde ich bei sorgsamer Vergleichung mit Chaffanjon's
Worterverzeichniss aus der Sprache der Guahibos allerdings drei Wörter,
die übereinstimmen, nehmlich:
Achagua Guahibos
Hund auri aviri
Zuckerrohr basué besoe
. Cassave berre peri
Die beiden ersten sind aber Namen eingeführter Dinge, für welche
Aehnlichkeit der Form oft bei den verschiedensten Stümmen stattfindet;
dagegen ist die Uebereinstimmung in dem letzten Worte allerdings inter-
essant. Tine. weitere Vergleichung der Wörter der Chaffanjon’schen
Liste mit dem Maipure-Vocabular in Gilij (IIL. 315—382) gab in Bezug
auf Aehnlichkeiten ein durchaus negatives Resultat, so dass ich trotz der
erwähnten Vereinzelten Ausnahme dennoch der Ansicht bin, dass die
. 1) Crevaux, Sagot et Adam, Grammaires et Vocabulaires roucouyenne, arrouague,
L'on et d’autres langues des Guyanes, Paris 1882, pag. 258 —260. — Chaffanjon,
que et le Caura, Paris 1889, pag. 520 — 323.
12 A. Ernst!
Sprachen der Guahibos und anderer stammverwandter Stämme nichts mit
den Maipure-Sprachen zu thun haben und nicht einmal zur Familie der
Nu-Aruak zu rechnen sind. Wohin sie aber gehören, das zu sagen, muss
ich Anderen überlassen.
6. Tamas.
Gott: ejeé. Tiger: macayal. Stein: quiduá.
Mann: emuéme. Hund: jamuchay. 1: teyo.
Frau: romeó. Chicha: jeccû. 2: céyapa.
Knabe: cimoan. Banane: oó. 9: choteyo.
Mädchen: romimeräo. ^ Zuckerrohr: eacté. 4: cajeparia.
Seele, Geist: rescopué. —Mandioca: jurá. 5: ciajenté.
Kórper: cáneo. Cassabe: autojé. 6: yaquejenté.
Kopf: jijopué. Mais: queá. 7: uncudneco.
Auge: naccoca. Sonne: enesé. 8: yecquinico.
Feuer: toa. Mond: panijosá. 9: teáme.
Wasser: occo. Stern: mañe guay. 10: jargueseme.
Salz: od. Erde: chijá. 11: carebama.
Freund: maímemai. Himmel: yemué. 12: uncuacayere.
Feind: painame.
Die Tamas dieses Voeabulars wohnen im Quellgebiete des Manacacia,
nordöstlich von Giramena, am oberen Meta. Nach F. Perez (Jeografia
IL. 218) sollen die Airicos dieselbe Sprache haben, und diese auch von den
Jaruras verstanden werden; aus dem Vergleiche der beiderseitigen Voca-
bulare geht indessen keine Verwandtschaft hervor”). Die Tamas sind
friedfertig, betreiben etwas Feldbau und viel Fischfang, letzteren nament-
lich mit betäubenden Kräutern. Einige wohnen auch weiter südlich, im
Territorium Caquetá, und zu diesen gehören die Tamas, bei denen
Crevaux die von ihm mitgetheilten wenigen Wörter dieser Sprache auf-
schrieb?). Dieselben stimmen Vollständig mit der vorstehenden Liste
überein. Ich finde ferner mancherlei Analogien mit dem von Wallace
aufgenommenen Vocabular der Tucéno*), so z. B. die Wórter
Tamas Tucäno
Mann emuéme érmeu
Frau romeó nómio
Kopf jijopué righpóah
Wasser Occo óghcogh
Danane 06 ohéh
Mandioca juré ahóua.
1) Man sehe die Vocabulare des Yarura in Langues des Guyanes, pag. 260 und 261,
und bei Chaffanjon, l. c. pag. 319, 320.
2) Langues des Guyanes, pag. 52.
3) Martius, Beiträge, IL. pag. 983 und 284. (Vergl. übrigens die Angaben des
Hrn. Pfaff in den Verhandl. der Gesellsch. 1890. S. 603 und 605. V).
$
Ueber einige Sprachen aus der Gegend des Meta und oberen Orinoco. 13
7. Sebondoyes.
Herz: vico. Kopf: visäs.
Mais: mazizi. Fleisch: minchina.
Nach Pereira!) leben die Sebondoyes im Territorium Caquetá; doch
nennt sie Perez nicht unter den dort hausenden Stämmen, obgleich er
das „Correjimiento“ Sebondoi aufführt, dessen Vorort gleichen Namens
2° 48’ 33” westlich von Bogotä in 1° 8’ 36" nördlicher Breite liegen
soll. Das Gebiet gehört schon zur Cordillere (1000— 2000 m Seehöhe)
und producit namentlich Kartoffeln. Nachrichten über die Indianer habe
ich nicht auffinden kônnen. Das Wort für Mais ist offenbar aus dem
Namen mahiz in der Sprache von Hayti entstanden; die drei anderen
Wörter scheinen Anklänge an das Chibeha zu haben (Herz — puyquy,
Kopf — Zysquy, — Fleisch — chimy).
8. Almagueros.
(Aus der Gegend von San Augustin, im Siiden des Staates Tolima.)
Das nachstehende Vocabular ist ganz wesentlich Kechua und insofern
interessant, als es einen Beweis liefert von der grossen Ausdehnung, welche
die Sprache der Incas auch nach Norden erreicht hatte.
Wasser: yaco. Knabe: guambra. dunkel: aumsa.
Feuer: nina. Mädchen: tasi. Nacht: tuta.
Kopf: uma. Banana: blandé. kalt: chire.
Augen: nague. Manioc: rümu. du: cam.
Cchicha: asua. Fleisch: aicha. Urin: chichi.
Rohr: guiro. Salz: eachi. sterben: guañuy.
Honig: misqui. Kartoffel: bumu. leben: causay.
Hund: aleu. weiss: yura. hier: eaypi.
Blume: tuetu(?). schwarz: yana. Es ist Schade: cuyaipd.
Erde: alpa. Mais: zara. Indianer: runa.
Wind: guaira. Brot: tanda. 1: suc.
Sonne: inde. klein: uchullu. 2: iscay.
Mond: quilla. gross: atun. 3: quimsa.
Tag: puncha. dick: racu. 4: chusuf.
gestern: cain, sehen: caguar. 5: pichica.
morgen: Caya. Blut: yaguar. 6: socta.
übermorgen: Suc-caya. ich: nuca. 7: canchis.
Jahr: guata. nein: mana. 8: pusac.
Vogel: pisco. ja: ari. 9: unya(?).
Mann: cari. schon: fia. 10: chunga.
Frau: guarme,
1) Ricardo 8. Pereira, Les Etats-Unis de Colombie (Paris 1888), p. 84.
Archäologische Aufsätze über südeuropäische
Fundstücke
von
Dr. INGVALD UNDSET in Christiania.
(Fortsetzung von Bd. XXIT. S. 145.)
VI. Alterthümer der Vólkerwanderungszeit in Italien.
Bei Untersuchungen über den Ursprung des Ornamentstyls der Vólker-
wanderungszeit müssen selbstverstándlich die Alterthümer aus dieser Periode,
die in Italien gefunden worden sind, von besonderer Wichtigkeit sein.
Niemand wird wohl daran zweifeln, dass ein genaues Studium der in Italien
gefundenen Ueberreste aus dieser Zeit bei der Klärung der Fragen noth-
wendig sein wird, die mit der ersten Entwickelung der eigenthümlichen
Ornamentstyle der verschiedenen germanischen Vólker verknüpft sind. Es
ist jedoch ganz klar, dass die Stylarten der barbarischen Vôlker vom Style
der klassischen Zeit viele Elemente entlehnt haben. Die italienischen
Archäologen aber, welche vorläufig Aufgaben genug darin haben, die Ver-
haltnisse ihrer prähistorischen Zeit zu klären, haben selbstverständlich den
Alterthümern dieser späten Periode, die bei ihnen schon längst historisch
ist, noch nicht viel Aufmerksamkeit gewidmet. Allein vor kurzem scheint
Herr Dr. P. Orsi den Alterthümern aus dieser späten Zeit nähere Auf-
merksamkeit gewidmet zu haben; in den Atti e Memorie della R.
deputazione di storia patria per le provincie di Romagna, 1887,
pag. 333—414 hat er eine grössere Abhandlung: „Di düe crocette auree
del museo di Bologna e di altre simili“ veröffentlicht, worin er eine
Behandlung aller der kleinen goldenen Schmuckkreuze versucht, die in
langobardischen Gräbern in Ober- und Mittelitalien vorkommen. Diese
verdienstvolle Monographie liess die Hoffnung zu, dass man von derselben
kundigen Hand eine nähere archäologische Behandlung der Alterthümer
dieser Zeit in Italien hoffen durfte. Seit der Zeit ist inzwischen dieser
Archäologe als königlicher Inspector der Ausgrabungen und der archäo-
logischen Monumente in der Gegend von Syracus auf Sicilien angestellt
worden; andere Fragen und archäologische Materialien werden ihn voraus-
sichtlich länger beschäftigen, so dass er in der ersten Zeit nicht weiter
mit den italienischen Alterthümern der Völkerwanderungszeit arbeiten wird,
LL
Alterthümer der Völkerwanderungszeit in Italien. 15
Nordalpine Archäologen dagegen haben ein specielles Interesse für die
italienischen Alterthümer dieser Zeit, besonders für die Alterthümer der
Langobarden, welches Volk von nördlichen Gegenden Mitteleuropas auf
weiten Wegen nach Italien gekommen ist, wo sie bekanntlich längere
Zeit ein dominirendes Volk waren. Ueber ihre Wanderungen und ihren
Alpenübergang sind dann auch von nordalpinen Händen wichtige Beiträge
geliefert; ich verweise hier nur auf Beiträge von Virchow aus den
letzten Jahren *). Für einen Prähistoriker aus dem Barbarenlande liegt
es auf dep Hand, in Italien die Alterthiimer aus dieser Zeit mit be-
sonderer Aufmerksamkeit zu beachten; ich habe deswegen die Sachen
dieser Art, die ich während meiner Studien. in den italienischen Samm-
lungen gesehen habe, stets genau beobachtet und notirt. Im Folgenden
Werde ich eine Zusammenstellung meiner diesbezüglichen Notizen mit-
theilen — mit einigen Abbildungen, die theils auf Photographien, die ich
dort habe machen lassen oder von den Museumsdirektoren empfangen habe,
theils auch auf von mir selbst gemachten Skizzen, die selbstverstündlich
keine vollkommene Genauigkeit beanspruchen kónnen, beruhen.
Ich lasse meine Zusammenstellungen aus den italienischen Samm-
lungen folgen, die bis auf 1881—83 zurückgehen; ohne Zweifel würde
das Material sich jetzt, so viele Jahre nach meinen Reisen, bedeutend
Vergrössern lassen; eine neue Reise nach Italien war meine Hoffnung
und Absicht, aber vorläufig kann sie nicht realisirt werden. Ich gebe
deswegen jetzt, was ich habe; es wird jedenfalls eine Grundlage zu einer
geNauen Uebersicht sein können und somit wohl nicht ohne Nutzen; andere
Collegen müssen nachher das Gegebene complettiren und vermehren, und
mehr eingehende Studien über die Fragen, die ich nur angedeutet habe,
liefern, An der Hand so unvollständiger Materialien lässt sich selbst-
Verstándlich nicht näher darauf eingehen, Ursprung ‘und früheste Ent-
Wickelungsgeschichte der vorkommenden germanischen Stylarten zu er-
forschen und zu discutiren; die Zukunft, wo man viel vollstándigere Mate-
rialien haben kann, wird die Fragen ganz anders überblicken lassen.
Dann wird ‚Man auch gewiss besser sehen, ob, wie vielfach vermuthet
worden ist, vom Oriente einwandernde Vôlkerschwärme viel Neues mit-
gebracht haben, das in den vorangehenden europäischen Entwickelungen
nicht wurzelt. Ich muss zugeben, dass ich, vorläufig wenigstens, solchen
Bewegungen und Ueberführungen vom Oriente nicht viel Bedeutung zu-
sprechen kann; ich glaube, dass man in dieser Richtung viel zu viel zu-
gestanden hat.
Die Alterthümer dieser Zeit werden in Italien allgemein barbarische
oder langob ardische genannt. Zweifelsohne sind auch viele von ihnen
D Virchow, „Auf dem Wege der Langobarden“, in den Verhandlungen der Berliner
Anthropologischen Gesellschaft, 1888. S. 508—532; vergl, auch 8. 570 ff.
. INGVALD UNDSET:
den Langobarden zuzusprechen; vorläufig ist es aber noch lange nicht
klar, was langobardisch ist und was den anderen Germanen, die in Italien
gehaust haben, besonders den Gothen, den Franken, den Herulern u. a.
zugetheilt werden mnss; darum wird man in dieser vorläufigen Uebersicht
keine Völkernamen mit den Gegenständen verknüpft finden.
Ich gehe sofort in medias res und lasse meine Zusammenstellungen
solcher Materialien aus den Museen folgen. Ich wiederhole, meine Listen
werden nicht mehr als complet gelten können; als ein Anfang werden sie
indess wohl einige Bedeutung haben.
Museen von Turin. Im Alterthumsmuseum liegen 4 bronzene
Beschläge für Riemenenden, welche hinten eine Spalte haben, worin der
Riemen befestigt war. Sonst haben sie die in dieser Zeit häufig vor-
kommende Form, länglich und nach hinten abgerundet; auf der Ober-
fläche sind sie ganz glatt, ohne Ornamente. Das eine Stück ist mit Nr. 221
bezeichnet. — Ferner sind hier zwei Spangen von Formen der mittleren
Eisenzeit. Die eine ist aus Bronze und vergoldet, mit gegossenen Ornamenten
bedeckt; von der hinteren halbrunden Platte gehen 5 kleine Arme nach
hinten aus, etwa wie Knöpfe. Das andere Exemplar scheint von Silber
und vergoldet zu sein; es ist mit eingefassten rothen Glaspasten oder
Granaten besetzt.
Im Artilleriemuseum in Turin liegt ein bronzenes Armband mit
Kolben-Enden, als aus Trento stammend bezeichnet. Ferner zwei Stücke,
gewiss Hinterstücke zu Riemenschnallen, in Modena gekauft, mit grossen
Nagelköpfen auf der Oberfläche besetzt.
Museo Civico in Turin: Ein Paar zweischneidige Eisenschwerter
(Spathae); ein Paar einschneidige Schwerter (Seramasaxe); ein Paar
Dolche oder Messer von Eisen, mehrere kleinere Messer, einige Gürtel-
schnallen und Guürtelendbeschläge von Bronze, ein Thongefäss, eine
Speerspitze von Eisen, Perlen von Bernstein und Glas, mehrere Fisen-
fragmente u. A. Dies Alles ist von Hrn. Cavaliere Giovanni Minoglio
gefunden worden bei Ausgrabungen in seinen Besitzungen bei Moncalvo-
Monferrato. — Ein Schildbuckel von Eisen mit grossen Eisenknôpfen,
die mit Gold belegt zu sein scheinen; als Nr. 6a und als in Piemont
gefunden bezeichnet.
Nur nennen werde ich hier den Fund von Testona*) in Piemont,
wo seit 1878 ein grösseres Gräberfeld aus der Völkerwanderungszeit mit
350 bis 400 Skeletten untersucht worden ist; der Fund ist von den Herren
C. und E. Calandra in Turin veröffentlicht in den Atti della societa dell
archeologia e belle arti per la provincia di Torino, IV, pag. 17—52, mit
1) Vgl. jetzt über den Fund von Testona, der dem Museo Civico in Turin einverleibt
worden ist, das Buch des Baron J. de Baye „Industrie Longobarde*, Paris 1888; in
diesem Buche sind auch andere Funde der Vôlkerwanderungszeit in Norditalien beschrieben
und z. Th. dureh Abbildungen erläutert.
16
Alterthümer der Völkerwanderungszeit in Italien. 17
Mehreren Tafeln. Unter den vielen Alterthümern nenne ich nur zwei-
Schneidige und einschneidige Schwerter, Speerspitzen, Schildbuckel und
Aexte, Spangen und Riemenbeschläge, Fibeln und andere Sachen, worunter
auch einige kleine diinne goldene Kreuze und einige mit Silber tauschirte
Eisensachen, sowie '"lhongefásse verschiedener Form und Art. Einen
Senaueren Auszug aus der Abhandlung der Herren Calandra werde ich
hier Nicht geben; ich beschränke mich auf die gegebene Hinweisung.
Novara, Museo patrio. Perlen von Glas und Bernstein. Ein
bronzenes Armband mit kolbenförmigen Enden. Schnallen von Bronze,
kleine Ohrringe aus Bronze, welche unten mit ein Paar angelötheten
bronzenen Knöpfen oder Kugeln ausgestattet sind; 3 zweischneidige
Schwerter von Eisen, ein einschneidiges Schwert, mehrere grosse Messer,
Wovon das eine einen vertieften Rand am Rücken hat, ganz wie ein
Seramasax; zwei Schildbuekel mit zugehórigen Handgriffen, fragmen-
tarisch; Bruchstücke von mehreren Eisensachen, 3 grosse eiserne Speer-
Spitzen, 3 eiserne Pferdegebisse, 'lhongefásse, die denen aus jüngster
rômischer Zeit ganz ähnlich sind, u.s.w. Dabei liegen auch eine Nadel
bronzezeitlicher Form und ein kleines Messer oder Doleh, wahrscheinlich
derselben alten Zeit angehorig; diese letzten also wohl nur zufällig auf
derselben Stelle gefunden. Diese Sachen stammen von einem Gräberfelde
aus der Völkerwanderungszeit bei Burgo-Vercelli, nahe bei Vercelli.
, Milano. Museo archeologico (in der Accademia di Brera).
Ein Eisenschwert, eine Speerspitze, ein grosses Messer, ein Schildbuckel
mit Handgriffbeschlag dazu, alles aus Eisen, der Beschlag ist breit, auf
der Mitte mit rundlichen Erweiterungen, wo die Nigel sassen; 7 Eisen-
nägel mit grossen, flachen, mit Bronze belegten Kôpfen, offenbar zu dem-
Selben‘ Schilde gehörig. Alle diese Sachen sind in der Gegend von
Golasecca gefunden.
. Sammlung des Herrn Advokaten Ancona. Vier silberne Fibeln
Le Knöpfen um die hintere halbrunde Platte, zwei ganz klein, in der
Het gefunden; zwei ähnliche silberne Fibeln, wahrscheinlich eben-
5 in der Lombardei gefunden, aber in Florenz gekauft.
T Fondazione artistica Poldo-Pezzoli. In der Vitrine für
Fibula m, dsachen liegen zwei silberne Schnallen und sine kleine silberne
sprinzend einem. nach hinten von dem halbrunden Hinterstück hervor-
Y en Knopf; diese Sachen zeigen Formen der Vólkerwanderungszeit.
von Bison. i In der Sammlung Quaglia finden sieh einige Speerspitzen
gehóren: m t nach der Form zu urtheilen, der Vôlkerwanderungszeit a
— on aben nehmlich an der Dülle Querstücke, die nach den Seiten
Dalle E botte vorn scharf und geradlinig sind und sich gegen die
1tern.
Nou Museo patrio. Schóne Spange von Bronze, an der hinten
T Ethnologie. Jahrg, 1891. 9
l INGVALD UNDSET:
um die halbrunde Platte 8 Knöpfe ‘sitzen; Gürtelendbeschlag, am
hinteren, geradlinig abgeschnittenen Theile war durch zwei Nägel der
Riemen in einer Höhlung befestigt. Das Stück ist ziemlich dick, hat aber
Fig. 1.
Eco
zwei Oeffnungen, die mit einem schiebbaren Deckel überdeckt sind; sowohl
dieser Deckel, wie die untere Seite des Stückes, ist mit Verschlingungen
ornamentirt. Unsere Fig. 1 giebt eine Idee von den Ornamenten des
Deckels.
Ich führe hier auch einige Sachen an, die in Südtyrol gefunden
sind. Dies Gebiet gehört jetzt der österreichischen Krone an, wir befinden
uns aber hier auf der italienischen Seite der Alpen und daher wird es
zweckmässig sein, diese Sachen mit den in Norditalien gefundenen zusammen
zu erwähnen.
Im Landesmuseum in Innsbruck befindet sich der Inhalt des
reichen Fürstengrabes und des Reihengräberfeldes von Civezzano in
Südtyrol. Da dies Alles Gegenstand einer besonderen Publication des
Hrn. Dr. Franz Wieser, Professors an der Universität in Innsbruck,
gewesen ist, so verweise ich auf seine Arbeit *).
Trento. Museo civico. Ein Paar Armringe mit kolbenförmigen
Enden. Ein Riemenendbeschlag mit 4 kauernden, phantastischen, behörnten
Thieren, in durchbrochener Arbeit. Eine grosse Fibula (Fig. 2a) mit ein-
geschlagenen Kreisornamenten; an dem Vorderstiicke sind ebensolche
Ornamente, wie auf der Hinterseite (Fig. 2b). Am halbrunden oberen
Stück sind 5 Knópfe angebracht. Die Grösse beträgt etwa 15 cm Länge,
7'/, cm Breite über das obere, halbrunde Stück. — Eine etwas kleinere,
ühnliehe Fibula, ornamentirt mit doppelten Reihen von eingeschlagenen
Punkten und mit Cirkelsehlàgen; am hinteren Theile des Vorderstückes
gehen nach den Seiten Arme aus, die in kleine runde Platten mit Cirkel-
ornamenten endigen; solche kleine Platten finden sich auch an den Seiten
am Vorderstück und 5 ähnliche an dem halbrunden Hinterstück (Fig. 3).
Kleine gleicharmige Fibula, 6 ¢m lang, die Endstücke 3 cm breit, mit
Linien und Cirkelschlàgen ornamentirt (Fig. 4). Zwei Riemenendbeschláge.
1) Dr. Franz Wieser: Das langobardische Fürstengrab und Reihengrüberfeld von
Civezzano. Innsbruck, 1887.
'8
Alterthitmer der Volkerwan =erungszeit in Italien.
X : Fig. 8
cn v » m Fig. 4
k
\
Zwei Schnallen mit flachen, länglichen Hinterstücken, die sich nach hinten
Verschmälern. — Alle diese Sachen sind bestimmt in Südtyrol gefunden.
Verona. Museo civico. Ein doppelschneidiges Eisenschwert mit
einem kleinen eisernen Knopf, der oben die Handgriff- Beschläge ab-
geschlossen hat. Eine eiserne Speerspitze mit flachen, breiten Querstücken
an der Dülle. Eine grosse, krüftige, bronzene Schnalle.
Vicenza. Museo eivico. Zwei bronzene Armbänder, die gegen die
kolbenformigen Enden facettirt und an den Enden mit Punktreihen orna-
Mentirt sind. An den Armen eines Skelets vor der Porta Castello
Vicenza gefunden ?).
Parma. Museo d’antichita. Unter römischen Funden. liegen hier
Mehrere eiserne Speerspitzen, die an der Dülle Querstücke haben, ganz
wie die oben erwähnte Form, die sonst in der Völkerwanderungszeit nicht
Selten und eigenthümlich ist. Nach diesen Funden in Parma zu schliessen,
tritt also diese Form schon in römischer Zeit auf.
Reggio nell Emilia. Museo di storia oder Museo Chierici,
Wie es jetzt nach seinem Begründer heisst. Mehrere Funde aus Gräbern
der Völkerwanderungszeit von Montecchio; in diesen Funden kommen
noch vor: eine rómische kreuzfórmige Fibula mit 3 Knópfen und eine
TÓmische Oharnierfibel Ferner ist hier zu bemerken ein silberner Rand-
beschlag fiir den untersten Theil einer Schwertscheide, als Schuh endend.
Kleiner Riemenend - Beschlag von Gold mit Ornamenten in gekórnter
Arbeit (Fig. 5). Eine Schnalle, deren Biigel aus Bergkrystall gemacht
zu sein scheint. Eine andere Schnalle aus Silber, in Fig. 6 abgebildet,
Mit dem kleinen goldenen Beschlag Fig. 5 zusammen bei Montecchio
No Le Asgebildet in P. Livy: Le abitazioni laeustri di Fimon. Venezia 1876, Tav. XVII,
. —198.
19
9%
20
INGVALD UNDSET:
Fig. 6. (Provinz von Reggio) gefunden in
einem Grabe, das ein Skelet enthielt,
welches in blosser Erde lag. Es waren
ausserdem dabei eine goldene Fibula
Vig. 5. und ein zweischneidiges Fisenschwert,
an dem Scheidereste erhalten waren
mit, wie es schien, áusserer Bekleidung
von angenieteten lüsenplatten. Ausser-
dem fand sich eine bronzene Pincette.
Andere Sachen, die auch im Grabe
waren, gingen verloren. In der Nähe
waren noch mehrere ähnliche Gräber;
die Stelle liegt unmittelbar an der
Grenze einer uralten Terramare.
J Von Campeggine findet sich in
demselben Museum eine schöne silberne
Schnalle mit Vergoldung und Niello und mit gefassten Granaten (oder
rothem Glassfluss?) ornamentirt (Fig. 7). Das Grab, worin dies Stück
gefunden wurde, liegt im Felde über einer uralten T'erramare.
Von Bismantova liegen hier zwei
. Schnallen.
Fig. " Von Minozzo hat das Museum eine kleine
Fibula, die hinten an einer kleinen Platte
mit drei Kópfen besetzt ist. Im Ganzen ist
diese kleine Fibula den ,niedersáchsischen*
B Fibeln sehr ähnlich, welcher Typus auch in
England und in Skandinavien häufig und
E in dem 5. bis 7. nachehristlichen Jahrhundert
charakteristisch geworden ist).
Aus den Gräbern von F'abbricco finden
sich ebenda mehrere Schnallen, Riemenend-
beschläge, eiserne Speerspitzen, Spinnwirtel und
Anderes, sowie Glasperlen, welches Alles das
späte Gepräge der Völkerwanderungszeit an
sich hat.
Gräber von Castellarano (Provinz Reggio): Schöne gleicharmige
Fibula aus vergoldeter Bronze (Fig. 8); bronzener Randbeschlag zu einem
eisernen Schildbuckel, der um den Rand grosse Nagelköpfe hat, mit ver-
goldeter Bronze bekleidet; ferner Schnallen und Riemenend-Beschläge,
Armbänder mit kolbenförmigen Enden, die mit erhabenen Rippen orna-
1) Vgl z. B. Rygh: Antiquitées norvégiennes, Fig. 247 ff, und Undset: Fra Norges
aeldre Jernalder, pag. 41 ff. (in Aarbóger for nordisk Oldkyndighed og Historie, Kjóbenhavn
1880, pag. 129 f£).
Alterthümer der Vôlkerwanderungszeit in Italien. 21
Mmentirt sind; Alles von Bronze. Auf der inneren Seite sind die Armbänder
flach (Fig. 9 und 10). 5 einschneidige Schwerter (Scramasaxe) mit ver-
tieften Rändern an den Rücken; 2 zweischneidige Schwerter, mehrere
Fig 9.
Lis, +
re
Fig. 10.
ae
Speerspitzen, ein Axtblatt, etwa wie Rygh l. c. 557; mehrere Sporen, etwa
Wie Rygh 1. c. Fig. 586; ein Paar spátrómische kreuzfórmige Fibeln mit
drei Knópfen hinten. — Bei Castellarano fanden sich mehrere Grüber mit
Skeletten: z. Th. waren die Gräber aus Steinen und rômischen Ziegeln
Semacht, mehrere enthielten Fisenwaffen und Schmucksachen aus Bronze
Mit Ornamenten im barbarischen Style.
Ç Zwischen verschiedenen Alterthümern von Volterra liegt auch ein
Gürtelend-Beschlag der Volkerwanderungszeit.
Ueberhaupt muss man in diesem und anderen norditalienischen Museen
unter den Alterthiimern von Terramare-Stationen bemerken, dass mehrere
ele da sind, die der Vólkerwanderungszeit angehören und die beweisen,
y über mehreren T'erramare-Stationen sich Barbaren, d. h. wahrschein-
i Germanen, z. B. Langobarden, angesiedelt und einzelne Sachen hinter-
sen haben, welche Besiedelungen selbstverstándlich erst stattgefunden
aben können, nachdem die eigentlichen Terramare-Stationen schon längst
(
eG
3! INGVALD UNDSET:
verloren waren, vielleicht vor einem Jahrtausende, wo sie als niedrige
Hügel in der Ebene lagen. Die etruskischen Ansiedelungen, die an einigen
in der Zwischenzeit zu erkennen sind, datiren vielleicht vor und um die
Mitte des Jahrtausends vor Christo; sie sind selbstverstándlich sowohl von
den uralten eigentlichen Terramaren, wie von den viel spáteren barbarischen
Besiedelungen absolut verschieden. Schon damals, etwa ein halbes Jahr-
tausend nach der eigentlichen Terramare-Zeit, lagen wohl die einstigen Ter-
ramare-Stationen als niedrige Hügel in der Ebene. Auch in noch späterer
Zeit, im Mittelalter, wurden bisweilen solche kleinen Hügel, die sich über
uralten Terramare-Stationen gebildet hatten und hervorragende Punkte
in der Ebene bildeten, zur Anlage von Kirchen, Klöstern u. a. ausgewählt.
. Modena. Museo civico. Zwei Fibeln
. Fig. 11. von Silber mit niellirten Rändern ringsum, mit
Gp ' , TE vergoldeten Schlingen ornamentirt; am vier-
Si eckigen Hinterstücke waren ursprünglich wohl
A acht Knöpfe, von denen jetzt nur drei erhalten
sind (Fig. 11). Fragment einer runden Spange.
Alle diese Stücke sollen im Januar 1876 von
einem Bauer in einem „Grabe“ mit Leichenbrand
in Montale gefunden worden sein, zusammen
mit einer kleinen römischen Bronzevase.
Mantova. Museo patrio. Ein bronzenes
Armband mit kolbenformigen Enden, bei Casale,
prezzo Governale gefunden.
Museum von Torcello. In dem Alter-
thumsmuseum dieser kleinen Lagunenstadt sah
ich eine eiserne Speerspitze von der Form der
Volkerwanderungszeit, mit flachen eisernen Quer-
stücken an der Dülle; über den Fundort konnte
nichts Bestimmtes ermittelt werden, allein es hiess, dass sie wahrscheinlich
an der alten Strasse von Altinum nach Mestre gefunden sei. — Die
fatale bronzene Speerspitze mit Runen-Inschrift, die ich in diesem
Museum entdeckte, hat sich bekanntlich als eine Fälschung herausgestellt;
das Stück kam mir schon beim ersten Anblick etwas zweifelhaft vor, wie
ich auch in meiner ersten Publication hervorgehoben habe; dort habe
ich aber auch auseinandergesetzt, wie die ursprüngliche Patina des
bronzenen Stückes durch Brand entfernt war, wie die Aussagen und
das Verhalten des Directors des betreffenden Museums mir meinen Ver-
dacht nahmen, und wie ich damals in Torcello oder Venedig keine Ge-
legenheit zu den nöthigen literarischen Untersuchungen der Parallel-Stücke
hatte. In den „Verhandlungen der Berliner Anthropologischen Gesellschaft“
1890, 8. 83—85, habe ich aber in einer Schlussbemerkung auseinander-
gesetzt, wie der wirkliche Sachverhalt mir klar wurde.
©)
Alterthümer der Völkerwanderungszeit in Italien. 23
Museo del Castello di Catajo. Ein Scramasax von Eisen mit
einem stark verrosteten eisernen Paalstabe, beide Stücke in Toscana
gefunden.
Museo di Cividale. Im Mai 1874 wurde auf dem Hauptplatz in
Cividale im Friaul (Forum Julii) in einiger Tiefe ein gemauertes
Grab gefunden, worin ein ziemlich roher Sarkophag mit einem Skelet
Stand; auf dem Deckel fand sich das Wort: GISULF, daneben Reste von
goldgewirkten Stoffen und mehrere Alterthümer. Die verschiedenen Bericht-
erstatter sind nicht einig, ob man hier wirklich das Grab des Herzogs
Gisulf gefunden hat; jedenfalls hat dasselbe einen bedeutenden Mann
Seborgen aus langobardischer Zeit, etwa Anfang des 7. nachchristlichen
Jahrhunderts ?).
Treviso. Museo Trevisano. Zwei Speerspitzen von Kisen, mit
flachen, seitlichen Querstücken an der Dülle; die eine hat auch eine
facettirte Dülle und ein damascirtes Blatt. Sie sollen in der Gegend
gefunden sein.
Bologna. Museo civico. Bronzenes Armband, ,Universita No. 335¢
bezeichnet, mit kolbenformigen Enden, von unbekannter Provenienz.
Kleine gleicharmige Fibula aus Bronze, ,Université No. 483“ bezeichnet.
Diese beiden Stücke sind also von der früher an der Universität befind-
lichen kleinen Alterthümersammlung dem Museo civico zugekommen.
Forlí Museo pubblico. Zwei bronzene Armbánder mit kolben-
fórmigen Enden, an denen sie mit Querlinien decorirt sind. Bei S. Lo-
renzo in Noceto in der Provinz gefunden; es sollen hier Spuren vor-
handen sein, dass daselbst eine grosse barbarische Nekropole sich
befindet.
Imola. Museo civico di storia naturale. Ein zweischneidiges
Eisenschwert von der gewöhnlichen Form der Vôlkerwanderungszeit, in
der Nähe der Terramare Castellaccio gefunden. Drei schône Fibeln
Von vôlkerwanderungszeitlicher Form, die eine von Silber, vergoldet und
Mit Niello und eingelegten Granaten ornamentirt (Fig. 12), die zweite
dus Bronze, vergoldet mit niellirten Ornamenten (Fig. 13). Schöner
Sehwertknopf von vergoldeter Bronze, in Imola gefunden (Fig. 14).
Kleiner Riemenend-Beschlag von Bronze und vergoldet, ebenfalls in Imola
Sefunden. Schöne Gürtelspange von vergoldeter Bronze, im Imolesischen
Sefunden (Fig. 15). Scheibenformige Fibula, decorirt mit eingelegten
Granaten. Die Fibula ist von Gold und in der Stadt selbst an der
Via Emilia gefunden (Fig. 16). Scheibenfôrmige Fibula, ebenfalls von
N aha 0 La tomba di Gisolfo, Udine 1874; vergl. auch Lindenschmit:
S. 19 tB Orsi, yo Alberthumskunde, L Die mer der merovingisehon Ce
nell’ Italia superiore e centrale "dn AH Memorie. della À. we anions, storia ria
Per le provincie di Romagna; III serie, vol. V, pag. 333—413 bag. 337 ff ,
; . Vol. V, pag ), pag. 337 If.
FX
INGVALD UNDSET:
Gold; das Hauptmotiv der Decoration ist eine Schlange, die sich S-fôrmig
windet; das Stück ist mit Granaten besetzt und soll in der Gegend von
Rom an der via Appia gefunden worden sein (Fig. 17).
Fig. 13.
m.
Fig. 12. |
= €
..
xag. n.
| ER.
| ==
Fig. 15. Fig. 16. Fig. 17.
[9987 77 SN a
d » EE RU
I | LE
-— ww,
Ravenna. Museo nella Biblioteca Classense. Der sogenannte
Brustpanzer "Theodorichs oder Odoakers: diese schönen Ueberreste
scheinen besonders von den Brusttheilen eines Rüstungsstückes zu
9A
Alterthümer der Völkerwanderungszeit in Italien.
Sein. Sie sind aus Gold und wurden Fig. 18
1854 in einem Graben ausserhalb
der Stadt gefunden. Sie sind mit
ähnlichen Zangenornamenten, wie
Sie an dem berühmten Grabmale
Theodorich’s zu beobachten sind,
Und mit eingelegten Granaten in
9euvre cloisonné ornamentirt.
Andere Stücke zeigen prachtvolle
Arbeit mit Belegung von gefloch-
tenen Golddrühten (alle diese Stücke
sind in Fig. 18—21 abgebildet").
Die in diesem Graben gefundenen
Stücke sind theils Odoaker, theils
seinem Morder Theodorich zuge-
schrieben worden.
Ein bronzenes Beschlagstück,
das in seiner Form an eine gleich-
armige Fibula sehr erinnert, mit
halbrunden Endplatten und einer
runden Mittelplatte, für Nägel durch-
bohrt; die Decoration ist punzirt:
Reihen von kleinen eingeschlagenen
Linien; der Bügel ist mit Einker-
bungen zwischen geraden Quer-
linien ausgestattet, ganz wie eine
M der späteren römischen Zeit
Sewühnliche Verzierungsart.
Rimini. Museo pubblico
"ella Biblioteca Gambalunga.
Ein bronzener Gürtelbeschlag, ver-
Soldet, ganz wie die unten vom
Museo Kircheriano in Rom er-
Wähnten und abgebildeten; es ist
"hBewiss wo das Stück gefunden
Worden ist, wahrscheinlich doch in
der Gegend.
Ascoli-Piceno. Museo com-
in à pe i Steyrie: On two gold ornements of the time of Thendorich, preservel
Compte rendu du eom is de dapes 1916, pag, 585 6 ice Ha AM uoi din-
torni, Ravenna 1878 ae. 170 Id Ta Not triche, B log 1881, ag. 0392. Hampel
Der Goldfand voy pag. 1 Lom: ote storiche, Bologna, , pag. . pel,
gy-Szent-Miklos, Budapest, 1886, S. 95 f. und 1931 f.
25
26
IxGvALD UNDSET:
Fig. 19.
FigJ21.
munale. Mehrere Sehnallen mit Ornamenten vom Charakter der Vólker-
wanderungszeit. Fünf Riemenend-Beschläge von Bronze, länglich, mit drei
erhabenen Nägelkôpfen ornamentirt. Zwei Fibeln von vergoldeter Bronze
mit halbrunden, hinteren Endplatten, besetzt mit fünf nach hinten aus-
laufenden Armen; das länglich-viereckige Vorderstück ist mit vier Glas-
flüssen besetzt. Eine schóne Schnalle von Silber, vergoldet, niellirt und
mit Granaten besetzt. Zwei gróssere Ohrringe von Gold, bestehend aus
Ringen mit grossen facettirten Goldperlen. Eine halbe Unterplatte eines
eigenthümlichen Schmuckstückes von Gold; erhalten ist nur dieser Theil
der Unterplatte. Zwei bronzene Ohrringe, besetzt mit einigen Glasperlen.
Mehrere Knöpfe, Fingerringe und andere kleinere Sachen. — Alle diese
Fundstücke rühren sicher von einer Nekropole in der Gegend her.
Napoli. Museo nazionale. Hier findet sich eine Reihe von Gürtel-
spangen einfacher Form mit viereckiger Hinterplatte, die in der Mitte in
einem Kreise spätrömische oder völkerwanderungszeitliche Ornamente haben.
Alterthümer der Völkerwanderungszeit in Italien. 21
Viele von diesen Spangen sind spétromisch, aber mehrere sind gewiss auch
in die Vôlkerwanderungszeit herunterzurücken *).
Roma. Museo Gregoriano im Vatican. In diesem etruskischen
Museum findet sich ein schônes Exemplar eines pilum; dies Exemplar ist
Wahrscheinlich nicht hier zu nennen, weil es aus etruskischer oder
Tömischer Zeit stammt. Es soll in einem Grabe bei Vulei gefunden sein”).
Diese antike Form hat aber sicherlich der in der Völkerwanderungszeit
allgemeinen Waffenform, die z. B. bei Lindenschmit: „Handbuch der
Alterthümer der merovingischen Zeit“, S. 178 ff., besprochen ist, den
Ursprung gegeben; deswegen habe ich es in dieser Verbindung in meinen
Notizen aufgezeichnet und führe ich es hier an.
Museo christiano in der vatikanischen Bibliothek. Ein kleines
Soldenes Kreuz aus dünnem gepresstem Goldbleche mit Ornamenten von
Verschlingungen, etwas an den Styl der nordeuropàischen Brakteaten er-
innernd”). Bronzebeschlag eines Gürtelendstückes, im Ganzen an einige,
Unteu aus dem Museo Kireheriano in Rom erwähnte und abgebildete
Riemen - Zungen erinnernd. Von diesem, in der vatikanischen Bibliothek
Verwahrten Stück kann ich Fundort und nähere Erläuterungen ebenso
Wenig, wie von andern in römischen Sammlungen befindlichen, angeben;
98 ist aber wohl im mittleren Italien vor längerer Zeit gefunden.
Museo Kircheriano (jetzt mit dem Museo nazionale di paletnologia
Vereinigt): Zwei Schnallen (Nr. 80 und 82) mit Ornamenten in Spiral-
Motiven (Fig. 22 und 23). Die erste bildet eine viereckige Platte, an deren
Vorderem Theile sie durchbrochen ist; sie hat gegen 7 cm in Länge und Höhe,
doch ist die Länge unbedeutend grösser, als die Höhe. Die andere Schnalle
Ist kleiner und hat die gewöhnliche Form; die Hinterplatte ist etwa 3,5 cm
lang und nicht volle 3 cm breit, sie ist mit einem doppellinigen Kreuze
?Tnamentirt, dessen Enden als kleine Spiralschlingen nach beiden Seiten
auslaufen.
Fünf Beschlagstücke für Riemen und Gürtel (No. 77, 78, 261, 1569
und 84) mit Ornamenten in demselben Style, wie die früher erwähnten.
No. 77 und 261 sind Endbeschläge, nach der einen Seite dreieckig und
“way Spitz zulaufend (Fig. 24); sie. gehóren wahrscheinlich zum selben
Gürtel, wie die grössere vorgenannte Schnalle, No. 80. (Fig. 22). Auf der
Nr. 519 (Fiorelli) Catalogo del Museo Nazionale di Napoli 1869, Co pag. 23, wo als
culaneum - Por M sind ; m m eo, vo : MIL pl T oo
c . peu, , pl. JO; also anniiche se alleniormen senon 1n roómuscner Zelt,
Klein sandensehmit: Das rómische Heerwesen, S. 12. Vergl auch ein ‚Ähnliches
das etwa den md Piropals Belvedere bei Corropoli in den Abruzzen; dies Stück,
Museum von Re . Jahrhundert v. Chr zuzuschreiben ist, befindet sich im prähistorischen
m.
No. o " vu gewiss dieses Exemplar, das bei Orsi in der citirten Abhandlung unter
zu einem Christi ho ant wird; es soll in einem Grabe, Wo ein heidnischer Sarkophag
egrübniss verwendet worden war, in Piacenza gefunden sein.
M
2. INGVALD. UNDSET:
Hinterseite dieser Schnalle und der genannten Endbeschläge sind noch
Reste von Leder erhalten; die Nägel, mit denen diese Beschlagstücke
am Riemen befestigt waren, messen etwa 8 mm in der Länge und zeigen
somit die ursprüngliche Dicke des Lederriemens. No. 1569 ist ein Beschlag,
Fig. 22.
ZI TEN. Fig. 23.
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Fig. 25.
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der ohne Zweifel zum selben Gürtel gehórt hat, weil er dieselbe Breite,
wie die genannte grossere Schnalle, zeigt (Fig. 25); in der Mitte bildet
dieser Beschlag einen kleinen Bügel, wahrscheinlich zum Festhalten des
Riemenendes; in beiden Endstücken, die am Riemen befestigt waren, ist
dieser Beschlag dreieckig verbreitert und etwa 4 cm breit. Man könnte
73
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16
>
1
Alterthümer der Völkerwanderungszeit in Italien. 29
Auch vermuthen, dass er zu einer Schwertscheide gehórt hat und aus
der Spátesten rómischen Zeit stammt. No. 78, 79 und 81 sind kleine
Beschläge zu Riemenzungen, die bedeutend schmäler sind, deren Nägel
aber dieselbe Lederdicke andeuten; alle sind sie länglich - dreieckig
(Fig. 26. 98).
No. 1400 und 1401. Riemenbeschlüge, in einem, von dem voran-
Sehenden etwas verschiedenen Style dieker gegossen (Fig. 29 und 30). In
No. 1401 hat die Bronze mehr den Charakter von Messing; auf der Ober-
Fig. 26.
Fig. 28.
Fig. 27.
Fig. 29.
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sache war dies Stück gewiss vergoldet. Zwei erhaltene Fig. 30
, Pl sind von Silber. Diese Beschläge sind etwa s
? fs em lang und 2—2!/, em breit. 055 0)
1 Sammlung des Herrn Augusto Castellani?) eS Did
A dieser reichen Sammlung finden sich mehrere schöne ©“ d
lterthümer der Volkerwanderungszeit, die alle in Italien 6 7 2
en sind, obgleich die Fundstellen nicht genauer ^ .", ';^ Jj,
ekannt sind. f Ono
p ei Rieti in Umbrien, eine halbe Miglie vor der 5
ia Narni, wurden unter einem herabgestürzten Fels-
St +. . ; . .
n einige Sachen gefunden, dabei auch die Knochen eines Menschen und
"nes Pferdes. Die hier gefundenen Alterthümer waren:
di Zwei grosse Fibeln von Silber; sowohl die hintere runde Platte, wie
kr. Vordere oblonge, sind mit dünnem vergoldetem Blech belegt, das mit
"men Cirkelsehlàgen und anderen eingestempelten Ornamenten decorirt
— Ich habe Herm Castellani viel zu danken für die Erlaubniss, diese schónen
diese + zu publiciren, Im Jahre 1883 hat der dünische Architekturmaler J. T. Hansen
refilichen Zeichnungen für mich in Rom gemacht,
EE INGVALD UNDSET:
ist. Die eine ist in Fig. 31 abgebildet: neben der Figur sind die orna-
mentalen Details in voller Grösse angegeben!). Acht runde Knöpfe von
Bronze (Fig. 32), plattirt und ornamentirt auf dieselbe Weise, wie die oben
erwähnten Fibeln; zwei von diesen Knopfen zeigen an der Unterseite
Eisen; wahrscheinlich gehörten sie zur Ausstattung eines Schildes (oder
eines Helmes?). Sechs Beschlagstücke von Bronze (Tig. 33), welche oben
Fig. 32. Fig. 34.
Fig. 31. Lal B
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in Ringen endigen, waren auch dabei; durch Nägel waren sie gewiss, an
Gefässen (oder an Pferdezeug?) befestigt; ein siebentes ist wie eine rohe
Gesichtsmaske (Fig. 34) geformt. Zwei einfache Bronzeschnallen.
1) Es waren dies die Fibeln und die folgenden Knöpfe, die in meinem Aufsatze über
die fatale Speerspitze von Torcello, als eine ähnliche Technik in den eingestempelten
Ornamenten zeigend und deswegen für mich die Echtheit jenes Stückes bekräftigend,
erwähnt wurden.
30
m
Alterthümer der Völkerwanderungszeit in Italien.
Andere Fundstücke, die derselben Periode entstammen:
Ein eigenthümliches Beschlagstück, das an Fig. 25 aus dem Museo
Kircheriano erinnert, hat in derselben Weise dreieckige Endstücke, wovon
jedoch das eine abgebrochen ist und fehlt; an der Mitte ist es etwas ver-
breitert und bildet hier ein Viereck, das mit einem Sterne ornamentirt
ist. Die Hôhlung unter der Mitte ist hier bedeutend schmäler, als an dem
aus dem Kircheriano citirten Stücke (Fig. 35).
- Bin kleines, dreieckiges Beschlagstück von Bronze, in demselben
Style ornamentirt (Fig. 36).
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Fig. 36.
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der dr, Brosses vergoldetes Stück aus Bronze (Fig. 37) zeigt etwa in
Mittlere Lone gróssere, leere, lánglich - runde Oeffnung, die sehr an das
Sonal), ohle Stiick aus dem Kircheriano (Fig. 22), wo die Nadel an der
einanqe; "N ist, erinnert. Vorn endet dies Stück in zwei von
Bogen d gewendete Vogelkôpfe; längs der Ränder ist es mit niellirten
gravirten Be Seen mit Punkten ornamentirt. Es hat drei Felder mit
Felder mit 16 Hungen, und zwar am rectangulären Ende zwei viereckige
Vogelkópfon menschlichen Köpfen, am dreieckigen Ende, neben den
Diese stellen em rundes Feld mit in ähnlicher Weise gravirten Figuren.
Yechten Hang d nackte, weibliche Figur dar, mit einem Apfel in der
bewaffneten à neben einem Altar stehend, welche vor einer bekleideten,
"nd behelmten, weiblichen Figur steht, vielleicht eine Venus
31
2|
INGVALD UNDSET:
vor einer Dea Roma*). Die Bilder der zwei Menschenköpfe in den vier-
eckigen Feldern erinnern an das Gepräge byzantinischer Münzen und
überhaupt an die spáteste antike Kunst.
Die drei letztgenannten Stücke sind in der Provineia di Roma
zusammen gefunden worden.
Ein kleiner Riemenendbeschlag von Bronze, der sehr an Fig. 27 aus
dem Kircheriano erinnert.
Eine kleine, einfache, gleicharmige Fibula von Bronze ohne Ornamente.
Eine kleine gleicharmige Fibula ohne Ornamente.
Eine Fibula von Bronze, von geringer Grösse und von dem gewöhnlichen
Typus der Völkerwanderungszeit, vorn als ein Thierkopf endend, hinten
mit kleinen rundlichen Knöpfen um die halbrunde Endplatte; das Stück
zeigt Spuren von Vergoldung über das Ganze.
Zwei Riemenendbeschläge von Silher, wie mit Flechtwerk ornamentirt.
Fragment einer schönen, silbernen Fibula, ornamentirt mit Ver-
goldung und zerhackten Thierverschlingungen, vorn abgebrochen, an allen
erhabenen Linien niellirt; um den Bügel geht ein dicker, kôrniger Silber-
draht (Fig. 38).
Fig. 39.
Fig. 38.
Fragment einer Fibula, die vorn in einen Thierkopf endet und weiter
zurück am Bügel mit einem menschlichen Gesichte en face ornamentirt
ist (Fig. 39); hinter dem Bügel und dem Gesichte ist das Stück ganz un-
vollständig.
^ 1) Vergl. eine Abhandlung von Klügmann, L'effigie di Roma mei tipi monetarii
piu antichi, Roma 1879, 8. mit Tafel.
39
Alterthümer der Völkerwanderungszeit in Italien. 33
Zwei Schnallen mit in Cloisons eingelegten Granaten und Glasflüssen,
die eine rund, die andere mit viereckiger Hinterplatte.
Zwei kleine S-fórmige Thierkopf-Fibeln, ornamentirt mit Granaten
oder Glasflüssen in Cloisons am Thierriicken.
Zwei schöne, goldene Ohrringe im Style der Vólkerwanderungszeit,
Mit gefassten Granaten u. s. w.
Fragment, das Hinterstück einer Schnalle (etwa wie Fig. 22 aus dem
Kircheriano), mit eingekerbten Ornamenten im Style der Vôlkerwanderungs-
Zeit.
Eine Fibula, die vorn als ein Kopf en face ausláuft; um die halb-
runde Hinterplatte fehlt der Besatz.
Eine andere ähnliche Fibula, vorn in zwei, nach einander gestellte,
kleine, runde Platten auslaufend; die halbrunde Hinterplatte ist von
fünf Knöpfen umgeben.
Viterbo, Collezione Faleioni. Zwei Sehnallen in Formen der
Vólkerwanderungszeit; in der Sammlung sind sie beide als ,langobardisch*
bezeichnet. Hinter der eigentlichen Schnalle finden sieh an beiden Exem-
Plaren làngliche Platten, an deren Unterseite der Gürtel durch Nägel
befestigt war. Die eine ist etwas fragmentarisch; beide sind in der Gegend
Von Viterbo gefunden.
Chiusi, Museo municipale. Nr. 498—498, fünf zweischneidige
Schwertklingen von Eisen, der gewöhnlichen Form der Völkerwanderungs-
Zeit angehörend, mit halbrunder Vertiefung in der Mitte beider Seiten
längs der Klinge. Eine einschneidige Schwertklinge von der gewöhnlichen
Form derselben Epoche. Eine einschneidige Dolehklinge, oder vielleicht
COrrecter ein sehr kurzes Schwert oder grosses Messer.
Collezione Paolozzi. Zwei grosse Sehildbuckel von Eisen, mit
Nügeln mit grossen, platten, runden Bronzekópfen am breiten, unteren
Rande; die Köpfe der Nägel sind mit goldenen, ornamentirten Platten
belegt. Ein dritter ähnlicher Schildbuckel ist einfacher.
Reicher Grabfund dieser Periode von goldenen und vergoldeten
Schmucksachen; der nach dem französischen Nationalmuseum der
Alterthümer in St. Germain-en-Laye’) gekommen ist”). Der Fund
enthält 6 grôssere und 11 kleinere goldene Beschläge zu Riemenenden,
alle an einem Ende abgerundet (Fig. 40— 45); ausserdem 2 Kreuze von
Zlemlich dickem Goldblech mit umgebogenen Rändern und mit auf der
Unterseite angelôtheten Oehsen, durch welche scheinbar ein Riemen oder
© anderer, ähnlicher Gegenstand gezogen war (Fig. 46 und 47); diese
Kreuze sind von denen, die von Hrn. P. Orsi in der oben citirten Abhand-
lung behandelt worden sind, gänzlich verschieden. Die Riemenbeschläge
a es Hrn. À. Bertrand, de l’Institut français, zu verdanken, dass ich diese
en Sachen abbilden konnte.
2) Vergl eine Notiz in der Revue archéologique, zième Série, I. pag. 121.
Zeitschrift für Ethnologie. Jahrg. 1891. 3
34
INGVALD UNDSET:
Fig. 42. io, 43,
Fig. 40. Fig. 41. |
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Fig. 44. Fig. 45.
Fig. 46. Fig. 47.
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Alterthümer der Völkerwanderungszeit in Italien. 35
und mehrere der anderen Sachen zeigen vertiefte Arbeit, wohl zur In-
crustirung mit Granaten oder Glasfluss-Stücken; Reste einer dunklen
Masse sind auch.an einigen der Stücke erhalten, sie diente wohl zum Fest-
halten der Steine. Ferner enthält der Fund mehrere kleine Schnallen von
Gold (z. B. Fig. 48 und 49) u.s. w. Von dem Inhalte des Fundes sind
am bemerkenswerthesten ein jochfórmiges Stück (Fig. 50), wie von zwei
fliegenden Vogeln getragen, und zwei Thierfiguren (Fig. 51), kauernde
Thiere darstellend, welche gegen einander gewendet sind; sie ruhen auf
ihren Füssen und die Schwänze gehen frei nach hinten aus. Es waren
diese Stücke vielleicht als Beschläge oder Ornamente an einem Helme
angebracht. Ausserdem enthält der Fund eine bronzene Schale mit zwei
Tragehenkeln und mit durchbrochenem Fuss. Ein Stück von einem Pferde-
gebiss von Eisen und ein Eisenschwert, die auch dem Funde angehörten,
wurden von dem Museum nicht erworben. Der Verkäufer der Sachen
Wollte den Fundort nicht genau angeben; wahrscheinlich ist dieser Fund
jedoch identisch mit dem von Hrn. P. Orsi in der Note pag. 372 in der
öfter citirten Abhandlung erwähnten, der etwas nördlich von der Stadt
Chiusi, an einer Stelle, l’Arcisa genannt, gehoben wurde, wo eine kleine,
Yor mehreren Jahrhunderten verfallene Kirche gelegen haben soll. Der
Fund soll auch, heisst es hier, ein Schwert mit Schwertscheide von Gold,
einen Dolch mit goldenem Handgriff, Fibeln, einen Ring und ein Siegel
von Gold, einen Schildbuckel, mit vergoldeten Nägeln garnirt, und einen
Helm mit goldener Incrustation enthalten haben (Fig. 52).
Noch will ich hier einen ähnlichen Fund er-
Fig. 58. wühnen, der im Jahre 1876 in der englischen Zeitschrift
The Archeological Journal, vol. XXXII. pag. 103 if,
mit 3 Tafeln, erwähnt wurde. Er enthält reiche
Reste eines Schwertes, mehrere Schnallen, Riemen-
beschläge und einfache Goldkreuze, auch ein kleines
sattelförmiges, goldenes Beschlagstück, wie zwei in
dem letztgenannten Funde zu St. Germain (Fig. 58).
Siena, Sammlung des Hrn. Marchese Chigi.
Ein Beschlagstück zu einem Gürtel oder zu einer
Schwertscheide, ähnlich wie Fig. 25 aus dem Museo
Kircheriano, sicherlich in der Gegend um Siena gefunden.
; Cortona. Museo municipale. Eine Schnalle von Bronze mit läng-
lich - dreieckigem Hinterstück, als bei Iste gefunden bezeichnet.
Perugia. Gabinetto Guardabassi, mit dem etruskischen Museum
der Universität vereinigt. Eine kleine Fibula der Völkerwanderungszeit,
2m vorderen Ende mit zwei Flügeln decorirt und mit drei Knöpfen an
der halbrunden Hinterplatte. Ein Schildbuckel von Eisen mit Kinkerbung
Oberhalb des grossen, breiten, ausplattirten unteren Randes. Schóne, ver-
goldete, silberne Fibula; kleine, gleicharmige desgleichen; einige Gürtel-
. INGvALD UNDSET:
schnallen (vergl. die Abbildungen in Notizie degli scavi 1880. Tav. ID.
Viele Gürtelbeschläge; 11 runde, vergoldete Bronzeknópfe, die auf Eisen
befestigt gewesen sind; ein Endbeschlag mit halbrundem Ende, der eben-
falls vergoldet war.
Collezione des Hrn. Prof. Bellucci. Mehrere kleine und zum Theil
fragmentarische Bronzen, die aus dieser Zeit stammen und von Gürtel-
schnallen, Riemenbeschlügen u.s. w. herrühren; sie sind bei Fojano,
Castione del lago und an anderen Orten in der Gegend von Chiusi
gefunden. Ein Paar gróssere Fragmente von Gürtelbeschlágen dieser Zeit,
die in der Gegend von Perugia gefunden worden sind.
Firenze, Museo archeologico. Einige eiserne Speerspitzen von
Formen der Vôlkerwanderungszeit; eine zweischneidige und eine ein-
schneidige Schwertklinge, an der ersteren sind Reste von der Holzscheide
sichtbar; ein eiserner Beschlag zu einer Schildhandhabe von einer Form,
welche dieselbe Zeit bekundet. Eine Gürtelschnalle von Bronze mit drei-
eckigem Hinterstück.
Volterra, Museo nazionale. Ein Armring von Bronze mit kolben-
fórmigen Enden, als Nr. 389 bezeichnet. Eine zweischneidige und zwei
einschneidige Schwertklingen, die bestimmt die Formen der Völkerwande-
rungszeit zeigen und mit Nr. 800— 802 bezeichnet sind; sicherlich bekunden
sie ein Grabfeld aus dieser Zeit, das sich irgendwo in der Nähe befindet.
Bei Hrn. Manetti, der mit Alterthümern handelt, sah ich auch
mehrere kleinere Bronzesachen dieser Zeit, Schnallen, Riemenbeschläge
u. s. w., die in der Gegend um Volterra gefunden waren.
Grosseto, Museo municipale. Drei Armringe von Bronze mit
kolbenfórmigen Enden. Eine einschneidige Schwertklinge und mehrere
Speerspitzen, ebenfalls von Eisen, die auch ohne Zweifel dieser Zeit an-
gehören und die in der Gegend um Grosseto gefunden sind. —
Wie ich schon in der Einleitung gesagt habe, kann hier aus mehreren
Gründen eine archäologische Behandlung der Frage nicht vorgenommen
werden, was speciell langobardischer Styl in der Ornamentik gewesen
ist, was dieses Volk von anderen germanischen Stylarten und aus der
Erbschaft der classischen Zeit entlehnt hat, und wie dieses Volk es
zum eigenen Besitzthum umgebildet und verarbeitet hat. Ebenso wenig
kann hier genauer ausgeschieden werden, was den Gothen oder anderen
germanischen Völkern zugetheilt werden muss. Das muss alles der Zu-
kunft vorbehalten bleiben, wo man alle diese Fragen ganz anders über-
blicken und viel vollständigere Material- Kenntnisse besitzen wird. Zudem
weiss man ja von all’ den besprochenen Sachen gar nicht, wo sie gefunden
sind; namentlich gilt diese Bemerkung von den vielen Sachen im Museo
Kircheriano in Rom aus altem Bestande, die vor Jahrhunderten dem
36
Alterthümer der Völkerwanderungszeit in Italien. 37
Museum zugekommen sind. Mehrere von diesen Sachen sind einigen, nörd-
lich der Alpen, im Rheinthale und anderswo gefundenen so ähnlich, dass
Man an eine Herkunft aus viel weiter
Mördlichen Ländern denken muss. Ich Fig. 94.
Verweise nur auf die Abbildungen in qu NM.
Lindenschmit Handbuch der deut- | Vm e Em mA
? ws cy =
schen Alterthumskunde, I. (Braun- T 7
Schweig 188089) Fig. 294 u. 362—65. — Bi
Fig. 294 ist nebenstehend als Fig. 54
Viederho]t: es wurde dies Stück auf
“mem fränkischen Gräberfelde in
Worms gefunden. Die abgebildeten
Sachen aus dem Museo Kircheriano
“igen denselben Ornamentstyl, wie
die von nordalpinen Fundorten an- |
geführten: es liegt also der Zweifel ki uo 087
nahe, dass diese rómischen Sachen
Ticht in Ttalien gefunden sind. Weiss man ja, dass diese Antikensammlung
om Jesuiten - Collegium in Rom manche Stücke aus fremden Ländern, wo
Jesuiton missionirten, empfangen hat, wie ich es in dieser Zeitschrift 1886.
4 hervorgehoben habe in Betreff einiger, in demselben Museum auf-
bewährter nordischer Bronzen. Dass die hier aus dem Kircheriano ab-
Sebildeten Sachen der Völkerwanderungszeit möglicherweise im Süden ge-
finden sind, kann man nicht ohne weiteres verneinen; ich führe hier zum
Vergleich einige Sachen ganz ähnlichen Styls an, die sicher auf der Balkan-
halbingel gefunden worden sind, nehmlich Fig. 55—58 aus dem Museum
Fig. 56.
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JIN:
A Fig. 51.
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Fig. 58. Creme AT
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Ë
38 INavarLD UwpsmT: Alterthümer der Vólkerwanderungszeit in Italien,
zu Ágram in Kroatien. Diese Sachen sind, wenigstens die meisten, in der
alten Stadt Sisek gefunden. Jedem Beobachter wird die Stylverwand-
schaft mit den besprochenen Sachen aus Italien und aus dem Rheinthale
sofort in die Augen springen.
Aber wir wissen ja, dass in der Vélkerwanderungszeit die Volker-
schwürme hin- und hergezogen sind; somit können sie dieselben Sachen
und denselben Styl nach den verschiedensten Gegenden gebracht haben.
Dies Alles herauszufinden und zu klären, was dem einzelnen Volke oder
der einzelnen Zeit eigen ist, muss der Zukunft vorbehalten bleiben.
Vorläufig müssen wir uns darauf beschränken, das Material zu sammeln
und es zu veröffentlichen; die genauere Durcharbeitung wird erst nach
und nach folgen können.
Besprechungen.
Ka . ,
" Schumacher. Beschreibung der Sammlung antiker Bronzen. Gross-
po Sliche Vereinigte Sammlungen zu Karlsruhe. Karlsruhe, J. Biele-
oy 1890. gr. 8. 231 8. mit 13 Lichtdruck- und 16 zinkographischen
afeln und zahlreichen Abbildungen im Text.
Ses Schon durch die trefflichen Publikationen des Hrn. E. Wagner sehr bekannte
Besch ung antiker Bronzen zu Karlsruhe wird hier in ciner vollständigen Aufzählung und
Von 8: unter Zufügung aller vorhandenen Nachrichten und literarischen Hinweise,
(8.9 "ud Ein kunstgeschichtliches Register der wichtigeren Gegenstände ist am Schlusse
nur ) beigebracht. Es geht daraus hervor, dass die Mehrzahl der Stücke italischen,
Period 8? griechischen Ursprunges sind; die ersteren umfassen die verschiedensten
Sriechie. bis zu der römischen, doch sind unter ihnen die älteren, hier als unteritalisch-
Stück sch bezeichneten und die etruskischen Funde vorwiegend. Nicht wenige dieser
Gegen sind von hohem archäologischem Werthe. Die Beschreibung selbst ist nach den
So en geordnet, so dass zuerst die Hausgeräthe (Nr. 1—691), darunter auch die
(Nr "T und Toilettensachen, sodann die Gerüthe für besondere Stände und Zwecke
und U —840), daruuter die Waffen, das Pferde- und Wagengerüth, darauf „Verschiedenes
fre Stimmbares“ (Nr.841— 998) aufgeführt werden. Den Schluss bilden die Rund-
(Ns, 10 und zwar Gótter, Heroen und Menschen (Nr. 999—1014), sowie Thiere
(von 30), Die Ausstattung ist durchweg sehr sauber und solid, die Zeichnungen
(XVm Tn. M. Dietz) scharf und dem Anschein nach genau, die Lichtdrucktafeln
und 4, EXVIII, aus der Anstalt des Hrn. J. Schober) auch im Einzelnen gut erkennbar
2 plastischer. Wirkung. Rud. Virchow.
Arch .
wi gical Survey of India. The Sharqi - Architecture of Jaunpur;
1 .
ve 1 notes on Zafarabad, Sahet-Mahet and other places im the north-
ar em provinees and Oudh by A. Führer Ph. D., with drawings and
C . ge . . :
Cal tectural descriptions by Ed. W. Smith, edited by Jas. Burgess.
prata 1889. Mit 74 Tafeln.
Welcher " ue Serie der Publicationen des Archaeological Survey beginnt mit einem Bande,
Dschaun i muhammedanisch -indischen Styl von Dschaunpur behandelt. Die. Stadt
flusso, e im gleichnamigen District der Nordwestprovinzen an der Nordseite des Gümti-
Stadt ^ $8en, war vom Ausgange des 14. J ahrhunderts an etwa 100 Jahre lang die Haupt-
Ihren frühe. Malik Sarwar Khwádscha (1394) gegründeten Shargi-Dynastie, welche mit
Kaiser B xia. Herren, den Kaisern von Dilli, um die Oberherrschaft rang, bis dem
Reiches - 1 l im Jahre 1418 die Eroberung der Stadt und damit die Unterwerfung des
Kosten e ang. Die Stadt, deren Kern das auf buddhistischen Ruinenstädten und auf
bauten de Hindübauten (um 1360) angelegte Fort des Firuz bildet, ist durch die Pracht-
Masdschiq, Lnsrdi- Dynastie ausgezeichnet. Es sind dies besonders die Moscheen Atâla
Darwaza M "i von Ibráhim Sultàn aus den Steinen eines Hindütempels erbaut; die Läl
Dsehá; prog chi von Bibi Radschi, der Gattin des Mahmid, um 1450 erbaut, und die
der Niedeyl, Schid, ausgebaut von dem letzten Sharqi-Herrscher, welchen Bahlol nach
kommt noch di Yon 1478 auf dem Throne gelassen hatte. Zu diesen Moscheebauten
? berühmte sechszehnbogige Brücke über die Gürnti, welche 7129 englische
. Besprechungen.
Fuss Spannweite hat und von dem Mughal-Gouverneur Munim khán 1568 erbaut ist. Diese
Bauten werden ausführlich beschrieben und abgebildet und ihre Inschriften publicirt. Von
besonderem Interesse aber sind die letzten Seiten des Buches. In der Nähe von Dschaunpur
liegen nehmlich die Ruinenfelder, welche heute Sahet- Mahet heissen und nach General
Cunningham’s Annahme die Stelle der alten Stadt Crävästi, des Savatthi der budd-
hitsischen Zeit, einnehmen. Der Boden aber ist fast unberührt und kann, wie Dr. Alois
Führer sich äussert, reiches Material von buddhistischen und dschainistischen Alterthümern
bergen. Hr. Führer publicirt eine Inschrift, welche Dr. Hoey auf seiner Tour 1884/85
gefunden hat und welche jetzt im Provinzial-Museum zu Lakhnau aufbewahrt wird, welche
beweist, dass noch um 1219 der Buddhismus im Lande war, und welche andererseits merk-
würdig ist dadurch, dass sie das Hindü-Königthum von Kanaudsch (Kanyäkubdschä) als
noch bestehend erwähnt, welches Reich thatsächlich durch den Sieg des Shähab-ud-din
über Dschai Tschhand 1193 in den Händen der Muhammedaner war. Das in der Nähe
von Dschaunpur liegende Bhüila Tal hatte Mr. Carlleyle mit dem Heimathsorte des
Gautama Buddha, Kapilavastu, gleichgesetzt. Hr. Führer macht nun alle Gründe des
Mr. Carlleyle hinfällig, und kann ich dabei nicht umhin, den Leser besonders auf den
sub Nr. 3, S. 69 erwähnten unerhörten Vorgang hinzuweisen. Grünwedel.
Brehm's Tierleben. Dritte günzlich umgearbeitete Auflage von Pechuel-
Loesche. Sáugetiere. Bd. IL. Leipzig und Wien, Bibliogr. Institut, 1890.
gr. 8. 708 S. mit 19 Tafeln und zahlreichen Abbildungen im Text.
In rascher Folge ist von der vorzüglich ausgestatteten neuen Auflage der zweite
Band erschienen. Derselbe umfasst den Schluss der Raubthiere, die Robben, die Insec-
tivora, die Nager und die Edentaten. Für die Anthropologen wird stets das in grosser
Ausführlichkeit und mit sichtlicher Vorliebe gearbeitete Kapitel über die Haushunde
besonders anziehend bleiben. Jeder, der einst einen Hund geliebt, wird gerne die Erinne-
rung an seinen treuen Geführten erneuern; jeder, der die Bedeutung des Hundes für die
Culturgeschichte des Menschen sich vergegenwürtigen will wird hier, aus der frischen
Gegenwart heraus, aus den Schilderungen der Hunde der Wilden und der verwilderten
Hunde selbst, eine Fülle von Erklärungen für das Leben in vor- und frühgeschichtlicher
Zeit gewinnen. Wie der Ref. stolz ist auf das Lob seines heimathlichen Hundes, des
guten Spitz (Canis pomeranus), der jetzt freilich auch in seinem Vaterlande immer seltener
wird, so wird auch jeder andere Leser eine Rasse entdecken, die ihm vorzugsweise gefallen
hat. Diesen vielen Hundefreunden wäre es num freilich zu gönnen, dass ein wenig mehr
auf die physischen Beschaffenheiten der einzelnen Rassen eingegangen würde. Aber das
ist nicht die starke Seite des Buches. Bei anderen Thieren erhält man wohl zuweilen ein
Bild ihres Skelets, aber es fehlt meist die genauere Erläuterung. Wie viel für das Ver-
ständniss des Hundes würde gewonnen werden, wenn die Anatomie seiner Nase gegeben
würde, und wie leicht würde das Wesen des Bulldog-Kopfes in seiner pathologischen
Bedeutung begriffen werden, wenn der Unterschied seiner Nase von der eines Jagdhundes
zur Anschauung käme! Brehm liebte es, schwierige Probleme durch einen Machtspruch
zu lösen. Für ihn war es zweifellos, dass der Dingo ein verwilderter Haushund sei, aber
die Untersuchung, ob es fossile Knochen des Dingo giebt oder ob man sich in dieser
Annahme getäuscht hat, berührt er nur mit-einem Worte. In solchen Stücken sollten
die neuen Bearbeiter ein wenig über die Grenzlinie, die sich der ursprüngliche Verfasser
gesteckt hatte, hinausgehen. Rud. Virchow.
40
I, ‘à ; m
ZEITSCHRIFT
FÜR
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Organ der Berliner Gesellschaft
Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.
Redactions- Commission:
A. Bastian, R. Hartmann, R. Virchow, A. Voss.
Dreiundzwanzigster Jahrgang. 1891. — Heft II.
BERLIN.
VERLAG VON A. ASHER & Co.
nin
189].
Es wird gebeten, Geldsendungen für die Berliner anthropologische Gesellschaft, ins“
besondere Beitráge der Mitglieder, an den Schatzmeister, Hrn. Banquier W. Ritter, SW.
Charlottenstrasse 74/75, dagegen an das Bureau der Gesellschaft, SW. Kôniggrätzer-
strasse 120, im Kgl. Museum für Völkerkunde, alle anderen geschäftlichen Mittheilungen
zu adressiren, z. B. Anmeldungen neuer Mitglieder, Adressenveränderungen, Reclama-
tionen (wegen nicht erhaltener Hefte der Zeitschrift oder Nummern des Correspondenzblattes,
der Einladungen zu den Sitzungen, der für die correspondirenden Mitglieder bestimmte?
Sitzungsherichte oder der Sonderabziige von Mittheilungen), Zusendungen an die Bibliothek
der Gesellschaft, Correspondenz, betreffend Austausch von Zeitschriften u. A.
Bei Anmeldung neuer Mitglieder ist ausser Angabe der Wohnung auch die Angabe des
Vornamens wünschenswerth und behufs Vermeidung von Irrthümern auf correcte Schrei”
bung der Zunamen zu achten. Letzteres gilt auch fiir die Anzeige von Adressenverinderungen:
Nur diejenigen Reclamationen wegen fehlender Hefte oder Nummern von Schriften
welche sogleich nach Eingang der nüchstfolgenden Nummer angebracht werden, könne?
mit Sicherheit erledigt werden.
Inhalt.
Seite
IH. Gedàáchtnissfeier für Heinrich Schliemann , 42
Anhang: Rede zur Bewillkommnung Schliemann’s als Ehrenbürger
Berlins, gehalten 1881 von Rudolf Virchow. . . . 6
IV. Ethnologie und Ethik. Von Dr. Ths. Achelis zu Bremen . . 6
Besprechungen:
Heinrich Schliemann, Bericht über die Ausgrabungen in Troja im Jahre 1890
Leipzig 1891. 8. 78. — Daniel C. Brinton, Races and peoples. New York 1890. T
American Race. New York 1891. S. 79. — E. Handtmann, Was auf deutscher Hai
spriesst. Berlin. S. 80.
Verhandlungen der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichté-
Ausserordentliche Sitzung vom 10. Januar 1891. (Schluss. Amazonen des König?
von Dahome. Rob. Hartmann (Schluss) S. 65. — Die Steinzeit der Lausitz e
ihre Beziehungen zu der Steinzeit anderer Länder Europas, insbesondere 5
hornfôrmigen durchbohrten Henkel und das Lochornament. (7 Zinkogr.) A. VO p
S. T1. — Haarzopf aus einem römischen Bleisarkophag von Cóln. Voss S. 79. 4
Bronzefund von Tangendorf, West-Priegnitz. Voss S. (9. — Bronzenachgüsse ^je
den Müncheberger Gussformen. Voss S. 80. — Werk des Hrn. Munro über
Seebauten in Europa Voss S. 80. — Eingegangene Schriften S. 80.
^
Sitzung vom 17. Januar 1891. Wahl des Ausschusses. S. 81. — Mitglieder. S. 8L go”
Gedächtnissfeier für Schliemann S. 81. — Verzierter Nephrit-Ring von Erbil, Mes,
potamien. (3 Zinkogr.) Blas, R.Virchow S.81. Bartels, Ehrenreich, G. Frits yy
H. Weiss 8.82. — Fórderung der ethnologischen Untersuchungen in Indien. Riot,
S. 83. Virchow 8.85. — Ansiedelung der Steinzeit im Gebiete der Stadt Wers® sch
Ungarn. (41 Zinkogr.) F. Millecker S.85. — Alte Ansiedelung in der’ Flur Ludo,
bei Werschetz. (4 Zinkogr) Millecker S. 94. — Zur Vorgeschichte der Obst# sg,
der alten Welt. G. Buschan S. 97. — Algorrobe-Kuchen von Salta, Argent” er
F. Kramer, R. Virchow S. 109. — Javanische Photographien. A. Baes® pts
S. 110. — Diskussion über die Amazonen von Dahome: Hóhenzahl des Kórperge ow,
der ,Amazonen* und Krieger. Mies S. 110. Herkunft der ,Amazonen*, R. Vir er?
L. Fischer, G. Fritsch S. 113. — Sechsfingrige Hand eines Antillen- Neg.
R. Virchow S 114. — Altmexikanischer Federsehmuck und militárische, ^ jt
abzeichen. (96 Zinkogr) E. Seler S. 114. Deutung des in Wien verwahrt?? 155
mexikanischen Federschmucks. (6 Zinkogr) M. Uhle S. 144. E. Seler “sche
— Zur mexikanischen Chronologie mit besonderer Berücksichtigung des zapotek2!!
Kalenders. E. Seler S. 156. — Eingegangene Schriften S. 156. diche
Ausserordentliche Sitzung vom 14. Februar 1891. Correspondirende und order cial
Mitglieder. S. 157. — Fr. Schwatka f S. 157. — 18. Jahresbericht des Pop, ggen
vereins für Wissenschaft und Kunst. Unterrichtsminister S. 157. — Ausgr vord®
und Untersuchungen bei Ehestorf, Kr. Zeven, und bei Anderlingen, Kr Brothisch?
Hannover. F. Tewes 8. 157. — Photographische Aufnahmen der mess ationaler
Monumente der Altmark. Unterrichtsminister S. 158. — IX. Int?" Gongre?
Orientalisten- Congress zu London. S. 158. — V. Internationaler Geolog® gs.)
(Fortsetzung auf der dritten Seite des Um$
zu Washington. S. 158. — Ethnologische Reise an die pacifische Küste von Nord-
america. JF. Boas S. 158. — Felsenzeiehnung von Vancouver Island. (Zinkogr.)
F. Boas S. 160. — Sagen der Kootenay. F. Boas S. 161. — Aleuten-Skelette.
O. Herz S. 172. — Ethnologisches aus Malacca. Vaughan Stevens S. 172. —
Zur Aechtheit der máhrischen Diluvialfunde. Ma&ka S. 173.
Nachrichten über deutsche Alterthumsfunde. Nr. 2.
Bibliographische Uebersicht über deutsche Alterthumsfunde im Jahre 1890. (Schluss.)
8.17. — Das Griiherfeld von Kossewen, Kreis Sensburg, Ostpreussen. S. 20. — Sammlung
in Uetersen bei Hamburg. S. 28. — Ausgrabungen im Kreise Obornik, Posen. S. 29. —
Fund von arabischem Silber bei Pinnow, Vorpommern. S. 31. — Merowingische und
römische Gräber bei Ehrang, Trier. S. 31. — Römische Funde bei Miltenberg. S. 31. —
Bohlweg bei Damme, Hannover. S. 92. — Urnenfunde bei Gerwisch in der Nähe von
Burg bei Magdeburg. S. 32.
Verlag von A. ASHER & Co. in Berlin W., Unter den Linden 13.
nach den im Besitze
des Museums für Völkerkunde zu Leipzig
befindlichen Sammlungen
von
A. Stübel, W. Rei G. Koppel
. Stiibel, W. Reiss una G. Koppel.
Mit Text und Beschreibung der Tafeln
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Preis 900 Mark.
In unserm Verlage erscheinen seit 1890 als
Ergänzungsblätter der Zeitschrift für Ethnologie:
Nachrichten über deutsche Alterthumsfunde.
Mit Unterstützung
des Künigl Preussischen Ministeriums der geistlichen, Unterrichts
und Medicinal - Angelegenheiten
herausgegeben
von der
Berliner Gesellschaft fiir Anthropologie, Ethnologie
und Urgeschichte
unter Redaktion von
R. Virchow una A. Voss.
Jährlich werden sechs Hefte ausgegeben.
Die „Nachrichten für deutsche Alterthumsfunde“ werden den Mit
gliedern der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie "UP m
Urgeschichte gratis geliefert, im Übrigen sind sie im Buchhandel zu
Abonnementspreise von
3 Mark für den Jahrgang
zu beziehen.
Unter den Linden 13
Berlin W. À. Asher & Co.
Druck von Gebr. Unger in Berlin, Schónebergerstrassé 17a.
III.
YXk
Gedächtnissfeler
tr
in m Sonntage, den 1. März 1891, hatte das Berlinische Rathhaus sich
bre elerlichen Schmuck gehüll. Die Eingangshalle und die grosse Frei-
bes waren in üppiger Fülle mit exotischen Sträuchern und Bäumen
dio In dem Festsaale umgab eine prächtige Wand lebender Gewächse
mod ednerbühne und über derselben die von dem Bildhauer Hrn. Grüttner
Odellirte Büste des
verstorbenen Ehrenbürgers der Stadt Berlin,
HEINRICH SCHLIEMANN.
Pre Kine grosse Trauer-Versammlung, — in ihrer Mitte der langjährige
in. des Dahingeschiedenen, S. H. der Erbprinz von Meiningen und Mit-
Saal er der Reichs- und Staatsbehorden, — füllte die weiten Räume des
und °8. Die Einladungen waren ergangen Namens der städtischen Behörden
E der anthropologischen, der archäologischen und der Gesellschaft für
rdkunde,
des pad nach 12 Uhr erklangen von der Galerie die feierlichen Klänge
der py ches aus den „Ruinen von Athen“ von Beethoven, ausgeführt von
Her, läserklasse der Königlichen Hochschule für Musik unter Leitung des
i Kammermusieus Kossleck.
v. p M Auftrage des erkrankten Oberbürgermeisters der Stadt, Herrn
Ves, enbeck, hatte der Stadtschulrath Hr. Bertram die Begrüssung der
ätımlung übernommen. Er that es in folgenden Worten:
Hochgeehrte Versammlung!
Mann 7. Juli 1881 sprach in diesem Saale Heinrich Schliemann. Der
der vim voll zu bewundern die kritischen Deutschen bis dahin nur um
Ung; Underbarkeit seines Erfolges willen gezógert hatten, er war der
Degen geworden. Homer, so sagte er, hatte ihn zu seinem Lebenswerk
sprack, ort, Homer ihn dem Vaterlande zurückgegeben. — Nun ist der
Zeuge enreiche Mund verstummt und der Spaten ruht, der die greifbaren
tum D einer Vorzeit aufdeckte, auf der der Menschheit schónste Dich-
5 ruht.
eltschrift für Ethnologie, Jahrg. 1891.
Gedächtnissfeier für Heinrich Schliemann.
Aus der Trauer um den Abgeschiedenen leitet zur tröstlichen Empfin-
dung des über den Tod Erhabenen die Erinnerung an das weithin Wir-
kende, das dem verehrten Manne gelungen ist, an das Unvergängliche
in den edlen Zügen seines Lebens.
Dass die drei grossen gelehrten Gesellschaften Berlins, die ihre Auf-
gaben dureh Sehliemann's Entdeckungen gefórdert sahen, sich heute hier
zu einer Gedüchtnissfeier für unseren Ehrenbürger vereinigt haben, dafür
im Namen beider Gemeindebehórden herzlich zu danken, ist zu seinem
Leidwesen der Herr Oberbürgermeister durch ein widriges Geschick ver-
hindert.
Dem Danke, den ich in seinem Auftrage ausspreche, darf ich da nur
ein kurzes Wort hinzufügen, wo die Kundigsten unter den Männern der
Wissenschaft des grossen Todten Verdienste würdigen, wo Schliemann’s
Odyssee von demjenigen seiner berühmten Freunde erzählt wird, der ihn
uns zuführte.
Seine Sammlung trojanischer Alterthümer schenkte Heinrich Schlie-
mann dem Deutschen Reiche zu ewigem Besitz und ungetrennter Auf-
stellung in der Reichshauptstadt. In den Sälen des Museums für Vôlker-.
kunde hat er mit eigener Hand die Schätze geordnet, die zu uns reden
von Priamos Geschlecht. Sie reden mehr. Sie reden von einem deutschen
Manne, der glaubensstark und unermüdlich den erworbenen Reichthum
der Wissenschaft, den wissenschaftlichen Fund dem Vaterlande weihte.
Unter deutschen Kaufleuten bahnbrechende Entdecker, in unserem Rath-
hause die Verehrung wissenschaftlicher Heroen, davon soll Heinrich Schlie-
mann’s, soll Leopold Ranke’s Büste künden, und so trete denn des ewig
Unsrigen Bild vor unsere Seelen,
"Enei uéya yáguo vóAeu vv novit TE du.
Die Gedächtnissrede hielt der Vorsitzende der anthropologischen Gesell-
schaft, Hr. Rudolf Virchow:
Es ist heute das zweite Mal, dass eine so grosse Versammlung diese
weiten Räume füllt, um Heinrich Schliemann zu feiern. Zum ersten Male
geschah es vor nunmehr bald 10 Jahren, als die Behörden dieser Stadt
ihn unter die kleine Zahl ihrer Ehrenbürger aufgenommen hatten. Damals
war er selbst gekommen, begleitet von der herrlichen Frau, der Gefährtin
seiner Arbeiten und seines Strebens, um sich unter seinen neuen Mit-
bürgern heimisch zu machen und allen denen Dank zu sagen, die an seiner
Wiedereinsetzung in das deutsche Heimathrecht mitgewirkt hatten.
Wie vieler Tage und Jahre Kummer wurde durch jenes Fest von 1881
ausgeglichen! Schliemann war kein Freund lauter Freudenbezeugungen,
aber jeder sah es seiner zufriedenen Miene an, wie tief er die ent-
scheidende Wendung empfand, die ihn, den halben Fremdling, wieder
49
Gedächtnissfeier für Heinrich Schliemann. 43
an die Mitte seiner Landsleute stellte, ja die ihm die beglückende
Schur Sun gab, dass er, den man eben noch als einen thórichten
des armer verspottet hatte, nunmehr als ernster Forscher, als Mehrer
nationalen Ruhmes im Vaterlande geachtet und geehrt werden solle.
Jün Si Jahre waren verflossen, seitdem er, damals ein 19jähriger
14 a das Vaterland und die Seinen verlassen hatte. Schon mit
eie, war er genóthigt gewesen, die Hoffnung auf eine gelehrte Scbul-
loser xs aufzugeben. In der niedrigen Beschäftigung eines aussichts-
ber aufmannslehrlings in der kleinen meklenburgischen Stadt Fürsten-
m porem sogar seine kindlichen Tráume von einer Wiederauffindung
steht, ten homerischen Konigsburg erblasst. Und als sich endlich heraus-
nicht : dass sein Körper die schweren Leistungén, die sein Beruf verlangte,
Gofal zu erfüllen vermochte, als wiederholte Anfälle von Bluthusten die
je 7 seiner Lage nur zu deutlich enthüllten, da entschloss er sich mit
alte wa, Sieht die ihn in keiner Lage des Lebens je verlassen hat, die
dem elt, die ihm so wenig geboten hatte, zu verlassen und drüben, in
milden Klima von Venezuela, Gesundheit und lohnende Stellung auf-
Züsuchen.
Das ue „die Götter“, wie er zu sagen pflegte, hatten es anders bestimmt.
noch sine Handelsschiff, auf dem er die Ueberfahrt machen wollte, hatte
être ent die Nordsee verlassen, als Poseidon einen gewaltigen Sturm
"m . Als Schiffbriichiger ward er, wie Odysseus, auf die Küste
Zeit Fen. Fast mittellos kam er in Amsterdam an. So begann die lange
aber Seines Exils, welches ihn mehr und mehr dem Vaterlande entfremdete,
Sting en in demselben Maasse, als er nur auf sich selbst gestellt war,
Fest; ráfte entwickelte und ihn schnell zu einem Manne von seltenster
\gkeit der Individualität heranreifen liess.
Han de gewôhnlicher Laufbursche in einem der grossen Amsterdamer
Mons shäuser nahm er den Kampf um das Dasein auf. Wie wenige
Unio. unter gleichen Umstünden sich vor sittlichem und materiellem
Mit unge | gerettet haben! Was ihn rettete, das war geistige Arbeit.
"— dürftigen Mitteln, die er verdiente, unternahm er die selbst
nach e Aufgabe, die Kenntniss aller der Sprachen zu erwerben, welche
dem Bo Auffassung für einen Grosskaufmann erforderlich waren. Ls
Jahre x indischen fügte er in stiller, unermüdeter Arbeit im Laufe weniger
Autodid vs und Französisch, Portugiesisch und Spanisch, meist als
bloss . b und doch mit solehem Erfolge, dass er diese Sprachen nicht
auch te sondern auch sprechen lernte. So ausgestattet, machte er
en die nell Fortschritte in der Schätzung seiner Principale, und als er
Seiner B oder als Autodidakt, auch das Russische erlernt und Proben
um die do gung darin abgelegt. hatte, schickte man ihn nach Petersburg,
ortige Agentur des Hauses zu führen.
(X
Gedächtnissfeier für Heinrich Schliemann.
Es klingt wie ein Roman, was er über diese Zeit der Sprachstudien
in seiner Selbstbiographie erzählt, und doch weiss ich aus Zeugnissen von
Zeitgenossen, dass er streng bei der Wahrheit geblieben ist. Was könnte
sonderbarer erscheinen, als seine Darstellung, wie er, um sich ohne Lehrer
im Russischen zu üben, russische Texte auswendig lernte und sie mit
erhobener Stimme vortrug, damit aber für sich keine Befriedigung gewann,
da niemand ihn verstand oder auch nur hörte, und wie er dann, um doch
wenigstens einen Hörer oder genauer einen Menschen zu haben, den er
ansprechen konnte, einen armen Juden miethete, der jeden Abend zwei
Stunden lang ihm zuhören musste, ohne auch nur eine Silbe von dem Vor-
getragenen zu verstehen. Aber er erreichte sein Ziel, und es gelang ihm
schon in Jahresfrist in Russland so weit vorwärts zu kommen, dass er als
selbständiger Kaufmann in die Petersburger Gilde aufgenommen wurde.
Siebzehn Jahre der angestrengtesten Arbeit machten ihn zu einem
reichen Manne. Die Wechselfälle des Handels, namentlich zur Zeit des
Krim-Krieges, wusste er durch Vorsicht und, vielleicht noch mehr, durch
unerschütterliche Zuverlässigkeit im geschäftlichen Verkehr zu überwinden.
Mit dem Vertrauen seiner Kunden wuchs die Ausdehnung seines Betriebes
und die Grósse des Gewinnes. Der Indigo- Handel, der von Anfang an
die Grundlage seines Geschüftes gebildet hatte, warf ihm schliesslich allein
einen Jahresertrag von 200 000 Mk. ab. Alles schien sich zu vereinigen,
um ihn dauernd an Russland zu fesseln. Er hatte sich mit einer Russin
verheirathet, es waren ihm zwei Kinder geboren, er hatte das Vertrauen
der Behórden und die Achtung seiner Standesgenossen gewonnen, neben
seinem Petersburger Hause war eine Moskauer Filiale erblüht, sein Credit
im Auslande, besonders in Amsterdam und London, sicherte ihm die
Leichtigkeit in der Durchführung auch der grössten Unternehmungen.
Was konnte ihn hindern, in den so gut gebahnten Wegen fortzuschreiten?
Wie kam es, dass er dem Drange nach immer weiterem Gewinn, einem
Drange, dem schon so viele Existenzen geopfert sind, widerstehen konnte?
Was hinderte ihn, ein grosser Handelsherr zu bleiben und Russe zu werden?
Wenn wir die äussere Geschichte seines Lebens durchgehen, so stossen
? wir auf die überraschende Thatsache, dass er schon im Jahre 1850 amerika-
nischer Bürger geworden war, nicht aus Vorbedacht oder Ueberlegung, son-
dern durch Zufall Das Geschick hat ihm das amerikanische Bürgerrecht
in den Sehooss geworfen. Er war nach Californien gereist, um einen da-
hin ausgewanderten und verschollenen Bruder aufzusuchen; er fand nur
noch die Nachricht seines Todes. Aber mit dem 4. Juli 1850 wurde
Californien ein Staat und jeder, der sich dort befand, erlangte ipso facto
die Naturalisation. Schliemann nahm, wie er sagt, voller Freude dieses
Geschenk an. Seitdem begann er als vorsichtiger Mann einen Theil seines
Vermögens in Amerika anzulegen; zu wiederholten Malen kehrte er dahin,
einmal zu einem langen Aufenthalte, zurück; zahlreiche persönliche
1A
Gedächtnissfeier für Heinrich Schliemann. 45
periehungon wurden eróffnet, und noch bis in die letzte Zeit fanden seine
Autor nirgends einen so grossen Leserkreis, nirgends eine so dankbare
Di lo me, als in den Vereinigten Staaten. Der Schutz der amerikanischen
dem p. aile half ihm später die vielen Hindernisse überwinden, welche
bloss mn seiner Arbeiten im Orient entgegengethürmt wurden, und der
Ye " ame des amerikanischen Bürgers reichte aus, um auch seine Rechts-
"hülinisse in Russland mit genügenden Bürgschaften zu umgeben.
emer würde aber die Stimmung Sehliemann's in dieser Zeit nicht
sich el en, wollte man nicht auch die inneren Gründe würdigen, welche
und Nd stärker geltend machten. Schliemann hatte sich in der langen
dure frien Lehrzeit so sehr an stete Arbeit und so wenig an Erholung
gun losse Zerstreuung gewóhnt, dass er sich alsbald nach neuer Beschäf-
nio qoa als die günstige Gestaltung seiner wirthschaftlichen Verhält-
Züsa ihm wieder Mussestunden gewährte. Und wo hätte er eine mehr
Beam seinen Fähigkeiten und seiner Uebung mehr entsprechende
began. ügung finden kónnen, als in dem Erlernen neuer Sprachen? Er
lois . zunächst (1854) mit Schwedisch und Polnisch; als nach dem Krim-
"i "i ersten Friedensnachrichten eintrafen (1856), wandte er sich
ich um Neugriechischen und dann dem Altgriechischen zs Damit trat
dure, per wieder in den Vordergrund seines Sinnens. Zwei Jahre hin-
der p; eschäftigte er sich fast ausschliesslich in seinen Mussestunden mit
Zületze und Odyssee und mit den Hauptwerken der spáteren Klassiker.
Zeit in 888) kehrte er zum Lateinischen zurück, das er seit seiner Schul-
eustrelitz nicht mehr getrieben hatte.
Bitton, War er denn endlich, nach 29 Jahren einer Entbehrung, deren
vormoche nur die beständige Arbeit und der äussere Erfolg zu mildern
diese, hatten, an der Stelle seiner inneren Entwickelung angelangt, wo
rische h einst in jáher Weise unterbrochen worden war. Die schwärme-
Vater rung für das alte Troja, das er unter der Leitung seines
in Jen». Kind kennen gelernt und dessen Brand er aus einem Holzschnitt
"ier 1 Universalgeschichte sich eingeprägt hatte, schlug in neue und,
konnte Me auf, als er das herrliche Gedicht in der Ursprache lesen
und, ol le praktische Bescháftigung mit dem Handel wurde ihm lästig,
und "d er nie aufgehórt hat, ein sorgsamer Verwalter seines Vermôgens
Sesame sO Mann zu sein, so fand er doch, dass er Mittel genug
Phantagi habe; um zu der Aufgabe zurückkehren zu können, die seine
ihn horas erfillt hatte, ehe der Gedanke, ein Kaufmann zu werden, an
l'angetreten war.
Er a rue seines Innern trieb ihn zunächst auf eine grössere Reise.
Macht. = er Schweden, Dänemark, Deutschland und Italien nach Aegypten,
dabe; i" » seine erste Nilfahrt bis zu den zweiten Katarakten, lernte
Rach eh Arabisch, und wandte sich dann über Syrien und Kleinasien
1, mit der Absicht, Ithaca zu besuchen. Aber noch einmal
4 Gedächtnissfeier für Heinrich Schliemann.
zwangen ihn dringliche Geschäfte nach Petersburg zurück, fast wider
Willen musste er noch wieder neue grosse Gewinne seinem Vermögen hin-
zufügen, und erst 5 Jahre später, Ende 1863, gelang es ihm, sich in Russ-
land frei zu machen. Er lóste alle seine dortigen Verbindungen und ver-
liess für immer das Land, das ihn zum Millionär gemacht hatte.
Trotz aller Entschlossenheit, nunmehr, wie er selber sagt, ,den Traum
seines Lebens zu verwirklichen, war er sich wohl bewusst der Schwierig-
keit und der Grösse der Aufgabe, deren Lösung ihm vorschwebte. Noch
einmal schob er eine grosse Reise ein. Im April 1864 ging er über Car-
thago und Aegypten nach Italien, China und Japan, machte in einem
kleinen englischen Schiff die Ueberfahrt nach S. Francisco, und besuchte
Mexico und Cuba. Im Frühjahr 1866 siedelte er sich in Paris an, um
von nun an ausschliesslich der Archäologie zu leben. Vorher jedoch hatte
er seine Erfahrungen im fernen Osten in einem kleinen, französisch
geschriebenen Buche, dem ersten, das er verfasste, niedergelegt. Zwei
Jahre ernster Studien, für welche die reichen Sammlungen der franzósischen
Hauptstadt eine Fülle von Material boten und der Verkehr mit den
hervorragendsten Kennern des Alterthums die erforderliche Hülfe leistete,
wurden der Vorbereitung der beabsichtigten Arbeiten gewidmet. Dann
erst, im Frühjahr 1868, brach er zu einer ersten exploratorischen Reise
auf. Er ging nach den ionischen Inseln: Corfu, Cephalonia und Ithaca
wurden besucht; dann sehen wir ihn zum ersten Male in Mykenae, dem
Ort seiner späteren grössten Triumphe, wo er die von den meisten Philo-
logen bezweifelten Angaben des Pausanias über die Königsgräber einer
vorläufigen Prüfung unterzog, und schliesslich begab er sich über Athen
nach der Troas. Hier begann seine Besichtigung mit Bunarbaschi, das
damals in der Meinung der Gelehrten die meisten Ansprüche, als Stätte
des alten Troja zu gelten, auf sich vereinigte. Sein gutes Glück führte
ihm den Mann zu, dessen genaue Localkenntniss und dessen Uebung in
archáologischer Forschung ihn zu dem besten Führer auf diesem, durch
tausendjáhrige Misswirthsehaft verwüsteten Boden machte. Frank Calvert,
der amerikanische Consul in den Dardanellen, dessen gastliche Hülfe seit-
dem so viele Reisende und Gelehrte der alten und der neuen Welt
genossen haben, war früher selbst ein Anhänger der Bunarbaschi- Hypothese
gewesen. Kr hatte sich auf Grund eigener Untersuchungen von derselben
abgewendet und die zuerst von Maclaren, einem schottischen Forscher,
1822 aufgestellte Meinung angenommen, dass der Platz der zerstörten Stadt
auf dem Hügel zu suchen sei, den die Türken bis auf den heutigen Tag
Hissarlik, d. h. Schlossberg, nennen. Da ein grosser Theil dieses Hügels
im Besitz seiner Familie war, so hatte Mr. Calvert auch schon einige Aus-
grabungen daselbst vorgenommen, und obgleich er nicht bis in grosse
Tiefe vorgedrungen war, so hatte er doch das Glück gehabt, jene Mauer
zu treffen, die nachher gewóhnlich als die makedonische oder als die Mauer
6
Gedächtnissfeier für Heinrich Schliemann. 47
des Lysimachos bezeichnet worden ist. Das war freilich nicht viel, und es
ste am wenigsten, um daraus den Platz einer Stadt oder Burg fest-
; ellen, die vielleicht ein Jahrtausend vor der Zeit des grossen Alexander
fStórt worden war. Aber es machte einen solchen Eindruck auf Schlie-
nn dass er sofort beschloss, hier mit weiteren Ausgrabungen vorzugehen.
lug “eigte es in einer neuen, wiederum französisch geschriebenen Abhand-
ih IN : Ithaque, le Péloponnèse et Troie an, welche Ende 1868 erschien und
ling; die Ernennung zum Doctor der Philosophie Seitens seiner vater-
de ischen Universität Rostock eintrug. So brachte der erste Schritt auf
aud, durch die herrlichste Dichtung des Alterthums geheiligten Boden ihm
die erste Anerkennung einer gelehrten deutschen Korperschaft.
nag einmal freilich zwangen ihn financielle Aufgaben zu einer Reise
= den Vereinigten Staaten; fast das ganze Jahr 1869 verging darüber,
" erst im April 1870 konnte er wieder nach Hissarlik zurückkehren,
fout Persänlich durch neue Probegrabungen die etwaige Tiefe der Schichten
de, ellen, durch welche er zu den unter ihnen vermutheten Trümmern
von alten Stadt hindurchzudringen hatte. Es ergab sich, dass er an der
an ihm gewühlten Stelle 16 Fuss tief graben lassen musste, um auch nur
und makedonische Mauern zu kommen, dass also eine sehr umfangreiche
m tefe Ausgrabung nothwendig werden würde, um bis auf den Grund
des gelangen. Zu solchen Arbeiten bedurfte es eines besonderen Fermans
fol Sultans. Daher wurde der eigentliche Beginn der Arbeiten auf das
Sende Jahr 1871 verlegt.
Bl Betrachten wir inzwischen diesen denkwiirdigen Platz. Die troische
sich oder, wie sie schon bei Homer heisst, die Skamander- Ebene öffnet
Mit einer niedrigen, sandigen Küste, nahe dem Ausgange des Helles-
x in das Aegüische Meer. Gerade gegenüber auf der anderen Seite
Po die felsige Spitze des thracischen Chersonnesos vor. Gegen das
om Meer im Westen ist die Ebene durch das niedrige, aber lang-
vi, e Küstengebirge des Sigeion gedeckt. Gegen den liegen
os, che Hóhen, auf deren einer bei Bunarbaschi kümmerliche Mauer-
"i aufgedeckt sind. Gegen Osten und Nordosten schieben sich von
eh, weit ausgedehnten Plateau mehrere; der Tertiárformation an-
unte Eo im Ganzen niedrige Vorberge in die Ebene vor. Der hóchste
(über ihnen ist Hissarlik, in seiner ursprünglichen Gestalt 49,5 m hoch
ag der See). Er fällt nach zwei Seiten steil ab, einerseits gegen Westen
Thaler Skamander-Ebene, andererseits gegen Norden zu der kleineren
My ene des Dumbrek - Tschai oder, wie die Anhänger der Troja- Theorie
des M es Simoeis. Jenseits dieser Thalebene folgt das Küstengebirge
Hago 1 lespont, auf dessen Ende gegen die Skamander - Ebene hin der
eren ntepe, das schon im Alterthum weit berühmte Grab des Ajax, sich
Der Hügel Hissarlik hat somit trotz seiner geringen Höhe eine
: Gedächtnissfeier für Heinrich Schliemann.
beherrschende Lage. Man überschaut von seinem Gipfel nicht nur die ganze
troische Ebene und das Dumbrek - Thal, sondern auch die Küste am Helles-
pont und diesen selbst in seinem Ausgange; darüber hinaus schweift der
Blick weit über das Meer bis zu dem zackigen Pik von Samothrake,
und rückwärts gegen Süden sieht man bei klarem Wetter die fernen Gipfel
des Idagebirges. Ja, am Abend, wenn die Sonne sinkt, erscheint, wie ein
Phantom, weit hinten über dem Aegäischen Meer die schattige Pyramide
des Athos. Das ist die Scenerie, welche Homer in wundervoller Naturtreue
schildert. Dieses Gesammtbild braucht man, um den Rahmen zu finden
für die Kämpfe der Menschen auf der Ebene und zugleich für die Bethei-
ligung der Götter, — Poseidon auf Samothrake, Zeus selbst auf dem Ida.
Wer dieses Bild geschaut und begriffen hat, dem erschliesst sich der ganze
Zauber der Dichtung und die Grossartigkeit der Conception, deren Natur-
treue ein unvergángliches Zeugniss dafür ablegt, dass der Dichter selbst
dieses Alles gesehen haben muss.
Es würde zu weit führen, die Fülle von Beweisen vorzutragen, welche
die Gestaltung der Ebene, der Lauf der Flüsse und Bäche, die Flora und
Fauna des Landes für eine solche Annahme darbieten. Aber diese Beweise
würden nicht ausreichen, um den Hügel Hissarlik als die eigentliche Stelle
der homerischen llios zu bestimmen. Die definitiven Beweise liegen eben
in dem Aufbau des Hiigels selbst, wie er von Schliemann in 8, zum Theil
durch längere Pausen unterbrochenen Campagnen, unter Aufwendung rie-
siger Geldsummen und unter hóchster persónlicher Aufopferung klar gelegt
worden ist. Das unzweifelhafte Schlussergebniss ist das, dass ein grosser
Theil des Hügels künstlich aufgebaut ist und dass von seiner Oberfláche
bis gegen den felsigen Untergrund hin eine Reihe von immer áülteren Cultur-
schichten auf einander folgt, deren älteste in einer Tiefe von über 50 Fuss
den ursprünglichen Felsen bedeckt. Schliemann hat die Mauer- und Haus-
reste der einzelnen Schichten „Städte“ genannt und je nach der Beschaffen-
heit der Bauten und der zahlreichen anderweitigen Fundstücke 7 der-
selben unterschieden. Zweifellos erweckt der Name „Städte“ eine einiger-
maassen überschwängliche Vorstellung, da es sich mehr um Burgen oder
Festen, als um Städte handelt. Auch hat er im Laufe der Jahre in Bezug
auf die Zahl der unterscheidbaren Schichten geschwankt, je nachdem die
fortschreitende Ausgrabung neue Gesichtspunkte für das Urtheil ergab.
Indess diese feineren Unterscheidungen haben wenig Bedeutung für das
Gesammturtheil. Die Hauptsache ist, dass in der Oberfläche Reste der
römischen und byzantinischen Zeit in grosser Fülle und in zuverlässigen
Fundstücken vorhanden sind, wie sie sich auch in weitem Umfange auf
dem benachbarten Plateau und den Hängen gegen die Ebene finden, da
wo in dieser verhältnissmässig späten Zeit die umfangreiche Stadt Neu-
Ion (Ilion novum) gelegen hat. Darunter folgen griechische, namentlich
makedonische Funde mit gut zu datirenden Zeichen. Noch tiefer finden
EO
Gedächtnissfeier für Heinrich Schliemann. 49
an sche Formen, zum Theil wohl gleichfalls noch griechischen Ur-
die A auch solche im Mykenae -Styl. Damit gelangt man schon über
weiss 1storische Zeit hinaus in prähistorische Perioden, und much diese
tiefate, noch wieder Schichten mit verschiedenem Inhalt auf bis zu der
und n Culturschicht, deren Fundstücke sich vielfach denen der Steinzeit,
Zwar der neolithischen Periode, náhern.
den, P liegt auf der Hand, dass, wenn eine dieser prähistorischen Schichten
sein As der Sage oder der Dichtung angehört hat, es nur eine solche
dee. welche gróssere und bemerkenswerthe Bauwerke oder Reste
Wen; i enthàlt. Von der tiefsten Schicht kann man diess nieht sagen,
ein : ons bis. jetzt nieht. Freilich ist so wenig davon freigelegt, dass
entwo "utektonischos Bild der Verhältnisse dieser Schicht überhaupt nicht
2 be, en werden kann. Wäre es doch nôthig, um eine solche Freilegung
Dazu non, alle darüber gelegenen Schichten zu zerstôren und abzutragen.
day lat sich Schliemann niemals entschlossen und es hat auch niemand
Seg then, denn das, was in einem grossen Querschnitt der tiefsten
dass " blossgelegt ist, bietet wenig Anhaltspunkte für die Vermuthung,
dart ler bedeutende Bauten waren. Was aber viel wichtiger ist, in der
dame, liegenden Schicht, der zweitältesten, finden sich nicht bloss Fun-
de, © grosser Gebäude, sondern es war diess gerade die Hauptfundstätte
sah Michtigsten Gegenstände, so namentlich der Goldsaehen. Ueberdiess
lassi hier die Zeichen gewaltiger Feuerwirkungen, die bis zur Ver-
Dane," des Thons der Mauern und der Fussbóden vorgeschritten waren.
Dichty slaubte Schliemann in dieser »Yerbrannten Stadt^ das Troja der
T +3. Wiederzmerkennen, und in seinem ersten Enthusiasmus nannte er
Hans de Gebäude, dessen Mauern noch zum Theil erhalten waren, das
( es Priamos, und das einzige Thor, das er im Laufe der ersten
| Unpagne auffand, das skäische.
Ba klugen Leute, welche zu Hause sassen und die in feuriger
Ken J geschriebenen Berichte des Forschers in kaltbliitiger Ruhe
Sie har Jem sehr bald den schwachen Punkt in diesen Ausführungen.
— ien es leicht, zu beweisen, dass diese Trümmer nicht einer Stadt
Bron. haben konnten, wie sie Homer schildert, dass diese Stein- und
auch ds Aen sich nicht für die homerischen Helden eigneten. Sie konnten
hatte, rt verweisen, dass schon frühere Gelehrte nachzuweisen versucht
Stellung ass Homer die Troas nie gesehen habe, dass seine ganze Dar-
ku, : ven dem Schlaehtfelde auf die Ortsverhältnisse nicht passe, —
die Kus die ganze Ilias eine Erfindung sei. Personen, welche niemals
des Lans der Troas gesehen hatten, wussten ganz genau, Wie es im Innern
Bribe, | es aussehen müsse. Und sie fielen gemeinsam über den armen
wd a und hüuften arge Scheltworte auf ihn, bis er in Zorn gerieth
Wenis vOn seinem Vaterlande ab und zu den Nationen wandte, die doch
Sstens den unschützbaren Kern seiner Entdeckungen anerkannten, wenn
Gedächtnissfeier für Heinrich Schliemann.
sie auch nicht alle Deutungen derselben annahmen. Nirgends ist diese
Anerkennung durch competente Forscher früher und in herzlicherer Weise
ausgesprochen worden, als in England, und daher fühlte sich auch Schlie-
__mann zu keinem Volke mehr hingezogen, als zu dem englischen.
| In der That, konnte es etwas Ungerechteres geben, als wegen der
Zweifel über Priamos und das skäische Thor die ungeheure Neuigkeit
zu vergessen, dass hier eine uralte, prähistorische Culturstätte aufgedeckt
war mit einer Fülle von Geräth allerlei Art, namentlich keramischem, wie
es bis dahin noch nirgends aufgefunden war?/ Wenn man auch Priamos
und alle die Seinen strich, blieb dann nicht noch genug übrig, um den
glücklichen Entdecker zu den grössten Förderern der Wissenschaft zu
zählen? / Diese prähistorischen „Städte“, auch wenn sie aufhörten, Städte
zu sein, waren sie nicht Fundplätze des reichsten wirthschaftlichen und
kriegerischen Materials? Eine ruhige Ueberlegung ergiebt ja ohne Wei-
teres, dass der Dichter der Ilias, mag er nun Homer geheissen haben oder
anders, eine Stadt oder eine Burg, die Jahrhunderte vor seiner Geburt
bis auf den Grund zerstört war, nicht gesehen haben kann, und dass die
Helden seiner Zeit anders bewaffnet und ausgerüstet sein mussten, als die
Helden, die er unter den Namen von Hektor und Achilleus auftreten liess
und die er nach dem Vorbilde zeitgenóssischer Krieger ausstattete. Was
uns bei den Malern der Renaissance ganz geläufig ist, dass sie die Personen
aus der Umgebung des Heilandes in der Gestalt ihrer eigenen Zeitgenossen
vorführen, musste das nicht bei einem Dichter noch mehr zutreffen, der
auf Grund sagenhafter Berichte die Thaten prähistorischer Leute schildern
wollte?
Schliemann war in den ersten Jahren seiner Ausgrabungen nicht in
der Neigung, derartige nüchterne Betrachtungen anzustellen. Sein Geist
war erfüllt von den Bildern, welche der Dichter in so lebendigen Farben
gemalt hatte. Dazu kam für ihn ein neues Moment der Erregung.
Als im September 1871 die erste Campagne der Ausgrabungen auf His-
sarlik eróffnet werden sollte, erschien er mit seiner jungen Frau, einer
geborenen Athenerin. Beide Ehegatten, so verschieden im Alter und in
ihrer bisherigen Entwickelung, trafen doch in einem Punkte zusammen:
in der begeisterten Sehátzung der Grossthaten der alten Hellenen und in
der Pflege der poetischen Traditionen, welehe diese Grossthaten in der
Erinnerung. der späten Enkel erhalten hatten. Sie lasen mit einander
die Ilias und die Odyssee, sie lernten sie auswendig, und wenn irgend ein
Vorkommniss an einen homerischen Vers erinnerte, so recitirte einer von
ihnen die betreffende Stelle, der andere fiel ein, und in verklärtem Accord
rollte sich die Scene ab, wie einst in der alten Zeit, wenn der „göttliche
Sänger“ die Herzen seiner Zuhörer durch das Zauberwort des Dichters
gefangen genommen hatte. Die Prosa fand in diesen glücklichen Tagen
keinen Zugang zu den Gedanken des Ehepaares, und fremde Kritik war
50
Gedüchtnissfeier für Heinrich Schliemann. 51
nfi von ihrem Verkehr ausgeschlossen. Was schadete es am Ende
m ' wenn die subjektive Deutung über das berechtigte Maass hinaus
Geni achten. Funde mit den Versen des Dichters in Beziehung setzte?
Hint Be es nicht, dass der objektive Thatbestand festgestellt wurde?
"A er blieb es ja der epikritischen Betrachtung der Gelehrten über-
"^1, eme andere Deutung zu finden.
aa eder ist es dem Menschen nicht gegeben, subjektive Deutung und
Gron wen 'hatbestand so weit auseinander zu halten, dass überall die
ái erkennbar bleibt. Die Art, wie wir einen Gegenstand auffassen,
"m Soy auch die Bezeichnung, welche wir wählen, und an die Bezeich-
Q der nüpft sich wieder das Urtheil der Hörer, mögen sie nun kritische
Bes, tische Köpfe sein. So erklärt es sich, dass gerade die ersten
Augg, em Sehliemann's Angaben enthielten, welche auf einer falschen
beige s beruhten, und gerade diese Angaben haben nicht wenig dazu
QE ihm Angriffe zuzuziehen, die seine letzten Lebensjahre ver-
Trotz aller literarischen Vorstudien war Schliemann, als er die Aus-
= auf Hissarlik begann, ein Autodidakt. Kr war es hier auf
Gebiet ogischem Gebiet fast noch mehr, als er es früher auf linguistischem
fremd, gewesen war. Aber aus seinen Erfolgen in der Bemeisterung
auch er Sprachen hatte sich in ihm ein Selbstvertrauen entwickelt, das ihn
Lover àn die schwierigsten Probleme ganz anderer Art mit der gleichen
A herantreten liess. Niemals früher hatte er selbst eine gróssere
Spa. ung geleitet, noch einer solchen beigewohnt. Als er nun den
tie fito; In Hissarlik ansetzte, in der festen Absicht, die Geheimnisse der
alle 4 Schichten zu enthüllen, da drang er mit rücksichtsloser Hast durch
We 2 oberen Schichten, und wenngleich er, Was sich ihm auf diesem
tali, darbot, sorglich sammelte und verzeichnete, so zerstörte er doch
" Bauüberreste, deren architektonischer Zusammenhang später nicht
Würfe. hergestellt werden konnte. Es war diess einer der sehwersten Vor-
A gegen ihn erhoben worden sind, und man wird eine gewisse
Seine, pus desselben nicht bestreiten kónnen. Áber man darf auch zu
Schicht ntschuldigung sagen, dass eine vollständige Aufdeckung aller
Wäre n einer nach der anderen, eine so gewaltige Aufgabe gewesen
Brosse ass selbst ein Mann von der hingebenden Begeisterung und den
Viel, ei Schliemann’s davor hätte zurückschrecken müssen. Wie
bei de "gelgrüber werden noch jedes Jahr in unserem Vaterlande geóffnet,
Yon fen sich die Untersucher darauf beschränken, einen centralen Stollen
soniye bis zur Basis niederzusenken oder hóchstens einen Quer-
Method urch den ganzen Hügel zu legen! Gewiss ist das keine gute
freiliy aber wenn Schliemann den Hiigel Hissarlik in gleicher Weise,
eine à m ganz anderem Maassstabe, behandelte, wenn er im Centrum
MAehtige trichterfórmige Grube herstellte und ausserdem breite
| Gedächtnissfeier für Heinrich Schliemann.
Querschnitte durch das Ganze führte, so wird man in Anbetracht der Aus-
dehnung des Hügels ihn entschuldigen dürfen. Hat er doch im Laufe der
Jahre den Grund des Trichters so erweitert, dass die „verbrannte Stadt“
in ihrem ganzen Umfange offen gelegt worden ist. Ja, seine letzten
Arbeiten verfolgten planmässig den Zweck, Alles, was im Umfange des
Trichters noch unberührt stehen geblieben war, schichtweise in genauester
Weise abzuráumen und zu erforschen. Darüber aber kann füglich kein
Zweifel bestehen, dass der Hügel noch jetzt unerforseht sein würde, wenn
man von Anfang an die Forderung gestellt hätte, der Untersucher solle
jede der über einander gelagerten Schichten vollständig klarlegen, ehe er
zu der nächsttieferen übergehe.
Unter den Gegenständen, welche bei den Ausgrabungen zu Tage
kamen, sind der Zahl nach am meisten vertreten Thongefässe jeder Art
und Grosse. Kin Blick auf die Schliemann - Sammlung..in..unserem Museum
für Volkerkunde zeigt das zur Genüge. Für den Unkundigen entsteht bei
einer Betrachtung dieser endlosen Masse von ,Tópfen* sehr bald eine
gewisse Sättigung. "Trotz der gróssten Mannichfaltigkeit der Formen und
Ornamente wird man den Eindruck der Monotonie nicht los. Die herr-
lichen Gold- und Silberfunde, die Geräthe aus Bronze und Eisen, aus Stein
und Knochen, so werthvoll sie sind, verschwinden fast vor der Fülle des
Thongeschirres. Allein eine etruskische oder eine peruanische Sammlung
zeigt dasselbe, und die Gräberfelder unseres Vaterlandes bringen „Töpfe“
in unaufhörlicher Folge zu Tage. Der, wenn auch schwach gebrannte
Thon ist eben das gewöhnlichste und zugleich das haltbarste Material,
welches uns die Vergangenheit hinterlassen hat; er giebt dem Kundigen
ausgiebige Anhaltspunkte für die Beurtheilung der Cultur, welche das
betreffende Volk erlangt hatte, und zugleich für die chronologische Bestim-
mung der Periode, in welcher das Geräth gearbeitet wurde. So ist Schlie-
mann’s Ausgrabung von Mykenae gerade durch die dabei gesammelte
Topfwaare der Ausgang für die wichtigsten Zeitbestimmungen geworden,
und auch die klassische Archäologie hat sich mehr und mehr der Aufgabe
mit Eifer hingegeben, in allen Ländern alter Cultur den Styl der Töpferei
in genauester Weise festzustellen. Danken wir daher dem grossmüthigen
Geber, dass er uns eine so vollständige keramische Sammlung geschenkt hat.
Damals aber, als Schliemann seine Forschungen eröffnete, war die
archäologische Bedeutung der Keramik noch keineswegs vollständig erkannt.
Er selbst hatte, namentlich in Bezug auf jene einfacheren, nicht bemalten
Gefässe, wie sie der Hügel Hissarlik enthielt, vorzugsweise die Erinnerung
an die Gräberfunde seiner meklenburgischen Heimath, wo fast jedes Grab
mindestens eine grössere Urne mit den Ueberresten des Leichenbrandes
umschliesst, und wo man umgekehrt aus dem Auffinden einer solchen Urne
oder auch nur ihrer Scherben schliesst, dass an der Stelle ein Grab
gewesen sei. Und als er num in Hissarlik eine Urne nach der anderen
59
Gedächtnissfeier für Heinrich Schliemann. 53
ZU Tage förderte, gefüllt mit einem erdigen Inhalt, da nannte er sie mit
der Naivetät des Autodidakten sämmtlich „Aschenurnen“ und ihren Inhalt
Selbst „Asche“. Daraus konnte ein Fremder, der diese Bezeichnungen
Släubig hinnahm, ohne Weiteres folgern, dass der ganze Hügel nichts
Mderes, als ein Aufbau von Grübern mit Leiechenbrand sei. Erst eine
Senauere Prüfung der spüteren Zeit hat gelehrt, dass der Inhalt der Urnen
Nichts Weniger als „menschliche Asche“ war. Ja, es hat sich mit einiger
Sicherheit feststellen lassen, dass Schliemann in seinen ersten Campagnen
"Ur eine einzige Urne mit unzweifelhaftem Leichenbrand zu Tage gefördert
hat, "nd diese eine lag ausserhalb des eigentlichen Schutthügels, auf dem
Gebiete des römischen Neu -lIlion.
Nicht minder gross war der Irrthum, dem Schliemann sich hingab,
Als er an zahlreichen Orten innerhalb der tieferen Schichten ,ungeheure
Masson von Holzasche“ zu finden glaubte. Eine solche Deutung entsprach
vomer Voraussetzung, dass die alten Háuser zu einem grossen Theil aus
Holz bestanden hätten und in einem gewaltigen Brande zerstört seien.
Zu einer solchen Beweisführung bedurfte es jedoch keineswegs so grosser
Massen von Holzasche. Die Spuren mächtiger Brände sind in der „ver-
Prange, Stadt“ und selbst in den oberen „Städten“ so deutlich, so
“ahlreich und so ausgedehnt, dass nicht der mindeste Zweifel erhoben
Werden kann, es haben hier wiederholt grosse Feuersbrünste stattgefunden.
Auch findet man verkohlte und veraschte Balken von Holz nicht selten
Loch al ihrer ursprünglichen Stelle innerhalb der Mauern. Aber die eigent-
fiche Hauptmasse der sogenannten Asche ist nichts anderes, als angebrannter
od Zerfallener Lehm, hervorgegangen aus den ursprünglich nur luft-
Ockenen Lehmziegeln, aus denen der grösste Theil der Hauswände und
"elbst der Burgmauern aufgebaut war.
; Diese Beispiele môgen genügen, um darzuthun, wie folgenschwer eine
loss Subjektive Auffassung auf die Deutung des Gesammtverhültnisses
Werden kann. Schliemann hat später die Bedenken gewürdigt, zu denen
Seine Unerfahrenheit in archäologischen Ausgrabungen Veranlassung bot,
nd ST hat seine Angaben berichtigt. Aber die nächste Zeit sah ihn noch
per in voller Zuversicht, und so entschloss er sich, als er nach 3
?ngeren Campagnen einen grossen Theil von Hissarlik durchforscht hatte,
Seinen Spaten an einer zweiten Stelle anzusetzen, die schon lange seine
Aufmerksamkeit beschäftigt hatte. Im Februar 1874 eröffnete er die Aus-
dungen in Mykenae, die ihn bis zum Jahre 1877 beschäftigten, und
en Ergebnisse eine solche Umwälzung in den Vorstellungen über das
ss S Selichtlicho Griechenland hervorgebracht haben, dass sie allein aus-
p chen Würden, um seinem Namen unsterblichen Ruhm zu sichern. Die
y. Stücke dieser Ausgrabungeu, die er, wie alle anderen, ganz aus eigenen
"i bestritt, füllen jetzt einen grossen Saal in den offentlichen Samm-
Sen Athens. Gegenüber diesen Schätzen wird es leicht vergessen,
+
"
bi Gedächtnissfeier für Heinrich Schliemann.
dass ihm auch auf diesem Gebiete die härteste Opposition entgegentrat.
und dass ein namhafter klassischer Philologe mit Hartnáckigkeit die An-
sicht vertrat, alle diese Funde seien auf einen Einfall der Heruler im
3. Jahrhundert nach Christo zurückzuführen.
Schon wührend der Zeit der mykenischen Ausgrabungen hatte er auch
den benachbarten Schutthügel von 'liryns (in der Nàhe von Argos) in Àn-
griff genommen. Die geringe Ausdehnung desselben hat es ihm später
ermóglicht, diese Untersuchung, bei welcher er zuerst die sachkundige
Hülfe eines ausgezeichneten Architekten, des Dr. W. Dórpfeld, benutzte,
vollständig zu Ende zu führen und damit einen zweiten Platz zu enthüllen;
an welchen die älteste Sagengeschichte des Peloponnes anknüpft. Hier
wurden die uralten Beziehungen offenbar, welche die früheste hellenische
Cultur mit der noch älteren orientalischen verbinden. Jahrelang hat er
nachher die Absicht verfolgt, als nächstes Ziel die Insel Creta in ihre»
prähistorischen Resten zu erforschen; die politischen Verhältnisse und di®
übertriebenen Forderungen der Cretenser haben das unmóglich gemacht
Darum musste er sich darauf beschränken, das Schatzhaus von Orchomeno?
in Böotien, auch eine der homerischen Erinnerungen, zu durchforschen; die
Decke in dem kleineren Saal unserer Schliemann -Sammlung zeigt da
interessante Ornament, welches ‘er in diesem Schatzhause zu "Tage brachte:
Die Zeit der heutigen Versammlung gestattet es nicht, die Vorgüng?
dieser Jahre in ausführlicherer Darstellung zu geben. Für Schlieman?
brachten alle diese Entdeckungen nur einen neuen Anreiz, wieder nach
Hissarlik zurückzukehren. Reichte hier doch die Prähistorie noch weiter
zurück, als in Mykenae und Tiryns, und blieb die Hoffnung ungeschwächt
dass es möglich sein werde, für die in Dunkel gehüllte Vorgeschichte
der kleinasiatischen Völkerbewegungen noch weitere Anhaltspunkte z%
gewinnen. Auch waren inzwischen die Angriffe in Deutschland wege?
Troja so zahlreich geworden, dass er fürchtete, die öffentliche Meinung
möchte von Neuem an ihm irre werden. Seine Hauptstütze war auch i?
dieser Zeit England; dahin brachte er zunáchst leihweise seine trojanische?
Sammlungen.
- Die Ausgrabungen in Hissarlik wurden 1878 von Neuem aufgenomme?
und 1879 fortgesetzt. Im Frühjahr dieses letzten Jahres war es, wo €"
mich durch dringende Einladungen bewog, an seinen Untersuchungen als
unparteiischer Zeuge theilzunehmen. Ich traf daselbst mit Hrn. Emil
Burnouf zusammen. Es mag genügen zu sagen, dass wir, von mancherle!
Missverständnissen und Trrthiimern der früheren Zeit absehend, zu de®
Schlusse kamen, dass Schliemann in der Hauptsache Recht habe. Seitde®
ist es denn auch gelungen, dieser Ueberzeugung trotz der heftigsten AD”
griffe bei den Gelehrten fast der ganzen Welt Anerkennung zu verschaffe?"
Schliemann's Name ist einer der populärsten bei allen Nationen geworde?
"2
Gedächtnissfeier für Heinrich Schliemann. 55
"b ihn damals am meisten bedrückte, war die Wahrnehmung, dass
Er kla N Deutschland die Opposition in der herbsten Form geführt wurde.
der Sel © darüber m bitteren Worten, aber seine Bitterkeit entsprang nur
ZU dri nsucht, wieder in ein näheres Verhältniss zu seinen Landsleuten
durch en. Die Deutsche anthropologische Gesellschaft hatte ihm 1877
hore, Ernennung zum Ehrenmitgliede zuerst die Freundeshand
Reise z Mein Aufenthalt in Hissarlik und namentlich eine gemeinsame
um ein den Ida und nach Assos löste allmählich die Rinde, welche sich
Beglott, Herz gelegt hatte. Eines Morgens, als wir, getrennt von unserer
eye, S emsam dureh die Vorberge des Ida ritten, rings um uns
mit de, der Frühling und Nachtigallen - Gesang, brach er das Sehweigen
— Frage, ob er nicht in seinem Testament seine Sammlungen an
in den and vermachen solle. Deutschland sei doch das Land, wo man
Seing g, testen Kreisen Homer am höchsten schátze, und nirgends werde
als mo, nung grösseren Nutzen bringen, als in Berlin. Ich that nichts,
ihm - Zustimmung ausdrücken, aber ich hatte die Freude, nicht von
dass 4 elden zu müssen; ohne die förmliche Zusage erhalten zu haben,
Bad, seinem Tode die Sammlung hierher kommen solle. Bis dahin
er es den Englándern schuldig zu sein, sie in London zu lassen.
a fale 1880 kam er mit den Seinen nach Berlin zu dem deutschen
Ausstel ogischen Congress, der mit einer grossen prähistorischen Gesammt-
die Ue. der deutschen Sammlungen verbunden war. Er gewann hier
Volk de. eng, wie er mir unter dem 30. Oktober schrieb, dass ,kein
deutoches Welt prähistorische Alterthümer zu schätzen wisse, wie das
Weise © > und er beschäftigte sich eingehend mit der Frage, in welcher
Moose seine trojanische Sammlung in dem neu zu erbauenden eth-
lieh " en Museum werde aufgestellt werden können. Dann kam plótz-
ST sei hs dem 8. December ein Brief aus Athen, worin er mir mittheilte,
Keng, post unruhig über die Sicherheit seiner Sammlung im South
Doch oon Museum, da man ihm weder einen unterschriebenen Katalog,
Pens Bescheinigung der Direktion gegeben habe, auch verschiedene
schlossen Schlüssel zu den Schränken besässen; er sei daher fest ent-
Zunehme, die Sammlung spátestens bis zum nüchsten 15. Januar zurück-
Bodineun Wolle man sie sofort unter den von ihm zu stellenden
irapa In Berlin haben, so sei er bereit, sie persönlich in London
traf Schon d und hierher zu schicken. „Ehe ich noch antworten konnte,
Sei. Ich le telegraphische Nachricht ein, dass er nach London abgereist
und dem che sofort dem Generaldirektor der Museen, Hrn. Schône,
Anzeige 1 naligen Unterrichtsminister, Hrn. v. Puttkamer, gebiihrende
Abende nn nach einer mündlichen Conferenz noch an demselben
Durch Bal rmüchtigung, die Bereitwilligkeit der Regierung mitzutheilen.:
_— Tasse vom 20. December 1880 und 1. Januar 1881 wurden die
Gedächtnissfeier für Heinrich Schliemann.
näheren Bedingungen zugesagt, und schon am 5. Januar schrieb mir
Schliemann, dus 40 Kiste are seien.
So ward die alte Zugehórigkeit des uns so lange entfremdet ge-
wesenen Mannes zu Deutschland wieder hergestellt. Das ist noch in
Aller Erinnerung. Aber es dürfte nicht bekannt sein, welchen Antheil
Frau Schliemann an dieser Wendung genommen hat. Unter dem
29. Januar 1881 schrieb sie mir: „Von mir ging die erste Anregung zu
der Idee aus, die Sammlung Ihrem Vaterlande zu schenken; ich war es,
die seit dem ersten Jahre unserer Ehe meinen Mann von dem tiefen Vor-
urtheile gegen Deutschland zu bekehren strebte und sich bemühte, den
in seinem Herzen schlummernden Funken der Vaterlandsliebe und des
Heimathgefühls zu heller Flamme zu wecken.“ Möge es mir gestattet
sein, heute der hochgesinnten Frau unserer Aller herzlichsten Dank öffent-
lich auszusprechen.
Sie alle, hochverehrte Anwesende, erinnern sich, welche Freude es
erregte, als man erfuhr, dass unsere Stadt berufen sein solle, dieses grosse,
dem deutschen Volke dargebrachte Geschenk der Nachwelt zu bewahren.
Der hohen Auszeichnung, welche Kaiser Wilhelm I. dem Geber zu Theil
werden liess, schloss sich die der Stadt Berlin an, indem sie Schliemann
das Ehrenbürgerrecht ertheilte und ihm in diesen Räumen einen grossen,
festlichen Empfang bereitete. Auch in den fachwissenschaftlichen Kreisen
wurde nunmehr die bahnbrechende Bedeutung seiner Untersuchungen all-
gemein und voll anerkannt. Nur vereinzelte, freilich sehr hartnäckig®
Gegner verharrten in der Ablehnung.
Schliemann setzte um so eifriger seine Arbeiten fort. In neuen Cam-
pagnen brachte er die tieferen Schichten von Hissarlik in immer gróssere?
Ausdehnung zu Tage, und die ihm dauernd gewührte Beihülfe des Herrn
Dörpfeld sicherte die genaueste architektonische Aufnahme und Wür-
digung der Baureste. Mit erneutem Eifer wendete er sich während der
Zwischenzeiten der literarischen Bearbeitung des grossen Materials zt;
unter höchster Anstrengung aller geistigen Kráfte vollendete er Ausgabe?
zusammenfassender Darstellungen in deutscher, englischer und französischer
Sprache. Aber die Grösse und Dauer dieser Anstrengungen wurden ihm
selbst mehr und mehr fühlbar. Er wurde reizbarer, als früher; er fühlte
sich angegriffen, er empfand häufiger das Bedürfniss der Erholung. S9
kam er im Winter m zu dem überraschenden Entschluss, ganz allei!
eine Nilfahrt zu unternehmen. Er miethete eine besondere Dahabieh, und
während mehrerer Monate waren Bücher seine einzigen Begleiter. Freilich
versäumte er nicht, das Land und die Alterthümer eifrig zu studiren, zahl
lose Notizen wurden gesammelt und nach Hause geschickt, aber der Haupt
gewinn war die Krüftigung seines Kórpers, die Besánftigung seines Inner!
die Beruhigung des Geistes als Vorbereitung zu neuer Arbeit.
Inzwischen hatte ihn jedoch der unermessliche Reichthum der
56
Gedächtnissfeier für Heinrich Schliemann, 57
eyptschen Geschichte tief ergriffen. Die Erwügung, dass zu der Zeit,
mr homerischen Gedichte entstanden, ja vielleicht sehon zur Zeit, als
ze. blühte, die ügyptische Cultur bereits Jahrtausende alt war, und dass
url dieser Cultur noch heute erhalten sind, — diese Erwügung drángte
al müchtig in alle seine Betrachtungen ein. Kaum war er zurückgekehrt,
in T schon alle seine Beredtsamkeit aufwendete, um mich zu bestimmen,
Ich Nächsten Jahre noch einmal mit ihm eine solche Reise zu machen.
meh sagte endlich zu und ich darf es aussprechen, dass ich niemals eine
We * genuss- und mehr lehrreiche Fahrt gemacht habe, nieht zum wenigsten
in a der Sachkenntniss und der unermüdlichen Fürsorge meines Führers
"a grossen und kleinen Angelegenheiten einer so langen Reise. Hier
Gab; iste sich in Schliemann der Plan einer Untersuchung auf dem
lan ^ 8 wo der grosse Ramses und sein Geschlecht hoch im. Norden
ena rige Kämpfe mit den Hittitern (Cheta) ausgefochten hatten; die noch
Bela enen Wandgemälde der ägyptischen Tempel in Nubien, welche die
Ans. 08 der festen Stadt Kadeseh am Orontes darstellen, gaben den
de, An dass er gerade an diesem Platze seinen Spaten ansetzen wollte. Nur
Usbruch der Pest in Mesopotamien hinderte die Ausführung des Planes.
de, NA dessen wandte er sich noch einmal nach Hissarlik, diesmal mit
Wing Sicht, den Schutthügel mit allen noch stehen gebliebenen Aussen-
Absek gänzlich abzutragen und sein Entdeckungswerk vollstándig zum
Jahre US$ zu bringen. Diese Arbeiten wurden bis zum August vorigen
Gélek, Cortgesotzt Er hatte während dieser Zeit das Vergnügen, zahlreiche
m on e aus allen Theilen der Welt in seinen Holzhiitten auf Hissarlik
"i \pfangen und die Zustimmung der competentesten Sachverständigen
Wary 2 qp hmen zu können. Auch die Ergebnisse dieser Ausgrabungen
fig tir Berlin bestimmt. Hier, bei uns, wünschte er, auch unter Hin-
lugo, © der noch in Athen befindlichen Theile seiner trojanischen Samm-
Aufsten] eine vollständige, für alle Zeit gesicherte, gleichsam archivalische
Shan | © sámmtlicher Hinschlisse des wunderbaren Burghügels zu
equ E? diese Sammlung auch bei den kommenden Generationen das
Werden Diss Sehliemann’s stets wach erhalten! Môge es niemals vergessen
longi. Wie dieser, im besten Sinne selbstgemachte Mann, nachdem er in
den an harter Arbeit im Auslande reiche Schätze gesammelt hatte,
Mitte, en Rest seines Lebens dazu verwendete, mit den so gewonnenen
dass or "osenschaftliche Aufgaben der schwierigsten Art zu lósen, und
den Singin thm selbst theuersten Theil seiner Entdeckungen, zugleich
Willige, e über den er frei verfügen konnte, dem Vaterlande in frei-
Ein in enkung dargebracht hat!
Zeit hinge E08 Geschick hat ihn, nach menschlicher Betrachtung, vor der
ihn ep ft Ein Ohrenleiden, an sich weniger gefährlich, als für
Leitso, stick, hatte ihn, nachdem im letzten Sommer die Campagne
Ethnologie, Jahrg. 1891.
A
| Gedächtnissfeier für Heinrich Schliemann.
seiner trojanischen Ausgrabungen abgeschlossen war, im October nach
Deutschland geführt. Mit der Entschlossenheit und der Ungeduld, die ihm
eigenthümlich waren, suchte er Befreiung von einem, wahrscheinlich der
frühesten Kindheit entstammenden Uebel, Knochenauswüchsen in beiden
Gehôrgängen. Die schwere Operation führte zu einer, scheinbar günstigen
Heilung. Voll von Plänen für die neue Campagne, die am heutigen Tage
in Hissarlik beginnen sollte und die er für die letzte und abschliessende
hielt, kam er am Abende des 13. December hier an, sah am nächsten
Morgen noch einmal seine Sammlung, besprach die spätere Ueberführung
des noch in Athen befindlichien Restes hierher, und begab sich schon am
Mittage wieder auf die Reise, um über Paris und Neapel Athen und die
Seinigen zu erreichen. Am 6. Januar gedachte er mit ihnen seinen
69. Geburtstag zu begehen. Da traf plötzlich und unerwartet die Trauer-
nachricht ein, dass er am 26. December in Neapel, ganz einsam, in den Tod
gesunken sei. Frau und Kinder haben nur seine Leiche wiedergesehen.
Möge die heutige Versammlung ihnen zeigen, dass der Name des
Gatten und Vaters in seinem Vaterlande in höchsten Ehren gehalten wird,
und dass seine Verdienste bei seinen Landsleuten nicht in Vergessenheit
gerathen werden. Er hat Grosses gewollt und Grosses vollbracht. Er hat
die Ungunst der äusseren Verhältnisse durch treue und umsichtige Arbeit
zu überwinden gewusst, und er hat in aller Bedrängniss des geschäftlichen
Lebens die Ideale nicht aufgegeben, welche in die Brust des Kindes
gepflanzt waren. Was er erreicht hat, ist von ihm durch eigene Kraft
erzwungen worden. Unter allen Wechselfällen ist er sich selbst treu
geblieben. Seine einzige dauernde Sorge war das Streben nach höherer
Erkenntniss.
Ehre seinem Angedenken!
Der Vorsitzende, der Gesellschaft für Erdkunde, Hr. Wilhelm Reiss, 2
hielt folgende Ansprache:
Hochansehnliche Versammlung!
Es ist eine schöne Sitte, hervorragenden Männern nach ihrem Dahin-
scheiden eine Gedächtnissfeier zu bereiten. Wenn die Hauptstadt des
Deutschen Reiches und drei wissenschaftliche Gesellschaften heute zu einer
solchen Feier zusammentreten, so weist schon diese Vereinigung auf die
Sehwere des Verlustes hin, welehen unser Vaterland, welchen die Wissen-
schaft erlitten hat.
Unter Sehliemann's Händen sind die herrlichen Sagen des klassische?
Alterthums lebendig geworden. Mit der Hacke und dem Spaten hat er
der Archäologie neue Wege gewiesen, neue Gesichtspunkte erôffnet. Wie
tief eingreifend, von welch’ weittragender Bedeutung die Resultate seine!
58
Gedächtnissfeier für Heinrich Schliemann. 59
Arbeit sind, das hören Sie heute von berufenster Seite geschildert. / Nur
darauf Möchte ich, als Vertreter der Gesellschaft für Erdkunde, deren
lirenmitelied Schliemann seit einer Reihe von Jahren war, noch besonders
hinweisen, dass seine Forschungen auch auf geographisches Gebiet sich
Crstreckten, ! Nicht nur ist die historische Geographie durch seine Ent-
deckungen "wesentlich gefórdert worden, er hat auch eine Reihe von
Beobachtungen in einer besonderen, Schrift niedergelegt, welche seine
Reisen in der Troas uns vorführt. [Als ein hohes Verdienst des idealistisch
"ngelegten Mannes muss es gelten, dass er der naturwissenschaftlichen
Methode in der Archäologie Bahn brechen half. )
. Sehliemann hat zwei weit auseinander liegende Aufgaben gelöst, deren
S einzelne genügen würde, das Leben eines aussergewóhnlichen Menschen
eio auf zu erfüllen: Der Lehrling aus dem kleien Kramladen hat durch
tends. Kraft sich aufgeschwungen zum mächtigen, über Millionen gebie-
— Kaufmann; der arme Pfarrerssohn, dem jede akademische Bildung
der 380 war, ep ist zu einem der Führer geworden auf einem neuen Gebiet
be archäologischen Wissenschaft. — Schliemann hat sich nicht damit
ls ME ein fürstliches Vermógen zu erwerben; ihm war der Reichthum
Mte] zur uneigennützigen Verfolgung idealer Zwecke. —
is er in der Jugend getrüumt, im Alter hat er es erreicht, und
"d vernahm die ganze gebildete Welt die Nachrieht von dem Dahin-
€n des grossen Forschers.
eda s trifft der Schlag am tiefsten; aber stolz kónnen wir sein, einen
lebend: Mann zu den Unsrigen zählen zu dürfen. Sein Andenken wird
ein | !8 bleiben, so lange unsere Cultur besteht; sein Vorbild wird stets
" "üchtendes Beispiel sein dessen, was edie Begeisterung zu leisten
Au 38, wenn sie gepaart ist mit festem Willen und unermüdlicher
Sdauer, __
Hy po Epilog sprach der Vorsitzende der archäologischen Gesellschaft,
_ Ast Curtius:
P hat nicht selten sagen hóren, dass die Fachgelehrten sich den
"in eines unziinftigen Mannes gegenüber vornehm ablehnend verhalten
thun ist Aber die Professoren, denen es im Herzen um die Walirheit zu
Prong. , ‚Sollen und wollen keine abgeschlossene Kaste bilden; ihre höchste
usas ISt es, wenn sie sich mit dem ganzen Volk der Gebildeten im
na ing fühlen, wenn sie sich sagen können, dass die Ergebnisse
dass n Und einsamer Forschung in weiten Kreisen Anklang finden und
lich, " ur Solchen Aufgaben nachgehen, welche eine allgemein mensch-
sich ng haben. Es gab eine Zeit der Büchergelehrsamkeit, welche
Aber d tudirzimmer abschloss, namentlich in Fragen der Alterthumskunde.
38 1st gerade das hohe Verdienst unseres Schliemann, dass er
rc
27
Gedächtnissfeier für Heinrich Schliemann.
wesentlich dazu beigetragen hat, den Bann zu lösen. Man hört jetzt so
häufig, das lebendige Interesse für das klassische Alterthum, welches die
Zeiten von Lessing, Winckelmann, Herder und Goethe beseelt hat, sei
erloschen. Aber mit welcher Spannung ist die ganze gebildete Welt dies-
seits und jenseits des Oceans den Schritten von Schliemann gefolgt! Haben
wir nicht erlebt, dass, wenn in der Times ein Resultat seiner Entdeckungen
angezweifelt wurde, ein Meeting in London anberaumt worden ist, um so-
fort in grosser Versammlung die betreffende Frage zu verhandeln, als
wenn es sich um eine brennende Frage der Tagespolitik handelte? Die
Zahl der Jahrhunderte, welche zwischen uns und der Vergangenheit liegen,
ist nicht maassgebend für die Bedeutung derselben in Bezug auf unser
geistiges Leben. Das Fernste kann uns das Nächste, Wichtigste, geistig
Verwandteste sein.
Unser Verhältniss zu Homer ist ein Stück menschlicher Cultur-
geschichte.
Als Johann Heinrich Voss Odyssee und Ilias bei uns einbürgerte, war
die homerische Welt ein reines Phantasiebild, und als am Anfang dieses
Jahrhunderts englische Forscher die alten Mauern von Mykenai und Tiryns
wieder entdeckten, waren Voss und seine Schüler von Allen die Un-
gläubigsten, es kam ihnen fast wie eine Profanation vor, dass die in
idealer Höhe schwebenden Gestalten, die Schatten der homerischen Helden
in steinernen Denkmälern bezeugt sein sollten. Der Philosoph Schelling
musste dafür eintreten, dass jene Mauern nichts Anderes sein konnten, als
die monumentalen Zeugen der homerischen Welt, die wunderbar erhalten
in unsere Tage hineinragen.
Schliemann selbst ist mit seinen Arbeiten von Jahr zu Jahr gewachsen,
und die Ergebnisse seiner Arbeiten überragen bei Weitem Alles, was er
selbst im Auge gehabt hat.
Wenn er der grossen Menge des Publikums wie ein Zauberer erschien,
der mit einer Wünschelruthe umherging und die Plátze zu finden wusste,
wo in dunkler Tiefe die Goldschátze ruhten, so haben die Mánner der
Wissenschaft ihm etwas zu danken, was über alle Einzelfunde weit hinaus-
geht und in unsere gesammte Geschichtserkenntniss tief eingreift.
Es war ein alter Streit, wie weit der Inhalt der epischen Gesänge
etwas ganz der Phantasie Angehüriges sei und gleichsam aus der Luft
gegriffen, oder mit der Vólkergeschichte zusammenhünge. In Bezug auf
die deutsche Vorzeit haben die Gebrüder Grimm und nach ihnen besonders
Müllenhoff mit voller Entschiedenheit die Ueberzeugung vertreten, dass
allen grossen epischen Gedichten mächtige Ereignisse und Volksbewegungen
zu Grunde liegen. Diese Streitfrage ist auf hellenischem Boden durch
Schliemann zur Entscheidung gebracht, und während er selbst anfänglich
nichts Anderes suchte, als die Fundamente der Mauern Ilions, welche ef
in Kinderbüchern hatte brennen sehen, so ist durch ihn nach und nach
60
Gedächtnissfeier für Heinrich Schliemann. 61
qu. Pone Epoche alter Menschengeschichte wieder aufgetaucht, und wie
m die preussische Expedition unter Riehard Lepsius das alte Reich
Gog roms wieder entdeckt wurde, so ist auch durch Schliemann das
won miss des Menschengeschlechts um viele Jahrhunderte erweitert
zu Ton Ilion, Tiryns, Mykenai, Orchomenos sind in voller Realität wieder
liegen getreten, und die Gebäude, in denen die Atriden wohnten, sie
hüuse, Jetzt so klar vor unseren Augen, wie die pompejanischen Wohn-
is rend man früher nach persönlicher Neigung über das Verháliniss
sche 0 Abend- und Morgenland urtheilte, indem die Einen alles Griechi-
wolie dem Boden des europdischen Mutterlandes einheimisch wissen
man v als B der Ehre der Hellenen zu nahe getreten würde, wenn
Eig, Sndischen Einfluss anerkenne, die Anderen dagegen wieder nichts
50 ist Misches anerkennen wollten, das aus eigenem Keime erwachsen sei, —
sind dieser peinliche Widerspruch jetzt beseitigt, ,Orient und Occident
eine "d mehr zu trennen", aber das diesseitige Land ist nicht bloss
turen s )9nle des jenseitigen, wo die Erzeugnisse ülterer, überlegener Cul-
Küste abgelagert haben, sondern der Wechselverkehr der beiderseitigen
lich ve ander, die dureh das Inselmeer nicht getrennt, sondern unzertrenn-
sche oo nigh sind, ist der Inhalt ältester Völkergeschichte, und die europäi-
Wickeln hat von Anfang an eine hervorragende Stelle in dieser Ent-
Seide Ráthsel bleiben zu lósen. Troja selbst bleibt noch heute ein
Be ernster Controversen; aber der Weg ist gebahnt, der Vorhang
be deck 0 der Schleier hinweggezogen, der den Boden der homerischen Welt
po Verdanken wir Heinrich Schliemam. Darum ist sein Wirken ein
eher e mehendes auf dem Gebiete der Geisteswissenschaft, und dankbar
T heute und immerdar sein Andenken.
"i Dank ist um so würmer und lebendiger, weil er, der Welt-
hat er d. Deutscher geblieben ist. Im Anschluss an deutsche Gelehrten
AN erst 3 Beste zu Stande gebracht. Án sem Vaterland dachte er stets
in tene, Stelle. Für unsere öffentlichen Kunstsammlungen hat er einen
ich beant einzigen Schatz gestiftet, und als Beamter des Museums bin
Süszus ragt, ihm dafür in dieser Feierstunde den Dank des Vaterlandes
Prechen.
ist, ui Siren in ihm die hóchste Gabe, die einem Sterblichen verliehen
reichen Proische Willenskraft, welche, um einen idealen Zweck zu
alle Schwi alle Mittel aufbietet, alle Opfer bringt, allen Gefahren trotzt,
B lerigkeiten überwindet. ,
zu sein hat Imendlich mehr zu Stande gebracht, als den Menschen gestattet
SlOsseg mee aber, in der Blüthe seiner Kraft dahingerafft, hat er sein
*üsSwerk nicht zum Abschluss gebracht.
' Gedächtnissfeier für Heinrich Schliemann.
Wir bedauern vor Allem, dass es ihm nicht gelungen ist, in Kreta
die Verhandlungen zu Ende zu führen, welche den Zweck hatten, den
Boden eines der alten Königssitze daselbst für seine Forschung zu gewinnen.
Nachdem die Herrschaften der Dardaner, der Minyer, der Perseiden und
Pelopiden an’s Licht getreten, fehlten in der Reihe noch die Fürsten-
geschlechter der Insel, welche von allen Ländern am meisten der Mutter-
schooss aller Culturgeschichte des Archipelagus gewesen ist, wo die Italiener
neuerdings die ruhmvollsten Entdeckungen gemacht haben. Die Epoche
der alten Zeit, welche an den Namen des Minos geknüpft wird, ist im
Dunkel geblieben.
Das wäre also die beste Gedáchtnissfeier Schliemann’s, wenn man in
seinem Vaterlande Alles daran setzte, die gewaltige Arbeit unseres grossen
Landsmannes nicht stocken zu lassen, und nach dem ruhmvollen Vorbilde
der freigebigen Kunstfreunde Oesterreichs die Mittel herbeischaffte, um das
so jih abgebrochene Lebenswerk von Heinrich Schliemann zu vollenden. —
Unter den Klängen des „Reigens seliger Geister“ aus dem Orpheus
von Gluck, von demselben Chor der Hochschule für Musik ausgeführt,
schloss die ernste Feier.
692
Anhang.
Rede zur Bewillkommnung Schliemann’s als Ehrenbürger Berlins,
Sehalten am 7. Juli 1881 im Festsaale des Berlinischen Rathhauses
von
RUDOLF VIRCHOW.
Verehrter Freund Schliemann!
gy, hem Sie heute in üblicher Weise in den Besitz der höchsten
haben eingesetzt worden sind, welche unsere Gemeinde verleihen kann,
lieder de uns hier, in der Festhalle des Rathhauses, versammelt, Mit-
der kin M staatlichen und der städtischen Behörden, der wissenschaftlichen,
Frage Stlerischen und der wirthschaftlichen Korperschaften, Manner und
Und gs aus allen Kreisen der Bevölkerung, um den neuen Ehrenbürger
Unsrigen Viel gefeiertes Weib auf das Wärmste zu begrüssen als die
lande a men die Freude auszudrücken, dass Sie nunmehr dem Vater-
führen « unserer Stadt wiedergewonnen | sind, und Sie persónlich ein-
komme, dié bürgerlichen Kreise. Seien Sie von ganzem Herzen will-
tung der Una, obwohl Ihnen als Ehrenbürger keine juristische Verpflich-
Behôrigh ete die Gemeinde obliegt, môge doch das Gefühl der Zusammen-
SE 9l immer stärker werden und niemals wieder erlóschen!
Mensch, ler Freund, sind heimgekehrt, nachdem sie länger als ein
Waren, X. ter hindurch draussen in der Fremde in harter Arbeit beschäftigt
ung font eodem Sie das Vaterland verlassen hatten als ein armer, schwacher
mit Wei ülfloser Junge, kehren Sie zurück als ein fertiger Mann, gesegnet
Über dies und Kindern, mit reichen Glücksgütern und vielen Ehren, und
dem "m Besitze der seltensten Schütze, welehe Sie mit eigner Hand
Shp gr. à Schooss der Erde entrissen haben. Was der Knabe in
Schalten sem Enthusiasmus versprochen hatte, das hat der Mann
in Unsere, " bringen dem deutschen Volke zur ewigen Aufbewahrung
Sage und D die Ueberbleibsel jener uralten Cultur, von der nur noch
man nach ai ung zu erzühlen wussten. Jahrtausende hindurch hatte
Sich in voll sen Ueberbleibseln gesucht, aber schon das Alterthum hatte
alten Stadt °r Resignation dem Gedanken ergeben, dass jede Spur der
Yerschwunden sei.
Etiam periere ruinae.
Gedächtnissfeier für Heinrich Schliemann. Anhang.
Sie zuerst haben es gewagt, die Oberfläche, welche Ihnen nichts zu
bieten hatte, zu durchbrechen. In der Zuversicht einer Ueberzeugung,
wie sie nur auf dem Boden hingebenden Glaubens an die Wahrheit der
dichterischen Ueberlieferung erwachsen konnte, haben Sie Schicht um
Schicht beseitigt. Ihre Laufgräben schnitten allmählich 20, 40, 60 Fuss
tef ein in einen Hügel, den man bis dahin wesentlich für einen Berg-
vorsprung gehalten hatte, und endlich lag sie vor Ihnen, die alte Burg,
welche durch gewaltige Feuersbrunst zerstört war, mit ihrer Mauer,
ihrem Thor, ihren Strassen und den Grundmauern ihrer Häuser. Nicht
bloss angebranntes Korn und Reste thierischer Nahrung, Küchen- und
Wirthschaftsgeschirr, Schmuck und Tempelgeräth, Waffen aus Stein und
Bronze, nein auch Gold und Silber in nie geahnter Vollendung der Arbeit
kamen zu Tage. Glück und Geschick feierten hier in schönem Bunde
den herrlichsten Sieg. Einer der besten Untersucher der Troas, der eng-
lische Reisende Baker Webb hatte noch vor etwa 50 Jahren geschrieben:
„Heut zu Tage auffinden zu wollen, was schon seit 2000 Jahren verloren
ist, wäre ein eitles Vorgeben.“ Und doch behielt der Schwirmer Recht!
Was aber war es, das durch alle die Jahrtausende die Sehnsucht der
gebildeten Welt auf diesen Platz gerichtet hat? Woher kam es, dass alle
Faden des Sinnens über die Anfänge der klassischen Geschichte hierher
zusammenliefen? Plinius hat es gesagt: hier sei der Ort, von wo aller
Dinge Berühmtheit ausgegangen ist, unde omnium rerum claritas. Hier-
her zog Xerxes als an den Ort, wo den Griechen der erste anhal-
tende Widerstand auf asiatischem Boden entgegengetreten war, hierher
Alexander als an den Platz, wo, wie Plutarch sagt, die glinzendste That
des gesammten Griechenvolkes geschehen war. Aber auch Rom suchte
hier seinen Ausgangspunkt. Von llios solite Aeneas nach Italien gekommen
sein, auf ihn führten die Julier, der grosse Cäsar und die Kaiser, ihr
Geschlecht zurück. Und so mächtig wirkte der Zauber des Namens, dass
selbst unsere Fürstengeschlechter ihre Genealogien an Troja anknüpften.
Hat doch Albrecht Achill noch 1466 seiner Ueberzeugung von dieser Ab-
stammung feierlichen Ausdruck gegeben.
Man fühlte es auch bei uns, dass der Fall von Ilios die Grenze
zwischen Geschichte und Práühistorle, zwischen Cultur und Barbare!
bezeichnet. Namentlich seit der Wiedererweckung der Wissenschaften,
als nach der Eroberung Constantinopels durch die Türken die vertriebene?
Griechen ins Abendland flüchteten und die Kenntniss der griechische?
Sprache in die Programme der gelehrten Schulen aufgenommen wurde
da erwachte der Sinn für griechische Geschichte und Bildung auch im
deutschen Volke, man wurde sich der gemeinsamen Abstammung bewusst
man fühlte, dass von Hellas aus das menschliche Wesen seine feinere Ent
wickelung erhalten habe: die Heroen unserer Dichtung haben diese
64
Gedächtnissfeier für Heinrich Schliemann. Anhang. 65
pa ndung zu vollem Ausdruck gebracht; die Schule von Weimar konnte
| Fu Fortsetzung der Schule von Athen aufgefasst werden.
die Gel b wird uns das Material zugeführt, an welchem nicht bloss
eine Ord rten, sondern auch die Ungelehrten schauen sollen, was es für
Werden nung war, welche in der alten Ilios ihren Sitz hatte. Die Kritiker
War, ht mide, zu warnen, dass niemand wisse, ob das wirklich Troja
in der T. kümmert das wenig. Das ist sicher, dass es der einzige Ort
Welche FOàas 1st, auf dem jemals die Burg eines goldreichen Fürsten stand,
der A m so ferne Zeit zurückreieht__ ‘Denn was weder Homer, noch einer
Seit. wusste, die alten Streiter führten noch Steinwaffen, und so grosse
Gerèthe von ausserhalb sie gesammelt hatten, rings um sie waren noch
Gold A Steinzeit in vollem Gebrauch. Was noch werthvoller ist, als
in den ephrit, den kostbarsten Edelstein prähistorischer Zeit, haben Sie
den A Stücken gesammelt. In der tiefsten und auch noch in
historie sthôheren Schichten ist, archäologisch gesprochen, noch volle Prä-
Zeit ke: und nichts steht der Annahme entgegen, dass schon zu Homer's
die Bus Spur der uralten Burg mehr zu Tage lag. Auch für ihn gehôrte
Augensct schon der Sage an, und seine Dichtung konnte nicht mehr den
auch s, lem, sondern nur noch die Ueberlieferung widerspiegeln. Aber
mit den ist sie uns das herrlichste Gut, und auch so wird die Vergleichung
Vergleich wirklichen Funden künftig eie der wichtigsten Aufgaben der
Freun d en Forschung nicht bloss für die Philologen, sondern für jeden
Da er Culturgeschichte sein.
oser bleibt nun unser, und schon das würde genügen, um Ihnen
Behörde ganzen Dank zu sichern. Aber ich glaube im Sinne der städtischen
echt oe Sen zu können, dass sie durch die Verleihung des Bürger-
Rauf hr ausdrücken wollten: die Anerkennung des Strebens, dass ein
Then M im reifen Mannesalter in uneigennützigster Weise einen grossen
für vie es Vermögens an so ideale Zwecke setzte, die Entschädigung
Ihnen ei ngriffe und Schädigungen, welche die Idealitát dieses Strebens
dem ih "hgebracht hat, den Preis dafür, dass ein solcher Mann, nach-
lande A das Höchste geglückt, den Ertrag seiner Arbeiten dem Vater-
Vorbil d usb obwohl es ihm so lange entfremdet war. Möge das edle
Sie tele Nachfolger finden!
eh Freund, gehören nunmehr dem grössten deutschen
Sie und de an. Möchten Sie ganz bei uns heimisch werden! Seien
ie lieben Ihrigen uns von Herzen willkommen!
I V.
Ethnologie und Ethik
von
Dr. THS. ACHELIS in Bremen.
Gegenüber der speculativen Behandlung der Ethik, wie sie von der
bekannten Kant’schen Formel: ,Handle so, dass deine Maxime jederzeit
Princip einer allgemeinen Gesetzgebung werden kann“, in den meisten
systematischen Untersuchungen maassgebend geblieben ist, ist in unseren
Tagen unter dem weitreichenden Einfluss der Naturwissenschaft eine andere
Richtung aufgetreten, welche, wesentlich auf das umfassende Material der
vergleichenden Völkerkunde gestützt, den psychogenetischen Weg zur
Erklärung der betreffenden Probleme einschlägt. Nachdem durch Darwin
die Biologie die fundamentale Wissenschaft geworden war, glaubte man
auch für die Philosophie überhaupt die Zeit für eine gründliche Reform
an Haupt und Gliedern gekommen; wie Alles im Wege der künstlichen
und natürlichen Züchtung im Verein mit den anderweitig wirksamen
Factoren der Anpassung und Vererbung von den complicirtesten Erschei-
nungen rückwärts bis zu den einfachsten Formen des organischen Lebens
erklärt wurde, so hoffte man auch unter derselben Perspective das mensch-
liche Handeln auffassen und deuten zu kónnen. Anstatt also, wie bislang:
in der praktischen Philosophie von bestimmten Voraussetzungen über eine
unveränderliche Hôhe der sittlichen Werthschätzung auszugehen und nach
diesem, mehr oder minder subjectiv bedingten Maassstab die einzelnen
ethischen Erscheinungen zu beurtheilen, fing man jetzt an, der Entstehung
der verschiedenen sittlichen Ideale nachzuspüren und inductiv im Detail
zu erweisen, dass das Gute nichts absolut Gültiges und immer Constantes
bedeute (ein Gedanke, den ahnungsvoll schon Spinoza ausgesprochen);
sondern je nach der Entwicklungshóhe des bezüglichen socialen Organismu?
einen gänzlich verschiedenen, ja mitunter sich direct widersprechende?
Inhalt in sich schliesse. Es genügte nicht mehr, von einem kategorische?
Imperativ, als einem ganz selbstverstándlichen und überall gleich wirk-
samen Factor zu reden, der ohne Unterschied der Person an Alle die
gleiche Forderung sittlichen Strebens richte, von einem immanenten Sitten"
gesetz, das der Mensch selbst in seiner Brust trage und allerorten Z!
befolgen verpflichtet sei. Man besann sich, dass die Cultur, aus der Di
dahin der entscheidende Werthmesser der Moral unbedenklich entlehnt
Ethnologie und Ethik, 67
an verhältnissmässig sehr spites Product eines unendlich langen
"on sei, dessen einzelne Phasen in aufsteigender Linie erst eine
gemein ntersuchung erforderten, ehe man zu einem abschliessenden, all-
sich o; gültigen Urtheile gelangen kónne. Unter diesen Impulsen bildete
gabe Ne ganz neue Wissenschaft, die Ethnologie, welche es sich zur Auf-
Erich auf Grund einer môglichst ausgedehnten Vergleichung eine
Physio), üngsgeschichte der menschlichen Rasse zu schreiben, weniger in
Pologia gischer Hinsicht, — das war Sache der eigentlichen Anthro-
Gesitt,. — als in psychologischer, eine Geschichte der menschlichen
Sinog ‚welche den Rahmen der streng an den chronologischen und
Schritt M schen Leitfaden gebundenen Weltgeschichte bei weıtem über-
abweich “S soll nun in Folgendem der Versuch gemacht werden, diesen
Botrache 100 ethnologischen Standpunkt, seweit er für die Ethik in
fasserg , komm, möglichst objectiv zu entwickeln; das Urtheil des Ver-
histori s dabei völlig zurücktreten, soweit diese Reserve selbst Für eine
Brgy 1) chologische Betrachtung durchführbar ist. Um aber voreiligen
dass wir sen von vorneherein zu begegnen, so sel ausdrücklich bemerkt,
für "a es hier nur mit einer Skizze der phánomenologisehen Vorarbeiten
Aufbau Ethik zu thun haben, deren etwaiger streng wissenschaftlicher
dieser N des Meisters harrt. Die besondere philosophische Verwerthung
Darstellung. die Völkerkunde gebotenen Anregungen bedarf einer eigenen
hey Entwicklungsgeschichte des menschlichen Geschlechts, die wir
ihrerseir, das Ziel der modernen Völkerkunde bezeichneten, stützt sich
Worte ; auf eine methodologische Voraussetzung, die einiger erläuternder
Schon aant nehmlich auf die socialpsychologische Perspective. Wie
logisgpen s i Rerpsyehologie eine über den landläufigen individualpsycho-
dig Vero] tandpunkt hinausgehende Auffassung vertrat und in den durch
Rasse i chende Sprachwissenschaft geschaffenen Stammbäumen unserer
logische. äusseren Leitfaden für ihre sprachwissenschaftlichen, mytho-
diesen G i ästhetischen Untersuchungen fand, so griff unsere Disciplin
Vergleich, anken gleichfalls auf, nur mit dem Unterschiede, dass diese
Sehin "s zu einer universellen, nieht mehr dureh jene Schranken
des Mensch, erweitert wurde. Sollte in der That die psychische Einheit
bleiben , engesehlechts nieht eine zwar tonende, aber inhaltsleere Phrase
Sehr dsthetische Floskel, so musste sie sich in den verschiedenen
Pena Enn M menschlichen Allgemeinbewusstseins auch unzweideutig
any, besond m diesen Thatbestand unwiderleglich zu erhürten, lieferte
Schiede hi ers die über alle ethnographischen und chronologischen Unter-
Belege, v. Breifende Entwicklung des Rechts die unzweideutigsten
Techy ei on das mit gutem Grunde; denn gerade das Recht bildet so
Organi leh das Knochengerüst für die Entfaltung des menschlichen
$, und es zeigt deshalb viel weniger Sprünge und Ausweichungen’
~
THS. ACHELIS:
als z. B. die Religion oder gar die Kunst, vom socialpsychologischen Stand
punkt aus betrachtet. So entstand ganz in der Stille eine freilich zur Zeit
noch wenig beachtete, aber für eine fernere Zukunft unstreitig sehr einfluss”
reiche Schule der vergleichenden Rechtswissenschaft auf ethnologische#
Basis, die, ganz im Gegensatz zu der bisher üblichen geschichtliche?
Betrachtung, sich nicht auf einen bestimmten Culturkreis beschränkte
sondern vielmehr sämmtliche Stadien des socialen Processes, den die
Menschheit überhaupt von ihren ersten dürftigen Anfängen bis zu de?
complicirten Gebilden staatlichen Lebens hin durchlaufen hatte, vor ihr
Forum zog. Es genügt wohl an dieser Stelle, die Namen von Bastian:
Post, Kohler, und von Ausländern etwa Lubbock, Tylor, Girard
Teulon, Me Lennan, Wilken zu nennen. Der für uns hier maas*
gebende socialpsychologisehe Standpunkt, wie ihn Bastian zuerst in dem
Ausdruck des Volkergedankens!) formulirt hat, ist mit geringen Nuancirunge?
bei allen derselbe. Die Begründung dieser socialpsychologischen Auffassung
kann uns hier, wo es sich um ethische Probleme handelt, nicht weiter
kümmern; nur soviel sei bemerkt, dass dieselbe sich auf die Thatsach?
stützt, dass, so wie Ich und Seele sich nicht decken, die grosse?
Schópfungen unseres Geistes, wie Sprache, Recht, Sitte, Religion und
Kunst sich schlechterdings nieht aus individuellen Leistungen erkláre?
lassen, sondern nur auf universalpsychologischem Boden entstehen konnte?
Erst die moderne Ethnologie hat nachdrücklich mit den Wahngebilde?
Rousseau'scher Speculation, um nicht zu sagen, Phantastik aufgeräumb
als ob sich das sociale Leben der Menschheit aus individuellen Ent
schliessungen, Verträgen, Nützlichkeitsmaximen u. s. w., wie sie noch imme!
im heutigen Utilitarianismus eine verhängnissvolle Rolle spielen, zusammen”
setze. Soweit die exacte Wissenschaft und alle verlässlichen Reconstructione!
reichen, zeigt sich der Mensch immerfort als sociales Wesen, getragen und
geschützt von der bezüglichen Organisationsform, die ihn geboren und er”
zogen hat, und diese unausweichliche Abhängigkeit gilt umsomehr, je mehr
wir uns, wenn der Ausdruck erlaubt ist, den Anfängen menschlicher Ge”
schichte nähern, wo das Individuum vollständig in dem Typus der um”
schliessenden Association untergeht. Welche verhängnissvollen Schlüsse sicl
daraus für den Ursprung sittlicher Handlungen ergeben, werden wir gleich
zu erörtern haben; vorerst bedarf die andere dringlichere Frage der EI”
ledigung, woher denn diese Organisation sich ihrerseits erklärt, die er®
dem Einzelnen die Möglichkeit eines ethischen Verhaltens gewährt.
Einmal ist hierfür die Eigenart der Individuen selbst in Anschlag
1) Diese Bezeichnung kehrt in den meisten Schriften des Altmeisters der Ethnologi®
in Deutschland wieder. Eingehend hat er diese Perspective begründet in der Schrift: ,D°
Völkergedanke im Aufbau einer Wissenschaft vom Menschen. Berlin 1881“. Eine freilich
etwas buntscheckige Sammlung ethischer Thatsachen findet sich in der Vorrede Bastian?
zur 4. Lieferung des Werkes ,Indonesien* unter dem Titel „Zur ethnischen Ethik
(Berlin 1888).
68
Ethnologie und Ethik. 63
in ingen, die nicht nach Art der Sensualisten als ein zufälliges,
— träglich von selbst einstellendes Product der Erfahrung an-
lungen Werden kann. Das ist allen einseitigen darwinistischen Sehilde-
a stets wieder zu betonen, und selbst der ganze, viel-
die Plot ampf um's Dasein verliert jeden ‚Sinn, wenn man nicht an
"— A dieser Entwicklung schon das mit bestimmten Kräften aus-
lich dis. ndividuum stellt. Den zweiten wichtigen Factor bildet frei-
be ling, Picirte Reihe von áusseren Ursachen, die man meist Existenz-
logische N nennt: Klima, Nahrung, Bodenbeschaffenheit, gewisse bio-
brochene eziehungsverrichtungen und sociale Momente. Aus der ununter-
sich d. Wechselwirkung dieser beiden Glieder des Processes würde
auf dem pie Mannichfaltigkeit der Organisationen erklären, denen wir
Von giu Yrdball begegnen; während zufolge der ursprünglichen Congruenz
Structur 4 und Recht sich eine überraschende Gleichfórmigkeit in der
der sich er einzelnen ethnischen Gebilde zeigt, entwickelt sich vermôge
Sphären stetig steigenden und gróssere Anforderungen stellenden socialen
Indiy; dux eme immer schárfere und unvergleichbare Besonderheit des
Gesetzen ns heraus, das, vordem nur getragen von den psychophysischen
deg gan, des socialen Organismus, jetzt den herrschenden Mittelpunkt
Schiller. Processes ausmacht. Während der Naturzustand (um einen
Welche a hen Ausdruck zu gebrauchen) nur ethnische Institute kennt,
Colleet;. le Bedeutung des Einzelnen gar nicht aufkommen lassen, nur
tache ne hum, nur Collectivehen, nur Collectivpflichten, wie die Blut-
Organiom Friedloslegung immer nur Acte des betreffenden socialen
sich erat "S sind, nie spontane Thaten individueller Willkür, so arbeitet
Perge et langsam aus diesem chaotischen Gewirr die festgeschlossene
Territori keit des Einzelnen heraus, dem ein bestimmt „abgegrenztes
diese Ij, PO Rechten und Pflichten zukommt ^). Und je mehr sich
der Volk re nalisirung fortsetzt, umsomehr schwindet die Omnipotenz
Zum Rech: ümlichen Sitte, und es tritt ein früher unbekannter Gegensatz
“Poche, 1 em. Daher die Erscheinung, dass hoch. gesteigerte Cultur-
And le stärksten Widersprüche zwischen rechtlichen und sittlichen
ersten ve zeigen, während umgekehrt, wıe wir schon bemerkten, die
detstolie, €n socialer Entwicklung beide noch in ungetrübter Harmonie
Say. ich können wir uns an dieser Stelle nicht in eine ausführliche
jenen pris der Structur einlassen, wie sie nach neueren Untersuchungen
— Hiven Verbänden, den Geschlechtsgenossenschaften, zukommt,
Site El hierzu die epochemachende Schrift von A. H. Post: ,Die Geschlechts-
ehrere ait der Urzeit und der Ursprung der Ehe. Oldenburg 1875“; dieser sind später
Machen. "UD Theil sehr umfassende Arbeiten gefolgt, von denen wir hier nur namhaft
2 Bände. m Steine für eine allgemeine Rechtswissenschaft auf ethnologischer Basis.
enburg 1880/81* und „Die Grundlagen des Rechts. Oldenburg 1884*.
SX
s THS. ACHELIS:
mit denen die Ethnologie ihre Arbeit zu beginnen hat; das wäre Sache
der speciellen Fachwissenschaft. Aber einen wichtigen Grund möchten
wir den früheren Argumenten für die sociale Entstehung der sittlichen
Ideale noch hinzufügen, ehe wir die betreffenden Sehlussfolgerungen auf
die weitere Entwieklung sittlicher Vorstellungen überhaupt zu ziehen
unternehmen. | Obwohl, wie wir uns so eben überzeugten, für diesen
ganzen Vorgang das Individuum gar nicht zu entbehren ist, so ist es doch
nicht der selbständige Schöpfer seiner ethischen Weltanschauung, sondern
es wird darin ebenso, wie in seinen Rechtsanschauungen, durch und durch
bedingt durch seine sociale Umgebung. Man kann vom Standpunkte der
Völkerkunde es immerhin noch zugeben, dass das Gewissen das Organ
unseres sittlichen Bewusstseins genannt wird, obschon man sich klar
machen muss, dass damit psychologisch über die Bildung und Geltung
dieser hóchsten Instanz gar nichts ausgesagt ist, aber es ist schlechter-
dings unmöglich, dem rechtlichen und sittlichen Bewusstsein eine biologische
Basis zuzuschreiben, sie haben beide eine sociologische. Während jeder,
auch in strenger Isolirung aufgewachsene Mensch vermöge seines Gehirn?
logisch zu denken vermóchte, würde einem solchen Unglückliehen ei?
Rechtsbewusstsein und ein sittliches Bewusstsein in unserem Sinne vollig
abgehen, da diese eben nur das Ergebniss des geselligen Zusammenleben?
sind. Deshalb muss die inductive Forschung auch nicht von den in
dividuellen ethischen Anschauungen und Forderungen des einzelnen Men»-
schen ausgehen, obschon auch diese zum grossen Theil nur den Nieder-
schlag des soeialen Typus darstellen, sondern von den in Recht und Site
sich verkorpernden Aeusserungen des Volksgeistes, der darin sich offer
bart. Die Aufgabe ist hier genau dieselbe, wie etwa fiir die vergleichend®
Sprach- und Religionswissenschaft, welche ebenfalls, um den Proces®
sprachlicher und mythologischer Vorstellungen zu erfassen, ihre Ent
wicklungsgeschichte rückwärts aus den in den Worten und in den Cult
handlungen, Góttergestalten und Glaubenslehren objeoctivirten psychische?
Elementen erschliessen. Und auch nur so lässt es sich begreifen, dass trot?
aller historischen und ethnographischen Variirung im Ganzen und Grosse?
die primitiven Ideale der menschlichen Rasse in Religion und Sitte und
die grundlegenden Anschauungen auf dem Rechtsgebiete eine so übe”
raschende Aehnlichkeit zeigen, dass jeder aufrichtige Geschichtsforsche?
an jeglicher Entlehnung oder geographischen Wanderung solcher Idee?
verzweifeln muss *). |
Ist uns nun somit unsere eigene sittliche Entwicklung nur verstánd"
lich im Lichte des ethnologischen Wachsthums, so müssen sich aus diese
socialen Perspective auch bestimmte Schlüsse auf den etwaigen Wert?
1) Post, Einleitung in das Studium der ethnologischen Jurisprudenz, Oldenburg 1885
bes. S, 19 ff. — R. Andree, Ethnographische Parallelen und Vergleiche. Neue Folg®
Leipzig 1889.
7D
Ethnologie und Ethik. :
idler ethischer Schätzung und Beurtheilung ergeben. Dahin gehört
uL Linie die Einsicht in die Unhaltbarkeit der landläufigen An-
Sicht © der Moralsysteme auf eine ewige, unverbrüchliche Geltung. Es
Volk schlechterdings kein absolutes, an sich seiendes, für alle Zeiten und
npo. von vorneherein feststehendes Sittengesetz, keinen kategorisehen
hens der überall auf dem ganzen Erdball und in allen Berioden der
— lichen Geschichte dieselben Vorschriften und nun gar mit derselben
who, chen Strenge ertheilt hätte; es giebt keine derartigen, dem Men-
Zweig | manenten Grundsitze, die mit mathematischer Evidenz Jedem
tine, und Irrthume entrückt wiren: alles dies sind nur Abstractionen
Bey eInseitigen speculativen Richtung, die sich befangen an das eigene
wp, sein hált, ohne sich auch im Geringsten um die Entstehung des-
TN Zu kümmern. Alle Versuche mithin, aus a priori gegebenen, an-
Wisse" Vermögen oder Gefühlen des Rechts, der Billigkeit u. s. f. eie
die En Eich haltbare Ethik herzuleiten, sind gerade so verfehlt, wie
tli gefärbten Anschauungen, welche diese Elemente als Geschenke
Ine er Offenbarung ansehen. Die sociale Natur der Sittlichkeit zeigt
heit ib der verschiedenen Stufen, welche der Mensch und die Mensch-
hy “rchläuft, die denkbar heterogensten Fassungen, welche alle Hoff-
zu ks diese Widersprüche als Modificationen eines Princips begreifen
die A, en, ausschliessen. Während der Tscherkesse und Montenegriner
das bung der Blutrache als heiligste Gewissenspflicht empfindet, würde
Wor em civilisirten Staate als grober Rechtsbruch empfindlich geahndet
Nei, dem Frauenkauf patriarchalischer Zeiten steht die Ehe aus freier
Primi" Segenüber, wie wir sie kennen, der geschlechtlichen Laxheit der
dep mol Verbünde das monogamische Ehebündniss des Christenthums,
Verbs pen Toleranz in religiöser Hinsicht das mit dem Tode bestrafte
TN en des Religionsabfalles, das sich der streng gläubige Muselmann
Borg hen würde, u.s. w. Diese bunte Blüthenlese rechtlicher und
die m. er Sehwankungen (vergl. übrigens Post ; Bausteine, I. S. 60 ff),
Aute leicht erheblich vermehren könnte, beweisen für eine unbefangene
des as die Relativität unserer Ideale, die sich je nach der Structur
Gli, ^ nien Gesammtlebens ündern; nur unsere, nach einem monotonen
ein aass strebende internationale Cultur beginnt in dieser Beziehung
iggy 2578 übereinstimmendes geistiges Ferment herzustellen, obschon
Über oo Noch bedeutende Gegensätze existiren. (Man denke nur gegen-
Uivip ror europüischen Gesittung an die chinesische oder indische
zu D Deshalb ist vom Ethnologen auch in erster Linie Toleranz
die Te d. h. Verzicht auf die bekannten volltónenden Gefühlsurtheile,
lien bald In haltlosen Schwärmereien ergehen, bald in ebenso hin-
Braney Verdicten. Wer sieh im Angesicht zunächst ihm befremdlicher
der be und Vorstellungen berufen fühlt, ein Ketzergericht abzuhalten,
?Weist die für den Durchschnittsmenschen so charakteristische
Tns. ACHELIS:
Unduldsamkeit gegen andere Meinungen, der ist für eine objectiv wisseD
schaftliche Forschung noch nicht reif. Während die sentimentale Natur”
schwärmerei am Ausgange des vorigen Jahrhunderts sich in den gefallige?
Bildern von den guten, unverfülschten Wilden erging, hat sich jetzt dif
entgegengesetzte Richtung geltend gemacht, mit hochmüthiger Verachtung
auf den Entwicklungsgang inferiorer Stadien herabzublicken; dass beide®
gleich einseitig ist, bedarf kaum der besonderen Erwähnung. Es wär®
der Tod jedes ächt wissenschaftlichen Geistes, wenn man nicht einem
solehen, dureh und durch egoistischen Verfahren entgegen trite. Ueber”
haupt aber sollte man mit den gefährlichen allgemeinen Bezeichnunge?
vorsichtig sein, besonders wenn sie als Geschmacksurtheile in die ästhe”
tische Sphäre fallen, da nicht dies, sondern die Auffindung der relevante?
Ursachen ihrer Entstehung die Aufgabe der Völkerkunde bildet. Die sith”
liche Entrüstung aber, dem beschränkten individuellen sittlichen Bewusst”
sein entsprungen, dient nur dazu, den eigentlichen psychologischen ZU
sammenhang irgend eines Problems zu verwirren, statt ihn zu lösen”)
Nur durch die nüchterne Anwendung der socialen Perspective gelangt ma?
zu der maassgebenden relativen Werthschätzung jeglichen Geschehens, di^
ohne die specifischen Unterschiede aufzuheben, vielmehr jedem Studium des
Processes seine fiir sich bestehende und ausreichende Bedeutsamkeit lässt
“Es sei uns gestattet, die Wichtigkeit dieses Standpunktes noch an
einem anderen Beispiel zu veranschaulichen. Wir sind nur allzusel
geneigt, die uns anerzogenen Anschauungen und Gefühle, deren Bildung ip
das Unbewusste verläuft, mit in die Wissenschaft hinüber zu nehmen und
dort als Axiome oder Postulate, die keines weiteren Beweises mel”
bedürfen, aufzustellen. Das ist z. B. der Fall, wenn wir von dem 807
genannten allgemein Menschlichen sprechen, das sich trotz aller histo"
rischen und ethnographischen Unterschiede bei allen Vertretern des Grent®
Homo sapiens finden soll. Freilich fällt es schon schwer, diesen Typ"?
genauer zu specificiren, man begnügt sich, gewisse allgemeine sympathé”
tische Regungen aufzuzühlen, so zwischen Aeltern und Kindern, die duro?
die Natur selbst schon in des Menschen Brust gelegt seien. Nichts ist m
der That trügerischer, wie ein solcher Appell an die Natur. Denn wie
die exacte Forschung unserer Tage gezeigt hat, kann von solchen sittliche?
Gefühlen und Verpflichtungen schon deshalb nicht als allgemeinen, duro?
die Natur selbst geforderten die Rede sein, weil auf bestimmte?
Organisationsstufen die betreffenden Beziehungen, z. B. zwischen Aelter?
und Kindern, gar nicht existiren, an die sieh jene Empfindungen auch
ansetzen könnten. Im Matriarchat, wie es besonders bei den malayisch®
1) Vergl. hierzu die Ausführungen bei H. Spencer in seinem zur Methodologie gan!
brauchbaren Werke: „Einleitung in das Studium der Sociologie (2 Bände, Internation”
Bibliothek, Bd. 14 und 15), besonders L 8.90 ff, und Post, Einleitung in das 8"
dium u. s. w., S. 52.
{2
Ethnologie und Ethik. (^
a noch heutigen Tages erkennbar ist, giebt es einen Vater in unserem
dem de nieht, vielmehr nimmt dessen Stelle der mütterliche Onkel ein,
Pällen eme gewisse Pietät zukäme*). Und so geht es in allen analogen
Tungfr von den groben Widersprüchen bezüglich der Keuschheit der
es it im und Frauen mit unserem Sittengosetz gar nicht zu reden, —
Sewen A der aus einer einseitigen, meist nur der eigenen Cultur zu-
Moral, ei en Betrachtung erzeugte Wahn einer absoluten, allgemein gültigen
halthare U. an sich seienden Guten und Bösen, mit der man jedes kritisch
Rog, rtheil von vorneherein vernichtet De
Um zu wor wir kurz die für die Ethnologie maassgebende Anschauung,
bedarf. D ob ste vielleicht hier und da einer Correctur und Ergänzung
Socialen Ye. sie ist das Individuum ein unlösbares Glied irgend eines
Moratitat erbandes, und dadurch erhält es seinen bestimmenden Charakter;
dem Ty heisst hier nichts weiter, als die Congruenz des Einzelnen mit
Um go s der ihn tragenden und schützenden Organisation, die ihrerseits
und Fons sich entfaltet, je mehr das Individuum zur Consolidirung
Siti... dung seiner Association beiträgt. Der Werthmesser für seine
Nicht be : liegt somit nicht in einem transscendenten, geschichtlich sich
den jov renden Ideal, sondern in der Angemessenheit des Menschen zu
AW ihn "igen Forderungen, welche die betreffende ethnische Bildung
Aug, rollt Moral und Pflicht erscheinen in dieser psychogenetischen
dividuume + als naturnothwendige Producte einer Differenzirung des In-
bedinon 3 1m Kampfe oder in der Congruenz mit den gegebenen Existenz-
diesen pom und socialen Factoren, die bald hemmend, bald fórdernd in
"chung rens eingreifen. Es liegt nun für diese ganze Theorie die Ver-
dieser à ahe, die Entstehung von sittlichen Vorstellungen überhaupt nur
indem vo Anpassung des Menschen an seine Umgebung zuzuschreiben,
hung als an ihn Anfangs, nach Loeke's Vorgang, auch in ethischer Bezie-
Würde a eng Tabula rasa betrachtet. Die social gezähmte Bestie
Sich nicht chlagwort für diese düster gefárbte Auffassung, und man konnte
dem Men Song darin thun, wie schon früher bemerkt, das Thierische in
Meint Li en besonders grell hervorzuheben. Die Logik allein ist es,
Wegen ro ert, die uns mit dem Urmensehen verbindet; das Gefühls-
Stuttoart ee uns von ihm, wie von einer anderen Species (Culturgeschichte,
Mensch, 86, I. S. 49). Deshalb erblickt er in der Schmiegsamkeit des
Andes, vol Naturells den ausschlaggebenden culturhistorischen Factor.
aus der be en diese Imprägnation sittlicher Anschauungen lediglich
= efehlenden Autoritit ableiten, während die ersten Ansätze zu
1
Nach ade Tos udlagen des Rechts, S. 99 f, und Hellwald, Die menschliche Familie
tine Auch de aL und en Entwicklung, Leipzig 1889, 8. 282 ff. |
Vol, e" "ultrgescichthiche Betechis vorsichige Rats el pan seh lever, durch eine
»" nde, LS. 14 i) rachtung erzeugten Thatsache nicht verschliessen (vergl.
hit fig Ethnologie, p 1891.
6
. Tus. ACHELIS:
dieser Entwicklung in gewissen praktischen Erfahrungen des täglichen
Lebens gelegen hätten. [So Rolph, Biologische Probleme, zugleich als
Versuch einer rationellen Ethik. Leipzig 1882. S. 145 ff.*)]. Glücklicher-
weise ist solchen einseitig mechanisehen Ansichten, die einen erstaunlichen
Mangel an psychologischer Analyse zeigen, cine sachgemässe Entgegnung
nieht erspart, vor Allen hat Post, dessen Schriften sich überhaupt durch
klare Auffassung des Materials und ganz besonders durch kritische Nüchtern-
heit vor manchen, zwar äusserst verführerischen, aber wissenschaftlich
unhaltbaren sociologischen Speculationen unserer Tage auszeichnen; die
entsprechende Kehrseite dieses psychologischen Processes mit Recht betont.
Zwar gelten seine Ausführungen zunächst nur für das Rechtsgebiet, aber
da eben Recht und Sitte in den primitiven Entwicklungsstadien völlig
zusammenfallen?), so kónnen wir ihn auch für unsere Streitfrage als Ver
ireter aufrufen. Obschon das individuelle Rechtsbewusstsein, wie wir
früher sahen, völlig bedingt ist durch den jeweiligen Organisationskreis
als dessen concreter Niederschlag es erscheint, so wird man doch nie zum
Ziel kommen, wenn man nur aus Eindrücken der Aussenwelt die ganze
sittliche Welt des Menschen aufbaut, jedes Sollen als ein selbstverstánd-
liches Ergebniss irgend einer mechanischen Anpassung betrachtet u. s. V^
Richtig hat deshalb unseres Erachtens der eben erwähnte Gelehrte an”
genommen, dass die Fähigkeit, Recht von Unrecht im gegebenen Fall, je
nach Lage der Sache verschieden, zu unterscheiden, eine apriorische sel;
nicht erst nachträglich dureh allerlei Nützliehkeitserfahrungen erworbene:
obwohl der Inhalt dieser einzelnen rechtlichen Empfindungen empirisch
erlangt sei?) So sehr man von der Wandelbarkeit des sittlichen [deals
überzeugt sein mag, so stark die Schwankungen bezüglich des Inhalt
der einzelnen moralischen Gebote und Verbote sein mögen, so wenig wird
das blos formale Pflichtbewusstsein lediglich empirisch abgeleitet werde?
1) Der Trrthum Lubbock's (Entstehung der Civilisation, Jena 1875, S. 380 #.), das
den Naturvölkern überhaupt keine Sittlichkeit zugeschrieben werden könne, beruht einer
seits auf der dogmatisch hochgeschraubten Fixirung des in Rede stehenden Begriffe?
andererseits auf den vielfach widersprechenden Berichten über den Charakter der Wilde?
Man sollte übrigens nicht vergessen, dass sich solche, anscheinend unvertrügliche Gege?"
sütze wohl vereinbaren lassen, wenn man den maassgebenden Dualismus der nieder?
Moralsysteme berücksichtigt. Was gegenüber dem Stammesgenossen als schwerste Schul
empfunden wurde, war nicht nur unanstóssig, sondern galt als hóchst verdienstvoll 1°
Bezug auf einen Fremden (vergl. hierüber Kulischer, Ztschr. für Ethnol, XVII. 205 ff.
2) Dass das nicht schlechthin immer zutrifft, ist freilich zugegeben; unter nngünstis®
geschichtlichen Bedingungen kann eine Völkerschaft gezwungen sein, nach einem Rech
zu leben (vielleicht dauernd), das ihrer Sitte durchaus nicht entspricht, und es treten dar,
die bedauerlichen Vergewaltigungen des eigentlich volksthümlichen, geschichtlich va
ethnographisch gewordenen Charakters ein, der sich mitunter auch in erschütternd?
Revolutionen Luft macht. d
3) Post, Grundlagen des Rechts, S.9?0 ff. Uebrigens stimmt auch Windelba?
obschon er auf ganz entgegengesetztem Standpunkte steht, in dieser psychologische
Begründung der Pflicht mit Post überein (vergl. Prüludien, Freiburg 1884, S. 288 f£).
74
Ethnologie und Ethik. 75
dad vielmehr io dieses die für alle, selbst die allerniedrigsten, gesell-
halten. d Verhältnisse unerlássliche Voraussetzung jedes ethischen Ver-
Menschen erhaupt. Nur wenn dies Gefühl der Verpflichtung schon beim
Sel es " vorhanden ist, kann sich auf Grund einer bestehenden Autoritát,
übrieken Privaten oder socialen, jene Unterordnung des eigenen Willens
lich ist ü durch welche erst eine gedeihliche sittliche Entwicklung móg-
folge die nd os 18b bekannt genug, dass erst in sehr allmühlicher Stufen-
Sitlich n anglieh völlig egoistischen, vom hóheren Standpunkte betrachtet,
Werth, ast werthlosen Motive sich in ethisch indifferente oder gar lobens-
Gong, deln; das ist, wie Windelband mit Recht betnerkt, das
schieq t Jeder Erziehung. Durch diesen leider oft übersehenen Unter-
Stanq cher der Form und dem Inhalt der Pflicht sind wir erst in den
die m setzt, auch vom Standpunkte der vergleichenden Völkerkunde aus
Ohne Ran Sültigkeit des Pflichtbewusstseins, aber eben zunächst völlig
Ja, diss. ni auf den jeweiligen Gehalt, festzuhalten und zu begründen.
Sich Soga nalogie der ethnologischen und philosophischen Auffassung lässt
Perspecti, noch weiter verfolgen; wir sahen früher, dass die sociologische
Bezighy, die Moralitát des Einzelnen nach den mehr oder minder innigen
Dasselh, sen beurtheilt, welche ihn an die betreffende Organisation knüpfen.
zu handen sich, wenn man rein abstract das beiderseitige Verhältniss
jene Stillen prüft; denn die ursprünglich rein formale Pflicht wird durch
Yerschieg chweigende sociale Bezugnahme zu einer materialen, indem die
Rigenthy “hen Aeusserungen derselben (Achtung des fremden Lebens und
Wohlfahre die Unterordnung des eigenen Glückes unter die gemeinsame
miter. > €ventuel] bis zur Preisgebung der eigenen Existenz u. s. w.)
Ordnun d unmittelbar zum Schutz der bestehenden gesellschaftlichen
auch so Den, und sei diese, mit hóheren Entwieklungsstufen verglichen,
je Höhere yo erlich wie möglich. Ihr sittlicher Werth wird somit steigen,
Seschichtz; Ufgaben sich die Gesellschaft selbst gestellt hat; aber alle ihre
lig. "hen Gestaltungen, so verschieden sie auch ethnographiseh und
ein und de môgen, verfolgen doch, wie Windelband sich ausdrückt,
lichen a o selben Zweck, nehmlich die Schaffung des ihnen eigenthüm-
Do, p. Systems (a. a. O. S. 309).
Seboren w "alismus unserer Natur, in den wir ohne unser Zuthun hinein-
dem Wir orden, das Doppelbild des Psychischen und Mechanischen, unter
tritt uns Pen Othigt sind, alles Geschehen, alle Erscheinungen aufzufassen,
ung vas uch in den Thatsachen des Vôlkerlebens unverkennbar entgegen,
Wei] dock, am allen anderen Gründen abgesehen, schon allein deshalb,
Structur Schliesslich alle ethnischen Bildungen, so verschiedenartig ihre
licher I ue h sein mag, auf die psycho-mechanische Thitigkeit mensch-
P Ost qu iduon zurückführen. Es erscheint uns gewagt, wenn man mit
Recht iud Scheren Grenzen der verlässlichen Erfahrung verlässt, und im
M M der Sitte nicht etwas specifisch Menschliches oder Tellurisch-
THs. ACHELIS:
Organisches sehen will, sondern lediglich die dureh die biologische Eigen-
art der socialen Organisation qualificirte Erscheinungsform eines Gesetzes
welehes auch den ganzen übrigen Kosmos beherrsche (vergl. Grund-
lagen u. s. w. S. 19 ff), weil es uns eben an einem erschôpfenden Einblick
in das Rüderwerk des Universums eingestandenermaassen doch allzuseh!
fehlt. Aber auch unter diesem Verzicht lässt sich die angezogene erkenntniss”
theoretische Parallele festhalten; denn während die mit anderen Gebieten
weit verzweigte Sitte und das in den socialen Verbänden sich nieder”
schlagende Recht die mechanische Seite darstellen, finden wir die psychische
in der Moral oder in dem Gewissen, demzufolge Jeder an der Gestaltung
und Entwicklung der Association, in der er gerade lebt, Theil nimmt
Da nach allen Anzeichen es nie eine Zeit gegeben hat, wo der Mensch;
und sei es der verkommenste Urmenseh, in streng isolirtem Zustande sein
Dasein gefristet hätte, da man vielmehr annehmen muss, dass es sociale
Verbünde gegeben hat, so lange der Mensch überhaupt auf Erden existir*
so ergiebt sich daraus auch, dass die letzten Fundamente der Sitte und
des Rechts so alt sind, wie das sociale Leben der Menschheit überhaupt:
Aber wenngleich wir uns diesen Geburtstag einer sittlichen Entwicklung IP
die alleräussersten, nebelhaften Fernen prähistorischer Verhältnisse zurück”
gelegt denken mögen, so wird doch schon für ihre einfachste und dürftigst®
Form jene Scheidung des Mechanischen und Psychischen zu vollziehe?
sein, die wir eben berührten. Auf der einen Seite steht der ganze Com”
plex der äusseren Bedingungen, ohne die überhaupt kein Geschehen denk
bar ist, auf der anderen die in dem Gefühle der Verpflichtung gegeniibe’
bestimmten Geboten und Verboten sich manifestirende psychische Seite
des Processes. Und auch nach einer anderen Beziehung lüsst sich dieser
Gesichtspunkt festhalten, indem das Individuum in-erster Linie von seine”
physischen, auf Selbsterhaltung gerichteten Trieben beherrscht wird, andere!”
seits aber socialen Motiven zu gehorchen hat. So entsteht der für die
Ethik so wichtige Gegensatz von Egoismus und Altruismus, und so erklärt
es sich auch, wie Post meint, dass jedes biologische Individuum sic
einerseits berechtigt, andererseits verpflichtet fühle: jenes nehmlich i
seiner Eigenschaft als biologisches Individuum, dieses als Glied sociale’
Verbinde?). Dass alle weiteren Affecte aber, die fiir die Entwicklung
rechtlicher und sittlieher Vorgünge maassgebend sind, wie Furcht, Reue
Rachegefühl u. s. w., nicht ohne jenen psychischen Gegensatz denkbar sind
bedarf hoffentlich keiner weitläufigen Erörterung. Die ganze Geschicht®
des Völkerlebens und vor Allem die Sittengeschichte ist unverständlich
ohne diese, leider in der modernen Sociologie häufig übersehene, psych?"
logische Voraussetzung, wie sie schon zur Erklärung der einfachsten Hand“
lung unentbehrlich ist; andererseits ist es freilich wieder möglich; — und
1) Vergl. Grundlagen des Rechts, S. 8 ff.
76
Ethnologie und Ethik. Ti
ungue Versmchung hat sich, z. b. für den modernen Utilismus, ver-
Gesell gf erwiesen, c den eigentlichen Gehalt der Gesammtheit, der
eßüchtı rem atomistisch in die entsprechende Zahl ihrer Glieder zu
Bed, races wodurch dann wieder eine gefährliche Ueberschátzung der
diese, PAM Individuums entstehen würde. Doch die Betrachtung
in de, ne, eme, der Verwendung und Entwicklung des socialen Gedankens
wie oh ren Philosophie und anderen verwandten Diseiplinen erfordert,
am Eingang bemerkt, eine vollständige Untersuchung.
Besprechungen.
Heinrich Schliemann. Bericht über die Ausgrabungen in Troja im
Jahre 1890. Mit einem Vorwort von Sophie Schliemann und Beitrüge?
von Dr. Wilh. Dórpfeld. Leipzig, F. A. Brockhaus, 1891. 8. 60 8.
mit 1 Plan, 2 Tafeln und 5 Text- Abbildungen.
Die kleine Schrift war in allen ihren Theilen ausgearbeitet, als der Tod den um
ermüdliehen Arbeiter erreichte. Der von Schliemann selbst verfasste Abschnitt wal
sogar schon gedruckt und corrigirt; er ist vollständig authentisch. Er giebt eine kurz®
Darstellung der beiden Conferenzen, welche auf Hissarlik stattgefunden haben: der vom
December 1889 und der vom Márz 1890; die Sehlussprotokolle derselben sind schon seit
längerer Zeit bekannt. Sodann folgt eine gedrángte Schilderung der Ergebnisse, welch?
die vom 1. März bis zum 1. August fortgeführten, grossartigen Ausgrabungen geliefert
haben. Diese Ausgrabungen betrafen hauptsächlich die „zweite Stadt“, deren Mauern und
üussere Abschnitte nach Nordwesten, Süden und Nordesten hin noch nicht vollständig
aufgedeckt waren, sowie die schichtweise Abtragung der mächtigen Schuttreste, welche
über die Grenzen der „zweiten Stadt“ hinaus, vorzugsweise nach Westen, noch in dem
ursprünglichen Zustande liegen geblieben, zum Theil durch Ueberschüttungen mit dem
Abraum der zweiten Stadt bei den früheren Ausgrabungen erhöht worden waren. Dara?
schlossen sich weitlàuftige Trancheen lüngs des Fusses des Hügels, besonders an der
Südwestseite. Durch die weitere Aufdeckung der „zweiten Stadt“ gewann Schlieman?
die Ueberzeugung, dass innerhalb dieser „Stadt“ drei verschiedene, nach und über einandef
errichtete Ansiedelungen zu unterscheiden seien, bei deren Errichtung die Stadtmauet
mehrfach verändert und frühere Thore überbaut und durch neue ersetzt worden sind. Ap
die Stelle des einen Thores, welches bei den ersten Ausgrabungen freigelegt war, sind 80
allmählich 5 Thore getreten, von denen freilich das eine noch nicht aufgefunden, sonder?
nur durch die Richtung eines grossen, ansteigenden Zuganges angezeigt ist. Aus de?
4 oberen Schichten beschreibt Schliemann eingehend die aufgefundenen Topfwaare?
insbesondere die von ihm als importirt betrachteten archaisch-griechischen Gefässe, unte
denen in grüsserer Tiefe auch solche vom Mjykenae-Styl zahlreich gefunden wurde?
letztere jedoch gemischt mit einer monochromen grauen, gelben oder schwarzen Topf
waare, die er für einheimisches Produkt nimmt, und mit Werkzeugen aus geschliffene?
Stein. In der zweiten Stadt kamen unter Anderem zwei Eisenklumpen zu Tage, von dene?
der eine noch ziemlich gut erhalten war und ein viereckiges Loch zeigte; sie galte?
Schliemann als ausreichender Beweis, dass, entgegen seiner früheren Ansicht, Eise?
schon damals bekannt, wenngleich noch sehr selten, war. Er nimmt (S. 21) bei diese?
Gelegenheit auch ausdrücklich seine frühére Ansicht zurück, dass der rothe oder gelbe
Ziegelschutt ,Holzasche* gewesen sei. Zwischen der Topfwaare der untersten Cultuf*
schicht der „zweiten Stadt“ und der der ,ersten* findet er mancherlei Analogien. Jo
gleicher Weise erklärt er Alles, was früher auf Todtencultus und Reste desselben in der
„zweiten Stadt“ bezogen war, für irrthiimlich. „Nie ist in der Pergamos ein Grab
gefunden* (8.99) — In einem zweiten Abschnitt folgt eine Reihe von Angaben über de
aufgefundenen [nschriften. Obenan steht ein Thonwirtel mit Einritzungen, welche He?
Sayce für cyprisch erklürte; derselbe würde in der Schicht mit den mykenischen Gefüsse!
der sechsten von unten, entdeckt. Die übrigen Inschriften sind griechische, meist ats des
Kaiserzeit, darunter namentlich eine Marmorplatte mit einer langen Aufzählung männlich”
uud weiblicher Namen, wie Schliemann vermuthet, von sämmtlichen lebenden Bürge”
der Stadt aus hellenistischer Zeit.
Hr. Dórpfeld giebt schliesslich in einem grösseren Abschnitt eine Uebersicht der
Bauwerke. Er erörtert dabei auch die kleine Aufdeckung der ersten oder tiefsten Schicht
wobei er sich der Ansicht des Referenten anschliesst (S. 40), dass es sich bei diesen Bat
Besprechungen. 79
We
de ett m menschliche Wohnplátze handeln kann“. Von besonderem Interesse sind
Thore der erufenem Munde doppelt werthvollen Angaben über die Mauern, Thürme und
deren Ana rien Stadt, sowie über die grossen Gebäude im Innern der Pergamos (S. 51),
Übersicht]; E mit den Anlagen in Tiryns bestimmt nachgewiesen wird. Ein hóchst
Verhältnisse er Stadtplan erläutert in anschaulicher Weise die sehr verwickelten Bau-
ii, 5 sere Ausarbeitung, welche „nach Beendigung der Ausgrabungen“, die er für
Vermuthlich Mm Aussicht genommen hatte, von Schliemann beabsichtigt war (S. 11), wird
Unterricht et durch seinen erfahrenen und nach allen Richtungen auf das Trefflichste
Brosse We E Mitarbeiter geliefert werden. Jedenfalls dürfen wir erwarten, dass das
Fran So Hi on Sinne des Verblichenen vollständig zu Ende geführt werden wird. Denn
sinfacher le Schliemann erklärt in dem Vorworte zu der vorliegenden Schrift in ihrer
Vermächt und hochherzigen Weise: ,Nunmehr betrachte ich es künftig als ein heiliges
zu bringen die Ausgrabungen auf Hissarlik im Sinne meines Mannes zum Abschluss
Doch reste. Ehre der trefflichen Frau und ein herzliches ,Glück auf“ zu dem immer
8 grossen Werke! Rud. Virchow.
Dani
Hoy C. Brinton. A. M., M. D. Races and peoples. New York, N. D. C.
The y 1890. Kl. 8. 313 p. with 8 illustrations, 9 schemes and 6 maps. —
of gf Merican Race: A linguistic classification and ethnographic description
Hoà * native tribes of North and South America. New York, N. D. C.
p, 1891. 8. 392 p.
Sleicheng SClchrte Verfasser, dessen bahnbrechende Arbeiten auf dem Gebiete der ver-
Aufingpy Linguistik, namentlich der amerikanischen, seit einer Reihe von Jahren die
Werken amkejt aller Forscher auf ihn gezogen haben, giebt in den vorliegenden beiden
Mit einen höchst anschauliche Uebersicht seiner Ergebnisse In grossen Zügen und
Menschheit eltenen Entschlossenheit schildert er zunächst die Entwickelungsgeschichte der
Sondern wt ihrer hauptsächlichen Zweige, nicht bloss an der Hand der Linguistik,
um dann da. Steter Zuhülfenahme der Anthropologie und der ethnischen Psychologie,
Neuen Ord 35 ihm zunächst liegende Gebiet der amerikanischen Rassen in einer ganz
théorie Ténung vorzuführen. Seine Anschauung ruht auf dem Boden der Descendenz-
Auges t sie ist, gegenüber dem praktischen Zweck seiner Aufgabe, in ihrer weiteren
ebenso b ung gänzlich losgelöst von traditionellen Schemata. Er leugnet für America
Wanderung mt die Annahme einer Autochthonie des dortigen Menschen, wie die Ein-
Wo noch Yon Asien, Nach seiner Auffassung ist der Mensch in jener uralten Zeit,
Tslang existe, Landverbindung zwischen Nordamerica und Europa über Grönland und
der Period ie, von Europa aus eingewandert (American Race p. 31). Diese Zeit würde
Und aa or des Eocüns, wahrscheinlich auch noch des Miocäns und Pliocáns entsprechen,
Sunimmt T die Existenz des Menschen in Westeuropa zur Zeit des Pliocäns als gesichert
ML Ist für ihn kein Hinderniss vorhanden, die Mäglichkeit der Ueberwanderung
der am meis Was Europa angeht, so setzt er den „Geburtsort der Species“ dahin, wo
freilich zu Isten Menschenähnliche Affe, der Dryopithecus, gefunden ist, also in den Westen,
Var, Wo gener Zeit, wo die Erdoberfläche von der gegenwärtigen noch sehr verschieden
Noch nicht ° Sahara -Meer Nordafrica noch von Centralafrica trennte, wo das Mittelmeer
(Races and éXistirte und Nordafrica noch in vollem Zusammenhange mit Südeuropa war
Mbeitlich poop les p. 82). Damals war der Mensch in allen seinen Besonderheiten noch
Protohistorig " Trennung in Rassen begann zwischen dem Schlusse der Eiszeit und der
Nördlich von der Periode. Aber der Mensch war nach B. auch schon vorher, sowohl
africa) vorh mM Sahara-Meer in Eurafrica (Europa + Nordafrica), als in Austafrica (Süd-
Referent nien. Die Ansicht des Verfassers von der Entstehung der schwarzen Rasse findet
à alt sie ens mit Deutlichkeit ausgesprochen; obwohl in der geschichtlichen Zeit,
n Schwarzer gerade für Africa ist, nach seiner Auffassung der Austafricaner stets
War, so sagt er doch weder. dass auch der Eurafrieaner schwarz war, noch
RY Besprechungen.
dass der Eurafricaner jemals nach Austafrica eingewandert und dort schwarz geworde?
sei. Das System ist in dieser Richtung noch ebenso wenig ausgebaut, wie in Beziehung
auf die gelbe Rasse. Immerhin kann man anerkennen, dass, unter Zugestündniss seiuel
These, wonach der americanische Mensch zuerst am Schlusse der ersten Eiszeit erschienen
sei, — die ältesten bearbeiteten Steine sollen in dem Columbian gravel entdeckt sein, —
die Hypothese von der Einwanderung desselben aus Europa discutabel ist Einmal eim
gewandert, habe er dann in der nördlichen gemässigten Zone seinen specifischen Rassen
charakter entwickelt, genauer in dem Gebiete östlich von den Rocky Mountains und
zwischen der Grenze des zurückweichenden Eises und dem Golf von Mexico (America?
Race p. 35).
Zweifellos ist das Bild, welches so gewonnen wird, ein sehr verschwommenes und
lückenhaftes. Die Phantasie hat bei seiner Ausmalung mehr Einfluss, als die Kenntniss
der Thatsachen. Trotzdem hat das Bild den Vorzug, dass es gewisse Hauptfragen schärfer
hervortreten lässt, und dass es dadurch zu erneuter Forschung einen verstärkten AnreiZ
bietet, Auch muss es dem Verfasser zum Lobe angerechnet werden, dass er diese synthe-
tische Methode in den Hintergrund treten lässt, sobald er sich zu den einzelnen Stämmen
wendet. Nicht etwa, dass es ihm hier an der gleichen Kühnheit fehlt, aber seine analytische?
Gewohnheiten treten hier um so stärker in ihr Recht, als die Gegenstände der Erörterung
ihm näher liegen. Das gilt vorzugsweise von den americanischen Stämmen, welche er iB
ganz selbständiger und zum Theil überraschender Weise ordnet. Seine Klassifikation is!
in erster Linie eine topographische: er unterscheidet 5 Gruppen, eine nordatlantische und
eine nordpacifische, eine centrale,.eine südpacifische und eine südatlantische. Aber innef
halb derselben ist er vorzugsweise Linguist, wobei wiederholt seine Anerkennung fU!
unseren Landsmann Buschmann in entscheidender Weise hervortritt. So lüsst er die
athabaskische Familie vom Eismeer bis zu der Küste von Durango in Mexico und vo?
der Hudson-Bay bis zum stillen Ocean sich ausbreiten; dazu gehüren die Apachen und
die Navajos ebenso, wie die Sarcees, die Kenai, die Kuchin und die Loucheux. Zu de?
Uto-Aztekischen Stämmen rechnet er nicht bloss die Nahuas oder Azteken im Siidem
sondern auch die Utes, die Shoshones und Comanches im Norden.
Eine weitere Darlegung von Einzelheiten ist an dieser Stelle ausgeschlossen. Aber
das muss doch noch besonders hervorgehoben werden, dass der Verfasser eine so um
fassende und genaue Kenntniss der Literatur, eine solche Meisterschaft in der Darstellung
der historischen Ereignisse und der socialen Einrichtungen der einzelnen Stämme zeig“
dass sein Buch auf lange Zeit als ein unerreichtes Muster und als ein Quellenwerk erste?
Ranges dastehen wird. Móge es ihm gestattet sein, noch lange Zeit an der Vervoll
stándigung und Klürung des gewaltigen Materials zu arbeiten. Rud. Virchow.
E. Handtmann. Was auf deutscher Haide spriesst. Märkische Pflanzen”
Legenden und Pflanzen-Symbolik. Berlin. 12. 184 Seiten.
Eine originelle Botanik ist es, welche der Verfasser uns vorführt. Wir lerne?
diejenigen‘ Bäume, Sträucher und kleineren Gewächse kennen, welche dem Märker die
volksthümlichsten sind, und wir erfahren manches interessante Stiickchen, Volksmedic?
und Volksaberglauben, das mit ihnen zusammenhängt. Allerdings können wir uns auch
an schlagenden Bei-pielen überzeugen, wie jungen Datums solche Legéndenbildungen seit
kónnen, und wie der Volksglaube fort und fort beflissen ist, neue ,Mähren“ zu pilde?
und auszusimnen. Das trifft besonders bei dem Schiefblatt zu und auch bei den auf 4°
letzten grossen Kriege in Deutschland bezüglichen Erzáhlungen. Nicht Weniges von diese”
Symbolik und diesen Legenden macht ganz unverkennbar den Eindruck, dass es von
Pastoren- oder Priestermund dem Volke eingeimpft worden ist, und manche poetisch®
Redewendung des Verfassers wird ohne Zweifel dazu beitragen, auf diesem Wege for
zeugend zu wirken. Man wird dem angenehm geschriebenen Büchlein aber bereitwillig
ein Plätzchen in dem Bücherschranke gönnen. Max Bartels
"C
ZEITSCHRIFT
FÜR
ET: OLOGI
n
Organ der Berliner Gesellschaft
fie
Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.
Redactions - Commission:
A. Bastian, R. Hartmann, R. Virchow, A. Voss.
Dreiundzwanzigster Jahrgang. 1891. — Heft. III.
Mit Tafel I u. IL
BERLIN.
VERLAG VON A. ASHER & CO.
A
1891.
Es wird gebeten, Geldsendungen für die Berliner anthropologische Gesellschaft, ins
besondere Beiträge der Mitglieder, an den Schatzmeister, Hrn. Banquier W. Ritter, SW.
Charlottenstrasse 74/15, dagegen an das Bureau der Gesellschaft, SW. Käniggrätzef
strasse 120, im Kgl. Museum für Völkerkunde, alle anderen geschäftlichen Mittheilunge®
zu adressiren, z. B. Anmeldungen neuer Mitglieder, Adressenveränderungen, Reclam?
tionen (wegen nicht erhaltener Hefte der Zeitschrift oder N ummern des Correspondenzblattes
der Einladungen zu den Sitzungen, der für die correspondirenden Mitglieder bestimmter
Sitzungsberichte oder der Sonderabzüge von Mittheilungen), Zusendungen an die Bibliothe
der Gesellschaft, Correspondenz, betreffend Austausch von Zeitschriften u. A. - ;
Bei Anmeldung neuer Mitglieder ist ausser Angabe der Wohnung auch die Angabe ds
Vornamens wünschenswerth und behufs Vermeidung von Irrthümern auf correcte Schre
bung der Zunamen zu achten. Letzteres gilt auch für die Anzeige von AdressenveránderungeP.
Nur diejenigen Reclamationen wegen fehlender Hefte oder Nummern von Schrifter,
welche sogleich nach Eingang der nächstfolgenden Nummer angebracht werden, könn®
mit Sicherheit erledigt werden.
Inhalt
geli?
V. Barbarische und griechische Spiegel von Dr. Karl Schumacher,
Assistenten an den Grossherzogl. Sammlungen in Karlsruhe. (Mit
1 Zinkogr.) . . . 9. b
VI. Zur mexicanischen Chronologie, mit besonderer Berücksichtigung
des zapotekischen Kalenders. Von Ed. Seler in Berlin. (Mit
88 zinkogr. Abb.) . . . D &
Besprechungen: 2
B. Florschütz, Die Giganten-Säule von Schierstein. Wiesbaden 1890. S. 184. p.
Ernst Krause (Carus Sterne), Tuisko-Land, der arischen Stämme und Gôtter Urheir 9
Glogau 1891. 8.184 — Carl Peters, Die deutsche Emin Pascha-Expedition. Münc for
und Leipzig 1891. $.185. — Objets du dernier âge du bronze et du premier âge du of
découverts en Berry. Bourges 1891. S. 136. — Aurel v. Tórók, Grundzüge eet
systematischen Kraniometrie. Stuttgart 1890, S..139. — Ferd. Freih v. Andrian, 4,
Höhencultus asiatischer und europäischer Völker. Wien 1891. S. 139. — R. Verne? y
Les races humaines. Paris. S. 139. — M. Hótler, Der Isar-Winkel, äratlich-topograph#
geschildert. München 1891. S. 140.
Verhandlungen der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschicht®
Ausserordentliche Sitzung vom 4. Februar 1891 (Schluss). Zur Aechtheit der mihrischy,
Diluvialfunde. Maka S. 177 (Schluss), — Westpreussische Schlossberge und B je
wälle: Rathsdorf (2 Situationsskizzen) S. 178, Borkau-Grabau S. 181, Lippusch Popo
mühle S. 1883, Sobiensitz (Zarnowitz) S.184. A. Treichel — Ornamentirte Uo
von Hochstüblau, Kr. Pr. Stargardt (8 Zinkogr) A. Treichel S. 186. — 17
preussische Hauser und Giebelverzierungen (42 Zinkogr) A. Treichel S. 185 ~
Die Handstand-Kiinstlerin Eugenie Petrescu (14 Zinkogr). Hans Virchow S. 13 oo
Kriegskeule eines Caraya-Häuptlings, Brasilien. P. Ehrenreich S.919 — RadSf sa
auf Siegeln, im Grabe Bernhart’s von Italien und auf einem Relief am Dom zu op
Olshausen 8.219. — Rómische Münzen aus der Zeit vor Augustus im Küstens get
der Ostsee. Olshausen S. 228. — Bevôlkerung der Haussa -Länder. Staudi®is,
S. 228. — Bororó, Brasilien. Ehrenreich S. 237. — Photographien von Su vor
A. Büssler 8.931. — Münzsammlung in Barenau. Schierenb erg S. 237. " 981
geschichtliche Kartenzeichnungen in der Schweiz (9 Zinkogr.) Fr Rödiger pant
R. Virchow 8. 242. — Grabelôffel (2 Zinkogr.) A. Voss S. 949, — Bärtige put
Miss Jones (Autotypie. M. Bartels S. 243° _— Xiphodyme Gebrüder Tocci pra”
Virchow S. 245. — Eingegangene Schriften S. 246. — Büchergeschenk det
Schlemm S. 246. "A
Sitzung vom 21. Februar 1891. Wahl des Ausschuss-Obmanns. S. 247. — Gedäck Co,
feier für H. Schliemann S. 241. — Reise des Hrn. Quedenfeldt S. 947. “on 3
und Kartoffeln. R. A. Philippi S. 247, R. Hartmann S. 248. — AusgrabuDf yd t»
der Wittekindsburg bei Rulle, Hannover. Unterrichtsminister, Schuch gai
R. Virchow S. 249. — Sport des Handlaufs und Depotfunde auf Island. W. 8 che 9p};
S. 250. — Zur Landkartenstein -Theorie (Taf. I und 3 Zinkogr) K. Taubner ” pa
R. Vircho w S.258. — Museum für Vôlkerkunde-in Budapest. A. Hermann S.258-
(Fortsetzung auf der dritten Seite des Umsehlag*
Weib. M. Bartels S. 258. — Durchlässigkeit vorgeschichtlicher Thongefässe und deren
hauswirthschaftliche Verwendbarkeit. R. Buchholz S. 259, R. Virchow 5.261. — Mann
(Büllersbach) mit Riesenbart (Zinkogr. R. Virchow $8. 261. — Hügelgrüber bei
Kehrberg, Ostpriegnitz (25 Zinkogr) Ed. Krause S. 262. — Gräberfeld und Hiigel-
grab bei Milow, Westpriegnitz (Zinkogr. Ed. Krause 8.276. — Die sog. Azteken.
M. Bartels, R. Hartmann 8. 278, R. Virchow 8. 279. — Dualla-Knabe von Kamerun
(2 Autotypien). R. Virchow S. 280. — Papua-Knaben von Neu-Britannien (Autotypie).
R. Virchow S. 283, Graf Pfeil S. 284, Neuhauss S. 286. — Der alte Bernsteinhandel
und die Goldfunde (2 Holzschn.) Olshausen S. 286. — Die Wenden der Nieder-
lausitz (Taf. IL) Miischner, A. Schwartz, 8.819, R Virchow, 8. 323, A.v.Heyden,
R. Hartmann, S. 324. — Biicher-Geschenke der Frau Schlemm 8. 324.
Sitzung vom 21. März 1891. Gedächtnissfeier für H. Schliemann 8.825. — Bud-
czies, Bujack 4 8.825. — Neue Mitglieder S. 325. — Reinwald + S. 325. —
Jubilàum von Hauchecorne 8.325. — Reise des Hrn. F. Jagor 8.825. — Ein-
ladung der Naturforschenden Gesellschaft zu Danzig zu einem anthropologischen Vor-
congress S. 225. — Versammlung der Fédération archéologique et historique de Belgique
zu Brüssel 8.396. — Petition um Gründung eines deutschen National- Museums in
Berlin S./826. Antwort des Unterrichtsministers S. 329. Vorsitzender 8. 329. —
Vorlagen des Unterrichtsministers 8. 329. — Neue Fnnde vom Zihlkanal, Schweiz,
namentlich Bronzering mit Knôpfen und Thierfiguren (1 Zinkogr. und 4 Autotypien).
E. v. Fellenberg, 8.329. R. Virchow, A, Voss S 333. — Bronzefibel einfachster
Form von Glasinac, Bosnien (25 Zinkogr.) M. Hoernes S. 334. — Das sächsische
Haus um Lübeck. Lenz S. 338. — Alter der Steinwaffen im Gebiete des Rio Cahy
und Forromecco, Brasilien (25 Zinkogr.) Kunert S. 339. — Neue Funde im Bodensee.
Strass S. 345. — Silberfarbiges Haar in Griechenland. B. Ornstein S. 346. —
Photographien von Hissarlik. P. Ehrenreich S. 848. — Photographien von Sulu,
den Philippinen und Molucken. A. Baessler 8.848. — Ruinen von Zimbabye, Süd-
Afrika. M. Bartels S 848. — Schädel aus dem slavischen Gräberfelde von Blossin,
Kr. Beeskow-Storckow. R. Buchholz, R, Virchow S. 349. — Tagalen-Knabe von
Manila. Kuttner S. 350. — Reizsteine des Penis auf Sumatra. Staudinger S. 351.
— Neue Knochenfunde in den Hóhlen bei Rübeland im Harz. W. Blasius, Nehring
8.851. — Zeichnungen weiblicherKopftrachten des 16. und 17. Jahrhunderts. A. v.Heyden
S.354. — Analysen kaukasischer und assyrischer Bronzen. Rud. Virchow S. 354,
Vater S.859. — Schàádel und Skelettheile aus Hügelgräbern der Hallstatt- und Tène-
Zeit in der Oberpfalz (2 Zinkogr) Naue, R. Virchow S. 359. — Xiphodymie
(2 Autotypien. R. Virchow 8. 866.
Nachrichten über deutsche Alterthumsfunde. Nr. 3.
Funde bei der Ausgrabung des Nord-Ostsee-Kanals in Holstein. 8.33. — Urnenfeld
zu Bek, Schleswig-Holstein. S. 35. — Ausgrabungen auf dem Burg- und Lorenzberg zu
Kaldus, Kreis Kulm, Westpreussen (11 Zinkogr.) S.37. — Gräberfeld bei Kulm, Westpreussen.
S.40. — Neue Funde aus der jüngeren Stein-, der älteren Bronze- und der Hallstattzeit
in Westpreussen. S. 49. — Neolithische Fundstelle von Mildenberg, Kreis Templin, Provinz
Brandenburg (14 Zinkogr.) 8S. 46.
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| : Y
Diesem Hefte ist ein Prospect der Verlagsbuchhandlung Robert Oppenheim n
Schmidt) in Berlin über ,Neumayer, Anleitung zu wissenschaftlichen Beobach
auf Reisen“ beigefügt.
"'O,
7
Barbarische und ‚griechische Spiegel
von
Dr. KARL SCHUMACHER,
Assistenten an den Grossherzogl. Sammlungen in Karlsruhe.
im Ni Jahre 1865 stiess in der Nihe des etwa 6 Stunden von Heidelberg
ogy "thal gelegenen Dorfes Dühren ein Bauer beim Pfügen sed ein
Grip, das nach der Reichhaltigkeit der Beigaben unter den gleichzeitigen
G enn besondere Beachtung verdient. Es enthielt ausser einem Skelet
Bor, he und Schmuck aus Gold, Silber, Bronze, Eisen, Horn, Koralle,
"mi tein, Gagat, Stein, Thon, Glas und Schmelz. Leider fand keine sach-
das we Ausgrabung statt, so dass die Fundverhiltnisse nicht festgestellt,
Von let und die zahlreichen Thongefässe zerschlagen, die Gegenstände
befin en grosstentheils als werthlos weggeworfen wurden. „Das Geretiete
®t sich jetzt in der Grossherzogl. Alterthiimersammlung in Karlsruhe ).
Vor Ueber die Zeit des Grabes lassen die erhaltenen Funde keinen Zweifel.
ay pM sind os 7 Fibeln: 2 reizende silberne, 1 mit Korallen besetzte
Vers vn die übrigen von Bronze, welche, wenn auch in Einzelheiten
jen. leden, doch simmtlich den reinen Mittel - La Tene-Typus zeigen, —
Cult etwa dem 3. und 2. Jahrhundert v. Chr. angehôrige Phase der gallischen
mit d Bei allen liegt das Schlussstück auf dem Bügel auf, ohne indessen
Anz MR Zusammengewachsen zu sein. Auf dieselbe Zeit weisen auch eine
mi l von Glasringen, sowie Form und Styl mehrerer Geráthe und Grefüsse,
eis] Welchen namentlich eine Pfanne und ein Künnchen von Bronze mit
Mit chem Schmuck hervorzuheben sind. Eine gallische Silbermünze, die
gag licher Wahrscheinlichkeit dem Volksstamme der Volcae Tectosages
gew;. Werden kann (vergl. Caesar de bello Gall, VI. 24), bestätigt in
ter Weise jenes Resultat.
Bing, er den Grabesbeigaben ist ein auffallender Gegensatz bemerkbar.
den vous finden wir Gegenstände wie eine Lanzenspitze aus Bronze, — unter
bar A, leuderten Sachen aus Eisen sollen „Säbel“ gewesen sein, also offen-
. USrüstungssti o oinos Männergrabes; andererseits scheinen aber Haar-
N. p) ph habe diesen Fund ausführlicher in der Zeitschr. für Geschichte des Oberrheins,
Lindy. T 8. 409 — 494 (vergl. Taf. IIT) behandelt. Einzelne Gegenstände waren eh
Ausser 18 *, Alterth, heidn. Vorzeit; E. Wagner, Katalog der T pribis or
Zeitschrie 5 80, S. 21, Nr. 125; O. Tischler, Westd. Zeitschr. V. (1886) S. 197, bekannt,
T Ethnologie, Jahrg. 1891.
KARL SCHUMACHER:
nadeln aus Bein und zwei Spiegel für eine Frauenbestattung zu sprechen”).
Noch verwickelter macht es die Sachlage, dass die erwähnte, nach Aus-
sagen von Augenzeugen sicher mit den anderen Gegenständen gefundene
bronzene Lanzenspitze nach ihrer Form zweifelsohne aus der sogenannten
Bronze- oder Hallstattperiode stammt. Für die Erklärung dieser Erschei-
nung stehen verschiedene Wege offen. Wer zum Systematisiren neigt,
wird sagen: da von den Eisenwaffen nichts erhalten oder durch wirkliche
Sachverständige. bezeugt ist, die Lanzenspitze aber weit älterer Zeit, als
der übrige Grabfund angehört, dürfen wir diese ruhig als nicht zugehörig
ausscheiden. Das übrig bleibende Grabinventar ist dann aus den vielfach
gefundenen gallischen Frauengrübern geläufig. Andere Forscher dagegen
werden vielleicht, nach einer in letzter Zeit bei ähnlichen Gräbern gemachten
Beobachtung (Bull. di pal. Ital, XIL p. 255), die Gegenstánde weiblicher
Toilette als letzte Liebesgaben der Frau für den Verstorbenen betrachten.
Unmôglich würe auch nicht die Annahme zweier Bestattungen, einer mánn-
lichen und einer weiblichen, wenn man ungleiehe Erhaltung der Skelette
oder schlechte Beobachtung der grabenden Bauern voraussetzt. Diese
Zweifel wären gehoben, wäre rechtzeitig ein Sachverständiger zur Aus-
grabung beigezogen worden.
Heute wollen wir uns nur mit einem, in diesem Grabe gefundenen
Spiegel näher beschäftigen. Wir hoffen dadurch einige neue Momente für
die eben angedeutete Frage, sowie einige allgemeinere Gesichtspunkte für
die Ableitung von La Téne-Formen zu erhalten, die man vielfach noch
zu ausschliesslich an etruskische Kunst anknüpft.
Das in Rede stehende, durch beigefiigte Fig. 1
Fig. 1. veranschaulichte Gerüth besteht aus einer runden,
flach gewólbten, polirten Scheibe von 14,2 cm Dureh-
messer und nur etwa 0,1 cm Dicke mit einem 9,6 c
langen und 2,3— 2,8 em breiten Griff, beide aus
einem Stück. Auf der (nichtpolirten) Innenseite ist
der Rand an Scheibe und Griff ein wenig auf-
geworfen, auf der Aussenseite von einer Rinne be-
gleitet. Die Mitte der Aussenseite des Griffes ist
durch einen Graht bezeichnet, dem auf der Innen-
seite eine Rinne entspricht, so dass der Griff leicht
dachförmig erscheint. Nahe dem unteren Rande
(bis 1,1 cm) ist der Graht nachträglich entfernt;
auch sind hier Löthspuren zu bemerken. Der Griff
scheint ursprünglich linger gewesen zu sein, doch
wurde die Bruchfliche wieder geglittet. — Auf den ersten Blick möchte
man das Geräth eher für eine Art flache Patera halten, doch spricht die
1) Verschiedenartige Ringe (auch Glasringe) und Fibeln finden sich bei weibliche?
wie männlichen Bestattungen in gallischen Gräbern.
89
Barbarische und griechische Spiegel. 83
a deutlich für die Verwendung als Spiegel. Dieses wird durch
A rachtung einiger ähnlicher Exemplare bestätigt.
— ich in der Zeitschrift für Geschichte des Oberrheins, V. S. 416 f.
Italien. NN kurz besprach, hob ich bereits hervor, dass er ausserhalb
G erhapd den sein müsse. Ein Blick in das bekannte Werk von
Wsere g über die etruskischen Spiegel genügt, um die abweichende Form
für iln leges erkennen zu lassen. Am meisten charakteristisch ist
Worden er breite Griff. Derartige Spiegel sind nie in Italien gefunden
auf den Was auch Furtwängler und Körte bestätigen in einem Aufsatz,
Gräbern Mi ‚später noch zu reden kommen. Auch in den gallischen
nicht an eritaliens hat man meines Wissens bis jetzt diese Form noch
bleib: as offen, sondern immer nur die bekannte etruskische'). Es
gallisch aher nur die Ànnahme griechischer Entstehung oder besonderer
U or Weiterbildung.
Geng gi sind thatsüchlich in der Lage, die Entwickelungsgeschichte
zu Verfolgen. typus in jener Richtung, wenn auch nur in grösseren Zügen,
S. M P beschäftigt uns der in dieser Zeitschrift, Bd. XV (1883),
Stawropo] af. HI. 14, publicirte Gegenstand aus einem Grabhügel bei
Im Kaukasus (Fig. 2): „Instrument aus ganz dünnem Kupfer,
l'ig. 5
Fig. 2.
Wie
Se) ^, Dleeh +. Rings herum ist der Rand des Kreises (auf einer
Macht den p, Der kaum merklich in die Höhe gebogen. Das Ganze
~ Mdruck eines Geschirrs, um etwas darauf zu präsentiren,
1
887, Iu ^ ? Memorie della R. Dep. di storia patria per le provincie d. Romagna
> hh 42 (Brizio), und Bull. di pal. Ital., XII. p. 249, n. 16 (Castelfraneo).
«i KARL SCHUMACHER:
oder den eines Handspiegels; nur ist, was auch zufällig sein kann, eine
kaum merkliche concave Wolbung der Fläche auf derjenigen Seite zu
bemerken, auf der sich die Zeichnung nicht befindet, was für die erste
Annahme sprechen dürfte.“ Die Uebereinstimmung mit unserem Geräth
von Dühren ist so gross, dass wir offenbar die gleiche Verwendung und
Herleitung annehmen müssen. Das Kxemplar aus dem Kaukasus zeigt
allerdings am unteren Ende des Griffes noch eine halbrunde Ausladung,
die an dem von Dühren fehlt, aber nach dem, was wir oben bemerkt
haben, auch hier ganz wohl vorhanden gewesen sein kann. Die Zeit
jenes Grabhügels ist durch eine mitgefundene Thierfigur lokalen bar-
barisirenden Styls, ganz nach Art der La Tène-Figuren (Taf. III, 6), sowie
einige Waffenstücke einigermaassen bestimmt).
An die Gestade des Sehwarzen Meeres führen uns zwel weitere;
sogleich zu besprechende Exemplare. In einem Frauengrab von Tcher-
Fig. 5.
Fig. 4.
tomlyk bei Nicopol wurde nach Recueil d’antiquités de la Soythie, I
(1873) p. 108 ein Spiegel (Fig. 4) gefunden („pres de la main droite up
1) Eine Weiterentwickelung dieser Spiegelform kennen wir ebenfalls aus dem Kaw
kasus (vergl. Zeitschr. f. Ethnol. 1890, Verh. 8. 456, Fig. 72); Scheibe und Griff habe?
schon einige Veränderungen erfahren, und der letztere ist in der Mitte durchbohr®
(Fig. 3). Vergl auch ebenda 8. 462, wo Virchow auf die Wichtigkeit dieses Geräthes für
Bestimmung der Zeit- und Handelsbeziehungen der kaukasischen Cultur hinweist. — Unt®
den kaukasischen Spiegeln finden sich häufig einfache, runde Scheiben mit einem in de
Hitze hergestellten Ueberzug, der wie Silber oder Weissmetall aussieht (vergl. ZeitschI*
f. Ethnol 1890, 8.449 f. und 462). Ein ganz ähnlicher wurde auch in jenem Grabe vor
Dithren gefunden, doch wurde der Ueberzug noch nicht chemisch untersucht (verê”
Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrheins, V. S. 417, Schumacher, Beschreibung der Sammlung
antiker Bronzen in Karlsruhe, Nr. 246).
4
Barbarische und griechische Spiegel. 85
Miroi .
cena. de bronze avec un manche d’os“), dessen Form (Vignette p. 123
Zsa nten Werkes) ihn trotz des anderen Materials des Griffes in unseren
16 menhang stellt. Ein Goldplüttchen desselben Grabes (Atlas T. XXX,
2eigt ergl. P- 107, auch Antiquités du Bosphore Cimmérien, Pl XX, 11)
rend emen solehen Spiegel in der linken Hand einer sitzenden Frau, wüh-
noch emn Junger, vor ihr stehender Skythe ein Rhyton leert. — Wichtiger
Spie 18t ein ebenfalls aus einem südrussischen Grabe (Kul- Oba) stammender
beer (Fig. 5), der in den Antiquités du Bosphore Cimmérien, T. XXXI, 7
rsp det ist. Stephani sagt im Text p. 215, dass der Spiegel aus zwei,
il, Sch nicht zusammengehôrigen Theilen bestände, indem auf einen
Go] " (griechischen) Spiegel von vergoldeter Bronze der breite Griff aus
demie ech aufgenietet worden sei. Die Verwandtschaft dieses Griffes mit
Die gen des Exemplars aus dem Kaukasus ist ohne weiteres klar.
Von, lief dargestellten T'hiere zeigen einheimische, aber auf griechische
z. B d Zurückgehende Arbeitsweise, wohl des 4. Jahrh. v. Chr. (vergl.
T XL le Thierdarstellungen der Schwertgriffe in Ant. de la Scythie,
S. 46). 9, 12, 14, auch Furtwängler, Der Goldfund von Vettersfelde,
Oben. Ein Vergleich des im unteren Rund dargestellten Thieres mit der
erwà . .
This," Ahnten, zugleich mit dem Spiegel aus dem Kaukasus gefundenen
Sheng" kónnte auf den Gedanken bringen, dass diese ursprünglich
und q; 8 auf dem Griffrund befestigt war. Wie weit Gróssenverhültnisse
1 . . . .
kann © auf der Rückseite dieser Figur befindliche Oehse dafür sprechen,
aber ohne nähere Kenntniss des Originals nicht beurtheilen. Dass
otrigp Be Verzierungen auf solchen Spiegelgriffen nicht nur in Relief
Wer d 7l sondern auch selbstándig gearbeitet und aufgenietet vorkommen,
Di Wir noch sehen*).
i : . TEMP
Spi egelt Culturgeschichte der Gegenden, in welchen wir bis jetzt unserer
Selbst "i begegnet sind, wie auch die Verzierungsweise der Spiegel
dass M 8 Flechtband und die Thierdarstellungen) weisen darauf hin,
dieses T keine lokalen Erfindungen vor uns haben, sondern die Entstehung
Fu JPus an einem anderen Orte suchen müssen.
und phi ingler hat in den Ernst Curtius gewidmeten historischen
— l'ologischen Aufsätzen (Berlin 1884) S. 181 f. erstmals einen Spiegel
..,,9 Bei
Puig," Gerhar d, Etrusk. Spiegel, Taf. ODIX, 3, ist ein Spiegel unbekannter Herkunft
Gravirangen * durch die Form der Scheibe, die Breite des Griffes, sowie den Styl der
Unterschied von den anderen italischen abweicht. Gerhard, dem offenbar auch ein
Vermuthun auffiel, hielt ihn eher für romisch, als fiir etruskisch. Mir scheint letztere
Form stellt ch Form des Spiegels und Charakter der Zeichnung abzuweisen. Die
die Tracht a à in den von uns behandelten Zusammenhang; der Styl der Zeichnung,
Statter La T. - finden eher ihre Analogien z. B. in den Gravirungen der bekannten Hall-
Ton Heyden, go cide (Lindenschmit, Alterth. heidn. Vorz., IV. H. VI, Taf. 32;
thre Entstehun eitschr, f. Ethn. 1890, Verh. S. 50), die sicher nicht etruskisch ist, sondern
ne bei Gas Wahrscheinlich in den óstlichen Alpenlündern selbst hat. — Die Form
*v. VL 10 7 gefundenen Spiegels ist mir nach der Skizze im Bull. di pal. Ital., TII.
^ ^» nicht gan; ersichtlich.
86
KARL SCHUMACHER:
. von der Form nebenstehender Fig. 6 bekannt gemacht
Fig. 6. (aus der Sammlung A. Castellani). Furtwángle
hält dieselbe mit Recht für eine spezifisch griechisch“
da solche Spiegel nie in Italien gefunden seien, und
erwähnt als Bestätigung zwei weitere, aus Korinë
und Naupaktos stammende des Berliner Museu
Griff und Scheibe bestehen aus einem Stück; pe
dem Exemplare aus Naupaktos hat der Griff unte?
noeh eine (allerdings verbogene) Spitze, die an des
der Sammlung Castellani abgebrochen ist. Ad
dem vom Griff zum Spiegelrund überleitenden Viered
des Castellani’schen Spiegels ist ein sehr dünn®
Bronzeblech mit einer Reliefdarstellung (Hektor*
. Lósung) durch Blei festgelóthet. Auch der Griff wi
ursprünglich mit solchen Reliefplättchen geschmückt
wie Bleispuren auf demselben und die auf diese
Seite des Griffes emporstehenden Ränder beweisen. Diese Spiegel könne
der Zeit nach nicht nach dem 6.— 5. Jahrh. v. Chr. angesetzt werden. Bis
Vergleich derselben mit den bisher besprochenen Formen zeigt, das
letztere zweifelsohne von diesem griechischen "Typus herzuleiten sind:
wenn auch bei ihnen das den Uebergang zwischen Griff und Scheibenrun®
vermittelnde Viereck fehlt. So lernt man auch den Reliefschmuck de
südrussischen Exemplars richtig beurtheilen, und wird die über die Ver
zierung des kaukasischen Spiegels ge&usserte Vermuthung in richtige?
Zusammenhang verstanden").
Konnte man vor einigen Jahren noch an eine Lokalisirung dies?
Spiegeltypus in Korinth denken, so ist dies naeh den neuesten Fund?
unwahrscheinlich. In einem mykenischen Grabe, das zwar nicht mehr i
die eigentliche „mykenische“ Periode gehört, aber immerhin um einig“
Jahrhunderte älter als jener Typus ist, fand sich ausser einer einfache?
Vis. 1 runden Spiegelscheibe auch die nebenstehend’
Nes Form Fig. 7 CEp. doy. 1888, T. VIII, 3 und IX, !*
xóromvgov uetà Ojo mhaxdv dAegoveivov aro "i
Aoc): ein Bronzespiegel, dessen aus zwei elfe"
beinernen Platten bestehender Griff durch 2 Niet??
auf dem Spiegelrund befestigt ist. Der Griff ist eid?
nicht ganz erhalten. Doch ist es wahrscheinlich
dass der Griff gegen unten schmäler wurde, so da
dieser Typus von dem vorhergehenden griechisch?"
sich nur dadurch unterscheidet, dass das —
1) Auch auf dem Griffe des Spiegels von Dühren finden sich Lóthspuren, so dass n"
auch hier an eine Verzierung durch eine Reliefplatte denken kónnte, doch spricht de
Graht in der Mitte dagegen.
Barbarische und griechische Spiegel. 8%
: rel auf der Spiegelscheibe selbst befestigt ist, was schon wegen des
le Materials, wie auch bei dem oben genannten südrussischen
die plar, nôthig war. Das obere Ende ist mit 2 Figuren verziert, wovon
; der Lr einen Spiegel zu halten scheint. Sind wir auch noch nicht in
| und oo die Verbindungsfáden zwischen dieser spiitmykenischen Cultur
folge en zuletzt behandelten altgriechischen Typen im Einzeln zu ver-
1, so dürfte doch ein Zusammenhang schwer abzuleugnen sein.
| ins erigens muss mit Bezug auf die einleitungsweise gemachten Aus-
i sich Cersetzungen hervorgehoben werden, dass in dieser ültesten Periode
Stäbe. Gräbern, die durch ihre Waffenbeigaben zwelfelsohne als Männer-
hao, charakterisirt sind, Spiegel fanden. Und ich kann mich nicht ent-
8. lag das von Tsuntas über diese Erscheinung in der Eg. agy. 1889,
Tai = Bemerkte wôrtlich wiederzugeben : ,Kera vobg AOKALOTEQOUS OUWG
, d Ouroov xgóvovg xoi &v ‘Elhadt ot avdpsg hg @nodetxvderot êx TOY
e de (hier von Vafio), dev amn§iovy va xoou@vrou M Ute xodgau“
* Q4 Pllapéoxeux elvar Eupvrog aupotégors toig qiAow và» avdounonr,
of " Uh Bappdew xaTaotHoss udhiotea où avôges vrrepBalhovor vüg yvvoixog
at m *CtG vojro. "I4XÀcg èvreke tovogiuxóv nogaóstyua vàv Aeyouévov £youer
e S lolárog, àv vó quAóggvoov dEénnrwws vovg EAAqvag vov vQirov m. X.
i mL Vy NTO 7 10 tv Kepdy Tov “Oungov. Wie man sieht, hat
y ON Tsuntas auf die gallische Parallele aufmerksam gemacht.
/ mu. hoffe, dass es mir gelungen ist, jene Spiegelform des Mittel-La
> Zuführ rabes von Dühren direkt auf griechisches Kunsthandwerk zurück-
| eine, am womit natiirlich nicht gesagt ist, dass jener Spiegel selbst in
of beson Erechisehen Werkstätte entstanden sem müsse. Der Fall liegt
j tnb "à günstig, weil dieser Typus der etruskisch-italischen Industrie
° We “kannt ist, deren Export nach dem Norden überhaupt überschätzt zu
wen pflegt. Wir sehen dies erst jetzt recht deutlich, nachdem das
9 ma über die Olympia-Bronzen vorliegt. Wie Manches findet sich jetzt
^ jetzt 11 Griechenland, das bisher für etruskisch gegolten hat! Es ergiebt sich
N in P Sicherheit, dass gar manche im mittleren Europa, namentlich auch
Á Nach chland gefundenen Gefüss- und Gerütheformen, die bisher mit
v Sthe, ni für etruskische Kunst in Anspruch genommen wurden, griechi-
v Vasen erkunft sind, wie es für die vielfach mitgefundenen rothfigurigen
y tein. i längst feststand. Es kann im Einzelnen nur noch die Frage
ob cingofthet welchen griechischen Gegenden die betreffenden Gegenstände
” Schen sind. Die Ausstrahlungen Massilias und der anderen griechi-
Sind P des Westens bis nach Oberitalien und an die Rheinstrasse
,Ç de Kolonie gemein anerkannt!); dagegen tritt der Einfluss der griechischen
Selbst n des Ostens, sowie der griechischen Städte der Balkanhalbinsel
us! T noch Zu sehr zurück?), obwohl uns die gallische Münzgeschichte, die
de 7
Meg, (eel Zuletzt Furtwängler, Archäolog. Anzeiger 1889, S. 483, und von Duhn,
2) Vergl qi = Sc. di Torino, 1891, p. 381 f.
gens Furtwüngler, Der Goldfund von Vettersfelde, S. 49 f.
: Karn SCHUMACHER: Barbarische und griechische Spiegel.
einerseits massaliotische, andererseits makedonische Münzen nachahmt,
einen deutlichen Fingerzeig giebt. Zwischen diese beiden Interessen-
sphären hat sich der etruskisch-italische Handel eingeschoben, dessen
Artikel sich häufig mit den griechischen mischen. Es ist daher eine der
wichtigsten Aufgaben für die einheimische Alterthumsforschung, jene
griechisehen Erzeugnisse von den etruskischen zu scheiden, wodurch erst
eine gesicherte Grundlage für die Handels- und Culturgeschichte jener
Periode geschaffen wird.
3X
M.
Zür mexicanischen Chronologie, mit besonderer
Berücksichtigung des zapotekischen Kalenders.
Von
Dr. ED. SELER in Berlin.
venere senthümlichkeiten des Zeitrechnungssystems, welches bei den
Nicaragy nen Culturnationen des alten Mexico und bis herunter nach
lage dos. m Gebrauch war, sind bekannt. Wir wissen, dass die Grund-
ver. ein Zeitraum von 20 Tagen bildete, die mit dem Namen
benannt pic greifbarer Objecte, die Hülfte darunter Thiernamen,
Zeichnet eziehungsweise mit dem Bilde derselben hieroglyphiseh be-
in dem Wurden. Dass 20 Zeichen genommen wurden, hat seinen Grund
Die zi, S^ imalen Zahlsystem, dessen sich all diese Vélker bedienten.
E ngba,. ung der Tage wurde aber — wenigstens bei der vorwiegend
90 Teich Chronologie — nicht vigesimal fortgesetzt, sondern mit diesen
der aug n wurden die Ziffern 1—13 in der Weise combinirt, so dass jeder
besos ander folgenden Tage mit einem Zeichen und einer Ziffer
die Täler ude, dergestalt, dass, wenn zur Bezeichnung des ersten Tages
14. Leiche , combinirt mit dem ersten Zeichen, diente, der 14. Tag das
chron, aber wieder die Ziffer 1 erhielt. So gewann man als höhere
erst nach he Einheit einen Zeitraum von 13 x 20 oder 260 Tagen. Denn
Selbe Ziff. blauf dieses Zeitraums traf es wieder ein, dass ein Tag die-
Ver Lei und dasselbe Zeichen erhielt. |
20 Zee, ^e die auf S.90 und 91 stehende Tabelle, in welcher die
Ziffern be durch die rômischen, die 13 Ziffern durch die arabischen
D; Zeichnet sind:
auf most Zeitraum von 260 Tagen, der tonalamatl, „Buch der Tage“,
der Loges N ch’ol k’ih, „Tageszählung“, oder k’am uuh, „Buch
St wöhnlichen. Guatemala, bei den Maya dagegen, wie es scheint, — die
Senannt on Eben lauten anders, — kin katun, ,Tagesordnung®,
"chnungss 4 > wurde nun in verschiedener Weise mit dem übrigen Zeit-
Die Na ?m in Zusammenhang gebracht.
ergieht dd D des alten Mexico zählten ihr Jahr zu 365 Tagen. Das
der Jahre "i der Art ihrer Jahrbezeichnung und aus der Anzahl
365 = 98 yc 13 , sie zu einer grosseren Periode zusammenfassten. Da
3 +1 und = 18 x 20 + 5 ist, so folgt, dass, wenn beispielsweise
JL.
Ep. SELER:
1 P I 9 I 9 I ? I 10 I 1 1
2 ' II z "T 10 IT II 11 II a Il
3 | | IU III ; 11 T ^ IT 12 III 6 IIL
+ 7 10 VO 12 6 N,18 W 17 IU
: 1" V 1? v 8 V
5 VI C un i p S VI. “1 9 VI
i VII Vii 07 éd ^ VIE «d 10 VI
8 VIII % . Val > Vi 19 VIII VII 11 VII
9 IX ë L 10 IX . IX 11 IX © IX 12 IX
10 X 11 X È XA 12 X 8 X 18 X
11 XI “ 12 Da 5 Yl 13 ZT . XI 1 XI
12 Xil Xu d Tot : Lc Xx XII 2 XI
ov | con “Im 3 XII
1 XIV 4 XIV
| XV 5 XV
; 1v XVI - À i. XVI 6 XVI
A 11 XVII Aal Lo. 15 XVII 7 XVI
5X 12 XVIII 18 XVIII «2° dl 1 XVIII 8 XVIII
6 . XIX (00 TIX … X 2 XIX 9 XIX
7 XX a UT ,x 8 XX 10 XX
ein Jahr mit einem Tage begónne, der die Ziffer 1 und das I. Zeiche?
trägt, so müsste der Anfangstag des folgenden Jahres die Ziffer 2 und das
VI. Zeichen, der des dritten Jahres die Ziffer 3 und das XI. Zeichen, de
des vierten Jahres die Ziffer 4 und das XVI. Zeichen erhalten; der Anfangs
tag des fünften Jahres dagegen würde mit der Ziffer 5 und wiederum mit
dem I. Zeichen benannt werden müssen. Wir erhalten also folgende Reihe
der Jahresanfánge:
i VI XVI | 1
z AL à und so
v . 2 Xe \T fort, wie
4 2 L À am An-
v v i X i fang.
ó "n 1
. A Va
2 o ‘ Xl
v v VI das y XVI
10 4, 10 XI 10 à 10 I
11 XI 11 XVI 11 I 11 VI
12 XVI 12 I 12 VI 12 XI
13 i 18 VI 13 XI 18 XVI
Man sieht, dass, unter der Voraussetzung eines Jahres von 365 Tage
auf die Anfangstage der Jahre nur 4 von den 20 Tageszeichen fallen, und
90
Zur mexicanischen Chronologie.
» X I 19 I! 6 I|18 Doa m I
p d 6 H B H3: H 5: H 8 3H uds
/— UI 17 Wm i0 mnl |^ TT 2 IT 9 JI for, wie
2 Vis 2 vi 3 IV 10 IV vorher.
ZEE "o 7|! 1 von V
09M T | vi 12 VI
; Y a 11 vi M m VII 18 VII
m 12 vri TL VEDO. VEDO 0 VII
i 13 L + . T IX 8 IX 2 IX
8 x 1 | | 9 X 8 X
ou ; 10 XI 4 XI
10 XIH ir I H XII 5 XH
m i» XII Xi
BO xy | . |
9 xvi | 2.
2 eu | s soo. AMI
3 X.x | al BD a A 4A 1 ai 2 Ht
4.2 1 ts | x 5 7 12 XIX
ZW
"M * Leichen, die je um 5 Zeichen von einander abstehen. Und man
Wen digo, aus der Annahme eines Jahres von 365 Tagen sich mit Noth-
und 73 "m eine Periode von 52 Jahren ergiebt. Denn da 365 — 5 X T3
Sintrog 4, Primzahl ist, so kann es erst nach 260/5 oder 52 Jahren
Zeichen à ass auf den Anfangstag des Jahres dieselbe Ziffer und dasselbe
den An " Tonalamatl fall. Nun wissen wir, durch die übereinstimmen-
Nation er der Chronisten und der Documente, dass die mexicanischen
der Jahre, Te Jahre in der Weise bezeichneten, wie es die obige Tabelle
Sim, ange | darstellt, und es wird bei einigen Stämmen mit Be-
Anfangstao angegeben, dass diese Namen der Jahre von den Namen der
Wir, ds, 4, ben hergenommen worden seien. Andererseits Wissen
99 Jahren ks simmtlichen alten Nationen Mexieos eine Periode von
dass in de annien und nach ihr rechneten. Wir müssen daher schliessen,
genome That, wie oben angegeben, in Mexico das Jahr zu 365 Tagen
10 Sek. ber ward, die Zeitrechnung also in jedem Jahr um 6 St. 9 Min.
Arückblieh. um 5 St. 48 Min. 48 Sek., hinter der wirklichen Jahreslänge
Msi eno einfache und klare und — zieht man die Culturhóhe der alten
die jün 4 m Betracht — gar nieht so wunderbare Thatbestand ist bis in
beschäg ; Leit von den Autoren, die sich mit mexicanischer Chronologie
drei Uni haben, hartnáckig verkannt worden. Es sind hauptsüchlich
nde, welche eine richtige Auffassung der Sachlage nicht recht
91
: Ep. SELER:
aufkommen liessen: das sind erstens gewisse Annahmen, die in Bezug auf
die fünf letzten Tage des Jahres gemacht wurden, sodann die Angabe?
der Chronisten über Einschaltungen, die in gewissen, regelmüssig wieder-
kehrenden Perioden vorgenommen worden seien, endlich die Variabilitát
des Jahresanfangs bei den verschiedenen Stimmen und auch, wie e$
scheint, in den verschiedenen Zeiten, die eine authentische ConcordanZ
bestimmter, historisch bezeugter Daten des mexicanischen Kalenders mit
unserer Chronologie bisher unmöglich gemacht hat.
Die chronologische Einheit, die Zahl von 20 Tagen, ist in 365 Tagen
18 Mal enthalten. Jede dieser 18 Zwanziger — von den Spaniern fälseh-
lich Monate genannt — war bestimmten Gottheiten geweiht und gab Ver-
anlassung zu einem bestimmten Feste, das mit der Jahreszeit, den in der
Jahreszeit vorzunehmenden Arbeiten und dem, was man von der Jahres-
zeit erwartete, in Zusammenhang stand. Es blieben übrig 5 Tage, dene?
als überschüssigen eine gewisse unheimliche Bedeutung zugeschrieben ward.
Die Mexieaner nannten sie nemontemi oder nen-ontemi, d.h. ,die
überschüssigen, die Ergänzungstage“, mit der Nebenbedeutung: ,die un-
brauchbaren, die keiner Gottheit geweiht, zu keinem bürgerlichen Gescháft
brauchbar waren“, — acam pouhqui, „die keinem zugezählt oder zu-
geschrieben wurden*, ,die in keiner Werthschátzung standen*, — wie es
im aztekischen Text von Buch II. Cap. 37 des Geschichtswerkes des
P. Sahagun heisst, was der Pater mit den Worten erläutert: estos cinco
dias 4 ningun dios están dedieados, y por eso les llamavan nemontemi;
que quiere decir por demás. Sie galten als unheilvolle Tage (baldios y
acíagos) Denn mit dem Worte nen, ,das Ueberschiessende*, verband
sieh auch der Begriff des ,Ueberflüssigen*, ,Untauglichen*, ,Unbrauch-
baren“. Keine Handlung von irgend welcher Bedeutung, oder die über
den Kreis der allernothwendigsten Lebensverrichtungen hinausginge, ward
vorgenommen. Nicht das Haus ward gefegt, kein Gericht gehalten, und dem
Unglücklichen, der an einem dieser Tage geboren ward, „dem ist kein
Heil beschieden, elend und kümmerlich und arm wird er leben auf der
Erde“ (quihiotinemiz ompa onquiztinemiz yn tlalticpac). Ins
besondere aber hatten diese Tage eine vorbedeutende Kraft fir das ganze
Jahr: ayac teauaya, ayac manaya, auh yn aca oncan teaua, quil-
mach cenquicui, ,Niemand zankte, Niemand liess sich in einen Streit
ein; denn wer an diesen Tagen zankte, von dem glaubte man, dass er e$
immer fortsetzen würde^, — heisst es im aztekischen Text des Sahagun-
Und noch ausführlicher an einer anderen Stelle, welche Sahagun mi
folgenden Worten wiedergiebt: guardabanse en estos dias fatales, de dormir
entre dia, ni de reiir unos con otros, ni de tropezar, ni de caer, porque
decian que si alguna cosa de estas les acontecia que siempre les habia
de acontecer adelante.
Derselben Vorstellung begegnen wir in Yucatan. Man ging an diese?
99
Zur mexicanischen Chronologie. 93
Tagen So wenig wie möglich aus dem Hause, wusch und kämmte sich
mit B und nahm sich ganz besonders in Acht, irgend welche niedrige oder
der veehwerden verbundene Arbeit vorzunehmen, ohne Zweifel, weil man
eberzeugung lebte, dass das dann das ganze folgende Jahr so fort-
Seen Würde. Verhielten sich aber die Mexicaner diesen Tagen gegenüber
zubes re indem sie sich hüteten, Unheil für das folgende Jahr herauf-
Tagen Iwóren, so machten es die Maya gründlicher, sie schafften in diesen
Könnte vorbedeutend für das ganze Jahr, das Unheil, was etwa drohen
uua ©, heraus. Sie fertigten aus Thon ein Bild des Unheildámons an,
confes? d.i. u-uayab-haab, ,durch den das Jahr vergiftet wird*,
das ae dasselbe mit der Gottheit, die in dem betreffenden Jahre
Welcher das führte, und brachten es dann in der Himmelsrichtung,
as neue Jahr angehörte, heraus aus dem Dorfe.
"A diesen 5 Tagen heisst es nun in den Autoren gewöhnlich, »sie
I gezählt“. Und man stellt sich dabei vor, dass die übliche
"a der Tage mit Ziffern und Zeichen auf diese Tage » a
Sahagun worden sei. Richtig ist, dass schon der antekische ox dos
98 von q Zu dieser Auffassung Veranlassung giebt. Denn daselbst heıss
Pouih “A Nemontemi: yn aoctle yn toca tonalli, yn aocmo ou
sie werden ho emo om pouhque, „die Tage haben keine Namen mehr,
atle i Nicht mehr gezählt“. Und weiter unten: ca atle ytonal, ca
kein A ++. ca nel amo ompouhque atle ypouallo, »sie haben
Perle en keinen Namen ... denn sie wurden in Wahrheit nicht
Sobrab + Noch deutlicher spricht sich Durán aus: los cinco dias, que
asi lo an, tenianlos esta nacion por dias aciagos, sin cuenta ni provecho;
Nemo. dejaban en blanco, sin ponerles figura D! cuenta, y asi los llamaban
Vues mi, que quiere decir dias demasiados y sin provecho. — In
Namens wurden diese Tage auch direct als xma kaba kin, lage ohne
gosto. bezeichnet. Und was Durán angiebt, sehen wir im Landa dar-
schtissigen Pa von ihm aufgezeichneten Kalender GC M 5 üben
Amat] - Rec} n der That meinen, dass diese “ASP CIO onal:
und à Chnung unterbrachen? Ich glaube nicht. Das acam pouhq
nung ero ompouhque besagen nicht, dass diese Tage aus der Rech-
keine p uslielen, sondern, wie auch Sahagun ganz richtig erläutert; dass
lungen este an ilmen gefeiert wurden, dass sle als zu bürgerlichen Hand-
insuffici unbrauchbar und werthlos galten. Vergl. acan ompout: „Cosa
Selben Ge Y falta, 6 persona de quien no se hace caso“ (Molina). Den-
Bezeichnung Werden wir auch der Phrase atle ytoea und der Maya-
und Landy *ma kaba kin unterlegen müssen. Und wenn nach Duran
dass man "o Tage weiss gelassen wurden, so bedeutete das v
Schweigen 1 | Schente, diese Unglückstage irgendwie zu nennen. i
urden sie weiter gezühlt. Sonst kónnte z. B. Landa nicht
t Ep. SELER:
angeben, dass die auf einander folgenden Jahre mit der ,letra dominical“;
kan, mulue, ix, cauac, d. h. dem IV. IX. XIV. XIX. Zeichen, begónnet»
sondern man müsste annehmen, wie es der alte Gama allerdings, abe!
zweifellos irrthümlich, thut, dass alle Jahre mit derselben Ziffer und dem*
selben Zeichen begannen.
Richtig scheint dagegen zu sein, was Gama (Dos piedras pag. (5) au
giebt, dass die 5 Tage nemontemi der acompaüados entbehrten, d. b
dass die immer wiederholten Reihen der 9 sogenannten ,Sefores de la
noche*, welche neben den Zeichen der Tage fortlaufend weiter gezählt
wurden, nur bis zu dem 360. Tage des Jahres geführt wurden. Die Haupt
quelle Gama's für seine Angaben bezüglich der alten Chronologie sind
die in mexicanischer Sprache geschriebenen Aufzeichnungen des D. Cri-
stoval del Castillo, eines Indianers aus vornehmem tetzkokanischem
Geschlecht, der im Jahre 1606 als alter, 80jühriger Mann das Zeitliche
segnete. Seinen Aufzeichnungen ist ohne Zweifel auch der Kalender ent
nommen, den Gama auf p. 62— 75 seines Buches abdruckt, der also die
Autorität noch ungebrochener 'Tradition für sich hat. Dieser Kalender
lisst das Jahr mit ce cipactli, d.i. 1 I, beginnen und záhlt die nemon*
temi mit Ziffer und Zeichen weiter (10 L 11 IL 12 IIL, 13 IV, 1 V)
Aber die Reihe der 9 Sefores de la noche bricht mit dem 360. Tage des
Jahres ab. Orozeo y Berra hat die ansprechende Vermuthung aufgestellt
dass der Sinn dieser doppelten Zählung der gewesen sei, die Tage de?
Jahres, welchen nach der Tonalamatl- Rechnung ‚die gleiche Benennung
mit Ziffer und Zeichen zukommen würde, durch den beigesetzten „acom”
panado“ zu unterscheiden. In der That, wenn der erste Tag des Jahres
als welchen Gama den 9. Januar nimmt, mit 1 I bezeichnet wiirde, 8°
würde dem 261. Tage des Jahres, d. h. dem 26. September, dieselbe Benen
nung zukommen. Von den „acompanados“ aber würde, wenn der erster®
Tag (1 I = 9. Januar) den ersten derselben (Xiuhtecutli Tletl) als
Begleiter erhält, dem letzteren Tage (1 I = 26. September) als Begleiter
der neunte derselben (Quiauitl-Tlalo c) zukommen, denn 260 : 9 = 28 +8
Ist die Gama’sche Angabe richtig, dass die nemontemi der ,acompaíados"
entbehren, so würden die auf einander folgenden Jahre immer mit dem”
selben acompañado anfangen. Und nehmen wir als den des Anfangstag®®
den ersten derselben, den Feuergott, an, so haben wir in diesem Umstande
vielleicht die einfache Erklärung desjenigen Namens, der der gewôhnlichst®
der verschiedenen Namen des Feuergottes ist, — Xiuhtecutli, d. h. , Het"
des Jahres“.
An die nemontemi knüpfen sich nun auch die #ltesten Angabe?
über Einschaltungen, die angeblich von den Mexicanern in bestimmte?
Perioden vorgenommen worden seien, um ihr Jahr von 365 Tagen mit der
wirklichen Lànge des Sonnenjahres in Uebereinstimmung zu bringen. Ip
der Ueberschrift zu dem 19. Capitel seines zweiten Buches sagt der
)4
P Zur mexicanischen Chronologie. Sh
y ang: Hay conjetura que cuando ahujeraban las orejas à los niños
temi » Que era de cuatro en cuatro años, echaban seis dias de nemon-
Cuadro , 9$ lo mismo del bisiesto, que nosotros hacemos de euatro en
Cuatro on os Und ähnlich an einer anderen Stelle: Otra fiesta hacian de
À tg dos "o anos a honra del fuego, en la qual ahujeraban las orejas
Verosimi] S niños, y la llamaban pillauanaliztli, y en esta fiesta és
Nemopy, Y conjeturas que hacian su bisiesto, contando seis dias de
jeturage * Wohl gemerkt, der Pater sagt: ,és verosimil y hay con-
Sich in de r sagt nicht, dass er das gehórt hat, und in der That findet
davon D. aztekischen Text an den betreffenden Stellen auch kein Wort
Gewisshois Vermuthung des P. Sahagun wird von späteren Autoren als
für die Vy. Besprochen. So giebt es der gelehrte Dominikaner P. Burgoa
Script, Jxtoca und die Bewohner von Tehuantepec an (Geografica De-
Beleg er bei Orozeo y Berra, II. p. 136), ohne indes irgend einen
dageren € seine Behauptung zu erbringen. Von anderen alten Autoren
der zu ded dieser Vermuthung direct widersprochen. Der P. Motolinia,
digg má ersten Missionaren gehórte, die ins Land kamen, sagt: Los
y entraro rales de esta Nueva España, al tiempo que esta tierra se ganó
Märzo. n en ella los Espanoles, comenzaban su aío en principios de
Meg, DA Por no alcanzar bisiesto, van variando su aiio por todos los
Chronica érselben Ansicht ist der P. Torquemada. Und der Autor der
lemala vo de la S. Provincia del Santissimo Nombre de Jesus de Gua-
(log Gua Jahre 1683 bemerkt: porque como ni los Mexicanos ni estos
de uoa, locas) aleanzoron el bisiesto ... se apartaban y diferenciaban
SU año a ° calendario, y asi ni estos ni los Mexicanos comenzaban siempre
Saban un mero de nuestro Febrero, sino que cada cuatro afios se abra-
Olgenon m. - - . In der That, würe thatsáchlich eine solche Einschaltung
“quent, Wa worden, so wire die Periode von 52 Jahren und die con-
Oda, Wen: ®iterbezeichnung der Tage innerhalb derselben ein Unding.
Über don tens diese Einschaltung hätte als wichtiger Factor in jeder,
Müssen, Dane von 4 Jahren hinausgehenden Aufzählung notirt werden
Yaya fry qe habe ich aber weder in den aztekischen, noch in den
à Der ton bisher eine Spur entdecken kônnen. 5
er âlten : lerigkeit sich bewusst, in dieser Weise eine Uebereinstimmung
“choy, po diamischen Chronologie mit der richtigeren europäischen Zeit-
Mol pin; stellen, haben Spätere gemeint, dass am Ende des xiuh-
Pingeschoh er Periode von 52 Jahren, eine ganze Woche von 13 Tagen
y Gong, Worden sei. Es ist der gelehrte Jesuit D. Carlos Sigiienza
den ohne 7 der in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts lebte, auf
NUN " Weifel diese Theorie zurückzuführen ist. Das Werk dieses
Abe, G e: lelografia Mexieana*. ist, wie es scheint, verloren gegangen.
hatte vie Carreri und Clavigero berufen sich auf ihn. Sigüenza
186€ Documente zur Disposition, Papiere und Bilderschriften, die
TOW
ay
Ep. SELER:
D. Juan de Alva Ixtlilxochitl, einem Abkómmling der tetzkokanischen
Kónigsfamilie, gehórt hatten, und er war ein geschulter Astronom. Seine
Vermuthung wire auch um deshalb annehmbarer, weil sie die Ordnung
der Tage innerhalb der 52jährigen Periode unangetastet lüsst. Trotzdem
meine ich, dass auch seine Angaben auf unbegründeten Vermuthungen
beruhen. An keiner Stelle der alten Autoren ist zu ersehen, dass am
Ende der 52jührigen Periode ein 18 Tage wáührendes Fest gefeiert worden
sei. Es handelt sich immer nur um die eine Nacht, die Wende des Jahr-
hunderts, in der das Volk unter Zittern und Zagen das Aufflammen des
neuen Feuers auf dem Uixachtepee erwartete. Und in den Bilderschriften
finden wir Zeitriume aufgezeichnet, die über die Periode von 52 Jahren
hinausgehen und wo die Ordnung der Tage ohne Sprung aus der einen
in die andere Periode übergeführt ist. Vergl z. B. die Blátter 46— 50
der Dresdener Handschrift, die bekannten Blätter, auf denen E. Förste-
mann die Reihe der um 236, 90, 250 und 8 Tage von einander ab-
stehenden Daten nachgewiesen hat. Auf denselben sind, von dem Tage
1 ahau, dem 13. des Monats Mac, beginnend, 13 x 2920 Tage, oder 13 x 8,
d. h. 2x 52 oder 104 Jahre durch, in regelmässigen Distanzen von einander
abstehenden Daten verzeichnet, ohne Sprung irgend welcher Art zwischen
dem einen und dem anderen der beiden 52jährigen Cyclen. Noch weit
grössere Zeiträume sind auf den hinteren Blättern der Dresdener Hand-
schrift durch ohne Sprung fortlaufende und von Controlzahlen begleitete
Daten belegt.
Doch auch die Vertheidiger der Einschaltung berufen sich auf Hand-
schriften. Olavigero (IL. 62) sagt: Questi tredici giorni erano gl'inter-
calari, segnati nelle lor dipinture con punti turchini: non gli con-
tavano nel secolo già compito, neppur nel seguente, né eontinuavano IP
essi i periodi di giorni, che andavano sempre numerando dal primo sino
allo ultimo giorno del secolo. Clavigero selbst hat solche Handschrifte?
nicht gesehen. Er beruft sich auf D. Cârlos Sigüenza. Die Materialien
die Sigüenza besass, sind, Wie es scheint, zum grössten Theil in de?
Besitz Boturini's übergegangen. In Folge der Beschlagnahme durch die
vieekónigliehe Verwaltung verschwanden sie vom Schauplatz. Ein Theil
derselben befindet sich in der Aubin'schen Sammlung, deren gegenwärtige!
Besitzer Hr. Eugene Goupil in Paris ist. Ich glaube nicht, dass darunter
sich Papiere befinden, welche die obigen Angaben Clavigero’s recht”
fertigen. Doch habe ich in einer Maya-Handsehrift blaue Zahlzeiche?
gesehen, die im Sinne einer Correctur, also auch vielleicht einer Ein
schaltung, gedeutet werden kónnten. Auf den Seiten 23 und 24 des Code*
Perez, des Manuscript Mexicain No. 2 der Bibliothèque nationale in Paris,
finden sich 13 Columnen von je 5 Tagesdaten, die von hinten nach vorn
und von oben nach unten gelesen werden müssen, wie die Rechnung und
wie die Stellung der Hieroglyphen ergiebt, die hier — abweichend vo”
96
Zur mexicanischen Chronologie, 6]
= sonst in den Maya-Handschriften befolgten Schreibweise, — ihre Stirn-
m nach hinten (naeh rechts) kehren. Die einzelnen Daten in der Reihe
Rei. e um je 28 Tage und das letzte Datum der ersten. (obersten)
" © von dem ersten Datum der zweiten Reihe ebenfalls um 28 Tage.
vm T4 also im Ganzen 5 x 13 x 28 oder 7 x 260 Tage, d. h. der Zeitraum
übt: , onalamatl . Die zu den Tagesdaten gehôrigen Ziffern sind, wie
col , mit rother Farbe geschrieben, aber über oder unter jeder Ziffer-
"P ist mit blauer Farbe eine andere Ziffer geschrieben, die ein um
an age weiter liegendes Datum bezeichnen würde. Eine Correctur liegt
aut, Cheinlich vor, aber schwerlich eine, die als eine Art Einschaltung
Dar. sem wäre. Es ist eine Correctur, die angiebt, was für Ziffern den
von à zukommen, wenn der Anfang der ganzen Reihe um eine Einheit
20 Tagen weiter hinausgeschoben wird.
"Ii Variation hat Leon y Gama in der Sigüenza'schen Ein-
das \mgstheorie angebracht, indem er angiebt (Dos Piedras p. 52, 53),
2% die alten Mexicaner am Schlusse eines Doppeleyclus von 104 Jahren
un âge, oder am Schlusse des 52jährigen Cyclus 12!/, Tage eingeschaltet
am demgemäss die Tage des einen Cyclus am Morgen, die des anderen
tak Abend angefangen hátten. Doch das ist eitel Speculation. Die An-
dos 1 endlich des Jesuiten Fabrega, der sich auch A. v. Humboldt (Vue
Qr, ordilleres, IL. p. 81) anschliesst, dass die Mexicaner am Schlusse einer
ng Periode von 20 Cyclen oder 1040 Jahren sieben Tage unterdrückt
2 dadurch ihr Jahr auf nahezu die genaue Länge des tropischen Jahres
tong hätten, beruht auf einem thatsächlichen Irrthum. An der betref-
Cin. Stelle des Codex Borgia (62—66) handelt es sich keineswegs um
da 80 langen Zeitraum. Die einfache Reihe der 20 Tageszeichen ist
- Sestellt von malinalli = XII auf Blatt 66 ausgehend und mit ocomatli
uti auf Blatt 62 endend. Die Zeichen sind ohne Zweifel ursprünglich
in g Seiten eines Vierecks vertheilt gedacht, mit dem letzten (ocomatli)
er Mitte.
o it nun die Einschaltung, wie ich meine, als eliminirt zu betrachten,
mit Thebt sich um so drängender die Frage: wie fanden sich die Mexicaner
sio orem Zeitrechnungssystem in der wirklichen Zeit zurecht? Mussten
tua gar bald merken, dass ihre Jahresfeste, die doch in bestimmte,
von wc Lauf der Sonne, den Wechsel von trockener und nasser Zeit,
in 1 Interschlaf und Vegetationsfülle bedingte Jahresabschnitte fielen, sich
Oh de der auf einander folgenden Jahre gar merklich verschoben?
dem Zweifel haben sie es gemerkt, haben aber schwerlich gewusst, wie
dem U helfen sei. Und jedenfalls beruhen auf dieser Unsicherheit, auf
TN ehlen von Einschaltungen, die confusen und widersprechenden An-
nq à die von den Indianern selbst über die Zeit ihres Jahresanfanges
Re à le wirkliche Zeit ihrer verschiedenen Feste zu erlangen waren.
EN — sagt Sahagun am Sehlusse des 7. Buches, — ,que discrepan
Chrift für Ethnologie. Jahrg. 1891.
M
Q Ep. SELER:
mucho en diversos lugares del principio del año: en unas partes me dijero?
que comenzaba á tantos de Enero: en otras que à primero de Febrero: en
otras que à prineipios de Marzo. En el Tlalteloleo junté muchos viejos
los mas diestros que yo pude aver, y juntamente con los más hábiles de
los colegiales se altercó esta materia por muchos dias, y todos ellos
concluyeron, diciendo, que comenzaba el afio el segundo dia de
Febrero.“
\ Die an den Lauf der Jahreszeiten geknüpften Feste mit ihrem ent-
wickelten Ceremoniell sind ohne Zweifel uralte Uebung und wurden ähn-
lich über weite Theile des Landes gefeiert. Die Fixirung des Jahres-
anfangs steht mit diesen Festen in enger Verbindung und war ebenfalls,
wie mit Bestimmtheit anzunehmen ist, über weite Theile des Landes
ursprünglich dieselbe. Je früher aber ein Stamm die vage Feststellung
derselben nach dem Lauf der Sonne und dem Stand der Feldarbeiten auf-
gab, und die Priester an der Hand der fortlaufenden Tonalamatl- Rechnung
über die Feste Buch zu führen begannen, desto mehr mussten sich für
diesen Stamm der Jahresanfang und die Feste oder das Verhältniss der-
selben zum Jahresanfang verschieben.
Es ist Grund vorhanden, anzunehmen, dass dasjenige, was die vom
Sahagun in Tlaltelolco zusammenberufene Indianerconferenz schliesslich
feststellte, nehmlich dass das Jahr mit dem Quauitleua, dem Fest der
Regengôtter (Tlaloque), und am 2. Februar der christlichen Zeitrechnung
begonnen: habe, dem ursprünglichen Brauch ungefähr entsprochen habe:
Denn in dem weit entfernten und von einer anderen Culturnation bewohnten
Yucatan finden wir die Anklánge daran in der Angabe Landa's, dass die
Maya in einem der beiden sogenannten Monate (eigentlich Einheiten vo?
20 Tagen) Chen und Yax, d.h. ungefáhr im Monat Januar, an einem
Tage, den die Priester, ohne Zweifel nach der von ihnen geführten Chro-
nologie, besonders bestimmten, den Regengottern (Chac) das Fest Oon&:
d.h. „Eintritt in das Haus“ oder, wie Landa übersetzt, „Erneuerung
des Tempels“, gefeiert hätten. „Miraban los pronösticos de los Bacab
es,“ d. h. sie stellten: fest, nach der Gottheit, die für das Jahr entscheidend
war, ob das Jahr gut oder böse sein würde, „y demas desto renovava?
los idolos de barro y sus braseros, y si era menester, hacian de nuevo 12
casa 6 renovabanla, y ponian en la pared la memoria destas cosas con SU
caracteres.“ Also Feststellung des Characters, den das Jahr haben wird,
und Erneuerung der Cultusgegenstánde und des Hausgerüthes, — Cere”
monien, deren urspriinglicher Sinn nur der sein kann, dass man in diese
Zeit den Anfang des Jahres setzte. In der That scheinen auch die de?
Maya nahe verwandten Zotzil von Chiapas das Jahr mit dem Monat cheb:
der bei ihnen tzun, d.h. ,Anfang*, lautet, begonnen zu haben (vergl.
Pineda, citirt bei Orozco y Berra, IT. p. 142). Beiläufig bemerke ich;
dass, wie wir hier das Neujahrsfest der Mexicaner bei den Maya wieder”
finden, so hat auch die Art und Weise, wie ein halbes Jahr spáter, im
e
Zur mexicanischen Chronologie. 99
ona Juli, die Maya ihr eigentliches Neujahr feierten, indem sie in
bei "i Weise das Unheil aus dem Dorfe herausbrachten, ein Analogon
en Mexicanern in dem im August gefeierten Besenfest (Ochpaniztli).
Ta Die Feststellung der Indianerconferenz von Tlaltelolco, dass der erste
eg il cum auf Anfang Februar gefallen sei, muss auch deshalb
bei d wirklichen Brauch ungeführ entsprechend angesehen werden, weil
fles nn Annahme die verschiedenen Feste den Jahreszeiten, in die sie
der R angepasst sind: das 6. Fest, Etzalqualiztli, das dem Einsetzen
scho RE gilt, auf den 13. Mai. Der aus tetzkokanischen Quellen
Jah ende D. Cristóbal del Castillo, welchem Gama folgt, lässt das
" mit dem um 2 Zwanziger zurückliegenden Feste Tititl beginnen,
dass aber dafür den Anfang des Jahres um volle 24. Tage früher an, so
ihm as dem Einsetzen der Regenzeit. geltende Fest Etzalqualiztli bei
an "i den 929. Mai fällt. Der Interpret des Codex Vaticanus À nimmt
Jh. Stelle den 15., an einer anderen den 24. Februar als Anfang des
4. Jun an. Darnach würde Etzalqualiztli auf den 26. Mai, bezw. den
als I fallen. Clavigero mit dem 26. Februar, Durán mit dem 1. März
dio x Plug würden sich auch noch nicht allzuweit von dem, durch
ings Ur der Jahreszeiten Angezeigten entfernen, Etzalqualiztli, das
"yo der Regenzeit, würde auf den 6., bezw. 9. Juni fallen. Wir
Wichti ür das letztere, in dem Leben der Culturvölker Mexico’s besonders
sere Ereigniss einen Spielraum von der ungefáhren Dauer eines
—— Monate, — einen Spielraum, der dem natürlichen Verhalten durchaus
also t Wenn endlich tlaxkaltekische Quellen das Jahr mit Atemoztli,
lasser Mem drei Zwanziger vor Quauitl eua fallenden Feste, beginnen
Quir ergiebt das, den spütesten Termin, den wir eben fanden, für
Angab eua angesetzt, als Jahresanfang den letzten December, — eine
Moxie, die also den eigentlichen Jahresanfang wieder auf die sowohl den
Thes, wie den Maya bedeutungsvolle Zeit, die Mitte der trockenen
die "i verlegt. Die Thatsache selbst aber, dass die nemontemi,
Vor Tina und Ergünzungstage des Jahres, bald vor Quauitl eua, bald
Malte; tl, bald vor Atemoztli, oder andererseits, wie nach der guate-
vor pi then Crónica Franciscana von 1683 bei den Cakchiquel üblich war,
Sich dio pec peualiztli gesetzt wurden, bewelst, dass bei den Mexicanern
ie in este verschoben, dass ihre Jahre thatsichlich zu kurz waren, und
estándiger Unordnung mit ihrem Festkalender lebten.
keit Wenn aber die Feste sich bei den Mexicanern, in Folge ihrer Unfihig-
Zum me Wirkliche Länge des Jahres in 'dem System ihrer Chronologie
Tonala, ruck zu bringen, beständig verschoben, so bot andererseits die
hang wei t1-Rechnung ein festes Gerüst dar, das, von kundiger Priester-
einem ande. geführt, über den Zeitraum, der einen bestimmten Tag von
Stelle ko eren trennte, keinen Augenblick in Zweifel liess. Nur an emer
kommt auch hier die Unsicherheit der mexieanischen Chronologie
2
Ep. SELER:
zum Ausdruck, das ist in dem Anfangstage ihrer Jahre und in der Benennung;
welche, diesem Anfangstage entsprechend, den verschiedenen Jahren zukam.
Wenn, wie ich oben anführte, aus dem System des Tonalamatl und
der Annahme eines Jahres von 365 Tagen mit Nothwenudigkeit folgt, dass
von den 20 Zeichen der Tage auf die Anfangstage der Jahre nur 4, und
zwar 4, um je 4 Zeichen von einander abstehende Zeichen fallen, und wir
weiter finden, dass allgemein die Jahre nach 4, um je 4 Zeichen von
einander abstehenden Tageszeichen benannt wurden, so ist es zunüchst das
Natürliehste, anzunehmen, dass es eben die Anfangstage der Jahre waren,
nach denen diese Jahre selbst benannt worden sind. Das scheint nun
aber nicht, oder wenigstens durchaus nieht durchgüngig, der Fall gewesen
zu sein.
Bei den Mexicanern wurden die Jahre mit den Zeichen acatl (Rohr),
tecpatl (Feuerstein), calli (Haus), tochtli (Kaninchen), d. h. dem XIIL,
XVII, III. und VIII. der 20 Tageszeichen bezeichnet. Denen entsprechen
genau die chiapanikischen been, chinax, votan, lambat, während in
Yucatan fiir die auf einander folgenden Jahre die Zeichen kan, muluc,
ix, cauac, d. h. das IV., IX., XIV. und XIX. Tageszeichen gebraucht
wurden. Die 4 Zeichen aeatl, tecpatl, calli, tochtli wurden auf den
4 Armen eines Hakenkreuzes in der Weise eingetragen, wie es die auf
Seite 101 stehende Figur zeigt. Indem man nun die Spirale im entgegen-
gesetzten Sinne der Drehung des Uhrzeigers verfolgte, gelangte man von
1. acatl über 2. tecpatl, 3. calli, 4. tochtli nach 5. acatl u. s. f. bis
13. tochtli. Wie das schon diese Eintragung an die Hand gab, wurden
jedesmal die auf einem Arm des Hakenkreuzes eingetragenen Jahre einer
bestimmten Himmelsrichtung zugewiesen, die acatl-Jahre dem Osten,
tecpatl dem Norden, calli dem Westen, tochtli dem Süden. Die Zäh-
lung innerhalb des Cyclus begann im Osten mit den acatl-Jahren, aber
nieht mit 1. acatl, sondern merkwürdigerweise mit 2. acatl, so dass also
der Cyclus mit 1. tochtli schloss. Die gegenwärtige Weltperiode began,
so glaubten die Mexicaner, im Jahre 1 tochtli. In diesem wurde die
Erde geschaffen, oder vielmehr der am Sehlusse der letzten prühistorischen
Weltperiode eingestürzte Himmel wieder emporgehoben. Aber erst nach-
dem das vollzogen, konnte das Feuer neu errieben und damit der erste
52 jährige Cyclus begonnen werden. So ist es ausdrücklich in dem Codex
Fuenleal der ,Historia de los Mexicanos por sus pinturas* gesagt. Darum
ist 2. acatl das Anfangsjahr des ersten und aller folgenden Cyclen. Als
solches ist es auch in simmtlichen Bilderschriften historischen Inhalts
durch den daneben gesetzten Feuerbohrer bezeichnet. Die Angabe des
Interpreten zu Codex Telleriano Remensis, IV. 24, auf welche Orozc?
y Berra so viel Gewicht legt, dass erst im Jahre 1506 unter Motecuhçomä
der Beginn des Cyclus von 1. tochtli auf 2. acatl verlegt worden sel;
wegen der Hungersnôthe, die in den ersteren Jahren regelmässig ein-
100
Zur mexicanischen Chronologie. 191
et . .
4 m seien, ist nur ein Versuch, den merkwürdigen Umstand, dass der
Di. US mit der Ziffer 2 beginnt, in euhemeristischer Weise zu erklüren.
hab Angabe des Clavigero aber, dass der Cyclus mit 1. tochtli begonnen
" Ist einfach irrig. Sie widerspricht den Berichten der alten Auto-
^" und dem, was die Documente uns lehren.
del ct welchem Tage begannen nun die Jahre? Durán und Cristóbal
eich astillo lassen das Jahr mit cipactli, dem ersten der 20 Tages-
anzu ?n, beginnen. Und ist dieses als der Anfangstag der einen Jahre
Setzen, so würden die anderen mit miquiztli, ocomatli, cozca-
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YUanht:
auch or» dem VL, XL und XVI. Tageszeichen, beginnen. So nimmt es
8 AYigero an, der die tochtli-, acatl-, tecpatl-, calli-Jahre ent-
Prechenq . . P ?
ling, " cipactli, miquiztli, oçomatli, cozcaquauhtli beginnen
Call; c Selbst habe früher angenommen, dass die Jahre acatl, tecpatl,
ayy: tli mit den Tagen cipactli, miquiztli, oçomatli, cozca-
Borgia 0 als Anfangstagen zu verbinden seien, auf das Blatt 12 des Codex
à Himno: welchem Codex Vaticanus B. 28 entspricht, wo man die
halt de. w, zen und ihre Bedeutung für das Leben und den Haus-
den "A 9nschen durch 5 Tlaloc-Figuren dargestellt sieht, und unter
TSteren derselben die Zeichen der 4 Jahre in der angegebenen
x
i Ep. SELER:
Weise mit den Zeichen der genannten 4 Tage coordinirt. Ich bin aber
neuerdings wieder irre geworden, da die genannten Blatter der Hand-
schriften sehr wohl eine andere Erklärung zulassen. Nicht nur die Jahre
des Cyclus nehmlich wurden in die 4 Himmelsrichtungen vertheilt, sondern
auch die 4 Abschnitte des mit 1. eipactli beginnenden Tonalamatl. Die
Anfangstage dieser 4 Viertel wurden in dem zapotekischen Kalender, —
der, wie wir sehen. werden, vielleieht eine der urwüchsigsten Formen
dieses chronologischen Systems darstellt, — geradezu als die cocijo oder
pitào, d. h. ,die Halter der Zeit“, „die Regengötter“ oder „die Grossen“,
„die Götter“, bezeichnet. In diesem Namen ist also direct Bezug genommen
auf die Tlaloc- Figuren, die wir in Codex Borgia 12 und Codex Vati-
canus B. 28 als Repräsentanten der Himmelsrichtungen dargestellt sehen-
Und die unter letztere gesetzten Tageszeichen bedeuten eben die Anfangs-
tage der Tonalamatl-Abschnitte und die Anfangsjahre der Cyclenabschnitte,
die den Himmelsrichtungen coordinirt gedacht wurden.
Die Weisheit der mexicanischen Priester-Chronisten erschôpfte sich
in dem Ausbau des Tonalamatl nach seiner zahlentheoretischen und seine!
augurischen Seite. Wir haben, — abgesehen von einer Stelle der Maya-
Handschriften, auf die ich gleich noch zu sprechen kommen werde, — in
der ganzen Masse der vorspanischer Zeit angehôrenden Bilderschriften
keine einzige, wo die auf einander folgenden Jahre mit ihren Anfangs
tagen aufgezählt wurden. Dieser Umstand allein muss uns schon miss
trauisch machen gegenüber den Feststellungen Durán's und Christobal's
del Castillo. Denn cipactli, der Anfangstag des Tonalamatl, und die
folgenden Zeichen werden in den Handschriften allgemein etwa wie unser®
Ziffern 1—20 verwendet. Für den Maya-Kalender giebt ja Bischof Lan d
auch direct an, dass der Anfangstag der Jahre und der Anfangstag ces
Tonalamatl absolut nichts mit einander zu thun gehabt hätten. Zieht
man die Verwirrung in Betracht, die, wie ich oben auseinandersetzte, i!
Mexico bezüglich des Jahresanfangs herrschte, so kann man sich der Vor
stellung nicht erwehren, dass auch die Anfangstage der Jahre im Laufe
der Zeiten sich verschoben, also nicht immer die gleiche Benennung
behalten haben kónnen. Wird aber dies einmal zugegeben, so gewinnt
die Thatsache, dass man sich bemüssigt gefunden hat, die auf einander
folgenden Jahre gerade mit den Namen der Tage acatl, tecpatl, calli»
tochtli zu benennen, verstärkte Bedeutung. Man kann es nicht gut ab"
lehnen, anzunehmen, dass zu der Zeit, als — und an dem Orte, wo — es den
Gelehrten zum ersten Mal aufging, dass auf die Anfangstage der Jahre
nur 4 von den 20 Tageszeichen fallen, es gerade die Tage acatl, tecpatl
calli, tochtli waren, mit denen die Jahre damals und an dem Orte
begannen, oder wenigstens, dass diese Tage, aus irgend welchen Gründer
damals und an dem Orte zu Anfangstagen der Jahre gewählt wurde?
Dass das in der That der Fall war, dafür sehe ich einen indirecten Beweis
102
Zur mexicanischen Chronologie. 103
ay Umstande, dass alte Berichte aus zwel abgelegenen und weit von
teca oran Ortschaften, aus Meztitlan an den Grenzen der Huax-
lassen e aus Nicaragua, die Reihe der 20 Tageszeichen mit acatl beginnen
der D. id ein directer Beweis liegt in den Maya-Handschriften vor. In
"T ener Handschrift beginnen die Jahre nicht mit kan, mulue, ix,
Zeit © em IV. IX. XIV. XIX. Tageszeichen, mit denen in spáterer
die Ma nach Landa und den Büchern des Chilan Balam zu urtheilen, —
lama; "n thre Jahre beginnen liessen, sondern mit been, eonab, akbal,
acai] , -1 dem XIIL, XVIIL, IIL, VIII. Zeichen, die den mexicanischen
» tecpatl, calli, tochtli entsprechen.
dog, Dt dem internationalen Americanisten- Congress zu Berlin vor-
Entdeck, bhandlung hat E. Fórstemann, dem wir schon so viele schöne
Schrift ungen, insbesondere bezüglich der Mathematik der Dresdener Hand-
die nan danken, den Nachweis geführt, dass die vielen hohen Zahlen,
Sind, do lich im zweiten Theile der Dresdener Handschrift nachweisbar
der 1g E 4 ahau (— 4 XX), den 8. des Monats cumku (des letzten
Von - resteste), als Nullpunkt voraussetzen, dergestalt dass, wenn man
Ziffer eL Tage um die Anzahl der Tage, welche die darüber stehende
— Wieder n weiter zählt, man zu einem anderen Datum gelangt, welches,
Welches on genau durch Ziffer und Zeichen und Angabe des wievielten
Mann " onats bezeichnet, — daneben hingeschrieben ist. Hr. Fórste-
8. — nun sehr wohl gesehen, dass dieser Nullpunkt, 4 ahau,
ausser eu zu welchem übrigens alle übrigen Daten der Handschrift, —
Stimmen tigen wenigen Fällen, wo offenbare Verderbniss vorliegt, —
einstim N mit der Landa'schen Angabe des Jahresanfangs nicht in Ueber-
mheïliger a zu bringen ist. Er meint daher, dass 8. cumku wie ein
Cum, fo] end* zu verstehen sei, der Tag, auf den der 8. Tag des Monats
Bewiss am ge. Das Künstliche dieser Erklärung hat Hrn. Förstemann
Nicht eut wenigsten befriedigt. Ich meine, 8. cumku kann doch wirklich
nun ein es anderes, als der 8. Tag des Monats cumku, sein. Und soll
Mugs ger 15 4 ahau (4 XX) der 8. Tag des Monats cumku sein, so
Muss auch Le dieses Monats ein Tag 10 been (10 XIII) sein, und dann
Nischen Zei ls Jahr mit been, dem XIII. Tageszeichen, dem mexica-
Nach also ni en acatl, anfangen. Die Anfangstage der Jahre waren dar-
“aug gy. xu das IV., IX., XIV., XIX. Tageszeichen (kan, mulue, ix,
ona} akb ern das XIII, XVIIL, II, VIII. Tageszeichen, d.i. been,
Dass die al, lamat, oder mexicanisch acatl, tecpatl, calli, tochtli.
bestätiot M Sich in der Dresdener Handschrift in der That so verhält,
sich auch anderweit.
Auch die M ; MM 0i .
tgegeben " aya theilten, ähnlich wie ich es oben von den Mexicanern
4 Himm élorio die auf einander folgenden Jahre des Cyclus den
Me von dem tungen zu. Die Bücher des Chilan Balam, von denen ich
Verstorbenen Dr. Berendt angefertigte Copie in der Biblio-
104 Ep. SELER:
thek Prof. Brinton’s einzusehen Gelegenheit hatte, weisen übereinstimmend
die kan-Jahre dem Osten, die muluc-Jahre dem Norden, die ix-Jahre
dem Westen, die cauac-Jahre dem Süden zu. Landa widerspricht dem
zwar. Doch geht aus seinen Angaben die gleiche Beziehung hervor. Denn
die kan-Jahre, die er dem Süden zuweist, waren die Jahre, wo, nach
Landa, man in den Tagen zuvor den für die kan-Jahre bezeichnenden
Unheildáàmon von der Südseite her in’s Dorf holte und ihn dann nach der
Ostseite, — d. h. doch wohl nach der fiir das neue Jahr bezeichnenden
Richtung, — zum Dorfe hinausbrachte. Und ähnlich in den übrigen
Jahren: der Chac-uuayayab der muluc-Jahre wird nach Norden, der
Zac-uuayayab der ix-Jahre nach Westen, der Ek-uuayayab der cauac-
Jahre nach Süden hinausgebracht. Welche Jahre und welche Himmels-
richtungen werden nun in den Handschriften zusammengebracht?
An Hieroglyphen für die 4, bezw. 5 Himmelsrichtungen mangelt es
in den Handschriften nicht. Wir wissen genau, dass mit den Figg. 1—4
die 4 Cardinalpunkte und mit den Figg. 5— 7, die augenscheinlich Vari-
anten einer Hieroglyphe sind, die 5. Himmelsrichtung, die Richtung von
unten nach oben, bezw. von oben nach unten bezeichnet ward. Ks war
aber bisher immer noch streitig, wie die Figg. 1—4 auf die 4 Himmels-
richtungen zu beziehen sind. Schultz-Sellack (Zeitschr. für Ethnol., XI.
[1879] S. 221) und Léon de Rosny waren der Meinung, dass die Figg. 1—4
bezugsweise den Osten, Norden, Westen, Süden bezeichnen. Cyrus Thomas
in seinem Study of the Manuscript Troano vertauscht 1 und 3 und nimmt
an, dass die erstere den Westen, die letztere den Osten bezeichne. In
seiner neueren, in dem Third Annual Report of the Bureau of Ethnology
veröffentlichten Arbeit kehrt er die ganze Ordnung um und nimmt an;
dass die Figg. 1—4 bezw. dem Westen, Süden, Osten, Norden entsprechen-
Die Argumentation aber, die ihn zu dieser Aufstellung führt, ist augen"
scheinlich eine verfehlte. Richtig ist es, dass die Mexicaner allgemein
die Himmelsrichtungen in dem umgekehrten Sinne der Drehung des Uhr-
zeigers einander folgen liessen, wie dies ja auch in der auf S. 101 stehenden
Figur angegeben ist. Aber was das Doppelblatt 41 und 42 des Codex
Cortez betrifft, auf das Cyrus Thomas sich stützt, so haben die dort den
Quadranten eingeschriebenen Hieroglyphen der Himmelsrichtungen der
Figg. 1—4 nicht, wie Prof. Thomas annimmt, Beziehung auf die in der
linken Eeke der Quadranten gezeichneten Daten 1.ix, 1. cauac, 1. kan;
1. mulue, sondern auf die ganze Reihe der Tage, welche in den betref-
fenden Quadranten theils durch ihre Hieroglyphen, theils durch die die
Hieroglyphen verbindenden Punkte bezeichnet sind. In dem Quadranten,
welchem die Himmelsrichtung der Fig. 1 eingeschrieben ist, sind, an der
inneren linken Ecke beginnend und über die áussere linke Ecke, die
äussere rechte Ecke bis zur inneren rechten Ecke einander folgend, die
Tage vom 1.imix (1 I) bis 13. chicchan (18 V) verzeichnet, d. h. das
Y
Zur mexicanischen Chronologie. 105
Sos dee Viertel des ''onalamatl. Und so in dem im entgegengesetzten
Him, lo: Drehung des Uhrzeigers folgenden Quadranten, welchem die
Vierte] sriehtung der Fig. 2 eingeschrieben ist, die Tage, welche das zweite
Welch des Tonalamatl bilden. Und weiter in dem dritten Quadranten,
und a die Hieroglyphe der Fig. 3 eingeschrieben ist, das dritte Viertel,
Viortez dem letzten Quadranten mit der Hieroglyphe der Fig. À das letzte
l xy des Tonalamatl. Da wir nun wissen, dass die 4 mit 1 L 1 VI,
Nord, XVI beginnenden Viertel des Tonalamatl bezw. dem Osten,
blatt de ^ esten, Süden zugeschrieben wurden, so ist gerade dieses Doppel-
und p. Codex Cortez der stárkste Beweis dafür, dass Schultz-Sellack
bezw éon de Ro sny im Recht waren, die Hieroglyphen der Figg. 1—4
; : auf den Osten, Norden, Westen, Süden zu beziehen.
las y l.und 3 enthalten in ihrer unteren Hülfte ein Element, das in
log di, e ienamen yaxkin (Fig. 10 und 11) enthalten ist und das zweifel-
Sendena Sonne. (kin), die naeh den 4 Himmelsriehtungen Strahlen ent-
einen © Scheibe, bezeichnet. In Fig. 10 und 11 ist dieses Element mit
Vax QN deren verbunden, das auch in der Hieroglyphe des Monatsnamens
Bp = 9) ‚vorkommt und das, wie der Vergleich mit anderen Hiero-
dag Ele ergiebt, den Baum, den grünen (yax), bezeichnet. In Fig. 1 ist
Weldie. + nt kin verbunden mit der Hieroglyphe des 20. Tageszeichens,
Here im Maya. ahau lautet. ahau oder abgekürzt ah bedeutet „der
weg, "T König“. Das Wort hängt zusammen mit einem Zeitwort ah,
Wing un erheben“, „aufwachen“, „aufstehen“ bedeutet; ahal-ik, „der
cab, . ebt sich“; ahal-cab, ,die Welt erwacht“ (es wird Tag); ahi-
Mar dem Beginn der Welt“. Die Hieroglyphe Fig. 1 würde also
likiy " zu lesen sein, ,die Sonne erhebt sich*, und das ist so viel wie
In NM eigentliche Maya- Ausdruck für die Himmelsrichtung des Ostens.
Welches V ngegen ist das Element kin mit einem anderen verbunden,
Ung dem 3 Hieroglyphe des 7. Tageszeichens dient, im Maya manik lautet
eine Ha Mexicanischen macatl, „Hirsch“, entspricht. Das Element stellt
Ich ta dar mit den 4 gegen den Daumen eingekrümmten Fingern.
leis das so schon in meiner Abhandlung über den Charakter der
Xx. S s und der Maya-Handsehriften erláutert (Zeitschr. für Ethnol.,
SChlichen ^ Die eigentliche Bedeutung war mir aber damals unklar
iste, Es ist Zeichensprache für ,essen*. Als wir in der Huaxteca
bewohnt 9Iném Gebiet das in alter Zeit und noch heute von einer Nation
ST Weist Ist deren Sprache sie als nahe Verwandte der Maya von Yucatan
begleitoe ques die Aufforderung zum essen, ,vamos á comer“, regelmässig
Mani mU eine Geberde, bei der die in der Art der Hieroglyphe
Ward, Da Sekrümmte Hand zu wiederholten Malen an den Mund geführt
Senommen dieses Symbol als Hieroglyphe für manik, ,der Hirsch,
Vleische wurde, hat seinen Grund wohl darin, dass der Hirsch als das
“OT &Soynv, als „der, der gegessen wird“, gedacht ward. Im
] Ep. SELER:
Maya heisst „beissen“, „essen“, bezw. „gebissen, gegessen werden“ chi
Die Hieroglyphe Fig. 3 würde demnach chikin zu lesen sein, und das ist
bekanntlich das Maya-Wort für die Himmelsrichtung des Westens.
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Die beiden anderen Hieroglyphen der Himmelsrichtungen, Fig. 2 und ^
sind nieht phonetiseh construir. In Fig. 4 haben wir dasselbe Elemen*
das wir schon in den Figg. 9—11, den Hieroglyphen yax und yaxkıl
.06
?
Zur mexicanischen Chronologie. Ji
sah .
bir Und das, wie ich angab, den Baum bezeichnet. Wir sehen dasselbe
Die P Figuren umgeben, die als Rauch oder Feuer zu deuten sind.
uns 18. 4 wäre also die Region des Feuers, der Süden. Die Fig. 2 zeigt
si “men Kopf und einen Rachen, beide nicht selten in der Weise ver-
Gel, als ob der Kopf in den Rachen gezogen würde (Fig. 31 und 32).
Auge lich kommt als Variante des Rachens auch das entgegenblickende
für dem Vergl. Fig. 33 aus Tro 24*a. Endlieh kommt noch Tro 20*c
Rach, Hieroglyphe Fig. 2 die Hieroglyphe Fig. 34 vor: statt des in den
?! gezogenen Kopfes ein von einer offenen Hand gehaltener oder
Ü 3 Ut ^ uL e^
m eme cfe
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d 2 in € c cr e M
J) Il —— e "dy
pe e
jT 25 |. 89 30
SIE cec) ey) Hoo
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«J E B5 1 SA}
" (J
35 : "c
© : e 36 . MENSES
O OI f 7— —rnu——
(aes, m
— ©) U
©) (a) Cr)
Wigan,
Veris, eer Kopf. Die Symbolik ist klar. Es ist der die Lebendigen
Mox © Erdrachen, die Unterwelt, die, wie wir wissen, von den
Prado, 5j nach Norden verlegt ward. Im Aztekischen wird der Norden
Die A Mictlampa, ,Richtung des Todtenreichs“, genannt.
das, wel, se der Hieroglyphen führt also zu demselben Ergebniss, wie
Sab, dass 168 uns die Betrachtung von Codex Cortez 41, 42 an die Hand
Schultz s. der That die Hieroglyphen Fig. 1—4 in der alten, schon von
Selen. à h © lack angezeigten Weise den Himmelsrichtungen zu coordiniren
ez ohy ass die Figg. 1—4 bezw. den Osten, Norden, Westen, Süden
an;
-
Là
Ep. SELER:
Hier tritt indess zunächst noch eine Schwierigkeit auf, die zuvor
beseitigen ist, ehe wir mit Vertrauen die bisher gewonnene Erkenntnis
weiter verwerthen. Schon Schellhas hat (Zeitschr. £. Ethnol, XVIII
S. 77) auf die hieroglyphischen Elemente der Figg. 19—22 aufmerksam
gemacht, die den Himmelsrichtungen in der Weise coordinirt sind, das
sie, je nach der Himmelsriehtung, den wechselnden Bestandtheil einer im
Uebrigen gleich constituirten Hieroglyphe bilden. So sind in der Dres
dener Handschrift Blatt 30 und 31b und Blatt 29 und 30c die Hieroglyphe?
13—16 je mit einer der Hieroglyphen der 4 Himmelsrichtungen zusammen”
gestellt. Und ähnlich sehen wir Blatt 30 und 31e dieselben Elemente der
Figg. 19— 922, je nach der Himmelsrichtung wechselnd, den Bestandtheil
einer anderen, im Uebrigen nicht ganz so klaren Hieroglyphe bilden-
Endlich sind dieselben Elemente Dresden 32— 34h der Haupthieroglyphe
Chac’s selbst angefiigt und mit denselben Himmelsrichtungen zusammen-
gestellt. Ich habe nun schon in meiner vorher angeführten Arbeit
(Zeitschr. f. Ethnol, XX. 8.4) die Vermuthung aufgestellt, dass diese,
nach den Himmelsrichtungen wechselnden hieroglyphischen Elemente die
Bezeichnungen der Farben seien. Wir wissen ja, dass die Mexicaner, wie
die Maya und wie viele andere americanische Volker, den Himmels-
richtungen bestimmte Farben zuschrieben, und dass die Gegenstände oder
Wesen, deren verschiedene Formen in den verschiedenen Himmels-
richtungen residirend gedacht wurden, durch die der betreffenden Himmels-
richtung zukommende Farbe unterschieden wurden. So wird im Landa,
bei den Xma kaba kin-Ceremonien, je nach dem Jahre, bezw. je nach
der Himmelsrichtung, ein gelber, rother, weisser, schwarzer Bacab; ein
gelber, rother, weisser, schwarzer Uuayayab, ein gelber, rother, weisser,
schwarzer ÀÁcantun genannt. Ist aber dies der Fall, so muss das Element
der Fig. 22 die Farbe ek, ,schwarz^, bezeichnen. Denn an beiden, oben
angeführten Stellen der Dresdener Handschrift ist unter der mit diesem
Element versehenen Hieroglyphe der Regengott (Chac) in schwarzer Farbe
dargestellt (während er sonst weiss gelassen ist). Das Element der
Fig. 21 dagegen ist mit grosser Wahrscheinlichkeit als Ausdruck der
Farbe zac, „weiss“, zu bezeichnen, denn es bildet das charakteristische
Element in der Hieroglyphe des Monatsnamens Zac (Fig. 8). Das Element
der Fig. 20 dürfte als Ausdruck für chac, ,rothé, anzusprechen sein, denn
es bildet das charakteristische Element in der Hieroglyphe einer Gôttin
(Fig. 12), einer Begleiterin des Chac, die im Codex Dresden 67 a und 74
mit rother Farbe und mit Tigertatzen dargestellt wird. Die Fig. 19 end-
lich scheint als kan, „gelb“, angesprochen werden zu müssen. Das
beweist schon die Aehnlichkeit, die das Element mit den Figuren auf-
weist, durch welche in mexicanischen Hieroglyphen das Gold, das „gelbe
Metall“, bezeichnet wird; ferner der Umstand, dass es im Verein mit dem
Element „Baum“ zur Bezeichnung des Honigs und des Honigweines
108
Zur mexicanischen Chronologie. 109
8ebraucht wird (Fig. 35 und 36a), und dass es vicarirend für kin, „Sonne“,
Antritt und umgekehrt durch den hieroglyphischen Ausdruck der letzteren
“Setzt wird. Demnach hätten wir in der That in den Figg. 19—22 die
4 Farben gelb, roth, weiss, schwarz, und zwar in derselben Reihenfolge, wie
Me von Landa für die 4 Himmelsrichtungen angegeben wird. Aber diese
Momente, die ich als kan, chac, zac, ek anspreche, sind an den oben an-
Seführten Stellen nicht, wie wir annehmen müssten, dem Osten, Norden,
Westen, Süden zugeschrieben, sondern in derselben Weise, wie Landa, —
Aber, Wie wir annehmen müssen, fálschlich, — die verschiedenfarbigen Bacab
Ud ihre Jahre auf die Himmelsrichtungen bezieht, dem Süden, Osten,
Norden, Westen zugeschrieben. Ich muss gestehen, dass diese Thatsache
mir lange Zeit sehr störend war, bis es mir allmählich klar wurde, dass
Tür die Beziehung des Regengottes, des Chao, zu den Himmelsrichtungen
M diesem Falle andere Ideen maassgebend gewesen und demnach andere
Farben zum Ausdruck dieser Beziehungen gewählt worden sein müssen,
s für die in den verschiedenen Jahren dominirenden Bacab. Wo in
der Dresdener Handschrift die Bacab selbst und die verschiedenen Jahre
m d die vor Beginn derselben vorgenommenen Ceremonien dargestellt
od, — nehmlich auf den bekannten Blättern 25—28, — da sind die
Elemente der Figg. 19—22 nicht mit Fig. 4, 1, 2, 3, sondern mit Fig. 1,
2 3, 4, d.h. in der That dem Osten, Norden, Westen, Siiden coordinirt.
Das ist nun zwar nicht auf allen 4 Blättern zu erkennen, die oberen
Theile von 25 und 27 sind leider zu sehr zerstört. Wohl ist aber noch zu
"kennen, dass auf allen 4 Blättern an einer bestimmten Stelle des oberen
Theil, eine durchgehende Hieroglyphe stand, die als wechselnden Bestand-
thei) die Elemente der Figg. 19— 22 enthielt. Auf 2 Blättern, 27 und 29,
x dieselbe erhalten (vergl. Fig. 17 und 18), und da sehen wir in der
hat dass dem Norden und dem Süden die Elemente der Figg. 20 und 22,
1 l, wie ich annehme, roth (chac) und sehwarz (ek), zukommen. Dass
dementsprechend auch gelb (kan, Fig. 19) und weiss (zac, Fig. 21) sich
"heilen werden, ist, meine ich, so gut wie gewiss. Und diese Annahme
tn det ihre Bestátigung durch entsprechende Stellen des Codex Tro. Dort
nd Blatt 30 und 29b die verschiedenen Chae dargestellt, mit dem des
Weston; (Fig. 3) beginnend. Und es entsprechen die Elemente ek, kan,
“hac, zac den Richtungen der Figg. 3, 4, 1,2. Auf Blatt 31 und 30d dagegen
End die verschiedenen Bacab dargestellt, mit dem des Ostens (Chac und
Hobnin beginnend. Und hier entsprechen, Wie der Vergleich mit Codex
Corte 41, 42 erweist. die Elemente kan, ek, zac, chac den Richtungen
der Figg. 1, 4, 8, 9, d. h. dem Osten, Süden, Westen, Norden. So stimmt
Ho auch das, was ich über die Farbenbezeichnung herausgefunden zu
pm glaube, zu der alten Schultz-Sellack’schen Aufstellung, dass die
ls 1—4 die Himmelsrichtungen Osten, Norden, Westen, Süden, oder
7^, xaman, chikin, nohol hieroglyphisch darstellen.
1 Ep. SELER:
Gehen wir nun mit dieser, wie ich meine, sicheren Erkenntniss à!
die Blätter 25 —28 der Dresdener Handschrift, auf denen die verschiedene?
Jahre und die vor Beginn derselben in den xma kaba kin vorgenom-
menen Ceremonien dargestellt sind, so habe ich allerdings noch einen Vor
behalt zu machen. Auf den Blättern ist ein Fehler. In der unterste?
Hieroglyphenreihe, derjenigen eben, welche auch die Hieroglyphen def
verschiedenen Himmelsrichtungen enthält, sind Süd und Nord, xama?
und nohol (Fig. 4 und 2), mit einander vertauscht. Dass das wirklich
nur ein Fehler ist, ist zweifellos. Nirgends sonst in dieser Handschrift
ist die Reihenfolge der Himmelsrichtungen 1, 4, 3, 2. Nur in dem lüder
lich gezeichneten Codex Tro Cortez treffen wir ein paar Mal Verkehrung
der Ordnung. So Codex Tro 36, wo aber auch, wie es scheint, ein Fehler
vorliegt. Denn die Reihe geht nachher in dem richtigen Drehungssinn®
weiter. Und ebenso liegt Codex Tro 31, 30 eine Verkehrung der Ordnung
vor, wie die Reihenfolge der Farben, kan, ek, zac, chac, erweist. Doch
das sind Ausnahmen. Insbesondere die Reihenfolge der Jahre folgt auch
im Codex Tro in der richtigen Ordnung. Bringen wir nun diese Correetur
in den Blättern Dresden 25—28 an, so haben wir auf diesen Blattern
wie gebührend, mit dem Osten beginnend, die dem Osten, Norden, Weste?
und Süden entsprechenden Jahre, d.h. also, nach den Feststellungen der
Bücher des Chilan Balam, die kan-, muluc-, ix-, eauac-Jahre. Die Zeiche?
dieser Jahre aber suchen wir vergebens auf diesen Blättern. Dagegen
sind auf der Vorderseite dieser Blatter je 13 Mal 2 auf einander folgende
Tageszeichen wiederholt, die kaum etwas anderes, als den Endtag des alte?
und den Anfangstag des neuen Jahres, angeben kónnen. Es sind auf
Blatt 25: eb (= XII) und been (= XIII), auf Blatt 26: caban (= XVII)
und eonab (= XVIII), auf Blatt 27: ik (=1II) und akbal (= III), auf
Blatt 28: manik (= VIT) und lamat (= VIII). Es folgt also, dass, nach
der Dresdener Handschrift, die dem Osten, Norden, Westen, Süden ent-
sprechenden Jahre, d.h. die spáteren kan-, muluc-, ix-, cauac-Jahre
mit den Tagen been, eonab. akbal, lamat, d. h. mit den mexicanischen
Zeichen acatl, teepatl, calli, toehtli begonnen haben müssen. GenaU
dasjenige, was uns das Datum 4. ahau, 8. cumku und die anderen, aus
Ziffer, Zeichen und Monatsangabe combinirten Daten lehren.
In einer meiner ersten Arbeiten, in denen ich von dem Ergebnis$
meiner Maya-Studien Kenntniss gab (Zeitschr. f. Ethnol. XIX., Verhandl-
S. 224— 9231), habe ich den Versuch gemacht, die auf den Blättern 25— 28
der Dresdener Handschrift dargestellten Gottheiten mit den von Land?
bei den xma kaba kin-Ceremonien genannten Gottheiten zu identificiren-
Ich glaube, ich habe damals vollkommen richtig bezogen. Aber ich habe;
weil ich die Hieroglyphen der Himmelsrichtungen nicht richtig las und
von dem im Obigen aus einander gesetzten Verhältniss, dass nehmlich die
kan-, muluc-, ix-, cauac-Jahre mit den Tagen been, eonab, akbal
10
Zur mexicanischen Chronologie. 111
P beginnen, keine Kenntniss hatte, die etwas kühne Vermuthung auf-
Figur, Müssen, dass die. von Landa angegebenen Namen wohl auf die
Rein 9" der Dresdener Handschrift anzuwenden seien, aber nieht in der
in a. folge kan, mulue, ix, cauac, wie Landa die Jahre zählte, sondern
schrifé Reihenfolge ix, cauac, kan, muluc, wie die Dresdener Hand-
fgg; die Jahre zählt. Jetzt wird diese Conjectur vellkommen über-
Wie L Die Dresdener Handschrift zählt in der That die Jahre genau so,
mit Landa, d. h. mit dem Osten beginnend, aber die Jahre, die Landa
dug, retra dominical“, kan, muluc, ix, cauae, bezeichnet, sind hier
erston die Anfangstage been, eonab, akbal, lamat angegeben. Auf dem
den y lati ist die Hauptfigur ein Gott mit einer merkwürdig proliferiren-
die ase, dessen Haupthieroglyphe die Fig. 23 ist, — eine Hieroglyphe,
des m. zur Bezeichnung des aus den Wolken stürzenden Blitzthieres,
higs, o elshandes, dient. An Stelle der letzteren tritt als Haupt-
Bs phe in Codex Dresden 3 die Fig. 27 auf, d. h. der Kopf des Chac.
L and also zweifellos, dass dieser Gott ein Regen- und Gewittergott ist.
aug a. nennt in dem kan-Jahre Bolon Zacab, — einen Namen, der
Ging "deren Stellen nicht bekannt ist. Aber er giebt auch, und ZWar
Aut à von den kan-Jahren, an, dass dieselben reich an Regen sein sollen.
ein em zweiten Blatt, 26, der Dresdener Handschrift ist die Hauptfigur
lee, der in der Augenbraue das Zeichen kin eingeschrieben hat, und
Das st Haupthieroglyphe (Fig. 24) ebenfalls das Zeichen kin enthält.
len, !Immt zu Landa’s Angabe, der in den mulue- Jahren Kinch ahau
Gott q den »Herrn mit dem Sonnengesicht^. Auf dem 3. Blatt ist der alte
zu Lg, estellt dessen Haupthieroglyphe Fig. 25 ist. Das stimmt wiederum
dem ie der in den ix-Jahren den Gott Itzamna nennt. Und auf
der en Blatt (28) der Dresdener Handschrift ist ein Todesgott mit
DORE Fig. 26 bezeichnet, — ein Gesicht mit aufgesperrtem
Stimpy anderwärts auch in Form der Fig. 30 geschrieben, Auch das
Her a Landa, der in den cauac-Jahren den Une mitun ahau, den
Mich hier 6 Höllen“ nennt. Auf Näheres über diese Gottheiten kann ich
Die boi. nicht einlassen und verweise auf meine oben citirte Arbeit.
Tata s en Figg. 28 und 29, die ich auf der diese Arbeit begleitenden
Pig, m oo hingeschrieben habe, sind charakteristische Begleithieroglyphen,
Von Wolpe, ahau’s, Fig. 29 Itzamna’s. Die erstere giebt die Ideen
tok en oder Himmel, Schlag und Feuer; die letztere kann mit ah-
dem des Steinmessers*, übersetzt werden.
und dos ist nun aber diese Differenz zwischen der Dresdener Handschrift
l’erstehe Angaben Landa's in Bezug auf den Anfangstag der Jahre zu
kan. 07 Soll man annehmen, dass Landa sich geirrt hat, indem er die
Sang, pues, ix-, cauac-Jahre auch mit den Tagen kan, muluec, ix,
in Born PEUTTIER liess? Oder soll man annehmen, dass in einer bestimmten,
"8. auf die Zeit der Abfassung der Dresdener Handschrift jüngeren
1 Ep. SELER:
Zeit eine Correctur vorgenommen wurde, in Folge dessen die Anfangstag®
der dem Osten, Norden, Westen, Stiden zugeschriebenen Jahre nicht mehr
auf die Zeichen been, eonab, akbal, lamat, sondern auf die Zeiche?
kan, mulue, ix, cauac fielen? Ich neige mich der letzteren Ansicht zu
und bemerke, dass darnach die Codices Tro und Cortez, die nur die beide?
Hälften eines und desselben Codex sind, der jüngeren Epoche angehóre?
würden. Denn auf den Blüttern 23 — 20 des Codex Tro, deren Inhalt dem der
Blátter 295—928 der Dresdener Handschrift entspricht, sind auf der Vorder”
seite der Blätter nicht die Anfangstage been, eonab, akbal, lamat
sondern, ebenfalls in 13maliger Wiederholung, die Tage cauac, kan
mulue, ix verzeichnet.
Trotz dieser Variabilität des Jahresanfangs wurde eine feste Chrono"
logie bei den Maya-Vólkern dadurch erreicht, dass man, von einem Null-
punkte aus, nicht die Jahre, sondern die Tage weiterzählte. So bot die
Tonalamatl-Rechnung ein festes Gerüst, das jede Irrung ausschloss.
Bei den Cakchiquel gab den Nullpunkt ein bestimmtes historische®
Ereigniss ab, die Vernichtung des aufrührerischen Stammes der Tukuche®
die auf einen Tag 11. ah (11 XIII) fiel. Indem man nun von diesem
Nullpunkt aus vigesimal um 30 x 20 Tage weiter zählte, erhielt mal
Perioden, die alle mit einem Tage ah (XIII — mexicanisch acatl) be
gannen, der aber der Reihe nach die Ziffern 11, 8, 5, 2, 12, 9, 6, 3, 18,
10, 7, 4, 1 und dann wieder 1l erhielt. Eine solche Periode wurde ein
huna genannt und 20 solcher Perioden ein may. (Vergl. meine Mit-
theilung in der Zeitschr. für Ethnol. XXL, Verhandl. 8. 475.)
Bei den Maya bildete den Ausgangspunkt ohne Zweifel der von Fórste*
mann in der Dresdener Handschrift nachgewiesene Nullpunkt 4 aha!
8. cumku, d. h. ein Tag, der die Ziffer 4 und das Zeichen ahau (XX
— mexicanisch xochitl) trug und der 8. des Monats cumku, des letzte?
der 18 Monate des Jahres, war. Von diesem Nullpunkt wurde aber nich?
consequent vigesimal, sondern, wie ebenfalls aus der durch Forsteman®
klar gelegten Rechnung der Dresdener Handschrift hervorgeht, um Periode?
von 20x 360 Tagen weiter gezählt. Diese Perioden mussten, da ihre zahl
durch 20 theilbar ist, stets dasselbe Zeichen ahau (XX = mexicaniseh
xochitl) erhalten. Aber da die Ziffer 13 in 7200 nur mit einem gest
von ll aufgeht, so musste die Ziffer des Anfangstages der Periode, gege?
über dem Anfangstag der vorhergehenden Periode, um 2 verminder®
erscheinen. Mit einem Worte, die Anfangstage der auf einander folgende?
Perioden von 7200 Tagen sind 4 ahau, 2 ahau, 13 ahau, 11 aba®
9 ahau, 7 ahau, 5 ahau, 3 ahau, 1 ahau, 12 ahau, 10 ahau, 8 aha’
6 ahau und dann wieder 4 ahau. Eine solche Periode wurde katy?
genannt. Auf welchen Umständen es beruhte, dass man gerade eine solch?
Periode von 20: 360 Tagen erwihlte, das ist noch eine offene Frag"
Jedenfalls aber ist dies die wahre Grósse der sogenannten ahau katu?
1129
Zur mexicanischen Chronologie. 118
Perioden, deren Rechnung in der Dresdener Handschrift klar vorliegt,
deren Bedeutung aber bis in die Jüngste Zeit noch arg verkannt worden
ot Die. spätere Zeit nehmlich, der der Zusammenhang mit der alten
Tradition, wenn nicht ganz geschwunden, so doch vielfach durchlôchert
War, Dahm den katun nicht als 20 x 360 Tage, sondern als 20 Jahre. Und
da stellte sich alsbald heraus, dass dann die Perioden nicht in der an-
SeZeloten Weise mit 4 ahau, 2 ahau, 13 ahau u. s. w. beginnen konnten,
Tenn in 7300 geht die Ziffer 13 mit einem Rest von 7 auf. Es müssen
daher die Anfangstage der auf einander folgenden Perioden von 20 Jahren
(das Jahr zu 365 Tagen gerechnet) der Reihe nach mit 4 ahau, 11 ahau,
> ahau u. s. f. beginnen. Um dieser Schwierigkeit zu begegnen, wurde
die Theorie aufgebracht, dass der katun nicht aus 20 Jahren, sondern
As 94 Jahren gebildet sei, denn 24 365 oder 8760 ist ebenfalls durch
% theilbar, und die Ziffer 13 geht darin mit einem Rest von 11 auf,
Pbenso Wie in dem wahren katun, in der Periode von 20 x 360 Tagen.
0 nd daher der Streit, über den viel unnützes Papier verschrieben worden
v^ ob der katun mit 20 oder mit 24 Jahren anzusetzen sei. In Wahr-
hej bestand er weder aus 20, noch aus 24 Jahren, — die Jahre nahmen
ti alten Chronisten direct gar nicht in ihre Rechnung auf, — sondern
bi 20 x 360 Tagen. | |
Nachdem nun das Verhältniss des Tonalamat] zu der übrigen Zeit-
“hig klar gelegt ist, kehre ich noch einmal zu dem Tonalamatl
“lbs Zurück. Ich habe seiner Zeit in meiner Arbeit über den Charakter
de Aztekischen und der Maya- Handschriften (Zeitschr. f. Ethnol. XX.
31 ff) den Nachweis zu führen gesucht, dass auch die anscheinend ganz
weichen den und anders benannten 20 Tageszeichen der Maya mit den
‘prachlich und hieroglyphisch klaren Zeichen der Mexicaner in Ueber-
"Stimmung zu bringen sind. Ich habe aber damals einen Kalender ausser
ont Selassen, weil er mir noch nicht zugänglich oder wenigstens nicht
» ündlioh war, das ist der zapotekische, der in der Grammatik des
b, Juan de Córdoba aufgezeichnet ist, welche vor einigen Jahren von
M Leon, — leider, wie es scheint, sehr ungenau und fehlerhaft, — neu
"ausgegeben worden ist.
. leh erwühnte oben schon, dass der zapotekische Kalender einen
desonders alterthümlichen Charakter aufweist. Das zeigt sich einerseits in
le alterthümlichen Form der Worte, die aus der gegenwürtig gesprochenen
N *' der bald nach der Conquista aufgezeichneten Sprache schwer erklürbar
"Ind: dann aber auch dadurch, dass die Beziehung der Zeichen zu den
E Ziffern sich in der Form der als Tagesbenennung dienenden Worte
S'Wissermaassen inkrustirt hat. Man kann deshalb bei allen von dem
Van des Wortes eine Vorsilbe loslósen, die für alle mit der gleichen
(for verbundenen Zeichen annähernd die gleiche ist. Einige Ausnahmen
Omen vor, die vielleicht schon Versehen oder irrthümliche Auffassung
Zeitschrift, für Ethnologie, Jahrg. 1891.
U
114 Ep. SELER:
des verdienten Mônches waren, der diesen Kalender uns erhalten hat, viel-
leicht aber auch einfach auf den unsorgfältigen Neudruck zurückzuführe?
sind. Man erhält bei den mit der Ziffer
1 (chaga, s. tobi) verbundenen Worten die Vorsilbe quia, quie,
2 (cato, s. topa) ” ^ » » pe, pi, pela,
3 (cayo, s. chona) peo, peola,
4 (taa, s. tapa) cala,
5 (caayo, s. gaayo) pe, pela,
6 (xopa) ana, quala,
7 (caache) p oua,
8 (xona) | ne, ni, nela,
9 (caa, s. gaa) » | » ; pe, pi, pela,
10 (chij) » » > pilla,
11 (chijbitobi) . . » » ne, ni, nela
(das ist wenigstens die háufigste Vorsilbe, doch sind hier die Ausnahme?
zahlreicher, die Confusion besonders gross),
12 (chijbitopa) ^ verbundenen Worten die Vorsilbe piña, piño, pini!
13 (chijño) » » » » pece, pici, quie"
Von diesen verschiedenen Vorsilben scheint jedoch nur einigen wenige?
eine bestimmtere Bedeutung inne zu wohnen. In erster Linie der vor
silbe quia, quie, die den mit der Ziffer 1 verbundenen Zeichen zukommt
die, wie wir wissen, eine besondere Stellung einnahmen, als Regente?
der ganzen folgenden Dreizehnheit galten. Juán de Córdoba sagt, da®
diese Dreizehnheiten oder die Anfangstage derselben cocij, tobi coci)
genannt worden seien, ,como decimos nosotros, un mes, un tiempo*. pie
4 Zeichen aber, welche der 1., 6., 11., 16. Dreizehnheit, d. h. den 4 Ab
schnitten des Tonalamatl präsidiren, seien cocijo oder pitào, d. P
„Grosse“, genannt worden. Man hätte sie als Götter angesehen und 810
durch Opfer und Blutentziehungen geehrt. Im Lexicon finden wir in der
That z. B. ,tiempo encogido, en que no se puede trabajar“ — coc!
cogha; ,tiempo de mieses, frutas à de siego à de algo“ — cocij collàp?
cocij layña, cocij; ,tiempo enfermo d de pestilencia“ — çdo ydoch®
piyè ydocho, cocij ydocho. Die ursprüngliche Bedeutung von cool
kann aber schwerlich „Zeit“ gewesen sein. Die Vorsilbe co bezeichnet
ein Nomen agentis und entspricht in gewisser Weise der mexicanische?
Vorsilbe tla. Cocii bedeutet: ,wenn man genommen haít*, also etwa gleich
dem mexicanischen tlapoualli, und gleich diesem bezeichnet es eint
Einheit von 20 Tagen: cocii, ,20 Tage in der Vergangenheit, d. h. heut?
vor 20 Tagen; huecii oder cacii, ,20 Tage in der Zukunft“ oder „m
20 Tagen“, cacii-cacii, ,immer in 20 Tagen“. Ist daher die Angab
des Paters richtig, so kann die Anwendung des Wortes cocii auf ein?
Dreizehnheit von Tagen nur eine übertragene oder ungenaue gewes?
sein. Cocijo dagegen ist im Lexicon mit ,Dios de las lluvias* und ,ra7?
“.
Zur mexicanischen Chronologie. 115
et tètia péni quij cocijo, »sacrificar hombre por la pluvia à
» à tace cocijo, ,caer rayo del cielo“. Mit anderen Worten, cocijo
Weil or Regengott Tlaloc, der hier in dem Tonalamatl seine Stelle hat,
wg die 4 Abschnitte des Tonalamatl den 4 Himmelsrichtungen zugehôren,
den der Regengoit in den 4 Himmelsrichtungen zu Hause ist, bezw. nach
Ba. Himmelsrichtungen verschieden ist, wie das die oben erwähnten
führ er der Codices Borgia 12 und Vaticanus B. 28 bildlich vor Augen
body. Sehen wir nun nach, was die Vorsilbe quia, quie in der Sprache
y, n könnte, so finden wir „schlagen“, „Stein“, „Regen“, „Verbrechen
song Strafe“, „färben“, „Blume“, wobei sich aber die ersteren 4 durch be-
für ere Aussprache desi von den letzteren unterscheiden sollen. Setzt man
b egens: „Gewitter“, was ja in jenen Gegenden meistens gleich-
der Utend ist, so lassen sich die 4 ersten Bedeutungen recht gut eine aus
der v deren entwickeln, und nehmen wir dies dann auch als die Bedeutung
Reo orsilbe quia, quie an, so hätten wir z. B. quia-chilla mit ,der
Été OÙ Tlaloe“ zu übersetzen, der Tlaloe, der das Krokodil als Zeichen
' oder ce cipactli (1 D.
"i 1 den anderen Vorsilben scheinen nur noch die letzten beiden eine
hen v Bedeutung zu haben, die vielleicht aus dem besonderen auguri-
teil Werth der Ziffern 19 und 18 hervorgeht. Piiei heisst ,das Vor-
von S allerdings gewöhnlich das üble. Pino könnte eine Nebenform
Va sein, denn p und ch vertreten in zapotekischen Wortformen
"Rei, einander. Chino, chijnno heisst „voll“, „Glück“, „Segen“,
die s cum^, „dreizehn“, „fünfzehn“. Das sind aber alles Bedeutungen,
in Bo der Ziffer 12, — auf welche die Vorsilbe pino hinweist, — kaum
ty nung zu bringen sind. Die anderen Vorsilben scheinen nur Vari-
Person er bekannten Praefixe pe, pi, co, hua zu sem, wodurch handelnde
Hugs und lebende Wesen bezeichnet werden. Die Silbe la ist demon-
ip, Aeon wir nun diese, nach der beigesetzten Ziffer wechselnden Vor-
Oder eis Seite, so erhalten wir für das 1. Tageszeichen das Wort chilla
eje Ha. Hierfür finde ich im Lexicon 3 Hauptbedeutungen: einmal
las She ës die Würfelbohne (pichijlla, frisolillos 6 havas con que echan
fan: s los sortilegos), dann der Graht (pichijlla, lechijlla, chijlla-
Bien; »'0ma à cordillera de sierra^), ferner das Krokodil (peho pichijlla,
fisch JNa-pa6o, peyóo, cocodrillo, lagarto grande de agua) und Schwert-
M (pella-piehijlla-tào, espadarte pescado). Endlich ist chilla-tào,
gage inne Chilla*, noch als einer der Namen des höchsten Wesens an-
ling hien, Hier scheint mir die Bedeutung „Krokodil“ die ursprüngliche
Mexico ni er passende zu sein. Denn die Art, wie das 1. Tageszeichen in
liggy Ischen und zapotekischen Bildersehriften gezeichnet ist (Fig. 37),
a den Kopf des Krokodils erkennen, mit dem selbständig
s'ichen, nach oben klappenden Oberkiefer, der diesem Thier ein so
A
]': ED. SELER:
charakteristisches Ansehen giebt. Die von Sahagun und Durän fü
cipactli gegebenen Erklärungen „Schwertfisch“ und „Schlangenkopf“
obwohl die erstere ja auch in dem zapotekischen Wort vorliegt, sind darnach
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wohl auszuscheiden. Den Indianern des Hochthals von Mexico, de?
Gewährsmännern dieser beiden Historiker, war eben das Urbild des ächte?
cipactli weder aus eigener Anschauung, noch durch sichere Ueberlieferun£
bekannt. Aus der Bedeutung „Krokodil“ ist die andere » Bergreihe“,
„Spitzenreihe“ und weiter „Schwertfisch“ leicht ableitbar. Schwieriger ist
«6
FE 36 :
Zur mexicanischen Chronologie. 117
% einen Uebergang zu der Bedeutung ,Würfelbohne* zu finden. Doch
uch der, meine ich, vorhanden. Das mit cipactli beginnende Tonal-
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am
"a War der Inbegriff aller augurischen Kunst. Es ist durchaus nicht
Wor anzunehmen, dass sich deshalb der Name auch auf das Hand-
"zeug der Auguren, die Bohnen, deren sich die Wahrsager neben
1 Ep. SELER:
dem Tonalamatl bedienten, übertrug. Bei den Maya wurde die Würfel
bohne am genannt. Bei dem Fest im Monat Zip liessen die Zauber?
und die Aerzte dies ihr Handwerkszeug blau anstreichen, d. h. weihe?
Es erscheint mir nun nicht unwahrscheinlich, dass die Worte imix, im0*
mit denen die Maya und die Tzental-Zo'tzil das erste Tageszeichen be
nannten, mit diesem Worte am zusammenhängen. Ja, ich möchte noch
das etymologisch sonst schwer erklärbare mexicanische Wort amoxtlh
„Buch“, auf diese Mayawurzeln zurückführen. Die Maya- Hieroglyph®
imix (Fig. 38) findet sich überaus häufig vergesellschaftet mit der Hiero"
glyphe kan, und gar nicht selten sehen wir diese Gruppe unter den de?
Gottern dargebrachten Gaben (Fig. 39). Sie bedeutet vielleicht ,Bohne?
und Mais*
Bei dem zweiten Tageszeichen ist es nieht ein Wort, sondern es sind
zwei verschiedene Worte, die nach Ablósung der Vorsilben übrig bleibe?:
die beiden Worte quij und 1aa, die aber beide dasselbe bedeuten, und
zwar nicht „Wind“, wie man nach dem mexicanischen zweiten Tageszeiche?
eecatl vermuthen sollte, sondern „Gluth“ oder „Feuer“. Das ist ein?
ausnehmend merkwürdige Thatsache, denn sie macht die Rolle erklärlich
die wir das zweite Tageszeichen in den Maya-Handschriften spielen sehe”
Im Maya und den verwandten Sprachen führt das zweite Tageszeiche?
allerdings den Namen ik, eigentlich i’k, d.h. „Wind“. Aber wo es in
bildliehen Darstellungen oder in Hieroglyphen auftritt, da giebt es die
Idee von Flamme oder Feuer. So in der Fig. 40 aus Codex Dresden 25,
wo wir es im Centrum der aus dem Feuergefáss auflodernden Flamme
sehen; in Fig. 41, wo es am Stabe getragen wird, und in der Hieroglyph®
des Sonnengottes (Fig. 24), die zusammengesetzt ist aus dem Bilde der
Sonne, einem Element, welches „geflügelt“ bedeutet, dem Zeichen bee”
welches die geflochtene Matte und das geflochtene Strohdach bedeutet
und dem Zeichen ik, das in dieser Combination nur das an das Dach
gelegte Feuer bedeuten kann. Im Cogolludo ist als Name eines Krieg?
und Schlachtengottes das Wort Kakupaocat, ,Feuerblick*, gegeben und
von ihm gesagt: ,fingian que íraia en las batallas una rodela de fueg®
con que se abroquelaba“. Nun, im Codex Tro 24 und Codex Dresden 62
ist der schwarze Chac abgebildet mit Speer und Schild, und letztere?
(Fig. 42) hat auf seiner Fláche das Zeichen ik. Kein Zweifel, dass dies
der Feuerschild ist, und dass eben der schwarze Chae der Kakupacd®
ist, verwandt dem Cit-chac-coh, dem die Krieger im Monat Pax de?
Kriegertanz (holcan okot) tanzten. Diese Verbindung von Wind und Feuer?
die sich also hier in dem zapotekischen Namen und dem Maya-Bild de?
zweiten Tageszeichens entgegenstellt,.ist auch wohl die beste Erklárun?
für die Zwitternatur, die dem Windgott Quetzalcoatl zuzukommen scheint
der bald einfach als solcher, als Windgott, erscheint, bald die getreue?
Merkmale des alten Feuer- und Lichtgottes aufzuweisen scheint.
i18
Zur mexicanischen Chronologie. Ty
sm dritten Tageszeichen erhalten wir, nach Ablósung der nach den
Hie, og einen Vorsilben die Formen guela, ela und ala oder laala.
Ques], guela und ela bekannte, viel gebrauchte Worter fiir Nacht:
Tag md por „Nacht“; te-&2la, „bei Nacht“; te-chij te-èla, „bei
Oder laa] el Nacht“; xilo-ela cdlo-&la, „Mitternacht“. Die Form ala
thm: ; scheint zu der Zeit, wo Juan de Cérdoba die Sprache auf-
hin finde, t mehr im Gebrauch gewesen zu sein. Wir werden auch weiter-
Ditorey, | dass bei den Namen der Tageszeichen der Vocal a gegenüber
mit dem ES met ist. In der Bezeichnung des dritten Tageszeichens
aatekisch amen der Nacht, dem ,dunklen Haus der Erde“, anstatt des
der verdi calli, „Haus“, stimmt der zapotekische Kalender mit denen
Bei ac denen Zweige der Maya-Familie überein.
SÜben me vierten Tageszeichen erhalten wir nach Entfernung der Vor-
SPricht à ormen gueche, quichi, ache, achi, ichi. Das Zeichen ent-
Zeigen em x mexicanischen cuetzpalin, Eidechse. Die Bilderschriften
Ud ai : in der Regel blau gemaltes, geschwánztes, eidechsenartiges Thier,
bedeute üterpreten geben an, dass das Zeichen „Reichthum an Wasser“
Man ja Nun ist es wirklich schwer verständlich, wie so die Eidechse, die
findet a häufigsten auf den von der Sonne erhitzten Steinen und Mauern
teks, Symbol des Wasserreichthums genommen sein kann. Die zapo-
Sind mit Wortformen scheinen diese Schwierigkeit zu lósen, denn diese
Peèche " Tosch* oder ,Króte* zu übersetzen. Das Lexicon giebt peche,
Silbe, di eeche, ,todo género de rana ó sapo. Hier ist pe nur Vor-
Unq d le wir in der Form pe oder pi bei fast allen Thiernamen vorfinden.
M das eche mit dem ache, achi, ichi des Kalenders gleich zu
Selben Po beweist der Vergleich mit dem 14. Tageszeichen, wo wir die-
der in 4, men, gueche, ache, eche, finden, für den Tiger gebraucht,
Wie - Lexicon mit péche-tào, ,der grosse poche“, bezeichnet ist.
Mogi oh aber bei dem 1. Tageszeichen das zapotekische Wort uns eine
Nischen o an die Hand gab, die anscheinend so incongruenten mexica-
zu Vereins Maya-Hieroglyphen und deren Bezeiehnungeu mit einander
ZU Sein. p: so scheint das auch hier bei dem 4. Tageszeichen der Fall
allera: 8 êche bezeichnet im Zapotekischen nehmlich auch das Maiskorn,
Folge bil Dicht das einfache reife Korn, sondern das geröstete und in
Mexicaner Róstens geplatzte. Wir wissen, dass diese Körner, welche die
8roggq Rolle CCE nannten, bei den Darbringungen an die Gôtter eine
Mönien 80 - spielten. In Yucatan wird bei den xma kaba kin-Cere-
Geto on Jedes Mal angegeben, wie viel solcher Maiskórner zu dem
P Tiesto sn unl net wurden, das den an der Procession theilnehmenden
ung für da Häuptlingen entgegengebracht wurde. Die Maya -Bezeich-
»Cogq bundy, Tageszeichen ist kan, was wohl auf kan s. kanan,
m den Pi me 6 preciosa“, zuriickgeht. Von der Hieroglyphe habe ich
88. 39, 43. 44 die charakteristischsten Formen gegeben. Sie
11°
1 Ep. SELER:
zeigen in dem oberen Theil entweder die Zühne (wie an der Gefás*
mündung der Fig. 39 und in den Hieroglyphen der Figg. 26, 30 und 2, 31, 32,
oben S. 106, 107) oder das Auge, die beide, — wie ich oben schon bei def
Hieroglyphe der Figg. 2 und 31—33 auseinandersetzte, — die Idee der
Oeffnung des Spaltes geben. In dem unteren Theile der Hieroglyphe, unter”
halb der geschwungenen Querlinie, haben wir ebenfalls ein paar Zähne
die, gleich den Zähnen des oberen 'Theiles, wenn die Hieroglyphe farbig
gemacht ist, weiss gelassen werden. Sie sind am Natürlichsten ebenfalls
als Andeutung eines Spaltes aufzufassen. Nimmt man dazu, dass die Hiero"
glyphe, wenn sie farbig gemacht ist, regelmässig gelb, d. h. in der Farbe
der Aussenrinde des Maiskorns, gemalt ist, so wird man einräumen müssel
dass die Hieroglyphe kan in der That den Vorstellungen, welche das
geplatzte Maiskorn an die Hand giebt, entspricht. Und wirklich isi
ja auch die Rolle, welche diese Hieroglyphe in den bildlichen Darstellunge?
der Maya-Handscehriften spielt, eine derartige, dass bisher alle Autore?
von selbst darauf gekommen sind, die Hieroglyphe kan für das Maiskor?
zu erklären. Ich selbst habe früher, weil ich nieht an das geplatzte Kor?
dachte, für kan den Maiskolben gesetzt, den man mitunter mit Auge und
Zähnen abgebildet sieht, kann aber jetzt diese Erklàrung fallen lassem
weil das Wort peche und die damit sich verbindenden Vorstellunge?
einen genügenden Aufschluss über die besonderen Merkmale der Hiero"
glyphe geben.
Für das 5. Tageszeichen giebt der zapotekische Kalender die Stamm"
worte zee, zij, die wiederum nicht, wie man nach dem aztekischen Namen
des 5. Tageszeichens (coatl) vermuthen sollte, etwa mit ,Schlange^ zu
übersetzen wären, — die Schlange heisst im Zapotekischen pell?
s. bela, — sondern die zunächst etwas Abstractes, nehmlich „Unglück“
„Unheil“, „Beschwerde“, „Elend“, zu bedeuten scheinen. An einer Stelle
des Kalenders, und zwar gleich in der ersten Dreizehnheit, ist statt ze?'
zii das Wort ciguij angegeben. Und das bedeutet „Betrüger“, „Fallen
steller, der einen ins Unglück bringt“. Zieht man diese Variante in
Betracht, so, meine ich, werden wir dem zii eine prügnantere Bedeutung
zuschreiben können, diejenige, welche in dem unzweifelhaft von dieser
Wurzel abgeleiteten Worte pijci (pijze, peezi) vorliegt, nehmlieh ,u?*
heilvolles Vorzeichen“. So kommen wir auf Umwegen auf denselbe?
Begriff, den uns der aztekische Name des 5. Tageszeichens an die Hand
giebt, auf das Wort „Schlange“. Denn diese war es, welche den Zap?"
teken als das erste und bedenklichste aller unheilvollen Vorzeichen galt
Tenian estos Zapotecas muchas cosas por agueros, a las quales si enco?"
traban ó venian á sus casas 6 junto á ellas, se tenian por agorados dellas
(„dass ihnen dadurch Unheil gebracht sei“). El primero y mas prin”
cipal era la culebra, que se llama pella, y como ay muchas manera?
dellas, de la manera que era ella, assi era el aguero; esto deslindava el
“20
Zur mexicanischen Chronologie. 121
Sortilagt
"d ee de Côrdoba, Arte edid. Leon, p. 214). In meiner Arbeit
für Ed, harakter der aztekischen und der Maya- Handsehriften (Zeitschr.
Hierog] X XX. 8. 61) habe ich den Nachweis geführt, dass die Maya-
keiten T e des 5. Tageszeichens (Fig. 45) von bestimmten Eigenthümlich-
eje hey er Schlange hergenommen ist und zweifellos die Schlange be-
diese T soll. Die Bedeutung des Wortes aber, mit welehem die Maya
Beworden bezeichneten, nehmlich chiechan, war mir nicht ganz klar
Sea] ; Jetzt ist es mir zweifellos, dass es chic-chaan, d. h. »tomado
P. »tomado aguero*, bedeuten soll.
form n das 6. Tageszeichen ergiebt der zapotekische Kalender die Wort-
Lexicon » 8. laana. Von den verschiedenen Bedeutungen, welche das
dopey v diesen Stamm an die Hand giebt, würde mir, wenn keine
lichste ü ergleichsmomente in Betracht gezogen werden müssen, als natür-
oo qui. Dedeutung ,Hase* erscheinen, — pela-pillaana, liebre animal;
Mohr, al, ¢-pillaana, s. pella pillaana, red para liebres, — um so
der Taxe wir vorausgehend Frosch und Schlange haben, und in der Reihe
als Juan a hen folgend Hirsch und Kaninchen antreffen werden, und
sagt. e Córdoba in seinen Bemerkungen zu dem Kalender geradezu
s. "el. Para cada treze dias destos tenian aplicada uma figura de animal,
aber leas culebra, lagarto, uenado, liebre® ete. Dem steht nun
Wie in dens gegenüber, dass wir sowohl in dem mexicanischen Kalender,
Und qa. en der Maya - Stämme, an dieser Stelle das Bild des Todes finden,
Zeichen ; — mit einziger Ausnahme des 'l'zental - Zo tail, — dieses Tages-
Übrigen oh mit dem Namen des Todes bezeichnet wird. Da wir bei den
Wischen on jederzeit eine directe oder indirecte Uebereinstimmung
Nicht auch QD 3 Kalendern finden, so werden wir uns umsehen müssen, ob
B°gebenen Wa diesem Zeichen von dem in dem zapotekischen Kalender
Sich fin den ul ein Uebergang zu der Bedeutung der übrigen Kalender
Pillaan, ässt. Hier könnte man nun zunächst in Betracht ziehen, dass
»Pleisch « „Hase“, im Lexicon regelmässig vergesellschaftet ist mit pela,
auch das e etwa, wenn wir sagen würden: , Hasenwildpret“, und dass lana
Carne à car Tische, rohe Fleisch“ ist: hualàna nalàna, ,cosa que hiede à
Sts, an Na tillàa nalàna, ,heder algo à carnaza^. Man kónnte also
duch ena eh vetódtete, das erlegte Wild denken. Lana heisst aber
Bede, i „versteckt“, „dunkel“, „heimlich“. Und ich glaube, diese
Bodeutun, wird man hier heranziehen miissen, um so mehr, als von dieser
doy, ü aus der merkwürdige Name tox, welchen das 6. Tageszeichen
Ich habe Zental-Zo'tri].Kalender führt, eine Erklàrung zu finden scheint.
Sebracht M in meiner früheren Arbeit diesen Namen in Verbindung
den Trong]. z^, hun tox, welchen Bischof Nuiiez de la Vega bei
P Otestaq . O’tzil nennt, — el demonio, segun los Indios dicen con trece
Cabeza s (mit 13 Gewalten), le tienen pintado en silla y con astas en la
como. de car oo . .
nero [(mit einer Art Widderhórnern auf dem Kopfe).
FK
: ED. SELER:
Ich habe aber damals diesen Dämon nicht richtig aufgefasst. Coslahu?
tox ist ohne Zweifel Oxlahun-tox, und das würde im Maya Oxlahu?
tax heissen, — wie der Maya-Monat Mac im Tzental-Zo'tzil Moc lautet:
Oxlahun-tax aber bedeutet die ,193 Ebenen^, und ist augenscheinlich
nichts anderes, als die oxlahun taz, „die 13 Betten oder Schichten“
d.h. die oxlahun taz muyal, die „13 Schichten der Wolken“, die i?
dem von Brasseur de Bourbourg in der Hacienda von Xconchakan auf-
gezeichneten Ackersegen (tich, ,Misa milpera®) angerufen werden. Mit
anderen Worten, der Dämon Coslahuntox ist nichts anderes, als der
Wolkendáàmon Moan!), in dessen Hieroglyphe (Fig. 46) wir ja auch die
13 Schichten oder Decken angegeben finden, und dessen Dild (Fig. 47, 48)
in dem Bischof sehr wohl die Vorstellung erwecken konnte, als ob €T
mit Hórnern dargestellt worden sei, um so eher, als die Mönche in den
Gestalten der eingebornen Mythologie überall Teufel sahen und die Teufel
sich sehr realistisch mit Hörnern vorzustellen pflegten. Wir hitten als
den Tzental-Zo'tzil-Namen tox mit ,Decke*, ,Verhüllung*, „Schicht“
„Wolkendecke“ zu übersetzen. Und da ist es denn doch wirklich ein®
auffällige Uebereinstimmung, dass wir auch das zapotekische Wort für
das 6. Tageszeichen, allein oder in Verbindung mit pée oder zàa, für
„Wolke“ gebraucht finden. Vergl. pèe-làna-tho-pèye s. pèe-zàa”
làna-tào-nagàce, ,nube negra y oscura^ (eigentlich: ,grosse Nebel-
wolke*, ,grosse schwarze Wolke“), zaa-quiepàa, pèe-zàa, zee-làna”
tho-yati, ,nube blanca“. Aus dem Begriff des » Verhüllten“, „Dunklen“
konnte sich sehr wohl der des Todes entwickeln, mit dessen Namen in.
den anderen Kalendern das 6. Tageszeichen benannt ist. In der Tha!
erscheint auch der Moan, der Wolkendámon, in den Maya- Handschrifte?
regelmässig von Todessymbolen begleitet.
So schwierig, wie das 6. Tageszeichen zu entziffern war, so einfach
ist das siebente. Wir erhalten nach Entfernung der Vorsilben den Name?
china, und das ist genau das mexicanische macatl, ,Hirsch*, das in de?
mexicanischen, und das queh, quieh, das in den guatemaltekische”
Kalendern für das 7. Tageszeichen angegeben wird. Dass auch die May?
Hieroglyphe für das 7. Tageszeichen damit übereinstimmt, habe ich mich
in meiner früheren Arbeit bemüht nachzuweisen. Die eigentliche Bedeutuns
derselben ist, wie ich oben S. 105 auseinandersetzte, „essen“, „Speise“
„Fleisch“. Das Maya-Wort manik ist vielleicht may-nik, »gespaltenel
Huf*?
Für das 8. Tageszeichen, welehes dem mexicanischen tochtli, „Kar
ninchen“, entspricht, erhalten wir, nach Entfernung der Vorsilben, das
Wort lapa. Ein Wort lapa, ,Kaninchen“, giebt es nun allerding?
nicht. Aber die Bezeichnungen, die für ,Kaninchen* gebraucht werdet»
1) Seler, Charakter der aztekischen und der Maya-Handschriften (Zeitschr. für
Ethnol, XX. S. 91).
122
; Zur mexicanischen Chronologie. 123
hap, denselben Begriff, der in lapa vorliegt. Lapa heisst ,zer-
Welche i „zerbrechen“, und das Kaninchen heisst pèela oder piteeza,
der Be ; men Worte ,das Zertheilte^, ,das Zerlegte^ bedeuten. Dass
zu Grand des Zertheilten, Zerlegten der Bezeichnung dieses Tageszeichens
(vergl. Fi, liegt, das beweist auch die Maya-Hieroglyphe für dasselbe
Viele a in der das Zertheilte, Zerlegte deutlich angegeben ist.
Low führen auch die Ausdrücke lambat und lamat, die im Tzental-
aus den ne im Maya für dieses Tageszeichen gebraucht werden, und die
liegenge kannten Maya-Wurzeln kaum erklärbar sind, auf das hier vor-
Das ee sise làpa zurück.
tekische K Tageszeichen ist im Mexicanischen atl, „Wasser“. Der zapo-
dag bel alender ergiebt die Worte niza und queza. Das erstere ist
Dass annte und allgemein gebrauchte zapotekische Wort für , Wasser“.
ea nur eine Variante von niza ist, beweisen verschiedene Ab-
Niça, * Pequeça, peniça, s. piniça, ,milano ave“; quie-càche-
Ay, 6-7 qubga, marmor, piedra marmolena. Beides sind vermuthlich
Für ann von ezaa, ,hernieder kommen^*.
belly, d as 10. Tageszeichen ergiebt der zapotekische Kalender das Wort
für die er mexicanische hat itzeuintli, „Hund“. Die Maya- Ausdrücke
(Fig. 50, x Tageszeichen sind dunkel, aber dass die Hieroglyphe
Dachgoy 2) den Hund bezeichnet, habe ich in meiner früheren Arbeit
Same Ro Der Hund spielt in den Maya-Handschriften eine bedeut-
"om Hu e. Er ist das Blitzthier, das mit der Fackel in den Händen
bringenq A herunterstürzt (vergl. Codex Dresden 40b). Und die tod-
gegen CUS des Hundes ist auch in seiner Hieroglyphe (Fig. 51)
Ähnlich wi n, m der man die Wirbelsáule eines Skelets dargestellt findet,
Selben - in der Fig. 53, der Hieroglyphe des Monats kan-kin, der
theilt d ^ h. der sengenden, im Zenith stehenden Sonne. Der Hund
Wesen. 2 Rolle als Blitzthier in den Handschriften mit zwei anderen
Sefleckt as eine stellt ein Raubthier dar, mit langem Schwanz, un-
Auge, ; d etwas linglichem Kopf und dem Zeichen akbal über dem
Tigers ux. in Codex Dresden 36a mit der Haupt-Hieroglyphe des
die aus » daneben mit der Fig. 54 bezeichnet ist, einer Hieroglyphe,
same Tageszeichen kan und der Hieroglyphe kan, „gelb“,
soll, lh qu ist, die also vermuthlich das gelbe Thier bezeichnen
JA auch LES dass der Lôwe oder Kuguar (coh) gemeint ist, der
Jâche) be - 1m Zapotekischen als ,das gelbe Raubthier“ (pèche-
attig ie} ist. Das andere Wesen hat einen Kopf mit rüssel-
“lhe ist i Schnauze (Fig. 55) und Hufe an den Füssen, das-
? ig. 58 A durch eben diesen Kopf und daneben durch die
Viagyy eines Ron welche aus einem Beil, einer Feder und der Abbre-
11D Sez “Opes oder des Zeichens uinal [ein ganzer Mann')| zu-
Btn, xx Veber die Bedeutung des Zahlzeichens 20 in der Maya-Schrift (Zeitschr.
- Yerhandl. S. 238, 239).
124 Ep. SELER:
sammengesetzt ist. Dieses Wesen nehme ich als tzimin, » Tapir“. wi
wissen, dass der Tapir von den centralamerikanischen Vôlkern in eng?
Verbindung mit den Gottheiten der 4 Himmelsrichtungen gebracht wurde
Von den Itzaex in Peten wird berichtet, dass sie ein Idol ,de figura de
cavallo verehrten, welches den Namen Tzimin-Chae, ,Caballo del
Trueno ó Rayo*, geführt habe, und von ihnen als Gottheit des Blitze$
und Donners angesehen worden sei. Von dem grossen Gott Votan in
Chiapas berichtet Nuüez de la Vega: ,que en Huehueta, que es pueblo
de Soconusco estuvo, y que alli puso dantas (Tapire), y un tesoro grande
en una casa lóbrega, que fabricó 4 soplos.“ Ja, bis nach Mexico ist das
Wort und die Vorstellung der himmelstützenden Tapire gedrungen. ‚Die
6 tzitzimimé ilhuicatzitzquique, ,ángeles de aire sostenedores del
cielo“, welche Tezozomoc nennt, — ,que eran, segun decian, dioses de
los aires que traian las lluvias, aguas, truenos, relámpagos 7
rayos, y habian de estar á la redonda de Uitzilopochtli*, — sínd nichts
anderes, als die nach den Regeln der mexicanischen Sprache gebildete
Mehrheitsform von tzimin, ,Tapir“, aus der freilich dann umgekehrt
eine Singularform, tzitzimitl, abgeleitet worden ist, die Bezeichnung
einer bestimmten, mit einer Schádelmaske verbundenen Kriegerrüstung:
Und wenn in den Maya-Handschriften der Regengott Chac sich durch
eine besonders lange, über den Mund herabgekrümmte Nase auszeichnet
(vergl. die Hieroglyphe der Fig. 27, oben S. 107), und bei der andere?
Form des Regengottes, welcher, wie es scheint, der Name Bolon Zacab
zukommt, die Nase sich geradezu ausbreitet und Ausläufer treibt, so meine
ich, hat auch dafür der Tapir, der mit dem Chac, dem Regengott, iden”
tisch gesetzt wurde, das Vorbild geliefert.
Der Tapir heisst im Zapotekischen pache-xdlo, und der einheimisch?
haarlose Hund pèco-xdlo. Hund und Tapir, die beiden vom Himmel
herabstürzenden Thiere, die den Blitz und Donnerschlag in den Hinde?
tragen, sind also hier durch die gemeinsame Bezeiehnung xolo zusamme?*
gebracht. Und dieses Wort xolo selbst ist der bekannte Name eine?
Dàámons, des Dámons Xolotl, der die 16. Woche (ce cozcaquauhtli)
und das 17. Tageszeichen (olin) regiert, und der bald direct als Hund
(Cod. Vat. B. 4 und 77) oder doch wenigstens mit den abgestutzten Ohre?
des Hundes dargestellt wird (Cod. Borgia 50 und Vaticanus B. 33), und
der als Gottheit der Luft und der 4 Windrichtungen durch den Brust”
schmuck Quetzalcoatl’s gekennzeichnet ist, und dadurch, dass nebe?
ihm die 4 Farben, — Symbole der 4 Himmelsrichtungen, — und das
Zeichen naui olin, ,die 4 Bewegungen“, dargestellt sind. Es ist als?
kein Zweifel, dass dieser Dämon dem vom Himmel herabstürzenden Thief
der Maya- Handschriften gleich zu setzen ist. Der Dämon Xolotl wird
von den Interpreten in der Regel als ,Gott der Missgeburten® bezeichnet
Thatsächlich ist er auch im Codex Borgia 27 mit verkrümmten Glied“
».
4
Zur mexicanischen Chronologie. 125
n und auslaufenden Augen gezeichnet. Und mit dem Worte Xolotl
Beschon in México allerhand Zwitterbildungen, die als Missgeburten an-
wurden, bezeichnet.
Kan wir nun zurück zu dem Worte tela, womit im zapotekischen
Selbe " das 10. Tageszeichen bezeichnet ist, so zeigt sich, dass für das-
e: Sinn sich herausfinden lässt, wollen wir hierfür einfach „Hund“,
Sofort end dem mexicanischen itzeuintli, setzen, dass aber das Wort
Hund lion wird, wenn wir an den vom Himmel herabstürzenden
ist ets don uns die Maya- Handschriften vor Augen führen. Tela
Sprechen " tee-lào, »boca abajo“, mit dem Kopf nach unten, also ent-
tela lie dom mexicanischen Tzontemoe. Die zusammengezogene Form
tela ai Im Zapotekischen in verschiedenen Ableitungen vor, wie t1-
Wird: " Was von dem nach hinten Aussehlagen der Thiere gebraucht
aus do, natföla, „verkehrte Reden führen“; totela, „die Würfel
QU6la. (mit der Mündung nach unten gekehrten) Becher schütten“;
ko atela-lachi, „Verwirrung“ (wenn im Geiste Alles kopfüber und
Pfunter geht).
len. ; s 11. Tageszeichen giebt der zapotekische Kalender nach Ent-
SPricht q er Vorsilben die Form 1oo oder (bei 1 XI) goloo. Das ent-
Pilly, em mexicanischen ocomatli, „Affe“, denn das Vocabular ergiebt
Bereich 9° pillóo gónná, ,mona animal* (gonná ist nur Feminin-
8lyphe a Dass auch die übrigen Kalender, sowie die Maya- Hiero-
Sind, hay eses Tageszeichens mit dieser Bedeutung in Einklang zu bringen
Für eh in meiner fritheren Arbeit nachgewiesen,
Pija, N as 12. Tageszeichen giebt der zapotekische Kalender die Form
Oder "Ur bei dem mit der Ziffer 1 verbundenen, wo wir quia pija
dass hh Pia zu erwarten hätten, ist qui cuija angegeben. Es scheint,
chija Cam Verderbniss vorliegt, und dass wir quie pija oder quie
also „.. Sen hätten. Pii, chii heisst „gedreht werden“. Es entspricht
dem n genau dem Namen (malinalli), welehen das Tageszeichen in
die Dar, sehen Kalender führt. Abweichend ist die Benennung und
ee oder one dieses Zeichens in den Maya- Kalendern. Der Name lautet
kischen Ch , d. h. ,Zahnreihe*, ,Spitzenreihe^. Er wird in der guatemalte-
Übersetzt Tenit, ebenso wie das mexicanische malinalli, mit ,escobilla“
ein us Pa lese Uebersetzung ist zweifellos richtig. Die yescobilla“ ist
Werkzen 4, as zusammengebundenes, besen- oder pinselartiges
und a Ks noch heutigen Tags allgemein zum Reinigen der Kleider
Capotekisoh “men der Haare von den Indianerinnen gebraucht wird
"ud da. Ww : Peègo). Die escobilla ist daher das Symbol der Reinigung
Teteoin, erkzeug der Frauen; sie ist das Attribut der mächtigen Göttin
Sommers da oder loei, der alten Erdgóttin, welcher in der Mitte des
Sindentile as Öchpaniztli, das ,Besenfest^, d. h. das Reinigungs- oder
sUNgsfest, gefeiert ward. Die Maya-Hieroglyphe des 12. Tages-
1 ED. SELER:
zeichens (vergl. Fig. 88) zeigt uns das Gesicht der alten Góttin und hinie
ihm, als Erkennungszeichen, die escobilla.
Bei dem 13. Tageszeichen finden wir die Wortformen qui], 1j und
laa. Quij heisst ,das Rohr*, entsprechend dem Namen acatl, welche?
das Tageszeichen im mexicanischen Kalender führt, und mit welchem auch
die guatemaltekische Bezeichnung ah in Uebereinstimmung zu stehe?
scheint. Das Maya-Wort been ist dunkel; dass aber die Hieroglyph
been auf denselben Begriff des Rohrs oder, genauer vielleicht, des rol
geflochtenen Daches, der rohrgeflochtenen Matte zurückführt, habe ich i
meiner früheren Arbeit nachgewiesen. Das Wort láa finde ich in de?
zapotekischen Lexicon in der Bedeutung „Rohr“ nicht angegeben. pa
wir indes bei dem 2. Tageszeichen (Wind, Feuer) dieselben Wortforme?
quij, laa synonym gefunden haben, so spricht die Wahrscheinlichkelt
dafür, dass auch für quij, ,Rohr*, ein Synonymon laa existirt habe?
mag. Es ist übrigens ein merkwürdiges Zusammentreffen, dass in de
Maya- Schrift die Hieroglyphen dieser beiden, im Zapotekischen gleich”
lautenden Tageszeichen, die Hieroglyphen ik und been, überaus häufig
vergesellschaftet angetroffen werden (vergl. Fig. 24).
Beim 14. Tageszeichen, mexicanisch ocelotl, „Tiger“, giebt de
zapotekische Kalender gueche, eche, ache, ähnlich wie beim 4. Tage*
zeichen. Wie wir dort in den Worten pèche, pèeche, bèeche, „Frosch“
des Vocabulars, eine Uebereinstimmung mit der mexicanischen Benennung
herstellen" konnten, so giebt hier das Lexicon peche-tao, ,das grosse
Thier“ = tigre, animal feroz. Dass die Maya-Hieroglyphe ebenfalls de?
Tiger zum Ausdruck bringt, habe ich in meiner früheren Arbeit nach”
gewiesen. Für den Maya-Namen dieses Tageszeichens (ix) ist wohl die
Cakehiquel-Benennung yiz, — d.i. Maya h-ez, ,der Zauberer*, — als
aufschlussgebend zu betrachten. Meiner Auffassung nach ein Glied mehr
in der Kette der Gründe, die dafür sprechen, dass das Tageszeiche?
System den Maya durch Vermittelung der verwandten Stàmme von Chiap??
bekannt geworden ist. Denn dem Maya z entspricht vielfach ein Tzenta-
Zo'zil x.
Das 15. Tageszeichen hat im zapotekischen Kalender die Form na#
und bei dem mit der Ziffer 1 verbundenen quinnaa. Die mexicaniseh®
Bezeichnung ist quauhtli, „Adler“, mit der die guatemaltekische tziqui®
„Vogel“, sich recht gut, schwieriger das Maya-Wort men und die May?
Hieroglyphe (Fig. 57) vereinen lässt. Aber wiederum liefert die zapot”
kische Bezeichnung den sprachlichen Beleg für dasjenige, was ich in meine!
früheren Arbeit aus der Form der Hieroglyphe schliessen zu müssen glaubte
Die Maya-Hieroglyphe (Fig. 57) zeigt uns ein altes, gefurchtes Gesicht
Und wir sehen diese Hieroglyphe, in die Länge gezogen, mit F'ederbálle?
besteckt (Fig. 58), in verschiedener bildlicher und hieroglyphischer ver
wendung, unter anderem auch in der Hieroglyphe, welche die Haupt
. 96
x Zur mexicanischen Chronologie. tud
i
la, qure des Adlers zu begleiten pflegt. Ich hatte damals geschlossen,
allverehrte Ha leroglyphe das Bild der alten Erdmutter darstelle, der
Mit den or Ottin, die Tonantzin, „unsere Mutter“, genannt wird, die
die im wen weissen Daunenfedern des Adlers beklebt einhergeht, und
= 1 Alert Codex direct mit der Namenshieroglyphe ce quauhtli
Selbe, denn. erscheint. Nun, die zapotekische Benennung ergiebt das-
mit dem panis faa heisst ,Mutter*, ein Wort, das nur gewöhnlich
Namen nie xi der Genitivbeziehung erscheint, weil Verwandtschafts-
Das 16 ne Possessivbeziehung genannt zu werden pflegen.
deg Geter - Tageszeiehen ist im mexicanischen Kalender mit dem Bild
Mala bono 2eaquauhtli) bezeichnet. Die Maya-Stämme von Guate-
Geier Zu ponnen es mit ah-mak, und dieses Wort scheint ebenfalls den
ME D zeichnen, „der die Augen ausfrisst“, „der grubige Vertiefungen
ZWar nicht à zapotekische Wort ist loo oder guilloo. Damit kónnte
Bemeii er Geier, aber ein anderer Vogel, der Rabe (pelào, balloo),
balai, bala. Der Geier heisst im Zapotekischen pellàqui (pelahui,
Rüngen , dai). Und es würe nicht unmóglich, dass diesen beiden Bezeich-
»Áuge« ne einheitliche Vorstellung zu Grunde liegt. Lào, loo heisst
heisst ) »Angesicht“, „Vorderseite“, „Aussenseite“. Laqui, lahui, lai
Todopgyp ten innen eingesetzt“, „zwischen“, „gemeinsam“, „öffentlich“.
balda; aber ist die Bedeutung, welche dem Stammwort von pellàqui,
handen. der“, zu Grunde liegt, auch in dem Stammwort loo vor-
Mitton, po haben z. B. xi-loo-eela, co-loo-eela, ,Mitte der Nacht“,
in dritter Y loo-thdo, „Mitte des Körpers“, „Brust“, „Rumpf“. Noch
“Iscana vo ogel ist in dem mexicanischen Kalender der Crönica Fran-
»die Ruler Guatemála genannt, nehmlich tecolotl, ,der Nachtvogel^,
der Nacht "n Für den leichenschmausenden Geier und den dunklen Vogel
Vois der Begriff des Todes die leicht verstándliche verbindende
"OL aqua) Auch in den Bilderschriften findet man es ofters, dass der
Gan, tli und die Eule stellvertretend für einander eintreten.
früher Ned Vorstellungen ergeben sich, wie ich schon in meiner
(Verg) Fi eit ausführte, aus der Maya-Hieroglyphe. Dieselbe zeigt
Krügen y eine Figur, die regelmässig in den Handschriften auf den
Wein, her. racht ist, aus denen das berauschende Getränk, der Honig-
als eine déschäumt (vergl. Fig. 36b, oben S. 107), und die nichts anderes,
4 s stylisirte Form des yaca metztli, des halbmondfórmigen
auf Tring ot € der Pulquegôtter, der in mexicanischen Bilderschriften
der Hera assen angebracht wird, zu sein scheint") Der obere Theil
Verden pa Yphe zeigt die Streifung, die bei Schlangen angebracht zu
"alten den Y „Und scheint die Schlange andeuten zu sollen, die nicht
NTS Snkrug umwindend gezeichnet wird. Auch der Name cib
9. wq y^ Verüfentlicpunoon des Konig], M für Völkerkunde in Berlin, I. S. 132
ig. 61, 62, 8. 160. g es Kónigl. Museums für Volkerkunde in Berlin, I. 5. 152,
|
Ep. SELER:
passt zu dieser Vorstellung, denn ei ist die Magueypflanze und wird
auch zur Bezeichnung des daraus bereiteten Pulque, wie jedes andere?
berauschenden Getrünkes, verwendet. Cib dürfte dann mit dem Instr?”
mentalsuffix gebildet sein und ,was zu dem Weine dient“ bedeuten, als
entweder den Honig oder, richtiger vielleicht, die narkotische Wurzel
die dem gährenden Getränk zugesetzt wurde. Diesen Zusatz bezeich"
neten die Mexieaner mit pàtli, ,Mediein*, wonaeh der Pulquegot#
Patecatl*) genannt ward. Eine Verbindung zwischen diesen Vor”
stellungen und dem mexicanischen Namen des Tageszeichens (cozc9
quauhtli, ,Geier*) ergiebt sich, wie ich ebenfalls schon in meine
früheren Arbeit andeutete, aus der Vorstellung des Geiers, des kahlkopfigeD
als Symbol des Alters, denn nur dem Alter war in Mexico der Genuss de?
Pulque, des berauschenden Getrünkes, gestattet. Es scheint nun, als ob
auch der zapotekische Name dieses Tageszeichens in den Rahmen diese’
Vorstellungen sich fügt, denn loo, loo-paa heisst die Wurzel, kónnte
also dem pàtli der Mexieaner, dem Maya cib, d.h. der Pulquewürze
entsprechen. Auch in unserer Sprache besteht ja ein unzweifelhafte!
etymologischer Zusammenhang zwischen Wurzel und Würze. Ja, ich
meine, der Doppelsinn der zapotekischen Bezeichnung ist an der dive
girenden Darstellung und Benennung des 16. Tageszeichens, wie sie im
mexicanischen und Maya- Kalender vorliegen, vielleicht mehr betheiligh
als der Ideenzusammenhang, der die Vorstellungen von Geier, Kahl“
köpfigkeit, Alter und Pulque verknüpft. Irre ich nicht, so kommt ein?
divergirende Darstellung auch in der Maya-Hieroglyphe dieses Tages"
zeichens direct zum Ausdruck. Denn gelegentlich finden wir als Variant?
derselben die Fig. 60, in der der auszeichnende Bestandtheil nicht da
Pulque-Symbol, sondern eine Feder oder vielleicht direct der Nachtvogeh
die Eule, ist (vergl. Fig. 63, eine der Hieroglyphen der Eule). D#
würde also der oben angeführten guatemaltekischen Benennung diese
Tageszeichens entsprechen. Auch die Formen der Bücher des Chil&?
Balam (Fig. 61, 62) scheinen eine Feder andeuten oder wiedergeben 7
sollen.
Das 17. Tageszeichen heisst im zapotekischen Kalender xoo. Da
entspricht genau dem aztekischen Namen desselben, olin, Bewegung, de?"
das zapotekische Wort xoo verbindet mit der allgemeineren Bedeutunß
„gewaltig“, „kräftig“, „gewaltsam“ die besondere „Krdbeben“: xo
xixboní, ,temblor de tierra^; tixdo layoo, ytemblar la tierra“; pital”
xdo, ,dios de los terremotos“. Und bekanntlich wird in mexicanisehe”
Bilderschriften historischen Inhalts, wie in den Codices Telleriano Remens!®
1) In meiner Abhandlung „Das Tonalamatl der Aubin’schen Sammlung“ (Comp
rendu, VIL. Sess. Congres international Americanistes, Berlin 1888) habe ich die jrrthil?®
liche T.esart Pantecatl aufgenommen. Alle daran geknüpften Folgerungen sind als?
hinfällig.
128
Zur mexicanischen Chronologie. 199
big camus À, das Zeichen olin, — allerdings gewöhnlich in Ver-
m s mit den braunen und schwarzen punktirten Streifen, die die Erde
Erdbay n Acker bedeuten, — allgemein zur Bezeichnung eines eintretenden
Brdbep,. verwendet, wie auch das Zeitwort olini insbesondere vom
en gebraucht wird: ,auh in tlalli olini* (Olmos).
für pom aber dies die Grundbedeutung des olin ist, so werden wir auch
Zeichen | oroglyphe, mit welcher in den Maya- Handschriften das 17. Tages-
haben Mg ist, eine ähnliche Ausgangsvorstellung ins Auge zu fassen
Kalend, nd in der That, schon der Name, den das Tageszeichen im den
Das T, Tn der Maya- Stimme führt, weist auf diese Grundvorstellung hin.
kischo Fo Zo tzil-Wort chic heisst „sich schütteln‘. Die guatemalte-
Grun ns noh heisst ,gross“, ,gewaltig“, entsprechend der
Was mad Lon des zapotekischen xdo. Der Maya-Name caban heisst
Prügnant unten gebracht, was unten ist^, s. v. a. Erde, Welt. Eine noch
Vou, Bedeutung hat das Stammwort cab, das in Charencey’s
Im Weite mit terrain volcanique“ übersetzt ist, also „Erdbebengebiet“.
wenn on Sinne wird es auch ‘fir „Erde“, „Welt“ gebraucht. Und
a Stammwort cab ausserdem noch „Ausscheidung“ und
Planta à poulet (,miel, colmena, ponzoña de insecto, untuosidad de una
des nach Tuta), so ist, scheint es, der Zwischenbegriff der des Abtropfens,
Die d Tropfens. | |
stiminenq ormen der Hieroglyphe caban (Fig. 64) sind sehr überein
Arbeit no, Thre eigentliche Bedeutung aber hatte ich in meiner friheren
Charge nicht erkannt. Die Hieroglyphe enthält ein Element, das den
der Chips chien Bestandtheil der Hieroglyphe der jungen Góttin bildet,
Slaube oder Ixchebelyax, der, wie ich nachweisen zu können
Name. d 9f Name Zac Zuhuy, ,die weisse Jungfrau^, zukommt, ein
Lang, on Wir auch in dem Zac Ziui, dem Bacab der ix-Jahre, welchen
(Pig, 65 Pa zu erkennen haben. In der Hieroglyphe dieser Gôttin
sri chy, 6) ist nun deutlich zu sehen, dass das Element, welches die
deg a Bestandtheile der Hieroglyphe caban bildet, einen Theil
Strähnen d Haarschopfes mit den lang herabwallenden, peitschenartigen
Sie Voll gq arzustellen bestimmt ist, die der ganzen Figur der Góttin, wo
Werden Serolchnet ist, ein so charakteristisches Ansehen geben. Demnach
8lyphe dic. die Hieroglyphe caban nur als eine Abbreviatur der Hiero-
eger Bed. Göttin aufzufassen haben, und kommen also wiederum auf
Xog ait 8 zurück, die ieh schon aus dem zapotekischen Worte
Göttin, ist ©, Dehmlich auf die Erde. Denn die Ixchebelyax, die junge
Ixen 1 in uh sine andere Form der Erdgôttin, die der alten Erdmutter
Rochique oa Neher Weise gegenübersteht, wie bei den Mexicanern die
a, tigkeit die der Tonantzin. Einen schlagenden Beweis für die
em Umstan de M meiner Auffassung der Hieroglyphe caban sehe ich in
Zeitachrg, 5 "E homolog auftritt der Hieroglyphe
10
1 ED. SELER:
men (Fig. 57), die, wie ich oben ausführte, das Bild der alten Erdgôttin,
der Erdmutter, der Ixchel oder Tonantzin, wiedergiebt. Vergl. die
beiden Figg. 70 und 71, die Codex Tro 9*a für die herabfliegende Biene
gebraucht werden.
Mit dieser Auffassung des Zeichens caban stimmt nun endlich auch
sehr gut überein die Rolle, welche wir die Hieroglyphe caban in de»
Hieroglyphengruppen der Maya- Handschriften spielen sehen. Dieses Ele-
ment bildet nehmlich einen wesentlichen Bestandtheil in allen Hiero"
glyphen, welche das „unten“ oder „das Herabkommen aus der Höhe“
versinnbildlichen. So in der Hieroglyphe der fünften Richtung (Fig. 5—7)
die das Centrum bezeichnet; in der Hieroglyphe der Biene (Fig. 68— 71)
des von oben herabschwebenden Insekts; in der Hieroglyphe Fig. 74 — T6,
die das Ausgiessen aus dem Kruge oder dem Schlauche veranschaulicht;
in der Hieroglyphe Fig. 77, die das Fällen des Baumes bezeichnet; in der
aus dem Element caban gebildeten Schlange, auf welcher im Code*
Dresden 30a der grüne Chac, der Chac der fünften Richtung, herr
niederfährt. Wenn ich in meiner früheren Abhandlung diese caban-
Schlange, wie auch die Fig. 67, die in der Dresdener Handschrift al
mehreren Stellen als Sitz oder Fussgestell des Chac fungirt, und das
Element eaban überhaupt als den himmlischen Sitz bezeichnet habe, $?
habe ich dabei filschlich das Herabkommen aus der Hóhe an Stelle de$
Herabkommens betont. In Wahrheit ist diese Figur, wie die Fig. 58,
die an anderen Stellen der Dresdener Handschrift als Sitz des Chae fun
girt, als das „Unten“, als die Erde zu bezeichnen. Das Gesicht der alte?
Erdgóttin liegt ja in der Fig. 58 klar vor, wührend die Figur der
Hieroglyphe caban, wie ich oben anführte, die Frisur der Erdgôttin zur
Anschauung bringt. Ich erwähne noch die Fig. 72, welche im Code*
Tro 25*b das Bild des Tabak rauchenden Himmelsgottes begleitet. Nach
einer noch heute in Yucatan lebendigen Anschauung sind die Balam, die
Gótter der 4 Himmelsrichtungen oder der 4 Winde, grosse Raucher, und
die Sternschnuppen nichts anderes, als die brennenden Stummel der
Riesencigarren, welche diese Wesen vom Himmel herniederwerfen. Und
wenn es blitzt und donnert, s0 schlagen die Balam Feuer, um ihr?
Cigarren anzuzünden!). Die Fig. 72 zeigt das Element des Steins und
das Element des Herabkommens aus der Hóhe. Der bezeichnete Volks”
glaube erklärt daher in einfacher Weise diese sonderbaren Bilder und die
Hieroglyphen, welche diese Bilder begleiten. An einer anderen Stelle
Codex Tro 26*b, ist der Raucher im Text durch die Hieroglyphe der
Fig. 73 bezeichnet. Dieselbe ist entweder als „der Nächtliche“ zu über”
setzen (vergl. die Hieroglyphe akbal) oder als „der Rothe“, „der Chac^
Denn das Element akbal habe ich an verschiedenen Stellen (z. D. Codes
Cortes 20d) als stellvertretend für Fig. 20 = Chae, ,roth*, angetroffen
1) Brinton, Folklore Journal, Vol. I.
30
Zur mexicanischen Chronologie. 131
pa 18. Tageszeichen führt im zapotekischen Kalender den Namen
Kite. | gop a. Das ist ohne Zweifel dasselbe Wort wie copa, „kalt“,
Diese 5 taca-copa, tipee-copa, frio hacer, tixdpa-ya, Jmir ist kalt*.
Kalend ezeichnung stimmt zu der Bedeutung des Zeichens im mexicanisehen
lyphe er (te cpatl, ,Feuerstein^) und zu den Bildern der Maya-Hiero-
EN (eonab), die ebenfalls den geschlagenen Stein, die Feuersteinspitze
ehe; nschauung bringen. Denn die Begriffe „Stein“, „Spitze“, „Kälte“
Über T der Vorstellung und in den Sprachen der Mexicaner in einander
Kälte 4 Hacoliuhqui, der Gott des Steins, ist zugleich der Gott der
» der Verblendung und der Sünde.
doute Zapotekische Name des 19. Tageszeichens ist schwieriger zu
ape - Nach Entfernung der Vorsilben erhalten wir die Formen ape,
und d Apes gappe. Das ist wohl in aa-pee oder caa-pee aufzulösen,
be dente, würde dann ,mit Nebel überzogen" oder , Wolkenbedeckung“
tung 2 Das entspricht nun zwar nicht direct der mexicanischen Bezeich-
(Pig, ie tl, „Regen“, wohl aber der Form der Maya-Hieroglyphe
eine NA welche, wie ich in meiner früheren Arbeit nachgewiesen habe,
mythiseh reviatur des Kopfes des Moan-Vogels (Fig. 46— 48) enthält, der
Auch . m Conception des muyal, der Wolkenbedeckung des Himmels.
Prog nint die Benennung dem anderen mexicanischen Namen zu ent-
Denn x den das Zeichen in Guatemala _führte, ayotl, „Schildkröte“.
ges. Wolke wurde auch unter dem Bilde der fliegenden Schildkröte
Yon te Im Codex Cortes 17a sehen wir das Bild derselben begleitet
Oben da Hieroglyphengruppe der Fig. 79, die in ihrem ersteren Theile
Ung and Element des Fliegens und darunter das Element cauac enthält.
leben aL arts sehen wir die Schildkröte bald in dem Wasserstrahl,
Rachen en Frosch, von oben herunterkommen, bald mit aufgesperrtem
Wenn dem Himmelsschilde hángen?). |
it einem aber die zapotekische Benennung des 19. Tageszeichens nur
ZUreihen wiesen Fragezeichen den Namen der anderen Kalender an-
und direc so bietet andererseits die zapotekische Sprache den einzigen
93a, in À Anhalt zur Erklärung der Rolle, welehe wir die Hieroglyphe
inerseits alle. Maya-Handschrifton spielen sehen. Wir finden nehmlich
liegen. q erdings Verwendungen, die dem Begriff Wolke oder Regen nahe
des Vogel, die Hieroglyphe Fig. 80, die Begleithieroglyphe der Fig. 46, d. h.
des Names 032. Sodann die Fig. 28 (oben S. 107), die Begleithieroglyphe
und das der Ainehahau, die ausser cauac noch das Element des Feuers
Strah] d Xt enthült, wobei man also an den aus der Wolke zuckenden
—. enken kann. Vorwiegend aber wird die Hieroglyphe cauac ein-
1) Eine &
palin M mèche Rolle spielt die Schildkrôte auch bei den nördlichen Indianern,
the one in the Son dan: „There were four tortoises, one in the North, one in the
ater covereq the Np one in the West. Each one of these räined ten days and
rth* (Illustr. Mann. Cust. N. Àm. Indians, I. p. 181).
15*
C
' Ep. SELER:
fach in der Bedeutung „Stein“ oder. „Gewicht“ gebräucht. Das zeigt sich
am auffälligsten in den Thierfallen, die im Codex Tro 9a und 22*a ab-
gebildet sind, wo die der Balkenlage aufgelegten beschwerenden Steine
mit den Elementen der Hieroglyphe cauac beschrieben sind. Aber die
selbe Erklärung müssen wir auch annehmen, wenn wir den Pyramiden-
unterbau der Tempel mit den Elementen des Zeichens cauac bedeckt
finden. Und wenn im Codex Tro 15*a dem, einen Baum fillenden Chac
der Todesgott gegeniibergestellt ist, einen Baum fällend, der mit dem
Elementen des Zeichens cauac bedeckt ist, so ist hier wohl eben dem
T'odesgott als starrer Stein untergeschoben, was bei Chae ein sprossender
Baum ist. Die zahlreichen Fálle, wo die Hieroglyphe cauac als Sitz oder
Fussgestell der Götter dient, sind theilweise wohl als Wolken zu deuten,
im den meisten Füllen aber unzweifelhaft als Stein, homolog der Hiero-
glyphe caban und dem Elemente tun, ,Stein*, selbst (Fig. 85), die man
beide ebenso häufig als Sitz und Fussgestell der Gótter gezeichnet findet.
Ebenso zweifellos ist in der Hieroglyphe der Fig. 84, durch welche das
Tragen einer Last auf dem Riicken bezeichnet wird, das Element caua“
einfach als der Ausdruck des Beschwerenden, der Last aufzufassen. In
den sonderbaren Fällen, wo wir die Götter ein mit den Elementen des
Zeichens cauac versehenes Brett in der Hand halten sehen, oder wo vor
den Göttern ein mit einem geflochtenen Griff versehenes Brett gezeichnet
ist, dessen Fläche mit den Elementen cauac bedeckt ist, scheint es sich
um Klangplatten zu handeln. Denn die beigesetzten Hieroglyphen scheine?
Musik zu bedeuten. Endlich finden sich auch directe Homologien zwischen
dem Elemente cauac und dem Elemente tun. So in der Hieroglyphe
des Jagdgottes der Fig. 83, dessen auszeichnendes Kennzeichen zu sei?
pflegt, dass er in der Stirnbinde ein Auge oder das Element tun (d. b.
einen Edelstein) trügt. Die Hieroglyphe dieses Gottes wird nehmlich bald
in Gestalt der Fig. 81, bald in der der Fig. 82 geschrieben. "Und das
hier das Element, das in Fig. 82 dem Element eauac sich unterschiebt
in der That als tun oder „Stein“, „Edelstein“ aufzufassen ist, das
ergiebt sich einerseits aus der Verwendung als Edelstein im Kopfschmuck
(tun, ,piedra, piedra preciosa“), andererseits aus der als Basis für de?
Pfahl auf dem der Mam, der Uuayayab-Dämon, in den xma kab?
kin aufgesteckt wird (Codex Dresden 25 c). Nun kann man ja allerding?
an sich schon mit einer gewissen Sicherheit einen begrifflichen Zusamme?^
hang zwischen Wolken, Regen, Stein construiren, denn in jenen Gegende?
ist jeder Regen ein Gewitter. Immerhin aber wird man es begreiflich
finden, dass mir ein ganzer Bann von Zweifel gelóst ward, als ich im
Verlaufe meiner zapotekischen Studien darauf stiess, dass im Zapotekische?
für ,Regen^ und ,Stein^ genau dasselbe Wort, nehmlieh quia, quie:
gebraucht wird.
Für das letzte Tageszeichen finden wir im zapotekischen Kalender
132
Zur mexicanischen Chronologie, 183
man lào oder loo, und das bedeutet „Auge“, „Gesicht“, „Vorder-
xochit] as stimmt nun wiederum nicht direet zum mexicanischen
(Fig, se. „Blume“, wohl aber zu der Form der Maya-Hieroglyphe
May, 72.0» die ohne Zweifel ein Gesicht darstellt. Auch der Name des
"D ahau, „Führer“, fügt sich dem an. Ein begrifflicher Zu-
Vorhang ang zwischen „Auge“ und „Blume“ ist unzweifelhaft ebenfalls
der Hail Aus der zapotekischen Sprache kann ich ihn allerdings vor
ich in d noch nieht belegen. Aber in den zapotekischen Figuren, die
Museum 4. Heft des I. Bandes der Veróffentlichungen aus dem König}
Meta, he Völkerkunde beschrieben und abgebildet habe, wies ich die
das za : ose des Auges in die Blume nach. Und vielleicht erklärt sogar
Hie. ekische Wort für ,Blume* einige sonderbare Homologien der
also pie ahau. Im Zapotekischen heisst nehmlich die Blume quije,
Wie in MA gleich dem Worte quie, „Regen“ und „Stein“. Das i soll,
Werden. Mer Grammatik angegeben ist, mit stärkerer Betonung gesprochen
St os („para esta hieren mas la ij que para signifiear la piedra^). Nun
(= To ich ein auffáliges Vorkommen, dass das Element ahau
Auftritt a isch xochitl, ,Blume*) in einigen Hieroglyphen homolog
das ein oo Element cauac (= mexicanisch quiauitl, ,Regen®). Wire
daranf Éreinzeltes Vorkommen, so würde ich nicht gerade viel Gewicht
Über di. e Aber da die in dem Obigen angestellten Untersuchungen
Selben er Bedeutung der zapotekischen Tageszeichen fast bei jedem der-
Seben y, ben haben, dass die zapotekischen Namen das Bindeglied ab-
und in à Anscheinend unvereinbare Verschiedenheiten in der mexicanischen
sime eni Maya-Benennung und -Bezeichnung, so glaube ich auch dieses
Das. en den anderen einreihen zu müssen.
CN as Zapotekenland dasjenige Gebiet war, durch welches vOr-
Gebiet der Austausch der Cultureinwirkungen von dem mexicanischen
der La Nach dem der Maya-Stämme und umgekehrt sich vollzog, ist aus
Unters M desselben begreiflich und auch historisch bezeugt. Die obigen
Roch iy aber drängen zu dem Schluss, dass das Zapotekenland
m Welchen als ein Austauschgebiet war, dass es dasjenige Land war,
Sinen bro em Factor, der in der Wissenschaft der mexicanischen Stämme
hat, T lien Raum einnimmt, der mexicanische Kalender, seinen Ursprung
die hatsächlich ist bei keinem der anderen Stämme der Kalender und
h damit verkni . . e.
hens eh 9r&nüpfte Schicksalsbestimmung so sehr alle Verhältnisse
Virg iN end Sewesen, wie bei den Zapoteken. Mit grôsserer Sicherheit
den an M sich über diesen Punkt aussprechen kónnen, wenn erst über
Chiapag lé Zapoteken grenzenden Maya-Stamm, die Tzental-Zo'tzil von
' Genaueres bekannt sein wird.
*
Besprechungen.
D. Florschütz. Die Giganten-Säule von Sehierstein. Wieshad®
Rud. Bechtold & Co., 1890. 8. 228. mit 9 Tafeln (Separat- Abdru?
aus den Annalen für Nass. Alterth. und Geschichte, Bd. XXII).
Die kleine Schrift bringt in sorgfiltigster Ausführlichkeit die genaue Beschreibt
des interessanten Fundes ciner sogenannten Gigantensäule, welche letzthin (1889) in e
Nähe von Schierstein bei Wiesbaden, nicht weit von einem fránkischen Friedhofe, "
deckt worden ist uud welche durch die Vollständigkeit der einzelnen Theile unter #
grossen Zahl analoger Fundstücke eine hervorragende Stellung einnimmt. Nach den Mf
führungen des Verfassers kennt man gegenwürtig nahe an 50 solcher Sáulen, jedoch
aus einem eng begrenzten Verbreitungsbezirk, der sich über beide Abhänge der Voges
die Gegenden der Saar und der Meurthe bis zur Mosel im Luxemburgischen, und d";
die bayrische Pfalz bis zum Unterlaufe des Mains und des Neckars erstreckt. Thre we
lichsten Fundplätze sind la Jonchère in der Auvergne, Cussy im Cóte-d'or und Mer
bei Saarlouis. Die Zeit ihrer Errichtung ist, wenigstens für deutsches Gebiet, jetzt ge
festgestellt. Zwei derartige Denkmäler von Heddernheim tragen die Jahreszahlen 7
240 und 241 n. Chr.; an der Schiersteiner Säule ist der 98. Februar 221 als Tag Y
Errichtung angegeben. Alle diese Säulen haben dieselbe Ausführung: eine Basis '.
römischen Götterbildern und eine Krönung durch einen liegenden, schlangenfüssig
Giganten, über welchen ein triumphirender Reiter hinwegjagt. Der Verfasser deutet wh
Anführung guter Gründe den Reiter als Jupiter, der über einen niedergeworfenen Barb? 4
siegreich vordringt. Die seltsame Darstellung des hóchsten Gottes als Reiter wird #
Glück auf keltische Ueberlieferungen bezogen, die ja allerdings in der gallorömiseh ,
Archäologie eine grosse Rolle spielen. Da die Inschrift, wie einige andere, besagt, $
der Gründer, hier ein rümischer Legionär, Vis. Seneca, die Süule auf seinem ar
errichtet hat, so liegt die Beziehung an die Besiegung der Barbaren sehr nahe, pil ó
jedenfalls, als bei den Säulen im Innern Galliens, wo man geneigt ist, die ursprünglich‘
Vorbilder zu suchen. Sehr sonderbar ist die Thatsache, dass diese Säulen vielfach |
tiefen Brunnen gefunden sind. So lag auch die Schiersteiner Säule in einem Bron?’
Schacht, 6,5 m unter der Horizontalebene der bedeckenden Lóssschicht, und zwar ",
einer Reihe von.sehr künstlichen Steindecken, welche absichtlich hergestellt sein müsse
Der Verfasser vermuthet daher, dass die ersten Glaubensboten des Christenthums, weld]
die Franken bekehrten, die, übrigens kopfüber in den Brunnen versenkte Säule „ein n
allemal und für ewige Zeiten von Gottes Erdboden tilgen wollten“.
Rud. Virehow.
Ernst Krause (Carus Sterne). Tuisko-Tand, der arischen Stimme y
Gótter Urheimat. Erlàuterungen zum Sagenschatze der Veden, Edd
Ilias und Odyssee. Glogau, Carl Flemming, 1891. 8. 694 S. mit 76 AM
bildungen im Text und einer Karte.
Der Verfasser, der unter seinem angenommenen Namen schon seit Jahren einen 9
gesehenen Platz unter den deutschen Schriftstellern errungen hat, bringt in dem ve
liegenden Werke eine eigenartige, durch eine ungewöhnliche Fülle literarischer Kenntris*
durch weitreichende Combination und Originalität der Gedanken und durch kühne Erfasst
der schwierigsten Probleme ausgezeichnete Leistung. Er stellt sich zu der von Ÿ f
zu Jahr an Zahl zunehmenden Schaar derjenigen, welche die Urheimath der Arier in NOUS
Europa suchen, und er hat Entschlossenheit genug, nicht bloss die nordischen Sas
sondern auch die nordischen Stämme für älter und ursprünglicher zu erklären, als y.
südlichen und östlichen, welche sich nach seiner Meinung erst aus jenen entwickelt habe ^
b Besprechungen. 135
er o
den cr Reichthum an Kenntnissen im Gebiete der Mythologie und der Sagenkunde,
der Foe l1 vor dem Leser ausbreitet, wird an sich nicht verfehlen, die Aufmerksamkeit
lachhan: Tisten auf sich zu ziehen, und es lässt sich erwarten, dass der Eindruck ein sehr
Vissens or Sein wird, da er seine Sätze durch zahlreiche Hinweise linguistischer und natur-
Yon wi chti ticher Art zu stützen weiss. Unsere Anzeige kann aus der gewaltigen Anhäufung
SPrechyy, lgstem Material keine Einzelbetrachtung herausnehmen; für eine genügende Be-
Uns tri Wird jede besondere Richtung des Wissens herangezogen werden müssen. Für
ohne p édoch eine Betrachtung in den Vordergrund, und diese ist, offen gesagt, nicht
den Aye, en über die Berechtigung des Verfassers zu seinem Vorgehen. Er construirt
die Urheb auch anthropologisch. Nun wird nicht bestritten werden können, was ja auch
Sermaniseh und Vertheidiger der jetzt von ihm mit so viel Ungestüm angegriffenen indo-
Vamilie at Völkerfamilie verlangten, dass nicht bloss Sprachen und Sagen dieser
die Einheït eine gemeinsame Urquelle zurückgeführt werden müssten, sondern dass auch
aber dis der Rasse im naturwissenschaftlichen Sinne darzulegen sei. Dazu genügt nun
lichen pelle Forschung nicht. Was Blumenbach in der Aufstellung der kau-
Ölker asse versucht hat, das ist heute nicht mehr möglich. Die gegenwärtigen
M Brosse. wie kleine, erweisen sich so sehr als Gemische verschiedener physischer
“infachon 7 eine unabsehbare Summe von analytischen Arbeiten erforderlich ist, um die
Semen, Jpen herauszuschülen und den Aufbau der ,Vélkerfamilien® aus ihren Grund-
hat Belen neu Zu beginnen. Für den Verfasser sind diese Arbeiten eine Nebensache; er
Frisch one ich sogar eine spöttische Bemerkung über das viele Messen und Untersuchen.
ber wen, sen nimmt er eine blonde dolichocephale und hochgewachsene Urrasse an,
pie blon à man diese bei Lichte besieht, so ist es keine andere, als die nordgermanische.
londen €n Finnen behandelt er schon als einen Mythus, oder wenigstens sind ihm diese
Stimpy, tnd brachycephalen Finnen germanische Mischvôlker. Auch die brünetten Süd-
im a Schon die brünetten Süddeutschen sind ihm secundáre Erscheinungen, die er
Yon der op er in den Hintergrund drängt, als er überzeugt ist, dass auch Hellas einst
“ne blon fanden Rasse besetzt war. Die Frage der Descendenztheorie, ob denn überhaupt
Seleitet, s Urrasse existirt hat und ob nicht vielmehr die blonde Rasse selbst eine ab-
vetig, Cr Metamorphose einer ursprünglich farbigen Rasse gewesen ist, berührt ihn
Bich ge 31 kann ihm daher den Vorwurf nicht ersparen, dass er sich die Sache etwas
Pologi o Pacht hat, dass er in der That auch nicht eine volle Kenntniss der anthro-
Swag cane Thatsachen besitzt und dass er mit den ihm bekannten Thatsachen zuweilen
agg eg Ca lermässig umgeht. Aber auch wir Anthropologen wollen gern anerkennen,
lat "i Vorzüge hat, wenn die Dinge von Zeit zu Zeit mehr im grossen Styl um-
êlze hin Von ihrer Kehrseite aus betrachtet werden. Und so wollen wir uns gern dem
Slben Nd die griechische Mythologie im Sinne der Edda und als eine Tochter der-
die Hellenen als Sóhne oder Enkel nordischer Barbaren dargestellt zu sehen.
Rud. Virchow.
La, eere Die deutsche Emin-Pascha-Expedition. München und
bhi 1891, R. Oldenbourg. 8. 560 S. mit 32 Vollbildern und 66 Text-
| Verne oo einer Portraittafel und einer Karte.
De bene a schnell ist die Schilderung der mit so viel Theilnahme und Erregung
Mann, 5 mit 80 grosser Energie und Zuversicht durchgeführten Expedition erschienen.
di, lich, ssen Initiative das ostafrikanische Unternehmen zum grossen Theil seine
ein nm emen dankt, hat durch seine neue Leistung, unzweifelhaft die schwierigste,
Er Slänzen den "poen auch nicht gelungenen, so doch glücklichen Ende gebracht hat,
ven Peters . oWels seiner Führer-Begabung abgelegt. Auch diejenigen, welche mit
Tagen 1. 7 Oen Zielen nicht übereinstimmen, werden ihm die Anerkennung nicht
Serin kónnen, dass ter d m aiedba. [T tänd à mit verhältnissmässie
alle; Sen Mitteln cin er unter den ungünstigsten Ums änden und mi verhältnissmäss1g
liege, Seinen pers; en Erfolg erzielt hat, auf den wenige gerechnet hatten und der
Süden Wal rsônlichen Eigenschaften zuzuschreiben ist. Die Darstellung in dem vor-
© 1st eine offene und selbstbewusste, scheinbar ohne Rückhalt und in
; Besprechungen.
voller Aufrichtigkeit gegeben; sie bietet für das psychologische Verstüáudniss des Ver
fassers und seines Erfolges sicheres und genügendes Material Wenn sie nicht m
gleicher Ausdehnung der Colonialpolitik und der Wissenschaft dient, so liegt der Grund
dafür zum grösseren Theil in Verhältnissen, welche an dieser Stelle nicht zu erörtern sind;
nur das mag gesagt sein, dass Hr. Peters, gleich so vielen ,Pfadfindern*, nicht Zeit und
Neigung gefunden hat, die für eine wissenschaftliche Ausnutzung seines Kriegszug®
erforderlichen Vorstudien zu machen. Verglichen mit einer grossen Zahl anderer Reis”
werke, enthält das seinige immer noch verhültnissm?ssig eingehende Schilderungen vo?
Land und Leuten. Dieselben werden überdies durch eine ungewühnlich reiche Beigabe v0?
Illustrationen veranschaulicht, von denen wohl angenommen werden muss, dass sie nicht
sämmtlich auf freier Erfindung des Zeichners beruhen, obgleich der Natur der Sache nach
eine aus eigener Anschauung fliessende Wiedergabe von Landschaften und Begegnisse?
nicht erwartet werden kann. Wie schon ófter an dieser Stelle auseinandergesetzt ist, hat
diese Art von Illustrationen einen sehr bedingten Werth, am wenigsten einen wisse?”
schaftlichen, namentlich so lange die Autoren oder Herausgeber sich nicht entschliessel»
für jede einzelne Illustration ehrlich einzugestehen, ob dieselbe auf Grund von Aufnahme?
oder Skizzen, die an Ort und Stelle angefertigt sind, entworfen wurde oder nicht. Man kan?
das grosse Geschick des Zeichners, Hrn. Hellgrewe, und die Vorzüglichkeit der tech”
nischen Ausstattung Seitens der Verlagshandlung rühmend hervorheben, aber man kan?
doch den Wunsch nicht unterdrücken, dass in einem Werke, welches in erster Linie daz
bestimmt ist, einen authentischen Bericht darzustellen, wenigstens die Grenze, wo Dichtuns
und Wahrheit einander berühren, erkennbar gemacht wird. Dass die Mittheilungen d®
Verfassers in anthropologischer Beziehung keine Fortschritte bringen, ist eine Eigenschaft
welche sie mit der Mehrzahl der Publikationen unserer Reisenden gemein haben. Dagege®
kann man sagen, dass sie fiir die ethnologische Erschliessung eines weiten und noch sehr
unbekannten Gebietes manche werthvolle Gabe enthalten. Leider sind diese Gaben aber 8
zerstreut, dass es ein besonderes Studium erfordert, sie zu einer übersichtlichen Sammlung
zusammenzubringen; den Vorzug hat das Buch jedoch, dass ihm ein, freilich kurze$
Namen- und Sachverzeichniss beigegeben ist. Wer indess die Hoffnung hegt, es werd?
ihm gelingen, z. B. über einen so merkwürdigen und zugleich so wenig bekannten Stam»
wie die Wanderobo, der dem Verfasser oft genug begegnet ist, irgend etwas Eingehender®
zu erfahren, der wird seine Wünsche nicht ohne Enttäuschung vertagen müssen. Nicht
einmal die Massai, deren häufige Berührung den Hintergrund für den grösseren Theil des
Werkes bildet, treten unserem wissenschaftlichen Verständniss so nahe, dass wir einen UN”
fassenden Eindruck von ihrem Leben, ihren Sitten und Anschauungen erhalten. Der Ve!“
fasser hat es sich hartnäckig versagt, auch nur seine persönlichen Eindrücke von de?
einzelnen Stümmen zu anschaulichen Gesammtbildern zusammenzudrüngen. Wer nicht
schon eine gewisse Kenntniss von dem Völkergewirr der ostafrikanischen Tropenlände*
mitbringt, der wird durch die Lektüre des vorliegenden Werkes keine rechte Meinun8
darüber gewinnen. Und doch sollte man nach der reichen Beanlagung des Verfasset*
erwarten, dass er befähigt wäre, eine Art von Endurtheil auch über die ethnologische?
Besonderheiten der Ostafrikaner auszusprechen. Vielleicht wird ihm die neue Stellung
die er eben angetreten hat, Gelegenheit und auch so viel Musse, als für wissenschaftlich?
Aufzeichnungen nóthig ist, zu ernsteren Studien gewühren. Rud. Virchow.
Objets du dernier âge du bronze et du premier âge du fer découverts en
Berry. Publ. par la Société des Antiquaires du Centre. Bourges 1891.
14 p. avec une carte.
Die kleine Schrift bringt in gedrängter Kürze eine Zusammenstellung der pisher
bekannt gewordenen Funde aus der Bronze- und ersten Eisenzeit, welche in Berry gemacht
worden sind. Es handelt sich dabei um 14 Funde aus der Bronze- und um 21 aus der
ersten Eisenzeit (Hallstatt), namentlich um Schwerter. Besonders interessant scheinen en
grosser Depotfund von 628 Stücken aus einer Schmelzstátte von Villatte (commune de
Neuvy-sur-Barangeon, Cher), der mit Pfahlbaufunden übereinstimmt, aus der letzte?
136
Besprechungen. 137
pent und mehrere Bronzeeimer aus der ersten Eisenzeit. Unter letzteren erwähnt
Chey) ni eme gerippte Ciste, die 1889 in einem Tumulus von Chaumoy (bei Le Subdray,
Bestam gefunden wurde; sie hatte 2 gedrehte Henkel und zwischen den Rippen Linien
Die aul Punkte. Eine kleine Karte bringt die örtlichen Verhältnisse zur Anschauung,
Gebiete \quarische Gesellschaft schliesst daraus, dass in dem durch sie durchforschten
ine s] In jener Zeit keine fremde Invasion stattgefunden habe und ebensowenig durch
Livins che Invasion Waffen importirt seien, vielmehr glaubt sie eher, im Sinne von
nach ad schliessen zu dürfen, dass von dem Centrum Frankreichs aus derartige Expeditionen
Uswürts stattgefunden habei. Rud. Virchow.
ord V. Torok. Grundzüge einer systematischen Kraniometrie. Metho-
que Anleitung zur kraniometrischen Analyse der Schädelform für die
Wecke der physischen Anthropologie, der vergleichenden Anatomie, so-
ks für die Zwecke der medizinischen Disziplinen und der bildenden
1a te. Ein Handbuch fürs Laboratorium. Stuttgart, Ferd. Enke.
390. 8. 631 Seiten mit 52 Figurentafeln im Text.
Kar Verfasser betont mit Recht den grossen Unterschied zwischen Kraniometrie und
Yerlüsc: Opie und er verlangt mit eben so viel Recht. als Ergänzung für beide eine zu-
Wager Kraniographie, ja er trágt kein Bedenken, die blosse Kraniometrie für gänzlich
Buch, 4 end für die Bestimmung der Schädelform zu erklären. In dem vorliegenden
Und e. t er sich jedoch nur die Aufgabe, die systematische Kraniometrie zu behandeln,
lm. Yor ut dies in einer Ausführlichkeit und in einem Detail, wie es früher niemals auch
tréten Sucht worden ist. Das ist gewiss sehr nützlich, zumal, wenn man ihm darin bei-
Wegen Wollte, dass bisher von einer systematischen Kraniometrie noch nicht die Rede ge-
e "A Er ist von der Unbrauchbarkeit der bisherigen Arbeiten so überzeugt, dass
Kranio art, es müsse ,behufs einer zweckmässigen Inangriffnahme der systematischen
LE wie überhaupt der ganzen Anthropologie, zuvórderst eine medizinische
thy, lon erst herangebildet werden“ (S. 24). Zu diesem Zwecke verlangt er nicht nur
Fg P logische Lehrkanzeln an allen Universitäten, und zwar innerhalb der medieinischen
Sty _sondern auch mit allen nötigen wissenschaftlichen Hilfsmitteln versehene
Soph... "Sische Laboratorien“; sei doch die Anthropologie jene Diseiplin, die das philo-
Wir hun xilement in den medizinischen Füchern reprüsentiere*. Von diesem Zustande sind
Leheng, reilich recht weit entfernt und es móchte bezweifelt werden dürfen, ob einer der
"gery den Zeitpunkt erleben wird, wo nach dieser Auffassung die Medicin so weit
Steng leh t sein wird, um das „philosophische Element“ in sich aufgenommen. oder wenig-
Vesp. o dig gemacht zu sehen. Jedenfalls wird mit der Kraniometrie allein noch kein
PStematis 1 philosophischer Fortschritt erreicht werden. Trotzdem soll der Werth einer
Werden. schen, ja, sagen wir, auch nur einer verbesserten Kraniometrie nicht unterschátzt
Sofern Sie bildet in der That eine der Voraussetzungen für die wissenschaftliche und
darf von d für die philosophische Betrachtung des menschlichen Kopfes. Aber es
Veil so 1 daran erinnert werden, dass sie nur deshalb einen grossen Werth hat,
Machen “ines der Hülfsmittel ist, um Rückschlüsse auf die Beschaffenheit des Gehirns zu
die Kai weil gerade für den Mediciner die Frage im Vordergrunde steht, inwiefern
Steg, A re und die Kranioskopie praktische Gesichtspunkte für die Herstellung einer
“igenen pren Encephalologie zu liefern im Stande sind, Der Referent, der in seiner
CORN niwickelung als Kraniologe von der Pathologie des Schüdels und des Gehirns
Jede, Geol 1st, ist sich der Schwierigkeit dieser Aufgabe voll bewusst, und wenn er bei
hat, se wi heit offen anerkannt hat, dass die Kraniologie diese Aufgabe nicht gelóst
Wehr, Versch er doch nach so manchem Jahr ehrlicher Arbeit auch seine Ueberzeugung
Lette chy fat vi dass eine volle Lösung des Problems auf diesem Wege überhaupt
Sleht, vi d Vielleicht hat er sich einer zu grossen Resignation hingegeben, viel-
“heinlich i Le „Systematische Kraniometrie“ ungleich mehr leisten, als es ihm jetzt wahr-
St. Gewiss wird er zu den ersten gehören, welche jeden grossen Fortschritt
1 Besprechungen.
auf dem Wege zur Herstellung einer zugleich praktischen und philosophischen Betrachtung
des menschlichen Kopfes mit Freuden begrüssen. Aber er kann nicht zugestehen, das
das bisher Erreichte werthlos sei, und er hält die harten und absprechenden Urtheile»
welche der Verfasser gegen die bisherigen Vertreter der Kraniologie richtet, für angerecht
und übertrieben. Wer den Zustand der Anthropologie vor 90 Jahren mit dem gege””
würtigen vergleicht, der muss anerkennen, dass diese Wissenschaft von einer Unmasse v0?
Irrthümern und falschen Voraussetzungen gereinigt worden ist und dass sie die
Kenntniss des Menschen und der verschiedenen Rassen und Stämme auf zuver
lässige, thatsüchliche Grundlagen gestellt hat. Der Verfasser ist aber von eine?
solchen Misstrauen in die bisherigen Vertreter erfüllt, dass er kein Bedenken trägb
ihnen die thörichtsten Absichten unterzuschieben, und zwar zu dem rein person”
lichen Zwecke, ihre Autorität als unantastbar zu sichern Sein Zorn richtet sich
vorzugsweise gegen die sogenaunte Frankfurter Verständigung von 1882. Er über
sieht planmässig, dass diese Verständigung nichts weiter beabsichtigt hat, als die Fest
setzung gewisser Minimalforderungen, welche bei jeder Schädelmessung erfüllt werden
sollen. Er bleibt dabei, dass diese „Schablone“ dazu bestimmt gewesen sei, jede weitere
Entwickelung abzuschneiden und alle Anthropologen in eine Zwangslage zu bringen, i
welcher sie gehindert werden sollten, andere Methoden der Untersuchung, als die vor"
geschriebenen, auszubilden. Dagegen kann nicht laut und bestimmt genug Einspruch
erhoben werden. Jedem Theilnehmer an der „Verständigung“ war und ist es unbenomme?
auch andere Methoden zu suchen und anzuwenden, und die Erfahrung hat gelehrt, dass
dies in der That geschehen ist. Gehórte doch auch der Verfasser, wie er selbst in Erinnê”
rung bringt, zu den Unterschreibern der Verständigungs-Urkunde! Es ist doch eine
billige Forderung, dass wenigstens ein kleines Maass, dasjenige, welches für alle Fälle
erforderlich ist, von gleichartigen Untersuchungen durch jeden Anthropologen geleistet
werde, damit eine Vergleichung möglich werde und die Ergebnisse der anderen Forsche
von jedem verwerthet werden können. Es war niemals ausgeschlossen, dass eine weiter“
Verständigung gefunden werde, wie sie denn in Wirklichkeit für die Bezeichnung de
Schädelindices erreicht worden ist. Der Verfasser klagt über die Tyrannei der Autoritäte”»
und doch würde sein Vorbild nur dahin führen, an die Stelle der Collectiv- Autorität
in welcher jeder Einzelne Opfer zu bringen hatte, wieder die Individual- Autorität, d. h. die
ausgesprochene babylonische Verwirrung, wie wir sie früher hatten, zu setzen. Dass die
Frankfurter Verständigung derartige Versuche nicht hindern kann, zeigt sein neues Buch;
das in seinem praktischen Abschnitte übrigens viel mehr Concessionen an die Frankfurt&?
,Schablone* macht, als er, wie es scheint, zugestehen will Allerdings war diese
„Schablone“ nicht für das „anthropologische Laboratorium“, wie der Verfasser es im
Auge hat, gedacht, sondern für das tägliche Arbeiten, nicht sowohl der Nominal
Professoren für Anthropologie und ihrer Schüler, als vielmehr aller Anthropologen, auch
der Reisenden, der Künstler und aller derer, denen weder die Zeit, noch die äusseren Mog”
lichkeiten gegeben sind, in jenes feine Detail einzudringen, welches der Verfasser verlangt
Sonderbarerweise beruft er sich in seiner Opposition auf die Zustimmung solcher Schrift”
steller, denen schon das Messen ein Gegenstand des Spottes ist. Was würde er sage?
wenn diese Herren erst ihre Aufmerksamkeit auf die 5000 Linien und 2500 Winkel richte?
würden, die er als Gegenstànde der Untersuchung empfiehlt! und was würden die wilde?
erst sagen, wenn er ihnen mit seinen complicirten Methoden an die Köpfe kommen wollte!
Die kleine Zahl der messenden Anthropologen wird sicherlich die Wege des Verf. nicht
hindern, zumal wenn er seiner üblen Laune weniger Raum oder wenigstens weniger Aus“
druck gewährt; sie werden nicht einmal Bedenken tragen, eine oder auch viele sein?
Methoden anzunehmen, sobald er durch die That bewiesen haben wird, dass das Studiu®
der Anthropologie durch sie zu neuen Aufschlüssen über Menschen und Menschenrasse?
geführt werden kann. Schon jetzt wird jeder Anthropolog anerkennen, dass der Verf ?
nieht wenigen Beziehungen, so namentlich in der Verbesserung der Instrumente, b*
merkenswerthe Resultate gewonnen hat; sollte es ihm gelingen, auf Grund seiner Arbeit"
eine bequeme und praktisch ausführbare „Schablone“ aufzustellen, so kann er sicher dara’
rechnen, dass sie ehrlich geprüft und, wenn sie sich bewährt, auch angenommen werde?
wird. Das Studium seines Buches, das in sehr verständlicher Weise geschrieben und vo»
38
Besprechungen. 139
d
Gem SShandlung in bester Weise ausgestattet ist, wird wesentlich dazu beitragen, die
ab, zu r vorzubereiten und die Nachprüfung seiner Methoden einzuleiten. Warten wir
Welchem Ergebniss die praktische Erfahrung gelangen wird!
Rud. Virchow.
P .
M Freih. v. Andrian. Der Hohencultus asiatischer und europäischer
Ölker. Eine ethnologische Studie. Wien 1891, Carl Konegen. 8. 385 5.
wp Vert hat schon durch die Richtung seiner früheren Arbeiten dargethan, in wie
licher Cult Weise er von seinem Fachstudium, der Geologie, aus die Geschichte mensch-
Conseque ur in ihrer Verkettung mit der umgebenden Welt zu erfassen und in ihren
deren Stell zu erklären vermag. In dem vorliegenden Werke, welches die Berge und
Versuchn ung in der mystischen Auffassung der Natur, zum Gegenstande hat, lag die
hat dies ng sehr nahe, eine mehr spekulative Betrachtung vorwiegen zu lassen. Der Verf.
ojo, , Y ersuehung erfolgreich Widerstand geleistet; seine Arbeit ist eine wesentlich
Sowig i Indem er aus den Berichten über die verschiedensten Völker Asiens und Europas,
das eine à den Schriften specialistischer Schriftsteller über Mythologie und Sagenkunde
der meh, lagende Material gesammelt hat und in übersichtlicher Ordnung vorführt. In
Zichenge pd mehr erstarkenden Weise der empirischen Psychologie versucht er, das an-
hat, an den lem, wie der Mensch seine Anschauung von den „heiligen Bergen“ gestaltet
er nicht er Hand ethnologischer Erfahrung zu lösen Auch der anderen Versuchung ist
thine, érlegen, obwohl sie gewiss sehr nahe lag, sich in den Zusammenhang der volks-
Schliesst en Tradition, namentlich den indogermanischen Sagenkreis, zu vertiefen Freilich
Seinen E er, was zu bedauern ist, die polynesische Inselwelt, America und Africa von
dieselbe forterungen aus, aber er nimmt die gelbe Rasse in ihrer ganzen Ausdehnung in
Stämme inf; ja, die Chinesen und Japaner, die arktischen und sogar die malayischen
Schliesse etztere bis nach Madagascar, liefern ihm sogar vorwiegend sein Material. Daran
für vergl Sich die anarischen Vólker Indiens und die Semiten. Also ein grosses Gebiet
deg ein s eichende Betrachtung. Er zeigt dann, wie auch ohne direkte Beeinflussung
Selben Ww Stammes durch den anderen die Volksseele an den verschiedensten Orten die-
Bedentane y wandelt, wie und warum sie den Bergen eine hôhere und zwar vergeistigte
ih Ven, s beilegt, ihr eigenes Streben und Hoffen, ihre Fureht und ihre Sorgen mit ihnen
ZU deute Ung bringt und nicht selten darin endigt, die Berge in rein animistischem Sinne
fruchtha n. Hoffentlich wird der für diese Arbeit besonders veranlagte Verfasser seine
Welttheins Thätigkeit nicht mit dem vorliegenden Werk als beendigt ansehen. Die anderen
dem Ver erfordern eine analoge Sichtung der Quellen. Aber noch mehr würden wir es
Schlüsse, danken, wenn er sich auch der weiteren Aufgabe nicht entziehen wollte, das
VOrZzuten Sebniss seiner Betrachtungen in zusammenfassender Analyse der Einzelangaben
legen us und den Einfluss der Berge auf die religiósen Anschauungen im Grossen dar-
lite T ist, wie das Buch zeigt, durch seine bisherigen Studien genügend mit der
kannt, um ohne zu grosse Vorarbeiten an das Werk gehen zu können.
Rud. Virchow.
R. Yerneau. L h . P tp, Q f
Paris J es races humaines. Préface par A. de Quatretages.
500 € . B. Bailliere et fils (ohne Jahreszahl). gr. 8. 792 p. avec
et le res (Aus A. E. Brehm, Les merveilles de la nature. L'homme
U animaux.)
Weg, At der Zahl der sehr übersichtlich à verhältnissmässig billigen Volksbüch
e die Sammiu sehr übersichtlichen und ver nissmássig bi gen Volksbücher,
Werden. In ng Brehm umfasst, dürfte das vorliegende ein besonders wirkungsvolles
Me Schil de Srossen Zügen, sehr hiufig in den Worten der Beobachter selbst, giebt es
ph der M der verschiedenen Rassen und Stämme, nicht bloss der lebenden, sondern
tZtere, nach ay Milichen und der fossilen, iiberall erliutert durch Text- Abbildungen.
t derjenigen im Tour du monde ausgeführt, gehören nicht zu den Glanz-
14 Besprechungen.
punkten des Werkes, da sie im Ganzen, namentlich aber in den Abbildungen der nackte?
Theile der Menschen, zu dunkel und schmutzig sind, um einen vollen Eindruck zu machen
Trotzdem bilden sie eine werthvolle Beigabe, da sie zu einem grossen Theil nach Photo
graphien des Muséum d'histoire naturelle und sonst nach neu heimgebrachten Photo”
graphien der Reisenden gemacht worden sind. In Beziehung auf den Text hebt Herr
de Quatrefages, der eine sehr eingehende Vorrede geschrieben hat, die Selbständigkeit
seines Prüparators hervor, und in der That zeigt der letztere öfters Bedenken, wo sel?
Meister bestimmte Urtheile aussprach, und umgekehrt. Aber der Unterschied ist nicht
gross; die Urtheile des Meisters werden doch gewöhnlich wörtlich eitirt, und die Kritik
namentlich die deutsche, bleibt dagegen machtlos, denn entweder kennt der Verfasser sie
nicht, oder er erwähnt sie wenigstens nicht. Die Rasse von Canstatt erscheint genau m
der alten Weise, gleichsam als würe die vernichtende Kritik über den „Schädel von Can
stadt“ niemals vorgekommen; nur darin liesse sich vielleicht eine Nachwirkung erkenne)
dass die race de Canstadt nicht bloss mit der race du Néanderthal identifieirt, sonder?
schliesslich in die race de Spy verwandelt wird, weil sowohl der Schädel von Canstatt
als der aus dem Neanderthal „schlecht datirt“ seien (p. 52). Dagegen hält der Verfasser
mit Bestimmtheit trotz aller Gegenbeweise daran fest, dass die von Hm. Capellin!
geschilderten Balaenotus-Knochen vom Monte Aperto Einschnitte menschlicher Werkzeug?
tragen (p.97), dass die Feuersteine von Thenay und Otta Produkte des tertiáren Mensche?
sind, u. s. w. Die Krone dieser wiederküuenden Darstellung bildet der kurze Abschnité
über die Prussiens (p. 657), der mit den Worten beginnt: C’est avec intention que j^
omis de citer les Prussiens parmi les Allemands du Nord. Comme le disait si bien
M. Godron, les habitants du Mecklembourg, de la Poméranie, du Brandebourg et de Ja
Silésie ,ne sont ni des Allemands, ni des Slaves; ils sont Prussiens*. Und mit Zuversicht
fügt er hinzu: M. de Quatrefages, qui a fait de cette question une étude spéciale, a publié
en 1811, le résultat de ses recherches sur la Race prussienne. Ses conclusions concordent
avec celles de M. Godron. Les Prussiens sont le résultat du mélange de Finnois, de Slave#,
de Germains et de Français émigrés à la suite de la révocation de l’édit de Nantes
Chacune de ces races a apporté sa part au fond commun. So erwuchs auf einem ul”
dankbaren Boden und unter einem rauhen Himmel der Prussien: À cette école l’intelligenc®
grandit, les volontés s’affermirent, les courages se trempérent comme les corps; mais
aussi les coeurs s’endurcirent, l’ambition se développa, et la réligion elle-même prit troP
souvent un caractère sauvage. Ce ne fut plus le Dieu du Christ, le père commun, qué
lon invoqua, ce fut Jéhovah le vengeur. Wie es scheint, meint der Verfasser den Goth
der Antisemiten. Sollte Hr. de Quatrefages in der That noch immer glauben, das
das Wissenschaft sei? Sicherlich wird er aber den Adepten des Museums nicht von seine?
Rockschôssen abschütteln kónnen. Rud. Virchow.
M. Hofler. Der Isar-Winkel, ärztlich-topographisch geschildert. Münche?
1891, Ernst Stahl sen. 8. 280 S. mit Tafeln und eingedruckten Tllu-
strationen.
Der Verfasser, Bezirksarzt in Tôlz, schildert in hôchst eingehender und fast ängstlich
genauer Weise die geologischen und. orographischen Verhältnisse seines Bezirkes, er bring!
eine topographische Beschreibung der einzelnen Ortschaften mit ihrer Bevölkerung, er
bespricht das Klima und die Witterung, die Quellen und Wasserlàufe, giebt in ausfübr”
lichster Weise die Statistik, genug er liefert ein mustergültiges Handbuch der Loca”
Anthropologie. Er schildert die Einrichtung der Flur und des Hauses (S. 57), die Abr
stammung der Bevölkerung (S. 144), die Augen-, Haut- und Haarfarbe (S. 146), die Schädel“
bildung (S.155) und das sonstige kórperliche Verhalten der Bewohner (S. 161), namentlich
Kropf und Cretinismus. Es mag hervorgehoben werden, dass die Zahl der Brachycephale?
97,5 pCt. beträgt, und dass der Verfasser aus seinen Untersuchungen den Einfluss 4¢°
Bodens als einen starken Factor in der Umbildung der menschlichen Organisation nach”
zuweisen. bestrebt ist. Jedenfalls muss man ihm dankbar sein für seine gewissenhaft®
Arbeit. Rud. Virchow.
40
r
ZEITSCHRIFT
FÜR
ET OLOGIE
| | '
Organ der Berliner Gesellschaft
Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.
Redactions - Commission:
A. Bastian, R. Hartmann, R. Virchow, A. Voss.
Dreiundzwanzigster Jahrgang. 1891. — Heft IV.
Mit Tafel III bis X.
BERLIN.
VERLAG VON A. ASHER & Co.
für
1891
Es wird gebeten, Geldsendungen für die Berliner anthropologische Gesellschaft, ins"
besondere Beiträge der Mitglieder, an den Schatzmeister, Hrn. Banquier W. Ritter, SW.
Charlottenstrasse 74/75, dagegen an das Bureau der Gesellschaft, SW. Koniggritze!”
strasse 120, im Kgl Museum für Völkerkunde, alle anderen geschäftlichen Mittheilunge?
zu adressiren, 7. B. Anmeldungen neuer Mitglieder, Adressenveründerungen, Reclam"
tionen (wegen nicht erhaltener Hefte der Zeitschrift oder Nummern des Correspondenzblatte*
der Einladungen zu den Sitzungen, der für die correspondirenden Mitglieder bestimmten
Sitzungsberichte oder der Sonderabzüge von Mittheilungen), Zusendungen an die Bibliothek
der Gesellschaft, Correspondenz. betreffend Austausch von Zeitschriften u. A.
Bei Anmeldung neuer Mitglieder ist ausser Angabe der Wohnung auch die Angabe des
Yornamens wünschenswerth und behufs Vermeidung von Irrthümern auf correcte Schrei“
bung der Zunamen zu achten. Letzteres gilt auch für die Anzeige von Adressenverinderung®®
Nur diejenigen Reclamationen wegen fehlender Hefte oder Nummern von Schrift’
welche sogleich nach Eingang der nächstfolgenden Nummer angebracht werden, könne?
mit Sicherheit erledigt werden. ©
Inhalt.
m geit?
VII. Zur Maya-Chronologie (mit 13 Zinkogr.) von Prof. Dr. E. Fórste-
mann in Dresden . . . . 14
VII. Beiträge zur Anthropologie der Papua von Dr. O. Schellong
zu Kônigsberg i. Pr. (Mit 5 Zinkogr. und Taf. IH—VI) . 156
Besprechungen: ;
Abhandlungen zur Landeskunde der Provinz Westpreussen. Heft I. Angels D "
Grüberfeld zu Rondsen. Graudenz 1890. Heft II. Lissauer, Alterthiimer der Brom,
zeit in Westpreussen. Danzig 1891. S.231. — Richard Klebs, Aufstellung und Kat? en
des Bernstein-Museums von Stantien und Becker, Königsberg i. Pr. Nebst einer ku.
Geschichte des Bernsteins. Kónigsberg 1889. S. 232. — Georg Jacob, Welche Hand
artikel bezogen die Araber des Mittelalters aus den nordisch-baltischen Ländern? Berre
1891. Ein arabischer Schriftsteller aus dem 10. oder 11. Jahrhundert über deutsche Sta is.
Berlin 1890. S. 233. — Alex. Bertrand, Nos origines. La Gaule avant les Gauls
Paris 1891. S. 234. — Moriz Hoernes, Die Urgeschichte des Menschen nach 936-
heutigen Stande der Wissenschaft. Lief, 1—12. Wien, Pest und Leipzig 1891. 5 don.
— Paul Kohlstock, Aerztlicher Rathgeber für Ostafrika und tropische Malariagege*
Berlin 1891. S. 236.
Verhandlungen der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschicht®”
Sitzung vom 21. März 1891 (Schluss), Xiphodymie, R. Virchow 8.369. — Die i.
Azteken und die Chua. R. Virchow 8S. 370. R. Hartmann S. 870. — Zim elt.
R. Hartmann S. 371. — Spuren vom Einfluss Indiens auf die afrikanische Volker des-
Merensky S. 377. Virchow S. 380. — Zürich und das schweizerische Lab or)
museum. Heierli S. 380. — Skelette und Schádel aus schweizer Grübern. (2 Zink?
Heierli S. 380. R. Virchow 8.982. — Geheimbünde der Küstenbewohner Nord er
America’s (8 Autotypien). J. Adr. Jacobsen S. 383. — Das Kochen der In pse?
an der Nordwestkiiste America’s und die Abnutzung ihrer Zähne. Ph. Jaco
9.395, R. Virchow S. 396. — Eingegangene Schriften. S. 396. aper Y
Sitzung vom 18. April 1891. Rückkehr des Hr. v. Luschan S. 397. — L- M gi
S. 397. — Neue ordentliehe und correspondirende Mitglieder. S. 897. — . jgteP
Dieffenbach T S. 391. — Deutscher anthropologischer (Kônigsberg-Danzig); Cor
nationaler prähistorischer und zoologischer (Moskau) und Amerikanisten- (Huelv8) oat
gress. S. 397. — Freie photographische Vereinigung K. Bock S. 898. — Goldb aus
von Rosenthal. Olshausen S. 898. — Bearbeitete Knochen und Geweihstl? sthar®
Grimme, Kr. Prenzlau. R. Buchholz, Nehring, R. Virchow 8. 399. — Ko eke
Perlen der Basutho in Transvaal. (15 Zinkogr.) M. Bartels 8.399. — Degensy poko
Heinicke (Benidelli. Hans Virchow S. 401. — Bronzeschmuck von AltS o d
Kr. Stargard, Pommern. (3 Zinkogr.) Schumann 8. 405. — Ueber debe ers
früheren Zeiten (Pferdeschmuck, Adlerstein u. s. w.). (2 Zinkogr.) v. Chling Ui rho
Berg S. 407. — Stüdtische Geldbewilligung für das Trachten-Museum. | Es. eit de
S 409. — Geschenk des Alterthumsvereins zu Mannheim 8.409. — Aebnlib por?
schleswigschen Bauernhöfe mit Gebäuden der mittleren und älteren Zeit. chaise
8.409. © Volksbibliothek in Wels, Oesterreich. Laurencak S. 410. — AT ggpit*
Gräber bei Syracus mit eigenthümlichem Geräth von trojanischem Muster un 5)
(Fortsetzung auf der dritten Seite des Umschlag
von Megara Hyblaea. (Autotypie mit 7 Figuren und 3 Holzschnitte.) P. Orsi S. 410.
R. Virchow S. 411. — Principien der metrologischen Forschung und das ptolemäische
System. C. F. Lehmann S. 414. — Verhandlungen des VIII. russischen Archäologen-
Congresses in Moskau 1890. Grempler S. 414. — Abguss eines Elchhorn- Instruments
mit gezähnter Schneide aus Osswitz, Breslau. Grempler S. 425. E. Krause,
Olshausen S. 426. — Goldfund aus Schlesien. Grempler S. 426. — Burgwall von
Heidevorwerk, Kr. Wohlau. Grempler S. 427. — Schädel aus schlesischen Gräber-
feldern. Grempler, R. Virchow $. 491. — Heteradelpher Inder Laloo. R. Virchow
S. 498, — Eingegangene Schriften. S. 481.
Sitzung vom 30. Mai 1891. Richard Schomburgk, Niendorf, Sokolowsgy, Handelmann +
S. 483. — Tischlers Erkrankung, Verlegung des anthropologischen Congresses nach
Danzig. S. 488. — Jubiláum von Beyrich S. 433. — Rückkehr des Hrn. Bastian
S. 433. — Reise des Hrn. Jagor S. 4838. — Neues Mitglied und Gäste, S. 438. —
Sachverständigen-Commissionen des Museums für Völkerkunde. S. 434. — Congresse
S. 434. — Geographische Section der Gesellschaft der Freunde der Naturwissenschaften
zu Moskau. S.494. — Amerikanistische Ausstellung zu Madrid. S. 434. — Geschenk
des Werkes über die Forschungsreise der Gazelle. S. 484. — Sendungen des Unter-
richtsministers. S. 434. — Die ostpreussischen Lippowaner. E. Lemke $8. 434. —
Bandweben in Ostpreussen. E. Lemke S. 435. — Weihnachtsbäume. Ernst Krause
S. 435, — Eingeborne der Philippinen. Blumentritt S. 436. — Kopfmessungen an
Tungusen. O. Hertz S. 486. — Wiederauffindung des Romercastelles (Munitium) im
Lande der Chauken. v. Stoltzenberg S. 488. — Volksthümliehes aus Rügen
W. Schwartz S. 445. — Prihistorische Funde aus Ketzin, Ost-Havelland. (4 Zinkogr.)
W. Schwartz S. 457. R. Virchow S. 459. — Zeusbild aus Ilium. (6 Zinkogr.)
Krause-Gleiwitz S. 463. — Das früheste Vorkommen arabischer Zahlenzeichen in
Deutschland. (2 Schriftproben.) Mehlis S. 464. R. Virchow S. 465. — Neue
Slavengräber bei Sobrigau, Königr. Sachsen. Theile S.465. R. Virchow S. 466. —
Freiliegende neolithische Skeletgráber von Glasow bei Locknitz, Pommern. (1 Zinkogr.)
Schumann S. 467. — Blutstein von Reichenhall. (2 Zinkogr.) v. Chlingensperg-
Berg S.469 — Nachtigal's Büste in Stendal. W. Reiss S. 469. — Photographische
Aufnahmen in Hissarlik. Ehrenreich S. 469. — Frühreifes Mädchen aus Berlin.
B. Virchow S. 469. — Urnenfeld bei Münchehofe, Berlin. Giebler S. 470. — Fett-
steissbildung beim Menschen und gewissen Säugethieren, Fettbuckel der Zebu und
Kameele. R. Hartmann S. 470. — Neue Feuersteingeräthe aus Aegypten und Mr.
Flinders Petrie's neueste Forschungen. (Hierzu Taf. VII—X. W. Reiss S. 474.
R. Virchow S8. 418. — Lappen. R. Virchow S. 418. — Eingegangene Schriften
S. 480.
Sitzung vom 20. Juni 1891. Otto Tischler 4 S. 483. — Berufung des anthropologischen
Congresses nach Danzig 8. 484. — Raschkow +, Escher-Züblin t S. 484. — Neue
correspondirende Mitglieder S. 484. — Nachtigal-Denkmal in Stendal S. 484. —
Excursion nach der Altmark S. 485. — Jahresversammlung der Niederlausitzer Ge-
sellschaft S. 485. — Geographischer Congress in Bern S. 485. — Ethnologische afri-
kanische Ausstellung S. 485. — Reise des Dr. Steinbach S. 485. — Altmexikanischer
Federschild in Ambras. Frau Zelia Nuttall S. 485. — Silberring zum Bogenspannen.
(2 Zinkogr.) R. Virchow $8. 486. — Pommersche Skeletgräber der Steinzeit von
Casekow und Oberfier. Schumann S. 487. — Reise nach dem Negeb. Bracht
S. 490. — Ausgrabungen von Sendschirli, v. Luschan, Koldewey S. 490. — Zeit-
schrift ,Süd-Amerika* 8. 490. — Geknüpfte und mit Thierfiguren besetzte Bronze-
ringe. (6 Autotypien u. Holzschn) R Virchow S. 490. — Das dänische Haus in
Deutschland. (3 Holzschn.) M. Uhle S. 493.
Nachrichten iiber deutsche Alterthumsfunde. Nr. 4.
Rheinische Funde. I. Aus dem Bericht der Verwaltung des Provincial-Museums zu
Bonn 1890—91. S. 49. IT. Aus dem Bericht der Verwaltung des Provincial-Museums zu
Trier 1890— 91. S. 51. — Schanzen in der Provinz Posen. 1. Die Schwedenschanze bei
Baranowo A, Kr. Strelno. $. 52. 9. Die Schwedenschanze bei Lubin, Kr. Tremessen.
S. 53. — Weitere Funde bei der Ausgrabung des Nord-Ostsee-Kanals in Holstein. 8. 56.
= Qrüberfelder bei Tschammer-Ellguth und Adamowitz, Kr. Gr.-Strehlitz, Schlesien.
8. 56. — Prähistorische Fundstellen in Westpreussen und dem östlichen Pommern.
S.57. — Die Burgwälle von Stangenhagen, Kreis Jüterbogk. Luckenwalde, und Zauchwitz,
Kreis Zauch-Belzig, Prov. Brandenburg. (1 Zinkogr.) 8. 60. — Bronze-Fund von Berlin.
(2 Zinkoer.) S. 64.
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Diesem Hefte ist ein Prospect der Verlagsbuchhandlung Richard Bertling !? pers?’
über die Mayahandschrift der Königl. öffentlichen Bibliothek zu Dresde?»
gegeben von E. Fórstemann, beigefügt.
vx
Zur Maya- Chronologie
von
Prof. Dr. E. FÓRSTEMANN in Dresden.
e] der bisherigen Lehre vom Maya-Kalender finden sich einige un-
gun e oder anstóssige Punkte, für die man eine Erklärung oder Berich-
an d suchen muss. Ich führe diese Punkte hier, mit Nummern versehen,
> "Um mich auch weiterhin auf diese Nummern beziehen zu können.
die N Die Reihe der 90 Tage soll entweder mit imix beginnen, wofür
PL im Aztekischen, sowie mehrere Stellen im Tro- Cortesianus
Digg des oder mit kan, welche Ansicht sich auf das ausdrückliche Zeug-
9 $ Diego de Landa, sowie auf den Dresdensis gründet.
im Jah Alle Berechnung grosser Zeitperioden soll nach meiner eigenen,
Sehen Te 1887 aufgestellten Hypothese vom 8. Tage des 18. Monats aus-
Tageqs Was ist der Grund einer so hervorragenden Stellung dieses
Vom 5 L ie Zählung der 24jährigen Perioden, der ahau's, soll beginnen
4 "E der eauac-Jahre. Wie mag dieser Tag dazu kommen?
deutun er Tag XIII 20 hat im Dresdensis entschieden eine grosse Be-
260 To In solchen Fällen, wo es sich nicht um eine Periode von
Sonn. handelt, sondern um ein in 4 Viertel von je 91 Tagen getheiltes
5, Du Wie erklärt sich diese Bedeutung in diesem Falle?
Wechse] le Blitter 25—28 des Dresdensis, die ganz entschieden den Jahres-
letzten a Gegenstande haben, sollen, genau genommen, nur die beiden
blogg dieses unglücklichen Schalttage am J ahresschlusse behandeln. Warum
ich "i Kalenderdaten haben die Form z. B. III, 2; 13, 3. M, was
dep 13.7 re 1887 so deutete: der 3. Wochentag chicchan, auf welchen
begriing ag des 3. Monats folgt. Habe ich auch diese Auffassung zu
Wie a qu so haftet ihr doch immer etwas Gezwungenes an.
Ich bina das beseitigen?
Ende des 15 un vor Kurzem auf die Annahme gekommen, dass man am
babe, die da oder Anfang des 16. Jahrhunderts die Unordnung bemerkt
Tagen nr entstanden war, dass man das Jahr nur zu 365 ganzen
Möglich "n In früherer Zeit ist solche Unordnung vielleicht gar nicht
Zeitachrife gg, Coma denn damals wird man wohl gar nicht das Sonnenjahr,
le, Jahrg. 1891.
/IT.
11
E. FÖRSTEMANN:
sondern nur die Zeit von 260 Tagen, das tonalamatl, vielleicht auch eine
Periode von 400 (20 x 20) Tagen der Zeitrechnung zu Grunde gelegt
haben. Um nun jene Unordnung zu beseitigen, denke ich, man habe
wie es auch ähnlich von anderen Völkern geschehen ist, 17 Tage ein”
geschaltet und statt des Tages imix, der bis dahin die Tagesreihe began!
den verflossenen Tag kan und die folgenden Tage noch einmal eintrete?
lassen. Auf jener älteren Anordnung beruhen nun die Spuren im "Tro
Cortesianus, z. B. Cort. 31a, Tro 36, mag dieser nun älter sein als der
Dresdensis (was man mir brieflich micht zugeben will) oder aus eine
älteren Handschrift abgeschrieben oder in einer anderen Gegend entstande?
sein, die hierin noch der aztekischen Weise folgte. Landa aber, der
jedenfalls von seiner Zeit sprach, ist vollkommen glaubwürdig, wenn 67
kan als 1. Tag setzt, zumal der Dresdensis diesem Tage den Vorrang
giebt; ich erinnere nur an die höchsten Zahlen dieser Handschrift, die iP
den Schlangen auf Blatt 61 und 62, die alle 8 von einem Tage, kan, au?
gezählt sind. So erkläre ich mir die oben angeführte Nr. 1.
Weiter aber erklärt sich nun auch sehr einfach die Nr. 2. Denn jener
8. Tag des 18. Monats, von dem alle Zeitrechnung ausgeht, war ja vor der
Kalender-Verbesserung der 25., also der letzte Tag des 18. Monats und
damit des ganzen Jahres, wenigstens alle 4 Jahre. Die Maya’s zählte»
also, wie viele Tage seit ihm, als dem Nullpunkte, verflossen waren. Die
Jahre, welche auf ein mit ahau schliessendes Jahr folgten, fingen gan?
passend mit imix, dem ersten Tage der Reihe, an, die anderen mit cim
chuen und cib (nach meiner Bezeichnung 3, 8, 13). Es wäre anziehen,
wenn man auch bei diesen 3 Tagen die Spuren einer einstigen hervor
ragenden Bedeutung entdeckte; man beachte z. B. Cort. 18b bis 18b, WO
4 Reihen von je 52 auf einander folgenden Tagen gerade mit diese?
4 Tagen (jede mit einem derselben) beginnen.
Nun erhált auch Nr. 3 ein neues Licht. Nach diesem Anfangspunk?
aller Zeitrechnung, diesem letzten Tage der mit cib beginnenden Jahr®
wurde die dann beginnende 24jährige Periode (die zugleich die Period?
von 15 scheinbaren Venusjahren war) stets gezählt. Der 4 ahau z- P
beginnt mit dem Jahre 5 imix und jeder ahau so mit diesem ersten Tag?
bis durch Einschub der 17 Tage Alles verschoben wurde. Es sieht wie
eine Milderung dieser schroffen Umwülzung aus, dass statt des imix, de®
Maisbrotes, sein Synonymum kan, das Maiskorn, gesetzt wurde, dere?
beide Hieroglyphen sich in den Handschriften unzählige Male eng V€7
bunden zeigen.
Während so die ersten 3 Punkte durch meine Annahme einer Kalender”
Verbesserung sich erklären, geschieht es in Bezug auf die drei andere?
durch einen Gedanken des Hrn. Dr. Seler, den derselbe mir brieflic
am 21. December 1890 äusserte. Derselbe schreibt mir nehmlich, dass
nach seiner Ansicht im Dresdensis die Jahre nicht mit kan, mulue, ix und
142
Zur Maya-Chronologie. 143
€ sondern mit akbal, lamat, ben und ezanab beginnen; die Schluss-
Mani er Jahre miissen also nun, nach der Kalender-Verbesserung, ik,
Le x eb und caban sein. Als Haupttage gelten aber immer noch kan
tage ; und die Jahre werden nach dem darin zuerst begegnenden Haupt-
Cort go eno. Als deutliche Haupttage treten sie z. B. hervor im
da bis 6a, "Tro 33e bis 32e, Tro 23 bis 20, Dresd. 9b, 29c.
(dg Fällt ein neues Licht zunichst auf Nr. 4. Der Tag XIII 20
Reihe , worm sich die höchste Wochentagezahl mit dem letzten Tage der
Teng pro bindet, ist nichts Anderes, als der Neujahrstag der Jahre 1 kan.
die erioden zu 91 Tagen sind also, zu je 4 geordnet, die 4 Mal 91 Tage,
im den Tag XIII akbal folgend, das Jahr 1 kan ausfüllen, so z. B.
A Blatt 32 und 64. In der an dieser letztgenannten Stelle
ihre, !chen Reihe sieht man recht deutlich die Bedeutung des Sonnen-
für à betont. durch die ganz eigenthümlich feierlich gestalteten Zeichen
des ? Null im vierten und achten Gliede der Reihe, also am Schlusse
“sten und zweiten Jahres.
"A erledigt sich auch, wie schon Hr. Dr. Seler selbst mir schreibt,
letzten Th Nr. 5. Denn nun sind im Dresdensis 25 —28 nicht die beiden
und à age des Jahres, sondern viel natürlicher der Schlusstag des alten
Dr. Sel Neujahrstag des neuen Jahres behandelt. Ich muss es Herrn
Schrift, or überlassen, seine Ansicht durch Bespreehung der Bilder und
E éichen zu bestätigen.
M9. bou gestaltet sich auch Nr. 6 mehr zufriedenstellend. Denn nun heisst
folg, : 9. M. nieht mehr 3 chiechan, worauf der 13. Tag des 3. Monats
Das Non ern viel einfacher, welches der 13. Tag des 3. Monats ist.
deg 18 Mat IV ahau, 8, 18. M. liegt also nun wirklich am 8. Tage
nach ie Onats, und zwar, wie ich immer annahm, im Jahre 9 ix, das aber
Es s neuen Ansicht. mit 8 ben begann. |
aus ei nun nahe, von dem festen Punkte der Zahlen und Rechnungen
Suchen. êre Eroberungen auf dem Gebiete der Schriftz eichen zu ver-
Begrifg, " Düchsten aber liegt diesmal die Umschau nach Bildern für die
Jahres es Jahres, des Jahreswechsels, des Jahresanfangs und des
Boi, ^ sss. Wie die Sehlangenbilder überhaupt eine unleugbare
für das N Zu Zeitràumen haben, so scheint mir das vollkommenste Bild
Kine 80] e eine Schlange zu sein, die einen geschlossenen Ring bildet.
die Za © Schlange finden wir im Cort. 3a und in sie hineingeschrieben
Cort. 4a > Welche ich durch die 18 Monate deuten möchte. Auch im
18, So ue 6a begegnet man stets einer Schlange mit beigeschriebener
Jahren denk man hier auf diesen 4 Blättern leicht an die 4 Arten von
2 .
tou Slaube ich ein sehr vollkommenes Bild des Jahreswechsels
dem Rücken haben, und zwar im Dresd. 68 links oben in den zwei mit
© Sgen einander gelehnten Gôtterbildern, die auf einer Reihe
11°
144 E. FÖRSTEMANN:
von Himmelszeichen sitzen, welche fast wie Dach und Wand eines Hauses
geordnet sind. Dieses Bild aber gehórt zu einem grossen Absehnitte
welcher auf Blatt 65 beginnt und mit der linken Seite von Blatt 69 schliesst
Ich muss hier auf diesen Abschnitt etwas näher eingehen, als ich es in
meinen „Erläuterungen“ (Dresden 1886) konnte.
Den eigentlichen Kern dieses Abschnittes bilden 4 Reihen zu 91 Tagen,
also ein Jahr; die nähere Erklärung dazu besteht aus 6 Reihen Schrift-
zeichen und 26 Bildern. Nun, da ich glaube, die oberste, fast ganz zer”
störte Reihe aus den noch übrigen Spuren ergänzen zu können, lese ich
diese 4 Reihen in folgender Weise:
9 XII, 5 IV, 1 V, 10 II, 6 VIIL 2 X, 11 VIIL, 7 IL, 3 V, 12 IV, 8 XIL, 4 IT, 13 In.
11 I, 13 L, 11 XII, 1 XIII, 8 VIII, 6 I, 4 V, 2 VIL, 13 VIT, 6 XIII, 6 VI, 8 I, 2 HT.
11 XI, 13 XL, 11 IX, 1X, 8 V, 6 XI, 4 IT, 2 IV, 18 IV, 6 X, 6 III, 8 XI, 2 XII
9 IX, 5 L, 1 II, 10 XII, 6 V, 2 VII, 11 V, 7 XII, 3 IL, 12 L, 8IX, 4 XTII, 13 XIII.
Die Betrachtung dieser 4 Reihen zeigt, dass jede derselben mit ihrem
Ende sich ganz gut wieder an ihren eigenen Anfang anschliesst, dass aber
auch vom Ende der vierten zum Anfang der dritten und ebenso vom Ende
der zweiten zum Anfang der ersten guter Anschluss stattfindet, ebens?
auch umgekehrt vom Ende der dritten zum Anfang der vierten und vom
Ende der ersten zum Anfang der zweiten. Dagegen stehen die zweite
und dritte Reihe in keiner solchen Verbindung.
Nun sehen wir ferner, dass der Endpunkt der ersten beiden Reihe”
ein Tag ITI, der letzten beiden ein Tag XIII ist. Was liegt da näher,
als an die beiden Tage III 2 und XIII 20 zu denken, die auf Blatt 692—864
von so grosser Bedeutung sind? Dann zeigt sich unser Abschnitt (Blatt
65—69) wie eine Einleitung zu jenen Blättern, und es tritt wieder ein
Stück unserer Handschrift in Harmonie mit einem anderen.
Jede Reihe ist, wie wir sehen, in 13 Zeitráume zerlegt, deren Durch-
schnittsdauer also die von 7 Tagen ist; die 4 Reihen bilden daher 52 Zeit
räume. Nun finden wir auf diesen Bláttern 26 Bilder; es bleibt also die
Hälfte jener Zeiträume anscheinend ohne Bild. Von den Bildern stehe?
18 zwischen der zweiten und dritten, 13 unter der vierten Reihe, doch
wohl nur in Rücksicht auf symmetrische Anordnung der Blätter.
Weiter zeigt sich aber, dass, wenn man oben mit der ersten Reih?
anfängt und zur zweiten fortschreitet, unten dagegen mit der vierte?
beginnt und daran die dritte anschliesst, beide Reihen ganz gleichmássi£
verlaufen und die mit arabischen Ziffern bezeichneten Zwischenrüunt
zwischen den einzelnen Tagen ganz dieselben, beide Reihen also ge
wissermaassen identisch sind, und deshalb die 26 Dilder unter Umstünde?
für beide Reihen, also für alle 52 Zeitabschnitte gelten kónnen, obwohl
die Anfangspunkte verschieden sind. Doch will es mir scheinen, als ob
Bilder sowohl als Schriftzeichen sämmtlich nur auf die unteren beide?
Reihen. also auf den wichtigeren der beiden Tage (XIII 20), sich beziehe?-
Zur Maya- Chronologie. 145
Seg steht auf Blatt 65 am Anfange (links) der untersten Reihe der
übri zeichen 9 kan. Sollte das nicht das hier gemeinte Jahr sein, das
kp s Jielleicht nicht zufällig das mittelste eines mit 9 ix beginnenden
liner oo Im Jahre 9 ix scheint ja, wie ich im Compte rendu des Ber-
Ma à 7, canisten- Uongresses p- 742, dargethan habe, der Anfang der
dor eitrechnung zu liegen. Der Tag XIII 20 aber ist im Jahre 9 kan
eine Tag des 11. Monats (nach der neuen Annahme, dass 9 kan der
Zahl Tag des Jahres ist); das wire der Anfangspunkt der vierten Reihe.
fort Man nun in dieser vierten Reihe mit den Differenzen 9, 5, 1 u. s. w.
beginnt endet sie mit dem 12. Tage des 15. Monats, und die dritte Reihe
Reo mit dem 3. Tage des 16. Monats. Das neunte Glied dieser dritten
L Me Wäre der 21. Tag des 18. Monats, das zehnte der 2. Tag des
Und nats, also der dem neuen Jahre den Namen gebende Tag 10 muluc.
bild. po an dieser Stelle (Blatt 68, links oben) treffen wir jenes Janus-
den q; nd um diese Bedeutung noch klarer hervorzuheben, stehen über
denke Ottern 2 Zeichen, die einer liegenden 8 (oo) sehr ähnlich sind. Ich
Bellas das ist die hieroglyphisehe Abkürzung für 2 an einander stossende
ist das n also 2 Jahre. Und unter den darüber stehenden Schriftzeichen
Wie de, erste in der obersten Zeile nichts als die graphisch abgekürzte
Tgabe der 2 sich an einander lehnenden Personen (Fig. 1). Rechts
- a 4 3 5 6 8
ruo. Hal) al GE
8 uode ts og:
ve Oo °O (o-- o os
À m 2
eo £2)
| (M? v9 7 €
à | 10 11 12 ME
ay :
"i "ma finden wir ein sehr zusammengesetztes Schriftzeichen, dessen
auf festos wieder jener liegenden 8 sehr ähnlich ist. Ich hoffe, dass wir
Oben recht Boden stehen. Ja, sogar das vorhergehende 9. Bild (Blatt 67,
Gott, in 2 kónnte auf den Jahresschluss deuten; es ist ein schreitender
Seschlossen hen Fiissen eine kleine Gottheit wie in einem Sacke ein-
Sekro Hegt, also vielleicht das alte und das noch nicht aus dem Ei
"an Junge Jahr.
forty cies neue Jahr ein muluc-Jahr ist, scheint mir auch aus dem
aus dem Emden Regen des 10. bis 13. Bildes hervorzugehen, ebenso
"IScheinenqe em 11. Bilde und in dem dazu gehörigen Schriftzeichen
Blitathiore ve uns aus Dresd. 44—45 besonders bekannten Sturm- oder
"ruck ogy. ergl. Seler, diese Zeitschrift 1888, S. 68 und 69 des Separat-
Zwei an dieser Stelle vorkommende Gebilde können wir auch noch
. 4 n5
c &
> Le
14) E. FÓRSTEMANN:
an anderer Stelle dieser Handschrift sehen. Zunächst die beiden, Rücke?
gegen Rücken sitzenden Gestalten auf Blatt 22, unten rechts, als letzte
der oberen Reihe von Schriftzeichen. Hier ist deutlicher, als an der ebe?
besprochenen Stelle, zu sehen, dass sie statt der Kópfe 2 halbe (auf- oder
untergehende) Sonnen haben. Dass hier wirklich ein Jahreswechsel vor”
liegt, kann ich nicht entscheiden, da mir bisher nicht gelungen ist (w#®
ein sehr bedeutender Sehritt vorwürts würe), das Kalenderdatum des An*
fangs der verschiedenen tonalamatl der Handschrift zu ergründen. Ein?
solche, wie es scheint, ganz unbekleidete Person dieser Form begegnet
uns in der Handschrift ofters, z. B. auf Blatt 58 rechts, sogar mit dem
Kopfe. nach unten, neben einem Venusbilde, auf Blatt 57b und 58b. Auch
wenn hier gar nicht Personen, sondern Wolkengebilde gemeint sind, hinter
denen ein Gestirn auf- oder untergeht, wird meine Deutung auf den
Jahreswechsel dadurch nicht berührt. Nachtráglich sehe ich, dass Dr. Seler:
Oharakter der Maya-Handschriften, S. 9 des Separatabdruckes, wirklich
hierin Menschenbilder sieht.
Mit der im Sacke eingeschlossenen Gottheit kônnte man das Bild
links auf Blatt 33c vergleichen, doch ist hier zu berücksichtigen, das$$
Dr. Seler, Charakter der Maya- Handschriften, S. 88 des Separatabdruckes
hierin wohl mit Recht die Hôhlung eines Baumes (des Wolkenbaumes)
erkennt.
Eine andere Art der Bezeichnung des Jahresschlusses móchte ich auf
Blatt 53, unten, der Dresdener Handschrift, auf die ich mich hier be”
schrinken muss, erblicken. Dort sehen wir eine todte Frau an einem
Strick erhängt, der an Himmelszeichen befestigt ist. Ueber ihr stehe?
8 Schriftzeichen zu je vieren in 2 perpendiculären Reihen. Das 3. Schrift
zeichen der 2. Reihe zeigt in der Mitte wieder das einer 8 ähnliche Gebilde
diesmal in aufrechter Stellung; in dem rechts davon angehüngten Zeiche?
sehe ich die abgekürzte Hieroglyphe für den Westen oder die ix-Jahr®
(s. Schellhas, Die Maya-Handschrift zu Dresden, 1886. S. 10); in dem
links angefügten aber nicht das erwartete Zeichen für den Norden, sonder?
einen menschlichen Arm, wie eine Andeutung jener Frau. Sollte nicht
die hängende Figur die Wassergöttin Xnuc sein und das Ganze den Tod
oder das Ende eines muluc-Jahres, den Anfang eines ix-Jahres, bedeuten?
Wahrscheinlich ist 13 mulue und 1 ix gemeint, doch ist das nicht gan”
sicher, zumal da die periodische Reihe, die sich aus 54 x 177, 9 x 148 und
6X 178 Tagen wunderbar zusammensetzt, mir jetzt noch grosse Schwierl8”
keiten macht. Vergl. übrigens eine andere Auffassung der erhängte”
Frau bei Schellhas, ebendaselbst S. 45.
In beiden, ausführlicher besprochenen Stellen (Blatt 68 und 53) sehe?
wir das einer oo àühnelnde Zeichen, und dieses müssen wir noch weiter
betrachten. . Auf Blatt 2b links finden wir es sogar ganz deutlich als
Kopfschmuck eines Gottes, ob aber auch hier mit Bezug auf den Jahre?
'e
Zur Maya- Chronologie. 147
ML bleibt ungewiss. In anderen Stellen glaube ich, dass das Zeichen
stel) oe blosse Abkürzung davon ist. So auf Blatt 38a rechts. Dort
Leiche as Bild den Gott mit der Schlangenzunge dar, in der Hand das
horde kan; darüber die gewöhnliche Hieroglyphe des Gottes und
deiche, em zusammengesetztes Zeichen (Fig. 3), also das hier besprochene
Verlaue mit den gewöhnlichen Punkten, die eine Bewegung oder einen
lan. ] nn on, und links davon das Zeichen für den Osten, also die
auf B re. Sollte dies das Ende eines kan-Jahres bezeichnen? Dann
Jahres att 41b rechts; darunter scheint ein neues Gótterbild (der neue
teh 2) aus einem Baume geschnitzt zu werden; unter den Sohrift-
Teich, ist das erste das des Westens, verbunden wahrscheinlich‘ mit dem
ha, des Jahresschlusses, dem wir später begegnen werden (dem Stein-
Wo vi auf dem das Gôtterbild errichtet wird). Ferner auf Blatt 52b,
teicher 1034 Tage vor jenem erhängten Frauenbilde als erstes der Schrift-
Wappen die Fig. 4 sehen; dazu gehört unten unter Himmelszeichen eine
Sofa ähnliche Figur, die in ihrem-linken Theile gelb, im rechten schwarz
hie, ei 1st, in der Mitte aber das Zeichen der Sonne trägt. Dass auch
Spiotra, Jahreswechsel gemeint sein kann, ist wohl môglich, da hierzu ein
behay Um von 178 Tagen vorhanden ist, doch mehr kann man nicht
pten.
"ien v. möchte ich nun noch auf ein anderes Zeichen hinweisen, das
also n ebenso, wie das vorige, aus der Schlange entstanden, vielleicht
Soggy auf das Jahr bezüglich ist. Ich meine die Spirale oder
igo, ie (Fig. 5) Wir begegnen ihr auf Blatt 290, sowohl bei dem
im Wars ilde, als bei dem rechts stehenden. Bei jenem finden wir sie
Über de er, zu Füssen einer schwarzen Gottheit, daneben das Zeichen kan,
Sehen wi em Krokodil liegt. Unter den darüber stehenden Hieroglyphen
Volle Zo. die abgekürzte des Ostens (der kan-Jahre), rechts darüber das
Selben chen des Westens. Und bei dem rechts sitzenden Gotte (dem-
bene. der Sehlangenzunge, doch diesmal weiss) ist Folgendes zu
in der n: Ueber dem Kopfe das Zeichen kan mit einem Fische darüber,
bunden rechten Hand eine Vogelfeder, in der linken jene Spirale, ver-
den a, den abgekürzten Hieroglyphen des Westens und Südens. Zu
Yollen. d.i stehenden Hieroglyphen gehört die des Südens, sowohl in der
Diese à. der kürzeren Gestalt.
Zu dessen paire setzt sich nun auf Blatt 30c fort. Hier hált der Gott,
Spitze nach üssen .ein "Thier erscheint, in der Linken einen Speer, die
Verbun den unten gewendet; unmittelbar darüber finden wir unsere Spirale,
In den q Int den abgekürzten Hieroglyphen des Westens und Südens.
Süden. arüber stehenden Schriftzeichen begegnet man wieder Westen und
ein e tin 3 Bildern geht nun aber, die ganze Reihe erst erfüllend,
an. Der Gott fährt hier in einem Kahne, neben seinem
14 E. FÖRSTEMANN:
Kopfe ist ein Vogelkopf abgebildet; in den darüber stehenden Schrift-
zeichen finden wir das des Nordens; die Spirale fehlt. Uebrigens ist die
Entfernung jedes Bildes von dem benachbarten 16 Tage.
Beilàufig noch die Bemerkung, dass diese Stelle 29c—30c sich un”
mittelbar an 29b— 830b, vielleicht sogar an 29a— 930a anschliesst, was zT
Erklärung beitragen könnte; doch gehört Weiteres hierüber nicht hierher-
Ganz in der Nähe dieser Gruppe, auf Blatt 33—35b, begegnet die
Spirale in einer zweiten, die hier wie dort nur das Ende einer Reihe
eines tonalamatl bildet. Auf jedem dieser Blátter sitzt links derselbe Gott
in dem Rachen einer geschlossenen Schlange; in dem Kreise, den die
Schlange bildet, findet sich Wasser und in dem Wasser jedesmal die Zahl
19 (man vergleiche die 18 in der Stelle des Cod. Cort., von der wir obe?
ausgingen). Und jedesmal enthalten die darüber stehenden Hieroglyphe?
unsere Spirale mit der Zahl 9 davor. Ich habe über die zu dieser Stelle
gehörigen Tagesreihen in meinen „Erläuterungen“ 8. 57 gesprochen.
Wir sind von der Schlange ausgegangen und unvermerkt zu ihr zurück”
gekehrt. Ich erwähne hier noch Blatt 56b, wo wir als letztes der unterste?
Reihe von Schriftzeichen wieder eines finden, das aus dem abgekiirzte?
Zeichen des Südens und einer Schlange besteht. Es ist das wieder die”
selbe Reihe, in der wir das erhängte Frauenzimmer .finden, und zwar
3484 Tage nach dem Zeitpunkte, auf den sich jenes bezieht. Habe ich
oben Recht mit der Festsetzung jenes Zeitpunktes, so bezieht sich diese!
auf ein Jahr 10 cauae, und dem Süden entspricht allerdings cauac.
Es mag hier noch erwähnt werden, dass die Schlange mehrfach geradezu
als Kopfschmuck vorkommt; so auf Blatt 9c bei einem Gotte, 15b, 208
und 23b bei einer Frau. In der dritten dieser vier Stellen sind die dazt
gehórigen Schriftzeichen verwischt, in der zweiten ist die Hieroglyphe
der Frau mit dem Zeichen^des Nordens verbunden, in den beiden andere?
finde ich nichts auf eine Zeit Bezügliches.
Wir verlassen hier das Gebiet der Schlange und kommen zu eine?
ganz anderen Zeichen, das wir vielleicht bestimmter als Zeichen des Jahres"
wechsels, nie des Jahres an sich, ansehen kónnen. Ich meine das Zeiche?
'X- oder ‘)(-, dessen Elemente natiirlich nach Maya-Weise eben so gut
vertical, als horizontal neben einander stehen können. Zeigt es den Jahres”
wechsel wirklich an, so ist es sehr natürlich, dass es meistens mit zwei
Hieroglyphen benachbarter Weltgegenden verbunden wird; bei kan-mulut
sollte man Ost-Nord u. s. w. erwarten. Doch ist gleich zu erwähnen, da®
in der Regel West-Süd vorgezogen wird, als käme es nicht darauf an, die
bestimmten Weltgegenden genau zu bezeichnen. So finden wir es auf
dem Blatte 27 in der Mitte, wo man Süd-Ost erwarten sollte.
Auf Blatt 18c sehen wir es mit diesen Weltgegenden als Hieroglyph?
einer Frau, die selbst die Zeichen West-Süd auf dem Rücken trägt. Das
tonalamatl, zu dem es gehört, beginnt mit dem Normaltage IV 17; ist
48
Zur Maya-Chronologie. 149
uem Tug wirklich das Normaldatum, der 8. Tag des 18. Monats, so
Tage, das Bild gerade auf den Neujahrstag 10 cauac fallen, denn die
sing. eihe meldet, dass 15 Tage verflossen und 33 im Verfliessen begriffen
> auch stimmen hier die Weltgegenden West-Süd.
a Blatte oben, 18a, trägt eine Frau die Zeichen der
Hände . eltgegenden, über denen wieder unser Zeichen steht, in den
tei n; die dazu gehórigen Hieroglyphen sind verwischt, aus der Tages-
© Ist nichts zu schliessen.
ie Lalonde Blatt, 19c, zeigt wieder auf dem Rücken einer Frau die
est-Süd, in den Hieroglyphen dieselben und unser Zeichen.
auch nd eigenthümlich mit dem Westen und dem Zeichen cimi verbunden,
der "m abweichend von der sonstigen Form, steht es auf Dlatt 8c in
en Reihe der Hieroglyphen.
Wir "u haben wir auch noch die Blátter 46—50 zu betrachten, auf denen
jahr, Ses Zeichen vorzüglich erwarten müssen, da hier Erden- und Venus-
Zeile o Einklang gebracht sind. Gleich auf Blatt 46 auf der untersten
17. Mop, wir es an letzter Stelle; es soll zwar hier das Datum 2,
2 dag stehen, der Schreiber aber hat zwischen die beiden Punkte der
jahr Yon mà. Kreuz gesetzt, vielleicht um anzudeuten, dass hier ein Venus-
begin, i Tagen schliesst. Und auf der rechten Seite desselben Blattes
Stelle » le vorletzte Zeile gerade wie im Anschluss an die eben genannte
Reihe aer mit unserem Zeichen; gehórt das, wie es scheint, zur dritten
kan. m2 Kalenderdaten, so trifft es allerdings auf einen Uebergang der
Die on muluc-Jahren.
begagne olgenden drei Blatter entbehren dies Gebilde, aber auf Blatt 50
Seite, or es fast an derselben Stelle, wo wir es auf Blatt 46 fanden (rechte
den His Zeichen der untersten Reihe), hier wieder in Verbindung mit
8leich sS iyphen des Westens und Südens, wo das fünfte Venusjahr zu-
deg letzt t dem achten Erdenjahre, allerdings nicht gerade am Schlusse
*ren, abgelaufen ist.
. 80 weit e
ZWischen von diesem Kreuze zwischen zwei Punkten. Der Punkt
hierher Zwei Kreuzen, der gleichfalls begegnet, scheint dagegen nicht
Kürzun "n gehóren; ein Punkt mit einem Kreuze könnte leicht eine Ab-
8 der Zahl 20 sein.
5 Wir kommen : : : ;
leh gleich 1, en jetzt zu einem weiteren Zeichen fiir das Jahr, doch, wie
fünf am oh Tke, für das alte officielle Jahr von 360 Tagen, das die
Meine die Bur eingeschalteten unglücklichen Tage nicht umfasst. Ich
Weilen noch ‘sur 6, die zuweilen noch mit drei Punkten als Suffix, zu-
Senden der Ko anderen Anháüngseln versehen ist. Ich will sie im Fol-
.— Schlager ni halber das 360-Zeichen nennen.
Sehersto n von de zunächst die Blätter 25—28 der Handschrift auf, die am
Selben links ?m Jahreswechsel handeln, so finden wir auf jedem der-
Unten statt der Steinhaufen, anf welchen am Jahresschlusse
1 E. FÓRSTEMANN:
die Jahresgótter aufgestellt wurden, dieses Zeichen. Dasselbe begegnet
auch in der Zeile Hieroglyphen, welche die zweite Abtheilung der Blätter
von der dritten scheidet, auf jedem der Blätter, auf Blatt 27 sogar 2 Mal.
Ebenso zeigt es sich in den oberen, zum Theil zerstórten Zeilen der Blätter
26—98, auf Blatt 26 sogar 3 Mal, einmal mit dem Zeichen ix und einmal
mit cauac als Präfix, und gerade dieses Blatt handelt vom Uebergang®
der ix- in die cauac-Jahre. So ist also wohl schon hier die Bedeutung
des Zeichens hinreichend gesichert.
Schlagen wir weiter das Blatt 50 auf. Hier finden wir als das zweit?
Zeichen der ersten Zeile von Kalenderdaten dieselbe Figur wieder, ve!”
sehen mit einem Práüfix, das die Zahl 20 bedeutet, und einem etwas ul”
deutlichen Superfix. Das Ganze muss, wie ich schon in meinen , Erláute"
rungen“ (1886), S. 12 erwühnt habe, den 20. Tag des 18. Monats, also de?
officiellen Jahresschluss bedeuten. Wiederum eine Bestätigung meine
Annahme.
Dass dieses 360-Zeichen ganz oder fast ganz mit der Hieroglyph®
des 16. Monats übereinstimmt und deshalb oft die Entscheidung schwierif
gemacht wird, welches von beiden vorliegt, hat gewiss seinen Grund, de
aber bis jetzt noch unbekannt ist. In meinen „Erläuterungen“ habe ich
noch beide verwechselt und dazu noch mit einem dritten Zeichen ver”
mischt, das ich jetzt besprechen will.
Die Zahl 360 ist nach dem Zahlensystem der Maya’s die Einheit der
dritten Stufe, die der vierten ist 7200. Sollte nicht auch diese, also die
Zeit von 20 officiellen Jahren, unter den Schriftzeichen vertreten sein?
Ich glaube die Hieroglyphe in einer Erweiterung des 360 - Zeichens zu
sehen (Fig. 7). Diese Figur wollen wir das 7200-Zeichen nennen.
Um diese Annahme zu begründen, schlagen wir zunächst Blatt 58 auf
In dessen unterer Hälfte links eine Reihe von 11958 (genauer 11 960)
Tagen, durch ein höchst auffallendes Bild beschlossen. Ueber diesem
Bilde stehen zehn Hieroglyphen in folgender Ordnung:
l 6
2 7
3 8
à 9
y 10
Die mittelsten Zeichen der Stellung nach, 3 und 8, sind Sonne und
Mond, die mittelsten in der Zahlenreihe aber, 5 und 6, unser 7200- und
unser 360-Zeichen, jenes versehen mit einer 1 (oder einer 20, wenn ma»
die 1 mit darunter befindlichem Kreuzcehen so lesen will), dieses mit eine
13. Die Mayaziffern der hierzu gehórigen Zahl 11958 aber sind 1, 1%
3, 18. Da ist, denke ich, wohl niehts natürlicher, als in den beiden Hier?
elyphen die Zeichen für 7200 und 13:360 — 4680 zu sehen. Zusamm^"
50
Zur Maya- Chronologie. 151
Su das 11880. Wie weit etwa noch die übrigen Zeichen die an der
me fehlenden 18 anzeigen, vermag ich noch nicht zu entscheiden.
por ier betrachten wir Blatt 61 mit seinen zwei von oben nach unten
hie, n Reihen von Hieroglyphen. Die fünfte Zeile von unten wird
360. po ef durch unser 7200-Zeichen mit der Zahl 15 und durch unser
dente en mit der Zahl 9. Das würde zusammen 111240 Tage be-
steho g Dazu kommen noch jedenfalls aus den darüber und darunter
da Wir en Zeilen weitere Zahlen, doch können wir diese nicht bestimmen,
B hende, nicht wissen, in welcher Beziehung das Ganze zu der vorher-
Zahlen ; (rechts davon stehenden) Reihe oder zu welcher der sonstigen
stoheng, eht. Vermuthen darf man vielleicht, dass das unter dem 7200-Zeichen
und vos Gebilde, bestehend aus dem Tage chuen mit Práfix und Suffix
Leone Det 1, den Monat von 20 Tagen bezeichnen soll; das chuen-
ZWeite uos le nicht ganz ungeschickt diese Function haben, da es die
Maassen fe eines mit imix beginnenden Monats anfängt, also gewisser-
aber seh sanzen Monat als dessen Mitte vertritt. Unter dem 360-Zeichen
darang hi wir die Sonne, kin, mit Suffix und vorgesetzter 3. Das würde
. eise, dass kin im Sinne von Tag gefasst, die ganze uns noch
der Th ve Zahl mit drei Einheiten endet. Und solche Zahl gebührt in
XI 20 dem wichtigsten Tage dieses Theils der Handschrift, dem Tage
Zahl. denn dem Tage 17 (ahau) entspricht ja stets eine mit 0 endende
die su demselben Blatte 61 und in denselben senkrechten Reihen bildet
Zeichen t Zeile von oben wieder unser 7200-Zeichen und unser 360-
Wir M ,PUzteres an einem Gesichte gezeichnet und wit einer 8 versehen.
Wa 9nnen hier wenigstens wieder die Zusammengehórigkeit beider.
Ense 0 aber in diesem Abschnitte begegnet, dazu dürfen wir ganz
Vergi, es in dem letzten Theile der Handschrift (Blatt 69—13)
Aufsat ; nachdem ich den Parallelismus beider Abschnitte in memem
Ung so Mn Entzifferung der Maya-Handschriften TI“ bewiesen habe.
Yon Sehr wir denn in Blatt 69 dieselben zwei senkrechten Reihen
1200. Zeichen und in ihnen wieder in der fünften Zeile von unten das
da d das 360-Zeichen, jenes wieder mit 15, dieses wieder mit 9;
Wieder r das chuen-Zeichen, diesmal mit 4, und das kin-Zeichen, diesmal
Wg, + Wir diirfen also eine grosse, mit 4 schliessende Zahl ver-
Ix 11 Sle allerdings dem Haupttage dieses Abschnittes, dem Tage
> Zukommt, wen n wied hau = 0 ht
Auf demsell n man wieder von ahau ausgeht.
End da finde >en Blatte blicken wir nun unwillkürlich weiter hinauf
kennen auch. Wir nieht bloss unsere beiden Zeichen wieder, sondern er-
Sézeichneten, dass die obersten 16 Hieroglyphen, die im blauen Felde
Varianten at denen auf Blatt 61 entsprechen, abgesehen von kleinen
Stehen qo. le; von dem Ersatze des moan-Kopfes durch ein dafür öfters
S'elehbedeutendes Zeichen.
E. FÖRSTEMANN:
Es ist aber die Zusammengehörigkeit der Hieroglyphen für 7200 und
360 "Tage nieht bloss eine Eigenthümlichkeit des Dresdensis, sondern 8
erstreckt sich auch auf die von den Handschriften so sehr abweichende
Steininschriften. Die Inschrift des Kreuzes von Palenque zeigt beide fast
zwôlfmal einander benachbart, das eine neben oder unter dem anderen-
Wo beide Zeichen nicht so unmittelbar bei einander stehen, wird die
Sache unsicher, eben wegen der fast vollkommenen Gleichheit des 360-
Zeichens mit dem des Monats pax. Ich lasse daher dieses jetzt aus dem
Spiele; für das 7200-Zeichen verweise ich noch auf Blatt 24 erste Spalte
Blatt 70 dritte Spalte, drittes Zeichen von unten, Blatt 73 oben, zweite
Spalte von rechts. Besonders gross steht es endlich auf dem ganz einzi
gestalteten Blatt 60b. Doch unterlasse ich es, hier viele noch nahe lie-
genden Bemerkungen zu machen, um nicht auf einem Boden weiter zu
bauen, der unter den Füssen zu schwanken beginnen könnte.
Um nun weiter vorzugehen, muss ich die Bemerkung vorausschickeW
dass mir jetzt die ganze Vorderseite des Codex B, also Blatt 46—60, in
engem Zusammenhang zu stehen scheint; das ganz vereinzelte, besondel?
rüthselhafte Blatt 60 bildet den Sehluss. Nun wissen wir, dass Dlatt 46—50,
das erste Drittel dieses Ganzen, eine weitere Ausführung von Blatt 24 ist
Es behandelt das Zusammenstimmen der scheinbaren Venusjahre vo
584 Tagen mit den Sonnen- oder Erdjahren von 365 Tagen. Und zwar
geschieht das in drei Abtheilungen, von denen jede 13mal 8 Erdjahre oder
5 Venusjahre behandelt, also 13mal 2920 Tage, das sind zusamme?
37960 Tage oder 2 katun oder 104 Jahre.
Dem entsprechend behandelt die zweite Abtheilung (Blatt 51—59)
104 scheinbare Merkursjahre zu 115 "Tagen, also den Zeitraum vo»
11 960 Tagen.
So vorbereitet, treten wir an die obere Hälfte des Blattes 52, und zwar
an die vierte Columne. Hier finden wir ganz oben ein leider theilweis®
wieder zerstôrtes Kalenderdatum, darunter aber, wieder ebenso verbundeb
wie ich es Blatt 61 und 69 nachgewiesen habe, das chuen- und das 360
Zeichen, jenes mit 1, dieses mit 9 verbunden. Das würde also nach meine?
Vorschlage 1820 — 7-260 bedeuten; es kónnte dureh das darüber stehend?
unleserliche Datum sich erklären, kann sich aber auch auf die 1ink®
stehenden 7 ganz identischen Tagescolumnen beziehen, die um je 260
von einander abstehen; also eine kleine Bestätigung meiner Theorie.
Nun aber sehen wir unmittelbar darunter das Zeichen Fig. 8. Als?
imix mit einem Superfix, welches wie eine Vereinigung, Zusamme””
fassung aussieht, vielleicht einer Variante des aus den Klappern der
Klappersehlange zusammengesetzten Zeichens, das ófters eine Zeitdau®
anzudeuten scheint. Das nehme ich für das Zeichen des katun (— 92" 369
— 18980 Tage) als des Zeitraumes, in welchem jeder Tag (hier ver
ireten durch den einstigen Anfangstag imix) wieder an dieselbe Stelle des
152
Zur Maya- Chronologie. ;
or rückt. An unserer Stelle sind also zwei katun gemeint, gerade der
er s den wir so eben als Gegenstand der Blätter 46—50 fanden. Und
niche diesem Zeichen treffen wir 13mal eine rothe 13: das kann doch
"T S Anderes heissen, als man soll die zwei katun in 13 Theile zerlegen,
hys jeder also wie auf Blatt 46—350 2920 Tage umfasst; die 104 Erden-
kan, nm hier dicht neben den 104 Merkursjahren. Ich denke, das
She; cu Blendwerk sein. Dieser vermuthliche Fund des katun-Zeichens
tu be sich schon in unmittelbarer Nähe, auf der ersten Spalte von Blatt 51,
8 ia rise. Hier lesen wir oben die beiden Kalenderdaten TV 17;
M. und XIL5 und darunter die Gruppe Fig. 9.
lv ME mit dem kin darunter kann die 8 Tage bezeichnen, die von
sich à is XII 5 verfliessen, aber sie kann zugleich (denn dass eine Zahl
dem " mehrere Zeichen bezieht, ist ganz der Maya-Weise gemäss) zu
atun-Zeichen gehören, und zwar aus folgendem Grunde:
ap Ausgangspunkt in der Merkursreihe (die ich übrigens in meinen
Steht V, Bona als Saturnsreihe ansah) ist der Tag XII 5. Dieses Datum
8&1 zwei Zahlen:
Blatt 52 bei 1412848, d. h. Jahr 6 mulue; 1, 15. M.
D: , 51 , 1518988, d.h. , 6 kan; 6, 18. ,
Weiten, erste der beiden grossen Zahlen liegt 166 140 Tage vor der
Weiten das erste Datum aber 39 Jahre 65 Tage = 14300 Tage vor dem
AM Addirt man aber zu diesen 14 300 die Zahl 151 840, also 8 katun,
gry siebt sich wirklich 166 140, und darauf scheint mir jene Zeichen-
T hinzudeuten.
in da , orübergehend will ich erwähnen, dass dies katun-Zeichen auch
ZWay me besprochenen Columnen auf Blatt 61 und 69 begegnet, und
T bei den anderen, auf eine Zeitdauer hinweisenden Hieroglyphen.
Wir dich wir die eben genannte Stelle auf Blatt 61 näher an, so finden
gl über dem katun-Zeichen die noch unbesprochene neue Hiero-
THle Fig. 10.
Calg nun blieken wir auf die obere Hilfte von Blatt 73, vorletzte
©. Da ist das oberste Zeichen zerstört, dann aber folgt:
das katun-Zeichen,
das neue Zeichen,
das 7200-Zeichen,
Hier 1; | die Zahl 34 182.
dhau-Zeich test es nun so nahe wie möglich, in dem neuen Zeichen das
die drei a im Werthe von 24 - 365 = 8760 zu sehen. Addiren wir nun
ahlen:
18 980
8 760
1 200
84 940
158
l' E. FÓRSTEMANN:
Und zwar bezieht sich alles das auf den Tag IV 9. Dieser aber lieg!
208 Tage vor dem Normaldatum IV 17, ihm gebührt also mit Recht eine
— 208. Und 34 940 — 208 ist wirklich 34 732.
Auf Blatt 70, dritte Spalte unten, stehen fünf Zeichen über einande?
Davon ist das erste das ahau-Zeichen — 8760, das dritte das 7200-, das
fünfte das 360-Zeichen. Man wird begierig auf die Bedeutung des zweite?
und des vierten.
Das zweite Zeichen zunüchst zeigt Fig. 11. Also der chicchan- Kopf
mit dem wahrscheinlich phallischen Präfix, das wir als Element der Monate
yaxkin und yax, des Zeichens für den Süden, u.s. w. kennen. Wenn wir
nun sehen, dass derselbe chicchan-Kopf mit demselben Präfix noch Blatt 61
Mitte der ersten Spalte, und Blatt 69, Mitte der dritten Spalte begegnet
und. zwar in ganz ähnlicher Verbindung wie hier (Blatt 21c und 23b
freilich in ganz anderer Umgebung), so kommen wir leicht zu dem Schluss?
dass auch hier eine Zeitdauer gemeint ist; anderswo begegnet uns diese
Verbindung in unserer Handschrift nirgends. Es liegt nun die Vermuthur5
nahe, dass die Zeitdauer, die wir suchen, eine nahe Beziehung zu dem
eben vermutheten ahau haben müsse, denn bei letzterem sehen wir jene?
phallische Präfix gespalten und mit zwei Superfixen versehen. Sollte es
also nicht ein Drittel des ahau, also 2920 Tage bedeuten, jenen wichtige?
Zeitraum von 8 Erden- — 5 Venusjahren, der auf Blatt 24 und 46—50
eine so grosse Rolle spielt? Sehen wir nun dort nach, so finden wir das
Zeichen von Fig. 12.
Die Figur an der Stirne des Kopfes scheint doch nur eine (gewisse
maassen von anderer Seite gesehene) Abkürzung jenes Práfixes zu sei
die betreffenden Stellen sind auf Blatt 24, zweite Spalte über der Mitte
Blatt 49 vierte Spalte Mitte und Blatt 60 links unten; sonst finde ich e
nirgend. Zu erwähnen ist vielleicht noch, dass der chicchan-Kopf, wie
Dr. Schellhas, Die Mayahandsehrift (1886) S. 64, erwühnt, aber mit andere?
etwas undeutlichen Präfixen und Superfixen versehen, zu dem Bilde eine
Schlange auf Blatt 35b gehörig ist. Die Windungen der Schlange ver
laufen in 5 Richtungen und an ihrem Kórper sind 8 Flecken wie Buck?
gezeichnet; soll sogar das auf die 5 Venus- und 8 Erdenjahre deute?’
Das wire wohl zu weit gegangen. Genug, einige Gründe deuten darauf
dass hier wirklich die Zeitdauer von 2920 Tagen vorliegt.
Wie alle die zuletzt erwähnten Zeichen wirklich zusammengehôre”
zeigt auch ein Blick auf Blatt 31a. Dort steht in der zweiten Spalte y0?
rechts die Zahl 2804 100. Darüber müssen sechs Zeichen gestanden habe"
Die beiden obersten sind vernichtet, dann folgt eine Spur von imix, als?
wahrscheinlich das katun-Zeichen mit einer Zahl davor; dann eine se
befleckte Hieroglyphe, vielleicht unser jetzt eben besprochenes 9920-Zeiche?’
zuletzt aber ganz deutlich das 8760- und das 7200-Zeichen. Die Zerstörun®
oder Unklarheit der obersten Zeichen ist hier besonders zu beklagen, da
‚54
Zur Maya- Chronologie. 5
om Vermuthen nach diese Zeichen in der nächsten Beziehung zu der
aNnten grossen Zahl stehen müssen.
vil io viel von dem zweiten der fünf Zeichen auf Blatt 70 unten. Nun
hat à auch von dem vierten eine schüchterne Vermuthung wagen. Es
le Gestalt von Fig. 13.
o Amscheinlich ist es aus einem Vogelkopf entstanden. An Stelle des
lum, finden wir eine Figur, die fast genau dem 360-Zeichen gleicht; die
Nus = stehenden Striche ähneln sehr denen im katun-Zeichen imix.
inen, eht dieses vierte Zeichen zwischen dem dritten, gewissermaassen
den Q alten ahau von 20:360 (ein ahau von 20 Jahren ist ja wirklieh in
Da hen überliefert) und dem fünften, dem alten Jahre von 360 Tagen.
Auf qi eint nun nichts natürlicher, als dass das vierte Zeichen sich auch
alie ve Zeitrechnung bezieht, und hier liegt nichts näher, als einen
behan Lun = 52 - 360 (= T2 - 260) anzunehmen. Nach dieser keineswegs
Lo. enden, sondern nur vorschlagenden Annahme hätten also die fünf
^ foleenden Zeitwerth:
8760 = 1 ahau = 24:365.
2990 — ![, ahau — 8:365 — 5-584.
7200 = 1 alter ahau = 20-3060. :
18720 — 1 alter katun — 52:360 — 12: 260.
360 — 1 altes Jahr.
p, mma 31960 — 2 katun (2: 52: 365 — 2: 73 - 260).
deutun Zeitraum von 2 katun hat sich aber schon mehrfach als be-
Jahr er ergeben, z. B. Blatt 46—50; in ihm geht ja auch das Venus-
Nach neri Tagen auf, was bei 1 katun nicht der Fall ist. Dass man
Nicht die ührung des Jahres von 365 Tagen und des ahau von 24 Jahren
SCheiligt alten Bezeichnungen verwarf, die schon durch den Gebrauch
keit d Sein mussten, darf nicht zu sehr auffallen; grössere Mannichfaltig-
Eleg, y, eroglyphen erhôhte das Geheimnissvolle der Schrift und die
Dock i den Priestern. / |
ZU zwei ad halte ich an. Ueber den besprochenen 5 Zeichen stehen,
Ich hal Zwei noch 4 andere. | |
Men nieht © bereits die Ansicht niedergeschrieben, dass diese Zeichen
Ansicht z geringeren Zeitraum als 652 katun bedeuten, habe auch diese
ehe ich u begründen versucht, doch muss sie noch fester gestützt werden,
Pri Sle kundthun kann. Schon jetzt habe ich vielleicht zu viel zur
Vorgeleot,
15:
Beiträge zur Anthropologie der Papuas
von
Dr. O. SCHELLONG zu Königsberg i. Pr.
(Hierzu Taf. III—VI.)
Vorbemerkung.
Die nachstehende Untersuchung ist in mehrfacher Beziehung vo
hervorragendem Werthe. Zunächst ist sie die erste, welche in eingehende
und streng wissenschaftlicher Weise die Bevölkerung des deutschen Schuts”
gebietes in Neu-Guinea und den benachbarten melanesischen Gebiete?
schildert, und zwar auf Grund eigener, umfassender und planmässig®
Untersuchungen bei längerem Aufenthalte im Lande selbst. Sodan?
gewinnt sie eine dauernde Bedeutung dadurch, dass der Verfasser eine
grossere Anzahl von Eingebornen in sorgfiltigster Weise abgegypst hat
Seine Formen sind von der Neu-Guinea- Compagnie in den Besitz der
Berliner anthropologischen Gesellschaft übergegangen und von dies?”
Hrn. L. Castan zur Herstellung von Abgüssen übergeben worden. DIE
Abgüsse sind in hohem Maasse gelungen und werden als mustergültig®
Beweisstücke der gelehrten Welt erhalten bleiben. Die Gesellschaft isi
bereit, gegen Erstattung der nieht unerheblichen Kosten Exemplare davo?
oder aueh die ganze Sammlung abzulassen, um sie, soviel an ihr ist, zu
Gemeingut der anthropologischen Forschung zu machen. Das Beispieh
welches hier in erfreulichster Weise gegeben ist, wird hoffentlich au
viele Nachfolger einwirken, damit endlich einmal dem bedauerliche*
Mangel an einer ausgiebigen Kenntniss der noch vorhandenen Naturvôlke
in Bezug auf ihr physisches Verhalten ein Ziel gesetzt werde. Der Dank
der Wissenschaft wird dem fleissigen und umsichtigen Forscher auf alie
Fälle gesichert sein. Rud. Virchow.
Einleitendes.
In den Jahren 1886—1888 hatte ich Gelegenheit, als Arzt der New
Guinea-Compagnie an den ersten Anfingen deutscher Colonisation an der
Nordostküste von Neu-Guinea, auf dem , Kaiser Wilhelms-Tand“ genannte”
Gebiete, Theil zu nehmen und daselbst eine Reihe von anthropologiscb?
Beobachtungen zu sammeln, deren Resultat die vorliegende Arbeit jst
Meine Beobachtungen galten vorzugsweise den in der Gegend von Rinse”
hafen lebenden dunkelfarbigen Papuas; jedoch fand ich wiederho!
VIII.
Beiträge zur Anthropologie der Papuas. 157
par Senhoit, die Bewohner benachbarter melanesischer Gebiete, wie Neu-
tu Pii Neu-Meklenburg, Salomons und Neue Hebriden, zu Gesicht
Papua ommen und damit die anthropologischen Figenthümlichkeiten der
Bleich überhaupt kennen zu lernen. Die Angehörigen dieser Rasse,
sor auf welchen Inseln man ihnen begegnet, haben bei blosser
Merk leher Betrachtung eine Anzahl kórperlieher und ethnologischer
eine male gemeinsam, welche sie als zusammengehôrig erscheinen lassen:
Kop oder weniger dunkelbraune Hautfarbe, spiralgelocktes dunkles
Ueber eine gewisse Plumpheit der Körperformen und eine grosse
de, p, mmung in Haltung und Gebárde, hinsichtlich der Wohnungen,
Tnührung, Bekleidung, Bewaffnuug, Schifffahrtsgebrüuche u. s. w.
UD Papuas sind schon mehrfach der Gegenstand anthropologischer
Mi, euge gewesen; vor Allen waren es Wallace??), A. B. Meyer?),
Ro. ho-Maelay?) D’Albertis™) u. a, welche auf Grund umfassender
Mich, Pobachtungen und an der Hand eines mehr oder weniger umfang-
hien Schädelmaterials die Papuas als Rasse bestimmten und ihre An-
Rassen über die ursprünglichen Beziehungen der Papuas zu anderen
keit iy aussprachen. Diese Reisenden haben übereinstimmend die Wichtig-
hat, ont, welche gerade die Insel Neu- Guinea fiir die Papua-Frage
rete, ?nn der Papua ist hier in einer grossen Anzahl von Stämmen ver-
a OR trotz der im Grossen und Ganzen sieh zeigenden Gemein-
— der körperlichen Erscheinung und der Sitten sich im Einzelnen,
Sinan, esonders hinsichtlich der Sprache, — nicht unwesentlieh von
die ani unterscheiden. Hier ergiebt sich noch ein weites Arbeitsfeld für
Männer ropologische Forschung; denn was auch alle diese verdienten
im Ver Lu mühevoller Arbeit bisher zusammengetragen haben, es bleibt
Noch & ich zu dem ganzen, grossen Areal dieser Insel, deren Inneres
Ausser St Sänzlich terra incognita ist, doch immer nur ein Bruchstück :
Würde sen Küstenstrichen im Norden, Süden und Westen der Insel
Ce das Terrain des Fly-River explorirt.
die No ucho-Maclay hat als der erste seine Untersuchungen auch auf
a ste der Insel ausgedehnt; sein Arbeitsfeld war hier, wie
auf der a5 Gegend der Astrolabebay. Meine Beobachtungen, welche ich
Stehen à n Finschhafen und in Nachbargebieten derselben anstellte,
Voll gs alb den Maclay’schen geographisch am nächsten und ver-
der Inge) SCH Vorzugsweise die anthropologische Kenntniss der Nordostküste
Denachhant Sofern ich meine Beobachtungen auch auf die Bevölkerung
Bema pg, à melanesischer Inseln ausdehnen konnte, enthalten die darüber
P apuas üb üfzeichnungen weitere Beiträge zur Kenntniss der Rasse der
D : erhaupt.
dense diese Studien als Nebenbeschäftigung betrieb, so habe ich
Interesse cht diejenige Ausdehnung geben können, welche ich im
Zeitschrir, n ide gewünscht hätte. Immerhin hoffe ich, dass
le. Jahrg, 1891.
12
O. SCHELLONG:
diese Arbeit von einigem Nutzen sein wird, indem sie zu weiteren Unter”
suchungen auf diesem Gebiete anregt und die vielen, noch unbeantwortete?
Fragen in der Völkerkunde der Südsee ihrer allmählichen Lösung entgeger”
führen hilft.
Papuas von Neu-Guinea (Nordost, Kaiser Wilhelms- Land).
Die Jabim-Leute").
Das Wort Jíbim bedeutet einen Kiistenstrich oder vielleicht auch
nur einen Theil dieses Küstenstriches, ein Dorf, einen Landvorsprung oder
Sonst derartiges an der Nordostküste von Neu-Guinea zwischen dem
6. und 7. Grad südlicher Breite. Sicher ist, dass die Bewohner der Ein
gebornen- Dörfer in der nächsten Nähe der Station Finschhafen ihr®
Sprache Jabim („tassum jabim“) nannten, im Gegensatz zu der Kai-Tamir
und Poum-Sprache. Es war das diejenige Sprache, welche wir europäisch®
Ansiedler zuerst zu erkennen und zu erlernen hatten, um weitere AD”
knüpfungspunkte mit Land und Leuten zu gewinnen.
Der Jabim-Stamm ist nicht gross zu nennen; die Leute leben zer
streut in kleinen, der Küste entlang, zwischen Festungshuck und Cap
Cretin, gelegenen Déórfern und Ansiedelungen, welche sich schon vol
weitem durch schlanke Cocos- Palmen verrathen. Da diese Palmen, ihre!
Spärlichkeit nach zu urtheilen, nicht ursprünglich vorhanden waren, sonder?
angepflanzt wurden, so lásst sich das geringste Alter dieser Ansiedelunge?
auf wenigstens 30— 40 Jahre schätzen. Die grössten Dörfer bestanden aU?
nicht mehr als 20 Háusern; die ganze Zahl der Jabim- Leute möchte ich
auf höchstens 1000 Köpfe veranschlagen.
Ieh habe 37 Individuen, davon 32 Münner (5) und 5 Frauen (9), diese
Gegend einer genauen anthropologischen Untersuchung unterworfen, dere?
nähere Daten in den dazu gehórigen Mess-Protocollen enthalten sind.
Zur allgemeinen Charakteristik der Jabim-Leute sei das Fol
gende bemerkt: Es sind mittelgrosse bis grosse, im Allgemeinen gut
genährte Gestalten von einer mittleren Kórperhóhe von 1606 mm für die
Männer und 1530 mm für die Frauen. Die Kôrperhôhe schwankt bei de”
Männern zwischen 1550 mm und 1692 mm, bei den Frauen zwische?
1438 mm und 1570 mm. Die Kórperformen, wenngleich bei Einzelne?
öfters angenehm zu nennen, erreichen doch nur bei sehr Wenigen eine?
höheren Grad von Harmonie und Vollendung, wie bei Kaualüo 9 (Nr. 37)
und Ssesséngo 5 (Nr. 28). Die Mehrzahl zeichnet sich unvortheilhaft a?
durch unschóne Gesichtszüge und wenig proportionirte Kórperverháltniss
besonders haben Alle für unseren Geschmack zu lange Arme, auch begegn®
man ganz gewöhnlich breiten, plumpen Händen und Füssen und der X-Beir
stellung. Die Klafterweite überragt gewôhnlich um ein Erhebliche*
1) Dazu 87 Mess-Protocolle (Nr. 1—37) und 24 Gesichts- Masken (Nr. 1 — 22b).
158
Beiträge zur Anthropologie der Papuas. 159
die wu.
40 Körperhöhe: bei 30 Männern ergiebt sich als geringster Unterschied
M als grôsster 164 mm (Nr. 26); die durchscehnittliche Differenz
vet 98 mm. Bei den 5 gemessenen Jabim-Frauen übertrifft die Klafter-
hàn e die Kórperhóhe im Mittel um 66 sm. Dieses auffallende Verhiltniss
us S nicht etwa mit einer besonders krüftigen Entwiekelung der Brust
a el .
in wm, denn der Brust- Umfang der Männer bewegt sich im Allgemeinen
ng then von 800—900 mm, wenngleich Zahlen bis 925 mm aufwärts
ha, (64 mm abwärts notirt sind. Bei Japoa (Nr. 26) beträgt die Körper-
e . . ; . .
der à 1556 mm, die Klafterweite 1720 mm, die Differenz beider 164 mm,
D gehôrige Brust-Umfang 910 mm.
Bevor. Hautfarbe der Jabim-Leute ist diejenige der melanesischen
ô . . .
mek, kerung überhaupt: ein gesáttigtes Chocoladenbraun, welches bald
Sehe M das Lichte, bald mehr in das Dunklere hinüberspielt. Die Ein-
und tr selbst kennen diese Abstufungen in ihrer Hautfarbe sehr wohl
aben für dieselben besondere Bezeichnungen. Die am häufigsten
Angety g ; g
hello, 9fene dunkelbraune Haut ist ihnen die ulin majang; die nächst
die MN von der Beschaffenheit der Colorado claro, die uliniong, und
Wont ®ltere Abstufung nach dieser Richtung die ulinkóko, in welchem
e : . . 2. 317
Sicht bereits der Begriff weiss (kö) zum Ausdruck gelangt. Endlich
Welch 98 die Specialität der ulingnara, worunter eine Haut verstanden wird,
e . . .
Glar, dureh ein universelles Schuppen-Eczem (Herpes tonsurans) ihren
dag. . od ihre Braunfárbung mitunter in einem Grade eingebüsst hat,
0 . . . 0.
Sehen 1 che Individuen von weitem wie aschgrau oder schmutzigweiss aus-
heit und Die gesunde Haut ist von angenehmer, sammetartiger Beschaffen-
wie M schwitzt äusserst selten, selbst nicht bei grosser Kórperanstrengung,
a . »
Partien "sehen, Tragen schwerer Lasten u.s. w. Die gedeckten Kórper-
a me | laben stets eine hellere Färbung, so die Innenflichen der Ober-
Hanqg, ^. den Frauen die Partien unterhalb der mammae; Fusssohlen und
ä . . .
Broca rem sind manchmal nahezu weiss zu nennen. Ich notirte nach
~ "T das Gesicht 30 oder Mittelfarben zwischen 30 und 28—29*); für
1) g
iim deu yy schuppenhäutiges Individuum ist das Non plus ultra von Hässlichkeit,
p, ésaltey ac sch überhaupt fähig ist. Die Krankheit der Haut beginnt im frühen
Meh, .. CUrch Infection am einer umschriebenen Stelle der Nates oder der seitlichen
Bert Partien d
Thy, S 095 wo die Kinder beim Tragen am häufigsten mit ihren Müttern in
üb ng kom 5 .
CT de Men, und verbreitet sich von hier in concentrischen Ringen allmählich
day, ^7" Sanzen Kö
8 Tn Sewähni; h órper. Die grauen Schuppenzeichnungen auf der Haut ordnen sich
nt oft, und d ZU sehr merkwürdig geschlängelten, regelmässigen Mustern an einander,
à Sanz unre n richtet Sich wohl nach. dem Alter des Processes, schuppt sich die Haut
uh nicht die 8 ossi 8en Schuppen ab, so dass von einer normalen Haut- Beschaffenheit
» Hein . pur übrig bleibt. Nebenbei bemerkt, ist es schwierig, diese alten Processe
Sich DE zu brin > .
Ve damit zuglei Sn: selbst die Chrysophansäure lässt dabei häufig im Stich, wenn
Ha Teitung dieses & licht eine ganz energische mechanische Behandlung verbindet. Der
"lege Vorscl, t PPen-Eezems leistet ganz entschieden der Mangel jeder regelmässigen
keg, Also eine Farhe .
Selegen ist MMuance, welche zwischen Nr. 28 und 29 der Broca’schen Farben-
12%
| O. SCHELLONG:
die Brust 28—929 oder 4943, auch 28—43 und 28—30; für den Oberar?
98.44 oder 29—30; für die Handflächen 30 oder 29—30, auch 44; für
die Stirn 30—28, 30 und 37. Man würde solche Bestimmungen beliebig
fortsetzen können. Eine constante Hautfarbe giebt es eben nicht, was
ohne weiteres einleuchtet, wenn man ein paar Menschen zusammenstehe?
sieht. Die Schleimhäute des Mundes haben ein blassróthliches Aus"
sehen und zeigen bisweilen einige praunliche oder schwirzliche Pigment”
flecken. Die Farbe der Lippen ist eine unreine dunkelrothe Mischfarbe
welche manches Mal,mehr ins Braune, andere Male mehr ins Bláuliche
spiel. Einen Rosenmund, wie ihn der Dichter besingt, giebt es nicht
Tättowirungen im eigentlichen Sinne kommen bei den Jabim - Bewohner?
nicht vor. Unter den 37 gemessenen Individuen notirte ieh nur bei dreie?
(Nr. 18, 19, 36) an den Oberarmen (Deltoides) und auf dem Rücken zahl
reiche lángsgestellte, strichfórmige, etwa lem lange, im übrigen gan?
oberflächliche Narben, welche trotz einer gewissen Symmetrie in ihrer
Anordnung nicht den Eindruck machten, als ob damit eine Zeichnung
beabsichtigt worden wäre, vielmehr wohl als Ueberbleibsel von Scar
ficationen, aus medicinischen Rücksichten hervorgegangen, anzusehen sind
Die Behaarung ist auf dem Kopfe stets eine sehr üppige, der Bart
dagegen ist meist spärlich zu nennen. Das dunkle Körperhaar biete
nichts Besonderes dar und ist gekrüuselt. Dasselbe gilt von dem Scham”
haar. Die Augenbrauen sind nicht besonders stark entwickelt; dieses ist
dagegen bei den Lidhaaren reichlich der Fall. Der Spirallocken - Typ"
ist für das Haupthaar charakteristisch. Hs verfilzen sich die einzelne?
Haare zu spiraligen Bündeln, ohne irgend welches Dazuthun Seitens des
Trägers. Die Haarfarbe ist schwarz; sehr selten kommt auch rôthliche*
Haar mit ebensolchen Augenwimpern vor. Solche Individuen haben dan?
zugleich die hellste Färbung der Haut (ulin köko). Uebertünchungen des
Haares mit rother und schwarzer Farbe sind gewôhnlich., Wenn das Haë
eine bestimmte Lànge erreicht hat, wird es mittelst des Obsidianmesse’®
rasirt. Die Männer rasiren das Haar sehr oft nur in einem etwa hand”
breiten Streifen um den Kopf, schmiicken dasselbe mit einer Kakad?”
Feder oder einer rothen Hibiscus-Blüthe, oder tragen einen drei- pi
siebenzinkigen Haarpfeil darin, auch verhüllen sie das Haar mit eine”
Basttuch (obo) zum Zeichen der Trauer. Frauen tragen das Haar gewöhr”
lich gleichmässig und kürzer geschoren. Kinder erhalten bisweilen 4°
merkwürdigsten Frisuren, es wird z. B. Alles glatt rasirt bis auf eine?
fingerdicken Schopf an einer Seite des Hinterhauptes. Schon neugebore?
Knaben werden nach Art der erwachsenen Männer rasirt und mit rothe
Erde eingesalbt. Mit dem Bart zugleich werden auch die Augenbraue?
geschoren. Weder das Auskámmen des Haares zu Fiji-Perrücken, noc”
das Verkleben desselben zu herabhingenden Zotteln (Neu-Lauenburg)
noch das Entfärben desselben durch Kalk ist dieser Gegend eigenthümlic®
160
Beiträge zur Anthropologie der Papuas. 161
tss Auge ist voll und gross, dunkelbraun, glänzend, weit geöffnet,
Die Lite von intelligentem, häufig zugleich verschmitztem Ausdruck.
im P. spalten stehen annühernd horizontal; ganz allgemein ist der Bulbus
who, 1 ne der Lidspalte mit einem bandartigen, braunen Pigment ver-
35 " Die Länge der Lidspalte maass bei 5 Männern im Durchschnitt
97 und bei 5 Frauen 31,6 mm. Die Intraorbital - Distanz schwankt zwischen
- 40 mm, geht jedoch gewöhnlich nicht über 35 mm hinaus.
"n Ohren sind gut gebildet und von entsprechender Grösse. Die
Von sind bei Männern und Frauen gewöhnlich durchbohrt und
Ringon st eines federnden Cocosblatt-Rollchens (Baninga) zu weiten
Muscho] aufgeweitet. In diese so behandelten Lüppcehen werden sodann
Weilen nnge und andere Zierrathen hineingehüngt oder eingeknópft. Dis-
in 4, Wird das aufgeweitete Lüppchen auch gespalten und hángt daun
el langen Zipfeln herab (siehe die Masken).
und i Kopfform macht im Allgemeinen einen mesocephalen Eindruck
index lgt auch bei den gemessenen 37 Individuen einen mittleren Kopf-
37 Kö m 16,6 sowohl für die Männer, als für die Frauen. Unter
11 do en finden sich nur 2 brachycephale (hôchster Index 81,0) und
mos, Phale (geringster Index 70,5); 24 sind ausgesprochen
enis, tal. Es findet also die allgemeine Annahme, dass der mela-
Bostag: ? Rasse die dolichocephale Kopfform eigenthümlich sei, hier keine
Länge LE Selbst wenn ich meine mittleren Messfehler für die grósste
indem n "i grösste Breite + 1 in der Weise in Anrechnung bringe,
"Weite vo le erstere Zahl den erhaltenen Längenwerthen zuzähle, die
nma, " den erhaltenen Breitenwerthen abziehe, so bekomme ich noch
In poh gemittelten Index von 75,2.
Seringe Ce auf die Ohrhôhe des Kopfes ergiebt sich im Mittel eine
dagegen lamaecephalie von 69,8. Die Frauen, für sich betrachtet, haben
Wird m *!he mássige Orthocephalie von 70,8 aufzuweisen. Im Allgemeinen
Ortho, also sagen können, dass die Köpfe nahe an der Grenze der
13 Ortho, alie stehen. In der That notirte ich unter den 37 Individuen
Die Grate und 2 Hypsicephale (höchste von 75,7).
Roch auffall, ist gewöhnlich gut gewölbt, dabei weder auffallend hoch,
"komme end niedrig, wenngleich hierin gerade grosse Schwankungen
30 und M. Sehr hohe Stirnen weisen die Nrn. 27 und 30 auf mit
Bei Allen "m Höhe. Die Mehrzahl misst Höhen zwischen 60 und 70 mm.
an Welchep po. sich eine besonders starke Entwickelung der Orbitalbogen,
Profil ol dufig auch die Nasenfortsätze theilnehmen. Das ergiebt dann
berg) recht. tief einspringende Nasenwurzel. Auch die Stirnbreiten sind
S°Wöhnliche we hebliche, Nr.11 und 32, Vater und Sohn, zeigen ausser-
1 Weiteren I nasse von 116 und 115 mm. Aber auch die Stirnbreiten von
D nd Ividuen gehen über 110 mm hinaus.
as Gesicht . . .
zeigt nur selten ein angenehmes Oval. Im Allgemeinen
: O. SCHELLONG:
erscheint dasselbe niedrig und erhält durch die stets sehr stark entr
wickelten und vorspringenden Wangenbeine eine unebenmässige Gestaltung
welche, noch vervollständigt durch die Breite des Mundes und die platte
gedrückte Beschaffenheit der Nase, diesen Menschen oftmals ein wilde*
kannibalisches Aussehen giebt. Die Gesichtshóhe B (Nasenwurzel) erreicht
unter den gemessenen Individuen nur einmal das Maass von 132 mm; die
bei weitem meisten Werthe halten sich jedoch unterhalb 120 mm. Dem
gegenüber ist die jugale Breite stets sehr beträchtlich, und es resultir
daraus eine ausgesprochene Chamaeprosopie von im Mittel 80,8, wenngleich
auch 3 leptoprosope Individuen mit einer höchsten Ziffer von 91,6 heraus
kommen.
Die Nase ist gewóhnlich niedrig, breit und abgeplattet. Die Flüge
sind breit ausgelegt, die Nüstern weit und nach vorn geóffnet. Die Nasen
hôhe erreicht nur einmal das Maass von 64 mm, sinkt dagegen 8 Mal unte
50 mm herab. Unter den Breitenwerthen ist zwar 2 Mal 44 mm notirt
worden, doch halten sich die meisten Werthe in der Grenze zwische?
35 und 40 mm. Die Abflachung der Nase (der gemittelte Index betrig?
66,5) würde also zunächst vorzugsweise auf Rechnung eines geringe?
Nasenhóhenwerthes zu setzen sein; doch würde dieser Umstand allel?
nicht die ungeheuere Plattnase ergeben können, welche dem Beobachte*
sofort als solche in die Augen fällt. Das Platte, Zusammengedrückte des
Nase resultirt vielmehr vorwiegend aus der Weite der Nasenflügel, welch®
wiederum in der allgemein üblichen Durchbohrung und der dadurch
bewirkten Verkürzung des Nasenseptums ihren Grund hat. Der Abstand
der stärksten Ausweitung der Flügel beträgt bei Nr. 5 41 mm gegen 31 m
Nasenbreite, bei Nr. 26 46 mm gegen 36 mm Nasenbreite. Das sind als?
sehr auffallende Differenzen von 10 sm. In derselben Weise übertrifft
der Flügel- Abstand die Nasenbreite um 9 mm bei 4 Individuen, um 8
bei 3, um 7 mm bei 6 und um 6 mm bei 5 Individuen. Es bleiben ale?
nur 17 unter 37 Individuen übrig, bei welchen dieser Unterschied gering?!
als 6 mm ausfällt. In welchem Grade diese Nase verflacht ist, ersieht má?
am deutlichsten aus der Stellung der Nüstern, welche nicht, wie bei up
ein Lingsoval, sondern nahezu ein Queroval bilden. Uebrigens giebt e
als Ausnahmen auch ganz wohlgeformte Nasen, irotz des durchbohrte
Septums, so bei 2 Frauen (Nr. 34 und 37), welche die kleinsten Indic®®
mit 52,6 und 58,3 aufweisen; besonders die letztere, Kaualuo, ist mir nod?
als ein hübsches Stupsnäschen in Erinnerung (vergl. die Maske). Andere"
seits kommen ganz monstrose Gebilde vor, wie z. B. die Nase des Ssangu®”
(Nr. 11) mit einem Index von 93.6 oder Nr. 6 mit einem Index von 86,
Sehr bemerkenswerth ist die Bildung der Nasenspitze. Bei den meist?"
übertrifft die Nasenhóhe die Nasenlànge um einige Millimeter. Das chara"
terisirt die Nase also schon als Stupsnase. Zu der Vorstellung derselb®
trägt aber wiederum in sehr hohem Grade der Umstand bei, dass wir e
162
Beiträge zur Anthropologie der Papuas. 163
On mit einem durchbohrten Septum zu thun haben, welches, leicht
Vere t nach unten herabhängt und die Nasenspitze in eine Rundung
Engg so dass es oft schwer fällt, zu entscheiden, wo man bei der
Nas . me des Längenmaasses die Cirkelspitze anzulegen hat. Die Jabim-
ist also eine sehr platte Stupsnase.
e Mundgegend ist stark entwickelt, die Breite des Mundes eine
(v. | onebliche; dieselbe beträgt häufig 60 mm und mehr; bei Ssanguan
notirte ) Welcher sich auch sonst durch ungeheuerliche Maasse hervorthut,
43 mm ich sogar 66 mm. Als geringste Werthe finde ich nur einmal
Sprin und 44 mm verzeichnet. Die Lippen sind voll und deutlich vor-
Progen: dm Allgemeinen ergiebt sich daraus jedoch nur eine mássige
Bespro Lie Auch der Kiefer - Prognathismus ist nur sehr wenig aus-
ling, e en. | Nach den angestellten Winkelmessungen, welche ich aller-
"m Hülfe eines sehr unvollständig gearbeiteten Apparates ausfiihrte®),
zonta] sich sogar eine Orthognathie von 85—87° (zur deutschen Hori-
en),
eg physiognomische Ausdruck gestaltet sich durch die vor-
fima. © Breite von Stirn, Wangenbein-Abstand, Nase und Mund, wozu
(Wig " noch eine sehr stark entwickelte Masseteren- Gegend hinzutritt
"genet, der Familie Ssanguan), keineswegs zu einem für unsere Begriffe
Jedoch wird derselbe sehr gemildert dureh das volle,
Auge meist gute, oft sogar milde, im Ganzen recht sympathische
Vie] ok. ein Verhältniss, welches Virchow”) auch zur Charakteristik des
sten ni und hásslicher aussehenden Austral-Negers hervorhebt. Auf den
Schlecht Indruck hin möchte man diesen Leuten nicht leicht etwas absolut
Prou y zutrauen. Sie nähern sich dem Europäer schnell mit grosser
Yieler]e 1 keit und Zutraulichkeit, nehmen ein lebhaftes Interesse an den
Sehen T emden und unbekannten Dingen, welche den weissen Mann um-
Will, FRA sich erstaunlich leicht über das, was man von ihnen haben
hip: h Zeichen zu verständigen und sind so entgegenkommend und
Rohr mid dass man bitter enttäuscht wird, wenn man bei längerem Ver-
Wirdiok it lesen Leuten die Ueberzeugung gewinnt, dass alle ihre Liebens-
Gewinn Berechnung ist, dass theils Furcht, theils die Aussicht auf
für de > Und sei es auch nur ein Fingerhut voll Perlen, sie dieses Interesse
Schaft ^ os eT erheucheln lässt. Denn das ist die vorwiegende Eigen-
BeWinnon wi harakters, durch Lügen, Betrügen und Stehlen so viel zu
Wenig zemil 4 81€ nur kónnen. Dieses Urtheil wird nur dadurch ein
SeWisgen G ert, dass man sie diese Untugenden in die Form einer
- utmüthiskeit kleiden sieht. Ich hatte häufig den Eindruck,
1 .
Lebenden mach Meinem Modell construirter Apparat zur Messung des Profilwinkels am
ort wordt Yon dem Instrumentenfabrikanten Thamm in Berlin, Karlstrasse, an-
Zeitschrift für Ethnologie 1884. Verhandl. S. 413.
{+ O. SCHELLONG :
als ob diese Leute bei jedem Europäer, dem sie begegneten, zunächs®
dessen Unerfahrenheit auf die Probe stellen wollten; dupirten sie den
Fremdling, so zogen sie daraus ihren Gewinn, wurde ihre List durchschaub
so lachten sie darüber wie Menschen, welche sich einen lustigen Spas?
hatten machen wollen?) Ich konnte deshalb diesen Leuten niemals ernst”
lich bose werden, trotz mancher Enttäuschungen, welche ich mit de?
besten Freunden unter ihnen erlebte. Meine vielfachen redlichen De
mühungen, Kranken Hilfe zu bringen, wurden entweder mit vollständige!
Gleichgültigkeit beantwortet, oder man verlangte noch Bezahlung oben”
drein. Als mein junger Freund Ssali, welchen ich mit Freundlichkeit
überschüttet hatte, den Arm gebrochen hatte, erfuhr ich davon nur gan?
gelegentlich, und als ich ihn dann zu veranlassen suchte, sich den Arm
schienen zu lassen, damit er den Speer wie früher gebrauchen könnte
erhielt ich einfach zur Antwort, „dazu habe er ja noch den anderen Arm“
Diese Ablehnung mag freilich in den besonderen Vorstellungen ihren Grund
haben, welche diese Leute sich über das Wesen und die Heilung der
Krankheiten überhaupt bilden?); aber ich habe auch viele.andere Beispiele
erlebt, wo von einer Art dankbaren Gefühls auch nicht die Rede war, s0
z. B. als ich dem Kamelun (Nr. 12, Maske 7) zu seiner sehr niedliche?
Frau Kaualuo (Nr. 37, Maske 11) verholfen hatte, indem ich ihm nach
mehrfachen vertraulichen Besprechungen eine Axt und andere Kostbar
keiten, jedenfalls die Mittel gewährt hatte, welche ihn befühigten, sich die
Hand dieser Papua-Schônheit zu erringen. Gespannt wartete ich dan?
auf den Augenblick, wo der junge Ehemann nach abgelaufenen Flitte!”
wochen sich mir wieder vorstellen würde: wie sehr war ich damals ent”
täuscht, als besagter Freund eines Tages mit ganz gleichgültiger Mien®
durch das Wasser auf mein Haus zuschlenderte und sich auf meine
Veranda seiner Länge nach träge ausstreckte, als hätte sich nichts in
zwischen ereignet! 'Tiefes Gemüth muss man also bei diesen Leuten im
Allgemeinen nicht voraussetzen; sie thun Alles aus Berechnung, sind freund"
1) Unsere Dorfbewohner controlirten mit peinlichster Genauigkeit unsere Ab- und
Zugänge auf der Station; sie wussten von jedem neu angekommenen Weissen schon pei
Einlaufen des Schiffes, wie er aussieht und was er bei sich führt.‘ Am nächsten Tag’
konnte der Fremdling, welcher von den mannicehfachen neuen Eindrücken, welche er
empfangen hatte, noch sozusagen betüubt war, sicher sein, dass ihm die ganze Eingeborne?
Gesellschaft ihren Besuch abstattete und dass sie dabei die schlechtesten, abgebrauchtest®
Gegenstände zum Kauf anboten, welche sie „auf Lager“ hatten. Mir wird es unvergesslio
bleiben, wie ein junger Ankómmling ganz glücksstrahlend uns seinen sehr kostbaren Arr
ring zeigte, welchen er, kaum gelandet, einem Eingebornen für einen ,ganz geringen pre
abgetauscht hatte, und was für ein verdutztes Gesicht der Herr machte, als wir i
bedeuteten, dass er denselben Ring für einen noch civileren Preis aus unseren Lag?
vorräthen beziehen könnte, da wir diesen Gegenstand selbst den Eingebornen zum Tausch
anzubieten pflegten, wenn freilich auch mit geringerem Erfolg. .
2) Siehe darüber meine Abhandlung „Ueber Familienleben und Gebräuche der Papua®
(Zeitschr. für Ethnol. 1888).
(34
Beiträge zur Anthropologie der Papuas. 165
ls
by m traurig, lachen und weinen, ganz wie es der Augenblick erheischt.
dahin "i mich denn nach manchem gründlichen Studium dieser Menschen
Abreis ass ich, als ich sie bei der Kundgebung meiner bevorstehenden
und A in Thrünen und Klagen ausbrechen sah, nur an die Eisenstücke
als "e denken musste, welche zufälligerweise noch in meiner Kiste
habe s letzten Reste meiner Tausch- Gegenstánde sichtbar waren. Ich
ich ie als Thrünen schneller trocknen sehen, als hier! Und doch war
noch, 5 ein wohlwollender, aufrichtiger Freund gewesen und bin es auch
"€ enn ihr mangelnder Sinn für tiefe Gemüthsregungen wird gewisser-
D durch eine seltene Entwickelung ihrer intellectuellen
nni, ^ in Schon was ich so eben angeführt habe, spricht für ihre
Gosehor Aber ich will noch erwähnen, wie leicht sie Gehortes und
Besun e in sieh aufnehmen, wie spielend sie das gesprochene oder
Venet ne Wort wiederzugeben vermögen, wie gewandt sie sich in dem
lh mi den anders sprechenden Nachbarstámmen zurecht finden u. s. w.
Mogg, Möchte hier auch gleich das Farben-Unterscheidungs-Ver-
Wegs AM Jabim-Bewohner besprechen. Ein solches geht ihnen keines-
die Wor, ist im Gegentheil vorzüglich ausgebildet; dagegen fehlen ihnen
bereich, für die feinen Farbennuancen, und auch ihrer ganzen Farben-
Sanze n haftet ein gewisser Grad von Unsicherheit an, indem eine
isa, hl von Farben nicht nur von verschiedenen Personen ver-
Ausfra sondern auch von einer und derselben Person bei wiederholtem
dass ie öfters ganz verschieden benannt werden. Ich vermuthe deshalb,
dass " Jabim - Leuten eine exacte Farben-Benennung überhaupt fehlt,
Natur b vielmehr Farben nach ihnen bekannten Gegenständen aus der
den othe eB Mui ist z. B. constant ,roth®, bedeutet aber eigentlich
ist — Thon, mit welchem sie ihr Haar färben; dé oder dà, „schwarz“,
quoram ich die schwarze Erde, mit welcher sie die Zàhne schwárzen;
häufig oder die Bezeichnung für weiss, bedeutet Kakadu. Merk würdig
Welche ds en sich Wort-Verdoppelungen bei den Farben- Bezeichnungen,
lüngen vet prache sonst nicht eigenthümlich sind). Folgende Bezeich-
= yj, ell durchweg angegeben: weiss = quoram- quoram, ziegelroth
Stün — kedd — gárle, hellblau — ju ju, moosgrün — matta matta, dunkel-
SChättirun a Sonst wurden noch fiir „schwarz“ und dunkle Farben-
Gegensatz a überhaupt die Worte je je, ssi. dà und kedda genannt; im
Weiss, Bellen bedeutet kó weiss und helle Farbenschattirungen, wie
Kokady yy pie, jedenfalls. nicht ein „weiss“, welches so rein ist, wie das
PR Intelligenz bekunden die Bewohner der Finsehhafener Gegend
durch ihre pono: . qe . . 5°
Sute Holzschnit mannichfachen technischen Fertigkeiten; sie sind
= Zer und machen vortreffliche Flecht- und Hákel- Arbeiten,
Dv ;
gl. meine »Jabim-Sprache der Finschhafener Gegend* (Leipzig 1890).
PL
°°
O. SOHELLONG:
wovon die ethnographischen Sammlungen das beredteste Zeugniss ablege^
Auch geht ihnen ein gewisser künstlerischer Sinn nicht ab, wenngleich
ihre zeichnerischen, bezw. malerischen Darstellungen meist unvollkomme!*
Zerrbilder der Gegenstände wiedergeben, welche sie darstellen solle"
Beliebt sind fratzenhafte Zeichnungen von Mann und Frau, wie in Fig#
und 2, oder einer Schlange (Fig. 3), eines Fisches (Fig. 4), eines Kakad!
(Fig. 5).
Fio. 1. Fie. 2
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Mann (gna). Frau (palingo).
Fig. 4
Fig. 3.
EA 1
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£o. Us
« À
14 ee N .
3 if we
3 Kakadu.
Schlange (moá).
Fisch (ban
0
In Bezug auf die Kórperbildung habe ich bereits das auffallend
Missverháltniss hervorgehoben, welches zwischen Klafterweite und Kö
höhe besteht. Von dem Verdachte eines Messfehlers möchte ich m
hierbei freisprechen, da ich diese Maasse gerade wegen ihrer Ungewób?
lichkeit sehr genau genommen habe.
166
Mie. 5
Beiträge zur Anthropologie der Papuas. 167
Weg Pie Nabelhôhe ist stets eine sehr beträchtliche; sie ergiebt durch-
lieb; " der Nabel weit über der Mitte des Körpers sitzt. Bei elf be-
bere erausgegriffenen Individuen, bei welchen ich dieses Verháltniss
Dete, überragte der Nabel die Kórpermitte um rund 300 mm.
Ba, s onion Beinlängen schwanken zwischen 812 und 938 mm; die
sie a rochanterhóhen) sind im Allgemeinen lünger als der Oberkórper;
Bei regen gewöhnlich um ein Geringes die Hälfte der Körperhöhe.
hôhe " Nummern 1, 6, 8, 9, 17 ging die Trochanterhóhe in die Kórper-
tragen u X und 1:8 x auf; die Differenzen zur halben Kärperhôhe be-
? ler 23, 92, 25, 25, 86 mm.
der moh Ober- als Unterschenkel sind fast durchweg gut entwickelt;
Kang, Schenkelumfang beträgt selbst bei der kleinen jugendlichen
lich um (Nr. 31) 438 mm; der Umfang der Waden überschreitet gewóhn-
ich " ein Beträchtliches die Zahl von 300 mm; unter den Männern finde
Woden, Zwei, im Ganzen atrophische Greise (Nr. 27 und 30) mit einem
9; Mfang von 278 bezw. 285 mm.
nach 2 sehr auffallende Entwiekelung sowohl der Lànge als der Breite
Bunty, oo gewöhnlich die Füsse. Den längsten Fuss von 295 mm hat
mit 280 (Nr. 23) aufzuweisen; einen nicht minderwerthigen Japoa (Nr. 26)
Indices mm Länge. Beide haben Breitenmaasse von 111 und 114 mm und
bei mes 31 und 40. Auch die Frauen zeigen auffallende Breitenmaasse;
Danche io (Nr. 36) beträgt der Index 42, bei Matao (Nr. 35) sogar 44.
jenige à kommen auch weniger unfórmig gestaltete Füsse vor, wie der-
Breite es Häuptlings Makiri (Nr. 29) mit 262 mm Länge und 95 mm
Notipt. nu Index 36; der kürzeste Männerfuss ist mit 229 mm Länge
298 mm er kleinste gemessene Frauenfuss (bei Nr. 37) hat eine Länge von
die Fray Die Minnerfisse gehen in die Korperhohe 5:5 bis 6: 9 X auf;
über. gi nie 6 8 bis 6:5 x. Bei einer grósseren Anzahl von Füssen
Ziemlich " zweite Zehe die erste an Lànge; bei anderen sind beide
ZWeiten n Ich lang; bei allen ist der Einschnitt zwischen der ersten und
Zehe steh e sehr betrüchtlich; der Spalt zwischen der zweiten und dritten
Greif gp, y am moisten nach vorn. Die erste Zehe wird allgemein als
Eine apt (s. Fusszeichnungen Fig. 1—6). ol
Selten angetr eiehe Entwickelung beider Unterextremitäten wird nicht sehr
Ohorgep on™ wie bei Kamelun (Nr. 12):
Wa deny elumfang. . rechts 450 mm, links 469 mm
mfang . . .. 310 330
Pusslänge » » » »
Füssbreite tt » 210 » » 215 »
Die Obe av » 90 (85) » » 108(100),,
Oftmals bis rextromititen machen wegen ihrer Lünge, in welcher sie
Muskulatur eer Knie herabreichen, bei verhältnissmässiger Dünne der
8ross À der aur unproportionirten Eindruck; die Hände sind nicht gerade
(Nr, 23) mit. lallend breit zu nennen, wengleich Einzelne, so Bumtau
einer Handlänge von 202 mm und Breite von 88 mm (101)
^ O. SCHELLONG:
wesentlich über den Durchschnitt hinausragen. Bumtau's Hand hat auch
einen Breitenindex von 43; andere haben entschieden geringe Handbreite?
wie Lakka (Nr. 30) 63 mm, Kaualuo (Nr. 37) 68 mm und Nr. 20 73 m™
Die Finger sind unschón geformt und entbehren der angenehme?
gleichmässigen Rundung. Der Zeigefinger übertrifft öfters den Ringfing®
um ein Weniges an Länge; meistens sind beide jedoch gleich lang
Uebrigens macht sich der Mangel jeder Hautpflege ganz besonders an de"
Händen bemerkbar. Schon die gänzlich unkultivirten Fingernägel rufe?
bei uns die Vorstellung des Hásslichen hervor (siehe Handzeichnung®"
Fig. 1 und 2).
Der Bau des Brustkorbes ist im Allgemeinen kräftig zu nennen; de
Brustumfang bewegt sich meist zwischen 800 und 900 mm; bei vier?
ragt das Umfangsmaass über 900 hinaus. Die hóchste notirte Zahl ish
925 mm. Auch in den Schultern sind die Jabim-Leute gut ausgelegh
wenngleich mir Zahlenangaben dafür fehlen. Die Frauen zeigen eine gut
entwickelte Beckengegend; die Brüste hängen bei allen, welche gebore?
haben, beutelartig herab und zeigen sich schon frühzeitig als schlaffe
runzelige Sücke. Niehtsdestoweniger scheinen die Milehdrüsen auch b?
diesen dürftig aussehenden Brüsten reichlich zu secerniren, da sie selbst
älteren Kindern, kleinen Burschen, welche bereits herumlaufen, noch
Nahrung zu spenden vermögen. Die jungfräuliche Büste zeigt die üblich®
Charakteristika; häufig habe ‚ich auffallend grosse und sehr dunkel pl?”
mentirte Warzenhöfe angetroffen.
Zieht man aus den vorstehenden Erörterungen das Facit, so darf m
die Individuen des Jabim- Stammes als im Ganzen kráftig gebaut bezeichne!"
Daher erscheint es auffallend, dass diese Menschen in einem recht hohe?
Procentsatze an den Malaria-Erkrankungen des Landes Theil nehmen, und
wie ich an anderer Stelle*) nachgewiesen habe, zu 84 pCt. an grosse?
palpablen Milztumoren leiden. Auch fand ich die Herzthätigkeit von recht
mangelhafter Energie: bei Ssabiam (Nr. 1) einen Puls von 56, bei Talal?
(Nr. 9) einen solchen von 60 Schligen in der Minute; nur der sehr kräftig®
Labum (Nr. 25) hatte Puls 84^). Auch die sorgfültig gemessenen Kórpe
temperaturen erreichten. bei Ssabiam Vormittags 8 Uhr nur 36,7, bei de?
kräftigen Labum und dem ihm in dieser Hinsicht nicht nachstehende?
Kassei (Hàuptling von Bussum) Nachmittags 37,2. Die Athmungsfreque?
betrug 20 bis 24 in der Minute, ist also als eine hohe zu bezeichnen.
Ausführliche Aufnahme - Protokolle von 23 Individuen des Jabim"
Stammes siehe unter dem Capitel ,Gesichtsmasken“ (Nr. 1—22b).
1) Vergl. meine ,Malaria-Krankheiten“ (Berlin, Julius Springer, 1890).
2) Ich habe mich häufig genug bei der Ausübung meiner ärztlichen Thätigkeit dav?
überzeugen können, dass den Melanesiern ein schwacher, niedriger Puls eigenthiimlich »
Meine fieberkranken melanesischen Arbeiter von der Station Finschhafen lagen mitunt®
gänzlich pulslos da, so dass mir nach unserer üblichen Anschauung ein Aufkommen det
selben fast unmüglich erschien; nichtsdestoweniger erholten sich diese Kranken auffalle?
Schnell und ich hatte unter ihnen nicht einen Todesfall.
168
Beiträge zur Anthropologie der Papuas.
Die Kai-Leute?).
auf Ny Wort Kai bedeutet in der Tamisprache „Wald“, und in Bezug
TEN = Eingeborenenstamm angewandt, würde man darunter Menschen
bewohn ehen haben, welche als Wald- oder Bergbewohner den Küsten-
kerum em gegenüber gestellt werden. Unsere Jabim-Leute, die Bevöl-
lue "i Station Finschhafen, pflegten die Kai-Leute als einen von
tagenseh Ikommen getrennten Stamm anzusehen wd zu behandeln und,
Über N einlich in dem Bewusstsein eigener Superiorität, denselben gegen-
Nachdem hohes Maass von Misstrauen und Missgunst zu beobachten.
bot den wir schon längere Zeit von ihrer Existenz gehort hatten,
Finschh wu die Gelegenheit dar, ein Paar Kai-Leute auf der Station
Schiri m zu sehen, und erst viel später gelang es uns unter manchen
In A in eines ihrer dürftigen Dôrfer (Memming) einzudringen.
Bogen Sprache zeigten sie sofort einen sehr auffallenden Unterschied
hit, den Jabimbewohnern, besonders durch die Anwendung eigen-
Die ori er Zischlaute, welche in der Jabimsprache nicht vorhanden sind”).
orlogie rn Sprachproben, welche ich Hrn. Freiherrn von der Gabelentz
Güte % bestimmten diesen Forscher, wie derselbe mir mitzutheilen die
AN atte, zu dem Urtheile, ,dass Anklänge an den Jabimdialekt sich
Mit don ko vereinzelten Fällen vorfinden.“ Eine nihere Bekanntschaft
enthakt, *al-Bewohnern habe ich während meines über zweijährigen Auf-
bilden i in Kaiser Wilhelms-Land nicht anknüpfen kónnen und somit
LN gewonnenen 3 Mess-Protocolle die einzige Grundlage zu ihrer
Die m Beurtheilung. |
dar, der ndividuen, welchen ich begegnete, boten kleine dürfüge Figuren
dass Sie © ganze Erscheinung und Gebabren die Vermuthung nahe legten,
lebt. A augenscheinlich ärmlichen, heruntergekommenen Verhältnissen
Spricht eh numerisch sind sie sehr schwach, wofür schon der Umstand
zu treten ass sie es nicht vermochten, mit uns in selbständigen Verkehr
Von wes dern sich dazu der Vermittelung der Jabim-Leute bedienten,
Sorgfält; ên sie dann bei ihrer jedesmaligen Anwesenheit auf der Station
heile En Im Auge behalten wurden, dass sie nicht etwa zu grosse Vor-
Zugang on uns genôssen. Auch war nirgends ein betretener Weg oder
bisherigen lhren Dôrfern aufzufinden. Sofern auf der Grundlage unserer
Nuthung da rologischen Kenntniss der Finschhafener Gegend eine Ver-
dass wir 1 erhaupt schon geäussert werden darf, möchte ich meinen,
Stamm m. oor die Berge bewohnenden Kai-Devólkerung einen Volks-
sind vielleich Heken haben, welcher älter ist, als der Jabim-Stamm; sie
Ihre Dorf, t die ursprünglichen Bewohner des Landes. Wie weit sich
Sing erfolgreiehe dris erstrecken, ist eine gänzlich offene Frage, da
1) Dam ; e Expedition in das Land bisher wegen der ausserordent-
?) Siehe dari tk olle (Nr, 38—40) und 5 Gesichtsmasken (Nr. 23—27).
meine ,Jabim-Sprache“ (Leipzig, Wilh. Friedrich, 1890).
169
1 O. SCHELLONG :
lichen T'errainschwierigkeiten und wegen anderer hindernder Umständ®
nicht môglich war.
Die 3 Repräsentanten des Kai-Stammes, welche ich gemessen hab®
bieten eine mittlere Körperhöhe von nur 1576 mm dar; der grossi?
unter ihnen, Gamtei (Nr. 39), misst 1577 mm. In ihrer Erscheinuné
treten ausser der Dürftigkeit der Muskulatur im Ganzen eckige, UM
proportionirte Formen hervor; die Klafterweite übertrifft die Korpe"
höhe im Mittel um 78 mm, im Minimum um 66 mm; dabei ist der
Brustumfang ein sehr geringer, er schwankt zwischen 726 und 887 mm
Ueber ihre Hautfarbe gilt im Allgemeinen dasjenige, was auf die
Jabim-Bewohner und die, melanesische Rasse überhaupt Bezug hat; die
Hautpflege wird in noch höherem Grade vernachlässigt, als bei de?
Jabim-Leuten; Tättowirungen sind nicht bemerkt worden. Auch üb“
die Behaarung (Spiral-Locken- Typus) ist nichts besonderes hervo"
zuheben. Die Augen sind dunkelbraun, glänzend, im Allgemeinen gros?
zu nennen. Die Lidspaltenlänge beträgt im Mittel 36 m, dagegen weise?
sämmtliche Individuen eine geringe Intraorbitaldistanz von 33 mm im Mittel
auf. Die Kopfform zeigt eine durchschnittliche Mesocephalie von 75,95
doch muss bemerkt werden, dass diese Zahl auf Rechnung des brachÿ
cephalen (80,9) Gamtei (Nr. 39) herauskommt, während Kopal (Nr. 38)
und Bikuan (Nr. 40) dolichocephale Indices von 72,1 und 74,7 aufweise”
Es mag also hier vielleicht die Annahme einer Dolichocephalie überhauf'
die richtigere sein. In Bezug auf die Ohrhóhe sind die Kai-Leute aU*
gesprochene Chamaecephalen; der geringste Index beträgt 68,5, der durch”
schnittliche 68,7. Doch stehen auch diese Individuen ebenso wie die
Jabim-Bewohner an der Grenze der Orthocephalie. Die Stirn ist b*
Kopal sehr hoch, 80 mm; auch bei den übrigen ragen die Stirnhohenmaass
über 71 hinaus; die Stirnbreiten sind nicht beträchtlich, bei Gamtei 106 mm
bei den anderen sogar nur 105 und 102 mm; besonders in die Auge?
fallend ist bei allen eine máchtige Entwickelung der Augenbrauenboge??
das tritt ganz besonders bei Kopal und Bikuan hervor. Dementsprechend
finden wir tiefe Nasenwurzeln und tiefe Augenhöhlen. Die Gesichts”
höhe B erreicht nur bei Kopal die beträchtliche Höhe von 119 mm, pe
den anderen geht dieselbe über 110 ww» nicht hinaus; der erstere zeig!
deshalb auch eine längliche Gesichtsform, während Bikuan ein mehr rund®®
Gesicht darbietet, dessen Eindruck durch eine auffallend kräftige Ent
wickelung der Masseteren noch erhôht wird; bei Gamtei besteht nur ei”
scheinbare Verlängerung durch das Vorhandensein eines Zickelbartes. Det
gemittelte Gesichtsindex beträgt 81,4, ergiebt also ein chamaeprosopes Ver
hältniss. Am ausgesprochensten tritt dasselbe bei Gamtei hervor mit eine?
Index von 76,0. Die Nase erweist sich besonders breit bei Kopal mit
einem Index von 79,9; der durchschnittliche Nasenindex beträgt 67,9
Ueber die Durchbohrung des Nasenseptums vermisse ich eine Aufzeich“
nung; doch waren auch die Nasenscheidewände der Kai-Leute, soweit iob
170
Beiträge zur Anthropologie der Papuas. 171
i Dinero durchbohrt. Dem entsprechend ist auch der Unterschied
Schr " dem weitesten Abstand der Nasenflügel und der Nasenbreite ein
Sitze ers derselbe beträgt bei Gamtel und Bikuan 11 mm; die Nasen-
Mickey, plump bei Kopal; Gamtei hat einen etwas gekrümmten Nasen-
in " wodurch seine Physiognomie ‘in Verbindung mit dem Zickelbart
M Isches Gepräge erhält. Die Mundlànge ist nicht sehr erheblich,
ende Der physiognomische Ausdruck gestaltet sich bei allen
Kopal a ich, Alle haben einen scheuen, verschlossenen Blick; bei
ine ritt eine entschiedene Verlegenheit hervor; nichtsdestowenigor zeigt
CA Begehrlichkeit nach unserm Besitzthum ; Bikuan blickt halb
lich URBIS halb blade und weinerlich vor sich hin und ist augenschein-
sehmitath, wenig intelligent. Gamtei geht eine gewisse gutmüthige Ver-
0; bei nicht ab. Ein auffallender Prognathismus kommt nur Bikuan
In Be anderen ist ein solcher nur in sehr mássigem Grade vorhanden.
bereit, MS auf die Kôrperbildung habe ich die schwache Muskulatur
fang ervorgehoben; Oberschenkelumfang von nur 380—445 mm, Waden-
aber i, v chen 293 und 334 mm. Die Füsse sind nicht an sich, wohl
Breiten; Vergleich zu der Körpergrösse lang und breit zu nennen; der
bei Ap, S beträet 38—42 (s. Fusszeichnungen Fig. 7). Die Füsse gehen
Ling, n 5 ‘2x in die Kórperhóhe auf. Die Hände sind bei mássiger
beträgt y 173 mm) von erheblicher Breite; der grôsste Breitenindex
s oihme-Protokoll der Nr. 88—40 s. unter Capitel ,Gesichtsmasken*
Die Poum-Leute").
Nat I eine Landschaft 20—30 Seemeilen nördlich von Finsch-
Dörfern Es dst wahrscheinlich, dass man darunter einen Complex von
längs d 2 verstehen hat, welche zwischen Festungshuck und Cap William
Kamoeka, Küste gelegen sind. Als wichtigster Ort wurde mir wiederholt
Übrigens s Sreichnet Gegenüber der Jabimbevólkerung, mit welcher sie
Lente auf reundschaftliche Beziehungen unterhielten, fielen die Poum-
nd gg, 8 durch eine grosse Verschiedenheit der äusseren Erscheinung
Hine prache. |
Migen Mehtlich der letzteren stimmen sie mit dem Jabim wohl nur in
Überein, m die gegenseitigen Handelsbeziehungen bezüglichen Wörtern
Mir Yorgelootz, Freiherr von der Gabelentz fasst nach den ihm von
N Um Digs Sprachproben sein Urtheil dahin zusammen, dass ihm der
lalekt zu bil eine Art Mittelglied zwischen dem Jabim- und dem Kai-
den sche;
Dag Zuerst i M . . :
Nn die Augen Fallende ist bei den Männern eine höchst
> Die “15 Mess-Protokolle Nr. 41—55 (5 F Nr. 51—55
gelang "S2be meines Finschhat rem s d ; h Poum hin-
Sen, dreima] übernachten afener Gewä rsmannes, dass man, um mac oum hin
n müsse, stimmt mit dieser Annahme überein.
172 O. ScHELLONG:
eigenartige Haarfrisur, welche die Conturen des Kopfes nach allen Rio
tungen hin mächtig überragt. Der Kopf gewinnt dadurch das Ausseh®
ungewöhnlicher Grösse, und man hat den Eindruck, als ob der Hals dafür
zu klein und zu niedrig, zugleich aber auch, als ob das ganze Individuu®
klein und eckig gebaut wäre. Bei näherer Betrachtung kann man vorzug*
weise drei Formen dieser Haarfrisur unterscheiden: 1) Der mächtige Haar
wuchs ist über einen, der Circumferenz des Kopfes eng anliegende®
geflochtenen Reif (ssung) gelagert; die bis 30 cm langen, mit Lehm
klümpchen vielfach verklebten Spirallocken hängen über diesen Reif pi.
weg oder sind an diesem in besonderer Weise befestigt. 2) Das, wie
eben angegeben, konstruirte Haargebáude wird ausserdem noch mit eine
Kappe überzogen. Letztere besteht aus einem filetgestrickten Netz und
einem zwischen Haar und diesem eingelagerten Basttuch (obo). 3) Als
weitere Complication wird iiber diese Kappe, d. h. also über die ganze Frist
ad 2, noch eine weitere Lage eines Spirallockenfilzes, diesmal mithin eine
wirkliehe Perrücke, befestigt. Dann ist also der Reihe nach über einand&
gethürmt: lebendes Haar mit Haarreif, Basttuch, Netz, künstliche Haar
perrücke'). Als ein gemeinsames Attribut aller dieser Haartouren ware?
stets zahlreiche Láusecolonien bemerkbar; auch fehlten nicht Einsalbung??
mit sehwarzer und rother Farbe (vielleicht als Antipediculosum). Die
Poum-Frauen trugen das Haar nach Art der Jabim-Leute geschore?
d.i. also in einem etwa drei Finger breiten Rasirstreif rings um den Kop!
Auch in der Bekleidung der Schamgegend zeigt die Poum-BevólkeruJé
bemerkenswerthe Unterschiede gegenüber dem Jabim-Stamme. Die Männ®
von Jabim begnügen sich mit einem kleinen koketten Stricklein; die
von Poum dagegen legen reelle breite Schambinden aus Basttuch a»
Der Schamschurz der Poum-Frauen ist im Gegensatz zu dem. sonst all
gemein verbreiteten Faserschurz?) aus bunt gefürbten Schnüren gefertigt
Doch werden die Schnüre nur vorn getragen; nach hinten zu finde?
sich eine oder mehrere Lagen ungefirbter Grasfasern, welche nach
Art der Tournüren aufgebauscht sind, um die nates voller erscheinen 7
lassen. Statt eines einfachen Hüftbandes ist ein zwei Finger breiter 8
flochtener Hüftgurt üblich, weleher Vorder- und Hinterschurz zusamme?”
hält. Auch hinsichtlich mancher Putzgegenstände weichen die Poum-Leuß®
nicht unwesentlich von den Jabim ab; recht eigenartig und geschmackv0}
ist eine feine Haarspitze, mit welcher der Haarfılz bisweilen zusamm0P”
gehalten wird?).
1) Diese Haarfrisur war um keinen Preis küuflich; sie behaupteten, sterben zu müsse?
wenn sie sich derselben entáüusserten.
2) Die gewóhnlichen Faserschurze der Frauen bestehen nicht aus Grasfasern, sonde
aus entfaserten Cocospalmen - Bláttern. al
3) In Bezug auf die Tracht stimmen die Poum-Leute sehr auffallend mit den pir
Bili-Leuten des Constantinhafens überein und es wird weiteren Untersuchungen vorbebalt®,
sein, festzustellen, inwiefern sich sonst etwa noch Berührungspunkte vorfinden. wie x
weiter unten ausführen werde, lehnen sich die Tami-Insulaner sprachlich an Neu-Pomm
»,
Beiträge zur Anthropologie der Papuas. 173
ha die numerische Starke der Poum-Bevolkerung vermag ich
Wd ps ngaben nicht zu machen; da die Leute sich produktiv zeigten
Wohl @ dem Jabimstamme in Ansehen standen, so dürften sie diesem
‘um mindesten gleichkommen.
in qs Individuen dieses Stammes sind meist klein und ungelenk, öfters
Schulter 1gem Ernährungszustande, mit flachem Brustkorb; abfallenden
die Min kurzem dünnem Halse. Die Frauen erschienen mir kräftiger als
Wenig Lor Den Meisten ist ein stumpfer Gresichtsausdruck eigen; nur
melanch noe einen freien klugen Blick; andere haben einen vorwiegend
Prognathy ischen Zug in ihren Augen. Es fällt sonst auf ein entschiedener
Lew. p ms, welcher mehr ausgesprochen ist, als derjenige der Jabim-
einem, Men eine verhältnissmässige Breite des Obergesichts gegenüber
dung eng, e schmalen Kinn und schmalen Wangen, welche, Jeder Run-
Delson ehrend, sich öfters wie zwei ebene Platten nach dem Kinn zu
Nicht A dem Gesicht eine ausgesprochene Dreiecksform verleihen.
lose Yen wenigsten unvortheilhaft fielen die Leute auf durch eine beispiel-
Gen, "^e hlssigung der Körperpflege, so dass öfters aus einem bunten
Nicht hey von Schmutz, Rauch und Asche das Braun der Haut beinahe
Sehr zu a ufinden war. Allen voran gehen in dieser Hinsicht die Frauen,
alg die dicem Nachtheil, da sie einen viel gefilligeren Wuchs darbieten,
Mang dnner?). Manner sowohl als Frauen zeigten ein ungewohntes
Moss Von Scheu und Zurückhaltung. Während der Ausführung der
halten on hatte ich fórmliche Mühe, die sich ängstlich umschlungen
Von in pr auseinander zu bringen. Aus diesem Grunde habe ich
Die x, n7 Leuten auch keine Gesichtsmasken gewinnen kónnen.
Männer » Orperhohe der gemessenen Poum-Leute beträgt im Mittel für
(Nr, 50) 43 mm, fir Frauen 1498 mm; das grosste Maass hat Ssimeio
Kôrperhèhe 1598 mm. Die Klafterweite übertrifft bei sämmtlichen die
Um 74 m e, im Maximum um 144 mm, im. Minimum um 36 mm, im Mittel
740 und o Brustumfang ist gering, hält sich gewöhnlich zwischen
hat Nr. 49 mite einer, Nr. 48, misst sogar nur 675 mm; die hóchste Zahl
. LR eue 850 mm aufzuweisen. |
Benth: 8 auf die Hautfarbe notirte ich bei Assap (Nr, 48) eine
lche Scheckzeichnung. Die Haut desselben zeigte nehmlich
MIT checkzeichnung u g ic
ve über die hase enbafte Lokal-Untersuchung vorzugsweise dazu berufen sein, mehr
DE gen Hin- und Herwanderungen der melanesischen Volksstämme zu
us Bem tem Geiko, angeblich aus Ssiaua, der über Nacht leider verschwand,
Mehr s vaDpirie gerader teh m mit memes TE RE reliston rahe Hd
von den aft werden und not son prognat es ( le w AN seit 1 pt nic !
diesen wegen rig in Fi. xe oe Factum mit c em udis t AN eic 1 wr
9) m ZU fahnden, chhafen lebenden Europäern Gelegenheit nehmen möchte, au
Blu bed (Nr. 55) präsentirte sich mi ; it gänzlich ‚etrocknet
ra Waden, irte sich mir zur Messung mit gänzlich von angetrocknetem
ür Ethnologie, Jahrg. 1891.
18
174 O. SCHELLONG:
nur an einzeluen Stellen des Bauches, der Brust und den vorderen Partien
der Unterschenkel das Papuabraun (Broca 29/43); im Uebrigen war die
Farbe der Haut ein schmutziges Weiss, so besonders an den Schulter”;
den inneren Armpartien, den seitlichen Theilen des Halses, der Oberlipp®
den Waden, den Nates. Diese helleren Hautbezirke waren zum Theil mit
Schüppchen bedeckt, welche dem chronischen Schuppen-Eezem entsprachen;
zum anderen Theile war die Haut glatt oder sie gewährte einen welken
gerunzelten Eindruck und es fehlten die Kórperhárchen; hier war also der
eczematôse Prozess bereits abgelaufen und die Haut schien ihr Pigment
dauernd eingebüsst zn haben. Ich notirte für diese Stellen Broca 24 und 25^):
Táttowirungen der Haut fehlen. Das Haar hat bis auf die Besonder-
heit der Frisur die spirallockige Beschaffenheit und die schwarze Farbe des
Papua-Haares. Nr. 54 hat rothes Haar, welches nur schwarz gefürbt ist
Das Auge ist dunkelbraun und zeigt bei einzelnen, wie bei Garauë
(Nr. 45), eine derartig starke Pigmentirung der Bulbi, dass diese bel
1) Es ist hier vielleieht der richtige Ort, um eine Bemerkung anzufügen, welche sich
auf das Hautpigment der Melanesier bezieht. Die Anregung zur Pigmentbildung ist in
den Tropen eine sehr grosse; die Beobachtung, dass sich dunkelbraune Pigmentflecke be
dem Europáer ganz gewüóhnlich bilden, wenn oberflàchliche, làngere Zeit eiternde Wunde?
und Schrunden, besonders an den Unterschenkeln, vernarben, ist eine alltägliche. Da die
Europäer Beinkleider tragen, so lässt sich zur Erklärung dieser Tatsache die direkte Ein
wirkung des grellen Sonnenlichtes nicht heranziehen und man wird, je nachdem man der
einen oder der anderen der heutzutage über die Pigmentbildung geltenden Anschauunge?
beitreten will, entweder annehmen, dass in der Wunde eine Umwandlung des Blutfarb-
stoffes in Pigment stattgefunden, oder dass die Wunde gewissermaassen auf die pigment
bildende Malpighische Schicht als formativer Reiz eingewirkt hat. Nichtsdestoweniger ist
aber die Einwirkung des grellen Sonnenlichtes bei der Pigmentbildung nicht wegzuleugnen;
wie bei dem Europäer, so zeigen sich auch bei dem Papua diejenigen Partien der Haut
dunkler braun, welche nicht gedeckt sind, heller braun diejenigen, welche theilweis®
gedeckt sind, wie die Innenflächen der Arme, die Hautstellen unterhalb der Mammae u. s. Wo
fast weiss sogar diejenigen Hautpartien, welche so zu sagen vollstündig gedeckt sind, wie
die Handflächen und Fusssohlen. Auch treten die Pigmentirungen am Bulbus des Papu?
vorzugsweise in dem Bereich der Lidspalte (als horizontaler Pigmentstreif) auf, also dà;
wo das Sonnenlicht direkt trifft; bei den Pigmentflecken der Schleimhaut der Lippen
der Wangen oder der Zunge, welchen man gelegentlich, wenn auch nicht sehr häufig
begegnet, liegt die Vermuthung nahe, dass hier vielleicht Verschwürungen oder en
zündliehe Prozesse vorangegangen Waren. Am meisten auffallend ist es nun, gelegent
lich Papuas mit pigmentfreien, also weissen Narben anzutreffen. Ich sah solche weisse
Narben einige Male am Unterschenkel; sie waren meist über thalergross und tief
eingezogen und liessen darauf schliessen, dass hier tiefgreifende Ulcerationen bestande?
hatten. Es liegt also die Thatsache vor, dass sich bei dem Papua auf oberflichliche?
Narben das Pigment wieder herstellt, bei tiefgreifenden Wunden dagegen die Fühig
keit der Reproduction des Pigments verloren geht. Daraus aber ist, wie ich glaub®
ein weiterer Beweis für die Anschauung erbracht, dass das Pigment nicht ein Ab-
kómmling des Blutes, bezw. des Blutfarbstoffes ist, — denn es müsste sich dann doch
überall da auf der Kórperoberflüche bilden kónnen, wo eine Blutcirkulation stattfindet
also auch auf Narben —, sondern dass dasselbe ein Produkt der Malpighischen chic
ist; geht diese, wie bei tiefen Wunden, verloren, so vermag sich das Pigment hier nich
mehr zu erneuern. Dei Individuen, welche, wie Assap, schuppenháutig sind, müsste mal
hingegen annehmen, dass durch die dauernde Anwesenheit des die Hautkrankheit 97
zeugenden Pilzes das Rete Malpighii so sehr in seiner Ernàhrung beeintrüchtigt wurde
dass es die Fahigkeit, Pigment zu produciren, überhaupt eingebüsst hat.
4,
Beiträge zur Anthropologie der Papuas. 115
Hep cher Lidstellung braun erscheinen. Lidspaltenlánge und Intraorbital-
ist a gestalten sich, wie bei den Jabim-Leuten; für beide Verháltnisse
bohri mm die ungefähre mittlere Zahl. Die Ohrláppchen sind. durch-
: oft aufgeweitet, auch gespalten.
Prise die Koptf orm vermag man wegen der Ungeheuerlichkeit der
-— nieht leicht ein Urtheil zu gewinnen. Die Messungen ergaben
und gene Mesocephalie (11 Individuen) gegeniiber 3 Brachycephalen
Ohrhôh olichocephalen. Der gemittelte Index ist 77,7. Hinsichtlich der
cophal, e des Kopfes finden sich unter den 15 Individuen 10 Hypsi-
gerin en, dagegen nur 1 Chamaecephaler, Garaua (Nr. 45) mit dem sehr
in des Index von 58,8; 4 sind Orthocephalen. Der gemittelte Auricular-
Ist 65,9.
cnt geringen Kopfhöhe entspricht eine ebenfalls nur geringe Hóhen-
hohe mg der Stirn; dagegen zeigen die Breitenmaasse der Stirn relativ
bogey erthe, 100—104 mm, erheben sich sogar bis 111 mm. Die Orbital-
Hingigyy | nur bei wenigen in auffallender Weise entwickelt; in dieser
Schi stehen. die Poum-Leute den Kai- und Jabim-Leuten ent-
leden nach.
roi + Gesicht erscheint im Ganzen klein. Die Gesichtshôhe B er-
mal 19, onulich nur die Zahl von 110 mm; als höchster Werth ist eın-
dass b m notirt. Die Jochbeinabstände sind ziemlich beträchtliche, 80
Der ,,ummtlichen Individuen ein chamaeprosopes Verhältniss resultirt.
sich rs Gesichtsindex ist 82,5. Bei zweien, Nr. 46 und 50, findet
rschein is Parotidenschwellung, welche das Gesicht. noch breiter
roto, lässt. Das Kinn ist bei den meisten schmal und niedrig; eine
Di £e Form des Gesichts deshalb vorherrschend.
Selbe . Nase hat die breite Beschaffenheit der Papua-Nase; doch ist die-
Theil M gross, als plump zu nennen. Nasensepta durchbohrt, zum
breiten. herabhángend; Flügelabstand sehr weit, übertrifft das Nasen-
Naseninde gewöhnlich um 10 mm; Nasenspitze abgestumpft. Gemittelter
Weise i 63,5. Die Frauen bilden hinsichtlich der Form der Nase theil-
481 se the Ausnahmen. Mmbäg (Nr. 51) steht mit ihrem Index von
Verhältnis zu unerreicht da. Auch die Frauen Nr. 52, 53 und 54 haben
desto o schmale Nasen mit Indices von 58,8— 58,8. Nichts-
in eine, bet sind auch die Nasensepta dieser Frauen durehbohrt, was
die Nason. Flügeldistanz zum Ausdruck kommt. Bei Mmbäg beträgt
bei ihr ge reite 26 mm, der Flügelabstand 36 mm; das Nasenseptum hängt
hängen den Ti herab, dass die Entfernung, von der Nasenwurzel zum herab-
(bis zum Se i des Septum gemessen, das gewöhnliche Nasenhôhenmaass
Segen 54 M mansatz an der Oberlippe) um 5m übertrifft (59 mm
Der Tundgegend der Poum-Leute ist ziemlich auffallend entwickelt.
AC Misst gewöhnlich über 50 mm, was für die Kleinheit der Figur
191
Ir
Le
173 O. SCHELLONG:
immerhin ein erhebliches Maass bedeutet. Unter den Frauen hat Ni. 59
den gróssten Mund (59 mm), Nr. 55 einen sehr kleinen Mund (47 mm):
Die Lippen sind weder wulstig, noch besonders voll angelegt; nichts desto"
weniger steht der Mund im Ganzen naeh vorn, so dass der Prognathismus
also reiner Kieferprognathismus ist.
Der physiognomische Ausdruck der Poum-Bewohner ist ein für
unsere Begriffe nicht angenehmer; es geht diesen Menschen anscheinend
jede Spur von geistiger Regsamkeit ab; sie sehen schläfrig und matt aus
und haben sich nicht mit Unrecht Schlafmützen aufgesetzt.
In Bezug auf die Körperbildung ist noch das Folgende hervor”
zuheben:
Die Nabelhóhe übertrifft die Kórpermitte um 125 bis 175 mm; nur
bei Mangaia (Nr. 55) liegt der Nabel viel tiefer, nur 63 mm oberhalb der
Körpermitte.
Die notirten Beinlängen betragen 789—818 mm; dieselben übertreffen
die halbe Körperhöhe nur um ein Geringes, 15—43 mm, sind also im All-
gemeinen geringe zu nennen. Der Oberschenkelumfang der Frauen ist
ein recht beträchtlicher, 425 mm und mehr; Nr. 529 hat sogar ein Umfang-
maass von 498 mm. Auch der Wadenumfang, mit einem gewöhnlich über
300 mm betragenden Maass, kann als ein guter gelten.
Die Füsse sind relativ gross; das Fussmaass geht in der Kórperhóhe
6,2 bis 6,5 x auf; nur der vergleichsweise kleine Fuss von Nr. 43 5 geht
gerade 7mal in der Kórperhóhe auf. Die absolute Fusslänge ist eine
geringe, überschreitet bei den Frauen nicht die Zahl 246; die Männer
haben noch kleinere Längenmaasse von 225—240 mm. Unter den Breiten-
maassen sind zwei erhebliche, bei den Nrn. 41 und 42, sie betragen
je 95 mm; die übrigen haben geringe Fussbreiten, geringer als 90 mm;
Mangaia 9 (Nr.55) hat sogar einen schmalen Fuss von 78 mm Breite
Die Breitenindices sehwanken zwischen 34 und 39, sind also im Vergleich
mit denjenigen der Kai- und Jabim-Leute geringe. Die Zehen sind kurz
und dick (siehe Fusszeichnung Taf. V. Fig. 8).
Die Hánde sind im Allgemeinen von. entsprechender Grósse und
etwas breit; der grösste Breitenindex betrügt 44 (bei Nr. 54 2). Mmbág ?
(Nr. 51) hat recht magere Finger; auch zeigt sich an dieser Hand de"
Ringfinger von auffallender Kürze. Ein gleiches Verhältniss findet be!
Nr. 529 nicht statt (s. Handzeichnungen Taf. III. Fig. 8 und 4).
Ich bemerke endlich, dass unter 7 darauf untersuchten Poum-Leute?
nur einer einen palpablen Milztumor hatte, was für die klimatische Güte
ihrer Siedelungen zu sprechen scheint.
Aus den Aufnahme-Protokollen ist noch das Folgende hervorzuheben:
Nr. 41. Gnérassa #, 17jährig, intelligent, ängstlich blickend; gut entwickelt?
Kórperformen.
Nr. 42. Mèküng 5, etwa 99jührig, mit starkem Knochenbau, schwacher MuskulatU!
rechtes Auge mit altem totalem Pannus.
Nr. 48. Ssápóa, etwa 30jáhrig, hager, mit hellerer Hautfarbe (uliniong).
(4
Beiträge zur Anthropologie der Papuas. 177
keit ne = Bôsss, etwa 30jàhrig, hat in Farbe, Figur, Gesichtsbildung grosse Aehnlich-
en vorigen.
ed 45. Gáraua &, etwa 35jährig; mässig genährter Mann mit dünnen Waden,
By chem Knochenban, nicht grossen Hünden und Füssen. Gesicht von auffallender
me mit sehr starken Joch-Beinen und -Bégen, zurückliegenden Schläfen. Stirn nur
br hoch, breit, geneigt. Kinn sehr kurz. Augen liegen tief; Bulbus mit so lebhaft
s om Pigmentstreif, dass bei natürlicher Lidstellung der Bulbus braun erscheint. Lid-
mi ten ein wenig nach aussen, oben divergirend; im Uebrigen weit, mit langen, gleich-
di ce Wimpern. Nasenwurzel nicht tief, Nase eher breit als gross, hässlich, mit
M er Spitze, kurzem Septum, etwas flach gedrückten Nüstern, grossen, gut gewôlbten
Ann Mund gross, vortretend, verleiht dem Gesicht einen prognathen Ausdruck.
tiston; tik vertes pa Dee von 30 cm Linge; von sehr typischer Matratzen-Kon-
^ Es wimmelt von Kopiläusen.
Bl 46. Bükárra 5, 28jährig, kleiner (15029 mm) Mensch aus Poum, mit stumpfem
bein , dickem Bauch, abfallenden Schultern, wenig entwickeltem Brustkorb und Schlüssel-
(f. eben, im Uebrigen bei mässig guter Ernährung. Beide Ohrläppchen weit durchbohrt
Schwoll Finger zugänglich), desgleichen Septum. Gesieht breit, mit beiderseitig ge-
Stimm nen Parotiden, Kinn kurz, schmal. Lippen stark vortretend; prognather Typus.
Wie y iedrig. Schlàfenpartien voll. Augenbrauenbógen nicht auffallend markirt. Augen
Sm vorigen; weite horizontale Lidspalten.
lar d Mónai 5s etwa. 38 jährig, mittelgross, mit freiem Blick, unschôn geformter
Origa 0 und Schlüsselbeingruben ; erinnert an den slavischen Typus. Scharf markirte
Das. Ge gen, horizontaler Lidspalte. Mund breit, Oberlippe voll, beide Lippen vorstehend.
den voriger im Gamer hoch oval (Index 85,7), Schläfen zurücktretend. Kinn gegenüber
. S€n gross, rund.
ndi 48, Assäp &, etwa 20 jährig; kleines, hässliches, blóde dreinschauendes In-
mit fa a mit scheckiger, gänzlich ungepflegter Haut; in schlechter Ernährung (Yambauch);
fallende em, fast kindlichem Brustkorb, welken, fleischlosen Armen ; das Gesicht von auf-
A. Kleinheit, durch eine zurücktretende hellfarbige Unterlippe stark entstellt, sonst
Markiye ; mit kurzem vorstehendem Kinn. Stirn niedrig, breit, mit vollen Schläfen, scharf
auffallen Orbitalbôgen. Die glotzäugigen Bulbi rollen in tiefen Hóhlen; sind im Uebrigen
Nr wenig pigmentirt. Die weiten Lidspalten etwas nach aussen, oben divergirend.
Körper 49. Ssinabi 5, etwa 40jährig, sieht charakteristisch jüdisch aus; hat runde
haltenen pa kurzen gedrungenen Knochenbau, reichliche Behaarung, einen kurz ge-
lippe de art. Kinn vorstehend, die volle Unterlippe ein wenig hángend, die hohe Ober-
dem eu S leichen, ein wenig vorstehend. Gesicht rund, mit etwas zurücktretenden Wangen,
Augen a markirten Wangenbeinen. Nasenrücken leicht sattelförmig eingedrückt;
Nr egen tief, sind mässig weit, Lider ein wenig nach aussen und oben geschlitzt.
treten de L Ssimeiü, etwa 28jàhrig, klein, engbrüstig, gracil ; breiter Mund, stark vor-
Sehwap PP Pe, breites niedriges, vorstehendes Kinn; breites Gesicht, durch Parotiden-
»Schwei 8 noch verbreitert; scharf markirte Augenbrauenbügen, tief liegende, kleine
Nsaugen“ . PR diveroi . tiefe Na
Plumpe N gen, welche ganz wenig nach unten und aussen divergiren; tiefe Nasenwurzel,
Nr gy niedrige gerade gestellte Stirn, volle Schläfen.
30 Jahre —55. Poum-Frauen. Nr. 51 und 55 sind ältere Frauen von etwa 50 und
Gostalge, mt ganz welken, hängenden Brüsten, Nr. 52 und 53 wohlgeformte, blühende
Straffen di mit breiten Hüften, krüftigen Schenkeln, gerundeten Schultern und vollen,
Tiges Mà dcus renden Brüsten. Nr. 54 ist ein in der Entwickelung begriffenes 17—18jäh-
Ohrläppehen IN etwas dürftiger Ernährung. Alle haben durchbohrte und ausgeweitete
Ch vor, Géflocht Theil mit ,Baningas“ versehen; auch gespaltene Ohrläppchen finden
Oberhalb ds wobtene Armbänder um beide Oberarme haben alle, einige auch Kniebünder
der üblichen D ade, oder auch Bänder unterhalb derselben. Alle tragen das Haar kurz, in
Sebacken, N PU Ilt dem Rasirstreif; einzelne Lockenbündel sind mit Thon zusammen-
4m Hinterko t 4 hat das rothe Haar schwarz gefärbt, man sieht das Roth nur noch
Schämt, m an Augenbrauen und Augenwimpern, Die Augen sind dunkelbraun, ver-
Striae (ny Die T Und dem Abdomen, auch der alten Frauen, bemerkt man nirgends
Sestellt, nicht aline aller sind mit blendend weissem Schmelz versehen, gleichmässig
STOSS, vollzühlig. Die Nasen, trotz der Durchbohrung der Septa nicht gross,
178 O. SCHELLONG:
gut geformt. Die Lippen aller sind nicht voll, der Mund nicht gross und nur ganz
wenig oder kaum vorstehend. Ausgesprochener Prognathismus kommt keinor einzige?
zu. Es finden sich weder auffallende Orbital-, noch Jochbógen.
Nr. 51, mit kleinem Kopf, Haar zum Theil ergraüt.
Nr. 52, mit breitem, niedrigem Schädel, weinerlichem Gesichtsausdruck. Kleines:
wohlgeformtes Kinn.
Nr. 53 sieht den vorigen sehr ähnlich, nur mit breiterer Stirn und Wangen.
Nr. 54, mit breitem hohem Kopf, desgleichen breiter Stirn und Gesicht.
Nr. 55, mit kleinem, kurzem, breitem, niedrigem Schüdel, desgleichen breiter StirT»
niedrigem Gesicht.
Die Tami-Leute").
Die Tami-Inseln sind auf álteren Karten als Cretin-Inseln bezeichnet
bezw. als Inseln am Cap Cretin. Diese Inseln sind von Finschhafen mittelst
Dampfschiff in wenigen Stunden zu erreichen. Es sind nicht mehr als 4
kleine, reich mit Cocos-Palmen bestandene, hóchst malerisch gelegene
Inselehen, deren Bewohnerzahl kaum 150 Kópfe betragen dürfte. Fin
Ausflug nach den Tami-Inseln im Segelboot oder im Eingebornen- Cano?
gehörte zu den angenehmsten Abwechselungen, welche sich den in Finsch-
hafen lebenden Europáern darboten?), und die Beziehungen der letztere?
zu dem glücklich lebenden Insulaner-Vólkchen waren’ bei weitem die
intimsten. Der äusseren Erscheinung nach üchte Papuas, stellen die T'ami-
Insulaner einen in mancher Hinsicht besonderen Schlag dar; es sind voll”
kräftige, männliche, ebenmässige Gestalten mit offenem, klugem Blick,
graciös in Haltung und Bewegung; sie machen den Eindruck vornehmet
Menschen und entfalten eine gewisse Opulenz in ihrem Ausputz: schön®
Haarpfeile mit Kasuar-Federn, Schildpatt- Ohrringe, Schildpatt- Armring®
breite, acht und mehrere Male um den Leib geschnürte Bastleinen bilde»
denselben. Als tüchtige Seefahrer bekannt, unternehmen sie auf ihren schó?
geschnitzten Segelkanoes weite Fahrten und stehen mit den Küstendórfer?
weit und breit in lebhaften Handelsbeziehungen. Ihre Handelsspecialität
sind Cocosnüsse, geschnitzte Cocosnussschalen, kahnfôrmig geschnitzte Holz”
schüsseln mit hübschen Demalungen, grosse Signal-Muschel- Trompete?
Sehildpatt-Verzierungen, kleine Sehnecken-Perlen u.s. w.*) Ihre Sprache
weicht von der Jabim-Sprache in mancher Hinsicht ab, hat aber auch
viele Berührungspunkte mit derselben. Andererseits tritt eine entschieden?
Anlehnung an den Dialect der Insel Rook-Island (an der Südwestküst?
von Neu-Britannien) hervor, wie aus folgenden Worten ersichtlich ist)?
1) Dazu 8 Mess-Protocolle (Nr. 56— 63) und 4 Masken (Nr. 28—31). 4
2) Eine solche Tami-Fahrt hat der Artillerie- Hauptmann M. Dreger, welcher sich
auch um die geographische Aufnahme dieser Inseln verdient gemacht hat, in der T38
lichen Rundschau 1888, Nr. 148 ff, in hóchst launiger und anmuthiger Weise geschildert
Es finden sich daselbst mehrere ethnographische Bemerkungen, ”
3)' Ueber die Herstellung der letzteren siehe meine Arbeit „Ueber die Herstelluns
einiger Ethnographica der Finschhafener Gegend“ (Internat. Archiv für Ethnographie 1888)
4) Siehe darüber auch meine ,Jabim-Sprache der Finschhafener Gegend“ (Wilh. pne
rich, Leipzig 1890).
Beiträge zur Anthropologie der Papuas.
Tami Rook-Island Jabim
Zahl | te teng teng
» 3 lu ru luagi
» 9 tul to(r)l tilia
» 4 pat )(N.-Britannien: pang ali
| hi wat
» 9 lim]. hei lim) lim lemengteng
» 10 limandalu (Neu- ssangawull (Neu- lemeru
Britannien: Irland: ssangahull}
lewalimma)
Mond — kí(ijo kato ajum
Sonne kä(a)t (Neu-Bri- as Ga
| tannien: kéake)
Sem biti pütum uti
Mann tamo tamo enàá (támo — Vater)
Haar dauänélaü dabann (e) saû mukilong
Sib bisson pissiim missu
er 18S Iss kim
P" tagambi tägänanın (g) tannin
afen tängissü tägen tanibi
Shen — tébédjal tálla(t) tassilling
stop anthropologischen Charakterisirung der Tami-Leute
von en mir 8 Mess-Protocolle zu Gebote, „ausserdem Aufnahme - Protocolle
145 9 Individuen (Katong & 32jihrig, Logom à 16jährig und Djeledja $
Jährig) und 4 Gesichts - Masken.
lus i Mong, Modiamo (Nr. 56) und Makili (Nr. 57) sind Brüder, welche
ihre grosse Aehnliehkeit unter einander auffallen.
Als Die Figuren der Tami-Leute kónnen als stark mittelgrosse gelten.
De, milice Korperhohe ergiebt sich aus den Messungen 1613 mm.
bild, leinste gemessene Mann hat eine Höhe von 1563 mm. Die Körper-
ig ist eine im Ganzen harmonische, der Ernährungszustand ein sehr
Tans der Brustumfang ebenfalls erheblich (850 — 920 mm). Auch bei den
io ute übertrifft die Klafterweite die Korperhohe um ein Beträcht-
(42 —130 mm), im Mittel um 75 mn.
idus die Haut ist dem sehon in den früheren Capiteln Gesagten
wg, esentliches hinzuzufügen, nur, dass die Tami-Leute, im Gegensatz
Plog | Bewohnern des Festlandes, eine lobenswerthe Sorgfalt der Haut-
des H zuwenden und in Folge dessen von dem entstellenden Hautaussehlag
"— fonsurans fast günzlich verschont bleiben. Táttowirungen
selben » d häufig im Gesicht und an den unteren Extremitäten. Die-
Bei der Te. gewöhnlich Zeichnungen von 4- oder 5 eckigen Figuren dar,
geritzt ET der Tättowirungen wird die Haut mittelst Obsidians
(dureh y m den noch blutenden Riss frisch bereitetes Kohlenpulvre
| Verkohlen eines Palmblattes gewonnen) hineingerieben. Am Inter-
179
159 O. SCHELLONG:
essantesten ist die nun folgende Manipulation: um nehmlich die Blutung
möglichst rasch zum Stillstand zu bringen, wird ein dazu geeignetes, grosses;
frisch abgepflücktes Blatt unter Hersagen einer Formel über einem glim-
menden Kohlenfeuer erhitzt und fest gegen die tüttowirte Hautstelle
gedrückt. Der dadurch verursachte Schmerz ist ein ziemlich betrüchtlicher,
wovon ich mich aus eigener Erfahrung überzeugt habe).
Der Haarwuchs der Tami-Insulaner ist ein sehr üppiger. In der
Haartracht weichen sie sehr wesentlich von den Bewohnern des Festlandes
ab. Sie kämmen nehmlich das Haar zu grossen Fiji-Perrücken aus, und
verwenden auf diese, sie sehr kleidende Frisur augenscheinlich grosse
Sorgfalt. Um dem Haar die aufstehende Richtung fortdauernd zu geben,
scheint es nothwendig zu sein, dass sie es vor dem Kämmen mit Wasser
befeuchten?). Diese künstliche Frisur ist also weiter nichts, als die durch
Kämmen ausgezogene Spirallocken-Frisur: es stellt sich das Haar nicht
mehr als aus einzelnen Spirallocken- Bündeln bestehend dar, sondern jedes
einzelne Haar bildet jetzt für sich eine weite, lang gedrehte Spirale. Statt
des Matratzen-Gefühls bekommt man beim Betasten jetzt mehr die Em-
pfûndung, als wenn man ein locker aufgeschichtetes Flachshiindel betastet®).
Das Auge des Tami-Insulaners ist dunkelbraun, glänzend, freimüthig
blickend und verrüth viel Intelligenz. Die Lidspalten-Lünge betrügt
382—931 mm. Die Ohren haben meist durchbohrte und weit ausgezogene
Läppchen *).
1) Meine Sprachkenntniss reichte nicht hin, um mir über den Sinn der Tättowirungen
volle Aufklärung zu verschaffen. Doch schien man mir, als man mich tättowirte, zweierlei
damit verheissen zu wollen: die Freundschaft des Tami-Stammes im Speciellen und die
Freundschaft der Frauen im Allgemeinen.
2) Ich sah einen Tami-Mann, gelegentlich einer Canoe-Fahrt, sein Haar ordnen,
wobei er die ganze Perrücke über den Rand des Bootes hinaus ins Wasser tauchte.
3) Zwei junge Leute, Logom (16jährig) und Djeledja (14jährig), hatten statt der
Spirallocken glatte Locken, welche sich aus einzelnen, glatten Haaren zusammensetzten.
Ihre Frisur erinnerte an die unserer Modeherren, welche sich das Haar in Locken brennen
lassen. Bei Djeledja dürfte dieses Verhältniss noch an der Maske 28 zu erkennen sein.
4) Mórlo (Nr. 58) bietet an seinem linken Ohr einen Defect der Olirmuschel dar.
Von diesem Ohr habe ich einen Gypsabdruck genommen und das Folgende darüber notirt:
Das linke Ohr setzt sich zusammen aus einem 26 mm hohen, 19 mm breiten Stumpf und
dem durchbohrten und zu 67 mm Länge ausgezogenen Läppchen. Der kleine Stumpf,
welcher eine Ohrform wegen des Fehlens von Concha, Helix, Antihelix und Tragus über-
haupt nicht mehr erkennen lässt, hat eine etwa länglich-viereckige Gestalt; an Stelle des
fehlenden Meat. audit. ext. sieht man zwei kleine, hirsekorngrosse Grübchen, welche sich
mit der Sonde nicht weiter verfolgen lassen. Der Stumpf ist von normaler, nirgends einé
Narbe zeigender Haut überdeckt, welche gegen eine knorpelige Unterlage allerseits guí
verschiebbar ist. Bei Annäherung an dieses Stümpfchen oder bei Reizung der Stirnhaut
bewegt sich dasselbe lebhaft in die Höhe (der Muskel des anderen Ohrs functionirt nur
ganz andeutungsweise), ganz nach Art eines gereizten Muskels. Da, wo die Haut des
Stümpfchens nach hinten zu sich auf den Proc. mast. fortzusetzen beginnt, gewahrt man
eine kleine, erbsengrosse, rundlich-spitze Prominenz, welche sich bei Bewegungen des
Stümpfchens unter der Haut mitbewegt und mit dem Knorpel in directer Verbindung steht.
Von vornherein glaubt man an Verstümmelung; bei näherem Zusehen überwiegt der Ein-
druck, dass es sich um einen angebornen Defect handelte.
20
SU
Beiträge zur Anthropologie der Papuas. Ï
Der Kopfform nach sind die Tami- Leute Mesocephalen. Unter den
8 Individuen, welche ich gemessen habe, befindet sich nur ein Dolicho-
cephale mit Index 73,1 und ein Brachycephale mit Index 81,0. Der
gemittelte Index simmtlicher 8 Individuen ist 78,2.
In Bezug auf die Ohrhóhe betrachtet, finden sich 1 Chamaecephaler
(Index 63,6) und 7 Hypsicephalen (hóchster Index 70,9). Im Ganzen
Tesultirb eine durchschnittliche Hypsicephalie von 67,6.
. Die Stirn ist überall als hoch und gut gewolbt notirt. Die Breite
Ist bei den Nrn. 57, 58 und 63 nicht sehr beträchtlich, nur 91—99 mm; bei
ZWeien findet sich 106 mm; die grösste Breite misst 109 mm. Die Stirn hat
also nur als eine mässig breite zu gelten. Die Augenbrauenbögen zeigen
allenthalben eine kriftige Entwickelung.
Das Gesicht ist wohlgeformt, hoch, mit schmalen Wangen. Die
Gesichtshôhe B. betrügt im Durchschnitt 120 mm. J ochbeine und Jochbógen
“nd kräftig, aber nicht so mächtig entwickelt, wie bei der Küstenbevólke-
Tune. Der Gesichts-Index beträet 89,7, nähert sich also stark der Lepto-
Prosopie. Es ist überhaupt die Frage, ob die Annahme eines leptoprosopen
Verhältnisses für die Tami-Insulaner nicht zutreffender wäre, da sich unter
Um 7 in Betracht kommenden Individuen bereits 5 Leptoprosope (hóohster
dex 93,0) befinden. Die Form der Nase ist gefàllig zu nennen, wenn-
ia ihr das hauptsichliche Charakteristikum der Papua-Nase, die erheb-
A ? Breite, ebenfalls nicht fehlt. Der gemittelte Nasen-Index ist 65,4.
N Srösste Breite ist 40 mm, als geringste 29 mm notirt. Das gefilligere
the" der Nase ist theils in ihrer relativen Höhe von 54—56 mm,
der y m dem Umstande begründet, dass, trotz der Durehbohrung der Septa,
lho a Abstand das Breitenmaass gewöhnlich nicht um ein Erhebliches
1_9 rift: bei vieren (Nr. 58 und 60— 62) beträgt dieser Unterschied nur
kom Mm, bei Nr. 63, welche die sehr geringe Breite von 29 mm aufweist,
Men freilich wiederum 11 mm heraus.
a Mundgegend ist nicht besonders stark entwickelt. Der Pro-
Die ns ist ein sehr mässiger, wenn überhaupt vorhanden (84—89 °°).
STösste notirte Mundlänge: beträgt 59 mm.
Die im physiognomische Ausdruck ist ein höchst sympathischer.
Grad eute bekunden durchweg einen für ihre Verhältnisse nuífalienden
Brosser 3. Intelligenz. Im Verkehr mit Fremden zeigen sie sich von
angulent ewandheit und verstehen es vortrefflich, neue Handelsbeziehungen
— Pfen und auszunutzen!). Ihre Erzeugnisse bekunden viel Fleiss
i un der günstigen Jahreszeit (S. W. Monsum) verging kaum eine Woche, ohne dass
Da ich bei ner Gala tigen Segelcanoes auf der Station Finschhafen erschienen wären.
i ‘mir fast regelm oonhelt Vorliebe für die Tridaena- Muschel gezeigt hatte, brachten
ésitzt, zum Kauf. Ei 1g einige dieser Prachtexemplare, deren jedes Centnerschwere
‘Auschmässig zu heran zeigte ich mich nicht geneigt, einem jungen Manne ein Beil
wen oder mehrere Dosti auf welches er ein Auge geworfen hatte. Ich verlangte dafür
erthes interessirten, Mon e Gegenstände, welche mich wegen ihres ethnographischen
ein Freund versprach wiederzukommen und mir das Gewünschte
18°
O. SCHELLONG:
und manuelles Geschick, auch einen hohen Grad von künstlerischem
Geschmack!). Von diesen Leuten habe ich auch einzig und allein An-
deutungen gehórt, welche sich auf ein Leben nach dem Tode beziehen").
Das Farben-Unterscheidungs-Vermôgen ist, wie bei den darauf unter-
suchten Melanesiern iiberhaupt, gut ausgebildet?).
Hinsichtlich des Körperbaues gebe ich noch die folgenden Daten:
Die Nabelhóhe übertrifft die Kórpermitte im Mittel um 159 mm. Die
Beinlàngen betragen 808—864 wm; dieselben übertreffen die halbe
Kôrperhôhe um 26—48 mm. Nur bei Magedu (Nr. 62), welcher durch
eine. gedrungene, untersetzte Figur auffállt, bleibt die Beinlinge 5 mm
gegen die Kórpermitte zurück. Füsse und Hände sind etwas breit, aber
im Ganzen wohlgeformt. Der lüngste Fuss misst 260 mm. Die grösste
Fuss-Breite hat Nr. 61 mit 111 mm aufzuweisen, den gróssten Fuss-Index
Nr. 62 mit 44 mm, den geringsten Nr. 69 mit 36 mm. Die Füsse gehen
5,8—6,6 Mal in der Kórperhóhe auf, sind also relativ gross.
. Im Uebrigen verweise ich auf die Masken- und Mess-Protocolle.
Papuas von anderen melanesischen Inseln.
Neu-Lauenburg*) (Duke of York).
Mein anthropometrisches Urtheil über die Neu-Lauenburger gründet
sich auf nur 2 Aufnahme-, bezw. Mess-Protokolle, von welchen das eine
in dem Capitel ,Gesichtsmasken“ aufgeführt werden wird (w.s.!). Ich
lasse deshalb hier das andere Protokoll folgen.
Nr. 64. Toaut, etwa 22jährig, von der Insel Meoko, ein mittelgrosser, tief dunkel-
brauner, starkknochiger, etwas eckig gebauter Mensch, mit stark eingebogenem Kreuz, langen
Händen, breiten, platten Füssen, wenig entwickelten Waden. Farbe: Brust B. 28-—29—30,
leicht in's Graue spielend; Nase 23—29, Rücken 28-50. Penis sehr dunkel, tief grau-
schwarz, unbeschnitten. Kopfhaar ganz kurz gehalten, lässt an den Schläfen den spiraligen
Typus erkennen. Bart fehlt. Körperhaar spärlich. Eine dunkelblaugraue, in der Mitte
der Stirn herunterlaufende Tättowirung setzt sich auf dem Nasenrücken bis nahe zur
Nasenspitze fort. Rechtes Ohrläppchen durchstochen; Septum durchbohrt. Schädel vor-
wiegend lang und schmal (Index 67,8). Stirn mässig hoch, gerade gestellt; Schläfen am
genchm zurücktretend, Orbital- und Jochbôgen kräftig markirt, nicht eigentlich massig-
zu bringen, fürchtete aber zugleich, dass das Beil inzwischen in andere Hände gelange?
kónnte. Um dieser Eventualitàt vorzubeugen, holte er einen Grashalm?) herbei und knüpfte
denselben um das Beil, darauf hindeutend, dass er sich nunmehr bereits als den Besitzet
des Beiles betrachte. Ein Paar Tage spiter wurde das Geschäft perfekt.
1) Siehe hierüber den Aufsatz von Hrn, Dreger in der Täglichen Rundschau 1888,
Nr. 148 ff. dé
2) Siehe darüber meine Arbeit „Ueber Familienleben und Gebräuche der Papuas
(Zeitschr. für Ethnol. 1888).
3) Da ich an anderer Stelle darüber nicht berichtet habe, móchte ich die Farben
Benennung in der Tami-Sprache hier aufführen: nda - weiss; nabil = hellblau, hell
lila, dunkellila; mbóbob — braun, graublau; ssil = schwarz; matta-matta = grün; jino
jáng = moosgrün; megapik — rosa, ziegelroth; ssimóck = gelb.
4) Dazu 1 Messprotokoll (Nr. 64 und 65) und 1 Gesichtsmaske (Nr. 32).
5) Die Sitte, sein Eigenthumsrecht durch Umknoten des im Besitz befindliche?
Gegenstandes mittelst eines Grashalmes auszudrücken, besteht auch im Finschhafene?
Bezirk.
182
Beiträge zur Anthropologie der Papuas. 183
Augen dunkelbraun, wie mit blaugrauem Schleier überzogen; lebhafter, horizontaler Pigment-
Streif; desgleichen Pigmentirungen in der Umgebung der Tris; das Auge ist sonst glänzend,
ernst, mit offener, gering nach oben und aussen divergirender Lidspalte, vollen, leicht ge-
Wellten Augenbrauen. Der grosse vorspringende Mund zeigt volle dunkelgrauröthliche
Lippen; die Oberlippe besonders voll und fleischig, das Kinn breit gegenüber schmalen
Kiefern. Nase hässlich dick; ein wenig platt, mit tiefer Wurzel, breitem, flach gewölbtem
Rücken, die Spitze wenig vortretend, mit den dicken Flügeln wie aus einem Stück ge-
Schnitten. Die missig weiten Nüstern quer oval, ein wenig nach vorn geöffnet; das
Septum kurz, breit, nach unten hingend. Farbensinn vortrefflich entwickelt, Farben-
Nennungen:
müórüm-mórüm schwarz, dunkelgrün, braun, graublau
kámbang weiss
gómbol(n) gelb, Schweinfurter grün, moosgrün
tánga-táng(a) dunkellila
máré hellblau, helllila
(kygáto) benháp ziegelroth, rosa.
P Beide Manner haben die bauptsáchlichsten Charakteristika der
apuas: gedrungene, kräftige Figuren, Brustumfang 850 mm, Oberschenkel-
Umfang 440 mm; lange Arme, deren Klafterweite die Korperhohe um 78
Und 107 m übertrifft; breite plumpe Füsse, mit Indices von 39. In Bezug
auf die Kopfform ist der eine dolichocephal (67,3), der andere brachy-
a (85,0), dagegen sind beide orthocephal (63,3), chamaeprosop
> und plattnasig (63,0), und haben starke Orbitalbógen und eine
S arke E : .
ntwickelung des Mundes.
b Zur Charakteristik der Neu-Lauenburger gehôrt sonst noch ein un-
eschnittener Penis mit langem Praeputium, Durchbohrungen der Nasen-
8 : .
er oidewand und der Ohrläppchen, ófters auch feine Durchbohrungen der
hrmuscheln, strichformige Tüttowirungen auf Stirn und Extremitáten.
Neu-Pommern?) (Neu-Britanien).
der Nr. 66. Tómelle() $, etwa 35jàhrig, aus Rótawüll (bei Port Weber, Nordostküste
kup Gazellenhalbinsel). Kleine untersetzte Figur von gedrungenem Bau, mit breiten Schultern,
hoe, Nacken; sein Kopf hat ein lächerlich pithekoides Aussehen; derselbe erscheint
Sti ; nach dem Scheitel zu sich stark verschmälernd, mit einer hohen, stark gewôlbten
Nage kaum zurücktretenden Schlàfen, massigen Orbital- und Jochbogen. Grosse Ohren,
liy ©, Mund; breites niedriges Kinn; braunrothe vortretende Lippen (besonders die Unter-
Nd dazu ein schlecht gepflegter, mässig langer Bart, welcher von einem Ohr zum
Haut gehend nur den Aussencontour des Gesichtes umrahmt. Schnurrbart nur angedeutet.
des 8 und Haar wie üblich. Von Verstümmelungen werden bemerkt: Durchbohrungen
gran bums, feine Durchbohrungen der Nasenflügel und der Ohrmuscheln; dunkelblau-
vers La towirungen im Gesicht, massenhafte Stichelnarben am Rücken. Augen leicht
braun Wommen, stumpf, blöde, mit mässig weiter, horizontal gestellter Lidspalte, dunkel-
Hefe wohne lebhaften Pigmentstreif, mit langen Wimpern, haarigen Augenbranen. Nase:
Be breiter Rücken, plumpe Spitze, herabhängendes Septum; Nüstern nach vorn
Zehe ih Hinterhauptsleisten stark entwickelt. Hände, Füsse sehr gross und breit; erste
jedoch erwiegt. Farbensinn gut entwickelt; bei der Benennung der Farben zögert T.
(„mi no emote und bleibt dabei, dass er für einige Farben keine Bezeichnungen kenne
er Sehwar; | him >, 2. B. für braun, helllila, graublau. Ohne zu zügern bezeichnet
hellblau Mero. émérüm, weiss ká(e)mbáng, roth und rosa rra(e)s, grün und gelb gombél;
Nr. Si .
— 67. Siehe Capite] Gesichtsmasken!
1) Hierzu 2 . .
Umriss (Taf, V. Ne o, Protocole (Nr. 66 und 67), 1 Gesichtsmaske (Nr. 38) und 1 Fuss
T O. SCHELLONG:
Diese beiden Münner zeigen vollkommen den melanesischen Typus
doch unterscheiden sie sich von der Mehrzahl der von mir gemessenen
Individuen durch dolichocephale Indices (71,3), während ihnen Hypsi-
cephalie (67,5), Chamaeprosopie (82,4) und Hyperplatyrrhinie (63,5) eigen-
thümlich sind.
, Bei Nr. 66 übertrifft die Klafterweite das Körpermaass nur um 129 mm
(siehe auch die Fusszeichnung Fig. 9).
Neu-Meklenburg") (SW.).
Die Bewohner der Südwestküste von Neu-Meklenburg (Neu-Irland)
unterscheiden sich in mancher Hinsicht von denjenigen der Nordküste
der Insel (Nusa-Distrikt), so hinsichtlich der Sprache; weitere Unter-
schiede treten im Bau der Häuser, der Känoes, hinsichtlich der Waffen,
Schmuckgegenstände u. s. w. hervor. Das Mädchen dieser Gegend (Nr 68)
hat eine brachycephale Kopfform (Index 80,1). Auch zeigt sie entgegen
den sonst üblichen Verhältnissen eine schmale Nase (Index 50), mit welcher
sie den Mesorrhinen beizuzählen ist. Das Gesicht ist ganz auffallend niedrig
(Index nur 75,0). Von den Körpermaassen ist zu erwähnen: das Ueber-
wiegen der Klafterweite gegenüber der Körperhöhe um nur 17 mm; Hände
und Füsse (in Gyps geformt,. der Maskensammlung beigegeben) sind zwar
etwas gross und breit zu nennen (Fusslänge 6,1 x in Körperhöhe), nichts-
destoweniger können sie aber als ganz wohlgeformt gelten. Fussindex 39,9
(s. Fusszeichnung Taf. V. Fig. 10, Handzeiehnung Taf. III. Fig. 5).
Neu-Meklenburg?) (NO).
Die Nordostküste von Neu-Meklenburg (Nusa-Distrikt) ist zahlreicher
bevölkert, als die Westküste dieser Insel. Die Papuas wohnen hier in
zwar nicht grossen, doch verhältnissmässig gut aussehenden Dörfern und
verrathen auch in der Construction ihrer Fahrzeuge eine gewisse Wohl-
habenheit. Es sind im Allgemeinen sympathische, proportionirte, kräftige
Gestalten. Ihre Haarfrisur unterscheidet sie in sehr bestimmter Weise
von den Papuas benachbarter Gebiete; die Frisur zeigt nehmlich meist
eine hohe, vom Hinterkopf nach der Stirn zu verlaufende Leiste, welche
mit dem bayerischen „Raupenhelm“ am ehesten zu vergleichen ist. Diese
Leiste tritt nun in zahlreichen Variationen auf und wirkt um so effect-
voller, als das Haar zu beiden Seiten derselben gewöhnlich noch in eine
feste, harte Kalkkruste eingebettet ist®). Von den 4 gemessenen Indivi-
duen sind 2 (Nr. 69 2 und 71 6) in dem Kapitel Gesichtsmasken aufgeführt.
Ich lasse hier noch das Aufnahmeprotocoll des Wellagamus (Nr. 72) folgen:
1) Dazu 1 Messprotokoll (Nr. 68) und Gesichtsmaske (Nr. 34) w. s.!
2) Dazu 4 Messprotokolle (Nr. 69—72) und 2 Gesichtsmasken (Nr. 85 9 und 86 &)-
3) Siehe über diese Haartrachten und über ethnographische Eigenthümlichkeiten
dieser Gegend Näheres in meinem Aufsatze „Der Bismarck- Archipel“ u. s, w. (Beilage
zur Alleem. Ztg. 1889, Nr. 147).
184
Beiträge zur Anthropologie der Papuas. 185
Etwa 22jährig; eine der sympathischsten melanesischen Gestalten, welchen ich begegnet
bin, mit sehr intelligentem Gesichtsausdruck und bescheidenem, zutraulichem Blick. Figur
Mittelgross (1620 mm), wohl proportionirt, gerundet. Füsse etwas breit. Stirn gerade
Sestellt, breit. Schädel breit und anscheinend. hoch, besonders das Hinterhaupt. Kopf-
Index 79,6, Auricularindex 67,2. Augen fast schwarz, mit dem üblichen Pigmentstreif.
Stellung der Lidspalten genau horizontal. Wimpern und Augenbrauen reich entwickelt.
Augenbrauenbögen stark markirt, ohne massig zu sein. Nase mit flacher Wurzel, geradem,
langem Rücken, wohl markirter Spitze, stehendem, undurchbohrtem Septum, breiten
Bügeln. Index 58,3. Mund etwas breit, Lippen meist voll. Zähne blendend weiss.
rofillinie orthognath. Ohren klein; linkes Läppchen durchbohrt.
Auch bei den Individuen der Nordost-Küste von Neu-Meklenburg
übertrifft die Klafterweite die Korperhohe um ein Beträchtliches (bis
147 mm). Hinsichtlich der Kopfform begegnen wir einem Brachycephalen
(80,9), einem Dolichocephalen (70,9) und 2 Mesocephalen. Der gemittelte
Kopfindex ist 77,2, also mesocephal. Der Ohrhöhenindex ist bei Allen
hypsicephal (66,8), der Gesichtsindex chamaeprosop (19,8). Der Nasen-
bildung nach ergeben sich einzelne Verschiedenheiten: Zangon 9 und
Wellagamus 5 weisen geringe Breitenindices von 53,5 auf; bei dem letz-
teren erklärt sich dieses Verhältniss wohl durch das erhaltene, undurch-
Sorte Septum. Zangon's Septum ist zwar durchbohrt, aber wenig hángend;
Überhaupt ist die Nase der letzteren von geringen Dimensionen (Höhe
£5 mm). Der gemittelte Nasenindex sämmtlicher beträgt 60,0. Die Füsse
Sind relativ gross, gehen 6,1— 6,5 Mal in der Kórperhóhe auf. Die Fuss-
breite ist eine mässige. Grôsster Index 39,0. (S. Fusszeichnung Taf. V.
Pig. 11 und Handzeichnung Taf. IIL Fig. 6.)
Neue Hebriden").
Veranlassung zur Bekanntschaft mit Eingebornen der Neuen Hebriden
Bah die Schiffsbesatzung des Kutters ,Lôlje“ der Handels- und Plantagen-
Gesellschaft, gelegentlich ihrer Anwesenheit in Finschhafen.
sol Allgemeine Charakteristik: Kleine, starkknochige, gedrungene,
^T gut genührte Individuen von hell- bis dunkelbrauner Hautfarbe,
ut breiten, ein wenig plumpen Händen und Füssen, reicher Behaarung
Diallo schwarz), braunen Augen, pigmentirten Scleren, sehr vor-
Nu, enden Orbitalbógen, breiter, hüsslicher Nase mit weiten, offenen
ang ern, voller, vorstehender Oberlippe. Ohrläppchen durehbohrt, nicht
Nagpur 2 Septa nicht durchbohrt, nichtsdestoweniger beträchtliche
torn, en dices (00 — T1). Unregelmässige Táttowirungen auf Schul-
Gebiss Rücken. Alle mit Ozaena behaftet. Alle haben ein mächtiges
s aufzuweisen mit gleichmässig gestellten, schmutzig-weissen, un-
Seputzten Zühnen.
Be; x Bom „auf die Kopfform sind Ne. 74 und 75 Doliehocephalon.
76,5 zum s ein gelangt ein mesocephales Verhältniss mit einem Index von
_ usdruck. Als gemittelter Index ergiebt sich hier ausnahmsweise
U Dazu 3 Mess- Protocolle (Nr. 18— 15).
I O. SCHELLONG :
Dolichocephalie (74,3). Die Hôhe des Kopfes ist eine geringe. Alle
sind hypsicephal, weisen aber als gemittelten Index nur 65,9 auf. Das
Gesicht ist niedrig (Index 79,6). Der Nasenindex ergiebt eine mittlere
Hyperplatyrrhinie von 74,5. In dieser Hinsicht überragen diese Individuen
sogar noch die verwandten Stämme Neu-Guineas. Nr. 75 hat den un-
geheuerlichen Nasenbreitenindex von 77,7, welcher selbst von Papuas sonst
nicht leicht erreicht wird.
Die Klafterweite übertrifft die Körperhöhe im Minimum um 54 mm,
im Maximum um 146 mm. Letzteres ist bei Nr. 75 der Fall. Der zu
dieser Nummer gehörige Brustumfang beträgt 818 mm, ein nicht gerade
ungewöhnliches Maass. Ks liegt also in der That eine relative Länge der
Arme vor. Hände und Füsse sind an sich nicht ungewöhnlich gross;
nichtsdestoweniger gehen die Fussmaasse rund 6 Mal in die Körperhöhen-
maasse auf. Die Fussbreite ist eine mässige, es berechnen sich Indices
von 35—38. An den Füssen fällt ein sehr weiter Zehen- Abstand auf,
desgleichen eine relative Dünne der Phalangen-Gelenke. (Siehe übrigens
Fuss-Zeichnungen Taf. V. Fig. 12, Taf. VI. Fig 13—14, und Hand-
Zeichnungen Taf. III. Fig. 7—9.)
Der Farbensinn ist bei sámmtlichen sehr gut entwickelt; sie sind
ohne Zögern im Stande, selbst feinere Nuancen, wie hellerün, moosgrün, hell-
blau, helllila, auseinanderzuhalten. Hierzu steht in auffallendem Gegensatz
ihre Farben -Bezeichnung, bezw. -Benennung, welche bei den 3 Individuen
zu wiederholten Malen verschieden ausfällt. Ganz übereinstimmend werden
nur bezeichnet schwarz als hilong, bezw. tilong, weiss als b(i)jichau, roth,
rosa als nial, nil, no(e)l, grün und blau als gásshna, güssá, gé(a)ss, tigess.
Nr. 78. Rumann &, etwa 35jáhrig, aus Malaküla, weist einen ungewöhnlichen Brust-
umfang von 909 mm auf, desgleichen einen betrüchtlichen Oberschenkel-Umfang von
500 mm und ist im Ganzen von gedrungener Figur. Kôrperhôhe 1536 mm. Einige
Narben an den Schultern und am Rücken. Striche von 50 mm Länge und 3 mm Breite,
welche das Niveau der Haut überragen, rühren von Wunden her, welche zu Heilzwecken
gesetzt waren. |
Hautfarbe: Brust B.30—45, ebenso Arme; Stirn und Rücken nahezu 80; Ober-
schenkel 29 — 30; Handteller 26 — 22.
Haar kurz gehalten, spirallocklig; desgleichen Bart. Penis unbeschnitten, linksseitige
Orchitis chronica.
Kopf gross, rund, mit hoher, voller, wenig geschrügter Stirn. Orbitalbógen sehr
massig, lassen die Nasenwurzel auffallend tiefliegend erscheinen; Schlüfengegend angenehm
zurücktretend. Gesicht breit. Augen mit mássig weiter, gering nach aussen und unten
geneigter Lidspalte; ein dunkel pigmentirter, kráftiger, horizontaler Pigmentstreif um den
Bulbus. Nase auffallend breit; Index 75,4. Die hohe, volle, fleischige Oberlippe tritt
stark hervor. Kinn niedrig. Ohren gross,
Nr. 74. Mánssü(m)nálét, etwa 35jühriger Mann, mittelgross (1609 mm), weniger
plump, als der vorige. Penis beschnitten Lidspalten annähernd horizontal, ganz wenig
nach oben divergirend. Physiognomie von jüdischem Zuschnitt. Die einzelnen Verhált-
nisse sonst ühnlich, wie beim vorigen. Auch dieser hat eine breite, volle Oberlippe, welche
über die Unterlippe hervorsteht. Ausgeprügte Nasolabial-Falten.
Nr. 75. Norack, etwa ?8jàhrig; sauer blickender Mann, beschnitten, klein mittel
gross (1566 mm), mit pustulôsem Eczem, Contraction der 2. und 3. Zehe. (Siehe im
Uebrigen das Mess- Protocoll.)
, 86
Beiträge zur Anthropologie der Papuas. |
Salomons-Inseln^).
Die von mir untersuchten Salomons-Insulaner gehóren den ver-
Schiedensten Inseln dieser Gruppe an; 7 von ihnen bezeichneten die Insel
Vella Lavella als ihre Heimath, einer (Nr. 83) Green Island, einer (Nr. 84)
St. Christophel, einer (Nr. 85) Guadaleanar; 5 (Nr. 86—90) waren auf
Malayta zu Hause.
Da man nach der Analogie der Eingebornen-Bevólkerung von Neu-
Guinea vermuthen darf, dass auch auf den Salomons-Inseln mehrere
differente Volksstàmme existiren, diese Annahme ausserdem eine weitere
Stütze in den sprachliehen Aufzeichnungen findet, welche ich hinsichtlich
des Farben - Unterscheidungs-Vermogens der Salomons-Insulaner gemacht
habe, so mógen auch die Salomons-Insulaner, wie oben die Papuas von Neu-
Guinea, nach ihrer Herkunft gesondert, in Folgendem betrachtet werden.
a) Vella Lavella®)
Allgemeine Charakteristik. Es sind wohlgebildete, runde, eben-
Mässige Figuren von dunkel-grau brauner, fast schwarzer (wie Quecksilber-
Salbe) oder auch rein brauner Hautfarbe, mit Spirallóckchen - Haar. Einige
klem und fast zierlich gebaut; andere, wie Nr. 79, mit einer Kórperhóhe
von 1710 mm, gross und stattlich, jedenfalls alle vorwiegend proportionirt
Und, im Gegensatz zu den meisten anderen Papuas, von höchst angenehmer
Gesichtsbildung, einschliesslich einer meist wohlgeformten Nase. Der
Mund ist weder breit, noch vorstehend. Die Lippen sind nieht wulstig.
Die Nasensepta sind nur bei einigen durchbohrt; dagegen weisen sümmt-
liche durchbohrte Ohrläppchen auf. Die Augen zeigen den charakte-
"istischen Pigmentstreif am Bulbus, der Oeffnung der Lidspalte entsprechend,
M horizontaler Anordnung. Auch die dunkelbraune Iris ist ôfters von einem
Schmalen Pigmentring umlagert. Die Pigmentirungen der Salomons sind
Überhaupt sehr reiche. Die Schambinde erinnert an diejenige der Papuas
der Finschhafener Gegend (Name dafür: wügáschüma). Penis nicht be-
Schnitten.
a y, Hinsichtlieh der Kopfform finden sich. 1 Brachycephaler (82,7),
Aus Chocephalen, 3 Mesocephalen. Der gemittelte Index ist 77,0. Die
den ne variirt stark: bei Nr. 78 beträgt der Index nur 59,7; von
Nase 4 ngen sind 2 ortho-, 4 hypsicephal (gemittelter Index 65,6). Die
Nase © bei einigen von mässiger Breite; Nr. 76 gewährt den für Papua-
bes. sehr geringen Index von 51,0. Nr. 79 hat einen Nasenindex von
der P besitzt trotzdem ein durchbohrtes Septum, was bei Nr. 76 nicht
ist. Als durchschnittlicher Nasenindex ergiebt sich 60,4.
N een den Salomons-Insulanern übertrifft die Klafterweite die
um ein Beträchtliches, bei Nr. 81 sogar um 180 mm, bei
> pan T Mas Protocole (Nr. 16 —90) und 1 Gesichts- Maske (Nr. 8).
Mess-Protocolle (Nr. 16 —89) und 1 Gesichts- Maske (Nr. 37).
187
O. SCHELLONG :
Nr. 79 um 114 mm; beide haben freilich recht grosse Brustmaasse von
903 mm und 912 mm. Aber auch bei Nr. 82 mit einem Brustmaasse von
882 mm ergiebt sich eine Differenz von 108 mm. Bei den übrigen über-
trifft das Klaftermaass die Korperhohe um 60— 70 mm.
Hände und Füsse sind im Allgemeinen wohlgestaltet, nicht breit.
Selbst der grosse Tetécke (Nr. 79) hat einen Fussbreitenindex von nur 36.
Die übrigen haben Indiees von 34 und 35. (Siehe Fuss- Zeichnungen
Taf. VI. Fig. 15 und 16, Hand-Zeichnungen Taf. IV. Fig. 10 und 11.)
Tetécke’s Fuss geht 6,6 Mal in der Kórperhóhe auf.
Das Farben-Unterscheidungs-Vermógen ist gut ausgebildet, die
Farben-Benennung dagegen dürftig, indem alle immer nur 4 Worte zur
Bezeichnung der 13 vorgelegten Farben benutzten: schwarz -- ssimbiém,
weiss — tüpóém oder tapetipem, roth — (hin) diriem oder (hin) dére(a)m,
gelb — wángóüám oder wangé wingsam.
Aus den Aufnahme-Protocollen der einzelnen Individuen ist noch
hervorzuheben:
Nr. 76. Ssléwick 3, 18jährig, klein (1511 mm), mit ausnehmend klugem Gesichts-
ausdruck; ein kleiner (49 mm), wenig vortretender Mund, eine wohlgeformte Nase mit
scharfgeschnittener Spitze, undurchbohrtem Septum; ein wohlgerundetes, zierliches, im
Ganzen kleines Gesicht. Beide Ohrláppchen sind durchbohrt.
Nr. 77. Tape &, 18jährig; dessen ausführliches Protocoll unter dem Capitel „Gesichts-
Masken* w. S.
Nr. 78. O(ajnë #, etwa 32jährig, entschieden braun, strafflockig; sehr niedriger
Schädel mit Index von 59,7. Das Gesicht von im Ganzen derben Zügen wird verunglimpft
durch eine breite Nase mit grossen, wie gerollten Flügeln und weiten, nach vorne
geöffneten Nüstern. Lidspalten gering nach oben und aussen divergirend. Markirte Joch-
bógen bei schmalen Wangen.
Nr. 19. Tetécke &, etwa 35jährig; hohe, imposante Gestalt (1710 mm), wohlgenährt,
das Braune der Haut mit Stich ins Grauschwarze. Beide Ohren und Nasen-Septum durch-
bohrt, die Stirn auffallend hoch gewólbt, Nase gross, aber nicht unschón, Gesicht erscheint
hoch (Index 80,6) mit langem, spitz zulaufendem Kinn.
Nr. 80. Momau $, etwa 40jührig; etwas eckige Figur mit graubrauner, an manchen
Stellen rein schwarzgrauer Hautfarbe, am Bauch nahezu B. 49, Brust zwischen 99 und 50,
Nase 43, Rücken zwischen 29 und 30. Das Haar durch Kalk entfirbt. Beide Ohrläppchen
durchbohrt. Tidspalten gering nach aussen und oben divergirend. Nase gut geformt mit
geradem Rücken, ausgebildeter Spitze, breitem, undurchbohrtem Septum (Index 56,6).
Gesicht niedrig, breit; Stirn hoch gewólbt.
Nr. 81. E(i)ri $, etwa 85jährig, plump und ungelenk, mit kurzem, dickem Hals,
voller Stirn, gut geformter Nase; gering vortretende, aber volle Lippen, beide Ohrláppchen
durchbohrt.
Nr. 82, Tui $, etwa 82jührig, mit dunkel-graubrauner, sammetartiger Hautfarbe;
etwas kurznackig; durehbohrtes Nasen-Septum; Gesicht durch Parotis- Geschwülste ver-
breitert.
b) Green Island".
Nr. 88. (D)ráhám 5, etwa 43jährig, dunkelbraungrauer, reich behaarter Mann mit
etwas eckigen Schultern, langen Armen, deren Klafterweite die Kórperhóhe um 169 mm
übertrifft, plumpen, sehr breiten Händen und Füssen ?) (Fussbreitenindex 38). Die dünnen
Waden (305 mm) stehen in gar keinem Verhültniss zur Kórpergrósse (1616 mm). An beiden
1) Dazu 1 Mess-Protocoll (Nr. 83).
2) Siehe, Fusszeichnung Taf. VI. Fig. 17 und Handzeichnung Taf. IV. Fig. 12.
188
Beiträge zur Anthropologie der Papuas. vg
Armen treten. volle Venennetze hervor. Auf Arm, Brust, Schulter und Rücken befinden
Sich rundliche (wie Blatternnarben aussehende) und längliche, nicht prominirende Tätto-
Wirungen, welche auf dem Rücken in weitem Halbbogen von einer Schulter zur anderen
über die unteren Partien der Schulterblätter hinweglaufen. Gesichtsausdruck gutmüthig
Und intelligent, heiter. Beide Ohrläppchen und Nasenseptum weit durchbohrt.
Farbe: Brust B. 49 bis 28/29, Schlüsselbein - Gegend 28—29, Stirn wie Brust, Nase
heller 29—30, Rücken sehr dunkel 49—28, Handteller etwas heller als 33.
Haar tief dunkelschwarz; Bart desgleichen, kurz gehalten. Spirallocken- Typus nicht
deutlich erkennbar.
. Auge nicht gross, mit mássig weiter Lidspalte, dunkelbraun, glänzend. Am Bulbus
Teiche Pigmentirungen. Augenbrauen und Wimpern lang, dicht, nicht gekräuselt.
Beide Augenlidachsen fallen in eine gerade Linie, welche ein wenig von rechts oben
Nach links unten verläuft. Bei genauerem Zusehen bemerkt man überhaupt eine geringe
à ymmetrie beider Gesichtshälften, so dass der linke Supraorbitalbogen nach unten gesenkt,
de. linke Schläfe weiter zurücktretend, desgleichen die linke Wange weniger hervortretend,
a linke Mundwinkel dagegen leicht angehoben erscheint. Die Gesichtsmuskulatur funktio-
: Tb correspondirend; die Zunge wird gerade herausgestreckt. Kopf sonst der Grüsse ent-
Tos chend. Der Schädel, von vorn gesehen, erscheint schmal und hoch (Längenbreitenindex
Mt Auricularindex 68,8), die Stirn hoch und flach gewölbt. Von hinten gesehen, macht
m. Kopf einen asymmetrischen Eindruck, indem die ganze rechte Kopfhülfte (Hinterhaupt,
ent T Ohrgegend, hintere und obere Partien der Seitenwandbeine) stark prominirt, die
sg chenden linken Partien des Kopfes dagegen stark zurücktreten. Dieses Verhältniss
du sich bis zum Scheitel hinauf verfolgen und ist auch messbar: die Entfernung von
Pu Mitte des linken Supraorbitalbogens nach dem am meisten seitlich vorspringenden
in des rechten Hinterhauptes betrágt 180 mm, gegenüber 171mm von rechts vorn nach
Tr; hinten gemssen. Die Lineae semicirculares sind beiderseits massig entwickelt; ein
in Uma als Ursache dieser Deformität ist nicht bekannt, es dürfte sich also wohl um ein
8leichmässiges Wachsthum handeln. Gesichtsindex 87,1.
ug Di Nase ist das Non plus ultra von Ungeheuerlichkeit. Der gerade, nach unten
dick Stark verbreiternde Nasenrücken biegt etwas nach rechts herüber. . Die Nasenspitze
al und kolbig; die Nüstern von erstaunlicher Weite; die hohen Flügel wenig scharf
Moo; das Septum trotz der Durchbohrung nicht wesentlich eingesunken. Index 66,6.
nd klein, mit wenig vollen Lippen. Gebiss vollständig.
c) St. Christophel?).
d 84. Hei(e)ke 5, etwa 30jàhrig, ist 1'/, Jahr in Sydney gewesen, spricht gut
gere ; > Weiss auf der Seekarte Bescheid, ist von lebhaftem Temperament, etwas auf-
mit : » erzählt auf Befragen, dass die Leute seiner Heimathsinsel Mäkile (= St. Christophel)
Weni enen von Gurkeneine (= Guadalcanar) im Verkehr ständen (,segelten“), nichtsdesto-
iari aber beide verschiedene Sprachen redeten. Er vergleicht ihr Verhältniss zu
Lente er treffend mit ,England and Germany“. Es wären dieses ja auch, führt er aus,
im Verkep und derselben Rasse, aber mit verschiedener Sprache; dennoch ständen sie
Sprache ehr. H. bestätigt auch, dass auf Odéwelle (= Vella Lavella) eme besondere
p, ,Sesprochen werde, wohin seine Leute jedoch nicht segelten.
Welcher s; geradezu erstaunlich, mit welcher Gewandheit H. Farben unterscheidet und mit
Bezeichn ieherheit er dieselben benennt. Er kennt auch für die meisten Nuancen besondere
Sprache ungen. Nur für moosgrün und dunkellila sind ihm die Ausdrücke seiner Heimaths-
(ya on GI forgot him“). Er benennt folgendermaassen: schwarz dódó, weiss
Melanesier) En hihiböra, Schweinfurter grün bôrobôrä, braun méla (siehe das Wort
hy ^ ellblau bôrä(e), helllila desgl, ziegelroth (w)owôré (à), rosa läla, graublau
G gelb lilámé (r)1à.
(334 NA (115 mm), gut genihrter, ebenmissig gebauter Mann mit fleischigen Waden
~ > kräftiger Brust- Muskulatur, gerundeten Schultern, von mehr hellbrauner, glatter
Fus.) (mat VI ue eel (Nr.84), 1 Umriss der Hand (Taf. IV. Fig. 13) und des
Zeitschrift für Ethnologie, Jahrg. 1891.
39:
14
35 O. SCHELLONG:
Hautfarbe. Brust B. 29, Rücken 98—29. Schwarzes Haar im Spirallocken - Typus. Bart
schwarz mit ausrasirtem Kinn, Dunkelbraunes, glänzendes, lebhaftes Auge mit mässigem
Pigmentstreif. Nase etwas plump, kurz, breit mit mässig tiefer Wurzel, kurzem, nicht
durchbohrtem Septum, dicken, abgesetzten Flügeln. Index 84,1. Mund nicht gross, VOI"
stehend. Unterlippe aufgeworfen. Kinn rund, breit. Stirn hoch, schón gewólbt, Orbital-
bógen voll entwickelt. Jochbógen nicht auffallend markirt. Zähne gleichmássig gestellt.
Ohrläppchen fein durchbohrt. Penis nichtbeschnitten. (Die Beschneidung sei nicht
üblich.) Kopfindex 74,8, Auricularindex 68,8, Gesichtsindex 84,5.
d) Guadalcanar?).
Nr. 85. Tertingai 5, etwa 30jährig, verkehrt bereits seit 8 Jahren (,yams“) mit
Europäern (in Matupit), versteht möglichst gut Pigeon, macht im Uebrigen auch nicht im
Entferntesten den angenehmen Eindruck des vorigen. Farbensinn: Die vorgelegten
Farben werden mit einigem Zögern unterschieden und wie folgt benannt: bó(a)ránné
— schwarz, dunkelgrün, dunkellila, graublau; si (e)réna = weiss; mälätsız = braun;
máraünà — Schweinfurter grün, moosgrün, gelb; é(a)kó - hellblau, helllila; (t) zizinà
= ziegelroth, rosa.
T. ist ein grosser (1650 mm), wohlgenührter, starkknochiger, etwas ungelenker Mann
mit X-Beinen und breiten, platten Füssen. Beide Ohrlàppchen durchbohrt, desgleichen
das Nasen-Septum. Keine Tattowirungen. Dunkelbraune Hautfarbe, Brust B. 29— 380,
Rücken 28—30. Kopf rund, breit; desgleichen Stirn. Supraorbitalbógen scharf markirt
mit reichen, straffen Augenbrauen bedeckt (Haupthaar spiralgelockt); Gesicht breit; Nase
dick mit müssig tiefer Wurzel, geradem, breitem Rücken, dicker Spitze, wenig scharf
geschnittenen Flügeln, ein wenig nach vorn geóffneten, quer-ovalen Nüstern. Lippe?
stehen beide vor, sind leicht gewulstet. Kinn klein, rundlich. Augen matt blickend, mit
reichen Wimpern. Horizontale Lidspalte. Lebhafter Pigmentstreif.
e) Malayta?).
‚Fünf jugendliche Eingeborne, von welchen der eine (Nr. 86, Toëna)
gut Pigeon versteht. Letzterer unterscheidet die ihm vorgelegten Farben
ohne Zaudern; nur die Unterscheidung zwischen Schweinfurter grün und
moosgrün macht Anfangs Schwierigkeiten. ngda: schwarz (auch bill)
graublau, hellblau, dunkellila; miokólkóllo: rosa; mioliu: ziegelroth; quaüo:
weiss; ssákssakoá: gelb; màràkko: Sehweinfurter grün; maraufifi: moos-
grün; mármárkóa: dunkelgrün; mélá: braun; (m)büllü: helllila.
Alle sind mittelgross oder klein, mit unschónen, eckigen Figuren, in
dürftiger Ernährung (Yambáuche), bald mehr hell-, bald dunkelbraun.
Sie haben reiches Spirallockenhaar und volles Schamhaar. Kärperhaar
spärlich. Bartwuchs fehlt vollständig. Gesichts- und Schädelbildung von
im Ganzen graciler Anlage; es fehlt darin alles Massige, und in dieser
Hinsicht stehen diese Personen im Gegensatz z. B. zu den 3 Individuen
der Neuen Hebriden. Nichtsdestoweniger sind auch die Gesichtszüge der
Malayta-Leute unschón; besonders entstellend wirkt die Nase. Die Augen
sind braun und meist mit einem lebhaftem Pigmentstreif versehen. Alle
haben durchbohrte Ohrlàppehen, die Mehrzahl auch durchbohrte Nasen-
septa. Die Nüstern sind weit, nach vorn geóffnet und quer oder schrág
gestellt.
1) Dazu 1 Mess- Protocoll (Nr. 85).
2) Dazu 5 Mess-Protocolle (Nr. 86 —90), 5 Fuss- Zeichnungen (Taf, VI. Fig. 19 — 29)
und 5 Hand-Zeichnungen (Taf. IV. Fig. 14 — 18).
30
Beiträge zur Anthropologie der Papuas. 191
Hinsichtlich der Kopfform tritt ein dolichocephales Verhältniss in
den Vordergrund; nur Nr. 88 ist mesocephal. Der gemittelte Index ist 73,0.
Das Kopfhôhen-Verhältniss ist ein hypsicephales (66,0). Das Gesicht
Niedrig (Index 83,3); die Nase sehr platt (65,0) und unschön. Die Klafter-
Weite übertrifft die Körperhöhe bei Nr. 87 um 127 mm, bei den übrigen
Um 67— 82 mm. Die Füsse zeigen nur bei Nr. 86 und 90 hohe Breiten-
indices von 38 und 39; die der übrigen haben geringe Breitenwerthe,
Indices von 34 und 35. Die grosse Zehe ist die am meisten entwickelte.
Die Fusslàngen gehen 6,2— 6,5 mal in den Kórperhóhenmaassen auf. In
Bezug auf die Handbreiten tritt bei allen ein ziemlich übereinstimmendes
Verhältniss zu Tage. Die Indices betragen 41— 43.
Tättowirungen fehlen vollständig”).
Aus den einzelnen Protocollen ist das Folgende hervorzuheben:
e Nr. 86. Toëna 5, etwa 22jährig, ungelenke Figur, plattfüssig, X-Beinstellung, un-
du Wickelte Schultern, lange Arme, kurzer Hals; mässig vorstehende, volle Lippen geben
wa Profil einen mässigen Grad von Prognathismus; nicht durchbohrtes Nasen-Septum,
àsen-Index trotzdem 64,8.
am Nr 87. Langadmei #, 27jährig, hat ziemlich helle Hautfarbe: am Rücken B. 30,
tie Oberschenkel nahezu 45; ebenfalls eine ziemlich dürfüge Erscheinung; das Gesicht
gg ich ausdruckslos; der hüssliche Mund wird weit offen gehalten; Gesicht rundlich,
bot gerade mit gut markirten Supraorbitalbdgen; hässliche, kurze Nase mit durch-
em Septum und tiefer, flacher, breiter Wurzel.
Tun Nr. 88. Ambui #, i9jàhrig, wenig entwickelt, wie die vorigen; Gesicht annühernd
d; Mund nieht gross, wenig vorstehend; Nase kurz, breit, stumpf, flach.
s 89. Tuhumbaru $, 95jàhrig, im Ganzen ebenmàüssig gebaut, doch ebenfalls in
ein Schter Ernährung; breite Stirn, desgleichen relative Breite der Jochbögen, gegenüber
Gas kleinen, schmalen Kinn: das ergiebt eine ‚ausgesprochene Dreiecksform des im
n "Zen feingeschnittenen Gesichts. Lippen wenig vortretend; Nasen-Septum und Ohr-
Ppchen durchbohrt.
m 90. Auaschi(a) 5, 18jahrig, kleiner, plumper, pausbackiger Junge mit kugel-
weit D Kopf auf kurzem Nacken; Septum und beide Ohrläppchen durchbohrt; Augen
klein nach oben und aussen divergirend, lebhaft pigmentirt, klug, glünzend, gutmüthig; das
©, dicke Näschen ist nicht übel geformt.
Mess - Protocoll.
A. Vorbemerkung.
a Jeder, welcher sich mit Messungen am Lebenden beschäftigt hat,
Zen Wohl bei gewissenhafter Prüfung seiner Messresultate die Ueber-
mi: gewonnen haben, dass der Methode nicht unerhebliche Fehler
wong Die aus einer Anzahl von Messungen abgeleiteten Schlüsse
An en jedenfalls nur einen bedingten Werth haben und dieser wird im
da Semeinen der Zahl der Einzelmessungen proportional zu setzen sein,
Wir à das Durchschnittsresultat aus vielen Messungen zuverlässiger sein
0 als dasjenige, welches aus wenigen Messungen gewonnen wird. Ueber:
1 z
Mittag Aus der Sprache sind noch die folgenden Worte notirt: Morgen — üsséndeng,
= mag) "Wind Abend — ssó-lé(p) (siehe das Malayische ssóre), rechts = ólóllo, links
Schön kir(u)kírü, Sturm — kóbürru, Wie heisst das? = tachininia? Stein
combali. 14%
1 O. SCHELLONG:
die Zuverlässigkeit seiner Messresultate kann schliesslich ein Jeder an-
nähernde Gewissheit erlangen, wenn er sich aus wiederholten Messunge?
bei einem und demselben Individuum seinen Messfehler berechnet. Ich habe
solches in Bezug auf meine Messungen gethan und die mittleren Fehler
jedesmal in der Tabelle in Klammern beigefügt. Halten sich somit die
Messfehler, welcher jeder Einzelne für sich verzeichnet, im Allgemeinen
in controlirbaren Grenzen, so gestaltet sich diese ganze Sache viel schwie-
riger in dem Augenblicke, wo die Messresultate Zweier oder Mehrerer
zusammengestellt werden sollen. Denn hier handelt es sich öfters um
eine verschiedene Handhabung der Messungsmethode. Ich halte es des-
halb für geboten, dass ein Jeder, welcher sein anthropometrisches Material
bekannt giebt, zu gleicher Zeit auch eine ganz genaue Beschreibung seiner
Messungsmethode. angiebt.
Ich habe in Bezug auf die Entnahme einzelner Maasse das Folgende
hervorzuheben:
I, Maasse am Kopf.
1. Die Ohrhóhe oder die Distanz zwischen Ohrloch und dem darüber senkrecht
stehenden Punkte des Scheitels, senkrecht zur „deutschen Horizontalen“, bietet in Bezug
auf den oberen Messpunkt keine Schwierigkeiten. Den unteren Messpunkt habe ich it
der Weise gewählt, dass ich den einen, auf etwa 1!/, cm verkürzten Arm des Schiebezirkels
in das Ohrloch steckte und mit seiner Kante scharf gegen die Mitte der oberen Circum"
ferenz des Gehórganges andrückte.
2. Die Mittel-Gesichtshóhe habe ich mit dem Tasterzirkel gemessen, dessen eine
Spitze auf die Nasenwurzel (entsprechend der Sutura naso-frontalis), dessen andere Spit7e
zwischen die mittleren oberen Scehneidezühne, an der Grenze des Zahnfleisches (die Mitte
des Alveolarrandes), angelegt wurde..
8. Die Entnahme der malaren Gesichtsbreite am Lebenden kam mir stet?
besonders schwierig vor. Es wollte mir scheinen, als ob die Durchtastung der innere?
Wangenbeinwinkel, also derjenigen Stelle, wo jugaler Oberkieferfortsatz und Jochbeit
an einander stossen, von aussen her sehr wenig zuverlässig sei. Auch war diese Art zu
messen. den meisten Individuen augenscheinlich unbequem und schmerzhaft,
4. Die Distanz der äusseren Augenwinkel bestimmte ich durch sanftes Anlegen
der Spitze des Tasterzirkels an diejenigen Punkte, wo die Augenwinkellinien am knócherne?
Rande der Orbita zusammenliefen. Ich habe dabei Druck gegen den knóchernen Rand
selbst vermieden.
5. Bei der Bestimmung der Nasenlánge habe ich als unteren Punkt die Nasenspitz®
an ihrer grössten Prominenz gewählt, Dieser Punkt war an Papua-Nasen nicht imme?
ganz leicht zu bestimmen, da derselbe oftmals in das herabhingende (durchbohrte)
Septum fiel. .
6. Bei den Maassen der Nasenbreite.bezieht sich das geringere Maass auf de?
Abstand der Ansatzstellen der Nasenflügel an der Oberlippe, das gróssere (in Klammer?
gesetzte) Maass auf den weitesten Abstand der Nasenflügel.
7. Bei der Bestimmung der Entfernung Nasenwurzel-Ohr wählte ich als Ohr”
punkt die Mitte der Linie vor dem Ohr, welche sich schon bei äusserlicher Betrachtung
als die vordere Begrenzung des Tragus darstellt.
II. Maasse am Rumpf und den Extremitäten.
8. Die Klafterweite habe ich bei ausgestreckten Armen von Spitze zu Spitze de
3. Fingers entnommen. Die Arme waren dabei horizontal erhoben und in die Transversa
ebene des Rumpfes gestellt; die Handflàchen sahen nach vorn.
:99
Beiträge zur Anthropologie der Papuas. 193
9. Die Länge der Hand habe ich folgendermaassen gemessen: Die Hand liegt aus-
Sestreckt auf der Unterlage; die Spitze des Tasterzirkels berührt die äusserste Kuppe des
3, i p Pp
n ingers, die andere Spitze wird in die Verlängerung dieses Fingers nach hinten und
tum da eingesetzt, wo sie das Handgelenk (Verbindungslinie der beiden Proc. styloid.)
à 10. Die Handbreite habe ich in Fauststellung (wie Handsehuhmacher) gemessen,
& ich fand, dass die Mittelhand bei dieser Haltung fester gestellt wurde, als bei aus-
qr reckter Hand, und die Gróssenverhültnisse dieselben bleiben: der Schiebezirkel spannt
n. Breiten- Entfernung über die Knóchel hinweg ein (mit Ausschluss des Daumens).
zedialwürts kommt dabei die äussere Fläche des Metacarpo - Phalangeal-Gelenkes des
Singers in Betracht, ulnarwirts besonders der Vorsprung der Basis der Phalanx I des
“nen Fingers.
Ye Bei dem in Klammern vermerkten Breitenmaass ist dieser zweite Messpunkt un-
PUE geblieben; dagegen wurde der auf der Unterlage aufliegende Daumen jetzt
Ucirt und gestreckt und die Breite über die Knóchel hin mit Einschluss des Daumens
Senommen.
am ll. Die Lange des Fusses maass ich mit dem Tasterzirkel von dem nach hinten
or Weitesten vorspringenden Punkte der Ferse bis zum Hussersten Punkte der Spitze der
°Ssen Zehe. Die Zirkelspitzen wurden leicht angedrückt.
de 12. Die Breite des Fusses maass ich über die Metatarso -Phalangeal-Gelenke mit
em Sehiebezirkel und (in Klammern vermerkt) von dem lateralen Zehenknóchel-Vorsprung
his, ont zur Längsachse des Fusses, wobei der mediale Messpunkt gewöhnlich unmittelbar
*t dem Ballen der grossen Zehe zu liegen kam.
Ich möchte hier noch die folgende Bemerkung hinzufügen:
W; Nach meinem Dafürhalten würde der Reisende der anthropologischen
" \Ssenschaft einen ungleich grósseren Dienst erweisen kónnen, wenn er
a . * .. » .
m % der sehr zeitraubenden systematischen Aufnahme ausführlicher Einzel-
e . . .
ms, Ben und ebensoleher Mess-Protocolle seine Aufmerksamkeit auf
ài einige wenige anthropologisch besonders wichtige Punkte richten,
e 1 . . .
" Jedoch durch möglichst viele Finzelmessungen klarzustellen versuchen
d.n Ich würde also vorschlagen, die Hauptmaasse des Kopfes, besonders
den und Breitenmaasse von Schädel und Gesicht, das Auricular-
da ®hmaass u. s. w. in möglichst grosser Ausführlichkeit zu entnehmen,
"A die Maasse des Rumpfes und der Extremitäten auf ein Minimum
ume eschrünken. Man kann sich hier, wie ich glaube, mit dem Drust-
um qb der Klafterweite, der Kórperhóhe, dem Umfang des Oberschenkels
MN J leicht noch ein Paar Maassen mehr begnügen. Ich bin auch über-
Then dass ein so umfangreiches Zahlenmaterial, wie es Z. B. in meinen
und A enthalten ist, zu einem grossen Theil ganz unbenutzt bleibt,
Unterg, der Bearbeitung meines Materials habe ich den Gedanken nicht
Bel sen können, dass ich zu einem mehr befriedigenden Endresultat
ein P Würe, wenn ich die von mir auf Messungen verwandte Zeit auf
a . . A
Indiviq ar bestimmte Maasse concentrirt, dafür aber statt 90 etwa 250
Kore oder noch mehr durchgemessen hátte. Die Bescháftigung mit
m 4 * . ; . .
diesel, éssungen ist in den Tropen besonders für denjenigen, welcher
e . . . .
Pazièse Soot nebenbei betreibt, eine ausserordentlich mühevolle und stra-
Seite "a €; es wäre eine dankenswerthe Aufgabe, hier von berufener
e : . .
ine Vereinfachung der Maasse hinzuwirken.
O. SCHELLONG:
B. Protocollirte
Landschaft, Insel: Jabim (Neu-Guinea)
Dorfbezirk: Suam
Personen J Namen: Ssabiam | Bumbum | Obosse | Gnaiaba | Jaualu
ers Geschlecht, Alter: & 96J. | & 24. | ó 38 J. & 20J. | & 20 J.
Fortlaufende Nummer: 1 1| 2 , 8 4 5
I. Kopfmaasse.
Gerade Lànge (1) . . . . . . 190 186 179 187 181
Grosste Lange (+21) . . . . . 190 188 | 182 | 187 184
Grósste Breite (41). . 0... .] 140 144 | 14 132 142
Ohrhôhe (+ 2,8) . . . . . . | 136 140 129 128 131
Stirnbreite (Æ 2,1) . . . . . . . 104 110 ' 106 1M | 101
Gesichtshdhe A. . . . . . . . . — — 182 = —
, B. (15. . . . . . 119 114 132 120 | 116
Mittelgesichtshôhe (+15). . . . . mn , 71 85 77 67
Gesichtsbreite: a) jugal (t 1,0). . .| 148 | 139 145 185 | 14
i b) malar (#38) . . 82 97 80 68 86
» c) mandibular (42,0) 100 95 102 86 108
Interorbitaldistanz (2-069). . . . . 35 32 33 40 | 35
Distanz der àusseren Augenwinkel (-t 8,9) 106 | 106 113 111 | 102
Nase: Hohe (1,1) . . . . . . . 60 59 64 | 60 . 46
, Lànge (19). . . . . . . 51 51 52 58 44
, Breite C 15(L1) . . . . . 38(39) . 40(45) | 40(43) , 81(40) | 31 (41)
Mund: Länge . . . . . . . . . 56 , 59 48 | 62 58
Hóhe des Ohres . . . . . . . . — — 67 ^7 60 ^| 60
Entfernung des Ohrloches von der
Nasenwurzel . . . . . . . . . 120 | 112 | mo 112 | 114
Horizontaler Umfang . . . . . . -- 545 | 536 | 538 | --
Profilwinkel . . . . . . . - — — —
II. Kórpermaasse.
Korperhéhe . . . . . . . . . . 1585 1597 1615 15652 | —
Klafterweite . . . . 2.5.5 15 1675 . 1690 1684 —
Hóhe: Kinn. . . . 2... 1430 — — | — _—
» Schulter. . . . , . . . . 1318 — — | — -
, Hlenbogen. . . , . . . . 997 | — — 5 —
, Handgelenk . . . . . . . 44 — - — D
, Mittefinger . . . . . . . 558 - ,; 7 — -
, Nabl ......,..-* 922 — - -
, Crista oss. lium . . . . - — — .
» Trochanter. . . . . . . . 815 | - B
, Capit. fibul. . ... ,.. ..' 440 ^ —-
» Malleolus externus . . . .- 65 ;
Im Sitzen: Scheitel . . . . . . .' 811 |
» , Schulter. . . . . . - 520 |
Hand: Linge . . . . . . . . . 184
» Breite . . . . . . . . . 80(88) --
Fuss: Lànge . . . . . . . . . 254 —
» Breite 2... 91(80 ! 93(90) .
Umfang: Oberschenkel . . . . . . 441 | -
» Wade . . . . . . . . 318 :
Brustumfang . . . . . . 860 849 Fh d
III. Berechnete Indices.
Lüngenbreitenindex . . . . . .. 19,6 765 ' "1A 105 77,1
Ohrhóhenindex . . . . . . . . 71,5 T4,4 78 A 71,2
Gesichtsindex (Kollmann) . . . 889 5 gw E 82,2
Nasenindex . . . . . 64.2 Kr) 6.. oe 61,8
1) Die Zahlen in Klammern bedeuten die Grüsse des Messfehlers in Millimetern.
194
Beiträge zur Anthropologie der Papuas.
Messwerth e.
———À
Jabim (Neu-Guinea)
Ssim-
bang |Kamlana: Suam
passe e | Gnaiaba | Talabi | K ajsse- Ssanguan Kamelun | Eulabi | Geissi
$3 1 deg. 6909. [5 907. ary, I's 581. | & 18J.| 5 43.1 5 307.
——D NN TE Wa | 18. ] M
I. Kopfmaasse.
184 178 “ 18 187 178 186 | 191 170 189
188 182 182 190 172 189 195 179 189
140 189 | 140 143 187 141 146 y 142 139
28 130 190 128 113 130 122 | 123 | 127
110 106 97 106 | 105 116 | 112 , 99 | 10
— — — — . 18 — — —
110 110 104 115 | 98 117 112 | 118 | 112
E 67 58 72 | 65 5 74 19 68
38 | 130 | 135 | 147 184 | 141 140 , 180 | 146
154 77 | 76 70 66 76 88 | 12 | 8
16 . 95 101 100 90 | 109 100 ı 99 | 100
TA 36 95 36 35 39 a8 | a 36
n: | 105 9% 98 91 104 | 105 96 | 104
p 59 5. 58 51 47 , 59 58 52
2 46(Sep- 5 50 49 52 52 58 | 55
40 tum 55, _
(49) 38 (42) ı 35 ^ , 54(48) | 35(86) | 44(46) 48(44) ST(42) 44D)
94 57 4) 60 66 69 60 57
SA 7 5 — 88 72 56 ! B8
bu 115 116 114 | — _
77 0 580 B 501 ; | ; —
— 8 t —
i IL Kórpermaasse.
lud 1568 | 1590 — 1575 | 1560 | 1618 | 1655 | 1589 | 1578
149, | 1660 | 1635 . 1665 1610 1716 | 1774 | 1661 | 1689
14 — — — | = — - — —
ub | — 1896 | 1818 | 1691 | 1878 | 1881 | 1855 | 1881
— 1037 986 1001 1088 1052 | 1048 1019
- — 188 740 740 788 T 816 643
1018 - 619 518 553 599 600 633 581
1065 943 | 960 967 ‘ 980 | 1021 965 | 978
93 — — — — | o— — —
49 820 | 812 sis | sæ 883 | 867 854
77 440 448 458 | 465 492 | ‚472 465
858 59 60 67 | 64 57 &' 62
617 -. — | — | 84 880 -
185 | — _“.— 597 | 552 | -
77 (93) ! 161 115 | 164 1929 190 | -
260. | « | — 90 (105) ' 81 (89)
99 (94) ^ 245 256 | 936 211 12751910 te. 2
87 (82) ' 87(86) | 86(87) | 110 (99) 1.108(100) gi
465 | r. 90 (85) |
328 — \1873r365) 464 ,1469r450
880 — |1277r.195) 318 | 1. 380 |
823 | 780 896 822 Ts su
Tes | III. Berechnete Indices.
69,9 168 16,9 | 75,2 796 ^ 71,1 74,8 79,8 73,5
197 | ggg | 999 64,7 65,7 68,1 62,5 68,7 67,1
869 | $56 | Tro | tse | 281 | #9 | 800 | MI , T
> 70,0 641 686 | 93.6 72.0 638 840
195
Ssiu
O. SCHELLONG:
Landschaft, Insel: Jabim (Neu- Guinea)
Dorfbezirk: Pojalim | Ssiu Bussum Gingala
Namen: Kassarlap| Sseigun Dangabii Mojam | Galiki
F ersonen | Geschlecht, Alter: & 40 J. ls 35-38J. & EN 3 357. | $ 39 J.
Fortlaufende Nummer: 15 j| 1€ |. 18 19 .
I. Kopfmaasse.
|
Gerade Linge (1,0) . . . . . . — 189 187 169 190 | 187
Grôsste Länge (+ 2,1) . . . . . . 187 190 174 192 191
Grosste Breite (+10) . . . . . . 147 144 134 150 140
Ohrhohe (+28) . . . . . . . . 130 | 122 | 112 126 181
Stmbreite (29,4) . . . . . . . — 105 10 " 96 | 9 101
Gesiehtshóhe A. . . . . . . . . — — — = -
, B.(-15 . . ... 18 115 | 1H | 195 | 116
Mittelgesichtshôhe (+ 15). . . . . 15 7:0 ^ 69 | 7% | 10
Gesichtsbreite: a) jugal (+ 1,0). . . 137 144 | 141 © 147 | 140
i b) malar (+358) . . 82 85 75 82 78
». ._. ©) mandibular (+ 2,0) 102 | 109 97 100 100
Interorbitaldistanz (£09). . . . 39 34 30 ^! 35 35
Distanz der äusseren Augen winkel (+ 3,9) 98 102 | 105 ^ 110 | 106
Nase: Hôhe (+ 1,1) . . . . . . . 61 52 | 55 54 49
, Länge (F1) ...... BR 50 55 49 ; 5
» _ Breite + 1,5 (L1) . . . . . 49(46, | 88(44) 784 (87) | 37 (42) | 86 (48;
Mund: Linge . . . . . . . . . 6 | 59 50 59 59
Hohe des Ohres . . . . . . . . 60 62 58 | Bb ^
Entfernung des Ohrloches von der '
Nasenwurzel . . . . . . . . . — 112 | _ _
Horizontaler Umfang . . . . . . - 5814. ^. -- —
Profilwinkel . . . . . . e. 86" 88(89)? -- —
IL. Kórpermaasse.
|
Kórperhóhe . . . . ato 1615 | 1627 1584 1628 | 1690
Klafterweite . . . . . ^ 1724 | 1695 1745 | 1720 = 1800
Hóhe: Schulter . . . . . . 1840 | 1369 1328 | 1373 1399
„ Ellenbogen. . ee ee 1000 1041 998 | 1010 1062
» Handgelenk ; 1012 +» 725 808 740 778 790
, Mittelfinger on 565 631 559 604 ; 612
Nabel . ur 96 985 970 961 | 1018
Trochanter . . 855 860 | 878 854 815
Patella . . . £t — — — — -—
» Capit. bul . . . . . . «|. 484 | 45 | 484 | 465 501
» Malleolus externus . . . . .; 61 65 6 | 6 10
Im Sitzen: Scheitel . . . . . .. — | — 809 — —
» » Schulter. . . . . . .- — | — 562 — —
Hand: Linge . . . . . . . . . — | 169 172 191 180
, Brie ........-. — 80 (96) 73(86) , 88(91) | 75 (92)
Fuss: Lénge . . . . . . . . . 252 248 (250) 229 275 265
» Breite. . . . . . . . . . 92 1104 (99) | 90 108 (99) ! 94 (90)
Umfang: Obersehenkel . . . . . . - — 464 — qo -
» Wade ., ......- — — | 898 — | —
Brustumfang . . . . . 848 858 | 847 | 925 | 844
IH. Berechnete Indices.
Làngenbreitenndex . . . . . . 78,6 75,7 77,0 78,1 ! 73,3
Ohrhohenindex. . . . . . . . . 695 | 642 | 643 65,6 68,5
Gesichtsindex (Koilmawn) . . . . . 89:9 | 198 787 850 828
Nasenindex . . . . . . . . . 10.5 73,0 61.8 68.5 ' "84
196
Beiträge zur Anthropologie der Papuas. |y
Jabim (Neu-Guinea)
Ssimbang — Coro Ssimbang. fuam Ssiu Ssimbang| M | Suam
Fee | ol Ll /
deine Bor(o)m | Kokung | Bumtau | Pa à ‘ Labum | Japoa ‘ Boagga | Ssesengo
$305 [gery] s82 621J 5 26.1005 404. & 45:307. 5 17 J.
..909 | 21 , 2 23 95 , 96 + 1 38 .—
I. Kopfmaasse.
177 109 , 13 190 | 178 | 18 182 . 18 182
182 182 | 172 | 189 187 | 187 182 | 178 184
134 14 | 137 || 147 | 140 | 148 136 | 144 144
125 125 | 114 | 185 | 191 ‘ 132 185 | 196 | 122
100 105 100 — 112 108 113 101 108 108
— — — — 175 180 | 194 205 180
116 | 110 116 115 108 118 119 ! 115 110
68 64 70 65 66 60 | 65 74 71
131 | 186 133 145 134 138 | 143 145 | 189
73 | @ , 66 19 65 6 ! "5 4| u
98 | es | 98 108 97 | 99 108 108 88
30 | 82 34 29 | 35 | 29 31 30
02 96 100 110 96 114 112 | 109 95
52 5 59 47 57 56 57 | B 5i
M i 4 54 46 5. B6 59 49 54
(41) | 31/5 380(89, | 837(44) | 946, | 86 (48) | 86 (46) | 38 (48) | 32 (88)
55 bo | 54 61 55 62 68 51 56
; | ss ! e | s8 !| $5. — | & 56
— | 18 110 119 | 112 116 | 115
— — : 540 584 | 540 530
.? 8(? | - -— — — —
['
II. Kórpermaasse.
io | 1595 1586 1694 1590 | 1615 1556 1565 1616
1g | 1675 | 1696 1150 1780 | 1720 1616 1745
ges | 1880 | 1815 1s." 1831 1411 | 1898 1285 1356
70 | 1041 | 1000 - = = — = =
aL | 792 | 789 = — — —- l| - m
999 605 | 570 630 568 . 618 643 | 612 | 584
& | M5 | 940 951 1019 | 958 | 918 966
| 805 809 | — - —
— — ' jin der — in der | —
«5 | au | dro Mitte 496 (Mitte 490
80 | 219 63 | 61 | 69 5 | e
cu - | - 786 | 835 872 840 828
168 — — 535 615 615 510 | 560
78 (89) | 70 À 182 179 189 182 169 —
249 / | 10.86) | 77 (91) Ie 78 (92) | 82 (108) " 80 (102) | 18 (90) —
81 (89) | 9290 261 959. , 98 . 980 27 —
— 0 (81) | 100 (91) 95 (88) | 104 (96) 114 (108) | 93 (85) —
— — -— 440 475 487 400 470
8 | = = 30 | si | 5$ | 218 | 310
30 | 887 849 918 910 820 860
M IH. Berechnete Indices.
?
68,6 | ol 19,6 v8 | 749 | 71765 74,7 80,9 | 78,8
916 | sos — (62 | T4 | 657 70,6 74,1 70,8 | 66,8
678 | 07 | sol | 79,8 80,6 81,9 | 88,2 19,8 19.1
, 508 | 189 =; 59.6 64.9 63,1 14.8 56,1
«95
O. SCHELLONG:
Landschaft, Insel: Jabim (Neu-Guinea)
Dorfbezirk: Suam Madang | Suam Sam
Namen: Makiri | Lakka |Musseboa; Majom | 128080
Personen { Geschlecht, Alter: 56-60 ;| ó 58 J. | "4$ 5 J. 045 J.
Fortlautende Nummer: 29 30 tt. |, 82 838
I. Kopfmaasse.
Gerade Lànge (4-10 . . . . 1 179 183 180 188 169
Grosste Lange (+21) . . . . . — 1109 185 , 181 186 172
Grosste Breite (t: 1,0) . el 145 136 183 148 137
Ohrhóhe (4 28 . . . . . . . . 134 120 i 137 135 118
Stirnbreite (+ 2,1) . . . . . . . 113 100 " 110 115 104
Gesichtshóhe A. . . . . . . .. 193 201 — 196 1 169
i B. (£15) . . .. .. 121 103 113 117 95
Mittelgesichtshéhe (£15). . . . . 12 61 ^ 80 57
Gesichtsbreite: a) jugal (4-100). . .| 145 199 137 ^ 147 133
i b) malar (+88) . . 69 78 74 76 62
» c) mandibular (* 2,0) . 2 , 9 | 102 110 | 92
Interorbitaldistanz (+ 0,9). . . . . 30 | 27 30 34 30
Distanz deráusseren Augenwinkel (4: 8,9) 108 | 98 108 | 108 | 91
Nase: Höhe (+ m A b ! 52 53 58 | 28
, Linge (+19. . . . . . . 5 51 56 42
2 Breite +15 1,1) . . . . . 37(48) | 87(48) | 84(48) 37(45) 31 (40)
Mund: Länge . . . . . . . . . 52 | 58 60 55 56
, Hóhe (Lippen . . . . . . — — — — —
Hôhe des Ohres . . . . . . . . Le — 55 — —
Entfernung des Ohrloches von der
Nasenwurzel . . . . . . . . . 116 110 115 117 107
Horizontaler Umfang . . . . . . 528 519 | 525 | 543 | 510
IL. Kürpermaasse.
Kórperhóhe . . . . . . . . . 167 1573 1614 1670 | 1538
Klafterweite . . . . . . - - 1750 1618 | 1745 1800 | 1595
Hóhe: Schulter . . . . . . . < 1408 1257 | 1318 | 1388 1265
, WHlenbogen . . . . . . . 1025 933 — — —
, Handgelenk . . . . . . . — 5 5 - —
, Mittelfinger . . . . . . . 640 534 — — —
5 Nabel . . . . 998 872 — 996 -
» Trochanter. . . — — — — D
» Patella . . . . . 485 il — = = -
» Capit. fibul . . . - = = — .
» Malleolus externus . 60 = 1 æ —
Im Sitzen: Scheitel . . . . . . . 846 | 755 | 88 —
. . Schulter . . . . . . . 570 507 | 590 — |
Hand: Linge . . . . . . . . . 187 170 . . — -
» Breite .. .. . .. . - 1602) 65 (81) — — 30 4
Fuss: Lange . . . . . . . . 262 239 257 272 =
» Breite . . . . . . . . - 95(85) 88(78) 92(85) . 103 (92) --
Umfang: Oberschenkel . . . . . . 470 416 490 — =
» Wade ........ 850 285 | 3220 | — | -
Brustumfang . . . . . ... 885 190 900 — --
III. Berechnete Indices.
Lángenbreitenindex . . . . . . 81,0 73,5 73,5 79,6 79,6
Ohrhóhenindex. . . . . . . . . 148 | 64,8 75,0 72,6 68,6
Gesichtsindex (Kollmann). . . . . 884 | 79,8 82,5 | 19,6 | 71,4
Nascnindex . . . . . . . . . . 65,0 11,8 | 641 | 642 | 72,1
198
Beiträge zur Anthropologie der Papuas. )
Jabim (Neu- Guinea) Kai (Neu Guinea) Poum (Neu - Guinea)
7 TAS a | Kamumbang Poum
Gilao | Matao || Atikio | Kaualuo . Kopal | Gamtei Bikuan Gnarassa | Mokong
S 857. Q 95 J. 9929J.| 9 117. 5 429. | $457. 46d. 5173. | 5227
co sd. MN — _ J, J
_84 | s , 36 | 87 $8.3 0 4.07 | 8.
I. Kopfmaasse.
168 , 12 172 | 174 189 | 119 180 188 119
178 118 180 | 177 190 178 182 182 | 170
131 | 136 136 | 181 137 | 144 136 137 186
125 130 133 115 131 122 125 117 | 114
99 107 106 99 105 106 102 100 100
165 162 164 164 198 192 181 — —
10 | 98 108 104 | 119 y 108 ^ 110 110 | 111
72 67 61 62 72 75 67 69 70
125 138 134 118 139 : 142 133 134 136
8g 2 68 67 60 64 75 76 62 | %
(127) 98 | 102 y 8 98 101 94 84 94
32 34 36 29 33 30 35 31 31
92 98 | 98 92 110 106 102 100 100
9T 54 | 46 48 55 57 51 50 50
3918 5 45 46 51 56 51 47 50
(85) 32(29) 36 (839) | 28 (87) 45 | 34 (45) | 32(43) 85 (88, ' 85 (42)
47 bd | 00 À4 54 | 57 BA" 01 60
D — - - — 15 — —
-— - — 54 - 60 | 55
in 110 110 j 105 10 (190) | 112 (117) 115 (120) —
8 | 543 | 517 | 485 ! 5 | 522 , 522 | =
II. Kórpermaasse.
1545 ‘ 1570 | 1560 1438 1554 1577 1507 1506 1574
1990 1655 | 1630 1485 1620 1676 157% 1510 | 1610
| 1295 1288 | 1019 — 1312 | 1248 | 1256 | 1818
- 5 - — — — — — V 9600 998
— - — - — — 730 © 50
582 587 582 547 575 595
- 837 938 880 . 9183 ı 985
: - — — ' "91 818
. _ — — | 485 | 460
— E - 1 = 60 62
774 | 698 805 802 — —
- 500 483 560 590 — —
= 179 165 ) 178 UI 156 | 161
— | 74(91) ! 68(81 — 80 (94) | 82 (92 — —
250 238 298 ^ — 259 240 243 989
112 |100(90 81(80' — 97 (94) | 102 (94) | 95 (89) ! 95(93)
— 443 430 488 445 380 — —
— | 8920 | 275 | 300 334 298 — | —
— — | 815 881 798 | 26 745 832
III. Berechnete Indices.
75,7 |
799 | 186 | 15 40 71 80,9 74,7 152 ! 800
ris) 1 73 9 > , ?
88,0 710 8 65,0 68,9 68,5 | 68,7 64,2 67,0
52.6 | 599 | 16,9 88,1 | 85,6 76,0 | 82,7 82,0 81,6
, 82 | 583 79,9 60,0 | 62,7 70,0 70,0
19€
Ssiu
7 O. SCHELLONG:
Landschaft, Insel: Poum (Neu- Guinea)
Dorfbezirk: Poum Fon oka Poum
. Namen: Ssapoa Bore Garaua , Bukarra | Monai
Personen { Geschlecht, Alter: & 80 J. $ 30J. $ 85J. 4 91J.| & 38 J.
Fortlaufende Nummer: 43 | 4 46 | 46 47
I. Kopfmaasse.
Gerade Linge (#10) . . . . . . 184 183 183 179 185
Grosste Lange (+21) . . . . . | 174 180 187 182 184
Grüsste Breite (410) . . . . . .1 134 139 | 147 147 147
Ohrhóhe (E28) . . . . . . . .i 195 | 194 110 190 191
Stirnbreite (+ 2,1) . . . . . .. 102 108 104 108 . 104
Gesichtshôhe B. (+15) . . . . . 105 | 100 116 106 120
Mittelgesichtshóhe (E 1,5). . . . . 10 60 70 64 71
Gesichtsbreite: a) jugal (+ 1,0). . . 135 136 140 131 140
b) malar (+ 3,8) . . TC 60 79 T5 71
; c) mandibular (+ 2,0) 99 87 | 109 86 ^. 108
Interorbitaldistanz (4 09). . . . 38 33 | 89 | 88 35
Distanz der änsseren Augenwinkel (+3,9) 97 97 | 110 | 102 100
Nase: Hóhe (£ 1,1) . . . . . . . B 48 | 56 — 59 58
, Linge (+19 . . . . . . 51 50 50 47 51
» Breite +15(L1) . . . . . 4 | 88(41) | 35(40) 33(89) 85 (41)
Mund: Linge . . . . ... 58 57 52 57
Ohr: Héhe . . . . . . . . . . 60 — — —
Entfernung des Ohrloches von der
Nasenwurzel . . . . . . . . . 120 113 124
Horizontaler Umfang . . . 531 522 | 530
II. Kérpermaasse.
Korperhéhe . . . . . . . . . . 1580 | 1548 1580 | 1502 1585
Klalterweite. . 1 1 1 1. . - 1647 | 1592 | 1660 | 1648 1734
Hohe: Kinn . . . . . . . . . . — — | 1888 | — =
» Schulter. . . . . . . . . 181 | 129 1309 — | =
» Ellenbogen . . . , . . . 1025 965 1009 —- —
, Handgelenk . . , . . . . 762 736 | 148 — —
. Mitelfingr . .. .... 595 562 584 — —
, Nabl .. ... s 940 | 989 960 | — -
. Trochanter. . . Loe. 807 ‘ 789 823 , —
, Patella . . . . . tort | - (479(426)" |
» Capit. fibul . . . . . . 49 | 438 | doo | e.
» Malledus externus . | . . - 58 48 | 60 | — -
Im Sitzen: Scheitel . . . . . . . — — — - -
» , Schulter . . . , . . . — — —
Hand: Länge . . . . . . . . . 165 162 .180 , - -
» Breie . ........ — -— 10 (85) | -
Fuss: Länge . . . . . . . . . 225 244 242 - —
» Breite. . . +... - . 8104 | 90087 82(76) 1 - -—
Umfang: Oberschenkel , . . , . . — — 448 - -
» Wade . . . . . . . . — 5 - , 295 | -
Brustuhfang . . . . ..... 155 12 822 | ti 800
III. Berechnete Indices.
Lüngenbreitenindex . . . . . . . "10 702. 186 , 807 . 198
Ohrhóhenmdex. . . . . . . . . US | 68.3 58,8 | 659 | 657
Gesichtsindex (Kollmann) . . . . . TU V 7855 82,8 80,9 | 85,7
Nasemindex . . . 212111 769 | 791 | 625 | 634 | 660
1) Oberer und unterer Rand.
400
Beiträge zur Anthropologie der Papuas. °°)
‘ . Tami |
Poum (Neu-Guinea) Neu
uinea
Poum Komocka Tami
Ássap | Ssinabi | Ssimeio | Mmbag !Gbaming: Gossack Laua | Mangaia , Modiamo
S20. à 404. | 888J. | 9 507, | 1 25J. | 9 25 J. 17-185 9830J. $21J.
C8 s | w^ Ro 75, m LUN (8 a RS
L Kopfmaasse.
189 177 188 | 172 | 180 172 177 164 175
181 181 194 181 182 178 180 174 176
189 191 141 | 187 148 139 ı 143 137 140
116 120 193 | 119 121 113 . 121 122 120
102 | 104 111 | 91 106 107 . 101 96 100
96 | 105 104 | 107 114 106 110 97 121
52 62 67 * 70 69 67 67 , 6 77
130 | 143 136 | 180 134 138 " 185 | 180 182
10 15 65 "o 8 19 66
91 | 102 ‘ 104 95 95 97 97 | 9 94
34 , 40 36 | 34 32 ; 383 33 | 31 30
02 | 105 | 109 ^ 97 104 ! 105 ı 101 96 103
N 52 | 58 54 51 CE: | 46 56
51 50 51 (Sep- 50 50 51 (54) 46
tum 59)
"$n 35 (43) 85 (40) | 26 (36) | 30(36) | 28(36) 1 80(40) || 30 (89) | 32 (40
:
3i 9 9m mos 9 7 * R5
104 | 126 121 114 , 109 n5 | 110 | 108 | —
08 | 529 | 582 521 530 508 516 495 =
II. Kórpermaasse.
1e 1519 , 1598 1488 | 1530 | 1551 — 1412 , 1451 | 1661
9 1625 | 1748 | 1560 | 1565 | 1695 1515 | 1550 | 1730
o — 1018 | 1247 | 1290 | 1209 | 11756 | 18%
/ — n —_ _ 795
— 572 | — | 550 — 608
838 | 894 948 585 | 888 án
— 2d Lea - = —
_ b - lo -— 491
— ii — — 54 — 63
770 | 825 785 778 | 735 —
495 | 588 | 503 508 | 503 m
- - 166 167 175 6
- 69 (77) | 13(80) | 74(90) T3 (81) | 6 (79) | 16 (91)
- - 230 | 939 246 249 297 260
- 88 (81) | 89(80) | 89(85) | 89 (80) | T8(14) | 9764)
_ - 425 498 443 496 495 =
615 ^ à - 210 319 | 319 292 282 | —
850 ! 808 735 831 932 vu | 1% 858
IIl. Berechnete Indices.
76
6 | os | 72,6 15,6 | 813 78,0 79,4 ; 78,7 79,5
we | 602 | 634 65,7 | 664 | 684 672 | 701 | est
680 | gs | 164 823 | 850 | 16,8 8M 14,6 91,6
3 | 660 48.1 | 588 | 538 | 57,6 65.2 57,1
1) Beim Lachen.
20:
O. SCHELLONG :
Landschaft, Insel: Tami (Neu-Guinea)
Dorf bezirk: -ami
Namen: Makili | Mor(1)o | (G)naue | Ssekabo || Mangei
Personen { Geschlecht, Alter: & 92J., 6 35 J. | $ 40 J. | $326 J.| $ 213.
—— — L— LÀ L -— ST
Fortlaufende Nummer: 50 , 88 , 659 , 60 , 61 .
I. Kopfmaasse.
Gerade Lànge (E100) . . . . . . 175 165 184 181 182
Grosste Linge (+ 2,1) . Coe 180 169 — 188 189
Grósste Breite (4 1,0) . D 141 191 146 | 145 144
Ohrhôhe (+ 28) . . . . . . . . 121 119 121 | 124 134
Stirnbreite (+21) . . . . . . . 98 97 109 100 106
Gesichtshóhe A. . . . . . . . . — - = — qoc
, BIAGIO 1... 18 | 117 - 120 | 18
Mittelgesichtshôhe (+ 1,5). . . . . 16 65 10 12
Gesichtsbreite: a) jugal (4 1,0). . .| 127 139 133 143
o» b) malar (+38) . . 75 75 - 79 95
^ c¢) mandibular (+20). 96 95 107 ^ 108 y 109
Interorbitaldistanz (0,9). . . . . . 30 97 — 39 36
Distanz der äusseren Augenwinkel(+3,9) 108 101 - 109 ! 105
Nase: Hôhe (+ 1,1) . . . . . . . 55 55 - 54 58
, Linge (+19) . . . . . . 58 58 - 54 51
» Breite + 1,5 (1,1) . . . . . 40088 87(89) - 39 (40) | 37 (39)
Mund: Lànge . . . . . . + 45 ae 55 — 58 51
» Hohe . . . . . . . .. — — — —
Ohrhóhe . . . . . . . . . . . — — — —
Entfernung des Ohrloches von der
Nasenwurzel . . . . . . . . . - — —
Horizontaler Umfang . . . . . . : | — —
Profilwinkel . . . . . . . . . - | 87—89° || 88°
II. Kórpermaasse.
Kórprhóhe . . . . . . . . - . 1603 | 1565 — 1638 | 1610
Klafterweite. . . . — 1695 - 1680 1747
Hôhe: Kinn. . . . — — - — —
» Schulter. >) OF Rn - 1360 1359
„ Hlenbogen . e. . - 1000 971 - 1027 , 1015
, Handgelenk 755 728 — 774 789
Mittelfinger 558 572 — 599 589
Nabel . . 958 953 - 985 965
Trochanter. . . 834 808 864 | 838
, Capit fbu. . ! . 449 | 454 466 | 410
» MMalleolus externus 58 59 64 | 61
Im Sitzen: Scheitel . . . . — — — |
» » Schulter . . . . : — — — —
Hand: Linge . . . . . . . . . 168 | 175 : 171 | 186
» Breite . . . . . . . . - T2(88) | 80(95) | 79 (97) | 81 (97)
Fuss: Länge . . . . . . . . . 240 285 260 , 274
» Bree. . . . . . . . . - 89(84) | 95(90) - 101(92) 111 (100)
Umfang: Oberschenkel . . . . . — — - — —
^ Wade . . . . . . . . — | — | — | —
Brustumfang . . . . . — 895 843 920
III. Berechnete Indices.
Lingenbreitenindex . . . . . . . 183 | 810 79,3 792 | 761
Ohrhóbenindex. . . . . . . . . 672 70,4 65,7 67,7 70,9
Gesichtsindex (Kollmanm) . . . . . 929 | 841 | —- | 90,9 91,6
Nasenindex . . . . 24 19.4 67,3 — 72.2 69.8
202
Ts
Beiträge zur Anthropologie der Papuas. 208
Neu- .
Tami Neu-Lauenburg Neu-Pommern Meklen- Neu - Meldon-
(Neu- Guinea) (Duke of York) (Neu-Britannien) burg SW. Ure .
i (Neu-Trland)
(Neu - Irland)
Tami Mioko Utuen wort : | Rotawull Reben Tub-Tub| Lemerut
Magedu | (G)uo- Toaut \T Toma- | Tomana- Ipirkom- o Tama
| Taganu : : Zangon , Kame
5500. ambu 297. | $397. ue | lum , UP, ,o95J. $967.
— $2383. ' " $88 4.| SS 929204 7" / 27 . —
—2 | 8 64 | 65 — 66 y 61, 0 , 0 , 0
I. Kopfmaasse.
181 185 196 191 | 188 | 181,3 172 175 188
iul 190 196 194 196 183,7 181 178 | 196
119 139 132 165 140 © 1806 | 145 144 139
123 121 121 126 135 1998 | — — 127
06 99 108 102 105 100,7 106 94 102
us d ou — — — 1194 166 ! 166 196
3 | 12 116 Q 117 116 111,5 99 90 109
M 72 T1 73 69 70,6 58 56 68
33 | 129 | 188 || 148 | H6 1305 | 18 126 187
oF 75 T1 65 82 68,8 68 65 1
39 | 95 99 | 105 | 100 99,8 94 82 94
Ed 32 | 33 34 33 - 31,5 80 , 830
© 98 | 10 | 1o 107 98,8 98 96 | 100
6 5^ 53 55 ! 8b | 51295 | 5 | 4 | 54
87 49% 1 155 (58) 52 18,3 45 A] | 48
(S8) 2 35(44) 33 (47) | 85 (42, 88,2 (40,4)' 25 (40) | 24 (85) | 84 (44)
; 58 BT 59 | ‘54,1 60 52 58
: — (4 — — | — 91 | 2 | 17
- 58 | 61 66 ^" 568 58 51 —
119 ı 121 17 113,2 108 (112) | 108 (101) , 111 (118)
81» 550 ‚550 : .. ,. 50 513 | —
II. Kórpermaasse.
1589 |
163 | 1680 . 1680 1501 1681 — 1533 | 1500 | 1557
4 | 1720 1758 | 1664 | 1760 | — 1550 | 1590 | 1620
13 - 1400 | — — — — LL
Se | 1855 | 1390 | 1971 ^' 1853 - - 1290 | 1965 ! 1970
768 | 1018 | 1010 — 1041 © — — — -—-
se | 772 805 773 - — — i1 —
9 608 620 559 599 585 560 579
90
789 980 1045 941 989 925 950 | 910
us 470 _ — — 5 — H
61 . 6 | BT 64 — — —
~ | = 840 — 833 805 470 | 811
175 = 535 — 555 515 518 | 558
88 (100) | dB, , „194, „179 191 165 170 160
950 OD 73 (85) | 76(91) | 77099) 78 (95) | 67 (87) 76 (88)
110 (100) ood 256 247 2 287 228 288
= (60) 98(96) 98(90) | 105 (95) 90 (81) 87 90 (85)
— — 436 : 440 482 495 480 ; 448
85 | ap | 289€ | 817 335 ' 311 295 290
| 849 858 942 890 850 820
19.0 III. Berechnete Indices.
679 | i | 67,8 850 | 714 71,2 80,1 809 | 709
849 | oso | S17 649 | 688 663 — — 64,8
661 | 527 | 812 | 818 79,4 | 85,4 | 75,0 71,4 | 19,5
, 6.0 60.0 636 | 635 50,0 53.3 62.9
776
AN
D O. ScHELLONG:
Landschaft, Insel: So 99 Neue Hebriden
Dorfbezirk: Tub-Tub| Lassuck Insel Malakula
Personen (s | Malle | Wellaga- Bumann | Tones) Norak
Geschlecht, Alter: ó 19 J. £997 5 85 J. | & 35 J. Ei
Fortlaufende Nummer: "1 cm 38 | "4 , q5 2
L. Kopfmaasse.
Gerade Linge (+ 1,0) . . 180 ! 181 ! 192 192 189
Grosste Linge (£20) . . . . . . 180 | 177 196 | 192 185
Grosste Breite (+ 1,0) . . . . . 140 141 150 | 142 134
Ohrhôhe (+28) . . . . . +. . ., 120 119 130 |) 12 123
Stirnbreite (+ 2,1) . . . . . . . 104 106 119 ^! 107 99
Gesichtshôhe A. . . . . . . . . 167 174 --
, B. (£15) . . . . . 107 117 115 104 110
Mittelgesichtshohe (+156). . . . ., 67 71 67 63 62
Gesichtsbreite: a) jugal (+ 1,0). . . 134 182 143 135 135
» b) malar (+ 8,8) . . 72 58 86 72 (
” c) mandibular (+ 2,0). 100 91 109 100 | &!
Interorbitaldistanz (0,9). . . . 84 85 86 99 24
Distanz der äusseren Augenwinkel (+3,9) 106 102 111 102 95
Nase: Hôhe (+ 1,1) . . 2. . . . . 51 60 53 51 45
, Lànge (19). . . . . . . 44 60 48 49 45
, Breite +1,5 (1,1) . . . . . 36(45) | 82(91) | 40(47) ! 86(42) | 3b (46)
Mund: Lánge . . . . . . « . . 57 50 60 55 49
, Hohe . . . . . . . .. 22 19 — | — | —
Ohrhóhe . . . . . . . . oo . 58 57 62 63 65
Entfernung des Ohrloches von der
. Nasenwurzel . . . . . . . . . 112(1010)|111 (117) 122 ; 112 116
Horizontaler Umfang . . . . . . 538 536 551 | 589 | 538
Profilwinkel . . . . . . . — — 179? | 82? —
II. Kórpermaasse.
Kórperhóhe . . . . - + 1603 | 1620 | 1586 | 1609 | 1566
Klafterweite . . . . . . . - - . 1750 | [| 1680 | 1668 | 1712
Hôhe: Kinn. . . . . . . * « — 1818 1396 1348
, Schulter . . . . . - - - 1844 | 1360 1286 1317 1325
, Ellenbogen . . + +++ — — 1000 1013 1025
, Handgelenk . . . . . + = — — 112 785 740
. Mittelfinger . . . . . . 550 590 550 608 564
, Nabl .. ......-.-. 1008 ^" 1002 895 974 999
. Crista oss. dium . tot -- — 911 960 910
, Bymphyse . . . . ett — — 180 | 1810 826
Trochanter e. .. = — 835 837 864
Patella . . . . . . . . « — — 482 (440) | 495 (435) 449 (489)
, Capit fibul. . . . . . . . - = 408 426 436
, Malleolus externus . . . . — — 55 65 58
Im Sitzen: Scheitel . . . . . . . 76 | 790. 762 899 787
„ Schulter. . . . . . . 526 520 504 568 540
Hand: Linge . . . . . . . . .i 186 179 185 | 185 180
, Breite . . . . . . . . . T7091 | 8300) | 1(8) | 81 (92) — 16(89)
Fuss: Lange . . . . . . . . «+ 260 259 255 255 250 .
» Brie .........-. 97(91) !|10(9), 901(8) , 92(8 — 91(99)
Umfang: Oberschenkel . . . . . . 407 447 500 450 413
» Wade 2. 1 1 1 1 1 1 — 988 307 348 324 | 300
Brustumfang . . . . | 800 867 909 845 818
III. Berechnete Indices.
Längenbreitenindex . . . . . . . T1 79,6 765 | 1789 | 724
Ohrhóhenindex. . . . . . . . . 666 . 6712 66,3 65,1 | 66,4
Gesichtsindex (Kollmann) . . . . . 198 | 886 80,4 771,0 | 81,4
Nasenindex . . . . . uU "06 ^" 6583 754 | 715 ^» VU
204
Beiträge zur Anthropologie der Papua.
Salomons- Inseln
,Ç | b) Green-|e) St. Chri-
a) Vella Lavella Island | stophel
Ss. la. ; ——
solo Tape | O(a)ne || Tetecke | Momau || .E(Dri | Tiu — «D)rahanu| Hei(e)ke
SX, 8187. 582. 5867. | 8407. | 8857. | 5325. | 6 487. | 5307.
Im — | w^ 01 ay æ | 8 | 8
[. Kopfmaasse.
177 | 176 180 185 177 188 180 177 198
174 180 184 187 109 192 185 180 | 199
144 130 147 145 141 142 138 143 | 149
117 | 1m 110 | 127 194 | 121 | 120 128 ' 187
100 | 102 108 | 107 ' 102 | 106 | 108 101 101
A d M M t M M M
111 97 | 121 106 116 | 114 122 115
68 | 60 55 71 64 70 | 69 75 | 65
181 | 196 , 140 150 | 142 | 148 | 188 | 140 136
6: 62 Ti 16 12 . 8 68 | "0 69
80 | 84 | 9 106 95 | 9 96 112 | 101
29 | al 33 si | 8 36 36 34 35
98 ' 9p | 103 | 106 9; | 10 | 100 | 101 E
49 47 49 55 58 52 47 54 | 44
25 18 46 46 58 a 57 54 45
(35) 31(99 , 33(45) | 80(89) ' 30. | 82.(87) | 8742) | 8640) | 37 (46)
49 s! |
4 oU 50° 58 59 54 59 | 56
2 ol I2. - oz Zl =
|
510 E 1i6 | 190 » 116 118 | 116
08 | ma | 522 | 880 ed 580 531 570
II. Kórpermaasse.
5 | 1529 1540 | 1710 1626 1587 , 1616 1879 | 1715
1804 | 1589 1610 1824 1011 1760 | 1784 | 1845 | 1815
21 — — — — — — =
b 1216 | 1210 “ 1434 1338 1338 | 1416 1380 ] in
CR — — - — — ; 10
wma — — — — | T6 | 815
990 562 | 580 635 - — — 584 | 68
04 984 | — — - - 1045 | 1050
WO | 90 | - — - sol =
89 | i9 | — | 7 — —
fao, Sio | — _— . - L —
4028) 462 (416) — — - co, -
ej | 589 | A a _
DE 57 _ -- - 60 | 59
m 800 790 1 860 - 832 | 887
167 578 | 880 | 600 | - — 549 | 540
"mp |.d95 | 160 | 19 A -— 9001 | 185
2817 | 19680) | 70 (75) | 80 (90) - — 77(97) 88 (102)
80 (74) | aros 998 | 909 263 269
319 4(80). 81(71) | 95(90) 101 (94) | 112 (105)
979 | 32 | 470 | 416 488 481
un | 208 | so | me 305 334
745 | 895 912 ou I 88% 892 914
827 III. Berechnete Indices.
672 | 22 ! 78 mp 78,7 73,9 74,5 | 794 . 48
BAT | 769 — 2» | 679 69,2 630 648 71,1 68,8
510 | 65 700 | 806 14-6 811 | 86,7 | 871 | 845
Zeitachrite fon er 54,5 566 | 615 ‘ 660 | 666 8H
chrift für Ethnologie, Jahrg. 1891
205
- O. SCHELLONG:
Inselgruppe: Salomons-Inseln
. 1) Guadal-
Insel: "^ eanar e) Malayta
: Langad- : . — Tuhum- i i
Namen: Terungai Toena m Ambui aru Auaschia
Personen i Geschlecht, Alter: 5 80J.: & 22J.| ry | $ 19 J. oh | 5 187.
Fortlaufende Nummer: |, 85 | 85 | O81 8 88 1 89 | 90 .
I. Kopfmaasse.
Gerade Lànge (€ 10). . . 181 188 189 169 180 182
Grosste Länge (+ 2,1) . . 184 192 188 169 181 | 184
Grósste Breite (4 10) . . 140 183 135 188 132 130
Ohrhóhe (2 98). . . ... 126 190 198 199 ! 118 117
Sürnbreite (9,1) . . . 105 108 | 102 101 | 109 108
Gesichtshóhe B. (x: 1,5) . . | 114 ‘ 119 111 108 ' 107 108
Mittelgesichtshóhe (4: 1,5) ..| 66 10 69 60 60 64
Gesichtsbreite : a)jugal(+1,0) | 140 , 185 | 132 130 135 131
» b) malar (8,8) 70 68 18 71 67 67
» c) mandibu- |
lar (20) . . . . . . 94 | 99 y 102 98 104 97
Interorbitaldistanz (+ 3,9) . * 81 35 38 39 81 84
Distanz der &usseren Augen- |
winkel (23.9. . . . . 105 104 110 , 100 111 109
Nase: Hohe (+ 1,1) . . . 51 54 | 50 41 43 48
, Linge (1,9) . . . 52 52 | 48(50)5| 42(47) 40/45) ' 41 (45)
, , Breite -E 1, (1,1). . 82(40) | 35(41) | 91(41) | 82(41) 31(39) 29 (35)
Mund: Lange. . . . . 51 57 56 54 55 55
Ohrhóhe . . . . |... 69 | 60 | 859 62 — 65
Entfernung des Ohrloches von
der Nasenwurzel. . . . | 111 | 115 | 111 108 115 | 112
Horizontaler Umfang . . . 535 529 ii 530 503 532 | 512
Il. Kórpermaasse.
Kórperhóhe . . . . , . 1650 | 1611 | 1578 | 1593 1625 | 1508
Klafterweite . . . . .. 1845 1680 1105 | 1660 1695 1590
Höhe: Schulter . . . . . 1370 1345 1288 1298 | 1845 | 1240
„ Ellenbogen . . . . 1028 1025 -- —— -
. Handgelek... . . 40 169 — — — —
, Mittelfinger. . . . 568 594 535 | 582 | 696 549
» Nabel. . . . . . : 1018 910 942 | 942 | 964 | 9929
» Malleolus externus . 61 55 | 56 58. | 59 | 52
Im Sitzen: Scheitel . , . 181 893 814 | 858 | 815 UU
» ox. Beer . 2. 500 | 559 | 516 | 558 | 564 , 516
Hand: Lànge. . . . .. 191 184 178 | 1 , 14 110
» Breite. . . . . . 85(105 | 80(98) ! v6 (80 T1 (80) | 18(98) 71 (T5)
Fuss: Linge . . . . . . 254 259 240 250 | 20 240
», Breite . . . . ^ . 106(92) | 108 (95) | S9(8T) | 89 (77) | 97 (89) 92 (85)
Umfang: Oberschenkel . . 485 484 453 425 438 442
» Wade. . . . . 3842 | 342 / 325 268 291 | 294
Brustumfang . . . . . 854 | 835 834 763 813 | 780
HI. Berechnete Indices.
Lüngenbreitenindex . . . 16,0 69,2 | 184 78,6 | 72,9 70,6
Ohrhöhenindex . . . . . 684 625 | 612 | "791 | 651 63,5
Gesichtsindex (Kollmann) . 81,4 88,1 | 840 | 830 | 192 | 82,4
Nasenindex . . . . . 62,7 64,8 540 | 780 | 720 60,4
1) Die Zahl in Klammern bezieht sich auf das Maass, his zum Septum genommen-
206
Beiträge zur Anthropologie der Papua. ^
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17
207
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x
^(
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TO
A
O. SCHELLONG:
Gesichts- Masken.
A. Vorbemerkung.
Unter den körperlichen Merkmalen, welche zu der Bestimmung eines
Rassentypus gehóren, steht das Gesicht, die Physiognomie, obenan. Den?
es sind vorzugsweise die physiognomischen Eigenthümliehkeiten, welche
den Reisenden zuerst interessiren, wenn er dem fremden Individuum
begegnet. Die Haartracht, die Breite des Mundes, die Wólbung der Stirn
die Form der Nase, der Ausdruck des Auges, das Mienenspiel, die Art
des Sprechens, sie geben dem Reisenden nicht nur sofort einen persón-
lichen Eindruck des Individuums, sondern sie dienen ihm auch hauptsách-
lieh, fast unbewusst, als wichtigste Anhaltspunkte für die ganze anthro-
pologische Auffassung desselben. Denn in dem Gesicht concentrirt sich
gewissermaassen die Individualitàt des Menschen. Das Bestreben, gerade
das Gesieht des Menschen in der Erinnerung festzuhalten und dauernd
zu fixiren, ist deshalb den anthropologischen Untersuchungen besonders
förderlich gewesen. Man sucht diesen Zweck in doppelter Weise ZU
erreichen, durch die bildliche Wiedergabe in Skizze oder Photogramm
und durch die plastische Wiedergabe in Form der Gesichts-Maske. Jedes
dieser Verfahren hat seine Vorzüge: die photographische Darstellung
besonders in grossem Maassstabe ausgeführt, bringt den ganzen Kopf, die
Haltung desselben und die belebte Physiognomie zum Ausdruck; die
Gesichts - Maske stellt etwas Todtes dar, aber sie wirkt mehr überzeugend
durch die Plastik, auch ergiebt sie beim blossen Anschauen die natürliche?
Grössenverhältnisse, welche bei dem Photogramm erst mit Zuhülfenahm®
der Phantasie vom Beschauer herausconstruirt werden müssen. Auch fällt
bei der Maske die Sprache des Auges hinweg, so dass das rein Körper”
liche des Gesichts mehr zur Beachtung gelangt. Gewöhnlich pflegen die
Masken aus technischen Gründen sich eben nur auf das Gesicht ZU
beschränken; sie bringen am häufigsten eine Ansicht des Gesichts vo?
vorn und umfassen dann die Stirn, beide Augen, die Wangen, Mund und
Nase und einen Theil des Kinns. Dass sich die Masken nicht auf de?
ganzen Kopf erstrecken, scheint mir, rein anthropologisch betrachtet, ein
erheblicher Mangel nicht zu sein. Denn die Haarfrisur, welche zur Vo!”
stellung des ganzen Kopfes noch vorzugsweise daran fehlt, verdeckt die
Maasse des Schädels, — soweit man es nicht gerade mit rasirten Köpfen
zu thun hat, — ohnehin und ist überhaupt eines derjenigen anthro
pologischen Merkmale, welches den Beobachter meist in hohem Grade vet"
wirrt, anstatt ihn zu fördern. Wir können es alltäglich beobachten, wie
Menschen durch eine andere Haarfrisur ein gänzlich verändertes Aussehe?
erhalten. Gerade bei der sehr schwierigen Auswahl sogenannter „Rasseh”
typen“ hat sich mancher Beobachter sicherlich ganz unbewusst durch ZW
fällige Aeusserlichkeiten, physiognomische Attribute, wie Bart, Haar:
208
Beiträge zur Anthropologie der Papua. 209
Kopfputz u.s. w. mehr bestimmen lassen, als durch wirkliche anatomische
Merkmale.
Die Papua prisentirten sich mir zur Untersuchung meist bartlos,
dagegen in der allergrossten Mannichfaltigkeit der Haarfrisuren. Wenn
leh die letzteren bei der Anfertigung der Masken ausser Acht liess, so
Slaube ich mich damit also keiner tadelnswerthen Unterlassung schuldig
Semacht zu haben. Hingegen móchte ich es als ein qualitatives Plus der
Von mir gefertigten Masken hinstellen, dass ein Theil derselben in Halb-
Profil- Aufnahme zur Darstellung gelangt ist. Es werden dadurch dem
Gesicht zwei wichtige physiognomische Anhaltspunkte hinzugefügt, der
Kieferwinkel und das Ohr. Weniger das Ohr selbst, als die Stelle, an
Welcher das Ohr am Kopfe sitzt, ist wichtig zur richtigen Würdigung der
Breite des Gesichts, indem En-face-Masken ohne Ohr das Gesicht gewöhn-
lich zu breit erscheinen lassen. Der grössere Vortheil der Halbprofil-
Masken aber liegt in dem durch den Namen selbst charakterisirten Um-
Stande, dass nehmlich in dieser Weise eine Vorstellung von dem Profil
des Gesichts möglich ist.
Ich fertigte die Masken aus Gyps.
Die oftmals aufgestellte und ebenso oft bestrittene Behauptung, dass
_ uncivilisirte Eingeborne zu der an und für sich nicht sehr einladenden
doy dur des Gypsens nur schwer heranbekommen könne, habe ich bei
By Lapua gewissermaassen in beiderseitigem Sinne bestätigt gefunden.
and Welt zu Anfang sehr schwer, die Leute, mit welchen freilich eine
mi ny Verständigung, als die durch die Zeichensprache gegebene, nicht
ban e war, von der Gefahrlosigkeit der Procedur zu überzeugen; das
be, Ang langanu, — das Gesicht verbinden, wie sie es spüter nannten, —
da sie in der ersten Zeit als eine riskante Sache, und dass ich
vüsg d damit zum Ziele gelangte, verdanke ich nur der sehr liebens-
als i Bereitwilligkeit eines meiner Freunde, welcher sich, obwohl
"E an anthropologischen Untersuchungen nieht sonderlich inter-
Senes i heiterster Miene coram publico nigro von mir gypsen Hess,
Demon Beispiele folgend, diente sodann ein Malaye zu einer zweiten
an ration und auch jetat, nachdem die Ungefährlichkeit der Procedur
"aaa zur Evidenz dargethan war, kostete es nicht geringe
kühnen S und Versprechungen, um den ersten Papua zu diesem
Und ich à ritt zu bewegen. Aber dann war alsbald der Bann gebrochen,
Preis QN Ae später Anerbietungen genug. Nur steigerte sich der Kauf-
Yornehmste on vom gewöhnlichen Bandeisen zum Handbeil. Makiri, der
9 Aexte © duptling der Finschhafener Gegend (Nr. 1), erhielt sogar
tespektabeln V Bezahlung, welche nach papuanischen Begriffen einem
Die N Technik an gleichkam. | nn
Überhaupt schon der Masken-Abnahme ist für denjenigen, welcher
mit Gyps gearbeitet hat, ohne besondere Mühe zu erlernen.
2: O. SCHELLONG:
Das Gesicht wird leicht eingefettet und kleine Kartenblatt- Róllchen in
die Nasenlócher gesteckt, um die Athmung nieht zu behindern; dann kan?
der Guss beginnen. Um diejenigen Partien des Gesichts, auf welche e?
mir jedesmal besonders ankam, auch sicher in den Guss hineinzubekomme”,
bediente ich mich einer Anfangs aus Pappe, später aus einer biegsamen,
dünnen Bleiplatte gefertigten Cravatte, mittelst welcher ich das Gesicht
wie mit einer Form umschloss. Da die biegsame Bleiplatte sich allerseits
fest gegen die darunterliegende Haut andrücken liess, so verhinderte die-
selbe zugleich das Danebenfliessen des Gypses, was bei der Halbprofil-
Aufnahme besonders zu Statten kam. Ich kann dieses Verfahren als sehr
brauchbar empfehlen; die erstarrte Masse nimmt sich in dieser Bleiform
sehr bequem vom Gesicht ab. Man kann eine und dieselbe Cravatte
beliebig oft benutzen, da der Gyps mit dem Blei nicht verklebt. Es
bedarf nur weniger Hammerschlige, um die Platte wieder gerade ZU
klopfen. Im Interesse der grösseren Haltbarkeit der Masken, also vo!”
wiegend mit Rücksicht auf den Transport, glaubte ich sodann eine Ver”
stärkung der Maske in der Weise erstreben zu sollen, dass ich der Gyp®
masse mehrere dicke Hanfstreifen einfügte. Als Vorbild diente mir dabei
die Methode der in der chirurgischen Praxis üblichen Gypshanfschiene?
In dieser Art gefestigt, langten die Masken via Sydney-Bremen in bestem
Zustande in Berlin an, und die Anfertigung der Positive machte keinerlei
Schwierigkeit. |
In der Finsch’schen Masken-Sammlung der Südsee befinden sich
ebenfalls Typen aus Neu-Guinea; dieselben entstammen jedoch sämmtlich
dem südlichen, unter englischem Schutz stehenden Theile dieser Insel.
Da ich meine Masken in Finschhafen und Umgebung, also an der Nordost
küste von Neu-Guinea gewonnen habe, so dürften dieselben die Finsch-
sche Collection in wünschenswerther Weise zu ergünzen berufen geil
Ausserdem sind in meiner Sammlung vertreten die Salomons-Insel Vell®
Lavella mit einer Type, Neu-Lauenburg (Duke of York) mit einer Type
Neu-Pommern mit einer Type, Neu-Meklenburg mit 8 Typen. Die A"
zahl der von mir gefertigten Masken betrügt 39.
Der Reisende würde eine grosse Ersparniss an Zeit machen kónne?
wenn es ihm gestattet sein Würde, die Masken auch für anthropometrisch®
Zwecke zu benutzen, wenn er also die Maasse des Gesichts oder wenig"
stens einen "Theil derselben der Maske, anstatt dem Lebenden, ent”
nehmen dürfte. Um ein Urtheil über das Maassverhältniss von Mask?
zum Lebenden zu erhalten, habe ich das Positiv der Maske Nr. 38 au?
gemessen und die so erhaltenen Messwerthe den Zahlen des Mess - Proto"
colls gegenüber gestellt. Ich wihlte gerade die Maske Nr. 33 zu diesem
Zweck, weil ich bei dem dazu gehörigen Individuum (Tômänalam) durch
zu verschiedenen Zeiten ausgeführte Messungen den Schwankungswert
„10
Beiträge zur Anthropologie der Papua, &11
bestimmt habe, welchen die Messungen am Kopfe des Lebenden im All-
Semeinen zu unterliegen pflegen *).
Ich stelle nun zum Vergleich die folgenden Maasse zusammen:
—— —
Grósster
Am An der Differenz Schwan-
Lebenden Maske beider Werth beim
Lebenden
Stirnbreite . . . . . . . 100,7 127 +97
Gesichtshihe A. . . . . . . . 172,4 174 + 2 17
s Boss 111,5 111 0 e
L'telgesioht N 68,8 67 — 9
"Bale Gesichtsbreite . . — . . 180,5 184 +8
Entfernung der inneren Augenwinkel 29,5 85 + 5
» „ äusseren » 98,8 111 = l5
Nase: Hohe, . . . . . 519 52 4
» Lange . . . . . . . A 48,3 43 : -
» Breitel . . . . .-. . 33,2 40
© ; Flügelbreite 2 . . . . - 40,4 45 po.
But : Länge 20.0... 2. 52,8 59 + 7 7
€rnung des Ohrloches von der
Nasenwurzel, . . . . . . . 112.2 199 P
Gy Aus dieser Zusammenstellung ist zu ersehen, dass die Maasse an der
IN im Allgemeinen zu gross ausfallen, was von vornherein zu
" mien war; nur das Maass der Nasenlänge erweist sich an der Maske
bei i klein, was wohl auf den Umstand zurückzuführen sein dürfte, dass
lia i Aufgiessen des Gypses das durchbohrte und deshalb für gewühn-
Naso, angende Septum wiederum angedrückt und der Messpunkt für die
Spitze naeh vorn verlegt wurde”).
de, yp leicht man die Differenz der Messwerthe am Lebenden und an
— mit den Zahlen der Columne 4, so erscheint der damit ver-
der Mask essfehler: nicht sehr erheblich. Nur für das Stirnbreitenmaass
— ©. Muss ein grósserer Werth in Abzug gebracht werden; ebenso
Maske . Heh die Entfernung zwischen Ohrloch und Nasenwurzel an der
von 90 und 1 Erhebliches zu gross. Hier würden also grossere Werthe
der Maa, 9 mm in Abzug zu bringen sein. Bei den übrigen Maassen
Tdi ein Abzug von 8 rom wohl das Maass des lebenden
eine * im Allgemeinen richtig wiedergeben. Genau ist weder das
“> Roch das andere.
zu Ko re, To, cine Mittheilung in den Schriften der physik.-konom. Gesellschaft
. : Jahrg. 1889.
ein Man, die Mittelgesichtshöne fällt an der Maske zu klein aus, woran indessen wohl
uld sein dürfte.
2
uu La m
O. SCHELLONG:
B. Masken-Protocolle.
I. Neu-Guinea, Nordost-Kiiste (Kaiser Wilhelms-Land), Finschhafen.
a) Kiistenstrich Jabim.
Maske 1. Makiri & (Nr. 29). Alter Häuptling aus dem Dorfe Suam, der ein-
flussreichste Mann des Jabim-Stammes. Im ungeführen Alter von 56— 60 Jahren, zeigt
er kaum Spuren des vorgerückten Alters. Seine Figur ist proportionirt und gerundet.
Die Oberschenkel und Waden sind krüftig entwickelt, desgleichen die Brust. Das Haupt-
haar ist nur mit grauen Hirchen vermischt und bildet im übrigen einen dichten Spiral
lockenfilz. Der kurz gehaltene, rasirte Bart ist dagegen durchweg weiss-grau. An dem
Fuss ist die erste Zehe die làngste. Kórperhóhe 1675 mm.
Die Physiognomie.ist ernst; aus derselben spricht ein entschiedener Zug von
Falschheit. Die Naso-Labialfalten sind stark ausgesprochen ?.
Hautfarbe dunkelbraun; Stirn, Wange, Brust Broca 80—98, Oberarm 44 — 28.
Kopf kurz, breit, niedrig. Index brachycephal 81,0. Auricularindex 74,8.
Gesicht breit, oval. Index 834.
Die Wangen, mit kleinen, stark pigmentirten Warzen besetzt, erscheinen etwas ein-
gefalen. Eine betrüchtliche jugale Breite (145 mm) contrastirt gegen ein vergleichsweise
schmales Kinn (92 mm).
Auge gross, offen. Iris dunkelbraun, mit ringférmigem, bläulich-weissem Greisen-
bogen; der horizontale Pigmentstreif am Bulbus stark ausgebildet; die Lidaxen horizontal
gestellt.
Nase mit tiefer Wurzel, breitem, geradem Rücken, massiger Spitze, durchbohrter
Scheidewand, verhältnissmässig kleinen Flügeln. Nasenindex 65.
Lippen voll, wenig vortretend. Zähne mit abgenutzten Kauflächen, schwarz gefärbt,
gering prognath gestellt.
Maske 2. Lakka & (Nr. 80), der frühere Besitzer der Insel Madang im Finsch-
hafen, welcher die Insel bereitwilligst an die Gründer dieser ersten Station von Kaiser
Wilhelms-Land für ein Beil verkaufte, eine kleine, dürftige, hóchst komische Figur, mit
ganz runzligem, wie eingeschrumpftem, kleinem Gesicht, aus welchem eine lange, gebogene
Nase hervortritt. Ungeführes Alter 58 Jahre. Das Haupt ziert eine für Papua-Verhält-
nisse seltene Glatze, welche von spiraligen Haarbüscheln begrenzt wird.
Der Ernährungszustand ist ein mässiger. Die Haut zeigt an Stirn B. 80— 98, an
Brust und Oberarm fast 98. Kórperhóhe 1578 mm.
Die kleinen Augen, mit horizontalen Lidspalten, werden etwas gekniffen gehalten;
links besteht totaler Pannus.
Kopf miüssig lang, breit, niedrig. Index 73,5. Aurieularindex 64,8.
Gesicht niedrig, schmal. Index 79,8. Stirn hoch, schräg, voll, mit kräftige»
Wülsten. Wangenbeine ziemlich angelegt.
Nase mit tiefer Wurzel, welche sich von dem gefalteten Stirn - Augenbrauen -Wulst
scharf absetzt; der Rücken lang, ein wenig gebogen; die Scheidewand durchbohrt; die
Flügel breit ausgelegt. Index 71,8.
Lippen voll, vortretend, geben dem Profil das Gepräge ausgesprochener Prognathie-
Zähne schwarz gefärbt, gerade gestellt.
Am Fuss ist die zweite Zehe die längste. Linkes Ohrläppchen durchbohrt.
Maske 8. Missshoa & (Nr. 81), etwa 27jihrig, aus Suam, eine grosse, besonders
kräftige, etwas plumpe Erscheinung. Körperhöhe 1614 mm. Dichtes, dunkelbraune?
Haupthaar; spärlicher Bart.
Die Augen von üblicher Farbe, gross, mit langen, ein wenig hängenden unteren
Augenlidern. Die Lidspalte ein wenig geschlitzt. Neben dem linken Augenlide eine
flache, narbige Schrumpfung.
1) Die eingeklammerten Zahlen beziehen sich auf die Nummer des Mess-Protocolls-
2) Fin nach einer photographischen Aufnahme des Dr. Hollrung hergestellter Licht
druck des Makiri befindet sich in den Nachrichten über Kaiser Wilhelms-Land u. 9. V"
1889. Heft IL.
212
Beiträge zur Anthropologie der Papua. AE
Kopf kurz, breit, hoch. Index 735. Auricularin dex 75,7.
_ Gesicht hoch, breit, oval. Index 82,5. Die Stirn auffallend hoch, mit stark ent-
Wickelten Augenbrauenbögen. Wangenbeine angelegt.
Nase mit tiefer Wurzel, sehr breitem Rücken, dicker Spitze, durchbohrter Scheide-
Wand, wenig abgesetzten Flügeln. Index 64,1.
Lippen voll und vortretend.
Die schwarz gefärbten Zähne gerade gestellt.
Die Hände breit, mit langen Fingern. Die zweite Zehe ist die längste.
An der Halbprofil-Maske kommt eine Ohrdecoration, bestehend aus einem ein-
Seknüpften Hanfbündel, gut zum Ausdruck.
Maske 4—14, Typen des Dorfes Ssiu.
ka 4. Ssanguan 5 (Nr. 11), 58—65jähriger Häuptling aus Ssiu, Vater von 3
erwa venen Sóhnen: Majom (Nr. 82), Labum (Nr. 25), Kamelun (Nr. 12), und einer
"n senen Tochter: Matao (Nr. 85). Untersetztes, für sein Alter sehr gut genührtes,
les E enhantiges Individuum, von grosser Intelligenz, schlauem, verschmitztem Blick,
‚om en Gestikulationen, zu Spüsschen geneigt. (Die Physiognomie erinnert mich lebhaft
n diejenige eines alten Pfarrers meiner Heimath.)
eigen.” rings um den Kopf geschoren, sehr dicht, nur ab und zu ein graues Hárchen
für à vo Broca 41—48. Bart rasirt. Körperhöhe 1618 mm. Linkes Ohrläppchen
3 Fingerspitzen durchbohrt.
RE D MM Prof, occiptt m vorspringonten in. semicirculares.
x. jt irn breit, hoch, wenig gewölbt.
in den ion breit, Haut gerunzelt, Augenbrauenbôgen stark vorspringend. Gesichts-
9.
Se Nase dick, mit breiter Spitze, sehr weiten Nüstern, flach ausgebogenen Flügeln.
Ptum kurz, nach unten convex. Index 93,6()
Oberlippe hoch, fleischig, wenig vorstehend.
Kinn breit. Profilwinkel 85°.
Qna, dem Gesicht falls auch auf die starke Entwickelung der Kaumuskulatur
Tererbe 12A e mehr ausgesprochen auf seinen Sohn Labum
as .
Hände und Füsse breit, plump.
und ke 5. Majom & (Nr. 32), ältester Sohn Ssanguan's, Bruder von Labum
in und der Matao (Masken Nr. 4, 6, 7, 8, etwa 4b5jührig, bekannt als gut-
Vater, ane verschmitzter Mensch; etwas diebisch veranlagt. Er ist ein guter Familien-
Erngp, w freundlich mit Frau und Kindern um. Mittelgrosse Figur, in mässigem
kruste es ustande. Recht schmutzige Haut; die Finger mit einer fôrmlichen Schmutz-
Der y Logon. Der Kopf ,verlaust^. Kürperhôhe 1670 mm.
Inde, 79 orf erscheint gross durch einen sehr dichten, grossen Spirallóckchen - Haarfilz.
Das i. Auricularindex 12,6.
liefe, wt Sieht desgleichen ziemlich hoch und breit, besonders die Partien der Unter-
tritt oii Im Ganzen, von vorn gesehen, eckig-rundlich. Index 79,6. Im Profil
Oberlippe betheiigt da hervor. an welchem sich namentlich die sehr fleischige
Di Ae 12
Stark eon det breit und müssig hoch, nur wenig geneigt. Die Augenbrauenbogen
Segenüber die ven sich seitlich auf die ebenfalls mächtigen Jochbogen fort, denen
Die Nase ‘âfenpartien zurücktreten.
Welcher sich in mit breiter und tiefer Wurzel, breitem, gerade verlaufendem Rücken,
und hängende Sont plumpe, knollige Spitze umbiegt, an deren Bildung das durchbohrte
abgesetzt. Die Ne m Theil nimmt. Die Flügel sind wenig scharf gegen den Rücken
Tagen dichte Haar st quer gestellt, öffnen sich ein wenig nach vorn; aus denselben
ua, Dis Kinn ist "Pi eran. Nasenindex 642. —— I
ich, als röthlich. och, jedoch breit. Die Lippensäume voll und mehr bräunlich-
215
214 O. SCHELLONG:
Das linke Ohrläppchen durchbohrt, das rechte intakt, im Ganzen schwach entwickelt.
Der Bartwuchs reichlich, rasirt. An den nicht auffallend plumpen Zehen überwiegt die
erste an Länge.
Die Augen wenig geöffnet und wenig hervortretend, dunkelbraun mit dunkelgelbem
Pigmentstreif. Lidspalten nach oben und aussen ein wenig divergirend (geschlitat)-
Wimpern am oberen Lid reichlich. Augenbrauen spärlich.
Maske 6. Labum # (Nr. 25), etwa 28jährig, aus Ssiu, Sohn des Ssanguan, Bruder
von Majom, Kamelun und Matao (Masken Nr. 4, 5, 7, 8). Mittelgrosse, kräftige, gerundete
und proportionirte Erscheinung; als intelligent und verschlagen bekannt. Körperhöh®
1675 mm. Die Figur weist wohlgeformte Brust- und Nacken-Partien auf, während
andererseits Füsse (besonders links) und Hände plump gebildet sind. Die erste Zehe
überwiegt um ein geringes die zweite.
Kopf mit breitem Hinterhaupt, an welchem sich mächtige Occipitalwülste markiren;
sonst anscheinend mesocephal und eher hoch als flach. Index 765. Auricularindex
10,0. Die Stirn von mássiger Hóhe, breit (118 »m) und aufrecht gestellt, mit markirten
Augenbrauen- und Nasenbôgen. Dem entsprechend setzt sich die Nasenwurzel scharf von
der Stirn ab. Die Nase selbst erscheint nicht gross, aber breit und ziemlich flach.
Nasenindex 64,2. Die nicht auffallend vorstehenden Lippen geben dem Profil den
Ausdruck eines nur missigen Prognathismus.
Von vorn erscheint das Gesicht breit (Index trotzdem 81,9). Der Abstand der
äusseren Augenwinkel weit, desgleichen die Distanz der Jochbogen. Die Gesichtsbreite
gewinnt sodann ganz besonders durch auffallend entwickelte Masseteren, welche wie
Parotistumoren vor den Ohren lagern (vergleiche den Vater Ssanguan). Die Nüstern sind
weit und ein wenig nach vorn geöffnet. Der Mund breit, mit ziemlich mächtiger Ober
lippe. Das Kinn klein und angenehm gerundet. Das Auge von der üblichen Beschaffen-
heit, mit mässig weiter, fast horizontal gestellter Lidspalte und schönen Wimpern.
Maske 7. Kamelun & (Nr. 12), 18jährig, in Figur und Physiognomie seinem Vater
Ssanguan ähnlich (vergl. Maske 4). Verräth Zutraulichkeit und ein wenig Beschränktheit,
ist immer hungrig und träge.
Die Stirn ist hoch, mehr vorgewólbt, als bei Ssanguan. Auch zurückliegende
Schläfengegenden. Beide Lippen mehr vorstehend, als bei Ssanguan. Profilwinkel 86°
Augen gross, glänzend, vortretend. Lider ganz wenig geschlitzt. Kamelun zeigt auf-
fälliges Zurückbleiben in den Maassen der rechten unteren Extremitàt (siehe Mess- Proto
coll). Kórperhóhe 1655 mm. Kopfindex 748, Auricularindex 62,5, Gesichts”
index 80,0, Nasenindex 72,0.
Maske 8. Matao © (Nr. 85), die Schwester von Majom, Labum, Kamelun, Tochter
Ssanguan’s, ist mit Sseigun in Ssiu verheirathet, hat 3 Kinder, von welchen das älteste,
Sébque, etwa 7jährig ist. Matao ist demnach etwa 25j&hrig, entbehrt jedoch bereit?
der jugendlichen Frische, welche sich nur noch in kräftigen Oberschenkeln und breiten
gut ausgelegten und angenehm geformten Hüften zu erkennen giebt. Die Brüste sind
auffallend klein, beutelartig und schlaff. Der Warzenhof gross, aber wenig scharf abgesetzt
Die Schultern sind vergleichsweise schmal, besonders gegenüber den breitere?
Hüften.
Das Gesicht hat einen gutmüthigen, nicht unsympathischen Ausdruck, bekommt abet
durch kleine, wenig vortretende, etwas geschlitzte und kaum einen Wimperschmuck auf-
weisende Augen einen gewissen Anflug von Blüdigkeit. Auch die ganze Physiognomi®
ist eckig und unschón angelegt. .
Die Nase klein, breit, gedrückt, mit plumper Spitze, durchbohrtem Septum, wenig
scharf abgesetzten Flügeln, in toto mit kleinen, dunkel pigmentirten Narben besetzt (W!*
pockennarbig) und dadurch entstellt. Im Profil tritt mássiger Prognathismus hervor, 9?
welchem beide Lippen gleichen -Antheil haben.
Das Kinn ist niedrig und breit. Die Gesichtsbreite hauptsüchlich auf Rechnung sehr
starker Masseteren (scheint Familien-Eigenthümlichkeit zu sein) sehr ausgesprochen.
Der Schädel erscheint ziemlich hoch, nicht lang; die Breite bezieht sich sehr VO
wiegend auf den Hinterkopf. Doch ist auch die Stirnbreite eine ausgesprochene (107 mm).
14
Beiträge zur Anthropologie der Papua. 915
Die Stirn sonst hoch, wenig voll, fast gerade gestellt, mit kräftigen Schläfen und
gut abgesetzten Augenbrauenbogen. Gebiss voll, bräunlich gefärbt, wenig abgenutzt.
Linkes Ohrläppchen gespalten, rechtes durchbohrt.
Körperhöhe 1570 mın.
Kopfindex 78,6.
Auricularindex 75,1.
Gesichtsindex 71,0.
Nasenindex 59,2.
Maske 9. Gingoanduo 9 (Nr.33), die etwa 45jührige Frau des Majom (Maske 5),
stammt aus Ssimbang, ist Mutter von 5b Kindern, von welchem das älteste etwa 14jährig
le wird also vielleicht jünger sein), sieht gealtert und abgenutzt aus, ist in schlechtem
" ührungszustande, mit ganz schlaffen, beutelartigen Hàngebrüsten, welche trotz der
D embar geringen Entwickelung von Milchgüngen entschieden reichliches Secret liefern.
En sich nährende, etwa 7 Monate alte Deiter-ssaun 1y (mit 2 Schneidezähnen unten und
Oben) sieht frisch und gerundet aus. Gingoanduo ist uns seit lange bekannt als eine
tige, stille Frau, welche für ihre Angehörigen offenbar tiefe Anhänglichkeit
be undet. Sie liebkost ihren kleinen Säugling mit demselben glücklichen Blick, wie er
vu uns die beste Mutter auszeichnet. Als ihr Sohn Ssali zur Beschneidung geführt
NS war ich Augenzeuge, Wie sie, aufrichtig bewegt, Thrünen der Rührung und der
Angigkeit vergoss. Mit ihrem sehr sympathischen Wesen, welches sich durch stete an-
Senehme Gleichförmigkeit auszeichnet, contrastirt ihre äussere Erscheinung.
sch Das Gesicht ist geradezu hässlich zu nennen, und dieser Eindruck wird, wie es
des P besonders hervorgerufen durch ein niedriges, etwas zurücktretendes Mittelgesicht,
Vers Senibex die Unterlippe mit Kinn -stark vorspringt. Im Profil bedingt dieses
Má ältniss ausgesprochenen Prognathismus. Der Mund wird gekniffen gehalten, und man
wes het denselben eigentlich zahnlos; trotzdem zeigt Gingoanduo ein volles, sauberes,
Sses, wenig abgenutztes Gebiss. Kärperhôhe 1538 mm.
Pre utfarbe schmutzig-hellbraun. Auf Armen und Rücken alte Narben, Hände und
Min. nicht gross und plump. (Es ist interessant zu beobachten, dass sich diese, bei den
von nem fast plump und massig gestalteten Theile bei den Frauen im Allgemeinen
sy lem, angenehmen Formen zeigen.) Zehen annähernd gleich lang. Dichtes,
79 "db spiraliges Haar auf dem kleinen, niedrigen und breiten Kopf. Kopfindex
Geren Das ebenfalls kleine Gesicht sieht wie geschrumpft aus. Kinn und Unterlippe treten
Bogen die Oberlippe bedeutend vor. Stirn und Schlàfengegend breit. Die Augenbrauen-
Frane Scharf markirt, jedoch nicht massig. (Das Verhältniss tritt auch bei den anderen
oben N nicht hervor.) Das dunkelbraune, kluge, grosse Auge etwas geschlitzt (Axe nach
Enbviciet aussen). Kleine Stupsnase mit durchbohrtem Septum. Nasenindex 72,1.
Vorspri elte, schmale Wangen; zurücktretende Oberlippe. Auffallend „dünner Hals und
gin»: ngende Schliisselbeine. Linkes Ohrläppchen durchbohrt und für einen Finger durch-
Sig; rechtes ebenfalls durchbohrt, jedoch weniger weit.
ang paske 10. Atikio 9 (Nr. 36), die etwa 22jührige Frau des Labum-Ssiu (Maske 6),
ZWeiten Sor gebürtig, Primipara, befindet sich gegenwärtig (25. Juni 1887) am Ende ihrer
eingan “hwangerschat; der Fundus hat sich bereits gesenkt, Kopf steht fest im Becken-
cedur = eine Theile oben rechts, Steiss oben links, hier auch Herztône. Bei der Pro-
860 mm En stellten sich. bereits die Vorwehen ein. Cireumf. über dem Nabel
fast Wels dann Wahrscheinlich am 3. Juli niedergekommen. Das auffallend hellfarbige,
hatte bereit miannliche Kind wurde von mir am 7. Juli (am 5. Tage) gesehen. Dasselbe
rôthlichem Th en üblichen Rasirstreifen um den Kopf, und der Rest des Haares war mit
als ob on verschmiert, Die Mutter sass mit dem Kinde mit allen übrigen zusammen,
B gar nichts vorgefallen würe. Das Kind wurde nach meinem Vater Louis-ssaun
DoD, Deiter, eine Verstümmelung von Doctor; ssaun bedeutet „klein“; also „der kleine
» éme mir zu Ehren veranstaltete Namenbildung. Der Vert.
2 O. SCHELLONG :
benannt") Die Frau ist eine kleine, massige Person, mit sehr breitem Gesicht und wenig weib-
lichen Zügen; nur die ganz wohlgeformten Hünde und Füsse (zweite Zehe die längste)
heben sich vortheilhaft ab. Die Hängebrüste mit reichlichem Drüsengewebe und dicken
Venennetzen. Die dunkelbraune Haut an den Oberarmen und auf dem ganzen Rücken
in roher Art tüttowirt, so zwar, dass etwa 1 cm lange, von oben nach unten geführte
Striche im Abstande von 1—1'/, cm von einander symmetrische Figuren bilden. Der
verhültnissmüssig grosse, runde Kopf ruht auf dünnem, niedrigem Halse. Merkwürdig ist
die sehr dichte Behaarung des Kopfes, welche auch die Schläfen überzieht. Der Schädel
erscheint im Ganzen niedrig, mit breitem Hinterhaupt. Auch die Stirn ist breit, ziemlich gerade;
mit vollen Augenbrauenbogen. Hervorragend ist die Breite der J ochbogen, denen gegen-
über die Verschmálerung des Unterkiefers nach dem Kinn zu eine besonders auffallende
wird. Die Lippen sind mässig voll und treten nicht auffallend, aber deutlich hervor, Die
Nase hebt an mit sehr breiter Wurzel, ist auch weiterhin breit und flach. Die dunkel-
braunen, klugen, glänzenden, doch etwas geschlitzten Augen sind noch der beste Theil
der Physiognomie.
Kórperhóhe 1560 mm.
Kopfindex 75,5.
Auricularindex 73,8.
Gesichtsindex 76,9.
Nasenindex 78,2.
Maske 11. Kaualuo 9 (Nr.97), die junge, etwa 17j&hrige Frau Kamelun’s (Maske 7),
des jüngsten Sohnes Ssanguan's. Eine reizende, kleine Erscheinung, ganz virginal, mit
einem klugen, freundlichen, unschuldigen Puppengesicht, ziemlich wohlgebildeten Händen,
etwas zu grossen Füssen, an welchen der Zwischenraum zwischen der ersten und zweiten
Zehe auffallend weit erscheint. Ist vor einigen Monaten von Kamelun aus ihrem Heimaths-
dorfe Bussum entführt, war dann für kurze Zeit nach Poum, schliesslich zu den Ver-
wandten des Mannes nach Ssiu gegangen, mit welchen sie gegenwärtig die Häuslichkeit
theilt. Die ganze kleine, elastische Figur ist proportionirt angelegt und von einer gewissen
angenehmen Gracilitàt, welehe besonders dem runden, mit einem Stupsnäschen versehenen
klugen und lebhaften Gesicht eigen ist. Das Haar ist mit rothem, glinzendem Thon zu
kleinen, rundlichen Klümpchen verbacken. Die Haut hat die hellere Nuance des uliniong,
ist von tadelloser Glätte und Reinheit (ein Verhültniss, welches sich sogar an der Maske
wiedergiebt); die Büste kónnte etwas vollendeter gedacht werden. Die Brüste sind kuglig;
stehend, straff, mit dunklerem, scharf abgesetztem, entsprechend grossem Warzenhof, an
welehem die Montgomery'schen Drüsen auffallend entwickelt sind, und ganz kleinen, rund-
lichen Mamillen, welche nach aussen divergiren. Der Schádel erscheint vergleichsweise lang;
breit, niedrig. Das rundliche Gesicht ist im Ganzen fein geschnitten ; es fehlen an dem-
selben die massigen Augenbrauenbogen, sowie die bedeutenden Breitenmaasse der Joch-
bogen und des Unterkiefers, Die Stirn ist wenig geneigt, gerundet, voll; die Schlifen
nicht angelegt. Das dunkelbraune, glänzende, lebhafte, hervortretende Auge gewinnt
durch reiche Wimpern und Augenbrauen, Das Profil ist gering prognath, mit wenig vor-
tretenden Lippen und niedlich gerundetem Kinn. Die Nase ist der schlechteste Theil
der Physiognomie: breit, etwas aufgeworfen, mit gut abgesetzten Flügeln, die Nüstern
nach vorn geöffnet, die Scheidewand durchbohrt. Zähne tadellos, blendend weiss. Ohren
klein und. wohlgeformt,
Körperhöhe 1488 mm.
Kopfindex 74,0.
Auricularindex 65,0.
Gesichtsindex 88,1,
Nasenindex 58,3.
Maske 12, Gilao 9 (Nr. 84), verheirathete Frau, gebiirtig aus Bussum, wohnt jetzt
in Ssiu, etwa 35jàhrig, mit einem sehr unsauber gehaltenen, vollstándig mit Wunden
1) Siehe Nàheres hierüber diese Zeitschrift 1888: Ueber Familienleben und Gebräuch®
Uu. $, W.
16
Beiträge zur Anthropologie der Papua. 217
bedeckten, heruntergekommenen Säugling an der Brust. Die Frau ist von kleiner, pro-
Portionirter Figur, wohlgenährt, etwas schmalbrüstig, mit entsprechend grossen, ganz edel
Seformten Händen und Füssen, an welchen die erste Zehe überwiegt. Fällt angenehm
auf durch einen edlen, ernsten, klugen Gesichtsausdruck. Das Oval des Kopfes, mit
dichtem, dunkelbraunem Spiralhaar, trägt einen abweichenden, an den ägyptischen und
Jüdischen Typus sich anlehnenden Charakter. Der Hinterkopf zeigt sich besonders hoch
Und breit entwickelt. Die Stirn ist verhültnissmüssig schmal, niedrig und auffallend
Serade gestellt. Die Augenbrauenbogen, wohl markirt, ohne massig zu sein, tragen
Weichen, dunklen Haarwuchs. Desgleichen finden sich reichliche Augenwimpern.
. Das Gesicht, im wesentlichen oval, würde das in noch erhóhterem Maasse sein, wenn
vont auffallend entwickelte Masseteren die Partien der Ohrgegend verbreiterten. Das
m prognathe Profil wird ausgezeichnet durch eine lange, gerade verlaufende Nase,
Seg vorspringende, etwas volle Lippen, ein angenehm gerundetes Kinn. Durchbohrtes
sqm. Die Brüste sind hüngend und lang, beutelartig, die linke, mehr entwickelte um
auff tiefer stehend; die Warzen cylindrisch, stehend, werden von einem grossen, nicht
wq spend dunkel pigmentirten Warzenhof umgeben. Die Berührungsflüchen von Mammae
à Thoraxflàáche sind, wie stets, heller gefáürbt. Linkes Ohrläppchen für eine Fingerspitze
Urehbohrt.
Kórperhóhe 1545 mm.
Kopfindex 75,7.
Auricularindex 72,2.
Gesichtsindex 88,0.
Nasenindex 52,6.
sch ke 13. Seigun 5 (Nr 16), etwa 38jährig, mit Matao (Maske 8) verheirathet ;
mit à gewachsener, bescheiden blickender Mann mit eckigen Gesichtsformen. Haupthaar
em üblichen Rasirstreif. Auch die Augenbrauen rasirt Kórperhóhe 1627 mm.
mas: füllt auf: ein mesocephaler Schádel (Index 75,7) mit stark entwickeltem Proc.
Nage or hohe, breite Stirn, vorspringende Supraorbitalbogen, wohlgebildete, etwas dicke
liege (Index 73,0); wohlgeformter, etwas breiter Mund, schmaler Unterkiefer; etwas zurück-
Iris nde, matt und tränmerisch blickende, mässig weite Augen mit Pigmentstreif, brauner
Evol starkem, bläulich-schwarzem Corneo-Scleralring; Wimpern gleichmässig, schön
und dicht. Profilwinkel 86°. Auricularindex 64,2; Gesichtsindex 79,8.
ang tie M. Boígga $ (Nr. 27), Kleiner (1565 mm), ältlicher, 45—B50 jähriger,
schmal. Junggesele aus Ssiu, Schwager Ssanguan's, Onkel Labum's, mit abfallenden,
Seine a. Schultern und schmaler Brust, dünnen Waden, augenscheinlich der gutmüthigste
tite p, eschlechts. Der kleine Kopf, mit etwas verwitterten Gesichtszügen, gewinnt durch
LL ae welcher sich nach hinten zu eine mächtige, nach hinten gekämmte
Schr breit (Pobella) anschliesst, fast ein komisches Aussehen. Kopfindex 80,9. Stirn
Aurien] und hoch, ein wenig zurückliegend. Der Höhe nach erscheint der Schädel flach.
Selten A 10,8. Das Gesicht wird von einem dichten, kurz gehaltenen, gekräu-
ist bis m umrahmt, Es markiren sich schaxf die Supraorbital- und Jochbogen. Das Profil
Das Au 7 Oberlippe prognath, wührend das kleine Kinn guriicktritt, Gesichtsindex 79,3.
Nicht A nicht gross, klug, freundlich blickend. Die Nase ist auffallenderweise
(besser mark bohrt, sie ist sonst kurz und breit und zeigt eine breite, aber wohlmarkirte
Sehr hoch. AD bei durchbohrtem Septum) Spitze. Nasenindex übrigens ebenfalls
kaum Yon da. n Der Mund nicht gross, gekniffen. Das Lippenroth unterscheidet sich
n der Hautfarbe, spielt eher in's Bläuliche, als in’s Róthliehe.
y, Maske 15. Ssabia N hiver dürfü - uni
ann aus Ssuam Di m & (Nr. 1), etwa 26jàhriger, dürftig genährter, gutmüthiger
den Handfläche > ie unsaubere Haut auf Brust B. 42—43, am Gesicht B. 28— 30, an
Teichliche Haar ; 9— 980. Die Nase mit durchbohrtem Septum ist klein, gedrückt. Das
Stark entwickelt gp den Kopf rasirt. An der hohen Stirn sind die Supraorbitalbogen
Kinn mit Grübehen leferstellung gering prognath. Mund und Lippen nicht vorstehend.
O. SCHELLONG :
Kórperhóhe 1585 mm.
Kopfindex 18,6.
Auricularindex 71,5.
Gesichtsindex 83,2.
Nasenindex 63,3.
Masken 16—20. Jugendliche Typen.
Maske 16. Nagui 5 (Nr. 24), etwa 19jührig, aus Suam, Leibsklave!) Makiri's („Bi
kakádang Makiri*?), wurde von uns Meyer genannt wegen seiner frappanten jüdischen
Physiognomie; uliniong (d.i. hellbraun), mittelgross (1590 mm), gut genihrt, mit etwas
schmalen Schultern und flacher Brust. In seinem Profil tritt auffallender Lippen-
prognathismus (besonders Oberlippe) und eine lange, gebogene Nase zu Tage. Der Kopf
ist im Ganzen klein. Der Schädel mit breiter, gut gewölbter Stirn, sonst anscheinend
mesocephal und etwas flach (Kopfindex 74,9, Auricularindex 64,7). Gesicht chamae-
prosop, Index 80,6. Das braune Auge mit lebhaftem, schlauem, falschem Ausdruck. Das
Septum der Nase durchbohrt und mit Nasenstift versehen, zugleich herabgesunken; die
Spitze kolbig, nach unten hängend; die Nasenflügel wie plattgedrückt; Index 59,6. Nie-
driger, dünner Hals. Breite Hände, colossale Füsse (besonders links). Schlechte Waden,
geringe X-Beinstellung.
Maske 17. Bümtau # (Nr. 28), etwa 90jahrig, aus Ssimbang, sympathische, jugend-
liche Erscheinung, gut genührt, von im Ganzen proportionirten Kórperformen, bis auf eine
etwas flache Schlüsselbeingegend. Grosse Háünde und Füsse, an welchen letzteren die grosse
Zehe die zweite überragt. Der linke Fuss ist breiter, als der rechte. Kopf rund. Das
Gesicht mit nur mässigem Prognathismus; volle Lippen, welche über ein niedriges, gerun-
detes Kinn hervorstehen. Stirn sehr breit; massige Augenbrauenwülste; tiefe Nasenwurzel.
Nase nicht gerade gross, jedoch breit und plump, Stift im Septum. Das Auge mit dunkel-
brauner, fast schwarzer Iris, klug, glänzend, offen. Die kurz gehaltene Spirallóckchen-
Perrücke ist sehr dicht und giebt bei der Betastung das üchte Matratzen- Gefühl.
Kórperhóhe 1694 mm.
Kopfindex 17,8.
Auricularindex 71,4.
Gesichtsindex 79,3.
Nasenindex 78,2.
Maske 18. Kaisségong à (Nr.10), etwa 21jährig, aus Suam, zeigt Atrophie der
ganzen rechten Unterextremität, schuppenhäutig, schmutzig, in schlechter Ernährung:
Kleine Figur, kleiner, flacher Kopf mit niedrigem, breitem, rundlichem Gesicht, kurzem
Kinn. Geringer Prognathismus. Mund nicht gross. Lippen nicht wulstig. Die Nase
nicht allzu plump, entstellt durch durchbohrtes, herabhángendes Septum und weite Nüstern-
Augen dunkelbraun, glänzend, weit; auffallend breiter Pigmentstreif am Bulbus; HóhleB
tief. Stirn gerade, in gut gewölbte seitliche Schläfenpartien übergehend. Hals niedrig
und schlank.
Körperhöhe 1560 mm.
Kopfindex 79,6
Auricularindex 65,7.
Gesichtsindex 78,1.
Nasenindex 68,6.
Maske 19. Ssüsséngo & (Nr. 28), etwa 17jährig, aus Suam, eine der angenehmste?
jugendlichen Erscheinungen, sieht stets anständig aus und beträgt sich bescheide?.
Kórperformen nicht plump, wohlproportionirt. Kórperhóhe 1616 mm. Das Gesicht, P
Ganzen fein geschnitten, zeigt im Profil nur mässigen Prognathismus; Nasenrücken leicht
gebogen; wenig vorspringende Lippen. Kopfindex 78,3: Auricularindex 66,3. Nasef
1) Soweit man sich dieses Ausdruckes überhaupt bedienen darf. In Wirklichkeit
existirt bei den Papua keine mit den afrikanischen Verhältnissen etwa zu vergleichend®
Sklaverei.
218
Beiträge zur Anthropologie der Papua. 219
veptum durchbohrt, die Spitze deshalb hángend, Flügel aber nicht breit. Nasenindex 56,1.
Wangen auffallend schmal Das Kinn mit kleinem Grübchen. Gesichtsindex 79,1.
i Maske 90. Détátóng § (Nr. 7), etwa 15jähriger, intelligenter Junge von kräftigem
Körperbau. Körperhöhe 1568 mm. Beide Ohrläppchen weit durchbohrt; an dem rechten
*I] háufig vorkommender Schmuck, bestehend aus káttam (Cocosnussblatt), ssälässä
(Schiläpattringe), djôko (kleiner Ring aus rothem Flechtwerk), keküm (Perlenschnur).
Im Haar ein 7zinkiger Haarpfeil (ssüpoa). Haar mittelkurz gehalten. Es fallt sonst auf:
breite Nase mit grossen Nüstern, Pigmentstreif am Bulbus, mässiger Prognathismus, breiter
Ma mit vorstehenden Lippen (besonders Oberlippo), geschwollene Brustdrüsen (Pubertät),
One Brust, gerundete Schultern, méssige X-Beinstellung.
Kopfindex 76,3.
Auricularindex 71,4.
Gesichtsindex 84,6.
Nasenindex 73,0.
kn Maske 21. Jápoa # (Nr. 26), etwa 40jähriger, mittelgrosser (1556 mm), stark-
oap ser, x-beiniger, ungelenker Mann aus Ssimbang, mit colossalen Füssen (Länge
dus Breite 114 mm), gut genährt, gewährt einen gutmüthigen, heiteren Gesichts-
(Pol, Uck. Das Haar ist zu einer langzottigen, mit rothem Thon verbackenen Perrücke
gy 2) geordnet, deren einzelne Strähne 10 cm lange Spiralen bilden. Im übrigen fehlt
boh der übliche Rasirstreif rings um den Kopf. Beide Ohrlüppchen sind weit durch-
orgy as rechte Läppchen durchschnitten, so dass ein hinterer zeigefingerlanger und ein
Tele kürzerer, nur l1 Zoll langer Zipfel davon zurückgeblieben sind. Bartwuchs sehr
Ich, rasirt. |
"i Physiognomie erscheint eckig. Stirn im Profil hoch und gerade gestellt. Die
Wy, rauenbogen und der nasale Stirnhôcker (Proc. nasal. des Stirnbeins) zu einem
inen Von grosser Müchtigkeit vereinigt. Die Nase setzt sich mit tiefer Wurzel ab, zeigt
Septu Ingewôhnlich gekrümmten Rücken mit langer, hängender Spitze, durchbohrtem
ichs breiten, scharf gegen den Rücken abgesetzten Flügeln. Zwei müchtige Falten
Nue von hier in die Mundwinkel-Gegend herab. Der Prognatbismus im Ganzen recht
sind Sprochen; an demselben betheiligen sich auch Unterlippe und Kinn. Die Jochbogen
Scharf markirt; die Schlàfengegenden treten diesen gegeniiber stark zurück.
Kopfindex 74,7.
Aurienlarindex 74,1.
*ésichtsindex 83,2.
Nasenindex 63,1.
song Ske 22. Dtangäbi # (Nr. 17), etwa 30jihrig, aus Bussum, ein hübsch gewach-
Brust ttelgrosser Mensch mit runden Körperformen, ganz besonders gut entwickelter
seh Schultern; er sieht ausgesprochen jüdisch aus und hat einen klugen, ver-
Mehrere Blick. Er ist in Trauertracht: schwarze, geflochtene Stricke um den Hals in
Quasten » überfingerdicken Lagen, nach vorn und hinten, über den Rücken weg, in
Welches slau fend, daneben ein Trauerturban auf dem Haupte, das ganze Haar einhiillend,
Mann w er sich Scheut zu entblóssen. Die Trauer gilt seiner verstorbenen Frau. Dieser
lich, ME in mancher Hinsicht von dem Rassentypus ab. Das Gesicht angenehm rund-
sgelogy. loch als breit. Nase mit langem, gerade verlaufendem Rücken; Flügel gut
stehenden T5 00 durchbohrt. Mund nicht gross, mit gewulsteten, doch wenig vor-
Von Plum open Hände und Füsse, wohl gebildet und entsprechend gross, zeigen nichts
Schntrrbant Us Ohren klein, linkes Làüppchen durchbohrt. Trägt kleinen Kinn- und
Inde, 184 N orperhóhe 1584 mm, Kopfindex 77,0, Auricularindex 64,3, Gesichts-
"> À asenindex 618
Doit 2a Tauïlu & (Nr. 5), ein gutmüthiger, sehr dummer Mensch, etwa
Welcher me velchen ein Aufnahme-Protocoll fehlt. Jaualu war der erste Jabim- Mann,
Nasen QA de, Kopfindex 77,1, Auricularindex 112, Gesichtsindex 822,
280 O. SCHELLONG:
Maske 22h. Mojäm # (Nr. 18), etwa 82jührig, gut aussehender, mittelgrosser Mann
aus Gingala, mit grossen Hánden und Füssen, starkknochig, gut genährt. Korp erhóhe
1698 mm. Hautfarbe: Stirn B. 80, Wangen desgleichen, Brust B. 29 —30, Oberarm aussen
B. 99—80, innen B. 30-—38. Táttowirungen auf den Delta-Muskeln und über den ganzen
Rücken hin, kleine, centimeterlange, längsgestellte, in Querreihen angeordnete Ritze-
Auge dunkelbraun, mit Pigmentstreif, lange, horizontale Lidspalte. Haar schwarz, B. 48,
spiralgelockt. Bart spärlich. Sonstiges Körperhaar reichlich. Kopf niedrig, Index 78,1.
Auricularindex 65,6. Gesicht rundlich-breit, Index 85,0. Stirn mässig breit, gui
gewülbt, mit stark markirten Orbitalbogen; zurficktretende Schlifengegenden. Stark hervor”
tretende Wangenbeine und Jochbogen Nase mit tiefer, breiter Wurzel, breitem, flachen
Rücken, kurzem, durchbohrtem, nach unten hängendem Septum, unfórmig plumper Spitze:
weiten, nach vorn sich óffnenden Nüstern, schmalen, rundlich ausgelegten Flügel?
Index 68,5. Mund weit, mit wulstigen Lippen. .Unterkiefer und Kinn breit. Wanget
wenig eingezogen. Ohren gut geformt, klein; linkes Läppchen durchbohrt. Gebiss voll
ständig. Zähne massig, opak. Lippenschleimhaut und Zahnfleisch blassrosa-bláulich, mil
braunen Pigmentflecken. Zunge schon rosafarben. Waden mássig entwickelt. Die grosse
Zehe überragt ganz wenig die zweite.
b) Bergdistrikt Kai.
Die Masken 28— 27 stellen Typen dar, welche dem Kai-Stamme angehoren. Diese
Volksstamm wohnt der Jabim-Bevólkerung Finschhafens benachbart. Ihre Dórfer sind
verstreut auf den einzelnen Bergrücken und ebenso dürftig und elend, wie die Leut?
selbst, welehe eine von der Jabim-Sprache abweichende und von dieser durch besondere
Laute, wie es scheint, günzlich unterschiedene Sprache sprechen.
Maske 93, Kopal # (Nr. 38), aus Anduh Tschigga, einer Bergsiedelung in der Nähe
des Dorfes Bussum. Dieser Mann, etwa 42jährig, wurde daselbst Ostern 1886 von m
und einigen Freunden zuerst angetroffen. Er und eine ältere Frau geriethen in die
höchste Bestürzung, als sie uns kommen sahen; sie liefen davon und schrieen vor Angst, als
ob ihr letztes Stündlein gekommen wäre. Späterhin befreundeten wir uns mit dem Mann®
er besuchte uns ab und zu auf der Station, und zwar jedesmal mit den offenbarste?
Handelsabsichten. Seine Physiognomie interessirte mich vom ersten Augenblicke an wege?
einer geradezu frappanten Aehnlichkeit mit einem mir bekannten Professor. Kopal hat eine?
stets ernsten, etwas scheuen, bisweilen verlegenen Blick. Der Mund wird eigenthümlich
cgekniffen gehalten. Die Gesichtszüge sind im Ganzen markirt, das Kinn eckig. Besonder®
auffallend ist eine sehr hohe Stirn und massige Augenbrauenbogen, welche eine tiefe
Nasenwurzel bedingen. Die Nase ist besonders nach der Spitze zu sehr plump und pat
weite, nach vorn geóffnete Nüstern. Die Oberlippe ist voll und fleischig bei vergleichsw eis?
schmalem Lippenroth. Die etwas hohlen Wangen sind von ausgeprügten Nasolabial-Falte?
durchfurcht. Im Profil zeigt sich missiger Prognathismus. Kopal versuchte während
der Maskenentnahme zu sprechen und zerbrach dabei das Kinn. Kórperhóhe 1554 a
Kopfindex 72,1, Auricularindex 68,9, Gesichtsindex 85,6, Nasenindex 19.9.
Maske 24. Gamtei 5 (Nr. 39), etwa 45jährig, aus Kamumbang, einem Dorfe a
linken Ufer des Bumi, ist interessant wegen seiner jüdischen Physiognomie. Die Nase 18
lang, etwas gekrümmt, nicht besonders scharf abgesetzt. Das Kinn erscheint in Folg®
eines Zickelbartes lang und vortretend, in Wirklichkeit tritt dasselbe etwas zurück. Breite”
Mund mit vorstehender wulstiger Unterlippe. Sehr breite Stirn und volle Schläte#-
Kôrperhôhe 1577 mm, Kopfindex 80,9, Auricularindex 685, Gesichtsindex 76%
Nasenindex 60,0.
1) Auch zu der Zeit, als ich Finschhafen verliess (1888), war die Kenntniss über D
Kai-Bevólkerung noch sehr mangelhaft; es war damals noch nicht im Entferntesten sich?
gestellt, wie weit landeinwürts der Kai-Stamm oder eine Bevólkerung überhaupt o
zutreffen seien. Ich persönlich hatte den Eindruck, als ob weiter landeinwürts von Fins¢
hafen Menschen überhaupt nicht wohnten.
Du t
Zi
Beiträge zur Anthropologie der Papua. 221
Maske 25. Biküan d (Nr. 40), ebenfalls aus Kamümbang, ein Mann, dessen Alter
pur ‚schwer zu schätzen ist. Das liegt wohl besonders an der Ausdruckslosigkeit der
hysiognomie. Nach der Beschaffenheit der abgenutzten, zum Theil wackeligen Zähne
n urtheilen, kann sein Alter auf wenigstens 45 Jahre geschützt werden. B. ist die reine
"ammerfigur; er blickt theilnahmslos, stumpfsinnig, weinerlich vor sich hin. Das Gesicht
Ist klein und eckig. Im Profil tritt; ausgesprochener Prognathismus hervor. Es fallen
um auf riesige Augenbrauenbogen, tiefe Augenhöhlen, kräftige Masseteren, welche das
687 stark verbreitern. Kórperhóhe 1507 mm, Kopfindex 14,1, Auricularindex
1, Gesichtsindex 82,7, Nasenindex 62,7.
us LSE 96. Kai 5, 28jährig. — Maske 27. Halem &, 34jährig. Beide stammen
. immin, einem Kai-Dorfe, über dessen Lage mir weiter nichts bekannt wurde. Kleine,
gene Figuren. Kai, von jüdischem Zuschnitt, mit breitem, grinsendem Munde,
Ba "i sich aus durch sehr kräftigen Wuchs der Augenbrauen, Er ist mit dem obo
mie D, welches er um die Stirn trügt, gegypst worden. — Halem mit hoher, flacher
Hs (Welche um 1!/,Finger höher zu denken ist, als auf der Maske), rundem Gesicht,
bi Whigen Zügen, bäuerlich angehaucht. Der kurze Hals ist an seiner vorderen Fläche
Zur Insicura interclavicularis mit abgedrückt.
c) Tami-Inseln.
h Die Inseln sind identisch mit den Inseln am Cap Cretin bei Finsch-
en Die Bevölkerung weicht in der Sprache und in mancher anderen
ht von der Jabim Bevölkerung ab. Zur Orientirung empfiehlt sich
Re sehr hübsch geschriebener Aufsatz von Hauptmann Dreger (Tägl.
Undschau 1888. Nr. 148 ff.).
intake 98. Djeledja &, etwa 14jahrig, Sohn des Alügi aus Tami, ein hübscher,
eigen T Junge von etwas jüdisehem Schnitt Blendendes Gebiss. Das Haar nicht
Segen oh spirallockig, sondern straffbündelig. An der Maske fehlt ein Stück Hals; da-
(Röllen ommt gut zum Ausdruck das rechte Ohr mit durchbohrtem Läppchen und baninga
en) darin, desgleichen die Nase, auch Augenbrauen und etwas Kopfhaar.
dete SES 29. Modiámo # (Nr. 56), etwa 27jährig, mittelgross (1661 mm), mit gerun-
Reiche : enmässigen Formen, schönen Schultern und Rücken, kleinen Händen und Füssen.
Stirn, a gekimmtes Spirallóckchen-Haar auf kleinem, rundem Kopf mit gut gewülbter
Scknüpft eide Ohrlüppchen durchbohrt, das linke wie ein Gummilatz über die Ohrmuschel
Tit eo (so gegypst. Grosse, gute, kluge, vortretende, glänzende, dunkelbraune Augen
King, on Lidern und Pigmentstreif. Kleiner, wenig vorstehender Mund. Kleines, rundes
ausgele "Fosse, ein wenig gebogene Nase mit dicker Spitze, durchbohrtem Septum, schón
8ten Flügeln, im Ganzen wohlgeformt. Indices: a) 79,5, b) 68,1, c) 91,6, d) 57,1.
"T aate o Guimbü & (Nr. 68), etwa 28jährig, typischer Tami- Mann. Haar aus-
Sespalten hrläppehen beiderseits durchbohrt und gespalten (das rechte ist in 2 Zipfel
Kopt run nd S0 gegypst. Tüttowirungen auf dem Rücken, strichfórmig 1n Parallelreihen.
durch die proc schmal (Index 73,1), Auricularindex 63,6 (die Kopfhohe also wohl
Markirt, Qoa Vorgetüuscht!. Schlüfen zurücktretend, Stirn hoch, Augenbrauenbogen
besonders ee beiderseits durch Parotis-Geschwülste verbreitert, ist sonst schmal,
der Spitze le Wangen (Gesichtsindex 98,0. Nase nicht gross, dick, mit sich nach
Index to Mn amade Rücken, mässig grossem Septum, gut ausgelegten Flügeln,
Körperhöne 103 nicht gross, Lippen ein wenig vorstehend. Augen mit Piomentstreif.
? 1650 mm.
Ma »
Von Ps Qu & (Nr. 60), etwa 26 jährig, hübscher, wohlgewachsener Mensch
Kopf mit hoher ü i Portionen, besonders gut entwickelter Brust und Schultern. Der
Sehen giebt Sti er Spirallóckchen-Perrücke, welche demselben ein kugelrundes Aus-
Zeitschrift für um iet. gewülbt, breit. Gesicht angenehm gerundet, nicht breit (Index
81e, Jahrg. 1891. 0M
16
2 O. SCHELLONG :
90,20. Augenbrauenbogen stark ausgebildet. Augen etwas verschwommen, braun, mit
Pigmentstreif. Bartwuchs fehlt. Nase mit dicker Spitze und nach unten gewälbtem
(durchbohrtem) Septum, Flügel und Nüstern von angenehmen Dimensionen; Nasenindex
12.2. Mund mit etwas hoher Oberlippe. Beide Lippen gering vortretend. Hände und
Füsse wohlgeformt. Kórperhóhe 1638 mm, Kopfindex 79,2, Auricularindex 67,7.
IL. Inselgruppe Neu-Lauenburg (Duke of York).
Maske 32. Tagánu & (Nr. 65), etwa 32jährig, von der kleinen Insel Utuen, ein
gutmüthiger, intelligenter Mann von 1557 mm Kôrperhôhe. Hautfarbe gleichmässig dunkel-
braun, im Gesicht etwas heller, B. 29— 30, sonst zwischen B. 28 —29—30 gelegen ”).
Haar ausgesprochen spirallockig, durch Kalk entfürbt. Der Contour des Gesichts wird
von einem spärlichen Bart (Pastorenbart) umrahmt. Penis mit Phimose. Auf Brust,
Rücken, Armen, Beinen Stichelnarben. Der Kopf macht einen mesocephalen Eindruck,
ergiebt sich aber bei der Messung als ausgesprochen brachycephal?) (Index 85,0). Kopf-
höhe mittel, Index 64,99. Gesicht mässig hoch, Index 81,8. Mässiger Prognathismus-
Mund breit, vorspringend, mit wenig vollen, dunkelbraun-rothen, in’s Bläuliche hinüber-
spielenden Lippen. Nase gross, breit, flach, mit quergestellten Nüstern (tritt an der Maske
weniger hervor), gut gewülbten Flügeln, geradem Rücken, wenig tiefer Wurzel, Septum
kurz, hüngend, durchbohrt, ebenso die Nasenflügel Nasenindex 600. Augen dunkel
braun, glánzend, in tiefen Hóhlen. Supraorbital- und Jochbogen scharf markirt, Schláfen
zurücktretend. Beide Ohrlàppehen an den Ausliufern der Fossa scaphoides fein durch-
bohrt. Wangen schmal. Im Gesicht zahlreiche Comedonen. Hànde und Füsse der Grüsse
des Individuums entsprechend. Abstand zwischen erster und zweiter Zehe nicht auffallend.
Die erste Zehe überwiegt an Lünge die zweite. Im Ganzen sind die Füsse etwas breit
angelegt, besonders der linke. Der rechte Fuss scheckig in Folge alter Wunden.
III. Insel Neu-Pommern (Neu-Britannien).
Maske 88. Tomänäläm & (Nr. 67), etwa 20jährig, stammt aus Rotawull bei Port
Weber an der Nordküste der Gazellen-Halbinsel, ist ein für seine Rasse hübsch zu
nennender, intelligenter, aber triger Junge von zutraulichem, gutmüthigem Wesen. A1
ihm sind 10 Messungen an verschiedenen Tagen ausgeführt, um die Messschwankungen
zu berechnen (siehe darüber Mess-Protocolle S. 199). Kopfindex 71,2, Ohrhóhenindex
66,3, Gesichtsindex 85,4, Nasenindex 63,5.
IV. Insel Neu-Meklenburg (Neu-Irland).
a) Südwest-K üste.
Maske 94. Irpirkómbin 9 (Nr.68) (dazu die rechte Hand und der linke Unter-
schenkel gegypst, etwa 20—92jührig, aus Rében (zwischen Cap Strauch und Givry
gelegen), von im Ganzen proportionirten, gut gerundeten Formen. Nach der Beschaffen-
heit der Brüste zu urtheilen, hat sie bereits geboren. Striae am Abdomen fehlen jedoch
gänzlich. I. hat einen freundlichen, etwas scheuen Gesichtsausdruek, tiefdunkelbraune:
glànzende, bei: seitlichem Licht ganz Schwarz erscheinende Augen, die Oeffnung der Lid-
spalten ist mandelfôrmig, divergirt leicht nach oben und aussen. Der Kopf erscheint
breit (Index 80,1). Stirn hoch, breit, wenig geneigt. Die Nase flach, breit, mit hängenden,
durchbohrtem Septum, plumper Spitze, sie hebt an mit breiter, nicht sehr tiefer Wurzel;
Nasenindex 50,0. Lippen wenig voll, die obere etwas über die untere vorstehend. Profil
1) Das Papua-Braun ist durch die Broca’schen Tafeln schwer wiederzugeben-
B. Nr. 30 ist zu hell, 29 hat einen gar nicht zutreffenden Grundton, desgleichen führt 28
in eine unriehtige Stimmung hinüber. Nr. 30, etwas dunkler gedacht, würde noch am
ehesten die Hautfarbe wiedergeben.
2) Ich mache diese Angabe mit Absicht, um damit aufmerksam zu machen, wie leicht
eine blosse Schätzung der Kopfform zu Täuschungen führt,
;99
Beiträge zur Anthropologie der Papua. 223
ganz prognath. Das Kinn ist etwas unsymmetrisch gestaltet, nach dem linken Mundwinkel
hin verzogen. Schultern, Schlüsselbeingegend, Nacken gerundet und wohlgeformt. Nates
Schr stark, desgleichen Oberschenkel (495 mın) und Waden. Das spirallockige Haar kurz
gehalten, durch Kalk entfärbt, trocken. Dichte Augenbrauen. Spärliches, gestrecktes
Achselhaar. Dichtes, gekräuseltes Schamhaar. Gutes, vollzáhliges Gebiss. Auf der Haut
viele rohe, wulstige Tättowirungen, am zahlreichsten am. rechten Oberschenkel, um den
Nabel herum, an den Schultern. Hände und Füsse kurz, jedoch nicht plump. Die
Zweite Zehe die längste. Der zweite Finger überwiegt den vierten an Länge.
Körperhöhe 1533 mn. Beckenmaasse: Dist. spin. ant. sup. 950 mm, Dist. der Darm-
beinkämme 256 mm, Conjugat. ext. 206 mu. Bei der Explorat. interna findet man eine
harte, gut entwickelte, nach unten und vorn gestellte Portio, mit querem Muttermund,
ohne fühlbaren Einriss. Das relativ grosse Corpus uteri ist stark retroflectirt, seitlich
Mobil, aber nicht aufrichtbar. Rechtes Ovarium palpabel.
b) Nordost-Küste.
Maske 85. Zangon 9 (Nr.69), etwa ?5jührig, ein kleines (1500 mm); heiter und
Sutmithig aussehendes, dickbäuchiges Mädchen mit ruhigem, phlegmatischem, etwas
em Gesichtsausdruck, stammt aus Tab - Tab, in der Nahe von Lemerut. Ihre Figur
H Unproportionirt. Ein relativ grosser Kopf sitzt auf niedrigem, dünnem Halse. Die
qs farbe zeigt sich an der Vorderfläche des Körpers wesentlich heller, als an der Hinter-
he. Am Rücken und an den Nates viele rohe Tättowirungen. Die Brüste machen
ten virginalen Eindruck. Striae nirgends vorhanden. Die Extremitäten sind gracil an-
gelegt, etwas zu dünn. Gebiss vollzählig. Nase mit auffallend tiefer, sehr breiter Wurzel,
or Ganzen klein, breit, stupsig, Nasenindex 53,3, Flügel stark gerundet, die relativ
nie Nüstern nach vorn geüffnet, Septum durchbohrt, aber wenig herabhüngend. Lippen
Mods sehr voll, jedoch vorspringend. Mässiger Prognathismus. Kinn wenig markirt,
ind ig, rund, wodurch das ganze Gesicht, von vorn gesehen, rund erscheint. Gesichts-
eL 71,4. An den Haaren nichts besonders Bemerkenswerthes. Lànge der ersten und
253. en Zehe annihernd gleich. Kopfindex 80,9. Beckenmaasse: Dist. spin. ant. sup.
Ex n Dist. crist. 246 mm, Conjugat. extern. 175 mm, Conjugat diagonal. 112 mm. Die
und orat. int. ergiebt eine ganz kurze, verdickte Portio, mit breitem, hartem Orificium
Stell seitigem Einriss. Ein auffallend kleines, weiches Corpus uteri in Anteflexions-
me
mutant 36. Malle à (Nr. 71), etwa 17—19jährig, ein mittelgrosser (1603 mm),
lippep klug blickender Junge mit etwas grossen Füssen, durchbohrtem rechtem Ohr-
Geste Kopf erscheint rund (Index 77,7, Auricularindex 66,6). Stirn und Ober-
Schlör breit, die Stirn sonst nur wenig vorgewülbt, ziemlich gerade gerichtet Die
aber engegend wenig abgesetzt. Gesichtsindex 79,8. Das Kinn ist schmal und niedrig,
Schw Sana hilbsch hervorgewdlbt. Das Auge weit, dunkelbraun, ausdrucksvoll, klug, etwas
hee ap ch, Dliekend, Lider ganz wenig nach aussen und oben divergirend. An dem
gekomm ugenlid lange, gleichmässig gestellte Wimpern (an der Maske schlecht heraus-
SPirallochi desgleichen kräftige, dunkelbraune, nicht gekrüuselte Augenbrauen. Das
Wohlab E Haar durch Kalken entfirbt. Die Nase nicht lang, etwas breit, stupsig, mit
nicht ds ME unschónen, sich etwas nach vorn óffnenden Flügel, bezw. Nüstern und
übervient " rtem Septum (Index trotzdem 70,6). Von den etwas vorstehenden Lippen
Das Profl ; © Oberlippe. Das Lippenroth von der üblichen braun-blàulichen Farbe.
ist fast rein orthognath
M V. Salomons-Inseln (Vella Lavella).
Insel Vai 3 Tape & (Nr.TD, ebva 8jährig, aus Bilóa (d.h Billowa Point der
Sraubrauner NA Kleiner (1529 mm), wohlproportionirter Mensch von dunkelschwarz-
localisirten Sch arbe, welche in Glanz und Glätte durch einen auf Beinen und Schultern
T. zeigt voll uppenausschlag beeinträchtigt wird. Brust B. 49—28/35, Handfliche 26.
e, feingeschnittene, classische Schultern, mit einem eben so wohlgeformten,
10%
U)
e O. SCHELLONG:
sehlanken, nicht langen Hals, ein kleines, vornehmes Gesicht, in welchem die Nase nur
etwas zu breit erscheint. Schádel lang, oval (Index 72,2, Aurieularindex 67,7). Stirn
voll schmal. Schláfen gering vorgewólbt. ' Die nicht auffallend markirten Orbitalbogen
werden von dichten, buschigen, glatten Augenbrauen bedeckt. Die tiefbraunen, glünzenden,
offenen Augen treten angenehm hervor, erscheinen unter dichten, langen Wimpern klug
und melancholisch. Lidspalte divergirt ganz gering nach aussen und oben. Lid-Schleim-
haut blassrosa. Bulbus mit sehr lebhaftem Pigmentstreif und Iris-Ring. Die wenig vor-
stehenden, schmalen Lippen lassen eigentliches Lippenroth kaum mehr erkennen, erscheinen
vielmehr fast von der Farbe der Kórperhaut, dagegen ist die Lippen-Schleimhaut blass-
bläulich-rosa, mit zahlreichen Pigmentirungen. Nasenwurzel tief, Rücken gerade ver-
laufend, Spitze wenig breit und plump, die Nase im Ganzen wohlgeformt. Nasenindex 65,9.
Auch Nasolabial-Falten angenehm xnarkirt. Lippenfurche breit. Beide Ohrlüppchen weit
durchbohrt (für 4 Finger durchgängig).
Sehluss- Capitel.
Ausser denjenigen melanesischen Stämmen, welche ich in den
vorangegangenen Capiteln mehr oder weniger ausführlich behandelt habe,
sind mir wüáhrend meines Aufenthaltes in Neu- Guinea noch manche andere
zu Gesicht gekommen; so besonders die Bewohner der Astrolabebay,
diejenigen der Station Hatzfeldthafen und des unteren Laufes des Augusta-
Flusses. Nach der äusseren Krscheinung, der Hautfarbe, der Haar-
beschaffenheit u. s. w. zu urtheilen, stehe ich keinen Augenblick an, alle
diese Menschen als zu einer und derselben Rasse gehórig zu betrachten,
und die anthropologischen Merkmale, welche dieser Rasse (den Papua)
gemeinhin zuerkannt werden, als im Grossen und Ganzen zutreffende zu
bestátigen.
Auf Grund einer Zusammenstellung von sümmtlichen bisher verzeich-
neten Schádel- und Kopfmessungen (etwa 400) von Papua der verschiedenen
Theile Neu-Guineas, darunter 135 Schádel A. B. Meyer's (Gelvinkbay),
35 Schádel Miklucho-Maclay's (Astrolabebay), 30 Schàdel desselben
Autors aus dem Kowiay-Distriet, 39 Schädel D'Albertis (Fly River)
berechnete Deniker”°) einen gemittelten Kopfbreitenindex von 72,0, und
die Dolichocephalie erscheint überall, so bei Topinard®), Lesson®)
u. A., als eines der hervorragendsten Charakteristika der Papua. Nichts-
destoweniger findet sich bei weiterer Durchsicht der Zahlenreihen bei
allen Autoren eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Indices vor, welche
die Zahl 75 überschreiten, nach der heutzutage üblichen Eintheilung also
bereits als mesocephale Werthe zu gelten hätten. So notirt Virchow?®)
(1876) für die von ihm gemessene Kandaze einen Index von 76,1; des-
gleichen weist er*) an 2 von ihm gemessenen Schädeln der Astrolabebay
(Miklucho-Maclay) auf die Verschiedenheit der Kopfindices hin, von
welchen der eine ein dolichocephales (72,7), der andere ein mesocephales
(78,8) Verhältniss aufweise. Regalia'") (1878) findet unter 14 (Beccari-
schen) Schädeln der Gelvinkbay 4 mesocephale; Mantegazza und Re-
galia®®) (1881) berechnen für 24 D’Albertis-Schädel des Fly River eine
224
Beiträge zur Anthropologie der Papua. 295
Dolichocephalie von 74,2 (also sehr nahe der Mesocephalie D, für 14 andere
eine Mesocephalie von 76,9; Langen””) (1889) hat unter 4 Messungen
einen Mesocephalen (78,9) zu verzeichnen. Ich finde unter meinen
63 Kopfmessungen von Papua aus Neu-Guinea nur 15 dolichocephale,
dagegen 41 (= 65 pCt.) mesocephale Indices; alle meine
90 Messungen von Papua zusammengenommen ergeben 50 meso-
cephale (= 55 pCt.) und nur 29 dolichocephale Indices (= 32 pCt.).
Unter den letzteren befinden sich wiederum nur 2, bei welchen die
Dolichocephalie einen sehr hohen Grad erreicht, d. h. unterhalb 70,0 liegt.
Andererseits habe ich unter meinen 63 Papua von Neu-Guinea nur
T brachycephale, unter sämmtlichen 90 nur 11 brachycephale gemessen.
Meyer?) notirt unter seinen 135 Sehádeln sogar nur 2 brachycephale.
Kann somit die Brachycephalie sicher nicht als die Regel angesehen
Werden, so wünschte ich doch andererseits, auf Grund meiner Be-
Pbachtungen, die allgemeine Annahme der Dolichocephalie der
Papua dahin modificirt zu sehen, dass auch die mesocephale
Kopfform als háufig vorkommend anerkannt wird. Als den
Semittelten Kopfindex für meine 63 Papua von Neu-Guinea habe ich die
Zahl 77,0 erhalten; sámmtliche 14 Papua-Stämme der melanesischen Inseln,
?n welchen jeh insgesammt 90 Messungen ausgeführt habe, ergeben einen
Semittelten Kopfbreitenindex von 75,1.
In Bezug auf den Hóhen-(Auricularhóhen-)Index des Kopfes
“geben meine Zahlen wesentlich niedrigere Werthe, als sie für Schädel
Dort sind. Unter meinen 90 Messungen finden sich 18, deren Höhen-
en die Zahl 70,0 überschreitet; der höchste davon beträgt 77,7; — alle
M OUR liegen unterhalb 70,0. Ich muss trotzdem die Hypsicephalie
n das überwiegend vorkommende Verhältniss ansehen. Als
‘a Index aus 14 Papua-Stämmen (in zusammen 90 Messungen)
Tah. ich ‚die Zahl 67,0 erhalten. Noch kleiner (orthocephal) waren die
Mader. bei der Virchow’schen*") Messung der Kandaze, welcher für dieses
Honor. 63,6 notirt, und in den 4 Langen’schen®’) Messungen, woselbst
ny os von 60,0—64,0 angegeben werden. Im Gegensatz dazu
Mik), pier) die Zahl 75,0 als den gemittelten Schédelhohenindex;
78.0 oy Maclay?) giebt den Hóhenindex auf 72,0 an, Comrie’) auf
ce + Nach diesen Angaben hätten die Papua geradezu als Hyperhypsi-
Phalen zu gelten.
Gau Topinard's Anthropologie?) kommt den Papua ein ,im
VONT Pt, Gesicht zu. Diese Angabe kann ich bestätigen,
ständieun che Gesichter, leptoprosope, im Sinne der Frankfurter Ver-
90 Bericht Indices über 90,0 grosse Seltenheiten sind. Unter meinen
Nach die ndices befinden sich nur 8 leptoprosope; die übrigen 82 sind
sem Schema als chamaeprosop zu bezeichnen. Als
Mittlerer Gosiehte: ep pz e
Tesichtsindex ergiebt sich mir die Zahl 82,8. Die Stirn des
u
99, O. SCHELLONG:
Papua nennt Topinard sehmal Miklucho-Maelay?) bezeichnet dieselbe
als ,seitlich zusammengedrückt^. Aus meinen Messungen ergeben sich
Stirnbreitenwerthe von meist über 100 mm und darüber; 14 davon, also
15 pOt. sämmtlicher, haben sogar Werthe von 110 mm und darüber. Das
würde also der obigen Annahme bestimmt widersprechen.
Die besonders kräftige Entwickelung der Orbitalbogen, die
Tiefe der Nasenwurzel, die Breite der Jochbogendistanz wird
von allen Seiten übereinstimmend hervorgehoben; diese Eigenschaften bilden
in der That ein hervorragendes Charakteristikum des Papua-Gesichts.
Ebenso sehr kann ich die meist hervorragende Entwickelung der Kau-
muskulatur bestitigen, weniger der Temporalmuskeln, ein Verhältniss,
welches Virehow^) aus den sehr ausgedehnten Ansatzflächen dieser
Muskeln vermuthet, als der Masseteren. Nicht selten begegnet man Paro-
tiden-Geschwülsten, welche dann eine Masseteren-Verdickung vortáuschen
kónnen.
Die Nase wird bei Topinard?5) als an der Basis breit und gebogen
gekennzeichnet, deren Spitze als Medianläppchen über die Nasenlöcher
hinausragt. Miklucho-Maclay®) hebt besonders das durchbohrte und
deshalb häufig herabhüngende Septum hervor, welches auf die Form der
Nase bestimmend einwirke. Alle Autoren stimmen ferner darin überein,
dass der Typus der Nase ausgesprochen platt ist, und dass schmale
Nasen zu den grössten Seltenheiten gehóren. Als gemittelten Nasenindex
habe ich jedoch 65,2 erhalten, also ganz ausgesprochene Leptorrhinie.
Lesson?9) erkennt den Papua ,vrais^ einen Nasenindex von 54,7 zu;
den Bewehnern von Doré káme nach demselben Autor jedoch nur ein
Nasenindex von 50,5 zu, und diese scheidet er deshalb von den Papua als
,Papous* ab und bezeichnet sie als Mischrasse (Métis des Papua avec une
autre race). Das dort aufgestellte Rechenexempel scheint mir indessen
etwas gekiinstelt zu sein®). Die Spitze der Papua-Nase ist nur in den
seltensten Füllen wohl markirt, sie geht in Folge des Herabhängens des
Septum gewóhnlieh unvermittelt in das letztere über, und man hat bei
der Entnahme des Nasenlüàngenmaasses háufig Schwierigkeiten, den unteren
Messpunkt zu bestimmen. Man ist aber eigentlich nicht berechtigt zu
sagen, dass die Spitze als Läppchen herabhänge; nur das Septum hängt,
die Spitze wird vielmehr in der Richtung von vorn nach hinten verschoben
und trägt dazu bei, die Nase zu verflachen. Individuen mit gebogenem
Nasenrücken oder gar ,Adlernasen*, wie Wallace®®) sie angiebt, sind
*) Es kann sich nach Lesson nur handeln um Kreuzung von Papua mit Malayen
oder mit Alfuren, ,das sind von Süden gekommene Polynesier*. Die letzteren haben Nasen"
indices von 49,25, die Malayen solche von 50,29; wenn sich also durch die Kreuzung mit
den Papua vrais ein Index von 50,5 ergiebt, so haben zu der Kreuzung wahrscheinlich
die Polynesier beigetragen. Aus einer Differenz im Index von 1.04 diese weitgehende
Consequenz!
Beiträge zur Anthropologie der Papua. 91
Tür nur ganz vereinzelt begegnet; es scheint, als ob sieh dieser Typus
häufiger in der Gegend des nördlicher gelegenen Hatzfeldthafens auf Neu-
Guinea findet. Die Papua-Nase ist nach meinem Dafürhalten eine
Sehr platte Stupsnase. Wegen des Herabhängens des Septum sind
auch die Nüstern von vorn nach hinten zusammengedrückt und zeigen
dann bei der Ansicht von vorn nicht ein Längsoval (mit sagittaler Axe),
sondern ein Queroval (mit frontaler Axe). Auch sehen die Niistern weniger
nach unten, als nach vorn. Die Nasendecorationen der Papua sind sehr
Mannichfaltig, am häufigsten begegnet man Nasenpflöcken.
Der Mund der Papua ist sehr breit; dagegen dürften Breitenwerthe
Yon 75 und 80 mm, wie Miklucho-Maclay?) sie angetroffen hat, doch
Zu den Seltenheiten gehören. Mein hôchster notirter Mundlängenwerth
is 66 mm. Der Prognathismus der Papua ist sicherlich nicht so
beträchtlich, als wie derselbe häufig angenommen wird. Ich glaube, dass
sm mittlerer Profilwinkel von 85,17 ^, wie er von A. B. Meyer") angegeben
Wird, für die Mehrzahl der Individuen zutreffen würde. Sehr viele gewähren
den Eindruck vollkommenster Orthognathie. Die Lippen betheiligen sich
t in auffallender Weise an diesem Verhültniss; dieselben sind weder
a, gewohnlich dick, noch gewulstet, sondern man kann sie meist
ny als gering vorstehend bezeichnen und auch häufig von einer vollen
on Hippe reden. Die Prognathie ist also wohl vorzugsweise durch die
qs, eferstellung bedingt, sie ist in keinem Falle so ausgesprochen,
veil dadurch eine nach vorwärts gerichtete Stellung der oberen Zahn-
© bedingt würde.
lb physiognomische Bildung der Papua ist eine sehr mannich-
die se, das Urtheil darüber wird nicht zum geringsten beeinflusst durch
a Mannichfaltigkeit, welche die einzelnen Stämme und
Yon H le Individuen eines und desselben Stammes hinsichtlich der Tracht
Bitel cr, und Bart zu entfalten pflegen. Es scheint beinahe, als ob die
drug), eit der Papua vorzugsweise in dem Ausputz des Haares zum Aus-
Physio gelangte. Vielfach wird des jüdischen Zuschnittes der Papua-
Typo, nomic Erwähnung gethan; es wäre aber falsch, wenn man diesen
Büomio, , den vorwiegenden ansehen wollte. Ich bin zahlreichen Physio-
an Unis egegnet, welche mich an alle möglichen guten Christen erinnerten:
Von ase ris Professoren, ostpreussische Bauern, Landpastoren "e W.
und dos Ucboreinstimmung der Physiognomie auch nur innerhalb eines
Ein he . en Stammes kann daher meiner Meinung nach keine Rede sein.
Auge or Theil der Papua-Physiognomie ist ein „intelligentes
jenigen ads, den Papua gleich auf den ersten Blick als nicht auf der-
irethümlich rigen Stufe stehend erscheinen lässt, welche ipm lange Zeit
Papua. Gegen, amt wurde. Auch der Ausdruck der Wildheit ist dem
hohe, als de nicht eigentlich eigen; in dieser Hinsicht steht er ungleich
? r rohe Australneger.
^u
+ 4
203 O. SCHELLONG :
Ueber Hautbeschaffenheit und Haar liegen so genaue Angaben
vor, dass ich dariiber nichts Wesentliches mehr zu sagen habe. Wenn ich
nach eigenen Eindrücken angeben sollte, welche anthropologisehen Merk-
male mir als die wichtigsten erschienen sind, so müsste ich die Hautfarbe
und die Haarbeschaffenheit in den Vordergrund stellen. Der Spirallocken-
Typus ist der gewóhnliche, der einfache lockige Typus kommt als grosse
Seltenheit vor. Die Haarfarbe ist schwarz, sehr selten kommt sogenanntes
rothes Haar vor, und dann auch ebensolche Augenbrauen, Wimpern u. s. W-
Die Bart-Entwickelung ist im Allgemeinen spärlich zu nennen; Vollbärten
bin ich niemals begegnet.
Hinsichtlich der Körperbeschaffenheit kann ich bestätigen die
mittlere Grösse der Individuen, die breite Entwickelung von Hánden und
Füssen, den im Ganzen kráftigen und gedrungenen, ófters plumpen Bau.
Üebereinstimmend ergab sich mir ein betrüchtliches Ueberwiegen der
Klafterweite über die Kôrperhôhe. Die erhaltenen Differenzen schwankten
zwischen 36 und 195 mm.
Auf das Verháltniss der Papua zu den angrenzenden AustralnegertL
Polynesiern und Malayen hier einzugehen, fühle ich mich nicht veranlasst;
auch nicht auf die Frage, ob die Papua eine ursprüngliche, reine Rasse
vorstellen, oder ob sie das Product einer oder mehrerer Rassen-
Vermischungen sind. Derartige Schlüsse sind heutzutage wohl noch ver-
früht und werden dereinst am ehesten vielleicht mit Zuhülfenahme einer
peinlichen lokalen Sprachforschung gewonnen werden können. Die Insel
Neu-Guinea mit ihrem unendlichen Sprachengewirr dürfte in dieser
Beziehung ganz besonders wichtig erscheinen. Somatisch betrachtet, lässt
sich eine gewisse Uebereinstimmung des Papua mit dem Australneger nicht
von der Hand weisen.
Erklärung der Taf. III — VI.
Ein + hinter der Figurenzahl bedeutet, dass von derselben Person Hand- und Fussumrisse
gezeichnet sind.
I. Handumrisse von Melanesiern.
Taf. IIL
Jabim- Leute von Neu- Guinea. Neu-Meklenburg (Neu-Irland).
Fig. 1. + Bumtau 5 Nr. 23. Fig. 5. + Irpirkombin 9 Nr. 68.
, 2 + Makiri & Nr. 29. » 0. T Zangon 9 Nr. 69.
Neue Hebriden, Malakula.
Poum von Neu- Guinea, Fig. 7. + Rumann & Nr. 73.
Fig. 3. Mmbag @ Nr. 51. » 8 + Manssu(m)nalet & Nr. T4.
» 4. + Gbaming Ÿ Nr, 52. » 9 + Norack 5 Nr. ib.
pe
Beiträge zur Authropologie der Papua.
Taf. IV.
Salomons-Inseln (Fig. 10—11, Vella Lavella. Fig. 12, Green Island. Fig. 18, St. Christophel.
Fig. 14—18, Malayta).
Fig. 10. + Sslowak # Nr. T6. Fig. 15. + Langadmei # Nr. 87.
» 11. + Tape & Nr. 77. , 16. + Ambui & Nr. 88.
» 12. + (D)raham & Nr. 83. , 17. Tuhumbaru & Nr. 89.
» 13. + Hei(e)ke & Nr. 84. , 18. + Auaschia & Nr. 90.
» 14. 4 Toena & Nr. 86.
II. Fussumrisse von Melanesiern.
Taf. V.
Jabim von Neu- Guinea. Poum von Neu- Guinea.
Fig. 1. + Bumtau & Nr. 23. Fig. 8. + Gbaming Q Nr. 52.
2. .
^ Japoa à Nr.96. Neu-Pommern (Neu-Britannien).
» 9. Atikio 9 Nr. 36.
^ 4 Matao 9 Nr. 35. Fig. 9. Tomelle & Nr. 66.
» 9. T Makiri & Nr. 29. Neu-Meklenburg (Neu-Irland).
^ 6. Kaualuo 9 Nr. 37. Fig. 10. T Irpirkombin 9 Nr. 68.
Ws Kai von Neu- Guinea. » 11. + Zangon Q Nr. 69.
18.7. Bikuan & Nr. 40. Neue Hebriden.
Fig. 12. + Rumann # Nr\78.
Taf. VI.
N Neue Hebriden. Fig. 16. + Tape 5 Nr. 77.
8.19, 4 Manssu(m)nalet & Nr. 74. » i.t (D)raham & Nr. 83.
^ 14 + Norack # Nr. T5. , 18. + Hei(e)ke & Nr. 84.
Salomo . , 19. 1 Toena & Nr. 86.
Vell, n5-Inseln (Fig. 15— 16, Vella La- , 20. + Langadmei & Nr. 87.
+ Fig. 17, Green Island. Fig. 18
St. Chr: , Green Island. 8. 16, , 21. + Ambui & Nr. 88.
A istophel. Fig. 19— 23, Malayta. . 99 4 Tuhumbaru & Nr. 89.
* 15. + Sslowak & Nr. 76. , 28. + Auaschia & Nr. 90.
" Durehgesehene und zum Theil benutzte Literatur.
Y
n Baer, Karl Ernst, Ueber Papuas und Alfuren (Mémoires présentés à l’académie
impériale des sciences de St. Petersbourg, 1859, p. 211—846 [Supplement zu
3 ipu secta.
eller, Prof. Friedrich, Ueber die Melanesier und die Papua-Rasse (Mitth. der
3) Spex e ihrop. Ges, Wien, IL S. 45. Ausland XIV. 1872, S. 188 — 190).
"i el, J. W., Das büschelfürmige Haar der Papuas (Correspondenzblätter der
4) Viroy, Sob Ges. fiir Anthropol. 1873, S. 62 — 70).
1873 a cher Schidel von Neu-Guinea (Verh. der Berliner Ges. für Anthrop.
5) Me » 9. 00 — (3).
Te m Adolph Bernhard, Anthropologische Mittheilungen über die Papuas von
6) Derselbe Ue L. (Mitth. der anthrop. Ges. in Wien, IV. 1874, 8. 87).
1) Derselbe. Ueber die Papuas von Neu-Guinea (Zeitschr. für Ethnol. V. 1873, S. 306).
des zoo] er 135 Papua-Schädel von Neu-Guinea und der Insel Mysore (Mitth.
à VID x qns Dresden, I. (1875) S. 59—84; II—IV. (1877) S. 136 — 204;
) Imcoronato. (1518) 8.388 —411; XXXI—XXXV).
(Arch. nie. Angelo, Sullo scheletro e cranii di Papua mandati da O. Beccari
op. Ethnol. IV. 1874, p. 252 — 281).
2929
95t 0. SCHELLONG: Beiträge zur Anthropologie der Papua.
9) von Miklucho-Maclay, Nicolaus, Anthropologische Bemerkungen über die Papuas
der Maclay-Kiiste in Neu- Guinea (Cosmos II. 1814, 8. 287; IV. 1871, S. 111)-
10) Derselbe, Ueber die Brachycephalität bei den Papuas von Neu-Guinea (Verh. der
Berliner Ges. für Anthrop. 1874, S. 177).
11) Winckel, F. Einiges über die Beckenknochen und die Becken der Papuas (Mitth.
zoolog. Mus. Dresden I. 1875, S. 87).
12) von Willemoës, R., Ueber die Eingeborenen Neu-Guineas und benachbarter Inseln
(Arch. f. Anthrop. IX. 1816, S. 99).
13) D'Albertis, L. M. Remarks on the natives and products of the Fly River (Journ.
Anthrop. Instit. VI. 1877, p. 214. Zeitschr. der Gesellsch. für Erdkunde zu Berlin
- XII. 1877, S. 22).
14) Hasselt, J. L, Ueber die Papuas von Neu-Guinea (Verh. der Berliner Gesellsch. fü
Anthrop. 1876, S. 62).
15) Naumann, Dr. F., Ueber Land und Leute an der Mac Cluer-Bay (Neu- Guinea) und
in Melanesien (Verh. der Berliner Ges. für Anthrop. 1876, S. 67).
16) Comrie, Dr. Peter, Anthropological notes on New-Guinea (Journ. Anthrop. Inst. VL
1811, p. 102).
17) Regalia, Su nove crani metopici di razza papua (Arch. antrop. etnol. VIII. 1818,
p.191.
18) Finsch, Otto, Anthropologische Exlebnisse einer Reise in der Südsee und dem
malayischen Archipel in den Jahren 1879 —1882 (Beschreibender Catalog der
gesammelten Gesichts-Masken von Vülkertypen. Berlin [Asher] 1884. Neu
Guinea S. 41— 54).
19) Allen, Francis A, The original range of the papuan and negritto races (Journ. of
the Anthrop. Institute 1879, VILL p. 38).
20) Neu-Guinea (Ausland VIII. 1880, S. 124— 131).
21) Lawes, Rev. W. G., Notes on New Guinea and its inhabitants (Proc. R. G. S. [n. 5)
II. 1880, p. 602).
22) Mantegazza, Prof, e Regalia, Nuovi studi craniologici sulla nuova Guinea"
(Arch. antrop. etnol. XI. 1881, p. 149). Sopra dei erani del Fly River (l. c. p. 482)
23) Deniker, J., Les papous de la nouvelle Guinée et les voyages de M. Miklucho
Maclay (Revue d’anthropol. VI. 1883, p. 484).
24) Finsch, O, Ueber weisse Papuas (Zeitschr. für Ethnol. XV. 1883, 8. 205).
25) Lesson, A. Les Polynésiens; leur origine, leurs migrations etc. (Paris [Leroux] 1880-84)
26) Hale, H, The melanesian races and languages (Science 1887, p. 99).
97) Brown, George, Papuans and Polynesians (The Journ. of the Anthrop. Inst. 1887, p. 311)
28) Topinard, Dr. Paul, Anthropologie (übers. von Neuhauss), 1888.
29) Dietionnaire des sciences anthropologiques (Paris).
30) Langen (Zeitschr. für Ethnol. 1889).
31) Virchow, Besprechung der Kandaze (Verh. der Berliner Ges. für Anthrop. 1876).
32) Wallace, New Guinea and its inhabitants (Contemporary Review 1819).
Beriehtigungen.
Seite 161. Das dritte Alinea von unten muss folgendermaassen lauten: Aus der Ohrhöh®
des Kopfes berechnet sich im Mittel eine Hypsicephalie von 69,8, für de
Frauen allein von 70,8. Unter den 37 Individuen sind 7 Orthocephale un
30 Hypsicephale (höchster Index 75,7).
, 167. Zeile 12 von unten ist hinter ,Fusszeichnungen® einzuschalten: Taf. V.
, 168. Zeile 10 von oben ist hinter „Handzeichnungen“ einzuschalten: Taf, II i
, 170. Zeile 21 von unten ist statt ,Chamaecephalen® zu setzen »Hypsicephalen“, ui
Zeile 19 — 20 ist der Satz ,Doch stehen — Grenze der Orthocephalie* zu streiche?*
. 171. Zeile 19 von oben: statt ,Fusszeichnungen* ist zu setzen ,Fusszeichnung Taf. ve
BC
Besprechungen.
Abhandlungen zur Landeskunde der Provinz Westpreussen, herausgegeben
von der Provinzial-Kommission zur Verwaltung des Westpreussischen
Provinzial - Museums. 4. Heft I. S. Anger, Das Grüberfeld zu Rondsen
m Kreise Graudenz. Graudenz 1890. 70 S., 23 Lichtdruck- Tafeln und
emo Fundkarte. — Heft IL. A. Lissauer, Alterthümer der Bronze-
D. in der Provinz Westpreussen und den angrenzenden Gebieten.
anzig 1891. 30 8. und 14 Lichtdruck- Tafeln. (Zugleich als Fest-
Schrift zur Begrüssung der XXII allgemeinen Versammlung der deut-
Schen anthropologischen Gesellschaft ausgegeben.)
ursorge für die prühistorischen Sammlungen, welche durch die neuere Gesetz-
erkennen reussen den Provinzial-Verwaltungen übertragen ist, hat, wie dankbar an-
Vinge, ist in dem letzten Jahrzehnt fast. überall zugenommen, und in mehreren Pro-
Pung, nd in liberaler Weise nicht nur für eine bessere Ordnung und Aufstellung der
forgery andern auch für Förderung der Untersuchungen und für eine, den heutigen An-
Bemacht nn entsprechende Veröffentlichung der wichtigsten Ergebnisse Geldmittel flüssig
die AE Unter diesen Verwaltungen hat die westpreussische, insbesondere durch
Siting 300, Thätigkeit des Hrn. Lissaner und durch die verständnissvolle Unter-
hien es früheren Obérbürgermeisters, von Danzig, des Hrn. v. Winter, besonders
Gesellsch qe Fortschritte gemacht. Die Mitglieder der deutschen anthropologischen
Stylvon ni haben bei ihrem neulichen Besuche von Danzig Gelegenheit gehabt, in dem
aa alten Gebäude des grünen Thors die ebenso lehrreiche, als wohl-
aus den ammlung des Provinzial-Museums und zugleich die wichtigsten Fundstücke
Hefte ds, tischen und Vereins-Sammlungen Westpreussens zu mustern. Die beiden
Sie Wer da, Abhandlungen" haben diese Kenntnissnahme in hohem Maasse begünstigt, und
tischen App Bleich den fremden Gelehrten die erwünschte Gelegenheit bieten, die authen-
konnten b ildungen in Verbindung mit so genauen Fundangaben, als sie geliefert werden
Da . c. ren Erürterungen zu Rathe zu ziehen.
Origins, ie at LA von Rondsen ist den Lesern dieser Zeitschrift schon durch eine
Ans nn des Hrn, J. Bohm (Bd. XVIL 1885) bekannt geworden. Seitdem sind die
0 or unter der sachverstindigen Leitung des Hrn. Anger in umfassender Weise
Cosa ooo der vorliegende Bericht reicht bis zum Juli 1889. Er liefert eine
mit einer Michi der Funde nach den einzelnen Grübern und Brandgruben und schliesst
Zeitstellun NE aber sehr sicher durchgeführten epikritischen Beleuchtung über die
Téne 7 eit a es reichen Grüberfeldes. Darnach gehórt dasselbe wesentlich der jüngeren
dachchristtie reicht jedoch noch bis in die römische Zeit, etwa bis zur Mitte des zweiten
Feld, bei EI. Jahrhunderts, Es ist also älter, als das Gräberfeld auf dem Neustädter
Meinung. dass d mit. dem es sich jedoch noch zum Theil berührt. Der Verf. ist der
on den pontis à Trüger dieser Cultur den Gothen angehórten, und zwar dem zuerst
Uektafeln gowäh en Gebieten aufgebrochenen Stamme derselben. Vortreffliche Licht-
" Die Abhandlun.. einen vollständigen Ueberblick der hauptsächlichen Fundgegenstände.
Tres ist in Westy des Hrn. Lissauer betrifft eine ungleich àltere Zeit, die der Bronze.
ml durch 0 im Ganzen spärlich vertreten, zum Theil durch Depot-, zum
U theils in EN Letztere betreffen ausschliesslich Brandgrüber, die theils in
Zab értheilung der Bronze angelegt wurden. Hr. Lissauer entscheidet sich dafür,
v Qm Perioden vorzuneh unde im Anschluss an Tischler und Belz auf eine kleinere
1), eine alte (1250 ehmen. Er nimmt 4 solche Perioden an: eine frühe (1450 — 1250
—900 v. Chr.), eine jüngere (900—550 v. Chr.) und eine jüngste
9 Besprechungen
(550 —400 v. Chr). Er verhehlt nicht, -dass die genaue Scheidung dieser Perioden
schwierig, ja zum Theil unmöglich ist, aber man wird ihm zugestehen müssen, dass
wenigstens der Versuch gemacht werden musste, die chronologische Folge der Haupt-
richtungen festzustellen. Wenn z. B. die Formen der jüngeren Hallstattzeit als Reprásen-
tanten der jüngsten westpreussischen Bronzezeit definirt werden, wohin vorzugsweise die
Steinkistengrüber mit den Gesichtsurnen gehóren, so wird diese Auffassung, die Ret. schon
vor Jahren vertreten hat, sicherlich anzunehmen sein. Sehwieriger ist die Frage, inwie-
weit die jüngere Bronzezeit mit der älteren Hallstattperiode zu verknüpfen ist, und noch
schwieriger die Entscheidung, wie viel von den Funden dieser Zeit einer einheimischen
Cultur zuzuschreiben ist, Der Umstand, dass fast nur Depotfunde aus dieser Zeit bekannt
sind und diese nur aus den Gebieten auf dem linken Weichselufer, beweist, wie sehr der
Handel hier eingegriffen hat. Aber da nahezu dieselbe örtliche Beziehung auch für die
„frühe“ Bronzezeit gilt, so wird man nicht umhinkónnen, zu schliessen, dass diese west-
lichen Theile von jeher Besonderheiten besassen, welche auf eine gewisse Scheidung, viel-
leicht sogar auf einen Gegensatz der Bevólkerungen hinweisen und damit die chrono-
logische Rechnung erschweren. Die Chronologie des linken Weichselufers deckt sich
möglicherweise mit der des rechten nicht vollständig. Depotfunde gehôren an sich zu
den am meisten trügerischen Erscheinungen, da sie wohl das Vorhandensein gewisser
Handels- oder Raubwege anzeigen, aber für die wirkliche „Cultur“ der betreffenden
Gebiete nur vieldeutige Anhaltspunkte gewähren. Die Sicherheit des Urtheils wird jedoch
wachsen in dem Maasse, als aus vielen Gegenden genaue Fundberichte vorliegen werden,
und daher verdient jeder Versuch, der die topographischen Beziehungen der einzelnen
Leitobjecte klarlegt, als ein verdienstliches Werk bezeichnet zu werden. Die Arbeiten des
Hrn. Lissauer haben gerade in dieser Beziehung eine grosse Bedeutung, und die schönen
Illustrationen, mit denen er hier die Wissenschaft bereichert, werden sicherlich auch für
die weitere Entwickelung dieser schwierigen Abschnitte der Prähistorie reiche Frucht
bringen. Rud. Virchow.
Richard Klebs. Aufstellung und Katalog des Bernstein- Museums von
Stantien und Becker, Königsberg i. Pr. Nebst einer kurzen Geschichte
des Bernsteins. Königsberg, Hartungsche Buchdruckerei. 1889. 108 8.
Das berühmte Bernstein-Museum der Firma Stantien und Becker verdankt seine
gegenwärtige Gestalt, namentlich seine wissenschaftliche Aufstellung, wesentlich der lang*
jährigen Arbeit des Hrn. Klebs. Dasselbe zählt rund 26000 Nummern, von welchen
11000 als Doubletten oder nicht ganz tadellose Stücke nicht eingereiht wurden; danebe?
gab es noch etwa 2000 Einschlüsse, welche erst der Bestimmung harrten. Für unsere
Zwecke nehmen das hauptsächliche Interesse die práhistorischen Schmucksachen in An-
spruch und unter diesen wiederum vorzugsweise diejenigen, welche aus dem Grunde des
Kurischen Haffs bei Schwarzort in ciner Tiefe von beiläufig 6—8m ausgebaggert wurden
Sie gehören der Hauptsache nach der Steinzeit an. Ihre Bedeutung ist um so grösser;
als die Baggerarbeiten von der Firma Stantien und Becker seit Kurzem ganz eingestellt
worden sind und nunmehr von der Königlichen Staatsregierung in rein praktischem Interess®
der Erhaltung der Wasserstrasse fortgeführt werden. Ueber diese Funde liegt bekanntlich
eine besondere Arbeit der HHrn. Klebs und Tischler vor. Der Verf. giebt in der vor”
liegenden Schrift eine gedrüngte und zugleich populäre Uebersicht von den Lagerung*
stätten des Bernsteins und von der Geschichte seiner Benutzung und Bearbeitung. pie
ältere Geschichte, wie er sie vortràgt, ist nicht ganz einwandfrei, jedenfalls nicht so sicher,
wie er sie darstellt. Mit der Besitzergreifung des Ordens ünderte sich der ganze Bernstein”
handel, indem der Orden den Bernstein zum Regal erklärte und die kaufmännische Ver
werthung desselben im Grossen organisirte. Von da an entstanden in verschiedene?
Stüdten Zünfte der Bernsteindreher oder Paternostermacher, zuerst in Brügge (1802) und
Lübeck (seit 1317), dann zu Stolp und Colberg in Pommern, in Danzig und erst ganz spät,
im 15. und 17. Jahrhundert, zu Elbing und Kónigsberg. Eine actenmässige Darstellung
dieser Periode findet sich in W. Tesdorpf (Gewinnung, Verbreitung und Handel des
32
Besprechungen. 933
Bernsteins in Preussen von der Ordenszeit bis zur Gegemwart. Jena 1887), worauf ver-
Wiesen werden kann. Dabei mag bemerkt werden, dass Hr. Klebs einen Irrthum begeht,
Wenn er (S. 90) sagt: ,Regal ist der Bernstein an den Seeufern der ehemalig west-
Preussischen, dann pommerschen Kreise Neustettin, Dramburg, Belgard, Bütow.* Keiner
dieser Kreise stósst an die See, und mit Ausnahme von Bütow hat keiner derselben jemals
7u Westpreussen gehört. Neustettin und Belgard gehörten von der frühesten historischen
ot an oo Tome Drs zur Neumark. Indess ist das on untergoordneter A
auptsache wir je kleine Schrift dem Leser reiche und gute Belehrung bieten,
vi Zwar nicht bloss dem gewöhnlichen Leser, sondern auch dem Archäologen vom Fach.
he vielen Streitfragen, welche neuerlich über die Herkunft und den Handel des alten
de, rein sich erhoben haben, erfordern ein grósseres Maass von thatsüchlicher Kenntniss
Verschiedenen Bernsteinsorten, als der Mehrzahl der Gelehrten beiwohnt.
Rud. Virchow.
4
Georg Jacob. Welche Handelsartikel bezogen die Araber des Mittel-
alters aus den nordisch-baltischen Ländern? 2. gänzlich umgearbeitete
und vielfach vermehrte Auflage. Berlin, Mayer und Müller, 1891. 8.
83 8. — Ein arabischer Berichterstatter aus dem 10. oder 11. Jahr-
under über Fulda, Schleswig, Soest, Paderborn und andere deutsche
tädte. Gleicher Verlag. 1890. 20 S.
8, xD erste Auflage der zuerst genannten Schrift ist in dieser Zeitschrift 1886, Bd. XVIII.
Verta; von demselben Referenten besprochen worden. Es ist nicht ersichtlich, dass der
Sehr von dieser Besprechung Kenntniss erhalten hat. Weder hat er die darin aus-
thu en Wünsche berücksichtigt, noch hat er, wie er es gegenüber anderen Besprechungen
So og nen Gefühlen einen Ausdruck verliehen. Letzteres ist in so gereizter Weise und
Verde po bolt geschehen, dass der unbetheiligte Leser dadurch nicht angenehm berührt
Ürückt xan. Der Verfasser ‚klagt über eine generelle Missachtung oder, wie er sich aus-
Yorang erachtung der arabischen Geschichtsquellen, die sicherlich nicht in dem von ihm
Bobine Len Umfange besteht, aber wenn man ihm auch darin beitritt, dass eine aus-
dass ein Benutzung derselben erwünscht wäre, so geht seine Forderung doch zu weit,
Sein "o Kritiker — und im Grunde meint er seine Leser überhaupt — selbst Orientalisten
er Asse, c Der Referent hatte in seiner ersten Besprechung ausdrücklich bekannt, ,dass
hinzu. T Stande sei, die orientalischen Quellen des Verfassers zu controliren*; er setzte
er labre vermag nicht einmal die häufig eingestreuten Worte und Sätze zu lesen, und
Bleiche, t sich im Namen der wahrscheinlich nicht ganz seltenen Leser, die sich in
setzung, age befinden, für weitere Publikationen den Autor um die Beigabe von Ueber-
dies nicht vielleicht gelegentlich auch von Transeriptionen, zu bitten.“ Der Verfasser hat
ihm Wing pur nicht gethan, sondern er erklärt (S. 4) geradezu, er habe bisweilen, wo es
nicht beat lenswerth erschien, statt der Uebersetzung das Original mitgetheilt, ,indem ich
Daraus : vehtige, Eselsbrücken für den des Arabischen unkundigen Historiker zu schaffen“
hat, wd dit fast hervorzugehen, dass der Verfasser sein Buch nur für Historiker bestimmt
Möchte à ass er die Forderung an die Historiker stellt, arabisch zu lernen. Referent
dig Betis gegenüber noch einmal betonen, dass dem Verfasser grössere Rücksicht auf
Auch die be seiner Leser, und nicht bloss der Historiker vom Fach, zu empfehlen ist. —
linge emerkung des Referenten, dass der gewühlte Name ,nordisch-baltischen
hrung nn mehr der ursprünglichen Absicht des Verfassers, als der wirklichen Aus-
Tan nicht Spreche, hat keine Berücksichtigung gefunden. Schweden und Norwegen pflegt
leten Langer lisch- baltische Länder zu nennen; von den gewóhnlich als baltisch bezeich-
Berasteinhande] T fast niehts gesagt, als was auf 2 Halbseiten (63 und 64) über den
Leder Weise à eigebracht wird. Dagegen ist in ausführlicherer und in der That dankens-
de erstrecke . DEE zusammengestellt, welches sich auf die grosse continentale
“2 Hang) Yo "Sk ohmen bis nach Sibirien bezieht. Ausführlich behandelt der Verfasser
mit Sklaven und mit Pelzwaaren, den beiden Hauptartikeln des nordischen
224 Besprechungen.
Imports in den arabischen Staaten Centralasiens, wobei manche ethnologisch nutzbare
Bemerkung unterlàuft, z. B. der Exeurs über den blonden Typus bei den Slaven (S. 14).
Besonders wichtig ist die hier zum ersten Male gegebene Uebersetzung einer Stelle aus
Maqdisi: ,Und von Khérezm (Khiva, — zu erginzen, werden eingeführt) Zobel, Vehe,
Hermelin, Korsack, Marder, Füchse, Biberfelle, bunte Hasen, Ziegenfelle, Wachs, Pfeile,
Birkenrinde, Mützen, Fischleim, Fischzähne, Bibergeil, Bernstein, gekörntes Leder, Honig,
Haselnüsse, Habichte, Schwerter, Panzer, Ahorn, slavische Sklaven, Kleinvieh und Rinder:
alles. dieses von Bulgär her.“ Der Handel mit Schwertern betraf hauptsächlich fränkische
Schwerter (S. 67), ‚welche „schneidiger waren, als die indischen“ (Qazwini). Die Mit-
theilungen über den Export der Araber nach dem Norden hat der Verfasser sich nicht
die Mühe genommen zusammenzustellen, so namentlich nicht einmal den Export des Silber-
schmuckes, auf den Referent schon früher hingewiesen hatte. Deilàufig wird nur erwähnt
(S. 76), dass Schwerter aus Adherbeigän durch Kaufleute „von Bulgar nach dem Lande
Isü, von wo der Biber kommt“, gebracht wurden; was damit gemacht wurde, verläuft sich
ins Mystische, doch lässt sich nicht annehmen, dass der Autor (Abü Hamid, um das
Jahr 1000) eine reine Fabel erzählt hat. So finden sich unter dem reichen Stoff immer
neue, anregende Notizen, und wir können daher nur den Wunsch aussprechen, dass der
Verfasser nicht aufhören möge, die einflussreiche Rolle eines Vermittlers zwischen uns und
den arabischen Schriftstellern des Mittelalters festzuhalten.
Aus der kleinen Schrift über die Anführung deutscher Städte durch einen arabischen
Autor des 10. oder 11. Jahrhunderts móge hier nur die auf Mainz (Mganga) bezügliche
Stelle aus Qazwini (S. 13) erwähnt werden, welche über die schon länger bekannte, sehr
merkwürdige Einfuhr von Dirhems aus der Münze von Samarkand, sowie auch von Pfeffer,
Ingwer, Gewürznelken, Spikenarde, Costus und Galanga berichtet.
Rud. Virchow.
Alex. Bertrand. Nos origines. La Gaule avant les Gaulois d'apres les
monuments et les textes. 24 Edit. entièrement remaniée. Paris 1891,
E. Leroux. 8. 349 pag. 4 cartes et 205 gravures.
. Der berühmte französische Archäolog, Direktor des National-Museums im Schloss
von St. Germain-en-Laye, hat sich der überaus dankenswerthen Aufgabe unterzogen, sein
bedeutendes Werk: ,Gallien vor den Galliern“ einer umfassenden und einschneidende?
Neubearbeitung zu unterziehen. Dasselbe bringt in scharf gezeichneten und mit allen
Belegen, thatsüchlichen und literarischen, auf das Reichste ausgestatteten, fast mono
graphischen Darstellungen alle wesentlichen Culturperioden von der Tertiärzeit bis zur
Einwanderung der Gallier zur Anschauung. Es ist ein besonderer Vorzug, dass der Ver”
fasser sich, gewisse allgemeinere Erórterungen abgerechnet, wesentlich an das eigentlich
gallische Gebiet hält, wie es in den Sammlungen des Museums und in den Specialarbeite?
der französischen Gelehrten hervortritt. Dadurch gewinnt seine Schilderung jenen co”
creten Charakter, der die Sicherheit des Urtheils verbürgt und zugleich für uns Fremde
in höchstem Maasse lehrreich ist Noch bedeutungsvoller ist der Umstand, dass der Ver
fasser, inmitten einer Schule, die in ihren Lehrsätzen allmählich eine beunruhigend®
Bestimmtheit erlangt hat, sich eine Unabhängigkeit des Urtheils und der Betrachtung
bewahrt hat, welche seinen Worten eine, wenngleich vorzugsweise individuelle, so doch
wegen ihrer kritischen Unterlage besonderes Vertrauen erweckende Fürbung giebt. Wenige
der heutigen Anthropologen haben in gleicher Genauigkeit und Ausdehnung die alten
Schriftsteller durchforscht, wie es der Verfasser, vielfach geleitet durch die Vorarbeite?
von d'Arbois de Joub ainville, gethan hat; noch viel kleiner ist die Zahl derer, welche
Kühnheit genug besitzen, an der Hand dieser sehr zerstreuten Notizen den Versuch 2%
wagen, die Chronologie der hauptsächlichen Vorgänge bis auf eine Art von J ahreszahle?
aufzubauen und darnach auch die archäologischen Funde zu bestimmen. á
Das Werk beginnt nach einer sehr lehrreichen Einleitung über die ,Schule des Louvre
mit einem ernsthaft durchgearbeiteten Kapitel über den tertiàren Menschen. Es mag hie
genügen, den Schlusssatz des Verfassers (pag. 51) anzuführen: Que l'homme tertiaire 8°"
4.
Besprechungen. 235
possible, je n'y contredis pas, mais jusqu'ici, il est encore tout théorique. Referent darf
Wohl hinzufügen, dass dies genau der Standpunkt ist, den er selbst seit Jahren ein-
genommen hat. Wer die Gründe dafür kennen lernen will, der wird sie bei dem Ver-
fasser in sorgfältigster Weise zusammengestellt finden. Von besonderem Interesse ist der
Abschnitt, welcher die Funde des Abbe Bourgeois bei Thenay, zum Theil nach neuen,
von dem Museum eigens angeordneten Untersuchungen, bespricht (p. 48).
Es folgen dann Kapitel über den quaternären Menschen, über die neolithische Zeit,
die megalithischen Monumente und die älteren Pfahlbauten, endlich über die Einführung der
Metalle und die Pfahlbauten der Bronzezeit. Zahlreiche, vortrefflich ausgeführte Illu-
Strationen bringen die wichtigsten Gegenstände zur Anschauung; von besonderem Werthe
sind die Karten über die Verbreitung der bewohnten Höhlen der Renthierzeit (p. 98) und
der Dolmen (p. 128).
Sodann kommt ein hóchst anziehendes Kapitel über die ersten historischen Bevôlke-
rungen, die Iberer und die Ligurer (p. 284). In Betreff der letzteren zeigt Verfasser, dass
sie schon vor dem ., wahrscheinlich schon seit dem 10. oder 12. Jahrhundert vor unserer
Zeitrechnung am Mittelmeer, namentlich im südlichen Italien und in Sicilien, sowie an
den südlichen und nördlichen Küsten von Spanien erschienen sind. Aber obwohl dies
lange vor der Einwanderung der Gallier geschah, so lehnt er doch mit Entschiedenheit
den Gedanken ab, dass jemals Ligurer das Innere des Landes in einer nennenswerthen
Ausdehnung eingenommen haben. Nach seiner Auffassung waren sie ausschliesslich ein
Küstenvolk mit maritimen Gewohnheiten, und zwar von hyperboräischer Herkunft, das
"Ursprünglich an den Küsten der Nord- und Ostsee Sitze hatte, Alte Legenden bringen
sie mit den Traditionen über den Bernsteinhandel in Beziehung. C'est une premiere in-
Vasion des Normands (p.241). Aber freilich meint er dies nur in Bezug auf ihr Treiben;
Mit Entschiedenheit weist er die Auffassung von d'Arbois zurück, dass die Ligurer
Indo-Europäer gewesen seien. Obwohl man bisher noch gar keine Alterthümer kennt,
Welche ihnen zuzuschreiben wären, so hält er es doch für môglich, dass eine gewisse Zahl
der ältesten Bronzen durch sie eingeführt sei (p. 247). Referent hat die Frage der Ligurer
Und Iberer in einem Vortrage über die Urbevölkerung Europa’s (Sammlung gemeinverst.
Wiss, Vorträge von R. Virchow und Fr. v. Holtzendorff 1874, IX. Serie, Heft 198,
8, 19, 29, 37) erörtert und dem Gedanken Ausdruck gegeben, dass die Ligurer ein turani-
Scher Stamm gewesen sein könnten, aber er hat auch hervorgehoben, dass dies nur eine
Möglichkeit sei und dass wir im Grunde recht wenig über sie wüssten. Die Deutung
des Verfassers, wonach die Ligurer nirgends ein eigentlicher Inlandsstamm gewesen seien,
Seht vielleicht etwas zu weit. Wenigstens hat Hr. Nicolucci Thatsachen zusammen-
Bestell, wonach ligurische Stämme einstmals im Gebiete des Po bis zu den Euganeischen
Bergen gewohnt haben. Indes könnte daneben immer die sehr plausible Auffassung des
Verfassers stehen bleiben, dass die Ligurer ursprünglich nur ein Küstenvolk waren. Anders
Bt ‘lie Sache mit den Iberern, welche der Verfasser im Ganzen etwas stiefmiitterlich
qandelt. Von ihnen kann nicht bezweifelt werden, dass sie einmal einen grossen Theil
his »iberischen® Halbinsel besetzt hatten und dass sie weit über die Pyrenaeen herüber
8 tief nach Gallien sassen, ja nach Tacitus würen sie auch im heutigen Wales gewesen.
st Das letzte Kapitel behandelt die Einwanderung der Gallier auf der Donau-
die àsse, Der Verfasser betont, dass ihnen hier die Sigynnen voraufgegangen seien,
Ha Schon seit Jahrhunderten den Handel längs der Donau besorgten und mit den Ligurern
mi il trieben (p. 259). Von den Galliern selbst nimmt er an, dass sie in den Völkern
da ip halten waren, die Herodot mit dem Gesammtnamen der Thraker belegte. Genaueres
er verspricht er in einem folgenden Theile zu bringen.
n, Den Schluss des Werkes bildet eine Reihe sehr wichtiger Specialabhandlungen der
Wir en E. Piette, E. Hamy, Berthelot, R. Collignon und S. Reinach, auf welche
Virton im Einzelnen eingehen können. Nur wollen wir auf die sehr bemerkenswerthen
Mas en des Hrn. Piette (p. 262) aufmerksam machen, der in der (Grotte des
Genaui zil (Ost- Pyrenäen) die Reihenfolge der Schichten aus der Renthierzeit in grösster
thiey elt. erhoben und darin 4 verschiedene Ablagerungszonen (Auerochs, Pferd, Ren-
von, elhirsch) nachgewiesen hat. Ein besonderer Reichthum an artistischen Produkten
Pere T Feinheit der Skulptur und der Zeichnung ist in dieser Höhle zu Tage
^. Rud. Virchow.
¢ Besprechungen.
Moriz Hoernes. Die Urgeschichte des Menschen nach dem heutigen
Stande der Wissenschaft. Wien, Pest und Leipzig, A. Hartleben, 1891.
8. Lieferung 1—12. 384 S. mit zahlreichen Abbildungen im Text und
ganzseitigen Illustrationen.
Von dem auf 20 Lieferungen berechneten Werke liegt bis. jetzt etwas über die
Hälfte vor. Wir werden darauf zurückkommen, wenn dasselbe vollendet ist. Für jetzt
mag nur hervorgehoben werden, dass die Darstellung des Verfassers die Vorzüge eines
eleganten und klaren Styls, die von ihm bekannt sind, nirgends verleugnet. Seine
Geschicklichkeit in der Anordnung des so mannichfaltigen und bunten Materials wetteifert
mit dem gereiften Verständniss, welches er durch lange, eigene Forschungen gewonnen
hat. Wie weit Verf. den Begriff der Urgeschichte ausdehnen will, ist aus seinen, viel-
leicht für diesen Zweck etwas zu langen Einleitungen nicht ganz deutlich zu entnehmen.
Er gebraucht meist die Ausdrücke ,Urgeschichte* und ,Práhistorie* als identisch. Dies
entspricht nicht dem gewóhnliehen Sprachgebrauche und führt in der That leicht zu Ver-
wirrung. In Amerika z. B. ist fast alles Präcolumbische auch prähistorisch, aber sicher-
lich nur zum kleinsten Theile urgeschichtlich, gerade wie bei uns die altslavischen Sachen.
Bei Mykenae ist es sogar zweifelhaft, ob wir es prühistorisch nennen dürfen; urgeschicht-
lich ist es in keiner Weise. Indes ist das eine Aeusserlichkeit, über die man leicht hinweg-
kommt, wenn im Uebrigen die Gruppirung des Stoffes eine bequeme Fortbewegung im
geschichtlichen Sinne ermóglicht. Dies scheint im Wesentlichen erreicht. Die letzte der
vorliegenden Lieferungen führt uns schon zu der Bronze, was für das Tempo der
Darstellung einen Maassstab ergiebt. Schwieriger ist der Umstand, dass der Verfasser
in seiner Schilderung den regionären Verschiedenheiten wenig Rechnung trügt. Für
jemand, der erst lernen soll, ist es etwas schwer, alle Länder, ja die ganze Erde gewisser-
maassen im Gemisch vor sich vorübergeführt zu sehen. Eine strengere Scheidung der
Entwickelung in den einzelnen Lündern würde uns mehr geeignet erscheinen, das Ver-
stándniss zu sichern. Sehen wir zu, wie sich das Ganze ausnimmt, wenn wir dasselbe
vor uns haben werden. Jedenfalls kónnen wir schon jetzt sagen, dass es ein gedanken-
reiches und fleissiges Werk ist, das uns hier geboten wird. Rud. Virchow.
Paul Kohlstock. Aerztlicher Rathgeber fiir Ostafrika und tropische
Malariagegenden. Berlin, H. Peters, 1891. 12. 3448.
Der Verfasser, der schon bei der Begründung der deutschen Schutztruppe in Ost
afrika als Arzt bei derselben eintrat (1889) und die Versorgung der Truppe mit Arzneien
und Verbandstoffen zu leiten hatte, nach dem Tode des Dr. Schmelzkopf aber selbst
die Stelle des Chefarztes erhielt, hat die Erfahrungen, die er in Ostafrika machte, in zweck-
missigster Weise zum allgemeinen Nutzen der dort beschäftigten Personen, Aerzte und
Laien, zusammengestellt. Das Buch giebt eine kurze Uebersicht nicht bloss der wichtigsten
pathologischen Verhältnisse, sondern auch der nothwendigen hygieinischen und thera
peutischen Maassregeln, natürlich unter besonderer Berücksichtigung der Malaria-Erkran-
kungen und der Ruhr. Bei beiden ist es bemerkenswerth, dass Verfasser die Luft als
Trügerin des Krankheitsgiftes betrachtet (S. 105, 143). Sehr eingehend und lehrreich
sind seine Mittheilungen über die Formen der Malaria-Erkrankungen, ihre Prognose und
Behandlung. Den Schluss des Werkes bildet eine Zusammenstellung der nothwendige?
Arzneien, Verbandmittel, Instrumente und anderen Gebrauchsgegenstünde zur Kranken- und
Verwundetenpflege. Das Buch kann allen nach tropischen Gegenden reisenden Persone?
als ein nützlicher Begleiter empfohlen werden; schon für die Vorbereitung zu der Reise
wird es die besten Dienste leisten. Rud. Virchow.
236
IPQ r
ZEITSCHRIFT
FÜR
CIN Y
i L
Organ der Berliner Gesellschaft
Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.
Redaetions - Commission:
A. Bastian, R. Hartmann, R. Virchow, A. Voss.
Dreiundzwanzigster Jahrgang. 1891. — Heft V.
BERLIN.
VERLAG VON A. AsHER & Co.
für
dk
1891.
Es wird gebeten, Geldsendungen für die Berliner anthropologische Gesellschaft, ig”
besondere Beiträge der Mitglieder, an den Schatzmeister, Hrn. Banquier W. Ritter, n ger"
Charlottenstrasse 74/75, dagegen an das Bureau. der Gesellschaft, SW. Koniggrd en
strasse 120, im Kgl. Museum für Völkerkunde, alle anderen geschäftlichen Mittheïloné
Zu adressiren, z. B. Anmeldungen neuer Mitglieder, Adressenveründerungen, Rech.
tionen (wegen nicht erhaltener Hefte der Zeitschrift oder Nummern des Correspondenzbla ten
der Einladungen zu den Sitzungen, der für die correspondirenden Mitglieder bestimmt,
Sitzungsberichte oder der Sonderabzüge von Mittheilungen), Zusendungen an die Biblio
der Gesellschaft, Correspondenz, betreffend Austausch von Zeitschriften u. A. des
Bei Anmeldung neuer Mitglieder ist ausser Angabe der Wohnung auch die Angabe „ei
Vornamens wünschenswerth und behufs Vermeidung von Irrthümern auf eorrecte Schr gn.
bung der Zunamen zu achten. Letzteres gilt auch fiir die’ Anzeige von Adressenverändert en,
Nur diejenigen Reclamationen wegen fehlender Hefte oder Nummern von Schr! nen
Welche- sogleich nach Eingang der nächstfolgenden Nummer angebracht werden, kôn
mit Sicherheit erledigt werden.
Inhalt
Ser
IX. Archäologische Aufsätze über südeuropäische Fundstücke (Fort-
setzung) von Dr. Ingvald Undset in Christiania :
VIT. Orientalische Einflüsse innerhalb der ältesten europäischen 3
~~ Civilisation. (Mit 13 Zinkogr.) . . 7
Besprechungen: _
W. Schnarrenberger, Die Pfahlbauten des Bodensees. Konstanz 1891. S. 240
Alois Raimund Hein, Maeander, Kreuze, Hakenkreuze und urmotivische Wirbelorna 5g
in Amerika. Wien 1891. S. 247. — Garrick Mallery, lsraeliten und Indianer. p
1891. S. 248. — Snell, Hexenprozesse und Geistesstórung. München 1891. S. 24 gie
Heinrich von Wlislocki, Márchen und Sagen der Buckowinaer und Siebenbürger Armee].
Hamburg 1892. S. 249. — G. Hellmann, Meteorologische Volksbücher. Berlin »
S. 250. — Edward Theodor Walter, Skandinavisches Archiv. Lund 1891. S. 20 pet
Emil Carthaus, Aus dem Reich von Insulinde. Sumatra und der malaiische Art std
Leipzig 1891. S, 951. — Achelis, Adolf Bastian. Hamburg 1891. S. 959. — gtadt
Dierks, Helgoland. Hamburg 1891. S. 959. — Christian Meyer, Eine deutsche
im Zeitalter des Humanismus und der Renaissance. Hamburg 1891. S. 252.
. te.
Verhandlungen der Berliner Gesellschaft fiir Anthropologie, Ethnologie und Urgeschicht
. of
Sitzung vom 20. Juni 1891 (Schluss). Das dänische Haus in Deutschland. (10 Zins
M. Uhle S. 497. — Metrologische Studien im British Museum. (26 Livy E"
C. F.Lehmann 8.515. — Wägungen orientalischer Fundstücke aus Gold. (2 D nid
C. F. Lehmann 8. 580, — Sagen aus British Columbien (Shushwap, Ntlakyaïg 516-
Sagen vom unteren Fraser River). F. Boas S. 532, — Eingegangene Schriften 9 GE
Sitzung vom 18. Juli 1891. Erwiihlung des Hin. Virchow zum Ehrenpräsidenten dein
sellschaft. S. 511. — Güste und Mitglieder. S. 577. — Nachtigal-Denkmal in 8t an?
S. B77. — Anthropologische Generalversammlung in Danzig und weiteres Prog s dem
S. 577. — Colonial-Nachrichten. Zintgraff, Kayser S. 577. — Schädel TN
Negeb (Situationsskizze). Bracht S. 578; Virchow S. 580. — Vorslavische “ag
aus der Niederlausitz (Niemaschkleba, Christianstadt, Friedland, Ossig, Reiche gom
(14 Zinkogr) H Jentsch S. 583. — Slavisches Gräberfeld mit Skeletten und Logo. ^
brand auf dem Silberge bei Wollin, Pommern. (1 Zinkogr.) Schumann 8:? Abb)
Zwei neue Bronzesporen von Obliwitz und Lübeust, Hinterpommern. (7 zinkoE se?
Schumann 8$. 598, Olshausen S. 595, .— Spornáhnliche Gegenstánde. O1sh?,pb.)
S. 096. — Nephritbeil aus der Gegend von Ohlau, Schlesien. (8 zink08 1005
Schoetensack S. 59%. — Jadeitbeilchen vom Ebersberg, Braunschweig- ginko
Virchow 8. 601. — Tempelbild aus den Kónigsgrübern von Mykenae. Gen pa,
Abb.) Krause S. 602. — Das Palladium in der mykenischen und tirynthisc pris”
stellung. (4 Zinkoer) Krause S. 608. — Die Roggenkorngemmen des fru 98. 5.)
lichen Kirchengeräthes. (21 Zinkogr) H. Sókeland S. 606, Virchow 5: (Fort
Sagen aus British-Columbien (Cowitchin ; Snanaimuq, S'kqomic, Lku'figEZ pm’.
F. Boas S. 628. — Combinirte Porträt-Photographien nach Bowdich. Franz apolof e
S. 645. — Acten des II... internationalen, Congresses „der Criminal - Anth pgh'^
Magitot S. 645. — Das dànische Haus in Deütschlànd- (Forts). U. Jahn S.6 P
(Fortsetzung auf der dritten Seite des Umsch^?
Virchow S. 648. — Aegyptens auswärtige Beziehungen hinsichtlich der Culturgewächse.
G. Schweinfurth S. 649, R. Hartmann S. 669. — Nachbildung der Berner Elfen-
beinkanne. F. v. Luschan S. 669. — Bogenspannen. (1 Zinkogr.) v. Luschan
S. 670.
Nachrichten über deutsche Alterthumsfunde. Nr. 5.
Die Hügelgräber von Havemark bei Genthin, Provinz Sachsen. (1 Situationsplan.) S. 65.
2 Die Gräberfelder von Schermen, Kreis Jerichow I, Provinz Sachsen. (4 Zinkogr.) S. 68.
B Brandgrube von Bruchhausen bei Heidelberg. S. 10. — Gussformen von Falkenberg, Kreis
a eSkow-Btorkow, Provinz Brandenburg. (29 Zinkogr. S. T1. — Das Gräberfeld bei Rus-
he Kreis Crossen a. d. O. (4 Zinkogr) S 72. — Alamannische Grüber an der oberen
gonau. S. 75. — Die archäologische Landesaufnahme in Württemberg. S. TT. — Ge-
Mchtsnrnen von Liebschau, Kreis Dirschau, Westpreussen, S. 79.
9 Im Verlag von Duncker & Humblot in Leipzig erschien zum Preis von
Ü M. brosch. — 28 M. gebd. — 32 M. Prachtausgabe:
Ostafrikanische Gletscherfahrten.
Forschungsreisen im Kilimandseharo- Gebiet.
.. Non Dr. Hans Meyer.
Mit 5 Karten von Hassenstein (Gotha), 21 Tafeln in Farbendruck, Heliograviire
und Lichtdruck und 19 Textbildern von C. T. Compton (München).
Einige Urtheile der Presse:
wi. Kôlnische Zeitung (Gerhard Rohlfs): ,Das Buch bietet eine solche Menge von
Usensehaftlichem Material, dass Jeder staunen wird.“ —
Bod: Kreuzzeitung (Prof. A. Kirchhoff: ,Ein geradezu klassisches Reisewerk, das bei
stdiegenstem wissenschaftliehen Gehalt einen für jeden Gebildeten verständlichen Ton
nechlägt und auch in seiner vornehmen äussern Ausstattung mit den vorzüglichen bild-
Tischen Beigaben mustergültig genannt zu werden verdient.“
stay. Globus (Dr. H. Andree): ,Das Buch verdient als eine Musterleistung schóner Dar-
"llung bei allem wissenschaftlichen Gehalt hervorgehoben zu werden.* . MESE
Him Das Ausland (Dr. v. d. Steinen): „Ein Muster von Eleganz und Geschmack .....
d sehr werthvolle geographische That . . . .. Das Talent des weitgereisten Verfassers
qnt sich in einer ebenso frischen wie gediegenen Darstellung ..... Ueberall berührt
7T obiective Ton ungemein wohlthuend."
», Deutsches Kolonialblatt (Regierungshlatt): .... .Das Werk bildet einen neuen
Uhmestite] für die deutsche Forschung in Afrika.“
tier _Die Natur (Dr. Karl Müller): „Der deutsche Sinn, die vorzügliche Sprache, die
eit Liebe zur Natur, die wissenschaftliche Schulung, sie alle zusammen sind dem Leser
yle Würze, die fast gewaltsam fortzieht. Die Ausstattung des Buches trügt etwas so
"hehmes an sich, wie es im deutschen Buchhandel nicht oft gesehen wird .. . . .¢
tn Mittheilungen des Deutsch-Oesterreiehischen Alpenvereins: ,Vom Anfang bis
die Ende hat uns der Autor in gleicher Spannung gehalten. , , Mit würdigem: Ernst wird
' Srossartige Natur geschildert; die ganze Darstellung ist gedanken- und bilderreich *
fin Deutsche Rundsehau (Paul Reichard): ,Im vorliegenden Band ist das Resultat
Ang! hochinteressanten Reise niedergelegt.... Der Inhalt entspricht ganz der prächtigen
Sattune.“
di, Deutsche Litteraturzeitung (Prof. Dr. Ruge): „Das Werk ist ausgezeichnet durch
ab Sorgfältige wissenschaftliche Festlegung der Reiseroute durch die beneidenswerthe
Uu vielseitiger Beobachtung, durch die Kunst anziehender Darstellung und das besonnene
. A6 über Dinge und. Menschen.“ ^ . m
de ;, Mittheilungen der Berliner Gesellschaft für Erdkunde. (v. Hóhnel): „Aus keinem
8, Mteren Reisewerke erhält man éinen so richtigen-Einblick im,die Verháltnisse dieser
léte wie aus dem vorliegenden . . . . Der Text ist ebenso fesselnd wie lehrreith.* ^
In unserm Verlage erscheinen seit 1890 als
Ergänzungsblätter der Zeitschrift für Ethnologie:
s es p
Nachrichten über deutsche Alterthumsfundé-
Mit Unterstützung
des Königl. Preussischen Ministeriums der geistlichen, Unterricht?
und Medicinal - Angelegenheiten
herausgegeben
von der
. os . 10
Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnolog!
und Urgeschichte
unter Redaktion von
R. Virchow una A. Voss.
Jährlich werden sechs Hefte ausgegeben.
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Die , Nachrichten fir deutsche Alterthumsfunde“ werden den "à
gliedern der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie zum
Urgeschichte gratis geliefert, im Übrigen sind sie im Buchhandel
Abonnementspreise von
3 Mark für den Jahrgang
zu beziehen.
». Unter den Linden 13 har 0.
Berlin W. A, Asher & C =
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Verlag von A. ASHER & Co. in Berlin W., Unter den Linde? +
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Dr. Antonio Pefiafiel.
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1 Band. Text: spanisch, französisch und englisch. 358 Seiten £g Tof a
in Halbleinewand gebunden, 2 Bände in Mappen, enthaltend 3 a 16!
(176- farbig, 142 schwarz), davon 299 in einfachem Format 56 : 40
doppelter, 1 in vierfacher Grösse.
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Druck vou Gebr. Unger in Berlin, Sehünebergerstrasse 17a
A
^g
Archäologische Aufsätze über südeuropäische
Fundstücke
von
Dr. INGVALD UNDSET in Ohristiania.
(Fortsetzung von Bd. XXIII. 8. 38.)
Herrn Geheimen Medicinalrath
Professor Dr. Rudolf Virchow
widmet der Verfasser diese kleine Abhandlung zu seinem 70jährigen
Geburtstage, den 13. October 1891, in lebhafter Anerkennung und
Dankbarkeit wegen seiner grossen Verdienste auch um die prü-
historische Wissenschaft.
VIL. Orientalische Einflüsse innerhalb der ältesten europäischen
Civilisation.
Seit langer Zeit ist man darüber klar gewesen, dass die ältesten
Civilisirenden Einflüsse dem europäischen Boden von Aegypten und West-
asien zugekommen sind. Nach dem allgemeinen Gange der geschichtlichen
Entwickelung an den Ufern der innersten Mittelmeer-Lànder war man
einige darüber, aber die detaillirie Nachweisung, wie dies alles vor sich
Segangen ist, und z. B. welche Elemente die ältesten europüischen Ent-
Viekelungen vom Süden und Südosten entlehnt hatten, konnte bisher
Ucht geliefert werden, weil einschlägiges archüologisches Material von
Nordafrika und Westasien bisher nur sehr dürftig vorhanden war. Daher
Musste und muss grösstentheils noch jetzt ein genauerer Nachweis und die
Erklärung aller entlehnten Elemente der Zukunft vorbehalten bleiben.
Aber in dem vorhandenen Material sind schon verschiedene Details
Hachweisbar, und es scheint mir geboten, schon jetzt zu fixiren, was man
Yon solchen Entlehnungen und Einwirkungen erkennen kann; dadurch
Wird die Aufmerksamkeit in der Zukunft mehr wach sein kônnen, und
n und naeh wird man im Stande sein, viel mehr zu beobachten und
ng iren, so dass man dann besser das gesammte Material überblicken
Mies mter erkennen kann, was die orientalischen Einwirkungen der
her en Entwickelung auf europäischem Boden in Griechenland und nach-
auch in Italien zugeführt haben.
Schon an einigen Punkten in meinen vorangehenden Aufsätzen in
Zeitschrift für Ethnologie, Jahrg, 1891.
IX.
11
PEE ING@VALD UNDSET:
dieser Serie habe ich auf solche Einwirkungen hingewiesen. So habe
ich z. B. in meinem ersten Capitel (diese Zeitschrift 1889, S. 205 ff.
mit dem Nachtrage ebendaselbst 1890, S. 144) gezeigt, wie die älteste
Fibelform, die auf europäischem Boden auftritt (in den italischen: Terra-
maren und im Pfahlbau von Peschiera am Gardasee), aus der uralten
mykenischen Culturgruppe in der griechischen Welt unserem Erdtheile
zugeführt sein muss*).
In dem Capitel über die ältesten Schwertformen (diese Zeitschrift 1890,
S. 1—29) habe ich nachgewiesen, wie die älteste Schwertform, die in der
europäischen Bronzezeit auftritt, der griechischen Welt aus Aegypten zu-
gekommen sein muss.
Im Capitel IV (diese Zeitschrift 1890, S. 49— 75) über antike Wagen-
Gebilde ist hervorgehoben worden, wie die Sitte, eine Nachbildung des
Verstorbenen auf seinem Streitwagen anzubringen und in voller Kriegs-
rüstung in sein Grab niederzulegen, in orientalischer Sitte ihr Vorbild findet.
Im Capitel V über italische Gesichtsurnen (diese Zeitschrift 1890,
S. 109—145) habe ich dargelegt, wie die Sitte, die wir auf europäischem
Boden finden, das Gefáss, das die Knochen des Verstorbenen birgt, irgend-
wie als seine Portrait- Darstellung oder überhaupt als das Abbild eines
Menschen zu formen, in orientalischer Sitte wurzelt.
Bei genauerer Durchforschung und Untersuchung des fremdländischen
und des europäischen Materials wird man zweifelsohne dies alles genauer
erkennen und darstellen können.
Dazu werde ich heute einige Details fügen, die an schon jetzt vor-
handenem Material zu beobachten sind. Ich ziehe einige Punkte hervor,
die in unserem Material aus der ältesten italischen Eisenzeit sich con
statiren lassen. In Folgendem nenne ieh aueh mehrere Fundstiicke aus
nordalpinen Funden, welche Fundstücke aber alle sicher südländischem
Import oder wenigstens directen Beeinflussungen zu verdanken sind.
. So stell unsere Fig.l eine Lówenmaske aus getriebener Bronze im
Museum des Louvre dar, welche mit drei ähnlichen aus einem phonicische?
Grabe stammt. Die Masken stellen alle ein gühnendes Lówengesicht dar, w?
aus dem offenen Munde die Zunge heraushüngt. Das Gesicht ist von einem
runden, gewólbten Wulste mit quergehenden, getriebenen Rippen umgebe"
Diese getriebenen Lówenmasken von Bronzeblech waren wahrscheinlich als
Decoration an einem Holzsarkophage, der im Grabe gefunden ist, 3!
gebracht. Mit solchen phönicischen Masken sind offenbar die getriebene?
1) Commend. L. Pigorini wollte früher nicht zugeben, dass diese Fibeln so alt sei
künnten, wie die Terramarenzeit; er sprach aus, dass sie den etruskischen Alterthümer?
angehören müssten, die öfters oberhalb der Terramare-Hügel auf der norditalischen Eben?
gefunden werden. Jetzt ist auch er klar darüber geworden, dass es sich hier um uralte
Stücke, etwa aus der mykenischen Civilisationsepoche, handelt (Pigorini, Le prim®
città dell’ Italia, pag. 15, in der Zeitschrift Nuova Antologia 1891, 1. April).
38
Orientalische Einflüsse innerhalb der ältesten europäischen Civilisation. 239
Masken in Verbindung zu setzen,
die mehrmals in altetruskischen Fig. 1.
Kammergrübern gefunden worden
sind, wo sie die Mitte von Lacu-
naren, von Decken der Kammer-
gráber bildeten. Ihre Mitte wird
gewöhnlich von solch einer Lówen-
maske mit aus dem offenen Munde
hervorgestreckter Zunge eingenom-
men und von einem kleinen Kranze
mit quergehenden, getriebenen er-
höhten Rippen umgeben. Die Maske
mit der nächsten Umgebung befindet
sich meist in der Mitte eines
?rüsseren Kreises, der von einem
erhôhten, getriebenen Wulste um-
geben wird. Ausser Lówenmasken
(Fig. 2) kommen auch öfters andere Darstellungen in der Mitte des
runden Feldes vor, von Reihen kleiner, quergehender, getriebener Rippen
oder von nur angedeuteten solchen umgeben. So trifft man ôfters die
Maske ^ des bürtigen und mit kleinen Hórnern versehenen Dionysos
Ebon, wie unsere Fig. 3 zeigt. Selbstverständlich wird es sich hier um
Fig. 2. Fig. 3.
ême eigenthümliche Ausbildung der Gestalt des Gottes und um Ver-
sehmelzung mit orientalischen Motiven handeln. Alle diese abgebildeten
Sehilde mit Löwenmasken und mit anderen mit einem behórnten und
bärtigen Menschenkopfe wurden 1835 in Grabkammern bei Corneto-
11*
240 INGVALD UNDSET:
Tarquinia gefunden. Natürlich handelt es sich bei diesem bärtigen und mit
kleinen Hôrnern versehenen Kopfe um Verschmelzung mit orientalischen
Ideen u. s. w.
Fig. 4 stellt einen phonicischen Bronzeschild dar, der jetzt im Louvre-
Museum sich befindet; er ist in einem phonicischen Grabe auf der Insel
Cypern gefunden worden?) Das Original ist ziemlich beschädigt und
Fig. 4.
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RN.
wo SW ' X
x
namentlich an der einen Seite defect, wie die Abbildung zeigt; die
Decoration ist jedoch vollständig klar und unzweifelhaft: zwischen concen-
trischen Kreisen, die durch glatte Bänder getrennt sind, laufen andere
Kreise, die mit einem eigenthümlichen. Ornamente gefüllt sind, einem regel-
mässig geschlungenem Bande, das zwischen kleinen Cirkelschlägen mit
Centralpunkten sich windet. Das am meisten Eigenthümliche bei der Aus-
stattung dieses Schildes ist jedoch in dessen Mitte zu finden; hier sieht
man, wie die Ornamentringe eine winkelfórmige Einkerbung von der eine?
Seite zeigen, die gegen die Mitte läuft, ganz als ob aus der einen Seite
der Mittelpartie des Schildes etwas ausgehauen wäre. Wahrscheinlich
ist dieses Ornament-Detail dadureh entstanden, dass ein etwa durch eineP
Hieb entstandener Defect an einem besonders berühmten Schilde später
an anderen Schilden nur ornamental nachgeahmt worden ist. Wie gesagt,
1) Perrot et Chipiez, Histoire de l'art antique, III. pag. 869.
Orientalische Einflüsse innerhalb der ältesten europäischen Civilisation. 241
ist ein solcher Einschnitt nur in der Mitte angegeben, gar nicht in den
üusseren Kreisen und am Aussenrande des Schildes. Fig. 5 stellt einen im
hohen Norden gefundenen Bronzeschild aus einem alten Moorfunde in
Dänemark dar, der aus getriebenem Bronzeblech gearbeitet ist, ent-
schieden ein aus dem Süden importirtes Stück. In der Mitte auch
dieses Schildes sieht man, wie der Buckel und die ihn umgebenden Kreise
an der einen Seite eine Einkerbung haben, die an und für sich ganz
sinnlos erscheint, die aber, wie ich glaube, in dem so eben besprochenen
und abgebildeten cyprisehen Exemplare ihre Erklárung findet. Wie die
Technik zeigt, ist dieses Stück entschieden ein aus dem Süden nach dem
Norden importirtes Exemplar, und die genannte Einkerbung in der
Decoration der Mitte ist aller Wahrscheinlichkeit nach eine ferne Erinne-
Fig. 5.
Fig. 6.
M LS
/ 9? a,
; |
Ê
N
"Ug ap die Decoration eines besonders berühmten südeuropáischen Exem-
ines, wo dieselbe Einkerbung ursprünglich gewiss eine absichtliche
a. mung eines technischen Details war, das ursprünglich, als es das
hab. Mal gearbeitet wurde, eine bestimmte Absicht und Bedeutung gehabt
» 9h muss, die wir aber nach dem einzelnen Exemplare, das uns erhalten
bes kaum herausfiuden können. (Man wollte offenbar das Detail eines
de, ders berühmten Vorbildes wiedergeben, oder auch, um die Mitte
latera. dünnen Stückes zu verstärken, einige nach dem Centrum zu
te Linien in der Ornamentik mitnehmen.)
in Bs 8 6 zeigt eine kleine Bronzefigur, die bei Corneto-Tarquinia
Vatikay coop worden ist und jetzt im etruskischen Museum im
Bode slo befindet. Sie stellt einen kleinen Knaben dar, der auf dem
N sitzt und der in Etrurien offenbar einen bestimmten Namen
* 7
-
2 IuGvAnp UNDSET:
(Tagesnamen oder anderen) gehabt hat, wohl in Folge einer etruskischen
volksthümlichen Tradition, die auch sonst von dort bekannt ist. Aber das
Bild und die Sage, die es illustrirt, hängen offenbar mit einer aus dem
Oriente überlieferten bildlichen Tradition zusammen, weil die cyprische Ab-
theilung des britischen Museums ganz ähnliche Terracotta-Statuen besitzt,
die auf der Insel Cypern gefunden worden sind und die beweisen, dass dort
einst eine solche Sagenfigur existirb hat, nach der die etruskische ühnliche
Figur gebildet worden ist. Auch andere, ähnliche Figuren wären hier zu
nennen, so ein Knabe, der ebenfalls auf dem Boden sitzt und einen Vogel
in der Hand halt’). Auch diese Figur hat ganz ähnliche Seitenstücke
unter den eyprischen Terracotta - Bildnissen im britischen Museum.
Ich berühre hier einen Punkt, wo unzweifelhaft viele Einflüsse
auf die älteste griechische und später italische Civilisation in der Orna-
mentik und Technik zu constatiren sind, die aber vorläufig noch gar
nicht hinreichend studirt, vorbereitet und aufgeklärt sind. In der ältesten
griechischen Vasenmalerei und in den eingepressten Figuren auf den so-
genannten dorischen und sicilianischen Rothwaare-Thongefässen und auf
den altetruskischen Bucchero-Gefässen werden gewiss bei genauerem Stu-
Fig. 7. dium mehrere Details zu con-
Ll _ a statiren sein, die vom Orient
€ t à $1 A C f entlehnt sind, so z. B. halb-
f^ CET i menschliche Kentauren und
"n ^ RM | andere Figuren?). Die Figuren
ooo PE - T und 8 nach etruskischen Buc-
chero-Gefässen werden einige
solche vom Oriente entlehnte
- . Details zeigen ; jeder Beobach-
f) ter wird bei diesen Figure?
einen bestimmten Eindruck
von der orientalisehen Her-
kunft oder wenigstens voi
einer starken Beeinflussung
' von jener Seite her erhalten.
c 2 In Fig. 7 bemerkt man vor
& NE nehmlich den halbmensch-
] > > | .
: lichen Kentauren, der, eine”
——— FL Baum triigt, und Darstellunge?
von Weibern und Männern, die
1), Vergl. Museo Etrusco Gregoriano, I. Tav. XXXXIII.
2) Schon Prof. Dr. Milehhófer in seinem anregenden Buche „Ueber die Anfänge
der griechischen Kunst, Berlin 1889*, hat auf einen solehen Punkt hingedeutet, jedoch
ist auch er nicht nüher darauf eingegangen, wahrscheinlich weil auch ihm die Zeit dazu
noch verfrüht schien, da dies Gebiet noch nicht gebührend beachtet und studirt worden ist.
:42
Orientalische Einflüsse innerhalb der ältesten europäischen Civilisation. 243
einer sitzenden Frau Weihgaben bringen, welche Figuren-Gruppe einen
bestimmt orientalischen Charakter hat. In Fig. 8 sieht man ühnliche
Gestalten, die sitzenden Frauen Gaben darbringen; ferner ein Paar gegen
einander gewendete thierische, vierbeinige und geflügelte Sphinx - Figuren.
Diese Figuren-Gruppen sind von, in Etrurien gefundenen, Bucchero-
Gefüssen entnommen?) Die Figuren-Gruppen wiederholen sich mehr-
mals rings um dasselbe Gefáss, zweifelsohne weil sie auf kleine Oylinder
eingegraben waren und bei Abrollung dieser kleinen Cylinder rings um
das Gefäss sich mehrmals identisch nach einander einpressten und wieder-
holten. Auf diesen Punkt aber näher einzugehen, ist noch nicht die Zeit
gekommen, und bin ich auch nicht der geeignete Mann, weil ich das
einschlägige orientalische Material nicht beherrsche und weil es in
Publicationen oder originalen Stücken mir gar nieht zugänglich ist.
Schliesslich nenne ich noch einen Punkt aus der Ornamentik der
italischen Villanova-Civilisation, wo, wie ich glaube, ein einst vor-
herrschendes Motiv auf eigenartige Umbildung eines ornamentalen Motives
hinweist, das in der alten ägyptischen Kunst und in den von dort beein-
fussten Stylarten sehr hervortritt. Die Sonnenscheibe, von Uräusschlangen
umgeben, ist bekanntlich ein in der altägyptischen Kunst und Ornamentik
häufig vorkommendes Decorations-Element. Fig. 9 zeigt ein solches
Detail in Stein gehauen, an einem phönicischen Monumente angebracht).
Fig. 10 ist die eine Halbseite einer Bronzevase der Villanova-Zeit, in
einem alten Brandgrabe bei Corneto- Tarquinia gefunden?) Fig. 11 zeigt
einen Theil eines umlaufenden Ornamentbandes an einer Bronzevase, die
bei Rossin in Pommern gefunden worden ist*). Dies Ornamentmotiv ist
Offenbar eine Umbildung des gedachten Motives, das so stark von der
ägyptischen Kunst abhängig ist. Fig. 12 zeigt dasselbe Ornamentmotiv
in einer anderen Umbildung von einer Bronzevase, die in Dänemark
1) Micali, Storia degli antichi popoli italiani, Tav. XX. Fig. 18, 15.
2) Perrot et Chipiez, Histoire de l’art antique, IIT. Phénicie- Cypre, p. 121, Fig. 70.
3) Diese Vase ist in den Notizie degli scavi 1882, Tav. XXXXI. Fig. 14, wieder-
Segeben, dort aber leider in der Ornamentik ganz falsch aufgefasst und gezeichnet, Kurz
un dem Erscheinen des betreffenden Heftes der Notizie habe ich in Corneto -Tarquinia
M dem Originale die gegebene Zeichnung und die Ornamentik correcter zeichnen kónnen,
va nach meiner damals genommenen Zeichnung ist das hier gegebene Bild angefertigt
Hon den Cirkelgruppen gchen ein oder zwei schlangen- oder vogelartige Kopfe in die
he aus, welche Figuren aber in der ‘citirten Abbildung in den Notizie ganz falsch auf
e. asst und wiedergegeben worden sind. Offenbar haben wir hier, wie ich glaube,
? Ornamentmotiv, das auf dem citirten und im Texte abgebildeten ägyptischen Motive
der § ’
de onnenscheibe, von Uráusschlangen umgeben, beruht. Dieses Motiv spielt weiter in
dis Ornamentik der getriebenen Bronzebleche der Villanova- Gruppe eine sehr grosse Rolle;
" folgenden Figuren von Ornamenten dieser Art, die alle nórdlich der Alpen gefunden
Tden sind, werden es illustriren.
8 2») Dr. Ingvald Undset, Das erste Auftreten des Eisens in Nordeuropa, Hamburg 1882,
Ab 9, Taf. XXIV. Fig. 3. — Einige der hier behandelten Punkte habe ich schon in meiner
andlung n den rómischen Annali dell instituto. 1885 angedeutet.
Clad INavALD UNDSET:
Fig. 98
" Fig. 10.
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Je
Orientalische Einflüsse innerhalb der ältesten europäischen Civilisation. 245
gefunden worden ist. Diese Vase wurde mit einer anderen ähnlichen
Bronzevase in einem Moore bei Siem, Hellum Herred, Amt Aalborg in Jüt-
land, ausgegraben und wird jetzt im Museum von Kopenhagen auf bewahrt.
Fig. 13 zeigt dasselbe Motiv in einer. anderen Umbildung auf einem
Bronzeschilde ebenfalls aus getriebenem Bronzeblech, also ohne allen
Zweifel ein südliches, naeh dem Norden importirtes Produkt. Hier ist
Fig. 13.
N
» Motiv (Cirkelgruppe mit nach beiden Seiten ausgehenden Schlangen-
Buck cher Vogelkôpfen) dreimal wiederholt zwischen drei getriebenen
en; die Vogelkôpfe sind auch hier auf beiden Seiten der Cirkel-
supe verdoppelt und von einander gewendet, so dass das Ganze ein
mor, EOS Gepräge erhalten hat. So umgebildet kommt dieses Ornament-
dem Nat an getriebenen südländischen Bronzearbeiten vor, die nach
orden gekommen sind.
Emu n das Material aus dem südeuropäischen Alterthum und aus dem
T... 1 europáischen Bronzereiche einmal reichlicher wird, werden ohne allen
reife] die hier angedeuteten Zeugnisse von orientalischen Einwirkungen
édeutend EN A . . 3
Andeut vermehrt werden können. Vorläufig müssen wir uns mit diesen
DUE begnügen; eine zukünftige Durchforschung des ganzen bronze-
open ri und des Alterthumsbestandes aus der ältesten süd-
ergo, en Eisenzeit wird sicherlich das hier nur Angedeutete vielfach
ern und erweitern können.
Besprechungen.
W. Schnarrenberger. Die Pfahlbauten des Bodensees. Beilage zu dem
Jahresberichte des Grossh. Bad. Gymnasiums zu Konstanz. 1891. 46 S.
Nach den Worten der Einleitung soll die Arbeit im Wesentlichen eine Zusammen-
fassung der weit zerstreuten Nachrichten über die Pfahlbaufunde des Bodensees sein und
das Material, welches der Verfasser in den verschiedenen Museen selbst studirt hat, vor-
legen. Die Behandlung der einzelnen Stationen geschieht in geographischer Reihenfolge,
vom Südufer des Ueberlinger Sees ausgehend, dem sich Ober- und Untersee anschliessen.
Das Verstindnis erleichtern drei Tafeln mit einfachen Zeichnungen der wichtigsten Fund-
gegenstünde, sowie eine Uebersichtskarte des Bodensees (und seiner nächsten Umgebung),
auf der die einzelnen Ansiedelungen eingetragen sind,
In methodischer Weise bemüht sich der Verfasser, ein Bild der geschichtlichen Ent-
wickelung der einzelnen Stationen zu geben, indem er scharf die Schichten der Steinzeit,
der Bronzezeit und der folgenden Perioden scheidet. Als Resultat ergiebt sich, dass cine
von Niederlassungen nicht mehr die Metallzeit erlebt hat, andere erst zu Beginn dieser
gegründet, wurden dassaber nur ganz wenige Funde in die eigentliche Eisenzeit hinüber-
führen. Doch schliesst Verfasser auf Grund dieser letzteren, theils der Hallstatt-, theils
der la Téne- und selbst der Rómerzeit angehórigen Funde, dass einzelne günstig ge
legene Pfahlbauten bis in die Römerzeit hinein bewohnt gewesen seien. Letztere Mei-
nung findet sich allerdings da und dort in einschlägigen Schriften, wobei die Vernichtung
der Pfahlbauansiedlungen mit dem von Strabo berichteten Seetreffen des Tiberius gegen
die Vindeliker zusammengebracht wird. Meines Erachtens ganz mit Unrecht. Denn die
dieser späteren Periode angehörigen Funde sind so wenig zahlreich und meist an solchen
Punkten gemacht, dass sie ebensowohl von Anlagen herrühren können, die für Zwecke der
Fischerei und Schiffahrt oder der militärischen Ueberwachung dienten Wollte man den
vereinzelten Funden jene Bedeutung beilegen, dann müsste man ja auch ein Fortbestehen
der Pfahlbauwohnungen bis in die alamannische Zeit und spáter annehmen, da auch
Fundgegenstünde dieser Epoche nicht fehlen. Und ein weiterer Grund: Verf. selbst zieht
als ein Resultat seiner fleissigen Untersuchung, dass die Pfahlbauten des Bodensees i?
Anlage und Fundergebnissen (abgesehen von der geringen Anzahl der Bronzen) in allen
Hauptsachen vollständig mit denen der schweizerischen übereinstimmen. Nun steht abe
für letztere, soweit sie an den grossen Vôlker- und Handelsstrassen liegen, fest, dass sie
die Anfänge der Hallstattkultur nicht überdauert haben. Dasselbe gilt daher auch für
den Bodensee, wo dieselben Gesichtspunkte walten. In abgelegeneren Gegenden, an den
Seen Thraciens (Prasias) und sonst. mag sich die Sitte der Seewohnungen immerhin länge”
gehalten haben. .
Noch auf einen Punkt möchte ich etwas näher eingehen. Die Feststellung, ob IP
dem oder jenem Pfahlbau des Bodensees Bronze gefunden wurde, ist oft eine recht miss”
liche, Einmal aus dem Grunde, weil sehr viele der Bodenseealterthümer in alle welt
hinausgewandert sind. Sodann aber wurde den vereinzelten Funden nicht immer die 8°
nügende Beobachtung geschenkt, theils weil die Bodensee-Bronzen meist mit einer sehr ent”
stellenden Kalkkruste zu Tage kommen, theils weil ja dieselben Gegenstinde aus den
Pfahlbauten der Schweiz viel schöner und reichlicher bekannt waren. Daher wird noch
Manches durch künftige Funde rectificirt werden können. Nur wäre sehr zu wünsche?
dass bei weiterer Ausbeutung solcher Pfahlbauansiedelungen die bis jetzt noch sehr häufig“
Art der Ausbaggerung möglichst beschränkt, unbedingt aber da untersagt würde, WO bel
niederem Wasserstand und dureh Abdämmen eine Trockengrabung vorgenommen werden
kann. Denn im letzteren Fall läst sich bei vorsichtigerem Abtragen dünner Horizontal
Besprechungen. 94^
schichten durch Sachverständige schon beobachten, wie innerhalb des steinzeitlichen Sta-
diums die Entwickelung der einzelnen Typen vor sich geht und ob der Uebergang zur
Bronzezeit ein allmühlicher ist, — wie Verf. für den Bodensee annimmt, — oder ob sich
mit einem Schlage eine ganz neue, im Besitze der Bronze befindliche Kultur darüber
legte. Natürlich haben nur an verschiedenen Orten gemachte Beobachtungen die Gewähr
der Sicherheit und muss vor Allem in den reicheren Stationen der Schweiz darauf geachtet
werden. In der Pfahlbauausplünderung ist schon eine Menge von Resultaten für alle Zeiten
Vernichtet worden. Sehe man zu, dass den wenigen Stationen, die noch einigermaassen
intact geblieben sind, das abgewonnen wird, was dem jetzigen Stande der Wissenschaft
entspricht.
Zum Schlusse môchte ich noch dem Wunsche Ausdruck verleihen, dass einige der
Wichtigeren Pfahlbauansiedelungen des Bodensees eine mehr eingehende Darstellung fänden.
So sind in Bodmann im letzten Sommer sehr bedeutende neue Funde gemacht worden.
Namentlich ist die Zahl der Thongefüsse so gross, wie in irgend einer Station der Sehweiz.
Die Zusammenstellung der Haupttypen würde ein wichtiges Vergleichsmaterial ergeben.
Karl Sehuhmacher.
Alois Raimund Hein: Maeander, Kreuze, Hakenkreuze und urmotivische
Wirbelornamente in Amerika. Ein Beitrag zur allgemeinen Ornament-
geschichte. 48 Seiten 8*, 30 Original-Illustrationen, Wien. ( Alfred
Holder) 1891.
1 Das in erfreulicher Weise stetig an Ausdehnung zunehmende Interesse an der E!hno-
0gie hat bereits begonnen, einige Specialitàten zu zeitigen. Die eine derselben, die
Ethnographie des Ornaments, wird erfolgreich von dem Verfasser betrieben, dessen Mono-
Sraphie über die bildenden Künste bei den Dayaks auf Borneo auf Seite 168 und 169 des
Yorigen Jahrganges ihre Besprechung gefunden hat. In der vorliegenden Schrift sind
auge „Urmotive“ aus Amerika zum Gegenstande der Untersuchung herausgehoben, welche
"i Analogie in allen möglichen anderen Gebieten unseres Erdballes finden. Aber
à Wird versucht, den Nachweis zu führen, dass aus dem Bestande einer mit Symboltypen
C alten Welt nahe verwandten prühistorisch-indianischen Ornamentik sich die Ueber-
o Sung künstlerischer Traditionen nach dem Westen noch nicht folgern lässt und dass
yy ein müssiges Unternehmen aufgefasst werden muss, wegen einiger religiösen, so-
vin en oder ornamentalen Analogien das vorcolumbische Amerika zu einer geistigen Pro-
bos Europas oder Asiens machen zu wollen. Denn ,der Punkt, die gerade und die ge-
aene Linie, die geradgebrochene Linie und das Zickzackband in seinen verschieden-
die re Bildungen, das Dreieck, das Viereck, der Kreis, die Spirale, — das sind Elemente,
Wess der Ornamentik jedes Volkes vorkommen.* ,Die Kunst des Flechtens und des
Gies. die Handhabung der Topferscheibe, das Schnitzen des Holzes, das Hämmern und.
an a der Metalle mussten die Vôlker nicht erst einander abgelernt haben. Ein Blick
hóeher Erzeugnisse in vollster Abgschiedenheit lebender Naturvôlker überzeugt uns, dass
Wacht beachtenswerthe Leistungen auf den verschiedensten Kunstgebieten an Orten ge-
Be dig den, wo man vergebens nach einem Lehrmeister fragen würde. Die menschlichen
bse, nisse, in ihrer elementaren Ursprünglichkeit auf der ganzen Erde vollkommen iden-
Ca naturnothwendig eine bedeutende Aehnlichkeit der zu ihrer Befriedigung
same A rachten Objecte zur Folge haben. Unter allen Himmelsstrichen werden schmieg-
gedr as astische Stoffe zu Kórben und Matten verarbeitet, wird die Pflanzenfaser gesponnen,
Schnitten gezwirnt, Gefässe geformt, Werkzeuge geschmiedet, wird Holz gespalten, ge-
Variation Eee mir Dass die Gebrauchsgegenstünde, unbeschadet der tausendjährigen
Abe, anc essetben Themas, eine grosse Aehnlichkeit besitzen, kann uns nicht befremden."
Verbreit, ie Ausschmückung dieser Geráthe zeigt uns Decorationstypen von universeller
und ihrer & en man als ornamentale Urmotive bezeichnen kann. Solchen Urmotiven
it eine ast immer mit ihnen verbundenen symbolischen Bedeutung ferner nachzuspüren,
ohnende Aufgabe, welche auch sicherlich einst der Kunstgeschichte zu Gute
240 Besprechungen.
kommen wird. Denn die Wege, welche zu den Anfangsstadien der Kunstentwickelung zu-
rückleiten, sind bis jetzt noch fast günzlich unbetreten. Aber bis die Kunst dasjenige
wurde, was heute ausschliesslich den Gegenstand kunstwissenschaftlicher Betrachtung aus-
macht, mussten ganze Vülkergenerationen erstehen und wieder verschwinden, und um von
deren Können ein richtiges Bild zu gewinnen, vermag nur die vergleichende Ethnologie
die nöthigen Handhaben herbeizuschaffen. Max Bartels.
Garrick Mallery. Israeliten und Indianer. Eine ethnographische Parallele.
Aus dem Englischen von Friedrich 8. Krauss. Vom Verfasser berech-
tigte Uebersetzung. 105 Seiten kl. 8°. Leipzig. (Th. Griebens Verlag)
[L. Fernau]. 1891.
Es ist ein dankenswerthes Unternehmen von Friedrich S. Krauss, dem gelehrten Er-
forscher des südslavischen Volksthumes, die vorliegende kleine Schrift des bekannten Ethno-
logen einem weiteren Leserkreise zugänglich zu machen. Der Titel des Werkchens kännte
zu der Vermuthung Veranlassung geben, dass hier wieder die veraltete Hypothese
hervorgezogen wäre von der direkten Abstammung der Indianer von einem der verlorenen
zehn Stämme Israels. Diese eine Zeitlang so bewunderte Behauptung wird mit Recht
in das Gebiet der Fabel verwiesen. Aber dennnoch werden uns Seite für Seite die über-
raschendsten Analogien in den Anschauungen, Sitten, Gesetzen u. s. w. zwischen den In-
dianern und den Israeliten vorgeführt. Hierdurch soll aber keinerlei Verwandschaft be-
wiesen werden, sondern dieselben sollen weiter gar nichts darthun, als dass auch das
israelitische ,Gesetz^ nichts von vornherein Fertiges darstellt, sondern dass es eine lange
Entwickelungsgeschichte durchzumachen hatte, welche sich in nichts von derjenigen unter-
scheidet, was wir bei den Indianern, aber auch bei allen möglichen anderen Völkern
zu beobachten vermögen. Denn das mag hier gleich angeführt werden: die Indianer sind
hier nur ein Paradigma, für welches ebenso gut irgend ein anderes der sogenannten
Naturvölker hätte gewählt werden können, Und darin liegt der Schwerpunkt und das
Wichtige in Mallery’s Abhandlung. Sie führt uns in knapper und klarer Form die Ent-
wickelung in dem geistigen Leben der Völker vor, sowohl in Bezug auf die „religiösen
Grundvorstellungen“, d. h. die Anschauungen über die Existenz der Götter und Dämonen,
und über deren Priester und Beschwörer, über das Leben nach dem Tode, über Träume,
Weissagungen, Opfer und Reinigungen, über den Sabbath und die Beschneidung, als
auch in Bezug auf den Parallelismus der Mythen und endlich in Bezug auf die so-
cialen Einrichtungen, das Clanwesen, die Ehegesetze, die Strafen und Freistätten, den
Land- und Grundbesitz und die Adoption, So bietet das kleine Werk eine Fülle von Be-
lehrung und Anregung dar und versetzt uns in die Möglichkeit, manchen absonderlichen
Gebrauch eines fremden Volkes, über den uns die Reisenden Nachricht geben, in richtiger
Weise in seinen Entstehungsgründen zu begreifen und zu erklären, Die Uebersetzung ist
fliessend und die Verlagsbuchhandlung hat es nicht unterlassen, der kleinen Schrift eine
gute Ausstattung zu geben. Max Bartels.
Snell: Hexenprozesse und Geistesstórung. Psychiatrische Untersuchungen:
130 Seiten 8°. München (J. F. Lehmann) 1891.
Eine der traurigsten Perioden menschlicher Verirrung und, man kann wohl hinzu
setzen, Verthierung wird uns von dem Verfasser vorgeführt. Er zeigt, wie im 18. Jahr
hundert zuerst die blutigen Ketzerverfolgungen begannen, welche gegen alle diejenige?
gerichtet waren, die sich der geistlichen und weltlichen Macht der Kirche nicht un
bedingt fügen wollten, so z. B. gegen die Stedinger 1233, die dem Erzbischof von Breme?
die Zahlung des Zehnten verweigert hatten. Spüter gingen hieraus die Hexenprozesse; hervot»
welche die einmal Angeklagten rettungslos zu Grunde richteten. Denn die Folter, presste
G
Besprechungen, 249
ihnen das Zugeständnis aller ihnen zur Last gelegten Schandthaten aus und zwang sie
auch, eine Anzahl von Mitschuldigen namhaft zu machen, welche dann ebenfalls dem
peinlichen Gerichte und schliesslich einem qualvollen Tode verfallen waren. Dass die
Mehrzahl der Geständigen ihre Schuld nicht glaubten, weist der Verfasser überzeugend
nach. Es liegen zahlreiche Zeugnisse ihrer Beichtväter vor, welchen sie vor dem Tode
bekannten, dass sie unschuldig seien, mit der flehentlichen Bitte aber, dieses geheim zu
halten, damit sie nicht von Neuem den Schrecknissen der Folter übergeben würden. Die
Von einigen Autoren vermuthete Wirkung der Hexensalben weist der Verfasser zurück.
Es ist bekanntlich bisweilen behauptet worden, dass sich die Hexen durch die Einreibung
bestimmter narkotischer Salben in einen künstlichen Schlaf mit erotischen Träumen ver-
Setzt und später ihre im Traum erlebten Teufelsbuhlschaften als wirkliche Thatsachen ange-
Sehen hátten. "Nun kommt aber einerseits den uns bekannten Hexensalben, deren genaue
Recepte auf uns gekommen sind, eine derartige Wirkung gar nicht zu, und andererseits
Würde, selbst wenn die Salbe in der beschriebenen Weise wirksam gewesen wire, die Hexe
dem ersten Versuche die Anwendung einer zweiten sicherlich nicht haben folgen lassen;
denn der geschlechtliche Verkehr mit dem Teufel wird in allen Hexenprocessen, welche
Aussagen darüber enthalten, übereinstimmend als ausserordentlich unangenehm, quälend
und schmerzhaft und nichts weniger als wollüstige Empfindungen hervorrufend geschildert.
Nun giebt es aber vereinzelte Fülle, und auch dafür werden Beispiele herbeigebraeht, wo
die Unglücklichen sich selbst beschuldigten und es selber glaubten, dass sie mit dem
Teufel einen Bund geschlossen und allerlei Böses verübt hätten. Diese sind aber nur in
Verschwindender Anzahl und das waren zweifellose Geisteskranke, Melancholiker, deren
Selbstanklagen, wie das bei dieser Art der geistigen Stórung immer der Fall ist, nur die
Zeitgemässe Richtung genommen hatten. Auch kommen sicherlich noch einige andere
Arten von Psychosen vor. Denn die Gerichtsakten sprechen von eigenthümlichen Fällen
Yon Krämpfen und von Anästhesien; auch bezüchtigten sich einige Hexen selber der Teufels-
buhlschaft mit den oben bereits erwähnten unangenehmen und sogar erheblich schmerz-
haften Empfindungen. Ganz gleiche Fälle von Hallucination eines schmerzhaften Ge-
a lechtsverkehres sind auch heute noch in unseren Irrenhäusern zu finden. Immerhin
?r bilden diese wenigen, wirklich Geisteskranken an Zahl eine verschwindende Minorität
Segen die Zehntausende Gesunder, welche unschuldig und im vollen Bewustsein ihrer Un-.
"huld dem Feuertode überliefert wurden.
H Es ist aber im Wesentlicheu eine andere schwere Nervenerkrankung, welche in den
als processen eine hervorragende Rolle gespielt hat. Das ist die Hysterie. Dieselbe ist
va eine wichtige Ursache der Hexenprozesse zu betrachten. Aber nicht die Verklagten
Ben die Hysterischen, sondern die hysterischen Anfälle anderer Personen wurden als
mr elt aufgefasst und die Verursachung dieser Besessenheit wurde den Verklagten
von n gelegt. Für diese sicherlich richtige Annahme führt der Verfasser eine Reihe
elegen vor, deren Beweiskraft man sich wohl nicht entziehen kann.
Max Bartels.
Heinrich von Wlislocki: Märchen und Sagen der Bukowinaer und Sieben-
bürger Armenier. Aus eigenen und fremden Sammlungen übersetzt.
188 Seiten 8°. Hamburg. 1892.
Si Der Verfasser, welehem wir bereits mehrere wichtige Arbeiten über die Zigeuner
und ürgens verdanken, bietet uns hier eine Sammlung von 60 armenischen Märchen
Thierfabeln und von gegen 100 Spriichwortern dar, welche, wie er selbe iebt
»Schr abel geg prüchwôrtern dar, welche, wie er selber angiebt,
menie fast Wort für Wort“ übertragen sind. Sie sind um so wichtiger, als die
Von der 5 » Sprache in Siebenbürgen immer mehr und mehr verschwindet und „nur noch
noch bei teren Generation als Conversationssprache gebraucht, in den Schulen aber nur
eine Sho Religionsunterricht* angewendet wird. In der Thierfabel spielt der Fuchs
Märche iche Rolle, wie bei uns; nur einmal erscheint er als überlisteter Prahlhans. Die
N haben meist einen versöhnlichen Schluss und viele von ihnen werden gewiss auch
250 Besprechungen,
von unserer Kinderwelt sehr gern gelesen werden. Sie bieten nicht selten Anklünge an klassisch
antike oder an nordische Sagen. Was den Ethnologen an ihnen besonders interessirt, sind
mancherlei Züge des auch heute bei jenem Volke noch gültigen Volksglaubens, der hier und da
zum Vorschein kommt; Wlislocki hat es nicht versäumt, auf diese besonders hinzuweisen
und in den Anmerkungen ihre Erklärung zu geben. Unter den Sprüchwörtern ist Manches,
das uns fremdartig anmuthet. Andere Lebensbedingungen zeitigen eben andere Sprüchwürter-
Nicht wenige aber auch bieten im fremden Gewande den gleichen Gedankengang, wie viele
unserer gebrüuchlichsten Sprüchwürter dar. Die Ausstattung des Buches in Bezug auf Druck
und Papier móge hier noch rühmend hervorgehoben werden. Max Bartels.
G. Hellmann: Meteorologisehe Volksbücher. Ein Beitrag zur Geschichte
der Meteorologie und zur Kulturgeschichte. Sammlung populärer Schriften,
herausgegeben von der Gesellschaft Urania zu Berlin. No. 8. 53 Seiten
gross 8?. Berlin. (Hermann Paetel.) 1891.
Der Verfasser entrollt ein Stück Kulturgeschichte des 15. bis 19. Jahrhunderts,
welches der Mehrzahl der Leser wohl neu sein dürfte. Es ist geradezu staunenswerth,
welche Menge meteorologischer Volksbücher, gewöhnlich mit dem fragwürdigsten Inhalte,
in der genannten Zeitperiode auf den Büchermarkt kam. So erschienen vor 800 Jahren
allein in Deutschland mehr als 10 verschiedene ,Bauern-Praktiken* im Jahre. Der Zeit-
raum von 1596—1595 brachte deren 140, das Jahr 1590 allein 19 hervor. Die meisten
basirten auf falschen astrologischen Voraussetzungen, deren Schatten in dem ,Hundert-
jührigen Kalender* bis in die jüngste Neuzeit reichen. Diese Art der Volksliteratur war
häufiger und gelesener, als selbst die Bibel. Einige der wichtigsten dieser Bücher werde?
genauer besprochen und drei seltene Titel sind in treuer Nachbildung wiedergegeben.
Max Bartels.
Skandinavisches Archiv. Zeitschrift für Arbeiten Skandinavischer Ge-
lehrter (d. h. Schwedens, Norwegens, Dänemarks und Finlands) auf
dem Gebiete der Philologie, Philosophie und Geschichte, herausgegeben
von Edward. Theodor Walter, Lektor für deutsche Sprache an der
Universität Lund (Schweden). Gleerupsche Universitäts- Buchhandluns
(Hjalmar Möller) 1891. Heft 1 und 2.
Die obige Zeitschrift soll ein Archiv bilden für die wissenschaftlichen Bestrebunge?
der Gelehrten Schwedens, Norwegens, Dänemarks und Finlands auf den gekennzeichnete”
Gebieten. Die Aufsätze können, in einer der skandinavischen Sprachen abgefasst, einge
sandt werden. Ihre Uebertragung ins Deutsche erfolgt kostenlos unter VerantwortuDe
der Redaktion. Ausnahmsweise kónnen in französischer oder englischer Sprache abgefasst?
Arbeiten in der Originalsprache zur Veröffentlichung gelangen. Das Archiv erscheint 7?
zwanglosen Heften, deren 4 einen Jahrgang von mindestens 82 Bogen bilden. Der press
beträgt jährlich 15 Mark.
Das 1. und 2. Heft des 1. Bandes, welche vorliegen, umfassen:
1. Axel Kock (Professor in Gothenburg) ,Untersuchungen zur ost- und west
nordischen Grammatik.“ 2) Fredrik Wulff (Professor in Lund) ,Von der Rolle de”
Accents in der Versbildung. 9) Sam. Wide (Docent in Uspala) Bemerkungen ZU de
spartanischen Lykurgos-Legende.* 4) Sven Linde (Docent in Lund) ,Ueber »
Carmen Saliare. 5) George Stephens (Prof. in Kopenhagen) VER = SPRING er
englischer Sprache). 6) Reinhold Geiger (Professor in Uspala) ,Hermann Lotzes Philo
sopheme über die Raumanschauung. I. Von der inneren Structur der Raumanschauu?s
und endlich eine Uebersicht über die der Redaktion zugegangenen Schriften.
Besprechungen. 95]
Wenn wir schon vom allgemeinen Standpunkt aus mit aufrichtiger Theilnahme eine
derartige Centralisation der wissenschaftlichen Bestrebungen des skandinavischen Nordens
begrüssen, so macht die gewählte Form uns selbige doppelt sympathisch, indem wir neben
den internationalen Gesichtspunkten einen engeren Anschluss an die deutschen wissen-
schaftlichen Studien analoger Art darin erblicken und eine vielversprechende Gemeinschaft
80 zu hoffen steht Bricht doch auch überall in Ziel und Methode eine erfreuliche Homo-
Seneität der Anschauung hindurch, wie auch die behandelten Themata geeignet sind, mannich-
fach anzuregen. Philologische und historische Kreise möchten wir besonders auf den Aufsatz
von Linde über das Carmen Saliare aufmerksam machen. Der Verfasser erörtert die Be-
deutung desselben in eingehendster Weise, und wenn wir gleich nicht der Etymologie
und Deutung des Namens der Salier als Sancti, „die Heiligen“, zustimmen können, so hat
uns destomehr die Erklärung des bisher unverständlich gebliebenen, von Varro überlieferten
Fragments in ihrer scharfsinnigen Weise angesprochen. Verf. verwirft alle bisher ver-
Suehten Herstellungsversuche als von dem falschen Princip der Buchstaben-Konjektural-
kritik ausgehend. Er findet in der betreffenden Stelle nur eine Zusammenstellung von
Wörtern aus den betreffenden Liedern, um gewisse „sprachliche“ Data und Fakta zu be-
leuchten, und indem er diesem Gedanken nachgeht, wirft er ein ganz neues Licht auf die
bisher so räthselhaft erscheinenden Citate des Varro. — Wir wünschen dem Archiv ge-
deihlichen Fortgang und vielseitige Verbreitung. W. Schwartz.
Emil Carthaus. Aus dem Reich von Insulinde. Sumatra und der ma-
laiische Archipel. Leipzig 1891. Wilh. Friedrich. 8. 267 Seiten.
Verfasser, der als Geolog während der Jahre 1888 und 1889 im malalischen Archipel
beschäftigt war, giebt im vorliegenden Werke eine eingehende Schilderung der Eindrücke
"nd Beobachtungen, welche er dort gesammelt hat. Der naturwissenschaftliche Theil der-
Selben, welcher ausser den geologischen Verhältnissen auch die Flora und Fauna be-
handelt, ist, entsprechend dem mehr populären Zweck dieser Publikation, verhältnissmässig
"Usammengedrüngt, liefert aber ein recht anschauliches Bild der fremdartigen Natur.
esführlicher wird ein Ausflug zu dem Vulkan Kantjah, der nach längerer Ruhe im März
9 einen neuen Ausbruch machte, beschrieben (S. 229).
hält Der grössere Theil der Schrift betrifft ethnographische und nationalókonnische Ver-
An Nisse, mit der besonderen Absicht, europäischen und speciell deutschen Zuzüglern eine
a von den Zuständen und Lebensbedingungen zu geben, die ihrer warten. Ob-
für hà dem Titel des Buches von Insulinde (der barbarische Ausdruck der Holländer
Shp onesie) und von dem malaiischen Archipel im Allgemeinen die Rede ist, so be-
pt CC sich die Darstellung doch vorzugsweise auf das Gouvernement ,Sumatra's West-
ng in welchem er thätig war. Es ist derjenige Theil des Landes, der zwischen Atchin
und Dion (den Lampong'schen Distrikten) gelegen ist und die Padang'schen Ober-
tis, poterlinder nebst Tapanuli umfasst. Seine Schilderung, obwohl mit mancherlei sta-
—— Angaben durchsetzt, würde bei einem mehr umfassenden Studium der lite-
Bilq en Quellen gewiss sehr gewonnen haben. Immerhin gewührt sie ein lebendiges
M der Lebensweise und den Eigenthiimlichkeiten der Bevölkerung, Yon den Ein-
der Con der hollàndischen Regierung und ihrer Beamten, sowie von den Möglichkeiten
Propos ation und der wirthschaftlichen und industriellen Ausnutzung der natürlichen
letztere T Der Gesammteindruck in Bezug auf die Betheiliguug der Europäer an den
IWeck 1 hätigkeiten ist ein recht niederschlagender; man muss annehmen, dass der Haupt-
Mágg pps RE der gewesen ist, die europäische Einwanderung in jeder Form nach
der Verts zu beschränken. Vielleicht wäre dieser Eindruck noch verstärkt worden, wenn
die Star. die Einwirkung dieses gewaltigen und so überaus reichen Inselbesitzes aut
die leido; ingen Hollands einer kritischen Prüfung unterzogen hàtte. Seine Darstellung,
Berade te proton Parenthesen in unbequemer Weise unterbrochen wird, dürfte jedoch
Merksame see rer verhältnissmässig unbefangenen und offenen Aussprache für den auf-
er werthvoll sein.
252 Besprechungen.
In Betreff der Bevölkerung vertritt der Verfasser die Meinung (S. 25), dass vor den
Malaien in Sumatra papuanische Stämme gehaust haben. Er citirt die Angabe des Assi-
stent-Residenten Kooremann, dass an der Westküste von Sumatra bis weit über Pa-
dang hinaus an verschiedenen Stellen sehr alte Grüber existiren, welche die Einge-
borenen den Orang-Rupis, einer nicht-malaiischen Bevólkerung, zuschreiben, aber der erste
und, wie es scheint, einzige Versuch einer Ausgrabung ergab nur arg verwitterte Knochen-
reste mit etwas Holzkohle und kleinen Thonscherben. Verfasser appellirt mit Recht an die
niederländische Regierung, diese Gräber einer genaueren Untersuchung unterziehen zu lassen.
Lebende Reste von Papuas hat er nicht getroffen. Die Malaien, welche er als „jüngere“ be-
zeichnet, versetzen ihre Wiege in das Königreich Menang-Kabau, das jetzige Gouverne-
ment Sumatras Westküste; von hier aus hätten sie später die Halbinsel Malacca be-
vólkert und seien dort zum ersten Mal unter dem Namen Orang-Malaiou (Wandermenschen)
aufgetreten. Von da seien sie nach den Küsten der Sunda-Inseln gekommen und hátten,
wie auf Borneo, die ,ülteren* Malaien ins Innere zurückgedrángt (S. 28).
Rud. Virchow.
Achelis: Adolf Bastian. Sammlung gemeinverstándlicher wissenschaft-
licher Vortrüge, herausgegeben von Rud. Virchow und Wilhelm Watten-
bach. Heft 128. Neue Folge, Sechste Serie. Hamburg. 1891.
Der eigentliche Lebenslauf Bastian’s wird in dieser interessanten Schrift auf nur
wenigen Seiten abgehandelt. Um so eingehender aber schildert der Verfasser das durch
endlose Mühen und stets zielbewusste Arbeit in so herrlicher, in der gesammten civilisirten
Welt anerkannter Weise aufgerichtete Werk des gelehrten Forschers: die Begründung und
den Ausbau der modernen wissenschaftlichen Ethnologie. Wie Bastian hier mit den alt-
hergebrachten, auf haltlosen Spekulationen beruhenden Hypothesen aufger&umt hat, wie
er bahnbrechende, neue Anschauungen schuf und wie er in das Studium der Ethnologie
die naturwissenschaftliche Methode eingeführt hat, welche ihre Schlüsse nur aus wirklich
beobachteten Thatsachen zu ziehen sucht, das wird uns in fesselnder Weise, oft mit Bastian®
eigenen Worten, vorgeführt. So bildet die kleine Schrift gleichzeitig einen kurzen Abriss
der Geschichte der heutigen, wissenschaftlichen Vólkerkunde. Es steht zu erwarten, dass
sie sich zahlreiche Freunde erwerben wird. Max Bartels.
Dierks, Gustav: Helgoland. Sammlung gemeinverstindlicher wissen"
schaftlicher Vortrüge, herausgegeben von Rud. Virchow und W. Watten"
bach.. Heft 121. Hamburg, 1891.
Das grün-roth-weisse Nordsee-Eiland wird von dem Verfasser in seinen geologische?:
historischen und politischen Verhältnissen geschildert, welche sämmtlich noch Vielerle
des Räthselhaften und Unaufgeklürten enthalten. Die kleine, anziehend geschriebene
Abhandlung wird sicherlich den vielen Freunden Helgolands eine willkcmmene Gabe sell
Max Bartels.
Meyer, Ohristian: Eine deutsche Stadt im Zeitalter des Humanismus und
der Renaissance. Sammlung gemeinverstindlicher wissenschaftlicher Vor-
träge. Herausgegeben von Rud. Virchow und Wilhelm Wattenbach-
Heft 122. Hamburg. 1891.
Die deutsche Stadt, welche der Verfasser meint, ist Augsburg, dessen Umwandlung
zu der ihr heutigen Tages noch aufgeprügten Physiognomie durch den Baumeister Elia?
Holl uns vorgeführt wird.. Aber auch das geistige und politische Leben auf den Gebiete?
der anderen Künste, der Wissenschaften und der tüglichen Gewohnheiten wird in an
regender Weise geschildert. Max Bartels.
+
ZEITSCHRIFT
FÜR
VOLOGIE
0
Organ der Berliner Gesellschaft
Anthropologie, Ethnologie und. Urgeschichte.
Redactions - Commission:
A. Bastian, R. Hartmann, R. Virchow, A. Voss.
Dreiundzwanzigster Jahrgang. 1891. — Heft VI.
BERLIN.
VERLAG VON A. AsHER & Co.
für
1891.
Es wird gebeten, Geldsendungen für die Berliner anthropologische Gesellschaft, =
besondere Beiträge der Mitglieder, an den Schatzmeister, Hrn. Banquier W. Ritter , T
Charlottenstrasse 74/75, dagegen an das Bureau der Gesellschaft, SW. Kôniggrätze,
strasse 120, im Kgl. Museum für Vôlkerkunde, alle anderen geschiiftlichen Mittheilung »
zu adressiren, z. B. Ammeldungen neuer Mitglieder, Adressenveriünderungen, Reclan
tionen (wegen nicht erhaltener Hefte der Zeitschrift oder Nummern des Correspondenzblatf?r
der Einladungen zu den Sitzungen, der für die correspondirenden Mitglieder bestimm ek
Sitzungsberichte oder der Sonderabzüge von Mittheilungen), Zusendungen an die Biblioth
der Gesellschaft, Correspondenz, betreffend Austausch von Zeitschriften u. A. des
Bei Anmeldung neuer Mitglieder ist ausser Angabe der Wohnung auch die Angabe ‘ oi"
Yornamens wünschenswerth und behufs Vermeidung von Irrthümern auf eorrecte Sehr en
bung der Zunamen zu achten. Letzteres gilt auch für die Anzeige von Adressenveränderut£ y
Nur diejenigen Reclamationen wegen fehlender Hefte oder Nummem von Schrift of
welche sogleich nach Eingang der niichstfolgenden Nummer angebracht werden, kon?
mit Sicherheit erledigt werden.
Inhalt.
Verhandlungen der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschicht®
Sitzung vom 18. Juli 1891 (Schluss). Bogenspannen. (11 Autotypien und Zinkogt)
v. Luschan (Schluss). S. 673. — Bohnen der Canavalia von den Chinhills in HP jon
indien zur Bereitung von Schiesspulver. Nótling, R. Virchow S. 678. — Excur® je)
nach Salzwedel und in das megalithische Gebiet der Altmark. R. Virchow (Autot?P y
S. 619, E. Krause 8.682. — Der moderne Proteus und der Hautmensch. R. Virt
S. 682. — Eingegangene Schriften S. 684. "
Sitzung vom 17. October 1891. Ehrenprisident S. 687. — Legat von H. Schliem^"
S. 687. — Staatsbeihülfe für die Gesellschaft S. 687. — Fräulein J. Mestorf 8. 62" _
Todesfälle (Kopernicki, Wilken, Hahn, Quedenfeldt, Voigtel, Rackwitz, Fabri) S. 68 go
Neue Mitglieder S. 688. — Jubiläum von W. Schwartz S. 688. — Dr. F. Td
S. 689. — 50jähriges Jubiläum des Vereins von Alterthumsfreunden im Rhei nd
S. 689. — Hauptversammlung der Oberlausitzer Gesellschaft für Anthropologie pes
Urgeschichte S. 689. — Russisches Institut zur ethnographischen und archäologis y,
Erforschung des Orients in Constantinopel S. 689. — Papuanische Gesichtsmag, op.
Schellong, Castan S. 689. — Expedition nach den centralafrikanischen teil
Borchert, Graf Schweinitz S. 690. — Prühistorischer sicilianischer Betty, gj.
P. Orsi S. 690. — Ausgrabungen zu S. Lucia im Litorale und archaische BronZ*e voi
(Zinkogr) Marchesetti S. 691. — Nephritgruben von Schachidula und Schle" st
von Chotan. (Situationsplan.) Conradt S. 692, Virchow S. 698. — Usambar% ch)
Africa. Conradt S. 693. — Prihistorische Steinwaffen in Ober-Birma. (2 Hola gr)
Nätling S. 694, Virchow S. 695. — Caximbos in Süd-Brasilien. (22 Zim, oar)
Kunert S. 695. — Darstellungen aus der mykenischen Gôtterwelt. (2 Zit (12
Krause S. 699, R. Virchow S. 701. — Steinzeitliche Ornamente aus Pomme!” pei
Zinkogr.) Schumann S. 702. — Slavische Schädel vom Galgenberg und Silberbers nd
Wollin, Pommern. Schumann S.704 — Gräberfeld auf dem Galgenberg®, im
slavische Grabfunde bei Wollin. (12 Zinkogr.) Walter S. 708. — Steinmulde^. he
Fichtelgebirge. (5 Zinkogr.) L. Zapf 8. 717. — Erláuterungen und beweisende VerE ^yge
zur Steinkarten- Theorie. (19 Zinkogr) F. Ródiger S. 719. — Wohnhäuser schen
Schornstein in Hinterpommern. E. Lemke S. 725. — Schwanzbildung beim Meni
auf Sumatra. Bartels S. 725. — Hôlzemes Thürschloss von Barbis im 5270"
(2 Zinkogr.) v. Alten S. 725, Vircho w S. 726. — Photographien der ältesten = des
tischen Bronzen des Berliner Museums. C. Günther S.726. — Erwerbung® Auto
Märkischen Prov.-Museums. Buchholz S. 726. — Mandragora-Wurzeln. © pote”
typien) v. Luschan 8.726, P. Ascherson S.729, R. Beyer S. 738. — ag de}
graphien der Benong Ahong, Nhongeh. Rosset S. 746. — Generalversammlu Dé og
deutschen anthropologischen Gesellschaft und Stand der archäologischen Fo rung
in West- und Ostpreussen. R. Virchow, S. 746. — Die altpreussische Bevo S. 767:
namentlich Letten und Litauer, sowie deren Hauser (11 Zinkogr.. R. VirchoV
— Eingegangene Schriften S. 805. Q^
Sitzung vom 21. November 1891. Ausschuss S. 807. — Neues Mitglied 8. 60 mer
Ragotzky + S. 807. — Fräulein E. Lemke 8.807. — F. Jagor S. 807. — À Formos?
sische Metallspiegel. Fr. Hirth S.807, Virchow S. 809. — Bericht aus kkehr des
Hirth S. 810. — Setzerstrike S. 810. — Reise des Dr. Joest S. 810. — Rüe« gd
Dr. Belek. 8.810. — Amerikanistische Studien, prücolumbisches Tabakrats do Su.
Caximbos. v. Ihering, Bartels. S. 811. — Deutsche Zeitung für Rio Gran Breme"
S. 811. — Mikrocephale von Orotava, Habel S. 812. — Handelsmuseum Jn 5)
(Fortsetzung auf der dritten Seite des Umschlag
S. 812. — Biographie von H. Schliemann. S. 812. — Archaische Topfscherbe, angeblich
aus der zweiten trojanischen Stadt. (Zinkogr. Appleton 8.812, R. Virchow S. 818.
— Bronzeringe mit Knópfen und Thierkópfen aus Böhmen und Ungarn. (i Zinkogr.)
Szombathy S.814. — Wilder Mensch von Trikkala in Thessalien. Ornstein S. 817,
R. Virchow S. 818. — Spandauer Schädel. Vater, R. Virchow S. 818. — Hügel-
grab der älteren Bronzezeit von Mühlthal, Ober-Bayern. Naue 8.822. Schädel und
Skelet. R. Virchow S. 824. — Bésemer oder Düsemer? Hóft S. 826. — Crematorium
in Hamburg. S. 820. — Hessische Holzbauten. Bickell, Unterrichtsminister
S.891. — Brasilianische Indianer. P. Ehrenreich 8.828. — Etnographische Aus-
stellung in Prag, 1898. S. 828. — Alterthümer aus Coban in Guatemala, insbesondere
abgeschnittene Finger. E. Seler 8.828. — Reisen von Vaughan Stevens in Malacca
(Kartenskizze. Grünwedel 8.829, Staudinger S. 896, R. Virchow 8. 831. —
Die wilden Éingebornen von Malacca (4 Zeichn.) R Virchow S.837. — Im Norden
gefundene vorgeschichtliche Trompeten. (1 Holzschn.) Olshausen S. 847. — Rillen
an ägyptischen Tempeln (2 Autotypien). Junghindel S. 861, R. Virchow 8. 863.
— Eingegangene Schriften 8. 863.
Mtzung vom 19. December 1891. Dom Pedro TI. d’Alcantara +. S. 865. — Ewald,
Rômer, Liman, Hunfalvy 4 5.865. — Neues correspondirendes und Ehrenmitglied.
S. 866. — Verwaltungsbericht für 1891. R. Virchow 5. 866. — Rechenschaftsbericht
für 1891. W. Ritter S.874. Decharge S. 815. — Rechnung der Rudolf Virchow-
Stiftung für 1891. S. 815. — Neue Mitglieder S, 876. — Wahl des Vorstandes für
1899. S.976. — Bronzeringe mit angesetzten Warzen in den Sammlungen des Prager
Museums. (14 Zinkogr) W. Schulz S.877; Szombathy S. 880. — Photographie
eines litauischen Bauerngehôftes in Minge und photographische Aufnahme der Congress-
Mitglieder. Bezzenberger S. 881. — Photographien von Matebelen. Bartels S. 881.
— Durchlochte Nadeln atıs californischen Gräbern, (7 Zinkogr.) E. Lemke 8. 881.
— Diluviales Pflanzenlager von Klinge bei Cottbus. Nehring 8.888. — Photo-
graphieen von der altmárkischen Excursion. Ehrenreich 8.890. — Mandragoras.
P. Ascherson, Wetzstein S.890. — Eingegangene Schriften S. 892.
Chronologisches Inhaltsverzeichniss der Verhandlungen von 1891. 8, 897,
Autoren -Verzeichniss S. 902.
Sach-Register S. 904.
Nachrichten über deutsche Alterthumsfunde. Nr. 6.
Burgwälle in den Kreisen Berent, Stargardt und Neustadt, Westproussen. 1. Schweden-
Schanze bei Schadrau (1 Situationsskizze). 2. Der Schlossberg bei Schlossberg. (1 Situations-
ize. 3. Schwecki Ostrow bei Lissaken. 4. Burgwall von Neu-Barkoczin. 5. Das Burwark
€i Skurez (wohl nur ein Burgberg). 6. Der Schlossberg bei Casimirs. — Vorgeschichtliche
Erwerbungen des Märkischen Provinzial-Museums in Berlin. (80 Zinkogr.) 1. Skelet von
Rosenthal bei Berlin. 2. Feuersteinbeil aus der Spree bei Berlin. 3. Bronzefibula von
Rudow, Kr. Teltow. 4. Gräber bei Rusdorf von Crossen mit Käsesteinen. 5. Gräber bei
Mühlenbeck, Kr. Nieder-Barnim. — Untersuchung prühistorischer Fundstellen bei Liebstedt,
emt Weimar, Grossherzogthum Sachsen-Weimar. 1. Abfallgrube. 2. Steinkistengrab. 3.
lavisches Grüberfeld. — Bronzeschwert aus der Weser von Vlotho, Prov. Westfalen.
Titel und Inhalts-Verzeichniss für 1891.
R. Friedlinder & Sohn, Carlstrasse 4, Berlin NW.
Soeben erschien:
Neue Beiträge zur Kenntniss des Nephrit und Jadeit
von
Hofrath Dr. A. B. Meyer,
Direktor des Kgl. Zoolog. und Antropol. - Ethnogr. Museums zu Dresden.
Mit 2 Tafeln in Lichtdruck in gr. 4°. Preis 9 Mark.
Die vorliegende Arbeit bringt viel neues Material aus ganz Europa.
DE
r
LECOLE DANTHROP OLOGIE
Publiée par les Professeurs.
ES
ASSOCIATION POUR L'ENSEIGNEMENT DES SCIENCES ANTHROPOLOG!OU
(reconnue d'utilité publique)
Deuxiéme Année, 1892
A 7 of.
La Revue mensuelle de l’École d’Anthropologie de Paris paraît le I5 de chaque a
Chaque livraison forme un cahier de deux feuilles in-8° raisin (32 pages) renfermé sous
couverture imprimée et contenant : tme
1? Une legon d'un des professeurs de l'École. Cette lecon, qui forme un tout par ellem
est accompagnée de gravures, s'il y a lieu ; part
2° Des analyses et comptes rendus des faits, des livres et des revues périodiques, conce De
l'anthropologie, de façon à tenir les lecteurs au courant des travaux des Sociétes d'an
pologie françaises et étrangères, ainsi que des publications nouvelles; INE"
9? Sous le titre : Variétés sont rassemblés de notes et des documents pouvant étre utiles
personnes qui s'intéressent aux sciences anthropologiques.
PRIX D'ABONNEMENT: 10 fre
Un an (à partir du r5 janvier) pour tous pays . . . . .
La livraison : 1. fr. rie
£3: : 2
On s'abônne sans frais chez l'éditeur Félix Alcan, 108, boulevard St-Germain, F
chez tous les libraires, et dans les bureaux de poste de l’Union postale.
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Verlag von A. ASHER & Co. in Berlin W., Unter den Linde? 7
DIL
. . . . t0?
Ürnamentacion, Mitologia, Tributos y Monumen
por el
Dr. Antonio Peñafiel.
s . Fo
1 Band Text spanisch, französisch und englisch. 358 Seiten Tafel
in Halbleinewand gebunden, 2! Bände in. Mappen, enthaltend 31 48
(176 farbig, 142 schwarz), davon 299 in einfachem Format 56 : 40 em,
doppelter, 1 in vierfacher Grösse.
Preis 900 Mark.
Druck von Gebr. Unger in Berlin, Schónebergerstrasse 17a. .
: . . . F u) in Leipzi$
Diesem Heft ist ein Prospekt von Th. Griebens Verlag (L. Ferna
über „Ploss, das Weib“ beigelegt.
2
Verhandlungen
Berliner Gesellschaft
Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.
Redigirt
Rud. Virchow. | EN
(Exitos
/ntversitatis
(Frider. Guil;
“Be relin
Jahrgang 1891.
BERLIN.
VERLAG VON A. ASHER & CO.
der
für
von
1891.
Berliner Gesellschaft
für
Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.
1891.
Vorstand, 1. Januar 1891.
Dr. Rudolf Virehow, Professor, Geh. Med.-Rath, Vorsiizender.
Dr. Ernst Beyrich, Professor, | Stellvertreter des Kónigl. Museums für Volkerkunde,
D Geh. Bergrath. | des Schriftführer.
Dr Wilhelm Reiss. Vorsitzenden Dr. med. Max Bartels, Sanitütsrath, Schrift-
*. Robert Hartmann, Professor, Geh. Med.- führer, W. Karlsbad 12/13.
D Rath, Schriftführer. Wilhelm Ritter, Bankier, Schatzmeister,
T. Albert Voss, Director der vaterl. Abth. SW. Charlottenstrasse 74/75.
Ausschuss, 17. Januar 1891.
D Dr. W. Schwartz, Gymnasialdirector, Obmann.
"n À. Bastian, Professor, Geh. Reg.-Rath. ethnologischen Abtheilung des Kgl.
poem, Geh. Ober-Regierungsrath. Mus. für Völkerkunde.
D, riedel, Stadtrath. Dr. W. Joest, Professor.
À G. Fritsch, Professor. Dr. H. Steinthal, Professor.
: Grünwedel, Directorial-Assistent an der Dr. G. Wetzstein, Consul a. D.
Ehrenmitglieder, 1. Januar 1891.
p Dom Pedro Il. d’Alcantara, Kaiser von Brasilien, erwählt den 19. Juni 1875.
r
ofessor Dr. Ludwig Lindensehmit, Director Geh. Medicinalrath Professor Dr. Schaaff-
des rómisch-germanischen Central- hausen, Bonn, erwählt den 22. Juni
museums, Mainz, erwühlt d. 20. Octo- 1889.
Prof er 1883. Erau Grüfin Uwaroff, Prüsident der kaiser-
vr Dr. Carl Vogt, Genf, erwühlt den lichen Archäologischen Gesellschaft in
: Juni 1889. Moskau, erwühlt den 21. December
1889.
Correspondirende Mitglieder, 1. Januar 1891,
La mit Angabe des Jahres der Ernennung.
rs D., Professor Dr, 1889 3. Aspelin, J. R., Dr., Staatsarchae- 1874
oskau. | olog, Helsingfors, Finland.
1%
u
(^)
3. Bahnson, Kr., Dr., Assistent 1889/24. Duhmberg, Otto von, Dr., Staats- 1879
am Ethnographischen Museum, rath, Dorpat.
Kopenhagen. |25. Dupont, Edouard, Director des 1871
Baye, Baron Joseph de, Chateau 1890 Kónigl. naturgeschichtlichen
Baye, Dép. Marne, Frankreich. Museums, Brüssel.
9. Beddoe, John, M. D., F. R. S. 1871/26. Ernst, A., Dr., Director des 1878
Clifton, Glocestershire. Nationalmuseums, Carácas, Ve-
6. Bellucci, Giuseppe, Prof, Dr. 1881 nezuela.
Perugia. 27. Evans, John, D. C. L, L. L.D.. 1874
+ Bertrand, Alexandre, Director 1877 F. R., S., Pres. Num. Society
des Museums zu St.-Germain- London, Nash Mills, Hemel
en-Laye, Frankreich. Hempsted, England.
Bogdanow, Anatol, Dr. Professor, 1878/28. Fellenberg, Edmund von, Dr. 1883
Präsident der Kaiserl. Gesell- Director der archäolog. und an-
schaft der Freunde der Natur, thropologischen Sammlungen
der Anthropologie und Ethno- Bern.
logie, Moskau. 29. Flex, Oscar, Missionär, Ranchi, 1873
9. Bonaparte, Roland Prinz, Paris. 1885 Nagpore, Ostindien.
10. Brinton, Daniel G., Dr. med., 1886 30. Flower, William Henry, Prof, 1879
Professor an der Universität von F. R. S., Director des Natural
Pennsylvania, Philadelphia. | History Museum, London.
11. Burgess, J., L. L. D., C. I. E, 1887/31. Franks, Augustus W., M. A. 1872
Director Gen. of the Archaeo- F. R. S. London.
log. Survey of India, Edin- 32. Garson, J. G., M. D., London. 1889
burgh. 33. Gemellaro, Director des paláont. 1883
12. Burmeister, Hermann, Professor 1871 Museums, Palermo.
Dr. Buenos Aires. 34. Gerlach, Dr. med., Hongkong. 1880
13. Calori, Luigi, Prof, Bologna. 1871 35. Gross, V. Dr. med., Neuveville, 1880
14. Calvert, Frank, Amer. Consul, 1875 Schweiz.
Dardanellen, Kleinasien. 36. Guimet, E., Lyon. 1882
15. Capellini, G., Prof, Bologna. 1871 37. Hampel, J., Prof, Dr, Custos 1884
16. Cartailhae, E., Toulouse. 1881 am Nationalmuseum, Budapest.
17. Castelfranco, Pompeo, R.Ispet- 1883/38. Hamy, Ernest, Dr. Conservateur 1882
iore degli Scavi e Monumenti du Musée d'Ethnographie du
d'Antichità, Mailand. Trocadéro, Paris.
I? Chantre, Ernest, Professor, Sub- 1881 39. Hauer, Franz Ritter von, Dr., 1887
director des Museums fiir Natur- Intendant d. K. K. naturhistor.
geschichte, Lyon. Hofmuseums, Wien.
19. Costa, Pereira da, Dr, Prof, 1872 40. Hazelius, Artur, Stockholm. 1888
Lissabon. Al. Heierli,J., Secundarlehrer, Zürich. 1890
20. Cunningham, Alexander, Lieut.- 1875 42. Helbig Wolfgang, Dr., Professor, 1883
General, Calcutta. Rom.
21. Dawkins, W. Boyd, Professor, 1877 43. Heldreich, Dr. von, Prof., Director 1873
M. A, F. R. S, Woodhurst, des botanischen Gartens, Athen.
Jallowfield, Manchester. 44. Herrmann, Anton, Dr. phiL, 1889
22. Delgado, Joaquim Filippe Nery, 1881 Budapest.
Chef der Geologisch. Landes- 45. Hildebrand, Hans, Dr. Heichs- 1872
aufnahme, Lissabon. antiquar, Stockholm.
28. Düben, Gustaf, Baron von, Pro- 1872/46. Hirth, Fr, Prof. Dr, Tamsui, 1886
fessor, Stockholm. Formosa.
+
(0
47. Hoffmann, W. J., Dr. med.,, Cu- 1886! Amanuensis am Konigl. histor.
rator Anthropological Society, Museum, Stockholm.
Washington, D. C. | 68. Moreno, Don Francisco, Director 1878
48. Houtum-Schindler, A., General u. 1878 des National-Museums, La
Telegraphendirector, Teheran. Plata.
49. Hubrig, Missionär, Canton. 1879 [ 69. Morse, Edw. S., Professor Dr, 1889
50. Hunfalvy, Paul, Professor Dr. 1889 Director der Peabody Academy
Bibliothekar der Akademie der of Science, Salem, Mass.
Wissenschaften, Budapest. 10. Morselli, Henri, Dr. med., Pro- 1881
51. Huxley, Professor, F. R. S, 1871 fessor, Turin.
London. 11. Müller, Baron F. von, Director 1812
52. Jacques, Victor, Dr., Secrétaire 1889 des botanischen Gartens, Mel-
de la Société d'Anthropologie, bourne, Australien.
Brüssel. 12. Müller, Sophus, Dr., Museums- 1882
53. Ihering, Hermann von, Dr., Na- 1886 inspector, Kopenhagen.
turalist d. Museu Nacional von 13. Netto, Ladisláu, Dr., Director 1885
Rio de Janeiro, Rio Grande do des National-Museums, Rio de
Sul, Brasilien. Janeiro.
54. Kate, H. ten, Dr., Haag, Nieder- 1886 74. Nicolucei, Giustiniano, Professor 1871
lande. Dr., Isola di Sora, Neapel.
55. Kollmann, J., Prof. Dr., Basel. — 1887 15. Ornstein, Bernhard, Dr. med. 1877
56. Kopernicki, Isidor, Dr., Krakau. 1875 Generalarzt, früher Chefarzt der
57. Lacerda, Dr. Prof, Rio de Ja- 1889 griechischen Armee, Athen.
neiro. 76. Orsi, Paolo, Dr. Koniglicher 1888
58. Layard, Edgar Leopold, früher 1871 Inspector der Ausgrabungen,
Britischer Consul, Parä, Bra- Syracus.
silien. 77. Penafiel, Antonio, Dr, Prof, 1891
59. Leemans, Dr., Director, Leiden, 1882 Mexico.
Holland. 78. Petersen, Henry, Dr., Inspecteur 1889
60 Lepkowski, Joseph, Prof. Dr. 1876 der Erhaltung der Alterthümer,
Director des archäologischen Kopenhagen.
Cabinets, Krakau. 19. Philippi, Rudolf A, Professor 1871
61. Lortet, Louis, Prof. Dr., Direc- 1883 Dr., Santiago, Chile.
tor d. naturhist. Museums, Liyon. 80. Pigorini, Luigi, Prof., Director 1871
62. Lubbock, Sir John, Bart, M. P., 1871 des prihistorisch-ethnographi-
High Elms, Farnborough, Kent, schen Museums, Rom.
England. 81. Pleyte, W., Conservator aan's 1890
63. Majer, Prof. Dr., Präsident der 1878 Rijksmuseum van Oudheden,
64 k. k. Akademie, Krakau. Leiden, Niederlande.
- Man, Edward Horace, Assistant 1885 82. Powell, J. W., Major, Smith- 1876
Superintendent, Port Blair, An- sonian Institution, Washington,
65 damanen. D. C.
: Mantegazza, Paolo, Prof, Di- 1871.83. Prosdocimi, Cay., Alessandro, 1889
rector d. Nationalmuseums für Professor Dr., Este, Italien.
Anthropologie, Senator, Flo- 84. Pulsky, Franz von, Dr., Director 1876
66 a des Nationalmuseums, Budapest.
- Marchesetti, Carlo de, Dr., Di- 1887 '85. Radde, Gustav, Dr., Director des 1871
rector des naturhist. Museums, kaukasischen Museums, Tiflis.
" ist. 186. Radiow, W., Dr, Akademiker, 1884
* Montelius, Oscar, Dr., erster 1372’ St. Petersburg.
a
(6)
87. Rájendralála Mitra, Bahädur, 18781100. Stieda, Ludwig, Professor Dr., 1883
L. L. D., Calcutta. Konigsberg i. Pr.
88. Retzius, Gustaf, Dr, Professor, 1882 101. Studer, Theophil, Professor 1885
Stockholm. Dr., Bern.
89. Riedel, Joh. Gerard Friedr. 1871 102. Topinard, Paul, Professor Dr., 1879
Niederländischer Resident, z. Directeur adjoint du Labora-
Z. Brüssel. . toire d'anthropologie de l'École
90. Rivers, A. H. Lane Fox Pitt, 1888 pratique des hautes études,
Lieutenant-General, F. R. S., Paris.
Inspector of Ancient Monu- 108. Troll, Joseph, Dr., Wien. 1890
ments in Great Britain, Rush- 104. Tubino, Francisco M., Prof, 1871
more, Salisbury, England. Madrid.
91. Rivett-Carnac, J. H., Bengal 1882 105. Turner, Sir William, Prof. der 1890
Civil Service, Allahabád, Ost- Anatomie, Edinburg.
indien. 106. Ujfalvy de Mezä-Kôvesd, Ch. E. 1879
92. Rütimeyer, Prof. Dr., Basel. 1883 de, Professor, Paris.
93. Rygh, O., Prof. Dr., Director 1879 107. Undset, Imgvald, Dr, Museums- 1881
d. Sammlung nordischer Alter- assistent, Christiania.
thümer, Christiania. 108. Vedel, E., Amtmann, Vice- 1887
94. Salinas, Antonio, Professor, 1883 prüsident der Kón. Ges. f. nor-
Director des Nationalmuseums dische Alterthumskunde, Soró
Palermo. in Dünemark.
95. Schomburgk, Rich, Dr, Direc- 1879 109. Vilanova y Piera, Juan, Prof, 1871
tor des botanischen Gartens, Madrid.
Adelaide, Südaustralien. 110. Weisbach. Augustin, Dr, Ober- 1871
96. Serrurier, L., Dr., Director des 1889 stabsarzt, Wien.
Ethnographisch Rijks-Museum, 111.. Wheeler, George M., Captain 1876
Leiden. Corps of Engineers U.S. Army,
97. Spiegelthal, F. W., Schwedi- 1875 Washington, D. C.
scher Vice-Consul, Smyrna. 112. Wilken, G. A., Professor Dr., 1887
98. Steenstrup, Japetus, Professor, 1871 Leiden.
Kopenhagen. 113. Zwingmann, Georg, Dr., Medi- 1873
99. Stefani, Stefano de, Cav., R. 1889 cinalinspector, Kursk.
Ispettore degli Scavi, Verona.
Ordentliche Mitglieder, 1. Januar 1891.
a) Immerwührende (nach 8 14 der 4 Aehenbach, Dr. Exc. Oberprüsident,
Statuten). Potsdam.
1. Ehrenreich, Paul, Dr. med., Berlin. 5. Adler, E., Dr. med., Berlin.
2. Hainauer, Oskar, Bankier, Berlin. 6. Albrecht, Paul, Prof. Dr., Hamburg.
3. Riegler, C., Director, Heidelberg. 7. Albu, Dr. med., Berlin.
4. Sokoloski, L., Wreschen. 8. Alfieri, L., Kaufmann, Berlin.
9. Alsberg, M., Dr. med., Cassel.
b) Jährlich zahlende (nach 8 11 der 10) Althoff, Dr., Geh.Ob.-Reg.-Rath, Berlin.
Statuten). 11. Altrichter, Karl, Gerichissecretir,
1. Abeking, Frau Marie, Sanitätsraths- Wusterhausen a. d. Dosse. |
wittwe, Charlottenburg. 12. Andree, Richard, Dr. phil., Heidelberg.
2. Abel, Karl, Dr. med., Berlin. 13. Audrian-Werburg, Freih. Ferd. v., Aussee,
3. Abraham. Dr. Geh. Sanitätsrath, Berlin Steyermark.
(7)
14. Appel, Karl, Dr. phil., Kónigsberg i. Pr. | 49. Bibliothek, ^Grossherzogliche, . Neu-
15. Arons, Alb., Commerzienrath, Berlin. strelitz. t.
16; Arzruni, Andreas, Prof. Dr, Aachen. 50. Bibliothek, Stadt-, Stralsund.
17. Aschenborn, Oscar, Dr. med., Berlin. 51. Bibliothek, Universitits-, Greifswald.
18. Ascherson, F., Dr. phil., Berlin. 59. Bindemann, Hermann, Dr. med, Berlin.
19. Ascherson, P., Prof. Dr., Berlin. 53. Binzer, Ludwig von, Forstmeister a. D.,
20. Aschoff, L., Dr. Sanitütsrath, Berlin. Berlin.
21. Ash, Julius, Fabrikant, Berlin. 54. Blasius, Wilhelm, Prof. Dr., Braun-
99. Audouard, A., Major a. D., Charlotten- schweig.
burg. 55. Blell, Theodor, Gross-Lichterfelde bei
23. Awater, Ad., Dr. med., Berlin. Berlin.
94. Bär, Adolf, Dr. med., Geh. Sanitits- 56. Blumenthal, Dr. med., San.-Rath, Berlin.
rath, Berlin. 51. Boas, Franz, Dr. phil, Worcester,
35. Bürthold, A., Prediger, Halberstadt. Massachusets, Amerika. E
96. Bissler, Arthur, Dr. phil., Berlin. 58. Büninger, M., Rentier, Berlin.
97. Barchewitz. Victor, Dr, Hauptmann, 59. Boer, Dr., Kónigl. Hofarzt, Berlin. =
z. D., Berlin. .60. Borghard, A., Fabrikbesitzer, Berlin.
98. Bardeleben, Professor Dr., Geh. Ober- 61. Borgmeyer, Hótelbesitzer, Göhren in
Med.-Rath, Berlin. Mönchgut auf Rügen.
39. Bardeleben, Karl, Prof. Dr. med., Jena. 62. Born, L., Dr., Corps-Rossarzt, Berlin.
30. Barnewitz, Realgymnasiallehrer, Bran- 1 63. Bracht, Eugen, Landschaftsmaler, Pro-
denburg a. H. fessor, Berlin.
31. Barsehall, Max, Dr., San.-Rath, Berlin. | 64. Bramann, v., Dr. med., Prof., Halle a. S.
39. Bartels, Max, Dr. med., Sanitütsrath,: 65. Brand, E. von, Major a. D, Wutzig
Berlin- bei Woldenberg in der Neumark.
33. Bastian, A., Geh. Reg.-Rath, Professor | 66. Brandt, von, kaiserl. deutscher Ge-
Dr., Director des K. Mus. f. Volker- sandter, Peking, China.
kunde, Berlin. 67. Bredow, V., Rittergutsbesitzer, Berlin.
34. Behla Robert, Dr. Kreiswundarzt, 68. Breslauer, Heinrich, Prof. Dr, Berlin.
Luckau. 69. Brosike, G., Dr. med., Berlin. s
35. Behn, W., Maler, Tempelhof b. Berlin. 70. Bruchmann, K., Dr. phil, Berlin.
36. Behrend, Adolf, Verlags-Buchhändler, 71. Brückner sen, Dr. med, Rath, Neü-
Berlin. Brandenburg.
31. Belli, Ludwig, Dr. phil., Frankfurt a.M. 72. Brünig, Max, Kaufmann, Berlin.
38. Benda, C., Dr. med., Berlin. 73. Brugsch, Heinr., Prof, Legationsrath,
39. Benda, v., Rittergutsbesitzer, Berlin. Berlin.
40. Bennigsen, R. von, Oberpräsident, Exc., 74. Brunnemann, Karl, Rechtsanwalt, Stettin.
Hannover. 15. Buehholz, Rudolf, Custos des Märki-
41. Berendt, G., Prof. Dr., Berlin. schen Provinzial-Museums, Berlin. ..
42. Bergmann, Ernst v, Geh. Medicinal- 76. Budezies, Friedrich, Schulvorsteher
rath, Prof. Dr., Berlin. a. D, Berlin.
43. Bernhardt, Prof. Dr. med., Berlin. T1. Bütow, P., Dr. jur., Berlin. .
44. Bertram, Alexis, Dr. med., Sanitüts- 78. Bütow, H., Geh. Rechnungsrath, Berlin.
rath, Berlin. © 19. Bujack, Georg, Dr. Gymnasial - Ober-
45. Beuster, Dr., Geh. Sanitütsrath, Berlin. lehrer, Kónigsberg i. Pr.
46. Beyfuss, Gustav, Dr., Officier van ge- 80. Busch, Dr., Kaiserl. deutscher: Ge-
zondheid I Klasse, Malang bei Sura- sandter, Bucarest, Rumàünien. .. ^-^
baya, Java. 81. Buschan, G., Dr. med. et phil, Kaiserl.
47. Beyfuss, Otto, Kaufmann, Berlin. +, - Mavine-Assistenzarzt,. Wilhelmshaven. .
48. Beyrich, Prof. Dr., Geh. Bergrath, Berlin. 89. Cahnheim, O., Dr. med, Dresden.
(8)
83. Castan, Gustav, Berlin. 117. Ewald, Ernst, Professor, Director des
84. Castan, Louis, Besitzer des Panopti- K. Kunstgewerbe-Museums, Berlin.
cums, Berlin. 118. Ewald, J. W., Prof. Dr., Mitglied der
85. Chlingensperg-Berg, M. von, Kirchberg Akademie d. Wissenschaften, Berlin.
bei Reichenhall. 119. Eyrich. Emil, Maler, Berlin.
86. Christeller, P., Dr. med., Berlin. 120. Falb, Rudolf, Berlin.
87. Cohn, Alexander Meyer, Banquier, 121. Fasbender, H., Prof. Dr. med., Berlin.
Berlin. 122. Felkin, Robert W., Dr. med., Edin-
88. Cordel, Oskar, Schriftsteller, Halenseoc. burgh.
89. Corning, Dr. med., Morillon, Genf. 123. Feyerabend, Dr. phil., Görlitz.
90. Cremer, Chr. J., Redacteur, Abgeord- 124. Finckh, Theodor, Kaufmann, Stuttgart.
neter, Berlin. 125. Finn, W., Kón. Translator, Berlin.
91. Croner, Eduard, Dr., Geh. Sanitüts- 126. Fischer, Dr, Marinestabsarzt, z. Z.
rath, Berlin. auf Reisen.
92. Daffis, Ludwig, Kaufmann, Berlin. — 127. Fischer, Karl, Dr.med., Lenzen a. Elbe.
93. Dames, W., Prof. Dr., Berlin. 128. Fischer, Wilhelm, Dr., Realgymnasial-
94. Dammann, C. W., Kew, London, Eng- director a. D, Bernburg.
land. 129. Fischer, Dr. phil, Berlin.
95. Davidsohn, H., Dr. med., Berlin. 130. Fischer, Louis, Rentier, Berlin.
96. Deegen, Hermann, Geh. Ober-Reg.- 131. Flaeschendraeger, Fabrikdirector, Dem-
Rath, Berlin. min.
97. Degner, Eduard, Dr. phil, Berlin. 132. Flesch, Max, Prof., Dr. med., Frank-
98. Delorme, D., Minister der Republik furt a. Main.
Haiti, Berlin. 133. Fraas, Professor Dr., Stuttgart.
99. Dengel, A., Dr. med., Berlin. 134. Fränkel, Bernhard, Prof. Dr., Berlin.
100. Dernburg, Bernhard, Bankdirector, 135. Fränkel, Isidor, Dr. med, Berlin.
Berlin. 136. Freund, G. A., Dr. phil, Berlin.
101. Diereks, Gustav, Dr. phil, Gross- 137. Friedel, Ernst, Stadtrath, Berlin.
Lichterfelde. 138. Friederich, Dr., Ober-Stabsarzt a. D.,
102. Düónhoff-Friedrichstein, Graf, Friedrich- Dresden.
stein bei Lówenhagen, Ostpreussen. 139. Friediánder, Heinr. Dr., Berlin.
103. Dünitz, W., Prof, Dr. med., Berlin, 140. Friedlander, Immanuel, stud. min.,
104. Drawe, Rittergutsbesitzer, Saskozin Berlin.
bei Praust, Westpreussen. 141. Friedmann, Paul, Privatgelehrter,
105. Dümichen, Prof. Dr, Strassburg im Berlin.
Elsass. 142. Frisch, A., Druckereibesitzer, Berlin.
106. Dziedueziecky, Graf, Lemberg, Galizien. 143. Fritsch, Gustav, Prof., Dr.med., Berlin.
107. Ebell, A., Dr. med., San.-Rath, Berlin. 144. Fritsch, K. E. O., Architect, Berlin.
108. Ehlers, Dr. med., Berlin. 145. Fronhôfer, G., Major a. D., Berlin.
109. Ehrenhaus,S., Dr., Sanitátsrath, Berlin. 146. Fürstenheim, Ernst, Dr., Sanitütsrath.
110. Eisel, Robert, Gera. Berlin.
111. Ellis, Havelock, London, England. 147. Furtwaengler, Dr. phil, Prof, Berlin.
112. Ende, H., Kón. Baurath, Prof, Berlin. 148. Gericke, Wilhelm, Dr. med., Berlin.
113. Engel, Hermann, Dr. med., Berlin. 149. Gesenius, F., Stadtältester, Director
114. Eperjesy, Albert von, K. K. Oesterr. des Berl. Pfandbriefamts, Berlin.
Kammerherr, Rom. 150. Giebeler, Carl, Ingenieur, Berlin.
115. Erckert, Roderich von, Generallieut- 151. Gürke, Franz, Kaufmann, Berlin.
nant a. D., Exc., Berlin. 152. Goés, Apotheker, Soldin.
116. Erdmann, Max, Gymnasiallehrer, Mün- 153. Gütz, G., Dr., Obermedicinalrath, Neu-
chen. strelitz.
(9)
154. Götze, Alfred, Dr. phil., Berlin. '185. Hansemann, David, Dr. med., Berlin.
155. Gotze, Hugo, Bürgermeister à. D., 186. Hansemann, Gustav, Rentier, Berlin.
Berlin. 187. Marek, F., Dr. phil, Berlin.
156. Goldschmidt, Leo B. H., Banquier, Paris. 188. Hardenberg, Freiherr von, Majorats-
157. Goldschmidt, Heinr., Banquier, Berlin. Herr in Schlöben bei Roda, S. Alten-
158. Goldschmidt, Levin, Prof. Dr, Geh. burg.
Justizrath, Berlin. 189. Harseim, Wirkl. Geheimer Kriegsrath,
159. Goldstiicker, Bug., Verlagsbuchhiindler, Berlin.
Berlin. 190. Hartmann, Herm. Dr, Oberlehrer,
160. Goltdammer, Ed., Dr., Geh. San.-Rath, Landsberg a. W.
Berlin. 191. Hartmann, Martin, Professor, Berlin.
161. Gottschalk, Sigismund, Dr.med., Berlin. 199. Hartmann, Rob., Professor Dr., Geh.
162. Grawitz, Paul, Professor, Dr. med., Med.-Rath, Berlin.
Greifswald. 193. Hartwich, Karl, Apotheker, Tanger-
163. Grempler, Wilhelm, Dr., Geh. Sanitäts- münde.
rath, Breslau. 194. Haselberg, Rudolf von, Dr, Sanitäts-
164. Grossmann, Adolf, Dr. med., Sanitäts- rath, Stralsund.
rath, Berlin. 195. Hattwich, Emil, Dr. med., Berlin.
165. Grube, W., Dr. phil., Directorial-Assi- 196. Hauchecorne, W., Dr., Geh. Bergrath,
stent am Kgl. Museum für Volker- Dir. d. K. Bergakademie, Berlin.
kunde, Berlin. 197. Heck, Dr., Director des zoologischen
166. Grubert, Dr. med., Falkenberg, Pom- Gartens, Berlin.
mern. 198. Heimann, Ludwig, Redakteur, Berlin.
167. Grünwedel, Albert, Dr. phil., Directo- 199. Heintzel, C., Dr., Lüneburg.
rial-Assistent am Kgl. Museum für 200. Hellmann, Gustav, Dr. phil, Berlin.
Välkerkunde, Berlin. 201. Hempel, G., Fabrikbesitzer, Pulsnitz
168. Grunow, A., Buchhalter, Berlin. bei Dresden.
169. Gubitz, Erich, Dr. med., Breslau. 302. Henning, R., Prof. Dr., Strassburg im
170. Günther, Carl, Photograph, Berlin. Elsass.
171. Güterbock, Bruno, Dr. phil, Berlin. 903. Henoch, Anton, Kaufmann, Berlin.
172. Güterbock, Paul, Dr. med., Medicinal- 204. Hermes, Otto, Dr. phil., Director des
rath, Berlin. Aquariums, Berlin.
173. Gusserow, A.. Geh. Med.-Rath, Prof. 905. Herter, E., Dr. med., Docent an der
Dr., Berlin. Universitit, Berlin, z. Z. Neapel.
174. Gussow, Prof, Berlin. 206. Herzberg, Ph., Dr. med., Berlin.
175. Guttmann, S., Dr. med., Geh. Sanitäts- 207. Hesselbarth, Georg, Dr. med , Berlin.
rath, Berlin. 908. Heyden, August von, Prof., Berlin.
176. Gymnasium, Königl. Luisen-, Berlin. 909. Hilgendorf, F., Dr. phil, Berlin.
177. Haacke, Dr., Sanitütsrath, Stendal. 210. Hille, Dr. med., Strassburg im Elsass.
118. Hagenbeck, Karl, Hamburg. 911. Hirschberg, Julius, Dr.med., Professor,
119. Hahn, Eduard, Dr. phil, Berlin. Berlin.
180. Hahn, Eugen, Geh. San.-Rath, Prof. 9192. Hirschfeld, Ernst, Dr.med., Oberstabs-
Dr., Dir. im allgem. städt. Kranken- und Regimentsarzt, Berlin.
hause, Berlin. 913. Hitzig, Dr. Prof, Geh. Med.-Rath,
181. Hahn, Gust., Dr., Oberstabs- u. Regi- Halle.
mentsarzt, Berlin. 914. Hôlder, von, Ober-Medicinalrath, Dr.,
182. Hahn, Dr. med, Stabsarzt, Spandau. Stuttgart.
183. Hahn, Oscar, Fabrikant, Berlin. 315. Häner, F., Zahnkünstler, Berlin.
184. Handtmann, E., Prediger, Seedorf bei 216. Horn, O., Dr., Kreisphysicus, T ondern.
Lenzen a. Elbe, Westpriegnitz. 217. Horwitz, Dr. Justizrath, Berlin.
2
218. Hosius, Prof. Dr, Münster in West- | 258. Krause, Hermann, Dr. med., Prof,
falen. Berlin.
219. Humbert, Wirkl. Geh. Legationsrath, 959. Krehl, Gustav, Kaufmann, Berlin.
Berlin. 260. Kroner, Moritz, Dr. med., Sanitütsrath,
220. Ideler, Geh. Sanitätsrath, Dr., Wies- Berlin.
baden. 261. Kronthal, Karl, Dr. med , Berlin.
22]. Israel, Oskar, Dr. med., Privatdocent, 262. Krzyzanowski, W. von, Probst, Ka-
Berlin. mieniec bei Wolkowo, Prov. Posen.
222. Mzig, Philipp, Berlin. 263. Kuchenbuch, Franz, Amtsgerichtsrath,
223. Jacob, Georg, Dr. phil., Assistent an Müncheberg.
der königl. Bibliothek, Berlin. 264. Künne, Karl, Buchhändler, Charlotten-
224. Jacobsthal, E., Prof., Charlottenburg. burg.
225. Jacubowski, Stud. pharm., Berlin. 265. Kuhn, M., Dr. phil., Friedenau b. Berlin.
226. Jänicke, Ernst, Kaufmann, Berlin. 266. Kuntze, Otto, Dr. phil., Kew, London.
221. Jaffé, Benno, Dr. phil, Berlin. 267. Kurtz, F., Prof. Dr, Córdoba, Repá-
228. Jagor, Fedor, Dr., Berlin. blica Argentina.
229. Jahn, Ulrich, Dr. phil, Berlin. 268. Kuschel, Oberst a. D., Berlin.
230. Jannasch, R., Dr. jur. et phil, Berlin. 269. Kusserow, H. von, Kón. Preuss. Go-
231. Jaquet, Dr., Geh. Sanitütsrath, Berlin. sandter, Hamburg.
232. Jensen, Christian, Lehrer, Oevenum, 270. Lachmann, Georg, Kaufmann, Berlin.
Föhr. 271. Lachmann, Louis, Baumeister, Berlin.
233. Jentsch, Hugo, Dr., Oberlehrer, Guben. 272, Lachmann, Paul, Dr. phil., Fabrik-
294. Joest, Ed., Geh. Commerzienrath, Cóln. besitzer, Berlin.
235. loest, Wilhelm, Prof. Dr., Berlin. 213. Làühr, Dr. med., Geh. San.-Rath, Prof.,
236. Jolly, Dr. med, Professor, Berlin. Schweizerhof bei Zehlendorf.
237. Joseph, Max, Dr. med., Berlin. 274. Landau, H., Bankier, Berlin.
238. Jürgens, Rud., Dr. med., Berlin. 275. Landau, Leop., Dr. med., Berlin.
239. Junker, Wilhelm, Dr., z. Z. in Wien. 976. Landau, W., Freiherr von, Dr. phil.,
240. Kahlbaum, Dr. med., Director, Görlitz. Berlin.
241. Kalischer, G., Dr. med., Berlin. 277. Lange, Henry, Prof. Dr., Berlin.
242. Kaufmann, Richard von, Prof. Dr. 978. Lange, Julius, Kaufmann, Spandau.
Berlin. 219. Langen, Kónigl Landbau-lnspector,
243. Keller, Jean, Weingrosshündler, Berlin. Berlin.
244. Keller, Paul, Dr., Berlin. 280. Langen, A., Captain, Mannheim.
245. Kerb, Moriz, Kaufmann, Berlin. 281. Langerhans, P., Dr. med., Berlin.
246. Kirchhoff, Prof. Dr., Halle a. S. 282. Langerhans, Robert, Dr. med., Privat-
241. Klaar, W., Kaufmann, Berlin. docent, Berlin.
248. Knesebeck, Baron von dem, Land- 983. Langhoff, Eduard, stud. theol., Berlin.
rath, Karwe bei Neu-Ruppin. 284. Lasard, Ad., Dr., Director, Berlin.
249. Koch, R., Prof. Dr., Geh. Med.-Rath, 285. Lassar, O., Dr. med., Berlin.
Berlin. 286. Lazarus, Moritz, Prof. Dr., Berlin.
250. Kühl, Dr. med., Worms. 287. Le Coq, A. von, Berlin.
251. Köhler, Dr. med., Posen. 288. Lehmann, Karl F., Dr. phil., Berlin.
252. König, C. A., Kaufmann, Berlin. 289. Lehnebach, Adolf, Kais. Oberlehrer,
253. Körte, Dr., Geh. San.-Rath, Berlin. Mülhausen i. Elsass.
254. Kofler, Friedrich, Rentier, Darmstadt. 290. Lehnerdt, Dr. med., Geh. Sanitätsrath,
255. Korth, Karl, Hotelbesitzer, Berlin. Berlin.
256. Krause, Aurelius, Dr. phil., Berlin. 291. Leiningen-Neudenau, Graf Emich zu,
257. Krause, Eduard, Conservator am K. Premier-Lieutnant im Garde-Füs.--
Mus. f. Völkerkunde, Berlin. Reg., Berlin.
10)
(11)
292. Lemke, Elisabeth, Berlin. 330. Marimon y Tudó, Sebastian, Dr. med.,
298. Lentz, Freiherr v., Rittmeister, Berlin. Sevilla.
294. Leo, F. A,, Professor, Dr., Berlin. 331. Martens, E. von, Prof. Dr., Berlin.
295. Lesser, Adolf, Dr., gerichtl. Stadt- 332. Marthe, Friedrich, Dr. phil, Prof.
physikus, Breslau. Berlin.
296. Lesser, Robert, Bankdirector, Berlin. 333. Martin, A. E., Dr. med., Berlin.
297. Lessler, Paul, Consul, Dresden. 334. Maska, Karl J., Prof, Neutitschein,
298. Lewin, Georg, Prof. Dr, Geh. Med.- Mähren.
Rath, Berlin. 335. Matz, Dr. med., Stabsarzt, Berlin.
299. Lewin, Leop., Dr. med., Geh. Sanitäts- 336. Meitzen, August, Professor Dr., Geh.
rath, Berlin. Reg.-Rath, Berlin.
300. Lewin, Moritz, Dr. phil., Berlin. 337. Mendel, E., Dr. med., Prof., Berlin.
301. Liebe, Th., Professor Dr., Berlin. 338. Menger, Henry, Dr. med., Berlin.
302. Liebe, Professor, Gera. 339. Menzel, Dr. med., Charlottenburg.
303. Liebenow, W., Geh. Rechnungsrath, 340. Merke, Director des städt. Kranken-
Berlin. hauses, Moabit.
304. Liebermann, F. von, Dr. med., Berlin. 341. Meyer, Dr. med, Geh. Sanitätsrath,
305. Liebermann, D., Geh. Commerzienrath, Osnabrück.
Berlin. | 342. Meyer, Adolf, Buchhalter, Berlin.
306. Liebermann, Felix, Dr., Berlin. 343. Meyer, Alfred G., Dr., Oberlehrer,
307. Liebermann, Karl, Prof. Dr., Berlin. Berlin.
308. Liebermann, Louis, Rentier, Berlin. 344. Meyer, Hans, Dr., Leipzig.
309. Liebreich, Oscar, Prof. Dr, Berlin. 345. Meyer, Moritz, Dr., Geh. Sanitäts-
310. Liman, Prof. Dr., Geh. Med.-Rath, rath, Berlin.
Berlin. 346. Meyer, Richard M., Dr. phil., Berlin.
311. Lincke, Rentier, Berlin. 341. Meyerhof, Wilhelm, Kaufmann, Berlin.
319. Lissa, Dr. med., Sanitátsrath, Berlin. 348. Mies, Josef, Dr. med., Berlin.
313. Low, E., Dr., Oberlehrer, Berlin. 349. Minden, Georg, Dr. jur., Syndikus des
314. Lüwenheim, Ludw., Kaufmann, Berlin. stádt. Pfandbriefamis, Berlin.
315. Lucae, Dr. med., Professor Berlin. 350. Möbius, Geh. Reg.-R.., Prof. Dr., Berlin.
316. Lüdden, Karl, Dr. med., Wollin, Pom- 351. Müller, H., Professor Dr., Berlin.
mern. 359. Müser, Hofbuchdrucker, Charlotten-
317. Liihe, Dr., Oberstabsarzt, Konigs- burg.
berg i. Pr. 353. Moses, S., Dr. med., San.-Rath., Berlin.
318. Liihrsen, Dr., Generalconsul, Odessa. 354. Much, Matthäus, Dr., Wien.
319, Luschan, F. von, Dr. med. et phil, 355. Mühlenbeck, Gutsbesitzer, Gr.-Wach-
Direktorial-Assistent am Kgl. Museum lin bei Stargard (Pommern).
für Völkerkunde, Berlin. 356. Mühsam, Eduard, Dr. med., Sanitäts-
320. Maas, Heinrich, Kaufmann, Berlin. rath, Berlin.
321. Maas, Julius, Kaufmann, Berlin. 357. Müller, Erich, Regierungs- und Ver-
822. Maass, Karl, Dr. med., Oberstabsarzt, waltungsrath b.d. Kgl. Museen, Berlin.
Berlin. 358. Miiller-Beeck, Georg, Nagasaki, Japan.
323. Magnus, P., Prof. Dr., Berlin. 359. Müller, Friedrich, Dr. phil, Berlin.
324. Mantey, Otto, Dr. med., Berlin. 360. Müller, Louis, Dr. phil., Berlin.
325. Marasse, S., Dr. phil, Berlin. 361. Mützel, Gustav, Thiermaler, Berlin.
326. Marcuse, Dr. med., Geh. San.-Rath, 362. Munk, Hermann, Prof. Dr., Berlin.
Berlin. 363. Museum, für Völkerkunde, Leipzig.
927. Mareuse, Louis, Dr. med., Berlin. 364. Museum, Provinzial-, Halle a. 8.
328. Marcuse, Siegb., Dr. med., Berlin. 365. Muth, Julius, Lieutenant, Berlin.
329. Marggraff, A., Stadtrath, Berlin. 366. Nathan, Heinrich, Kaufmann, Berlin,
(12)
367. Nathanson, F., Dr. med., Berlin. ‘400. Remak, E. J., Dr. med, Privatdocent,
368. Nehring, A., Prof. Dr, Berlin. Berlin.
369. Neuhauss, Richard, Dr. med., Berlin. 401. Richter, Berth., Banquier, Berlin.
370. Neumayer, G., Professor Dr., Wirkl, 402. Richter, Isidor, Banquier, Berlin.
Admiralitätsrath, Hamburg. 408. Richthofen, F., Freiherr von, Professor
371. Niendorff, Oscar, Amtsgerichtsrath, Dr., Berlin.
Berlin. 404. Rieck, Dr. med., San.-Rath, Kópenick
372. Wothnagel, A., Prof., Hofmaler, Berlin. bei Berlin.
373. Oesten, Gustav, Oberingenieur der 405. Rieck, R., Kaiserl. Stallmeister, Berlin.
Wasserwerke, Berlin. 406. Riedel, Bernh., Dr. med., Berlin.
374. Olshausen, Otto, Dr. phil., Berlin. 407. Riedel, Paul, Kaufmann, Oranienburg.
375. Oppenheim, Max Freiherr von, Dr. jur., 408. Rizal, Don José, Dr. med., Madrid.
Regierungsreferendar, Berlin. 409. Ritter, W., Banquier, Berlin.
376. Orth, A., Prof. Dr., Berlin. 410. Robel, Ernst, Dr. phil, Berlin.
377. Osborne, Wilhelm, Rittergutsbesitzer, 411. Rückl, Georg, Regierungsrath am
Dresden. Kaiserl. Gesundheitsamt, Berlin.
378. Oske, Ernst, Vereid. Makler, Berlin. 412. Rohl, von, Assessor Dr., Berlin.
319. Ossowidzki, Dr. med., Oranienburg, 413. Rümer, Hermann, Senator, Hildesheim.
Reg.-Bez. Potsdam. 414. Ristel, Hugo, Rentier, Berlin.
380. Pátsch, Johannes, Dr. med., Prof, 415. Rüwer, Karl, Dr. med., Neustrelitz,
Berlin. z. Z. auf Reisen.
381. Palm, Julius, Dr. med., Berlin. 416. Rohlfs, Gerh., Dr., Kaiserl. General-
382. Pander,Dr.phil., Prof., Hankow, China consul, Godesberg.
383. Pauli, Gustav, Berlin. 417. Rosenberg, Robert, Kaufmann, Berlin.
384. Pflugmacher, E., Dr. med., Oberstabs- 418. Rosenkranz, H., Dr. med., Berlin.
arzt, Spandau. 419. Rosenthal, L., Dr. med., Berlin.
585. Pfuhl, Fritz, Dr., Kónigl. Gymnasial- 420. Roth, Wilhelm, Dr. med, Generalarzt,
Oberlehrer, Posen. Dresden.
386. Philipp, Paul, Dr. med., Kreisphysikus, 421. Ruge, Karl, Dr. med., Berlin.
Berlin. 422. Ruge, Max, Dr. phil, Steglitz bei
387. Pippow, Dr., Regierungs- und Medi- Berlin.
cinalrath, Erfurt. 423. Ruge, Paul, Dr. med., Berlin.
388. Polenz, O., Geh. Reg.-Rath, Berlin. 424. Ruyter, Gustav de, Dr. med., Berlin.
389. Ponfick, Dr. med., Prof, Geh. Med.- 425. Samson, Alb., Banquier, Berlin.
Rath, Breslau. 426. Sander, Wilh., Dr. med., Medicinal-
390. Pringsheim, N., Prof., Geh. Reg.-Rath, rath, Dalldorf bei Berlin.
Dr., Berlin. 421. Sarasin, Fritz. Dr. phil, Berlin.
391. Prochnow, Apotheker, Gardelegen. ~~ 428. Sarasin, Paul, Dr. phil., Berlin.
392. Pudil, H., Baudirector, Bilin in 429. Sauer, Hermann, Dr., Rechtsanwalt,
Böhmen. Berlin.
393. Quedenfeldt, M., Premierleutnanta. D., 430. Saurma-Jeltsch, Baron von, Kaiserl.
Berlin. Deutscher Gesandter, Haag, Nieder-
394. Rabl-Rückhard, H., Prof. Dr., Ober- lande.
stabsarzt, Berlin. 431. Schadenberg, Alex., Manila, Philip-
395. Raschkow, F., Dr. med., Berlin. pinen.
396. Rausch, Oberst a. D., Charlottenburg. 432. Schedel, Joseph, Apotheker, Yoko-
397. Reichenheim, Ferd., Berlin. hama, Japan.
398. Reinhardt, Dr., Oberlehrer, Rector, 433. Schellhas, P., Dr. jur, Gerichts-
Berlin. Assessor, Berlin.
399. Reiss, Wilhelm, Dr. phil, Berlin 434, Schemel, Max, Fabrikbesitzer, Guben.
(
135. Schierenberg, G. A. B., Luzern, Schweiz. | 467. Siebold, Heinrich von, Berlin.
436. Schillmann, R., Dr. Schulvorsteher, 468. Siegmund, Gustav, Dr.med., Geh. San.-
Berlin. rath, Berlin.
437. Schinz, Hans, Dr., Seefeld, Ziirich. 469. Siehe, Dr. med., Kreisphys., Calau.
438. Schirp, Freiherr Fritz von, Berlin. 470. Siemens, Werner v., Dr. phil, Geh.
439. Schlesinger, H, Dr. med., Berlin. Reg.-Rath, Charlottenburg.
440. Schlössingk, Georg, Dr. jur., Berlin. 471. Siemering, R., Prof, Bildhauer, Berlin.
441. Schmidt, Colmar, Landschaftsmaler, 472. Sierakowski, Graf Adam, Dr. jur,
Berlin. Waplitz bei Altmark, Westpreussen.
149. Schmidt, Emil, Dr.med., Prof., Leipzig. 473. Sieskind, Louis J., Rentier, Berlin.
443. Sehmidt, Oscar, Dr. med., Berlin. 474. Simon, Th., Banquier, Berlin.
444. Schöler, H., Dr. med., Prof, Berlin. 475. Sinogowitz, Fugen, Apotheker, Char-
445. Schöne, Richard, Dr., Wirkl. Geh. lottenburg.
Ober-Reg.-Rath, Generaldirector der 476. Sökeland, Hermann, Berlin.
Königl. Museen, Berlin. 477. Sommerfeld, Sally, Dr. med., Berlin.
446. Schänlank, William, General-Consul, 478. Sonnenburg, Dr. med, Prof., Berlin.
Berlin. 479. Souchay, Weinhändler, Berlin.
447. Schotensack, O., Dr., Heidelberg. 480. Spitzly, John H., Officier van gezond-
448. Schréter, Dr. med., Eichberg, Rhein- heid 2. KL, z. Z. London.
gau. 481. Staudinger, Paul, Naturforscher, Berlin.
449. Schubert, W., Kaufmann, Berlin. 482. Stechow, Dr., Stabsarzt, Berlin.
450. Schütz, W., Dr. med., Prof, Rector 489. Steinen, Karl von den, Dr. med. et
der thierärztl. Hochschule, Berlin. phil, Marburg.
451. Schiitze, Alb., Academischer Kiinstler, 484. Steinen, Wilhelm von den, Maler,
Berlin. Düsseldorf.
452, Schulenburg, Reinhold von, Lieute- 485. Steinthal, Leop., Banquier, Berlin.
nant a. D, Berlin. 486. Steinthal, H., Prof. Dr., Berlin.
453. Schultze, Oscar, Dr. med, Sanitits- 487. Stoll, Dr. med., Zürich.
rath, Berlin. 488. Strassmann, Maurermeister, Berlin.
454, Schultze, Wilhelm, Dr. med, Sanitäts- 489. Strauch, Corvetten-Capitän, Wilhelms-
rath, Stettin. hafen.
455. Schultze, Rentier, Berlin. 490. Strebel, Hermann, Kaufmann, Ham-
456. Schumann, Hugo, pract. Arzt, Locknitz burg, Eilbeck.
in Pommern. 491. Strecker, Albert, Kreissecretär, Soldin.
451. . Schwabacher, Adolf, Banquier, Berlin. 492. Struck, H., Dr. med., Geh. Ober.-Reg.-
458. Sehwartz, Alberti, Hof-Photograph, Rath, Berlin.
Berlin. 493. Stübel, Alfons, Dr., Dresden.
459. Schwartz, W., Prof. Dr., Gymnasial- 494. Tappeiner, Dr.med., Schloss Reichen-
director, Berlin. bach bei Meran.
460. Sehwarzer, Dr., Grubenbesitzer,Zilms- 495. Taubner, Dr. med., Provinzial-Irren-
dorf bei Teuplitz, Kr. Sorau. anstalt, Neustadt, Westpreussen.
461. Schweinfurth, Georg, Prof. Dr., Berlin, 496. Telge, Paul, Hof-Juwelier, Berlin.
z. 4. auf Reisen. 497. Teschendorff, E., Prof, Geschichts-
162, Sehweitzer, Dr. med., Daaden, Kreis maler, Berlin.
Altenkirchen. 498. Thorner, Eduard, Dr. med, Sanitäts-
463. Schwerin, Ernst, Dr. med., Berlin. rath, Berlin.
464. Schwetsehke, Ulrich, Verlagsbuch- 499. Thunig, Domänenpächter, Kaiserhof
händler, Halle a. Saale. bei Dusznik, Prov. Posen.
165. Sehes, Heinrich, Berlin. 500. Timann, F., Dr. med., Oberstabsarzt,
466, Seler, Eduard, Dr., Steglitz b. Berlin. Potsdam.
13°
(14)
501. Tischler, Otto, Dr., Director des Prov.- 533. Weidenhammer, Dr. med., Marinestabs-
Museums der physik.-ókonom. Ge- arzt, Wilhelmshaven. .
sellschaft, Königsberg 1. Pr. 534. Weigel, Max, Dr. phil., Direktorial-
502. Titel, Max, Kaufmann, Berlin. Assistent am Kgl. Museum für Völker-
503. Tolmatschew, Nicolaus, Dr. med., Pro- kunde, Berlin.
fessor, Kasan, Russland. 535. Weigelt, Curt, Dr. phil., Berlin.
504. Torok, Aurel von, Prof. Dr., Director 536. Weinhold, Dr. phil., Geh. Regierungs-
d. anthrop. Museums, Budapest. rath, Professor, Berlin.
505. Travers, G., Kais. Deutscher Minister- 537. Weinitz, Franz, Dr. phil, Berlin.
resident z. D., Funchal, Madeira. 538. Weisbach, Valentin, Bankier, Berlin.
506. Treichel, A., Rittergutsbesitzer, Hoch- 539. Weiss, H., Professor, Geh. Reg.-Rath,
Paleschken bei Alt-Kischau, Westpr. Berlin.
507. Uhle, Max, Dr. phil, Kótzschenbroda. 540. Wendeler, Paul, Oekonom u. Braucrei-
508. Ulrich, R. W., Dr. med., Berlin. besitzer, Soldin.
509. Umlauff, J. F. G., Hamburg. 541. Weisstein, Hermann, Reg.-Baumeister,
510. Unruhe-Bomst, Freiherr von, Landrath, Düsseldorf.
Wollstein, Prov. Posen. 549. Wensiercki-Kwilecki, Graf, Wroblewo
511. Vater, Moritz, Dr., Oberstabsarzt, bei Wronke, Prov. Posen.
Spandau. 543. Werner, F., Dr. med., San.-Rath, Berlin.
512. Verein, anthropologischer, Hamburg- 544. Werner, Georg, Dr. med., Unterarzi,
Altona, Hamburg. Berlin.
513. Verein, Alterthums-, Dürkheim vor der 545. Wessely, Hermann, Dr. med., Sanitits-
Hardt. rath, Berlin.
514. VereinderAlterthumsfreunde, Genthin. 546. Wetzstein, Gottfried, Dr., Consul a. D,
515. Verein, historischer, Bromberg. Berlin.
516. Verein, historischer, der Grafschaft! 547. Wiechel, Hugo, Abtheilungs-Ingenieur,
Ruppin, Neu-Ruppin. Leipzig.
517. Verein, Museums-, Lüneburg. . 548. Wilke, Theodor, Rentier, Guben.
518. Virchow, Hans, Dr. med., Prof, Berlin. 549. Wilmanns, Hilmar, Vice-Consul der
519. Virchow, Rudolf, Dr. med., Professor, ver. Staaten von Mexico, Berlin.
Geh. Med.-Rath, Berlin. 550. Wilski, H., Director, Rummelsburg
520. Volborth, Dr. med., Sanitütsrath, Berlin. bei Berlin.
591. Volmer, Dr. med., Geh. Sanitátsrath, 551. Wittgenstein, Wilhelm von, Guts-
Berlin. besitzer, Berlin.
592. Voriander, IL, Ritterguisbesitzer, 552. Wittmack, L., Prof. Dr., Berlin.
Dresden. 553. Wolff, Max, Dr. med., Prof., Berlin.
523. Voss, Albert, Dr. med., Director der 554. Wutzer. H., Dr. med., San.-Rath, Berlin.
vaterländischen Abtheilung des Kgl. 555. Zabel, Dr, Gymnasiallehrer, Guben.
Museums für Vólkerkunde, Berlin. 556. Zadek, Ignaz, Dr. med., Berlin.
524. Wacker, H., Oberlehrer, Berlin. 557. Zandt, Walther, Freiherr von, Prem.-
525. Wagner, Adolf, Fabrikant, Berlin. Leutnant, Berlin.
596. Walden, R., Berlin. 558. Zenker, Wilhelm, Dr. med, Kreis-
527. Waldeyer, Dr. med, Prof, Geh. Med.- physikus a. D., Bergquell-Frauendor!
Rath, Berlin. bei Stettin.
528. Wanjura, Arthur, Berlin. 559. Zierold, Rittergutsbesitzer, Mietzel-
529. Wankel, Heinrich, Dr. med., Olmütz. felde bei Soldin.
530. Wattenbach, Wilhelm, Prof. Dr., Berlin. 560. Zintgraff, Eugen, Dr. jur., Detmold,
531. Weber, W., Maler, Berlin. z. Zi. in Kamerun.
539. Weeren, Julius, Prof. Dr., Oharlotten- 561. Zülzer, W., Dr. med., Prof., Berlin.
burg.
(15)
Uebersicht der der Gesellschaft durch Tausch oder als
Geschenk zugehenden Zeitschriften. 1. Januar 1891.
I. Deutschland,
nach Städten alphabetisch geordnet.
{. Berlin. Amtliche Berichte aus den königlichen Kunstsammlungen.
! Veróffentlichungen aus dem küniglichen Museum für Völkerkunde (1 u.
2 v. d. Generaldirection der kóniglichen Museen).
"Zeitschrift für Erdkunde.
Mittheilungen von Forschungsreisenden und Gelehrten aus den deutschen
Schutzgebieten.
> Verhandlungen der Gesellschaft für Erdkunde (8—5 v. d. G. f. E).
Jahrbuch der kónigl. geologischen Landesanstalt (v. d. G. L.). |
Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie (v. d. Hydrogra-
phischen Amt der kais. Admiralität).
Verhandlungen der Berliner medicinischen Gesellschaft (v. d. B. m. G.).
Berliner Missions-Berichte (v. Hrn. Bartels).
19. Nachrichten für und über Kaiser Wilhelmsland und den Bismarck-
Archipel (v. d. Neu-Guinea-Compagnie).
11. Die Flamme. Zeitschrift zur Fürderung der Feuerbestattung im In-
und Auslande (v. Hrn. R. Virchow).
12. Photographische Nachrichten (v. d. Freien Photographischen Vereinigung).
13. Jahresbericht des Directors des Königl. Geodätischen Instituts (v. Hrn.
R. Virchow).
14. Comptes rendus des séances de la commission permanente de l’asso-
ciation géodésique internationale (v. Hrn. R. Virchow).
15. Mittheilungen aus der historischen Literatur.
16. Verwaltungsbericht über das Märkische Provinzial - Museum (v. d.
Director).
17. Verhandlungen des deutschen Geographentages (v. Hrn. C. Künne).
18. Bonn. Jahrbücher des Vereins von Alterühumsfreunden (v. d. V. v. A.)
19. Brandenburg a.d. H. Jahresberichte des Historischen Vereins (v. d. H. V.).
90. Braunschweig. Archiv für Anthropologie (v. Hrn. Friedrich Vieweg und
Sohn).
2]. Globus. Illustrirte Zeitschrift für Länder- und Völkerkunde {v. Hrn.
Künne).
22. Bremen. Deutsche Geographische Blätter.
23, Jahresberichte des Vorstandes der Geographischen Gesellschaft (22 u.
28 v. d. G. G.).
24. Abhandlungen, herausgegeben von dem naturwissenschaftlichen Verein.
25. Breslau. Schlesiens Vorzeit in Bild und Schrift (v. d. Museum Schlesischer
Alterthümer).
26. Cassel. Mittheilungen an die Mitglieder des Vereins für Hessische Geschichte
; / und Landeskunde.
27, Zeitschrift des Vereins f. H. G. u. L. (26 u. 27 v. d. V. £. H. G. u. LJ.
EU J
,
(^
28. Colmar. Bulletin de la Société d'histoire naturelle (v. d. S.).
29. Danzig. Bericht über die Verwaltung der naturwissenschaftlichen, archäologi-
schen und ethnologischen Sammlungen.
30. Schriften der Naturforschenden Gesellschaft (29 u. 30 v. d. N. GJ).
31. Dresden. Sitzungsberichte und Abhandlungen der Naturwissenschaftlichen
Gesellschaft Isis (v. d. N. G. I).
39. Emden. Jahrbuch der Gesellschaft fiir bildende Kunst und vaterländische
Alterthümer (v. d. G.).
33, Giessen. Mittheilungen des Oberhessischen Geschichtsvereins (v. d. O. G.).
34. Görlitz. Neues Lausitzisches Magazin (v. d. Oberlausitzischen Gesellschaft
. der Wissenschaften).
35. Jahreshefte der Gesellschaft für Anthropologie und Urgeschichte der
Oberlausitz (v. d. G.).
36. Gotha. Dr. A. Petermann’s Mittheilungen aus Justus Perthes Geographi-
scher Anstalt (v. Hrn. Künne).
37. Ergánzungshefte zu 36 (werden angekauft).
38. Greifswald. Jahresberichte der Geographischen Gesellschaft (v. d. G. G.).
39. Jahresberichte der Rügisch-Pommerschen Abtheilung der Gesellschaft für
Pommersche Geschichte und Alterthumskunde (v. d. G. £.P. G.u. A).
40. Halle a.S. Mittheilungen des Vereins für Erdkunde (v. d. V. f. E).
4l. Hamburg. Verhandlungen des Vereins für Naturwissenschaftliche Unter-
haltung (v. d. V. £. N. U.).
49. Hannover. Jahresbericht der Geographischen Gesellschaft (v. d. G. G-).
43. Heilbronn. Internationale Zeitschrift für allgemeine Sprachwissenschaft (von
Hrn. F. Techmer).
44. Jena. Mittheilungen der Geographischen Gesellschaft für Thüringen (v. Hrn-
M. Bartels).
45. Kiel. Mittheilungen des Anthropologischen Vereins in Schleswig-Holstein.
46. Bericht des Schleswig-Holsteinischen Museums vaterländischer Alter-
thiimer (v. d. M.).
47. Königsberg i. Pr. Sitzungsberichte der Alterthumsgesellschaft Prussia (v. d.
A. G. P.).
48. Sehriften der Physikalisch-Oekonomischen Gesellschaft (v. d. Ph.-Oe. G.)
49. Leipzig. Bericht für das Museum für Volkerkunde (v. d. G. f. V.).
50. Halbjahrsbericht der deutschen Gesellschaft zur Erforschung vaterlándi-
scher Sprache und Alterthümer (v. d. d. G. z. E. v. S. u. A).
51. Lübben. Mittheilungen der Niederlausitzer Gesellschaft für Anthropologie und
Urgeschichte (v. d. N. G. f. A. u. U.).
59. Mannheim. Sammlung von Vortrügen. gehalten im Mannheimer Alterthums-
Verein (v. d. M. A.-V.).
53. Metz. Jahresberichte des Vereins für Erdkunde (v. d. V. f. E).
54. München. Beitrüge zur Anthropologie und Urgeschichte Bayerns (v. d. G. f.
A. u, U.).
55. Jahresberichte der Geographischen Gesellschaft (v. d. G. G.).
56. Prähistorische Blätter (v. H. J. Naue).
51. Neu-Brandenburg. Jahresbericht über das Museum in Neu-Brandenburg
(v. d. M).
58. Nürnberg. Mittheilungen aus dem. Germanischen Nationalmuseum.
59. Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums (58 u. 59 v. d. G. N.-M.).
16)
(17)
60. Posen. Posener Archäologische Mittheilungen. Herausgegeben von der Archäo-
logischen Commission der Gesellschaft der Freunde der Wissen-
schaften (v. d. G. d. F. d. W.).
61. Zeitschrift der Historischen Gesellschaft für die Provinz Posen (v.d. H. G.).
62. Schwerin. Jahrbücher und Jahresberichte des Vereins für Meklenburgische
Geschichte und Alterthumskunde (herausgegeb. v. d. V. f. M.G. u. A).
63. Stettin. Baltische Studien.
64. Monatsblätter. Herausgegeben von der Gesellschaft für Pommersche
Geschichte und Alterthumskunde (63 u. 64 v. d. G. f. P. G. u. A.
65. Stuttgart. Das Ausland. Wochenschrift für Länder- und Völkerkunde (von
Hrn. Künne).
66. Jahresbericht des Württemberg. Vereins f. Handelsgeographie (v. d. V.).
67. Trier. Westdeutsche Zeitschrift für Geschichte und Kunst.
68. Correspondenzblatt für Geschichte und Kunst (67 u. 68 v. d. G. f. n. F.).
69. Weimar. Zeitschrift für wissenschaftliche Geographie (v. Hrn. J. J. Kettler).
70. Wiesbaden. Annalen des Vereins für Nassauische Alterthumskunde und
Geschichtsforschung (v. d. V. f. N. A. u. G-).
I. Europäisches Ausland,
nach Ländern und Städten alphabetisch geordnet.
Belgien.’
"i. Brüssel. Bulletins de l'Académie Royale des Sciences, des Lettres et des
Beaux-Arts de Belgique.
12. Annuaire de l'Académie Royale des Sciences, des Lettres et des Beaux-
Arts de Belgique (71 u. 72 v. d. Ac. RJ.
13. Bulletin de la Société d'Anthropologie (v. d. S. S. dA).
74. Lüttich. Bulletin de l’Institut archéologique Liégeois (v. d. I).
Dünemark.
15. Kopenhagen Mémoires de la Société Royale des Antiquaires du Nord.
16. Aarbüger for nordisk Oldkyndighed og Historie.
"UL. Nordiske Fortidsminder, udgevne af det Kgl. Nordiske Oldskrift Selskab
(15—77 v. der Gesellsch.).
78. Reykjavik (Island). Arbôk til hid Islenzka fornleifafelag (v. d. Lf).
Finland.
19. Helsingfors. Journal de la Société Finno-Ougrienne. (Suomalais-Ugrilaisen
Seuran Aikakauskirja.)
80. Mémoires de la Société Finno-Ougrienne. (Suomalais-Ugrilaisen Seuran
Toimitukria.)
81. Finska Fornminnesfóreningens Tidskrift (19—81 durch Hrn. Aspelin).
Frankreich.
82. Lyon. Bulletin de la Société d'Anthropologie (v. d. S. d’A.).
83. Archives du Muséum d'histoire naturelle (v. d. M.)
84. Paris. L’Anthropologie. (Matériaux pour l’histoire de l'homme, Revue
85 d’Anthropologie, Revue d'Ethnographie réunis.) (v. d. Verleger).
86 Mémoires de la Société d'Anthropologie.
8T Bulletins de la Société d'Anthropologie (v. d. S. dA).
. Annales du Musée Guimet.
Verhandl. der Berl. Anthropol. Gesellschaft 1891.
",
(18)
88. Paris. Revue de l’histoire des religions (87 u. 88 v. d. Ministère de l'In-
struction publique).
89. Actes de la Société philologique (v. d. S).
Griechenland.
90. Athen. Achriov TYG IsTopiens xou éUvokoryiens Étapes Ty EkAadoc (v. d. Histori-
schen und Ethnologischen Gesellschaft von Griechenland).
Grossbritannien.
91. Edinburgh. The Scottish Geographical Magazine (v. d. Sc. G. Society).
92. London. The Journal of the Anthropological Institute of Great Britain and
Ireland (v. d. A. 1).
93. Proceedings of the Royal Geographical Society (v. Hrn. C. Kiinne).
Italien.
94. Bologna. Atti e Memorie della Reale Deputazione di storia patria per le
provincie di Romagna (v. d. R. D.).
95. Memorie della R. Academia delle Scienze.
96. Rendiconto delle sessioni della Reale Accademia delle Scienze del
Istituto di Bologna (v. d. R. A.).
97. Florenz. Arcbivio per l’Antropologia e la Etnologia (v. Hrn. P. Mantegazza).
98. Dullettino della Sezione Fiorentina della Società Africana d'Italia (von
d. S. A?).
99. Bollettino di Publicazione Italiane.
100. Neapel. Bollettino della Società Africana d'Italia (v. d. S. A.).
101. Parma. Bullettino di Paleinologia Italiana (v. Hrn. L. Pigorini in Rom).
102. Rom. Bullettino dell'Istituto, Mittheilungen des Kaiserlich Deutschen Archäo-
logischen Instituts (v. d. D. A. L).
108. Atti della Reale Academia dei Lincei.
104. Notizie degli scavi di antichità (103 u. 104 v. d. R. A. d. L.).
105. Bollettino delle opere moderne e straniere.
106. Turin. Cosmos (v. Hrn. G. Cora).
Niederlande.
107. Leiden. Internationales Archiv für Ethnographie (v. Hrn. P. W. M. Tra p)
Norwegen.
108. Kristiania. Aarsberetning fra Foreningen til Norske Fortidsmindesmerkers
bevaring.
109. Kunst og Handverk fra Norges Fortid (108 u. 109 v. d. Universitets
Samling af nordiske Oldsager),
Oesterreieh-Ungarn.
110. Budapest. Mathemathische und naturwissensch. Berichte aus Ungarn (v. d
Akademie).
111. Ungarische Revue.
112. Archaeologiai Értesitô (v. d. Anthropologisch -archüologischen Gesell-
schaft).
113. Ethnographische Mittheilungen aus Ungarn (v. Hrn. A. Hermann).
114. Hermannstadt. Archiv des Vereins für Siebenbürgische Landeskunde.
115. Jahresbericht des Vereins für Siebenbürgische Landeskunde (114 und
115 v. d. V).
116. Krakau. Anzeiger der Akademie der Wissenschaften (v. d. A.).
117. Laibach. Mittheilungen des Museal-Vereins für Krain (v. d. M.-V.).
16
(19)
118. Prag. Památky archaeologické a místopisné (v. d. Museum Regni Bohemiae).
119. Jahresbericht der Lese- und Redehalle deutscher Studenten (v. d. L. u. R..).
120. Triest. Atti del Museo civico di storia naturale.
121. Bollettino della Societá Adriatica di Scienze naturali (v. d. S.).
122, Wien. Annalen des K. K,. Naturhistorischen Hofmuseums (v. d. M.).
123. Mittheilungen der Wiener Anthropologischen Gesellschaft (v. d. A. A.).
124, Deutsche Rundschau für Geographie und Statistik (v. Hrn. C. Künne).
125, Mittheilungen der prähistorischen Commission der kaiserlichen Aka-
demie der Wissenschaften (v. d. Pr. C.).
Portugal.
126. Lissabon. Boletim de la Sociedade de Geographia (v. d. S.).
127. Porto. Revista de Sciencias Naturaes e Sociaes (v.d. Sociedade Carlos
Ribeiro).
Rumänien.
128, Bucarest. Analele Academiei Romane (v. d. A.).
129. J assy. Archiva d. Societátii sciintifice si Literare (v. d. S.).
Russland.
130, Dorpat. Sitzungsberichte der gelehrten Estnischen Gesellschaft.
131. Verhandlungen der gelehrten Estnischen Gesellschaft (130 und 151
vy. d. G.).
132. Moskau. Tagebuch der anthropologischen Abtheilung. (Nachrichten der
kaiserlichen Gesellschaft der Freunde der Naturwissenschaften.)
(v. Hrn. Anutschin).
133. St. Petersburg. Das lebendige Alterthum. Periodische Schrift der ethnol.
. Abtheilung d. k. russ. geogr. Gesellschaft (russisch.)
184, Sitzungsprotocolle der Russischen Anthropologischen Gesellschaft
(russisch) (v. d. G-).
135, Warschau. Wisla. M. Geograficzno-Etnograficzny (v. d. Red.).
Schweden.
ud Stockholm. Antiqvarisk Tidskrift for Sverige.
T Teckningar ur Svenska Statens Historiska Museum. |
8. Akademiens Mânadsblad (136—138 v. d. Kongl. Vitterhets Historie og
làg Antiqvitets Akademien). |
; Samfundet för Nordiske Museet främjande Meddelanden, utgifna af
149 Artur Hazelius.
Handlingar ángáende nordiske Museet (139 u. 140 v. Hrn. Hazelius).
1 Schweiz.
* Aarau. Fernschau (v. d. Mittelschweizerischen Geographisch - Commerziellen
149 Gesellschaft.
lag Hottingen-Zürich. Antiqua (v. Hm. Forrer).
14 4 N euchátel. Bulletin de la Société Neucháteloise de Géographie (v. d. S.).
145, Zürich. Anzeiger für Schweizerische Alterthumskunde.
' Mittheilungen der Antiquarischen Gesellschaft (v. d. A. G.).
4g III. America.
' Boston (Mass. U. S. A.) Proceedings of the Boston Society of Natural
147 p History (v. d. S).
' Buenos-Aires (Argentinische Republik). Anales del Museo Nacional (v.d. M.).
mE
£007
148. Carácas (Venezuela) Revista cientifica mensual de la Universidad central
de Venezuela (v. Hrn. Ernst).
149. Córdoba (Argentinische Republik). Actas de la Academia Nacional de Ciencias.
150. Boletin de la Academia Nacional de Ciencias (149 u. 150 v. d. A.).
151. Davenport (Iowa U. S. A). Proceedings of the Davenport Academy of
Natural Sciences (v. d. A.).
152. Halifax (Nova Scotia, Canada). Proceedings and Transactions of the Nova
Scotian Institute of Natural Science (v. d. IL).
153. Mexico. Mittheilungen des deutschen wissenschaftlichen Vereins (v. d. V.)-
154. New-York. Bulletins of the American Geographical Society (v. d. S.).
155. Philadelphia (Penn'a U. S. A.). Proceedings of the Academy of Natural
Sciences (v. d. A.).
156. Proceedings of the American Philosophical Society (v. d. S.).
157. Transactions of the Wagner Free Institute of Sciences.
158. Rio de Janeiro (Brasilien). Archivos del Museo Nacional (v. d. M.).
159. Santjago (Chile). Verhandlungen des deutschen wissenschaftlichen Vereins
(v. d. V.).
160. San José (Costa Rica) Anales del Museo Nacional (v. d. M.).
161. Toronto (Canada). Proceedings of the Canadian Institute.
162. Annual Report of the Canadian Institute (161 u. 162 v. d. C. L.).
163. Washington (D. C. U. S. A). Annual Report of the Smithsonian Institution
164. Report upon U. S. Geographical surveys West of the 100% Meridian.
165. Annual Report of the Geological Survey.
166. Report of the Geological Survey of the Territories.
167. Bulletin of the U. S. Geological and Geographical Survey of ihe Terri-
tories (168—167 v. d. Smithson. I.).
168. Annual Report of the Bureau of Ethnology (v. d. Bureau of Ethnol.)
169. The American Anthropologist (v. d. Anthropol. Society of Washington):
170. Bulletin of the U. S. National Museum.
171. Proceedings of the U. S. National Museum.
IV. Asien.
172. Batavia. Tijdschrift voor Indische Taal-, Land- en Volkenkunde.
173. Notulen van de Algemeene en Bestuursvergaderingen van het Bata-
viaasch Genootschap van Kunsten en Wetenschappen.
174. Verhandlingen van het Bataviaasch Genootschap van Kunsten er
Wetenschappen (172—174 v. d. G).
175. Bombay. The Journal of the Anthropological Society (v. d. S).
176. Calcutta. Bpigraphia Indica and Record of the Archaeological Survey of India.
177. Shanghai. Journal of the China Branch of the Royal Asiatic Society (v. d.S.)-
178. Tokio. Mittheilungen der deutschen Gesellschaft fiir Natur- und Volker
kunde Ost-Asiens (v. d. G.).
179. Memoirs of the Literature College, University of Japan.
180. The Calendar, Imperial University of Japan (152 u. 153 v. d, L U. 0. J-)-
V. Australien. .
181. Adelaide. Report on the progress and condition of the Botanic Garden
(v. Hrn. R. Schomburgk).
182. Sidney. Report of the irustees of the Australian Museum.
183. Records of the Australian Museum (182 u. 183 v. d. M).
(20)
Ausserordentliche Sitzung vom 10. Januar 1891.
Vorsitzender Hr. Virchow.
(1) Vorsitzender:
. Als ich in der letzten Sitzung am 20. December in meinem Jahresrückblick
die Reihe unserer Ehrenmitglieder musterte, konnte ich noch mit hoffnungsreichem
Blick auf die Arbeiten hinschauen, welche der unermüdliche Schliemann in dem
Segenwürtigen Jahre auszuführen gedachte. Mit welcher Freude und mit welchem
ORI innerer Befriedigung hatte er noch am 14. Dec. mit uns‘ die neu aufgestellte
x, Mliemann-Sammlung durchwandert und seine Wünsche dargelegt, wie der noch
B Athen befindliche grossere Theil der trojanischen Funde nach seinem Tode in
he aufgestellt werden sollte! Sein letzter Brief an mich aus Paris vom 17.
m © fortschreitende Besserung seines Gehörs und die unmittelbar bevorstehende
reise nach Neapel gemeldet, von wo er zu den Seinen zurückkehren wollte.
"A hinfällig ist der Mensch! wie trügerisch seine Berechnungen! Die Seinen
vine. nur seine Leiche wiedersehen. Am 26. December machte ein schneller Tod
em Sehnen und Hoffen, seinem Arbeiten und Forschen auf immer ein Ende.
und Meine Nachrichten aus Neapel ergeben, dass er sich dort in gewohnter Weise
Kennt aller Warnungen, ohne Rücksicht auf das rauhe Wetter, anhaltend mit
20010 nissnahme der neuen Verhältnisse beschäftigte. Am 25. war er 1m der deutschen
der Schon Station, scheinbar ohne Sorge, voll von Interesse für die Einrichtungen
die p ation und das Leben der Meeresbewohner; er klagte über nichts, als über
batt or hung, als sei im Ohr etwas Verstopfendes zurückgeblieben. Darüber
ieh «d Schon hier geklagt und zur Beseitigung dieses Zustandes von mir verlangt,
zu tnis. das Ohr ausráumen. Ich hatte es ablehnen müssen, etwas Eingreifendes
Paris , ehmen, da er darauf bestand, schon in wenigen Stunden die Reise nach
hatte eaten. Aber in Paris hatte er einen Ohrenarzt consultirt und dieser
das er m, wie er mir schrieb, ausser einer grösseren Menge von Jodoformpulver,
Es a Lost sich eingeblasen, „eine Masse“ von Knochenstückchen herausgeholt.
bestande wohl kaum zweifelhaft sein, dass schon damals Caries des Gehörganges
als Mon. hat. Nichtsdestoweniger blieb er in Neapel in voller Aktion. Am 25,
Suchen sons 9 Uhr Herren von der zoologischen Station ihn in seinem Hotel be-
Ende de en, war er schon ausgegangen. Aber an demselben Tage wurde er am
ihn en aL oledo bewusstlos auf der Strasse gefunden und der Arzt, zu dem man
dem Sth brachte, constatirte eine halbseitige (gekreuzte) Lähmung und ausser-
noch eO Bronchitis, Auf der Fahrt nach dem Hotel kehrte das Bewusstsein
Zimmer " zurück: er wollte, wie immer, den Kutscher bezahlen. Auf seinem
Wachen ME er wieder in Bewusstlosigkeit zurück, aus der er nicht mehr
ausgefihrt e Es wurde noch eine operative Eröffnung des Warzenfortsatzes
Vergeblich wonach viel Eiter ausfloss, aber auch eine starke Blutung erfolgte.
! Der Zustand verschlimmerte sich immer mehr. Am Nachmittage des
C
folgenden Tages irat der Tod ein. Keiner der Seinigen, kein Freund konnte an
seinem Sterbebette sein! Einsam in der Fremde musste er aus dem Leben scheiden!
Seitdem ist die Leiche nach Athen gebracht worden und am letzten Sonntag:
2 Tage vor seinem 69. Geburtstage, sollte sie bestattet werden. Zwei Lorbeerkränze,
einer im Namen der Gesellschaft, einer in dem meinigen auf den Sarg gelegt,
werden gezeigt haben, dass alle unsere Gedanken bei den Leidtragenden waren.
Der Vorstand unserer Gesellschaft hat beschlossen, in einer besonderen Trauer-
feier das Gedächtniss unseres berühmten Ehrenmitgliedes, des treuen Freundes
und Genossen, zu erneuern. Wir haben die archäologische Gesellschaft und die
Gesellschaft für Erdkunde eingeladen, sich mit uns zu dieser Feier zu vereinigen.
Unser correspondirendes Mitglied, Hr. V. Gross in Neuveville, hat mir ein
grosses, von ihm aufgenommenes photographisches Portrait des Verstorbenen über-
sendet. Ich übergebe dasselbe zur dauernden Erinnerung der Gesellschaft.
: fbenso ist uns als Geschenk unseres ordentlichen Mitgliedes, des Hrn. Hof-
/^photographen Schwartz, ein von ihm bei Gelegenheit der Nürnberger General-
‚versammlung (1887) aufgenommenes photographisches Gruppenbild zugegangen, auf
welchem sich die Gestalt unseres dahingeschiedenen Freundes in besonders ge-
lungener Naturwahrheit darstellt.
Die Herren Germain Bapst zu Paris, Milchhôfer in Münster, G. Hirsch-
feld in Königsberg, H. Cohn in Breslau haben in besonderen Zuschriften ihr Bei-
leid schriftlich ausgedrückt.
Die athenische Zeitschrift Tó Acrv hat in einer reich illustrirten Nummer die
Bildnisse des Verstorbenen und seiner Gattin nebst einer Uebersicht seiner besten
Funde veröffentlicht.
In Deutschland ist wohl keine politische oder literarische Zeitung erschienen,
die nicht in eingehender Weise die Verdienste Schliemann's geschildert und
dem allgemeinen Schmerze Ausdruck gegeben hat.
(2) Hr. A. v. Heyden übersendet unter dem. 1. Januar folgendes Schreiben in
Betreff der n
trojanischen Aegis-Urne.
In der Sitzung vom 25 October, der ich leider nicht beiwohnen konnte, macht
Hr. Dr. Krause in Gleiwitz brieflich auf den Fransengürtel einer von Schliemann
gefundenen Vase aufmerksam und weist darauf hin, dass dieselbe zur Erklärung
der Stelle Ilias 2, 447 dienen könne, in welcher die Aegis beschrieben wird:
Ebenso erkläre die Vase auch die Stelle Ilias XIV, 181.
Beide Hinweisungen sind längst bekannt. In den Abhandlungen des archäo-
logisch-epigraphischen Seminars der Universität Wien, herausgegeben von O. Benn-
dorf und E. Bormann, Heft Vl. 1886. I. Theil hat Dr. Franz Studniczka S. 121 ff.
diese Fransenbehünge am Gürtel der Aphrodite und der Aegis ausführlich abge"
handelt, auch Schliemann’s Vasen erwähnt und noch mehr Beweisstücke für
dieselbe Erklärung, welche Hr. Dr. Krause giebt, angeführt.
Auch in meiner „Tracht der Kulturvölker Europas“ beziehe ich mich auf dies®
homerischen Fransengürtel, also bereits 1889. —
Der Vorsitzende dankt für die interessanten Hinweise, glaubt aber die Orr
ginalitát der Deutung des Hrn. Krause als zweifellos betrachten zu dürfen. Bei
der grossen Fülle der archüologischen Arbeiten sei ein solches Uebersehen wohl
zu enischuldigen.
22)
(C
(3) Im Anschlusse an seine frühere Mittheilung (Verh. 1890. S. 473) theilt
das Bureau des internationalen geographischen Congresses, der im An-
fang August zu Bern stattfinden soll (Präsident Dr. Gobat, Secretär C. H. Mann),
unter dem 20. December mit, dass mit dem Congress eine grosse Ausstellung ver-
bunden sein soll.
(4) Die Kaiserliche Gesellschaft der Freunde der Naturwissenschaften, der
Anthropologie und Ethnographie an der Universität Moskau erlässt, in Erfüllung
eines, auf dem prühistorischen Congress in Paris 1889 ausgedrückten Wunsches, die
Einladung zu einem internationalen Congresse für Anthropologie, prä-
historische Archäologie und Zoologie in Moskau im August 1892. Als
Präsident des Organisations-Comités zeichnet Hr. Anatole Bogdanow, als Präsi-
denten der Commission für wissenschaftliche Arbeiten die Herren Dmitri Anu-
ischin und Nicolas Zograff.
(b) Der Hr. Unterrichtsminister übersendet mittelst Erlasses vom 8. Januar
das erste Heft des IX. Bandes des Jahrbuchs der Gesellschaft für bildende
Kunst und vaterländische Alterthümer zu Emden zur Kenntnissnahme.
Dasselbe enthält unter Anderem einen Bericht des Hrn. Germelmann über die
bei Herstellung der Canalisation der Stadt 1885—87 gemachten Funde von archäo-
logischer Bedeutung, die freilich sehr spärlich und unbedeutend waren.
(6) Der Vorsitzende legt Nr. 1. der Amtlichen Berichte aus den Königlichen
Kunstsammlungen vom 1. Januar vor, worin auf S. VI—X eine kurze Uebersicht
der von der anthropologischen Gesellschaft an die vorgeschichtliche Abtheilung
des Museums für Völkerkunde aus ihrer Sammlung abgelieferten prähistorischen
Gegenstände gegeben ist.
(7) Nach einem Bericht der Heidelberger Zeitung hat am 28. December v. J.
Zu Heidelberg eine Versammlung von Vertretern von Preussen, Bayern, Württem-
berg, Baden und Hessen, sowie der Akademien von Berlin und München statt-
Sefunden, um, dem Auftrage der betreffenden Regierungen entsprechend, für die
einheitliche Erforschung des römischen Grenzwalles in Deutschland
Vorschläge und Kostenveranschlagungen aufzustellen. Es wurde die Niedersetzung
einer Commission beschlossen; die Leitung der Arbeiten selbst soll zweien Diri-
Senten, von denen der eine Archäolog oder Architekt, der andere Militär ist, und
ater diesen einer Anzahl von Strecken-Commissaren übertragen werden. Für die
Usführung der Arbeiten wurde ein Zeitraum von 5 Jahren in Aussicht genommen.
neh Der Vorsitzende begrüsst das, freilich etwas spät in Angriff genommene Unter-
Deus als ein immerhin sehr dankenswerthes. Der Eifer, mit dem überall in
Res land, auch ausserhalb der Linie des Limes, die Erforschung der rómischen
€ betrieben wird, bürgt dafür, dass es an freiwilliger Hülfe nicht fehlen wird.
(8) Hr. A. Nehring überschickt unter dem 3. Januar folgendes Schreiben, be-
treffend die
altpreussische Wirthschaftsgeschichte.
Ah a Olsen erlaube ich mir, einige vorläufige Bemerkungen zu Otto Hein’s
Zeit“ ung über ,Altpreussische Wirthschaftsgeschichte bis zur Ordens-
Zu uy Theil II, abgedruckt im 5. Hefte der Zeitschrift für Ethnologie 1890, S. 173 ff.
Uu übermitteln:
25
(24)
Die auf Jagd, Fischerei und Viehzucht bezüglichen Angaben sind ohne alle
Berücksichtigung der reichen Funde aus dem Pfahlbau des Szontag-Sees (zwischen
Lötzen und Lyck) gemacht worden. Abgesehen von sonstigen Publicationen, welche
von Mitgliedern des Alterthums-Vereins ,Prussia^ zu Kónigsberg herrühren, ver-
weise ich auf meinen Aufsatz über „die Fauna eines masurischen Pfahl-
baus“, welcher am 7. October 1888 in der „Naturwissenschaftlichen Wochenschrift“
(herausgegeben von H. Potonié) erschienen und an viele Interessenten verschickt
worden ist. Ich verweise ferner auf meine Bemerkungen in diesen Verh. 1888.
S. 342 f. und auf meinen Artikel über „die Jagdthiere eines masurischen
Pfahlbaus aus der älteren Bronzezeit“ in der hiesigen Neuen Deutschen
Jagd-Zeitung vom 22. December 1888.
Hinsichtlich der wilden Pferde verweise ich auf meine ausführliche Arbeit über
,Fossile Pferde aus deutschen Diluvial-Ablagerungen und ihre Beziehungen zu den
lebenden Pferden, Berlin 1884, hinsichtlich des Bos primigenius auf meine Mit-
theilungen in diesen Verh. 1888. S. 222 ff.
Wunderlich ist die Meinung Hein's, dass sich ausser Büren, Luchsen und
Bibern auch die Hermeline aus Preussen zurückgezogen haben sollen. Dieses
ist vollkommen unrichtig! Wie in ganz Deutschland, so giebt es auch in Preussen
noch heutzutage zahlreiche Hermeline (Foetorius erminea K. u. Bl.). —
Der Vorsitzende bemerkt, es gäbe auch sonst manche Ursache, an noch
anderen Theilen jener Arbeit Kritik zu üben, so namentlich an den Ausführungen
über die prähistorische Chronologie und an der höchst summarischen Darstellung
der verschiedenen Artefakte; es sei aber doch als ein Fortschritt anzuerkennen,
dass dieses höchst wichtige und in seiner Art sehr eigenartige Gebiet einmal in
zusammenhüngender Darstellung in Angriff genommen sei. Ein weiterer Ausbau
werde sich leicht herstellen lassen.
(9) Hr. Richard Andree überreicht in einem an Hrn. Voss gerichteten Briefe
aus Heidelberg, 31. December, aus dem Nachlasse seines Vaters folgende Abhandlung
des verstorbenen Rath, der lange in San Paulo in Brasilien lebte, über
die Begräbnisse der jetzt lebenden brasilianischen Eingebornen.
Die sogenannten Curanteiros der Guaycurus legen ihre Todten auf die blosse
Erde und bedecken sie alsdann mit Zweigen, Holz, Rindenstücken oder auch mit
Schilfmatten. Darüber wird dann etwa 2 Fuss hoch Erde geschüttet und auf diese
Erdschicht legt man die Waffen und das sämmtliche Hausgeräth des Todten; dar-
über kommt abermals eine Matte und dann nochmals Erde und Stein. Dieser
Begrübnissplaiz wird nun nicht wieder besucht, ausgenommen, wenn ein neues De-
grübniss stattfindet.
Die Guaycurus theilen sich in 3 Klassen: 1) Edelleute oder Hauptleute, Joage
genannt, 2) Krieger, mit den vorigen von demselben Stamm, und 3) Sklaven, welche
von verschiedenen Horden abstammen, d.h. aus allen denjenigen Horden, welche
um ihren Jagdkreis herum wohnen. Mit diesen mischen sie sich, wie bekannt,
durchaus nicht, dazu sind sie zu stolz. Sie theilen sich in 7 Stämme ein, wovon
jeder seinen eigenen Namen hat. Ihre Namen sind: Chagotéos, Pacachodéo, Adioéo,
Aliadéo, Otéo, Landéo, Cadioéo.
Ihre Hauptnahrung ist Fleischspeise, sie essen alle Thiere, das Pferd aus-
genommen. Hornvieh wird hauptsächlich gezogen, die Bullen aber sogleich, w!e
(25)
Schafböcke, Ziegen und Hunde, kastrirt. Sie ziehen sehr viele Hühner, Gänse,
Enten, Pavos u.s. w. Alle diese Thiere werden sehr zahm.
Sie glauben an einen Schópfer der Welt, zollen ihm aber keine Art von An-
betung. Sie glauben an ein anderes Wesen, was sie Nanigogigo heissen. Diesem
schreiben sie allerlei Fatalitäten zu, die ihnen begegnen. Sie haben keine Idee
von einer Zukunft, wo das Gute vergolten und das Böse bestraft wird, wohl haben
sie aber einen festen Glauben, dass ihre Anführer, ihre Edelleute und ihre Zauberer,
welche sie Onequenitos nennen, nach dem Tode in jene von allen Uramerikanern
geträumten Campos der Freude und des Vergnügens gelangen, während die Seelen
des Volkes in der Nähe ihrer (der Hauptleute) Gräber herumschweben und Wache
halten, wobei sie der Nanigogigo unterstützt.
Sie glauben, dass dieser Nanigogigo mit den Zauberern und Aerzten, den
Onequenitos, im Einverstündnisse sei. Den Aberglauben unterhalten überhaupt bei
allen Völkern der Erde diejenigen, welche sich herausnehmen, die Anderen glauben
Zu machen, dass sie mit dem hóchsten Wesen in unmittelbarer Verbindung stehen.
. Bie leben in Frieden mit den Brasilianern, sind kriegerisch und stolz. Sie er-
innern an die in Nordamerika lebenden Indianer. Auch sind sie gute Reiter, wie
die Patagonier und die Nordamerikaner.
Bei ihren Verheirathungen halten sie grosse Gelage mit Tanz und allen Arten
Yon bei ihnen gebräuchlichen Speisen und Getränken; ganz dasselbe findet bei den
Begräbnissen statt. Die Krieger, besonders ihre Anführer und Priester, die ja
allein Hoffnung auf ein Jenseits haben, werden mit aller Sorgfalt geschmückt und
aufgeputzt: sie allein bekommen reichliche Speisevorräthe mit auf die Reise,
Welche ja die Anderen nicht machen, viel weniger die Weiber und Sklaven. Je-
doch werden die Jungfrauen festlich geschmückt. —
Die verschiedenen Stämme der Ingraegnungs, Tabayas oder Botocu-
dos lassen sich durch die besondere Namensendigung krans oder gez erkennen,
LB. Capikrans, Samekrans, Paremekrans, Xomokrans, Macaumekrans oder Procobgez
and Oraygez (Tymberas da Canella fina oder Gamellas); von den verschiedenen
wie au Tribus werden sie jedoch mit ebenso viel verschiedenen Namen genannt,
pa Aimores, Potentas, Guatacas, Guaramomis, Goarégoarez, Jesaragias, Amani-
vor Payéas, Tapuyas. Es ist dasjenige Volk, welches als ein urstämmiges
deck allen Indianern genannt wird und das am meisten gefürchtete von der Ent-
this, e an bis heute war und ist. Es sind diejenigen Stämme, welche der Kate-
verser und Civilisation sich hartnäckig entgegengestellt haben. Ihre Sprache ist
hane en von der aller anderen Stämme. Bei den, in ihrem Urzustande ver-
eigo, en Menschen finden sich auch die grossten Analogien der uralten Begrübniss-
hti, mit denen dieses Stammes, obgleich bei vielen anderen Stämmen zum Theil
v e Gebräuche stattfinden. Sie allein sind wahre freie Menschen.
Port, i. concellos sagt in seiner Beschreibung von Brasilien p. 34, dass die
Wegen ru lange in dem Zweifel beharrten, ob die Tapuyas oder Botocudos
tho m Hässlichkeit wirkliche Menschen seien. Dazu mag ihr ächt cannibali-
Mensen un und Treiben beigeiragen haben. Sie sind wirklich die hüsslichsten
Meist seh In Brasilien, wozu ihre dunklere, braunrothe Hautfarbe (Bronze), ihre
Mehenac, nn rückte Nase, die schiefstehenden Augen, die breiten, hervor-
Übgeschnit ackenknochen, der mehr viereckige Kopf, [die iber den Ohren rund
Weiss "di enengHaare und die bunte künstliche Färbung von Roth, ‘Schwarz und
beîtrage le meist kurze, godrungene, breitschulterige?Figur und die lauernden Augen
1; dazu noch die grossen runden Holzpflócke in Unterlippe und Ohren, wobei
A i
die Zähne des Unterkiefers hervorsehen, — das Alles zusammengenommen lisst frei-
lich einen Zweifel aufkommen, ob diese Kópfe zum Menschengeschlechte gehóren
oder nicht.
Die jungen Weiber sind nicht so hässlich in ihren Gesichiszügen, wie die
alten, aus deren Gesicht jener bei allen Stämmen der Indios. in Brasilien, d. h. bei
Mädchen und jungen Weibern, stets beobachtete Zug von Freundlichkeit total ver-
schwunden ist.
Ich nehme mir nicht heraus, sie in irgend einem Charakterzuge oder in ihren
übrigen Handlungen zu tadeln, denn, von der Ursache ihrer Handlungsweise genau
unterrichtet, würden wir oft nicht besser handeln, als sie in ihren Umständen, wie
ich mich sehr oft überzeugt habe.
Bei diesen Individuen zeigt sich das Thierische, das dem Menschen angehört
und ihn auch nie verlassen wird, selbst in seinem vollkommensten Zustande. Ein
solches, die wilden Thiere übertreffendes Individuum frisst Weib und Kind, ja
selbst seinen eigenen Vater, wenn es die Umstünde mit sich bringen. Er ist der
unversähnlichste Feind seines eigenen Geschlechts, hat allen Menschen den Krieg
erklirt. Er ist schlau, heimtückisch, grausam, kennt keine Scham, keine Dankbar-
keit, — dies zeigt sein brutales Gesicht; dagegen ist er tapfer, verwegen und flink,
schwimmt wie ein Fisch, klettert fast wie ein Affe auf alle Bäume. Seine fünf
Sinne sind auf das vollkommenste ausgebildet. Er kann wochenlang hungern und
ist dafür im Stande, an einem Tage für 8 Tage zu essen. Wenn er zu essen hat,
ist er faul, wie eine vollgefressene Schlange; wenn ihn dagegen der Hunger plagt,
ist er unermüdlich. Er ist sehr selten krank und erreicht ein Alter von 100 bis
150 Jahren.
Dies ist für Europäer unglaublich, aber hier in Brasilien selbst kann man in
allen Zeitungsblüttern von Zeit zu Zeit lesen, dass Nachkommen dieser Rasse,
welche unter den sogenannten Civilisirien lebten und leben mussten, ein solches
Alter erreichen. Diese Menschen lieben ihre Kinder über Alles, sie haben eine wahre
Affenliebe für sie. Sie leben unter sich in einer Harmonie, Reinlichkeit (aus-
genommen das Kopfungeziefer, welches für sie eine Delicatesse zu sein scheint) und
Ordnung, welche zu verwundern ist. Man wird fragen, wie dieser Widerspruch;
wo man Vater, Weib und eigenes Kind frisst, sich vertrage mit der Liebe, der
Ordnung und dem friedlichen Zusammenleben. Wenn der Vater jedoch so alt ist,
dass er nicht mehr den oft aus Noth veranstalteten Wanderungen, wegen Verfol-
gung von Feinden u.s. w., folgen kann, so bittet er selbst darum und erst nach
vielem Heulen und Wehklagen befolgt der Sohn seine Bitte, und damit sein Kórper
nicht ausgegraben und von den Feinden geschündet wird, wird er mit allen den
Ceremonien, die sie befolgen, gebraten und von der ganzen Familie und Tribus
unter Heulen und Schreien, Erzählung seiner Thaten u. s. w. aufgezehrt, der
Schädel und die Knochen verbrannt und zerschlagen, der Rest mit Waffen und
Geräthen in einen oft sehr grossen Topf gethan und vergraben. Kinder dagegen
werden nur bei Noth und Gefahr gegessen oder wenn sie sterben, und zwar nU'
von der eigenen Mutter; man glaubt ihnen kein besseres Grab geben zu können;
als dasjenige, worin sie sich zuerst ausgebildet haben.
Simáo de Vasconcellos sagt in seiner Chronik von Brasilien p. 583—954:
,Ein merkwürdiger Fall begab sich mit einem Tapuya Goagtacá (Ingraeknung)-
Dieser hatte einen Erzfeind, welcher ein Anführer desselben Tribus war- Dieser
begab sich aber in eine Mission der Jesuiten-Patres, mit welcher sie in Frieden
lebten, da viele von ihresgleichen an diese verkauft waren. Dieser Tapuya ver
26)
(27)
folgte den Anführer bis dorthin; da hörte er, dass derselbe dort krank geworden
und darauf gestorben und beerdigt sei, wie es bei den Jesuiten Gebrauch war. Er
hatte keine Ruhe, bis er den Begrabenen ausfindig machte. Er riss ihn aus der
Erde und zerschlug ihm den Hirnschädel (wie es Gebrauch unter ihnen ist, wenn
sie Rache zu üben haben). Nach dieser Handlung war er zufrieden, denn seine
Ehre war gerettet und er hatte sich seinen Ruf als Tapferer wieder verschafft.“
Die gefangenen Krieger werden, wenn es Alte sind, sogleich verspeist; wenn
es aber junge Leute sind, so werden sie womöglich erst gemästet und dann unter
grosser Festlichkeit erschlagen, gebraten und aufgezehrt, ihre Knochen aber auf
Haufen gelegt und der Zeit und Verwesung überlassen.
Der Kopf macht gewöhnlich eine Ausnahme, das Gehirn wird nicht gegessen,
sondern in das Feuer geworfen. Der Schädel aber wird von dem Sieger auf-
bewahrt, oft sogar mit Haut und Haaren zubereitet, geräuchert und getrocknet; die
Augen- und Schädelhöhle wird mit wohlriechenden Kräutern ausgestopft, eine
Schlinge durch den Mund gezogen und so aufgehängt. (Vor einigen Jahren wurde
ein Handel mit diesen Köpfen auf Bestellung einiger Franzosen getrieben, was
Veranlassung zu Morden gab, um diesen Bestellungen gerecht zu werden.)
Die gewöhnliche Begräbnissweise der Ingraeknungs ist folgende: Wenn es
einen der Anführer betrifft, so wird die Leiche gerade so aufgeputzt, wie im Leben,
gemalt und angethan mit allem Kriegsschmuck, in sitzende Stellung vermöge Cipos
gebracht, und zwar an der Stelle, wo er gewöhnlich geschlafen hat. Um ihn her wird
all sein Kriegs- und Speisegeräth gestellt. Tanz, Gesang und Wehklagen, Reden mit
dem Verstorbenen und Erinnerungen an die vorangegangenen Krieger und Ver-
wandten folgen auf einander, und dies geschieht so lange, als noch Vorräthe zum Ver-
zehren da sind. Dann wird Alles still. Der so vorbereitete Todte wird nun mit Palm-
blättern, dann mit einigen Steinen und endlich mit von Weitem hergeholter Erde
zugedeckt; zu diesem Zwecke suchen sie einen Erdabfall, wo sie mit Leichtig-
keit die Erde auf Rindenstücke, Thierfelle und Körbe bringen können, da ihnen
wirkliche Grabewerkzeuge fehlen. Ist der Stamm sehr zahlreich, so wird auch
der Hügel proportional anwachsen. Ist das Grab in einer Gesellschaftshütte,
80 wird diese ohne Weiteres von der Familie verlassen, sei das Haus noch so
gross. Das Wohnhaus ist fast immer 60—80 Schritte lang, für etwa 30—40 Fami-
lien, mit senkrechter Fronte und nach hinten zu dachfórmig von 16—18 Fuss Hóhe
Zur Erde laufend, eine Tiefe von 18—24 Fuss bildend. Oft in grosser Entfernung
Wird sogleich ein neues Haus gebaut.
Geringere, Personen des Stammes, sowie Weiber, welche nicht in die Campos
der Freude kommen, bedürfen weder der Speisen noch der Waffen, denn ihre Geister
er Seelen verweilen nur so lange in der Nähe, bis die Körper ganz verwest
_ Die Geister necken während dieser Zeit die Lebenden, welche in ihre Nähe
auch Die Leichen werden auf ebenem Boden mit Erde bedeckt, zuweilen aber
Tu. in zufällige Vertiefungen begraben, oft verbrannt und die Asche in die grossen
pfe gethan, die dann in der Erde vergraben werden.
Gu, Diese grossen Töpfe, Igacabas genannt, dienten früher dazu, die berauschenden
uit darin zu fertigen, welche bei den Festlichkeiten aller Stämme Brasiliens
von os Dieselben sind 2—3!/, Fuss hoch, haben einen kurzen Hals, eine Oeffnung
sonder ; einen Bauch von 3—4 Fuss Weite, einen fast gar nicht flachen Boden,
eisenk mehr zugespitzt. Sie haben emen Deckel mii Knopf, sind von rothem,
breite ven Thon, gut gebrannt und bemalt, d.h sie haben mehr oder minder
inien, hier und da Rautenzeichnungen. Sie sind sehr glatt und rund gearbeitet
und haben eine Wanddicke von 1—1'/, Zoll. Sie nehmen den Körper eines Men-
schen in der Lage auf, wie er im Mutterleibe als Foetus lag. Diese Graburnen
findet man zufälligerweise bei Abgrabungen, auch habe ich sie öfter in den hier
sehr zahlreichen Kalkhöhlen getroffen. Bei Aus- oder Abgrabungen gehen sie
meistens ganz in Scherben; in den Höhlen findet man sie oft ganz wohl erhalten.
An dem Flusse Ribeira do Iquape bei Xirissea' fand man einen viereckigen
Sarg aus Thon, gebrannt, mit Deckel, und in dem Innern Knochen. Sehr viele
Xirisicaner bezeugten mir dies, selbst habe ich denselben nicht gesehen. Er soll
zerschlagen worden sein. Ebendaselbst erhielt ich einen kleineren zerbrochenen
Topf, und an dem Einfluss des Flusses Jaguya in die Ribeira, bei der sogenannten
Portaleger, Figenthum eines alten Herrn Peireira, fand ich selbst eine solche grosse
Graburne mit einem vollständigen Skelet darin, wie in einigen in den Höhlen
gefundenen. Nur in einer traf ich Waffen von Stein, sowie Schmuckgegen-
stände.
Bei den Logamentos der Botocuden an dem oberen Itajahy, an der Strasse
des Südens nach Rio Grande, in der Provinz St. Catharina, giebt es mehrere
grössere Hügel, die ein frischeres Aussehen haben und nicht mit den grossen
und alten, mit Urwald bewachsenen Hügeln zu verwechseln sind. Wie schon
bemerkt, haben die alten einen Graben ringsum, den die neueren nicht haben.
Andere Gräber waren kaum erhabene längliche Vierecke, etwas grösser, als unsere
christlichen Gräber, welche neu zugeworfen sind. Der Todte lag auf ebener Erde,
mit einer nicht sehr dicken Schicht Erde zugedeckt. Bei einigen fanden sich ver-
faulte Bogen und Keulen von Holz, Thier- und Menschenzähne, welche ehemals
aufgereiht gewesen sein mögen, wie sie heute noch im Gebrauch sind. Uebrigens
wurde mir von ihnen selbst bestätigt, dass ihre Anführer, Pahys, oft sehr grosse
Hügel bekämen, weil sie zahlreich seien.
Der Geschichtsschreiber Vasconcellos sagt § 148: ,Der Anfiihrer dieser In-
graeknungs ist zwischen den anderen wohl zu erkennen, denn er trägt sein Haar
so geschoren, dass es eine Krone bildet (d. h. es bleibt ein Theil der Haare auf
dem Oberkopfe in der Art stehen, dass rings um den Kopf über den Ohren das
Haar erhalten, unterwirts aber alles geschoren wird; zu jetziger Zeit haben alle
Männer diese Haartracht). Was ihn mehr auszeichnet, ist, dass er allein die Nägel
des Daumens sehr lang wachsen lassen darf, während die ersten und älteren Krieger
und Verwandte nur die Nägel der anderen Finger wachsen lassen durften. Ihre
Kinder beiderlei Geschlechts sollen nach 9 Wochen schon laufen, sowie sie eben-
falls schon schwimmen lernen, worin die Tapuyas Meister sind, wenngleich ein
Reisender das Gegentheil behauptete. Sie werden älter, als die Angehörigen aller
anderen Stämme. . Die Alten werden unter ihnen in grössten Ehren gehalten, sie
gelten als Orakel; dennoch werden sie bei Noth aufgezehrt. —
Die Begräbnissweise der Aroaquis, Parasis, Bacahiris, Banibas, Puris
und der unter vielen Namen in Brasilien und dem französischen, holländischen und
englischen Guyana lebenden Ureinwohner von sehr bildungsfähigem Charakter ist
folgende, von der ich selbst Augenzeuge war; sie gleicht übrigens den anderen in
ihrem Aeusseren. Bei Todesfällen, und zwar eines Mannes, ist das Erste, dass der
nächste männliche Verwandte den Weibern die Haare so glatt als möglich von dem
Kopfe schneidet, was oft eine harte Operation ist, da dies mit Feuersteinen, scharfen
Muscheln oder Fischknochen geschieht, wenn sie noch keine Scheere oder Messer
besitzen. Hierauf überlassen sich die Weiber ihrem Schmerze, schreien und weh-
klagen, während sie den Körper des Todten waschen. Bei dieser Arbeit sprechen
(28)
sie mit ihm, erinnern ihn an Mancherlei und geben ihm Aufträge an längst
geschiedene Verwandte u. s. w. mit in das Jenseits. Je nach seinem Range
geben sie sich die grósste Mühe, ihn zu bemalen, ihm die Bart- und anderen
Haare auszuraufen, ausgenommen die Kopfhaare, wie es im Leben Sitte ist.
Hierauf wird demselben aller Staat angelegt, welcher den Krieger oder Anführer
auszeichnet, wenn er auf seinen Kriegs- und Siegesfesten ist. Dann reiben sie
ihn sorgfältig mit Copaiva- oder Mamoca-Oel ein. Ist diese Todtentoilette fertig,
so gehen sie erst an ihre eigene. Während der Schmückung des Leichnams
sind bereits die Verwandten und Freunde gekommen, um denselben zu em-
pfangen. Sie bringen ihn in eine sitzende Stellung, so dass die Ellenbogen auf
den Oberschenkeln und der Kopf in den Händen zu ruhen kommen. Damit aber der
Kórper in dieser Stellung verbleibe, wickeln oder binden sie ihn mit Bast oder
Cipos fest, Glied an Glied. An den Füssen, dem Hals und den Handgelenken werden
Klappergeräthe, welche aus Muscheln, Knochen, Nüssen, Samenschalen, Hufen oder
Klauen gemacht sind, angebracht, und zum Beschluss putzt man den Oberkopf
mit dem Federschmuck, wenn der Betreffende hierzu im Leben berechtigt war;
wenn nicht, so klebt man ihm blos einige Federn in das Haar und Gesicht.
Der Todte wird, solchergestalt vorbereitet, nun da aufgestellt, wo er gewöhn-
lich zu essen pflegte; vor ihn hin stellt man alle Gefässe, aus denen er ass und trank.
Dies letztere geschieht von den Weibern unter den gebräuchlichen Ceremonien,
Schreien und Wehklagen. Unterdessen bringen die Söhne oder die nächsten männ-
lichen Verwandten alle seine Waffen, Jagd- und Fischereigeräthe, legen sie neben
den Todten und empfehlen ihm bei jedem Stück, es ja wohl zu gebrauchen und
Ohne Fehlstreich die ihm begegnenden Feinde zu bekümpfen. So geschiehi es bei
allen. Gerüthen, je nach Gebrauch und Zweck. Nach dieser Ceremonie treten die
ältesten Krieger auf, um wechselweise alle Thaten des Todten, seine Geschicklich-
keiten aller Art hervorzuheben. Dies geschieht in einem Vortrage, der am Ende
IN ein Geheul ausartet.
Einige Reisende gaben an, dass die Indianer diese Reden in einer Art von,
Gesang in Reimen vortragen, allein dies ist durchaus nicht der Fall, wie ich gar zu
Oft bemerkte. Allerdings improvisiren sie und dies geht in eine monotone Sprech-
Weise über, welche so klingt, als wären es Verse, da alles gleichsam frageweise
Vorgetragen wird und am Ende immer eine Pause entsteht. Der Irrihum entstand
aus der Unkenntniss der Sprache Seitens der Reisenden. -
Endlich bringt die Wittwe mit den anderen Frauen unter Weinen eine Art von
Danksagung den Männern dar für ihre Theilnahme und Hülfe, und fordert sie
v. Namen des Geschiedenen auf, einen Abschiedstrunk zu nehmen, damit der
|, Morbene seine Reise alsobald antrete, da er unmöglich scheiden könne, so
"d seine Freunde bei ihm weilen. Sie kredenzt jedem der Männer eine Cala-
bern voll Baivas; haben die Männer getrunken, so trinken die Weiber und Kinder
balls Das grosse Gefäss mit dem gegohrenen Getränke aus Mandioca, dem
dane wird nun in die Mitte gestellt, aber in die Nähe des Verstorbenen. Es
rn nicht lange Zeit, so ist alle Trauer verschwunden. "Tanz, Gesang, Reden
hre des Verstorbenen, Nachahmung seiner Tänze u. s. w. steigern sich bis
“um Tumult.
die t der Abenddümmerung, die sich hier schnell in Nacht verwandelt, ziehen
bisge eT ab und nur die Weiber bleiben bei der Leiche, welcher sie Lecker-
danert versetzen. Tanz, Essen und Trinken beginnt mit dem frühen Morgen und
lassen hat Abends und zwar so lange, als der Verstorbene dazu Lebensmittel hinter-
(29)
War der Verstorbene ein Anführer, so wird er in seine Hängematte eingenäht;
da, wo er gewöhnlich geschlafen, wird cin Loch gemacht, der Todte hineingesetzt,
Waffen, Geräthe und Lebensmittel rings um ihn gestellt und zuletzt ihm seine
volle Trinkschale (aus einer Kürbisart) auf den Kopf gesetzt. Palmzweige decken
denselben und dann erst wird Erde aufgeworfen.
War der Todte ein Jüngling und besass er einen genügend grossen Topf
(Igacaba), so wird er hineingesetzt mit Allem, was sein war.
Die Weiber bleiben so lange im Hause, bis der nächste Verwandte die Wittwe,
welche nun sein Erbe ist, sowie die kleineren Kinder abholt; alsdann wird die
Hütte verschlossen und dem Verfall überlassen.
Hat jedoch der Verstorbene Anpflanzungen hinterlassen, so geht der Todten-
schmaus bei der Ernte wieder los, bis nichts von ihm ererbtes Essbare mehr vor-
handen ist.
Auf ihren Reisen machen sie für einen verstorbenen Anführer einen kleinen
Hügel von Erde über ihn, d.h. die Leiche wird auf flachem Boden mit Erde
bedeckt, wie es bei den meisten Ureinwohnern Sitte ist. Hin und wieder sollen
sie auch Leichen verbrennen und die Knochen und Asche vergraben; die Ursache
des Unterschiedes konnte ich nie erfahren.
Auch haben einige dieser Tribus die Gewohnheit, sich bei diesen Todtenfesten
die Waden gegenseitig unter Tanz und Gesang mit dreitheiligen Peitschen zu
bearbeiten, und zwar so, dass das Blut herabströmt.
Von den Coroados oder Tapes-Indier, welche in der Nähe der Campos
Quarapuavas hausten (Prov. Parana), sah ich einen ziemlich grossen Hügel, worin
der sehr berühmte Anführer Condode begraben liegt; obwohl er sich von dem
Pater Chagus 1818—20 taufen liess, glaubte er an keinen Christengott und machte
dem Pater sehr viel zu schaffen, er wollte Beweise haben u. s. w.. Der Hügel hat
keinen Graben und nicht die Grösse der uralten Hügel.
(10) Hr. Virchow zeigt eine, ihm ohne Adresse durch die Post zugegangene
Blechbüchse mit einem grossen
Fruchtkuchen aus Salta, Argentinien.
Der etwa 18 cm im Durchmesser haliende und 4—5 cm dicke Kuchen hat un-
geführ die Form und Farbe eines Miniatur-Schweizerkáses und einen recht nahr-
haften Geruch. Die Substanz ist ganz irocken, etwas kornig und briichig. Zu-
fülligerweise hatte ich Gelegenheit, das Prüparat einem Sachkenner vorzulegen.
Der zufülig in Berlin anwesende Hr. Prof. Ludw. Brackebusch aus Cordoba er-
kannte darin einen sogenannten Patai. Dieser wird aus dem Mehl der Samen
der Algarrobo negro (einer Prosopis-Art) hergestellt und dient im nórdlichen
Argentinien auf Reisen als gewóhnliches Nahrungsmittel. Der sehr grosse, wild-
wachsende Baum trägt unzählige Schoten, die im Herbst abfallen; dann zieht die
ganze Bevülkerung in den Wald und lebt fast allein von diesen Samen.
(11) Hr. Virehow zeigt ein frisches, mikroskopisches Prüparat von
Distomum haematobium, einem afrikanischen Parasiten.
Ein aus Südafrika zurückgekehrter Knabe, der Sohn eines Missionárs, leidet
häufig an Haematurie. In den Blutgerinnseln finden sich, wie zuerst einer meiner
Zuhürer, Hr. Wendland, beobachtet hat, zahlreiche Eier eines Parasiten, der zu-
erst in Aegypten gefunden wurde, aber weithin durch Afrika und auch andere
tropische und subtropischen Gebiete verbreitet is, des Distomum haematobium oder
(30)
£j 1 ,
der Bilharzia. In diesem Falle sind lebende Embryonen in den Eiern nicht selten.
Der Bruder des Knaben hat polypöse Auswüchse der Blase gehabt, von denen er
durch eine Operation mit Erfolg befreit worden ist.
(12) Das correspondirende Mitglied, Hr. de Marchesetti, berichtet in einem
an Hrn. Virchow gerichteten Briefe aus Triest, 23. December pr., über seine
Ausgrabungen in S. Lucia und Istrien, namentlich über die Auffindung von
Urnenharz.
„Ich habe in diesem Sommer weitere 520 Gräber in S. Lucia geöffnet, wo-
durch die Summe von 2631 erreicht wurde. Ausser den gewöhnlichen Sachen
Wurden mehrere Neuigkeiten gefunden, so z. B. ein partiell Bestatteter, dem der
Obere Theil des Körpers fehlte und der mit einer Bronzesitula, 2 Schlangenfibeln,
einer Lanze u. s. w. ausgestattet war. Auch heuer gewann ich eine grosse Aschenurne
in Form einer Amphore (ühnlich derjenigen, deren Exhumirung Sie vor 2 Jahren
fheilweise beiwohnten), die, ausser der Situla und mehreren Beigaben, 2 prüchtige
Élasgefässe enthielt. Noch ein drittes Glasgefäss kam in den diesjährigen Grabun-
Sen zum Vorscheine, so dass ich bereits 5 dieser in der Hallstattzeit so seltenen
Gefässe von S. Lucia besitze. Interessant scheint mir noch die Auffindung eines
Pferdes, dessen Kopf nebst dem Zaume mit zahlreichen, ehemals auf Riemen be-
festigten eisernen Beschligen (Borchien) und Ringen sehr zierlich geschmiickt war.
Án seinem Halse hing ausserdem eine grosse bronzene Bulle.
i „In mehreren der Bronzegefüsse fand man eine gelbliche harzige Substanz, die
Lh nicht bestimmen kann und dic exotischer Herkunft zu sein scheint. Ich er-
Whe mir, Ihnen davon eine kleine Probe zu schicken, in der Hoffnung, dass es
Ihnen gelingen wird, ihre Natur zu erkennen,
ly „Weitere Grabungen habe ich in Caporetto (Karfreit) gemacht, wo ich wieder
Gräber öffnete, die manche Neuigkeiten lieferten. Es ist mir auch gelungen,
he. neue, der Hallstattperiode angehórende Grabfelder zu entdecken, wovon eines
enfalls im Idriathale bei St. Veitsberg, das andere nicht weit von Triest liegt.
von „Bei Begehung einiger südistrianischen Castellieri traf ich eine Menge
sie à dgelgräbern, die ich nächstes Jahr zu eröffnen gedenke. Vielleicht werden
ie Lücke der bei uns noch nicht constatirten reinen Bronzeperiode ausfüllen.
Bt à Veiter wurde die Durchforschung der Hóhlen von Gabrovizza und von
zeit anzian fortgesetzt und dabei mehrere schöne Funde, besonders aus der Stein-
> Semacht.
Mir »Der Harzprobe von S. Lucia lege ich noch eine Probe von Karfreit bei, die
Mentisch zu sein scheint.“ —
— Salkowski, dem die eingesendeten Proben von Hrn. Virchow zu ge-
folgen Bestimmung übergeben wurden, fasst das Ergebniss seiner Untersuchung
I érmaassen zusammen:
in einer 1° zur Untersuchung übergebene Substanz, bezeichnet E Lucia, Grab 2151
zu gris itula“, bildet ein bräunlich-graues, zum Theil ziemlich feines, zum Theil
Pus. en und kleineren rundlichen Ballen vereinigtes, eigenthümlich klebriges
"omati c, Le schmilzt beim Erhitzen auf dem Platinblech unter Verbreitung
laggy à riechender Dümpfe und verbrennt mit leuchtender Flamme unter Hinter-
bläht : unkelgefürbter Asche. Beim Erhitzen im Glasrohr schmilzt die Substanz,
ich stark auf und giebt ein halb óliges, nach Juchten riechendes Destillat.
(97)
Löst man dasselbe in Aether und verdunstet die Lösung, so bleibt ein röthlich-
gelbes, klebriges, allmählich fester werdendes Harz zurück.
In heissem Alkohol, sowie in Aether lóst sich nur verhältnissmässig wenig von
der Substanz, und zwar mit gelber Farbe. Die ütherische Lósung hinterlásst ein hell-
gelbes, sprodes Harz. Aus dem beim Behandeln mit Aether gebliebenen Rückstand
nimmt Chloroform noch reichlich Substanz mit brauner Farbe auf. Die Chloroform-
lösung hinterlässt beim Verdunsten ein Anfangs weiches, dann hart und spröde
werdendes dunkelgefürbtes Harz.
Das von Chloroform nicht Gelóste erscheint nach dem Auswaschen mit Chloro-
form und Trocknen an der Luft als lockeres, gelbliches Pulver. Dasselbe ver-
glimmt beim Erhitzen auf dem Platinblech unter Hinterlassung einer schwarz ge-
fürbten, kupferhaltigen Asche. Bei genauerer Durchmusterung des von Chloroform
nicht Gelösten findet man darin auch kleine Stückchen oxydirter Bronze, die wohl
zufällig in Folge des Zusammenliegens mit Bronze hineingelangt sind.
Nach diesem Befunde ist die Achnlichkeit mit dem von Heintzel (Zeitschr. f.
Ethnol., 1880. Verhandl. d. anthropol. Gesellsch., S. 377) beschriebenen Urnenharz
unverkennbar, jedoch deutet in dem vorliegenden Falle nichts auf die Beimischung
von Wachs hin, die Heintzel in seinem Falle fand, namentlich entwickelte sich
bei der trocknen Destillation des Urnenharzes durchaus nicht der Geruch, welchen
Wachs giebt, wenn man es dieser Operation unterwirft.
IL Das äusserlich ganz gleiche Pulver, bezeichnet „Caporetto Grab 208 in
einer Zonenurne, 1887, Juni, verhielt sich beim Erhitzen auf dem Platinblech, bei
der trocknen Destillation, sowie gegen die oben angegebenen Lösungsmittel u. s. W.
genau so, wie I., so dass an der Identität dieser beiden Substanzen wohl nicht ZU
zweifeln ist.
(13) Hr. Vater berichtet über eine
dreiköpfige Figur in Brixen.
Ich bitte, nur auf wenige Augenblicke mir Ihre Aufmerksamkeit zu schenken:
um [hnen Mittheilung machen zu kónnen von einem hóchst eigenthümlichen Bild-
werk, das ich im vorigen Herbst zu sehen Gelegenheit hatte, ohne dass es mir g€*
lungen wäre, die Bedeutung desselben aufzuklären.
Es war in Brixen in Südtyrol, dem uralten Fürstbischofssitz, jetzt einem eng
gebauten Landstädtchen mit ungefähr 5000 Einwohnern. Dasselbe zeigt dieselbe
Bauart, wie die Städte in Ober-ltalien, mit schmalen Gassen, deren untersie?
Stockwerk meist von den sogenannten Lauben eingenommen wird. Diese, meist
sehr wenig vom Tageslicht erhellten Bogengänge, in denen man die Strassen durch-
schreitet, verhindern den Ausblick auf die gegenüberliegende Strassenfront und nur
so kann ich es mir. erklären, dass bisher nirgends der eigenthümlichen Figur Er
wühnung geschehen ist, die ich auf einem meiner Spaziergänge plötzlich ganz zur
fällig an der Ecke zweier der Hauptstrassen, der Stadtgasse, in der sich das Rath-
haus befindet, und. der Schlossergasse, entdeckte:
Die abgestumpfte Ecke des einen Eckhauses trägt nehmlich im ersten Stock-
werk, offenbar aus einem Eichenstamm zugehauen und geschnitzt, auf schmalen
Consol stehend, eine etwa 3 m hohe männliche Figur, die zunächst täuschend der
Eindruck eines Christophoros macht. Ich hielt sie auch dafür, bis ich entdeckte
dass die gänzlich nackte, sehr haarige, nur mit einem Blätterschurz um die Hüften
bedeckte, kräftige Mannesgestalt aus der oberen Brustöffnung 3 Hälse mit 3 voll-
ständig gesonderten und verschiedenen Köpfen hervorwachsen lässt, die nach de?
(32)
C
verschiedenen Strassen ausschauen. Die Gestalt stützt sich mit der rechten Hand
auf einen langen Schürbaum, den sie senkrecht an Körper und Arm lehnt. Der
linke Arm fehlt ganz, wahrscheinlich durch Alter verwittert, wie auch die ganze
Figur Spuren der fortgeschrittensten Verwitterung, aber auch grosser technischer
Kunstfertigkeit und eines gewissen künstlerischen Geschmacks zeigt, mit denen sie
einst angefertigt worden ist.
So ist z. B. der mittlere, geradeaus schauende Kopf, der ganz den Typus eines
Christuskopfes trägt, noch jetzt recht wohl erhalten und sehr schön, Bart und Haare
von sorgfältiger Schnitzarbeit. Dem auf der linken Schulter sitzenden Kopf möchte
ich einen entschieden semitischen Typus zuerkennen, während der auf der rechten
Schulter genau so aussieht, wie die Bildnisse alter römischer Krieger, die ja so
zahlreich in Denkmälern aufgefunden sind.
Was hat das Ganze nun zu bedeuten? Denn ein so wunderbares Phantasie-
gebilde, in solcher Grösse und mit solcher Mühe und Kunst hergestellt, muss doch
aus irgend einem Grund oder zu irgend einem Zweck an einem der auffallendsten
Plätze der Stadt angebracht und daselbst Jahrhunderte lang. erhalten sein! So
dachte ich und suchte mir bei allen städtischen Behörden, wie bei den Figen-
lhümer des uralien Hauses und denen der benachbarten Häuser Auskunft zu er-
holen. Aber leider erfuhr ich nichts, auch nicht das Geringste. Selbst über das
Alter des Hauses konnten mir auf dem Rathhaus und dem Katasteramt nicht an-
Nähernde Mittheilungen gemacht werden, nur dass wohl immer in dem Hause eine
Weinschenke gewesen sei schien man annähernd bestimmt versichern zu können.
Als einfaches Wirthshauszeichen kann man einen dreikópfigen Mann aber doch
Nicht deuten, wenn nicht irgend eine Legende mit dem Hause oder dem Mann
Selbst verknüpft ist, die als bekannt voraussetzt, wie dieser zu den drei Köpfen
Sekommen ist.
.. Ob nun eine solche Legende in dieser Gegend existir, davon habe ich trotz
Alrigsten Forschens nichts erfahren können und möchte ich daher die sagenkun-
digen Herren unter unseren verehrten Mitgliedern hiermit herzlich bitten, in ihren
Quellen einmal nachzuforschen, ob sich nicht eine Spur auffinden lässt, auf der
Man die Sache weiter verfolgen kann.
sell Ich habe die Figur photographiren lassen und beehre mich, hiermit der Ge-
Schaft ein Abbild derselben zu überreichen.
gle; Das Einzige, was ich noch über den dreiköpfigen Mann in der übrigens sehr
King tigen Einwohnerschaft erfahren konnte, ist der Scherz, dass die kleinen
Mitt er mit der Täuschung geneckt werden, die Figur spele am „stillen Freitag ?
Ru, 9^ wenn die Glocken geläutet werden, Gold. Es soll dann den betreffenden
Breit. viel Vergniigen bereiten, zu sehen, wie die bethürien Kleinen am stillen
ag vergebens auf das Ertönen der Glocken warten. —
sl Hr. W. Schwartz weist darauf hin, dass der dreiköpfige Mann an einen alten.
“Vischen Götzen erinnere. —
liu Virehow erinnert daran, dass der Name des Triglav noch an einer der
n Bergspitzen der julischen Alpen haftet.
mag" Püssler hat eine grosse Reihe von Photographien aus Java
Verbandl, der Berl, Anthropol, Gesellschaft 1891.
35)
(34)
(15) Der Vorsitzende begrüsst den in der Sitzung als Gast anwesenden Hrn-
Max Ohnefalsch-Richter, der eben nach jahrelangen Ausgrabungen in Cypern
in das Vaterland zurückgekehrt ist. Letzterer hält einen, durch eine reiche Aus-
wahl alter und neuer Gegenstände erläuterten Vortrag über
Parallelen in den Gebräuchen der alten und der jetzigen Bevölkerung von
Cypern.
Vergleiche aus dem Culturleben der alten Kyprier und der heutigen Cyprioten
erregen aus verschiedenen Gründen ein aussergewöhnliches Interesse. Wie aus den
heutigen kurzen Mittheilungen gleich klar werden wird, haben wir es mit einer
Fundgrube zu thun, aus welcher der Archäologe, wie der Anthropologe und Ethno-
graph, unendlich viel Neues hervorziehen kann.
Wir sehen, wie sich aus den verschiedenen Schichten des Alterthums, den
verschiedenen Fundschichten der Ausgrabungen gewisse antike Formen, Decorations-
weisen, technische Verfahren, Motive, Sitten, Gebräuche, Hauseinrichtungen, ja
ganz eigenthümliche Gebrauchsgegenstände von Generation auf Generation bis auf
den heutigen Tag in merkwürdiger Reinheit erhalten haben und noch heute im Volke
leben Ja bei vielen hochwichtigen Dingen greifen wir einfach zurück in die
Uranfánge einer Cultur, die zeitlich mit den. Culturanfängen von Hissarlik, Meso-
potamien und selbst Aegypten zusammenfallen. Sachlich sind dabei die Verwandt-
schaften, zumal mit Hissarlik-Troja einerseits und der prähistorischen Zeit Ungarns
andererseits, höchst auffällige und sehr weitgehende.
Die Consequenzen solcher vergleichender Studien liefern noch andere hoch-
wichtige Resultate. Sie lösen nehmlich viele noch schwebende Fragen über den
Ursprung gewisser technischer Verfahren und Decorationselemente, Geräthe, Waffen
und dergleichen. Sie geben ein für allemal den Schlüssel für die richtige Erklä-
rung gewisser, bisher falsch gedeuteter oder überhaupt noch nicht gedeuteter Gegen-
stánde, die im täglichen Leben der Alten eine hervorragende Rolle spielten.
An der Hand der hier ausgestellten alten und modernen Gegenstände aus
Cypern liefere ich Ihnen den besten Beweis für die überzeugende Wahrheit der
hier kurz vorangestellten Forschungsresultate, die sich auf einen Zeitraum vor
12 Jahren Studirens auf der Insel Cypern ausdehnen.
Ich beginne mit den Gefässen und Geräthen aus Flaschenkürbis.
In Figur 1 habe ich eine jener gewöhnlichen Kürbisflaschen abgebildet, die
sich Hirt oder Bauer heute selbst am Schöpfbrunnen oder Dorfbach von der Kürbis-
ranke abzuschneiden pflegen.
Die grosse Masse der Kürbisflaschen ist nicht decorirt. Die Prunkstücke
aber werden in den Mussestunden, besonders gern vom Hirten auf der Weide,
wenn er sich satt geflötet hat, mit eingeschnittenen Mustern verziert, die mit
Schiesspulver oder Holzkohle ausgerieben werden.
Die Kirbisflasche dieser Form und Grüsse, — denn unser Exemplar ist 29 cm
hoch, — ist die beliebteste Weinflasche, so dass man das Maass des Trinkens nach
der Zahl der geleerten Kiirbisflaschen bemisst. , Wir tranken so und so viel
Kiirbise Wein“, — heisst es.
Figur 2 reprüsentirt einen der allerültesten Vasentypen, der schon in sehr frühen
Kupfer-Bronzezeit-Grabschichten auftaucht, lange vor jedem semitischen, lange
vor jedem babylonisch-assyrischen Einfluss. Er entstand in jener frühen Cultur;
die sicher keinem semitischen Volke, sondern einem wahrscheinlich arisch-indo-
germanischen zuzuschreiben ist.
Die gewöhnliche Grösse dieser handgemachten, steis henkellosen Thonvasen,
(35)
Stets mit zwei Löchern an der verbreiterten Mündung des gerade aufsteigenden.
Halses, beträgt etwa 14 cm. Wir sehen auf den ersten Blick, dass hier in Form
und Technik eine Kürbisflasche nachgeahmt wurde. Füllt der Cypriot heute die ein-
geschnittenen und geritzten Ornamente der zuerst ziemlich hellgelben, glänzenden
Flaschenkürbisse mit Schwarz aus, $0 dunkeln durch Alter, Luft und Wind lang-
gebrauchte Kürbisse und werden förmlich braunroth. In die Vertiefungen setzt
Sich oft weisser Staub und dann, etwa nach 40—50 Jahren, heben sich weisse und
Sraue Ornamente vom rothbraunen, wie glänzend polirten Grunde ab. Schôpf-
kellen, Trinkschalen, wie Weinflaschen, aus Kürbissen geschnitten, werden zur Er-
hühung der Haltbarkeit und Feuchtigkeitsdichtigkeit mit schwarzem Pech aus-
gegossen. Als nun der alie Kyprier im dritten, vierten Jahrtausend vor Christi
Oder noch früher sich daran machte, die Technik der verzierten Kürbisgefässe
Dachzuahmen und zu vervollkommnen, überzog er den rohen ungefärbten Thon-
körper mit feiner geschlemmtem und künstlich roth gefürbtem Thon; dann polirte
er sorgfältig das Gefäss und oft füllte er mit weisser Erde, Kalk oder Kreide die
Vertieft angebrachten Ornamente aus. Ja, bald ahmte er bei Thongefässen dann
&uch noch die ausgepichte schwarze Innenseite der Kürbisgefásse durch Farbe
Nach, Daher kommt es, dass viele der halbkugelformigen Trinkschalen aussen roth
"Und innen schwarz sind. Dasselbe Princip übertrug man als eine constante Regel
auf die in Figur 2 abgebildete Thonflasche. Boden und Bauch sind stets roth ge-
trt; von der Halsmündung nach unten stets dieselbe schwarze, in das Roth un-
*Belmüssig verschwimmende Farbe.
Figur 3.
Figur
i
e
(S9
Wu
Well
hug Vase, ganz wie die hier abgebildete, wurde z. B. in der ersten Hälfte des
Nr. 9 e von mir in einem Erdgrabe zu Hagia Paraskevi bei Nicosia in Grab
der ne uet meines Ausgrabejournales) in einer Gräberschicht ausgegraben, in
noch x. alle mit Farbe bemalten Gefässe ganz fehlten und in der jeder auch
War D; frühe Einfluss von Mesopotamien, Syrien oder Aegypten ausgeschlossen
Durchpoiss Vasengattung hat als Regel nie einen Henkel, dagegen stets die zwei
Wir N an der Halsmündung, ganz so wie die moderne Kürbisflasche.
Fig. 3 h sosprochon jetzt die in den Figuren 3—5 abgebildeten Gefässe. In
Sefäsge ie Sie das moderne Kürbisgefäss, in Fig. 4 und 5 zwei antike Thon-
Üührung der sie ebenfalls noch in der ersten Hälfte der Kupfer-Bronzezeit vor Ein-
er mit Farbe aufgemalten Decorationen in Menge fabricirt wurden.
2
Figur 4. Figur 5 Figur 6
p
4 py
ROW ;
{
\
L
In Fig. 3 sehen Sie ein 22 cm hohes Pulverhorn oder eine Pulverflasche aus
Kürbis abgebildet. So lieferten Spielereien der Natur, die ja bei der Kürbisfrucht-
bildung so zahlreich sind und denen auch heute die Cyprioten künstlich nachhelfen,
das Motiv zu der in Fig. 4 abgebildeten, eigenthümlich gebauten, ebenfalls uralten
cyprischen "Thongefássgattung mit einer Fülle verschiedener Varianten. Sie sehen
auf den ersten Blick, wie verwandt damit gewisse von Schliemann in Hissarlik
constatirte Typen sind.
Hier bei der Pulverflasche ist der hólzerne Pfropfen durch Lederriemchen an
der Uebergangsstelle vom Vasenhals zur Vasenschulter befestigt. Durch die Ver-
knüpfung der Riemenenden entsteht eine Gabelung. Statt Riemchen sind Strick-
chen, Bindfäden, Schnüre, wie ja auch in Fig. 1 und dann wieder in Fig. 6 zu
sehen, beliebt. Man versteht nun leicht, wie der kurze, eine Schnur nachahmende
Henkel an der Thonvase Fig, 4 entstehen konnte. Ja, oft gabelt sich der Vasen-
henkel oder die Vasenstütze am antiken Gefäss, wie die Riemchen bei unserer
Pulverflasche. Diese Gabelung sieht man in anderer Weise bei der grossen, in
Fig. 7 abgebildeten, alten Milchschale über dem Ausgiesser.
Figur 7. Figur 8.
u
Vasen, wie Fig. 4, kommen in verschiedenen Dimensionen vor, erreichen jedoch
nie die Höhe der stattlichen Wasserkrugart, von der ich unter Fig. 5 ein gutes
Exemplar abgebildet habe. Das Mittel für diese Wasserkrüge liegt bei ungefähr
50 cın Hohe. Die Riemchen und Schnüre, die der Cyprier an seinen Kürbisflaschen
36°
(?7)
theils zum Befestigen des Pfropfens oder Deckels, theils zum. Aufhüngen, endlich
als Zierde anwendete, führte den Tôpfer zur Relieftechnik. Zuerst brachte er
auf demselben Gefässe neben den vertieften Ornamenten erhöhte an, wie der
Kürbisgefässtechniker. Allmählich liess er die Ornamente in Relief vorwalten oder
Sanz herrschen. Das führte zu der ebenfalls schon sehr alten Reliefgefässtechnik.
Die älteste Sorte, stets handgemacht und als Regel roth polirt, entsteht ebenfalls
loch in der ersten Hälfte der Kupfer-Bronzezeit vor der Erfindung aufgemalter
Decorationen. Dafür ist nun Fig. 5 ein recht typisches Beispiel. Man sieht, wie
Riemchen um den Hals und den Henkel des Gefässes gebunden und wie gewun-
dene Schnürchen um den Vasenbauch gelegt gedacht sind. Ja, der auf der Vasen-
Schulter aufgesetzt gedachte Holzsteg, durch den eines der Schnürchen gezogen
scheint, erinnert weiter an die Nachahmung der Holztechnik in Thon, von der
poh unten zu reden ist. Auch diesen Krug grub ich in einem Erdgrabe zu Hagia
araskevi 1885 aus. Der Grabgrundplan wich jedoch schon wesentlich von dem
hen als Grab 2 bezeichneten Grabe mit einer Vase, wie Fig. 2, ab. Dort eine ein-
ehe Grube mit Unterhóhlung, ohne darüber gebaute Steine. Hier in eigenthüm-
d Weise Steinplatten; über den Beigaben aufgebaut nach Art der Kartenhäus-
Tee wie sie bei Kindern beliebt sind. Ich habe im Journal of Cyprian Studies
"i II, 11 und 12b, links die Vase und rechís unter 11 Grundriss und Durch-
"mitt des Qrabes mit den Steinen und Beigaben abgebildet.
te Die Gefässe Figuren 6 und 8 beschliessen für heute unsere erste Betrach-
P über die Kürbisgefüsse und deren irdene Nachbildungen. Das Kürbisgefäss
Hor 6, heute bereits in der ethnographischen Sammlung des K. K. N aturhistorischen
ein "Museums zu Wien, wurde von mir in einem Bauernhause zu Rizokarpaso?), an
don g Süule hüngend, vorgefunden. Es diente in der Wirthschaft als Behälter für
toi der beim jedesmaligen Brodbacken für das nächste Mal aufbewahrt
Deck, Zuweilen hat man hólzerne oder lederne Fieur 9 Fieur 10
anti mit zwei oder vier Lôchern, ganz wie die eur J. eur
bil de thônernen, die ich in Fig. 9 und 10 ab-
Binge, Die Sitte, alle möglichen Flaschen, Ge- is
— pige an den Wänden aufzuhängen, ist r J
puente allgemein durch die Insel verbreitet. J J
man " antike Dreifussvase Fig. 8 zeigt (denkt m s.
fuss oh den später darunter componirten Drei- |
Sofort 98) eine ganze ühnliche Form, wie unsere Kiirbisschale. Man versteht nun
nach 5 par häufig diese antiken Gefässe über die Halbkugel hinausgehen und
der M: en dann eingezogen erscheinen. Der Kugelbauch des Kürbis ist weit über
ne abgeschnitten und das ist in Thon nachgeahmt?).
hig, Prechend dem modernen Kürbisgefäss dienten die 4 Löcher zum Auf-
gebildet der antiken Vase, wie zum Zuschnüren des Deckels. Der in Fig. 9 ab-
Mig Deckel mit 2 Löchern wurde in diesem Falle in situ auf der Vasen-
Decke] 8 ausgegraben. Die Vase war mit grauschwarzem Thon überzogen, der
den Duras Im Journal of Cyprian Studies habe ich auf Taf: II unter Nr. 14
iy und Grundplan des zu Hagia Paraskevi im December 1884
enen Felsgrabes, sowie ebenda den gesammten Grabinhalt dargestellt.
> s nordóstliehste grosse Dorf der Insel auf der Landzuuge Karpas.
Aus der nte hat in seinem Ilios am Anfange unter den ersten Abbildungen eine
Fürdigsten Anales Stadt stammende Dreifussvase, die zu der unserigen eines der merk-
oga bildet.
Di +
( t.
Nr. 14w zeigt den in demselben Grabe ausgegrabenen steinernen Keilschrifteylinder,
den zuerst C. Bezold in der Zeitschrift für Keilschriftforschung publicirt, aber
nicht datirt hat. Bezold sah nicht das Original, sondern erhielt nur von mir einen
Siegelabdruck. A. H. Sayce studirte das im Cyprus Museum befindliche Original
und meint, es sei nicht jünger als 2000 v. Chr. anzusetzen. Ich habe eine Illu-
stration des abgerollten Siegelbildes in Originalgrosse im Journal of Cyprian Studies
Taf. I Nr. 13 geliefert.
Zu dem Decorationssystem eingeschnittener Ornamente sei hier noch auf die
in Fig. 3 der modernen Pulverflasche aus Kürbis und der antiken Vase Fig. 4 an-
gebrachten Ornamente von Halbkreisen und Kreisen, die von Linien durchschnitten
sind, hingewiesen, dasselbe heute wie damals. Dabei kann man nicht sagen, die
modernen Kürbisdecorateure seien von antiken Mustern beeinflusst.
Nachzuiragen ist ferner noch, dass, wie bei dem Rohrrocken Fig. 24, so bei der
Kürbisflasche Fig. 3 helle grünblaue Perlen eingelegt sind.
In meinem Besitze befindet sich eine zu Hagia Paraskevi in einem Felsgrabe
gefundene Dreifussvase der Kupfer-Bronzezeit. Selbige ist mit schwarzen georme-
trischen Mustern bemalt; ausserdem sind grünblaue Agalmatolith-Perlen in den
weichen Thon vor dem Brennen gedrückt. Mithin ist selbst diese moderne Perlen-
Decorationstechnik dem Alterthume entlehnt: von Kürbis und Rohr wanderte sie
in die Keramik. —
Figur 11
Figur 12.
D
ret
Die Figuren 11—14 führen uns zur zweiten Gruppe der heute zu beleuch-
tenden technischen Verfahren, den Flechtarbeiten.
Neuerdings ist Kekulé wieder vor der Archäologischen. Gesellschaft dieser
Frage ausführlich näher getreten; durch seine Ausführungen bin ich weiter ange"
regi worden. Gerade unsere Abbildungen zeigen ja, wie schlagend die vorgeführten
Reprüsentanten auch diese Seite beleuchten. Aber alle oder überhaupt nur die
meisten antiken Formen und Decorationen auf Flechtarbeiten und geflochtene Ge-
fässe zurückführen zu wollen, dürfte kaum möglich sein. Bereits sahen wir, wie
für viele Formen technische und siylistische Einzelheiten aus der Kürbisgefáss"
technik hervorgingen. Natürlich! Ehe man irgend welchen Gegenstand aus Rohr,
Blittern, Binsen, Stroh u.s. w. flechten lernte, brach man den Flaschenkürbi$
benutzte ihn im Alltagsleben, lernte ihn auch roh decoriren, und ahmte auch diese
Gefässart zuerst in Thon nach.
In Fig. 11 bilde ich eine 11,2 c» hohe Schachtel ab. Sie ist aus Blatttheilen
38)
Figur 13. Figur 14.
A4 XS ee,
u ; U DS
Figur 15.
— A
der Dattelpalme geflochten. Ein ebenfalls geflochtener Deckel ist zum Auf- und
Luschnüren eingerichtet; die dabei dienenden Schnüre sind aus demselben Palmen-
blattmateriale angefertigt.
. Fig. 12 ist eines jener fass- oder eifürmigen Thongefässe der Kupfer-Bronze-
“elt, die offenbar einfach solchen Palmenblattschachteln, wie Fig. 11, nachgemacht
Mid. Es ist wieder der polirte Thon und sind die Vertiefungen mit weisser Kreide
Bell. Ein ganz entsprechendes Thongefiss, das auch F. Diimmler auf
wage IL 11 der Mittheilungen des deutschen Archüolog. Institutes zu Athen
p.d XI abgebildet hat, wurde in derselben Ausgrabung August 1885 zu Hagia
lo Skevi im Erdgrabe Nr. 4 von mir gefunden, wührend Grab Nr. 2 eine henkel-
" Thonflasche, wie unsere Fig. 2, lieferte. Man sieht bei diesen Gefüssen sofort,
m Sie geflochtenen nachgebildet sind; die horizontalen Schichten und die sich
da, igen Winkeln kreuzenden parallelen Liniensegment-Gruppen beweisen auf
seb, Klarste die Nachahmung geflochtener Schachteln, wozu unsere Palmenblatt-
a Fig. 11 das überzeugende Vorbild abgiebt. Selbst entsprechende ge-
Decker Deckel sehen wir hier in Thon nachgeahmt. Der ın Fig. 15 abgebildete
Yon = ohne Durchbohrung, mit miitzen- oder hornartigem Griff, gehörte zu den
mit :Dümmler reproducirten Stücken. Ich bilde ihn der Vollständigkeit halber
ab und weil er uns wieder an ähnliche Deckel von Hissarlik erinnert.
"S 13 ist ein moderner Strohteller von 39 cm Durchmesser, Fig. 14 ein an-
Weise 24 cm Durchmesser haltender Thonteller, welcher wieder 1n deutlichster
und y emen antiken Strohteller nachahmt, ebenfalls Handarbeit ohne Tópferscheibe
Sirokten mir 1885 in einem Kupfer-Bronzezeitgrabe ausgegraben. — Der moderne
ein He er ist flacher, als der stürker gewólbte antike aus Thon. Beim modernen
Wie el, der beim antiken fehlt. Dabei zeigt der moderne Strohtellerhenkel,
Rien ro Schneppenhenkel an Kupfer-Bronzezeit-Schalen und graecophonikischen
ere Loliern solchen Strohtellerhenkeln nachgebildet sind‘). —
Tisehben der Kürbisgefässtechnik haben Holzarbeiten, Gefässe aus Holz, rohe
Verts, arbeiten und Holzdrechslerarbeiten sowohl gewisse technische
In m In der Keramik, wie in der Metalltechnik, beeinflusst.
Kupfo, p 1 bilde ich ein Prachtstück unter den keramischen Erzeugnissen der
Grab 20 ae ab, welches ich 1889 für die Kgl. Berliner Museen zu Tamassos
befindet T V im Lamberti-Hügel ausgrub und welches sich jetzt im Antiquarium
_ Diese mächtige, wohl etwa 60 cm im Durchmesser haltende Schale wurde
Shi, D mmler in d. Mittheilungen zu Athen, Beilage IT Fig. 12. Journal of Cyprian
: 1, 48; IL 93c und 16a.
(39)
(40)
ın Stücken zerbrochen ausgegraben. Der schlecht gebrannte Thon ist der Grund,
dass nicht schon mehr Schalen derselben Gattung‘ von Anderen und mir in die
Sammlungen gelangten. Uebrigens enthielten auch mehrere Gräber in derselben
Section V entsprechende Schüsseln. Erst durch diesen Fund verstehe ich Frag-
mente von entsprechenden Exemplaren, die theils aufgelesen (Psemmatismeno 1885),
theils ausgegraben wurden (Hagia Paraskevi 1885).
Wir haben es also durchaus nicht mit einer Abnormität oder der Schrulle
eines reichen Arbeitgebers, sondern mit einem, für den gewöhnlichen, wenn auch
besseren Marki fabricirten Typus zu thun. In vier Abständen sind an und unter
dem Schalenrande angebracht ein grosser Ausgiesser und drei Henkel, davon zwei
von gleicher Grösse und Form. Um den Rand läuft in Zickzacken ein erhaben in
Relief gebildetes Band; dazwischen und darunter viele concentrische Kreise mit
Centralpunkt, die hineingestempelt sind. Das ganze Gefäss, die massiven Henkel,
die dicken Thonwandungen, vor allem die Ornamente und deren Ausführung lassen
auf ein hölzernes Vorbild schliessen.
Ich bilde in Fig. 16 das Stück der Lehne eines modernen cyprischen Bauern-
stuhles ab. Auch hier liefert der Vergleich die beste Controle. —
Neben den Holzarbeiten laufen die Rohrarbeiten ohne Flechten her. Die
Betrachtung der modernen cyprischen Spindeln und Rocken (Kunkeln) geben uns
da wieder neue und überraschende Gesichtspunkte, gewisse antike Gegenstände
aus Thon, Stein, Kupfer oder schwach zinnhaltiger Bronze besser zu verstehen und
ihren Gebrauchszweck festzustellen.
In Fig. 17 sehen Sie die gewöhnliche cyprische Handspindel, die ohne das
oben aufsitzende eiserne Häkchen 22,5 cm lang ist. Sie besteht aus dem Wirtel,
oft mit roth und schwarzen (oder roth und grünen) Streifen bemalt, und der im
Wirtel steckenden Spindel von Nadel- oder Bolzenform.
Figur 20.
. Figur 17. Figur 18. Figur 19.
, a (7
f
Lo
Figur 16 Ven id
fe gur 16. m e
©
HK
m 9 16 EO
In Fig. 18 haben Sie die schwach zinnhaltige bronzene oder überhaupt kupferne
Bronzenadel, die in dem thónernen Spinnwirtel so sieckte, wie es Fig. 19 zeigt
Beide Stücke grub ich 1885 zu Hagia Paraskevi im Grabe 4 mit dem Fassgefäss
vom Typus, wie hier Fig. 12, aus. Die Bronzespindel, 15cm lang, und dep
pA
M
(41)
Thonspinnwirtel finden Sie auch im Journal of Cyprian Studies Taf. IT, 3d und e
abgebildet, ebenda unter 3 Grab-Grundriss und Durchschnitt.
Fig. 20 zeigt Ihnen stärker verkleinert einen jener mächtigen, ohne den eisernen
Haken 39 cm hohen und schweren Spinnwirtel, mit dem die zottige, weniger feine,
aber starke und schwer glatt und gerade zu spannende Schafwolle und das Ziegen-
haar gesponnen werden. Die kleine, in Fig. 17 abgebildete Handspindel ist nur
Tür Baumwolle und Hanf. Auch hier steckt der grosse Bolzen in dem nicht
Weniger als etwa 8 cm langen, schweren Spinnwirtel. Abwechselnd schwarze und
"the Horizontalstreifen laufen in paralleler Anordnung herum.
Nun versteht man auch, dass in der That alle die grossen schweren, bald ein-
fach kegelfürmigen, bald doppelkegelfórmigen, bald mehr abgeplatteten oder ab-
Serundeten Gegenstände aus Thon und Stein, die Viele ihrer Schwere und Grösse
Wegen nicht als Spinnwirtel gelten lassen wollten, dennoch Spinnwirtel sind.
Freilich Fig. 21 ist gleich wieder ein frappantes Beispiel, dass man überall, so
Mich hier, mit dergleichen allgemeinen Gesichtspunkten vorsichtig sein muss. Hier
W Ckt ein thônerner antiker Gegenstand an einer bronzenen oder kupfernen Nadel.
he 22 und 23, Exemplare des Fieur 2
a, igen Spinnrockens, beweisen, "Bur A.
" Wir es auch bei Fig. 21 mit Figur 28. (lr
. "M antiken Spinnrocken und Ji |
von mit der Handspindel zu Figur 21. ; Figur 25.
“Un haben. 2. ’ fi 4 NA
Da Fig. 23 ist der in Karpaso- i " 3% qp
hg besonders im Dorfe Gia- loi ne
Ong, che, mit eingeritzten 4 x Qui
Schw énten (die mit Pulver ge- e 1 i s.
Presa, sind) und hineinge- 45
Schm a bunten Glasperlen ge-
sing ückte Rocken sichtbar. Hier | | f.
wei pi dem Rohrcylinder nur Figur 22.
dicht “Cherfruchtformige Kugeln
Zeugt übereinander dadurch er- ®
Rühren dass fein geschnittene ;
den R äbchen gegen einander um
Ohreylinder gestellt wurden.
der m Fig. 22 ist der Rocken y ,
Taması rnnen von Pera (bei
lere vos) abgebildet. Ohne wei- 4
Rüge crangen sieht man drei ;
dej y über einander an und um |
ordner oylinder gestellt. Diese Rohrrocken oder Rohrkunkeln sind ausser-
kann M leicht und praktisch, weil viel Baumwolle, Hanf oder Wolle daran haften
Sich in de Spinnerin hält den Rocken entweder mit der Linken oder steckt ihn
Auf q en Busen, wührend sie mit der Rechten den Faden spinnt und die Spindel
9m Knie abschlägt.
Ay, Coh . usq: .
lhumsky d ohausen hat im XV. Bande der Annalen für die Nassauische Alter-
Behanqoj, e und Geschichtsforschung S. 24—27 (über das Spinnen bei den Alten
"innen und auch Taf. II Fig. 1—4 und Fig. 15 Spindeln, Rocken und Spinne-
Nach ägyptischen und griechischen Bildern abgebildet. Auch er weist be-
f ^s
reis darauf hin, dass die grüsseren und schwereren Wirtel auf grobere Wolle und
dickeren Faden schliessen lassen.
Zu dem grossen, in.Fig. 20 abgebildeten hölzernen Spinnwirtel für Wollefaden
gehört der grosse hölzerne, in Fig. 24 abgebildete, gleich grosse, hölzerne Spinn-
rocken. Er ist mit grünen und rothen Farbstreifen decorirt und die sauber ge-
drechselte Form entbehrt trotz aller Einfachheit nicht einer gewissen Eleganz.
. Der in Fig. 25 abgebildete, einem Kupfer-Bronzezeit-Felsgrabe zu Hagia
Paraskevi bei Nicosia entnommene, schwach zinnhaltige, 13,5 cm lange Bronze-
gegenstand, den ich mir selbst Jahre lang nicht erklären konnte, wird uns nun auf
einmal verständlich. Hs ist ein antiker Spinnrocken. Rohrspindeln, wie die von
Pera und Gialussa, gedrechselte Holzspindeln, wie die vom Drechsler in Nicosia
gekaufte (Fig. 24), wurden vom Metalltechniker zugleich benutzt und zu einer
Form combinirt. Oben haben wir eine Ficherfrucht ganz wie der Rohrrocken-
kopf, darunter die Riefen und vorspringenden Ringe, wie bei dem Holzrocken.
Zwei von Schliemann in Hissarlik gefundene Gegenstünde aus Silber, mit
einer ähnlichen Fächerfrucht oder Rohrquirl am Ende, können Spinnrocken sein.
Wie die vorgeführten modernen Gegenstände aus Kürbis, Flechtwerk, Rohr,
Holz merkwürdige Parallelen zu den entsprechenden Gegenständen im Alterthume
lieferten und so ein Stückchen Hausindustrie und Sittenleben illustrirten, so gilt
nun dasselbe für die ganze Einrichtung der Häuser und deren Bauart:
Ich verspare mir die Abbildungen von modernen Fenstern, Thüren, Riegeln,
von Säulen aus Holz und Stein, von Säulenhallen und Hausinterieurs auf die Ver-
offentlichung meiner vorjdhrigen, fiir die Konigl. Berliner Museen gewonnenen Aus-
grabungsresultate. Selbige werden demnächst in meinem, in Buchform mit einem
unserer ersten Verleger herauszugebendem „Journal of Cyprian and. Oriental Studies“
erscheinen. Es ist mir nehmlich geglückt, in einem zweikammerigen graeco-phóni-
kischen Kónigs- oder Fürstengrabe aus dem 6. vorchr. Jahrhundert die Nachahmung
eines antiken Holzbaues aufzufinden, wie bisher nicht einmal annühernd Aehnliche$
bekannt war, selbst die lykischen Gräber mit eingerechnet. Der Vorbau hat ein
horizontales Dach und wird durch Wandpfeiler getragen, denen protoionische
Capitelle oder ionisirende capitellartige Voluten als Krönung dienen. Die Kammern
selbst haben spitze Balkendücher. An den nicht mit Thüren versehenen Seite?
der Hauptkammer sind mit Riegeln von Innen geschlossen gedachte blinde Thüren
angebracht. Die Verriegelung in Stein ist dieselbe, wie die heutige aus Holz.
Ueber den Thüren sind Fensternischen mit reich durchbrochener Holzschnitz-
arbeit an den niedrigen Brüstungen in Stein dargestellt Ganz entsprechende
Fenster ühnlieher Form, heute aus Holz, finden sich bei den cyprischen Bauer?
Auch für jene Säulen aus Holz und Stein, die sowohl in der Stylistik, wie in der
Anordnung und Bauweise an den Vorbau unseres Fürstengrabes erinnern, ja die
für die Profilstellung der antiken Pfeiler den Schlüssel liefern, habe ich in cypr
schen Bauerhäusern, besonders wieder im Karpas, die Erklärung gefunden.
An der Innenseite der Thüren der drei steinernen, von mir 1889 zu Tamasso®
ausgegrabenen Fürstengrüber sind ferner hölzerne Schlösser in Stein angegebe?
Diese Schlösser konnten nur dadurch geöffnet werden, dass man durch ein runde?
in der Thür oder Wand befindliches Loch, gross genug den Arm aufzunehmet»
mit dem Arm hineinfuhr und so den Schlüssel innen in das Schloss stecken und
die Schliessvorrichtung emporheben und auf diese Weise óffnen konnte.
Das, was wieder unser rühmlichst bekannter Forscher A. von Cohausen JI!
Bande XIII der Annalen des Vereins für Nassauische Alterthumskunde und Ge-
42)
(43)
woichisforschung Taf. X Fig. 2 an der Hofthür des Szekler Hauses 1873 auf der
Vener Weltausstellung beobachtete, dasselbe ist auf Cypern bei den meisten aller
ner von den Dörfern fern gelegenen Hirtenhäuser und Sommerwirthschaftshäuser
hi. Brauch. Man führt mit Schlüssel, Hand und Arm durch ein rundes Loch
NEIN und öffnet von innen.
Figur 26.
9
Em m
"m Fig. 96 lege ich Ihnen wenigstens noch das cyprische Holzschloss vor. Es
Wire, noch ganze Dörfer, in denen kein einziges eisernes Schloss aufzutreiben
ein Mi pores Alles ist aus Holz, während in Syrien, drüben in Beirut und Tripolis,
Schlüsse 0 Holzschloss bei Magazinen im Gebrauch ist; doch ist ‚dabei der
Oriental: von Eisen. Aehnliche Holzschlösser, wie auf Cypern, sollen in anderen
x Don Ländern, auch in Nordafrika in Brauch sein.
auf de Ohausen bildet auf derselben Tafel X Fig. 5 ein Holzschloss ab, wie es
Zeigt m Hundsrück und auf dem Westerwald noch üblich sein soll Dieses
deutsche der That mit dem cyprischen die grössten Verwandtschaften. Bei dem
Bello. Sehlosse sind nur 3 auf- und absteigende Fallriegel, die in den grossen
hinzu J gel ein- und ausheben. Bei dem cyprischen kommt ein vierter Fallriegel
3 Ricgelop sich wieder aus 3 schmalen Riegeln zusammensetzt. Da diese letzten
ny $n von ungleichem Ausschnitt sind, muss das Holzschlüsselende dem
Zahnsch ud gezühnelt sein, um mit seinen Zahnschnitien in die entsprechenden
Die Ar der letzten 3 Fallriegelchen eingreifen zu kónnen.
Schwere s bildung zeigt den Schlüssel im Schlosse, die Fallriegel vermittelst ihrer
Zieht m inuntergefallen in die Zahnausschnitte des Hauptriegels und des Schlüssels.
Schlüssel + den Schlüssel heraus, bleibt das Schloss geschlossen. Hebt man den
Schoben and vertikaler Richtung nach oben, kann der Hauptriegel zur Seite ge-
Teh of die Thür demnach geöffnet werden.
Scher St ‘aube diese wenigen Mittheilungen genügen, auf die Wichtigkeit cypri-
Anthropologie in der von mir zum ersten Male betretenen Weise hinzuweisen.
daraug el gie, Ethnographie, Archüologie und Culturgeschichte überhaupt ziehen
Sleich grossen Nutzen. —
(44)
(16) Hr. Virchow macht Mittheilungen
zur Anthropologie der Westafrikaner, besonders der Togo-Stämme.
Hr. Dr. von Danckelman hat mir, wie schon erwähnt (Verh. 1890. S. 608),
aus dem Nachlasse des Stabsarztes Dr. Ludwig Wolf 3 Notizbücher mit anthropo-
logischen Aufnahmen zugehen lassen. Nicht ohne Rührung habe ich daraus von
Neuem ersehen, mit welchem Ernst der Verstorbene die ihm vorliegenden Auf-
gaben ins Auge gefasst und mit welcher Sorgfalt er die Mittel zu ihrer Losung
vorbereitet haite.
. Die Bücher sind in bequemem Taschenformat zugeschnitten. Die beiden
ersten, welche in Leder gebunden sind und äusserlich die eingepresste Bezeich-
nung F. St. T. A. 1 und A. 2 tragen, enthalten im Abklatsch nach geschriebener
Vorlage wörtliche Copien des von mir entworfenen Schemas zu anthropologischen
Aufnahmen, in der Art, dass jedesmal zwei Seiten für die Beschreibung, zwei andere
für die Messungen vorbehalten sind. Das dritte ist ein gewóhnliches Notizbuch,
in Wachsleinwand geheftet; es beginnt mit einem Auszuge meines Artikels in
Neumayer's Anleitung zu wissenschaftlichen Beobachtungen auf Reisen. Il.
S. 517, und giebt nach einer Aufzählung der Messinstrumente eine Aufführung zu-
nächst der bei der mindesten Anforderung verlangten Maasse, dann der Maasse
„wenn mehr Zeit“. Um die ersteren nicht zu übersehen, sind in dem zweiten der
ledergebundenen Bücher im Voraus von vorn bis hinten die »nothwendigen* Maasse
auf jeder Seite roth angestrichen.
. Unverkennbar ist dieses Verfahren ein sehr praktisches und in mehreren Be-
ziehungen ein besonders empfehlenswerthes. Dem Verlust einzelner loser Bliitez
ist sicher vorgebeugt, die Mitnahme erleichtert und die Möglichkeit jederzeitigen
Beginns der Aufnahmen, wenn auch vielleicht nur der beschreibenden, gegeben, —
Vorzüge, welche namentlich auf einer mit grösseren äusseren Schwierigkeiten um-
gebenen Reise nicht gering zu veranschlagen sind.
Die Durchsicht der Bücher zeigt aber auch, dass die Aufgabe, im Umher-
ziehen anthropologische Messungen zu veranstalten, selbst für einen so gut vor-
bereiteten, so eifrigen und so hingebenden Reisenden, wie Ludwig Wolf es war,
nur in einer gewissen Beschränkung durchführbar ist. Man kann deutlich verfolgen,
wie mit jedem Tage vorwärts die Neigung zu Reduktionen der festzustellenden
Nummern zunimmt; von Zeit zu Zeit kommt wieder eine Selbstaufmunterung, die
Zahl der ausgefüllien Nummern wüchst, — aber es dauert nicht lange, dann ver
sagt die Kraft. Leider ist gerade die erste beschreibende Nummer der Listen (Ort
und Tag der Aufnahme) nur in folgenden Fillen ausgefülli: Die erste Aufnahme
ist vom 14. October 1888 in Adeli; dann folgen in dem Buche A. 1 98 Aufnahmen
von denen nur eine (Nr. 16) Ort und Zeit: Bismarckburg, 6. 11. 89, angiebt; bel
einer zweiten (Nr. 14) steht als Ort ,Station“, also wohl auch Bismarckburg, bel
einer dritten (Nr. 22) das Datum 18. October 1888. Das Bändchen A. 2 enthält
überhaupt nur 3 Aufnahmen; davon sind die ersten beiden auf der Station a
16. März 1889 gemacht, die dritte auf den October 1888 ohne Ortsangabe, offenbar
erst später, eingetragen. Man darf wohl annehmen, dass alle drei Uebungsaufnahmen
waren, denn Nr. 2 betrifft den uns bekannten Diener Wolf's, den Wakussu Sa2-
kuru, und Nr.3 einen anderen Diener, den Muluba Kalala, beide aus dem Congo”
Gebiet. Letzterer erscheint übrigens noch einmal unter dem 15. Mürz 1889 unte!
den Aufnahmen des Notizbuches (Nr. 11). Auch das Buch A. 1 beginnt mit der
Aufnahme eines Haussa, wo ausdrücklich das Wort „Beispiel“ übergeschrieben ist;
trotzdem fehlt auch hier die Angabe über Zeit und Ort.
(45)
be Diese Omissionen sind um so mehr zu bedauern, als sie uns sogar der Freude
à Tauben, den Reisenden gleichsam an der Arbeit zu sehen. Aber sie entziehen
nn der Kritik wichtige Anhaltspunkte, denn es ist klar, dass Messungen in der
M der „Station“ ungleich höheren Anspruch auf Correktheit haben, als solche
" der Reise. Da einzelne Eintragungen, wie Nr. 16 in A. 1 und Nr. 3 in A. 2,
fol nachträglich gemacht sein müssen, so lässt sich nicht einmal aus der Reihen-
98e der Nummern ein Schluss auf Zeit und Ort der Aufnahmen machen.
das Glücklicherweise fehlt nirgends die Angabe des Stammes. Wir erfahren so,
$, abgesehen von dem Haussa und den beiden Congo-Leuten, aufgenommen sind
19 Wei 2 Aposso
1 Mende 13 Kebu
9 Mandingo 4 Adel
im G 23 19
lick anzen 49 Leute. Darunter waren, abgesehen von der wahrscheinlich irrthüm-
b ên Eintragung eines Wei (A. 1 Nr. 11), nur 4 Weiber, sämmtlich Kebu (Taschen-
uch Ny, 1—4).
lero Die zuerst genannten 23 Personen gehórten benachbarten oder etwas entfern-
"a Westafrikanischen Stüàmmen an, von denen einzelne, wie die Mandingo, an-
aye Sich wenig studirt sind. Für das Togo-Gebiet selbst haben jedoch nur die
der 1 um 19 Personen Bedeutung: die Aposso wohnen in geringerer Entfernung von
làm, Uste; wenn er ihr Land passirt hat, gelangt der Reisende zu den Kebu und
Sing zu den Adeli, in deren Lande die Station Bismarckburg errichtet ist. Es
m dies fnlandssiämme, über welche Genaueres zu erfahren, sehr wichtig 1st.
na 9s ist sehr zu beklagen, dass von den weiteren Reisen des Dr. Wolf und
Mentlich von seiner letzten auch nicht eine einzige Aufzeichnung vorhanden ist.
ces dem Taschenbuch findet sich ausserdem das sorgfältig ausgearbeitete Gerüst
Blagg okabulars, aber leider ohne eine einzige Angabe. Nur ein eingelegtes loses
Bg; alt eine kleine Reihe von Namen fiir ethnographische Gegenstände und
Rp, 'ngsstticke, das am Schlusse mitgetheilt werden wird. Auch sid einige
Unter nbezeichnungen und Angaben über die Unterscheidung von Blau und Grün
Dargie" beschreibenden Notizen aufgeführt. Eine einzige zusammenhängende
des Ab ung steht in dem Taschenbuch: sie betrifft Gegenstände der Religion oder
U erglaubens.
nur d den Maassangaben verschwindet am frühesten die ,Ohrhóhef*. Sie ist
ist leigh; Personen (1 Haussa, 2 Wei und 3 Mandingo) genommen. Diese Omission
gern Cht verständlich, da die Messung für die Leute peinlich ist und höchst un-
hip, Sclassen wird. Sehr viel vollständiger sind die Angaben über Körper-
die übe Klafterweite: die erstere fehlt nur einmal (bei einem Adeli Nr. 27);
Kelby, D. dagegen 29 mal, darunter, was schwer verstündlich ist, bei sámmtlichen
thi, de Differenzen beider Maasse sind stellenweise so stark, dass man an Irr-
einem enken muss. So beträgt die Differenz bei einem Wei (Nr. 15) 203, bei
bei d, deren (Nr. 2) 189 mm. Gesichtshôhe und Gesichtsbreite sind nur
index cou vollständig aufgeführt; unter den anderen lässt sich der Gesichts-
Steht es r 8 mal berechnen (1 Haussa, 4 Wei und 3 Mandingo). Am schlimmsten
Hausse M den so wichtigen Nasenmaassen: ein Index ist nur 4 mal (bei dem
in qo, ond den 3 Mandingo) zu berechnen. Hier liegt der Mangel jedoch weniger
gens tht Let obwohl sie häufig genug vorkommt, sondern viel mehr in einer
Nase unt Inlichen Irrung. In meinem Schema sind die Höhe und die, Länge der
lich die erschieden und Dr. Wolf hat in seinen Vorbemerkungen auch ausdrück-
Nasenhühe definirt als die ,gerade Entfernung der Nasenwurzel von dem
(^8)
Ansatze der Nasenscheidewand an der Oberlippe“. Er setzt auch, meiner Instruk-
tion entsprechend, hinzu: „Abstand der Nasenspitze von dem Ansaize der Nasen-
scheidewand = Elevation“. Offenbar hat er aber alsbald Hóhe und Elevation ver-
wechselt, denn schon bei Nr. 2 giebt er als Maass der Hóhe 18, bei Nr. 3 15 mm
was nur für die Elevation passt. Was er unter Nasenlünge (nach meiner Aus-
drucksweise ,Lünge des Nasenrückens^*) verstanden hat, ist nicht zu ersehen;
möglicherweise hat er mit diesem Ausdruck die Nasenhöhe bezeichnen wollen.
Uebrigens hóren die Angaben über die Nasenmaasse sehr bald ganz auf; nur bel
den Kebu ist die „Höhe“ aufgeführt, aber nicht mehr die Breite.
Eine tabellarische Uebersicht sämmtlicher vorhandener Maassangaben wird am
Schlusse vorgelegt werden. Bevor ich die Hauptresultate zusammenfasse, will ich
nur noch ein Paar Beispiele anführen, um zu zeigen, wie selbst in der Hand eines
so gut geschulten Arztes das Messen sich als eine recht schwierige Kunst erweist.
Wie schon erwähnt, kommt der Muluba-Diener Kalala zweimal vor. Er wurde
im October 1888 (A. 2, Nr. 3) und am 15. März 1889 (Taschenbuch Nr. 11) ge-
messen. Die verzeichneten Maasse lauten folgendermaassen:
1888 1889
Kórperhóhe. . . . |. . , s 1538,0 mm 1551 mm
Grosste Linge des Kopfes . D 179,2 , 180 ,
» Breite , » 142,0 , 129 ,
Höhe des Gesichts (Nasenwurzel bis Kinn) 108,0 |, 109 ,
Jochbreite . . . . . 00... s. . 1270 , 129 ,
Malarbreite . . . . . . |... . . . . 1210 , 120 ,
Maxilarbreite . . . . . . . . . . 106,0 , 108 ,
Nasenhóhe . . . . 18,5 , (44?) 46 ,
Obwohl Kalala noch ein Junge im Alter von 13—14 Jahren war, so kan?
doch nicht angenommen werden, dass seine Kopfbreite in einem halben Jahre um
13 mm kleiner geworden ist. Es würde sonst zugestanden werden miissen, dass
sein Schüdelindex im Jahre 1888 79,3, also fast brachycephal und ein halbes Jahr
später 71,6, also ausgemacht dolichocephal gewesen wäre. Dieser Fehler, vielleicht
nur ein Schreibfehler, ist um so mehr bedauerlich, als alle anderen Maasse er
träglich stimmen, selbst die Nasenhöhe, wenn man im Jahre 1888 statt der „Ble-
vation“ die „Nasenlänge“ (44) einsetzt.
Von besonderem Interesse waren mir die Angaben über Sankuru. Ich hab®
denselben im Jahre 1883 (Verh. S. 511) mit Hrn. Wolf zusammen gemessen, gerade
um diesen noch einmal im Messen zu coníroliren und zu instruiren, Damals
wurde der kleine Bursche auf 11—12 Jahre geschützt. Seitdem waren mindesten?
9'/, Jahre verstrichen und Dr. Wolf nahm ganz entsprechend am 16. März 1889
ein Alter von etwa 16 Jahren an. Die parallelen Maasse stellen sich nun so:
Herbst 1883 Frühjahr 1889
Kórperhóhe . . . . . . . . 1449 nm 1609 mm)
Grósste Länge des Schidels . . 192 , 198 ,
» Breite |, » 2. . 089 , 137 ,
Gesichtshóhe B. ... . . . 110 , 114 ,
Gesichtsbreite a (jugal) . . . . 126 , 135 ,
7 b (mala). . . . . 8l , 130 ,
» c (maxillr). . . 95 , 115 ,
Hier erhellt sofort, dass bei dem Malar-Durchmesser (Entfernung der beide?
1) Hr. Wolf bemerkt, dass er im October 1888 dasselbe Maass gefunden habe.
X
(47)
pberositates von einander) ein Irrthum im Messen stattgefunden haben muss.
49 Dn, ganz abgesehen davon, dass dieser Durchmesser in 5—6 Jahren nicht um
un "m Zugenommen haben kann, so ist auch die für 1889 angegebene Zahl ganz
P Und doch definirt Dr. Wolf ,die obere Breite des Gesichts“ ganz
deiner als die Entfernung „von dem unteren Rande (Höcker) des einen Wangen-
— bis zu demselben Punkte des anderen*. Auch die Distanz der Unterkiefer-
kan el zeigt eine Differenz von 20 mm, die kaum als richtig zugestanden werden
Sree Bei der Kopfbreite findet sich, wie bei Kalala, dass das frithere Maass
anf "i Ist, als das spätere. Daraus folgt, dass der Schädelindex von 72,3 in 1883
doch 2 herabgesunken sein müssie, beides freilich dolichocephale Maasse, aber
Kor nicht wohl zulässig. Dagegen ist es möglich, dass in mehr als 5 Jahren die
um che um 160, die Kopflänge um 6, die Gesichtshöhe um 4, die Jochbreite
Verh "m zugenommen haben. (Man vergleiche übrigens meine Mittheilung in den
: 1889. S. 784. Fig. 1—2.).
Dr. w liegt mir fern, aus dieser Nachprüfung Vorwürfe gegen die Messungen des
Reis olf überhaupt erheben zu wollen. Nur das wollte ich darthun, dass die
Weng, on bei derartigen Untersuchungen die dusserste Vorsicht an-
Vornep und, wenn möglich, die Messungen mehrmals hintereinander
Viellgjop miissen, bis sie constante Resultate erhalten. Auch ist es
die Be t am Platze, auf die beschrinkte Bedeutung vereinzelter Messungen für
haben Stimmung der Rassentypen hinzuweisen; gerade bei solchen Verhältnissen
q die Mittelzahlen aus grüsseren Beobachtungsreihen eine grosse Bedeutung.
rio, Lon wir uns nun die einzelnen Stämme etwas genauer an. Da sind in
auch wo die Kebu zu erwähnen, nicht bloss weil von ihnen eine grössere Zahl,
habe ; oet gemessen sind, sondern weil wir Schädel von ihnen besitzen. Ich
Chri che in der Sitzung vom 21. December 1889 (Verh. S. 768. Taf. VD be-
". Aus den Messzahlen des Dr. Wolf berechnen sich folgende Indices:
Geschlecht —Schüdelindex Gesichtsindex
BNri....5. e 15,0 75,4
, s 10,4 10,9
» +. s 74,4 71,0
Nor 0. 18,0 80,1
» 0. 78,1 78,1
noo 0. 12,9 19,2
» 6. e. 71,7 78,6
» 8... es 12,5 19,1
»9....... 12,5 72,4
510,112 220 72,5 18,5
»12. 122120 11,9 16,4
513... 22 210 71,4 80,1
Die pa? 4. 0 Ly 75,1 74,8
(das klei "dices bieten eine überraschende Uebereinstimmung: alle 18 Schädel
Chan ot Mehr von 0,1 bei Nr. 14 ungerechnet) sind dolichocephal und
bei den M; OP. Das Mittel der Schüdelindices bei den Weibern betrügt 73,2,
Sing die Gen 3,7, das Gesammtmittel 73,5. Etwas weniger übereinstimmend
duelle Dig hisindices, wenn man sie genauer analysirt. Hier treffen wir auf indivi-
ünd x, ar “en von 70,9 (Nr. 2) und 71,0 (Nr. 3) einerseits und von 80,1 (Nr. 4
index de, ) Andererseits, also von 9,1 bis 9,2. Auch ist der gemittelte Gesichts-
‘ammémittez eiber (74,3) ungleich kleiner, als der der Männer (77,4). Das Ge-
© beträgt 76,5. Es könnte von Bedeutung erscheinen, dass der grösste
(47
Mann (Nr. 13, Kórperhóhe 1714 mm) auch den grössten Gesichtsindex (80,1) hat,
aber ein Weib (Nr. 4), dessen Alter Dr. Wolf auf etwa 35 Jahre schätzte und das
nur 1582 mm hoch war, zeigt denselben Index.
Vergleicht man sodann die Schädelmaasse (Verh. 1889. S. 784), so ergiebt sich
für den Gesichtsindex gleichfalls eine chamaeprosope Zahl. Die Schädelindices
waren mehr verschieden, indem der eine 76,5, der zweite 73,4, der dritte 75,9 be-
trug, indess bemerkte ich schon damals (S. 772), dass freilich 2 von den Schädeln
Mesocephalie, nur einer Dolichocephalie zeigen, dass jedoch diese Mesocephalie
ziemlich niedrig sei, ja bei dem letzten Schädel der Dolichocephalie ziemlich nahe
stehe. Man wird daher gegenwärtig die Kebu wohl generell zu den Dolichocephalen
und Chamaeprosopen rechnen dürfen.
Was ihre Grösse anbetrifft, so ergeben die Messungen des Dr. Wolf, dass die
gemittelte Körperhöhe der Männer 1649, die der Weiber 1535 mm beträgt. Die
letzteren waren sämmtlich über die Pubertät hinaus: 2 (Nr. 2 und 3) wurden auf
16—18, eine (Nr. 1) auf 25—28, eine (Nr. 4) auf etwa 35 Jahre geschätzt, und
doch maass auch die letztere nur 1582 mm in der Höhe. Bei den Männern be-
trugen die Maximalzahlen 1714 (Nr. 18, etwa 20 Jahre), 1685 (Nr. 12, 18—20 Jahre)
und 1682 (Nr. 5, 20 Jahre); die Minimalzahl war 1589 (Nr. 9, 18 Jahre).
In Betreff der übrigen Kórpermerkmale giebt Dr. Wolf an, dass der Er-
nührungszustand der Leute gui, zum Theil sehr gut war und dass die Männer
muskulós erschienen. Die Hautfarbe auf der Brust variirte in der Radde’schen
Scala nur zwischen 3b und 3f, ohne dass die Geschlechter merkbare Unterschiede
wahrnehmen liessen. Bei den Weibern sind Tättowirungen angegeben, und
zwar kurze senkrechte Striche, wie es scheint, zu je 3 an Stirn, Schläfen, Hals
und Brust, sowie radiär gestellte Striche um den Nabel. Iris durchweg dunkel-
braun. Die Lippen bei einigen der Weiber (Nr. 3 und 4) bläulich schwarz. Das
Kopfhaar kraus, spiralgelockt, bei den Münnern ausgestreckt 1—1,5 cm, auch be!
den Weibern nur etwa 2 cm lang. Bei einigen der Münner ist ein spärlicher Voll"
bart (Nr. / und 10, beide 30—35 Jahre alt), bei einem (Nr. 18, etwa 20 Jahre)
ein spärlicher Bart an der Oberlippe und am Kinn, hier bis etwa 2 cm lang, €
wühnt.
Blau und Grün wurden durchweg unterschieden: ersteres hiess couatzi (m
Adeli gard), letzteres sakke. —
Die anderen beiden Stämme des Togo-Landes bieten folgende Schädelindice$‘
7 5
posse T 2. | 0s | im Mittel 77,4
Adeli, , 23. 165 |
^ ^ 2 A us (im Mittel 76,0
» 5» 27. . . . 743
Hier zeigt sich ein gewisser Gegensatz zu den Kebu Die Mittelzahlen er
geben sowohl für die Aposso, als für die Adeli mesocephale Maass®
Nun sind freilich nur wenige Individuen gemessen und unter den 4 Adeli habe?
2 dolichocephale Indices, indess ist das Hervortreten grósserer Breiten, gegenüber
der allgemeinen Dolichocephalie der Kebu (die nur an den Schädeln Ausnahme?
erleidet) bemerkenswerth. Am meisten gili dies von dem einen Aposso (Nr. 24)
der ganz hart an der Grenze der Brachycephalie steht.
Die Adeli waren verháltnissmüssig gross und Dr. Wolf notirt speciell die gu?
Entwickelung ihrer Waden. Von den Adeli war der eino (Nr. 25, 20—25 Jahr?
alt) 1726, der andere (Nr. 23, ein Fetischpriester von 25-—30 Jahren) 1652, em
48)
(49)
dritter (Nr. 26, 20 Jahre alt) 1641 mm hoch. Dagegen hatte Wapa, der Häuptling
der Aposso (Nr. 22, 25—30 Jahre alt), nur 1602, und ein anderer Mann (Nr. 24,
30—35 Jahre) 1588 mm. Indess wird auch bei ihm die stärkere Ausbildung der
Waden bezeugt.
Die Hautfarbe wurde nach Broca und zwar am Oberarm bestimmt, Bei
2 Adeli fand Wolf 28—41, bei dem Priester der Aposso 43, bei dem anderen
ann 28. Iris durchweg dunkelbraun. Haupthaar schwarz und spiralgerollt; der
N schpriester hatte fingerlange Locken und einen spärlichen Kinnbart; der Aposso
I. 24 trug das Haar kurz geschoren. Auch der Häuptling hatte einen spärlichen
Kinnbart. Tättowirung wird nicht erwähnt.
à Da die Aposso der Küste nüher wohnen, so wil ich wenigstens beiläufig an
ba von Hrn. Kund mitgebrachten Anehó aus Klein Povo erinnern, den ich früher
schrieben habe (Verh. 1889. S. 541. Fig. 2). Er erwies sich als dolichocephal
tnd chamaeprosop. Ich darf daher jetzt wohl noch mehr, als vor einem Jahre
S er. 1889. S. 773), betonen, dass ein bestimmter, mehr facialer Typus bei diesen
gern hervortritt. —
D An die Togo-Leute reihen sich nach den anthropologischen Merkmalen, welche
t Wolf verzeichnet hat, am nächsten die Mandingo. Auf ihre genauere Auf-
hme hat unser verstorbener Freund besondere Anstrengung verwendet. Leider
n es nur 3. Von zweien (Nr. 14 u. 16) wird angegeben, dass sie in Bismarck-
and untersucht wurden; beide waren aus Baki-ema gebürtig, der erste 18, der
. ere 90. 95 Jahre alt. Der dritte, aus Tené, hatte 20 Jahre. Für die Be-
Prechung füge ich den einzigen Mende (Nr. 8, etwa 18 Jahre alt) hinzu.
Schädel- ^ Ohrhóhen- Gesichts- Nasen-
index index index index
Mandingo, Nr. 14 . . 73,3 66,0 84,6 97,6
» ,16.. 71,8 61,0 82,8 110,2?
» , 28... T5,5 67,6 82,9 95,6
Mende, , 8.. T5, - — |
xj, Danach waren die 2 Mandingo aus Baki-ema dolichocephal, dagegen
hino; der dritte aus Tenó und der Mende eben in das Gebiet der Mesocephalie
Cöphal Dem Ohrhöhenindex nach dürften 2 Mandingo als hypsi-, emer als ortho-
thei bezeichnet werden können, doch sind die Höhenindices nicht ebenso ver-
Prog Wie die Breitenindices. Zugleich sind simmtliche Mandingo chamae-
Nagy? wie die Kebu, eine Art von weiblicher Bildung, fiir die ich auch sonst
M quse in Westafrika geliefert habe. Zur Vervollstindigung des Breiteneindrucks
Yen beträchtliche Stirnbreite von 108-—116 mm gewiss nicht wenig bei, während
ting DE Kieferwinkeldistanz von 91—97 mm dem Untergesicht eine mehr keil-
Schrigy Gestalt verleihen muss. Die Nase ist leider bei keinem der Leute be-
das en worden; nach den Índices muss sie ausgemacht platyrrhin sein. Ob
Du extreme Maass von 110,2 correkt ist, mag dahingestellt bleiben.
dr. Ww. geschilderten Mandingo gehörten zu den längsten Leuten, deren Grösse
an, ved bestimmt hat. Er giebt Zahlen von 1730, 1666 und 1629 für ihre Hóhe
1860 178 constant noch sehr viel grossere fiir die Klafterweite vorkommen (bezw.
dagege, 34 und 1735). Der Mende dagegen hatte nur Zahlen von 1550 und 1645,
Die Wird auch ihm eine gute Ausbildung der Waden bezeugt.
Wie 1; Hautfarbe wird auch fir die Mandingo auf analoge Weise bezeichnet,
(nach B den Adeli und Aposso. Bei Nr. 16 fand Wolf an Stirn und Oberarm
28 41 "o 41, für Wange und Brust 27-—28; bei Nr. 16 an Stirn. und Oberarm
Vete die Wange 28—29, für die Brust 28; bei Nr. 28 für Stirn und Brust 28,
* der Berl. Anthropol. Gesellschaft 1891.
a
£
Wange 28—29, Oberarm 28—35. Iris durchweg dunkelbraun. Haar schwarz
spiralgelockt, nur bei Nr. 28 einfach kraus. Bei letzterem werden zugleich spür-
licher Bart, eine gerade Stirn, ein schmales Gesicht mit angelegten Wangenbeinen,
bei allen volle Lippen angegeben. Auch der Mende zeigte an Stirn und Oberarm
eine Farbe von 28 Broca und schwarzes spiralgelocktes Haar.
Von dem. Mende heisst es ausserdem, dass er Blau mit lufonno, Grün mii
jàánji bezeichnete. —
Ich erwühne dann noch den einzigen Haussa, der in dem Buche A. 1 auf
geführt ist. Er wird als Lederarbeiter bezeichnet. Haar lockig, kraus, nicht
spiralgelockt. Iris dunkelbraun, Lidspalte wagerecht. Kopf lang, Gesicht oval
Wangenbeine vortretend. Kórperhóhe 1785, Klafterweite 1845 mm. Breitenindex
des Kopfes 74,6, Ohrhóhenindex 62,9, also orthodolichocephal. Gesichtsinde*
71,6, chamaeprosop. Nasenindex 93,0, platyrrhin. —
Es erübrigen jetzt noch die Wei. Von ihnen liegen 19 Aufnahmen vor. Auf
der einen (Nr. 11) ist das Individuum als weiblich bezeichnet; ich vermuthe jedoch,
nur irrthümlicherweise, da der Name George angegeben ist. Die beschreibenden
Aufzeichnungen‘ sind sehr spärlich: es finden sich fast nur Angaben über Haut-
farbe, Iris und Kopfhaar. Die Hautfarbe ist meist an Stirn und Oberarm be-
stimmt, jedoch stets mit derselben Nummer der Farbentafel: 11 mal mit Broca 28;
4mal mit 41, 1 mal mit 43; in 2 Füllen (A. 1. Nr. 27 und A. 2 Nr. 1) ist Radde 3€
angegeben. Iris stets dunkelbraun. Das Kopfhaar stets schwarz, 12 mal spiral-
gelockt, 4 mal bloss kraus. In 3 Fällen wird ,spärlicher Kinnbart“ aufgeführt-
Mehrmals zeigten sich die Lippen voll und vortretend. Tättowirung wird nirgends
erwähnt.
Unter den Maassangaben steht obenan die Kórperhóhe. Es maassen
| Wei bis 1550 mm
» » 1600 ”
» ? 1650 ”
” ” 1700 ”
T » ” 1750 »
|o. über 1750 ,
Das kleinste Maass (1926 mm) hatte ein 18jühriger Bursche (Nr. 19), dessen
Klafterweite auf 1655 angegeben wird. Das grosste Maass (1795 mm) erreichte €!
Mann, dessen Klafterweite 1865 betrug. Die Differenz im ersten Falle war also
129, im zweiten nur 70 mm; es ist also sehr wahrscheinlich, dass bei Nr. 19 ein
Fehler untergelaufen isi. Im Ganzen liegt die Mehrzahl der Fülle zwischen 1550
und 1700 mm, was einer Mittelgrosse entsprechen würde. Das drückt auch die
gemittelie Zahl von 1649 mm aus, — genau dasselbe Maass, das wir vorher f
die Kebu-Mánner gefunden hatten.
Von den berechneten Breitenindices sind 5 meso- und 14 dolichocephal
Unter den ersteren erreicht einer (Nr. 18) den hohen Index von 79,1; das Mittel
der Mesocephalen beträgt jedoch nur 76,6. Unter den 14 Dolichocephalen ist e!?
hyperdolichocephaler (Nr. 1, Index 68,4). Das Mittel beträgt 72,6. Mittelt man
sámmiliche Fülle, so erhält man die Zahl 73,7. 4
Der Ohrhóhenindex konnte nur in 2 Füllen (Nr. 1 u. 2) berechnet werde?
er betrigt 63,1 und 63,5, — orthocephale Maasse.
Der Gesichtsindex lüsst sich in 5 Fällen berechnen:
. + . Nr. 1 hat 945
0. » 2 , 944
0. , 20 , 858
(50)
(51)
A1 . . . . Nr.29 hat 824?
A. 9 2.5. y, 1 , 885
à Das ergiebt 3 chamae- und 2 leptoprosope Fülle. Dabei ist zu bemerken,
888 in keiner der hier aufgeführten anderen Messungen der Reisende sonst
Leptoprosopie gefunden hat.
Das ist das, was sich aus den Aufzeichnungen des Dr. Wolf über die Wei
Zunächst zusammenstellen lässt. Ich will nur noch erwähnen, dass er einmal
(A. 2. 1) auch die Farbenbezeichnung fiir Blau = fadifima und fiir Griin = lufonno
Dotirt hat, Das letztere Wort wurde ihm von dem Mende für Blau angegeben,
mass die Farbenbezeichnung doch wohl nicht so ganz sicher ist, als es Dr. Wolf
m.
Znr Vergleichung mit den vorliegenden Messungen stehen die von Hrn. Zini-
S'aff (Verh. 1889. S. 85) an 40 Wei-Negern angestellien zur Verfügung, die sich
Jedoch nur auf den Kopf bezogen:
und Unter den Breitenindices (ebendas. S. 92) fanden sich 16 dolicho-, 20 meso-
m 4 brachycephale. Da aus den Messungen des Dr. Wolf sich 14 dolicho- und
ein mesocephale, dagegen kein einziger brachycephaler ergaben, so tritt hier
des Nicht geringer Unterschied hervor. Meine eigene Messung an dem Wei-Knaben
Da Grafen J. Pfeil (ebendas. S. 764. Fig. 1—2) brachte einen dolichocephalen Index.
hab ergäbe für 60 Wei 31 dolicho-, 25 meso- und 4 brachycephale Köpfe. Ich
Zing aber schon früher darauf hingewiesen, dass nach den Messungen des Herrn
vor graff auch unter seinen Mesocephalen die mehr langen Formen bei Weitem
Sein errschen (15 gegen 5), und man wird daher jetzt wohl um so mehr berechtigt
» den Wei-Negern im Ganzen eine lange Schädelform zuzuschreiben.
in er Ohrhöhenindex berechnete sich nach den Zahlen des Hrn. Zintgraff
er Weise, dass unter seinen 40 Fällen entfielen auf diesen Index
unter 60 . . . 9 Fille (chamaecephal),
60—64,9. . . 22 , (orthocephal)
65—69,9. . . "7 , (hypsicephal),
über 70 . . . 2 , (hyperhypsicephal).
Vena die genaue Klassirung der an Lebenden gewonnenen Ohrhôhenindices im
Zh, iss zu den am Schädel berechneten nicht ganz sicher ist, so müssen diese
Zahl N mit einiger Reserve beurtheilt werden. Immerhin ist unverkennlich die
Werth der orthocephalen und chamaecephalen überwiegend. Dabei ist bemerkens-
8 and dass nur einer der hypsicephalen Köpfe Dolichocephalie zeigte. Von den
Cophg Hypsicephalen waren 2 brachy-, 6 mesocephal. Der eine Hyperhypsi-
der ? hatte einen Ohrhóhenindex von 70,9 und einen Breitenindex von 81,9,
Andere 72,7 und 76,5.
Sing Da ich aus den Zahlen des Dr. Wolf, die leider nur für 2 Leute vorhanden
"eph ebenso aus den von mir an dem Wei-Knaben gefundenen einen ortho-
fin, den d Index berechnete, so verstärkt sich das Gewicht dieser Kategorie. Wir
Viele % ann unter 43 Wei-Negern 25 orthocephale, 9 chamaecephale und eben so
Reng Ypsicephale. Somit darf als typisches Maass das orthocephale an-
Ren werden.
beregy, Gesichtsindex ist aus den Messungen des Hrn. Zinigraff bisher nicht
der ei Net worden; ich gebe daher nachträglich die Indexzahlen mit den Nummern
TZelnen Fülle:
Nr1. .. .., 743 Nr4. . . . . 754
»2..... 645 w n n s 8
»9.... 86,2 , 6... 0.0. 878
A*
^
(
no... 828 Nr 24 . . . . 905
» e. 80,7 » 25 . . . . 157
- n 18,6 , 26 . . . 116
"n 80,1 » 27 . . 499
. 87,1 » 28 . . "84
0 ; 75,8 , 29 20. 824
20d 80,0 , 30 67,2
» 76,2 » 31 . 74,6
» 1. 80,5 „ 32 . 73,4
» 1f 79,9 » 98 15,8
, l 81,0 » 34 79,0
» 18 76,0 » 95 . 249
» 19 81,5 » 96 . . . . 796
, 20 . . 81,8 »90 .. . TB,
» 21 a 824 » 98 . . . . T3,6
» 2 0. . T9 » 99 . . . . 807
». 28 e. 79.6 , 40. 78,0
Unter den 40 Köpfen war also nur ein ein einziger leptoprosoper, Nr. 24,
von dem Hr. Zintgraff (a.a. O. S. 88) ausdrücklich das „lange Gesicht“ hervor-
hebt. Im Uebrigen erwiesen sich sämmtliche aufgeführte Personen als
chamaeprosop. Diesen Index zeigte auch mein Wei-Knabe. Dagegen hat Dr.
Wolf unter 5 Füllen 2 leptoprosope. Vielleicht ist es nicht ohne Bedeutung, dass
gerade diese beiden sich durch besonders grosse Kórpermaasse auszeichneten:
Nr. 1 hatte eine Hóhe von 1795 und eine Klafterweite von 1865 mm, Nr. 2 1746
und 1935 mm. Im Gegensatz dazu stehen die ungewöhnlich niedrigen Indexzahlen
vieler der von Hrn. Zintgraff gemessenen Leute: es sind darunter 8, die man
geradezu als ulirachamaeprosop bezeichnen kann, da ihre Indices unter 75
liegen. Am niedrigsten ist der Index von Nr. 30 = 67,2; den entsprechenden
Mann bezeichnet Hr. Zintgraff ausdrücklich als „sehr klein“. Auch Nr. 32 wird
„klein“ und Nr. 29 „zart“ genannt. Nur von Nr. 31 heisst es, dass er ,lang^ ge
wesen sei Es dürfte daher ein gewisser Zusammenhang zwischen Kórperhóhe
und Gesichtsindex wohl nicht wegzuleugnen sein.
Hr. Zintgraff hat durchweg auch die Hautfarbe bestimmt. . Nach seinen
Angaben, die auf die Pariser Farbentafel zu beziehen sind, hat er 15 mal die Nr. 42;
je 10 mal 42 und 28, 4 mal 29 und einmal 27 gefunden. Dies stimmt ziemlich
gui mit den Angaben des Dr. Wolf, der nur in etwas grösserer Häufigkeit die
Nr. 28 aufführt. —
Wir sind aber jetzt in der guten Lage, die Maassverhältnisse der Wei an
einer ganz neuen Erwerbung prüfen zu können. Unter dem 30. October erhielt
ich von dem Reisegefährten des Dr. Wolf, dem Hrn. Hauptmann Kling, aus
Ludwigsburg in Württemberg die Nachricht, dass er bei seiner Abreise aus Afrika
den Techniker Bugslag beauftragt habe, das Gerippe eines Wei-Negers, der
an Dysenterie gestorben und in der Nähe der Station beerdigt war, auszugraben
und nach Europa zu bringen. Dieser Auftrag ist von Bugslag, dem früheren
Reisegefährten Wissmann’s und des Dr. Wolf im Congo-Gebiet, sorgfältig aus-
geführt worden. Das Skelet hat Hr. v, Danckelman am Ende des November a?
mich ausgeliefert.
Es fehlen daran manche Theile, namentlich einzelne Wirbelkórper ?), der
1) Dafür sind einige andere kleinere Knochen, namentlich ein Wirbel und ein Kahn-
02)
Co
here Theil des Brustbeins, die meisten der kleinen Knochen an Händen und
le SSen, indess das Meiste ist erhalten und wir müssen um so mehr Werth darauf
NR als dies wohl das erste Skelet eines Wei ist, das nach Europa gelangt. Ich
ale daher gern den Herren Kling und Bugslag unseren Dank ab.
Tm Schädel hat die für Westafrikaner ziemlich zutreffende Capacität von
leizi ¢em. Sein Horizontalumfang beträgt 507, der Sagittalbogen 367 mm; von
99 5 m entfallen 33,2 pCt. auf das Stirnbein, 36,7 auf die Parietalia und nur
làn auf das Occipitale. Da auch der Hinterhauptsindex nur 27,8 pCt. der Gesammt-
bers, ergiebt, so darf man die Entwickelung als eine vorzugsweise parietale
79 7). men. Die Form ist orthodolichocephal (Breitenindex 72,2, Hôhenindex
mis : Die etwas schriig stehende Stirn ist schmal (89 mm) und niedrig, mit einem
"UR Nasenwulst, dagegen fast ohne Orbitalwülste; Glabella vorhanden, Tubera
ste; pen, über denselben sofort eine starke Umbiegung der Scheitelcurve; letztere
Ab noch bis zu der parietalen Tuberallinie und macht von da ab einen schnellen
Obey : Die Parietalia lang, mit starken Tubera. Das Hinterhaupt voll, zumal die
bera onuppe; Lambdawinkel sehr stumpf, die Naht wenig gezackt, keine Protu-
vortieg ext, dafür ein breiter, jedoch niedriger Wulst; Facies muscularis stark
link. i. Die Nähte im Allgemeinen wenig gezackt; die Coronaria unregelmässig,
leigh Stephanion mit kurzer Synostose, rechts mit einem starken Einsprung an
Sphe er Stelle. Sagittalis in der Mitte einfach, keine deutlichen Emissarien. Alae
og, cates unten breit, oben in schmale Enden ausgehend; daneben die Sut. squa-
Tech Inks uneben, mit weit ausgreifenden Zacken, und mit Abplattung der Schuppe,
an à mit einem starken Eindruck der Schläfe und einem kleinen Intercalarknochen
For, *r Schuppe. Ohrlächer gross. Warzenfortsitze dick und zugespitzt. Das
und Men magnum gross, 35 mm lang, 34 breit, Index 97,1. Gelenkhöcker stark
(Ing, iretend. Apophysis basil. fast horizontal. — Das Gesicht leptoprosop
Bona. 91,3), hoch und schmal Jochbogen angelegt. Orbitae gross, in der Dia-
beine ausgeweitet, von schwermüthigem Ausdruck, hypsikonch (90,0). Nasen-
bog,,, "Den sehr schmal, fast sichelfórmig, eingedrückt, unten in die Höhe ge-
lich: der Nasenrücken stark eingebogen, die Spitze vortretend, die Apertur lüng-
tog ALEX mesorrhin (50,0). Gesichtswinkel 70°. Fossae caninae mässig ver-
noch lveolarfortsatz stark prognath, Zähne gross und vorstehend, Molares IN
Unt, erhalten. Gaumen tief, lang und schmal, ultraleptostaphylin (56,1).
in wr Stark, mit breiten Aesten (41 mm) und grosser Incisur; Proc. coronoides
Brosse pe ehter Richtung 63 mm hoch. Kieferwinkeldistanz gering (85). Sehr
A Oram. mentalia ext.
In dopo cken ist das Randstück der Cristae ilium nur unvollkommen angewachsen.
logi w, aeralgegend eine Spina bifida (wahrscheinlich occulta): die Proc. spi-
lis 1 di Ollständig und nicht geschlossen. Insbesondere sieht man an der Vert. sacra-
Währeng Bogen sich von beiden Seiten her nühern, jedoch nicht zusammenfliessen,
MM ti d und darunter eine grosse Oeffnung in den Wirbelkanal führt. Die
dar ter eren 2 Proc. spinosi sind ausgebildet und der Wirbelkanal hier geschlossen;
der link aber ist Alles offen. Vom Steissbein ist nur der I. Wirbel vorhanden,
Symph S mit dem Kreuzbein verwachsen ist. Vorn am Schambein neben der
dem x €&n starker Muskelfortsatz. Am absteigenden Ast, an der Verbindung mii
Steigenden Aste des Sitzbeins, ein starker Absatz. Die Darmbeinschaufeln
bein
Mag; enden, die nicht zu diesem Skelet gehóren. Vielleicht stammen sie von einem
Und go der nach der Mittheilung des Hrn. Kling gleichfalls an Dysenterie gestorben
ri begraben war.
53)
(54)
steil. An den unteren Lumbalwirbeln sehr lange, rippenartige Querfort-
sätze.
Im Uebrigen ist das Skelet ziemlich regelmässig gebaut, jedoch erscheinen
alle Knochen verhältnissmässig zar. Die gesammte Hohe des Skelets (nach un-
gefährer Ausfüllung der Lücken in der Wirbelsäule) beträgt 1612, die Schulterhóbe
1348, die Hóhe der Crista ilium 999 mm. Dem gegenüber beträgt die Höhe des
Oberschenkels (Spitze des Trochanter bis zum unteren Rande des Condylus ex-
ternus) 443, die der Tibia (vom oberen Rande der Tibia bis zur Spitze des
Malleolus internus) 394, zusammen 837 wmm. Daraus geht die unverhältnissmässige
Länge der Unterextremitüten hervor: zieht man von der Schulterhóhe die Hohe
der Unterextremititen (ohne Fuss) ab, so bleibt 1848 — 837 — 511 mm. Die Ober-
exiremitüten sind verhálinissmássig viel kürzer: Oberarm vom oberen Umfang des
Kopfes bis zum. Condylus externus 295, Radius von der oberen Flüche des Kópf-
chens bis zur Spitze des Proc. styloides 263, zusammen 558 mm. Dabei sind die
Ossa humeri an ihrem unteren Ende nicht durchbohri; oben ein tiefer Sulcus
intertubercularis. An den Ossa femoris die Colla kurz und mehr horizontal ge-
stellt, die Diaphysen an ihren unteren Enden stürker nach rückwärts gebogen, SO
dass die Condylen stark nach hinten gerichtet sind; der untere Theil der Diaphyse
hinten abgeplattet. Die Tibiae nicht abgeplattet, wenngleich zart.
Es zeigt sich an diesem Skelet wieder einmal. die schon ófter hervorgehobene
Erscheinung, dass gerade bei Wilden verhältnissmässig grosse Anomalien
im Knochenbau hervortreten, und zwar häufiger, als wir es an Gerippen civili-
sirter Nationen antreffen. Die Anomalien am Becken, welche ich erwähnt habe,
gehören zu den ganz ungewöhnlichen Vorkommnissen bei Erwachsenen.
Vergleichen wir die Verhältnisse an den macerirten Knochen mit den am
Lebenden festgestellten, so finden wir in Bezug auf die Kopfform grosse Ueber-
einstimmung: sie ist orthodolichocephal. Dabei erscheint es in Bezug auf die
Vergleichung nicht unwichtig zu erwägen, dass an dem nackten Schädel der ordi-
näre Höhenindex von 72,7 ein orthocephales Maass darstellt, während der Ohr-
höhenindex von 59,8 nach der obigen Klassirung eigentlich schon chamaecephal
ist, wenngleich er hart an der Grenze zur Orthocephalie steht.
Dem leptoprosopen Gesichtsindex des Schädels entspricht, wie dargelegh
nur die kleinere Hilfte der von Dr. Wolf gemessenen Wei-Neger und unter den
40 Fällen des Hrn. Zintgraff nur ein einziger. Die Verhältnisse der einzelnen
Gesichtstheile sind mit dem Gesammiverhältniss im Einklange: der hypsikonche
Orbital- und der mesorrhine Nasalindex stehen in einer gewissen Harmonie. Trotz-
dem werden wir bei der starken Mehrheit chamaeprosoper Formen unter den
Lebenden eine relativ vollkommnere Ausbildung der Gesichtsknochen an der
Schädeln annehmen dürfen.
Die Körperhöhe des Skelets entspricht der Hauptkategorie der an Lebenden
ermittelten Zahlen.
Eine weitere Vergleichung ist wenig lohnend, da Dr. Wolf nur wenige Messun-
gen einzelner Kürpertheile vorgenommen hat. Nur bei 2 Wei-Negern (Nr. 1 uw 2)
hat er die Hóhe der Schulter, des Darmbeinrandes, des Ellenbogens und Hand-
gelenks bestimmt; Messungen an den Unterextremititen sind, mit Ausnahme des
Patellarrandes, überhaupt nicht von ihm gemacht worden. Zur. Vergleichung stehe?
die in analoger Weise ausgeführten Messungen an 3 Mandingo, bei denen abe’
auch die Hohe der Crista ilium fehlt. Leider zeigen sich überall gewisse Wider”
sprüche, die wohl auf irrthümliche Aufzeichnungen zu beziehen sind. Berechnet
man z.B. aus der Differenz der Schulter- und Ellenbogenhóhe die Länge des
NM 7
ms und aus der Differenz der Hôhe des Ellenbogens und des Handgelenks
ange des Vorderarms, so erhält man
Oberarm Vorderarm zusammen
Wei Nr. 1. . . 390 mm 296 mm 686 mm
» », 2. . . 389 , 288 , 677 ,
Mandingo Nr. 14 308 , 262 , 570 ,
” ” 1 f 308 ? 214 » 522 »
» , 28 353 , 289 , 642 ,
der T ist schwer glaublich, dass bei gleicher Lünge des Oberarms der Vorderarm
sehe; eiden ersten Mandingo um 48 mm differirt haben sollte, so wenig es wahr-
derrg ist, dass der Wei Nr. 2, dessen Vorderarm nur um 1 mm kürzer ist, als
Jede es letzten Mandingo, einen um 36 mm lingeren Oberarm gehabt haben sollte.
Wie nfalls ergiebt sich durchweg eine nur mässige Länge des Vorderarms,
Sie auch an dem Skelet ersichtlich ist. —
Un Hr. Hauptman Kling hat noch einen anderen Schädel mitgebracht, der in dieser
wir Dung ein besonderes Interesse darbietet, den eines Yoruba. Er schreibt
Ueh darüber: „Derselbe stammt von einem unserer Lagos-Leute, der bei einem
a in Kebu (17. Jan. 1889) hinterlistig erschossen wurde. Die Feinde gruben
hera er seine Leiche aus, schnitten ihm Herz, Leber und Lunge für Fetischzwecke
Repos und den Kopf ab. Ich fand die Eingeweide in dem von uns zerstörten
do, orf Pellawe zum Trocknen aufgehängt später vor, während der Schädel,
Au. Kinnlade schon entfernt und präparirt war, — sie benutzen letztere in
wise Dahome und Togo als Schmuck für die elfenbeinernen Kriegshôrner, —
end der Friedensunterhandlungen ausgeliefert wurde."
an Der sehr vollständige, noch sehr jugendliche Schädel hat ein böses, entschieden
fag pren Gorilla erinnerndes Gesicht. Er ist ausgemacht plagioceph al, indem
gg, ol ganze linke Hälfte der Coronaria synostotisch ist. Die linke
eine yes Schädeldaches ist schmäler und zugleich hôher, als die rechte, während
evo TE vorn weniger bemerkbar ist und auch hinten nicht gerade auffällig
noch lii. Ein. kleines Stück der linken Coronaria dicht über der Schläfe ist
Nig erhalten: hier sieht man eine ballonartige Auftreibung dicht iiber dem Stepha-
wq, Umgekehrt zeigt sich eine beschrünkte Synostose an der rechien Coronaria
Naht War gerade an der Kreuzungsstelle der Linea temporalis; darunter ist die
Née send und der ganze Schläfenfortsatz des Stirnbeins aufgetrieben. Die übrigen
Emissa etwas unregelmiüssig. An der Sagittalis zwischen den sehr verkleinerten
Hoi or eine daumenstarke Vertiefung. — Die Capacitit missig, 1380 com.
Sm alumfang 506, Sagittalumfang 375 mm. Von letzterem enfallen auf das
in diese, 35,4, auf die Parietalia 33,3, auf das Occipitale 31,2 pOt, so dass also
hant Falle die frontale Entwickelung dominiri. Immerhin beträgt der Hinter-
und breit 7 noch 31,8 pCt. der Gesammtlünge. Die Stirn ist etwas reclinirt, gross
tied: 1 (106 mm), ihre Mittellinie ein wenig vorgewülbi, der rechte Theil etwas
Tubora £ liegend. Der Nasenfortsatz mässig voll, aber breit, Orbitalwülste und
Schläfe ehlend, der hintere Theil des Stirnbeins hoch. Die grösste Breite an den
bogen "e huppen. Das Hinterhaupt voll, namentlich die Oberschuppe stark ge-
wi, ^ CI0e Protub. ext., Unterschuppe mit tiefen Einzeicbnungen. Warzenfort-
Ing; 77085, Gehórgünge etwas eng. Foramen magnum lang, 32 auf 25 mm, also
Shape. in 75,9. Die Gelenkhócker voriretend, abgeplattet, ihr Rand nach hinten
SPheny Tspringend.. Apophysis fast horizontal. Noch offene Synehondrosis
~occipitalis. — Das Gesicht trotz colossaler Oberkiefer wegen der enormen
(55)
(56)
Jochbreite (141 mm) chamaeprosop: Index 84,3. Der Alveolarfortsatz ist leider
stark verletzt, so dass an ihm keine medianen Maasse genommen werden künnen-
Wangenbeine vortretend: untere Distanz 103 mm. Orbitae niedrig und mehr breit,
medialwärts enger, fast eckig: Index mesokonch (81,1). Nase fast katarrhin,
abgeflacht, die Nasenbeine kurz und breit, nach oben an der Naht vorspringend,
seitlich eingedriickt, der Rücken fast gerade und im Querschnitt gewülbt, die
Apertur gross, hoch und breit, mit Prünasalfurchen; Index platyrrhin (75,7).
Gesichtswinkel 73°. Die ganze Gesichisflüche der Oberkiefer schrüg gestellt, die
Fossae caninae voll, der Alveolartheil stark prognath. Zähne gross, Molares III
noch mit frischen Kronen. Gaumen breit, aber vorn verletzt. Zahncurve elliptisch.
— Der Unterkiefer stark und gleichfalls mit alveolarem Prognathismus. Das drei-
eckige Kinn kräftig, innen doppelte Spina mentalis. Die Aeste breit (39 mm) und
steil, fast senkrecht, aber von innen nach aussen auf der Fläche etwas ausgebogen-
Proc. coronoides 70 mm hoch, Incisur mässig. Die Winkel nach innen gewendet
und am unteren Rande mit einem Absatze (Andeutung von Proc. lemur.); die
Distanz der Winkel sehr klein, nur 83 mm betragend. Die unteren Zahn-
reihen in ihren hinteren Theilen fast gerade und parallel.
Auch dieser Schädel erläutert die Richtigkeit des Satzes von der verhältniss-
mässig grossen Häufigkeit erheblicher Knochenanomalien bei den Wilden. Die
halbseitige Synostose der Kranznaht ist in Europa eine seltene Erscheinung-
Hier ist sie um so mehr bemerkenswerth, als der Yoruba noch sehr jung war:
die offenen Knorpelfugen am Schädelgrunde und die Beschaffenheit der Zähne
lassen darüber keinen Zweifel. Gewöhnlich entwickelt sich aus dieser Synostose
eine starke Verkürzung und nicht selten eine Erniedrigung der entsprechenden
Schädelhälfte (vgl. meine Gesammelten Abhandl. zur wiss. Medicin S. 911. Fig. 28
bis 27); hier dominirt sonderbarerweise die Verschmälerung und Erhöhung der-
selben, obwohl die Verkürzung nicht ganz fehlt. So ist es geschehen, dass, ab-
gesehen von einigen kleineren compensatorischen Ausweitungen, die Schädelform
orthodolichocephal geblieben ist, wie sie wahrscheinlich auch im Normal-
zustande sich berechnet haben würde.
Das Wenige, was man tiber Yoruba-Schädel weiss, habe ich in der Sitzung
vom 21. December 1889 (Verh. S. 781) mitgetheilt. Es waren überhaupt nur 5 sol-
cher Schädel, und zwar ausschliesslich weibliche, bekannt und von diesen waren
& dolichocephal und 1 mesocephal. Ich habe aber damals darauf aufmerksam ge-
macht, dass ein Schädel unserer Sammlung, der von Flegel aus dem Lagos-Gebiet
mitgebracht und einem Jabu zugeschrieben ist, wahrscheinlich in dieselbe Reihe ge-
hort. Sonderbarerweise ist es auch ein weiblicher, wenigstens halte ich ihn dafür-
Er hat durch seine Dolichocephalie, Chamaeprosopie, Platyrrhinie und Prognathie
viel Aehnlichkeit mit unserem Yoruba.
Das Verhältniss der beiden neuen Schädel zu einander wird sich am leichte-
steu in einer zusammenfassenden Tabelle übersehen lassen.
Togoland Wel Yoruba
I. Kopfmaasse.
Capacitàt. . . . Ce ee eee 1350 1380
Grósste horizontale Länge . . . . . . . 187 182
, Breite . .. ........ 135t — 184t
(57)
Togoland Wei Yoruba
Gerade Hohe . . . . . . . 136 186
Ohrhghe . . . 2 2 ll leo or on 112 117
Hinterhauptslänge . . . - Cee 52 51
Horizontalumfang . . . 224204042045 507 506
Sagittalumfang des Stirnbeins . . . . . . . 122 183
» der Parietalia . . . . . . . 135 125
» der Hinterhauptsschuppe . . . 110 117
Ganzer Sagittalbogen . . . . ee o e 361 915
Stirnbreite . . 2 112024244205 89 106
Gesicht, Hohe A . . . . - « « « « « + + 116 119
> L BL ees! 68 18?
» Breiteà . . . + + + + «oo. a! 127 141
> ME TEM 89 108
> , e.. 11 LL 122 6 85 83
Orbita, Hohe . . . e! 36 31
» Breite AN 40 38
Näse, Höhe A A. . B 52
» Breite EEE 26 29
Gaumen, Linge . - - « « « + + + - - n 57 —
» Breite . . . 202204044250 32 40
Gesichtswinkel 2. 2222224425 10? 3°
' Synost. cor. siu. Synost. cor. sin.
iuf. part.
II. Berechnete Indices.
Längenbreitenindex 0. 72,2 73,6
Längenhôhenindex .. 1.122220 72,7 74,7
Öhrhöhenindex. . 59,8 64,3
Hinterhanptsindex s 27,8 31,5
Gesichtsindex . . . | 91,3 84,8
Orbitalindex. . . 90,0 81,5
Nasenindex . . . . . 50,0 56.7
Gaumenindex . . . . 56.1
Ga chon in der December-Sitzung von 1889 (Verhandl. S. 780) habe ich einen
habe a uberblick über die Craniologie der Guinea-Küste gegeben. Damals
lich ch dargethan, dass auf diesem grossen Gebiet Brachycephalen eigent-
De fehlen. Die gegenwärtige Untersuchung hat dies in vollem Maasse
Wohnei Ja, sie hat sogar gelehrt, dass selbst unter den Wei, deren jetzige
Kommt ze über Liberia hinaus liegen, die Brachycephalie nur sporadisch vor-
arg Beziehung auf die Bildung der Schüdelkapsel dürfte also kaum ein
Was der Unterschied unier den betreffenden Stämmen bestehen.
Sehr Vere as Gesicht betrifft, so haben leider die Messungen des Dr. Wolf nur
keit, Scher ole Verhältnisse betroffen und auch diese nicht in genügender Häufig-
einzelne, €! hat sich ein gewisser Gegensatz zwischen den Köpfen und Schädeln
ámme herausgestellt, indem neben der herrschenden Chamaeprosopie
hier und da Leptoprosopen vorkommen. Indess dasselbe hatte ich schon früher
gefunden und zugleich war mir die Thatsache enigegengetreten (ebendas, S. 780),
dass es hauptsächlich Männerschädel waren, an denen diese Eigenschaft bemerkbar
wurde. Die gegenwürtige Untersuchung hai dies bestätigt. Daraus geht hervor,
dass ich nicht Unrecht hatte, wenn ich schon früher bei mehreren Gelegenheiten
betonte, dass, wenn nicht der Gesichtsindex überhaupt, so doch jedenfalls die jetzige
Eintheilung desselben in ethnologischem Sinne ungenügend ist. Es fehlt offenbar
ein mittleres Maass, eine Mesoprosopie, welche genauer zu fixiren, eine Auf-
gabe der nächsten Zeit sein muss. Aber es ist kaum zu bezweifeln, dass auch
mit einer solchen Einschiebung der von mir wiederholt nachgewiesene Einflus®
der Sexualität bestehen bleibt, nicht bloss in dem Sinne, dass die Weiber mehr
zur Chamae-, die Männer mehr zur Leptoprosopie neigen, sondern auch in der
Weise, dass gewisse Stämme im Grossen, auch bei den Männern, einen
mehr weiblichen Gesichtstypus zeigen. Dahin gehören von den hier bé-
handelten Stämmen vorzugsweise die Wei und die Kebu, letztere vielleicht 1n
höherem Maasse. Diese Stämme besitzen, dem entsprechend, auch mildere Formen
der Gesichtsbildung, namentlich geringere Prognathie und weniger häufig Platyr-
rhinie. —
Wie ich schon vorher (S. 45) anführte, hat Dr. Wolf in seinem Notizbuche
einen Passus über die religiösen Gewohnheiten der Togo-Leute nieder”
geschrieben. Derselbe lautet folgendermaassen:
„Die Togo-Eingebornen glauben an einen Gott, den sie Maue nennen, der überall
ist und Alles sieht. 401 kleine Götter und Göttinnen, gute und böse, dienen als
Mittelspersonen zwischen Maue und den Menschen. Zu ihnen gehóren unter andere?
in Popo der Donner als Gott und der Blitz als Göttin. Die Priester und Prieste-
rinnen des Donners haben als Abzeichen einen Kreis von Punkten etwa in der
Magengegend um den Körper, die des Blitzes so, dass hinten auf dem Rücken
die Schlusslinien der Bogen nach oben dem Nacken zu gehen.
— — D —ÀM — 2 ee ament
Buch A. 1 -
2 à 5
Messungen des Dr. Wolf Hausa \. | Wei ‘ Wei Wei
|o
Er "n 20
Jahre | Jahre
Lu ee P
I. Kopfmaasse.
Grosste Linge . 2.211 21111 197 206 197 ' 194 | 197
» Breite ........... a | 18 PI u
Ohrhôhe . 1.222212 2110 mmm — d =
Stirnbreite . . . . a 0 120 85 | 62 | T UT
Gesichtshóhe A (Haarrand) . . . . . . . . 169 193 190
» B (Nasenwurzel) . . . . . | 108 ‘
Mittelgesicht . . M 12 8:
Gesichtsbreite a (Jochbogen) . . . . . . | 189 Lo ino
» b (Wangenbeinhócker) . . . ' 140. | 198 125 -
» c (Kieferwinke) . . . . . . 128 ©‘ 116 115 -
Distanz der inneren Augenwinkel. . . . . 35 42 37
» „äusseren » 2.4 + 100 | 105 105 —
(58)
"
„Die Götter Adeli’s, Neyo, Frikko gehören ebenfalls zu den 401 und sind weit
"UM breit als besonders mächtig bekannt; sie haben in Adeli ihren Wohnsitz auf-
Seschlagen.
ï „In Jege (Adeli), wie auch in anderen Ortschaften, befindet sich eine unförm-
‘Che grosse Lehmfigur in sitzender Stellung mit Kauri-Augen unter einem Schutz-
ach, Diese stellt den Teufel vor und heisst Elegba. Morgens gleich nach dem
Rufstehen pflegt der Eingeborne sich zu Elegba zu begeben, vor derselben mit den
i en auf dem Boden zu scharren und zu bitten, alles Bóse an diesem Tage an
M voriibergehen zu lassen.
. »Seelenwanderung in Klein-Popo. Wird ein Kind geboren, so befragen
Je Eltern das Orakel Ifa mit 16 Palmenkernen, ob in das neugeborne Kind eine
E von mütterlicher oder väterlicher Seite und welche bestimmte übergegangen
de Von der Antwort des Orakels hängt die Benennung des Kindes ab, welches
a Namen des oder der Verstorbenen erhält, dessen oder deren Seele in dasselbe
. gegangen ist. Der Glaube an ein Fortleben nach dem Tode ist vorhanden,
doch giebt es dieses nur für die guten Menschen. Die Seelen der Guten gehen
" Maue, die Seelen der Schlechten dagegen sterben mit dem Körper.“
N Das leider sehr kleine Vocabular lautet:
pg Proe, Unterkieid. Kpo-ge, Singstab.
Q, ehokolo, Hose. Vilgure, Hüngekorb.
Gog son, Umhang. Pitterke, Webeschiff.
9, Lendentuch eines Mannes (von Fabaru, Ledertasche.
p Plus), Mabbirgil benbel, Urnen.
As Armband. Gurma, Zierplatte für die Unterlippe der
Wero: Ueberkleid einer Frau. Frauen.
» Trommel (Ganchya). Nasenring (. . . insky).
am Zum Sehlusse gebe ich aus den Einzel-Aufnahmen des Dr. Wolf eine Zu-
__"enstellung seiner Aufzeichnungen:
Buch A. 1
M | 10 11 i! 13 14 15
> Wei | Mende |: Wei Vos Wei We ' Wei s Wei
n. 5 ev 18 7 | 2025 | 95.08 à | na
? Jahre | Jahre | Jahre | Janre | Jahre Jahre ' Jahre | Jahre ' Jahre
309 1, 0nímaasse.
192 n "m 191 195 ' 203 191 | 196
SEU AB > 154 140 | 1452
126 —
116 -
8
lou -
121
91 -
35
c^
59)
(60)
Buch A. 1
; 2 :
Messungen des Dr. Wolf Haussa | Woi | Wei Wei | Wei
+ + +
| ’ 20595 "m 20
Jahre | Jahre
Nase Hóhe . . . | D. = 42 : -
, Lànge . .. . | | M 16 52 44 D -
>» Brie ............ 40 | (Bler.) 18 | (81.9) 15 |
Mund, Linge . . . . . . . . . . 57 57 | 56
Ohr, Hóhe . . el. 5 69 | 55
Entfernung des Ohrloches von der Nasenwursel 194 — | —
Horizontalumfang . . . . e. 510 570 | 555
Il. Kórpermaasse.
Ganze Hohe . . . . . 0 5 5 1 1785. 1795 1746 | 1700 | 1633
Klafterweite . . 9m os | o. s. DU 0 1845 ‘ 1865 | 1985 | m —
Hóhe Kim. . . . . . . . ..,.. | 1562 _ _ _— B
„ Schulter . tcs 5 s + | 1519 1587 | 1482 — -
„ Ellenbogen MM 1156 | 1147 | 1093 - -
, Handgeenk . . . . . . . , ,., 806 | 851 805 .
Mittelfinger s.n 688 665 601
Nabel . . . . . . . ...,.,., | 952 ! 1076 1098 --
.. Onstailum . . . . . | | 1020 , 1096 ; 1089
Symphysis pubis . . . . , , , , | 927 — — --
Trochanter . . . . . , , ,,., | 908 _ — -
Patella, oberer Rand . |... , | | | 508 + 539 | 599 —
» Malleolus externus. . . . . rn © og = - -
Schulterbreite . . . . . . . | | 480
Brostumfag . . . . .. . . . . | . 885 885
Hand, Lànge . . . . . . . . . . , | 191 :
» Breite . . . . e... f 86
Fuss, Lange . . . . . , . . . . . | | 265
„ Dreite . . s.s 161
Grósster Umfang des Oberschenkels. . , . 495
» » der Wade. . 024 256
a Buch A, 1
16 17 12 19 | 20
Messungen des Dr. Wolf de | Wei — Wei | Wei | Wei
os 3 25030 3 | 5
Jahre Jahre Jahre |! Jahre | Jahr .
I. Kopfmaasse.
Grôsste Länge . . . . . . , , , , , * 195 . 185 | 187 | 185 | 908
» Brie | 189 | us | ne |n
(cC LI
n Buch A. 1
© ' 9 10 11 12 3 14 ib
Wei Wei Mende Wei Wei Wei | Web Wei | Mae, Wei
$ | 3 5 5 5 8 | 8 5. | 5 5
Tih, 90 — etwal8 2 % | 90—95 | ]18 295—98| 18 90—95
9$ ' Jahre Jahre ' Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre | Jahre Jahre
4o
199
y il. Kórpermaasse.
10 as € 110 156( | 1589 1603 — «681 : 1629 | 1722
1. 0. $95 | 1720 1685 , 1705 ‘ 1735 1985
- - - - — — 14905 | —
— 1348 —
— 1040 -
"8 —
-. . —. 591 | —
-. - 981 -
&55
Buch A. Buh 4.2
à 2
We 2 25 94 25 x2 98 29 1
s Apos Adeli — Aposso Adeli — Adeli | Adel — Mam Wei | Wei
780 | 95 0 $ ó 5 | £$ ó 5 5 ©
Fabre | P- 50 | 25-80 30235 20225 90 E 14 D |90—94 | do
- re Jahre Jahre Jahre | Jahre Jahre Jahre | Jahre | Jahre
190 19 I. Koptmaasse.
149 ; 3 | 191 | 184 | 195 192 187 188 ! 1929 : 199
46 | 150 | 146 150 148 | 139 149 | 136 140
(61)
(62)
Buch A. 1
16 17 , 18 19 20
Messungen des Dr. Wolf dro | Wei | Wei Wei | Wei
5 & 5,5 B
20—25 18 25— 30 18 25
Jahre Jahre‘ Jahre Jahre Jahre
Ohrhóhe . . . . . . Ce 119 - : — =
Stirnbreite . . . | ss 112 :
Gesiehtshóhe A (Haarrand) . . . . . . . . 182 - - -
> B (Nasenwurzel) . . . . . . : 106 — 115
Mittelgesicht . . . . e. 0... 68 — - -
Gesichtsbreite a (Jochbogen) . . . . . . | 198 — — = 134
» b (Wangenbeinhócker) . . . 198 — - 116
» ¢ (Kieferwinkel). . . . . . 91 — : — 98
Distanz der inneren Augenwinkel. . . . . 38 - -
^ » äusseren » s. 130 -
Nase, Héhe. . . 22221210 24 10 39 -- ^7
, Lánge . . .. .. ....,;., 37
» Breite .. .......... 498 -
Mund, Linge . . . . . . . . . . . . 52 —
Ohr, Hóhe . . . a 60 —
Entfernung des Ohrloches von der Nasenwurzel ! 114
Horizontalumfang . . . . . . , . . . | 555
I. Körpermaasse.
Ganz Hóhe . . . . . . . . . . . , | 16662 , 1566 | 1634 | 1596 1568
Klafterweite 1112222 1. | 1784 1725 11788 | 1655 | 1790
Hóhe, Kin. . . . 208 s s. . s. s. 4 1486 — — — T
» "Schulter. sto... 1383 — -- — T
» Ellenbogen sss 1075 —- - —
. Handgelenk 00.5. ..a0 891 - — :
Mittelfinger 0.5. . | 688 —
„Nabel . A 4 4 0 1009 -
» Patella e. t os s, n os. | 490
Brustumfang . 2s... .. ll nos ^ -x "86 8€
Hand, Lange . . . . . . PM 172 - .
» Breite . . . ......,... -
Fuss, Lange . . . . . . . . . . . . 254
» Brite . ........... 102 . :
Grosster Umfang der Wade. . . . . . , 345
f >
(63)
Buch A. 1 [Buch A. 2
2 22 93 24 25 2 | 91 28 29 1
Wei Aposso Adeli | Aposso Adeli Adeli | Adeli ERN | Wei Wei
, 0
dado 25 3o | 25030 30085 20525 D à % 20224 26280
- Jahre — Jahre — Jahre — Jahre Jahre | Jahre Jahre Jahre Jahre
: 127 — —
— - : 108 — _.
- - 186 — —
- - - 119 1138 192
195 ' 197 | 146
199 185 187
9; , 96 118
98 | — -
91
46 |
4,
4.
49
66
119
535
II. Korpermaasse.
N | 1602 | 1652 | 1588 | 1726 164 - 1780 1687 | 1750
ct - | - -- (9980. - , —
— — — qoe - 1509 | - | -
— 1421 -
1068
779
596
; 1012 - —
Lo 525 - =
780 -
- 190 — —
- 86 -
. D. 3875 -
- - 107 - -
977
^
a Kebu (Taschenbuch)
1 2 3 4
Messungen des Dr. Wolf Ossua | Alossu | Dobosse | Elle N 2
2 9 2
25—98 | 16—18 16—18 | etwa 36
Jahre Jahre Jahre Jahre
Aufrechte Héhe . . . . . . . . | 1543 1551 1459 1582
Grüsste horizontale Lünge . . . uo 186 176 178
» Breite des Schadels. . . . . . 144 181 181 130
Hohe des Gesichts B . . . s 107 95 91 108
Obere (malare) Breite des Gesichts . e. 133 124 118 121
Untere (maxillare) Breite. . . . . . . . 108 107 100 102
Jochbreite . . . . . ........ 142 124 128 131
Nasenhôhe . . 2. 222222 2 10 10 40 36 41
III. Berechnete Indices.
. Z 3 D.
Berechnungen von Virchow Haussa We. Wei | Wei | Wei
Làngenbreitenindex . . . . . Co. 74,6 T 737 | 194
Ohrhóhenindex . . . .. ......, 62,9 ^ -
Gesichtsindex . . . . . . . . . . . 77,6
Nasenindex . . . . . . . . . . . 93,0
19 20 0 99 A271
Wei | Wei Wei | Wei Wei
Längenbreitenindex . . . 0.1 746 ^ « . 108 | 104
Ohrhóhenndex . . . . . . . . . .. -— — 0p €
Gesichtsindex . . . . . . . . . ... £e 4? 83,0
Nasenindex. . . . . . . . . . . . . --
L 4 U 4
KebuQ KebuQ | KebuQ | Kebu2
Liangenbreitenindex . . . . 2 1.0 | 750 | 104 74,4 780
Gesichtsindex . . . . . 0. 64 | 19 uo | 80
(17) Hr. Rob. Hartmann hält einen Vortrag über die
Amazonen des Königs von Dahome.
Ich beabsichtige heute keineswegs noch weiter über jene Art von Amazone?
zu sprechen, welche jetzt im Castan’schen Panopticum durch ihre drallen Ge
stalten, sowie durch ihre mit grosser Verve und Correctheit ausgeführten mi
schen Wendungen Aufsehen erregen. Sie haben diese schwarzen Personen wo b
selbst, theils an Ort und Stelle, oder auch hier, in der Sitzung‘, hinlánglit
(64)
(65)
5
Kebu (Taschenbuch)
Mit, 6 i 5 9 10 12 13 14
e30 | Akparra Aradschi Osussu | Odunnu Nenne N'Dassu Jamissi | Oujabba
$ 5 5 5 5 5 5 1 3B
Jah 18 30—35 | 20—25 etwa 18 . 30—35 18—20 | 20-25 20—25
re Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre | Jahre Jahre
1682 1607 1653 1049 “780 1629 1685 1714 1637
197 192 187 5 189
144 140 134 . ue 128. — 109 142
1 103 107 167 119 107 10F 104
129 120 120 108 127 194 125 ı 180
105 102 107 I 106 105 96 105
142 130 136 b eC aepo 139
15 48 45 ^C 43 40
III. Berechnete Indices.
Wei | BRL Ho 7 18 18
Ma EET Wei Wü la v 0X. Wei
i3 5 p 1
Mena is | 16 28 22 94 25 Zu ,( Zi
e an- Man- Man- ; . .
~ dingo dingo | dingo Aposso | Aposso Adeli Adeli — Áde. : Adeli
bo - 7
13,3 7118 75,5 75,6 Ta vo 3
66,0 | 610 67,6 -
846 | 828 82,9
916 — na2? 96
) -
Kobu 5 ^ ; : 4
Kebu Kebu Kebu Kein incOU hebu ! Kepu Kebu
78,1
781 | 12,9 | "nu | 7 5 | 72,5 | 735 | .-« LA 75,1
19,2 | 18,6 ivl (£A ! ^ "6 me 80,1 14,8
ach . ua:
nor t und auch die hiibschen, von unserem Mitgliede, Hrn. Franz Gorke, auf-
Obwory Photographien jener Damen gesehen.
Bom, des | nun die Castan'schen Amazonen schwerlich je die Zeribah oder
Slaube ia errschers von Dahome betreten haben werden, so können wir dennoch,
hin echt , dem Aussteller und dem Impresario für die Gewährung solcher immer-
theilg Y interessanten westafrikanischen Typen, wohl theils Kroomen oder Wei's,
vo, Loaner, Dank wissen.
Vena, Ben Mitgliedern dazu animirt, will ich heut die wirklichen, üchten
+ der Berl. Anthrop. Gesellschaft 1891.
(66)
Amazonen des Konigs in Dahome nach verschiedenen Vorlagen besprechen, jene
vor Blutdurst und kriegerischem Eifer halbtollen Megüren, welche inmitten der
sonst so gutherzigen und mildsinnigen nigritischen Weiberwelt wie ein entsetzliches,
psychologisches Räthsel auftauchen!
Vorher zeige ich Ihnen noch käufliche Photographien der Castan'schen
Amazonen, sowie Holzschnitte aus dem Yoruba-Lande. Letztere sind der einzige
Schmuck verschiedener Bände der Missionary Church Intelligencer. Ich hatte
diese Zeitschrift aus dem Nachlasse des frommen Prof. Lepsius für theures Geld
und mit der sicheren Hoffnung erworben, darin reichliche Belehrung über Länder-
und Völkerkunde zu finden. Da ich aber leider in den Bänden fast nur Expectora-
tionen über hochkirchliche Askese und andere mir uninteressante und unverständ-
liche Dinge angetroffen, so habe ich sie der immerhin recht hübschen xylographi-
schen Beilagen entledigt, von denen Ihnen eine Reihe vorliegt.
Zugleich mache ich auf die sehr beachtenswerthe ethnographische Ausstellung
aus Dahome und aus den Nachbarländern aufmerksam, welche Hr. Castan jun.
heute hier veranstaltet hat. Ich komme dann zu unserem eigentlichen Gegenstande.
Dahöme, von H. Zöller nicht mit Unrecht ein Wachtthurm uralter afrikani-
scher Barbarei, ein wahrhaftes Schreckensreich genannt, erstreckt sich längs eines
Theiles der Sklavenküste und nach dem Innern, östlich durch den Küstenstaat
Porto Novo und durch Yoruba, westlich durch das Küstengebiet von Gross Popo
und das Reich Aschänti begrenzt. Das Reich mag zwischen 175—185 geographische
Quadratmeilen gross sein. Dasselbe wird von einigen Flüssen durchströmt und
ist im Ganzen fruchtbar, auch bevölkert. Im Küstengebiet finden sich die Häfen
Kotonü und Wyda (Hvida oder Ajuda), letzterer der reichste des Landes, in einer
sumpfigen Umgebung. Die etwa 180000 Individuen zählenden Bewohner Dahomes
treiben Ackerbau und Handel. : Ihre Religion besteht im ausgesprochensten Fetisch-
dienst.
Die Regierung von Dahöme hat es bis jetzt hartnäckig verweigert, die um
Wyda herumliegenden Sümpfe trocken legen oder wenigstens durch hindurch-
gezogene Dämme zugänglicher zu machen. Es entspricht dies der Abschliessungs-
politik eines Landes, das, obwohl im Ganzen im Verfalle begriffen, nach Zöller in
seiner Regierung und Verwaltung neben aller Grausamkeit doch noch mehr Leben,
Thatkraft und Weisheit entwickelt, als die ganze englische Goldküsten-Kolonie.
Dahöme bringt weder Gold, noch Silber hervor. Allein die dortigen Gold-
schmiede wissen aus Piastern und Dublonen recht geschmackvolle Schmuckgegen-
stände zu verfertigen. Man hatte zwar in den öfters recht gut gearbeiteten Töpfer-
waaren des Landes goldhalügen Thon erkennen wollen, allein das Material dazu
besteht. nach Bosset nur aus glimmerhaltiger Masse.
‚Der König des Landes, der Ahäsu, ist vollkommener Despot. Unter ihm
stehen zunächst die Fetischpriester und die Häuptlinge. Diese duldeten früher
keinen Besuch des Königs an der Meeresküste. Jede ungeziemende Aeusserung
oder Bewegung Seitens des Volkes dem Landesoberhaupt gegenüber wurde und
wird noch jetzt mit einem martervollen Tode bestraft. Spionirerei und Angeberei
dienten den Machthabern zur Stütze ihrer Gewalt.
Hauptstadt ist Abome, A'gbome. Sie zählt (nach unsicheren Angaben) nur
10 000—12 000 Einwohner. Der Ort wird von breiten Grüben und von dornigem
Buschwerk umgeben. Eine neuere franzósische Arbeit schreibt Aböme monu-
mentale Thore zu (Les colonies françaises, Paris 1890, vol. VI, p. 227).
Alljáhrlich. unternimmt der Konig Kriegszüge in die Nachbarländer, nament-
lich die yorubanischen, überfällt hier, womôglich in Mondscheinnächten, die nichts
(67)
ahnenden Ortschaften, brennt sie nieder und macht dabei möglichst viel Ge-
fangene, die dann als münnliche (Kalia) und als weibliche (Kir) Sklaven dienen
müssen. Früher, als noch der Sklavenhandel der Europäer blühte, wurde nur ein
Theil der Gefangenen bei den Festlichkeiten, bei der sogenannten ,grossen Sitte“
vor den Augen der Menge abgeschlachtet. Gegenwärtig betreibt man diese
Metzeleien in kolossalem Maassstabe. Die grosse Sitte wird meist im Januar und
Februar gefeiert, Es giebt dabei Trink- und Essgelage, Paraden, Gesünge und
Tünze, sowie jene Massenopfer, bei welchen eine beispiellose Grausamkeit eni-
Wickelt zu werden pflegt. Diese Opfer scheinen nach dem Urtheile Mancher mit
emem tief eingewurzelten Unsterblichkeitsglauben zusammenzuhüngen. Man denkt,
die Geschlachteten fiihrten im Jenseits ein gutes Leben. Grosse Menschenopfer
werden hier, wie dies ja auch unter den Aschanti und unter anderen afrikanischen
arbarenstimmen geschieht, bei den Bestattungsfestlichkeiten eines Ahasu dar-
E^ bracht. Man sendet nehmlich dem abgeschiedenen Könige die Dienerschaft ins
m nach. Wenn der regierende König eine Botschaft an den Geist eines seiner
Li Tahren auszurichten gedenkt, so veriraut er dieselbe einem beliebigen Sklaven
sei Und stósst diesen entweder sofort höchst eigenhándig nieder oder lässt ihn vor
une Augen von Anderen tödten. Man wirft bei Gelegenheit der grossen Sitte
ui ückliche, in Körbe gepackte Kriegsgefangene von einer Platform herab mitten
liche die Menschenhaufen, die dann über diese Opfer herfallen und sie in scheuss-
"m Weise zerstückeln. Andere werden vom officiellen Schlächter, dem Mingän,
sch vom Grossschlüchter, Gram' Mingán (vom Portugies, grâo), mit einem Riesen-
Dass ie gekopft. Das Blut wird in kupfernen Pfannen gesammelt. Ich zeige
Dass. hier die Holzschnittabbildung eines zum Opfertode bestimmten Individuums.
ng oe, in eine weiss- und blaugestreifte Tunica gehüllt und mit einer weiss-
der p. hgestreiften Baumwollenkappe bedeckt, ist an einen Pfahl gefesselt (Aus
darsi er Illustration, 1852er Jahrgang). Eine von mir angefertigte Aquarell-
sai d betrifft den sein Amt verwaltenden Gram’ Mingän, nach einem Holz-
"m des Dr. Répin (Le Tour du Monde, 1868). Ich habe letzteres Bild in
ver] er Vergrösserung copirt und demselben etwas „afrikanische Färbung“ zu
"élhen gesucht.
kan Ausser Menschen opfert man bei der grossen Sitte allerhand Thiere auf ebenso
sche Weise, wie jene.
finden er Ahàsu stützt sich auf ein gut geübtes, stets schlagfertiges Heer. Darunter
dem Sich auch die berühmten und berüchtigten ÀAmazonen. Es sind dies unter
Hr. Sop mwirtigen Konige etwa 6000 Mädchen. Einer unserer jüngeren Mitbürger,
das licke, der als Kaufmann an der Sklavenküste gelebt hat, erzählte mir,
15. jg po wWürtige Regime dulde als Amazonen nur sehr junge Personen von
tung. + hen, kräftige Negerinnen, darunter manche nicht anmuthlose Erschei-
junge we nliches haben schon Répin und Forbes erwähnt. Gerade solche ganz
bekannt, o sollen den grössten Muth und die grösste Bestialitäit entwickeln. Der
Burto, " alle Nigritier auf das Absurdeste carrikirende Afrikareisende Richard
licher Frat, + cine dahomeische Amazone dargestellt, ein wahres Zerrbild von licher-
to Gelele Li eine physisch-anthropologische Unmöglichkeit (A mission
Seinem jn ing of Dahome. London 1864, Vol. I, Titelbild). Répin hat an
— azonenbilde insofern übertrieben, als er zwel solcher Weiber in völlig
Laufe den s Stellung abbildet. Eine derselben schiesst nehmlich 1m tollsten
abgeschlage ogen ab, die andere dagegen hält im Laufen mit beiden Händen zweı
gleichen K ne, schwere Nigritierkôpfe mit hôhnender Geberde steil empor. Der-
unststücke soll mir erst einmal Jemand vormachen! Am Besten ist noch
n'
(68)
das Amazonenbild bei Forbes gerathen. Das hält sich ganz im Bereiche des
Verständlichen.
Ich habe nach solchen älteren Vorlagen ein Gouachebild von Amazonen in
ruhiger Stellung gezeichnet, vorn die Kriegstrompete von Messing und Elfen-
bein, sowie die mit menschlichen Schädeln und Kinnbacken garnirte Kriegs-
pauke. Daneben abgehauene Köpfe, Arme und Füsse, weiterhin das Cadaver einer
geköpften Frau, die bei solchen Schlächtereien unvermeidlichen Aasgeier (Gyps),
im Hintergrunde eine niedere, z. Th. mit abgesäbelten Köpfen besetzte Garten-
mauer. Sie sehen, diese meine Darstellungsweise hat viel Derbes, aber Gouache
hat für solche skizzenhaften, ethnologischen Bilder ihr sehr Gutes, namentlich
wenn der Darsteller derselben, bei sonstipem Mangel an Musse, in kurzer Zeit
einen gewissen realistischen Effect zu erzielen beabsichtigt.
Die Amazonen, sagt Aug. Bouet (im Jahre 1852), sind fast immer Töchter der
Háuptlinge, welche von diesen, im Alter von 8—9 Jahren, dem Könige zum Ge-
schenk gemacht werden. Wenn letzterer die Mädchen gnädigst angenommen hat,
so verlassen sie den königlichen Palast nicht mehr anders, als um ins Feld zu
rücken. Ihre Abrichtung behält nur das einzige Ziel im Auge, alle männlichen
Krieger Dahomes an Hingebung und Tapferkeit zu übertreffen. In allen Kriegen
des Kónigs Gézo haben die Amazonen stets den tollkühnsten Muth bewährt. Wenn
zur Zeit des eben erwühnten Despoten eine Amazone den Palast verliess, so ward
sie stets von einem Eunuchen begleitet, welcher das auf der Strasse befindliche
Volk durch den Ton einer Klingel von dannen scheuchen musste. Denn eine
auch rein zufällige Begegnung mit der Amazone wurde vom Könige stets mit dem
Tode bestraft. Er wählte aus dem Corps einzelne Mädchen aus, welche ihres
kriegerischen Amtes entkleidet und der enormen Zahl seiner Beischläferinnen hinzu-
gesellt wurden. So kommt es, dass die ächte Amazone männliche physische Bil-
dung nur an solchen Individuen kennen lernt, welche von ihr im Kampfe tödtlich
niedergestreckt worden sind. Eine durch einen männlichen Feind gefangene Ama-
zone würde sich aber lieber selbst entleiben, als eines solchen Mannes Hausfrau
werden (L'Illustration, 1852, No. 491). Um sich einen weiteren Begriff von dem
unbeugsamen Sinne dieser kriegerischen Megüren machen zu kónnen, diene die
Erzählung, dass zwei, 1851 bei dem vergeblichen Sturme auf Abbeoküta durch die
Egba gefangene Amazonen diejenigen Leute getôüdtet haben, von denen sie mit
Nahrung versorgt werden sollten.
J. Bayol, auch bei uns bekannt durch sein Werk: Voyage en Sénégambie,
Paris 1888, hat im November und December 1889 am Hofe zu Abome während
der grossen Sitte den verstorbenen Könige Glógló oder Gelelé tüglich etwa
280 Leute schlachten sehen. Den zur Execution Verurtheilten wird jetzt europài-
sche Kleidung angezogen und man stellt ihnen, noch zum Hohn, einen Sonnen-
schirm zwischen die Beine. Von den Amazonen mit den lebhaftesten und wilde-
sten Bocksprüngen umtanzt, werden die Unglücklichen dann auf ein Zeichen des
Königs abgethan. In der Pariser „Illustration“ vom 15. März 1890 ist eine der-
artige Scene recht anschaulich dargestellt worden.
Die Amozoneneinrichtung ist in Dahome nicht neu. Schon frühere Bericht-
erstatter, wie Bosman, erwähnen solcher Kriegerinnen. Nach Burton heissen
sie Ahä’si, des Königs niedere Weiber, oder auch Mind, unsere Mütter (Mutter
heisst Noe, Nodschi) Sie sind in eine Art von Regimentern abgetheilt. Ihre Offi-
ciere sind ebenfalls Weiber. Als Kleidung dienen ihnen kurz- oder ohnärmlige
Tuniken, deren Farbe je nach den verschiedenen Heeresabtheilungen variirt. Dar-
unter hängen ein kurzgeschiirzter Rock von verschiedenfarbigem yorubaner Baum-
(69)
Wollenstoff, auch wohl kurze Hosen. Charakteristisch bleibt die weisse Baum-
Vollenkappe mit eingestickter schwarzer oder indigoblauer Figur eines Krokodiles,
nes der Hauptfetische des Landes (Lo), neben welchem allerdings auch der
Schöne, wehrhafte Leopard (Gbo) und verschiedene, nicht giftige Schlangen in
Ehren stehen, Auf dem Gipfelpunkt der Kappe sitzt ein kleiner, schwarzer oder
dunkelblauer Knopf oder Puschel Die Officiere pflegen ein Fellküppchen mit an-
Sehefteten polirien Antilopenhórnern und einigen Kaurischnecken anzulegen. Die
Bewatfnung der Amazonen bestand früher nur in Bógen (Dàgbo), Spiessen (Adschi),
Schwertern (Ohäi) und Streitäxten. Gegenwärtig verfügen sie durchgängig über
Musketen (So), meist noch mit Feuerschloss, alie (in Europa ausrangirte) Schiess-
o dgel, deren Munition in Pulverhórnern, in Reihen von Patronenhiilsen und in
A riouchen verschiedenster Form und Farbe getragen wird. Schwerter und Messer
de. allerhand Form und Behang dürfen nicht fehlen: dienen sie doch ganz beson-
dus dazu, den niedergestreckten Feinden die Kópfe vom Rumpfe zu trennen, um
lèse als Siegeszeichen forttragen zu kónnen.
8 H. Züller hat beim Schacha, dem portugiesisch gemischten Civilstatthalter de
d zu Whyda, einer Vorstellung der hier nur zum Prunk gehaltenen 60 Ama-
inq" früheren Kriegerinnen von Abome und im Alter von 18—25 Jahren be-
ü ich, beigewohnt. ,Man denke sich 60 junge, schlanke und ausgesucht kräf-
8e Frauen, die, ohne unweiblich zu werden, dennoch einen unbezweifelt krie-
Serischen Eindruck hervorrufen. Diese Vereinigung des Weiblichen und des Krie-
die chen würde bei Europäerinnen kaum denkbar sein, sie erklärt sich durch
heit Sigenthümliche Bildung des Knochenbaues und besonders durch die Schmal-
My) des weiblichen Negerbeckens. Negerinnen von unvermischtem Blut (bei
in Einen ist es gerade umgekehrt) haben nur selten üppige Formen und ähneln
Amy, 8 auf den Knochenbau auffällig den Männern. Man muss sich daher die
Ma Pa. ungefähr so vorstellen, als ob die erwachsenen Zöglinge eines deutschen
Kolo enpensionates turnten oder kriegerische Spiele veranstalteten“ (Die deutsche
Me Kamerun, I. Theil, S. 43).
dieser Begebenheit dürfte übrigens besser dazu dienen, die wilde Tapferkeit
Schl, Megären zu erläutern, als der im Jahre 1851 stattgehabte vergebliche An-
Renter des dahomeschen Heeres auf Abbeoküta. Dieser Ort gehort dem intelli-
sich vu fleissigen Egba-Stamme der Yorubaner an. Im Jahre 1825 versteckten
(Oum chmlich an einem am Ogunflusse gelegenen, zerklüfteten Porphyrfelsen
Unter.) eine Anzahl vor den Sklavenrüubern geflohener Schwarzen. Diese suchten
dene Qe durch Ackerbau, erhielten später Zuzug und vertheilten sich in verschie-
der Ope enden, deren jede über eigene Háupilinge und Satzungen verfügte. Eines
Sine qi Enter, voll Energie nnd praktischen Sinnes, Namens Schodeke, schuf
Verkehr rene Verfassung, welche die Leute in den Stand setzte, den ganzen
Abbeokat es Ortes zu erweitern und ihm Wohlhabenheit zu schaffen. So entstand
Wanderd. in welchem allmählich christliche Missionäre Fuss fassten und wahre
der Ort !nge der Bekehrung vollzogen. Unter Schodeke's Nachfolger Sagbua wuchs
Die Shop mehr. Auch englische Spekulanten fanden allmählich dort Eingang.
Maligen o de Blüthe Abbeoküta's aber erregte den Neid und den Hass des da-
Volkes. utdürstigen Kónigs von Dahome, des Gézo, sowie seines barbarischen
mang, bre 1850 gab es wieder ,grosse Sitte“ zu Aböme. Die dabei auf-
Cirten) Am: en (angeblich von brasilianischen Officieren ganz besonders einexer-
haben d azonen zogen vor Gézo und kreischten ihm voll Uebermuth zu: , Wir
le Stadt Attapäm zerstört und Okédan in einen Schutthaufen verwandelt,
(7%
überlass uns nun auch Abbeoküta! Deine Söhne (Fisünu), d. h. Soldaten, sind
feige vor Attapäm geflohen, Deine Töchter (Fijunu), d. h. die Amazonen, wollen
sich lieber die Köpfe abhacken lassen, als Abbeoküta nicht erobern. Wir wollen
seine Einwohner wie Gras hinmühen, wir sind die Finger des Kónigs^ u. s. w.
Im Februar und März 1851 rückten denn auch 10000 männliche und 6000 weib-
liche Krieger Gézos gegen die Stadt heran. Unterwegs schlossen sie einen Bundes-
vertrag mit Isagga, einem etliche Meilen von Abbeoküta gelegenen Yoruba-Orte.
Die Bewohner Isagga's aber gaben den Truppen von Dahóme den falschen Rath,
Abbeokiita bei Tage und an seiner festesten Stelle anzugreifen. In der Nacht aber
sendeten sie Boten zur Nachbarstadt mit geheimen Warnungen. Man riistete sich
hier denn auch zur Gegenwehr. Die zur Zeit dort anwesenden Missionáre Crow-
ther, Townsend, Smith und Bowen feuerten die Vertheidiger, etwa 8000 Wehr-
fihige, auch die Weiber, dazu an, ihr Móglichstes zu wagen. Am 5. Márz Vor-
mittags erfolgte der Angriff auf die Stadt. Es müssen damals furchtbare Stunden
für die dort hausenden Europüer und für die verstündigeren schwarzen Bewohner
gewesen sein, als die Dahomeéer in langen, geschlossenen Linien deployirten und
unter fortwährenden Salven und gellendem Kriegsgeheul herbeistürmten. Auf sie
herab krachten die Schüsse der Abbeokutaner, auf sie herab zischten brennende
Balken, Kübel siedenden Wassers und heissen Palmöles, auf sie flogen sausend
schwere Steine hernieder. Nach stundenlangem, heissem Kampfe wandte sich
Gezo’s Heer, trotz aller vorheriger Grosssprecherei, zur Flucht. Bei Isagga von
den Yorubanern noch einmal geschlagen, überschritten sie die Grenzen ihres
Landes. Unterwegs nahmen sie aber noch beinahe 100 Egba-Landleuten die Köpfe
ab, um diese als Trophäen nach Hause zu bringen. Als Bischof Crowther am.
4. März den Kampfplatz vor der Stadt betrat, zählte er 80 Leichen von Dahomeern
im Umfange von wenig Ellen, von denen alle, ausser fünf, Amazonen waren.
Gözo hatte hier etwa 1800 Todie gelassen. Seitdem ist Abbeoküta verschont ge-
blieben.
Manche glauben schon, es habe mit der Herrlichkeit der Amazonen überhaupt
ein Ende. Neuere Berichte stimmen aber damit nicht überein. Diese wunder-
same Institution wird erst mit einer günzlichen Aenderung der Sitten in Dahome
eingehen und vielleicht dann selbst noch in unverfänglicherer Form für abseh-
bare Zeiten fortleben.
Der Weisse, der Europäer, gilt gegenwärtig dem Dahoméer als die reine Bête
noire. Daher auch die oben beschriebene höhnische Verwendung der europäischen
Kleidung bei den Abschlachtungen. Früher war der Hass nicht so gross. Damals
blühte der Sklavenhandel und der Schnaps verkaufende und Sklaven kaufende
europäische Krämer war im Reiche nicht ungern gesehen. Seit Unterdrückung
des Sklavenhandels hat sich alles dies wesentlich geändert.
Neuerdings ist ein blutiger Conflikt zwischen Frankreich und Dahome aus-
gebrochen, bei welcher Gelegenheit ersterer Staat dem letzteren gegenüber mit
Recht Vertragsverletzungen zu beklagen gehabt. Da auch in diesem Streite Aller
Augen auf die Amazonen gerichtet waren, so ziemt es wohl, von der ganzen
Angelegenheit Notiz zu nehmen. Ueber die neuerdings so viel besprochenen
Anrechte Frankreichs an Dahóme hat der Unterstaatssekretär Herr Etienne Fol-
gendes geüussert: Nach den 1878 bestätigten Verträgen hatte der Kónig von Dahome
der Franzósischen Republik das Gebiet von Kotonü und jenes Landstück abgetreten,
auf welchem das Fort von Whyda erbaut worden ist. Die Stadt Whyda gehört
dagegen den Franzosen nicht. Andererseits hat der König von Porto Novo das
französische Protektorat angenommen. Nun hat aber der zeitige König (von
1v.
(71)
Dahöme) die durch seinen Vater abgeschlossenen Verträge verworfen und den Ver-
Such gemacht, die Auslánder aus Kotonü zu vertreiben, sowie den König Porto
Novb's zu nôthigen, dem Protektorate zu entsagen. Aus jenen Gründen unter-
hahmen denn auch die Dahoméer ihre Angriffe auf Kotonü, die noch rechizeitig
Yon den durch Commandant Terrillon befehligten, senegalischen Tirailleurs zurück-
Sewiesen wurden. Man glaubt, dass der König damit seine Anstrengungen gegen
Frankreich vorlüufig erschöpft habe.
Der Feldzug hatte mit Wegführung der whydaer Faktoreiagenten Bontemps,
Leyrand, Pietri, Chaudouin, Thoris und Dorgère Seitens dahomischer
Hauptlinge begonnen. Diese französischen Beamten hatten, trotz Bayol’s War-
"ung, zu passender Zeit nach Kotonü zu flüchten, auf ihrem Posten ausgehalten
"hd waren, augenscheinlich durch den Verrath eines Händlers, den wilden Schwarzen
M die Hünde gespielt worden. Gegenwärtig siedeln sich die Franzosen in Porto
Novo, Kotonü und Whyda an.
Kriegerische Weiber hat es zu allen Zeiten und in verschiedenen afrikanischen
Gelünden gegeben. Berüchtigt sind wu. A. die Königinnen Tem-Ban-Dumba und
inns Xinga in Angola zur Zeit der Begründung der portugiesischen Herrschaft.
bag inen hielt sich auch Mtësa, der berüchtigte Künig von Uganda. Stanley
d €i sogar eine Parade derselben vor dem erwühnten Monarchen ab (Durch den
unklen Welttheil, L, S. 434). —
Die weitere Besprechung des Gegenstandes wird vertagt.
(8) Hr. Voss spricht unter Vorzeigung von Fundstücken über
fie Steinzeit der Lausitz und ihre Beziehungen zu der Steinzeit anderer
Ander Europas, insbesondere über die hornförmigen durchbohrten Henkel
und das Lochornament.
Sitz Hr, Degner hat bei Gelegenheit seines hóchst interessanten Vortrages in der
init vom 20. December 1890 über einige Grüberfelder der Niederlausitz auch
oy Funde aus der Steinzeit, bestehend in Scherben von Thongefässen mit un-
vor Mihatter Schnurverzierung, aus der Nähe von Freiwalde im Kreise Luckau,
Anal 8 Das Kgl. Museum besitzt schon seit làngerer Zeit eine nicht unbedeutende
Gege | grüsserer Feuersteingerüthe aus den Kreisen Calau und Luckau. Aus der
einige von Golssen, ebenfalls Kr. Luckau, sind ausserdem schon seit Jahrzehnten
Schn Feuersteinwerkstätten durch die Publicationen des verstorbenen Apothekers
Mann in Golssen bekannt.
wei sserdem kommen hier noch einige sehr eigenthümliche Funde in Betracht,
selbe, fas Kgl. Museum der Giite des Hrn. Dr. Behla zu Luckau verdankt. Die-
Granda estehen zunächst aus einem anscheinend nasenähnlich geformten, an der
der nn wagerecht durchbohrten Henkel eines Thongefdsses, bel Kahnsdorf in
form x © von Luckau gefunden (Katalog L 5650). Das Vorkommen dieser Henkel-
bürgen ar mir aus den grossen Ansiedelungsfunden von Tordos bei Broos ın Sieben-
Brosse QE he zum grössten Theil der Steinzeit angehören, bekannt. Durch die
das Kon seiner hochherzigen Gönnerin, des Frl. von Torma zu Broos, besitzt
reiche us he Museum eine grosse Sammlung von dieser Fundstelle und zahl-
Vereingel el von dieser Form. Indess erschien es mir zu gewagt, auf einen so
Pande Fund hin an irgend welche Beziehungen zwischen zwei so entfernten
Stellen zu denken.
Einige Zeit später war Hr. Dr. Behla wiederum so glücklich, einen ähnlich
(12)
geformten Thongefässhenkel zu finden und zwar in der Nähe des Dorfes Fresdorf,
welches gleichfalls in der Gegend von Luckau belegen ist. Dieser Henkel (Fig. 1;
Katal. I. f. 2518) war reich verziert und bot fiir die Zeitbestimmung einen sicheren
Anhalt. Das an ihm sichtbare Ornament besteht nehmlich in reihenweise geord-
neten, mit einem meisselfórmig geschürften Stábehen eingedrückten kurzen Strichen,
welche zu beiden Seiten des Henkels je vier senkrechte Parallellinien bilden. Auf
dem Rücken des Henkels sind dieselben quergestelli und bilden ein senkrecht
herablaufendes quergesiricheltes Band. Ausserdem sind noch die Anfünge von ühn-
lichen quergestrichelten, wagerecht verlaufenden Bàándern sichtbar.
Dasselbe Ornament fand ich auf einem Scherben, welchen ich in einem Riesen-
bette bei Klemmen, Kr. Cammin in Pommern, im Jahre 1877 ausgegraben habe
(Fig. 2; Verhandl. 1877. S. 307 ff). Ich habe in meinem Bericht über diese Aus-
grabungen nachgewiesen, dass diese Verzierungsweise mit dem viel mehr ver-
breiteten und besser gekannten Schnurornament zusammen vorkommt und jedenfalls
gleichzeitig mit demselben ist.
Hierdurch ist nun festgestellt, dass auch der Henkel von Fresdorf der Steinzeit
angehört, wofür sich auch noch eine weitere Unterstützung findet. Ich stiess nehm-
lich bei Gelegenheit unseres Museumsumzuges auf ein ganz bestaubtes und längst
vergessenes Packet mit Thonscherben, welche bereits vor Jahrzehnten in das
Museum gelangt waren und aus der Nühe von Waltersdorf, Kr. Teliow, zwischen
Köpenick und Kónigs-Wusterhausen, stammten (Katal. I. 4084). Dieselben waren
meist sehr roh aus grober Masse und dickwandig und bestanden aus Wandstücken
mit sehr starken Henkeln, einigen Randstücken und mehreren Stücken mit Hen-
keln von der oben beschriebenen eigenthümlichen nasen- oder vielmehr hornáühn-
lichen Form (Fig. 3 und 3a, Seiten- und Vorderansicht). Besonders merkwürdig
war unter den Randstücken ein Exemplar mit einer Reihe von runden, gleich-
grossen Lóchern, welche in gleichen Abstánden nahe dem Rande und parallel mit
demselben in den noch weichen Thon eingestochen waren (Fig. 4).
Anfangs war ich zweifelhaft, ob diese Lócher einem praktischen Zweck dienen
sollten, wie jene vereinzelt oder paarweise in den Rand des fertig gebrannten Thon-
gefässes nachtrüglich eingebohrten, welche zum Aufhingen und Tragen des Ge-
fásses bestimmt sind. Bei weiterem Nachforschen fand ich aber, dass diese Locher
lediglich zur Verzierung dienen und nur zum Theil vielleicht eine praktische Be-
stimmung haben.
Es giebt nehmlich eine Verzierungsweise, welche darin besteht, dass dicht
unterhalb des Randes in regelmässigen Abständen Vertiefungen angebracht sind.
Letztere sind auf verschiedene Weise hergestellt: sie sind entweder mit der Finger-
spitze und dann auch noch in verschiedener Weise, oder mit Instrumenten und
zwar runden Stäbchen, die zuweilen hohl waren, eingedrückt, manchmal bis zu
einer Tiefe, dass nur wenig an der vollständigen Durchbohrung der Gefäss-
wand fehlt. Die Form dieser Eindrücke ist demnach auch sehr verschieden. Bei
den Fingereindrücken wurde entweder nur die Fingerkuppe ganz leicht eingedrückt
oder es wurde die ganze Spitze des Fingers so stark in den Thon gepresst, dass
auch noch der Nagel seinen Abdruck hinterliess. Bei den mit einem Rundstübchen
gemachten Eindrücken kam es auf die Haltung desselben an, ob derselbe auf die
Gefüsswand senkrecht aufgesetzt oder schräg gegen dieselbe geführt wurde. In
ersterem Falle gab es eine einfache, fast kreisrunde Vertiefung, in letzterem eine
längliche, bogenförmige. Gewöhnlich wurde das Stübchen von unten her senkrecht
gegen den Rand geführt, so dass der lang ausgezogene Bogen nach unten ge-
richtet ist. Die dem Gefässrande zugewendete Basis des Bogens ist entweder gerad-
c4
Di
(73)
linig oder ebenfalls bogenförmig gekrümmt, je nachdem der Rundstab massiv oder
hohl war. Die beiden in Fig. 5 und 6 abgebildeten Randstücke, ebenfalls aus den
Riesenbetten von Klemmen stammend, zeigen dergleichen Verzierungen.
| Wurde das Rundstübchen senkrecht auf die Gefässwand gesetzt und etwas
trüftigor angedrückt, so entstand eine vollstándige Durchbohrung und statt der Ver-
efungen bildeten runde Löcher die Verzierung des Randes (Fig. 4).
Figur 1. Figur 2. Figur 8. Figur 3a.
Figur 5.
| ar Figur 6.
va (i
Kür Wir haben hier also zwei grosse Gruppen von Verzierungsweisen, die ich der
Sie 76 wegen als Grubenornament und als Lochornament bezeichnen will.
ib db wie weiter unten ausführlicher mitgetheilt werden soll, früher auch be-
Ora von Hrn. Virchow besprochen und unter der gemeinsamen Benennung „Loch-
Pun ent zusammengefasst. Beide Gruppen kommen neben einander in denselben
$a, ellen vor und wechseln mit einander ab. Am häufigsten finden sie sich mit
Wrornament gleichzeitig vor.
Wie 2 Erläuterung will ich einige Beispiele anführen. Zunächst habe ich
Campy. die oben erwiihnte Fundstelle, die Riesenbetten von Klemmen, Kreis
finde ' in Pommern, hier zu nennen. Unter den daselbst gefundenen Scherben
O mam od ausser den beiden schon erwühnten Randstücken, welche mit Gruben-
Welghg verziert sind (Fig. 5 und 6), ein solches, bei
durch m die Vertiefungen mit der Spitze des Daumens Fieur
LR o LOLEeS Eindrücken auf derselben Stelle
gen Da, lt sind und die Spuren des langen und krüfti-
(Fig. 7) ponagels sich noch deutlich erkennen lassen
in dem. Besonders interessant ist ein Stück, welches
ZU Berk; Photograph. Album der prähistor. Austellung
TA Ne (Voss und Günther, Berlin 1880) Sect. I,
der von nl abgebildet ist. Dasselbe stammt von
Kônieshe erendt (Schriften der Phys.-Oekon. Ges. z.
Wirthschap 1875) und Tischler (ebendas. 1882) beschriebenen Fundstelle von
und Fray. tsabfällen der Steinzeit bei Tolkemit am frischen Haff zwischen Elbing
Verzieryy enburg und weist gleichzeitig Schnurverzierung und zwei Reihen Gruben-
Die obe gen auf, welche beide mit einem massiven Rundstäbchen hergestellt sind.
ve Reihe derselben besteht aus kreisrunden Gruben, welche bis zu einer sehr
(74)
erheblichen Tiefe in die Gefässwand eingedrückt sind, so dass nicht viel an der
vollständigen Durchbohrung der Gefässwand fehlt; die untere Reihe ist aus bogen-
förmigen Gruben gebildet, ähnlich den in Fig. 5 dargestellten.
|. Hier ist also auf das Deutlichste bewiesen, dass diese beiden Arien von
Grubenverzierungen gleichzeitig mit dem Schnurornament vorkommen, also der
Steinzeit angehören.
In Ostpreussen kommen aber ausserdem auch wirkliche Lochverzierungen vor,
bei Gefässresten aus einem Pfahlbau des Arys-Sees, in welchem Anfangs nur Stein-
geräthe, später aber auch bronzene und Eisengeräthe gefunden wurden. Die Funde
sind in dem Katalog des Prussia-Museums zu Königsberg, herausgegeben von Prof.
Dr. Bujack (Königsberg 1884) S. 14 unter Nr. 157—198 verzeichnet; unter Nr. 168
sind , Wandungen von Gefüssen mit künstlich hergestellten Löchern am Rande“
aufgeführt. Die Abbildung eines solchen Scherbens giebt Munro in seinem vortreff-
lichen Werke über die Pfahlbauten Europas (The Lake Dwellings of Europe,
Cassel u. C., London, Paris und Melbourne 1890 p. 327, Fig. 99, 10).
Die Zeitstellung der ostpreussischen Pfahlbauten ist mehrfach Gegenstand der
Erörterung gewesen, ob dieselben wirklich bis in die Steinzeit hinaufreichen oder,
wie die übrigen Pfahlbauten Norddeutschlands, einer späteren Zeit angehören. Im
Jahre 1877 hat Hr. Virchow über die Pfahlbauten des Arys-Sees bereits in den
Verhandlungen der Berl. anthropol. Ges. berichtet (Bd. 9. 8. 434 ff.) und dieselben
zwar der grossen slavolettischen Pfahlbautengruppe zugezählt, sie aber von den
eigentlich slavischen, denen zwischen Elbe und Weichsel, unterschieden. Herr
Virchow erwähnt bei dieser Gelegenheit auch bereits sehr grosse Gefässe mit
Löchern am Rande und die verhältnissmässig einfache Ornamentik, welche u. A.
in Nageleindrücken besteht, die in horizontalen und schrägen Linien, zuweilen
guirlandenförmig angeordnet sind. Hr. Prof. Heydeck hat dann später nochmals
in den Sitzungsberichten der Prussia (1882— 1883, S. 155) über neue Pfahlbau-
untersuchungen im Kock-See und Probken-See berichtet und die ostpreussischen
Pfahlbauten in Bezug auf ihre Construttion und Fundobjekte denen der Schweiz
und anderer Länder, abgesehen von einzelnen, durch Art und Klima bedingten
Specialitäten, gleichgestellt. Mit Bezug .darauf hat dann Hr. Virchow die Zeit-
stellung dieser Pfahlbautengruppe nochmals erörtert (Verh. 1884, S. 561) und sich
dahin ausgesprochen, dass auf Grund des fast günzlichen Mangels an Funden von
charakteristischen Steinwaffen, des dagegen constatirten Vorkommens von Eisen
und Glas, die preussischen Pfahlbauten wahrscheinlich der Eisenzeit angehören
dürften, dass sie sich von denen der Schweiz und anderer mehr südlicher Länder
wesentlich unterschieden, dagegen eine Art Verbindungsglied zwischen den Pfahl-
bauten Pommerns, der Mark und Posens einerseits und denen Livlands anderer-
seits bildeten. Eine weitere recht genaue und umfassende Erforschung sei sehr zu
wünschen.
Ich selbst kenne die Funde aus den ostpreussischen Pfahlbauten nur von der
prühistorisehen Ausstellung hierselbst (Katal. d. Ausstellung S. 432 und 433) und
von einem kurzen Besuche des Prussia-Museums in Königsberg, bin aber nicht in
der Lage, daraufhin jetzt noch aus dem Gedächtniss ein bestimmtes Urtheil über
dieselben abzugeben, glaube aber, dass es nicht ausgeschlossen ist, dass diese Pfahl-
bauten bis in die Steinzeit hinaufreichen, da diese Lochverzierungen auch noch in
anderen Ansiedelungen vorkommen, welche entweder der Steinzeit angehören oder
bis in dieselbe hinaufreichen. Die Reste einer solchen Ansiedelung sehen wir
z. B. in den Küchenabfällen auf der Insel Hesselô im Kattegat, südlich der Insel
Anholt. Die nordischen Forscher setzen diese Fundstätte in die Uebergangszeit
(7)
Von der älteren zur jüngeren Bronzezeit. Eine kurze Beschreibung von derselben
findet man bei Sträle, Grafkärl funna i Svensk jord, Stockholm 1878 S. 18 u. 19,
Wo unter Fig. 3a ein dreimal durchlochtes Randstück abgebildet ist. Zugleich ist
Unter Fig. 3d ein anderes Randstück von derselben Fundstelle abgebildet, welches
Mit Schnurornament verziert zu sein scheint.
. Eine andere, sehr wichtige Fundstelle ist der grosse Brucksberg bei Kônigsaue.
M der Gegend von Aschersleben, von Hrn. Pastor Becker, jetzt zu Lindau in
Anhalt, 1884 bereits ausführlicher beschrieben (Verh. 1884, S. 860 ff. und in der
Zeitschrift des Harzvereins Jahrg. 1888, S.7 und auf Taf. I, Fig. 14 abgebildet).
Die dort gefundenen Gegenstände hat Hr. Becker dem Königlichen Museum mit
Semer übrigen Sammlung als Geschenk verehrt; sie konnten von mir einer directen
Vergleichenden Prüfung unterzogen werden. Darnach. besteht kein Zweifel dar-
über, dass ein Theil derselben der neolithischen Zeit zugeschrieben werden muss.
Ich verweise ausser verschiedenen anderen, in der Sammlung enthaltenen
Stücken nur auf die a. a. O. S. 361 abgebildeten Fig. 2, 3 u. 5. Unter den zahlreichen,
Yon Hrn. Becker dem Museum geschenkten Scherben befinden sich. nun auch nicht
Wenige durchlochte. Einige haben in den gebrannten Thon gebohrie, konische
Löcher, andere dagegen weisen die charakteristische Form der Lochverzierung auf.
Unter denselben ist auch ein Stück vorhanden, von Hrn. Becker a. a. O. in Fig. 6
abgebildet, welches mit zwei Reihen von Löchern verziert ist. Es ist ein sehr wenig
Shrimmics Randstück, welches einem sehr weiten und flachen Gefässe entstammt.
uS Stück ist besonders beachtenswerth, weil es einigen Exemplaren entspricht,
8 Hr. Virchow Jahrg. 1877, Taf. XVIII, Fig. 3 und 5 abgebildet und Verhandl.
a, 403 besprochen hat. Letztere stammen von dem Rinnehügel oder Rinnekaln,
St Purtneckseo in Livland, einem Muschelhügel, welcher von Hrn. Virchow der
à, et zugeschrieben wird. Uebereinstimmend ist hier wesentlich die Anordnung
sind runden Gruben, welche bis zu einer solchen Tiefe in die Wand eingedrückt
8 a) ass sie von Hrn. Virchow als ,Lochornament* bezeichnet werden (a. a. O.
Or 03 und 406) und demnach die grösste Aehnlichkeit mit dem ostpreussischen
en zeigen. Neben diesen unvollkommenen Durchbohrungen kommen auch
liche Lócher vor (a. a. O. Taf. XVIII, Fig. 4).
eine Die Fundstelle auf dem grossen Brucksberge bei Konigsaue hat ihre Lage auf
ab N Hügel in dem Bette des ehemaligen Sees, welcher im vorigen Jahrhundert
nod assen wurde. Es wäre nicht unmöglich, dass am Rande des Hügels sich auch
Pfahlbautenreste befinden.
keit Dies Thongeräth von dem grossen Brucksberge hat auch sonst noch Aehnlich-
lis jenem von Waltersdorf insofern, als sehr starke Henkel und eigenthüm-
fj, ach oben gerichtete, zungenformige Henkelansitze, welche an die horn-
unten Henkel erinnern, daselbst häufig vorkommen. Auch ist eın Randstück dar-
Gest, ches mit einem meisselfórmigen Stábchen eingedrückie Verzierungen, in
von D; eines quergestrichelten horizontalen Bandes, aufweist, ähnlich wie auf dem
Kon; ischler (Beiträge zur Kenntniss der Steinzeit, Schriften der phys.-ócon. Ges.
sind 8sber 1882. S. 20) abgebildeten Stück. Bei dem Scherben von Fresdorf (Fig. 1)
Solche Bänder ebenfalls, aber nur in ihren Endigungen erhalten.
Pha" Loch- und Grubenverzierungen kommen dann noch an Gefässen der Schweizer
der to vor. Keller bildet ein solches ab (L Bericht, Taf. III, Fig. 3). Auf
Lichen, nung erscheinen die Gruben so stark vertieft, dass sie das Aussehen von
eine n haben. Das Gefäss ist henkellos, hat eine sehr weite Mündung und nur
Meil geringe Auskehlung. Es ist in dem der Steinzeit angehörigen Pfahlbau von
en gefunden worden. wo auch ein Schnurornament-Gefäss gehoben wurde
2
( -
(Keller a. a. O. Taf. III, Fig. 1). Das Königliche Museum besitzt ausserdem von
der Station Robenhausen ein Stück mit flachem, rundem Grubenornament (Kat. I.
2378), ebenso von der Station Wangen am Bodensee, mit etwas grösseren und
tieferen, gleichfalls runden Gruben (Kat. I. 2267). Diese beiden Stationen gehören
gleichfalls der Steinzeit an, und in der von Robenhausen ist auch das Schnur-
ornament vertreten. Ferner befindet sich im Kgl. Museum ein Scherben von einem
grossen dickwandigen Gefäss aus grober Masse, ähnlich wie die beiden vorher-
gehenden mit der Fundortsangabe Bodensee, mit ächtem Lochornament (Katal. Nr. I.
2210), sowie ein ühnlicher, gleichfalls bezeichnet: Bodensee, mit eingestochenem
Grubenornament (Katal. I. 2271).
Sodann zeigen auch einige Scherben von Tordos das Grubenornament, be-
stehend in kleinen, ziemlich dicht an einander gereihten, runden flachen Gruben
sehr nahe dem Rande (Katal. I. 4805). Wenngleich hier der Verzierungsweise
noch dasselbe Motiv zu Grunde liegt, so ist doch die Anwendung desselben etwas
verschieden, Wie mir Hr. Olshausen freundlichst mitgetheilt hat, sind auch in
Italien, in der Provinz Bologna bei Castel dei Britti auf einer alten Wohnstätte,
wo auch Feuersteinartefakte gefunden wurden, Reste von groben Thongefässen
gesammelt worden, welche nicht auf der Scheibe gedreht, aber längs des Randes
mit eingepressten Grübchen verziert waren.
Schliesslich muss ich noch einige Thongeräthe erwähnen, über welche ebenfalls
bereits in dieser Gesellschaft von unserem Hrn. Vorsitzenden berichtet ist, nehmlich
durchlochte Thonstücke vom Hanai Tepeh in der Troas. Dieselben wurden von
Hrn. Frank Calvert ausgegraben und als Kochöfen gedeutet (Verh. 1884, S. 306,
Fig. 1—6). Es sind sehr dickwandige Thonstücke mit verbreiterter Basis, welche
sich zu einem an einer Stelle offenen Ringe zusammensetzen lassen. Die Dar-
stellung des Hrn. Frank Calvert scheint zweifellos richtig zu sein. Indess befindet
sich in der Schliemann-Sammlung ein grösserer Scherben, welcher zwar sehr stark-
wandig ist, aber möglicherweise doch wohl von einem Gefäss herstammen kann,
da er nicht nach der Basis zu sich verdickt und es ist um so mehr zu vermuthen,
dass in dem Hanai Tepeh auch Gefässe mit Lochverzierung vertreten sein mögen,
als dort auch hornförmige, durchbohrte Henkel gefunden sind. Schliemann (Ilios,
S. (81 Nr. 1546 und 1547) bildet einen solchen ab, wahrscheinlich dasselbe Exem-
plar, welehes in seiner Sammlung aufgestellt ist (Katal. Nr. 5154). Auf den Abbil-
dungen sind die höckerigen Unebenheiten etwas zu kräftig dargestellt, die Ober-
fläche ist glatter, nicht eigentlich höckerig, sondern nur wellenfórmig geschwungen.
Es würde hier also, selbst wenn das in der hiesigen Sammlung befindliche durch-
lochte Randstück nicht von einem Gefáss, sondern von einem solchen Kochofen
herstammen sollte, wegen der hornfórmigen Henkel eine immerhin sehr beachtens-
werthe Aehnlichkeit mit den Funden von Waltersdorf vorliegen.
Durch die Fundstücke vom Hanai Tepeh, welche Frank Calvert als Koch-
öfen deutet, könnte meine Annahme, dass die Durchlochung der Gefässränder
nicht zu praktischen, sondern nur zu ornamentalen Zwecken gedient haben sollte,
eiwas gewagt erscheinen, um so mehr, als auch Hr. Becker (Verh. 1884, S. 361 ff.)
berichtet, dass die Marktfrauen in Aschersleben sich jetzt noch thónerner Kohlen-
becken bedienen, auf welche ein aus Blech angefertigter durchlôcherter Rand auf-
gesetzt wird, und annimmt, dass die Thongefüsse mit durchlochten Ründern eben-
falls als Feuerbecken gedient haben. Ich glaube aber, dass es nicht möglich
war, in einem tiefen Thongefäss mittelst dieser Löcher ein Kohlenfeuer zu unter-
halten, da dieselben zu klein und zu nahe dem Rande angebracht sind, nament-
lich scheint mir ein solches Gefiss, wie jenes mit zwei Lochreihen, von wel-
16)
(77)
Chem Becker (Verh. 1884, S. 361, Fig. 6) eine Abbildung giebi, wegen seiner
grossen Flachheit nicht recht geeignet zu einem Kohlenbecken zu sein, vielmehr
Nach einem im Kgl. Museum befindlichen, ganz erhaltenen Exemplare von Stass-
fur mit zwei Doppelreihen von Lóchern, die eine nahe dem Rande, die andere
Nahe dem Boden (Katal. Nr. I. 3955), eine Art Stürze oder Sturzdeckel.
Ich glaube nun, dass die Sache so zu erklären ist, dass das Lochornament ent-
Weder auf einer durch technische Gründe bedingten Form der Gefässwandung beruht,
dass aber später durch eine neue Erfindung die Verwendung derartig geformter
Gefässe überflüssig und die Durchlochung der Gefässwandung aus alter Gewohn-
heit noch als Ornament beibehalten, oder dass dasselbe von einem anderen
Geräth, z. B. den Kochöfen vom Hanai Tepeh, auf die Gefässe übertragen wurde.
Allmählich ging die ursprüngliche Bedeutung der Durchbohrung ganz verloren und
*$ erhielt sich nur noch in dem Grubenornament eine sehr verblasste Erinnerung
an dieselbe. Letzteres ist aber nicht zu verwechseln mit dem sehr ähnlichen
Tupfenornament der Metallzeit, welches dadurch entstanden ist, dass man auf die
Gefüsswand zunüchst eine erhabene schmale Leiste auflegte, welche man dann
Ql den Fingerspitzen fest andrückte. Allerdings finden sich diese stark erhabenen
od viel wirkungsvolleren Tupfenornamente gleichfalls meist am Gefüsshalse, nicht
i unterhalb des Randes und gewóhnlich aucb an grossen dickwandigen, einfach
hap gen Tópfen, man kann aber nicht ohne Weiteres annehmen, dass das er-
ene Tupfenornament die directe Fortsetzung des Grubenornaments sel.
En Unsere vergleichenden Betrachtungen über das Lochornament hatten uns über
lia, e hinaus bis nach Klein-Asien in die trojanische Ebene geführt. Augenblick-
ks fehlt es allerdings noch sehr an Vergleichsmaterial, um genau übersehen zu
dis ets wie weit die slavolettischen Pfahlbauten mit Funden an der Küste der
ga, en Kattegatinsel Hesseló, mit den Funden in der Provinz Sachsen, in den
de, zer Pfahlbauten und in Siebenbürgen im Zusammenhange stehen, ob wir in
Ax, P ehverzierten Stücken Funde vor uns haben, welche ihre Aehnlichkeit der
Vor Teitung eines einzelnen. Volkes oder nur der Verbreitung einer technischen
Von, ung oder eines Ornamentes auf dem Wege der Uebertragung von Volk zu
der an danken. Zur Zeit können wir nur constatiren, dass das Lochornament
Schw einzeit angehört, in Ostpreussen, vielleicht auch in Dänemark und in den
kong eT Pfahlbauten in náüchster Beziehung zu dem Schnurornament steht und
robs allenfalls die Vermuthung aussprechen, dass es, mut Rücksicht auf die
— Masse, die Rohheit der Form und der Ausführung der betreffenden Gefüss-
Schn? namentlich in den slavolettischen Pfahlbauten, vielleicht älter als das
von Wo Ramen ist. Wir dürfen sodann annehmen, dass zwischen den Funden
der 1p altersdorf und jenen aus der, Hanai Tepeh genannten Ansiedelungsstätte in
Prog, ebenfalls ein Zusammenhang besteht, der durch Zwischenfunde in der
Henkel Sachsen, durch ein Gefässfragment mit hornförmigem, undurchbohrtem
bohrte von Stückners Berg bei Merseburg, in Mähren durch einen senkrecht durch-
Pungggey Henkel dieser Art an der von Wankel als Opferstätte angesprochenen
Biber." (Mitth. der anthrop. Ges. in Wien 1873, Heft 4, Taf. IIT, Fig, 11), in
Verkep, Sen durch die zahlreichen Funde von Tordos vermittelt wird. Auf einen
Bronze. 1n alter Zeit zwischen Ungarn und der Troas weisen schon gewisse, der
ingen 7 wahrscheinlich angehórige Goldfunde, welche Herr Olshaus en vor
henkelte eit erwähnt hat. Aber noch ältere Parallelen zeigen sich in den ge-
Tolna (W Stürzdeckeln von Hissarlik und von Lengyel in Siid-Ungarn, Comitat
die in à osinszky, Das prähistorische Schanzwerk von Lengyel, Budapest 1889/90),
lem bei Kirchheim a. Eck nahe bei Dürkheim a. H. in der Rheinpfalz ge-
a }
fundenen und in der Vereinssammlung zu Dürkheim a. H. aufbewahrten Exem-
plare bisher ihre westlichste Vertretung erreicht haben.
Sonderbarerweise befindet sich auch unter den zur Schliemann-Sammlung ge-
hürigen ügyptischen Gefüssen aus Kurnah ein kugliges Exemplar von gelblicher Farbe
mit reicher rother Bemalung (Kat. Nr. 9151), welches sehr gut erhalten, ausserordent-
lich regelmässig, aber mit der Hand geformt, und mit 4 horizontal durchbohrten
Henkeln versehen ist. Letztere haben in ihrer Form grosse Aehnlichkeit mit denen
von Tordos, sind aber kleiner und zierlicher. Man ersieht an diesem Gefáss, wie
die oben beschriebenen hornfórmigen Henkel, welche zum Theil mehr an Nasen, als
an Hörner erinnern, am Gefüsskórper angebracht waren, dass dieselben mit der
Spitze nach oben (also hornartig) und nicht nach unten (nasenarüg) gerichtet waren.
Weitere Schlüsse wird man wohl aus diesem vereinzelten Funde, über dessen nühere
Umstände, namentlich Zeitstellung, nichts bekannt ist, nicht herleiten dürfen.
Vielleicht finden sich später noch einmal Anhaltspunkte, welche es mit grüsserer
Sicherheit darthun, dass es zu Anfang der neolithischen Periode eine Zeit gab, in
welcher ein grosser Theil Ost- und Mittel-Europas bis nach Klein-Asien hinein
von einer spärlich gesüeten, gleichartigen Bevólkerung bewohnt war, die vorzugs-
weise an Fluss- und Seegestaden hauste. Einstweilen kónnen wir nur unser Augen-
merk auf diesen Punkt gerichtet halten. Ich glaube, dass es bei der Beurtheilung
der Steinzeitfunde von besonderer Wichtigkeit ist, zunüchst noch mehr leitende Ge-
sichtspunkte herauszufinden. Das Hauptmaterial liefert die Keramik. Bisher hat man
in derselben aber mehr Gewicht gelegt auf die Unterschiede in der Technik der
Ornamentirung (Schnurornament, Strichornament, Schnittornament u. s. w.), sowie auf
die einzelnen Elemente der Verzierung, als auf die Gruppirung derselben zu Mustern.
Man wird deshalb die einzelnen Verzierungsweisen mehr nach ihren besonderen
Motiven, Schachbrettmuster, Zickzackbänder, Spiralbänder, Zweig- und Grühtenorna-
mente, Horizontalbänder, senkrechte Streifen und Rechteckfelder u. s. w. unter-
scheiden und gruppiren müssen, um zu sehen, welche Motive hauptsächlich in dieser
oder jener Technik ausgeführt sind und. welche Verzierungsweisen Uebergangs- oder
Mischformen sind. Noch wichtiger aber, als die Unterscheidung der Verzierungs-
weise, erscheint mir die Beachtung der Formen der Thongeräthe, namentlich der
Form des Gefässbodens, der Zahl und Form der Henkel und der Bildung des
Halses. und der Mündung. Als Beispiel führe ich hier das Schnurornament an.
Dasselbe ist verbreitet von Perm durch Norddeutschland, Dänemark, Holland und
Frankreich bis nach England, südlich bis in die Schweiz, Böhmen und Nord-
ungarn (Verh. 1877, S. 307 ff.). Es ist vorläufig nicht zu geweisen, dass dieses weite
Gebiet in neolithischer Zeit von einem einzigen zusammengehörigen Volksstamm
bewohnt war, vielmehr werden wir zunächst annehmen müssen, dass in diesen Län-
dern ein gleichmässiger Culturzustand, welcher sich von einem Gebiet auf das andere
fortgepflanzt hatte, zu dieser Zeit herrschte, dass die Bewohner dieser Gebiete das-
selbe Material und dieselbe Technik besassen, um Schnüre anzufertigen, mit welchen
man dergleichen Ornamente auf dem weichen Thon herstellen konnte. Ein Blick auf
die grosse Verschiedenartigkeit der Formen des Thongeräthes beweist nach meiner
Meinung zur Genüge, dass auch die Menschen dieser Zeit schon verschiedenen
Stämmen angehörten. Man vergleiche z.B. die plumpen topfförmigen Urnen Englands,
mit dem weiten umgekrempten Rande (W.Greenwell, British Barrows Oxford 1877,
p. 67 Fig. 54; p. 87 Fig. 72 u.a. m.; Kemble, Horae ferales, London 1863, Pl. XXIX
Fig. 4 u. 5) mit den ausserordentlich gefälligen, flaschen- uad amphorenfórmige"
Thongefässen Thüringens und Sachsens, wie sie Klopfleisch z. B. in seinem, diese
Fragen sehr eingehend behandelnden Werke (Vorgeschichtliche Alterthümer der
TO
io,
Cm
Lov Sachsen u.s. w., Halle) abbildet und welche sonst auch hinreichend be-
annt sind.
eh Wenn nun die einseitige Betrachtung der Verzierungsweise nicht ausreicht zu
nologischen Bestimmungen, so ist doch auch die Form der Gefüsse nicht immer
a ssgebend, da gewisse Formengebungen durch den Gebrauch bedingt, andere
aud, so einfach sind, dass sie überall erfunden werden können. Indess giebt es
ie hier ein Beispiel, welches durch seine ausserordentlich weite Verbreitung
et » dass in dieser Beziehung Uebertragungen von Volk zu Volk stattfanden.
Un meine die geschweiften Becher, welche sich in Sicilien, Branowitz in Mähren,
Dép Mitteldeutschland, Westfrankreich, England und Norddeutschland bis nach
Shop TK hinauf finden. Wir werden daher, ausser den sehr selten erhaltenen
name esten, auch noch andere Begleiterscheinungen zu Rathe ziehen müssen,
(Vs sich die Verbreitung der Formen der Steingerüthe. Ich habe früher bereits
Pr. . 1877, S. 309 und Voss und Stimming, Vorgeschichtliche Alterthümer der
Wiss, Brandenburg, Brandenburg a. H. 1887, Einleitung) auf die Verbreitung 'ge-
enif, Formen hingewiesen und die Meinung ausgesprochen, dass auch in jenen
hen n Zeiten schon ausgedehnte Handelsbeziehungen existir hätten. Um dies
deten zu begründen, werden genaue mineralogische Bestimmungen des verwen-
Gesteins angestellt werden müssen, um zu ermitteln, woher dasselbe stammt.
reich endlich wird in der nächsten Zeit das Forschungsmaterial wesentlich be-
incl Werden und werden vor Allem auch Skeletfunde in grósserer Zahl zu
Südq 0gischen Bestimmungen verwerthet werden kônnen. Besonders in Mittel- und
hebe €utschland, sowie in Oesterreich-Ungarn ist ‚sicherlich noch mancher Fund zu
sache wenn dieser Sache nur die richtige Würdigung zu Theil wird und sich mehr
Lange. dige Personen finden, welche die Mühe nicht scheuen, von den in diesen
Ani a Dieten an vielen Flussläufen so zahlreich vorkommenden Resten uralter
Wird elungen die allerdings sehr unscheinbaren Thonscherben zu sammeln. Man
Schlies Chen den Scherben hin und wieder auch interessante Geräthe finden und
mit ch, wenn man erst den Ueberblick iiber ein grosseres Material hat, auch
rfolg Schliisse aus letzterem ziehen können.
(19) Hr. Voss legt vor einen zierlich geflochtenen
Haarzopf aus einem romischen Bleisarkophag.
get" Sarkophag wurde bei dem Bau des neuen Centralbahnhofes in Côln a. Rh.
Kal. M und von der Konigl. Eisenbahn-Direction zu Cóln (Linksrheinisch) dem
hien, um für Volkerkunde zu Berlin überwiesen, wofür der verbindlichste Dank
Verziert Ausgesprochen wird. Er ist 1,25 m lang, 0,35 » breit, 0,40 m hoch und nicht
Schein) gp, demselben fanden sich ausser den Resten der Bestatteten, wahr-
deg Has eines noch sehr jungen Mädchens, zwei zierliche Glasbecher. Die Farbe
Wohl an ist ein ziemlich helles Blond mit einem Stich ins Bräunliche. Es ist
Masse "zunehmen, dass es ursprünglich braun war und durch die umgebende
gebleicht ist.
(20) Hr. Voss zeigt einen
b Bronzefund von Tangendorf, West-Priegnitz.
ingen wey besteht aus 8 sehr kräftig quergerippten, schön patinirten Arm-
Brossen gi. zwei Bruchstücken von solchen, und lag etwa 1 tief unter einem
einblock. Die Ringe haben grosse Aehnlichkeit mit dem bei v. Tróltsch,
v
(80)
Fundstatistik (Stuttgart 1884) S. 16, Fig. 34 abgebildeten Exemplar, sind jedoch
bedeutend kräftiger geformt.
(21) Hr. Voss legt einige
Bronzenachgüsse aus den Müncheberger Gussformen,
sowie den Abguss eines Hohlceltes vor. Die Stücke gehüren dem Gewerbe-Museu
zu Magdeburg, welchem sie geschenkt sind; sie sollen angeblich aus Holstem
stammen. Sámmtliche Stücke stimmen jedoch in Form, Technik und Material mi
den von Hrn. Krause im Jahre 1887 hier vorgelegten aus dem Museum zu Marien”
werder auf das Genaueste überein und sind wohl mit Sicherheit, ebenso wie jen®
und die Runenspeerspitze des Hrn. Blell (Verhandl. 1887, 8. 179; 1890, S. 85), als
Fabrikate des verstorbenen Literaten Rubehn zu Wrietzen zu betrachten.
(22) Hr. Voss bespricht das neu erschienene Werk des bekannten schottische?
Alterthumsforschers Robert Munro, The Lake Dwellings of Europe, bei Cassel
u. Co. in London, Paris und Melbourne 1890. Dasselbe giebt eine Uebersicht über
alle bisher bekannten Pfahlbauten und ähnliche Ansiedelungen in Sümpfen und
Mooren, Terremaren, Terpen, Warthen, Orannogs u.s. w. in ganz Europa, welche
in gedrüngter Kürze alles Wissenswerthe über sümmtiliche Fundplätze in präciseste!
Weise enthält. Zahlreiche Illustrationen dienen zur Erläuterung. Hr. Munro hat
die wichtigsten hier in Betracht kommenden Sammlungen selbst besucht, das
Material an Ort und Stelle studirt und auf diese Weise ein Werk geschaffen, wel-
ches sich durch Zuverlässigkeit und Uebersichtlichkeit auszeichnet und gewisser”
maassen als ein Handbuch der Pfahlbautenkunde dem Anfänger als ein sichere!
Führer und dem Forscher als ein unentbehrliches Nachschlagebuch angelegentlichs
zu empfehlen ist.
(23) Eingegangene Schriften.
I. Wittmack, L., Führer durch die vegetabilische Abtheilung des Museums der
Kgl. landwirthschaftl. Hochschule in Berlin. Berlin 1886. Gesch. d. Verf
2. von Mueller, F., Inaugural address. (Extr. Trans. Australas. Ass. Advance"
ment of Sc.) Melbourne 1890. |
3. Derselbe, Brief report on the Papuan Highland Plants, gathered during Si
William Macgregor’s expedition in May and June 1889.
Nr. 2 und 3 Gesch. d. Verf,
4. Borsari, F., Le zone colonizzabili dell’ Eritrea e delle finitime regioni eti"
piche. No. 1. Napoli 1890. Gesch. d. Verf.
9. Wilson, Th. A study of prehistoric anthropology. (Smiths. Inst. Rep. Nat
Mus. 1887—88.) Washington 1890.
6. Derselbe, Results of an inquiry as to the existence of man in North America
during the paleolithic period of the stone age. (Smiths. Inst. Rep. Nat-
Mus. 1887—88.) Washington 1890.
7. Lucas, F. A, The expedition to the Funk Island, with observations upon the
history and anatomy of the Great Auk. (Smiths. Inst. Rep. Nat. Mus:
1887—88.) Washington 1890.
Nr. 5—'7 Gesch. d. Smithsonian Institution.
Sitzung vom 17. Januar 1891
Vorsitzender Hr. Virchow.
den 0 Die Wahl der Mitglieder des Ausschusses fiir 1891 erfolgt gemass
Herr orschriften des 8 30 der Statuten. Es erhalten die meisten Stimmen die
W Le W. Schwartz, Bastian, Friedel, G. Fritsch, Grünwedel, Deegen,
'Joest, Wetzstein und Steinthal.
Si Gestorben ist das ordentliche Mitglied, Dr. Lilienfeld, ein lange Zeit in
Sagan thütig gewesener praktischer Arzt, dem die Gesellschaft einen Buschmann-
el verdankt.
Als neue Mitglieder werden angemeldet:
Hr. Gustav Pauli, Berlin.
„Dr. ©. Schoetensack, Heidelberg.
, Sanititsrath Dr. Lissa, Berlin.
(3) Die Gedichtnissfeier fir Schliemann ist auf den 1. Mürz angesetzt.
Viper Dörpfeld hat mitgetheilt, dass die Krünze der Gesellschaft und des Hrn.
how auf den Sarg des Verblichenen niedergelegt sind.
(4) Hr. Virchow zeigt einen
verzierten Nephrit-Ring von Erbil, Mesopotamien.
eine . der Sitzung vom 16. Juli 1887 (Verh. S. 457) legte ich der Gesellschaft
komm ëlhe assyrischer Fundstücke vor, welche ich dem freundlichen Entgegen-
Unter ve des früheren türkischen Militärarztes, Hrn. Otto Blas, verdankte. Dar-
hafteq London sich ein Paar Nephritbeilchen und ein, seinem Alter nach zweifel-
So mulet aus Nephrit, gefunden bei Erbil (dem alten Arbela). |
AShnlich a urn diese Stücke, von denen unsere Sammlungen bis jetzt nichts
ein ney es besitzen, auch waren, so werden sie doch bei Weitem übertroffen durch
burg i n Geschenk des Hrn. Blas, das mir mit einem Briefe desselben aus Sirass-
der glei ls. vom 15. d. M. so eben zugegangen ist. Es ist ein Ring aus Nephrit,
Rabe halls aus der Umgegend von Erbil bei Mossul herstammt. Nach der An-
kauft dir gütigen Gebers hat er ihn im Jahre 1884 zu Erbil von einer Frau ge-
alter 7 16 erzählte, derselbe stamme von einem benachbarten Landgute und sei seit
Wesen et als Schmuckgegenstand und Kinderspielzeug im Besitze ihrer Familie ge-
des Hm Ueber Zeit und Ort des ersten Erwerbes wusste sie nichts. Nach Ansicht
Das Blas habe der Ring vielleicht zum Spannen der Bogensehne gedient.
dunke] ‚Schöne Stück besteht aus ziemlich klarem, durchscheinendem, im Grossen
fiche nem, im durchfallenden Licht hellgrünem Nephrit, dessen breite Aussen-
Otago Weg mit einem einfachen, ziemlich gross ausgeführten erhabenen Blatt-
lichter Ww verziert ist. Der Ring hat eine obere, genau runde Oeffnung von 23 mm
Wölht, in die Die Seitentheile sind 15 mm hoch, innen und aussen schwach ge-
Mit einer M Mitte 5 mm dick, am oberen und unteren Rande stark verjiingt und
Verhana ortlaufenden Leiste versehen. Hinten beträgt die Höhe 18 mm, indem
« der Berl. Anthropol. Gesellschaft 1891. /
i
(82)
die Mitte des unteren Randes in eine stumpfe Spitze ausgezogen ist. Nach vor?
schiebt sich eine 30 mm lange, abschiissige Fläche vor, welcher innen eine ähn-
liche, flachgewölbte Fläche entspricht. Der dadurch gebildete, dachförmige Vo!”
sprung hat in seiner Mitte eine Dicke von 14 mm. Die untere Oeffnung bildet €
Figur 2.
Figur 1.
AN
Figur 8.
grosses Oval von 45 auf 30 mm lichter Weite. So entsteht ein Ring, gerade gros
genug, dass ich ihn auf meinen (etwas schlanken) Daumen stecken kann, wo de
gedachte Vorsprung eine Art von Schutzdach über das Metacarpo-Phalangeal-Gelenk
bildet. (Fig. 1 Seitenansicht, Fig. 2 Oberansicht, Fig. 3 aufgerolltes Ornament, links
die hintere Figur, rechts der Mitteltheil mit den beiden Seitenzweigen. Alle
3 Figuren auf 3/, reducirt.) Auf der linken Seite geht ein nahezu senkrechte”
Sprung von oben nach unten durch den Ring, ungeführ da, wo der dünnere Seite?
theil sich dem dickeren Vordach anschliesst.
Da das Stück ersichtlich nicht einen einfachen Fingerring darstellt, so würde
allenfalls die Frage aufgeworfen werden können, ob es sich nicht um einen jener
Zehenringe handelt, wie sie noch jetzt in den mannichfaltigsten Formen in Indie”
gebräuchlich sind. Indess hat die Deutung des Hrn. Blas gewiss viel für sich
zumal da eine üppige Phantasie sich leicht dazu einen königlichen Bogenschütze?
aus der Schlacht von Arbela hinzudenken kann. —
Hr. Bartels hält es für zweifellos, dass der Ring den Zweck gehabt hab
die Hand vor der Verleizung zu schützen, welche beim Spannen des Bogens dut?
den Rückschlag der Sehne leicht entstehen kann. —
Die Herren Ehrenreich und G. Fritsch üussern sich in ühnlichem Sinne. 7
Hr. Herm. Weiss beruft sich wegen des Gebrauches derartiger Ringe ou!
frühere Angaben. „So aus G. Klemm, Werkzeuge und Waffen. Leipzig 180%
S. 313 (mit Abbildung): „Perser, Turkomanen und Chinesen bewehren den Daum?
der rechten Hand mit einem Ringe aus Hirschhorn, Elfenbein, Knochen, Jade oder
Carneol, der die Innenseite des Fingers schirmt und auf welchem die Sehne am
so besser abgleiten kann. Dieser Ring gehört zu jedem vollständigen Schiesszete
Die Vorderseite ist abgerundet und einen halben Zoll breit.“ Gleichfalls die ^i
bildung eines solchen Ringes und den Hinweis, dass er ein Rüstzeug morgenld”
scher Bogenschüizen bildet, enthüli: J. A. Hansard, The book of archery ME
the complete history and practice of the art, ancient and modern. London 18
(Taf. VIII, 9).
t£
(*^)
Ch (5) Hr. Grünwedel überreicht einen Brief des Hrn. H. H. Risley, Pres.
e Nágpore, Bengal Civil Service, aus Calcutta, 21. December 1890, worin der-
v e, im Anschlusse an seine Mittheilung in der Sitzung vom 15. März 1890
aia S. 254), ein von ihm an den Secretär des Finanz-Departements der Regie-
bes von Bengalen unter dem 12. November gerichtetes Schreiben zur Kenntniss
Ingt, betreffend die
Förderung der ethnologischen Untersuchungen in Indien.
" 1. With reference to the Resolution of the Government of Bengal, dated the
res May, 1885, sanctioning certain arrangements for the prosecution of ethnographic
they oes in the territories subject to the Lieutenant Governor of Bengal, I have
ihe honour to submit for the consideration of His Honour the Lieutenant Governor
ang outlines of a scheme for continuing similar researches in the Lower Provinces,
"nd for extending them to other parts of India.
of 2. It will be remembered that in 1885, and the two following years, a series
b questions, based for the most part upon the heads of inquiry drawn up in 1874
Ma Committee of the Anthropological Institute of Great Britain and Ireland, and
md so as to adapt to Indian conditions the methods of research sanctioned by
anl Don men of science, were circulated with ihe authority of the Government,
visi that answers were collected by a voluntary agency working under my super-
re in every district of Bengal. Of the data procured by this method of inquiry
Rey have been published in the Contemporary and the Asiatic Quarterly
Eth ews, the Journal of the Anthropological Institute, and the Zeitschrift fiir
An O81; and in the form of Papers read before the British Association, the
Soc; ropological Institute of Great Britain and Irelaud, and the Anthropological
hal of Berlin. A proof copy of two out of the four volumes in which the results
Boa n compiled for the Government of Bengal has also been laid before the
both of Biology and the Board of Oriental Studies in the University of Cambridge,
pi which bodies take considerable interest in the study of Indian ethnography.
and A Although the inquiry exiended only to the Lower Provinces of Bengal,
Poses e record of the results, however complete for ordinary administrative pur-
enon o: be regarded as incomplete from the scientific point of view, still
for ol has been done to demonstrate the remarkable facilities which India offers
for ie lecting ethnographic data on a large scale, and, what is even more important,
India Sling these data by repetition and comparison. The reason for this 18 clear. In
the highly organised administrative body of the most modern type carries on
and ork of Government in constant and close contact with people whose beliefs
mà op servances present examples of all stages and varieties of primitive culture,
With ihe nevertheless, show no signs either of dying out themselves or of parting
Peculi, or most characteristic usages and superstitions. This state of things offers
Primi. favourable opportunities for the formation of a trustworthy record of
ve custom and tradition.
Custos, is unnecessary for me to lay stress upon the high value which the
Titus] ry law, ihe social observances, the folk lore and traditions, the superstitions,
history ME religion of the people of India possess for all students of the early
in Ben a institutions. The field is comparatively untried, but the results obtained
data x scem to show that it is one of remarkable richness and variety. The
early Va collected, imperfect as they are, throw considerable light upon the
Kogan story of marriage and the family, the various forms of the custom of
y, the comparative prevalence and distribution of male and female kinship,
oó
n
f
the phenomena of totemism, and the development of different stages of religious
belief. It is believed that they will also tend to facilitate and cheapen the opera-
tions of the Indian census and to enhance its accuracy, that they embody valuable
information concerning infant marriage and the prohibition of widow marriage, and
that by extending our knowledge of the customs and habits of the people, they
will indirectly raise the general standard of administration in India.
9. This being so, it seems, to me desirable to continue in Bengal and to
initiate in other Provinces of the Indian Empire, the methods of investigation which
have yielded such valuable results. I believe that this may be done without
incurring large expenditure and without putting an undue strain on the regular
administrative staff,
6. The Bengal inquiries have shown that in all grades of the administration
officers, both European and Native, are to be found, who take a genuine interest
in the investigation of social phenomena, and who would be prepared to assist
actively in collecting ethnographic data in addition to their regular official duties-
All that is needed is that the work should be set on foot under the general coun-
tenance and authority of the Government, that it should be organized on a regular
system, that the current expenses of postage and stationery should be met, that
some clerical assistance should be given, and that the results should be published
from time to time in a form somewhat resembling that already adopted in Bengal-
7. The following are the main features of the scheme which seems to me
best calculated to carry out the objects in view:
a) That unpaid Provincial Directors of Ethnographic inquiries should be
appointed by the Government in each of the large Provinces of India. Ti is believed
that several of the higher officials will be ready to untertake this work in addition
to their ordinary duties.
b) That each Provincial Director should be provided by the Goverment with
a clerk to carry on correspondence, and should be given an allowance for postage
stationery, etc.
€) That a series of Ethnographic questions should be drawn up, printed, and
circulated by the authority of Government. I think it probable that the set of
questions framed by Mr. J. G. Fraz er, of Trinity College, Cambridge, would answer
this purpose if modified to suit Indian conditions, and amplified with reference io
ihe questions used in Bengal. Mr. Frazer has been good: enough to offer to assis!
in carrying out the necessary alterations.
d) That the Provincial Directors, working through the District Officers, and
the heads of departments, and in such other ways as they may find suitable,
should enlist a number of correspondents in each Province, should supply the"
with copies of the. questions and such further instructions as may be necessary
and should arrange with them the subjects to be taken up for inquiry, much
in the same way as was done in Bengal.
= €) That the Provincial Director, or correspondents selected by him, should
from time to time draw "p monographs on the Ethnography of different castes;
tribes, or social groups, or on different branches of custom and folk lore.
f) That these monographs should be printed by the Government in such form
as may be found convenient, and distributed to learned Societies in Europe and
elsewhere in the same manner as the publications of the United States Bureau of
Ethnology are now circulated.
8. 1 submit that this plan offers a reasonable prospect of collecting at com
paratively small cost a mass of information of great scientific value. which would
(84)
(85)
M he same time be of use to the Government of India in dealing with the large
th SS of administrative and legislative questions which directly or indirectly affect
Ro Social and religious life of the people. I would ask with reference to the
“Solution already cited, and connected correspondence, that the Lieutenant Governor
May be moved to take the subject into consideration, and to submit this letter with
* favourable recommendation to the Government of India, —
d ' Der Vorsitzende spricht Namens der Gesellschaft die herzliche Sympathie
i. Selben für das wichtige Unternehmen aus. Er erinnert an dasjenige, was er
tay Site vom 15. März vorigen Jahres (S. 256) gesagt hat, und fügt hinzu,
word le Gesellschaft und die einzelnen Mitglieder derselben gern bereit sein
un en, nach Kräften die Förderung des grossen Werkes zu unterstützen. Sollte
Sere Mitwirkung bei Aufstellung des Schemas für die Untersuchung gewünscht
verde, so werden wir um so lieber darauf eingehen, als es in hohem Maasse er-
ann sein würde, wenn eine gewisse Uebereinstimmung in Bezug auf die zu
Kong, tenden Fragen Seitens der verschiedenen Nationen herbeigeführt werden
eine 5 Jedenfalls erscheine es aber passend, die Anträge des Hrn. Risley durch
Ormliche Erklärung bei der indischen Regierung zu befürworten.
Die Gesellschaft ertheilt dazu ihre Zustimmung.
— Hr. Felix Milleker in Werschetz, Ungarn, übersendet mittelst Schreibens
. October v. J. eine Abhandlung, betreffend eine
Ansiedelung der Steinzeit im Gebiete der Stadt Werschetz.
den ‘rocks wirksamer Ableitung der Markovaczer und Kudritzer Wässer durch
eue oder » Werschetzer Ried“, wurde 1888 im Werschetzer Territorium,
Berge von der Stadt, durch die » 'emes-Bega-Regulirungs-Gesellschaft^ ein Kanal
Nang o der, weil er die Flur »Ludosch® durchzieht, auch Ludosch-Kanal ge-
Rei, Bei dieser Gelegenheit wurden besonders in dem von der Temesvárer
Zeuge lasse gegen Südwest ziehenden Segmente des Kanals viele interessante
der K, längst vergangener Zeiten zu Tage gefördert. Hier durchschneidet nehmlich
ting, nn eine Gegend, die etwas höher liegt, als der Kleine Ried, und bis zu
Rie dec. Vissen Grade auch als Wasserscheide zwischen diesem und dem ,Grossen
Vérer So Gesehen werden kann. Schon beiläufig 250 m nördlich von der Temes-
Und a. Tasse kamen einzelne Funde vor, die sich in der, zwischen dieser Strasse
Gegend eh davon gegen Nordwest führenden Fahrstrasse sich ausbreitenden
uiten.
hum ergiebigsten erwies sich jener Theil, welcher von dem zuletzt erwähnten
dem êge, beziehungsweise der dort über den Kanal führenden Brücke, bis zu
Qo. om »Werschetzer Kanal^ gegen Nordwest ziehenden Feldwege reicht und
lung, n. m lang ist. Hier durchschnitt man die Ueberreste einer alten Ansiede-
Yelhgy, .€ meisten Funde kamen in der Miite dieses Theiles und unterhalb der-
NM !| der Lànge von 250—300 m vor. Dieser Punkt ist beinahe unmittelbar
»Röm dem dort beginnenden Plateau und wird im unteren Theile auch von der
Brg "o chanze^ durchschnitten. Hier ist die Humusschicht, eine fette schwarze
Pene m dick. Unter dieser beginnt die Schicht mit den Ueberresten von
Selbe v len und Begräbnissstätten, Thongefässscherben und Küchenabfüllen. . Die-
ng ird von eiem licht graulichgelben 'Thone gebildet, in dessen oberster Lage,
Tiefe er der Ackererdeschicht, die meisten Funde vorkommen. Die grösste
Gens welcher wir Funde erhielten, betrug 3,5 m.
Auere Angaben über die Menge der Fundstücke selbst lassen sich nicht
machen, da die Gegenstände zuerst eben durch Zufall bekannt wurden und die
Fundstelle nicht systematisch durchforscht worden ist. Ich selbst habe den Ort
14mal, und zwar am 17., 19., 21., 24., 26., 29. Mai und am 1., 2., 10., 14., 165
19., 23. und 26. Juni in Gesellschaft Eduard Rittinger's, welcher dort Artefakte
sammelte, besucht.
Ueber die Anzahl und Grósse der Feuerstellen konnte ich wenig in Erfahrung
bringen, da der Kanal die Gegend nur in einer Breite von 12 » durchzieht und
die Arbeiter, besonders Anfangs, als sie noch nicht auf den Nebenverdienst durch
den Verkauf der Funde aufmerksam gemacht waren, ohne alles Verständniss für die
Sache deren Spuren unbeachtet zerstörten und wegräumten. Von einer Feuerbank,
welche aus schon roth gebranntem Estrich bestand, konnte ich constatiren, dass
dieselbe beiläufig 1,5 m im Durchmesser breit und bei 30 cm dick war.
Bei den Feuerstellen lagen selbstverständlich die meisten Fundobjekte. Dort
waren die meisten Thonscherben und Küchenabfälle. Letztere bestehen vol”
wiegend aus Rinds- und Hirschknochen. Zuerst fülli das Horn .des Bos priscus
ins Auge. Dann Rindshórner von gedrungener Gestalt, hochstens 30 cm lang, def?
Büffelhórnern áhnlich. Das Geweih des Cervus elaphus war durch einige recht
stattliche Bruchstücke vertreten. Auch Pferdezähne sah ich. Einmal constatirte ich
den Hauer eines Wildschweines, wührend einige Knochen von mittleren Hausthieren
wie Schafen und Ziegen, herzustammen schienen. Auch die Schale der grosse?
Teichmuschel (Anadonta cygnea) traf ich unter den Ueberresten. Die Knoche?
fanden sich oft neben den Feuerstellen separat gesammelt, wie in Nestern gebettet-
Viele davon waren, um das Mark daraus zu gewinnen, der Lüänge nach gespalte"-
Die Geräthschaften, Waffen und auch Schmuckgegenstände, sind theils av°
Thon oder Stein, theils aus Knochen oder Horn verfertigt. Gegenstände aus Metall
fanden sich im Verhältniss nur sehr wenige vor.
Das Material, woraus das Gros der Thongefässe verfertigt war, ist nicht das
beste zu nennen. Selten erscheint der Thon etwas gereinigt, meistens ungeschlemm'
mit Kiesel-Sandkórnchen vermischt, wie.ihn die Gegend der Ansiedelung eben bot.
Figur 1.
Aw
Die Formen der Thongefüsse (Fig. 1) bieten wenig Abwechselung. Am
häufigsten kam die topfartige Gestalt vor, und zwar in der Grosse bis zu 20 Liter
(86)
(87)
nina Eine Urne hatte gar einen Rauminhalt von 45—50 Liter. Nicht
Ser ist die Rein- und Schiisselform. Ein Fragment stammte von einer runden
hat, b die 30 en Bodendurchmesser, 12 cn Wandhóhe und | em Wanddicke
la €. Einige Scherben gehörten zu viereckigen Schüsseln. Auch die Tassenform
sr vor. Ein Bruchstück liess auf ein kahnfórmiges, sauceschalenartiges Gefäss
bei lessen. Runde, schalenartige Gefässe fanden sich auch mehrere, dieselben sind
vor he halbkugelfórmig. Eines hatte einen Bodendurchmesser von 4 cm, Höhe
> M 9 und eine innere Weite der Oeffnung von 11cm. Von den kleinen Doppel-
Tresen mit übereinander befindlichen Räumen fanden. sich 3 Stück, freilich auch
“Schädigt.
song rant waren die mit freier Hand verfertigten Gefässe meistens nicht be-
seh ers. Eine schöne rothe Farbe fand ich nur ein- oder zweimal. Schwarz,
ko, Brau und dunkel-fahlgelb waren die vorherrschenden Farben. Auch hier
venie man bei einigen constatiren, dass sie aussen fahlroth und innen schwarz
din Die Dicke der Gefüsswünde variirte zwischen 6 und 26 mm; dickere oder
lere Winde gab es selten.
ui grósseren Gefüsse waren zumeist ohne Verzierungen; ein einziges Bruch-
ein zeigte 4 wagerecht und parallel um den Bauch laufende, mit den Fingern
hug Micke Linien. Die grossen urnenartigen Gefässe hatten oft aussen an der
Zig Chung Knopfe (Fig. 1k), die ein- oder zweimal sogar in herabhüngende
és © übergingen. Diese Knopfe waren nicht selten durchbohrt. Interessant ist
der " beobachten, wie aus diesen durchbohrten nussgrossen Knópfen schliesslich
Belt, enkel entstand, dessen kleinere, gedrungenere Form auch zu constatiren ist.
lus. mügen aber wohl jene zwei Ueberreste einer grossen Urne sein, an deren
dene fen Bauchseiten nussgrosse Knopfe mit 4 mm weiten Bohrlóchern waren,
Bing pu Innern des Gefässes kleine Henkelchen genau verkehrt gegenüber standen.
Y ein besass Füsse.
on den kleineren Gefässen môgen die bemerkenswertheren hier folgen:
m Becher (Fig. 1, e); 8 cm hoch, cylinderformig, mit 5 em Oeffnungsweite,
he mit einem einzigen Knopfe an der äusseren Seite, von sehr primitiver Aus-
8 und an der Sonne getrocknet; vollkommen.
nac Becher (Fig. 1, a); 8 cm hoch, unter dem Oeffnungsrande je 2 kleine Lócher
» gegenüber, halb ausgebrannt; vollkommen. |
an gg, Mürserfórmiges Gefüss (Fig. 1, d), mit 2 winzigen Henkelchen, 6 em hoch,
4) Sonne getrocknet; vollkommen.
der gy, Kleines Gefäss. Höhe 3 em, Oeffnungsweite 3 cm, Wanddicke 5 mm, an
5 5x getrocknet; fragmentirt.
vulp, S leines Gefüss. Hóhe 4 em, Oeffnungsweite 4 cm, an der Sonne getrocknet;
n.
v, Reines Gefüss. Hóhe 4 cm, Oeffnungsweite 2 cm, an der Sonne getrocknet;
lity Kleines Gefüss. Hóhe 5 cm, Oeffnungsdurchmesser 4,5 cm, halb ausgebrannt;
tm i Nr. 31 scheinen wir es mehr mit Spielereien zu thun zu haben. Uebri-
ling on die oben angeführten Stücke von sehr plumper Ausführung, mit den An-
Tig, . der Tópferkunst vergleichbar. Dieselben wurden aber auch alle in einer
8) EX m gefunden und waren von Feuersteingerüthen begleitet.
Dagger Opfchen, Hohe 9 em (7,5 om der Bauch und 1,5 cm der senkrechte Hals).
€ isi aus ungeschlemmtem Thone, der mit verkohlten Theilchen vermischt
+
3
war, schwarz gebrannt und hatte an dem Bauche einen Ansatz zur Einpassung
eines Stieles.
‚ 9) Schale (Fig.1, 7). Hóhe 5 em, Oeffnung 10 em, Boden 2,5 cm. Reines Material,
schwarz, geglättet, auf dem Bauche mit Strichelchen verziert, mit über den Rand
der Oeffnung hinaufgebogenem Henkel; hübsches, wohlerhaltenes Exemplar.
10) Schale. Hóhe 15 cm (3 cm Bauch und 2 c«m Hals); Material und Ausführung
wie Nr. 9, mit um den Bauch parallel laufenden Linien; Fragment.
11) Henkelkrug. Niedrig; Hóhe vom Boden bis zum Halse 4 em, Boden
durchmesser 4 em, Bauchdurchmesser 9 cm. Glatt, schwarz gebrannt, unverziert;
Hals und Henkel, deren Spuren sichtbar sind, fehlen.
12) Krug. Höhe 11 cm, Oeffnung 8 em, Bauchdurchmesser 12 cm. Auf dem
Bauche und an der Basis des Halses je ein Kranz von Dreiecken und Strichelche?
um das ganze Gefäss laufend. Glatt und schwarz. Lidirt; der Henkel fehlt.
13) Krug mit Henkel (Fig. 1, /). Hôhe 8,5 cm (Bauch 5 cm, Hals 3,5 cn). Wohl
erhalten. Fahl gebrannt.
14) Grosse Henkelschale (Fig. 1, ^). Höhe 8 cm, Oeffnung 1 cm, Bauchdurch-
messer 11 cm, Boden 4,5 cm. Bauch mit regelmässig nebeneinander angebrachten
Wülsten verziert, zwischen welchen immer mehrere senkrechte Striche zu sehen
sind. Henkel fehlt.
15) Kleiner Krug. Hóhe 7 cm, Oeffnung 7 cm, Bauchdurchmesser 7 em und
Bodendurehmesser 3 cm. Verziert wie Nr. 14. Henkel fehlt. |
16) Schliesslich ist noch ein wohlerhaltener kleiner netter Hafendeckel zu
erwähnen, der kreisrund von Gestalt, 9 cm im Durchmesser und oben in der
Mitte einen winzigen Henkel hat. Dieser Deckel war röthlich gebrannt.
Sonst wurden von kleineren Gefässen, die aus mehr gereinigtem Material her“
gestellt und nicht nur schwarz gebrannt, sondern auch — vermuthlich auf mechan!”
schem Wege — geglüttet und manchmal mit eingekratzten parallelen Strichelche?
verziert waren, unter der grossen Menge von keramischen Ueberresten nur sehr
wenige Bruchstücke gefunden.
. Bei den Feuerstellen fanden sich
Figur 2. auch die aus Thon gebrannten „Feuer
hunde“ (Fig. 2, a, c, d). Bemerkenswerth
2 unter diesen war ein Exemplar, das schön
roth gebrannt, aber beschädigt war. Diese?
war pyramidenförmig, viereckig in der
Basis und in der Spitze. Die Höhe be”
trug 22 cm und hatte dasselbe unter der
Spitze ein Loch. Die übrigen waren be
deutend kleiner und. kegelförmig, und zwar
hatte ein Exemplar von diesen 9,5 cm 9
der Hohe, zwei andere waren je 8 cm, eines
6,5 cm und eines gar nur 4 em hoch; el
Fragment stammte von einem 8 cm hohe?
Exemplare. Nur das von den kegelform!”
gen zuerst angeführte war schlecht gebrannt und hatte kein Loch.
Unter den Gegenständen aus gebranntem Thon kamen, der Anzahl nach, nach
den Gefässen meistens roth gebrannte Kugeln im Durchmesser von 1—6 cm am
häufigsten vor, denn ich zählte deren 92 Stück. Dieselben. mögen als Schleuder-
steine gedient haben.
Hiernach erwähne ich Perlen von verschiedener Grösse: 3 ganze und 1 zer”
(88°
es)
Drochene, deren Durchmesser 4—5 em betrug, mögen als Spinnwirtel gedient
"ben; 10 ganze und 6 zerbrochene aber, deren Durchmesser zwischen 5—11 cm
Wirte und deren Gestalt theils kugelrund, theils plattgedrückt, scheibenförmig war,
pren vermuthlich beim Fischfange als Netzbeschwerer in Verwendung (Fig. 2, b).
" Fragment stammte von einem Discus, der in der Miite durchlóchert, 1 cm
x War und im Durchmesser beilàufig 15 cm maass. 3 Perlen endlich kônnen nur
la Schmuck gedient haben. Eine davon war cylinderförmig, weiss gebrannt und
9 % an der Aussenseite 3 einander gegenüberstehende Knöpfe. Die anderen
à Waren roth gebrannt und hatten an der einen, dickeren Hälfte je 2 Knöpfe, wo-
ch sie beinahe eine Kreuzesform erhielten.
2 4, chat interessant sind 3 Nachbildungen des menschlichen Fusses.
a sind schwarzblau gebrannt. Das erste Exemplar davon hat eine Länge
das der Ferse bis zum Knie von 9 cm, während die Fusssohle 4,5 cm lang ist;
4 om “weite davon hat eine 3,5 cm lange Fusssohle und das Beinfragment misst
dogg, Die Ausführung ist höchst primitiv. Besser ausgeführt ist das dritte Stück,
und en Länge vom Knie bis zur Ferse 10 cm beträgt. Dieses ist schön roth gebrannt
des pa deutlich das Knie, die Ferse und die beiden Knôchel; der vordere Theil
seh; üsses mit den Zehen ist abgebrochen. Nach den Bruchflichen am Knie zu
essen, stammen diese Bruchstücke von ganzen menschlichen Figuren.
Four
ory den Steinfunden (Fig. 8) sind in erster Linie jene zu erwähnen, welche
YN in den tieferen Lagen mit den wenigen Erzeugnissen der primitiven
Mite Unst vorkamen. Es sind dies jene Artefakte, welche durch Schlagen aus
das von. Material erzeugt wurden. Gefürbie Quarze und Feuersteine (Flint) bilden
Jaspis "herrschende Material, dazwischen finden sich einzelne Stücke aus Obsidian,
QN Wachsopal, Weintopas und Hornstein. Im Besitze des Hrn. E. Rittinger
2 Lange aus diesen Stoffen 30 Steinkerne (Nuclei), 102 Splitter, 6 Pfeilspitzen,
Neng Dspiizen, 108 Messerklingen, 11 Sügen und 8 Beile; aber leider alles frag-
D rigen Steinsachen wurden aus weicherem Stoffe erzeugt und sind polirt.
Ung Bei fen diese für jünger; einige behaupten sogar, dass die schónen Hammer
Worden © mit den hübsch gebohrten Stiellóchern erst in der Metallzeit verfertigt
der Er don Die polirien Werkzeuge unserer Ansiedelung wurden nur in hóheren,
wipe eriliche näheren Schichten aufgefunden, welcher Umstand für die letzi-
Ansicht sprechen würde.
(89
(90)
In diese zweite Kategorie gehört. in erster Reihe ein Beilhammer aus Trachy!
(Fig. 3, 4) von 12 cm Lünge: ein hübsches, rein gearbeitetes Exemplar. Ein zweites
kleines Beil (Fig. 3, 0), 9,5 em lang, aus Grünstein (Diabas) verfertigt und vo^
etwas eigenthümlicher Form, ist auch sehr schón erhalten. Hümmer sind nur im
fragmentirten Zustande vertreten, und zwar sind dieselben vorwiegend schlanker
linglicher Gestalt. Solche Hammerbruchstücke zühlte ich 6 aus Serpentin, 4 au$
Grünstein und 2 aus Kalkstein. Von den Fragmenten aus Serpentin hatte cines
die Spuren zweier Stiellócher, was sich so erklüren lisst, dass der Hammer nach
dem ersten Bruche durch ein neues zweites Loch nochmals brauchbar gemacht
worden ist. Ein Fragment wieder stammte von einem beinahe kugelrunden, ei
anderes von einem länglichrunden schweren Hammer; letzteres Stück (Fig. 3, m)
zeigt in interessanter Weise den Versuch der Stielbohrung.
Meissel, hauptsächlich Breitmeissel, kamen in grosser Anzahl vor (Fig. 3, ¢, h—1)
Ich zählte 66 theils ganze, theils zerbrochene Stücke. Der kleinste misst 5,9 ""
Einige sind bis zu 12 cm lang, haben noch eine schóne Schneide und dienten, wie dies
der zugespitzte Griff zeigt, wahrscheinlich auch als Beile. Ihr Stoff ist überwiegend
Kalkstein und Kalkmergel; ein Fragment stammte von einem Exemplar aus reinem
weissem Marmor. Ein 10 cm langer Meissel ist aus einem geeigneten Geröllstück
(Sandstein) mit wenig Mühe zugerichtet worden. Drei Exemplare sind aus Chlori
schiefer und eines aus Serpentin verfertigt worden. Ein aus schiefrigem Kalkmergel
verfertigter Meissel mit viereckigem prismatischem Körper gehört in jene Kategorl®
von Steinwerkzeugen, welche „Steinhobel“ genannt werden. Schmalmeissel sah ich
nur drei Einer davon, aus Serpentin, mit walzenfórmigem Kórper, 12 cw lan
ist ein sehr schönes Exemplar; die anderen 2 kleineren, die in Bruchstücken vo!”
handen sind, waren aus Kalkstein. |
Von den übrigen Steinstücken mit Spuren von Bearbeitung seien hier ang“
führt: ein Kalkmergelstück, rinnenartig ausgeschliffen (Fig. 3, c), also ein Schleif
stein, und ein viereckiges, plattenartig zugeschliffenes Stück aus Lydit. Prism?
üsche Steinkerne aus Kalkstein und Kalkmergel in der Linge von 8—19 cm sal
ich 7 Stück (Fig. 3, f, g); dieselben waren offenkundig zur Meisselerzeugung bestimmt
Fragmente solcher Kerne, die vermuthlich während der Werkzeugfabrikation ent
standen, zählte ich ausserdem 12 Stück.
Interessant sind endlich die Bruchstücke von mehreren (9) concav ausgehählte”
Mahlsteinen, auf welchen die Urbewohner mit Hülfe runder apfelgrosser Stein?
Getreide und Hirse zerrieben. Ich fand Fragmente, die auf ganze Exemplare vo
30 cm Durchmesser schliessen liessen. Das Material, woraus dieselben verferŸë
sind, ist Quarzit, Quarzsandstein, Granit, Gneiss und Glimmerschiefer.
Ueberraschend háufig fanden sich Steine von kugelrunder Gestalt, 4—10 em
im Durchmesser. Hr. Rittinger sammelte 48 ganze und 27 zerbrochene. DIE
selben sind vorwiegend aus Quarz, nur einer ist aus Granit, einer aus Homblent?
und 2 aus Feuerstein. Einige davon sind stark abgeschliffen, so dass ihre Gest?
in den Würfel übergeht: diese scheinen zum Zermalmen des Getreides gedient z J
haben. Andere Exemplare, wie die beiden aus Feuerstein, waren gewiss Beha r
oder Klopfsteine, womit die Steinwerkzeuge verfertigt wurden. Etliche mögen abe
auch, da diese Art von Steinen gar so häufig erscheint, als Schleudersteine penu?
worden sein, um so eher, da auch viele derartige Kugeln aus gebranntem Tho
gefunden wurden. — ;
Aus Knochen und Hirschhorn verfertigte Geräthe fanden sich eben
falls in bemerkenswerther Zahl. Aus Knochen kamen 12 Stück Pfriemen (5—13
lang; Fig. 4, h) vor, darunter 1—2 so wohl erhaltene, dass man sie heute noch Y
(91)
iia könnte. Ferner fand Figur 4.
aM 3 Glüttbeine (Fig. 4, f)
1 sel aus Horn (12 und
i 8 9 Hauen mit hori-
Bean Schneide (Fig. 4, a) zur
ng so ng des Bodens (20
(u Ü cm lang), 2 Hámmer
1 pod 14 em lang) und noch
Ra, Bmente von Hauen und
tit Mem; ein Beilfragment
Hay Verticaler Schneide. Alle
hai," Hämmer und das Beil
ie " Schöne Stiellöcher, die
ger” dem Material entweder
Ross dem Geweihansatze
ist ), oder bei der Ver-
The; seitlich gebohrt sind. Ein Aststück war so zugerichtet, dass der dickere
Wegst wo einem Stiel befestigt werden und der aus dem dickeren Theile seitwärts
Vos We Zacken als Grabe- und Scharrinstrument dienen konnte (Fig.4, c).
horn affen sah ich 4 Dolche, von denen 3 aus Knochen und einer aus Hirsch-
ugg St war (Fig. 4, g). 2 beilàufig 20 em lange Rindshôrner waren seitlich
Mog CCE vermuthlich zum Tragen aneinem Bindfaden. Zu was diese. dienen
Yon Fi und ob dieselben ein Schmuck waren, lässt sich nicht eruiren. 22 Zacken
ist wis chgeweih hatten geglättete Spitzen (Fig. 4, d, e); wozu diese dienen mochten,
intoree, auch unbekannt. Schliesslich erwähne ich noch 4 Geweihstücke, welche
Zeigt Sante Spuren von Bearbeitung, nehmlich Glätten und Schneiden, bezw. Sägen
du Besonders ein Aststück (Fig. 4, 0) ist hübsch; es zeigt, wie man dasselbe
Wollte Absägen der kleineren Seiteniste zu einem Hammer oder Beil umgestalten
i wird als eine ausgemachte Thatsache betrachtet, dass der Mensch zuerst
Ying, cud Knochenwerkzeuge benutzte und erst später die Metalle zur Herstellung
der il erüthschaften verwendete. Dieses geben selbst die Gegner der Dreitheilung
Mat, esten Zeit in eine Stein, eine Bronze- und eine Eisenzeit zu. Diejenigen
Kupfer” mit welchen der Mensch zuerst bekannt wurde, sind das Gold und das
Schon Y denn diese kommen oft in reinem Zustande in der Natur vor. Auch die
Melste ekannten Funde bezeugen dies, da Gold und Gegenstünde aus Kupfer
die D. mit Steinsachen zusammen vorkommen, wie dieses unter Anderem auch
Gogg Se hanfalvaer Ansiedelung bei Werschetz, wo 4 Kupferbeile in
An af von Steingeräthen vorkamen, erst vor Kurzem bewies.
hys 8. Juli wurden etwas nórdlich von der Rómerschanze, in einer Tiefe von
\ Inter lm, 2 aus reinem 9
ty, S0le gegossene Gold- ii D.
ting wo inden, von welchen der 0
maj ^18: 9, f) 17,7 g schwer, ein- = ] a
En den unden und an dem einen ©
liches p i ckgebogen war; ein ähn- C i] ' €)
IT, Bang, plar ist im Atlas zum Th Ep"
Wee sertis rds (wp <> © PD
nin, er 'lafe der : d
“pujtéer Antiquitäten unter la, sr i. - E N c
va)
a
(92)
b, c und d abgebildet. Der zweite Ring (Fig. 5, g) war 12,5 g schwer und glich voll-
kommen dem auf der XLVIII. Tafel in Dr. Josef Hampel’s „Die Denkmäler der
Bronzezeit in Ungarn“ mitgetheilten, im Budapester National-Museum aufbewahrten
Ringe.
Diese Ringe werden theils als Schmuck betrachtet, theils aber auch als das
erste Werthzeichen, weshalb sie auch „Ringgeld“ genannt werden. Dieselben
kommen in Ungarn nicht selten vor und werden theils einzeln, theils in einander
als Kette verbunden gefunden. So wurde 1883 nordwestlich von der hier be-
sprochenen Ansiedelung auf dem Plateau gegen die Obradovits’schen Weingärten,
also in der Congruenz der Ansiedelung, ein dem kleineren Ringe ähnlicher g®
funden, der ebenfalls 12,5 g wog. Ferner sah ich am 26. September 1889 einen
vierten Goldring, welcher ebenfalls aus der Gegend unserer Ansiedelung zu stammen
schien. Derselbe wog 15,2 7, hatte dieselbe Form, wie die übrigen, nur besass €f
am Corpus keine Kanten.
Aus reinem Kupfer fand man am 14. Juni in einer Tiefe von beiläufig 2 ”
ein 2,5 cm langes und 6 mm dickes formloses Stückchen (Fig. 4, e).
Später, als die Menschen die Metalle legiren konnten, erzeugten sie Bronze-
Auch unsere Fundstelle lieferte einige Bronzegegenstände. So wurden am
17. Mai unterhalb der Temesvärer Strasse, in einer Tiefe von 1,8 m, 3 Fragmente
einer schön patinirten Bronzenadel (Fig. 4, a), welche zusammen 42 cm lang waren
gefunden. Die Nadel ist 11,5 cm unter dem, 1 e» im Durchmesser haltenden, scheiber-
fórmigen Kopfe mit eingegrabener Linearverzierung versehen. Gleich darauf, am
18. desselb. M., fand man in derselben Gegend, in derselben Schicht, ein 11 em lange?
Süge-Fragment (Fig. 4, d), ein Stück eines zu einem Ringe gewundenen Drahlie$
und zwei 10 cm lange Bruchstücke einer zweiten Nadel aus Bronze. Anfangs Jum
fórderie man doriselbst einen schón erhaltenen Schaftmeissel (Paalstab), 12 c"
lang, zu Tage (Fig.4, c). Am 20. Juni endlich wurde im Gebiete der Ansiedelung
1,5 em tief, ein Sichelbruchstück (Fig. 4, b) gefunden.
Zu den zuletzt angeführten Funden sind auch 2 Steingeräthe zu rechnen
Beide sind Schleifsteine zum Schärfen der Bronzewerkzeuge. Der eine davo”
(Fig. 3, d) ist 7 cm lang, 1 em dick und oben, wo derselbe ein Loch zum Auffädeln
besitzt, 1,5 cm, unten 2 em breit. Der andere (Fig. 3, €, ein 6 em langes, 3 om
breites und 2 cm dickes Bruchstück, mit einer vom Schleifen herrührenden Rinne
Beide Werkzeuge bestehen aus feinkórnigem Sandsteine. —
Nun bleibt uns noch übrig, die Zeit, aus welcher die Gegenstinde stamme!»
und die Culturstufe des Menschen in derselben zu bestimmen. 3—3,5 m unter
der Erdoberfläche fanden sich die ersten Funde: Feuersteingeräthe, Knochen aus"
gestorbener Thiere und. die Anfänge der Tópferei, vertreten durch einige kleine
Gefüsse primitivster Ausführung. Die Existenz des Menschen in der Paläolith-
periode, das ist in der Zeit der unpolirten Steinwerkzeuge, halte ich deshalb für
die Werschetzer Gegend für wahrscheinlich. Die eigentliche Ansiedelung jedoch
blühte in der Neolithperiode, nehmlich in der Zeit des polirten Steines, um erst !?
der Bronzezeit, also in der Zeit, als der Mensch schon die Metalle zu gewinne?
und zu verarbeiten verstand, aufzuhüren.
Den Culturzustand der Ansiedler der Neolithperiode führen uns die Fund-
gegenstinde lebhaft vor Augen. Die Feuerstellen bezeichnen die Stellen de
Wohnungen, die, wie es Funde an anderen Orten bezeugen, in aus Fachwerk 8“
bauten Hütten bestanden. An den Feuerstellen kochten die Bewohner ihr frugales
Mahl und brannten sie ihre einfachen Geschirre aus Thon. Die Beschäftigung
der Bewohner war Jagd, Fischfang und sogar Landwirthschaft. Die Werkzeuge
(
M der Mensch brauchte, waren aus Stein: Breit- und Schmalmeissel, wovon
Stig eren oft als Beile verwendet wurden, Beile, Hammerbeile und Hämmer mit
ng hem, wozu sic sich das Material aus dem Banater Erzgebirge beschafften,
Be Ie sie sich, wie wir oben sahen, selbst verfertigten. Dazu kamen noch
lien! Sügen und Messer aus geschlagenem Material. Behau- und Schleifsteine
Hing, zur Herstellung der Werkzeuge. Aus Knochen führen , wir Pfriemen,
ANM und Beile an. Zum Feldbaue dienten Hauen aus Hirschhorn, das die
Wirth und den Rechen ersetzende Instrument, während die Produkte der Land-
Mure Cet auf den concaven Mahlsteinen mit den runden Reibsteinen zerrieben
Lange. Netzbeschwerer bezeugen den Fischfang, und die Waffen — Pfeil- und
Moin en aus Stein, Dolchklingen aus Horn und Knochen, sowie Schleuder-
lies bo. weisen auf die Jagd hin, deren Beute wir in den Küchenabfällen consta-
bestan 4 men. Ueber die Kleidung kónnen wir das Wenigste angeben; vermuthlich
beine dieselbe vorherrschend aus Thierfellen, bei deren Verarbeitung die Glätt-
Schon Und Pfriemen eine Rolle gespielt haben mögen. Schmuck zeigt sich auch
Vertreten durch Perlen aus Thon.
waD à die Bewohner unserer Ansiedelung das Material zu ihren Steinwerkzeugen
Sebi an Ort und Stelle vorfanden, sondern sich dasselbe aus dem nahen Erz-
bwin. Verschaffen mussten, so muss sich auch schon ein localer Handelsverkehr
Fiches abes in welchem spüter das Ringgeld aus Gold als erstes Werth-
: rii.
— Begrübnissart der Steinzeit wurde auch bei uns constatirt. Am 9. Juni
den Ka IN meiner Gegenwart, knapp unter jenem Punkte, wo die Römerschanze
Sine, A kreuzt, ein Grab geöffnet, das 1,5 m tief war. Das Skelet — es war das
Nach wa jungen, unvollkommen ausgewachsenen Person, — lag mit dem Kopfe
Kopfes est und hatte die Füsse so eingezogen, dass das Knie in die Nähe des
Zeit, prom. Dieser Umstand erinnert lebhaft an die hockenden Skelette der Stein-
m lé Erdschicht zeigte, dass dieses Grab ein sogenanntes ,Kesselgrab^ war.
Wir m der Bronzezeit, in welche hinein unsere Ansiedelung reichte, haben
leben Vorstehendem nur noch weniges hinzuzufügen, da sich in derselben die
leue, qr hüllinisse nicht viel anders gestaltet haben mögen. Jedoch ist ein be-
bessere © Fortschritt in der allgemeinen Cultur entschieden anzunehmen. Die
an, Die Produkte der Töpferei unseres Fundes gehören bestimmt der Bronzezeit
Tog, ^ Metallwerkzeuge sind besser und dauerhafter. Die Bestattungsweise der
Reste 2 eine ganz andere. Die Leichname wurden nehmlich verbrannt und die
Ung v, 8rossen Urnen beigesetzi. Eine solche Graburne, in welcher sich Asche
In der Ohlte Knochen mit Erde untermengt befanden, maass in der Höhe 21 cm,
10 om, Oeffnung 10 em, im Bauchdurchmesser 20 cm und im Bodendurchmesser
Ung bei Wand des schlecht gebrannten, unverzierten Gefásses war 1 em dick
? ke, "nen sich an der Aussenseite des Bauches einander gegenüberstehend
bei der Henkel, Anfangs Mai 1890 fand man gelegentlich einer Erdaushebung
Ne dach lich von der Temesvárer Strasse über den Kanal führenden Brücke
Kasten la. Ordwest führenden Seitenfahrweges ein zweites Urnengrab. Ausser den
Mig § In der Urne noch ein kleines Gefäss; als Deckel der Urne diente eine
D. Sy, Die Urne (Fig. 1, 4) war 36 cm hoch, einfach, aber hübsch geformt.
Dr eine schôn verziert, mit Kalkeinlagen in den Ritzen der Verzierung.
leges Um Gefäss war schwarz, geglättet, und besass einen Ansa lunata-Henkel.
Auch a hat seine Analogie im Urnenfriedhof der „Ludosch“-Flur.
Seschen le Anfänge der Kunst kannten die Bewohner unserer Ansiedelung.
von der Form und Verzierung der Thongefässe, sei hier nur auf die
93)
(94)
schon beschriebenen Nachbildungen des menschlichen Fusses in Thon hingewiese”
Dieselben zeugen, wenn auch primitiv ausgeführt, schon von einer enischiedene?
Entwickelung des bildnerischen Sinnes. Wie die Bruchspuren es wahrscheinlich
machen, stammen diese Fragmente von ganzen, 30—40 em hohen menschliche?
Figuren her, die môglicherweise als Gôtzenbilder gedient haben, und so hätten W!"
auch Beweise für ein religiôses Leben unserer Uransiedler.
(7) Hr. Milleker überschickt ferner einen Bericht über
die alte Ansiedelung in der Flur Ludosch der Gemarkung der Stadt
Werschetz.
Im November 1888 wurde beim Graben des , Gross - Szredistye - Werschetzet
Kanals“ in der „Ludosch“ abermals eine für die Vergangenheit der Werscheize
Gegend wichtige Entdeckung gemacht. In der nordöstlichen Ecke der zur Gema
kung der Stadt Werschetz gehürigen ,Ludosch*-Flur, unfern des v. Lazarovics'sche?
Meierhofes, 2200 m von der über die alte Bega führenden Brücke der GroS*
Szredistye-Klein Zsámer Fahrstrasse, erhebt sich der den „Kleinen Ried“ von West
begrenzende Plateaurand hügelartig bis zu 10 m. Diese Bodenerhebung, von der ma
über das Wasser des Riedes hin eine schüne Aussicht auf die gegenüberliegende?
bewaldeten Berge des Werschetzer Gebirges geniesst, war in der Vorzeit allem
Anscheine nach von einer beträchtlichen Ansiedelung bedeckt, die in zwei Zeit
epochen blühte. 2200 m von der erwähnten Brücke angefangen, gegen Süd, fand
man nehmlich in einer Lünge von 1 £m Ueberreste von Begrübnissstütten zweierle!
Perioden.
Am 13. November 1888 war icb in Gesellschaft E. Rittinger's trotz Schne“
und — 8° R. draussen an Ort und Stelle, die wir von der Stadt aus mit Wagen m
11/, Stunden erreicht hatten. Eben hatte man 4 Graburnen zu Tage gefördert. pa
konnte ich auch constatiren, dass sich der Kern der Begrübnissstütte am östlich”
Fusse der Erhöhung in einer Länge von beiläufig 150 m hinzog. Der Kanal streil
deren ôstlichen, an das Wasser des Kleinen Riedes grenzenden Rand, denn dé
Gros der Urnen kam an der westlichen Bôschung des Kanalbettes vor, somit I?
anzunehmen, dass sich der Urnenfriedhof auf dem Abhange befand.
Da ich selbst ausser jenem einzigen Male in Folge Zeitmangels, der grosse"
Entfernung und der ungünstigen Jahreszeit nicht mehr zur Fundstätte hinat®”
gekommen bin, so konnte ich leider nur verhältnissmässig wenig über die Fund“
umstände erfahren. Das Meiste verdanke ich Daniel Mihailovits, Kontrollor be
den Kanalbauarbeiten, welcher von dort eine ganze Collection Gefüsse erwarb. ”
1,1 m unter der Erdoberfläche kamen etliche menschliche Skelette vor, di -
hockender Stellung sich befanden. Bei einem war eine grosse Schale, die ich we
brochen im Besitze Mihailovits’ sah; dieselbe war 8 cm hoch, hatte einen Dur? Z
messer in der Oeffnung von 14 cm und am Boden von 8 em. Sie war schw
gebrannt und hatte oben am Rande zwei einander gegenüberstehende Henkel. p»
grüssere Tiefe, in welcher die Skelette vorkamen, sowie der Umstand, dass in de 0
selben Schicht zerstreut auch Stein- und Hornsachen gefunden wurden, weis
diese Grüber in die Steinperiode. Ob dieselben sogenannte Kesselgrüber ware .
wie ich ein solches bei der anderen, in den unteren Theil dieses Kanals fallend®
Ansiedelung fand, konnte ich nicht ermitteln. ter
Ueber den Skeletgribern kamen Urnen vor, auf die man 70—80 cm wn
der Erdoberfläche stiess. Es mögen über 100 solche Gräber aufgerührt wor i
sein. Die meisten derselben wurden zerstört, da der grosse Frost die Erde be
CTS
hari gemacht hatte. Die Urnen standen 0,5—1 m weit von einander entfernt,
einzeln, und war in den meisten nur ein Leichnam, bezw. dessen Reste bestattet;
'1 einer nur sah ich Knochen von zwei Personen. In der Mündung der Urne befand
Sich ein kleines Gefüss. Einmal sah ich eine grosse Schale dieselbe verschliessen und
m dieser lag wieder ein gehenkeltes Tópfchen. In 5 Urnen waren auf den Knochen
Ueberreste von Bronzesachen: in zweien Blechfragmente, in einer Bruchstücke von
langen Nadeln. Die meisten Urnen hatten überdies ein weidlingartiges Gefäss als
Deckel; auf eine war ein flacher Stein gelegt.
. Einmal fand man, wie mir Mihailovits mittheilte, an einer Stelle 4—5 kleine
Sehenkelte Gefüsse im Kreise aufgestellt und mit einem grossen Weidling zuge-
deckt. Sollte dieses ein Todtenopfer gewesen sein?
Die am 13. November und an den kommenden Tagen von E. Rittinger er-
Worbenen Gegenstände aus Thon sind folgende:
1) Graburne. Dieselbe hatte 40 cm Höhe und 50 cm Bauchdurchmesser, der
Durchmesser des Bodens betrug bis 12 cm und der des Halses war ebenso gross.
ü der runden Mündung mit herabgebogenem Rande lag ein schüsselartiges Gefäss
"hd im diesem wieder ein gehenkeltes Tópfchen. Die Urne war mit kleinen Oehren
"Mm Bauche und mit Tupfen und Strichen verziert.
D 2) Graburne. Einfacher als die erstere, ohne Verzierung; 34 cm hoch, der
a ichmesser des Bauches 28 cm, der des Halses 10 cm. Diese Urne war mit einem
Machen Weidling zugedeckt.
Figur 2. Figur 1.
+ £ =
Tue Ge m
= Sm = —
| =
Figur 5. Figur 4.
the Vier kleine gchenkelte Gefässe von 5—10 em Hóhe, theils gelblichroth,
Tupge, 1 Virzlich gebrannt, an dem Bauche geschmückt mit niedrigen, breiten
die 9 Fragment einer schwarzgebrannten Schüssel mit eingeritzten Verzierungen,
Spirale Linien und Punkten bestanden und in deren Detailzeichnung Kreise und
D 1 vorkamen.
De Mihailovits zeigte mir die nachstehenden Stücke aus Thon:
an der nein deren Obertheil fehlt. Umfang des Bauches 1,1 m. Dieselbe hat
alsbasis 2 einander gegenüberstehende längliche, rôhrenartige Oehren.
95)
(96)
2) Graburne (Fig. 3), deren Halstheil ebenfalls zerbrochen, jedoch in Stücken
vorhanden ist. Höhe 40 em, Durchmesser des Bodens 10 cm, des Halses 14 cm und
der Mündung 20 cm. Der Bauchumfang misst 1,02 m. Hübsches Exemplar. Hat
am Dauche 4, am Halse aber 2 einander gegenüberstehende Oehren, ausserdem am
Bauche symmetrisch angebrachte Tupfengruppen und aus eingedrückten breiten
Streifen bestehende Verzierungen,
3) Graburne, wohlerhalten; Höhe 35 cm, Durchmesser des Bodens 10 cw, de$
Halses 14 cm, der Mündung 22 cn. Der Bauchumfang beträgt 88 cm. Am Bauche
waren 4 Oehren, 4 Tupfen und mit dem Finger eingedrückte Punktreihen.
4) Graburne von Mórsergestalt (Fig. 4), zerbrochen; Hóhe 31 cm, Durchmesser
des Bodens 12 em, der der Mündung 28 cm. Beiläufig 10 cm unter der Mündung
ging ein Wulstring um das Gefáss, das überdies noch mit 4 Tupfen versehen, sonst
aber aus sehr schlechtem Material war.
5) Schale (Fig. 2); Höhe 8 cm, Mündung 14 cm, Boden 5 cm. - Am niedrige?
Halse ein kleines Oehr, schwarz, schön verziert mit eingeritzten Linien und Punkt-
reihen, die stellenweise Spiralen und Kreise bilden.
6) Schale; Höhe 8 em, Mündung 15 cm, Boden 5 cm. Ein Oehr und ein Tupfe?
einander gegenüber.
7) Schüssel; zerbrochen. Höhe 9 cm, Mündung 15, Boden 5 cm.
8) Kleines Henkelgefäss, rothgebrannt, fand sich in Nr. 2 oder 3; Henkel ab-
gebrochen; mit 4 Tupfen verziert.
9) Kleies Henkelgefáss, grau, ohne Zierrath, zerbrochen.
10) Kleine Schale, grau, zerbrochen.
11 ) » » roth, »
12) Grosse Schiissel, roth, schon verziert (Fig. 1); Hohe beildufig 15 om, Min”
dung 40 cm, am kurzen Halse 2 kleine Henkel; die Ritzen der Verzierung mit
Kalkmasse ausgefüllt; in Trümmern.
13) Kleiner, niedriger Topf, schwarz, zerbrochen; ein Stiel und 3 Tupfen; ein”
gedriickte Punktreihen.
14) Hübscher schlanker Becher, grau gebrannt; Hôhe 9 em; zerbrochen.
15) Henkelgefüss, klein, rothschwarz gebrannt, zerbrochen.
16) » roth, schôn, ganz.
17) » schwarz, schön, ganz.
18) ” » » ”
19) Kleines Gefäss, mit 2 Henkeln, schwarz, schön, ganz.
Nr. 16—19 gehóren zu jenen kleinen Gefüssen, welche im Kreise aufgestellt
und mit einem grossen Weidling zugedeckt waren. .
20) Lange, kahnartige Schale?) schwarz gebrannt, ganz; Lünge 15, Breite m
der Mitte 6, Hohe 3,5 cm.
21) Deckel; roth, ganz; Durchmesser 5 em.
22) Tópfchen, zerbrochen; Mündung 7, Boden 5, Hóhe 7 cm.
23) Fragment einer schwarzgebrannten Schüssel von mittlerer Grosse, mii
Zeichnung wie Nr. 12. d
Das Material der Thonsachen ist überwiegend rein; nur wenige Stücke S!P
aus grobsandigem Thon. Die Farbe der Gefáüsse ist schwarzgrau, schwarz oder
gelblichroth. Die Technik befindet sich auf einer ziemlich hohen Stufe: Nr. 2 de$
Mihailovits 1st eine Urne von so schóner edler Form und mit solch' geschmack-
1) Analoge Gefüsse kamen in der Ansiedelung am unteren Theile des neuen Kanals
und in den Resten der Ansiedelung vor der ,Postklinge* vor.
(97^
Voller Verzierung, dass sie selbst heute noch als Salonzierde dienen könnte. Von
M elegantem Aussehen muss auch die grosse Schüssel Nr. 12 gewesen sein. Auch
lie kleineren Gefisse weisen einige hübsch ausgeführte Exemplare auf, so z. B.
Nr, 16—19, Nur wenige, wie die Graburne Nr. 4, welche Mürserform hat, lassen,
Was Material und Ausführung anbelangt, zu wünschen übrig.
Von Steinsachen kamen vor, und zwar vereinzelt, ohne nähere Angaben:
4 bearbeitete Feuersteine (Bruchstücke von Messern?);
eine zerbrochene Perle von länglicher Gestalt aus gelbem, quarzartigem Gestein;
ein Steinkern aus Serpentin, der Form nach für einen Hammer bestimmt.
Y Aus Hirschhorn verfertigte Gegenstiinde gab es wenige und auch diese kamen
“einzelt — niemals in Urnen — vor. In erster Linie ist von diesen zu er-
men eine lange Nadel mit abgebrochener Spitze. Kopf und Schaft sind 8,5 cm
ne Aus einem Hornende geschliffen, ist der Kopf cylinderfórmig, schön polirt
"e mit parallel um den Mantel laufenden, streifenbildenden Linearverzierungen
en Die Verzierungen sind eingeritzt und gleichen vollkommen jenen, welche
Ho. auf den Armbändern der Bronzezeit sehen. Weiter fanden sich noch zwei
sch den (13.und 18 cm lang), welche gerade abgeschnitten und deren Spitzen
On geglättet sind.
ble Die gefundenen Bronzesachen lagen in Graburnen. Ausser Resten von Bronze-
n Ch, die ich in zwei Urnen sah, fand man in einer, auf die menschlichen.
dee gelegt, vier Fragmente einer Nadel, 28 cm lang, aus viereckigem gewun-
e Draht; vier Fragmente einer zweiten Nadel, 12 em lang, ebenfalls aus vier-
iem gewundenem Draht, und ein Drahtfragment, 12 cm lang, mit Blechresten.
Matte dire die in hockender Stellung vorgefundenen Skelette die Annahme ge-
der en, dass dort in jener Gegend, vermuthlich auf der Erhóhung, der Mensch
fügt Steinzeit ein Heim hatte, weist der Urnenfriedhof — denn so lassen sich
ime die vielen Urnengrüber nennen, — in die Blüthezeit der Bronzeperiode, wo
hen, a hóhe neuerdings eine Ansiedelung trug. Das im Besitze E. Rittinger's
ich liche, verzierte Schüsselfragment, dann die derartigen Bruchstücke, welche
Yigg ei D, Mihailovits (oben unter Nr. 12—23 erwühnt) sah, weisen die charakte-
Sq nen Zeichenmuster der Bronzezeit: die Spirale und den Kreis, auf. Auf der
den val Nr. 12 ziehen sich vom Halse zum Boden 3—4 cm breite Streifen, welche
haupt erzierungen auf den Schwertklingen der Bronzezeit ganz ähnlich sind. Ueber-
Spitz ist der Schmuck, bestehend aus Linien und Punkireihen, die mit einem
N Werkzeuge eingeritzt sind, bis zu einem Grade geschmackvoll zu nennen,
folg (8) Hr. Georg Buschan sendet aus Wilhelmshaven unter dem 14. Januar
*"lde Zusammenstellung
zur Vorgeschichte der Obstarten der alten Welt.
tel on den verschiedenen Culturgewüchsen erfreuen sich die Obstarten der aus-
Wy, esten Verbreitung und der gróssten Mannichfaltigkeit auf unserem. Erdball.
den ad z. B. die Zahl der gewóhnlich als Cerealien bezeichneten Arten nur etwa
Wig gen Theil vom Hundert ausmacht, erreicht die Menge der Obstpflanzen,
Fani E berechnet hat, praeter propter die Ziffer 115. — Auch die Anzahl der
len, denen die letzteren angehören, ist im Vergleich zu denen der Getreide-
Cut, N Höck, Ursprüngliche Verbreitung der Obstpflanzen und deren Einfluss auf die
Very. °r Menschheit. Natur. 1889. Nr. 35.
ARdl. der Berl. Anthropol, Gesellschaft 1891.
€i
-
7
pflanzen eine bei weitem grössere. Denn während diese aus etwa 4—5 Familien
entstammen, liefern mehr als 30 Pflanzenfamilien Obstsorten.
Vergegenwärtigen wir uns mit Höck die ursprüngliche Ausbreitung de
Getreide- und Obstpflanzen in der alten Welt, so constatiren wir die auffällige Er-
scheinung, dass diejenigen Gebiete, welche die meisten Pflanzen mit mehlreiche?
Samen hervorbringen, auch mit obstiragenden Gewüchsen am reichlichsten gesegnet
sind. Das grösste Contingent für beide Pflanzengruppen stellt in Asien das jndi-
sche Florenreich, in Europa und Afrika das mediterrane Gebiet. Was speciell die
Obstsorten anbetrifft, so besassen ursprünglich die Mittelmeerländer etwa 30 Artem
die übrigen Landstrecken der genannten Continente dagegen nur etwa den dritte?
Theil Natürlicherweise hat seitdem ein gegenseitiger Ausgleich statigefunden. -
Obenan stehen somit die das Mittelmeer umgürtenden Lündercomplexe, woh!?
die neueren Urgeschichisforscher die Anfünge der Cultur zu verlegen geneigt sind.
Dieser Reichthum an Obst spendenden Gewüchsen reizie ohne Zweifel de?
Menschen sehr frühzeitig, ihren Nahrungswerth zu erproben. Obst bildete daher
abgesehen von der Fleischnahrung, das ursprünglichste Nahrungsmittel der anfáng-
lich. nomadisirenden Menschen. Beweise für dieses hohe Alter der Obstpflanze?
besitzen wir in den ältesten Funden der jüngeren Steinzeit Europas. Anbau und
Pflege waren anfänglich nicht nöthig, da die gütige Mutter Natur dem Mensche?
ohne sein Zuthun den Tisch deckte. Durch glücklichen Zufall mag er spüter b€
einer Gelegenheit dazu geführt worden sein, den betreffenden Baum in Pflege zu
nehmen. F'eilich fielen diese ersten Züchtungsversuche anfangs noch sehr primit
aus; selbst bei den schon auf ziemlich hoher Culturstufe stehenden Pfahlbauet?
ist noch kein rechter Fortschritt zu ersehen. Der Anbau der Cerealien dagege”
deren grüsserer Nührwerth dem Menschen schon sehr frühzeitig zum Bewusstsel?
kam, wurde mit mehr Erfolg in Angriff genommen. Die Getreidearten der Pfab"
bauern tragen schon Spuren einer gewissen Mannichfaltigkeit und. Veredluné
an sich.
Es ist ein überaus interessantes Gebiet in der Culturgeschichte, den ersten
Anfängen der Nutzpflanzen und ihrer Verbreitung nachzuspüren. Ueber das Alter
der Cerealien habe ich mich schon an anderer Stelle?), wenn auch nur in flüchtig??
Umrissen, ausgelassen. Der vorliegende Aufsatz soll sich mit dor anderen grosse"
Gruppe von Culturpflanzen: den Obstarten, beschäftigen. ^ Vorausschicken möcht®
ich noch, dass ich unter dieser Bezeichnung nicht nur jene Pflanzen verstehe, di?
im landlàufigen Sinne als Obst aufgefasst werden, sondern überhaupt alle Ge
wüchse, die eine geniessbare fleischige Frucht besitzen. Dieselben sollen indes?
nur soweit in Betracht gezogen werden, als sie der vorgeschichtlichen Flora de}
alten Welt angehören.
Beginnen wir zunächst mit den Gewächsen der gemässigten Landstriche, von
denen wiederum die Mitglieder der Familie der Rosaceen die wichtigste Rolle !'
Haushalt der Menschheit spielen. Denn diese Familie liefert uns die eigentliche"
Obstsorten, das sogenannte Stein- oder Kernobst, als da sind: die Kirsche, die
Birne, der Apfel, die Pflaume, die Aprikose u. a. m. s
Von diesen Früchten geniesst der Apfel (Pirus malus L.) unstreitig die wer
teste Verbreitung. Nach Roth”) liegen sprachliche Beweise vor, dass Apfelbáum"
in Aegypten schon zur Zeit der XIX. Dynastie, also ungeführ um das 14. Jabr
^ 1) Die Heimath und das Alter der europüischen Culturpflanzen. Corresp.-Bl. der
deutsch. anthrop. Gesellschaft 1890. Nr. 10. S. 128—184. | ff
2) Dr. E. Roth, Die Pflanzen des alten Aegypten. Zeitschr. Humboldt 1890. 8. 81
(98
(99)
hundert v. Chr, angepflanzt worden. Handgreifliche Beweise für diese Behauptung
m Gestalt von Ueberresten aus ägyptischen Grabkammern fehlen uns leider zur
Zeit noch. — Dagegen lehren uns die Funde der schweizerischen Pfahlbauten,
ps ihre Bewohner in den Aepfeln schon ein Nahrungsmittel besdssen. Wie
kann ist uns aus diesen Niederlassungen eine Menge derartiger verkohlter
tüchte überkommen, die sich so schön erhalten haben, dass wir an ihnen noch
Veutlich Kelch- und Kerngehäuse, fleischige Partien und Schale zu unterscheiden
ermägen. Fast alle Aepfel sind zerschnitten, entweder halbirt oder dreigetheilt,
Offenbar, um sie besser rösten zu können. Vollständig erhaltene Exemplare kommen
ah vor, jedoch sind es nur die kleineren Früchte. Die grosse Anzahl, in der
"i Apfelspalien zum Vorschein kamen, lässt vermuthen, dass der Apfelbaum
" grosse Verbreitung in den dortigen Gebieten besass, und dass seine Frucht
w; einer grossen Beliebtheit erfreute. Freilich dürfte dieselbe unserem ver-
q, anten Gaumen nicht gemundet haben. Denn sie stammte ohne Zweifel von
ee wilden Apfelbaum ab, der nur saure Früchte zeitigi. Heer?) schloss dies
erseits aus der auffallenden Uebereinstimmung des inneren Baues des Kern-
d, uses mit dem beim Wildapfel unserer Wälder, andererseits aber besonders aus
Qui inet der Fundstücke (15—24 mm Durchmesser), die sie gewaltig von den
yh ürüpfeln unterscheidet. Freilich hess sich auch eine Anzahl grósserer Exem-
finde (29—32 mm Höhendurchmesser und bis 36 mm Querdurchmesser) heraus-
I bei denen auch das Fleisch im Vergleich zu der kleineren Sorte stärker
Van 1ckelt war, $0 dass Heer der Vermuthung Raum gab, es kónnte sich in diesen
che, um die Früchte einer schon veredelten Sorte handeln, die vielleicht durch
ist ung aus jener hervorging. Von anderer, und zwar landwirthschaftlicher Seite?)
Way erdings gegen diese Annahme eingewendet worden, dass es in unseren
He, em ziemlich grosse Wildüpfel noch gübe. — Die kleinere Sorte kommt nach
Wen: in den Pfahlbauten von Wangen, Robenhausen, Moosseedorf und Concise vor.
Do, SET zahlreich sind sie nach Much im Pfahlbau Mondsee®), desgleichen nach
fang mann?) im Laibacher Moor vorhanden. Auch im Pfahlbau von Lagozza?)
Zr 5, sich zwei Hälften, die einer kleinen (17 : 19 mm Durchmesser der Länge
Yon n. te) und einer etwas grösseren (19: 27 mm) Sorte angehören. Im Pfahlbau
tig, dello 8) (Torfmoor bei Varese) gehören Aepfel zu den häufigeren Vorkomm-
Solche” einzelne bilden. darunter Uebergünge vom Typus des wilden Holzapfels zu
tens von einer gewissen Veredlung. Ich selbst konnte emige wemge Kerne im
“Meitlichen Hüttenbewurf von Ettersberg (Thüringen) feststellen.
zutage SCnüber dieser hochwichtigen Frucht, dem Apfel, tritt eine andere, heut-
Dein. vôllig ebenbürtige, in der Vorzeit sehr zurück: die Birne (Pirus communis L.).
Bogen in den vorgeschichtlichen Funden tritt sie uns nur sehr sporadisch ent-
aus " Die wenigen Exemplare aus den schweizerischen Pfahlbauten stammen
n Niederlassungen von Wangen und Robenhausen?) Dieselben sind eben-
Lay eer, Pflanzen der Pfahlbauten. Schriften d. naturf. Gesellsch. von Zürich. 1866.
9) : Stück. S. 24 ff.
3) iv. Staub. | |
4) , dheil der Wiener anthrop. Gesellschaft. IV. S. 306. oo |
Pts : Sacken, Der Pfahlbau im Laibacher Moor. K.Deschmann, Bericht über die
5) p ideckungen im Laibacher Moor. Wien 1877.
Att dell. Sord elli, Sulle piante della torbiera et della stazione preistorica della Lagozza.
6) Ry società Ital. di scien. nat. Vol. 93. Milano 1880.
1) "ini d'anthropologie. Tome XVII, 551. Schône Bronzezeit.
er, a. a. O. S. 26.
wi)
(100)
falls nur in halbirten Stücken erhalten; sie stimmen nach Heer in ihrem sehr
grossen gekürnien Griebsch und in der geringen Entwickelung der fleischigen
Partien mit der wilden Holzbirne unserer Wälder, im Besonderen mit der Species
Achras (Basis der Frucht länglich zulaufend) überein. Sonst ist das Vorkommen
der Birne nur nachgewiesen in dem Pfahlbau von Baradello; das Exemplar soll
demselben Typus, wie oben beschrieben, angehórt haben (Länge 25, Breite 16 mm
im Durchmesser). Der Fund im Pfahlbau von Casale!) ist zweifelhafter De
stimmung,
Neben Apfel und Birne kehrt unter den vorgeschichtlichen Funden noch ein®
Pirus-Art mehrmals wieder: der Mehlbeerbaum (Pirus aria L.). Einige Kerne
aus Wangen und Robenhausen?) machen es wahrscheinlich, dass auch diese Fruch!
zur Nahrung der Pfahlbaubewohner gehürte. Das Vorkommen des Mehlbeerbaume?
breitete sich damals bis nach Oberitalien hin aus; denn im Torfmoor Soffia be!
Caldiero (Uebergang von Steinzeit in Bronzezeit) und im Pfahlbau Fontanellato®)
(Eisenzeit) sind Ueberreste dieses Baumes nachgewiesen.
Die geschilderten Gewächse der Gattung Pirus gehören sämmtlich der F lora
des temperirten Europa an. Der Ursprung des Apfelbaumes speciell scheint bis m
unsere Gegenden hinauf zu reichen. Das vereinzelte Vorkommen der Birne im
Vergleich zu dem überaus häufigeren ihrer Schwesterfrucht, des Apfels, giebt der
Vermuthung Raum, dass jene in der Urzeit noch nicht so allgemeine Verbreitung
fand, als dieser. Möglicherweise hatte sich der Birnbaum in den Gebieten der
bekannten mitteleuropiischen Niederlassungen damals noch nicht eingebürgert;
denn seine Heimath dürfte etwas östlicher zu suchen sein. In Nordgriechenland
wenigstens scheint der Birnbaum auf ein hohes Alter zurückzublicken. Sprach"
liche Gründe machen es nach Hoernes* wahrscheinlich, dass das albanesisch®
Wort fiir Birne, darda, sich in einer Anzahl von Namen, wie Dardoni, Dardani?
und ähnlichen noch nachweisen lässt. Vielleicht gestattet auch die Bezeichnuns
»Birnbaumer Wald“ einen Schluss auf das dortige häufige Vorkommen der wild
birne in weit zurückliegender Zeit.
Eine andere Unterabtheilung der Familie der Rosaceen, die Gattung Prunus
liefert uns ebenfalls mehrere Repräsentanten für die vorgeschichtliche Culturflor?'
Der Wichtigkeit und Häufigkeit nach verdient hiervon in erster Linie die Kirsch®
genannt zu werden. In den Terramaren der Provinz Parma wurden Kirschker
von Pigorini und Strobel recht häufig gefunden. In den. schweizerischen un
österreichischen Pfahlbauten fehlen sie ebensowenig. Man kennt sie hier aus
Robenhausen?) Bleiche-Arbon*), Petit-Cortaillard") (Neuchateler See) und dem
Mondsee*. Den meisten Autoren zu Folge scheint die Süss- oder Vogelkirsche
(Prunus avium L.) derjenige Baum zu sein, von dem die vorgeschichtlichen Fund"
herstammen?); die Sauerkirsche (Prunus cerasus L.) ist bisher unter diesen 10°
nicht nachgewiesen. 2
Die vorgeschichtlichen Kirschsteine weichen in ihrer Grüsse nur wenig V?
1) Bullettino di Paletnologia Italiana 1886. p. 54, 55. Birne?
2) Heer, a. a. 0. S. 96, 65.
3) L. Pigorini, Le abitaz. palustre di Fontanellato dell’epoca del ferro. Parma 18
4) Mittheil. der Wien. anthropolog. Gesellschaft 1888. S. 217.
5) Heer, a. a. O. S. 96.
6) Antiqua 1885, S. 155. Ausland 1885, S. 1004.
7) Anzeiger für schweiz. Alterthumskunde Bd. V. S. 40.
8) Much in Mitth. d. Wien. anthrop Gesellschaft a. a. O. = rsche-
9) Bei einigen Funden fehlt die diesbezügliche Angabe, ob Süss- oder Sauerkirs
-
"o,
(101)
den cultivirten Sorten ab. Die Robenhausener z. B. sind nach Heer nur um ein
Seringes kleiner, als diese letzteren. An ihnen lassen sich schon zwei Varietäten
Unterscheiden: die einen fast kugelrund, mit 7,5—8 mm Durchmesser, die anderen
kurz eifôrmig mit 8—10 mm Längs- und 6—7,5 mm Querdurchmesser. Auch die
Ws dem Pfahlbau zu Lagozza') stammenden Kirschkerne sollen dieselbe Form
"td Grósse wie die cultivirten Kerne besitzen, weshalb Sordelli ihrem hohen
Alter Zweifel entgegenbrachte. Aus demselben Grunde spricht Wittmack*) den
Steinen aus der Höhle von Mentone ihre Aechtheit ab. Da aber alle diese Funde
"hs eine übereinstimmende Anschauung von der Grösse und Form der Kirschen
"i Vorzeit geben, so trage ich kein Bedenken, ihr hohes Alter anzuerkennen.
Ü eine Anzahl von Kirschkernen, die aus einer Urne (Lausitzer Typus) des
präberfoldes zu Kreuzburg, Oberschlesien, stammten, fand. ich ebenfalls den heutigen
Omen annihernde Maasse: 9—10 mm Liingen- und 7—8 mm Querdurchmesser.
à Einer weit verbreiteten Annahme zufolge soll Lucullus ums Jahr 64 v. Chr.
Ge Kirschbaum aus Cerasunt am Pontus nach Italien verpflanzt haben. Als
Tuy mann für dieselbe wird Plinius angeführt, bei dem sich eine Stelle?) des
in pes findet, dass es vor dem Siege des genannten Feldherrn über Mithridates
A talien noch keine Kirschen gegeben habe. Die vorgeschichtlichen Funde nun
vi nen dieser Nachricht zu widersprechen. Dies ist aber nicht der Fall, wenn
d. die angeführte Stelle in dem Sinne auslegen, als habe Plinius sagen wollen,
ha, zur Zeit des Lucullus eine veredelte Sorte ihren Einzug in Italien gehalten
A ©, Vielleicht ist sie auch so zu deuten, dass Lucullus die saure Kirsche vom
aus her mitgebracht habe. Die letztere Erklärung scheint mir wenigstens die
ng, barere zu sein. Denn wie die vorgeschichtlichen Funde lehren, war da-
gy hóchst wahrscheinlich nur die Süsskirsche bekannt. Móglicherweise war sie
la; noch zur Zeit der romischen Republik die einzige Kirschensorte, welche in
len gezüchtet wurde.
lins Die pflanzengeographischen Forschungen verlegen das Vaterland der Sauer-
Si in die Gebiete vom kaspischen Meer bis nach Kleinasien hinein, das der
wg Kirsche dagegen nach Europa. Die ubiquüre Verbreitung der letzteren in Mittel-
lich Nordeuropa ist bekannt. Nach Schübeler") trifft man hier und da im süd-
p. ^3 Theil Norwegens einzelne Báume an, von denen sich nicht mehr sagen
Asst . ’ . .
equo sie wildwachsend sind oder nicht. Im Kirchspiel Urnaes im Stifte Bergen
lang " sich ein fórmlieher Wald von diesen Büumen, der ungefähr '/, Meile
«ar llaumen (Prunus insiticia L.) und Sehlehen (Prunus spinosa L) gehóren
den qu zur vorgeschichtlichen Flora. Heer?) bestimmte Pflaumensteine unter
die heiseresten der Pfahlbauern der Schweiz (Robenhausen), und zwar eine Sorte,
Very, er Form nach der sogenannten Haferschlehe (Prunus insit. avenaria Tab.)
Wa dt erscheint. Pflaumenkerne fanden sich ferner in den Pfahlbauten von
"Yereg *) und Casale?) (Steinzeit), Mercurago^) (Bronzezeit) und Paladru°) (Isère,
> Sordelli, 1 e.
3) an d. Berl. anthrop. Gesellschaft 1883, S. 404.
4) Sehen natural. XV. c. 30. oo
bu übeler, Die Pflanzen Norwegens. Christiania. S. 181.
6) Woo bo a, a, 0. S. 21. um .. ol |
7) Canale 58 im Attersee. Mittheilungen der Wiener anthrop. Gesellsch IL, 8.267.
8) Pie el €. siehe oben. |
9) E int, Le abit. di Fontanellato 1. c. siehe oben. |
: Chantre, Les palafittes du lac de Paladru. Matériaux 2de série 1870, p. 171.
Eisenzeit). — Oefter kehren Schlehen unter. den Funden. wieder. Das häufige
Vorkommen von solchen Steinen in den Pfahlbauniederlassungen von Wangen
Robenhausen, Moosseedorf, Greing?'), Bleiche-Arbon?), Casale und Isola Virginia®)
(tiefste Schicht) lassen auf eine grosse Verbreitung dieser Frucht schliessen. Ihr
sehr herber Geschmack mag sie freilich nicht besonders wohlschmeckend gemacht
haben. Parazzi*) vermuthet daher, dass nur die Steine benutzt wurden, und
zwar zur Herstellung eines Getrünkes, wie es heute noch in Italien unter deu
Namen vino di prugnola (Schlehenwein) genossen wird, ähnlich dem ungarischer
Slivowitz. -—
Auf Früchte des Zwetschgenbaumes (Prunus domestica L.) ist man bisher m
prühistorischen Niederlassungen meines Wissens. noch nicht gestossen. Es isi
daher höchst wahrscheinlich, dass dieser Baum zur damaligen Zeit in Europa noch
nicht bekannt war und sich erst seit höchstens 2000 Jahren daselbst halbweg®
naturalisirt hat. Nach de Candolle?®) ist seine Heimath im Orient, Anatoliet:
Süden des Kaukasus und Nordpersien zu suchen. — Die alten Griechen unie
schieden die coccumelea ihres Landes von denen Syriens (um Damaskus wild
wachsend)*) und verstanden unter letzterer wohl die Zwetschge, unter ersterer d
gegen die Pflaume, die ihre heutigen Nachkommen nach v. Heldreich?) noch als
coromeleia bezeichnen.
Auch die Früchte der Traubenkirsche (Prunus Padus L.) scheinen in de!
Vorzeit als Nahrungsmittel eingesammelt worden zu sein. Wie noch heutzutage:
traten sic. nach Heer?) schon damals in zwei Formen auf: in runden, fast kuglige?
Steinen und in solchen, die an einem Ende zugespitzt sind. Jene Sorte ist b€!
weitem hüufiger; in Robenhausen, Wangen, Moosseedorf und Greing®) trifft ma”
sie in Unmasse an. Diese dagegen ist seltener; ihr Vorkommen beschränkt sich
auf die Pfahlbauten von Robenhausen und die im Neuchateler See. Ohne Zweifel
gehärt auch die Traubenkirsche der mitteleuropäischen Flora an.
Das Vorkommen der Felsenkirsche®) (Prunus Mahaleb L.) in der pfahl-
baute Robenhausen und in den Terramaren Parmas ist noch nicht sicher erwiesen:
In viel jüngerer Zeit, als die bisher erwähnten Prunus-Arten erscheint IP
Kuropa zum ersten Male der Pfirsichbaum (Prunus Persica Bentham u. Hooker):
Aus vorgeschichtlichen Niederlassungen kennen wir ihn gar nicht. Die sporadrr
schen Funde von Pfirsichsteinen aus den Pfahlbauten von Bor bei Pacengo "°) und
bei Paladru'") gehören zweifellos einer sehr späten Zeit an; die Niederlassuns
von Paladru wird sogar der Merovingerperiode zugeschrieben. Zeiilich genau b€
stimmt sind nur zwei Funde aus spiitromischer Zeit. Pater de la Croix en
1) Heer, a. a. O. S. 91.
2) Antiqua 1885, S. 155. à
3) Regazzoni, Dei nuovi seavi nell Isola Virginia in Riv. Arch. della provinc.
Como. Die. 1879. p. 1—12.
4) Bullettino di Paletnolog. Ital. 1886. p. 54.
5) À. de Candolle, Der Ursprung der Culturpflanzen. Uebersetzt von E. Gotze
Leipzig 1884. S. 558.
6) Dioscorides, Materia medic. I, 1. 179.
7) Th. v. Heldreich, Die Nutzpflanzen Griechenlands. S. 68.
8) Heer, a. a. O. S. 91.
9) Heer, a. a. O. S. 98. vo
10) À. Goiran, Aleune notizie veronesi di botanica archeologica. Estratto dal Nuo
Giornale Botanico Italiano. Vol. XXII. 1890. p. 27.
11) Chantre, 1 c.
(102)
(103)
cie einen kleinen Pfirsichkern beim Dorfe Sanxay') in Poitou an einer rómi-
di St Maver, die um das 2.—95. Jahrhundert p. Chr. errichtet wurde; Stefano
Sos tefani machte einen ähnlichen Fund zwischen römischen Hausresten der Villa
Pirogna?) in der Gemeinde Casaleonc.
us que de Candolle?) überzeugend nachgewiesen hat, stammt der Pfirsichbaum
des pim. Hier geht seine Caltur in die ältesten Zeiten zurück; die Bewohner
des eiches der Mitte haben seit Tausenden von Jahren bereits verschiedene Arten
Pn reinen Pfirsichs gezüchtet. — Die Griechen und Rômer erhielten den
uj, m ungefähr zu Beginn unserer Zeitrechnung. Die älteste bildliche Dar-
399 v kennen wir aus den pompejanischen Wandgemälden ‘). "Theophrast (um
Selb Chr.) gedenkt seiner als ciner persischen Frucht. Offenbar gelangte die-
Kasch aus ihrer ursprünglichen Heimath über die centralasiatischen Gebirge nach
Peri, der Bucharei und auch nach Persien. Die römischen Bezeichnungen
Lande und Malum persicum deuten darauf hin, dass Italien von dem letztgenannten
aus mit der Pfirsichfrucht beschenkt wurde.
éme Anschlusse an die Obstpflanzen. aus der Klasse der Rosaceen sei noch
Brig, emfrucht angeführt, die zwar nicht zur genannten Klasse gehört, deren
Schlien aber, wie man aus dem überaus zahlreichen Vorkommen von Kernen
i hein e kann, ebenfalls in der vorgeschichtlichen Zeit eingesammelt und wahr-
Man oh auch genossen wurden. Es ist dies die Cornelkirsche (Cornus mas L.).
Shige Steine dieser Frucht sehr häufig, zuweilen in dicken Schichten in ver-
lago, en steinzeitlichen Niederlassungen an: in den Pfahlbauten von Casale,
and » denen im Lago di Fimon?) und di Varano®), von Sabbione?), Bodio ?)
Sowie 02zolo®) im Lago di Monate, Arquà-Petrarca?) und im Laibacher Moor,
Coran den bronzezeitlichen Terramaren von St. Ambrogio, Castione”) und
ung " ) (ob rómisch?). Selbst in den Niederlassungen aus der späteren Bronze-
tap, 21 so in den Pfahlbauten im Garda- und Varese-See, sind solche Kerne
Eger Wiesen worden. Cornus succisa kam im Pfahlbau Weyeregg vor. — Ver-
Vos s igen wir uns die geographische Verbreitung der Kornelkirsche in der
alien : 80 finden wir die interessante Erscheinung, dass dieselbe sich. auf Ober-
Und Oesterreich beschrünkt. In den Niederlassungen der Schweiz fehlt sie
2 Aullettino del Naturalista. Anno VIII. Siena 1888. No. 12. p. 167.
9 -Goiran, L c. p. 98.
eii de Candolle, Der Ursprung der Culturpflanzen, Uebersetzt von E. Gótze.
rk, p omes, Illustrazione delle piante rappresenta!e nei dipinti pempejani, aus dem
legs " 9mpei e la regione sotterrata dal Vesuvio. Memorie publieate delP ufficio tecnico
b By delle provincie meridionali. Napoli 1879. p. 14.
6) Se lettino di Paletnologia Italiana 1882. p. 69.
ws Pa be s i
iti dep toy, Le abitazione lacustri della etä della pietra nel Lago di Fimon, in
8) Ca stituto Ven. di scienze, lett. ed arti Venezia 1864/65. u |
Ociaty n je Hfraneo, Le stazione lacustri di Laghi di Monate e di Varano. Atti della
. 9) Can dei scienze natur. Vol. XXI. Milano 1878. —— — oo
dia, a Mein ni, Le abitazione lacustri e gli avanzi di umana industria in Lom-
10) Bulom à. della Soc. It. di seienze nat. Tom. IV. Milano 1868.
i m Tor ett, di Paletn. Ttal. 1883. p. 120. | | n
elle Selon ramare di Castione dei Marchesi, in Atti della R. Accademia dei Lincei. Ol.
. 19) OR 3 serie VIII. Roma 1883.
nd 1874 ’oppi, Monografia ed iconografia della Terramare di Gorzano. Modena 1871
eus
vollständig. Es berechtigt uns diese Thatsache zu dem Schlusse, dass diese’
Baum zur Stein- und Bronzezeit in der Schweiz noch nicht zur einheimischen Flora
gehörte. Noch heutzutage ist die Kornelkirsche in Italien sehr verbreitet; "dem
ihre Kerne werden von der heutigen Bevólkerung roh gegessen. Eine gleiche
Sitte mag in der Vorzeit bestanden haben. Vielleicht dienten sie auch, Wit
Parazzi aus einer ähnlichen Verwendung in der Neuzeit schliesst, im. gegohrene?
Zustande zur Bereitung eines sauren Weines.
Nachdem wir bisher das Stein- und Kernobst der vorgeschichilichen Cultur
flora Europas kennen gelernt haben, wenden wir uns nunmehr zum sogenannten
Beerenobst. Die schmackhaftesten Früchte aus dieser Kategorie von Obstpflanze?
sind offenbar die Himbeere (Rubus idaeus L.) und die Brombeere (Rubus frui"
cosus L.). Beide Sorten treffen wir auch schon bei den steinzeitlichen Pfahlbauer"
an. Himbeersamen besonders lieferten die Niederlassungen von Robenhausem
Wangen, Moosseedorf, Greinig?), Bleiche-Arbon?), Schussenried?), Laibach 5), i!
See Fimon®) und die Terramaren Oberitaliens. Mitunter treten sie so massenhaft
auf, dass sie ganze Schichten bilden. Da diese Samen stets im unverkohlten ZU
stande angetroffen werden, so vermuthet Heer, dass sie bereits den Darmkanal
passirt haben mögen und mit den Abfallstoffen beseitigt wurden. Es hat diese
Erklärung mehr Wahrscheinlichkeit, als die von Dorn®), wonach diese Samen v0?
getrockneten Himbeeren herrühren sollen, die, wie noch heute in Russland üblich
in jeder Hütte zu Heilzwecken vorräthig gehalten wurden. — Die Heimath der
Himbeere ist Europa.
Erdbeeren (Fragaria vesca L.) und Heidelbeeren (Vaccinium myrtillus L.) sind
bis jetzt äusserst selten, und zwar nur in der Pfahlbaute Robenhausen?), nach”
gewiesen worden. Preisselbeeren (Vaccinium vitis idaea I.) traf man dagegê"
noch nirgends an. Wahrscheinlich wurden sie nicht eingesammelt.
Dagegen scheinen die Hagebutten (Rosa canina L.), wie noch heute von de»
Kindern, so von den Pfahlbauern gesammelt und genossen worden zu sein. 2%
Robenhausen und Moosseedorf constatirte Heer?) ihr Vorkommen unter den Speisé”
resten; desgleichen Much in grósseren Mengen im Mondsee*). Derselbe Auto!
erinnert an die in mancher Haushaltung Oesterreichs noch gebrüuchliche Sitte, 2"?
Hagebutten eine Wildbreitsauce zu bereiten. Es sei nicht unwahrscheinlich, das
die Pfahlbauern diese Samen in ähnlicher Weise in der Küche verwertheten.
Im Pfahlbau Mondsee") und zu Robenhausen!) fanden sich noch Beeren der
Eberesche (Sorbus aucuparia L.). Dieselben sollen in den dortigen Gegenden noch
heutigen Tages theils als Futter für das Vieh, theils zur Erzeugung von Bran
wein benutzt werden?) In Schleswig-Holstein geniesst man sie als Compoi") .
Mit den besprochenen Pflanzen dürften wir die Reihe der Obstsorten aus de
1) Heer, a. a. 0. S. 98,
2) Antiqua a. a. O.
3) Correspondenzblatt d. deutsch. Gesellschaft f. Anthropologie u. s. w. 1877. S. 162.
4) Deschmann, a. a. O,
5) P. Lioy l. c.
6) Württembergische Jahreshefte 1877. Februar-Sitzung.
7) Heer, a. a. O. S. 29.
8) Mittheilungen der Wiener anthropol. Gesellschaft, Bd. VI, S. 188.
9) Ebendaselbst Bd. IV, S. 806.
10) Heer, a. a. O. S. 41. He
11) F. Hock, Nährpflanzen Mitteleuropas, ihre Heimath, Einführung u. s. W. Stu
gart 1890. -8. 51.
Lud
y (1)
Orgeschichtli
dies ichtlichen Flora Eur
er unserer Abh Juropas erschüpft haben. Da wi
Planzen unseres C andlung gestellt haben, die T "io nic aber zur Aufgabe
n lemen dk oon inentes, sondern überhaupt derer 1 orie nicht bloss der Obst-
i ? + + 1 .. .
dern von Bel oweit sie für die Entwickelung d er ganzen alten Welt kennen
deln, deren » ang waretl, So liegt es uns jetzt a er Oultur in den Mittelmeer
Wf die alten ed und Pflege sich in der 2008 einige Pilanzen zu behan
ssereuropüi orzeit im Gr 7
Beginn > päischen Culturstaat . 3rossen und Ga
en wir mi en am nzen
sees Conti wir mit dem Oelbaum (Olea eur Mittelmeere beschränkte.
In E | inentes noch heute : opaea L.) dessen Frucht i .
à luropa ist das Vork allenthalben ein beliebtes N etd tn Sion
‚°Ch nicht sich ommen dieser Pflanze unter d s Nahrungsmittel bildet.
in einer Höhle . MM Es ist zwar ei en Nora TO Funden
étnige ei Mentone?), der ine Anzahl von Oli
n Autor " , deren Alter bis € JE à Olivenkernen
Mare en zurückgeführt wir auf die ältere (? o.
larenr - wird, gef e (?) Stein
nma] en von Gorzano?). vird, gofunden worden: desgleichen unter en
Wirk; es noch nicht sicher erwi ind aber zweifelhafter Nat i
Schi ch ein so hohes Al , erwiesen, dass die betreff | atur Denn
lehten ter besitzen, wie 0 effenden Culturschicht
68 fraol; von Gorzano sollen ro von einigen angenom . hien
glich, ob di sogar römischen Urspr "nommen wird, — die
Sesch] , ob diese Olivenker . rsprunges sein, — 7
eppt ne nicht später 09 E. zum anderen i
ide dis Sum sind. Méglicherweise AN ar zufällig durch Thiere n
NOE entpuppen sich bei f. aber überhaupt keine Olivenk
Wo Cornelkirsehe, wie es bei dem F bei fachgemüsser Untersuchung?) Wonkemne,
Kor 1e anfänglich al Oli em unde im Pfahlbau y P } nung als solche
nelkir ls Olivenkerne besti on Peschiera der Fall war
Orgel, sche herausstellten. U immten Samen sich spà war,
en . Untersuchur später als Steine d
jig, dass einige im T igen neueren Dat 4 er
amm © orfe des Gardas atums ‘) haben allerdi
iom Pla Goiran, der Gewährsmann es Blitter dem Oclbaun
Fitenermanss > bei. Pacengo FRE enu d e Oelbaumblätter aus
cum : en der Eis i sen. Beide Funde = "
m ; enzeit an. Es 1 MER gehóren a .
erly, m der ausgedehnten Verkehrsbosieh möglich, dass um diese Jor
ter p; rn die Olive in Italien i cehrsbeziehungen mit den östlich "
der Inwanderung dü ‘alien ihren Einzug gehal ichen Mittel-
mut g dürfte mit der 8 8 alten hat. Dieser Zei -
tie Tardunius Priscus M P Pis ziemlich aboreinstimen,
lig, Ln 948 Jahr 627 : er römischen Zei en
der À verpflanzen li 7 vor Christi) den Oelb eitrechnung (d. h
Qup Le n liess. Auf der griechi aum aus Griechenland
Olea " seines H r griechischen Halbi nd nach
Ste :s Holzes wege > albinsel ©) wuchs von j
dan LL), der als di gen geschützte wild uchs von jeher
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Verha Auf attischem B rpilanze des edlen Oli uropaea var.
. den fand di ivenbaumes :
dag Altnissmässi 0 and die Kenntni angesehen werde
Oji assıg spät Ein niss von der Olivenzuch . n
Aycp: endl un SANS: Wenn auch der Sä zucht indessen erst
jq td weit verbreitet " dem griechischen Penland so vo homerischen Epen
ei es Lebensbedürfni . wohl, als auch
oy 4: Ob d D. nsbedürfniss schil ’ ch auf den
Right + asselbe in jenen Gebi ildert, so diirfte 1
War vielmehr ei jenen Gebieten schon L es trotzdem frag-
Vig) das Klima G nen Importartikel bildete des tm gewesen ist oder où
zu riechenlands ur 2H . 7 ach den Schilderun ?.
vauh. In Hesiod’ sprünglich für den Anbau der i gen der Alten
T ‚siod’s Gedichten findet sich M" er immergrünen Olive
2) copa der Berlin. anthrop. Gesell uch noch keine Andeutung
ry S Die Po» Monografía ete. sellschaft 1883. S. 404.
& mànnisch .
d'age Hm. M Untersuchung der Kerne von Mentone fi ;
5) B. Iran, Alcune noti a irten Stelle, S. 408. e findet sich unmittelbar
istor. . otizie etc. p. 26
6) natur. I . Red.
Y. Heldrei h , 15. c. 1.
ch a. a, Q.
005
(
von attischer Olivenzucht. Wenn wir Herodot Glauben schenken, wurde der
griechische Festlandsboden erst zur Zeit Solons') mit dem Geschenk der zahme"
Olive bedacht. Auf dem Archipel dagegen muss die Einführung dieser Frucht
Schon betrüchtlich früher statigefunden haben. Denn zur Zeit des Philosophe?
Thales, der ein Zeitgenosse der solonischen Verfassung war, gedieh die Oliven-
cultur auf den Inseln Milet und Chios schon recht ergiebig.
Dagegen bildete das Olivenöl. in den östlichen und südöstlichen Mittelmeer”
lündern, speciell in Palästina und Aegypten, schon seit undenklichen Zeiten ein
nicht unbedeutendes Landesproduct. In den ältesten hebräischen Schriften ge-
schieht des Oelbaumes unter der Bezeichnung Sait oder Zeit?) Erwühnung. Die
Uebereinstimmung der betreffenden Benennungen im Neupersischen (Seitun), im
Arabischen (Zeitun, Sjetun), sowie im Türkischen und Tartarischen (Seitun)?) lüsst
die Entstehung des semitischen Wortes in weit zurückliegenden Zeiten vermuthen-
Den Kindern Israel wird die Olive als die Frucht des verheissenen Landes gë
priesen; unzählige andere Stellen der ältesten Theile des alten Testamentes ge
denken des Olivenóls als Speisezusatz, Brennmaterial für Lampen, Salból u. a. ?*
Speciell über den Anbau der zahmen Olive im Pharaonenlande haben uns die
Schriftsteller der Alten mehrfach ausführliche Nachrichten hinterlassen. Ausserdem
besitzen wir aber handgreifliche Beweise dafür in einer Anzahl ägyptischer Grab-
funde. Strabo?) berichtet von einer ausgedehnten Oelbaumzucht im arsinoitische®
Nomos (dem heutigen Fajüm) und in den Gürten von Alexandria; T heophrast?
von dem Vorkommen des Oelbaumes in den Oasen der lybischen Wüste im the-
banischen Nomos, ungefähr 30—35 km vom Nil landeinwirts; Diodor endlich be
zeichnet den Osiris als den Entdecker und Ziichter der Olive. — Wann die Cultur
dieser Pflanze. in den Nilländern ihren. Anfang nahm, darüber besitzen wir kein®
Anhaltspunkte. "Victor Loret*) nimmt die Periode der XVIII. Dynastie, also UT
gefähr das 15. Jahrhundert v. Chr. als Zeitpunkt der Einführung an. Schwein”
furth?) seinerseits vermuthet, dass vor der griechischen Epoche die Olive im alte?
Reiche unbekannt gewesen sei. Er beruft sich hierbei auf das Fehlen von dies“
bezüglichen Ueberresten in den Funden vor der XX. Dynastie. Dagegen schlägt
Maspero das Alter des Oelbaumes in Aegypten viel hôher an. Der Name dafür
findet sich ‚nehmlich schon in den Texten der VII. Dynastie, Dieses Wort Tab
das mit der semitischen Bezeichnung nicht den geringsten Zusammenhang hal;
bedeutete in. der ägyptischen Sprache sowohl die Pflanze, als das aus ihr gewonnen?
Product.
Wie schon hervorgehoben, gehüren Olivenüberreste zu don häufigen Vo!”
kommnissen in ägyptischen Königsgräbern. Der älteste Fund geht jedoch nicht
über die XX. Dynastie zurück. Zumeist sind es ganze Aeste oder an einander 8**
reihte Blätter, die das Hauptmaterial fiir die Todtenkrünze und Sargguirlande?
lieferten. Denn Olivenblätter waren ein Symbol der Rechtfertigung des Abgesch!e
denen vor dem Richterstuhl des Osiris. Schiaparelli entdeckte Olivenkerne 7?
1) Schwendener, Aus der Geschichte u. s. w. S. 90.
2) Rosenmüller, Handbuch der biblischen Alterthumskunde. IV, S. 258.
3) de Candolle, Ursprung u. s. w. S. 305.
4) XVII. $ 298,
5) Hist, plant. IV. 2 9. in
6) V. Loret, La flore pharaonique d'aprés les documents hiéroglyphiques et les sp°
cimens dans les tombes. Paris 1887. .
1) G. Sehweinfurth, Die letzten botanischen Entdeckungen in den Gräbern AegyP
tens, in Engler’s botanischen Jahrbüchern 1887. 8.7,
^106)
(107)
à
at kophagen, die wührend der XX. und XXVI. Periode beigesetzt waren. An
BB lassen sich zwei Formen unterscheiden, von denen die eine an beiden Seiten
Plzio oder ein wenig spindelfórmig zusammengezogen verläuft, die andere da-
Segen lünglich und an den Enden abgerundet erscheint.
fy Die ursprüngliche Heimath des Oelbaumes scheint sich, de Candolle’) zu-
86, von Syrien bis nach Griechenland erstreckt zu haben. —
ks Eine andere, in der prühistorischen Zeit ebenfalls nur auf die afrikanischen
listen des Mittelmeers verbreitet, gewesene Obstfrucht tritt uns in der Dattel-
ime (Phoenix dactylifera L ) entgegen. Auf ülieren und jüngeren Monumenien
Ae en sich vielfach Darstellungen dieses für das wirthschaftliche Leben der alten
NU so überaus wichtigen Baumes. Aegypten wird in dem Turiner Todten-
Ve e das Land des Bakbaumes, das Palmenland, genannt). Ueberaus zahlreiche
den o Cibsel dieser Pflanze, darunter Kerne uud ganze Früchte, haben sich aus
pha Grabdenkmiilern erhalten. Schweinfurth?) sammelte sie z. B. in den Sarko-
gen aus der XVIIL—XXI. Dynasüe.
ling Europa war die Dattelpalme noch ziemlich unbekannt, als sie in den Nil-
he. bereits zu hoher Cultur gelangt. war. Der Sänger der Odyssee gedenkt
Tei auf der Insel Delos mit Worten, die, wie Schwen dener?) betont, keinen
bue lassen, dass es sich hierbei um eme für den griechischen Archipel neue
Sich einung aus der Pflanzenwelt handelte. Auf dem Festlande scheint der Baum
fih. noch spüter eingebürgert zu haben, in Attika und Korinth vielleicht ums
tig, 00 v. Chr. In Italien endlich lässt sich die Dattelpalme nicht vor dem
hh Jahrhundert nachweisen. Fundstücke aus Gräbern, Niederlassungen u. S. w.
N uns hier vollständig.
dene Knüpfend an die Dattelpalme wollen wir noch zweier Palmengewächse ge-
Diesen deren Vorkommen im alten Aegypten ebenfalls durch Funde belegt ist.
Es = en scheinen jedoch bei weitem nicht die Rolle, wıe jene, gespielt zu haben.
P. vd dies Hyphaene thebaica Mart. (der Dim) und Medemia Argura
: Württ,5)
des Gegen lernen wir in der Feige eine der Dattel ziemlich ebenbürtige Frucht
das F àraonenlandes kennen. Wie die Grüberfunde beweisen, bildete besonders
Boh, CSN der Sykomore oder Eselsfeige (Fieus sycomorus Lj ein sehr
Schnitt ztes Nahrungsmittel, Diese Früchte zeigen schon ehemals dieselben Ein-
M * wie sie heutzutage die Bevölkerung an der Sykomorenfeige zu machen
die S un die Entwickelung der Blastophagen zu hindern‘). Nach Unger”) bildete
Ykomore unter den einheimischen Bäumen der Nilländer den ursprünglichen
N > Candolle, Ursprung u. s. w. S. 854. |
Ma MEET Botanische Streifzüge auf dem Gebiete der Culturgeschichte. IV. Die
Ba, 38. ien "a in Sitzungsber. d. math -naturw. Akademie d. Wissenschaften.
in Ba: Schwein furth, Neue Funde aus dem Gebiete der Flora des alten Aegypten,
| 4) 8s s botanischen Jahrbüchern 1884. S. 189.
879. go, len Aus der Geschichte der Culturpflanzen. 2 Vortráge. Basel
ly 80 , Streifziige a. a. O. S. 106 und 107; Al. Braun, Ueber die Pflanzenreste des
-198 QUI Museums in Berlin. 1871. Sep.-Abdr. S. 9; Schw einfurth, Neue Funde u. s. W.
6) Se Dynastie).
7) Un weinfurth, Die letzten botan. Entdeckungen a. a. O.
ger, Streifzüge u. s. w. a. a. O. S. 110.
a Den
( "A
Waldbestand. Ihr Holz fand, wie Abbildungen und Funde vielfach lehren, nicht
nur zum Häuser- und Schiffsbau Verwerthung, sondern auch zur Anfertigung von
allerlei Kunst- und Industriegegenständen. Fast alle Holzschnitzereien, sowie der
grösste Theil der Sarkophage ist aus Sykomorenholz gearbeitet. — Auch in der
religiösen Verehrung spielte die Eselsfeige eine bedeutungsvolle Rolle. — Was
schliesslich die Heimath der Sykomore anbetrifft, so versetzt Graf Solms-Lau-
bach’) ihren Ursprung in das tropische Afrika. Als Mutterpflanze des heutigen
Culturgewächses ist diesem Autor zu Folge vielleicht Sycomorus trachyphylla Mig.
anzusehen.
Die gewöhnliche Feige (Ficus carica L.) fand ebenfalls schon frühzeitig,
wenn auch später als die vorige Art, in den Nilländern Eingang. Wir kennen
selbst zwar nur einige wenige Exemplare dieser Frucht aus den ägyptischen
Funden?) (XII. Dynastie d. h. um 2200— 2400 v. Chr.), dafür finden wir aber diesen
Baum auf einem alien Wandgemülde von Deni-Hassan?) (Feigenernte) naturgetreu
dargestellt. Die fünflappigen Blütter und die flaschenformigen Früchte charakteri-
siren ihn auf diesem Bilde ganz genau. Das altágyptische Wort fiir die Feige
hiess Teb*). Nach den Angaben des Grafen Solms-Laubach scheint die Feige
zuerst auf der arabischen Halbinsel in Cultur genommen zu sein. Es diirfte wohl
für erwiesen gelten, dass die veredelte süsse Frucht sich aus der wilden Art ent-
wickelt hat. Zur Zeit des trojanischen Krieges scheint die cultivirte Sorte noch
unbekannt gewesen zu sein®). Sykos benannten sie die Griechen später; Erineos
hiess bei ihnen dagegen der wilde Feigenbaum. Dieser mag ursprünglich auf dem
griechischen Archipel und Kleinasien einheimisch gewesen sein®). Homer er-
wähnt ein Exemplar dieses Baumes, das in der Umgebung von Ilios stand. Die
veredelte Feige hingegen tritt uns erst in der Odyssee entgegen, und zwar hier
zum ersten Male unter der Bezeichnung Sykos. Indessen sollen die betreffenden
Stellen nachtrüglich eingefügt worden sein?) Auch Hesiod spricht noch nicht
von der Feige*); zum ersten Male erscheint sie literarisch belegt ums Jahr 700
vor Christo bei Archilochos, der Feigenbüume unter den Gewüchsen seiner Hei-
maih Paros anführt.
Ob wir unter dem Feigenbaume, an dem der Sage nach eine Wólfin die beiden
Gründer des römischen Weltreiches säugte, cinen wilden oder zahmen Baum zu
verstehen haben, ist schwer zu entscheiden. Wahrscheinlich handelte es sich um
die erstere Sorte, die wir dem zufolge auch als einheimisch in Mittelitalien gelten
lassen müssen. —
Als letzte der ägyptischen Obstpflanzen ist der Granatapfelbaum (Punica
granatum L.) zu verzeichnen. Seine Einführung in diesen Landen blickt auf ein
ziemlich hohes Alter zurück. Granatüpfel bestimmte man unter den Funden
aus der XII. Dynastie (um 2400 v, Chr.) %. Zur Zeit der XVII. Dynastie scheinen
sie sich vollends eingebürgert zu haben. Unter den Opfergaben der Mumien finden
wir Granatüpfel mehrfach vertreten. Auch besitzen wir zahlreiche Abbildungen,
1) H. Graf zu Solms-Laubach, Die Herkunft, Domestication und Verbreitung des
gewóhnlichen Feigenbaumes. Abhandlungen der kgl. Gesellsch. d. Wissensch. zu Góttingen.
Bd. 28.
2) Sehweinfurth, Neue Funde aus dem Gebiete der Flora des alten Aegypten, in
Engler's botan. Jahrbüchern. 1884. S. 198.
3) Unger, a. a. O.
4) de Candolle, Der Ursprung u.s. w. 8. 871.
5) S. Bchwendener, Aus der Geschich:e der Culturpflanzen. Basel 1879. S. 18.
6) de Candolle, a. a, O. S. 372.
(108)
(109)
die keinen Zweifel über die Bestimmung lassen. Die in den Gräbern gefundenen
sind durchweg kleiner; als die jetzigen Sorten. Braun’) macht auf einen weiteren
Unterschied aufmerksam, der darin besteht, dass die prähistorische Frucht nur
4—6 Fächer im Gegensatz zu der heutigen (6—8) besitzt.
Granatbäume gehörten zu den Fruchtbäumen des den Juden verheissenen
Landes. Mehrere Male werden sie im alten Testamente unter dem Namen Rimmon ?)
erwähnt. Persien, Afghanistan und Beludschistan scheinen nach de Candolle*)
ihre Heimath zu sein, nicht Africa, wie aus mehrfachen Gründen hervorgeht.
Homer kannte den Granatapfel schon; denn zweimal gedenkt er seiner in der
Odyssee als eines Baumes in den Gärten der Könige von Phäakia und Phrygien.
— In Rom scheint sich diese Frucht erst später, vielleicht mit der Olive zusammen,
eingebürgert zu haben“). —
Halten wir unter den Obstpflanzen Umschau, die unsere heutige Kost und
Nahrung ausmachen, so constatiren wir die interessante Thatsache, dass die An-
zahl der Arten, abgesehen von einigen wenigen Früchten, mit denen uns die neu
entdeckten Erdtheile beschenkten, ziemlich die nämliche geblieben ist, wie sie es
ehemals war. Dieselben Früchte, an denen sich die alten Aegypter oder die Pfahl-
bauern bereits vor 3—4000 Jahren delectirten, geniesst der Afrikaner und Euro-
päer noch heutigen Tages. Der Fortschritt der Cultur besteht allein darin, dass
aus den meisten dieser ursprünglich wild wachsenden Pflanzen durch stetige Züch-
tung und Veredelung mehr und mehr Abarten und wohlschmeckendere Formen er-
zielt worden sind, deren Menge fast unzühlbar ist.
Die Uranfänge dieser Züchtung liegen weit zurück. Aegypter sowohl, als
Griechen und Römer, wie überhaupt alle alten Culturvölker, waren, bezw. ge-
langten sehr bald, soweit wir im Stande sind, ihre Prähistorie zu verfolgen, bereits
bei ihrem Eintreten in die Vorgeschichte in den Besitz des Geheimnisses der
Obsizüchterei; sie hatten es nicht mehr nöthig, sich mit mühevollen Cultur-
versuchen an wilden Formen abzuquilen, da dieser grossartige Gedanke schon vor
ihnen im Gehirn einer älteren Generation aufgeblitzt war, von denen sie schon die
fertige Kunst, bezw. veredelte Gewüchse übernahmen. Auch die Pfahlbauern
scheinen den Gedanken einer Veredelung der Früchte nicht aus sich selbst heraus
entwickelt zu haben, sondern erhielten ihre Directiven indirect über die südeuro-
päischen Lünder von jenem uralten Culturvolke her. Wer dasselbe war und wo
Wir es zu suchen haben, ist ein dunkler Punkt in der Vorgeschichte der Mensch-
heit. Vermuthen kónnen wir nur, dass sein Sitz in den östlichen Gebieten des
Mittelmeeres zu suchen ist. Nachdem die alte Theorie von einem centralasiati-
schen Ursprunge eines indogermanischen Gesammtvolkes abgethan ist, stehen wir
jetzt vorläufig wieder vor einem Ignorabimus.
(9) Hr. Virchow theilt in Bezug auf den in der letzten Sitzung vorgelegten
Algorrobe-Kuchen von Salta
mit, dass ihm inzwischen ein Brief des Hrn. Fernando Kramer aus Salta, Argen-
tinien, vom 20. November zugegangen ist, wonach diese Art von ,Fruchtkuchen*
von den Indianern häufig gegen Syphilis angewendet wird. Man nehme davon
1) Al. Braun, a. a. O. S. 19.
2) Rosenmüller, a. a. O. I, 273.
3) de Candolle, Ursprung a. a. O. 8. 299 und 559.
4) Schwendener. a. a. 0. S. 25.
(110)
jeden Tag 3mal, immer vor dem Essen 16 7, in 30—40 g "Wasser aufgelôst. Die
Frucht selbst, die erst im Februar reife, habe noch bessere Wirkungen. Man
giesse auf 500 g derselben 1 Liter bis auf 60? R. erwürmtes Wasser, lasse dieses
einen Tag lang stehen und gebe dann dem Kranken 3—4 mal des Tages eine Tasse
voll zu trinken. Die Heilung gehe schnell von statten. Gleichzeitig sei das Mittel
auch ein Prophylacticum.
Hr. Virchow hat den Kuchen Hrn. O. Liebreich zur Prüfung übergeben.
(10) Hr. Arthur Baessler hat eine zweite Abtheilung seiner javanischen
Photographien ausgestellt.
(11) Zu der in der vorigen Sitzung (8. 71) vorbehaltenen Diskussion nimmt
Hr. Mies das Wort. Er spricht über
die Hóhenzahl des Kórpergewichts der sogenannten Amazonen und Krieger
des Königs von Dahome.
Durch die wohlwollende Vermittelung des Herrn Virchow und des Herrn
Görke und mit der gütigen Erlaubniss der Herren Castan und Pinkus, wofür
ich diesen Herren verbindlichst danke, habe ich an den sogenannten Amazonen
und Kriegern des Königs von Dahome Messungen und Wiegungen angestellt, über
deren Ergebnisse ich hier kurz berichten will.
Um die bei dieser Truppe bestimmten Höhenzahlen des Körpergewichts
‘verständlich zu machen, muss ich einiges aus einer vorläufigen Mittheilung von
mir anführen, welche unter dem Titel „Ueber die Höhe und Höhenzahl des Ge-
wichts und des Volumens von Menschen und Thieren“ in Virchow’s Archiv für
pathologische Anatomie (1891, Heft 1, S. 188—193) erschienen ist. Dort habe ich
nehmlich Gewicht und Volumen von Menschen und Thieren auf einen und den-
selben Kórper, nehmlich auf destillirtes Wasser bei 4? C. in einem Gefüsse be-
zogen, dessen innerer Querschnitt überall ein Quadrat von 10 cm Seitenlünge bildet.
Von der in einem solchen Gefüsse befindlichen Wassersüule wiegt jeder Millimeter
109g, weil 100 mm derselben (oder ein Kubik-Decimeter Wasser) 1 kg = 1000 g
schwer sind. Auf dieser Vergleichseinheit beruht die Hóhenzahl des Kórper-
gewichts eines Menschen oder Thieres, d.h. diejenige Zahl, welche angiebt, wie
viel Mal die ganze Körperlänge kleiner oder grösser ist, als eine gleich schwere
Wassermasse in einem Gefässe von der vorhin beschriebenen Gestalt. Um diese
Zahl zu erhalten, dividirt man die in Millimetern angegebene ganze Körperlänge
durch den zehnten Theil der Anzahl von Grammen, welche der Küórper wiegt, d. h.
durch das mittelst Dekagramm bezeichnete Kórpergewicht.
Wie in der genannten Mittheilung, fand ich auch bei don Amazonen und Krie-
gern, dass die Höhenzahl des Gewichts mit steigendem Körpergewichte
abnimmt. Denn für die Amazonen beträgt dieselbe bei einem mittleren Körper-
gewichte von 48324 g (5 Fülle) 0,343-—0,300,
94300 , (5 , ) 0,297—0,280,
99819 , (7 y ) 0,272—0,257,
66250 , (2 , ) 0,248 und 0,236.
Ferner finden wir bei den Kriegern, welche im Mittel wiegen
91470 g (1 Fall), 0,303,
63023 , (3 Fälle), 0,266—0,255,
70780 , (3 , ), 0,244—0,224,
78300 , (1 Fall, 0,218,
(111)
so, Töhenzahlen des Körpergewichts. Uebrigens wiegen die Amazonen, unter Aus-
K Muss der 9 jührigen9), 29 570g schweren Titi, durchschnittlich 56 016 g, dic
Degen ohne den 16 jáhrigen, 41250 y schweren Boyma, im Mittel 66 397 g.
" Amazonen hatten nur eine Art von leichtem Badekleid, die Krieger eine Bade-
98e an, als sie gewogen wurden.
im Ms die ganze Körperlänge betrifft, welche bei den 19 erwachsenen Amazonen
list itte] 1578 mm, bei den 8 erwachsenen Kriegern durchschnittlich 1654 mm be-
"S5 So nimmt in gleicher Weise, wie ich in meiner vorläufigen Mittheilung
Et habe, auch bei dieser afrikanischen Truppe mit Zunahme der ganzen
bei Lange die Hóhenzahl des Gewichtes ab. Denn diese Zahl betrágt
mazonen, welche gross sind
unter 150 cm (1 Fal mi 1489 mm) 0,343,
150—154 , (4 Füle , .1511—1524 ,) 0,291,
155—159 , (9 , , 1048—1598 ,) 0281,
160—164 , (2 , , 16325—1644 ,) 0,276,
165 cn und darüber (3 , , 1646,5—1680 ,) 0,257.
Ebenso beläuft sie sich bei den Kriegern, welche eine Körperlänge haben von
unter 160 c» (2 Fälle mit 1557 und 1592 mm) auf 0,284,
165—169 4, (3 , » 1653—1666 ,) , 0,250,
10 , (3 , » 1698—1704 ,) , 0233.
de Auch die Verkleinerung der Höhenzahl des Gewichts mit zunehmen-
jap ler lässt sich bei den Amazonen und Kriegern erkennen. Denn die
Hi, "ge "liti hat eine Hóhenzahl des Gewichts von 0,424, während die grösste
TEAM des Gewichts der übrigen Amazonen nur 0,843 ist. Und bei dem
d nigen Boyma übertrifft die Hóhenzahl des Gewichts, 0,370, noch bedeutend
“ 8rôsste Hôhenzahl, 0,303, seiner Genossen.
habe den Einfluss der Rasse auf die Höhenzahl des Gewichts zu zeigen,
Meng Ich aus Gocke’s Dissertation ,über die Gewichtsverhältnisse normaler
7 pe licher Organe“ (München 1883) die mittleren Hóhenzahlen des Gewichts von
Männern und einem verunglückten Mädchen, sowie von 4 an
Weine Tankheiten gestorbenen Männern und 12 ebenso zu Grunde gegangenen
die Ke berechnet, welche dasselbe Alter und dieselbe Körperlänge hatten, wie
zahl na und Amazonen. Hierbei stellte es sich heraus, dass die mittlere Höhen-
dieser © Gewichts dieser an akuten Krankheiten gestorbenen Münner 0,311 und
Höhen Verunglückten Männer 0,279 betrug, während unsere Krieger eine mittlere
des al des Gewichts von nur 0,249 haben. Auch die mittlere Hohenzahl, 0,281,
Kran oS der Amazonen ist bedeutend geringer, als diejenige der an akuten
0,299 eiten gestorbenen Weiber = 0,323; sie liegt ebenfalls unter der Hohenzahl,
Negery oo verunglückten Mädchens. Das Körpergewicht ist also bei diesen
messe, Aa auf die Körperlänge und mehr auf die Breiten- und Tiefendurch-
im Pen, es Kórpers vertheilt, als bei den oben herangezogenen Personen, welche
T ologischen Institut zu München secirt wurden.
Gewichte zum Schlusse den Einfluss des Geschlechtes auf die Höhenzahl des
Sein. D betrifft, so scheint er auch bei dieser Negertruppe ein sehr geringer zu
die Krioo: Amazonen haben zwar eine mittlere Hóhenzahl des Gewichts von 0,281,
die mitti. eine Solche von 0,249, was einen Unterschied von 0,032 ergiebt. Aber
_ re Körperlänge der Amazonen beträgt nur 1573 mm, die der Krieger da-
scar) Alter und Namen nach Angaben des Hrn. Pinkus, des Impresario dieser Gesell-
(112)
gegen 1654 mm, und mit zunehmender Körperlänge verkleinert sich, wie wir sahen;
die Höhenzahl des Gewichts. Ganz andere Ergebnisse erhalten wir, wenn wit
Krieger und Amazonen von ähnlicher Körperlänge zusammenstellen. Denn bel
einer Körperlänge von 165—169 cm beträgt die miltlere Höhenzahl des Gewichts
von 3 Kriegern 0,250, von 3 Amazonen 0,257; sie ist also bei den ersteren nur um
0,007 kleiner, als bei den letzteren. Und bei einer Körperlänge von 155—159 cm
finden wir diesen Unterschied bloss 0,003 gross und (vielleicht wegen der un
gleichen Zahl der verglichenen Fülle) sogar zu Gunsten der Amazonen, indem die
mittlere Hóhenzahl des Korpergewichts dieser 9 Amazonen 0,281 und die der
beiden gleich grossen Krieger 0,284 beträgt.
. Alter Körperlänge Kôrper- Hôhenzabl
- in in gewicht in des Kórper-
Jahren Millimetern Grammen gewichts
L Amazonen.
1. Guthu. . . . . . . . . 23 1 1560 ' 66000 0,236
2. Gumma . . . . . . . .. 21 | 16465 66 500 0,248
3. Fengere . A 24 1680 65 270 0,257
4 Mamuna. . . . . . . . & 21 1644 62 850 0,263
5. Mussu. . . . . . . . . . 23 1652 61 800 0,267
6. Jenne . . . . Cee 22 1554 57 650 0,270
7. Messy. . . . . . . . . . 25 1559 57 500 0,271
8 Bathu. . . . . . . . .. 18 1583 58 120 0,272
9. Bondobo. . . . . A 18 1511 55 500 0,272
10. Gassa . . . . . . . . . 19 1514 54 200 0,280
11. Kemma . . . . . . . . . 25 1548 55 300 0,980
12. Foma. 2. 22 2210 20 16825 | 56150 0,291
13. Jemma Coe ee n. 22 1574 | 53 650 0,298
14. Sombo M 19 1550 52 200 0,297
15. Maima . . . . . . . . . 25 1565 52 200 0,300
16, Gathy. . . . . . . . .. 26 1593 50 800 0,314
17. Pate . ., . ....-.-.. 23 1524 48 220 0,316
18. Hava . . . . . . . . . . 26 1513 46 950 0.322
19. Samba . . . . . . ... 22 1489 43 450 0,343
20. Titi, . tos 9 1255 29 570 0,424
iI. Krieger.
1. Alfa . . . . . . . . . . 25 1704 78 300 0,218
2. Schoby s 20 | 1101 715120 0,226
3. Gebbas E 20 1666 68 920 0,242
4. Quaku. . . . . . . . 22 1664 68 300 0,244
5. Balbo. . . . . . . . .. 20 1698 66 100 0,250
6. Jamo ......... 21 1658 62 500 0,264
7. Waki . IE 19 1592 59 870 0.266
8 Tio. 2221222210 19 1557 51 470 0,808
9. Boyma . . . . . . . .. ! 16 1527 41 250 0.370
Namen
(113)
in Hr. Virchow zeigt Photographien von Negern, Männern und Weibern, welche
Lis are 1887 als „Einwohner des Negerreiches Aschanti und der Negerrepublik
dem À von dem Impresario Mr. Hood in Berlin vorgeführt wurden. Sowohl in
vie] Aussehen, als in der Haartracht, dem Schmuck u. s. w. bieten dieselben so
"e ehnlichkeit mit jetzt gezeigten Personen, dass die Frage erlaubt scheine,
a. manche Personen in beiden Truppen identisch seien; jedenfalls diirfe man
Seien men, dass die jetzigen nahe Verwandte von der Gold- oder Sklavenküste
Ne - Das schliesse jedoch nicht aus, dass auch anderes Gemisch ,von der
Bary publik Liberia” darunter sei. Der sehr erfahrene Afrika-Reisende Herr
a habe ihm mitgetheilt, dass er sich mit verschiedenen der Leute in der
"Sprache unterhalten konnte.
ep, est sodann aus einem aus Magdeburg, 17. October 1890, an die Ge-
Tuts] aft gerichteten Briefe des Hrn. Emil Blumenthal folgende Stelle: „Der
kam wollte es, dass ich im Sommer d. J. bei der Landung der Truppe, — sie
burg mit dem englischen Dampfer Winnebah, — am Sonntag Nachmittag in Ham-
zu MM und da ich mit den dortigen Schiffen, welche aus Afrika kommen, viel
Version habe, wurden mir vom Officier die Mädchen gleich gezeigt. Ich kann die
ein Sohne geben, dass die Mädchen alle aus Serlion (Westküste) stammen,
sie mi reines Englisch sprechen, und jedenfalls keine Ahnung haben, dass
Leben einem Mal zu Amazonen eines Sultans ernannt worden sind. In ihrem
Sing haben sie keine Ahnung von einem Gewehr oder Sübel gehabt, sondern
Retro Wissens von ihrem Impresario in Hamburg ungefähr wie unsere
Biebi en gedrillt worden. Was den Schmuck anbelangt, bezw. die Muscheln, so
In ih es in Hamburg zwei Geschüfte, wo man derartige Sachen gui haben kann.
rer Heimath leben die Leute vom Schiffeentladen oder Kohlentragen.*
Ru, brigens hatte schon in einem Briefe vom 12. October v. J. Hr. E. Friedel
Sichere es mitgetheilt: „Unser Mitglied, der Tourist Louis Fischer, giebt mir den
Mich s echlüssel für die sogen. Dahomeyer. Er hält sie für Togo-Leute, bat
seit 13 T heut zu seinem Freunde, Hrn. Kaufmann Schmidt, zu kommen, der
ahren in Lagos wohne und mir die Sache vollständig aufklären werde.
ml Schmidt hat lingere Zeit einen dahomeyschen Boy gehabt, der die hier
Fragen: en sogen. Amazonen zum Theil bei Namen kennt. Darnach sind die
Unio, amer in der Haupisache von 3 Punkten: a) von Little Popo, deutsche
den Agen men, leicht an einer eigenartigen "'áttowirung kenntlich, die sie unter
Küste. haben; b) von Whydah, c) von Porto Novo, beide an der Dahomey-
Königs | on letzteren kann man also allerdings sagen, dass sie Unterthanen des
sie ken on Dahomey seien. Keineswegs sind sie aber aus dem Innern von Dahomey;
deg Sultan die eigentliche Dahomey-Sprache nicht und haben mit den Amazonen
Ben von Dahomey absolut nichts zu thun.
der län )J eck m Hamburg, von der renommirten Firma Beck & Co. daselbst,
Was Hy gop beim Konig von Dahomey in Abomey gewesen ist, bestätigt das,
Von seinen pat sagt, und hat bei der Vorstellung, dass der Konig von Dahomey
riegerinnen irgend welche beurlauben werde, herzlich gelacht.“ —
Hy, jr; nis Fischer erklärt, dass auch ein aus Lagos stammender Diener des
als Anges Ber mehrere der sogenannten Amazonen persónlich kenne und sie
orige der Küste bezeichnet habe. —
H .
fechton 3 ned hebt hervor, dass die Dressur der Amazonen im Bajonet-
E c Raw nach europäischem Muster durchgeführt sei. —
. Anthropol. Gesellschaft 1891.
K
(114)
‚Hr. Virchow erkennt dies an und glaubt, dass Beweise genug: béigebrach ;
seien, um die Herkunft der Personen aus der an sich sehr gemischten Küste!
bevólkerung darzuthun. Indess findet er eine Milderung darin, dass es sich nicht
um eine eigentlich anthropologische Vorstellung, sondern um ein Schauspiel. für
die Masse gehandelt habe; dafür genüge es, dass die Dressur der Frauenzimme
im Gebrauch der Waffen, wie allgemein zugestanden werde, eine vorzügliche vi
und dass die Personen selbst gute westafrikanische Typen darstellten, nicht; wie
man eine Zeit lang vermuthet habe, nur eine Sammlung von Antillen-Negern..
(12) Hr. Virchow zeigt bei dieser Gelegenheit in einer älteren grossen Ph
tographie die
sechsfingrige Hand eines Antillen-Negers.
In der Sitzung vom 16. November 1889 (Verh. 8. 650) wurde im Namen de
Hrn. W. Joest die Photographie der rechten Hand eines, gegenwärtig in Süd‘
deutschland angestellten Negers vorgelegt, welche durch eine recht merkwürdig®
Verdoppelung des Kleinfingers ausgezeichnet ist. Ich erinnerte mich, diesen Man?
früher selbst gesehen und untersucht zu haben, konnte aber die Notiz lange nich!
auffinden. Erst jetzt, als ich nach den Photographien der ,Ashanti“ suchte, ka”
die Photographie der Negerhand mir wieder vor Augen und damit auch die 9“
treffende Notiz.
Es handelte sich damals um eine beträchtliche Anzahl von Schwarzen, welche
im December 1886 im Eden-Theater vorgeführt wurden. Der Angabe nach stammte?
sie von der dänischen Insel St. Croix. Unter ihnen befanden sich ein P99
„Zwillinge“, Daniel und David, von denen der erstere eine Körperhöhe von 1710 be
einer Klafterweite von 1860 m, der zweite eine Hóhe von nur 1559 bei eine!
Klafterweite von 1655 mm hatte. Die Hautfarbe bei Daniel entsprach ungefil"
3h Radde, die von Daniel 3 f, im Gesicht 4h. Der Schädelindex von Daniel be
trug 80,3, der von David 76,4; ersterer war also brachy-, letzterer m esocephal
David, der kleinere, hatte an der rechten Hand 6 Finger, so zwar, dass dem n
schein nach die erste Phalanx des Kleinfingers geiheilt und an jedes Theilgl
eine zweite und dritte Phalanx angesetzt waren, — also eine ziemlich ungewÜhr
liehe Combination, die auch in der Abbildung von 1889 erträglich wiedergegeb®
ist. Die Hand war dem entsprechend breit: sie maass unter den Ansätzen der .
(oder eigentlich 5) Finger 95, unter dem Ansatze des Daumens 114 mm, bei eint
Länge von der Falte am Handgelenk bis zur Spitze des Mittelfingers von 175 mn
(13) Hr. Ed. Seler spricht über
altmexikanischen Federschmuck und militärische Rangabzeichen.
In dem XXI. Bande dieser Zeitschrift, S. 63—85 habe ich eine Abhandlu"f
veróffentlicht, in welcher ich die Hauptformen der Federschmucke, die von de?
mexikanischen Kriegern als auszeichnender Schmuck, gewissermaassen als AY
zeichen eines bestimmten militärischen Ranges, getragen wurden, besprach und a
ihnen zukommenden Namen festzustellen suchte. Meine Hauptquellen waren dab?
einerseits die in der Tributliste des Codex Mendoza abgebildeten Rüstungen 5 m
wesen, andererseits ein Kapitel des Geschichtswerkes des P. Sahagun, in welche I
»die Schmucke, welche die Fürsten im Kriege trugen“, aufgezählt werden. ol
kannte damals nur den spanischen Text des Sah agun. Seither aber habe Ad
Veranlassung genommen, den in aztekischer Sprache geschriebenen Originalte
(115)
Un
Da eres der in zwei Bibliotheken in Madrid aufbewahrt wird, zu studiren:
Sing, lie sich heraus, dass nicht nur der aztekische Text viel reicher und voll:
dasjens 1st, als die spanische Ueberseizung, sondern auch, dass der P. Sahagun
lich "is was ihm die Indianer in ihrer Sprache mittheilten, zum Theil gründ-
Nicht wo erstanden, oder auch vielleicht — was bei einem Manne seines Alters
Oder Mani nehmen kann, — in Momenten grósserer Abspannung nicht richtig
Sahagun U lstándig übersetzt hat. Da nun aber die Unrichtigkeiten der spanischen
Darston - ebersetzung auch meine in der oben erwihnten Abhandlung gegebene
labens 0 stark beeinflusst und mich zu positiv unrichtigen Angaben verleitet
Was mir So will ich in dem Folgenden die Sache richtig zu stellen und dasjenige,
Stand er; das reiche Material des aztekischen Originaltextes über diesen Gegen-
De Sieht, kurz zusammenzufassen suchen. .
Rock i mexikanische Krieger zog in die Schlacht, bekleidet mit seinem wattirten
N ‚der als Panzer diente, und ‚bewaffnet mit dem aus Bambu
ite, nen Schild (chimalli), mit dem an zwei Seiten mit scharfen Obsidian-
Speer, reihen Eichenknittel (maquauitl) und wohl noch einer Hand voll
Schen í lazo ntectli), mit deren Abschleuderung — ganz wie bei der altrômi-
die ich "legführung, — der Kampf erüffnet wurde. Die Rüstungen und Abzeichen,
acie dem Folgenden zu besprechen gedenke, zu tragen, war nur den aus-
(Cuaty e en Kriegern gestattet. Sie bestanden in verschiedenfarbigen Wämsern
In Sehr die über dem Wattenpanzer getragen wurden, in Kopfbedeckungen und
deren lei Chicden gestalteten und eigenartigen Abzeichen, die an einem beson-
tage erartigen Gestell, einer Art Kraxe (cacaxtli) befestigt, auf dem Rücken
lae wurden. Diese Wümser sowohl, wie die auf dem Kopf und dem Rücken
Speer Abzeichen waren Federarbeit. In das Wams wurden die Federn wohl
eigen. M der Weise, wie es uns die Gewebereste der peruanischen Gräber
Béflochte ür die Banner und sonstigen Abzeichen wurde ein Gestell aus Bambu
Slot und die Federn darauf, ebenfalls an Bambustüben mit Zwirn befestigt
Sohieden Die Fläche der Schilde und so auch wohl grössere Flächen auf den ver-
Sto " en Abzeichen waren Federmosaik (iuitlacuilolli) Auf einem papierartigen
‘arbige Urden die zerschnittenen Federn aufgeklebt, und in dieser Weise verschieden-
die A hergestellt, richtige Gemälde, deren einzelne Theile, ganz wie es
Segen ik der eigentlichen Malerei mit sich brachte, durch schwarze Contouren
Neorg, Linder abgesetzt waren?). Bei den Unterhäuptlingen und den Kriegern
Ranges (quauhtli „Adler“, quauhtli-ocelotl „Adler und Tiger“ oder
l
Pi M Beleg dafür sei mir gestattet, folgenden einen Fall zu erwähnen. Auf der
qu meiner oben erwähnten Abhandlung sagte ich, dass nach Sahagun das
ne beten oltz ontli von den Kónigen beim Tanzen auf dem Rücken getragen wurde.
M eng enden Worte Sahagun’s lauten auch in der That: — ,y traian un plumage
“Clg eg das que se llamaba tlauhquecholtzontli muy curioso.“ Im aztekischen Text
"ties Segen an der betreffenden Stelle: — ,das quetzalpatzactli, das mit Gold
Valley ge Tgt er auf dem Rücken. Das tlauhquecholzontli, das kostbare, mit dem
er beim T Quetzalfederbusch. Sein Genosse ist die vergoldete Trommel, die Devise, die
qu er à auf dem Rücken trägt.“ Hier hat also Sahagun das ynquimama, ,wel-
lsehlicy à im Rücken trägt“, das zu dem vorhergehenden quetzalpatz actli gehórt,
" D Die n dus folgende tlanhquecholtzontli bezogen. B
la des P s. and eise dieser Technik ist in einigen Kapiteln des aztekischen Original-
ds. Bedenk, die hagun genau beschrieben, die aber in der spanischen Uebersetzung fehlen.
8S América Jeselben in den Comptes rendus der VIII. Sitzung des Congrès international
nistes zu publiciren.
Q
(116)
tiacauh, „der den Anderen vorangeht" genannt), waren diese Ausrüstungssfü
aus den gemeineren. einheimischen Federn hergestellt. Bei den Häuptlingen hob l
Ranges dagegen, tlàtoani, „der das Wort führt“, oder pilli „Kind“, „Prinz“ Cs
spanisch ,hijo d'algo*) genannt, wurden dieselben aus den kostbaren und prüch 0
gefärbten Federn, die man aus der Tierra caliente importirte, gefertigt. Letzt e
repräsentirien einen hohen Werth. Aber auch die Abzeichen der niederen Hüuptli ^
waren von solchem Werth, dass man billig fragen muss, zu welchem Zwecke seem
Kostbarkeiten in den Krieg, in die männermordende Schlacht, genommen wur
Zum Theil mag ja das seinen Grund in einer gewissen Prachtliebe hae
die der kriegerischen Minnlichkeit zu allen Zeiten und unter allen Völkern "
gehaftet hat, und deren Wurzeln man versucht isí, bis in das Thierreich hin? it
zuführen. Der Hauptgrund ist aber jedenfalls ein anderer. Der Krieger bem",
sich und putzt sich phantastisch auf, um auf diese Weise dem Feinde in inge.
einer Schreckgestali zu erscheinen. Ja ich glaube, wir kónnen sogar einen un
weiter gehen und sagen: der Krieger steckt sich in die Livree irgend einer Schro^
gestali, um auf diese Weise die Kraft derselben in sich übergehen zu mache
Der seelische Vorgang, den wir dabei anzunehmen haben, ist der gleiche, SY
wenn bei Zaubereien das Wort die Sache, eine an dem Bilde oder symbolis
vorgenommene Handlung, an dem Gegenstande selbst und in Wirklichkeit herbe"
zuführen bestimmt ist. Dass nun eine solche Anschauung auch für die i
kleidungen maassgebend war, in die sich der mexikanische Krieger stock
geht aus verschiedenen Angaben mit Sicherheit hervor. Als der ältere MO T
cuhcoma seinen Kriegszug gegen die Mixteca ins Werk zu setzen sich y
schickte, befiehlt er alles für den Krieg Nóthige in Bereitschaft zu halten; die ®
scharfen Obsidiansplittern besetzten Eichenknittel, die Muschelhórner, mit dent’
das Signal zur Schlacht gegeben wurde, die Tiger-, Lówen-, Adler- und Schlang? .
háute, ,um den Feinden Schrecken einzujagen^ (para poner terror y espant
les enemigos)". Und den Kriegern, denen vor der Schlacht ihre Führer Mr
einsprechen, wird gesagt, dass die Feinde keine wirklichen Dämonen, Spukersch®”
nungen, Tiger, Löwen, Adler, tzitzimitl (Todesdämonen), dass sie von Flos
und Blut und mit Waffen, ähnlich den ihren, ausgerüstet seien?). Wir wer g
in der That in dem Folgenden sehen, dass eine gleiche oder ähnliche Vorstell®
all den verschiedenen Kriegertrachten und -Abzeichen zu Grunde liegt. Dah i
auch die von den Schriftstellern der Conquista übereinstimmend berichtete me
sache, dass der Fall des Führers die Flucht des ganzen Heeres zur Folge va
Der Führer in seinem Federschmuck repräsentirte eine bestimmte mythische ° oil
gottliche, siegverheissende Gestalt. Fiel er, so hiess das, die nationale Gotth
ist unterlegen, auf Sieg nicht mehr zu bauen. . ch
Die gewöhnlichsten Verkleidungen waren die als Tiger, Lowe, Adler, die 2"
in der angeführten Stelle des Tezozomoc genannt werden. e
Der Tiger (ocelotl) wird unter den Rüstungen der Tributliste häufig ang d
iroffen. Der runde Katzenkopf und das gefleckte Fell sind sehr kennzeichn®
(Fig. 1). Als Farben kommen in der Tributliste gelb (braun), weiss, blau und
vor, wohl den Farben der vier Himmelsrichtungen (Osten, Norden, Westen, Si re,
entsprechend. Der Kopf des Tigers wurde, und so auch die der folgenden Th
als Helmmaske getragen, d. h. das Gesicht des Kriegers blickte aus dem gediine
Rachen des Tigers heraus. Vgl. Fig. 3. In dem Trachtenkapitel des Saha8
1) Tezozomoc, Cronica Mexicana, cap. 33.
2) Tezozomoc, ebend., cap. 28,
(117)
k
Rig ni Tiger merkwürdigerweise nicht vor, wenigstens nicht als gewöhnliche
de, T"iracht. Der ocelo-totec oder, wie richtiger zu sein scheint, ocelo-tontec,
Senannt wird, hat eine besondere Bedeutung.
hu it dem. Namen ,Lówe^ scheint in der spanischen Uebersetzung nicht der
ug i410), sondern der Coyote (coyotl) bezeichnet werden zu sollen. Die
Kop; Cen Thierverkleidungen der Tribuiliste zeigen deutlich einen länglichen
in den 5 2), der von dem runden Tigerkopf sich merklich unterscheidet. Und
erkleig Trachtenkapitel des aztekischen Sah agun sind diese ungefleckten Thier-
lichste p, sen direct als coyotl bezeichnet. In der Tributliste ist die gewöhn-
des d arbe gelb. Daneben kommt einmal Roth vor. In dem Trachtenkapitel
(Pig. 3) ekischen Sahagun wird ausser dem toz-coyotl, dem gelben Coyote
ham) noch ein weisser iztac-coyotl, ein blauer xiuh-coyotl, ein rothvioletter
te. “coyotl unter den Trachtabzeichen der Häuptlinge, und ein feuerfarbener
"Other Tots ein weissgefleckter citlal-coyotl, ein schwarzer tliltic-coyotl, ein
td ab Apal-coyotl unter den Trachtabzeichen der niederen Häuptlinge genannt
CPE Auch hier scheinen die verschiedenen Farben jedesmal den vier
Der. Himmelsrichtungen zu entsprechen.
Wie in d Adler (quauhtli) fehlt merkwürdigerweise, sowohl in der Tributliste,
Atlas 2 em Trachtenkapitel des Sahagun. Sollen wir aber den Abbildungen im
Weser Durán glauben, so wäre dies eine der häufigsten Kriegerverkleidungen
dem "hs. Auch in der Cronica des Tezozomoc wird der Adler immer neben
dle, ^ T und dem Lówen genannt. Quauhtli ,Adler“ oder quauhtli-ocelotl,
bei dex, d Tiger“, sind bekannte Bezeichnungen für den tapferen Krieger. Und
den auf blutigen Kampfspiel am Tlacaxipeualiztli rücken Adler und Tiger gegen
pi, em Steine temalacatl mit einem Fusse festgebundenen Gefangenen an.
Tit eine vierie Rüstung besteht aus einem Todtenkopf als Helmmaske, verbunden
Dieser p, Federwams, auf dem quer über die Brust ein Schnitt markirt ist (Fig. 5).
Ich abe Ustung kommt, wie ich schon in meiner fritheren Arbeit vermuthete, wie
ait, e in dem aztekischen Sahagun direct angegeben finde, der Name
zu.
m der Tributliste sind diese Rüstungen in den vier Farben gelb, weiss,
SClhen m angegeben. Das Trachtenkapitel des Sahagun nennt nur drei: den
Zlagt,: OZizitzimitl, den blauen xoxouhquiizitzimitl und den weissen
die Sin lzimitl, Mit dem Namen Tzitzimimó, — eine Pluralform, aus der
evi, "larform izitzimitl erst abgeleitet ist, — wurden bei den Mexikanern
das, Sie N ‚der Luft hausende Dämonen bezeichnet, von denen man annahm,
heit den eim Weltuntergang vom Himmel herabkommen und der ganzen Mensch-
fing har Garaus machen würden. In Wahrheit haben diese Dämonen aber
eno, sere Bedeutung. Nach einer Angabe in der Cronica Mexicana des
lit; heo sind es die Dämonen der Luft, die den Regen, den Donner und den
Sebijg, "absenden. In der That ist das Wort Tzitzimimé nur die mexikanisch
deu a turalform des Wortes izimin, das in den Maya-Sprachen ,Tapir* be-
Versi li dem Tapir aber wurde bei den Maya-Vólkern der Regen- und Ge-
Shen Vey aC identificirt. Immerhin ist dieser Chac, gleich seinem mexikani-
Lay fg” Tlaloc, eine todbringende Gewalt. Und auf dem Wege aus dem
"lioe nach Mexico mochte diese Gestalt wohl noch eine unheimlichere, phan-
Ke Bedeutung erlangt haben, die eines Schreckgespenstes, die seine Ver-
ery CM a für den in die Schlacht ziehenden Krieger ganz beson-
A] n.
* letzte unter den häufigeren Formen der Rüstungen oder Verkleidungen
(118)
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im engeren Sinne wire dann noch der cuextecatl, die uaxtekische pm "T
(Fig. 6, 8, 9, und seine Nebenform, der iztac-teocuitla-copilli un Das ist
teocuitla-copilli, die silberne und goldene Mütze (Fig. 10, zu henner. Diener
wie ich schon in meiner früheren Arbeit ausgeführt habe, die Trachi h ais E rd-
der Teteoinnan oder Toci, der alten Erdgôttin, die gleichzeitig auc Der Name
bebengóttin und als „Mutter des Krieges“ (madre de la discordia) galt. Name ihre”
cuextecatl wird bei der Beschreibung des Festes der Göttin als T 10 erweise”
Diener genannt. Und die hier gezeichneten Rüstungen Figg. 6, dic alle dre*
ihre Beziehung zur Teteoinnan hauptsächlich durch drei Sticke (vergl. Fig: 1]
bekannte charakteristische Stücke des Ausputzes dieser Gôttin sin " ealbmond-
das Bild der Teteoinnan aus Codex Telleriano Remensis IL. e durchbohrte”
förmige goldene Platte (coztic-teocuitla-yaca-metztli), die » rabfallende Obf"
Nasenscheidewand hängt; das goldene, bis auf die Schultern a in deln (imam?
gehänge (coztic-teocuitla-pipilolli) und die eingesteckten FL 10. angegeb??
lacaqueizal) die in den Abbildungen allerdings nur bei "i de Pigg. 6,-8, 9
sind, im Text aber auch bei den Mützen cuextecatl, welchen
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(119)
va brigen genau entsprechen, aufgeführt sind. Die Angabe der spanischen Ueber-
tin s des Sahagun, dass diese Ohrgehünge Maiskolben ähnlich waren, ist nur
ely ge Sahagun’s. Im aztekischen Text steht nichts davon. Sie sollen viel-
keit A Baumwolle wiedergeben, das Merkmal weiblicher Thätig-
für ih ie in dem Bilde der Erdgóttin das Material für ihr Ohrgehánge, ebenso wie
- “Ye Kopfbinde, abgiebt.
hey Cuextecatl, die uaxtekische spitze Mütze, ist die einzige von den eigent-
Telle Rüstungen oder Verkleidungen, die in dem historischen Theil des Codex
und Tio Remensis und Vaticanus A. bei den Figuren der mexikanischen Krieger,
Tip wenigstens an drei Stellen, angegeben ist (Fig. 6). Unter den Figuren der
aus iste zeichnet sich der cuextecatl (Fig. 8) durch die schwarzen Querstreifen
gen an denen das zugehörige Wams bedeckt ist. Ausserdem ist bei diesen Rüstun-
Tiber der besondere Schild Fig. 7 u. 15 angegeben. Von Farben kommen in der
Saha iste wiederum die vier schon oben genannten vor. Das Trachtenkapitel des
Segre nennt nur drei: den gelben coztic cuextecatl, den weissen iztac
|. Catl und den blau und gelben chictlapanqui cuextecatl.
Zu wo cuextecatl scheint übrigens keine besonders kostbare Devise gewesen
Ung Bs Am Feste Ochpaniztli, wird erzählt, kommen zum Schluss die Krieger
they; "upilinge im Tempel Atempan zusammen, und der König Motecuhcoma ver-
linge an sie Schmuckgegenstände und kostbare Rüstungen. Die grossen Hàupt-
hi LO tiacauan), heisst es daselbst im aztekischen Text des Sahagun,
hielten kostbare Gegenstände zum Geschenk. Die übrigen, die darnach kommen,
gy die Devise cuextecatl, — auh yye yxquich çatlacuitlapiloa yeuatl
p, omaca cuextecat]l tlauiztli (Sah. Ms. Bibl. Palacio).
Oder Ms sind die Rüstungen im engeren Sinne, d. h. die mit einer Helmmaske
det " Opfbedeckung versehenen Verkleidungen, die in der Tributliste abgebil-
hin Sahagun nennt und zeichnet noch einige andere, die aber augen-
teoeuitr weniger hüufige Formen darstellen. So die goldene Haube (coztic-
tyr A^ quacalalatli) die er als mit zwei Hórnern aus Quetzalfedern be-
loli e und die ohne Zweifel mit der Devise Fig. 13 identisch ist, die in dem
Magy, en Text des Sahagun an einer anderen Stelle unter dem Namen quetzal-
die E ,Hôrner aus Quetzalfedern", beschrieben und abgebildet ist. Ferner
Senau Lone Haube (iztac-teocuitla-quacalalatli), die aber im Text sehr un-
an der eschrieben ist und die möglicherweise mit der Fig. 14 identisch ist, welche
ndag W anderen Stelle des Sahagun-Manuskripts unter dem Namen ananacaztli,
die G àsserohr^, abgebildet ist. Beide scheinen bestimmt zu sein, die Tràüger in
ray alt der Xochiquetzal zu stecken, der jugendlichen Erdgóttin, der Jung-
Uit; lé die Genossin der Krieger des Telpochcalli, die ältere Schwester
den q, Poehtli's ist, und die ebenfalls regelmissig mit zwei hornartig aufragen-
ling pe cderbüischeln auf dem Kopfe ausgerüstet ist. Als Wams wurde zu
Fer auben das gelbe Papageienfederwams (toz-euatl) getragen.
MA sind noch zu erwähnen die Federkronen (tzontli), die aber auch
Way einlich sehr seltene Formen des Kriegerfederschmucks sind. Sie kommen
Cap, 1) nen nur den Idolen zu. In dem Trachtenkapitel des Sahagun (Buch 8
“Acuayn Ist ein cacuantzontli, eine Krone aus den goldgelben Federn des
agen Re, Es wurde dazu ebenfalls das gelbe Papageienfederwams ge-
S fünften emer em quetzalaziatzontli, das aus Reiherfedern mit einzeln ein-
Masa; Quetzalfedern bestand. Und in einem anderen Kapitel des Sahagun-
Nicht us der Academia de la historia, welches in die spanischen Ueberseizung
genommen ist, wird unter einer Reihe. verschiedenartiger Devisen auch
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die Fig. 12 abgebildet, mit der Bezeichnung queizal-qua-tlamoayaoalli, d. h
ein wirr durcheinander fallender Kopfschmuck aus Quetzalfedern.
Die Federkronen tlauhquecholtzontli und xiuhtototzontli bilden B€
standtheile besonderer Verkleidungen, die ich unten noch zu beschreiben habe"
werde.
Endlich nenne ich noch den quetzaltoto-icpac-xochitl, den „Quetzal-
vogelkopfschmuck“, von Sahagun mit den Worten beschrieben: Tambien tradlalt
por guirnaldas una ave de plumas ricas hecha, que traia la cabeza y el pico ác
la frente, y la cola ácia el cogote, con unas plumas muy ricas y lárgas: las 418°
de esta ave, venian ácia las sienes como cuernos hechos de plumas ricas?) ^
Dieser Sehmuck gehürte aber nicht zur Kriegerrüstung, sondern wird unter den
Tanzkostümen der Fürsten genannt. Beim 'Tanzkostüm scheinen überhaupt die
Stirnbinden (icpacxochitl)?) eine Rolle gespielt zu haben. Sie werden nebe"
den quetzalli, neben Oberarm- und Handgelenkringen (machoncotl, matem"
catl), Fächern (ecaceuaztli) und Handfahnen (macpamitl) unter den zum Tan?
benöthigten Gegenständen genannt. Daneben aber waren die icpacxochitl Ab-
zeichen der kóniglichen Würde. Mit „Corona real“ ist im Molina das WO!
teocuitla-icpac-xochitl, „die goldene Stirnbinde“ übersetzt. Eine solche war
nun allerdings das Rangabzeichen der mexikanischen Könige nicht. Die letztere?
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trugen (vgl. Fig. 18, das Bild des Kônigs Itzcoatl aus dem Sahagun Ms. der Ac
demia de la historia) einen Kopfreif mit erhóhtem dreieckigem Stirnblatt aus
Türkismosaik, der xiuh-uitzolli*) genannt ward. Aber aus der Mixteca und dem
Zapotekengebiet kamen goldene Stirnreife und Diademe aus Gold mit erhöhtem
Stirnblatt (vgl. Figg. 20 u. 19, die der Tributliste des Codex Mendoza entnommen
sind) Und in mixtekischen Bilderschriften sehen wir auch die Kriegshäuptling®
mit diesem goldenen Diadem geschmückt. Vergl. die Fig. 21, die einer mixtekt
schen Handschrift entnommen ist, die sich im Besitz des Hrn. Consul Dorenber&
in Puebla befindet.
1) Der letzte Satz ist wiederum eine unrichtige Hinzufügung. Denn mit dem im Text
folgenden quetzalquaquauitl ist ein besonderer Kopfschmuck gemeint.
2) Rémi Siméon, Dictionnaire de la langue Nahuatl, übersetzt: ,couronne de fleur
pour la tête“. Das ist falsch. Icpac-xochitl heisst weiter nichts, als ,der auf der
Kopfe getragene Schmuck“, „die Kopfbinde*, Vergl. die Worte ichca-xochitl, tlaeo
xochitl, eca-xochitl in Seler, ,Ein Kapitel aus dem Geschichtswerk des P. Sahagun":
Veröffentl. kön. Mus. f. Völkerkunde I. p. 148, 168, 174.
3) Das ist der richtige Name, und nicht copilli, wie Clavigero angiebt.
1120
(121)
beg komme nun zu den Devisen, die an einem leiterartigen Gestell (cacaxtli)
Sing Nd getragen wurden, das der Krieger sich auf den Rücken schnallte. Hier
ting d erster Linie die verschiedenen Fahnen, pamitl oder pantli, zu nennen. Sie
Schlacht natürlichste und wohl auch ursprünglichste Abzeichen des Führers in der
ng vy; und sind auch in dem historischen Theil des Codex Telleriano Remensis
Piggy anus A. am häufigsten an den Kriegerfiguren zu sehen. ,Das quach-
day Zoi, das coztic teocuitlapamitl, das quetzalpamitl, die geben im Kriege
jetzt lchen an* — heisst es im Sahagun-Manuskript — ,wenn die Leute sehen,
Zum Re den die Banner (quachpamitl) hochgehoben, so brechen die Krieger
capot PLC auf)“, Und vom queizalpamitl heisst es im Text tlacochcal-
Sing an, d. h. es ist das Abzeichen des tlacochealeatl, des Obergenerals. Doch
eint ch diese Standarten nicht bloss das ragende Abzeichen, welches die Stelle
Sentatiy Wo der Obergeneral sich befindet. Auch sie haben ihre bestimmte reprä-
Uit © Bedeutung. Der Kriegsführer Tezcatlipoca und der Kriegsführer
Banne 9pochtli werden im Codex Telleriano Remensis und Vaticanus A. mit dem
Banner auf dem Rücken dargestellt. Panquetzaliztli, das „Hochheben der
Vatica, » heisst das Fest Uitzilopochtli's. Im Codex Telleriano Remensis und
hog, "US A. sehen wir diesen Gott abgebildet mit einem quachpamitl in der
lese, trüobenen Rechten. Und sein Vertreter oder Vorläufer Painal trägt das
Puy," apamitl, das Goldbanner, in der Hand. Wenn diese Götter dadurch als
Rigo Kriege gekennzeichnet sind, so sollen doch umgekehrt unzweifelhaft die
dep AS die in gleicher Tracht erscheinen, als Repräsentanten des Gottes, der
"den Ter im Kriege ist, sich darstellen. — Als besondere Arten von Bannern
1) Stans;
Yon .38 quachpamitl, das ,Banner aus gewebtem Síoff?)*. Dieses scheint
(Pi. oV issen Kriegerfiguren des Codex Telleriano Remensis getragen zu werden
“gen, J Ausserdem scheint, nach der oben angeführten Stelle des Sahagun,
ae Men werden zu müssen, dass es den Alten vorzugsweise als Handbanner
lop, gp itl) diente. So scheint auch das Banner, das der Kriegsführer Uitzi-
Bangg in der Hand hält (Cod. Tell. Rem. und Vat. A.), zu dieser Klasse von
9) Dr zu haben.
wie 38 iziac-teocuitla-pamitl, das ,Banner aus Silberblech und das
Rega) *ocuitla-pamitl, das „Banner aus Goldblech*. Beide wurden in der
der Pig, gt weise getragen. So giebt es Sahagun an. Und so sehen wir es in
'*2, die dem Codex Telleriano Remensis IV. 20 eninommen ist. Die-
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im A, ung : un, im spanischen Text, spricht von Bannern, die in der Hand gehalten
dy tel ey ie, hochgehalten, das Zeichen zur Schlacht gaben. Das ist, wie man sieht,
hob Tries ti Text nicht direct gesagt. Die Sache scheint aber richtig zu sein. Denn
Shey, B rer Uitzilopochtli und sein Stellvertreter Painal werden mit hoch er-
ti 2) ran at in der Hand dargestellt. |
lig t quaes ttal in ihrem Aufsatz über den Federschmuck des Wiener Museum,
Ba 8 Congo amitl falschlich als generellen Ausdruck und macht die, etwas ungeheuer-
p, ere beide dass quachtli, „der gewebte Stoff“ (blanket) und quachpamitl, „das
NN beide * von quechtli, ,der Nacken* (el enello, el pescuezo) „abzuleiten seien.
M Würden ,auf den Schultern* getragen! Quechpan wird allerdings ,en
h den nicht (auf den Schultern) übersetzt. Aber die Banner und sonstigen Abzeichen
% mar „en los hombros*, sondern „acuestas“, „auf dem Rücken“ getragen.
ka oy in „er trägt es (wie eine Last, einen Korb u.s. w.) auf dem Rücken“ — heisst
li kann dem aztekischen Text. Und quachtli (d.i. kuati-tli) und quechtli (d. i.
doch eine vorsichtige Sprachvergleichung nicht gut zusammenbringen.
(122)
selbe stimmt nahezu genau mit dem Bilde des Tlacochcalcatl im Codex Mer
doza 68. 21. ys.
3) Das quetzalpamitl, die ,Fahne aus Quetzalfedern^. Im Sahagu? das
der Academia de la Historia ist unter diesem Namen ein Banner abgebildet, 94
in Farbe und Zeichnung genau dem entspricht, welches die hier gezeichnete Fs
des Codex Telleriano Remensis auf dem Rücken trägt. Im Text ist es als
zwei Schichten verschiedenfarbiger Quetzalfedern gebildet beschrieben. . . "
4) Das caquan-pamitl (Sahagun, Ms. Acad. Hist), eine. Fahne; der
Flüche aus den goldgelben Federn des caquan-Vogels gearbeitet war. . ' | fünf
2) Das macuil-pamitl (Sahagun, Ms. Acad. Hist), eine Gruppe von ^
mii. Federbusch an der Spitze versehenen Fahnen. bei
6) Das ixtlapal-pamitl (Sahagun, Ms. Acad. Hist.), das Querbanner, "
dem, nach Art unserer eigentlichen sogenannten „Banner“, auf der Spitze des rm of
gestells ein Querstock angebracht war, von dem das aus Federn gearbeitete Ban"
herabhing. … der
Eine zweite Gruppe von auf dem Rücken getragenen Devisen wurde mit den
allgemeinen Namen patzactli, d.h. „das Angepresste“, bezeichnet, Sie best gt
aus einem in Gestalt eines Kopfes gearbeiteten Gestell, das mit Federmosaik be Jen
wurde, und von dem man auf beiden Seiten einen kurzen Federabhang herablah
liess, und einer Doppelreihe aufrecht eingefügter Federn, die vom Scheitel ind
künstlichen Kopfes, über den Hinterkopf desselben weit hinabreichen!). Das ® net
die Devisen Figg. 26—31. Die ersteren derselben (Fig. 26, 27) habe ich in m ol
früheren Arbeit fálschlich als Federkronen gedeutei. Ich wurde dazu ver
durch den Umstand, dass sie im Codex Mendoza ohne Traggestell gezeichnet 5%
das übrigens im Codex Mendoza auch der Rückendevise quaxolotl fehlt
Im aztekischen Sahagun aber sind diese Devisen ausnahmslos mit dem 1 gie
arügen Traggestell (cacaxtli) gezeichnet. Vgl. Fig. 928. Und im Text werd" y
ausdrücklich als auf dem Rücken getragene Devise bezeichnet (quetzalpai7?" .
coztic teocuitlayo inquimama). : des
Die vornehmste dieser Devisen ist das quetzalpatzactli*) (Fig. 26), bet de?
die kammartig gestellte Doppelreihe aus schünen, grünen, wallenden F e" "m
Schwungfedern des Phacromerus mocinno, hergestellt isi. In dem Sahagun-^" de
skript der Academia de la Historia sehen wir mit diesem Schmuck den ersten "D
drei dort in kriegerischem Schmuck gezeichneten Oberhüuptlinge (tlàtôan! P is
bekleidet (Fig. 25). Derselbe trägt dazu ein Wams, aus den Federn des tür ren
farbenen Vogels, des blauen Kotinga, gefertigt (xiuhtotoeuatl) und den kosth®
quetzal-xical-coliuhqui chimalli (Fig. 4). In dem Kriegertrachtenkapitel (19
des Sahagun wird diese Devise ebenfalls als zusammen mit dem xiuhtotoeW
getragen bezeichnet. Aber als Schild ist dazu der teocuitla-xapo-chimalli u
— Ji
1) Im Sahagun Ms. der Academia de la Historia wird z. B. der quetzalp atra
mit folgenden Worten beschrieben: ynic tlachiuhtli colotli tlatlalili nepapan "m
ynic tlatzacutli ocampa. mixnamiqui yn quetzali yn icpac tlavipantl! al
motquitica quetzali, ,wird folgendermaassen gefertigt: es wird ein Gestell (in Gd
eines Kopfes) gemacht, das mit verschiedenartigen Federn auf beiden Seiten bedeckt ga
Darauf werden, einander gegenübergestellt, Quetzalfedern in Reihen geordnet, und eine
ausschliesslich Quetzalfedern“. — Die in Klammer gesetzten Worte „in Gestalt
Kopfes“ habe ich nach der Beschreibung der,anderen Arten patzactli ergänzt. (ve
2) In meiner früheren Arbeit habe ich diese Devise mit dem xiuhtototzontl!*?,
unten) verwechselt.
3) Im spanischen Text fülsch als ,chamarra de plumas verdes* bezeichnet. ....-
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dor n licht minder kostbarer Schild, angegeben. Auch unter den Tanzkostümen
ye ist der quetzalpatzactli mit an erster Stelle genannt. .
Bb. ben dem quetzalpatzactli scheint das cuecalpatzactli besonders häufig
Qi, Een Worden zu sein, das aus den brennend rothen Federn des alo, des rothen
do, plage (Sittace Macao), gefertigt wird. Vgl. Fig. 28, die dem Sahagun Ms.
Man “emg de la Historia entnommen ist. Die Guacumayofedern sind in diesem
en, it regelmässig durch Zinnoberfarbe, an Stelle des für andere rothe Federn
iq, defen Carmins, gekennzeichnet. Hierzu gehóren wohl auch die rothen Feder-
Mar che Fig. 27 der Tributliste des Codex Mendoza. Ferner werden im Sahagun-
toy. Skript der Academia de la Historia noch ein cacalpatzactli genannt, aus
tay Rabenfedern gefertigt, ein tlacochpatzactli (Fig. 29), bei dem die
tig gestellten Federn durch befiederie Speerschüfte ersetzt sind, endlich
129
(124)
ein aztapatzactli aus weissen Reiherfedern gefertigt mit einzeln eingesteckt”
und lang heraus ragenden grünen (Quetzal-) Federn. Diese simmtlichen vie
Devisen werden nicht als Trachtabzeichen von Oberhüupilingen aufgeführt, sonder
nur von Rottenführern (tiacauan) oder ausgezeichneteren Kriegern (quaquaubtin)
Die Fig. 30—31 der Tributliste des Codex Mendoza scheint der Farbengebu"é
nach als tlauhquechol-patzactli, d. h. ein derartiger, aber aus den Federn de
rothen Lüffelreihers gefertigter Schmuck, angesprochen werden zu müssen. währen”
das quetzalpatzactli und das cuecalpatzactli im Codex Mendoza ohne Trié
gestell gezeichnet sind, — das aber, ich wiederhole es, hier nur ausgelassen P
ähnlich wie es bei dem quaxolotl (unten Fig. 43) derselben Handschrift aust’
lassen 1st, — ist bei den Figg. 30, 31 das Traggestell regelmässig gezeichnet. e"
sieht bei den letzteren Devisen das kopfartige Gestell, welchem die Federre
aufsitzt, etwas anders aus, doch liegt ihm augenscheinlich dieselbe Idee zu Grund?
Die kammartig gestellte, weit hinabreichende Reihe von Federn ist charak/^
ristisch für ein Abzeichen, das in den Bilderschriften und im Sah agun den Gatten
Uitzilopochtli und Xiuhtecutli, dem Feuergott, zugeschrieben wird, und a
diese Götter, in derselben Weise, wie die Krieger das quetzalpatzactli auf den
Rücken tragen. Das ist der xiuhcoatl, das himmlische Feuer, die Feuerscblan®
der Komet. Vgl. Fig. 40, die dem Uitzilopochtli-Bilde des Sahagun-Manuskti? |
der Biblioteca del Palacio, und Fig. 41, die dem Bilde des Feuergottes im Cod"
Telleriano Remensis IL entnommen ist. Es ist ein Symbol des Feuers, das E 1
legentlich auch als blosser Federkamm erscheint. So in dem Bilde des al 9).
Himmelsgottes Tonacatecutli in der zapotekischen Wiener Handschrift (Fig: y
Die patzactli-Devisen stimmen mit diesem Abzeichen überein, indem auch ®
aus einem Kopf und einer kammartig gestellten Federreihe darauf bestehen. . 0S
Auf den Feuergott- weist auch das Material der gemeineren Abarten diet
Schmucks hin. Die rothen, Guacamayofedern und die schwarzen Rabenfedt’
werden überall in den Devisen verwendet, wo die Idee des Feuers erweckt wer à
soll, z. B. bei dem tlecoyotl, der ,Feuer-Coyoterüstung^ (Sahagun, MI. d
Hist) und der Devise tlecocomoctli, das ,flackernde Feuer“ (vergl. unten). poil
das tlacochtzontli, die ,Krone aus Speerschäften“ ist ein bekannter Bestandt
des Kopfschmuckes des Feuergottes n. p
Der Feuergott ist der Schlachtengott — ,avvocato della guerra“, wie der I? od
pret des Codex Vaticanus A. angiebt. Denn der Blitz ist sein Symbol, und Ne
und Brand — teoatl tlachinolli — associirt nicht nur der Mexikaner, sie "d
zu allen Zeiten und bei allen Völkern Bezeichnung für den Krieg gewesen. als
glaube also, dass der Krieger, der die patzactli-Devise irug, dadurch sich der
Diener des Feuergottes, des in der Schlacht mächtigen, gewissermaassen als "
verkleidete Feuergott, kundgeben wollte. — Die Reiherfedern, aus denen das " p»
patzacili gefertigt ist, haben allerdings mit dem Feuergott direct nichts zu die
Sie sind Abzeichen der Berg-, Regen- und Pulquegótter. Doch auch diese iet
den Blitz in den Händen tragen, sind ihrem Wesen nach nur Emanationen, Drm
Diener des grossen Himmelsgottes, des Feuergottes. Die tlauhquechol-Fe sie
endlich sind der auszeichnende Schmuck Xipe’s. lhnen, sowie dem Gott, pe
trägt, werden wir weiterhin noch begegnen. Der Gott ist der verkürperte Schlac "
gott. Und in seiner Tracht erscheint der Obergeneral der Mexikaner, der tlac@
catl, der Kónig selbst.
a gl.
1) Seler, Ein Kapitel aus dem Geschichtswerk des P. Sahagun. Veroffentl. kong
Mus. f. Völkerkunde I. Heft 4. 8. 143,
(125)
ni Abart von Feldabzeichen dieser Klasse habe ich bisher noch nicht ge-
£u , das 1st das xiloxochipatzactli, das in dem Kriegertrachtenkapitel (Saha-
Selb. Cap. 12) zum Schluss genannt wird. Der spanische Text beschreibt die-
dy »hechas à manera de almete, con muchos penachos, y dos ojos de oro“,
wig e Art Helm, mit vielen Federbüschen und zwei goldenen Augen*. Im
Goa Schen Text heisst es: „mit Blättern aus Quetzalfedern und Steinmessern aus
Ropa, d an den Schläfen goldene Scheiben“. Ich glaube, dass hiermit eine
inge t beschrieben ist, die man an Steinbildnissen háufig sieht, und deren
orm die Helmmaske Macuilxochitl's ist).
tu, eh komme nun noch einmal auf die vornehmste Abart von Devisen dieser
Worden das quetzalpatzactli zurück. Es ist nehmlich schon mehrfach bemerkt
OMM i dass mit dem quetzalpatzactli, sowie dasselbe Z. B. in der Fig. 26 ge-
aber N 1st, ein Schmuck die grosste Aehnlichkeit hat, der im Atlas zu Durán,
m "a dem Kopf der dort in der Schlacht vorangehenden mexikanischen Kónige,
den dis. Ist (Fig. 32). Ferner, wenn auch nicht ganz so frappant, der Schmuck,
Asche: Zweite der in dem Codex. Vaticanus À. in Tracht abgebildeten Häuptlinge
Weit Yili auf dem Kopfe trigt (Fig. 34). Die Gestalt der kammartig gestellten,
Morgan abreichenden Federreihe, die in so merkwürdigerweise an den Aufputz
Verve érikanischer Prairie-Indianer erinnert, ist zu charakteristisch, als dass hier
Schu Selungon vorliegen sollten. Soll man nun annehmen, dass ein solcher
bef, bald als eine Art von Helm auf dem Kopfe, bald an einem Traggestell
ng oo auf dem Riicken getragen worden sei? Ich glaube nicht. Die Zeichnungen
In die Angaben der Sahagun-Manuskripte — das authentischste Material, das wir
te Frage haben, — sind zu prácis. Und auch der Ursprung, den ich der
ting "m evise zuschreiben zu müssen glaube, dass sie nehmlich gewissermaassen
Been réviatur des xiuhcoatl, der Rückendevise des Feuergoties, sei, spricht
die m die Verwendung derselben als Helm. Zieht man Bilder in Betracht, wie
ls we 25, die dem Sahagun-Manuskript der Academia de la Historia entnommen
aber nn diese Devise noch deutlich als auf einem Rückentraggestell befestigt,
Mie eig u lbar hinter dem Kopfe des Kriegers angegeben findet, so begreift man,
“Binge flichtiger und ununterrichteter spanischer Zeichner dieselbe als Kopf-
der n auffassen und wiedergeben konnte?) Und ein solcher war ohne Zweifel
deg door der Geschichte Durän’s. Ja, ein solcher war auch der Zeichner
leni, x Vaticanus A., denn dieser Codex ist, wie münniglich bekannt, nur eine
hate lüderliche Copie des Telleriano Remensis mit einigen anderweitigen Zu-
die auf ch habe in den Figg. 33—35 die Köpfe der drei Häuptlinge wiedergegeben,
latt 81-—83 des Codex Vaticanus A. mit dem cuechin?) bekleidet, d. h.
S tm Peler, Ein Kapitel aus dem Geschichtswerk des P. Sahagun S. 163 und Fig. 100.
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CN einer Stelle ist im Atlas zu Durán dieser Schmuck auch deutlich hinter dem
a), pehnet. Das ist in der das Cap. 40 begleitenden Zeichnung (Tratado I. Lam. 13.
© ich à êt Zeichner von Frau Nuttall hat aber das Kopfhaar, das in allen Exemplaren,
tal sehen konnte, deutlich als solehes und mit Druckerschwürze gemacht ist, blau
iy die 5 PL TL Fig. 3 der englischen und Taf. III. Fig. 3 dex deutschen Ausgabe. —
Sch Sahagun Ma Pigürehen Fig. 97, die ich einer Darstellung des Festes Ochpaniztli
lg, ed " pe ript der Biblioteca del Palacio entnommen habe, diesen Schmuck an-
py be din; U als Kopfputz tragen, so erklärt sich das durch die Kleinheit und die
Ro t, Sicht ste ngenauigkeit der Figuren. Auch an der Fig. 36, die an derselben Stelle
Die Bela $$ aus, als ob die Devise quaxolotl, die hier der Krieger trügt, auf dem
9) Selen Würde. Und doch ist das zweifellos eine Rückendevise.
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in Tanztracht, dargestellt sind. Wenn mich nicht Alles täuscht, so liegt hier ;
der Fig. 35 einfach die Gestalt eines Kriegers zu Grunde, der eine Fahne, ein?
quachpamitl, auf dem Rücken befestigt trägt. Und so meine ich auch die Fig 3
so deutlich sie anscheinend gezeichnet ist, als unverstandene Bildung pezeichn®”
zu müssen und auch hier das quetzalpatzactli zu erkennen, dessen wahr”
Form und dessen richtige Tragweise nach dem Sahagun-Manuskript, das die Au
sagen und die Zeichnungen der Indianer selbst enthült, beurtheilt werden mus?
. Das queizalpatzactli glaube ich endlich aber auch in der Devise Z" o
kennen, die auf dem grossen Sonnenstein des Museo Nacional de México hint
dem Kopfe des Königs Ticoc zu suchen ist. Der Künig führt dori eine Rel
von Kriegern an, die, gleich ihm, in der Tracht Tezcatlipoca-Uitzilopochtl! ,
und mit der Brustplatte des Feuergottes bekleidet dargestellt sind, und die eine A
von religiösem Tanz aufführen, durch welchen der Sieg der nationalen Gottheit {ibe
verschiedene Feinde zum Ausdruck gebracht wird. Die Krieger (Fig. 38) ira?
eine Stirnbinde, die vorn mit einem Vogelkopf versehen ist. In den Bilderschriff^
ist mit einer solchen der Sonnengott gezeichnet. Vielleicht ist das das tototi?
manalli, was nach dem Sahagun-Manuskript der Biblioteca del Palacio die He
manime, d. h. die Krieger, die einen Gefangenen 'heimgebracht haben, beim Tant
auf dem Kopfe tragen. An diese Stirnbinde schliesst sich eine steife Krone "
Adlerfedern (qauhtzontli) und aus letzterer ragt ein langer Schwanz von Que”
federn. Der König aber (Fig. 39) trägt einen Adlerkopf als Helmmaske, d. B- se
Gesicht schaut aus dem geöffneten Rachen des Adlers, dessen Ober- und Un"
schnabel deutlich gezeichnet ist, heraus. Hinter diesem Adlerkopf aber sieht 77%)
einen mächtigen Federschmuck, der zweifellos mit dem quetzalpatzactl! d
Kriegertrachtenkapitel identisch ist. Nichts hindert uns, anzunehmen, dass #5
hier dieser Schmuck in derselben Weise getragen gedacht ist, wie es die Fig: h.
des Sahagun-Manuskripts der Academia de la Historia uns vor Augen führt, T "
auf einem am Rücken befestigien Gestell'). — Beiliufig móchte ich auf de?
1) Die weitgehenden Schlüsse, welche Frau Nuttall auf diese — übrigens auf i
Tafeln recht schlecht wiedergegebene — Figur aufbaut, werden nichtig, sobald nicht m
Sicherheit nachgewiesen werden kann, dass dieser Schmuck in der That, wie sie ann,
ein Kopfschmuck ist. Ich werde unten der Frage des Wiener Schmuckes näher un
und hoffe, den Beweis liefern zu können, dass er als cine Sache sui generis anges?
werden muss.
Z6,
(127)
tor Aswerthen Umstand aufmerksam machen, dass hier weder die mexikanischen,
Bei " fremden Krieger die übliche Waffe, das maquauitl, in den Händen haben.
Bestel); ersteren ist es begreiflich, denn sie sind in der Tracht des Gottes dar-
Beige 7 dessen besondere Waffe das Wurfbrett (atlatl) und das Speerbündel ist.
Damit] affen sind daher auch hier, zusammen mit Schild und Papierfahne (ama-
M ) in der rechten Hand der Krieger zu sehen. Aber auch die am Schopf
tinte © — nach Art der zum Sacrificio gladiatorio bestimmten Gefangenen fri-
Co dex M fremden Krieger sind nicht, wie in den ähnlichen Darstellungen des
der 1 doz 65, 66, mit Schild und maquauitl bewaffnet, sondern halten mit
Würth, en Hand das Bündel Speere hinter sich und reichen mit der rechten. das
pd (atlatl) dem Sieger hin.
Mit weitere Gruppe von auf dem Rücken getragenen Kriegerabzeichen wird
age generellen Namen quaxolotl bezeichnet, d. h. ,der auf dem Kopf ge-
log 68 Xolotl*. Das ist die Devise, die der tlacatecatl Fig. 43 (Codex Men-
Name : 20) trägt. Ich habe dieselben schon in meiner früheren Arbeit auf diesen
Mang bezogen, und diese Beziehung nunmehr in dem aztekischen Sahagun-
Geste "pt bestätigt gefunden. Diese Abzeichen bestehen aus einem halbkugligen
desse (eolotli tlatlalilli yaualtic), das mit Federmosaik belegt wird und von
UM tnterem Rande ein Federbehang herabfällt. Auf dem Scheitel der Wól-
dem E In den Bildern des Codex Mendoza ein Thierkopf angebracht, der genau
hier LN entspricht, durch welchen in demselben Codex die Stadt Xolotlan
tsi s isch bezeichnet wird. Im Sahagun-Manuskript der Academia de la Historia
Im Ang des Xolotl-Kopfes ein Todtenschüdel gezeichnet (Fig. 44). Gleich den
lise De. besprochenen Rüstungen (ocelotl, coyotl, tzitzimitl), kommen auch
Moxo a, 0 in den vier Farben vor: der gelbe tozquaxolotl, der blaue
Mapa] qui quaxolotl, der weisse iztac quaxolotl, der rothe chichiltic s.
Hin. “Yuaxolotl, — wiederum vermuthlich entsprechend den Farben der vier
pr Rtichtungen.
den poeni haben Devise und Federwams in der Regel dieselbe Farbe. So in
des S der Tributliste und nach den Angaben in dem Kriegertrachiencapitel
8elhey, agun (8. cap. 12). Nur der tlacatecatl Codex Mendoza 68 trägt zu dem
der Ha tozquaxolotl das roihe Federwams (tlapal-iui-euatl) Und so auch
Dey, Ping, der im Sahagun-Manuskript der Academia de la Historia mit dieser
Wax, Pekleide dargestellt ist. In den Abbildungen der Tributliste ist mit dem
Feb Hl ausnahmslos noch der yacametztli, die halbmondfärmige Nasenplatte,
Hp en Und so trügt ihn auch im Sahagun-Manuskript der Academia de la
tag) (Bi der mit dem tozquaxolotl ausgerüstete Häuptling. Nur dem tlacate-
Segen A 43) des Codex Mendoza fehlt merkwürdigerweise dieser Schmuck, da-
ling do, men beide Figuren, der tlacatecatl des Codex Mendoza und der Häupt-
MOM Sahagun-Manuskripts, darin überein, dass sie zum tozquaxolotl den
“Men Gop PO chimalli, den mit Federmosaik bedeckten und in der Mitte mit
n Xopg, en geschmückten Schild, tragen.
Bion l| ist eine merkwürdige Figur, deren Ursprung wohl in südlicheren
“then Ze Zu suchen ist. Im Kalender ist unter diesem Mamen, als Regent des
itin, (^ Chens, ein Gott in Gestalt eines Hundes (mit abgeschnittenen Ohren) ge-
ene wi von Symbolen der vier Himmelsrichtungen umgeben. Und als „Hünd-
d, ie ud auch überall der Xolotl-Kopf, der auf dem Scheitel der vorliegenden
& Diener Sehen ist, erklärt. Der Hund war bei den Maya-Stämmen das Blitzthier,
"n, das pes Regengottes, des Chac. Vgl. Fig, Fig. 45, den vom Himmel stürzen-
fuer in den Händen tragenden Hund (aus der Dresdener Handschrift).
(128)
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Wenn die Devise patzactli den Kopf und den Federkamm der Fouerschlaté,
(xiuhcoati vgl. Fig. 40, 41) zum Ausdruck bringen zu sollen schien, SO sch?
die Devise quaxolotl bestimmt zu sein, den weiten Himmel und das Blitzih er
vor Augen zu führen. Beiden liegt also dieselbe Idee zu Grunde. Der Kr ieg
kleidet sich in die Tracht des mit dem Blitze tödtenden Gottes. Aber der a
coatl und die patzactli-Devise sind gewissermaassen nationaleren Urspruré
Der quaxolotl von exotischem, Tierra caliente-Charakter. Daher auch die ur
mondíórmige Nasenplatte und der teocuitlaxapo chimalli, — bekannte A
rüstungsstücke der Kiistenleute und der Göttin, die im Küstenlande heim!
gedacht wurde, der grossen Erdmutter Teteoinnan. x osiell
Eine weitere grosse Gruppe von Kriegerabzeichen sind die an einem Ges
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. 187. ,
9
(130)
la quale avea fortemente legata sulla schiena, e s'innalzava dieci palmi in circa
sulla testa di lui^, und er bemerkt dazu, dass Standarten dieser Art von den Mexi-
kanern tlauiz-matla-xopilli') genannt worden seien. Ich weiss nicht, welcher
Quelle Clavigero diese Angabe entnommen hat. Weder Sahagun, noch Durán,
noch der Codex Ramirez nennen und beschreiben dieses Banner, ebensowenig
ist in dem Bericht des Cortés, noch in dem des Bernal Diaz, noch in Gomera
etwas darüber zu finden. Ich weiss also nicht, ob hier eine authentische Angabe
vorliegt oder nieht. Dass es aber Abzeichen dieses Namens gegeben hat, und dass
diesen die Beschreibung des Clavigero ungefähr entspricht, ist zweifellos. In
dem Kriegertrachtenkapitel (8. cap. 12) nennt Sahagun eine Devise quetzal-
xopilli, die mit Goldschmuck versehen war; es sei das gelbe Papageienfeder-
wams dazu getragen worden. Es ist das diejenige Devise, die er im spanischen
Text als ,hechas con plumas verdes que se llaman queitzal, à manera de
chosa, y en todas las orillas tenia unas flocaduras de pluma rica y con oro^ be-
schreibt?). Ich hatte schon in meiner früheren Arbeit die Devise ,à manera de
chosa“ auf die Fig. 51 bezogen. Ich werde demnach auch den Namen queítzal-
xopilli auf diese Figur beziehen müssen und komme hier in Uebereinstimmung
mit Frau Nuttall, die das von Clavigero erwähnte Banner tlauiz-matla-
xopilli auf die Devise Fig. 51 bezieht, wegen des goldenen Netzes, das in letzterer,
im Centrum der Devise, zu sehen ist. Frau Nuttall aber emendirt, wie ich meine;
offenbar mit Unrecht, tilauiz-matla-topilli. Ich finde gerade in dem Namen
xopilli, ,Zeho* eine Stütze für die von mir und ihr angenommene Beziehung.
Bei dem im Sahagun-Manuskript der Biblioteca del Palacio abgebildeten Gotte
Macuiltochtli (Fig. 52) ist im Text als sein Halsband ein xopil-cozcatl ge-
nannt. Die Abbildung zeigt den Hals dieses Gottes, umgeben von einer ge-
schwungenen, doppelt contourirten Linie, die ziemlich genau die Form wiedergiebt,
die uns die Devise Fig. 51 vorführt. Wie diese Form dazu kommt, mit dem
Worte xopilli, ,Zehe* bezeichnet zu werden, ist mir freilich noch nicht klar.
Wenn wir annehmen, dass die in der Tributliste des Codex Mendoza abgebil-
deten Devisen die häufigeren Formen darstellen, so wären mit dem Obigen
die häufigeren Formen derselben erschöpft. Es wäre höchstens noch die Fig. 50
zu nennen, die einmal in der Tributliste vorkommt. Ich habe sehon in meiner
früheren Arbeit auf diese Devise den Namen tozceocolli bezogen, ,das gelbe
Hinundhergekrümmte^, der in der Crónica mexicana des Tezozomoc für eine
Devise angegeben sich findet, die daselbst mit den Worten ,como rio corriente;
el rio de oro ó dorado* beschrieben wird. Ich finde diese Angabe bestätigt, indem
im Sahagun-Manuskript der Academia de la Historia unter dem etwas varürten
Namen tozcololli, der aber dasselbe bedeutet, die Devise Fig. 49 gezeichnet ist.
— Die ganze Form dieser Devise erinnert an die Art, wie in den Bilderschriften
und auf Gefässen die abgezogene Menschenhaut, in die gekleidet Xipe einher-
geht, gezeichnet und gemalt ist. Und es erscheint mir nicht unwahrscheinlich,
1) Die ganz willkürliche Conjeetur der Frau Nuttall, dass tlauiz-matla-topilli
zu lesen sei, habe ich schon in meinem früheren Aufsatz zurückgewiesen. In dem Folgen
den ist aus dem aztekischen Sahagun der Nachweis erbracht, dass es Devisen gegeben
hat, die den Namen xopilli, ,Zehe* führten. .
2) Dass diese Beschreibung des spanischen Textes auf die Devise quetzalxopill!
zu beziehen ist, folgt aus der Reihenfolge der Beschreibungen, die im spanischen Text
streng der Reihenfolge des aztekischen Textes folgt.
(EN
dass das tozcocolli oder tozcololli einen Streifen abgezogener Menschenhaut
zur Anschauung zu bringen bestimmt war. /
Von den übrigen Devisen möchte ich hier an erster Stelle das bannerartige
a Sichen erwähnen, das der Krieger des Oelbildchens der Bilimek’schen Samm-
den ) auf einem sonderbaren, von Hochstetter als Haus gedeuteten Gestell auf
em Rücken trägt. Ich habe das Urbild dieses Kriegers in einer aztekisch ge-
S hricbenen Handschrift der früher Aubin'schen Sammlung gesehen, und zwar als
aut Bid des Königs Axayacatl, der, in Wehr und Waffen und mit dieser Devise
Die "" Rücken, zum Kampf gegen die ireulose Nachbarstadt Tlaltelolco ausrückt.
> Erklärung der Frau Nuttall, die in dem Abzeichen des Bilimek'schen Krie-
die drei Worte herausliest, Calmecaua Tlacochcalcatl Quetzalapanecatl,
¢ Namen, Rang und Vaterland eines bestimmten hypothetischen Kriegers wieder-
Seben sollen, fällt damit von selbst.
que In dem Kriegertrachtenkapitel des Sahagun (9. cap. 12) werden als ,aderezos
Son usaban los señores en la guerra“ noch ein quetzal-tonatiuh, eine goldene
com; mit einer Scheibe Quetzalfedern in der Mitte, und ein ocelo-tlachic-
Rond ein Pulquetopf, erwähnt, bei dem das herausschäumende Getränk durch
An eu mit einzeln eingesieckten Quetzalfedern zum Ausdruck gebracht ist.
der Me der ersteren Devise finden wir in dem Kapitel des Sahagun-Manuskripts
Häu imdemin de la Historia, welches die Abzeichen der oberen und niederen
(Fig. "s und ihre Anfertigung erzählt, einen çaquanton atiuh beschrieben
Hack: ) aus den goldgelben caquan- Federn gefertigt. Und an Stelle des ocelo-
Es ido comiti ein ometoch-tlauiztli, d. h. ,Devise der Pulquegütter" (Fig. 93).
clingy nfl ein Topf, welcher übrigens ın der Form mit demjenigen überein-
das he der auf den Minteln ometoch-tecomayo-tilmatli gezeichnet ist?), und
rt à Getränk ist wiederum durch Reiherfedern mit einzeln ein-
ls Ty i" Quetzalfedern zum Ausdruck gebracht. Beide Abzeichen sind auch hier
Schein], ehe von Oberhäuptlingen angegeben. Den Pulquetopf sehen wir augen-
Rücken. auch in der Fig. 54 des Codex Vaticanus A. 137 als Devise auf dem
Yo getragen. |
letzteren sonderbaren und vielgestaltigen Abzeichen, die ausserdem noch in dem
gebildet nten Kapitel des Sahagun-Manuskripts der Academia de Ja Historia ab-
Hani beschrieben sind, erwähne ich zunächst die Fig. 56, die mexayaca-
Kalend, genannt wird und ein bekanntes Bild vor Augen führt, das in dem
dung, de, cer dem Namen Itztlacoliuh qui, , Gottheit der Kälte, der Y erblen-
der ros. Sünde“ genannt wird, und der eigentlich Gottheit des Steins und Sohn
Feste den dur Teteoinnan oder Toci ist*). An dem Ochpanizili, dem
Sentirende oct, wurde dem zu Ehren der Göttin geschlachteten, die Göttin reprä-
*hinomme, Opfer die Haut abgezogen und vom Schenkel desselben em Stück Haut
hier erwähy das zu einer Maske verarbeitet wurde, die mexayacatl, gleich der
Yersehene nten Devise, genannt und mit dem gekrümmten und mit Zackenkamm
Peier w n Hute itztlacoliuhqui verbunden getragen ward. Zum Schluss der
urde diese Maske von erlesenen Kriegern übernommen, die dieselbe im
Do, Ford. von Hochstetter. Mexikanische Reliquien aus der Zeit Montezumas-
Schriften den Pink. In er, ,Mexikanisc e Re iquien us der eit Lontezuma 8.
{D Vel Seler Ki 8. istor. Klasse d. Kais. Akademie d. Wiesensch. Wien. Bd. XXXV.
Fig, 60. eler, Ein Kapitel aus dem Geschichtswerk des P. Sahagun a. a. 0.8. 169.
3
Vu pene ler, Das Tonalamatl der Aubin'schen Sammlung. Comptes rendus
ongrès international des Américanistes. Berlin 1883. p. 648—049.
nt
ro.
{
Lauf an die nächste Grenze brachten und dort auf feindlichem Gebiete depo-
nirten.
Wir haben oben die Devise cuextecatl kennen gelernt, die aus einer spitzen
Mütze (copilli) mit Quaste am Ende bestand, welche, wie wir nach den Abbil-
dungen des Codex Telleriano Remensis schliessen müssen, auf den Kopf gesetzt
wurde (vergl. oben Fig. 6). Dieselben spitzen Mützen, nur mit einem reicheren
Federbehang versehen und ohne den bei dem cuextecatl angegebenen Gold-
schmuck (Ohrgehänge und Nasenplatte), finden wir nun in dem genannten Kapitel
des Sahagun-Manuskripts als Rückendevise gezeichnet, und zwar ein quetzal
copilli (Fig. 57) mit Mosaik von Quetzalfedern belegt, als Trachtabzeichen von
Oberhäuptlingen, ein aztacopilli, aus weissen Reiherfedern gefertigt, als Tracht-
abzeichen von Unterhäuptlingen. In einem aztekischen Manuskript, das sich in
der Bibliothek zu Florenz befindet und von welchem Frau Nuttall photographi-
sche Copien aufgenommen hat, sind auch Kriegerfiguren mit dieser Devise auf dem
Rücken abgebildet.
Eine Devise tlecocomoctli, ,flackerndes Feuer^ genannt, aus rothen Guacu-
mayofedern gefertigt, giebt das Bild eines brennenden Feuers. Zwei andere, ein®
rothe und eine weisse, tlapal-iui-telolotli und iztac-iui-telolotli genannt
(Fig. 62), stellen wirre Ballen von Federn dar. Eine dritte, das tlapal-itz-mitl
(Fig. 60), giebt das Bild einer Pfeilspitze. Merkwiirdig sind die Devisen in Haus-
form. Ein xacalli, ,Haus mit Strohdach* wird genannt (Fig. 58), ein cacacalli,
„aus Gras geflochten“ und der Beschreibung nach in Gestalt eines Käfigs gefertigt,
endlich ein caltzaqualli, ein mit Stufenpyramide versehenes Steinhaus. Der
Quetzalvogel (quetzaltototl) und der Truthahn (uexolotl) werden, auf eine
Stange gesteckt, als Abzeichen auf dem Rücken getragen, ersterer von Oberhüupl-
lingen, letzterer von Unterhüuptlingen. Die goldene Trommel (teocuitla-ueuetl)
Fig. 61 werde ich gleich noch zu erwühnen haben. Eine Devise, tlaquimilolli
genannt, sieht wie ein mit Stricken umschnürtes Bündel aus. Fig. 59 zeigt eir
Kind, ein Baby (tzipitl oder tzipiton), aus Holz geschnitten, der Beschreibung
nach „ein schmutziges Baby mit seinem Schmutz in der Hand“ (quauitl tlaxintli
yuhquin piltontli tlatzatlauilli ymacca ytlamatzoval). Auch ein Schild
mit einem darauf gemalten Ungeheuergesicht (chimallauiztli) wird als Ab-
zeichen anf dem Rücken getragen.
Was für eine besondere Bedeutung all’ diesen Abzeichen innewohnt, darüber
bin ich zur Zeit noch nicht im Stande, mich mii Bestimmtheit zu üussern, und
eine Erörterung von Möglichkeiten würde mich zu weit führen. Nur möchte ich
betonen, dass ein Wirken von Laune oder Zufall ausgeschlossen erscheint, das®
alle diese Abzeichen ohne Zweifel in Beziehung zu einer bestimmten mythische?
oder göttlichen Persönlichkeit standen, dass der mit diesen Abzeichen bekleidete
Krieger dadurch als Repräsentant dieser Persönlichkeit sich darzustellen beab-
sichtigte.
Das letztere Verhältniss liegt klar zu Tage in einer Anzahl von Riistunge™
die ich bisher unbesprochen liess, weil sie keine Gegenstünde gemeinen Gebrauchs
waren, sondern, wie es scheint, ausschliesslich dem obersten Kriegshäuptling der
Mexikaner, dem König, reservirt waren. Das sind die Rüstungen tlauhquechol-
tzontli, xiuhtototzontli und ocelototec, welche Sahagun in dem Kapitel
(8. cap. 12) ,de los aderezos que usaban los Sefiores en la guerra^ an erster Stelle
nennt, und die auch in der Oróniea mexicana des Tezozomooc an verschiedene?
Stellen als Kriegerschmuck des mexikanischen Königs aufgeführt werden. Alle
drei sind keine einzelnen Trachtabzeichen, sondern ganze Kostüme, und zwar
132)
G7)
Kostüme eines und desselben bestimmten Gottes, des Gottes Xipe, des „Geschun-
denen“, der auch Tlatlauhqui Tezcatl, „der rothe Spiegel“, oder Tlatlauhqui
Tezcatlipoca, „der rothe rauchende Spiegel“, oder Totec genannt wird, em
Name, der ja auch in dem Namen der einen dieser drei Rüstungen, in dem ocelo-
totec, deutlich ausgesprochen ist.
Ich möchte hier zunächst erwähnen, dass, wenn im Tezozomoc Cap. 91
una divisa de oro llamada teocuitla tontec con una ave encima de el tlauh-
quechol* als Riistung des Konigs Axayacatl genannt und weiterhin (cap. 84) tlauh-
quechol-tontec als die Devise erwähnt wird, in welcher der die Otomi von
Nopalla und lepactepec bekriegende Motecuhçoma erscheint, darin nicht, wie ich
» meiner früheren Arbeit annahm, eine Verderbniss vorliegt, sondern dass viel-
Mehr tontec die richtigere — oder genauer gesagt — die klassische Form für das
Provinciale totec ist. Denn Totec, als Name des genannten Gottes, bedeutet
mnl wie gewöhnlich angenommen wird, ,unser Herr“ == toiecuyo, sondern ist
von-teo zu lesen und mit ,Herr der Sonne, der Gluht, der Pein* zu überseizen.
(eret tona hacer calor, toneua, onitoneuac ,padecer dolor, escocimiento 0
va om^ ioneua, onitetoneua atormentar 6 afligir 6 otro“. Das geht aus der
de arsctzung hervor, die der Interpret des Codex Telleriano Remensis von einem
del Namen des Gottes, dem Namen Iztapaltotec, giebt: „pedernal ensangrentado
des dolorido*, — eine Uebersetzung, die sofort zu verstehen ist, wenn wir statt
Por provincialen, dialektischen Iz-tapal-totec die richtigere (klassische) aztekische
(en Itz-tlapal-tontec setzen, Wo itz-tli das Steinmesser (pedernal), tlapal-li
sangrentado) und tontec-tli der Gepeinigte (el dolorido) bedeutet.
aug die Tracht und den Ausputz dieses Gottes habe ich an anderer Stelle
ko, ch gesprochen). Die drei genannten Rüstungen charakterisiren sich als
tza ume Xipe's hauptsáchlich durch den Umstand, dass bei allen dreien der
wr oeueitl, das kurze Róckchen aus Zapoteblättern, angegeben ist, welches Xipe
A Hüften trägt, und dass zu allen dreien als Rückendevise die Trommel
die D getragen wird, die an anderen Stellen als yopiueuetl, die Yopi-Trommel,
dem rommel Xipe's, bezeichnet wird. Auch der anauayo chimallli, der bei
tos ui n hquecholizonthi und das tlacanaualli, das bei dem xiuhtoto-
1 angegeben wird, sind charakteristische Bestandtheile der Tracht Xipe's.
va Ds tlauhquecholtzontli besteht aus einer Krone aus den schônen karmoisin-
ist ng ern des rothen Lüffelreihers (Platalea ajaja L.), die mit Gold besetzt
getra aus der ein Busch von Quetzalfedern herausragt. Dazu wird ein Wams
Rang, das aus denselben rothen Lóffelreiberfedern gefertigt und am unteren
teocni mit goldenen Anhängen in Gestalt von Steinmessern besetzt ist (coztic
coke. initetecpayo), ferner das grüne, aus Quetzalfedern gefertigte Zapote-
oder vo und als Rückendevise (tlamamalli) die goldene (mit Gold beschlagene
oder re Mehe) Trommel. Zu dem Wams ein Halsband aus grossen Grünstein-
Das au dsperlen, und der aus getriebenem Gold gefertigte anauayo chimalli.
grosse alls aus getriebenem Golde gefertigte tlaca naualli Xipe's, eine
bei dec p ende Scheibe, die auf der Brust getragen wurde, ist hier im Sahagun
citirten Ver des tlauhquecholtzontli nicht genanni, aber in der oben
Wird, de des Tezozomoc, wo die Rüstung des Königs Axayacatl genannt
leoeuit] darauf hingedeutet, indem diese als ,una divisa de oro llamada
a tontec con una ave encima de el tlauhquechol* beschrieben wird.
aus anus Tonalamat) der Aubin’schen Sammlung a. a. O. S. 651—669 und ,Ein Kapitel
chtswerk des P. Sahagun*^ a. a. O. 8. 145-141.
139
(134)
Und beim xiuhtototzontli ist, wie wir gleich sehen werden, auch im Sahagun
das tlacanaualli ausdrücklich angegeben.
Das xiuhtototzontli war, wie der Name besagt, aus den türkisfarbenen
Federn?) des xiuhtototl, des blauen Kotinga, gefertigt, mit Gold verziert und
mit einem wallenden Busch von Quetzalfedern versehen. Es war, wie hier im Text
ausdrücklich gesagt ist, eine Krone, die auf den Kopf gesetzt wurde. Es wurde dazu
ein Wams, aus denselben hellblauen Federn gefertigt, getragen (xiuhtotoeuatl)
das am unteren Rande ebenfalls mit goldenen Steinmessern besetzt war. Ferner
das Zapoteróckchen und das goldene tlacanaualli. Als Rückendevise wurde dazu
eine hellblau angestrichene und mit Gold verzierte Trommel (xoxouhqui ueuetl
coztic teocuitlayo) getragen.
Der ocelototec endlich bestand aus einem Tigerfell (init zugehorigem Kopfe),
unten ebenfalls mit goldenen Steinmessern besetzt. Dazu wurde das Zapoteröck-
chen getragen und als Rückendevise eine mit Tigerfell beschlagene Trommel. Als
Schild wurde hierzu — und vielleicht ebenso zu dem xiuhtototzontli, — ein
teocuitlaxapo chimalli getragen, d.h. ein Schild, dessen Fläche mit einem
Mosaik aus den Federn des türkisfarbenen Vogels (xiuhtototl) bedeckt war, mit
einem breiten Goldreif in der Mitte.
Xipe ist die nationale Gottheit der Yopi, einer den Zapoteken und Mixteken
verwandten Nation, die im Gebiete des heutigen Staates Guerrero, den mexikanisch
redenden Couixca?) benachbart, wohnten. Sie wurden auch Tlapaneca, „die
von der rothen Farbe^ oder ,Bewohner des Rothlandes^, genannt, weil sie sich
roth schminkten und ihre Priester “und ihr Gott roth geschminkt und roth ge-
kleidet gingen. Die tlauhquecholtzontli-Devise, die rothe Federkrone und das
rothe Federwams, bilden daher das eigentlichste Kostüm des Gottes, der ja auch
,der rothe Tezceatlipoca^ genannt ward. Aber die mexikanischen. Gottheiten
haben alle ein doppeltes Gesicht. Der rothe Gott ist der Feuergott, der oberste
Himmelsgott. Als solcher reprüsentirt er nur die eine Seite des Wesens der Gott-
heit. Der Gott lässt sich auch zur Erde hinab, um die Erde zu befruchten. Dann
ist er der „in der Wasserherberge hausende^, der in Wolken gehiillte, der in der
Luft sein Wesen hat, der dunkle, nüchtige. Daher das blaue xiuhtototzonili
und das xiuhtotoeuatl, das andere Gewand, das dem Gotte ebenfalls zu Recht
1) In dem spanischen Text ist fülschlich von ,plumas verdes en lugar de caballera®
die Rede. Xiuitl ist der Türkis, dessen mexikanische Varietäten (Calait) allerdings ein
ins Grünliche ziehendes helles Blau aufweisen. So bedeutet auch xoxouhqui nicht, wie
gewöhnlich angegeben wird, .grün^, sondern ein ins Grünliche ziehendes helles Blau.
Xoxoctie wird im Codex Ramirez als Farbe des Gewandes der Wassergôttin Chal-
chiuhtlicue angegeben, das man in Bilderschriften ausnahmslos hellblau oder mit hell-
blauen Wellenlinien angegeben findet. Und xoxouhqui ist die helle Farbe des Himmels-
Der xiuhtototl endlich ist, wie die Beschreibung dieses Vogels im Buch Sahagun’s
erkennen lässt, der blaue Kotinga, dessen Federn Hr. von Hochstetter ja auch in dem
Wiener mexikanischen Schmuck constatirt hat. Die ungenaue Angabe Sahagun's, der
hier von ,plumas verdes en lugar de caballera* spricht und auch die als Rückendevisé
getragene Trommel als ,tambien verde* bezeichnet, hat mich in meiner früheren Arbeit
verleitet, die quetzalpatzactli-Devise mit diesem xiuhtototzontli zu confundiren.
An anderer Stelle übersetzt Sahagun das Wort xoxouhqui richtig mit ,azul* (blau).
2) Couixca selbst ist ein zapotekisches Wort, wie die Vorsylbe co, die im Zapoteki-
sehen ein nomen agentis bezeichnet, kundgiebt. In Juán de Córdoba's zapotekischen
Voeabular findet man péni-huijchi, péni-cohuijchi Mexicano; quela-huijehi:
quela-eohuijchi lengua ó habla Mexicana.
(135)
MU
n v : 3
2» a
{ : ’
(
Zukommt, Der Gott steigt endlich
Auch zu den Todten hinab, der
Sonnenball verschwindet hinter den .
Bergen, das Licht wird von der .
Erde verschluckt Dann ist der Gott
der Tiger, das Thier der Höhlen,
der in der Nacht auf Raub ausgeht, | al
der Inbegriff todbringender Gewalten. TWN vo Ox |
Die Tigerrüstang, der ocelototec, d ( re )
Ist daher die dritte der Verkleidun- iP =
TUN in der die Gottheit erscheint. qa d [A229]
t Himmel, auf der Erde und in Dl tf re A = AN
iei Unterwelt hat Tezcatlipoca N : a UFR re
niet Wesen, berichten die Chro- ^ yd V DC .
in a. n als En sehen wir - 7, 7 c - uN É. 3
odex Telleritano Remensis AE er A
La der Erdgöttin Xochiquetzal ; NM ) TE yin?
Begentiber dargestellt. E) En \ 62
hund um die Mitte des 19. Jahr- VAM
mej erts das mexikanische Ge- Lf 28
“Indewegen unter energischen CLR (NT
Häu tli : 4 — JU) EARN
coma, ingen, dem älteren Motecuh-
same und Axayacatl, sich’ fester zu- | |
den duschloss, die Nachbarstadt Tlaltelolco angegliedert und der Bund zwischen
Top Stämmen des Valle de México, den Mexikanern, den Acolhua und den
Asser begründet ward, machte sich die Kraft des Gemeinwesens auc me
tionen dureh welt nach dem Osten und dem Süden geführte kriegerische pe ]-
und car, 'Tziuhcoae und Cuetlaxtlan wurden unierworfon, to m orien
der Talk des Totonakenlantes belegene Gebiet der ^ PM a nd us net
Thal vo M" un Couixea, der Landstreifen, er von n Be m ei
In diese 2 exico hinab zur pacifischen Küste zieht, wurde untet han ge = :
zu entnel, eit fällt auch, wie aus emer Angabe ım Tezozomo c mit estimmithert
men ist, die Rinführung des Cultus Xipe's oder wenigstens seine all-
EN
(155)
gemeinere, staatliche Verehrung. Das Wappen Xipe's — d.h. sein Schild und
seine Handfahne — isi daher auch auf dem Chimalli = Stein von Cuernavaca
dargestellt (Fig. 65), der, wie ich nachgewiesen habe, das Datum des Regierungs-
antrittes des Konigs Axayacatl enthdlt?). Seit der Zeit finden sich auch in der
mexikanischen Chronik verschiedene Angaben, welche beweisen, dass der mexika-
nische Kónig in der Schlacht im Kostüm Xipe's im tlauhquechol-tontec, mit
der Federkrone tlauhquecholtzontli bekleidet, erschien. Und wie oben er-
wühnt, wird diese Devise im Kapitel 91 auch als die Rüstung erwühnt, welche
ehemals der Kónig Axayacatl trug. Fig. 66 aus Codex Vaticanus A. 128 zeigt uns
den Konig Motecuhcoma den Jiingeren, in die Tracht Xipe’s gekleidet und mit
der Trommel als Rückendevise, als Sieger über Toluca (im Jahr 9 calli — A. 8. 1501).
Als Motecuhcoma ist diese Figur durch die Hieroglyphe gekennzeichnet, die an
dem Kopfe derselben zu sehen ist, — eine Konigskrone (xiuhuitzolli), die auch
anderwüris in Hieroglyphen den Lautwerth tecutli, ,Kónig, Fürst^, bezeichnet.
Der Gott Xipe ist in der Form, in welcher er in der Stadt México gefeiert
ward, insbesondere der Repräsentant des Kampfes und des Triumpfes über den
Feind. Die erlesensten und tapfersten unter den feindlichen Kriegern wurden ihm
geopfert, das Opfer selbst unter Vorführung eines Kampfes (Sacrificio gladiatorio)
vollzogen. Es ist der Feuergott und Schlachtengott der Tierra caliente, wohl iden-
tisch mit dem Cit-chac-coh der Maya, dem die Krieger Yucatan's das Fest der
Trommel (pax) feierten, und auch in den Maya-Handschriften erkennbar in der
Figur eines in gleicher Weise, wie Xipe, im Gesicht gezeichneten Gottes, dessen
Hieroglyphe von Todessymbolen und von dem Bilde des Lówen (des Blitzthieres)
und des Adlers begleitet erscheint, Es war somit eine besondere Schreckgestalt,
die der König annahm, die Verkleidung eines in der Schlacht besonders mächtigen
Gottes, wenn der mexikanische König und Obergeneral in der Tracht Xipe's er-
schien. Und wenn die mexikanischen Schaaren zum Angriff vorgehen, so über-
nimmt der in das tlauhquecholtoniec, d.h. als Xipe gekleidete König die
Führung. Er lässt das „atamborcillo dorado“ erklingen, die Trommel Xipe’s, und
schüttelt von Zeit zu Zeit das chicauaztli, den Rasselstab Xipe’s, seine Schaaren
anfeuernd. Und diese „gewinnen dadurch solchen Muth, dass sie gleich Blitz-
strahlen auf die Feinde fallen und Alles erschlagen, Alte und Junge, Männer und
Weiber und die kleinen Kinder, die Häuser verbrennen und zum Schluss den
Tempel, so dass die eroberte Stadt dem Rauche gleicht, der von dem Gipfel des
Vulkans aufsteigt?)*. In dieser Stelle des Chronisten ist die Bedeutung dieser
Verkleidüng und der Kriegerverkleidungen überhaupt aufs Klarste ausgesprochen.
Es war ein sehr reeller Zweck, den der Krieger verfolgte, wenn er die Gestalt
dieses und jenes Schreckbildes, dieses und jenes schlachtengewaltigen Gottes am
nahm. Und dass an die Wirksamkeit dieser Verkleidungen, sowohl hüben wie
drüben, auf mexikanischer, wie auf feindlicher Seite, auf das Ernsthafteste geglaubt
wurde, darüber kann nicht der geringste Zweifel bestehen,
Das ,atamborcillo dorado“ (coztic teocuitla-ueuetl), die vergoldete Trommel,
wurde übrigens nicht bloss zu den Xipe-Rüstungen getragen. Ich habe oben
schon angeführt, dass sie im Sahagun-Manuskript der Academia de la Historia mii
unter den Trachistücken von Oberháüuptlingen aufgeführt ist (oben Fig. 61). Und
in dem Giro del mundo von Gemelli Carreri ist der Konig Neçaualcoyotl vo?
Tetzcoco abgebildet, mit dem ueuetl als Rückendevise, aber der Kopf ist be-
1) Tonalamatl der Aubin'schen Sammlung l. c. p. 667.
2) Tezozomoe, Crónica mexicana cap. 84.
“na
Lo.
(137)
kleidet mit einer Art Kappe, in der zwei hf
Spindeln stecken, und der Schild enthält ]
eine längliche Figur, wie den Längsschliff
einer Muschel, mit einer Vertiefung in der
Mitte (Fig. 67). Obwohl dieses Bild späteren
Ursprunges ist, liegt ihm doch wohl eine
bestimmte "Tradition zu Grunde. Gemelli
Carreri erhielt sein Material von D. Cärlos
Siguenza y Göngora, und dieser wieder
hatte seine Papiere und Manuskripte von
den Alva Ixtlilxochitl, den Abkömmlingen
der tetzkokanischen Könige, geerbt. Ist
also dieses Bild in gewisser Weise als authen-
tisch zu betrachten, so würde daraus folgen,
dass die tetzkokanischen Kriegshäuptlinge |
die auf dem Rücken getragene Trommel mit
Abzeichen vereinten, die sie als in die Tracht c1
der Erdgóttin, der Teteoinnan oder Toci, = 4
Sekleidet erscheinen liessen. fo
Zur Vervollstindigung des oben Auf-
Seführten erwähne ich noch einige Namen, die im Sahagun-Manuskript für die
Schilde angegeben werden, welche zu den oben näher charakterisirten Rüstungen
Setragen wurden. In der Tributliste des Codex Mendoza sind hauptsächlich zwei
Arten von Schilden gezeichnet: die Fig. 4, welche im Sahagun a. a. O. als quetzal-
Xiealcoliuhqui chimalli benannt und als Trachtstück von Oberhäuptlingen an-
Segeben wird. Und die Fig. 16, die im Sahagun-Manuskript der Academia de la
Historia als quetzalcuexyo chimalli, der aus Quetzalfedern gefertigte Schild
Yon Cuextlan, d. h. wie ihn die Cuexteca, die Uaxteken, tragen, bezeichnet und
ebenfalls als Trachtstück von Oberhäuptlingen angegeben wird. Zu den ersteren
Schört der eine der beiden Federmosaikschilde des Stuttgarter Museums (v. Hoch-
Setter, Altmexikanische Reliquien. Tafel IV. Fig. 2). Und eine Abart derselben
(ie. 68) ist im Sahagun-Manuskript der Academia de la Historia unter dem Namen
Coliuhqui chimalli, als Trachtstück von Unterhäuptlingen, angegeben. Zu ihnen
in vielleicht der andere der beiden Federmosaikschilde des Stuttgarter Museums
Y. Hochstetter, Altmexikanische Reliquien. Tafel IV. Fig. 1). Eine Abart des
du taleuexyo chimalli zeigt die Fig. 17, die der Tributliste des Codex Men-
Kar, entnommen ist. Bei diesem Schilde, weleher der Rüstung mit der silbernen
dee (iztac-teocuitla-copilli) beigegeben ist, sind die goldenen Halbmonde
den quetzaleuexyo chimalli durch Halbmonde aus Wasserlinien ersetzt. Für
Den Child Fig. 7 und 15, der in der Tributliste als Begleiter der cuextecatl-
Bogen. und des teocuitla-copilli gezeichnet ist, finde ich keinen Namen an-
Ühe nn Er kommt aber in dem historischen Theil des Codex Telleriano Remensis
getra vor und ist, da er ähnliche dunkle Streifen zeigt, wie das zum cuextecatl
gene Wams, vielleicht als cuexteca chimalli zu bezeichnen.
a (oder quauhpachiuhqui) chimalli, Fig. 48, ist im
Sein Qe anuskript der Academia de la Historia in der Fig. 69 gezeichnet. Und
Trachtsin ist der ocelo tetepoyyo chimalli (Fig. 10). Beide werden als
(Fig. 75 ücke von Oberhüuptlingen angegeben. Der teocuitlaxapo chimalli
einer (ond Fig. 43), aus Federmosaik bestehend, mit einem breiten Goldreif (oder
urchbohrten Goldscheibe) in der Mitte, scheint dem anauayo chimalli
(198)
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Xipe's verwandt zu sein. Er wird ebenfalls als Trachtstiick von Oberhiduptlingen
angegeben. Gemeinere Abarten desselben sind der tlilxapo, tlapalxapo und
texoxapo chimalli (Fig. 76), d. h. Schilde mit einer schwarzen, rothen oder
blauen durchbohrten Scheibe in der Mitte. Endlich sind noch als Trachtstücke
von Oberhäuptlingen zu nennen: der tozmiquizyo chimalli (Fig. 71) mit einem
weissen Todtenschädel in gelbem Felde; der teocuitla-teteyo chimalli (Fig. 72)
und der zweifarbige quetzalpoztecqui chimalli (Fig. 73). Letzterer scheint,
nach dem Codex Telleriano Remensis zu urtheilen, von den Kriegern von Uexotzinco
mit Vorliebe getragen worden zu sein. Der iuiteteyo chimalli Uitzilopochtli's
ist hier merkwürdigerweise unter den Trachtstücken der Unterhüuptlinge aufgeführt,
allerdings ohne Federbehang am unteren Rande (Fig. 77). Sonst sind noch als
Trachtstücke von Unterhüuptlingen der weisse texaxacallo chimalli (Fig. 18)
genannt, der zu dem weissen aztaeuatl und dem aztapaizactli getragen wird,
der citlallo chimalli (Fig. 74), der iuitezçouhqui chimalli (Fig. 79), der
macpallo chimalli (Fig. 80), der ohne Zweifel mit dem Schilde identisch ist,
welchen der Krieger des Oelbildchens der Bilimek'schen Sammlung am Arme trägt;
der tezcacanecuillo chimalli (Fig. 81), der auf seiner Fläche das Bild des
hauerartig gekrümmten, aus einem Meerschneckengeháuse geschliffenen Krieger-
lippenpflocks (tezcacanecuilli) trigt. Endlich der tlaauitectli chimalli, dessen
Fläche einfach weiss getüncht erscheint.
Ich komme nun noch einmal auf das „Prachtstück altmexikanischer Feder-
arbeit aus der Zeit Montezuma’s“ zurück, das im Jahre 1878 von dem verstorbenen
Ferd. von Hochstetter in der Ambraser Sammlung entdeckt wurde, und das,
sorgsam restaurirt, gegenwärtig eine Hauptzierde des k. k. Naturhistorischen Museums
zu Wien bildet. Hr.von Hochstetter hatte diesen Schmuck seiner Zeit als
Banner gedeutet, ähnlich der oben beschriebenen Devise des Oelbildchens der
Bilimek’schen Sammlung. In neuerer Zeit aber hat Frau Nuttall") mit grossem
Eifer eine entgegengesetzte Theorie verfochten, der zufolge der genannte Schmuck
als Kopfschmuck anzusehen sei. Ich hatte in meiner früheren Arbeit insofern
Stellung zu dieser Frage genommen, als ich, ohne mich für das eine oder das
andere zu entscheiden, doch die Gründe, auf welche Frau Nuttall ihre Theorie
stützte, zurückweisen zu müssen glaubte.
Ich bin Frau Nuttall zunächst eine Rechtfertigung schuldig. In meiner Be-
sprechung erwähnte ich den Schmuck, den im Atlas zu Durän der Gott UemaC,
das ist der Quetzalcoatl der Mythen von Tollan, auf dem Kopfe trägt (Fig. 82),
und fuhr fort: „dieser Schmuck scheint in der That über der Stirn etwas erhöht
zu sein, ohne dass indess der mittlere Theil sich irgendwie an den Seiten absetzte,
1 Abhandlungen des K. Zoolog. u. Anthropol.-Ethnol. Mus. Dresden 1886/81.
lel
T,
(139)
und auch ohne die Trennung, die der Zeichner der Frau Nuttall in dem oberen
Theile zwischen den Federn über der Stirn und den seitlich darnach folgenden
andeutet.“ — Ich habe selbstverständlich diesen Fehler nur als ein Versehen des
Zeichners aufgefasst und habe mich nachmalen überzeugt, dass in der englischen
Ausgabe!) dieser Kopfschmuck richtig, d. h. ohne Trennung des mittleren Theils,
gezeichnet ist. Ferner sagte ich: „In Wirklichkeit ist ein Kopfschmuck, wie ihn
Frau Nuttall sich vorstellt (d. h. mit besonders abgesetztem mittlerem Theil), im
Uebrigen in den Bildermalereien und in den Illustrationen der Historiker, und
auch in dem Ausputz der Figürchen nicht zu finden.“ Hier habe ich zu viel ge-
sagt. Frau Nuttall hat, bei der vorjährigen Tagung des internationalen Ameri-
kanistencongresses, die in Paris stattfand, aus cinem aztekischen Manuskript, das
in der Bibliothek zu Florenz aufbewahrt wird, ein Bild des Gottes Uitzilopochtli
beigebracht, bei welchem der kronenarüge Kopfschmuck einen besonders abge-
Setzten und erhöhten mittleren Theil erkennen lässt, genau in der Art, wie es uns
der Wiener Schmuck vor Augen führt (Vgl. Fig. 83).
Ferner hat Frau Nuttall die Muthmaassung aufgestellt, dass der Federschmuck,
den in der Fig. 82 der Gott Uemac auf dem Kopfe trägt, als quetzalapane-
Cayoti zu bezeichnen sei, — ein Name, der für die Federarbeiten der Tolteken
angegeben wird. Ich hatte in meiner früheren Arbeit diese Bestimmung, als -ein-
fache und auf nichts basirte Muthmaassung, zunüchst zurückweisen zu müssen ge-
glaubt und es für unzulässig erklärt, diese Conjektur als Fundament für weitere
Schlüsse zu benutzen. Ich muss noch heute aufrecht erhalten, dass Frau Nuttall’s
Annahme falsch ist, dass apanecayotl ,der allgemeine Ausdruck für Insignien,
Mit welchem ihre Träger bekleidet wurden oder welche sie in irgend einer Weise
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Vrigabens gewesen sei, und ebenso muss ich ihre Ableitung des Wortes apaneca-
YOU von dem Zeitwort, RN Voter“ für unrichtie erklürer
ich q à em Zeitworte apana, ,umbinden, giirten®, für unrichtig erk dren. Aber
S chm e, dass der Name apanecayotl, den ich als Name eines bestimmten
Weil MEOS fasse, vielleicht doch auf den Schmuck der Fig. 82 anzuwenden ist,
Quetz,] In den Anales de Quauhtitlan dieses Wort als Name für den Schmuck
diesen, Gos. s, des Priesterkonigs der Tolteken, angegeben finde. Und von
m runde aus ist es mir auch móglich, der Theorie der Frau Nuttall. dass
sity) X archaeological and ethnological papers of the Peabody Museum (Harvard Univer-
*i. No.1. Cambridge Mass. 1888.
(140)
die Hieroglyphe Fig. 84, die den Namen Apanecatl wiedergiebt, das Element
apanecayotl enthalte, in gewisser Weise näher zu treten.
Als der aus seinem Reiche Tollan vertriebene Quetzalcoatl, — so wird in
den Anales de Quauhtitlan erzählt, — ,an den Rand des Meeres“ (teo-a-pan
ilhuica-a-ten-co) gelangte, fing er an zu weinen und legte das Kostüm ab, mit
welchem er bisher geschmückt war, sein apanecayotl und die Türkismaske
(xiuh-xayacatl), um sich dann an dem Orte, „der Tlatlayan (Verbrennungs-
stätte) genannt ward, ins Feuer zu stürzen“.
Hier ist also apanecayotl in Verbindung mit einer Türkismaske als Schmuck
(itlatqui mochichiuh) Quetzalcoatl’s genannt. Das muss uns an die Be-
schreibung erinnern, die im letzten Buche des Sahagun von den Trachtstiicken
gegeben wird, welche der Konig Motecuhcoma dem nahenden Cortés, den er als
den wiederkehrenden Quetzalcoatl betrachtete, entgegenschickt, — „los atavios
sacerdotales que à él convienen: — primeramente una máscara labrada de musaico
de turquesas, tenia esta labrada de las mismas piedras una culebra doblada y
retorcida cuyo doblez era el pico de la nariz, luego se dividia la cola de la cabeza,
y la cabeza con parte del cuerpo iba por sobre el un ojo de manera que hacia
ceja, y la cola con parte del cuerpo iba por sobre otro ojo, y hacia otra ceja. —
Estába esta máscara engerida en una corona alta y grande, llena de plumas ricas;
largas y muy hermosas, de manera que, poniéndose la corona sobre la cabeza se
ponia la máscara en la cara. Wenn wir hier in der aus Türkismosaik gearbeiteten
Maske, welche ein aus den Windungen einer Schlange gebildetes Gesicht darstellt,
den oben genannten xiuhxayayatl Quetzalcoatl's zu erkennen haben, so ist
es in der That das Natürlichste, anzunehmen, dass mit dem Worte apaneca-
yoil die ,corona alia y grande, llena de plumas ricas, largas y muy hermosas"
bezeichnet worden sei, die an dieser Maske befestigt war, mit anderen Worten, dass
apanecayotl oder quetzalapanecayotl in der That den hohen und reichen
Federkopfschmuck des Quetzalcoatl von Tula bezeichnete. Und zu dieser An-
nahme stimmt, dass im ersten Buch des Sahagun das quetzalapanecayot! als
Trachtstiick Painal's angegeben ist, und zwar in Verbindung mit dem Zeitworte
on-tlalia (contlaliticac, „er hat es angelegt“, „er hat es aufgesetzt“), das, wenn
es auch nicht mit Nothwendigkeit „auf den Kopf setzen“ bedeutet, doch sehr
häufig in diesem Sinne gebraucht wird.
Was für eine Art von Kopfschmuck war nun aber das apanecayotl? Eine
gewisse Wahrscheinlichkeit spricht dafür, dass es ein Kopfschmuck gewesen ist,
ähnlich dem, welchen die Fig. 82 des Atlas zu Durän trägt. Denn er entspricht
ungefähr der vagen Beschreibung, die in der eben angeführten Stelle aus Sahag un
von dem mit der Türkismaske verbundenen Schmucke Quetzalcoatl’s gegeben
wird. Ueberzeugende Gründe dafür lassen sich aber schwer beibringen. Die
Fig. 82 ist das einzige sicher bezeugte Bild des Gottes Uemac oder Quetzal-
coatl von Tula. Die Interpreten identificiren mit dem Quetzalcoatl von Tula
einen Gott in Coyotegestalt, der dem vierten der zwanzig Zeichen des Tonalamatl
präsidirt. Dieser Gott trägt aber in den Kalendern des Codex Telleriano Remensis
und Vaticanus A nur eine einfache Federkrone. Nur im Codex Borgia ist er mit
einem eigenartigen Federkopfschmuck dargestellt (vgl. Fig. 85), der aber mit dem
Schmuck der Figur Durän’s wenig Aehnlichkeit hat, vielmehr Kopf und Schwanz
des rothen Guacamayo vorstellt.
Das Wort apanecayotl ist nach Art der Worte mexicayotl, anauaca-
yotl u. A. gebildet und bedeutet, ,was den Apaneca eigenthümlich ist“, d. 1. den
Leuten, welche äpan, „an“ oder „auf dem Wasser“, wohnen. Dass dieses Wort
(141)
dasselbe bedeutet, wie Anauaqué, und die Bewohner der Küste bezeichnet, ins-
besondere die Maya-Bevólkerung der Golfküste, ist mir zweifellos. Denn auch der
Quetzalcoatl von Tollan und die Tolteken selbst sind an der Golfküste zu
Hause. Die letzteren sind vielleicht nur ein Name für die Cultureinflüsse, die von
der kunst- und gewerbreichen Maya-Bevülkerung der Küste ausgingen. Nonoualca
tepec, d.h. „die Stadt der Maya“, wird in den Anales de Quauhtitlan als Ver-
sammlungsort der Tolteken genannt. Wenn also irgendwo eine Urform des apa-
necayotl vorhanden ist, so haben wir dieselbe unter den Maya-Bewohnern der
Küste zu suchen.
Es ist eine vielfach wiederholte Angabe, dass der Gott, den die Mexikaner
unter dem Namen Quetzalcoatl verehrten und dessen Wiederkommen von Osten
sie erwarteten, bei den Maya Kukulcan geheissen habe. Ich glaube das Bild des
letzteren Gottes an zwei Stellen der Dresdener Handschrift und an einem Paar an-
derer des Codex Tro nachweisen zu kónnen. Interessant ist die Fig. 88 aus Codex
Dresden 12, in der man über dem Gesicht des Gottes, als Maske, das Gesicht des
Regengoties sieht. Denn auch die oben beschriebene Tirkismaske Quetzalcoatl’s
ist eine Tlaloc-Maske. Die Fig. 87 aus Codex Dresden 4 zeigt über der Stirn
des Gottes einen Edelstein (Türkis) und von demselben weit über Nacken und
Rücken herabfallend einen mächtigen Federschmuck. An keiner Stelle aber sind
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diese Figuren mit ei c | der etwa dem der Fig. 82 glich
Üeberhan A... einem Schmuck bekleidet, der e wa dem der Fig gliche.
dieser pt sucht man auch in den Maya Handschriften nach emem Kopfschmuck
orm vergebens. Der Schmuck des Kriegsgottes Fig. 89 bietet nur eine
(142)
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scheinbare Aehnliehkeit. Denn hier ist nur mit einer einfachen Federkrone ein
besonderer Stirnsehmuck verbunden, ühnlich dem, welchen in Fig. 86 (aus Codex
Borgia) der Feuergott irügt. Das zeigt die Fig. 91 desselben Kriegsgottes, wo,
statt der Federkrone, eine Helmmaske mit diesem Stirnschmuck verbunden ist.
Dagegen scheint unter den Thonfiguren, soweit ich das Material bis jetzt zu über-
sehen im Stande bin, eine ganze Anzahl sich zu befinden, deren Kopfschmuck
nach dem Schema der Fig. 82 gebildet ist. Ja es scheinen in der Masse der
gefundenen Sachen Figuren, die mit solchem Sckmuck bekleidet sind, besonders
häufig zu sein. Fig. 93—96 sind Figuren der Yucatan-Sammlung des Kgl. Museums
für Völkerkunde. Namentlich Fig. 93 und 95 erinnern sehr an den Schmuck
Fig. 82—83. Dass aber auch die anderen in dieses Schema gehören, wird durch
mancherlei Uebergangsformen bewiesen. Fig, 92, die einem Relief des sogenannten
Ballspielsaals von Chichen itza entnommen ist, zeigt den Mitteltheil zwar wenig
erhöht und schwach von den Seitentheilen abgesetzt, dagegen stimmt die ganz€
Form des Schmuckes um so besser mit der Fig. 82.
Wenn die Fig. 92 beweist, dass Schmucke in der Art der Fig. 82 im Kiisten-
lande oder von den Góttern des Küstenlandes getragen wurden, so lassen sich,
glaube ich, auch gewisse Gründe anführen, die es wahrscheinlich machen, dass
gerade dem Kukulcan oder dem Quetzalcoat! von Tula solche Schmucke
zukamen. Bekannt sind die Bilder der eingerollten und in verschiedener Weise
mit der Figur eines Menschen iu Uebereinstimmung gebrachten Schlange, deren
ganze Oberfläche mit Federn bedeckt isí und aus deren gedffnetem Rachen ein
Menschengesicht hervorsieht. Dass diese Dilder Quetzalcoatl vorstellen sollen,
(143)
ist wohl zweifellos. Denn verschiedentlich erkennt man an diesen Bildern das
Ohrgehünge und den Brustschmuck des Windgottes. Schon an den Steinbildern
der Federschlange ist ein besonderer Federbusch auf dem Scheitel oder auf den
Nüstern der Schlange deutlich erkennbar. Klarer ist das in den Bilderschriften
Zu sehen. Ich môchte nun die Figg. 94—96 für homolog halten. Alle drei stellen
münnliehe Figuren dar. Fig.95 und 96 haben beide in der linken Hand den
Beutel für Rüucherwerk. Fig. 96 ausserdem in der Rechten ein Steinmesser. Also
priesterliches Handwerkzeug. Bei Fig. 94—96 ist ein Reptilrachen als Helmmaske
deutlich erkennbar. Bei Fig. 95 ist ein Rachen nicht erkennbar, dafür erinnert
aber der längs des ganzen Körpers hinabziehende Federschmuck um $0 mehr an
die Befiederung der Federschlange. Ich móchte den in der Mitte aufragenden
Busch als demjenigen entsprechend ansehen, der von dem Scheitel oder den Nüstern
der Federschlange aufragt, die Seitentheile für Homologa kammartig den Rücken
hinabziehender Federreihen.
Wenn alle diese Dinge mehr oder minder hypothetisch bleiben, so wird doch
Soviel daraus hervorgehen, dass ich mich aus dem Bereich des Möglichen und
Wahrscheinlichen nicht entferne, wenn ich den für den Federschmuck des Quetzal-
voat] von Tula angegebenen Namen apanecayotl gerade mit dem Schmuck der
Fig. 82 i Zusammenhang bringe. Und wiederum stimmt dazu, dass einerseits im
ersten Buch des Sahagun bei Painal, dem Stellvertreter und Genossen Uitzilo-
Pochtli’s, das Wort quetzalapanecayotl, wie es scheint, für den Kopfschmuck
dieses Gottes angegeben ist, — an Stelle des sonst für diesen Gott, wie für
Uitzilopochtli angegebeneu tozpolli, — andererseits Frau Nuttall aus dem
Florentinor aztekischen Manuskript das Bild Fig. 83 beibringt, wo der Gott Uitzi-
p Pochtli einen Federschmuck trägt, der unleugbare Aehnlichkeit mit denen der
ig. 82 und 92 hat. — Beiläufig bemerke ich, dass in der Fig. 83 der Mitteltheil
aut seiner Fliche weisse Kreise in blauem Felde zeigt, ähnlich wie beim citlallo
dimalli, Fig. 14, so dass er also, wie es scheint, dazu bestimmt ist, das Bild
*$ Himmels wiederzugeben.
N Wenn ich nun mit Frau Nuttall darin übereinstimme, dass auch ich den
Quim apanecayotl auf den Schmuck der Fig. 82, den Kopfschmuck Uemac-
et coatl’s, anwende, so muss ich doch sehr energisch dagegen Verwahrung
igo dass man denselben mit der Kolibri-Helmmaske (aitzitzil-naualli)
de, no Pochtli's und Painal’s, mit der quetzalpatzactli-Devise, wie sie
Son tlâtôani pilli des Sahagun-Manuskripts und der Kônig Tiçoc des grossen
do, arts auf dem Rücken trägt, und der rothen Lüffelreiherfederkrone Xipe's,
Nam riegstracht der mexikanischen Könige, in einen Topf werfe. Wie ich den
beati. apanecayotl nicht als generellen Ausdruck, sondern als Name eines
Queg, ten Schmuckes fasse, so muss ich auch den Federschmuck Uemac-
Gitte zalcoatl's als sui generis betrachten, der zwar unter Umständen von den
mit a inal und Uitzilopochtli getragen wurde, der aber deshalb nicht
der K eren, auch von diesen Göttern getragenen Devisen, insbesondere nicht mii
olibri-Helmmaske (uitzitzil-naualli) identisch war.
Ache, Sh es nun mit dem Wiener Schmuck? — Dass derselbe in der Form
mit Py, eit hat mit dem Kopfschmuck der Fig. 82, dem apanecayotl (wie ich
steifan u N uttall annehme), wird Niemand leugnen. Und dass die Art der Ver-
ich mon vielleicht dafür spricht, dass er als Kopfschmuek getragen wurde, will
haben du verehrten Collegin gern zugeben. Auch darin mag Frau Nuttall Recht
Valle às M der Wiener Schmuck, wenn es ein Kopfsehmuck war, der aus dem
6xico stammte, füglich nur von dem Idol Uitzilopochtli’s oder von
(144)
dem lebenden Stellvertreter und Nachfolger desselben, dem mexikanischen Konig,
getragen sein konnte. Trotzdem muss ich auch heute noch aufrecht erhalten,
dass mir vor der Hand die alte Deutung als Banner noch ebenso berechtigt
erscheint, wie die neue der Frau Nuttall. Denn das Bilimek’sche Bildchen be-
steht zu Recht. Sein Urbild liegt in dem Manuskript der Aubin’schen Samm-
lung vor.
Die Herkunft des Wiener Schmuckes ist dunkel und in zerstörtem Zustande
liegt er vor. Vielleicht bringt die Folgezeit noch Thatsachen ans Licht, die es
mir ermüglichen, mich ganz und ungetheili zur Ansicht der Frau N uttall zu be-
kehren. Doch sei es nun ein ,mürischer Hui^, sei es eine Standarte, jedenfalls
hat Frau Nuttall das Verdienst, eine wichtige Frage angeregt und neue That-
sachen ans Licht gezogen zu haben. Und dass der Verlauf der Diskussion nicht
ganz fruchilos geblieben ist, wird ein aufmerksamer Leser unserer beiderseitigen
Arbeiten wohl erkennen. —
Hr. M. Uhle macht folgende Mittheilungen
zur Deutung des in Wien verwahrten altmexikanischen Federschmuckes-
Nachdem Frau Nuttall 1887 in den Abhandlungen und Berichten des K. Zool.
und Anthrop.-Ethnogr. Museums zu Dresden Nr. 7") der Neudeutung des be-
rühmten Stückes durch F. v. Hochstetter?) als Standarte entgegengetreten war
und die durch die áliesie Inventar-Aufnahme?) als ,móhrischer*) Huet“ gegebené
Bestimmung als Kopfputz (welche nur der gelehrte und gewissenhafte v. Sacken
seitdem — 1855 — gebührend wieder geachtet) durch tiefere wissenschaftliche
Gründe neu zu befestigen gesucht hatte, hat sich Hr. Seler durch eine an der Arbeit
der Frau Nuttall geübte Kritik in der Sitzung der Gesellschaft vom 19. Januar
1889 (Verhandl. S. 63) auf die Seite von Hochstetter’s gestellt. Nach Herr
Seler’s scharf geäusserter Ansicht (ebendas. S. 69) erscheint ihm durch Frau
Nuttall’s Ausführungen v. Hochstetter’s Deutung gestützt, statt widerlegt ZU
sein. Frau Nuttall würde also durch ihre fleissige Arbeit das Gegentheil vo?
dem erreicht haben, was sie erreichen wollte, v. Hochstetter’s an sich scho?
für naive Denker verwunderliche Deutung gestützt, statt beseitigt haben, und wenn
ein Forscher von der Bedeutung Hrn. Seler's sein Schwergewicht zu Gunster
einer, wenn auch verwunderlichen Deutung mit einseizte, so konnte angenommer
werden, dass wohl v. Hochstetter und nicht Frau Nuttall in der Deutung Recht
habe, dass die kostbare Reliquie im Wiener Museum trotz der, F. v. Hochstetter
gegenüber überlegenen Kenntniss mexikanischer Dinge auf Seiten der Frau Nuttall;
so sonderbar auch dann die Form des Gegenstandes erscheinen musste, eine
Standarte und kein Kopfputz sei.
Es erschien mir unter solchen Umstünden nur als ein Akt der Gerechtig"
keit, wenn ich Frau Nuttall's Darlegungen unabhüngig für mich prüfte, und dà
diese Prüfung mich zwang, in dem wesentlichen Ergebniss, dass der Wiener
1) Das Prachtstück altmexikanischer Federarbeit aus der Zeit Montezuma’s im Wiener
Museum von Zelia Nuttall. .
2) F. v. Hochstetter, Ueber mexikanische Reliquien aus der Zeit Montezuma's, 1"
Denkschriften der k.k. Academie der Wissenschaften zu Wien, Phil.-histor. Klasse 1884,
Bd. XXXV.
3) in dem Inventar der ehemaligen Ambraser Sammlung vom Jahre 1596.
4) „Möhrisch“ in den ältesten Katalogen aller Sammlungen bei Angaben aus dieser
Zeit fast immer statt ,indianisch*.
+ 4
(145)
St gonstand einen Kopfputz darstellt, mich wieder auf Seite der Frau Nuttall zu
de len, so möchte ich mir erlauben, aueh vor der Gesellschaft unter Vorlegung
er Gründe diesen Standpunkt einzunehmen.
Qe Ferdinand von Hochstetter hatte in einer ausführlichen Beschreibung des
wot, tandes gebührend angegeben, dass an der Rückseite des Gegenstandes ein
nii Sich befunden habe, dessen sackartige Oeffnung gerade gross genug war, um
zu » Kopf aufzunehmen. Lassen wir v. Hoch stetter’s bedenklichen, weil nur
die eicht umzukehrenden Schluss, dass die ,kapuzenartige Oeffnung* irrthümlich
oh Auffassung als Kopfschmuck herbeigeführt habe, bei Seite, so hätte, selbst
Sel. auf die an das Vorhandene knüpfbaren Schlüsse Rücksicht zu nehmen, Herr
hand; (8. 63) nicht äussern sollen, dass von der Befestigung keine Spur mehr vor-
Ge en ist, welche bei der Entscheidung der Frage über die Bestimmung des
zone landes mit behülflich sein kónnte. Die ,kapuzenartige Oeffnung, gross
Vom um einen Kopf aufzunehmen“, bildet ein Moment in den thatsächlichen
A des Gegenstandes, auf welches für die Ausdeutung des Gegenstandes
Gap, ot zu nehmen, Frau Nuttall sehr wohl berechtigt, ja verpflichtet war.
— es nicht noch gewichtüigere Gründe, $0 bildete dieser schon einen der ge-
ages sten, den Gegenstand als Kopfputz anzusehen, und es muss als unberechtigt
tigen D werden, der Schlussrichtung v. Hochstetter's folgend, einem so wich-
mstande, weder für, noch wider, eine Beachtung zu schenken.
berge Auffassung der Frau Nuttall, dass das (vollständig genau nach dem Original
der Bet en Modell vorzüglich als Kopfputz dem Kopf sich anpassen lasse, steht
Wegen dud v. Hochstetter's, welchen Hr. Seler 8. 64 erwühnt, dass der Schmuck
Sei er an der Rückseite befindlichen Versteifungen nicht als Hut zu brauchen
des An genüber. Wer kann ermessen, ob von Hochstetter das Experiment
Versio; ons in richtiger Weise angestellt hat! Wenn er nicht sagte, dass die
Vengo; ee hinderten, so müsste angenommen werden, dass der Mangel der
I (weil sie nehmlich am Original gebrochen sind) das Gelingen des
lingen ke verwehrte. Die Versteifungen selbst aber können, ın mit dem Ge-
Ihre Wu Experiments durch Frau Nuttall übereinstimmender Weise, wenn man
hing, ED theoretisch prüft, bei recht angestelltem Experiment nicht wohl
intel, gewesen sein. Ausser einer dreitheiligen, die Mitte sichernden Ver-
rios (Frau Nuttall, Taf. I. Fig. 1b) und zwei tangential an den halbkreis-
des Fig) Ausschnitt angeschmiegten, nach der Mitte zu die schmalen Seitentheile
lich aus *'$ nicht verlassenden Querstübchen, besteht die Versteifung ausschliess-
Stang bes al gestellten Stáben, worin der Beweis zu finden ist, dass der Gegen-
Tädialen emi war, in seiner Fläche seitlich gebogen gebraucht Zu werden. Die
den lusso âbe schützten nur vor einem Zusammenklappen der inneren Theile mit
eine besti Die tangentialen Stübe konnten, da sie keine den inneren Rand in
"Undung nmte Richtung zwüngende Stützen waren, die willkürliche, einer Kopf-
Ganzen y enisprechende Biegung des inneren Randes nicht wohl hindern. Im
hinten s Instigten sie die Abbiegung der schmäler gebildeten Seitentheile nach
Kopf wd konnten höchstens die Wirkung äussern, wenn der Gegenstand. einem
Schm, Pet wurde, die der Mitte des Füchers nächst gelegenen Theile der
die endige Seitenstücke an ihren oberen Enden nach aussen zu drüngen, dafür
fallen zu pen ausseren oberen Ecken der Seitenstücke um so mehr einwirts über-
Wookie a? wie es unter Umstünden für einen derartigen Kopfputz besonders
Steifunggy, 8 gefunden werden konnte. Es scheint demnach, dass auch die Ver-
Sanz A EC wozu der Gegenstand gebraucht worden sein kann, in
Verhandl, ger M A eise zu Gunsten der Verwendung. als Kopfputz auszudeuten
. Anthrop, Gesellschaft 1891. 10
(146)
sind. Hingegen ‘bedürlte es zur Annahme der Standartendeutung nach dem Be-
fund der Versteifungen einer Anzahl hypothetischer besonderer V oraussetzungen
über die Art, wie der Gegenstand getragen und befestigt worden sein könnte, um
diese denkbar erscheinen zu lassen.
Einen bindenden Beweis für den Werth des Wiener Federschmuckes als Kopf-
putz hatte Frau Nuttall in der einem aztekischen Wanderer Apanecatl zugeschrie-
benen Hieroglyphe des Ms. Boturini (bei Frau Nuttall a a. O. Taf. I. Fig. 9, bei
Hrn. Seler S. 64. Fig. 1) zu erkennen geglaubt, — einer Hieroglyphe, deren Aehn-
lichkeit in einem Bestandtheil mit dem Wiener Federschmuck erkannt zu haben,
auch Herr Seler der Verfasserin als entschiedenes Verdienst angerechnet hat
(S.67). Folgerte Frau Nuttall aus der Existenz dieser Hieroglyphe auf den
Werth des Wiener Federschmuckes als Kopfputiz, so umgekehrt Hr. Seler gerade
auf die Geltung als Standarte. Einige der von Hrn. Seler vorgebrachten Ein-
würfe haben sich inzwischen durch neu von Frau Nuttall gefundene 'Thaisachen
selbst widerlegt.
Frau Nuttall schloss aus der Kopfputzform (halbkreisfórmiger Ausschnitt! vgl.
auch die Abbildung des Copilli bei Frau Nuttall Taf. I Fig. 2) in dem oberen
Destandiheil genannter Hieroglyphe auf Kopfputzwerth. Mehrere Stellen in Fra
Bernardino de Sahagun's Historia, in welchen von gewissen Abzeichen (, Divisas^)
,Apanecayotl^ neben Schilden die Rede ist, gaben Frau Nuttall Veranlassung, in
diesen Abzeichen Kopf bedeckungen zu sehen und dieselben mit dem oberen Theil
der dem Ausdruck des Namens „Apanecatl“ dienenden Hieroglyphe in Verbindung
zu bringen. Hiergegen hatte Hr. Seler 1. sachliche, 2. hieroglyphisch-formale
Gründe. Das Sachliche hat sich durch Frau Nuttall’s und auch Hrn. Seler’s
neuere Erfahrungen schon widerlegt. Das sachliche Bedenken war folgendes: Da
die Abzeichen „Divisas“ »Apanecayotl bei Sahagun den Schilden gegenüber-
gestellt sind, sei es falsch, in ihnen Kopfbedeckungen und nicht die den Schilden
als Abzeichen gegenüberstehenden ganzen Rüstungen zu sehen. Wäre der Ein-
wurf richtig, so wäre die Annahme der Frau Nuttall, der obere Theil der Hiero-
glyphe drücke einen Kopfputz aus, unbegründet gewesen. Nun hat aber schon
Frau Nuttall in einer Mittheilung, welche sie dem Pariser Congress der Ameri-
kanisten 1890 übersandte, darauf hingewiesen, dass in der That unter den Ge-
schenken, welche Montezuma Cortes übersandte, eine Corona sich befand, welcher
der Name ,Apanecayotl^ zukam (spanischer und dazu correspondirender Nahua-
Text von Sahagun’s Historia 9. Buch). Andererseits hat Hr. Seler in Veróffentl.
aus dem Kônigl. Museum f. Völkerkunde 1890, I. Heft 4 („Ein Kapitel aus dem
Geschichtswerk des Sahagun^) S. 124 selbst den Ausspruch gethan, dass ,Quetzal-
apanecayotl Ausdruck für den Kopfputz des Gottes (Huitzilipochtli) zu sein scheine“-
Ob das Recht, Apanecayotl, wie Frau Nuttall thut, als einen generellen Ausdruck
für Federkopfschmuck überhaupt anzusehen, erwiesen ist, kann man mit Hrn. Seler
(S. 68) bezweifeln. Doch dies ist unwesentlich. Es berührt nicht die Frage, ob
ein einzelner Kopfschmuck unter Umständen als ein „Apanecayotl“ angesprochen
werden darf,
Es bleiben die hiergglyphisch-formalen Bedenken, auf welche heute, wie 1889,
Hr. Seler Gewicht legte.
Es ist Hrn. Seler zuzugeben, dass die Deutung, nach welcher die angeführte
Hieroglyphe des Codex Boturini im oberen Theil ein Apanecayotl aufweist, womit
der ganze Name Apanecatl genügend zum Ausdruck gebracht erscheinen müsste,
nur unter der Annahme möglich ist, dass das untergeschriebene „Atl“, Wasser,
keinen selbständig in dem Laut der Hieroglyphe zum Ausdruck kommenden Be-
(147)
p govt hat, also als ein reines Ergünzungszeichen wirkt. Nun bestreite
"e er (S. 68) das Vorkommen der Ergünzungszeichen nicht schlechthin. Er
Sicher sie rur für so vereinzelt, dass sie keiner weit hergeholten und viele un-
der D Elemente aufweisenden Erklärung als Stütze dienen könnten. Er bestreitet
alles mg blos die „besondere Wahrscheinlichkeit“, keineswegs die Möglichkeit,
für Ans aber unter der Voraussetzung, dass der Bedeutungswerth: Kopfschmuck
Duro, rayo nicht blos ein unsicherer, sondern sogar anzuzweifelnder sei.
— » Festigung, dass Apanecayotl wirklich Ausdruck für Kopfschmucke ist,
für der aber die Erklärung der Hieroglyphe mit Zugrundelegung von ,Àpanecayotl*
here Theil durchaus nicht mehr so weit hergeholi und so viele un-
Pray y "emente aufweisend. Die Sicherheit, mit welcher Hr. Seler ein von
( Ao Lea angeführtes Beispiel ühnlicher Anwendung eines Ergánzungszeichens
Pig, 10) dargestellt durch pAcolli, Schulter, und „At“, Wasser, a. a. O. S. 64
at] ders deutet, ist jedenfalls keme grossere: Acolhuacan scheint ihm, wie
Schulte, langem Anfangs-a gesprochen, und dieser Unterschied gegenüber ,Acolli^,
Zum M mi kurzem Anfangs-a (Accent saltillo) scheint ihm in der Hieroglyphe
Wasser Sdruck gebracht. Also auch die Beweise gegen die Wirkung von Atl,
Eine B. in der Hieroglyphe als Ergünzungszeichen sind. doch recht unsichere.
in Ans Techtigung, ein Zeichen als Ergänzungszeichen für cine supponirte Deutung
alag api zu nehmen, in der Weise, wie es Frau Nuttall gethan hat, besteht
Nel eit und ist noch nicht genügend angezweifelt worden *).
mit dem Ww die Gründe gegen die Deutung der Hieroglyphe des Codex Boturini
Deutun erth „Apanecayotl“ im oberen Theil, stellte Hr. Seler Gründe für eine
E» E mit Annahme des Werthes pan (also Standarte, pantli) im oberen Theil.
Hierogy 08s (S. 67) aus dem Parallelismus der Boturini- Hieroglyphe mit einer
Nae, Phe des Ms. Aubin (l.c. 8. 64 Fig. 2), welche beide dem Ausdruck des
Zeigen »Apanecatl^ dienen, beide das Zeichen atl, Wasser, untergeschrieben
Cm pur von einander dadurch abweichen, dass das eine den bekannten
Catl) oben n Zierrath, das andere die Fahne (pantli, Banner, also ä-pan: Apane-
Pant); (a zeigt, — dass auch der Fächer in der Boturini-Hieroglyphe nur ein Banner,
m Apanecatl, natürlicher Annahme nach darstelle. Dan |
8lyphen v dieser Schluss hat keine hohe Berechtigung. Die mexikanischen Hiero-
Ähnliche, en so zahlreiche Varianten für gleiche Namen, dass em Recht, aus
und Sach}; onstitution zweier Zeichen, welche Gleiches ausdrücken, auf lautliche
leugnen fiche Identität auch aller ihrer Bestandtheile zu schliessen, stracks zu
Segen die Es wäre überflüssig, dafür noch Beispiele bringen zu wollen. Nur
Codex B Psychologische Harmonie der beiden Hieroglyphenschreiber, dessen des
Oturini und dessen des Ms. Aubin, in der Wiedergabe der Namen der
tug) Ei Interessanter Weise fungirt atl, Wasser, wenn nicht überhaupt, so mindestens
man die Stellungswerth als Ergänzungszeichen in der Hieroglyphe für Acolman, wenn
Sréficos de welyphe für Acolhuacan daneben betrachtet (Hr. Peñafiel, Nombres geo-
>Âcolhuaca Mexico 1885 p. 46, Atlas Taf. ID). Das Zeichen für Atl, Wasser, das bei
hier den den (siehe Verh, 1889, S. 64, Fig. 10) der Schulter ÿbergeschrieben ist, halbirt
Bestanau 5 Bestellen Arm, um neben ,Schulter* Acolli auch die Hand ,maitl* als lautende
ti Vebrigens s Zeichens zu markiren. |
tr Acolhy 8 wird „Atl“, Wasser, als lautlich wirkender Bestandtheil in den Hieroglyphen
Nahyg ee (e B und ,Acolman“ dadurch unsicher, dass in der Hieroglyphe für ,Acol-
Schulter ( N Hn, Peñafiel l c), wo in dem Zeichen für ,um-herum" ein auf die
dehnenq m colli*) himweisendes Zeichen schon genügend gegeben ist, auch das als à
Sesehene Zeichen ,Atl* weggeblieben ist.
10*
(148)
zusammenhängenden Reihe der 4 aztekischen Wanderer, Quauhcouatl, Apanecatl,
Tezcacoatl, Chimalman, aus welcher Hr. Seler auch einen Beweis für die Wahr-
scheinlichkeit des Lautwerthes ,pantli“, Banner, im oberen Theile der Boturini-
Hieroglyphe zu schópfen scheint, sei enigegnet. Hr. Seler sagt, die Hieroglyphen
stimmten in beiden Codices für den 1., 3. und 4. Namen (also wahrscheinlich auch
für den 2. Jedoch die angenommene Harmonie fehlt auch bei dem ersten der
Namen. Der Codex Boturini drückt Quauhcoatl durch eine „adler-(quauh“-)köpfige
Schlange („Coatl“), das Ms. Aubin durch einen schlangen-(„coatl“-)beköpften Holz-
klotz („quauitl“) aus. Uebrigens ist das Ms. Aubin jünger, als das Ms. Boturini,
in seinen Hieroglyphen auch sonst vereinzelt brachylogischer, selbst die Aus-
führung der Zeichen darin nicht sehr schón. Vielleicht steht die Hieroglyphe des
Codex Boturini mit ,Apanecayotl“, für ,Apanecatl“, an inhaltlicher Genauigkeit
ähnlich über der Hieroglyphe des Ms. Aubin ,Apan“ für y Apanecatl“. Jedenfalls
hat die Fahne ,panili^ in der Hieroglyphe des Ms. Aubin nichts Verbindendes
für die Annahme, dass auch in der entsprechenden Hieroglyphe des Codex Boturini
der abweichend dargestellte und in keiner Weise unmittelbar als Banner an-
zusprechende obere Theil der Hieroglyphe ein Banner vergegenwürtigt. Dazu
kommt nun noch folgende Erwägung. Die verschiedenen Bannerabzeichen haíten,
wie wir z. B. aus Sahagun wissen, verschiedene Namen. Das einfache Bannen
dessen Bild darum auch gut für den generellen Ausdruck für Banner stehen kann,
ist die Fahne pantli. Sie ist ein so einfaches Zeichen und gezeichnet frei von
der Gefahr der Missverständlichkeit, dass nie und in keiner Weise für einen
mexikanischen Hieroglyphenschreiber ein Grund vorliegen konnte, beliebig, also
nach Laune, nach einem anderen, ein Banner unter Umständen vergegenwärtigenden
Zeichen zu greifen, um den Laut des einfachen Banners ,pantli^ zu erzeugen
Ein ungewóhnliches Banner, wie das in der Hieroglyphe des Codex Boturini ver-
suchter Annahme nach vorliegende, würde sicher einen abweichenden, in die
Hieroglyphe darum nicht passenden Laut erzeugt haben, ganz abgesehen davor
dass es unter Umständen, wie das in der Boturini-Hieroglyphe vorliegende, miss-
verständlich werden konnte. Gerade der Umstand, dass der obere Theil in der
Boturini-Hieroglyphe nicht mit der gewöhnlich und regelmässig für die Silbe „pan“
angewandten Form eines Banners „pantli“ stimmt, berechtigt und muss bestimmen,
einen anderen, nicht mit dem Begriff „Banner“ zusammenhängenden Lautwerth für
diesen Theil des Zeichens aufzusuchen, in der Weise, wie es durch Frau Nuttall
geschehen ist. So weist also die Hieroglyphe, trotz Hın. Seler’s 1889 geäusserter
Ansicht, selbst darauf hin, in ihrem oberen Theile einen anderen Ausdruck, als
einen für „Banner“, zu vermuthen. Dass dies dann einer für Kopfputz (gemäss
dem halbkreisförmigen Ausschnitt und dem Vorkommen des Lautwerthes „Apanc-
cayotl“ für Kopfzierden), also der Laut „Apanecayotl“ sein muss, scheint mr
zweifellos. Gegen die Hypothese von Frau Nuttall, der obere Theil der Boturini-
Hieroglyphe stelle ein Apanecayotl, einen Kopfschmuck, dar, scheint sich darnach
nichts Begriindetes einwenden zu lassen.
Was F. v. Hochstetter veranlasste, den Wiener Federschmuck als Standarte
anzusprechen, war das ijm unter die Hünde gerathene, nach seiner eigenen Auf-
fassung etwa zwischen 1680 und 1730 (also 160—200 Jahre nach der Entdeckung D
entstandene Bild der nach Wien gelangten Bilimekschen Sammlung (Denkschriften
a. a. O. Taf., Frau Nuttalll. c. Taf. I, Fig. 6), auf welchem in ganz vereinzelter W eise
ein derartiger Fücher standartenarüg angegeben ist. Die Begründung F. v. H och-
stetter’s für seine Deutung im Anschluss an dieses Bild war eine wenig em
gehende. Dem Beweise aus diesem Bilde hatte Hr. Seler den aus der Hiero
AL
(149)
8lyphe des Codex Boturini neu geschopften zugefügt, welcher, wie wir gesehen,
Nicht stichhaltig ist. Dem Bilimek'sehen Bilde hatte Hr. Seler wegen seines
augenscheinlich späten Ursprungs nur beschränkte Beweiskraft zugemessen (Verh.
S. 68). Heute theilte er allerdings mii, dass es ihm vor Kurzem bei einer An-
Wesenheit in Paris gelungen sei, zu dem Bilimek'schen Bilde das ältere Original
desselben (welches einen höheren Beweiswerth wohl besitzen könnte) aufzufinden.
Allein dieses Original liegt öffentlich, durch Hrn. Seler’s Bemühung, noch nicht
Yor. So lange es noch nicht vorliegt, nicht einmal näher beschrieben, bloss als
“Xistirend behauptet ist, wird man zweifeln dürfen, dass es diejenigen Stützen
dem zur Zeit allein vorliegenden Bilimek’schen Bilde gewährt, durch welche dieses
AN seinen schwachen Punkten für die vorliegende Frage beweiskräftiger würde.
à Frau Nuttall haite das Bilimek'sche Bild als Beweis standartenartigen Gebrauches
de Wiener Federschmuckes in der Form zu entkräften gesucht, dass sie die hinter
Ho Kopf des Kriegers sichtbare Standarte sinnbildlich, als Hieroglyphe, erklärte.
Gow. Seler pflichte ich unumwunden bei darin, dass er die Berechtigung, diesen
per stand nur sinnbildlich zu nehmen, bestreitet. Denn ich trete ihm darin
P dass die sinnbildliche Deutung der hinter dem Krieger sichtbaren Gegen-
bad in dieser Art dem widerstreitet, was über die Verwendung hieroglyphischer
för er bekannt ist. Aber mit dem Zugestindniss an Hrn. Seler, dass der fácher-
ig € Gegenstand in dem Bilimek'schen Bild kein blosses hieroglyphisches Sinn-
Stel] Ist, sondern eine Standarte sein soll, ist noch nicht gesagt, dass diese Dar-
ers einer Standarte eine auch für Annahme des Vorkommens ähnlicher Standarten
habe end glaubwürdige ist. Sowohl F. v. Hochstetter, wie Frau Nuttall,
cin 1 den am Riicken des Kriegers sichtbaren parallelepipedischen Gegenstand fiir
liche aus angeschen. Dieser ist eine Art Kasten, an welchem dunkle, unterschied-
Was Thür- und Fensterausschnitte deutlich wahrzunehmen sind. Anstalt sich,
Dans 48 gewesen wäre, von so charakteristischen Merkmalen zur Annahme der
aus lung eines wirklichen Hauses leiten zu lassen, leitete Hr. Seler umgekehrt
und | dem gegenüber nebensüchlichen Thatsache, dass ,in den Bilderschriften
Weise m spiten, verderbten Copien das Haus in übereinstimmender, aber anderer
Und al wiedergegeben wird, ab, dass der Gegenstand nur vermeintlich ein Haus
zur RB er Wahrscheinlichkeit nichts weiter sei, als eine Art Rückengestell, welches
lar, e tigung der Standarte diente. Dass. der Ferüger des Bildes em Haus
aig, len dachte, ergiebt auch der rothe Fries am Hause, welcher rothen fries-
Taf, | Linien an zahlreichen Hausbildern der Bilderschriften (vergl. Frau Nuttall
Dargie 1g. 10, Penafiel, L c Taf. 14: ,Huitznahuac^, U. a.) entspricht. Die
Zugleich © des Hauses darf also in dem Gegenstand nicht bezweifelt werden,
Hans al aber miisste das Haus hier der Standarte als Traggestell dienen. Dieses
Sint Standartengestell wäre aber das einzige Vorkommniss der Art in der ge-
ably) Alig, schriftlichen Literatur der Mexicaner. Vergleicht man die sonstigen
Spiele y en, rost- oder gitterfürmigen Traggestelle von Standarten (mehrere Bei-
dass auch Frau Nuttall Taf, II Fig. 8, 12, 23, 25, 27), so muss man sich sagen,
bei de ch die Hausform, motivisch auf derartige Standartentraggestelle angewendet,
Wie à alien Mexikanern auf jeden Fall hóchst widersinng erschienen sein müsste.
braucht à Haus als Standartengestell auf den Rücken des Kriegers gekommen ist,
stempelt " Kritiker nicht weiter zu beschäftigen. Die Thatsache, dass es vorliegt,
Beweiskraf er das Bild zu einer Erscheinung, welehes des Beimessens irgend einer
Umstän der in kritischen Fragen so unwürdig ist, dass man sich mit den näheren
M hit der abgebildeten Standarten noch näher zu beschäftigen eigentlich nicht
atte. Thatsache ist jedoch, dass die Standarte des Bilimek’schen Bildes
(150)
nach dem ungefähr für sie anzunehmenden Flächenraume eine der grössten vor-
gekommenen gewesen sein würde, dabei zugleich wahrscheinlich die einzige, welche
mit ihrer breiten gestreckten Fläche gerade nach vorn gekehrt getragen worden
wäre. Krieger, welche im Kampf stehen, dürfen, wenn sie, wie es bei den
Mexikanern der Fall war, ihr Banner selbst führen, keine durch seine Grösse oder
Tragweise im Kampf hinderliches Banner führen. Dieser praktische Gesichtspunkt
wäre an keinem der sonst abbildlich bekannten Banner allem Anschein nach SO
wenig berücksichtigt, als an dem Banner des Bilimek’schen Bildes.
Das Bild kann also als ernster Beachtung werthe Instanz für standartenartigen
Gebrauch des Wiener Federschmuckes kaum weiter betrachtet werden.
Die Kritik des Hrn, Seler an den Darlegungen von Frau Nuttall war eine
rein formale. Es wäre aber doch wohl berechtigt gewesen, mit in Erwägung Zu
ziehen, dass ein Gegenstand fächerartiger Form mit wesentlich radialen Ver-
steifungen, die dazu so dünn sind, dass sie sicheren Widerstand starkem Wind
nicht entgegensetzen konnten, derartig getragen, wie es nach dem Bilimek’schen
Bilde der Fall sein würde, in keiner Weise gedacht werden kann.
Eigenthümlich verwickeli haben sich die Beziehungen zu den helmartigen
Zierrathen der Tributlisten dadurch gestaltet, dass Hr. Seler seine Auffassung von
letzteren seit seinen Entgegnungen vom Jahre 1889, wo er ihre Aehnlichkeit mit
dem Wiener Federschmuck nicht anerkannte, in die als Standarten verändert hat
bei welcher ihm die Anerkennung ihrer Aehnlichkeit mit dem Wiener Feder-
schmuck von seinem Standpunkt aus eigentlich dienlich sein müsste.
Nach Hrn. Seler (Verh. 1889, 8. 65) hatte der Wiener Gegenstand mit den
helmartigen Zierrathen der Tributlisten des Codex Mendoza (siehe bei Frau Nuttall
Taf. II, Fig. 7, 9, 10, bei Hrn. Seler S. 70, Fig. 12a, b) nichts zu thun, da diesen
letzteren der stutzartige Theil, welcher bei ersterem ein so wesentliches Kenn-
zeichen bildet, abging. Allein Hr. Seler gab sich hier den Anschein, als habe €
in einem Kennzeichen, welches eigentlich nur die Behauptung der Ranggleichheit
der Abzeichen zu treffen geeignet ist, das Mittel gefunden, die Behauptung auch
der allgemeinen constructiven Gleichheit zu widerlegen. Der Stutz hat für die
Frage Wichtigkeit, ob der Putz von einem König getragen worden ist, nicht jedoch
für die Frage, ob der Gegenstand ein Kopfputz ist. Sein Vorhandensein berührt
nicht die principielle Construction des Gegenstandes. Sieht man aber auf diese
also auf die allgemeine Form ohne den Stutz, so ist eine engere Uebereinstimmung
als zwischen dem Wiener Gegenstand und den helmartigen Zierden der Tribut-
listen besteht, kaum denkbar. Es scheint ein hinreichender Grund darin zu liege®
diese constructiv homologen Gegenstände auch ihrer allgemeinen Verwendungsart
nach für gleichartig zu erklären.
Das Fehlen der Kappe, welche Hr. Seler für die helmarügen Zierden der
Tributlisten annahm, genügt nicht als Einwand gegen den Gebrauch des Wiener
Federschmuckes als Kopfputz, da dieser Gebrauch auch ohne Vorhandensein einer
Kappe denkbar wäre, oder die Kappe auch früher vorhanden gewesen sein könnte
Nun hat aber Hr. Seler neuerdings die bisher für Helme angesehenen Zier-
rathen der Tributlisten des Codex Mendoza als Banner erklärt. Nach seiner Auf-
fassung sind an diesen die Standartengesielle durch eine — an sich ja vielleicht
denkbare — Willkür der Zeichner nur zufällig weggelassen worden. Er setzt
diese Helme den helmartigen Standarten, welche in einigen Abbildungen in UD
publicirten Theilen von Handschriften vorkommen (siehe z. B. den 3. Krieger m
Fig. 2), gleich, was natürlich richtig ist; schreibt ihnen den Namen ,Quetzalpatzacili
oder ,Patzactli“ zu, wozu auch Wahrscheinlichkeitsgründe vorliegen dürften; und
(151)
Schreibt diesen Zierrathen auch die Bezeichnung „Tzontli“, Haare, zu (man ver-
Fiche tlauhquechol tzontli bei Tezozomoc und Sahagun, xiuhtototzontli und
S ere mehr bei Sahagun), womit bei Tezozomoc ausdrücklich an einer
telle ein standartenartig getragener Schmuck gemeint ist. Die dagegen
war henden Zeugnisse des Codex Vaticanus A und des Atlas von Duran, in
i chen derartige Zierrathe auf Kópfen von Königen erscheinen, erklärt er als
levalent, weil diese Bilderwerke ihres immerhin jüngeren Entstehens wegen cine
Seringere Anerkennung verdienten.
eine Da ist jedoch gleich einzuwenden, ob man denn mit solcher Leichtigkeit in
Autor Solch en Falle über die in anderen Dingen doch immer noch werthvollen
Ape, ten des Atlas von Durán und des Codex Vaticanus A weggehen darf!
an r zugegeben, es bestünde eine solche Berechtigung, deren nähere Erörterung
Vorliegender Stelle zu. weit abführen würde, so scheint gerade der Ausdruck
hii, „Haare“, welchen Hr. Seler selbst auf die „patzactli“ bezieht, darauf
wei] sem, dass solche Gegenstände auch als Kopfschmuck gebraucht wurden,
duo. n sich nur unter dieser Voraussetzung recht erklären kann, wie der Aus-
auf „Haare“ (also Scheinhaupthaare, von Federn des Tlauquechol, des Xiuhtototl)
Ha emen Gegenstand anwendbar war, dessen bannerartiger Gebrauch mit den
(Ven, des Menschen gar nichts zu thun gehabt hátie. Hr. Seler hatte frither
bal. 1889, S. 63) selbst den.Standpunkt vertreten, dass die einzelnen Devisen
gem als Kopfschmuck, bald als Banner gebraucht wurden, und man darf ihm
auf denselben folgen ').
ma, selbe erlaubt die Annahme, dass die helmartigen Zierden der Tributlisten
bis 3 als Banner auch als Kopfzierden getragen wurden. Ja, wenn man Figur 1
Natal der Handschrift des Sah agun (nach gütiger Mittheilung von Frau
dag d betrachtet, wo ein Gegenstand einmal (vom 1. Krieger, Fig. 1) als Banner,
ere Mal (vom 2. Krieger, Fig. 2) als Kopfbedeckung, Mütze, getragen ist,
"eur ! Figur ? Figur 3.
\ s
us
Ww Nichts anderes hli ist. als dass der Gegenstand ei tlich el
litz ist " zu schliessen 1st, als lass e genstan cigentlic eine
Bleich |" welche daneben auch bannerartig getragen werden konnte (man ver-
auch breite Hüte in Codex Mendoza Taf. 22 als Kopfbedeckung, Taf. 68
St, enn man auch das von ihm dafür zuzweit vorgebrachte Beispiel (Vogel als
Vogel as g und als Kopfschmuck-Emblem) als nicht herpassend ablehnen muss. Der
als Kriege, tandarte ist ein wirklicher ausgestopfter Vogel (Tezozomoc), der Vogel
anzug ein in der Form eines Kriegeranzuges nachgemachter.
(1:3)
Pig. 29, bannerartig getragen), so wird man es für möglich zu halten haben, dass
abbildlich und nach Angaben von Schriftstellern Gegenstände nur als Standarten
vorliegen, welche eigentlich keine Standarten, sondern Kopfbedeckungen sind, und
als Standarten nur in einem bei ihnen vorkommenden Nebengebrauche vorkommen-
Das Vorkommen von gewissen Gegenständen nur als Standarten schliesst nicht
aus, dass sie unter gewissen Umständen das Gegentheil von dem sind, was gie
zu sein scheinen, dass sie Kopfbedeckungen und nicht Standarten sind. Das Bei
spiel der Mützen beweist nehmlich zugleich, dass man es bei einer Entscheidung
über die begriffliche Natur gewisser Gegenstünde, welche in zwei Functionen, als
Kopfschmuck und als Standarten, erscheinen, nicht in der Unbestimmtheit zu lassen
braucht, welche aus dem Vorkommen in zwei Punctionen an und für sich viel-
leicht hervorgehen kónnte. Bieten also die Erwühnungen und Abbildungen der helnm-
arügen Zierrathen der Tributlisten als Standarten keine hinreichende Garantie dafür,
dass sie nicht vielleicht doch eigentlich Kopf bedeckungen darstellen, und enthält die
Bezeichnung ,'Tzontli vielleicht sogar etwas der Deutung als Standarten Wider-
sprechendes, so sind anscheinend auch die Abbildungen der helmartigen Zierrathen
in den Tributlisten nicht frei von Hinweisen darauf, dass sie vielleicht doch besser
als Helme angesehen werden, denn als Banner. .
Dass die bisher als Helme angesehenen Zierrathe der Tributlisten und kreis-
theilförmige Banner in denselben grosse allgemeine Aehnlichkeit mit einander
haben, ist jederzeit anerkannt worden. Die Kappe ist etwas anders geformt bei
den „Helmen“, als bei den „Standarten“. Darin besteht nicht der ganze Unter-
schied. Die „Helme“ zeigen durchgehend einen breiten äusseren Kranz langer frel-
wallender Endfedern an einem inneren festen Theile, welcher nur die halbe radiale
Breite der ganzen radialen Breite des Schmuckes einnimmt. Die entsprechenden
Standarten zeigen jedoch eine fast durch den ganzen Schmuck durchgehende feste
Wand. Nur eine Anzahl ganz kurzer Randfedern sind dieser Wand peripherisch
aufgesetzt. Die „Helme“ zeigen in den lang wallenden peripherischen Aussen-
federn Uebereinstimmung mit zahlreichen kronenartigen Zierrathen der Bilder-
schriften (man vergleiche bei Frau Nuttall z. B.: Taf. II, Fig. 1, 19, 20, ganz
abgesehen von den Helmabbildungen des Codex Vaticanus A und des Atlas von
Durän). Analoge Uebereinstimmungen der kreistheilfórmigen Banner mit kronen-
arügen Zierrathen fehlen. Der Umstand, dass gerade die Uebereinstimmung vor
handen ist bei Gegenständen, welche auch schon wegen des Fehlens der Standarten-
gestelle nur mit Zuhülfenahme besonderer Voraussetzungen für Standarten angesehen
werden kónnten, wührend die Standartengestelle vorhanden sind bei Gegenständen,
welche, auch schon ihrer augenscheinlichen sonstigen Construction nach, im Rahmen
der allgemeinen mexikanischen Erscheinungen nicht wohl für Kopfzierden g€
halten werden kóünnten, scheint darauf hinzudeuten, dass jene auch wesentlich etwas
anderes sind, als diese, — jene in der That, worauf die Art der Zeichnung ZU
deuten scheint, Helme, diese Standarten.
Aus diesen Gründen würde man wohl die weitere Entwickelung der Frage
ob die helmartigen Zierrathe der Tributlisien durchaus Banner sein müssen, ab"
zuwarten haben, ehe man genöthigt werden könnte, auf die Unterstützung, welche
sie der Deutung des Wiener Federschmuckes als Kopfschmuck gewähren, zu ver”
zichten. .
Uebrigens ist die kreisviertelartige Form der Standarten, seien nun die mit
Standartengestellen abgebildeten (siehe bei Frau Nuttall Taf. II Fig. 8, 12, 23)
allein, oder auch die ohne Standartengestelle abgebildeten helmartigen Zierden
solche, nach der Abnormitit dieser Form für Standarten und ihrer Aehnlichkeit
(153)
ny Kopfzierden im Allgemeinen, jedenfalls auf keiner freien Erfindung dieser
Dos für Standarten beruhend, sondern eine aus einer Kopfschmuckform abgeleitete,
Tiong. würde. auch das Vorhandensein der von Hrn. Seler für die helmartigen
Herden angenommenen Kappe stimmen. Die Beziehung dieser Form auf Kopf-
De en wird man daher in keiner Weise ganz zu beseitigen im Stande sein.
beds Anschein nach sind die helmartigen Zierden der Tributlisten ächte Kopf-
fne ge der Uebergang der reinen Kopfschmuckform in die reine Standarten-
Nutt wire dagegen am deutlichsten bei der Standarte erkennbar, welche von Frau
ie all Taf. II Fig. 22, von Hrn. Seler S. 76 abgebildet ist, da hier neben der
Kopp Sten kreisviertelartigen Kopfschmuckform der reine, den Gebrauch als
D Putz vollstindig ausschliessende Standartencharakter am klarsten ersichtlich ist.
i, hem wir nun in den verglichenen helmartigen Zierrathen der Tributlisten
sling wesentlichen Natur nach Kopfzierden, dem praktischen Gebrauche nach Gegen-
80 br, welche sowohl auf dem Kopfe, wie standartenartig getragen werden konnten,
für cht doch für den Wiener Federschmuck, wenn wir ihn der Analogie nach
argon en Kopfschmuck halten, nicht auch zugleich zu folgen, dass auch er stan-
ihn ue getragen irgendwo vorkommen musste. Denn der Stutz kennzeichnet
Sondern das Abzeichen eines besonderen Amtes, für welches erst noch in be-
ih dT Weise nachgewiesen werden müsste, dass auch seine Verwalter eventuell
Digg, Lage kamen, ihr Kopfputzabzeichen als Standarte hinter sich tragen zu
auch n. Gesetzt aber den Fall, der Wiener Federschmuck wäre als Kopfputz
TN die Lage gekommen, als Standarte getragen zu werden, so würde er nach
wig Sion der standartenartig getragenen Helme, und der aus ihnen ení-
dag B festen kreisviertelartigen Standarten nicht halbkreisformig entfaltet, wie
aig) ilimek’sche Bild andeutet, sondern kopfputzartig (also doppelt, kreisviertel-
also wr ammengefaltot getragen worden sein. Das Bilimek'sche Bild behielte
eines Cu dann nicht Recht, wenn man auch nur die Möglichkeit des Tragens
Auge pe Prischmuckes, wie des Wiener, in der Art des Bilimek'schen Bildes ins
B assen wollte.
bekleig ist ja recht verdienstlich, dass Hr. Seler auf die Aehnlichkeit der Kopf-
Atlas. Te an der Abbildung eines am Xocotl (Hist. de la Indias de N. Esp. 1867,
dagg e rat. 2 lam 8 cap. 12 fig. b) hingewiesen hat. Nur sollte er bemerkt haben,
Verde: Sich in der Abbildung nicht um eine Vogel-, sondern um eine Fledermaus-
Poste dung handelt, welche ja nach dem Texte Durán's (1. c. II 168) an diesem
den Où, eben der Vogelverkleidung üblich war, und speciell in der Abbildung an
(enter i (bei Hrn. Seler auch an den Zühnen) und den Flughäuten des Thieres
Beh en Armen des Tinzers) sichtbar ist. Ob die, in der von Hrn. Seler an-
bang 0 Sahagun-Stelle angedeuteten, vogelartigen Bekleidungen der Köpfe von
ähnlich Königen (S. 65) dem Wiener Federschmuck in bedeutsamer Weise
des Vo Waren, muss deshalb als fraglich erscheinen, weil daran die Schwanzfedern
Was beid. I herabhüngend, die Flügel aber hörnerartig aufragend geschildert sind,
Ge; es mit dem Wiener Kopfschmuck nicht stimmen würde.
Hr, Soy. A aber, der Wiener Federschmuck wire eine derartige Vogelmaske, was
Putz wi zulassen würde, um daraus zu folgern, dass der Gegenstand kein Kopf-
"Wenden Wohl aber als Maske auch bannerartig gebraucht sein könne, so ist eın-
dedeckune dass damit dennoch die specifische Natur des Gegenstandes als Kopf-
Belegentiion. oo Hrn. Seler selbst aufgestellt wäre, wogegen die angenommene
AN hinres e Verwendung als Banner dabei wieder streitig wäre. Denn es fehlt
ichenden Beweisen dafür. dass wirkliche Masken emblemartig am Nacken
(154)
getragen wurden, wie auch das Vorkommen ähnlicher Masken, , bannerartig am
Rücken getragen, durchaus hypothetisch wäre‘
Die vorausgehenden Erörterungen zeitigen das Ergebniss, dass die Hieroglyph®
des Ms. Boturini für den Namen Apanecatl als Unterstützung für den Gebrauch
des Wiener Federschmuckes als Kopfschmuck in Anspruch genommen werden
darf, dass das Bilimek’sche Bild als Beweis für standartenartigen Gebrauch des
Wiener Federschmuckes keines hinreichenden Vertrauens würdig ist, dass die
helmartigen Zierden der Tributlisten trotz des Einspruches von Hrn. Seler ver”
muthlich doch Helme, nicht Banner sind, und als Unterstützung‘ für den. kopfputz-
artigen Gebrauch des Wiener Federschmuckes ihrer constructiven Analogie wege?
wohl noch niemals in Anspruch genommen werden dürfen, und dass in gewisse?
maskenartigen Verkleidungen wohl einige vergleichbare Aehnlichkeiten vorgekommen
zu sein scheinen, nicht jedoch hinreichende, um den Wiener Federschmuck selbst
als Maske bestimmen zu müssen, ganz abgesehen davon, dass er selbst dann als
Kopfbedeckung, statt als standartenartigen Charakters erwiesen wäre.
In der ersten Hauptfrage, ob der Wiener Federschmuck als Kopfbedeckung
oder als Standarte anzusehen sei, dürfte demnach Frau Nuttall im Rechte sei!
gegenüber F. v. Hochstetter und dem Vertheidiger seiner Ansicht, Hrn. Seler
Der Wiener Federschmuck ist ein Kopfschmuck, keine Standarte, seiner com
structiven Natur und Verwendung nach (siehe Fig. 3).
Es darf nicht verschwiegen werden, dass die Stützen, welche Frau N uttall
dann für ihre Ansicht vorbrachte, der Kopfputz sei von Montezuma, als Kriegsfiirst
und als Hohepriester Huitzilipochtli’s, selbst getragen worden, auch mir nicht als
zwingende erschienen sind. Der Vogelschnabel erscheint auf dem Tizoc-Stein®
auch an den Kopfzierden der Krieger, der den Konig Tizoc begleitenden Kriege
ebenso führt ihn. die Géttin Xochiquetzal (bei Frau Nuttall Taf. II Fig. 19) a"
ihrem Hauptschmuck; der Stutz wird als Abzeichen der königlichen Kriegshelm®
wenn je, vielleicht. nur mit grosser Mühe nachgewiesen werden können; dass der
König Montezuma in der Schlacht den Gott Huitzilipochtli durch seine Tracht
zu verkörpern gesucht habe, dürfte kaum je zureichend begründet werden künnel»
und ob ihm ausser der Schlacht, eventuell in gottesdienstlichen Handlungen, das
Recht zustand, in der Tracht diesen Gott zu verkörpern, könnte vielleicht einmal
nachgewiesen werden, — es wäre in jeder Hinsicht interessant, wenn es Frau
Nuttall gelänge, — jedenfalls ist es zureichend von ihr noch nicht erwiesen. Vo”
hohem Interesse, und als möglicherweise vollständig richtig, erscheinen ihre AP
führungen für die Geltung des blau-rothen Streifes an Kopfzierden als Abzeiche””
farbe der Könige oder überhaupt höchstgestellter Personen. Anzunehmen aber
dass darnach ausser den Königen nicht auch z. B. verschiedene Götter und deren
Hohenpriester mit dem blau-rothen Streifen am Kopfputz geehrt worden Se?
könnten, scheint mir gleichfalls unberechtigt. Jedoch alle solche Bedenken, welche
man gegenüber den Ausführungen der Frau Nuttall über den Rangwerth des Wiener
Federschmuckes haben könnte, haben sich durch Frau Nuttall’s hohes eigene?
Verdienst erledigt, indem es ihr gelungen ist, in dem von ihr neugefundenen Codex
anonimo der Florentiner Bibliothek (dessen Herausgabe auch ihrem hochschätzens”
werthen wissenschaftlichen Eifer verdankt werden Soll) eine Abbildung des Gottes
Huitzilipochtli aufzufinden, welche einen in Construction, Form und Farben (nU
abzüglich des hier fehlenden Vogelschnabels) genau mit dem Wiener Kopfput?
stimmenden Kopfschmuck zeigt (Fig. 4). In der schon einmal erwähnten Mit-
theilung an den Congress der Amerikanisten zu Paris ist dieser Fund von F rat
Nuttall bekannt gemacht und schon verwerthet worden, Frau Nuttall behilt
(155)
Figur
(sur
|
’ t
Figur 6
Go ‘i Dies Oar
a
iip doch Recht darin, dass der Wiener Kopfputz ein Kopfschmuck Huitzi-
Grüna tli’s ist, merkwürdigerweise aus anderen, als den von ihr 1887 geäusserten
nier Es ist in keiner Weise ausgeschlossen, es lässt sich durch Manches
Yon ren, dass der Wiener Kopfputz Huitzilipochtli's (welcher also vermuthlich
Coreg emt der Hohenpriester des Gottes getragen war) das von Montezuma an
War, pd dann von Cortes an Kaiser Karl V. übersandte Apanecayotl (siehe oben)
dem G le schwierigen Feststellungen darüber überschreiten jedoch das engste, an
am egenstand zu nehmende wissenschaftliche Interesse und würden vielleicht
locglgy der durch den Besitz des Gegenstandes nächst betheiligten Stelle aus
Gründen zur Weiterführung überlassen werden. —
Er or Seler bemerkt, dass er nicht die Absicht habe, in ähnlicher Weise, wie
Seite den den Inhalt des Aufsatzes der Frau Nuttall recapitulirt habe, nun seiner-
"hw, Inhalt seiner Arbeit noch ‚einmal vorzutragen. Aber Hr. Uhle hätte von
Wordey © Angriffen“ gesprochen, die von seiner Seite gegen Frau Nuttall gemacht
Arbeit EN Dem gegenüber erlaubt er sich zu constatiren, dass er in seiner
Stehen den. Anfang an erklärt habe, dass Ansehen und Beschaffenheit des in Rede
Rückenst, Schmuckes es gestatten, denselben sowohl als Kopfschmuck, wie als
führe a darte aufzufassen, dass aber die Gründe, die Frau Nuttall dafür an-
Überhau " es nichts anderes als ein. Kopfschmuck sein künne, irrig seien, dass
Stettep , mach Meinung des Vortragenden, die Theorie des verstorbenen v. Hoch-
bestehe nicht mit so leichter Hand abzuweisen sei. Das Bilimek'sche Bildchen
Zu Recht. Die andere Deutung, die Frau Nuttall dafür versucht habe,
(156)
sei vollständig verkehrt. Und was die angezogene Hieroglyphe apanecatl betrefl®
so sei es eine blosse, auf keiner Thatsache basirte Muthmaassung von Seiten der
Frau Nuttall gewesen, dass der Federschmuck, dessen Zeichnung in der Hiero
glyphe zu erkennen sei, mit dem Worte apanecayotl bezeichnet worden sei. Und
wenn das zutreffe, wofür der Redner selbst, auf Grund anderer Erwägunge"»
Belege beigebracht habe, was in aller Welt hätte dann das Element atl, , Wasser
in dieser Hieroglyghe zu thun? Bei der Hieroglyphe Acolhuacan könne man
annehmen, dass auch das Element àtl das lange à von Acolhuacan, welches 1?
dem Elemente acolli, „Schulter“ nicht enthalten sei, zum Ausdruck gebracht
worden sei. Apanecayotl enthalte aber schon das lange à, denn das Wort be
deute: ,der Schmuck der Leute, welche a-pan (am Wasser) wohnen“. Hier gebe
es also nichts mehr zu determiniren. Von einer determinativen Verwendung
von hieroglyphischen Elementen, im Sinne der ägyptischen Hieroglyphik oder der
Chinesischen Klassenzeichen, sei überhaupt in der mexikanischen Bilderschrift nit"
gends eine Spur zu finden. Höchstens könne man, und das treffe vielleicht auch
für die in Rede stehenden Hieroglyphen zu, an eine pleonastische Verwendung
hieroglyphischer Elemente denken.
(14) Hr. Ed. Seler giebt Beiträge
zur mexikanischen Chronologie mit besonderer Berücksichtigung des
zapotekanischen Kalenders.
Diese Abhandlung wird in der Zeitschrift für Ethnologie veröffentlicht werden
(15) Eingegangene Schriften.
l. Goode, G. B., Report upon the condition and progress of the U. S. National
Museum during the year, ending June 30. 1888. (Smiths. [nst. Rep. Smiths
Inst. 1887—88.) Washington 1890.
2. Adler, C, Report on the section of oriental antiquities in the U, S. National
Museum 1888. (Smiths. Inst. Rep. Smiths.-Inst. 1887—88.) Washington
1890.
3. Watkins, J. E, Report on the section of transportation and engineering ??
ihe U. S. National Museum 1888. (Smiths. Inst. Rep. Nat. Mus. 1887—88-
Washington 1890.
4. Hippisley, A. E,, A catalogue of the Hippisley collection of chinese porce
ains, with a sketch of the history of ceramic art in China. (Smiths. Inst
Rep. Nat. Mus. 1887—88.) Washington 1890.
9. Jouy, P. L, The collection of Korean mortuary pottery in the United States
National-Museum. (Smiths. Inst. Rep. Nat. Mus. 1887—88.) Washington
1890.
6. Hough, W., Fire-making apparatus in the United States National Museu?
(Smiths. Inst. Rep. Nat. Mus. 1887—88.) Washington 1890.
7. Niblack, A. P., The Coast Indians of Southern Alaska and Northern British
Columbia. (Smiths. Inst. Rep. Nat. Mus. 1887—88.) Washington 1890.
: Nr. 1—7 Gesch. d. Smithsonian Institution.
8. Polakowsky, H., Antigüedades de Costa Rica. San José 1890. Gesch. d. Verf.
9. Schreiner, W., Das Militärdiplom von Eining. (Aus den Sitzungsber. d. kgl-
bayer. Akad, d. Wissensch. 1890. Bd. IL. Heft IIL) München 1890. Gesch.
d. Verf. -.
Ausserordentliche Sitzung am 14. Februar 1891.
Vorsitzender Hr. Virchow.
corp (1) Vorstand und Ausschuss haben Hrn. Antonio Penafiel in Mexico zum
espondirenden Mitgliede der Gesellschaft erwählt.
(2) Als neue Mitglieder werden angemeldet:
Hr. Arthur Wanjura, Berlin.
» Professor Dr. Jolly, Berlin.
. Stud. theol. E. Langhoff, Berlin.
Ingenieur Carl Giebeler, Berlin.
Chr. Jensen, Lehrer im Oevenum, Holstein.
dem S) Das correspondirende Mitglied, Hr. Ladislau Netto, ist nach einem, unter
"urü 18. Januar an den Vorsitzenden gerichteten Schreiben nach Rio de Janeiro
Wig. _BCkehrt und hat daselbst sein Amt als Generaldirector des Museu Nacional
Nigh übernommen. Die Regierung der Republik hat ihm zur Erwerbung der
Ri, So cee Privathiuser die Summe von fast 1 Mill. Franes (350 Contos de
könn bewilligt, damit die erforderliche Erweiterung des Museums bewirkt werden
Ent *. Die Sammlungen, besonders die zoologischen, versprechen eine grosse
Wickelung.
By (o Der verdiente Polarforscher und Entdecker noch lebender Cliff-Dwellers,
Verst Chwatka, ist zu Mason City, Iowa, in Folge eines Sturzes von der Treppe,
Zu wen. Er war 1849 in Gallena, Illinois, geboren und in der Militärakademie
van oint ausgebildet. Wir erinnern uns mit besonderer Anerkennung der
Aufon en Schilderung seiner schaurigen Reise in den arktischen Regionen zur
hier hung der Reste der Franklin’schen Expedition, die er vor mehreren Jahren
1 der geographischen Gesellschaft vortrug.
für ©) Der Hr. Unterrichtsminister übersendet mittelst Erlasses vom 31. Januar
Westen Bibliothek der Gesellschaft ein Exemplar des 18. Jahresberichtes des
älischen Provinzialvereins für Wissenschaft und Kunst.
6 . ue nr.
des e) Der Hr. Unterrichtsminister überschickt zur Mittheilung einen Bericht
A NServators Hrn. Fr. Tewes über:
us T
S'abungen und Untersuchungen bei Ehestorf, Kr. Zeven, und bei Ander-
I lingen, Kr. Bremervórde, in der Prov. Hannover.
liegen de, em Moor nórdlich von Ehestorf befand sich unter 3 nahe bei einander
Noch an Hügeln ein grösserer, abgesehen von einigen oberflächlichen Grabungen,
nz unversehrter. Er maass 14 m in der Linge, 12 in der Breite und etwa
(158)
2 in der Höhe. Schon in einer Tiefe von 1m stiess man auf eine Steinsetzuné
deren Ränder von grossen Steinblöcken bis zu 1m Länge und 30 cm Stärke 8”
bildet waren. Zwischen den Steinen fand sich alsbald ein Bronzemesser, 11 em
lang und an der Schneide 4 cm breit, sowie überall zerstreut Kohlenstücke. Weite”
hin kam ein 24 cm langes Bronzedolchblatt mit 4 Bronzenieten am Griffende
eine 20 em lange Speerspitze aus Bronze zu Tage, welche, ebenso wie ein später
entdeckter Celt, mit Resten von Leder umhüllt waren. Letzterer Celt W&
16,5 cm lang und hatte eine Schneidenbreite von 4,5 em; àn ihm sassen noch Rest?
eines hölzernen Griffes. Ausserdem wurde noch eine Speerspitze au?
Feuerstein mit vorzüglich gezühnten Schneiden und ein etwa 6 cm langer Bronz?
haken gewonnen. Hr. Tewes seizi diesen Hügel in den Anfang der Hügelgräbe"
zeit, wo schon Verbrennung der Leichen stattfand. :
Etwa 1000 Schritte weiter nördlich auf dem Gebiete von Niendorf lag er
anderer schöner Hügel mitten zwischen mehreren, leider schon zerstörten. Dr
selbe hatte 12 » im Durchmesser bei einer Höhe von 3 m. Auch bei ihm wurde
in der Mitte eine Steinsetzung freigelegt, jedoch bestand sie aus viel kleinere?
Steinen. Metall wurde nicht gefunden, dagegen die Hälfte eines, vielleicht ufällé
zwischen die Steine gerathenen Polirsteines (20 cm lang, 15 breit, 7 dick) T
im Innern, an der Stelle einer stark mit Kohle durchsetzten aschenhaltigen Schich 4
ein schöngeschliffener, durchbohrter Steinhammer von 16 em Länge WW
D cm Schneidenbreite, sowie ein einfaches, vier-, bezw. fünfkantiges Messer au?
Feuerstein, 12 em lang und 3 cm breit. Hr. Tewes verlegt dieses Grab in die
Uebergangszeit zwischen der Periode der Hügelgrüber und der der Steingräber- .
Von einem, durch frühere Angaben bezeichneten Burgwall bei Burg Els
dorf konnte keine Spur aufgefunden werden. u
Bei Anderlingen liessen sich die Reste eines spüten Urnenfriedhofe*
nachweisen, doch war ausser Scherben zertrümmerter Thongefässe und Resten vor
Leichenbrand nichts zu erkennen. Nur einmal soll ein ganzes Gefäss, in dem enm
kleines Beigefüss steckte, gefunden sein.
(7) Der Hr. Unterrichtsminister übersendet zur Kenntnissnahme eine wv
seinem Auftrage durch Hrn. Hartwich in Tangermünde besorgte Sammlung phe”
tographischer Aufnahmen von megalithischen Denkmülern der al
mark.
(8) Vom 1.—10. September 1891 tagt der neunte internationale Orie?’
talistencongress zu London. Derselbe wird besondere Sektionen für AegyPte"
Africa und die malayischen und polynesischen Gebiete organisiren.
(9) In Washington wird am 26. August 1891 der fünfte international?
Geologencongress eröffnet. In der Woche vorher werden daselbst die ame"
kanische Association für den Fortschritt der Wissenschaften und die amerikanisch
Geologische Gesellschaft Sitzungen abhalten.
(10) Hr. Franz Boas berichtet in einem Briefe an den Vorsitzenden d. d.
Worcester in Massachusetts vom Januar über seine letzte
Reise an die pacifische Küste.
Ich komme jetzt allmählich dazu, die Resultate meiner letzten Reise 7
pacifischen Küste übersehen zu können. Ich besuchte letzten Sommer die nor
(159)
poe Hille der Küste von Oregon, die Küste von Washington und das Delta des
Yon o Biver. Es gelang mir nach langem Suchen, den letzten Chinook zu finden,
Shige ich glücklicherweise viel Material sammeln konnte, sprachlich sowohl, wıe
telis einen. Ebenso fand ich den letzten Siletz, emen Stamm in Oregon, der zur
Cool, en Sprachfamilie gehôrt. In British-Columbien traf ich einige der Bella
— die wir seiner Zeit in Berlin sahen, und erhielt eine Reihe sehr inter-
er Notizen von ihnen.
"i war letzten Sommer in der glücklichen Lage, eine ganze Anzahl von Indi-
und m messen zu können, im Ganzen 267, doch sind etwa 130 nicht Erwachsene
die ehr als 10 Halbblutindianer darunter. Ich habe 123 brauchbare Individuen,
Result der Küstenstrecke | zwischen Californien und Bella Coola stammen. Die
lassen aie. der Messungen, die allerdings nur 15 Maasse für jedes Individuum um-
Sthieq smd recht interessant. Besonders bemerkenswerth ist der scharfe Unter-
a gewissen Gruppen, der sich gleichmissig bei Männern und Frauen
kann ». t. Wenn man die Frauen unmittelbar am Columbia River ausnimmt, so
Pct a die ganze Bevölkerung von Californien bis zum südlichsten Theile von
bet rn als ziemlich homogen bezeichnen. Ihre Grösse ist in Nord-Oregon
baba o als in Süd-Oregon, in Washington etwa gleich der in Nord-Oregon
ist bre 2r Der Lüngenbreitenindex des Kopfes beträgt etwa 83. Das Gesicht
Vor ihr das Obergesicht aber schmal. Die Stümme am Columbia zeichnen sich
Ming, Nachbarn wesentlich durch die viel bedeutendere Grösse aus. Acht
den Ya gaben eine Durchschnittsgrösse von 1699 num, während die Mittelzahlen m
wg chbargebieten etwa 1650 mm erreichten. Ueber die Kopfbildung ist nichts
rift i da die Kopfe stark deformirt sind. Geht man weiter nach Norden, so
Wirdig 1 am unteren Fraser River und in den benachbarten Gebieten eine merk-
TN leine Volksgruppe. Neun Minner von Harrison Lake ergaben eine Mittel-
50 Sap 1611 mm, die nur dadurch so gross wurde, dass ich Männer, die über
eine Min sein schienen, ausschloss. Neun Weiber desselben Stammes ergaben
Mittlere elhöhe von 1522 mm. Die Männer desselben Stammes ergaben einen
Kommt v Lngenbreitenindex von 89,7, die 9 Frauen einen solchen von 81,9. Dabei
ich ein; eine künstliche Deformation in Betracht. Um ganz sicher zu sem, maass
Diggepy € Knaben, die in einer katholischen Missionsschule aufgezogen werden.
Mädchen sind ebenfalls hyperbrachycephal. Leider wurde mir nicht verstaitet,
Eheu Zu messen, die ebenfalls diese Schule besuchen. Dazu kommen un-
für We; breite Gesichter mit einem mittleren Index von 76,0 für Männer, von 79,0
Sang ; the r. Durch diese ungewöhnlichen Verhältnisse steht die Stammesgruppe
a lint unter ihren Nachbarn.
Stwy, 1 a ganzen Küste von Britisch-Columbien finden wir als mittlere Grösse
Meiche 0 mm. Hier treten Mesocephale auf, die allerdings nahezu Brachycephalie
Verh Natürlich finden sich genug der letzteren unter der Bevölkerung. Die
Cooly d Se des Gesichtes erinnern sehr an die in Oregon beobachteten. Die Bella
Wohnen le mitten unter dieser scheinbar ziemlich homogenen Bevölkerungsmasse
SCheinen sind grosser und viel kurzkopfiger. Die Tlingit im südlichen Alaska
RB gleichfalls grösser und kurzköpfiger zu sein.
ing. achtet man die ganze G ; fall llem die gr
ividuen ganze Gruppe zusammen, so fallen vor allem ie grossen
allen gr €n und gruppenweisen Schwankungen der Statur auf. Ferner ist ihnen
a Kürze der unteren Extremitäten im Vergleich zu der Länge der Ober-
da die Miss eigen. Dieses darf nicht dem Leben im Boot zugeschrieben werden,
Völker. apasken von Oregon es ebenso zeigen, wie die ausgesprochenen Fischer-
Die Verhältnisse sind ganz ähnlich den von Baelz in Japan gefundenen.
(nn A
Sie kommen auch recht deutlich bei der Messung von Skeletten zum Ausdruck:
Ich maass 35 derselben und fand stets die Länge der Beine klein im Verhältnis®
zu der der Arme. Wollte man nach den üblichen Procentsätzen die Kürperling?
aus den Beinlüngen berechnen, so würde man Werthe erhalten, die schlecht
den Messungen an Lebenden übereinstimmen.
Sieht man die Indianer des nördlichen Columbiens allein, so wird man 50
gleich an ostasiatische Typen erinnert. Farbe, Haar, Kórperbau, Auge (besonders
der fast stets vorhandene Epicanthus) tragen dazu bei. Sieht man aber beide 2%
sammen, so tritt sofort der grosse Unterschied scharf hervor. Ich reiste letzten
Sommer zufällig auf einem Schiffe, auf dem etwa 90 japanische Arbeiter, o
6 Chinesen und 30 Indianer von verschiedenen Stämmen des nördlichen BritisC
Columbiens waren. Die Japaner und Indianer trugen gleichartige Kleidung. Da
fielen denn sofort die grobe, breite Nase, das grössere Auge mit viel schwächere”
Plica interna, das grössere Gesicht, besonders die grosse Breite des Unterkiefer“
und der volle Mund, sowie endlich das braunere Haar als unterscheidende Merk”
male klar in die Augen.
Unter anderen Merkmalen fiel mir besonders die grosse Häufigkeit von par
üeller Hypertrichose, besonders an Stirn und Nacken, auf. Vor allem das weil
liche Geschlecht scheint dazu zu neigen. Ich traf eine ganze Reihe von Individue®
die 2—3 cm lange Haare auf der Stirn hatten, so dass nur die kleine dreieckig®
Flüche auf der Glabella frei blieb. Recht eigenthümlich wirkt die Oberlippe, die,
anscheinend. ohne begleitenden Prognathismus, so voll und lang ist, dass sie dem
Nasenrücken parallel läuft oder ihn in seiner Verlängerung nach unten schneider
würde. .
Anthropologisch von Interesse dürfte auch der Síammbaum der letzten 10 Gene
rationen einer Háuptlingsfamilie sein, welcher recht schón die Art der Vermischurs
der Stämme durch Heirathen zeigt, die nicht so ausgedehnt ist, wie ich Ye"
muthete.
(11) Hr. Boas bespricht gleichzeitig eine
Felsenzeichnung von Vancouver Island.
Die beifolgende Felsenzeichnung findet sich am Ostufer von Sproat Lake, mie
dessen südlichem Ausflusse. Sproat Lake liegt. etwa 10 ki nördlich vom obere :
Ende des Alberni-Fjords, welcher tief in das Innere von Vancouver Island br
schneidet. In früheren Zeiten war diese Gegend, die auch heute noch nicht i
gelegen ist, das Gebiet der Hópetschisa'th, eines Siammes der Nootka oder "
die noch jetzt ein Dorf einige Meilen unterhalb des Sees, an dem Einfluss os
Stamp River in den Hauptfluss, haben. Der Aussage älterer Mitglieder des Stam y
zufolge, war derselbe ein Zweig der Cowitchin, welche die Ostseite von Vanco |
Island, wenige Kilometer nordöstlich vom oberen Ende des Alberni-Fjordes, ie
haben. Noch die Grossvüter meiner Gewührsmünner sollen ausschliesslich or
Cowitchin-Sprache gesprochen haben. Demnach müsste der Sprachwechsel Y
etwa 110 Jahren vor sich gegangen sein. Damals sollen die Ts’éschä'ath, den
anderer Stamm der Nootka, den Fjord hinaufgezogen sein und sich mit hts
Höpetschisä’th vermischt. haben. Die heutigen Bewohner des Gebietes wissen me
über den Ursprung der Felsenzeichnung mitzutheilen. Nach ihrer Sage soll ein-
Fels, auf dem dieselbe eingegraben ist, einst das Haus Kwótiatb's gewesen ^a
Kwótiath ist die wandernde Gottheit in der Nootka-Mythologie und entspricht a det
dem Raben der Tlingit und Haida, dem Qäls der Cowitchin. Die Zeichnung Hn
160;
(161)
sich an einer senkrechten Felswand
von etwa 7 m Höhe, die unmittelbar in
den See abfällt, so dass es nóthig war,
die Copie im Wasser stehend zu machen.
Der Felsen ist in der Mitte von einer
breiten, sich nach unten verschmálern-
den Spalte durchsetzt, aus der Blöcke,
welche Theile der Zeichnung trugen,
herausgefallen sind. Nördlich und süd-
lich der Felswand steigt das Ufer sanft
an, doch finden sich überall felsige
Partien. Die Linien der Zeichnung
sind flache Rinnen, etwa 2—3 Finger
breit und an vielen Stellen so. ver-
wittert, dass sie kaum mehr kenntlich
sind. Unzweifelhaft sind dieselben in
. das Gestein hineingetrieben. Es finden
= sich keine Schlagmarken irgend wel-
5 cher Art. Die Figuren sind in dersel-
: ben Anordnung wiedergegeben, in der
= sie sich auf dem Felsen finden. Nur
die. rechts oben (a) steht entfernt von
allen anderen, am südlichsten Ende
des Felsens. G. U. Sproat erwihnt
diesen Petroglyph in seinem Buche:
Scenes and Studies of Savage Life,
p. 269. Die dargestellten Objekte sind
offenbar Fische oder Seeungeheuer.
Die mittlere Figur links vom Spalt
dürfte ein bemanntes Boot sem, dessen
vorderes Ende vermuthlich vernichtet ist.
(12) Hr. Boas übersendet ferner
einige Sagen der Kootenay.
Die folgenden Sagen sammelte ich
im Sommer 1888 unter dem nóürdlich-
sten Stamme der Kootenay (besser
Kutonà/qa) am Quellsee des Columbia.
Die Sagen wurden von eimigen alten
Leuten erzühli und mir von einem fran-
zösischen Halbblutindianer, Baptiste mit
Namen, der an eine Kootenay-Indiane-
rin verheirathet ist, übersetzt.
1. Der Hase.
Es war tiefer Winter und alles war
mit Schnee bedeckt. Der Hase ging
einst auf Jagd und fand die Spuren
"tha 4 eines grossen Rudels Elenthiere im
' Tér Berl, Anthropol, Gesellschaft 1891.
11
(162)
Schnee. Die Spuren waren so zahlreich, dass sie aussahen, wie ein breiter Weg
Der Hase dachte: wahrscheinlich gehen die Elenthiere zu einer Rathsversammlu9
und beschloss sie zu verfolgen. Er ging heim, um sich ein Paar Schnoeschu?"
zu machen. Als die Leute (d.h. die Thiere) hôrten, dass Spuren von Elenthie,
gefunden waren, machten sie sich fertig und gingen aus, sie zu verfolgen- À 1
Thiere, der Wolf, der Bär und die Vögel waren auf der Jagd begriffen. Die FS
des Hasen, ein kleiner rother Vogel, hatte kurz zuvor ihren Mann verlassen; m
lebte mit dem rothen Habicht, der ein guter Jüger war. Die Thiere waren sob?
zwei Tage auf Jagd; nur der Hase‘ war noch zu Hause, damit beschäftigt
Schneeschuhe zu machen. Sein Kind und ein alter Mann, der Frosch, lebten m
ihm zusammen. Nachdem er zurückgekehrt war und den Thieren erzählt hatt®
dass er Spuren von Elenthieren gefunden habe, war er wieder in den Wald 8
gangen, um sich Holz zu holen, aus dem er Schneeschuhe machen wollte. Drauss’
im Walde fand er eine schone, junge Hindin. Er sprang auf sie zu und rief: "Ds
sollst meine Frau werden.“ Sie aber wollte ihn nicht zum Manne haben. of
ging er betriibt nach Hause zurück und sprach zum Frosch: „Grossvater! ich ir of
draussen eine schöne, junge Hindin, die ich heirathen wollte; sie wollte mich ab n
nicht zum Manne haben.“ Der Frosch versetzte: „Das war Deine. Schwest®
Gehe nochmals zu ihr und lade sie ein herzukommen und mit uns zu fete
Er folgte dem Rathe. Das Máüdchen kam und lebte fortan bei ihnen, ohne a
irgend Jemand darum wusste. Der Hase hatte Holz für seine Schneeschuhe 5 d
funden, er hatte dieselben fertig gemacht und bereitete sich vor, auf die Jagd ^.
gehen. Ehe er ging, sagte der Frosch: „Höre, mein Enkel, gebrauche nicht Don
Schneeschuhe, sondern ziehe ein Paar Fausthandschuhe an Deine Füsse. pa
wirst Du nicht in den Schnee einsinken und die Elenthiere überholen.“ en
Der Hase legte zunächst aber seine Schneeschuhe an und folgte den and
Jügern, die einen Vorsprung von zwei Tagen hatten. Bald traf er den Häupf
den Raben, welcher auf dem Rückwege begriffen war und dem viele Jäger folg of
Derselbe sprach: „Wohin willst Du? siehst Du nicht, dass alle Jäger mit M
Händen zurückkommen? Glaubst Du, dass Du besseren Erfolg haben uv
und er trampelte auf des armen Hasen Rücken herum. Derselbe liess sich nd
nicht abschrecken, sondern wanderte ruhig weiter. Bald traf er den Specht ©
dessen Söhne, die mit leeren Händen von der Jagd zuriickkehrten. „Ar
Hase“, so sprachen sie, „was willst Du thun? siehst Du nicht, dass wir mit uw"
Händen zurückkommen?“ und traten ihn mit Füssen. Bald traf er den Ta d
(einen Sehwimmvogel) und dessen Sóhne, die mit leeren Händen von der Ich
zurückkehrten. „Armseliger Hase“, so sprachen sie, „was willst Du thun? E
und meine Söhne kóünnen fliegen und haben die Elenthiere nicht einholen MA os
Glaubst Du, Du künnest mehr als wir“ und sie warfen ihn mit Schnee. Bald, er”
er den Wolf und dessen Söhne. Dieser sprach: Kehre um, Hase! Du tell
frieren“. Er aber ging unbekümmert seines Weges. Bald erreichte er die eite
wo die Jäger die erste Nacht ihr Lager aufgeschlagen hatten. Er aber lief w yer
ohne sich aufzuhalten. Bald traf er den Habicht und dessen Frau, die ihn dem
spotteten und mit Schnee bewarfen. Alle Jäger ausser dreien, dem Wiesel, mi
Fuchs und dem jungen Wolfe, waren nun zurückgekehrt. Am nächsten Tog" etat
er auch sie. Alle hatten die Jagd aufgegeben. Der junge Wolf, den er sorde
traf und der bei weitem der beste Jäger war, sprach zu ihm: „Ich bin 2 ing
umgekehrt. Es ist ganz unmöglich, die Elenthiere zu erreichen.“ Der Hase ®
aber dennoch weiter. hr treffen
Als er wusste, dass er an allen Jägern vorbei war und Niemand me
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11
(164)
trug, und legte ihn zu den Kleidern. Dann ging er ins Dorf. Als die Leute ih®
kommen sahen, sagten sie: „Da kommt der Wildkater*. Kaum hatten sie die
Worte ausgesprochen, als das Kind begann, sich zu beruhigen, und als der Kate
es auf die Arme nahm, wurde es ganz ruhig. Da wussten die Leute, dass der
Wildkater des Kindes Vater sei. Noch während er es hielt, rissen sie ihm di
Kleider vom Leibe und zerrissen sie. Sie verliessen ihn, die Hindin und das Kind,
lóschten alle Feuer aus, nahmen ihre Vorrüthe mit und überliessen sie de?
Hungertode.
Als die Leute forigegangen waren, führte der Wildkater sein Weib und Kind
nach dem Platze, wo er seine Kleider, das Feuerzeug und Proviant versteckt halte
Er óffnete das Versteck und sie bauten sich eine Hütte. Das Kind wuchs hera?
und wurde ein guter Jäger, wie sein Vater, so dass sie immer reichlich zu esse!
hatten. Nach einiger Zeit gebar die Hindin einen zweiten Sohn. Während sie nu?
Nahrung in Hülle und Fülle hatten, litten die Leute, welche sie verlassen hatten;
grosse Noth. Unter ihnen war die Grossmutter des Katers, die Elster. Diese
dachte: ,Ich will doch sehen, was aus meinem Enkel geworden ist.“ Wie gro®
war ihr Erstaunen, als sie fand, dass es ihnen so gut ging. Der Kater gab 1D!
reichlich zu essen, verbot ihr aber, den anderen Leuten etwas abzugeben. Einmal
im Sommer, verliess der Kater seine Familie, um Lachse zu fischen. Er macht®
ein Wehr, liess den Fluss oberhalb desselben sich aufstauen, und liess dann d??
Wasser wieder ab, wenn das Wehr voller Lachse war. Auf diese Weise fing ef
viele Lachse. Die Mutter und ihre zwei Söhne waren allein zurückgebliebe? ,
Eines Tages sagte sie zu den jungen Männern: » Wisst Ihr, dass die Leute jet?
damit beschäftigt sind, die Sonne zu machen? Geht hin und versucht, ob I»
nicht die Sonne werden könnt. Ihr werdet an der Stelle vorbei kommen, wo Bue!
Vater fischt; sagt ihm, was Ihr zu thun gedenkt.^ Die Söhne rüsteten sich zur
Reise, nahmen Abschied von ihrer Mutter, und als sie einige Tage gewandeft
waren, irafen sie ihren Vater. Dieser erkannte sie zuerst nicht, aber sie sprache?
zu ihm: , Wir sind Deine Sóhne und gehen zu dem Platze, wo die Leute die Son!
zu machen versuchen. Wenn es ‘uns gelingt, wirst Du uns nicht wiedersehe?
sonst kommen wir bald zurück. Sie wanderten weiter und gelangten endlich 7"
dem Plaize, wo die Leute die Sonne zu machen versuchten. Als sie ankamé”
war der Rabe die Sonne. Schwere, schwarze Wolken bedeckten den Himmel, und
es war sehr kalt. Die Leute riefen den Raben zurück ung hiessen den Prairie
wolf seinen Platz einnehmen. Derselbe lief fort, und nach kurzer Zeit sahen se
ihn hinter den Bergen aufsteigen. Sogleich wurde es schónes Wetter und so heiss
dass die Leute ins Wasser springen mussten, um der Hitze zu entgehen. Nachde™
der Prairiewolf eine kurze Zeit am Himmel gewesen war, sah er Leute wildpre!
braten. Da rief er: „Halloh! esst nicht alles auf, was Thr gekocht habt. Ich wil
auch etwas ab haben,“ und eilie zurück. Daher war der Tag sehr kurz. Zudem
erzühlie er alles wieder, was er auf Erden gesehen hatte. Da sagten die Leute
„Du sprichst zu viel; Du kannst nicht die Sonne sein“, Dann rief der Häuptling
mit lauter Stimme: „Lasst die beiden Fremdlinge, die eben angekommen sind, in
Glück versuchen, der ältere zuerst!“ Dieser ging nun hinter den Berg, und stie
langsam empor. Da sahen die Leute die Sonne erscheinen, gerade wie wir ln
heute sehen. Es war nicht zu warm und nicht zu kalt. Mittags stand sie ni
so hoch, dass gar kein Schatten fiel, und der Tag hatte die richtige Lünge. A
er Abends zurückkam, frug der Häuptling: „Was haltet Ihr von ihm?“ und al :
Thiere priesen ihn. Er wurde daher als Sonne angenommen. Der Háuptling fuh
fort: „Wir müssen aber auch eine Sonne für die Nacht haben: lasst den jüngere?
(165)
er versuchen, ob er es werden kann“. Dieser ging hinter den Berg, stieg in
sie ôhe, ‘und die Leute sahen, dass er wunderschôn hell war. Daher nahmen
"E ihn an. Die Sôhne des Wildkaters waren also Sonne und Mond ge-
behatte. Der Prairiewolf war aber neidisch auf sie, da er seinen Platz nicht hatte
Sonne, kónnen, und beschloss, die Sonne zu tôdten. Er ging zum Platze des
ihr so gangs, aber die Sonne blendete ihn so, dass er sie verfehlte, als er nach
— oss, Vier Mal versuchte er vergeblich, sie zu tödten. Beim letzten Ver-
s verbrannie einer seiner Pfeile, fiel ins Gras und entzündete es. So ver-
âchte er das erste Prairiefeuer.
9. Wie die Thiere den Himmel erstiegen.
die wo Vater der Moschusratte hatte zwei Frauen. Als er gestorben war, wollte
Nicht Pschusratte seine zweite Frau heirathen, doch diese nahm seine Werbung
Pfeil an. Da ging die Moschusratte in den Wald und machte sich einen neuen
re s RO dass Niemand, der ihn fand, wissen konnte, wem er gehörte. Mit diesem
Bett. Ss sie ihre Stiefmutter. Dann zerschnitt sie ihr Gesicht und legte sich ins
Sie sei sie krank. Niemand wusste, wessen Pfeil die Frau getödtet hatte.
qj, Bien denselben einem Jeden, aber der Eigenthümer war nicht zu finden.
Pray, ich nahmen sie ihn zur Moschusratte und frugen diese: ,Kennst Du diesen
hie Sie roch daran und sagte: „Der kam vom Himmel.“ Da beschlossen die
Sine K den Himmel zu ersteigen und den Missethäter zu bestrafen. Sie wollten
hos. ette aus Pfeilen machen, um daran hinaufzuklimmen. Der Prairiewolf
Nicht Zuerst einen Pfeil gen Himmel, doch dieser fiel zurück, ohne sein Ziel er-
Wey ke: haben. Ein Thier nach dem anderen versuchte, den Himmel zu ireffen,
ting den HS os ee schossen ive ue e schon per
fes immel besuc atten, und die als gute Schützen bexannt waren, ihre
bi, ab. Einen Tag und eine Nacht sausten dieselben durch die Luft, und dann
Sh, Thiere, wie sie in den Himmel einschlugen. Dann fuhren sie fort zu
sie ein 1. Der zweite Pfeil traf die Kerbe des ersten, und so fuhren sie fort, bis
Ihnen Nette gemacht hatten, die fast bis auf die Erde herab reichte. Da gingen
Schnap le Pfeile aus. Um die Kette zu vervollständigen, steckte der Rabe seinen
Boge, @ in die Kerbe des letzten Pfeiles, und stemmte seine Fisse gegen die
hue à konnten die Thiere hinaufklettern. Der Vielfrass sagte: » Wartet einen
Doch a Ich muss noch nach meinen Fallen sehen. Dann will ich mitgehen“.
dass e ?r zurückkam, waren alle Thiere schon fort. Darob wurde er so zornig,
Slang à die Pfeile herunterriss, und sie über das ganze Land verstreute. So ent-
Mos Felsengebirge. Noch ehe die Thiere oben angekommen waren, war die
Sig ting an ihrem Schwanze in den Himmel hinaufgeklettert. Dort zauberte
Thi 1 zahl Häuser an einem Seeufer hervor und erwartete die Ankunft der
Yon den fre Häuser waren sehr schmutzig. Als die Thiere ankamen, schoss sie
sho, Hiusern aus nach ihnen. Sobald sie einen Pfeil von einem Hause ab-
Mer M hatte, lief sie durch ihren Gang ins Wasser und kam im nächsten
Ni Wohn, dem aus sie dann schoss. So machte sie sie glauben, dass viele Leute
N "" Endlich entdeckte der Specht, dass nur die Moschusraite in jenen
t m ; te. Er passte an ihrem Loche auf und tödtete sie, als sie herauskam.
M s Thiere so den Tod der Frau gerächt hatten, machten sie sich auf den
N Wie gross war ihr Erstaunen, als sie die Kette, an der sie herauf-
linge Waren, nicht mehr fanden. Der Häuptling sprach: „Lasst uns eine
tit ergy chen und den Donnervogel fangen, seine Federn uns anstecken und
Hülfe hinunterfliegen.* Kurz -darauf sahen sie einen Blitzstrahl und
A
(
hörten den Donnervogel kommen. Sie fingen ihn in einer Schlinge und rissen
ihm die Federn aus. Die besten Federn nahm der Adler; die anderen wurde?
vertheilt, reichten aber nicht für alle Thiere aus. Alle, die Federn bekomme
hatten, flogen hinunter und wurden Vögel; die anderen sprangen hinunter u»
wurden Fische und Landthiere. Der Prairiewolf gebrauchte seinen Schwanz als
Steuer und fiel deshalb sanft zur Erde, Der „Sucker“ (ein Fisch) fiel auf eine?
Felsen und brach sich die Knochen. Er musste sich von allen Thieren ne"*
leihen und ist seither voller Grühten.
3. Der Prairiewolf.
Der Prairiewolf hatte einen Freund, den Weidenbaum (tlak'atlanak'oy omatlé'eb
Der Adler, welcher in einem Dorfe an der anderen Seite des Flusses wohnte
sandte zum Weidenbaume und bot ihm seine Tochter zur Frau an. Als der
Prairiewolf dies hörte, sprach er: „Das ist schön! Gehe hin und heirathe gie
Insgeheim aber dachte er: „Ich will sie selbst heirathen“, und beschloss, sein“
Freund zu tödten. Er begleitete den Weidenbaum zum Dorfe des Adlers. Av
dem Wege dorthin wohnte ein alter Mann, welcher eine Fallgrube für Hirsche
hatte. Der Prairiewolf kannte diese Grube, und als sie daran vorbei kamen, sagit
er zu seinem Freunde: „Tritt ein wenig zur Seite!“ und als jener es that, sties*
er ihn an, so dass er in die Grube fiel. Der.Weidenbaum irug einen kleine
Vogel auf seinem Kopfe. Der Prairiewolf, der am Rande der Grube stand, ga,
sich den Anschein, ihm heraushelfen zu wollen, und sprach: „Gieb mir den Vogel
Der Weidenbaum that es. Dann sagte der Prairiewolf: ,Gieb mir Deinen Mant®
und Deinen Speichel!“ Den letzteren wollte er haben, um ebenso wie der Weiden
baum zu riechen. Als der Weidenbaum ihm alles gegeben, was er verlangt hatte
warf er sich den Mantel um, nahm den Speichel in den Mund, setzte den Von
auf den Kopf und verliess ihn. Er ging in das Dorf des Adlers, und als di
Leute ihn kommen sahen, riefen sie: „Der Weidenbaum kommt!“ Sie gingen Pa
entgegen und luden ihn ein, in das Haus des Hüuptlings zu kommen. Er erue
den Platz neben dem Mädchen angewiesen und heirathete sie. Mittlerweile hat r
der Weidenbaum die Gestalt eines Säuglings angenommen und lag weinend in der
Grube. Als der alte Mann nach seiner Grube sah, fand er ihn. Er ging zu seine
Weibe zurück und sagte: „Ein kleines Kind liegt in meiner Grube. Lass "^
sehen, wer es haben soll! Ich will auf der einen Seite der Grube hinuntergrabo?
grabe Du auf der anderen! Wer es zuerst erreicht, der soll es haben.“ Als do y
anfingen zu graben, machte der Weidenbaum, dass die Erde an der Seite, WO x
Mann grub, hart war. Dort wo die Frau grub, machte er sie lose. Daher o
reichte sie ihn zuerst. Sie pflegte das Kind und zog es auf. Als der Knabe d
Jahre alt war, bat er den Alten um eine Schlinge, mit der er Vögel fangen wol "
Der Alte war schlechter Laune und schlug ihm seine Bitte ab. Allein die T it
erfüllte seinen Wunsch. Er legte die Schlinge, bewegte seine Hände und SO er
war sie voller Vögel. Da freute sich der Alte. Nach einiger Zeit bat ihn Jie
Knabe um ein Biiffelkalbfell. Der Alte verweigerte es ihm ebenso, wie Cg
Schlinge, doch die Frau erfüllte seinen Wunsch. Er schnitt Riemen aus "
Felle und machte einen Reifen aus Weidenzweigen, über den er die Rie
spannte, wie das Netzwerk in einem Schneeschuhe. Er óffnete die Thüre nt.“
Hütte und sagte, indem er hinaus ging: „Legt Euch nieder und rührt Euch nic Ihr
Dann rollte er den Reifen gegen die Hütte und rief: „Nehmt Euch in Acht, ses
da drinnen!“ Als der Reif an die Thüre kam, verwandelte er sich in ein m en
Büffelkalb mit Hórnern, welches nach dem alten Manne stiess, der zu entflie
166)
(167)
me. Dann schoss der Weidenbaum das Kalb mit seinen Pfeilen. Er nahm die
sio gewaide und Exkremente heraus, und gab sie der Frau zum Aufbewahren. Als
Pl; am nächsten Tage danach sahen, fanden sie, dass sie sich ın getrocknetes
isch verwandelt hatten. Die Frau machte starke Riemen aus dem Felle.
Er Nach einiger Zeit bat der Jüngling um das Fell eines einjährigen Büffels.
role sich wieder einen Reif aus Weidenzweigen, band Riemen darüber und
Der wi gegen die Hütte, wo er ein Jährling wurde, der den alten Mann stiess.
alten p denbaum tödtete den Jährling. Schliesslich bat er um die Haut eines
Wand Tels und machte einen Reifen, den er gegen die Hiitte rollte. Dieser ver-
er ver sich sogleich in einen grossen Büffel, der den Alten stiess und welchen
tete. So waren sie reichlich mit Nahrungsmitteln versorgt.
bin Pines Tages sagte er zu den alten Leuten: ,Ihr wisst nicht, wer ich bin. Ich
vathe T Weidenbaum. Ich will jetzt ausziehen und die Tochter des Adlers hei-
deg M Er nahm seinen Becher und trank unbemerkt aus dem Flusse, an dem
Sie. pos Dorf stand. Dort traf er die jüngere Tochter des Adlers und heirathete
Sahen ach einiger Zeit zeigte er sich öffentlich im Dorfe. Als die Leute ihn
sie b Wussten sie, dass er der rechte Weidenbaum war, und dass der Prairiewolf
hen 8" hatte. Letzterer schämte sich sehr. Unter dem Volke des Adlers
Nähe i zur Zeit eine Hungersnoth, da sich keine Büffel sehen liessen. In der
Meg es Dorfes war eine steile Klippe, zu der die Jäger die Büffel zu treiben
Wird es Der Weidenbaum sagte: „Stellt Euch in der Nähe der Klippe auf! Bald
lingo. 1, Heerde Büffel erscheinen.“ Dann ging er fori, und überall wo er Büffel-
Wan da, and stiess er daran. Derselbe wurde dann sogleich in einen Büffel ver-
Sie uy . Diese trieb er nach der Klippe, wo die Jäger auf der Lauer lagen und
Kamen. den Absturz hinab trieben. Es waren SO viele, dass auf jeden Jäger zwei
Selbgt Der Weidenbaum nahm nur einen, den ältesten und magersten für sich
Der Pr Eines Tages sagte er zu seinem Weibe: „Schlage unseren Hund nicht!“
dag, 4. rie wolf hörte dies und gab seiner Frau denselben Befehl. Da geschah es,
Schlag. Frau des Weidenbaumes den Befehl ihres Mannes vergass und ihren Hund
bann. Derselbe fiel augenblicklich todt zur Erde. Darauf befahl der Weiden-
Der Pr den Kopf des Hundes zu schlagen, der dann wieder lebendig wurde.
Und a, SO hatte dem allen zugesehen. Er liess seine Frau ihren Hund. tódten
der wie den Kopf desselben schlagen. Er wurde ab nicht wieder lebendig. Als
er la, lenbaum aber der Frau befahl, den Hund auf den Kopf zu schlagen, wurde
Wolf: Mig. Darauf nahm der Weidenbaum einen Knüppel und sagte zum Prairie-
gal ,"Erinnerst Du Dich noch, wie Du mich in die Grube geworfen?* Dabei
Kehrte Ihm einen solchen Schlag, dass der Prairiewolf davon rannte und nie wieder-
D 4. Der Prairiewolf und die Sonne.
Mals Cr Prairiewolf und sein Weib, die Hündin, lebten in einem Thale. Einst-
lagi. Winterzeit, ging die Hündin in den Wald, Holz zu sammeln, und traf
Praition einen Hirsch. Sie packte ihn und schickte ihre Tochter zurück, um den
Vater Ni herbeizurufen, damit er ihn todte. Das Midchen gehorchte; doch ihr
8 den wie zur Zeit keine Pfeile und musste sich erst zwei machen. Dann süeg
Als 2 erg hinauf, kam aber nur langsam voran, da der Schnee sehr tief war.
los! ich . i er Stelle kam, wo seine Frau den Hirsch hielt, sprach er: „Lass ihn
Ma, . Vl ihn schiessen, wenn er hier vorbei läuft.“ Die Hündin that, wie ihr
His, Sheissen hatte; der Prairiewolf aber schoss vorbei. Er sagte: Ich. will den
legte sei, olgen. Komme Du mir mit den Kindern und der Hütte nach.“ Er
ne Sehneeschuhe an. und verfolgte den Hirsch, wührend seine Frau nach
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der Hütte zurückging. Sie packte die Rohrmatten und Stangen zusammen, und
folgte ihrem Manne. Als der Prairiewolf eine Zeit lang gelaufen war, fühlte €^
dass. seine Schneeschuhe immer schwerer und schwerer wurden, und als er hinunter
blickte, sah er, dass Mäuse darinnen waren. Er nahm sie heraus und brief 8!
sich. Die Hündin und ihre Kinder sahen den Rauch aufsteigen, und die Tochte!
sagte: „Scht dorthin! gewiss hat Vater den Hirsch geschossen, und brit ihn nun.“
Als sie aber ankamen, sahen sie, dass er nichts als zwei Haufen gebratener Máuse
hatte. Einen derselben gab er seiner Frau und Tochter, wührend er den andere?
für sich und seinen Sohn behielt. Die Hündin war böse, dass er den Hirsch hatte
entkommen lassen, und verliess ihn mit ihrer Tochter. Sie gingen zur Sonne
welche das Mädchen zum Weibe nahm. Der Prairiewolf sagte zu seinem Sohne’
„Mutter wird schon bald genug zurückkommen, wenn sie nichts mehr zu esse?
hat.“ Damit nahm er seinen Sohn auf den Rücken und ging auf Biberjagd. Er
kam an eine Stelle, wo viele todte Biber am Ufer des Flusses lagen, während zw
junge Biber sich im Wasser tummelten. Die letzteren fing er und band sie seinem
Sohne als Schmuck für die Ohren an. Die todten Biber schleppte er alle auf eine?
Haufen zusammen und ging fori, um Holz für ein Feuer zu holen, an dem er sie
rösten wollte. Kaum war er fort, da wurden die Biber alle wieder lebendig:
Sprangen in den Fluss und als er zurückkam, fand er seinen Sohn im Kampfe mit
den jungen Bibern, die an seine Ohren gebunden waren und ihn ins. Wasser ZU
Ziehen versuchten. Er tödtete dieselben und sie assen sie.
Als der Schnee geschmolzen war, ging der Prairiewolf mit seinem Sohne Z7"
zwei Seen, die durch einen kleinen Fluss verbunden waren. Er baute eine Hütte
am Ufer des Flusses. Auf den Seen fand sich eine Menge Enten. Der Prairie
wolf setzte sich vor seine Hütte und weinte. Als die Enten das hürten, sandie"
sie zwei Boten aus, um ausfindig zu machen, wer den Lärm verursache. Bald
kehrten sie mit der Botschaft zurück, dass der Prairiewolf den Häuptling der Ente?
zu sehen wünsche. Daraufhin schwammen alle Enten hin, ihn zu sehen. Als gie
in die Nähe der Hütte kamen, sagte der Prairiewolf: „Ich und mein Sohn kame"
ganz allein hierher. Meine Frau ist todt.“ Die Enten antworteten: „Bleibe bel
uns und schliesse Dich uns an.“ Er begleitete sie nach dem See und sie spielte”
zusammen. Sie tauchten unter und blieben so lange unter Wasser, dass der Prairie"
wolf und sein Sohn beinahe erirunken wären. Nachts fingen die Enten plötzlich
an, ein Geschrei zu erheben, flogen auf und liessen sich wieder in dem andre”
See nieder. Sie liesen den Prairiewolf und seinen Sohn zurück. Da wurde diese
bose, da die Enten ihm so übel mitgespielt hatten, und dachte auf Rache. Er
ging zu seiner Hütte zurück und machte eine Falle. Er spaltete einen Baumstam™
und legte ihn in den Fluss. Er spreizte die Hälften auseinander, so dass sie ZU
sammenschlagen mussten, sobald Jemand dazwischen durehging. Dann schwa!"
er mit seinem Sohne in den Fluss hinaus und sprach zu den Enten: „Warum fliegt
ihr jeden Abend von einem See zum anderen? Ihr könntet doch ebenso gut den
Fluss herunter schwimmen.“ Die Enten fanden seinen Rath gui, und so geschah
es, dass er jeden Abend einige fing, wenn sie den Fluss hinab schwammen. Sie
bemerkten bald, dass ihre Zahl sich verminderte, und irugen einigen auf, die Ursache
zu ergründen. Sie fanden die Falle und von nun an flogen sie wieder von einem
See zum. anderen. Auf der anderen Seite des Sees stand die Hütte des Wildkater?:
Derselbe roch die Federn, welehe der Prairiewolf verbrannte, der seine Enien
briet.. Da ging er hinüber, schläferte den Prairiewolf ein und stahl ihm alle Enter
die jener sich gebraten batte. Dann zog er ihn an der Nase, den Beinen und den
Armen, die seither so lang sind, wie heute.. Als der junge Prairiewolf aufwachte
(168)
(169)
sm Vater sah, lachte er ihn aus. Er wusste nicht, dass seine eigenen
lacht. tne und Nase so lang geworden waren, Wie die seines Vaters. Dieser
Vermstalt er seinen Sohn erblickte. Als es ihnen aber klar wurde, dass sie beide
Wolf auf et waren, und dass der Wildkater es gethan hatte, dachte der Prairie-
alles py Rache. Er ging zu des Katers Hülle, schlüferte ihn ein, und stahl ihm
sein G eisch, mit dem seine Vorrathskammern angefüllt waren. Dann machte er
Kohle ont platt und breit, brach seinen Schwanz in Stücke und band ein Stück
er ing "n Als der Wildkater aufwachte und sich besah, erschrak er so, dass
Seine pige flüchtete. Nun dachte der Prairiewolf an ‚seine Frau und sagte zu
wandert ohne: ,Passe Du auf unser Haus auf. Ich will Deine Mutter suchen.“ Er
Das "2. gen Osten, und als er die Berge übertiegen hatte, sah er viele Häuser.
Sprache, das Dorf, in dem die Sonne lehte. Als die Bewohner ihn kommen sahen,
Ihm vi Sie: „Suchst Du Dein Weib, Prairiewolf? Hier lebt sie“, und zeigten
letztes. Haus. Er ging hinem, und sah seine Frau uud seine Tochter, welche
brug, a underschün geworden war, und ein hässliches Kind auf dem Schosse
Er dachte Frau begrüsste ihn und gab ihm einen schônen Mantel aus Büffelfell.
Bedacht s „Wie hässlich doch das Kind ist!“ Des Kind wusste sogleich, was er
bist, und atte, und sagte zu seiner Mutter: ,Der Prairiewolf ‚denkt, dass Du schön
dem Ki dass ich-sehr hässlich bin.“ Dann dachte der Prairiewolf: „Ich möchte
blip n den Bauch ireten, so dass er platzt“; und das Kind errieth augen-
Fray à seine Gedanken und sagte sie seiner Mutter wieder. Darauf sagte die
Werden : Prairiewolfs zu ihm: „Das ist Deine Enkelin.“ Sie fuhr fort: „Wir
Kind iet ein Feuer anzünden, da die Jäger bald zurückkommen werden. Das
Unsere A sich gleich bewegen und dadurch einen Sturm heraufbeschwören, der
Jeder "d anfachen wird.* Als die Feuer hell brannten, kamen die Jáger zurück.
litat. rachte einen Hirsch mit, den die Frau prie. Als das Essen fertig war,
Pray alle Frauen die Hiitte verlassen, ehe die Jager zu essen anfingen. Die
mer es Prairiewolfes sagte ihm: „Du musst auch hinausgehen, da die Jäger
Kinder allein essen.“ Er ging aber nicht, sondern blieb in der Nähe sitzen. Die
Supp, ' welche ein- und ausgingen, beschmutzten seinen neuen Büffelmantel mit
Wiedey nn Wasser, und die Jäger boten ihm nichts zu essen an. Als alle Jäger
» Wan, Origegangen waren, kam seine Frau in die Hütte wieder zurück und sagte:
Sie kon. bist Du mir nicht gefolgt? Ich wusste, dass sie Dir nichts geben würden.“
Yh ihm etwas Essen und gab ihm einen neuen Mantel aus Biiffelfell. Der
Walt A sohn des Prairiewolfs, die Sonne, war blind. Vier Mal versuchte der
Sehen le Augen derselben zu óffnen. Endlich gelang es ihm und die Sonne war
T P nächsten Tage schloss der Prairiewolf sich den Jägern an. Ein jeder der-
Nachde "ug eine Fackel aus Fichtenholz. Der Prairiewolf nahm aber keine mit,
frug: wie eine Strecke gegangen waren, machten sie Halt, und der Häuptling
Benge Sr isi der beste Läufer?“ Er liess immer zwei Männer zur Zeit in ent-
Blei etzter Richtung um einen Kreis laufen, um ihre Schnelligkeit zu ver-
Dieser a Dann frug er den Prairiewolf, warum er keine Fackel mitgebracht habe.
sie an Ele: „Ich habe eine,“ nahm ein Paar Federn aus seinem Hute und steckte
Ung erlench Schneeschuhe. Als er zu laufen anfing, stob Feuer aus den Federn
ZU jagen chtete seinen Pfad. Er war bei weitem der raschste Läufer, und als sie
Jäger wa anfingen, todtete er sieben graue Biren und zwei grosse Hirsche. Die
tagen « en ihn und sagien: ,Du musst alles, was Du tüdtest, selbst nach Hause
begaben rie aber nicht auf, zu jagen. Als die Jüger sich auf den Heimweg
; Sehüttelten sie ihr Wild, welches dann so klein wurde, dass es leicht zu
(170)
tragen war. Der Prairiewolf wusste nicht, wie er seine neun grossen Thiere nach
Hause tragen sollte. Wenn er einmal nicht wusste, was er thun sollte, pflegte €T
sich immer auf den Hintern zu schlagen, und dann floggen Exkremente heraus, die
er um Rath frug. Als er das that, sprachen sie: „Blase auf Deine Beute, dan?
wird sie zusammenschrumpfen.^ Er folgte dem Rathe und die Thiere wurden 89
klein, dass er sie an seinen Gürtel hängen ‚konnte. Er lief nach Hause, und ob-
wohl die Jäger ein gutes Stück voran waren, überholte er sie bald und kam lang?
vor ihnen nach Hause zurück. Er warf seine Beute in der Hütte nieder und
sogleich nahmen die Thiere ihre frühere Grösse wieder an, so dass die Hütte ganz
voll war. Als die Jäger sich zum Mahle niedersetzten, glaubte er, er müsse die
Hütte wieder verlassen. Seine Frau erklärte ihm aber, dass er auch mitesse?
dürfe, da er dies Mal mitgejagt habe. Von nun an jagie er jeden Tag mit den
anderen Jägern.
Sein Schwiegersohn hatte eine ewig brennende Fackel, die der Prairiewolf gern
gehabt hätte. Eines Tages sagte er zu seiner Frau: „Morgen werde ich Euch ve!”
lassen, um meinen Sohn zu besuchen,“ und ehe noch Jemand erwachte, stahl
die Fackel und lief davon. Als er eine Strecke gegangen war, legte er sich nieder,
um zu schlafen. Als er aufwachte, fand er sich wieder im Hause der Sonne. Die
Fackel war noch unter seinem Mantel verborgen und so wusste-ein Jeder, dass €f
die Absicht gehabt hatte, sie zu stehlen.
Er schämte sich sehr, konnte abor deswegen doch nicht der Versuchnng wider”
stehen, noch einen Versuch zu machen, die Fackel zu stehlen. Die folgende Nacht
nahm er sie wieder fort, und lief noch weiter, ehe er sich zum Schlafen nieder“
legte. Als er aufwachte, fand er sich wiederum im Hause der Sonne, und musste
die Fackel ihrem Eigenthümer zurückgeben. Die dritte Nacht gelang es ihm nicht
besser. Da sagte sein Schwiegersohn: „Du darfst meine Fackel nehmen, doch
wisse! dass Du drei Tage und drei Nächte hindurch laufen musst, ohne ang
halten. Die vierte Nacht darfst Du Dich zum Schlafen niederlegen und die F ackel
an Deine Seite legen. Dann Wird sie nicht mehr zurückkommen.“ Und so 8€
schah es. Der Prairiewolf kam zu seinem Sohne zurück, und erzählte ihm alle®
was er im Lande der Sonne gesehen und gehört hatte.
9. Der Nerz.
Der Nerz hatte drei Brüder, Er unterhielt mit .der Frau des grauen Bären
ein Liebesverhältniss. Als der Bär das erfuhr, wollte er den Nerz und sein®
Brüder tödten. Eines Tages, als sie gerade auf den Bergen Beeren sammelten;
kam er auf sie zu und gab ihnen einen Korb Beeren, indem er sagte: „Nehmt
diese Beeren und esst sie, wenn ihr nach Hause kommt. Aber sehi nicht in de?
Korb, ehe ihr heim kommt. Sobald der Bär fort war, öffneten der Nerz und
seine Brüder den Korb und fanden, dass er keine Beeren, sondern nur Haare des
Bären erhielt, mit denen er sie vergiften wollte. Sie warfen sie sogleich fort.
Der Bár hatte auf der Lauer gelegen, um zu sehen, was der Nerz und seine
Brüder thun würden. Da sie nun das Gift nicht assen, stürzte er aus seinem Ver”
stecke hervor und verfolgte sie. Er holte ‚die Brüder ein, der Nerz selbst aber
entfloh. Er weinte und trauerte um seine Brüder. Dann dachte er darüber nach,
wie er Rache nehmen könne. Er machte zunächst eine kleine Grube und warf
etwas Dreck hinein. Nach kurzer Zeit hörte er etwas in der Grube weinen. Als
es nachsah, fand er ein kleines Mädchen. Er wollte es nicht haben und warf €?
zur Grube hinaus. Dann warf er wieder etwas Dreck in die Grube, und als °F
nun wieder ein leises Weinen hörte und nachsah, fand er einen kleinen Knabem
(171)
ehm ihn als sein Kind an und reiste weiter. Nach einiger Zeit sah er den
hie der seine Brüder getodtet hatte, an der anderen Seite eines Flusses. Er
Sehr den Knaben sich ruhig verhalten und sprang ins Wasser, wo er umher
A um die Aufmerksamkeit des Bären auf sich zu lenken. Dieser wurde
"oJ Er machte sich ein Floss, und liess es auf den Nerz zutreiben. Er
or in solcher Stellung darauf, dass seine Hoden ins Wasser hinab hingen. Als
ng zur Stelle kam, wo der Nerz umher schwamm, nahm dieser sein Messer
schnitt die Hoden des Bären ab. So tödtete er ihn.
van wanderte weiter und traf nach einiger Zeit den Bruder des Bären. Er ver-
ihn elte sich in eine Fliege und flog um den Kopf desselben herum. Dieser sah
we schnappte nach ihm. Dann kehrte er zu seinem Sohne zurück. Dieser
hus; „Du warst zu gross. Wenn Du willst, dass der Bär Dich nicht sehen soll,
idi, Du viel kleiner sein.“ Da wurde der Nerz eine Sandiliege und der Bär ver-
geko ckte ihn, ohne es zu merken. Als er glücklich im Magen des Bären an-
Mmen war, -nahm er sein Messer, schnitt ihn auf und tödte ihn so.
(m, Dam reiste er weiter und kam endlich nach Bonney's Ferry, wo viele Leute
"a lebten. Er wollte sich dort niederlassen und baute sich ein Lachswehr
Cini einem überhangenden Felsen. Die Wehre waren immer voller Fische. Nach
les X. Zeit bemerkten die Leute, dass ihre Wehre immer leer waren. Nur das
hun "erzes war eben so voll, wie früher. Sie legten sich auf die Lauer und sahen
Web. 1 Feuerkugel vom Himmel herabsieigen, Jemand heraus kommen, der alle
Verde) leerte, ausser dem des Nerzes, welches durch den überhangenden Felsen
les war. Da beschlossen die Leute, sich die nächste Nacht in Hinterhalt zu
Bulg at die Feuerkugel mit ihren Pfeilen zu todten. Die Wildkatze und die
kam die gute Schiitzen waren, soliten zuerst schiessen. In der folgenden Nacht
ds ui 18 Feuerkugel wieder. Die Diebe stiegen heraus, leerten die Wehre, und
"wol, sich mit den Fischen beladen hatten, sprachen sie Zu einander: „Lasst uns
zu do mem? Da nabm die Eule die Wildkatze auf den Rücken und flog mit ihr
eine, sr enerkugel. Sie sahen nun, dass dieselbe ein grosser Korb war, der an
in de chlange hing und so aus dem Himmel herabgelassen war. Als die Diebe
Bohn, Himmel zurückkehren wollten, rief die Kule: „Ich bin hier mit meinem
Kou, , dor Wildkatze,“ und schnitt die Schlange, an der der Korb hing, durch. Der
alle, ool zur Erde und sie sahen nun, dass lauter Thiere darın waren. Sie tödteten
Der Ni einem Biiffel, einer Bergziege, einem Frosch und einer Schildkröte,
ei sprang in den Fluss und zeigte mur seinen Kopf; die Bergziege sprang
Wan det ls In den Fluss und zeigte nur ihr Gesäss. Beide wurden in Felsen ver-
Lodge, » die noch heute zu sehen sind. Die Leute versuchten, den Frosch zu
Nichts‘ indem sie ihm mit Stöcken auf den Bauch schlugen. Sie konnten ihm aber
Behqay haben. Seither heisst dieser Platz Tsemakowü m (= Strong Belly). Die
Tüte wurde gleichfalls m eimen Felsen verwandelt, der am Flussufer liegt.
6. Der Riese.
roby F rau war einstmals ausgegangen, Beeren zu suchen. Ihr Kind schlief
Sprach. im Grase. Auf einmal trat ein Riese auf das Kind zu, sah es an und
habe « »0, mein Sohn, wie weiss Du geworden bist, seit ich Dich verloren
herap ue Frau war sehr erschrocken. Nach kurzer Zeit sah der Riese auf sie
Schön s sprach: „Mutter, wie hast Du es zu Stande gebracht, meinen Bruder so
Riese E zu machen?" Sie antwortete: „Ich habe ihn geróstet.^ Da sagte der
Fray s „Ich möchte auch so schön weiss und rein sein. Röste mich auch.“ Die
agte: „Gut. Grabe ein tiefes Loch und sammle einen Haufen Steine. Dann
(27)
bringe mir trocknes Holz, wirf es in die Grube, thue die Steine darauf und be-
decke sie mit Gras.“ Er that, wie sie gesagt hatte. Dann liess sie ihn sich oben
auf den Steinen niederlegen und deckte ihn mit Gras, Erde und Steinen zu. Dann
steckte sie das Holz an und Sprach zu dem Riesen: „Rühre Dich nicht! Wenn
das Feuer ausgebrannt ist, wirst Du weiss und rein sein.“ Als das Feuer anfing;
ihn zu brennen, versuchte er aufzuspringen, konnte es aber nicht, da. die Steine
und Erde, die sie auf ihn gehäuft hatte, zu schwer waren. Die Frau hörte seine
Augen und sein Herz platzen. Dann nahm sie ihr Kind, ging nach Hause und
sagte zu den Leuten: „Seht doch die Wurzeln an, die ich unien am Flusse g€
kocht habe.“ Sie gingen . hinab, öffneten die Grube und fanden den gekochten
Leichnam des Riesen.
Eines Tages sahen einige junge Münner, die in ihrem Boote zum Fischen aus
gegangen waren, einen Riesen am Flussufer sitzen und fischen. Er sah, dass die
Blütter der Báume sich bewegten, und glaubte, ein Boot käme. Da aber alles still
blieb und er Niemand sah, setzte er sich wieder ruhig nieder. So kamen die
Jungen Männer unbemerkt heran. Sie schossen ihn von hinten, Er fiel. nieder
und sie tódteten ihn vollends, ehe er sich Wieder erheben konnte.
Als die Menschen erschaffen wurden, erhoben sie Sich, ehe sie ganz fertig
waren. Sie fingen an, zu tanzen, und tanzten, bis sie todt niederfielen. Dann
wurden neue Menschen geschaffen, die unsere Ahnen wurden. —
Die hier wiedererzählten Sagen zeigen recht enge Beziehungen zu denen der
Völker der nordpacifischen Küste. Die Prairiewolf-Sagen gehören zu einem Cyclus,
welcher über die Hochebenen von Britisch-Columbien, Washington und Oregon
verbreitet ist. Besonders eng sind die Beziehungen zwischen den Sagen der
Okanagan und Kootenay. Die Beziehungen zu den Sagen der Küstenvólker be-
stehen wesentlich in der Einverleibung gewisser Züge in Sagen, denen sie sicher
ursprünglich fremd waren. So kehrt der Passus in der ersten Sage, als der Vater
das Kind auf den Arm nimmt und es beruhigt, das nachherige Verlassen desselben
und der Besuch der Grossmutter, in unzähligen Sagen und Verbindungen an der
Küste wieder. Ebenso spielt die Pfeilkette der zweiten Sage daselbst eine grosse
Rolle. Die Erzählung vom Nerz und dem Bären kennen wir aus Alaska, wo der
Rabe den Biren auf gleiche Weise tödtet. Ebenso gehört es zu den Fühigkeite?
des Raben, mit seinen Exkrementen Rath zu pflegen und namentlich Wesen aus
Schmutz oder anderen Gegenständen zu machen.
(13) Hr. Otto Herz, welcher im Auftrage eines russischen Grossfürsten eme
zoologische Reise durch Nordsibirien und Kamtschatka ausgeführt hat, ist n ait
Hrn. Virchow wegen zweier Aleuten-Skelette in Verhandlung getreten, die “+
von der Behrings-Insel mitgebracht hat. Dieselben sind aus Mitteln der Rudo!
Virchow-Stiftung erworben worden. Hr. Virehow behält sich vor, darüber ander-
weitig zu berichten.
(14) Von Hrn. Vaughan Stevens ist eine neue Sendung ethnologischer Gegen-
stinde aus Malacca eingetroffen, über welche später weitere Mittheilung erfolgen
wird,
vis
(17°)
19 (15) Hr. Prof. Karl J. Maska zu Neutitschein in Mähren übersendet unter dem
: Februar folgende Mittheilung
zur Aechtheit der máhrischen Diluvialfunde.
1.
Hn Das Heft 5 der Verhandlungen von 1890 enthält auf 8. 404 eine Notiz des
Mag CON, betreffend ein Schreiben des Hrn. Salomon Reinach, Directions-
denk e bei dem National-Museum in Saint Germain-en-Laye, worin gewisse Be-
sche en über die Aechtheit der von mir und Hrn. Dr. K¥i% erorterten archäolog1-
la aus der Diluvialzeit Mährens zum Ausdruck gelangen, Obzwar Herr
bein, VN in der folgenden Bemerkung nur die Funde des Hrn. Kriz, welche
von iener Congress im Jahre 1889 einer besonderen Commission behufs Aeusse-
A dre wurden, in Betracht zieht, so musste ich dennoch, da sonst keine
jedw augen von Artefakten aus der Diluvialzeit Mährens vorliegen und ohne solche
Behr Urtheil unmöglich ist, obige Notiz in erster Linie auf die in meiner
binis ,Der diluviale Menseh in Mühren* besprochenen und abgebildeten Fund-
Jekte beziehen.
van eb 80 rasch als möglich volle Klarheit in die Angelegenheit zu bringen,
Em y, mich direkt an Hrn. Reinach in St. Germain mit dem Ersuchen, seme
lino irehow gegenüber nur allgemein angedeuteten Bedenken nüher zu formu-
dick Hr. Reinach hatte die Güte, in einem ausführlichen Schreiben die ihm ver-
seine erscheinenden Gegenstände zu bezeichnen und zugleich zu bemerken, dass
aa ken namentlich durch den Umstand hervorgerufen und genährt wurden,
thierz le betreffenden Objekte, verglichen mit anderweitigen Funden aus der Ren-
Con eit, einen wesentlich abweichenden Charakter zeigen und dass beim Wiener
Garn, ie niedergesetzie Commission eines der vorgelegten Artefakte als unächt
atte.
lg ne mich hier in eine nähere Erörterung der letzteren Angelegenheit ein-
Artefapır bemerke ich nur, dass meines Wissens keineswegs eines der vorgelegten
Zu de ie als „unächt“, sondern‘ bloss als „zweifelhaft“ bezeichnet wurde, und gehe
beng . von mir selbst besprochenen Funden über. Ich war auf Grund. des Schrei-
zu m Stande, die geáusserten Bedenken in Bezug auf ihre Stichhaltigkeit näher
ting en sowie verschiedene Auskünfte bezüglich der Fundverhältnisse bei den
Stang en Stücken zu geben, wodurch an und für sich schon mancher \ erdachts-
Bef CON beseitigt oder dessen Berechtigung auf das richtige Maass zurück-
Wank werden konnte. Nachdem ich mich noch vorsichtshalber mit Herrn Dr.
org in Verbindung gesetzt habe, legte ich meinen Standpunkt gegenüber den
den Top ten Bedenken in einer längeren Erklärung dar, deren wesentlicher Theil
ung à alt der folgenden Zeilen bildet. Ich fühle mich verpflichtet, diese Erklä-
Sowie " Oeffentlichkeit vorzulegen, um fürderhin weiteren Bedenken zu begegnen,
B 9n guten Ruf der mührischen Funde zu wahren.
18860 ?Züglich meiner Abhandlung: ,Der diluviale Mensch in Mähren, Neutitschein
Zichen auf deren Abbildungen ich mich in der Folge gleich Hrn. Reinach be-
ders, erde, sei mir zuvor gestattet, beizufügen, dass ich bei der Herausgabe
kannte en hauptsächlich bestrebt war, eine gedrängte Uebersicht aller damals be-
Bega Yai funde in Mähren zu liefern, ohne auf erschopfende und detaillirte
"tgleichend der einzelnen Funde eingehen zu wollen, diese sowie eine kritisch
hio e Erórterung aller Vorkommnisse auf einen späteren Zeitpunkt ver-
lassend , beziehungsweise den verschiedenen Forschern und Findern selbst über-
. Mein Urtheil stützte sich zumeist auf Autopsie, sowohl was die Locali-
(5
(174)
täten, als auch was die Funde selbst betrifft. Was aber die Abbildungen anlangb
so war ich aus naheliegenden Gründen gezwungen, mehrere, bereits anderwürts b€
nuizte Clichés zu verwenden, wenn ich auch mit der Art und Weise der Dar
stellung oder der Auswahl der Gegenstände nicht immer einverstanden war. Auf
diese Weise kam es, dass einzelne Abbildungen mit dem wissenschaftlich gehal-
tenen Texte nicht im Einklang stehen und dass die Uebernahme der vollen Bürg”
schaft für die Tadellosigkeit und Provenienz der abgebildeten Gegenstinde meiner”
seits in einzelnen Fällen abgelehnt und den betreffenden Autoren überlassen werde?
muss. Zu diesem Behufe führte ich schon damals überall die Quelle der Entnahme
der Abbildungen gewissenhaft an.
Zur Sache übergehend führe ich an, dass Hr. Reinach im Ganzen 6, nehm*
lich die auf S. 31, 93D, E und F, 99 und 101 abgebildeten Gegenstände als mehr
oder weniger verdächtig bezeichnete. Ich werde sie der Reihe nach besprechen i
1) Auf S. 31 ist in zwei Ansichten ein Schieferstück aus der Hóhle Kostelik
abgebildet, dessen Oberfläche auf beiden Seiten eingeritzte Striche, zumeist !”
symmetrischer Anordnung, aufweist. Bezüglich dieses ornamentirten Schieferstücke$
erkläre ich, dass ich nicht Gelegenheit hatte, dasselbe näher zu untersuchen. Ich
bin also ausser Stande, ein endgültiges Urtheil, die Aechtheit oder Unächtheit des”
selben betreffend, abzugeben. Der Gegenstand und die Zeichung bieten mir als
Solche keinen Anlass, an der Aechtheit des Stückes zu zweifeln, da ähnlich ge
formte, mitunter auch bekratzte Schieferstückchen wiederholt in mihrischen Dilu-
vialstatinnen vorgefunden wurden und die Verzierung keineswegs gar so absondet"
lich ist. Der Umstand, dass die Einritzung — soweit man aus der Abbildune
ersehen kann — zum Theil auch unter dem oberflächlichen Kalküberzuge fortläuft
spräche sogar direkt für die Aechtheit des Stückes. Bedenklich aber ist, ZU"
Theil wenigstens, der Umstand, dass das Stück von einem Dilettanten vorgewiese"
wurde, während andere bewährte Erforscher dieser Höhle kein ähnliches Stück Z“
Tage brachten. Ich riume ein, dass es dringend wiinschenswerth wire, das Of”
ginal einer eingehenden Untersuchung zu unterziehen, um die Sache nach alle?
Seiten hin klar zu legen. Die Abbildungen wurden den Mittheilungen der anthroP-
Gesellschaft in Wien, XI. Band, 1882 entnommen. Ob die damalige Redaction
das Original gesehen und untersucht hat, ist mir nicht bekannt. .
2) Die Abbildung D auf S. 93 repräsentirt ein Renthiergeweihfragment ? V
Piedmost, in welchem ein Feuersteinmesser steckt. Hierzu erklüre ich, dass die
beiden Gegenstünde nicht in der angegebenen Verbindung vorgefunden wurde
und überhaupt nicht zusammengehôren. Die Vereinigung beider Stücke mM a
Abbildung erfolgte nach Aussage des Finders, Hrn. Wankel, lediglich in der A ç
sicht, um ein vollständig adjustirtes Feuersteinwerkzeug zu veranschaulichen D a
Renthiergeweih ist an und für sich ücht und weist auf der Oberfläche zwei Reihe
sich kreuzender eingeritzter Striche, die indessen in der Zeichnung nicht T
wiedergegeben sind. Hauptsächlich wegen dieser Ornamentirung wurde das Gewe
fragment zur Abbildung gewählt. In diesem Falle stimme ich Hrn. Reinach » s
wenn er ein derartig zusammengestelltes Werkzeug als unmöglich bezeichnet; ’
Renthiergeweih hatte gewiss eine andere Bestimmung. det
3) In der Figur E auf S. 93 ist ein Elfenbeinkegel aus Píedmost abgeb! nd
und nach Wankel als „Ahle“ bezeichnet. Dieser Kegel ist vollständig ächt fen-
bietet mir in seiner Eigenschaft als einfach zugespitztes, bezw. abgerundetes El de
beinartefakt in keiner Hinsicht irgend welche Veranlassung, an seiner Ket
lichen Herstellung in der Diluvialzeit zu zweifeln, um so weniger, als ich se E
ähnliche Exemplare in viel grósserer Vollendung und Zartheit an derselben Fu
(175)
Stätte :
Gg Fodmost gefunden habe. Hier liegt also fiir irgend ein Bedenken kein
Prog, Auch der 25 cm lange und 7 cm dicke Elfenbeincylinder mit Oehr aus
teicher F igur F auf S. 93, welchen Hr. Reinach als Unmöglichkeit zu be-
Zweifel LEenelet war, ist seiner Substanz und ganzen Form nach ächt und jedweder
diluviale heh dessen unzulässig. Hr. Dr. Wankel fand ihn persönlich in der
enthchme ulturschicht und zwar, wie ich einer freundlichen Mittheilung desselben
beschygi, mit vollständig unversehrtem Oehr. Gegenwärtig ist letzteres allerdings
ge drückt. indem anlässlich eines Transportes der obere "Theil des Bogens ein-
dehnuno wurde; doch sind die beiderseitigen Ansätze noch in hinreichender Aus-
diesen an um die Authenticität der Abbildung zu bekunden. Ich habe
Acchtheit enbeincylinder wiederholt besichtigt und stehe gleichfalls für dessen
auch vor en. Massive Elfenbeincylinder und Aushóhlungen von Elfenbeiu wurden
Schen Hab in Predmo st, erstere in den Hôhlen bei Krakau und in der méhri-
Yollendet. le Kulna bei Sloup gefunden. Sieht nun die Aechttheit des tadellos
Über die À Exemplars aus Predmost unanfechtbar fest, so lüsst sich allerdings
Würfe Art seiner Verwendung streiten. Ihn, nebenbei gesagt, als lassoühnliches
die vean zu deuten, wie es Hr. Wankel thut, scheint mir mit Rücksicht auf
5 @linissmässige Zariheit des durchlócherten Endzapfens nicht zutreffend.
8. 99 M 6) Die gróssten Bedenken scheinen Hrn. Reinach die beiden auf
Schen Or 101 abgebildeten Mammuthrippen-Fragmente mit eingeritzten geometri-
Schr va en eingeflösst zu haben, da die Zeichnungen zu jenen gehören, die
Seng cht selbst in einen mürben Knochen eingeritzt werden kónnen und ihr
Kunst geometrischer Charakter von den bisher bekannten Proben der Renthierjáger-
M abweicht. Dem gegenüber erkläre ich ausdrücklich, dass die beiden
Sehoben von mir eigenhündig aus der unversehrten Culturschicht in Predmost
Beziehy und eigenhändig gereinigt wurden. Ich stehe für deren Aechtheit in jeder
Wie cher persönlich ein. Die Beschaffenheit der gravirten Oberfläche ist übrigens,
kann, en den nach Photographien hergestellten Zinkographien entnommen werden
Schwin des range, dass beim blossen Anblick derselben auch der leiseste Zweifel
uss.
py Ueberfluss bemerke ich noch, dass ausser den zwei abgebildeten Mammuth-
adero Mi mehrere andere in Pfed most und zwar sowohl von mir, als auch von
Weder bl orschern ausgegraben wurden. Die Oberfläche dieser Exemplare ist ent-
Oder mi 98$ durch wiederholtes Schaben mit einem Feuersteinwerkzeug geglättet,
Tey 1 Cingeritaten Strichen in verschiedener Anordnung bedeckt; ich bildete im
Aves 6 eben die beiden schönsten Exemplare von der Fundstätte ab.
Ürten M er solchen. zugerichteten, minder regelmässig oder unvollständig ornamen-
emplan nn trippen fand ich im vorigen Jahre in Predmost ein neues Pracht-
Veja; Ton 33 em Lünge, auf dessen einer Breitiläche eine siebenmal gebogene
Mam br umgeben von sonstigen Strichreihen, eingeritzt erscheint. Diese
Steht hi Tippe, welche ich gleichfalls eigenhändig gehoben und gereinigt habe,
m Tage lich der Ausführung der Zeichnung gleichfalls einzig da und bekundet
Mals di, p'enhange mit den anderen Gegenständen von derselben Fundstätte aber-
dere hohe Wichtigkeit dieser hervorragenden Station, welche, wie kaum eine
M Zur Aufhellung der diluvialen Verhältnisse in Mitteleuropa beizutragen
lattigkeit Angesichts der ungewôhnlichen Reichhaltigkeit und grossen Mannich-
Com gg der Funde in Predmost darf es uns nicht wundern, wenn unter den vor-
aly Ram en Gegenstinden auch einige neue Erscheinungen auftreten, um so weniger,
entlich die Anzahl der gravirten Artefakte in unseren Ländern bisher eine
(176)
sehr geringe ist, so dass vorläufig von Vergleichung derselben noch abgesehe?
werden muss. Eine volle Uebereinstimmung dieser, doch nur von der individuelle?
Anlage des Künstlers abhängigen, an kein Vorbild sich anlehnenden Erzeugnisse
mit den westeuropüischen Gravirungen kann man schon mit Rücksicht auf die
räumliche Entfernung nicht erwarten; meines Erachtens müsste eine solche meh"
überraschen, als die vorhandene Unabhüngigkeit gewisser mührischer Kunstleistunge"
von den französischen und belgischen. Uebrigens glaube ich Anklänge an die
mährische diluviale Ornamentirung auch bei franzósischen Exemplaren vorzufinde?
und verweise in dieser Richtung insbesondere auf die mit Einritzungen verziert?
Objekte aus Laugerie-Basse in der Dordogne, wie sie in Cartailhac, La Franc
préhistorique, Paris 1889, p. 25 abgebildet sind.
Um schliesslich noch die Funde des Hrn. Dr. KFíZ kurz zu erwühnen, welch °
beim Anthropologen-Congress in Wien zur Sprache kamen, so bemerke ich, dass
mir alle diese Objekte aus Autopsie genau bekannt sind und dass ich trotz der
von Hrn. Szombathy bezüglich eines Stückes angeregten Bedenken an ihre
Aechtheit zu zweifeln keinen Grund aufzufinden vermochte. Die vorgebrachie"
Bedenken waren so wenig berechtigt, dass nur die Eile, mit der die Prüfung der
Gegenstände in Anbetracht des notorischen Zeitmangels vorgenommen werden
musste, daran die Schuld tragen dürfte, dass auch dieses Stück nicht gleichfalls
vollständig als àücht, sondern in Hinsicht der Provenienz der Einritzungen für
zweifelhaft erklärt wurde. Aber selbst zugegeben, dass diesmal Hr. KiiZ vO"
einem Arbeiter hintergangen worden wäre, so könnte dieser einzelne Fall mit de”
anderen mährischen und namentlich Predmoster Funden in keinerlei Bezichuré
gebracht werden. Dieselben stehen vielmehr makelloss da und namentlich !$
jeder Zweifel an der Aechtheit der von mir aufgefundenen verzierten Mammuth-
rippen ausgeschlossen. h
In der vorstehenden Darlegung war ich bestrebt, die Seitens des Hrn. Reina d
vorgebrachten Bedenken nach Móglichkeit zu zerstreuen oder aufzuklären, w _
glaube ich dargethan zu haben, dass ein ausgesprochenes Falsum unter den mábr!
schen Diluvialartefakten nicht erwiesen ist. Hr. Reinach war so freundlich; ^
einem weiteren Schreiben seinen gegenwärtigen Standpunkt zu präcisiren. Da "
ausdrücklich wünscht, das Schreiben nur vollständig zu veröffentlichen, so erlau?
ich mir, hier den Wortlaut im Original folgen zu lassen.
Château de St. Germain-en-Laye, le 7 Février 1891-
Monsieur le Professeur, ur
,Jai reçu et lu avec grande attention la lettre que vous m'avez fait Phonn®
de m'écrire, en réponse à celle où, sur votre demande, j'avais précisé les donor
que m'inspiraient quelques objets ornés de gravures, publiés dans votre livre »^^^
diluviale Mensch in Máhren*. lle
La gravure qui me semblait, c£ me semble encore la plus singulière, est on
de la page 31 (fragment d’ardoise). Or, vous me dites précisément que vous al
pouvez pas répondre personellement de son authenticité. Il faudrait que long
füt soumis à l'examen d'une société d'anthropologie; pour le moment, je cons? n
mes doutes, motivés par l'analogie de ces dessins sans caractère avec ceux qe ue
été publiés autrefois par Brouillet et Meillet (Epoques antediluvienne et cel Md ar
du Poitou, Poitiers et Paris 1864) et que l’on a montrés avoir été fabriqués p
Meillet. e et
„En ce qui concerne les gravures de la page 93, votre lettre confor tion
explique mes doutes sur la figure D. Je considérais comme inadmissible bins? celà
d'une pointe en silex dans un manche en bois de renne de cette forme e
(177)
mahi: .
s, Seat à considérer le tout comme suspect. Vous me dites que la pointe en
Zeug zu . Inserce dans le manche, „um ein vollständig adjustirtes Feuersteinwerk-
L eranschaulichen" ; cette explication me suffit.
a ee en ivoire avec oreillette de suspension (p. 93, F) me semblait
dans missible; vous me dites que le Dr. Wankel l’a trouvé de sa propre main
à Pre rs quaternaire et qu’il en existe d’autres analogues trouvés par vous
p st. Je m'incline devant cette double affirmation.
Me dies les deux cótes de mammouth reproduites aux pages 99 et 101, vous
Comme + que vous les avez découvertes vous-méme dans des couches vierges.
Une asse M l'écrivez, tout doute sur l’authenticité des gravures doit ceder devant
"Os a fs on aussi formelle. Vous ajoutez d'ailleurs que la station de Piedmost
nouveauté ros des objets de types tout a fait nouveaux. C'est le caractere de
la science qui avait éveillé mes soupçons et il est fort désirable, dans l'intèret de
Pétente a que toutes vos découvertes soient soumises a quelque commission com-
Vous ai vant d'avoir été complètement nettoyées. Sans cela, les doutes que je
Dar les es seront renouvelés par d'autres, qui connaissent, 1 age du renne
*h corne Cherches faites dans l'Europe occidentale, où les iypes d'objets en os et
Je présentent un caractère remarquable d’uniformite.
que o vous autorise, Monsieur le Professeur, à faire de la présente lettre l'usage
Went » Croirez convenable, mais je vous prie de ne la publier qu'intégrale-
Hs, e" Schreiben ist zu entnehmen, dass die ehemals vorhandenen. Zweifel des
Wenn Eu nach in der Hauptsache gehoben sind; ) ich verarge es ihm nicht,
Sicht an des ornamentirten Schieferstückes bei: seiner ursprünglichen An-
"ng, W eibt, und verweise den Leser in diesem Punkte auf meine obige Erklá-
ne tom as jedoch die Prüfung meiner süámmtlichen Funde von Pfedmost durch
vig, Potente Commission betrifft, so erlaube ich mur hervorzuheben, dass dic
deutend en Ergebnisse der Ausgrabungen bis zum Jahre 1889 in einer sehr be-
bei we) Auswahl bereits dem Anthropologen-Congress in Wien vorgelegen haben,
"pen them Anlasse ich Gelegenheit hatte, namentlich die verzierten Mammuth-
Beach, Sowie andere Artefakte von Elfenbein, Knochen oder Stein. nebst auf-
Clg" Mammuthknochen und sonstigen Belegen der Fauna den anwesenden
Eine tn aus Deutschland und Oesterreich-Ungarn persónlich vorzuzeigen. ‘
“order; neuerliche Vorlage der gesammten Funde erscheint mır derzeit weder
Verh noch zweckdienlich; deren Ausführung würe auch mit Schwierigkeiten
sey, c denn abgesehen von dem Transport der zahlreichen, mitunter volumi-
penis " gebrechlichen Fundstücke ist die Zusammensetzung einer competenten
CN bin ON aus Kennern diluvialer Funde nicht immer leicht zu bewerkstelligen.
Metrisch ich hingegen bereit, die wichtigsten Artefakte und insbesondere die geo-
Sengggy Ornamente auf Mammuthrippen bei passender Gelegenheit den. Fach-
Mir gow zur Beurtheilung vorzulegen. Vorldufig befindet sich das gesammte von
faepe Onnene Material von Pfedmost geordnet in meiner Sammlung in Neu-
(Mähren) und kann von Jedermann besichtigt werden.
Ahrens ünstige Gelegenheit, welche es mur ermüglichte, die diluvialen Funde
Orgy ner nüheren Besprechung an dieser Stelle zu unterziehen, kann ich nicht
u Verso lassen, ohne noch in einer anderen Richtung eine Richtigstellung
Merkiefe " Dieselbe bezieht sich auf das bekannte diluviale menschliche
Verbang Lu agment aus der Sipkahöhle, gewöhnlich Sipkakiefer genannt. In der
* der Berl. Anthropol, Gesellschaft 1891. 1
17
(178)
Besprechung des Werkes „Anthropologie“ von Dr. Alsberg (Zeitschrift für Ethn?”
logie 1888, S. 250) verweist Hr. Virchow auch auf die Darstellung des Sn
kiefers und macht dabei die Bemerkung, „dass es bei demselben nachge!? .
zweifelhaft geworden ist, ob er überhaupt ein diluviales Stick ist“. Diese Bem
kung veranlasste mich, an Hrn. Virchow die hôfliche Anfrage zu richten, weld?
Gründe ihn bewogen hätten, von seiner ursprünglichen Ansicht abzugehen und
der Fossilität des Kieferstückes zu zweifeln. Hr. Virchow hatte die besond?,
Güte, mir umgehend bekannt zu geben, dass die citirte Bemerkung auf einer Mr
theilung beruhe, welche ihm Prof. Woldtich bei Gelegenheit des hygienischen Co"
gresses in Wien gemacht hätte. Dieser habe ihm gesagt, die Lage des Kiel?
stückes in der Höhle mache es zweifelhaft, ob dasselbe zu dem diluvialen nba?
der letzteren gehóre. Zugleich ermüchtigte mich Hr. Virchow von seiner Ang? ls
Gebrauch zu machen, da er keinen Grund hütte, die ihm gemachte Mittheilung ? .
eine vertrauliche anzusehen. Ich schrieb also Hrn. Woldtich in Wien und ^
suchte ihn um Aufklärung, doch bekam ich nur ausweichende Antworten. D^ o
die betheiligten Kreise über den wahren Sachverhalt aufzuklären vermochte, be ie
sichtigte ich nicht, die Angelegenheit an die Oeffentlichkeit zu tragen und hätte "
ganze Sache auf sich beruhen lassen, wenn nicht später und sogar in neuester Ze
abermals Bedenken gegen das diluviale Alter des Sipkakiefers laut geworden vw
die sich wahrscheinlich auf den oben citirten Ausspruch des Hrn. Virchow d
ziehen dürften. Ich sehe mich in Folge dessen bemüssigt, ein für allemal e
nachdrücklichst zu erklären, dass seit der Auffindung des Sipkakiefers im Ja h-
1880 keine neuen Momente bekannt geworden sind, welche in irgend welcber Ric
tung zu einem Zweifel an der Fossilität des Stückes berechtigen würden. jen
Ich halte es für überflüssig, hier noch eine Lanze für den ächt diluvii
Charakter des Sipkakiefers zu brechen. Derselbe wurde von allen Forschern jer
ihn untersucht oder auch nur gesehen haben, ausdrücklich anerkannt. Ausser pd
genannien Stelle ist mir auch in der Literatur kein einziger Fall bekannt, wo un
Jemand an der Fossilität des Stückes gezweifelt hätte. Ich hebe nur bezügl! "
seiner Lagerung in der Sipkahóhle hervor, dass er in einem Theile derselben o
gefunden wurde, welcher vor Beginn der neolithischen Zeit eingestürzt wan, om
dass die Trümmer der Höhlendecke an allen Stellen unmittelbar auf oder 1n nd
diluvialen Höhlenlehm lagerten. Das Kieferstück stammt aus der untersten -
áltesten Culturschicht und wurde in der Nihe einer Feuerstitte mitten nn
den Resten altdiluvialer Thiere und Quarzitwerkzeugen vom Type Mousto"
gefunden. Dasselbe gehört zu den ältesten diluvialen Funden in Oesterreich-Un8 or-
und überragt an Alter bedeutend namentlich die Funde von der Mammuthla8
státte in Pfedmost.
(16) Hr. A. Treichel schickt nebst Brief vom 11. Januar aus Hoch-Palesch"
folgenden Bericht über
westpreussische Schlossberge und Burgwälle.
1. Schlossberg von Rathsdorf. .— Kreis?
Neulich nahm ich Gelegenheit, den Burgwall von Rathsdorf im Star"
Pr. Stargardt zu besuchen. Er liegt unweit von der Chaussee Hoch-Stüblau— dorf
gardt und ist es von dem Gute Miradau aus auf dem von der Schule nach paie zu
führenden Schulsteige etwa 2 Minuten zu gehen. Dieser Steig führt von Plates en
Plateau, welche durch eine Senkung unterbrochen sind, in deren Kessel ad wel-
liegen, rechts der tiefere, weil mit abschüssigen Ufern begabte Radaunc-See, au
(179)
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Wa M. Hochstüblan Mühle. Mir. Miradau. S. Schule (von da der Schulsteig). Pr. St. Preuss.
Sardt. R.D. Rathsdorf. Path. S. Pathen-See. Gr. Graben. Rad 5. Radaunen - See.
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ch © Eingang, B. Bude. K. Kessel (mit 4 Schritt Abstieg). Umg- Umgang.
9m | . . . . ;
See $i Graben das Wasser in den tiefer gelegenen, mehr morasügen linken Pathen-
Pathe "8%, von welchem ein Bach die Abflüsse zur Pischnica führt. Am Fusse dieses
fon, C5, welcher daher seinen Namen führt, dass er einmal als Pathengeschenk
Von, eben wurde, liegt auf der Gegenüberseite der Schlossberg, wie er auch im
boa, de heisst, beide zum Gute Rathsdorf als dessen nördlichsten Stücke
iy Re, Nach der Generalstabskarte hat der Pathensee 104 m, der höchste Punkt
dn die tee aber 132 m. Somit mag die Hôhe des Bergabfalls etwa 20—25 m
tei, et Stelle betragen. Die innere Gestaltung ist durch angelegte Günge neu-
M Ww Yerändert, lässt sich aber immerhin erkennen. Der jetzt gewühlte Eingang
hang, “Scheinlich an der Stelle angelegt sein, wo schon vordem ein solcher vor-
Sicht de t Eine an der breitesten Stelle 8 Schritte Durchm. haltende Wallkrone um-
lang. ma Wall; sie ist links vom Eingange etwa 25 Schritte, rechts über 75 Schritte
Ung to Inneren Raum zeigt der Wall bei 24 Schritten Abstieg eine Hauptkesselung
LE ZWei weniger liefe (4 und 5 Schritte im Durchm.) Kessel, auserdem noch
kulenartige Vertiefung, überall ausgefüllt von einer starken Humusschicht
197
C
(unter derselben brachte der Toucheur Lehm herauf), sowie von dem Laubfalle des
starken und die Ansicht erschwerenden Baumbestandes an Kiefern, Rothbuchen und
einzelnen Birken. Der Abfall geht halbkreisförmig zum Pathensce. In früherer Zeit
wurde der Wall zu ländlichen Sommer-Vergnügungen für die Bewohner der Um
gegend benutzt, ehe sich solch Stelldichein in die Oberförsterei Wirthy verzog; dahe
die Günge, daher eine bedachte Bude am Ufer des Sees, auf welchem Boote gor
delien; daher vielleicht manche andere Veründerung. Die Wallkrone bildet a
der stärksten Stelle einen grósseren, mehr runden Punkt von 14 Schritten Umfang
heute eingeebnet, etwa zum Zwecke einer Aussicht. Von der Landseite aus 8
sehen, befindet sich links vor dem Walle ein etwa 50 Fuss tiefer Graben, peut?
stark mit Schlehdorn bewuchert, freilich die beste Abwehr; eine solche Vertheid”
gung fehlt rechtsseitig, scheint auch nicht so nóthig, weil hier der Abfall zu eine”
Thalbruche ein bedeutenderer ist, wie linksseitig, wo ebenfalls cin Thalbra0
vorhanden ist. Zwischen beiden Bruchkesseln geht nun der Zugang, welch
geradezu auf den breiten Ausguck führt, indessen nur eine schlechte und schwach"
Vertheidigung abgiebt. Dies ist das Ergebniss einer spätnachmittäglichen Unie"
suchung im November. Funde habe ich nicht gemacht, noch von solchen gehört
Selbst die sonst sich anschliessende Sage fällt ganz fort, trotz der Umfrage, welch‘
Hr. Lehrer Fox in Miradau, mein Weiser und Begleiter zum Walle, darüber halte?
musste. Dagegen erzählte derselbe mir von einem seltsamen Funde von 1888 nad
dem Berichte eines Schulknaben. Dieser hatte auf dem Schulsteige in dieser Gegend
einen radförmigen Gegenstand von etwa 6 cm Durchmesser, schwärzlichen AUT
sehens, mit Speichen versehen, nur dass eine fehlte, gefunden, denselben pir
einen Stein gehalten und also (,was sollte ich damit?“) in den nahen See geworfo
Die Farbe, das bestimmt beschriebene Aussehen der Form, ja die fehlende speich®
machen es sehr wahrscheinlich, dass es das Rad eines kleinen Wagens und dar”
von Bronze gewesen sei Ist dies Stück auf dem Auswurf des Grabens gofund®”
so ist Hoffnung vorhanden, dass die angeregte weitere Suche ein nähere® pr
gebniss bringt.
Was nun die Literatur dieses Walles betrifft, so führt ihn Dr. L- Behl?
(Vorgeschichtl. Rundwille S. 190) nach J. N. Pawlowski (Prov West-Pr. S. i
Schlossberg Miradau ist identisch mit dem von Rathsdorf) kurz an; er bezeichn
ihn, wie Dr. Lissauer (Prähistorische Denkmäler f. West-Pr. S. 192), im Land?
zwischen Schwarzwasser, Weichsel und Ferse ‘ als den einzigen- auf den Hohe"
des linken Ufers des Schwarzwassers nach Untersuchung und Bericht yon D^
Mannhardt, der ihn Burgberg nennt (Sitz. d. anthropol. Section zu Danzig vo?
7. Novbr. 1877, Schr. d. naturf. Ges. Bd. IV. H. 3.8. 14). Das Plateau giebt e
auf 9 an, den Aufstieg des Walles auf 15m. Er fand viele Scherben vom pute,
walltypus und Holzkohlen. Aber schon Dr. B. Stadié (Landrüihl. Kreis Siarga
S. 87) spricht 1869 von den müchtigen Willen eines früheren Castrum, d$ walt
scheinlich das Schloss Radzons war, in welchem 1270 Herzog Mistwin IL T
seinem Bruder Wratislav IL überfallen wurde. Rathsdorf, vor 1867 Radziej®?
genannt, war aber das ursprüngliche (Redzk? oder) Radeow oder Radzons, »
nebst dem nahen Niradowe (Miradau) 1305 von Peter Swenza von Neuf
burg an den deutschen Orden verkauft ward. Mag auch das Retz wise
Tuchel und Konitz Radeow oder Radzons geheissen haben, so darf das von d »
Swenza's verkaufte Radzons nicht, wie Täppen, Hirsch und Quandt wollt
hierauf bezogen werden; vielmehr muss man es, schon wegen der Nühe Ser
Niradowe, auf dies Stargardter Radziejewo, heute Rathsdorf, deuten. Auch
180)
(181)
alte
hier Same des hier gelegenen Sees, Radaune, über dessen Vorkommen gerade
Spricht d Sich. bei der weiten Entfernung des Radauneflusses wundern müsste,
dung ut haus dafür. Ja, ich bringe auch den Namen Miradau damit in Verbin-
leigh; à Niradowe, also wohl nicht von „mir“ == Friede abzuleiten, sondern viel-
frühe, sel Gegensatz von Radeow bezeichnend, das hier seine Grenze hatte, da
Sta die elbst der Pathensee dazu gehörte. Unannehmbar ist dagegen die von Dr.
Boden. Macon agone Ableitung dieses Namens von red, : redz, redzina = fetter
Wenn "ai orast, Torfbruch, Sumpfwasser, ganz verschiedene Begriffe bezeichnet,
(hühe, D auch auf den Ort passen mögen. Ebenso giebt's im selben Kreise
Name, Irschau) ein Rathstube, ursprünglich Radostowe, o. Anklingende Orts-
Radown com Theile germanisirt, findet man häufiger, wie Radawnitz bei Flatow,
Kr. Ber a Loebau, Radowisk bei Strassburg, Raduhn bei Dt. Krone und im
Re doy | Radagosz oder Radegast in Kreise Stargardi; wie auf der Insel Usedom
Radeon Redessow, im Kreise Lauenburg Reddestow; wie sonst Raddow,
lite op Radewitz, Radlow, Rathebuhr und Ratzebuhr in Pommern. Ich selbst
blog dors von rad, gern oder radda, radzca, Rath, radzié, rathen; es ist das nicht
Mit dem Ba des verdeutschten Rathsdorf, sondern steht auch eher in Verbindung
urgwalle, weil auf ihm etwa Rath gehalten wurde.
| 2. Der Burgwall von Borkau-Grabau.
Run dw; Preussischen Kreise Preuss. Stargardt giebt Dr. Behla in Vorgeschichtl.
Karte de. 8. 190 einen Burgwall von Grabau als verzeichnet auf der prühistorischen
Meinen nn rovinz Westpreussen von Lissauer kurz an, den auch ich ihm nach
Semel © wabrsmanne Hr. Peter von Czarlinski für seine Zusammenstellung
An als a aite, Dr. Lissauer führt ihn nach Ossowski Carte arch. p. 9, Nr. 31
als hall Ufer eines kleinen Sees gelegen, nicht weit vom Borkauer Wildchen, und
“olgey Cerstôrt. Seine genauere Untersuchung konnte von mir erst im Frühjahr 1890
Wird er Wobei mir Herr Besitzer Kantak getreulich zur Seite stand. Ueberall
halb M als der Wall von Grabau bezeichnet; da er aber wunderbarer Weise
Bien Gute Borkau und halb zur Gemeinde Grabau gehürt, woher der
lercien ode J eschke das ihm gehörige Viertel vor einigen Jahren auf seine Län-
als Way) er Wiesen zur Cultivirung verfahren hat, so dass der Grabausche Antheil
hay cht mehr besteht, so ist es wohl gerechtfertigt, ihn den von Borkau-
che) ks, ennen. An den Namen (Neu-) Grabau, Kreis Berent (Grab — Weiss-
Bericht Nüpft sich bereits (Sitz.-Ber. 43. Jan. 1818 und Verhandl. 1884 S. 73) ein
Nichts ver einen anderen Burgwall. Sonst, meine ich, hätte der Name weiter
die Signy. der Existenz von Burgwüllen zu thun. Die Weissbuche mag ja früher
AC) Wei. dieses breiten Landsiriches zwischen Schwarzwasser (alt-pomerellisch
Sichse] Ichsel und Ferse gewesen sein, heutzutage herrscht aber links von der
Zone tide sonst überall, die Kiefer vor. Der Name des Walles ist im Volks-
Ok ri "i Schwedenschanze, obschon ihn die Generalstabskarte so nennt, sondern
Würde a sko, also Schlósschen. Ein solches hat aber niemals darauf gestanden und
SOlche voa der Platz dazu nicht ausgereicht haben. Es ist der Volksmund, der
ph e gungen weiter trägt. Durch seine Form und Kleinheit hat der Wall,
qu ingwall, Aehnlichkeit mit dem von Fustpetershütte, Kreis Carthaus.
Masaner © 1 sn letzteren môchte ich mich gegen die Annahme verwahren
"ie nach Art 3), als ob ich darin Ziegelstiicke gefunden hätte. Es waren viel-
pep s rt und Farbe (aber nicht nach Form) der Ziegel gebrannte Lehm-
0 dass mir die Versetzung des Walles in eine historische Zeit ausge-
. J
schlossen erscheint. Solche durch Brand gefestigte und gefärbte Stücke, aber von
minimalster Grösse, fand ich auch durch das ganze Erdreich der Wallkrone zahl
reich vorhanden. Rechts von Grabau nach Borkau zu erstreckt sich nordöstlich
bis südwestlich ein Rücken von unbeträchtlicher Höhe (die umliegenden Punkt®
zeigen 96, 68, 91, 72, 61, 65 m über der Ostseefläche) in eine vor Zeiten ganZ vor
Sumpf und Wasser umgebene Ebene hinein, deren Entwüsserung durch Senkunë
schon die Vorbesitzer von Borkau, Diebisch (um 1790) und Plehn, zu Gunste?
ihrer Ländereien in Ausführung gebracht haben. Dadurch sind ringsum heutzutaë®
moorige Wiesen und ausserdem ein tieferer Wasserspiegel als Seechen entstand"
und übriggeblieben, in der Angrenzung als Torfstich benutzt. Die ganze Ansicht
der Gegend hat sich mithin verändert. Mehr Wasser und grösserer Wald soll noch
vor 20—30 Jahren vorhanden gewesen sein. So hat dieser Ringwall damals mitte?
im Walde gelegen. Heute erreicht man ihn wegen der moorigen Umgebung nur von
Borkauer Wäldchen, weil dieses an das ihn tragende Plateau anstüsst, aber sichtb??
ist er auf der Seite der Ebene lange Zeit, wenn man die Strasse Grabau über Mar
hausen nach Kehrwalde (im Volksmunde Kerwaul) einschlägt, so dass eigentlich mel
bereits eingeiibter Kutscher August (+) schon mich auf ihn aufmerksam mache"
konnte, wáhrend ich ihn gemiiss der kartographischen Zeichnung mitten im walde
gelegen wühnte. Er sieht wie ein Teig, von Menschenhand geformt, aus. Selbstver"
stándlich ist er aufgetragen. Mergel und Muscheln (Helix fruticum) im Erdreich 97
der Wallkrone lassen unschwer erkennen, woher das Erdreich genommen. p 16
Krone misst 156 Schritte im Umgange, der Aufstieg von aussen 24 Schritte, m
Niedersüeg 15 Schritte. Das abgefahrene Viertel berechne ich auf 26 Schritte
Nahe diesem fehlenden Viertel ist jetzt noch ein deutlich zu erkennender Rau?
von 6 Schritten Länge und 3 Schritten Breite ganz mit Steinen gefüllt, welche”
die Leute mit Brunnen bezeichnen. Als ich einen alten Grabauer Ackersmann um
seine Meinung über den Burgwall ansprach, erzühlie mir dessen Frau, d85? m
ihrer Jugendzeit noch die Hütejungen vergeblich die Zügel ihrer Pferde zusammen
gebunden hätten, um die Tiefe des Brunnens zu ermessen, obschon derselbe; wie
sich durch die Subtraction der Maasszahlen ergiebt, bis zu seinem inneren Wasser
stande kaum tiefer als 10 Fuss gewesen sein kann. Wenn auch erzählt wurde
es seien früher Treppen sichtbar gewesen, so wird sich das wohl auf terrassiri?
Rundgänge zurückführen lassen. Bei 24 Schritten Aufstieg bedurfte es dere?
nicht. Die Sage fügt endlich hinzu, eine Jungfrau hole dort Wasser. Aber em
Brunnen war ja vorhanden und dessen Wasser wird kaum mehr geniessbar 8
wesen sein, als das der umfliessenden Wassermasse. Vor Zeiten kann nur er
schmaler Zugang bestanden haben und befremdete es mich nur, dass, wovon houle
nichts zu bemerken, dessen Endschacht nicht durch einen ausgehobenen Zuggrabe"
gekennzeichnet war. Nahe Bergkuppen sind viel hôher. Daher erscheint gerad®
die Auswahl dieses durch die Wasserumgebung gesicherten Platzes, der wie €! ne
geformte Torte aussieht, nur für den wunderbar, der nicht an eine feuerwaffenlos°
Zeit und an das Bestreben der alten Bewohner denkt, sich mitten im sumpfig?,
Terrain einen festen Platz zu sichern. Heute baut eine ortsarme Wittwe dor
Kartoffeln, wogegen ganz frische Baumhiebe für wenige Jahre vorher das Das
von im Grunde 2 Fuss starken Kiefern beweisen. Die heute wenigen Nussbäur !
mögen früher daneben zahlreicher gewesen sein, da ich den ganzen äusseren A ;
hang mit den Schalen dieser Früchte bestreut fand. Ein einziger Kreuzdorn at”
der Wallkrone versetzte mich in alte Zeiten zuriick, wo man deren zur Fest”
gung brauchte. Der höchste und breiteste Theil der Krone liegt im Nor
(182^
(183)
0
SM hier der einzige Zugang müglich ist. Ganz im Norden findet sich eine
Schräge ung der Krone und daran anschliessend im Aeusseren der Aufhöhung eine
Stelle uhtartige Connivenz der Erdmassen. Im Nordosten zeigt sich eine schwarze
dungen er Ueberrest kulinarischer Genüsse, über 1 m tief, ohne dass bei Gra-
Sonst; Spas Anderes als Steine, die Feuer gekostet hatten, zu Tage irat.
tete Lol unde waren Kohle, äusserst wenige Schälber, zahlreiche, im Feuer gehär-
Gin Brass kelehon, Zähne von Schweinen; an keramischen Objekten fand sich
Stück "n (dickwandig, grobgrandig durchsetzt, schwarzthonig) und ein Rand-
beide m gehalten, grauer) von Gefässen, die man ja auch Urnen nennen kann,
Ürdreichs Ornament. Vielfach calcinirte Conchylien beweisen die Hernahme des
keine " aus bruchigem Boden. Die nahen Berge führen zwar auch Mergel, aber
zu Thor Cnet: Ganz aus der Nähe stammen viele Steinhämmer in den Museen
(Lindos Marienwerder und Danzig, z. B. aus Grabau, Pillamühle, Lipiagora
landen Org), Barloschno, Mirotken. Auch hier sind sie nur in den Wiesen ge-
Steht. ne unvollendet (Lipiagora) so dass weitere Ausbeute zu erwarten
“86 an N Gutsbesitzer Kantak wird sich für weitere Funde im provincialen Inter-
lich des Mühe gehen. Im Uebrigen verweise ich auf meine Auslassung gelegent-
Wonach Burgwalles von St. Johann. im Sitz.-Ber. vom 17. Novemb. 1888 (S. 498),
Bal St gemiiss der L, Quandt'schen Districtseintheilung fiir Pomerellen (in
lig, 4d. XVI) dieser Burgstall der von Scossow ist, den er mit der Jagd-
lente tel der pomerellischen Herzöge in Verbindung bringt. Dieser Name lebt
War as tht mehr im Gedächtnisse und auf der Zunge der Umwohner. Entlehnt
lag Por Ausdruck von Quandt den ihm bekannten ältesten Urkunden, wie sie
lm Doc; Urk.Buch auf S. 210—215 bringt (1274. Januar 2. Schweiz), wo es sich
Westy; "mente handelt (ücht scheinende und Interpolationen), in denen Herzog
Strich ; dem Qistercienserorden zur Gründung eines neuen Klosters einen Land-
her," Lande Thymau zwischen den Flüssen Jonka, Wangermuze und Ferse
fin locu ür dessen Abgrenzung wird als Ausgangspunkt (errori cauto) ,explaniri*
Mili, Castri qui vocatur Scossow, mit den Namen Chonotope (Pferdetränke),
Magna), ' Brezeke, Gribene und Glost (Ghost) für die umliegenden Sümpfe (paludes,
is Bezug auf das von mir (a.a. O.) Gesagte will ich noch zur Aufklärung
Deo ». hinzufügen: erstens, dass das kaum eine Meile westlich von Bobau,
tage d Orkau gelegene Dorf Wiesenwald (Anathema der Verdeuischung im Inter-
NM Forschung!) früher Wissoka hiess, dessen Existenz ich damals be-
Maange, Musste; zweitens, dass zur Auswahl mit dem allerdings ebenso ge-
lle, C Onradstein bei Stargardt ein östlich von Bobau und jenseits der Weichsel
Kom Ori Namens Kursiein gelegen ist. Soweit für diejenigen, die nach mir
Werden.
Zu 3) Der Schlossberg bei Lippusch Papiermühle.
Mühle der im Westen des Kreises Berent gelegenen Ortschaft Lippusch Papier-
e "A nur eine Mahl- und Schneidemühle (Besitzer Erdmann), gehört auch
QUE in dabei nordwestlich gelegene Erdrücken, welcher sich in gleicher Rich-
thay, den Lubieschewo-See hinein ‚erstreckt, an dessen linker Seite sich das
ws hel, asser sein Bett gegraben hat, wogegen die rechteckartige östliche. Seite
MO bias im Jahre.unter Wasser stehende und daher niemals ganz trockene
NICE et Der See ist im Durchschnitt ungeführ 8 Fuss tief. Dieser Erd-
Sl, a bei entsprechender Breite über 1000 Schritte Länge. Bei seinem Be-
ebt sich ein 80 Fuss hohes Plateau, mit Kiefern bestanden. Nach reich-
(184)
ich:800 Schritten Entfernung, im zweiten Drittel durch eine durchgehende ver
tiefung quer unterbrochen, trifft man auf einen anderen Berg, etwa 20 chri
breit, 40 Schritte lang, mit einem steilen Abfalle von 50 Fuss in den See, ?
Schlusspunkt des Erdrückens. Diese Kuppe hörte ich als Schlossberg bezeichn?
und dieser Ausdruck veranlasste mich zu seiner Untersuchung. Leider sollte abe
meine Hoffnung, in ihm einen slavischen Burgwall zu finden, eine eitle pleibe"
da weder nach Aussage des Eigenthümers, noch durch eigene Untersuchung gie e
das Geringste vorfand, was irgendwie dafür hätte sprechen können. Der gam
Boden des Erdrückens ist mergeliger Grand und nur natürliche Bildung ist à
beiden Bergen zu ersehen. Der Hügel hat darin Aehnlichkeit mit der bedeute? à
kleineren Stolinka im Garczino-See (vergl. Sitz.-Ber. v. 26. Mai 1888, S. 260) ve
dürfte höchstens vielleicht (in einer der beiden verschieden hohen Kuppen) a J
Burgberg oder Signalberg anzusprechen sein, da der volksthiimliche Name Sehloë:
berg immerhin auffällig ist; er könnte mit den räumlich etwa 1—2 Meilen nord
entfernten Bergen der Stolinka und des Blocksberges oder des Zomkowisko be
Gostomie (ebendas. S. 257 fl.) in Beziehung gestanden haben. Im Westen de
Schlossberges hat sich ein niedriges Vorland durch Alluvion gebildet. ch
- Auch die Volkssage hat sich des Schlossberges bemáchtigt. Nachts lassen -
riesige Menschen in ritterlichen Rüstungen sehen, welche dort ihr Wesen treib®
und manchmal kämpfen. Auch ist dort stets ein bellender Hund zu hort
Die Leute glauben dort einen Schatz verborgen und den Hund wohl als des?
Wächter. Ein Paar beherzte Kerle haben einmal des Nachts dort nach dem Schafft
gegraben, sind aber davon gelaufen, als sie das drohende Gebell des Hundes ve
nahmen. Das Loch aber ist noch jetzt dort zu sehen. Andererseits wird do
häufig unbefugt nach grossen Eichenstubben gegraben, die aber ebenfalls Locke’
verursachen. Jetzt sind die Abhänge mit vielem Haselgestrüuch bestanden, welch®
eine reichliche und blumige Grasnarbe beschattet.
4) Nachtrag zum Burgwall von Sobiensitz (Zarnowitz).
Der filschlich Schlossberg von Zarnowitz (Kr. Neustadt, West-Preussen) a
nannte, weil an dem Sec von Zarnowitz gelegene, Burgwall muss als der vl
Sobiensitz bezeichnet werden, weil er auf Grund und Boden dieser Ortschaft es |
obwohl er sich in forstfiskalischem Besitze befindet. Als Burgwall (von sur
witz) durch mich bei Dr. Behla, Vorgeschichtl. Rundwälle S. 190, gemeldet, : e
er genauer von Dr. Taubner untersucht und in den Verh. 1888. S. 504 beschr! 0
ben worden. Da ich ihn 1890 ebenfalls beging, muss ich. folgende Nachiréé
bringen. e
Im Grossen und Ganzen hat er in seiner Ausdehnung, Ungefügigkeit und ^
die grosste Aehnlichkeit mit dem Schlossberg von Carthaus (Verh. 1889. S. Oe
oder dem von Gr. Ruhnow in Ostpommern, woriiber ich am 22. Juni 1889 ch
richtete. Er liegt auf dem höchsten Ausläufer eines Bergrückens und hat -
drei Seiten äusserst steile Abháünge, an deren oberem Rande rundum star d
Aushóhlungen sind, mir eine ganz neue Weise der Vertheidigung, statt der oe
gefundenen reinen Terrassenginge. Der Umgang der Krone betrug 330 Met?
schritte, die Breite der Wallkrone 12 Fuss, der Aufstieg zu ihr im v
20 Schritte. Im Innern sind 4 Vertiefungen zu bemerken, deren eine vom vo
als Brunnen bezeichnet wird. In seiner Nähe forderte ein Einstich in 2 or
Tiefe zahlreich kieferne Kohlenstiicke zu Tage. Drei Vertiefungen liegen "Al
halb eines sichtbaren Querwalles. etwa in der Mitte der ganzen Kesselung-
- wn
hE 3
anti . erwähne : .
gen Stein. Von " in der Nühe des sogen. Bru :
Soll ding bei Restaurirans NEE hat sich viel Blitte on grossen vier-
alten Sen Burgwall k + Kirche zu Zarnowi laterhumus gebildet
bei 4 Kirchen kartographisch en beschäftigter Bauführer Be
bek en Kirche ern von Zarnowitz gemach en, auch Auszüge darüber E
kannt. henakten deponirt habe ac i und dann die ganze B aus den
Es . n. Doch ist. davon d 5° ze eschreibung
D giebt aber auch em zeitigen Pfarrer niehts
liege er Schlossber mancherlei ihm anhaftend
thes | Es muss g scheint bald auf der Erde o agen:
d dort st also zeitweilig ein . , bald im See (von .
ort and, sol 8 e Spie el : Zarnowil
my nebmlieh v 0 | wegen Uebelthat der iegolung eintreten. Das Schloss 2) zu
. en dj or eiten - Ra . . . Zer versunken © , wel-
MS Tang le Leute, welche ubritter; die hatten unten im See Es herrschten
der Ost brachten. E am Seeufer einherzogen der i ee ihr Boot und be-
Von der P und filie da damals nehmlich noch der Z ihre Waaren zu Schiffe
W r Piagni . as ganze, ] . arnowitz-
i vordom & träge das ganze, Jolt wie od. das Dueh
der ee, Seitd | r von Wierschutzi and, das grosse
gap Berge dem aber das Schloss mi utzin. Alle diese Wi )
Zap einem Man zu gewissen Zeiten ein 85 mit Getôse versunke . 1esen
. : . e : n ist
tig, tz tragen "nd edem Glen buch: das sollie Noch zuletzt kam = un
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Schüm So geschah nd jedem Wesen einen K ollte er ins (Nonnen-) Kloster ji
in de te er sich d es auch, bis fast zuletzt ih m geben, das er auf der Si. T
dag . Grund dd davor. Da ging aber das ber Schorfpogge begegnete Da
ie bi ie ebenfalls ver . eben aufgetaucht E a
Ri 8 zu ihrer Erló . erschwindende Prinzessin hà e Schloss wieder
Sop De a r Erlösung jetzt wi rinzessin hört e
log ndere Sa, g jetzt wieder hundert J e man noch kla
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Wollt ütscher, er Kirche aus Z . 8 olgendes: Di n
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ant Sie, d . noch eine Schónere gà ause und fr
ab, tele hy ihr Schloss in Grand und go als sie; wenn das e E
Sank in ole das sei die Mutter Got oden sinken môge. Der oa sei, so
X Viel | rund und Boder r Goites im Kloster zu Zarnowitz. scher aber
a Step auschiger ist ei 1 arnowitz. Ihr Schloss
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À die R ne vom KI ine dritte Sage vom Schlossb ,
tym logi oster Zarnowi ssberg, die zug] ich ü
M Aug rosie: itz Aufschluss gieb e Zug'elc über die
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Ut, hd ihr Sc es Schlossber
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Ga Sie ihm yorschliessharen Ring mache aber ein Reblalb; dem Joss o
Wieg en di en Schlüssel en und liess es in Freihei sie
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(RP)
jetzt am kleinen Seitenaltare ein Bild, worauf ein Reh mit Schlüssel auf des
Horn abgebildet ist. Es war aber ein Nonnenkloster und wurde um 1840 av
gehoben. Zuletzt blieben’ noch drei Nonnen, von welchen die letzte, eine ,dumm° ’
fortgebracht wurde. Dr. Maronski leitet den Namen ab von ziarno, Korn.
(17) Hr. Treichel berichtet zugleich über
ornamentirte Urnen von Hochstüblau.
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In Hochstüblau, Kr. Pr. Stargardt, wurde auf dem Pfarracker gleich hinter ao
Gebäuden im Juli 1890 durch Pflügen eine Steinkiste blossgelegt, welche 5 Um
enthielt. n
Eine davon ist ganz erhalten geblieben und hat sie Hr. Dekan Pfarrer pe
Tretowski dem Kónigl. Museum in Berlin zugedacht. Ihre Ornamentik zeigt "
Fig. l. Sie ist 35 cm hoch, hat an der Stehflüche 10 c» Durchmesser und M
Umfang. Dass sie beiderseits Ohrenansátze (kleine Knusichen) gehabt hat; pie
aber abgefallen sind, ist an cirkelrunden Stellen auf der Glättung zu sehen.
Figur 1.
An Figur 3.
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Halsflüche zeigt eine unregelmüssige Marmorirung, die vielleicht durch P
wurzeln enístanden sein mag. Ihr Inhalt bestand aus Leichenbrand, Ro en
stiicken und viel Erde, die bisher nicht durchsiebt ist und noch Bronzestüc el
bergen mag. — Zwischen dieser und einer anderen Urne lag zu Füssen ein o sh
(ig. 2), ohne Satzrille, von schwiirzerem Thone, gut geglättet. Da er erha col”
passt er sehr gut auf die Mündung der Urne. Er ist 6 cm hoch, eben IS. mit
eavem Loche versehen und zeigt in der Verbreiterung zwei Absätze, DE1CC
180.
(187)
on eingeritzter Zeichnung. Meine Abbildung giebt ihn plattenförmig. Im
der coun elde ist er an einer Stelle abgeschülbert, so dass es leicht 5, statt
ÿ eichneten 4, Bysteme sein können. | nn
Bosch diesem Hünengrab erhielt ich durch Hrn. Vicar Studzynski folgende
LR ung und Zeichnung (Fig. 3): Die Lage des Deckels deutet auf dessen
fest aga zur Urne Nr. V, welche allein. deckellos ist. Indessen ist der Deckel
omo. gut erhalten, während die Urne mit Sand- und Knochenfiillung zu emer
U en Masse erweicht war.
fault an en rt ist Nr. I sehr gut erhalten, der darauf liegende Deckel aber ver-
in der U seine (weichen) Scherben umschliessen theils den Hals, theils liegen sie
Nr LT Es ist dies die grôsste und einzig ganz erhaltene Urne. |
Vorsicht ; Deckel, ganz vorgefunden, zerbrach bei der Berührung und sank ein. Mit
Nr Selang es, die grössere Hälfte der Urne zusammenzuhalten und zu trocknen.
der Ber IV haben die Form von Nr. L sind aber kleiner, und zerfielen bel
ng.
chan Urnen waren mit Knochensplittern (Kalktheilen, Einzelnes als zum mensch-
Mit Sang engeriist gehorig noch gut zu erkennen) und feinem Staub (Asche?),
Que, vermischt, angefüllt; doch wahrscheinlich nicht ganz voll, worauf die
des Ora eingesunkenen Deckel oder Urnenhälse hindeuten. Der übrige Raum
dus roth eS war mit Kies fest gefüllt. Die Wände und Decke bildeten rohe Platten
Umbleiqes Sandstein. Bodenplatte oder sonstige Unterlage war nicht vorhanden.
Süben il fas arab noch mii einer starken Lage kleinerer Granitsteine. Bei-
vorhanden.
ue p mgebung wurden mehrere unregelmüssige Steinhaufen, zum Theil mit
L Newerligy hante ausgegraben. | | |
Ades. at der Besitzer, Hr. v. Kuezkow ski, an einer anderen Stelle seines
Sonst ei des Flüsschens Niedaczek (weil aus dem Niedaésee kommend),
Magen auf kiirzlich gekauftem Lande meist sehr sandiger Art viele nicht
Ung rors Scherben aufgefunden, so dass auch dort Urnensetzungen vorgekommen
Sein müssen.
ws " iradau auf dem Schulacker fand 1884 Hr. Lehrer Fox einige Münzen,
teren brandenburgischen eine sehr gut erhaltene Deutschordensmünze.
Yi, op cichel schickt nachstehende
n über
N Westpreussische Häuser.
R Di, us in Werbelin, Kr. Putzig.
ys in pr ciehnung zeigt ein bäuerliches
than erbelin, Kreis Putzig. Vor dem
«Gericht, t die rechte Hälfte zum Wohnraum
a Thus : In der linken, leeren Seite führte
selle Seine In das Wohnhaus. Der linke Pfosten
ni Hag, Halt auf einem Steine. Zur grósse-
y leto PEL hatte man den linken mit dem
NC be Osten im oberen Ersifünftel (man
werten ven unten durchgehen) mit einem
go des nd und durch ihn vom ersten |
Moan ginger en Oberbalkens aus zwei quere 2l
gezogen,
Le
( 70)
2) Giebelverzierungen aus Westpreussen.
. Die Giebelverzierungen im Dorfe Darslub, Kr. Putzig, scheinen mir nicht sehr
alter Natur zu sein, obschon bei recht baufilligem Zustande. Die meisten sind aus-
geschnittene und dem Firstende vorgenagelte Brettchen, häufig mit Untersatz. Bei
den wenigen Ausläufern der Giebelbretter scheint mehr der Zahn der Zeit, als der
menschliche Wille, zu einer Figur verholfen zu haben. Nicht bloss Stallungen, son-
dern meist Wohnungen sind damit begabt. Viele Häuser haben aber nichts davon.
Bemerkenswert ist die häufige Verschiedenheit der Figuren bei demselben Gebäude.
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Bedeutend herrscht die Form des Kreuzes vor, neben allerlei Verbindungen von
Viereck und Kreis. Sehr wenige sind fein ausgearbeitet und. bei diesen hat der
Verferüger gewiss nicht an eine Nachbildung des burgundischen und des Patriarchen-
188,
(189)
Kreuzes gedacht, Hierher gehören die ersten 24 Nummern. Nr. 25 gehôrt nach
Funkelkau (etymologisch herzuleiten von Weglicowice, Kohlenstitte), Nr. 26—54
nach Cengardlo und Konarezin, Nr. 35—37 nach Scharshiitte, Nr. 33—41 nach
Schweinebude, letztere beide Dörfer mit rein deutscher Bevölkerung, sámmtlich
im Kreise Berent gelegen. Nr.38 und 39 gehôren zu Ställen, Nr. 40 zu einer
Scheune, die meisten anderen zu Wohnhäusern. Von durchbrochener Arbeit sind
Nr. 11, 28, 33, 38, 39.
(19). Herr Hans Virchow spricht über
die Handstand-Künstlerin Eugenie Petrescu
und legt Photographien derselben vor, welche durch Herrn C. Giinther gemacht sind.
I Ueber die Specialitüt der Artistin ist Folgendes zu bemerken: Sie führt
dew gróssten Theil ihres Programmes im Handstande aus. Daneben bringt sie
ZWeitens eine Stellung im Zahnstande, d. h. sie hält sich, mit den Zähnen fest-
gebissen, an einer mit Leder überzogenen Metallplatte, nachdem zuvor unter starker
Biegung des Rumpfes die Rückseite des Kreuzes auf den Scheitel aufgelegt ist
(Fig. 1); dabei kónnen Arme und Beine in andere Lagen gebrachi werden, der
Figur 1.
Rumpf dagegen nicht. Das würde wohl auch über das Menschenmögliche hinaus-
gehen, denn sonst müsste der ganze Körper durch die Kraft der Nackenmuskeln
Has OD aus bewegt werden. Für den Zahnstand, ebenso wie für die meisten
cin Standstellungen, wird drittens in hohem Maasse „Kautschuk“ verwendet, d. h.
vien, “ngewôhnliche Biegsamkeit in einzelnen Abschnitten des Kórpers. Endlich
—— führt die Artistin auch Saltomortale aus, d. h. sie überschlügt sich rück-
Kau, o der Luft. Hierzu ist zu bemerken, dass an sich Saltomortale und
" uk In einem gewissen Gegensatze stehen, denn Kautschuk beruht auf hoch-
don A Nachgiebigkeit; solche ist jedoch bei Saltomortale geführlich, weil bei
der Ty lichen und ruckartigen Bewegungen leicht Beschädigungen im Bereiche
wird au eintreten können, wenn der Rumpf nicht genügend festgehalten
salze à enso steht aber auch Handstand und Kautschuk in einem gewissen Gegen-
dos. enn Kautschuk beruht, wie gesagt, auf grosser Nachgiebigkeit, Handstand
agegen ‚erfordert, wie sich im Verlaufe der Untersuchung herausstellte, und. wie
(19
auch die Artistin, sowie ihr Lehrer, ihr eigener Vater, genau wissen, eine mehr
als gewöhnliche Festigkeit in den Armen und Schultern. Die Artistin. vereinigt
also Entgegengesetztes und ist mit Umsicht ausgebildet.
Il. Anamnese. — Der Vater (Rumüne) hat in verschiedenen Specialitidten
gearbeitet, zuletzt als Dreireckturner, die Mutter (Deutsche) nach welcher die
Tochter in der körperlichen Erscheinung geartet ist, war früher Zahnkünstlerin.
Das jetzt 16jährige Mädchen ist von seinem sechsten Jahre an vom Vater plan-
mässig ausgebildet, zum Theil nach den feststehenden Regeln der Gymnastik, zum
Theil nach einem eigen ersonnenen Plane, und zwar für die Specialität des Hand-
standes. Es wurde dabei auch bis zu einem gewissen Grade auf „Kautschuk“ Be-
dacht genommen, theils weil es für die besonderen Leistungen nöthig-war, theils um
das Programm zu bereichern; doch musste sorgfältig darauf geachtet werden, dass
nicht in unerwünschter und schädlicher Weise Dehnungen von Muskeln in gewissen
Richtungen und damit Schwächungen gewisser Stellungen stattfänden. Auch jetzt
wird die Ausbildung vom Vater überwacht und weitergeführt. Beginn der Ausbildung
vor dem sechsten Jahre hält der letztere für ungeeignet, weil der Körper noch zu
weich und auch zu kraftlos sei und daher leicht verdorben werden kónne;
wesentlich späteren Beginn hält er gleichfalls für ungeeignet, weil sonst nicht die
nöthige Anpassung des Körpers an seine besonderen Aufgaben erreicht werden
kónne. Ueble Folgen der Ausbildung sind bisher nicht hervorgetreten, insbesondere
leidet die Artistin nicht an Cireulations- oder Respirationsbeschwerden. Es
werden, abgesehen von einem ersten Frühstück, zwei Mahlzeiten genommen, um
3 Uhr und um 12 Uhr Nachts, beide reichlich; bestimmte Nahrung ist nicht vor-
geschrieben. Die Artistin trägt ein Corset, jedoch ein loses.
Als Grund einer Verdickung an der Articulatio phalangea prima des rechten
Mittelfingers wird angegeben, dass eine „seitliche Luxation“ vorhanden gewesen
sei, dadurch entstanden, dass die Artistin beim Handstande auf einem zu weichen
Teppich stolperte; die Produktionen wurden dadurch nicht unterbrochen.
Auch an dem linken Ellenbogen sind Spuren eines Trauma zu bemerken.
Vor sechs Jahren erlitt sie nehmlich an diesem eine Luxation; über den Grad
ist nichts angegeben. Der Vater bekümpfte zunüchst den Schaden selbst durch
Massage, dann wurde das Kind der Behandlung in einem hiesigen Kranken-
hause unterzogen, und hier der Arm so bandagirt, dass der Unterarm in Beuge-
stellung horizontal vor dem Rumpfe stand. Die Folgen üusserten sich nach
wenigen Tagen in einer vôlligen Unbeweglichkeit des Vorderarmes. Der Vater,
besorgt, dass der Arm seine Funktionsfähigkeit einbüssen móchte, nahm die Be-
handlung selbst in die Hand und stellte durch passive Bewegungen und durch
Massiren die Beweglichkeit wieder her, zwar nicht innerhalb der normalen, aber
doch innerhalb ausreichender Grenzen. Die Beweglichkeit ist vollkommen wieder-
gewonnen, jedoch ist der linke Ellenbogen in den Bändern etwas fester. Das ist
aber kein Nachtheil, sondern ein Vortheil: der Vater „fürchtet“ für diesen Arm
nichts, während der rechte durch die starke Belastung beim Handspreizstande eine
leichte Durchbiegung zeigt, die zur Vorsicht mahnen muss. Auch zeigt sich
Neigung, bei Handspreizstand, sowie bei „Säule“ (Fig. 9), den Körper etwas nach
links überhängen zu lassen, d. h. den linken Arm stärker zu belasten. (Ueber die
Unterschiede beider Ellenbogen in Bezug auf Beugung und Streckung s. S. 204.)
HI. Kürperbeschaffenheit. A. Kurze Angabe. — Das 16jährige Mädchen
ist nicht gross, 1437 mm. Sieht man es bekleidet, so möchte man eher an eine
vu,
(191)
Schwächliche Entwicklung denken, wie man ja denselben Eindruck so häufig von
guten Turnern erhält. Der Körper zeigt mehr kindlichen Habitus. Das Fettpolster
ist überall wohl entwickelt, so dass bei ruhender Haltung scharfe oder eckige
Muskelformen nicht hervortreten; jedoch fehlen gänzlich die specifisch weiblichen
Fettansammlungen im Oberschenkel und in den Füssen.
Folgende Züge möchten wohl in der Erscheinung des ruhenden Körpers be-
Sonders auffällig sein:
1) krüftiger Hals, besonders Nacken;
2) starke Ausprügung der langen Rückenmuskeln, insofern diese sowohl weit
nach hinten vorspringen, als weit nach oben hin sichtbar sind;
3) starker Deltamuskel an der Schulter;
4) Störung der. Symmetrie am "Thorax, bedingt erstens durch eine Skoliose,
zweitens durch stárkere Wólbung des unteren vorderen Thorax-Abschnittes
auf der linken Seite;
9) Breite der unteren Thoraxhülfte;
6) nach hinten und ebenso seitwüris weit abstehende, unsymmetrisch ge-
stellte Schulterblátter;
7) schöngestaltete schlanke Beine von knabenhaftem Habitus;
8) Verdickungen der unteren Enden der Vorderarme;
9) breite feste Hände;
10) verhältnissmässig kurze konische Finger.
B. Genauere Ausführung. 1. Muskulatur. — Am Halse ist eine kräftige
Entwicklung der Mm. sternocleidomastoidei bemerkbar; noch mehr aber fällt die
Stärke der Nackenmuskeln und unter ihnen besonders die der Riemenmuskeln
(Mm. splenii) auf. Der Nacken erhält dadurch eine ungewöhnliche Gestalt: es
fehlt ihm nehmlich die kegelfórmige Verjüngung dort, wo er sich an den Kopf
Ansetzt, und es fehlen ihm ebenso die durch die Mm. digastrici und complexi
majores gebildeten, durch eine Rinne getrennten Wiilste; er ist vielmehr gleich-
Mässig cylindrisch und dick, wodurch er auch relativ kurz erscheint, — Die
Schulter erhält durch massige Entwicklung des Deltamuskels Fülle; sonst treten
bei herabhüngenden Armen besondere Muskelprofile nicht hervor, dagegen
überraschen bei gebeugten Armen und gespannten Muskeln die männlichen, dem
Athletischen zustrebenden Formen, besonders des M. biceps brachii Im Uebrigen
behalten im Allgemeinen noch, trotz eines nirgends stark aufliegenden Fettpolsters,
die Weicheren Formen des kindlichen Körpers ihre Geltung; doch zeigt sich
M dhrend der Action, dass sämmtliche Muskeln wohl, ja die Muskeln des Ober-
HS und Armes weit über das Maass hinaus, entwickelt sind, mehr als das
de typischen ,Schlangenmenschen® sonst der Fall zu sein pflegt. Die Ausbildung
êr Handmuskeln, speciell auch des M. adductor pollicis, ist auffallender Weise
Nicht bedeutend, der Druck der Hinde verhiiltnissmiissig schwach; auch wird von
= Mutter der Artistin bemerkt, dass „die Handkraft gering“ sei. Die langen
ans enmuskeln zeichnen sich als deutliche Wülste schon bei aufrechter Stellung aus,
die mediane Rückenrinne ist daher schärfer als gewöhnlich vertieft und in
ser Ausdehnung sichtbar; besonders aber treten die Rückenwülste bei Bogen-
Siellungen sehr scharf hervor, und sie sind dann, z. B. bei der in Fig. 10 wieder-
bioobenen Stellung, bis in den Bereich des Sehnenspiegels der Mm. cucullares
mani sichtbar. An den Beinen lässt die schône ebenmässige Gestalt ‘auf har-
(M sche Entwicklung der Muskulatur schliessen. Die Kaumuskeln endlich
asseter, Temporalis) zeichnen sich zwar beim Zusammenbeissen durch bedeutende
(192)
Härte aus, indessen ist ein solcher Zustand bei gewöhnlichen Menschen
Figur 2. auch vorhanden in Folge der täglichen Uebung‘ beim Kauen.
o. 3) Kopf. — Lünge der Mundspalte 45 mm. An die Mundwinkel
schliesst sich jederseits eine subepitheliale Narbe an von der Art, die
man als ,Schwangerschaftsnarben^ am Bauche kennt; diese Narben ver-
laufen ab- und seitwärts und haben cine Länge von 5—6 mm.
Von Zähnen sind plombirt der linke obere mediane Schneidezahn
und ausserdem zwei Backenzähne.
Ueber die Kaumuskeln s. oben. |
3) Hals. — Ueber Gestalt und Muskulatur s. oben; über Maasse
an demselben bei aufrechter Haltung und bei Biegungen s. S. 196.
4) Rücken. — Der Rücken erscheint flach, die Convexität des-
selben ist wenig ausgeprägt. Die nebenstehende Kurve (Fig. 2), mit
Bleidraht abgenommen, mag ein Bild seiner Krümmung geben; sie
reicht von der Protuberantia occip. ext. bis zum Dornfortsatze des
I. Sacralwirbels, und die Stellen der Dornfortsätze des I. dorsalen und
des I. lumbalen Wirbels sind auf ihr durch Marken bezeichnet. Zu
näherer Charakterisirung der Rückenform mag auch noch Folgendes
dienen: Wenn man bei natürlicher aufrechter Stellung einen Lothfaden
an den Dornfortsatz des VII. Halswirbels anlegt, so verlässt dieser
die Haut schon bei den obersten Dorsalwirbeln und trifft sie wieder
etwa bei S. II; am weitesten, nehmlich 27 mm, entfernt ist er von der
Haut bei D. X und D. XI.
Ueber die langen Rückenmuskeln und. die Rückenrinne s. oben;
über die Dornfortsätze s. S. 206 und das hier Folgende.
Am Rücken ist nun ferner eine Skoliose bemerkbar, und diese
stellt nicht das einzige Zeichen von Asymmetric am Rumpfe vor, son-
dern es kommen dazu andere in der Stellung der Schulterblütter und
des unteren 'lhoraxabschnittes. Diese Züge von Asymmetrie sollen
hier mit einander besprochen werden.
5. Abweichungen von der Symmeirie am Rumpfe. —
A. Skoliose. Um eine genaue Aufnahme machen zu können, wurde
bei aufrechter natürlicher Haltung ein Loth von dem Dornfortsatze des
VII. Halswirbels herabgelassen, und eine leichte Schiefstellung des
Beckens, welche offenbar eine compensirende Bedeutung hatte, auf-
gehoben, so dass nun das Loth den Dornfortsatz des I. Sacralwirbels traf; dann
wurde die Lothlinie auf die Rückenhaut aufgezeichnet und darauf ebenso eine
die Spitze der Dornfortsätze verbindende Linie. Nun zeigte sich, dass die Aus-
biegung ausschliesslich nach rechts von der Lothlinie stattfindet; höchstens ist
vielleicht oben, im Bereiche des I. und IL. dorsalen Wirbels, eine solche nach
der linken Seite bis zu einem Betrage von 2 mm vorhanden. Die grösste Aus-
biegung, 16 mm betragend, findet sich beim Dornfortsatz des IX. Brustwirbels.
Die Verbiegung stelli sich jedoch nicht unter dem Bilde einer gleichmässig ge-
krümmien Linie dar, sondern erstens ist die Krümmung am stärksten vom Dorn-
fortsatze des VII. bis zu dem des XI. Brustwirbels, oben und unten dagegen
schwächer; zweitens ist sie nicht im Ganzen nach rechts convex, sondern sie ist
S-förmig, setzt sich also zusammen aus einem oberen nach links convexen Stück,
von C VII bis D VI reichend, einem mittleren nàch rechts convexen Stücke, von
D VI bis LI reichend, und einem unteren nach links convexen Stücke, von
LI bis SI reichend.
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es Td
(193)
Eine andere Bestimmung der Skoliose, die vor dieser gemacht wurde, hatte
Scheinbar ein anderes Ergebniss, nehmlich folgendes: Die ,Mittellinie^, d. h. die
Linie, welche die Spitzen der Dornfortsütze verbindet, ist zuerst nach links, dann
nach rechts, dann wieder nach links von der Lothlinie ausgebogen; die erste Aus-
biegung hat ihren Scheitel mit einem Abstande von 4 mm bei D II und D III; das
Loth schneidet dann die „Mittellinie“ wieder zwischen D V und D VI; die grósste
Ausbiegung nach rechts liegt bei D X. und beträgt 7 mm; das Loth schneidet die
Rückenlinie dann wieder bei Ll; es erreicht bis LIII einen Abstand von 4 wm
von der Mittellinie und bleibt in diesem bis zum Kreuzbein. In dieser Bestimmung
(st die „natürliche“ Haltung des Körpers in keiner Weise beeinflusst, aber es ist
ine leichte (compensirte) Schiefstellung des Beckens vorhanden, und deswegen
Ist die andere Stellung besser geeignet, die Verbiegung der Wirbelsäule rein zu
Zeigen.
. Die Miitellinie, d. h. die Linie, welche die Spitzen der Dornfortsätze ver-
bindet, entspricht nicht an allen Stellen genau dem Grunde der ,Riickenrinne®, d. h.
der Rinne, welche zwischen den durch die langen Rückenmuskeln gebildeten Wülsten
herabläuft: vielmehr ist an der Stelle der stärksten Krümmung, also in der Gegend
des Dornfortsatzes des IX. und XI. Brustwirbels, die „Mittellinie“ noch stärker
Verbogen, als die Rückenrinne, so dass an dieser Stelle die Spitzen der Dorn-
lortsätze von dem medialen Rande des rechten Rückenwulstes zugedeckt werden.
Dieser scheinbar geringfügige Mangel an Parallelismus ist doch von Bedeutung, weil
er zeigt, dass die langen Riickenmuskeln bestrebt sind, ihren geradlinigen Verlauf
trotz der am Skelet vorhandenen Verbiegung einzuhalten.
Die Spitzen der Dornfortsätze sind, wie ich zu fühlen glaubte, an der Stelle
der stärksten Krümmung nicht genau nach hinten gerichtet, sondern etwas seitlich
abgebogen.
. Als Ursache für die geschilderte Skoliose wird von dem Vater mit grosser
Bestimmtheit eine fehlerhafte Ausführung des linkseinseitigen Handstandes') an-
Sesehuldigt, nehmlich der Umstand, dass nicht, wie beim rechtseinseitigen Hand-
Sande. der Unterrumpf mit den Beinen frei schwebend erhalten, sondern scharf
Seknieki wird, und dass dadurch den mechanischen Hemmungen zu viel auf-
Sebürdet wird. Photographien, welche Herr Zettnow gemacht hat, zeigen diesen
Unterschied zwischen rechts und links deutlich, und es ist durchaus wahrscheinlich,
dass die gegebene Erklärung die richtige ist, d. h. es ist wahrscheinlich, dass diese
durch Jahre hindurch forigesetzte fehlerhafte Haltung zu einer Veründerung des
Skelets geführt hat. Ob der angegebene Grund zur Erklärung ausreicht, oder ob
Nicht, nachdem auf diesem Wege die rechtsseitige Skoliose eingeleitet war, sie
Sich durch die Rückwürtsbiegungen steigerte, muss dahingestellt bleiben.
B. Stellung der Sehulterblütter bei natürlicher aufrechter Haltung.
Bei der Betrachtung des Rückens in natürlicher aufrechter Haltung bemerkt manm,
dass die Schulterblätter weit von einander abstehen; ausserdem, dass die rechte
Scapula weiter nach hinten hervorragt, als die linke, und dass sie der Wirbelsäule
Düher steht, Um eine genauere Bestimmung machen zu können, wurden einerseits
die beiden erwähnten, auf den Rücken aufgezeichneten Linien, die Lothlinie und
die verbogene „Mittellinie“, benutzt, andererseits zwei die medialen Ränder der
Schulterblätter bezeichnende Linien; diese wurden gleichfalls auf die Haut auf-
1) Die so bezeichnete Stellung besteht darin, dass der Kórper auf einem Arme allein,
Und zwar hier auf dem linken, ruht. Bei einer der Productionen kommt diese Stellung
!n ausgiebiger Weise zur Verwendung.
Verhandl. der Berl. Anthropol. Gesellschaft 1891.
13
(194)
getragen und daran zwei Punkte angegeben: einer dort, wo die Spina scapulae
den Rand trifft, und einer etwas oberhalb des unteren Winkels. Es muss jedoch
bemerkt werden, dass diese Linien und Punkte keinen absolut genauen Werth
haben, einmal weil die Stellung der Schulterblütter veründerlich ist, und dann,
weil der Rand schwer genau zu fühlen war wegen der starken, an die Scapula
tretenden Muskeln, Rhomboides und namentlich Teres major. Es sei nun als
„oberer Abstand“ bezeichnet die Entfernung derjenigen Stelle, an welcher die Spina
den Rand trifft, von der Lothlinie oder „Mittellinie“; als „unterer Abstand“ die Ent-
fernung des dicht über dem unteren Winkel der Scapula gelegenen Punktes von der
Lothlinie oder „Mittellinie“. Gemessen wurde jedesmal in einer horizontalen Ebene
und zwar nieht schief, sondern in Projektion auf eine frontale Ebene.
Das Ergebniss war das folgende:
oberer Abstand von der „Mittellinie“ rechts 67, links 68,
unterer » » » » » 94, » 95.
Der obere Abstand ist also rechts und links gleich (denn der Unterschied von
1 m fällt in die Fehlergrenze); der 'untere dagegen differirt um 29 mm. Aber
diese Verschiedenheit kommt grossentheils auf Rechnung der Verbiegung der
„Mittellinie“. Nimmt man nehmlich den unteren Abstand nicht von dieser, son-
dern von der Lothlinie, so ergiebt sich:
unterer Abstand von der Lothlinie rechts 65, links 72.
Der Unterschied beträgt also nunmehr nur 7 mm, d. h. nicht mehr, als die Fehler-
quellen ausmachen kónnen. Man wird daher das Verhültniss richtiger so be-
zeichnen, dass die Wirbelsäule sich der rechten Scapula, und nicht die rechte
Scapula der Wirbelsäule, genähert hat, und dass die Scapulae trotz der Abweichung
der Wirbelsäule ihre richtige Lage festzuhalten bestrebt sind, sowie das Gleiche
oben von den langen Rückenmuskeln gesagt wurde. Es darf aber doch nicht un-
beachtet bleiben, dass für die zwischen Dornfortsätzen und Scapulae ausgespannten
Muskeln (Cucullaris, Rhomboides) die mechanischen Verhältnisse durch die Sko-
liose eine Abänderung erleiden.
C. Unterer Thoraxabschnitt. — Bei der Betrachtung des unteren Thorax-
abschnittes von vorn fällt auf, dass die linke Seite stärker gewölbt ist, als die
rechte. Um diesen Unterschied genauer zu bestimmen und zur Anschauung zu
. bringen, wurde mit Hülfe von Bleidraht
Figur 9. die äussere Form abgenommen und auf
Papier übertragen. Die beistehende
Fig. 3 giebt diesen Querschnitt wieder.
Um mit grósserer Sicherheit die Gegend
sowohl fiir die Umrisszeichnung, als
auch für die Maasse festzuhalten, wurde
auch hier wieder zuerst die Linie auf
die Haut aufgezeichnet; die Linie ent-
sprach vorn der Spitze des Processus
ensiformis, hinten ging sie wenig ober-
halb des X. Brustwirbels vorbei. Diese
Linie hat in unserem Falle noch be-
sonderen Werth, da sie zugleich die
Gegend der stärksten Biegsamkeit an der Wirbelsäule schneidet (S. 201) und un-
geführ dem Scheitel der Rechtsskoliose entspricht (S. 192); vorn läuft sie genau
unterhalb der noch schwach entwickelten Brüste, so dass durch letztere keinerlei
(195)
Auftragung in den vorderen Theil der Linie hineinkommt, was ja für die Betrach-
tung von Vortheil ist.
.. Der Gesammtumfang nun betrug 720 mm. Davon kommen 378 mm auf dic
linke, mithin 347 auf die rechte Seite. Der Unterschied ist 26 mm. Dieser Unter-
Schied lüsst sich aus der Skoliose allein (s. oben) erklüren, so dass in dem Maass
an sich die stärkere Wölbung des linken vorderen unteren Thoraxabschnittes nicht
Zur Geltung kommt.
Eine sichere Erklärung für die stärkere Wölbung links ist nicht zu geben;
man kónnte an eine Hypertrophie des Herzens denken, doch hat die physikalische
Untersuchung in dieser Hinsicht nichts Verdüchtiges gezeigt (S. 214).
6) Vorderseite des Thorax. — Der ,Rippenrand^ beschreibt einen weiten
flachen Bogen. Der Knorpel der X. Rippe endigt dünn und ist ziemlich frei gegen
den der IX. beweglich. Bei Bogenstellung auf Hünden und Füssen steht die Spitze
des X, Rippenknorpels rechts 27 mm tiefer (d.h. näher dem Becken), als links.
Der schwertformige Fortsatz des Brustbeins ist fest.
7) Bauch. — Die M. recti haben dort, wo sie den Rippenrand kreuzen, eine
Breite von 140 mm. Die Linea alba hat eine geringe Breite. Die Inscriptiones
tendineae des Rectus, an Zahl drei, finden sich an normaler Stelle. Ueber den
Abstand zwischen Nabel und Brustbein bei natiirlicher Haltung und bei den ver-
Schiedenen Bogenstellungen s. S. 191.
8) Arm. — Ueber Muskulatur und Maasse der Schulter und des Armes s.
8.191 und S. 198. Die dickste Stelle am Vorderarm liegt nicht dort, wo sie sich
bei kräftigen Männerarmen findet, sondern dicht an der Gelenkbeuge, 22 mm unter-
halb des Epicondylus medialis, oberhalb der Ausstrahlung des Lacertus fibrosus.
Letztere macht sich durch eine flache Furche auch ohne Muskelspannung be-
Merkbar.
. Das untere Ende des Vorderarmes zeigt eine sehr auffallende Breite (S. 199),
und diese ist auf Verdickung der distalen Enden der Vorderarmknochen zu be-
Ziehen. Da keinerlei Zeichen krankhafter Veründerungen sichtbar sind, so muss
Man annehmen, dass diese Knochenverdickungen unter dem Einfluss der Belastung
Im Handstande erworben sind, und wir haben hier ein interessantes Beispiel von
fanktioneller Hypertrophie der Knochen vor uns.
Figur 4.
a |
i
Die Hand nimmt das Interesse in Anspruch, da die Gesammtlast des Kôrpers
Während des Handstandes auf ihr ruhrt. Von ihrer Gestalt geben die vorstehenden
Zeichnungen (Fig. 4a und b) Rechenschaft. Die Hand erscheint breit, jedoch ist,
18%
(196)
wie oben schon bemerkt, die ,Handkraft gering^. Das Zusammendrücken . der
Hand wird schmerzhaft empfunden. Es scheint sich bei. den Leistungen der
Hand, soweit sie für den Handstand in Betracht kommen, mehr um eine gewisse
Stárke und Unnachgiebigkeit der bindegewebigen Theile (Haut, Fascia palmaris,
Ligamenta intermetacarpea) zu handeln.
Die Finger erscheinen verhältnissmässig kurz und konisch verjüngt.
Es sei auch die Schwielenbildung an der Hand erwähnt. Die Hand ist nicht
gleichmässig schwielig, sondern man findet eine hintere und eine vordere Schwiele.
Die hintere Schwiele nimmt die an einander stehenden Theile des Daumenballens
und Kleinfingerballens ein, ohne durch die zwischen diesen gelegene Furche unter-
brochen zu werden; sie hat ihre grösste Ausdehnung in querer Richtung. Die
vordere Schwiele entspricht an der rechten Hand hauptsächlich dem Köpfchen. des
IL und IV., an der linken dem des IV. Mittelhandknochens, wozu aber rechts
wie links ein schwieliger Streifen tritt, welcher zwischen der Monatslinie und Kopf-
linie gelegen ist.
9) Maasse. — Der Uebersichtlichkeit halber seien hier alle Maasse zusammen-
gestellt, sowohl solche, welche an anderen Stellen dieser Mittheilung Verwerthung
gefunden haben, als auch andere. Die letzteren erklären sich z. Th. selbst, z. Th.
aber mögen sie so zu sagen als Rohmaterial hier abgelagert werden, welches in
anderen Zusammenhángen, für den Vergleich mit anderen Artisten oder mit ge-
wühnlichen Menschen oder für weitere analytische Betrachtungen unserer Artistin
Bedeutung gewinnen kann. Die Maasse sind in Millimetern angegeben. Fast alle
wurden mehrfach nachgeprüfl.
1. Körperlänge = 1437.
2. Mundspalte = 45.
Am Halse.
9. Umfang i der Hóhe des oberen Randes des Schildknorpels = 311.
1 Entfernung des Kinnes vom oberen Rande des Brustbeines bei gewóhn-
licher Stellung (Horizontalhaltung des Kopfes) — 75. |
5. dieselbe bei stürkster aktiver Hintenüberneigung des Kopfes — 187 (in
Luftlinie gemessen).
' Lünge des (linken) M, sternocleidomastoideus (am vorderen Rande des
Muskels gemessen) — 162 (mit Tasterzirkel), bezw. 1607 (mit anliegendem
Bandmaass).
(. dieselbe bei extrem hintenüber geneigtem Kopfe- — 164 (mit anliegendem
Bandmaasse).
8. Abstand der vorderen Ründer beider Mm. sternocleidomastoidei in Hohe
des oberen Schildknorpelrandes bei gewóhnlicher aufrechter Stellung — 54
(mit 'Tasterzirkel gemessen).
). derselbe bei Zahnstand (Fig. 1) — 110 (Tasterzirkel) .
An der Wirbelsäule.
10. Breite der Spitze des Dornfortsatzes am I. dors. Wirbel = 17 oder 18;
am IIL lumbalen = 18.
1) Die Maasse 6—9 zeigen in interessanter Weise die Beziehungen der Sternocleido-
mastoidei zu den übrigen Theilen des Halses. Was vor sich geht, kann so bezeichnet
werden: bei Hintenüberlegen des Kopfes, namentlich bei Zahnstand, wo die Halsmuskeln
stark zu arbeiten haben, gleiten die — übrigens stark gespannten — Mm. sternocleido-
mastoidei am Halse seit- und rückwärts; oder, anders ausgedrückt: der stark gebogene
Hals schiebt sich zwischen den Mm. sternocleidomastoidei nach vorn.
(197)
Am Brustkorb.
11. Linge des Brustbeins ohne Sghwertfortsatz = 138 (angelegtes Bandmaass).
12. Linge des Schwertfortsatzes = 24.
13. Brustumfang = 720%).
14. Derselbe bei aktiver Erweiterung = 740, nach anderer Bestimmung = 732%).
15. Antero-posteriorer Durchmesser in der gleichen Ebene wie 13 — 144.
16. Querdurchmesser von Axillarlinie zu Axillarlinie in der gleichen Ebene — 248.
l7. Antero-posteriorer Durchmesser bei stirkstem Bogen rückwärts (Fig. 6) —
143; nach anderen Bestimmungen — 137 oder 138?).
18. Antero-posteriorer Durchmesser bei Bogenstellung auf Händen und
Füssen = 123%).
19; Antero-posteriorer Durchmesser bei „Säule“ = 138°) (Fig. 9).
90. Grösster Abstand des Hinterkopfes von der Wirbelsüule bei extremem
Bogen (Fig. 6) = 70°)
Am Bauch.
21. Breite der Mm. recti, dori, wo sie den Rippenrand kreuzen = 140.
22. Lünge der Mm. recti vom Nabel bis zum unteren Rande des Brustbein-
kórpers bei gewóhnlicher aufrechter Stellung — 201.
23. Dieselbe bei ,Kreuzkrümmung“ (Fig. 7) — 260.
24. Dieselbe bei gewöhnlichem (flachen) Bogen auf Händen und Füssen = 263.
25. Dieselbe bei extremem Bogen (Fig. 6) — 273.
26. -Dieselbe bei steilem Bogen auf Hünden und Füssen — 275.
27. Dieselbe bei Bogen mit Handhülfe (Fig. 8) — 285.
98. Abstand der vorderen Enden der Knorpel der X. Rippen von einander bei
gewöhnlicher aufrechter Stellung — 1595.
1) Ueber die Stelle, wo der Umfang gemessen wurde, s. S. 194.
. 9) Dieses Maass hat im vorliegenden Falle einen geringen Werth, da die Ártistin trotz
Ihrer sonstigen Herrschaft über den Bewegungsapparat die aktive Erweiterung des Thorax
Blech ausführt. Ein vorzügliches Beispiel dieser Fähigkeit lernte ich früher in dem
Xautschukkünstler Solbrig kennen (Verh. dieser Ges. vom 27. Februar 1886).
. 9) Eine Differenz von 6 mm in den Maassen kann bei einer so schwierigen Stellung
Ment in Erstaunen setzen. Der hintere Messpunkt lag zwischen dem Dornfortsatze des
-Und dem des XI. Brustwirbels, das Maass ist also mit dem von 15 vergleichbar. Ein
Yorderer Messpunkt braucht nicht angegeben zu werden, da das Maass (143 mm) das
Sleiche bleibt, von der Spitze des Schwertfortsatzes bis in die Nähe des Nabels (S. 208).
b 4) Als ,Bogenstellung auf Händen und Füssen“ ist die (nicht in Abbildung wiedergege-
D Stellung bezeichnet, bei welcher der Rumpf hintenübergelegt ist, sowohl die Fuss-
4 Sim als die Handflächen fest auf dem Boden aufruhen und die Kórperlast sich auf diese
1 ützen vertheilt. Man kann zwei extreme Formen dieser Stellung unterscheiden: den
quon Bogen und den steilen Bogen. Ersterer stellt eine der gewôhnlichsten Stellungen
oh Artistin dar; in dieser verharrt sie lange, wendet den Kopf hin und her und spricht
Dot Verdon, Diese Stellung ist hier gemeint. Der hintere Messpunkt war der
mit greats des III. Lendenwirbels, der vordere der Nabel; das Maass kann also nicht
em vorhergehenden verglichen werden, wohl aber mit dem folgenden.
A Unter „Säule“ (colonne) ist in der Sprache der Artisten der senkrechte Handstand
die Fen, d. h. diejenige Stellung, bei welcher der Körper auf beiden Händen ruht und
Maas, genau aufwärts weisen (Fig. 9). Der hintere Messpunkt wie bei dem vorigen
Doni) Die Stelle der Wirbelsäule, welche diesen Abstand vom Hinterkopf hat, ist der
niortsatz des X. oder des XI. Brustwirbels.
a.
(
29. Derselbe bei Bogenstellung auf Händen und Füssen = 138").
Am Schulterblatt?).
30. Abstand beider Schulterblätter von einander bei gewöhnlicher aufrechter
Stellung: a) oben = 140, b) unten = 126%).
31. Abstand bei „festem Handstand“ (Fig. 10) = 165.
32. Abstand bei „Säule“: a) oben = 105, b) unten = 258.
33. Oberer Abstand der Scapula von der Wirbelsäule rechts = 67, links — 68*).
34. Unterer Abstand der Sc. von der W. rechts = 54, links = 83.
35. Unterer Abstand der Sc. von der Mittellinie rechts = 65, links = 72.
36. Lünge des unteren Randes des M. rhomboides bei grósster passiver Ent-
fernung der Seapula von der Wirbelsüule rechts — 160, links — 161.
37. Grósster Abstand einer auf die Schulterblätter gelegten Tangente von der
Wirbelsäule bei „tiefem Handstand“ (Fig. 11 und 12) = 555).
38. Abstand einer auf die Schulterblätter gelegten Tangente von der Wirbel-
säule bei gewöhnlicher aufrechter Stellung: a) an gleicher Stelle gemessen,
wie bei 37 = 16; grösster Abstand = 33°).
Am Arm.
39. Dicke des Deltamuskels — 1707).
40. Linge des Armes = 583, rechts ebenso wie links*).
41. Umfang des rechten Oberarmes in der Mitte ohne Muskelspannung = 210°).
1) Es ist überraschend, dass dieses Maass sich bei Bogenstellung vermindert, anstatt
sich zu vergrössern. Vielleicht ist es vor allem der M. obliquus abdominis externus, wel-
cher sieh der Spreizung des Brustkorbes widersetzt.
2) Die Messungen am Schulterblatt kónnen auf grosse Genauigkeit keinen Anspruch
machen trotz der darauf verwendeten Sorgfalt, weil hier zwei Fehlerquellen zusammen-
kommen: erstens ist das Schulterblatt in seiner Stellung so labil, dass es dem Messenden
unter den Händen fortgeht, zweitens erschweren die ansetzenden und bedeckenden starken
Muskeln das Auffinden von Knochenpunkten; bei solchen Stellungen, bei denen die Muskeln
sich stark spannen, wird eine Abgrenzung derselben gegen den Knochen, insbesondere
gegen den unteren Winkel (Angulus scapulae) zur Unmôglichkeit.
3) Als „obere“ ist hier diejenige Stelle bezeichnet, wo die Spina sc. den medialen
Rand trifft, als ,unten* eine Stelle des medialen Randes dicht über dem unteren Winkel.
4) Die unter 88—385 gegebenen Maasse finden ihre Erklürung in andereni Zusammen-
hange (S. 194).
5) Die unter 87 und 38 mitgetheilten Maasse finden ihre Erklàrung in anderem Zu-
sammenhange (S. 218). Die Stelle des grössten Abstandes liegt bei 37 in der Nähe des
oberen Winkels.
6) Die Stelle des grüssten Abstandes liegt in der'Nàühe des unteren Winkels.
7) gewonnen, indem mit dem Bandmaass über die äussere Fläche der Schulter von
der Mitte des vorderen zur Mitte des hinteren Randes des Deltamuskels gemessen wurde.
Das Maass hat einen geringen Werth, denn erstens giebt es bei der kegelfórmigen Gestalt
des Muskels in weit geringerem Maasse einen Ausdruck seiner Dicke, wie es bei einem
spindelfórmigen Muskel müglich ist; zweitens muss bei der kegelfórmigen Gestalt des
Muskels schon eine geringe Verschiebung der Messpunkte, namentlich am hinteren (weniger
am vorderen) Rande, das Maass sehr ündern.
8) Das Maass ist gewonnen, indem bei aufrechter Stellung am horizontal seitwürts
gehaltenen Arm der Abstand vom lateralen Rande des Acromion bis zur Spitze des Mittel-
fingers gemessen wurde. Die Länge ist also zu kurz angegeben, und es müsste eine
Correctur eingeführt werden.
9) Um die unter 41 und 48 gegebenen Maasse ganz genau auf einander beziehen zu
können, wurde vor dem Messen eine Linie um den Arm gezeichnet.
/198)
(199)
42. Dasselbe bei gespannten Muskeln und gebeugtem Vorderarm rechts = 442,
links — 462.
43. Durchmesser des rechten Oberarmes ohne Muskelspannung: a) in querer
Richtung — 64, b) von der Beuge- zur Streckseite = 70.
44. Umfang des rechten Vorderarmes an seiner dicksten Stelle (S. 195) — 220").
45. Durehmesser an gleicher Stelle bei Supinationsstellung: a) in querer
Richtung = 77, b) von der Beuge- zur Streckseite = 57.
46. Umfang des rechten Vorderarmes an einer Stelle, die 15 mm oberhalb der
Spitze des Processus styloides ulnae liegt, bei Pronations-Stellung = 160").
47. Durchmesser an gleicher Stelle: a) in querer Richtung = 57, b) von der
Beuge- zur Streckseite = 41. Ebenso am anderen Vorderarm.
48. Länge der rechten Hand einschliesslich der Handwurzel = 170 (173).
49. Länge des rechten Mittelfingers = 91.
50. Länge des Mittelhandknochens des rechten Mittelfingers = 55.
51. Breite der Hand ohne Daumen rechts = 75, links = 76°).
52. Dicke der Hand: a) in der Mitte der Hand — 29, b) entsprechend der
Carpometacarpal-Grenze — 40.
53. Dicke des Mittelfingers: a) am ersten Gliede = 19, b) am zweiten
Gliede = 173),
. 10) Verschiebung der Haut. — Anhangsweise mögen in diesem Abschnitt
die wenigen Aufnahmen einen Platz finden, welche ich über die Verschiebung der
Haut gemacht habe. Die Bedeutung derartiger Kenntnisse für Gestalt und Mechanik
bedarf keiner Erláuterung.
. 1. Bei stärkstem Hintenüberlegen des Kopfes bleibt die Haut am Kinn in
Ihrer Lage; die Hautstelle dagegen, welche vorher dem oberen Rande des Brust-
beines entsprach, wird um 33 mm nach oben gezogen.
2. Bei Uebergang in Bogenstellung blieb die Hautstelle, welche dem Ende
des X, Rippenknorpels entspricht, in der gleichen Querebene und verschob sich
"ur etwas innerhalb dieser letzteren.
3. Bei Vorwärtsneigen des Rumpfes (Fig. 5) rückte der Punkt, welcher dem
Dornfortsatze des VII. Halswirbels entsprach, 19 mm, derjenige, welcher dem Dorn-
fortsatze des II. Brustwirbels entsprach, 26 mm abwärts.
. An diese Darstellung der Körperbeschaffenheit ist die Mittheilung über die
Ergebnisse der Untersuchung der Bewegungs-Müglichkeiten anzuschliessen. Um
dabei ein übersichtlicheres Bild hinzustellen, gebe ich zuerst kurze Angaben und
ErWeitere diese dann in einigen Punkten.
IV. Bewegungs-Môglichkeiten.
A. Kurze Angabe. — Priift man die (aktive und passive) Beweglichkeit in
der Umgebung der einzelnen Gelenke für sich, so ergiebt sich das Folgende:
1) An den Gelenken des Fusses nichts Ungewôhnliches.
2) Am Kniegelenk nichts Ungewöhnliches.
1) Die Ebene wurde aufgezeichnet.
"m Entsprechend den Kopfchen der Mittelhandknochen. Die Finger waren aneinander-
. 3) Das Maass ist in radio-ulnarer Richtung genommen, und zwar an der linken Hand,
po rechts in Folge einer Luxation eine Verdickung an der Articulatio interphalangea I
steht (S. 195).
(200)
Figur 6.
Figur 5.
3) Am Hüftgelenk:
bei Hintenüberlegen des Beckens (Extension des Oberschenkels) nichts
Ungewöhnliches,
bei Drehung (Rotation) nichts Ungewöhnliches,
bei Vornüberlegen des Beckens (Flexion des Oberschenkels) eine derart
gesteigerte Beweglichkeit, dass die Vorderfläche des Rumpfes an die
Vorderseite der gestreckten unteren Extremitäten angelegt werden kann
(Fig. 5);
bei Abduction des Beines eine derart gesteigerte Beweglichkeit, dass die-
jenige Stellung angenommen werden kann, welche in der Sprache der
Artisten „Spagat“ heisst, d.h. die Stellung, bei welcher die medianen
Flächen der Beine auf dem Boden aufliegen.
4) Im Bereiche der Wirbelsäule:
bei Drehung (Torsion) nichts Ungewöhnliches;
bei Seitwärtsbiegung ebenso,
bei Biegung nach vorn ebenso,
bei Biegung nach hinten gesteigerte Beweglichkeit.
Dabei ist zu unterscheiden die Biegung im Halstheile und die im unteren
(201)
Figur 7.
Theile der Wirbelsäule. Der Halstheil ist so biegsam, dass der Hinterkopf an die
Gegend der Schulterblätter angedrückt werden kann. Im unteren Theile der Wirbel-
Säule ist die Biegsamkeit derartig gesteigert, dass der Scheitel an die Rückseite des
Kreuzes angelegt werden kann (Fig. 6). Es ist das der höchste Grad von Biegsam-
keit, welcher mir bisher bekannt geworden ist, und übertrifft selbst das, was man
bei guten Kautschukkünstlern sonst zu sehen bekommt. Dabei liegt die Stelle der
Stirksten Biegung auffallend hoch, nehmlich zwischen den Dornfortsätzen des X.
"nd XI. Brustwirbels, worin der Gegenstand des besonderen Stolzes der Artistin,
bezw. ihres Lehrers liegt. Die Biegung im unteren Theile der Wirbelsäule kann
Zerlegt werden in eine obere (Brust-Lendenkrümmung) und eine untere (Kreuz-
Lendenkrümmung). Diese Zerlegung kann thatsächlich aktiv ausgeführt werden,
d. h. cine untere Krümmung kann dargestellt werden, wührend der obere Theil der
Lendenwirbelsáule und die Brustwirbelsáule gestreckt gehalten werden (Fig. 7).
Bei der Betrachtung von der Seite sieht es so aus, als fände dabei eine scharfe
Abknickung am oberen Rande des Beckens statt; das ist aber eine Täuschung,
hervorgerufen durch die vorspringenden Wülste der langen Rückenmuskeln (Erectores
bruni); wenn man genauer untersucht, so zeigt sich, dass sich die Kriimmung
8leichmässie vertheilt auf die Verbindung des Kreuzbeins mit'dem V. Lendenwirbel,
des V. Lendenwirbels mit dem IV., des IV. mit dem III.
.... 9) Die Bewegungen des Schultergürtels, des Schulterblattes und Schlüssel-
beines sind frei, so wie sie es beim gewöhnlichen Menschen auch sind,
(202)
6) Die Bewegungen des Oberarmos, im Schultergelenk sind etwas be-
schrünkter, als bei gewühnlichen Menschen, und zwar bei Hebung des Oberarmes
nach oben, wie nach hinten.
7) Im Ellbogengelenk ist
die Streckung die gewóhnliche, d. h. sie geht bis zu 180°;
die Beugung ist bemerkbar eingeschränkt.
8) Im Handgelenk bleibt sowohl
die seitliche Bewegung, besonders die gegen die radiale Seite, wie
die Bewegung gegen die dorsale und volare Seite etwas gegen die Norm
zurück.
9) An den Fingergelenken ist die Beweglichkeit normal.
B. Ausführlichere Angaben.
1) Zu Hüftgelenk. — Um das Vornüberneigen des Rumpfes bis zu Ende
zu führen, wird als ,Hülfe“ das Umfassen der Unterschenkel mit den Armen be-
nutzt (Fig. 5); ein weiteres Vorneigen (natürlich bei gespreizten Beinen) ist möglich,
wobei als Hülfe die Arme zwischen den Beinen hindurchgeführt und die Finger
von hinten her unter die lateralen Fussränder. gelegt werden. Eine durch Herrn
Zettnow angefertigte Photographie giebt diese Stellung wieder. Es ist aber zu
bemerken, dass diese Bewegung beschränkt ist, und dass unsere Artistin darin
hinter einem Schlangenkünstler zurückbleibt, den Hr. Ammon in Karlsruhe hat
photographiren lassen.
2) Zu Wirbelsüule. — Die in der Fig. 6 dargestellte Biegung des Rückens
wird noch besser gewürdigt werden, wenn man sie mit derjenigen Bogenstellung
vergleicht, bei welcher in dem Heraufgreifen
Figur 8. der Hände an den Beinen eine „Hülfe“ gesucht
wird (Fig. 8). In diese Stellung gelangt der
Artist so, dass unter rückwärts wippenden Be-
wegungen des Rumpfes die Hände oberhalb der
Knöchel an den Unterschenkeln angreifen und
sich dann an den Beinen bis über die Knie
hinauffingern. Diese Aktion gehört zu dem
Gewöhnlichsten, was man bei Schlangenkünst-
lern sehen kann, wie überhaupt derartige z. Th.
unbedeutendere, z. Th. aber auch gewalisamere
,Hülfen* eine grosse Rolle in den Uebungen,
namentlich den Vorübungen der Schlangen-
künstler spielen, wovon ich früher schon ge-
legentlich gesprochen habe (Sitz. v. 27. Februar
1886, Verh. S. 183). In unserem Falle ist ex-
ireme Ausbildung auf „Kautschuk“ nicht an-
gestrebt worden (S. 190), und thatsächlich machte
auch die eben geschilderte Uebung einen etwas
ungeübten, schwerfälligen Eindruck. Es ist das
der Fall, obwohl wie gesagt, die Biegsamkeit
des Rückens von ungewöhnlicher Vollendung
ist. Aber der hóchste Grad der Biegung wird
v^ bei der in Fig. 8 dargestellten Stellung trotz
TA der Handhülfe gar nicht erreicht; das liegt natür-
? lich nieht am Rücken, sondern an anderen Ur-
(203)
Sachen, und das sind die Schultern. Im Besonderen dürften es die Mm. teretes
majores sein, welche eine weitere Dehnung nicht vertragen und sich in Folge
dessen einem weiteren Hinaufgreifen der Hünde enigegensetzen.
Die genaue Untersuchung der in Fig. 6 dargestellten Biegung ist übrigens
Schwierig, da sich dicke Hautfalten bilden, wie auch die Abbildung zeigt, die
langen Rückenmuskeln stark neben der Wirbelsäule vorspringen, und zwischen
Kopf und Wirbelsäule wenig Platz zur Untersuchung bleibt.
3) Zu Schulter. — Die Bewegungen des Schultergürtels Figur 9.
und die des Armes im Schultergelenk sind bei der Betrach- .
tung des lebenden Menschen nicht gui von einander zu son-
dern, weil sie in den gleichen Richtungen stattfinden, gewisser-
Rassen Theile einer Bewegung sind: auch bei der Betastung
elangt man grossentheils nur zu einem unsicheren Ergebniss,
Wenigstens bei so entwickelter fester Muskulatur, weil bei
Vielen Stellungen die an das Schulterblatt tretenden Muskeln,
Namentlich Rhomboides, Teres major, Serratus, so hart sind,
dass sie von den Knochen nicht deutlich abgegrenzt werden
können, so dass die Stellung des Schulterblattes nicht sicher
Zu bezeichnen ist. Doch möchte ich behaupten, dass die
Knochen des Schultergürtels (Schlüsselbein und Schulterblatt)
leicht und frei beweglich sind, in der gleichen Weise, wie bei
Sewöhnlichen Menschen. Zum Beweise kann ich Folgendes
"führen. Erstens: die Schulterblütter kónnen auf dem Rücken
bis zur Berührung ihrer medialen Ründer (natürlich liegen
noch Muskeln und Haut dazwischen) genühert werden, wie das
annähernd auf Fig. 12 dargestellt ist. Zweitens: Wenn passiv
(d.h. durch eine andere Person) die Arme vor der Brust zu-
Sammengezogen werden, so rücken die Schulterblätter weit
Nach aussen, ohne dass die zum Schulterblatte gehenden Mus-
keln (mittlerer "Theil des Cucullaris, Rhomboides) einen be-
deutenden "Widerstand entgegenzuseizen scheinen; dagegen
Spannt sich die Rückenhaut in querer Richtung stark an, und
Sie scheint es zu sein, welche die Hemmung bewirkt. Drittens:
Bei gewissen Stellungen verändert die Scapula in starkem
Maasse ihre Lage; es sei hier insbesondere die als „Säule“
Von den Artisten bezeichnete Stellung hervorgehoben (Fig. 9),
bei welcher die Anguli scapularum einen Abstand von 258 mm
éthalten (S. 198) und sich nahezu in die Axillarlinie ein-
Stellen 1),
1) Zur n&heren Kennzeichnung dieser Stellung sei hier Einiges
bemerkt, „Säule“ ist diejenige Handstandstellung, bei welcher der
Kopf nach unten, die Beine nach oben gerichtet sind; es soll dabei
Möglichst jede Krümmung des Rückens vermieden sein. Der Bauch
Eu dabei stark eingezogen, die Mm. recti sind gespannt; wahrschein-
Ich ist für die Athmung der Thorax verfügbar. Die Stellung wurde
Sut festgehalten, d.h. sie wurde auch bei längerer Exposition wäh-
end einer photographischen Aufnahme nicht verwackelt. Die Gefahr Fs
der Abschiebung der Oberarmkôpfe von den Pfannen wird durch . m
die Schiefstellung der Schulterblàtter vermindert. In Folge dieser tT us
Schiefstellung nähert sich der obere Winkel und mit ihm der M. =F
+
(204)
Dagegen bleiben die Bewegungen des Armes in der Schulter hinter der Norm
zurück, wie folgende Bemerkungen zeigen mögen. Erstens: Die Ellbogen können
(bei leicht gebeugten Vorderarmen) passiv nicht auf dem Rücken bis zur Be-
rührung genähert werden; da ich letzteres bei mir selbst, ohne je darauf geübt
zu sein, mit Leichtigkeit ausführen lassen kann, so sehe ich darin, dass es bei
einem so jugendlichen und so geübten Körper nicht‘ möglich ist (es bleibt ein
Abstand von 130 mm), eine ungewöhnlich geringe Nachgiebigkeit. Zweitens: Der
Oberarm kann seitwärts aktiv nur bis zu senkrechter Stellung erhoben und passiv
auch nicht viel weiter bewegt werden; die rechte Hand kann daher nicht hinter
dem Kopfe vorbei den linken Mundwinkel, und ebensowenig kann die linke Hand
den rechten Mundwinkel erreichen. Die Artistin bleibt in diesem Punkte sogar
hinter gewóhnlichen Menschen zurück und kann noch weniger mit dem Kautschuk-
künstler Solbrig (Verh. 1886. S. 173) oder gar den sogen. ,Groteskmenschen“ in
Vergleich treten.
4) Zu Ellbogen. — Die Streckung kann links in der gewühnlichen Weise
ausgeführt werden, rechts tritt eine ganz leichte Hyperextension, aber nur eben die
Andeutung einer solchen hervor. Eine solche wird z. B. auf der Photographie des
Handspreizstandes bemerkbar, und es könnte die Befürchtung entstehen, dass das
Gelenk dem enormen Druck auf die Dauer nicht gewachsen sein möchte, dass
eine plötzliche Verletzung oder eine allmähliche Deformirung entstehen könnte.
Die grössere Festigkeit des linken Gelenkes wird von dem Vater auf die Folgen
einer vor 6 Jahren erlittenen Luxation zurückgeführt (S. 190).
Um für die Beugung ein Maass zu finden, wurde der Oberarm etwa in Hori-
zontalstellung gebracht, die Articulatio claviculo-acromialis durch einen Strich be-
zeichnet, nun der Vorderarm in die stärkste mögliche Beugung gebracht und der
Abstand von der Vorderseite des Handgelenkes zu dem Strich gemessen. Dieser
Abstand betrug rechts 122, links 172; er ist also links bedeutend grösser als rechts;
aber er ist auch rechts ungewöhnlich gross. Die Biegung ist also links bedeutend
beschränkt, aber: sie ist auch rechts beschränkt.
9) Zu Handgelenk. — Passive Bewegungen, die mit den Händen gemacht
wurden, lieferten folgendes Ergebniss: volarwärts kann die rechte Hand bis zu 60°,
die linke bis zu 90° bewegt werden, dorsalwärts die rechte bis zu 80°, die linke
ebenso. Volarwirts ist also die linke Hand in normaler Weise beweglich, die
rechte dagegen beschränkt; dorsalwärts ist an beiden die Beweglichkeit jedenfalls
nicht ‚erweitert (es kann daran erinnert werden, dass viele Personen gerade in
dieser Richtung eine grosse Beweglichkeit haben), eher etwas eingeengt. Diejenige
Stellung also, welche beim Handstande. angenommen wird, und welche mehrere
unserer Abbildungen zeigen, stellt ein. Extrem vor, welches nur durch die starke
Belastung passiv erreichbar isi; aber eben daraus erwüchst die Festigkeit und
Federung, welche dem Handstande zu Gute kommt.
6) Zu Finger. — Die Spreizung der Finger, insbesondere die Abduktion der
Daumen ist keine ungewóhnlich grosse, eher eine etwas beschrünkte. Die Fig. 4 giebt
die Umrisse der beiden Hände in Spreizstellung wieder. Die passive Beweglich-
levator scapulae der Medianlinie. Der Rumpf wird vom Schultergürtel aus getragen, vor
allem durch die Mm. sternocleidomastoidei, rhomboides, levatores scap., mittlere und obere
Partie der Cucullares und obere Partie der Serrati antici. Der Kopf ist jedoch beweglich
und wird zum Balancement verwerthet, wie Petrescu spontan bemerkte. Die Anguli
scap. springen trotz ihrer hinausgeschobenen Stellung nicht als scharfe Ecken hervor; sie
sind sogar schwer fühlbar, weil die angrenzenden und überdeckenden Muskeln (Serratus
magnus, Teres major, Latissimus) durch Zusammenziehung: ganz*hart sind.
(ota
keit der Finger in dorsaler und volarer Richtung, sowohl die Bewegung der Finger
gegen die Mittelhand, als die Bewegung der Fingerglieder gegen einander, kann
als normal, wenn, auch nicht gerade als ausgiebig bezeichnet werden.
Das zusammengefasste Ergebniss der in diesem Abschnitt mitgetheilten Beob-
achtungen ist das folgende: Die Bewegungs-Móglichkeiten sind zum Theil normale,
Z. Th. ungewöhnliche; bei letzteren besteht z. Th. gesteigerte, z. Th. verminderte
Beweglichkeit; gesteigerte an den Hüften im Sinne der Abduktion der Beine und
Vorneigung des Rumpfes, am Rumpfe im Sinne der Biegung riickwiirts; vermin-
derte an den Armen, einschliesslich der Hinde. Diese veränderten, Bewegungs-
Möglichkeiten müssen als erworbene Eigenschaften ‚eines von Hause aus normalen
Körpers: angesehen werden. Gewiss ist die Zunahme der Biegungs-Fühigkeit am
Rampfe, welche ich schon bei verschiedenen anderen Artisten zu prüfen Gelegen-
heit hatte, interessant; wenigstens ebenso interessant aber die Abnahme der
Bewegungs-Móglichkeit an den Armen. Ohne Zweifel isí dieselbe auf die Aus-
bildung für den Handstand zurückzuführen, und es drüngt sich hier geradezu der
Vergleich mit dem Fusskünstler Unthan auf, den ich zu verschiedenen Malen be-
Sprochen habe. Bei diesem war eine gesteigerte Beweglichkeit an den unteren
Extremitäten nachzuweisen, und zwar Beweglichkeit im Fusse und ausserdem ge-
Steigerte Torsion an der Hüfte, was ich bisher noch an keinem anderen Artisten
gefunden habe. In dem einen Falle ist der Arm als Gehwerkzeug, in dem
anderen der Fuss als Greiforgan ausgebildet. Vielleicht darf eine Entwickelung
hierher gezogen werden, welche alle Menschen durchmachen: bekanntlich ist bei
kleinen Kindern die Bewegungs-Moglichkeit an den Beinen so gross, dass sie „die
Stosse Zehe in den Mund nehmen“ können; in dem Maasse aber, als die Beine
Anseitig zu Gehwerkzeugen ausgebildet werden, schwindet diese Fähigkeit.
Im Lichte der vorstehenden Bemerkungen mögen auch die antiken Artistinnen
betrachtet werden, welche, während. sie auf den Händen stehen oder gehen, mit
den Füssen schöpfen oder schiessen. Sie sind Handstandkünstler und Fusskünstler
M einer Person.
Auch in den Hüfigelenken ist, wie oben besprochen wurde, die Bewegungs-
Möglichkeit geändert, die Beweglichkeit in zwei Richtungen gesteigert, nehmlich im
Sinne der Flexion und Abduktion. Für das eigentliche oder Haupt-Programm ist
das ohne Bedeutung. Vielleicht ist übrigens darauf der eigenthümlich wackelnde
Gang zurückzuführen, welchen man an unserer Artistin bemerkt, wenn sie sich. in
Sewôhnlicher Kleidung, z. B. auf der Strasse, bewegt, — ein Gang, der bei der son-
Sügen Herrschaft über den Bewegungs-Apparat um so mehr auffallen muss. Der
Vater behauptet zwar, dass dies nur „eine schlechte Angewohnheit“ sei; indessen
St es doch möglich, dass die ungewöhnlich gedehnten Adductoren und Flexoren
dem Rumpfe nicht diejenige Stabilität auf den Beinen geben, welche der gewühn-
fe Mensch besitzt, und dass der Gang der Artistin in Folge dessen eine Kigen-
ho lichkeit, einen Fehler besitzt, den sie freilich bei ihrer ungewöhnlichen Be-
“rschung der Muskulatur leicht. vermeiden kann, wofern sie nur darauf achtet.
V. Ursachen der veränderten Beweglichkeit.
bl À. Vorbemerkungen. — In gelegentlichen Besprechungen ähnlicher Pro-
m die oft als von Aerzten herrührend bezeichnet werden, wird unbedenklich
ane einer weitgehenden Abweichung von der Norm gesprochen, bald von einer
a bald von einer erworbenen. Dem gegenüber habe ich bei der Be-
at tung solcher Probleme immer den Standpunkt eingehalten, der ja für die
senschaftliche Auffassung der einzig mügliche ist, den Kórper so lange als einen
205)
(296)
normalen anzusehen, als man nicht gezwungen ist, Abweichungen von der Norm
anzuerkennen. Dass der Körper im vorliegenden Falle von Hause aus abnorm
gestaltet sei, wird bei der Betrachtung und Untersuchung desselben ganz hinfällig;
wir haben einen wohlgestalteten Körper vor uns, der sich in nichts von einem
anderen unterscheidet, abgesehen von gewissen Hypertrophien und gewissen Ab-
änderungen, welche durch die Arbeit erworben sind. Dass es sich etwa um einen
von Hause aus ungewöhnlich „gelenkigen“ Körper handle, wird schon da-
durch hinfällig, dass sich die gesteigerte Beweglichkeit auf gewisse Körperabschnitte
beschränkt, und dass daneben in anderen normale, in noch anderen sogar
eingeschränkte Beweglichkeit besteht. Aber unter diesen erworbenen Eigen-
schaften ist nichts, was als eine tiefgreifende Abänderung von der Norm an-
gesehen werden könnte,
Im Besonderen habe ich meine Aufmerksamkeit auf die Dornfortsätze gerichtet.
Man hört gelegentlich, dass die Dornfortsätze bei den Kautschukkünstlern ,ge-
schwunden oder doch auf den Rang kurzer Stümpfchen herabgesunken seien“.
Diese Auffassung ist schon an sich ganz unwahrscheinlich. An den Dornfortsätzen
finden zahlreiche und mächtige Muskelgruppen ihre Stütze (M. cucullaris, latissimus
dorsi, rhomboides, serratus posticus superior, inferior, splenius, longissimus, spinalis,
semispinalis, multifidus, rotatores), und bei diesen handelt es sich, wie bei allen
Muskelapparaten, um streng mechanische Verhältnisse in Linge der Hebelarme,
Zugrichtuag u. s. w. Es ist gar nicht einzusehen, wo diese Muskeln sollten Unter-
kunft gefunden haben, und wie sie sollten wirken können bei so stark abgeänder-
ten Bedingungen. Es hat sich aber auch in unserem besonderen Falle bei der mit
Musse und Sorgfalt vorgenommenen Untersuchung der Wirbelsäule gezeigt, dass
sämmtliche Dornfortsätze kräftig entwickelt waren: der des I. Brustwirbels besass
an seiner ,Spitze^ eine Breite von 17 (18) mm, der des III. Lendenwirbels eine
solche von 18 mm. Es scheint mir dies für einen Körper von den vorliegenden
Proportionen eher eine ungewöhnliche Entwickelung in der Breite. Ob daneben
eine gewisse Verkürzung in senkrechter Richtung vorliegt, muss ich dahingestellt
sein lassen, jedenfalls hat die Untersuchung nichts derartiges gezeigt.
Um bei Untersuchungen über gesteigerte und verminderte Beweglichkeit nicht
einer einseitigen Betrachtung anheimzufallen, muss man sich die Gesammtheit
derjenigen Bedingungen gegenwärtig halten, auf denen gesteigerte oder verminderte
Beweglichkeit beruhen kann.
Gesteigerte Beweglichkeit kann beruhen:
A. auf Veränderungen der mechanischen Apparate (Verringerung von Knochen-
hemmungen?), Verringerung von Bänderhemmungen;
B. auf Veränderungen der muskulösen Apparate,
a) Steigerung der bewegenden Kräfte,
b) Verminderung der Widerstände von Antagonisten.
Verminderte Beweglichkeit kann beruhen:
A. auf Veränderungen der mechanischen Apparate (Steigerung der Knochen-
hemmungen?), Steigerung von Bünderhemmungen;
B. auf Veründerungen der muskulósen Apparate,
a) Steigerung der antagonistischen Widerstünde,
b) Vermehrung der Muskelmassen.
Der letztere Gesichtspunkt trat mir zum ersten Male entgegen bei Unter-
suchung des „Kraftturners“ Bohlig, welcher nicht im Stande war, eine ausgiebige
Supination auszuführen. Die am Vorderarme lagernden Muskelmassen verhinderten
als solche, d. h. als passive Massen, eine normale freie Beweglichkeit. Ein anderes,
Zo
(207)
Viel besseres und Besonders typisches Beispiel in dieser Richtung bietet der M.
leres major an der Schulter. Athleten, Reckturner, 'Trapezkünstler kónnen wegen
der Fleischmasse dieses Muskels den Arm nicht an den Rumpf anlegen; weibliche
Artisten dieser Kategorie sind verhindert, die gewöhnliche Corsetform zu tragen.
Ein ebenso guies Beispiel bietet der Biceps brachii: wenn er sehr müchüg ist, so
8estattet er die Bicgung im Ellbogen nur bis zu 90°.
Um bei dieser Aufzählung vollständig zu sein, müsste man auch das Fett
Dennen, welches bewegungshemmend werden kann durch direkte mechanische Hin-
derung, namentlich aber indirekt, indem es die Haut gespannt erhält; in letzterer
Hinsicht ebenso, wie Oedemflüssigkeit.
Die Haut an sich, wenn sie nicht durch ein starkes Fettpolster getragen und
SeSpannt wird, macht sich, soweit meine Erfahrungen gehen, selbst bei sehr aus-
Sedehnten aktiven Bewegungen nicht hemmend geltend.
. Von den Eingeweiden habe ich nicht gesehen, dass sie bewegungshemmend
Wirken. Doch kann hervorgehoben werden, dass alle Artisten, welche „Kautschuk“
arbeiten, mehrere Stunden vor einer Production keine Nahrung zu sich nehmen.
. B. Nach diesen Vorbemerkungen gehen wir auf unseren besonderen Fall
"in. Die Untersuchung zerlegt sich in 3 Einzeluntersuchungen, von denen die
“Me die Hüfte, die zweite die Wirbelsäule, die dritte Schulter und Arm zum Gegen-
Sande hat,
I. Hüfte. Mit dieser Betrachtung werden wir bald fertig: es handelt sich
"m eine ungewöhnliche Nachgiebigkeit von Muskeln, und zwar a) innerhalb der
Adductorengruppe des Oberschenkels, b) innerhalb der Gruppe der Beuger des
Unterschenkels. Ich habe schon früher die Frage erürtert, ob es sich hier um
Verlänge rungen der Muskeln handelt oder um Abgewöhnung von Contractionen,
Welche für gewöhnlich reflectorisch (ohne den Willen, Ja gegen den Willen) erregt
Werden, wenn diese Muskeln über einen gewissen Grad hinaus gedehnt werden;
e scheint mir auch jetzt noch nicht möglich, auf diese Frage eine völlig zuver-
lissige Antwort zu geben.
IL Wirbelsüule. — Dieses Problem ist schwieriger zu erledigen. Anatomen,
Welche sich die Sache überlegt haben, sind wohl darin einig, dass die Wirbelsäule
M sich, namentlich die jugendliche Wirbelsäule, denjenigen Grad von Bewegungen
hergiebt, der für die starken Biegungen der Kautschukkünstler nôthig ist. Wenn
Wir diese Auffassung, welche auch die meine ist, zu einem Bestandtheile unserer
Betrachtungen machen, so müssen wir die Ursachen dafür, dass für gewöhnlich
diese Bewegungen nicht gemacht werden können, ausserhalb der Wirbelsäule
Suchen, und so entsteht die Alternative, ob es sich um Steigerung der positiven
biegenden Kräfte, oder um Verminderung der antagonistischen, die Biegung
Verhindernden Kräfte handelt. Da nun die ungewöhnliche Bewegung eine Biegung
"àch hinten ist, so müssen wir die biegenden Kräfte hinten, die antagonistischen
"rn suchen. In letzterer Hinsicht hat sich meine Aufmerksamkeit schon früher
“Uf die vordere Rumpfwand gerichtet, und es liegt auf der Hand, dass wir in ihr
ein Hinderniss für die Biegung erblicken müssen, und zwar ein sehr wirksames
Hinderniss, da es sich in einem ziemlich grossen Abstande von der zu biegenden
Säule findet. Denken wir uns jedoch, dass die Zwischenrippenmuskeln sich stark
dehnen lassen, dass in Folge dessen die unteren Rippen weit vor einander ge-
SPreizb werden kónnen, dass die Muskeln der Bauchwand, insbesondere die Mm.
'ecti abdominis bedeutend verlängert werden können, dass endlich die Rippen-
Knorpel, etwa vom V. bis X. oder vom VI. bis X., bedeutend zurück oder einwärts
£m
yebogen werden können, so vermindern sich in demselben Grade die Widerstände;
welche emer Rückbiegung im Wege stehen.
Hier lässt nun der Vergleich unseres Falles mit dem von mir früher unter-
suchten Schlangenmenschen Marinelli einen Schritt von dem Reiche des bloss
Môglichen, Deductiven gegen das Gebiet des Thatsächlichen thun, und zwäar da-
durch, dass die Untersuchung eine wesentliche Verschiedenheit zwischen beiden
Fällen herausstellte. Bei Marinelli ist alles das, was so eben als begünstigend für
Rückwärtsbiegung theoretisch angegeben wurde, — weite Spreizung der Rippen,
starke Verlängerung der "Mm. recti abdominis, vor allem aber Einbiegung der
Rippenknorpel und starke Abflachung der vorderen Rumpfwand, Annüherung der
letzteren an die Wirbelsäule, — vorhanden; bei ihm bemerkt man schon bei der
gewöhnlichen aufrechten Stellung eine Abflachung der Bauchgegend und Kürze der
antero-posterioren Durchmesser, und bei Bogenstellung eine bedeutende Annäherung
der vorderen Bauchwand an die Wirbelsäule unter starker Einbiegung der Rippen-
Bei Eugenie Petrescu dagegen fehlen so ausgesprochene Zeichen der Aufhebung
antagonistischer Kräfte: bei aufrechter Haltung ist eine harmonische Gestaltung
der oberen Bauchgegend vorhanden, und bei Bogenstellung tritt zwar auch Sprei-
zung der Rippen und Verlüngerung der Mm. recti ein, aber die Abflachung der
mittleren Bauchgegend und ein compensatorisches Hervorquellen der Weichen
fehli; dies alles, obwohl — wie oben gesagt — der ,Bogen* mit unüberiroffener
Vollendung ausgeführt wird. Diese Beobachtungen lassen vermuthen, dass es sich
in diesem Falle weniger, als in jenem, um Verringerung gewohnter Widerstände;
dagegen mehr, als in jenem, um Verstürkung der biegenden Krüfte handelt;
damit steht das Gesammibild der Leistungen dieser Arüistin durchaus in Ueber-
einstimmung, denn bei der Mehrzahl ihrer Haltungen zeigt sich, dass wir es hier in
höherem Grade mit Kraftleistungen zu thun haben, wie das bei den typischen Kaut-
schukmenschen der Fall zu sein pflegt, — ein Ergebniss, welches auf der sorgfältigen
und verständnissvollen, durch Jahre hindurch fortgesetzten Ausbildung beruht. Dies
muss uns veranlassen, diesen aktiven Kräften unsere besondere Aufmerksamkeit
zuzuwenden, d.h. den langen Rückenmuskeln. Diese Muskeln fielen schon bei
gewöhnlicher aufrechter Stellung als ungewöhnlich stark hervortretende Wülste
neben der medianen Rückenrinne auf, und es zeigte sich dabei noch besonders
der Beachtung werth (s. oben), dass diese Muskeln auf der rechten Seite nicht die
durch die Skoliose bedingte Krümmung mitmachen, sondern fast gerade verlaufen.
Bei Bogenstellung im Handstande, und zwar bei solchen Stellungen, bei denen die
Beine frei erhoben gehalten werden (Fig. 10), treten nun diese Muskelwülste hervor
bis in die am oberen Ende des Thorax befindliche Abflachung, welche den zuU-
sammenstossenden Sehnenspiegeln der Kappenmuskeln entspricht, machen sich also
durch die überlagernden Theile, die Mm. trapezius, rhomboides, serratus posticus
superior, splenius, hindurch bemerkbar. Man kann bei solchen Stellungen diese
Muskeln vergleichen der Sehne eines Bogens, mit dem Unterschiede, dass sie nicht
frei zwischen den beiden Endpunkten des Bogens befestigt sind, sondern an alle
einzelnen Wirbel und Rippen Ansätze abgeben. Aber ihr starkes Vorspringen und
ihre starke Wirkung lásst doch die Frage entstehen, ob nicht an den langen Rücken-
muskeln eine Veründerung vor sich gegangen sei in dem Sinne, dass an den ein-
zelnen Zacken, insbesondere des Ileocostalis die muskulosen Abschnitte sich an
den Sehnen entlang weiter nach vorn entwickelt haben, so dass ihre Contraction
einen grösseren Ausschlag als gewöhnlich giebt. Eine solche Fortbildung der
Muskeln würde nach dem, was man gelegentlich als Varietät bei anderen Muskeln
bemerkt, nichts Auffallendes sein: und für die langen Rückenmuskeln im Beson-
. 908)
(209)
deren liegt als Analogie ein Befund vor, welchen Roux (Jen. Zeitschr. f. Naturw.
XVI. 1883) bei einem Skoliotischen erhob, bei dem allerdings an der einen Rücken-
hälfte die sehnigen Abschnitte der Zacken der langen Rückenmuskeln verlàngert
Waren, doch wie Roux meint, genau so, wie es sich als mechanisch nothwendig
* priori ergeben würde.
.. Dass aber der hóchste Grad der erreichbaren Biegung des Rückens durch
die langen Rückenmuskeln überhaupt nicht erzwungen werden konnte, sei es, dass
diese Insufficienz eine absolute oder relative war, d. h. dass die Muskeln sich
Nicht weiter kontrahiren oder dass sie die entgegenstehenden Widerstände nicht
Mehr überwinden konnten, das liess sich in der in Fig. 6 dargestellten Stellung
deutlich erkennen, indem bei vorwärts oder auch aufwärts gehobenen Armen der
Hinterkopf etwas von dem Kreuz entfernt blieb, während er es bei rückwärts ge-
hobenen Armen (wie auf dem Bilde) berührte. Das Gewicht der Arme musste also,
Wie die Artistin selbst bemerkte, hinzukommen, um den höchsten Grad der Biegung
% Stande zu bringen.
HI. Schulter und Arm. — 1) Für die Einschränkung der Beweglichkeit in
der Schulter darf die Gelenkkapsel bei ihrer bekannten Schlaffheit wohl sicher
Nicht in Anspruch genommen werden, vielmehr glaube ich, dass in den beiden oben
(S. 202) angegebenen Richtungen die Ursache eine muskulüre war, und zwar,
dass es beide Male der M. deltoides war, auf den die Schuld fiel, aber in ver-
Schiedener Weise, nehmlich:
a) bei seitlicher Hebung des Armes verhinderte die mittlere Partie des
Muskels durch ihre Vorlagerung die weitere Erhebung;
b) bei Hebung des Armes nach hinten dagegen verhinderte die vordere
Partie durch ihre Spannung die weitere Bewegung. Es wäre möglich, in letzterem
Sinne auch an den Pect. major zu denken, doch war dieser weit schwächer, als der
Deltoides. Es ist endlich auch möglich, an den M. subscapularis zu denken, doch
Über ihn lässt sich bei seiner versteckten Lage nichts aussagen.
2) Für die behinderte Beugung im Ellbogengelenk könnte an sich auch
Muskelhinderung vorliegen, und zwar entweder seitens des Biceps und Brachialis
Mernus durch Vorlagerung, wie dies ja thatsächlich (s. oben) oft vorkommt; oder
Seitens des Triceps durch Hemmung. Ersteres liess sich mit Bestimmtheit aus-
“Chliessen, da immer noch zwischen den Biceps und den extrem gebeugten Arm
sm Finger eingelegt werden konnte; letzteres konnte auch ausgeschlossen werden,
da do, Triceps bei passiven Bewegungen keine derartige Spannung annahm, dass
Man hätte annehmen dürfen, ihn bis zu seiner Elasticitätsgrenze gespannt zu haben.
By blieb also nur übrig zu glauben, dass hier Binderhemmung vorliege, also eine
Sesteigerte Straffheit des Lig. access. mediale. Für Bänderhemmung sprach auch,
Tags diese Hemmung ziemlich plötzlich, ruckweise eintrat, sowie dass dieselbe an
lem früher beschüdigten Gelenke, dem linken (S. 190), früher eintrat.
. 8) Zur Erklirung der Hemmung im Handgelenk ergab sich ein ganz be-
Mime Anhaltspunkt in dem Auftreten eines Wulstes, welcher bei Dorsalflexion
"hierha?h des Radius hervorquoll. Dieser Wulst fiel allen Beobachtern auf und
St auch auf einer ganzen Anzahl der aufgenommenen Photogramme sichtbar. Von
lhseren Figuren zeigt ihn Fig. 9. Wenn man die Entstehung desselben unter all-
Mählicher aktiver oder passiver Flexion der Hand gegen die dorsale Seite beob-
ächtete, so ergab sich, dass Anfangs eine weiche Anschwellung sichtbar wurde,
“hd dass diese mit zunehmender Flexion grösser und vor allem härter wurde, bis
Me endlich Knochenhärte erlangte. Wiederholte Untersuchung ergab, dass weder
Knochen noch Sehnen die Veranlassung davon waren, sondern dass die stark ge-
Verhandl. der Berl, Anthropol. Gesellschaft 1891.
14
Qm
spannte Gelenkkapsel des Handgelenkes vorlag. Ich kann daher nur annehmen
dass innerhalb der Gelenkspalten der Handwurzel die Synovia vermehrt war, und
dass bei den Bewegungen diese zwischen den Knochen hervorgepresst wurde und
die Kapsel in Spannung verseizte, und zwar allseitig, so dass hierdurch eine
Hemmung weiterer Bewegungen eintrat. Die Einschrünkung der Excursionen blieb
die gleiche, gleichviel welche Stellungen des Vorderarmes gegen den Oberarm ge-
wühlt wurden.
Fasse ich das in diesem Abschnitt Gesagte zusammen, so ist es das Folgende:
Die Ursachen für die Vermehrung der Beweglichkeit an verschiedenen Kórper-
stellen sind nicht gleichartig, und ebenso wenig sind es die Ursachen für die Ver-
minderung der Beweglichkeit. Für Vermehrung kommen in Betracht: Steigerung
der biegenden, Verminderung der antagonistischen Muskelkrüfte, vielleicht auch
Verminderung der Spannung in Bandapparaten (Zwischenbandscheiben); fiir Ver-
minderung der Beweglichkeit kommen in Betracht: gróssere Unnachgiebigkeit von
antagonistüschen Muskeln, ebenso von Bündern, sowie Zunahme der Synovia.
VI. Art des Problems; Synergie.
Ich habe in den vorhergehenden Abschnitten von dem Bau und den Bewegungs-
Möglichkeiten dieses Körpers dasjenige geschildert, was mir bei meiner Unter-
suchung ‘aufgefallen ist; und ich habe die Ursachen für die Abünderungen der
Beweglichkeit mit demjenigen Grade von Sicherheit angegeben, welcher sich, wie
ich glaube, durch die Untersuchung am Lebenden erreichen lässt. Es würde sich
nun der zweite Haupttheil der Untersuchung anschliessen müssen, nehmlich die
Analyse der Leistungen, welche in den einzelnen, besonders bemerkenswerthen
Stellungen enthalten sind. Dazu müssten zunächst die Lagen der Knochen, die
Lagen und Längen der Muskeln festgestellt werden, um die Grundlagen für eine
Berechnung zu gewinnen. Indessen diese Untersuchung würde weit mehr Zeit
beanspruchen, als sie mir zur Verfügung stand, und ich muss daher vor dieser
Aufgabe Halt machen. Ich könnte also meine Mittheilung hier abschliessen. In-
dessen will ich doch zum Schlusse die Bedeutung der Untersuchung derartiger
Artisten hervorheben, — die Bedeutung, welche wenigstens ich solchen Untersuchun-
gen beilege. Dies ausdrücklich zu thun, ist wohl nicht überflüssig, denn im All
gemeinen scheinen nicht nur von Laien und Aerzten, sondern auch von Anatomen
und Physiologen die Leistungen der Artisten wesentlich als Curiositüten angesehen
zu werden. Ich betrachte sie in einem geradeswegs entgegengesetzten Sinne-
Leistungen, zu denen der Kôrper mit so viel Ausdauer und Consequenz durch
Jahre hindurch erzogen ist, denen so viel Ueberlegung und feine Empfindung ZU
Grunde liegt, wie das bei den besseren Artisten der Fall ist, stellen ein klassisches
Material vor für denjenigen, welcher den Bewegungsapparat kennen lernen wil.
Entweder ist der Bau des Kórpers veründert unter dem Einfluss der Uebung, dan?
haben wir vortreffliche Beispiele der „funktionellen Anpassung“ vor uns; oder €t
ist nicht verändert — und er ist in der That viel weniger verändert, als man nach
dem ersten Blick erwarten sollte —, dann lernen wir die Leistungsfühigkeit des
menschlichen Körpers viel besser verstehen, als wir es durch die Betrachtung def
alltäglichen, stark eingeschränkten Aktionen des gewöhnlichen Menschen können;
und wir erweitern dadurch unsere Auffassung. Dies würde allein genügen, um das
Studium solcher Probleme erwünscht zu machen. Aber der Nutzen derartiger Be-
trachtungen ist noch ein anderer, so zu sagen mehr unmittelbarer, und diesen
werden wir um so mehr fühlen, je mehr wir uns gewöhnen, die Aufgaben der
Bewegungslehre als das zu betrachten, was sie ja naturgemiiss sind, als analyti-
210
(211)
sche Aufgaben, je mehr wir anerkennen, dass die deductiven Betrachtungen,
Welche bis jetzt, insbesondere in Deutschland, in Bewegungsfragen die herrschen-
den waren, die analytische Behandlung nicht ersetzen dürfen. In demselben
Maasse, als die Genauigkeit der Beobachtung gegenüber den Bewegungsproblemen
Zugenommen hat, als die Mittel zur Aufnahme des Thatbestandes sich vermehrt
haben, als die Gewüóhnung an analytische Betrachtung im Gegensatze zur deductiven
überhaupt gewachsen ist, hat man verstehen gelernt, dass es sich bei allen Be-
Wegungs- und Haltungs-Problemen um äusserst complicirte Synergien handelt.
Wenn man diese analysiren will, so ist es unmöglich, sogleich auf die Einzel-
leistungen der Muskeln einzugehen; man muss vielmehr zuerst die Kategorien von
Aktionen, die Gruppen, von einander sondern, und in diesem Sinne möchte ich an
Unseren Fall einige Bemerkungen anschliessen, die, wie ich denke, wenigstens
Élnen orientirenden Werth haben. ;
Zwei Gruppen von Aktionen kommen bei allen Haltungen eines lebenden Kör-
Pers in Betracht: die, welche der Gleichgewichtserhaltung, und die, welche der
Respiration dienen. Auf diese soll also auch hier hingewiesen werden; und da
Zur Respiration immer die Circulation in einem engen Verhältniss steht, muss
“ch sie Beachtung finden. Ausserdem aber soll die Aufmerksamkeit auf zwei
Nuancen der Handstandstellung hin- Figur 10.
8elenkt werden, weil von ihnen aus
Wf die Art der Probleme, die bei
allen Kürperhaltungen in Betracht
Kommen, Licht fällt.
. 4. Handstand. — Von den
beiden zu besprechenden Handstand-
Selungen will ich die in Fig. 10
dargestellte als „sicheren Hand-
Sands, die in der Fig. 11 von der
Seite und in Fig. 12 von vorn dar-
Sestellte als ,tiefen Handstand“ be-
“eichnen. Die erste ist diejenige
ellung im Handstande, welche von
pu Artistin und ihrem Lehrer als
W. »festeste^ bezeichnet wird; diese
pang kann ziemlich lange ohne
0 Chwerde eingehalten werden;
WS ihr geht die Artistin in andere
y ellungen über, in ihr athmet sie
ie und frei, spricht ohne sonder-
bes. Anstrengung und wendet ohne
on Aufforderung den Kopf
St n und dorthin. Die andere
d ellung ist dadurch gekennzeichnet,
358 der Oberkürper tief steht, dass
hi Zwischen den Schulterblättern
Mabgelassen ist. Zur näheren
Lomninissgabe mögen einige Erläu- :
qi sen nebst Zahlen dienen, sowie às
"il Fig, 13 und 14 wiedergegebe- = CE
Ten Umrisszeichnungen, welche
1 4 *
(212)
Figur 11.
Figur 18.
Figur 12.
fF VE
Figur 14.
&/ diu. t
(213)
erschnitte durch den Körper darstellen, mit Hülfe von Bleidraht gewonnen,
1. 10 zeigt den Brustkorb in horizontaler Lage, Becken und Beine erhoben und
Segen den Kopf herübergelegt, jedoch frei getragen; die Schwerlinie geht hinter
er Verbindungslinie der Oberarmkäpfe in die Hohe; der Kopf ist gegen den
seen gehoben, jedoch kann derselbe frei bewegt, d. h. gehoben, gesenkt, seitlich
SA gedreht werden, woraus hervorgeht, dass die von Kopf und Hals zum
d ultergürtel gehenden Muskeln (oberer Theil des Cucullaris, Sternocleidomastoi-
os, Levator scapulae) noch frei verfiigbar bleiben. Die langen Riickenmuskeln
gen als Wülste bis in den Sehnenspiegel der Cucullares hinein vor. Der Ab-
Rand der Schulterblitter von einander betrügi 165 mm, ist also bedeutend (vergl.
ve Maasse auf 8. 198). In Fig. 11 wird der Brustkorb auch horizontal gehalten,
Be. auch nicht genau in der gleichen Stellung, wie in Fig. 10, Becken und
bind aber sind weit mehr herübergelegt, die Schwerlinie dürfte durch die Ver-
(Bi "ngslinie der Oberarmkôpfe gehen, der Kopf ist auch hier frei beweglich
bi 8. 12 zeigt ihn gesenkt, damit die Stellung der Schulterbläiter sichtbar werde).
u ; Schulterblätter sind einander genähert bis zur Berührung, und der Thorax ist
Mer dieselben so tief hinabgesunken, dass eine auf die Schulterblatigegend auf-
8elegte Tangente 55 mm von den Dornfortsitzen absteht, gegen 16 mm an der
8leichen Stelle bei gewöhnlicher aufrechter Stellung (vgl. die Maasse auf S. 198) ").
keit ch habe diese beiden Stellungen aus bestimmten Gründen der Aufmerksam-
de; Rr werth gehalten; die erste, weil es die festeste ist, die zweite, weil bei ihr
trap umpf am tiefsten steht, weil daher bei ihr, wie man nach deductiver Be-
Wa ung glauben sollte, am wenigsten Muskelarbeit aufgewendet werden muss.
ps bei letzterer geschieht, ist scheinbar Folgendes: durch den Druck der auf-
die g mien Arme werden die Schulterblütter nach oben (hinten) gedrängt, und da
sang chliisselbeine in den Articulationes sternoclaviculares mit dem Rumpfe zu-
sam hängen, so werden die Schulterblätter gegen die Mitte des Rückens zu-
_ Mengedrängt; der Thorax hängt nun in den Mm. serrati magni, „wie ın einem
"- Bei der Betrachtung der in Fig. 18 u. 14 wiedergegebenen Kurven möge Folgendes
ein no tig werden. Es wurden 2 Stücke Bleidraht angelegt, ein vorderes (unteres) und
Linie Mteres (oberes). Vor dem Anlegen behufs Gewinnung der Fig. 13 war sowohl die
die Mind die Haut gezeichnet, als vier Marken, letztere die „Mittellinie des Rückens,
Funde, des Brustbeins, die medialen Schulterblätterränder bezeichnend; diese 4 Marken
halb ç ann an dem Bleidraht bemerkt. Die Linie schneidet das Brustbein 75 mn unter-
geht Tes oberen Randes, die Wirbelsäule am Dornfortsatze des VIII. Brustwirbels, sie
den wn die Axillarlinie dicht am Ansatze des Armes und über die Schulterblätter nahe
die Sho Winkeln. Vorn erfährt sıe einen Auftrag durch die Brüste, hinten prägt sich
der Ra " aus, das Schulterblatt macht sich nur durch seinen medialen Rand bemerkbar,
trien . des Pectoralis, sowie der des Latissimus, fallen nicht auf. Die leichten Asymme-
Sichere, | rechts und links dürfen für Schlüsse nicht verwerthet werden, da bei der un-
Di Haltung ein festes Andrücken des Bleidrahtes nicht gestattet war.
Obwohl Fig, 14 (tiefer Handstand) darf auf Einzelheiten nicht betrachtet werden, denn
50 kann n bei der Abnahme derselben 4 geschickte Personen in die Hánde arbeiteten,
Lei der och bei einer so unsicheren Stellung absolute Genauigkeit nicht erreicht werden.
Ud die die Kurve keine Marke erhalten, um die Lage der Dornfortsátze zu. bestimmen,
die dies, one des vorderen Schnittpunktes wurde nicht festgestellt; eine Wiederholung,
Kurve M ängeln abhelfen sollte, missrieth. Man betrachte nur den hinteren Theil der
Senay de. den Tiefstand der Wirbelsäule zu ermessen; doch entspricht die Stellung nicht
Bei der B. Mh. Fig. 11 und 12. Auch hier haben die Mammae eine Auftragung hedingt.
Sonnen eurt eilung sei noch berücksichtigt, dass Fig. 14 nicht von der gleichen Ebene
ist, wie Fig. 18.
(214)
Gurt“; man wird an die Verhältnisse der vorderen Extremitäten von Vierfüssern
erinnert (Möller, Klinische Diagnostik der äusseren Krankheiten der Hausthiere;
Stuttgart 1887, S. 155). Die Erfahrung zeigt jedoch, dass diese anscheinend
ökonomische und — um den Ausdruck der herrschenden Richtung zu gebrauchen
— „natürliche“ Haltung von der Artistin nicht, wenigstens bei dem gegen-
wärtigen Stande ihrer Ausbildung nicht als die sicherste und leichteste ange
nommen wird, sondern die andere, bei welcher die Schulterblätter weiter von ein-
ander stehen, der Thorax nicht so tief gesunken ist, alle Muskeln in einem höheren
Grade in Anspruch genommen sind. Aehnliche Unterschiede zwischen dem, was
in Wahrheit natürliche Haltungen sind, und was uns die deductive Richtung als
„natürlich“ oder „normal“ aufreden möchte, finden sich bei allen Stellungen, finden
sich auch bei der gewöhnlichen aufrechten Stellung. Damit will ich natürlich
nicht sagen, dass man das, was hier am Handstande gefunden wird, unverändert
auf das gewöhnliche Stehen übertragen kann, sondern ich will Folgendes sagen:
Eine Stellung des Körpers, bezw. eine Lage von Körpertheilen zu einander steht
unter der Herrschaft vieler Einflüsse, von denen das Bestreben, an Arbeit in den
Muskeln, denen diese Lage direkt unterstellt ist, zu sparen, nur einer ist. Die
Aufgabe der Bewegungslehre aber ist es, alle diese Einflüsse zu bemessen. Da
nun aber die Entwirrung eines so complicirten Verhältnisses schwierig ist, und da
oft nicht einmal klar zu Tage liegt, welche Arten von Faktoren in der Gesammt-
summe stecken, so ist es vorerst nützlich und gerathen, müglichst viele und
gerade verschiedenartige Probleme zu prüfen, denn es wird sich wohl zeigen;
dass hier der eine, dort der andere Einfluss deutlicher zu Tage tritt, so dass man
ihre Tragweite bemessen lernt. In unserem Falle nun möchte man an Verschie-
denes denken: erstens, dass beim „tiefen Handstande“ durch das Zusammendrücken
der Schulterblätter die Haut hinten gedrückt, über der Brust aber gedehnt wird,
so dass unangenehme und selbst schmerzhafte Sensationen entstehen, welche
störend in das Balancement eingreifen, da dieses ja an die feinen Empfindungen
geknüpft ist; zweitens, dass gewisse Spannungen in Muskeln, bezw. Sehnen fort-
fallen, welche sonst das (unbewusste) Urtheil über die Lage der Theile unter-
stützen; drittens, dass gewisse Muskeln (Rhomboides, Cucullaris) in ungiinstige An-
ordnungen geschoben werden, welche bei der anderen (,sicheren^) Haltung vor"
theilhafter verwerthet werden kónnen. Eine sichere Entscheidung wird sich SO
schnell nicht geben lassen; jedesfalls aber muss man die Aeusserung des Vaters
der Artistin berücksichtigen, dass eine Einübung der in Fig. 11 u. 12 dargestellten
Haltung gar nicht erwünscht sei, weil dadurch eine Nachgiebigkeit der Muskel"
erzeugt werden würde, welche für die Festigkeit und Sicherheit des Handstandes
schüdlich sein. würde.
B. Circulation und Respiration. a) Circulation. — Die Circulation
befindet sich in unserem Falle in drei Hinsichten unter ungünstigen Bedingungen:
1) werden durch die starken Dehnungen und Drehungen Hindernisse für die Fort
bewegung des Blutes gesetzt; 2) wird bei den Stellungen, bei denen die Füsse
nach oben und der Kopf nach unten gerichtet ist, die Nothwendigkeit geschaffen
das Blut in ungewöhnlicher Weise der Schwere enigegen zu heben; 3) wird durch
die Behinderung der freien Athmung der Rückfluss des Blutes in die Brusthóhle
erschwert. Man dürfte daher wohl daran denken, dass hier dauernde Stórunge"
eintreten und am Herzen sich eine Arbeitshypertrophie geltend macht. Die stár-
kere Wülbung des Thorax in der Herzgegend (S. 194) lüsst auch daran denken
doch hat die klinische Untersuchung (Hr. Goldscheider) nichts Auffilliges er
geben. Man sieht allerdings bei gewissen Stellungen eine starke Cyanose des Ger
ra 5
(215)
sichts auftreten, doch schwindet diese sofort mit dem Aufhóren der ungünstigen
Stellung, und sie tritt überhaupt auch bei Haltungen mit dem Kopfe abwärts nicht
auf, wofern nur die Athmung frei von Statten geht.
b) Respiration. — Auch hier hat die Anamnese und physikalische Unter-
Suchung (Hr. Goldscheider) nichts von der Norm Abweichendes ergeben. Die
Respiration ist aber nicht nur von diesem klinischen Gesichtspunkte aus von
Interesse, sondern es ist auch — und dies ist im vorliegenden Zusammenhange
das Hauptinteresse — von Bedeutung, zu untersuchen, welchen Platz die
"espiratorischen Bewegungen innerhalb der Gesammt-Synergie der Muskelleistungen
einnehmen. Es wurde so eben darauf hingewesen, dass es von grösster Bedeutuhg
Tür die Circulation ist, dass die Respiration glatt von Statten gehe. Andererseits
l& aber auch mit der Hemmung der Athmung während gewisser Augenblicke ein
grosser Nutzen verbunden. Schon wenn der Mensch auf den Füssen steht und
Mittelst der Schultern oder Hände auf die umgebende Welt wirkt, ist eine solche
Feststellung des Thorax in Inspirationsstellung von Nutzen, worauf Kollmann
(Plastische Anatomie S. 137) mit Recht hinweist. Um so mehr hier, wenn der
Kürper auf den Armen ruht und vom Thorax aus Kopf und untere Kärperhälfte
bewegt werden. Hier muss sich das Bestreben, durch Anhalten der Athmung den
Thorax in eine feste Combination und dadurch sichere Basis zu verwandeln, um
80 mehr geltend machen, da ja das Skelet des Thorax so labil auf dem übrigen
Skelet ruht (in der Articulatio sternocl), und da mehrere Muskeln, die sonst der
Respiration zu Gute kommen könnten, hier für die Haltung und Bewegung des
übrigen Körpers in Dienst gestellt sind. Dass also jedes in seiner Art nützlich
Ist, lüsst sich a priori annehmen und wird auch durch die Erfahrung gezeigi, indem
Sinerseits der Lehrer (der Vater) beständig mahnt, die Athmung frei vor sich gehen
ZU lassen, weil nur dann die Handstellungen ausdauernd ausgeführt werden können;
andererseits zeigt sich aber auch ünd tritt namentlich beim Photographiren hervor,
dass bei freiem Athmen Schwankungen des Korpers, namenilich der Füsse, un-
Yermeidlich sind; und die Artistin, die das sehr wohl fühlt, zieht es daher vor, beim
Photographiren für kurze Zeit den Athem anzuhalten. Da nun aber beides — die
Feststellung des Thorax und die freie Athmung — sich gegenseitig ausschliesst,
Ud jedes doch in seiner Weise vortheilhaft ist, so gestaltet sich die praktische
Aufgabe so, dass ein Compromiss gesucht werden muss; à. h. die Arüsün muss
durch Erfahrung, Uebung, Ueberlegung finden, wann sie ihren Thorax in eine
feste Combination verwandeln und wann sje die Athmung frei lassen darf und
Mugs: oder — moch richtiger ausgedrückt — bis zu welchem Grade sie eine
feste Combination herstellen oder sie lose lassen will und kann. Natürlich ist die
Herrschaft über den Bewegungs-Apparat dann als vollendet zu bezeichnen, wenn
*$ der Artistin móglich ist, ihre Aktionen bei ruhigem Fortgange der Respiration
?Uszuführen. also über einem in steter Gestaltverinderung begriffenen Thorax die
Untere Rumpfhälfte, Beine und Kopf zu bewegen, was natürlich bestándig balan-
Citende Aktionen voraussetzt, sei es in den stützenden, sei es in den bewegten
Theilen, won dieser Betrachtung aus muss man dazu kommen, den respiratori-
Schen Bewegungen ihren Platz innerhalb des Gesammtproblems der Synergie an-
Zuweisen, aber diese Frage ist freilich so schwer und verwickelt, dass ich mich
auf die Fassung des Problems beschränken muss.
| Abweichungen der Respirations-Organe von der Norm sind durch die physi-
kalische Untersuchung (Hr. Goldscheider) nicht gezeigt worden. In Bogen-
Stellung verändern sich die perkutorischen Grenzen nicht wesentlich. Die Athmung
Ist bei extremer Bogenstellung, z. B. im Zahnstande, wesentlich abdominal, wie
"At.
(21^)
à priori zu erwarten. Eine regelmässige und ausgiebige inspiratorische und ex-
spiratorische bewusste Erweiterung und Verengerung bringt die Artistin trotz ihrer
sonstigen Herrschaft über den Bewegungsapparat nicht zu Stande. Endlich sei
hier erwähnt, dass bei Bogenstellung auf Hinden und Füssen, wobei eine extreme
Spreizung der unteren Rippen und passive Spannung der zwischen ihnen gelege-
nen Zwischenrippenmuskeln stattfindet, in den Intercostalräumen die Verschiebung
der Lungengrenzen deutlich sichtbar wird. Nachdem durch Striche die untere
(inspiratorische) und obere (exspiratorische) Grenze bezeichnet war, ergab sich
beim Abzühlen, dass in der Axillarlinie die untere Grenze etwas unterhalb des
oberen Randes der X. Rippe und die obere Grenze in der Mitte der VIII. Rippe
lag. Die Perkussion bestátigte völlig den Befund der Inspektion.
C. Balancement. — Die auf Gleichgewichterhaltung gerichteten Aktionen
werden bei den Betrachtungen über Haltungen und Stellungen in der Regel ausser
Acht gelassen. Es ist das z. B. der Fall bei den Lehren der Brüder Weber und
denen von E. v. Meyer über die aufrechte Stellung. Ed. und W. Weber schich-
teten (deduktiv) die Theile des Körpers so über einander auf, dass immer móg-
lichst gleich viel von dem Gewicht jedes Kórperabschnittes vor und hinter die
Sehwerlinie fiel, so dass der Kórper mit einem Minimum von Muskelarbeit aufrecht
stehen konnte. Gegen diese Betrachtung kann eingewendet werden (Meyer), dass
die leiseste Bewegung, ja die Circulation und Respiration genügen würden, um
eine so labil aufgestellte Combination zu Falle zu bringen. Meyer legte deswegen
ein anderes Princip seiner Deduktion zu Grunde; er orientirte nehmlich die Korper-
theile der Schwerlinie gegenüber so, dass möglichst an allen Bandapparaten, durch
welche die übereinanderliegenden Skeletstücke verbunden sind, Spannungen. auf-
ireten mussten, durch welche je zwei benachbarte Abschnitte unter einander zu
einer festen Combination verbunden wurden. Obwohl das Weber’sche Princip
die natürliche Grundlage darstellt, auf welche jede mechanische Betrachtung in
letzter Linie bezogen werden muss, und obwohl in dem Meyer’schen Princip ein
gutes Theil von Realität steckt, so können wir doch, wenn wir zu völlig realer
Betrachtung durchdringen wollen, weder das eine, noch das andere Princip zur
alleinigen Grundlage unserer Betrachtungen machen, sondern wir müssen fest-
halten, dass die wirklichen Stellungen und Haltungen durch eine Reihe von Ein-
flüssen bestimmt sind, die wir in ihrer Tragweite allmählich wollen verstehen
lernen. Wenn wir unter diesen Einflüssen für einen Augenblick das Balancement
herausgreifen, und danach die zur Beobachtung gelangenden Stellungen ordnen, so
werden wir eine Reihe erhalten, an deren einem Ende diejenigen Stellungen sich
finden, bei denen in Beziehung auf Balancement viel gefordert wird. Ich habe
schon bei früherer Gelegenheit die militärische Stellung als eine solche namhaft
gemacht, welche unter dem angegebenen Gesichtspunkte unsere volle Aufmerksam-
keit verdient; die militärische Stellung ist nicht unter diesem Gesichtspunkte allein
zu betrachten, aber er ist einer der interessantesten. Am anderen Ende der Reihe
finden wir dagegen diejenigen Stellungen, bei denen die Aufgabe des Balancirens
verhältnissmässig zurücktritt, z. B. dadurch, dass die Unterstützungsfläche ver-
grössert ist, wie beim breitbeinigen Stehen, oder dadurch, dass durch Spannung
von Bändern oder bindegewebigen Theilen feste Combinationen erzeugt werden,
wie bei der hängenden Stellung, oder dadurch, dass durch gleichzeitige Anspannung
antagonistischer Muskeln relativ feste Combinationen hergestellt werden, — ein Ge-
sichtspunkt, der bei der Beurtheilung der militärischen Stellung neben dem schon
Angegebenen Beachtung verdient. Zwischen diesen beiden Enden der Reihe ordnen
sich dann die übrigen Stellungen,
N
Tb
(217)
‚Von welcher Art und Stärke sind nun aber diese der Gleichgewichtserhaltung
dienenden Aktionen? wie kann man ihnen überhaupt beikommen? Wären es be-
Sondere Muskeln, denen die Gleichgewichtserhaltung obliegt, und die nichts anderes
Zu thun hätten, so wüssten wir, wo unsere Untersuchung angreifen könnte; aber
9$ sind dieselben Muskeln, an denen auch alle anderen Bewegungsaufgaben hängen,
"nd selbst wenn wir im Stande wären, die Leistung eines Muskels in einem be-
liebigen Augenblick dynamometrisch zu bestimmen, so wüssten wir doch nicht,
Welcher Bruchtheil seiner Aktion der Gleichgewichtserhaltung dient. Die Aufgabe
8b 80 schwierig, dass sie vielleicht überhaupt unlósbar scheint; dennoch aber, wenn
Wir uns vorsetzen, zu einer Kenntniss der realen Stellungen zu gelangen, müssen
Wir auch das Balancement in den Kreis unserer Betrachtungen ziehen; und da
Wohl kaum a priori wird gesagt werden können, wie die Aktionen beschaffen sind,
die behufs der Gleichgewichtserhaltung, bezw. behufs der Herstellung des gestörten
Gleichgewichtes ausgeführt werden, so wird man müglichst viele und verschieden-
ärtige Fälle beobachten müssen, weil man hoffen kann, dass bald hier, bald dort
Sich schärfere Züge ergeben, die uns dann weiter leiten können. In diesem Sinne
Möchte ich auch den vorliegenden Fall betrachten, so wenig Sicheres ich auch über
thn mittheilen kann; denn die zur Verfügung stehende Zeit war durch andere
Beobachtungen ausgefüllt. |
Für unsere Betrachtung móchte ich den im Handstande befindlichen Kórper
der Artistin in drei Theile sondern: in die Arme als die Träger desselben, den
Öberrumpf als den zunächst getragenen Abschnitt, und in den Kopf und Unter-
FUmpf nebst Beinen als die an den zunächst getragenen Abschnitt anhängenden
Theile; im Zahnstande kommen auch die Arme als Anhänge des Oberrumpfes in
Betracht, und es ist dabei zu bemerken, dass sie bei den Produktionen der Künst-
lerin Seitwürts gehalten werden, und dass sie auf der Photographie nur deshalb
Tach vorn gehalten werden, um nicht durch die Tiefenausdehnung ein verwischtes
Bild Zu geben. Es waren nun vielfach die auf Gleichgewichtserhaltung gerichteten
Aktionen wohl zu erkennen: im Zahnstande wurden die seitwürts gehaltenen Arme
l'erwendet nach Art einer Balancirstange; im Handstande wurden Beine und Kopf
1 entsprechender Weise, natürlich in Sagittalebene, bewegt, z. D. für die als
»Süule bezeichnete Stellung (Fig. 9) wurde von dem Vater der Artistin selbst an-
Segebon, dass der Kopf dabei zum Balanciren verwerthet wurde. Es wurde jedoch
“ch doy Oberrumpf in Anspruch genommen in der Weise, dass derselbe abwech-
pud Vor und hinter der durch die Oberarmkópfe gehenden Achse gehoben wurde.
nd endlich wurden auch die stützenden Arme nicht minder in Anspruch ge-
pommen, denn wenn man auch weniger Veränderungen in der Stellung derselben
ÉMerkte, so trat doch ein lebhaftes und angestrengtes Spiel der Muskeln an ihnen
9% hervor. Es verdient in diesem Zusammenhange die Stellung der Hände nun
oy ganz besondere Beachtung, und es sei auf Fig. 9 hingewiesen, in welcher
dee Handhaltung dargestellt ist, welche die Hände beim Handstande auf
ker Unterlage annehmen; die Finger sind dabei weit gespreizt und derartig ge-
do dass die ersten Fingergelenke volarwärts, die zweiten dorsalwärts einen
ow nkel bilden. Die dritten Fingerglieder liegen mit den Volarflichen fest in, die
w j9len und ersten sind winklig erhoben. Die zweiten und dritten Fingerglieder
"A dadurch in feste Combinationen verwandelt, wodurch die Festigkeit des
Utzes gewinnt. Die Handfläche selbst liegt in Fig. 9 sowohl mit der hinteren,
Me mit der vorderen Schwiele (S. 196) auf, aber ich besitze eine Photographie,
uf welcher der vordere Ballen, und. eine andere, auf welcher der hintere Ballen
abgehoben ist; letzteres kommt zu Stande, wenn die Schultern weit vor der Unter-
(2-7)
stützungsfläche liegen, und zwar dadurch, dass die Hände nur bis zu 90° dorsal-
wärts flectirt werden können (S. 204), dass also, wenn diese Stellung erreicht wird,
die Hand mit dem Vorderarm eine feste Combination eingeht. Es bleibt, soweit
Photographien und Beobachtung schliessen lassen, eine gewisse Freiheit der Be-
wegungen in den Articulationes interphalangeae primae und Articulationes meta-
carpo-phalangeae übrig, und diese kann, wie ich glaube behaupten zu können,
auch noch für das Balancement verwendet werden. Fügen wir dasjenige bei, wa$
sich bei den Stellungen auf den Füssen beobachten liess, also bei Stellungen, wie
sie in den Figuren 5, 6, 7 und 8 dargestellt sind, so wurden dabei balancirende
Bewegungen bemerkbar, bei denen sich die Unterschenkel in den Fussgelenken
gegen die Füsse bewegten; d. h. der ganze Kürper von den Fussgelenken an aul-
würis war in eine feste Combination verwandelt, und konnte also nur an dieser
einen Stelle balancirt werden.
Aus dem Gesagten móchte ich zwei Sätze ableiten und als Gesichtspunkte für
die Beobachtung empfehlen: zum Balancement, d. h. zur Herstellung des gestórten,
bezw. des bedrohten Gleichgewichtes werden erstens Kórpertheile verwendet, die
möglichst weit von der Sehwerlinie entfernt sind; zweitens Kürpertheile, die nicht
in dem gegebenen Augenblick in festen Combinationen oder durch bestimmte Auf
gaben in Anspruch genommen sind.
VIL Sehlussbemerkung.
Wenn ich natürlich im Vorausgehenden die wissenschaftliche Analyse ver-
folgt habe, so will ich doch hier auch mit einigen Worten den Siandpunkt des
Artisten kennzeichnen. Für die wissenschaftliche Analyse liegt natürlich das Inter-
esse ganz oder doch zum grossen Theile wo anders, wie für das unterhaltungs-
bedürftige Publikum und auch für den Artisten selbst, der ja dem Bedürfniss des
Publikums Rechnung tragen muss. Für das Publikum kommt es darauf an, etwas
Ungewöhnliches, etwas Ueberraschendes zu sehen, und dem kommt der Artist ent-
gegen, indem er etwas noch nicht Dagewesenes, etwas womöglich „Unglaubliches“
bringt. Hier ist das Ungewöhnliche die Ausbildung auf den Handstand, die Ge-
wöhnung, auf den Händen zu stehen und zu gehen. Das ist nun noch nichts Un-
gewöhnliches, denn zahlreiche Kinder sind darin geübt und zahlreiche gute Turner
können auf den Händen gehen und stehen. Aber es wird in demselben Maasse
zu etwas Ungewöhnlichem, als erstens die Dauer eine ungewöhnliche ist, und
zweitens die Mannichfaltigkeit der Bewegungen sich steigert; wenn zu dem Gehen
und Stehen auf den Händen sich Laufen, Springen, Steigen, Tanzen hinzugesellt,
und wenn vor allem ein bedeutender Wechsel in der Rumpfhaltung schnell und
sicher vorgeführt werden kann. Es kann dann eine Illusion bei dem Publikum
erzeugt werden, als seien diese Arme Beine; und nichts kann wirksamer den Ein-
druck des Ueberraschenden hervorrufen, als diese lllusion. In unserem Falle ent-
steht sie thatsüchlich, namentlich bei den Tanzbewegungen, also bei Aktionen, wo
gegenüber der Schnelligkeit der Aktionen und der Aenderung der Stellungen der
unbewusst analysirende Blick die Herrschaft über die Vorgänge verliert. Durch
die Verdickung der Vorderarme über den Handgelenken (S. 195) und den bei
Dorsalflection der Hand auftretenden Wulst (S. 209) wird der Eindruck zwerghafter
Beinchen vermehrt, und Beschauer üusserten sich, dass wührend des Handtanze$
die Arme der Artistin halb verkümmerten menschlichen Beinen, halb den Beinen
von Sehwimmvógeln ähnlich sühen. Das Enigegengeseizte trafen wir bei dem
Fusskünstler Unthan, dessen Füsse bei gewissen Aktionen, namentlich beim
Pistonblasen, die Illusion von Händen erweckten. Es ist schwer zu sagen, aus
-16
(219)
Welchen Quellen diese Illusionen stammen, nehmlich wie weit diese Arme der
Eugenie Petrescu und diese Füsse des Unthan eine Aehnliehkeit in der Aktion
angenommen haben mit den Extremitäten, deren Rechte sie sich angemaasst haben;
und wie weit der Beschauer unbewusst solche Füsse, welche längere Zeit vor
Seinen Augen feine Thätigkeiten ausüben, wie Karten mischen, Piston handhaben,
Violine spielen, schliesslich für Hände, wie weit er Arme, welche vor ihm springen
und tanzen, für Beine nimmt. Jedesfalls wird die Illusion erst nach einiger Zeit
vollkommen.
(20) Hr. Paul Ehrenreich legt cine indianische Kriegskeule von vor-
trefflicher Arbeit vor. Sie wurde von Dr. Leite Moraes in Sdo Paulo, der als
Präsident von Goyaz im Jahre 1882 die Reise auf dem Arajuaza nach Para unter-
lahm, von dem Caraya-Hauptling Ambura (IV. Dorf der Sambioa) erworben und
Nebst einem kleineren ähnlichen Exemplar dem Ref. in Austausch gegen Photo-
Sraphien von Landschafts- und Völkertypen jener Gegenden überlassen. Es dürften
auf ähnliche Weise sich noch manche werthvolle Stücke aus Privatsammlungen
*'Werben lassen.
. Die Keule ist flach, schaufelfórmig, 1,65 m lang, aus hartem Tecomaholz.
Die Handhabe, von deren Knauf zwei schwarze mit Schneckenschalen verzierte
Quasten herabhüngen, ist mit zierlichem Flechtwerk im Rautenmuster umhüllt.
8% nach unten sich verbreiternde, vierseitig prismatische Blatt mit scharfen
Kanten Jäuft in eine Janzettförmige Spitze aus.
G Referent fand auf seiner Reise bei den Caraya nur stabfórmige Keulen im
ranch, während früher die flachen Formen häufiger gewesen zu sein scheinen.
Ine um so werthvollere Erscheinung jener Sammlung liefern daher die beiden
Yon Dr. Leite Moraes gütigst zur Verfügung gestellten Stücke.
(21) Hr. Olshausen spricht über
Radsporen auf Siegeln, im Grabe Bernharts von Italien und auf einem
Relief am Dom zu Monza.
Re: Hr. v. Heyden hatte die Güte, mir in Veranlassung meiner Arbeit über den
. Cltersborn einige Bemerkungen über das erste Aultreten des Spornrades zu-
sehen zu lassen. Auf die Autorität des Hrn. Blell hin gab ich in diesen Ver-
i» lungen 1890, S. 185 an, dass die Einführung desselben gegen die Mitte des
io heh. fiel, nachdem ich mich überzeugt hatte, dass diese Angabe ungefähr
in ne sein miisse. Hr. v. Heyden aber konnte mir nachweisen, dass wenigstens
- fankreich bereits auf einer bildlichen Darstellung vom Jahre 1211 der Rad-
og erscheint, nämlich auf dem Siegel des Jean de Boury. Andere Siegel von
e 9), 1998, 1237, 1246 u.s. w. zeigen das Gerith ebenfalls (G. Demay, Le
eame au moyen âge d’après les sceaux, Paris 1880, p.145 ff). Man wird hier-
a die erste Einführung des Radsporns etwa bis 1200 hinaufrücken müssen.
dag, ings lässt sich gegen die Beweiskraft der Siegel im Allgemeinen einwenden,
abe; dd kleine Einzelheiten auf denselben meist nicht gut zum Ausdruck kommen;
führt diese Schwierigkeit war Demay natürlich wohl bekannt (p. 146) und er
"m unter den Radsporen nur solche als Beláge an, bei denen das Rad sehr
m und also deutlich war, und das trifft namentlich auch für jenes Siegel von
NS) 140) zu. Auch scheint es sich hier wirklich um ein Siegel, das ver-
mu ich durch die Urkunde, der es beigefügt, datirbar 1st, nicht um den Stempel
handeln. Stempel allerdings könnten später nachgeschnitten und dabei ver-
.;
(220)
ändert (modernisirt) sein; aber Demay unterscheidet scharf zwischen den Siegeln
(sceaux) und den Stempeln (matrices), so dass hier nicht wohl ein Zweifel be-
stehen kann. (Die Bedenken, welche Zschille und Forrer in ihrem inzwischen
erschienenen Werke „Der Sporn“, Berlin 1891, S. 13 I Note 1 gegen die Beweis-
kraft der Siegel geltend machen, kann ich in dieser Allgemeinheit nicht theilen )
Dagegen waren mir zwei weitere Angaben, nach denen der Radsporn schon
um 4, ja sogar um 6 Jahrhunderte früher bekannt gewesen sein sollte, von vornherein
ganz unglaublich. Der erste Fall betrifft nach W. Bóheim, Waffenkunde, Leipzig
1890, S. 224 ein Paar Sporen aus dem angeblichen Grabe Bernharts, Königs
von Italien, T 818 (nicht 811). Dieser, der Sohn Pippins (Karlmanns) und Enkel
Karls des Grossen, war an einer Verschwörung gegen Kaiser Ludwig den Frommen
betheiligt, wurde gefangen genommen, in Aachen geblendet und starb einige Tage
darauf. Die Leiche scheint nach Mailand gebracht zu sein. — Bóheim entnahm,
wie eine Anfrage Hrn. v. Heydens feststellte, die Nachricht über die Sporen
V. Gay's Glossaire archéologique du moyen áge et de la renaissance, Tome I,
Paris 1887, Artikel éperon, und dieser wiederum berief sich auf J. Quicherat,
Histoire du costume en France, Paris 1875, p. 110. Die letzte Quelle fiir den
Bericht aber ist J. P. Puricelli, Ambrosianae Mediolani Basilicae ac Monasterii
Monumenta, I, Mediolani 1645, p. 62ff, — Puricelli wohnte 1638 (nicht 39) der
Eröffnung des dem Bernhart zugeschriebenen Grabes bei und beschreibt p. 71
genau die aus vergoldetem Kupfer gefertigten, mit kleinem, durch 4 sehr kurze
Stacheln geschirftem Rade versehenen Sporen, sowie deren Riemenwerk. Allein
das fragliche Grab ist entweder nicht das des Königs Bernhart oder
enthielt die Ausstattung desselben nicht mehr im ursprünglichen Zu-
stande. Zwar ist ein marmorner Grabstein zu St. Ambrosius durch eine Inschrift
als derjenige des Königs ‚bezeichnet; aber die Inschrift enthält eine Unrichtigkeit
im Datum und wird deshalb von Einigen als unächt angesehen, während Andere
freilich sie nichtsdestoweniger für ächt halten und nur einen Flüchtigkeitsfehler
annehmen. (Vgl. B. Simson, Jahrbücher des fränkischen Reiches unter Ludwig
dem Frommen, I, Leipzig 1874, 8. 125, Note 6; B. Malfatti, Bernardo Re d'Italia,
Firenze 1876, p. 47; auf beide Werke wies Hr. Prof. Wattenbach mich gütigst
hin.) Aber selbst wenn die Inschrift nicht zu beanstanden wäre, müsste mindestens
ein Theil der Ausstattung des Grabes dennoch als jünger gelten. Jener Stein kam
zuerst bei baulichen Veränderungen des Klosters im Jahre 1498 wieder zum Vor-
schein, ohne dass indess auch von der gleichzeitigen Wiederauffindung des Grabes
berichtet wird. Erst 1638 ôffnete man einen marmornen Sarkophag, den man zu
der vorhandenen Grabplatte in Beziehung brachte. Man fand in ihm einen Sarg
aus starken Eichenplanken, mit Nägeln zusammengezimmert und mit Pech ge-
dichtet, aber in demselben zwei Leichen, die eines Fürsten und die eines Bischofs-
Letzteren hielt Puricelli für den Erzbischof Anselm, Freund und Mitverschworc-
nen des Kónigs, der mit Absetzung und Einsperrung ins Kloster bestraft wurde
und zu St. Ambrosius beigesetzt zu sein scheint. Puricelli behauptet, dass unter
den‘Mônchen ein dunkles Gerücht verbreitet gewesen sei, wonach der Erzbischof
mit ‚dem Könige in demselben Grabe ruhe; eine andere Grabstätte desselben ist
auch nicht bekannt, Aber schon G. Giulini erhob in Memorie di Milano, I,
Milano 1760, p. 121 ff. mehrere Einwendungen gegen die Zuverlässigkeit des Grab-
fundes. Die Mitra, mit welcher das Haupt des Bischofs bedeckt war, passt nicht in
das 9. Jahrh., sondern ist jünger (vgl. die Wiedergabe des nach Eröffnung des Grabes
von den Mönchen gemalten Bildes, zu p. 123). Es ist ferner der Grabstein, welcher
als Deckel des Sarkophags diente, nicht aus dem gleichen Material wie letzterer
RO >
6 7n) |
d
(277
Selbst gefertigt und passt auch seiner Grösse nach nicht genau dazu, ist etwas zu
klein. Endlich trägt der Sarkophag das Wappen einer Familie, der besonders
Mehrere Aebte des 14. Jahrh. entstammen. (All dies ausführlich auch bei Mal-
fatti) Dass ferner die. Kleidung des Königs eine ungewöhnliche war, fiel
Quicherat wohl auf, doch legte er kein Gewicht darauf. — Nach alle dem aber
érscheint das Grab im höchsten Grade verdächtig und die Radsporen sind uns ein
Neuer Beweis für eine spätere Veränderung seines Inhaltes, wofern es sich hier
überhaupt um die Leiche des Kónigs Bernhart handelt. (Zschille und Forrer
haben seit ‘meinem Vortrage ähnliche Ansichten geäussert, a. a. 0.8. 12-13.) —
. Der zweite Fall, nach welchem der Radsporn schon um 600, oder wenigstens
Mm 7T. Jahrh, ip Oberitalien bekannt gewesen würe, betrifft ein Basrelief über
dem Haupteingange des Domes zu Monza. Diese Kirche (S. Giovanni in
fonte) wurde zuerst von der langobardischen Kónigin Theodelinde 590 begonnen
"nd 595 vollendet. Nach Mothes, Die Baukunst des Mittelalters in Italien, Bd. 1,
Jena 1884, S.934 wire sie dann im 9. Jahrh. verändert, nach 1311 von Matteo
Visconti bedeutend vergróssert (vgl. S. 485) und zu Ende des 14. Jahrh. an der
Facade mit Marmor bekleidet. Eine von G. Cordero de S. Quintino, Dell
Yaliana architettura durante la dominazione longobarda, Brescia 1829, p. 198 be-
hauptete (erste) an den Capitilen noch erkennbare Veränderung im 11. oder
12. Jahrh. würe nach Mothes „ohne Beleg“, doch nimmt auch R. Cattaneo,
L’architettura in Italia dal secolo VI ad mille circa, Venezia 1888, p. 44—46, wegen
des Styls der Capitäle einen vollständigen Neubau im 12. Jahrh. an. — Nach einer
Weit verbreiteten, aber meist nicht näher begründeten Ansicht soll nun jenes Relief
WS dem ersten Bau in den jetzt noch vorhandenen übernommen sein und also
der Zeit Theodelindes angehören. Man vergleiche: Schnaase, Geschichte der
bildenden Künste, 2. Aufl, Bd. 3, Düsseldorf 1869, S. 577. — Gsell-Fels, Ober-
Tialien, 2. Aufl, Leipzig und Hildburghausen 1874, S. 719. — Stacke, Deutsche
Geschichte I, 1880, S. 136. — Mothes, a. a. O. S. 285. — Strzygowski, Icono-
Staphie der Taufe Christi, München 1885, S. 35—36 und Taf. 8, 1. — v. Heyden,
Die Tracht der Kulturvölker Europas, Leipzig 1889, S. 60—61. — Lebhaft wider-
SPrach indess dieser Auffassung Cattaneo, dessen Arbeit ich erst während des
Niederschreibens dieser Zeilen durch gütige Vermittelung des Hrn. Prof. Dobbert
"0t der technischen Hochschule in Charlottenburg kennen lernte. Nach Cattaneo
Wäre von dem ersten Bau nichts erhalten, als vielleicht ein anderes Relief mit
dem Monogramm Christi. | |
Unser Relief nun mit den Sporen bildet ein rundbogiges Feld (eine Lünette)
und Zerfällt in 3 Zonen, deren unterste, aus einem schmalen Fries gebildete indess
hier nicht in Betracht kommt. Die zweite zeigt in der Mitte die Taufe Christi,
"echts und links Apostel und Maria; die oberste aber Theodelinde mit ihrer Familie,
dem Patron der Kirche, Johannes dem T'äufer, eine Weihekrone überreichend.
Die Figur links am Ende in dieser oberen Zone ist ein knuieender Fürst (wie meist
genommen wird, der zweite Gemahl der Känigin, Agilulf) mit Sporen an den
Plissen, Stacke giebt diese obere Zone nach einer Zeichnung von Knackfuss
Meder und die Sporen mit Rädern. Eine Photographie des ganzen Reliefs,
Welche Hr. v. Heyden der grösseren Sicherheit wegen in Monza anfertigen liess,
Scheint, wenngleich der sehr kleine Maassstab diese Einzelheit nur undeutlich er-
kennen lässt, doch die Richtigkeit jener Zeichnung zu bestätigen, — für mich
Beweis genug, dass das Relief auch nicht angenühert jener alten Zeit zugeschrieben
Werden kann. Cattaneo spricht sich über dasselbe etwa folgendermaassen aus:
»Die Figuren zeigen alle Charaktere der Zeit, in welcher die Kirche wieder her-
FN
(222)
gestellt ward, d. h. des 12. Jahrh. oder:des folgenden. Dieses Urtheil stiitzt
sich auf den Vergleich mit den elenden Skulpturen, die wir in Ravenna, dem
Mittelpunkt des Exarchats (d. h. des dem griechischen Kaiser unterstellten Gebietes
in Italien) ausgeführt sehen und die den Jahren angehüren, in welchen Theode-
linde ihre Kirche errichtete, und wird bestätigt durch den Umstand, dass auf dem
Relief die Königin und ihr Gemahl dargestellt sind mit der Krone auf dem
Haupte, während, so viel man weiss, diese bei den longobardischen Königen nicht
in Gebrauch war“.
Hr. Prof. Springer in Leipzig, welchem die Photographie des Reliefs durch
Hrn. v. Heyden übersandt worden, bringt dasselbe ebenfalls mit dem Neubau im
12. Jahrh. in Verbindung, da einerseits die viel grössere Rohheit der spärlichen
erhaltenen Reste langobardischer Arbeiten die Zeit Theodelindes ausschliesse;
andererseits die Composition der Taufe Christi noch vollständig auf die altchristlich-
byzantinische Weise zurückgehe und in dieser Art nach dem 12. Jahrh. nicht mehr
ausgeführt sein würde. Die Behandlung des Nackten und der Gewandfalien spreche
für eine Kunstperiode, in welcher Elfenbeinarbeiten als Muster für gróssere Stein-
arbeiten dienten. Das Relief mache den Eindruck der Uebertragung einer kleinen
Elfenbeintafel in ein gróberes Material und in gróssere Formen.
Hr. Prof. Schmarsow in Breslau, welcher theils nach der Erinnerung, theils
nach der nur die obere Zone des Reliefs gebenden Abbildung bei Stacke und
deshalb mit allem Vorbehalte urtheilt, knüpft an die von Visconti in der ersten
Hälfte des 14. Jahrh. vorgenommene Erweiterung der Kirche an, da Kostüm und
Arbeit ihm sicher ins 14. Jahrh. zu gehóren scheinen, andererseits aber das Relief
nicht wohl zu der von Matteo da Camplione erbauten Facade aus der 2. Hälfte
dieses Jahrhunderts stimmt, auch sehr viel befangener und alterthümlicher aussieht
als das Kanzelrelief mii der Krónung Karls IV. in. demselben Dome und wahr-
scheinlich ebenfalls von Matteo da Camplione, vielleicht aus dem letzten Drittel
des Jahrhunderts. —
Bei Beurtheilung des Reliefs móchte übrigens wohl auf etwaige Reparaturen
und dabei erfolgte Modernisirung einzelner Theile desselben zu achten sein, was
natürlich nur durch eine Untersuchung des Originals geschehen könnte. Herr
von Heyden denkt auch an die Möglichkeit der Ausführung des Reliefs zu ver-
schiedenen Zeiten. In der That, betrachtet man die Photographie, so scheint sich
zu ergeben, dass die mittlere Zone aus 3 Platten, die obere aus 4 zusammengesetzt
ist, so dass einzelne derselben älter, andere jünger sein könnten, und Hr. Springer
erklärt für diesen Fall den Theil mit der Taufe, auf welchen er seine Zeitbestim-
mung im Wesentlichen gründete, als den ältesten. Die Ansicht des Herrn
Schmarsow liesse sich hiermit wohl vereinigen, da sie sich nur auf die obere,
demnach jüngere Zone stützt. Indessen widerspricht der Annahme ungleichen
Alters der einzelnen Theile des Reliefs eine Thatsache ganz entschieden. Eine
Taube nehmlich, über dem Haupte Christi, welche aus der Höhe herabfliegend ein
Gefäss im Schnabel hält und aus demselben eine Flüssigkeit ergiesst, gehört un-
zweifelhaft zu der in der mittleren Zone dargestellten Taufe und doch ist sie in
der oberen Zone links von Theodelinde angebracht. Von einer nachträgliehen
Hinzufügung der Taube kann aber nicht die Rede sein, da der freie Raum neben
der Königin sonst zu gross sein würde. Wegen anderer ähnlicher Darstellungen
siehe Strzygowski, S. 36 und Taf. 8, 3 (Taufe Christi nach einer Elfenbeintafel
zu Berlin) und Taf. 8, 4 (Taufe Chlodwigs nach einer ebensolchen Tafel der Samm-
lung Rigollot zu Amiens). Strzygowski, welcher in Fig. 1 nur die Taufe
unseres Reliefs wiedergiebt und die obere Zone sonst unberücksichtigt lässt, zeichnet
(223)
doch ganz richtig die Taube der letzteren mit. — Man sieht, welchen Schwierig-
keiten dio Datirung des Reliefs vom rein kunsihistorischen Standpunkte aus be-
Segnet; was die Darstellung der Taufe anlangt, so scheint auch die Ansicht des
Hm. Springer in geradem Gegensatz zu der Meinung Strzygowski’s zu stehen,
der in ihr Anklünge an Altchristlich-Byzantinisches durchaus vermisst, andererseits
durch die eigenthümliche Art der Darstellung des Jordan, welcher sich als hohe
Welle bis über die Scham Christi erhebt, selbst ins Gedränge kommt (S. 35 u. 36).
Das Relief ist aber werth, dass es einmal im Original genau geprüft werde. Das
Gleiche dürfte gelten für eines aus der Kapelle S. Ansano im Dom zu Siena, wo
in Reiter einen Sporn triigt, und das nach Seemann’s kunsthistorischem Bilder-
bogen Nr. 108, Leipzig 1877, vielleicht ins 12. Jahrh. gehört. In der Abbildung
'St nicht genau zu erkennen, ob es sich um einen Sporn mit Rad oder mit Kugel
"nd daraufgesetzter Spitze handelt.
Das Monzaer Portalrelief bleibt nach allem diesem jedenfalls gänzlich un-
8Ceignet, die Zeit des ersten Erscheinens des Radsporns genauer festzustellen, wird
Vielmehr selbst durch letzteren zeitlich bestimmt und kann nicht wohl älter als
?US dem 19, Jahrh. sein, ist aber hóchst wahrscheinlich jünger. Welche Art Sporen
Zur Zeit Theodelindes und in den nächstfolgenden Jahrhunderten üblich waren,
habe ich in meiner ersten Mittheilung über dieses Gerüth ausführlich gezeigt. Der
Radsporn aber erscheint ,um 1200*, blieb übrigens auch im 13. Jahrh. noch selten;
3 weiss John Hewiit (Ancient armour and weapons in Europe. Oxford and
London 1855, p. 298) nur einen oder zwei Fille aus dieser Zeii anzuführen.
Der Radsporn findet sich auf dem Siegel Henry's III, 1916—72, und auf Le
Botilers Grabstein zu St. Brides, Glamorganshire (p. 299, Fig. 79 u. p. 287, Fig. 74).
Allgemein aber wird nach Hewitt, wie nach Demay, dieser Sporn erst im.
M Jahrh. und ersterer bemerkt dazu: ,Seine Anwesenheit allein sollie einen be-
denklich machen, ein Monument der früheren Periode zuzutheilen, selbst wenn
dasselbe alle die anderen Charaktere einer älteren Tracht aufweist. Das Monument
"9h Le Botiler ist von dieser Regel keineswegs ausgenommen." —
. Das kleine unscheinbare Gerüth, der Sporn, hat sich uns somit in 2 Fällen,
die eigentlich ganz ausserhalb unseres Forschungsgebietes lagen, als ein sicherer
Pührey erwiesen und sei deshalb der Beachtung der Archüologen bestens em-
Pfohlen.
Hr. y, Heyden schreibt mir noch nachträglich: „Die bischöfliche Mitra ist
kaum vor das Jahr 900, bis wohin jede officielle Kopfbedeckung des Bischofs
fehlt, zu setzen. Erwähnt wird sie erst im Jahre 1049 zum ersten Male, wo sie
Papst Leo IX. dem Erzbischof Eberhard von Trier aufsetzt mit den Worten:
Romana ‘mitra caput vestrum insignivimus, qua et vos et successores in ecclesi-
“Sticis officiis Romano more utamini. Darnach kännten römische Bischöfe früher
Velleicht eine Mitra getragen haben (oder der Papst bezieht es auf sich), keines-
falls aber der Genosse Bernharts im Jahre 815 als Nichtrómer (siehe darüber
Real-Encyclop. der kirchl. Alterthümer II, S. 214). Die Anwesenheit einer Mitra
‘St also schon an sich ein Beweis der Unächtheit der Leichen. —
(22) Hr. Olshausen berichtet über
die im Küstengebiet der Ostsee gefundenen Münzen aus der Zeit vor
Kaiser Augustus.
, Im Verfolg meiner Studien über den alten Bernsteinhandel, über welchen ich
'! diesen Verhandl, 1890, S. 270 einen ersten Bericht gab, war ich genóthigt, auch
(274)
die Bedeutung der nordischen Funde älterer Münzen zu prüfen. Die Zahl der an-
geblichen Funde von Münzen aus der Zeit vor Kaiser Augustus im Küstengebiet
der Ostsee ist nicht ganz gering, aber diese Funde sind fast sämmilich in älterer Zeit
gemacht worden, z. Th. im vorigen Jahrhundert. Obschon dieser Umstand zur Vor-
sicht hätte mahnen sollen, wurden sie dennoch oft zur Beweisführung bezüglich alter
Handelsverbindungen zwischen Süden und Norden benutzt, theils ganz im Allge-
meinen (so von Miillenhoff, Deutsche Alterthumsk. 1, 1870, S. IV), theils mit
besonderem Bezug auf den Bernsteinhandel nach Ostpreussen (von Helbig in
seiner Abhandlung: Sopra il commercio dell’ ambra, Roma 1877, Memor. Accad-
dei Lincei, p. 9; dann von Genthe und noch ganz neuerdings von Stoppani:
L’ambra, Milano 1886, p. 173, und von Lissauer, Prähist. Denkmäler der Prov-
Westpreussen, Leipzig 1887, S. 56—58). Allein einer genaueren Prüfung halten
diese Funde beinahe ausnahmslos nicht Stand; ihren Werth auf das richtige Maas$
zurückzuführen, ist der Zweck nachstehender Mittheilung. —
Wiberg gab in seinem Werk: ,Der Einfluss der klassischen Volker auf den
Norden durch den Handelsverkehr, Hamburg 1867, aus dem Schwedischen nach
der ersten Aufl. von 1867“, S. 94—95 eine Zusammenstellung ,altgriechischer Funde
an der südóstlichen Küste der Ostsee*^; ebenso in der 2. schwed. Aufl. ,De klassiska
Folkens Fórbindelse med Norden . . .*, Stockholm 1868, S. 27 und 28. — Julius
Friedländer stellte dann 1872 unter Benuizung beider Ausgaben von Wiberg
„Funde römischer (richtiger antiker) Münzen im nordöstlichen (richtiger nördlichen)
Deutschland“ zusammen (Zeitschr. f. Ethnol. 4, S. 162—68), aber nur ,die noch
nicht bekannten und einige, welche Berichtigungen enthalten“. — Grewingk be-
handelte livländische und schwedische Münzfunde im Archiv f. Anthrop. 7 (1874)
S. 95—96 und 10 (1878) S. 315. — Genthe besprach die betreffenden preussischen
und livländischen Vorkommen in den „Verhandlungen deutscher Philologen und
Schulmänner zu Karlsruhe 1882“ (Leipzig 1883) 8. 23, und seine Angaben wurden
wieder abgedruckt durch Lissauer (a. a. O. S. 57—58), der übrigens schon früher
selbständig über westpreussische Münzen berichtet hatte, so im Corresp.-Blatt d.
D. anthrop. Ges., Versammlung zu Dresden 1874, S. 41. Allen diesen Zusammen-
stellungen lagen, soweit sie Ostpreussen und Livland betreffen, Fr. Kruse's Necro-
livonica zu Grunde, deren zweite, mit Nachtrag versehene Auflage, 1859 in Leipzig
erschien. Nur vereinzelt wurde auf ältere Originalarbeiten zurückgegriffen, nehm-
lich auf Theophilus Sigefrid Bayer, De nummo Rhodio in agro Sambiensi reperto:
Regiomontii 1723 (auch in Opuseula ad historiam antiquam spectantia, Halae 1770;
p. 492 ff. und Taf. 6 oben rechts) und Johann Severin Vater, Die Sprache der
alten Preussen, Braunschweig 1821, S. XXXVI— XXXVII Note*. Man vergleiche
ferner Baltische Studien XII, 1, 8. 5——6 und Schafarik, Slavische Alterthümer L
Leipzig 1843, S. 519. —
Wiberg's Buch, welches so vielfach benutzt worden ist, leidet in hohem
Grade an Unzuverlässigkeit, indem nicht nur die Citate recht fehlerhaft sind, son-
dern eine grosse Anzahl von Funden doppelt, ja einer sogar 3 mal unter verschie-
denen Namen aufgeführt wurde. Friedlünder wies schon auf mehrere derariige
Fülle hin, denen ich weitere hinzufügen kann. Stellt man alles dies richtig, 80
schrumpft die Zahl der überhaupt zur Discussion stehenden Funde erheblich zu-
sammen. .
Aus Bayer, Vater, Kruse ergeben sich nun für Livland und Ostpreussen die
folgenden Funde:
1) Livland. a) Arensburg auf Insel Oesel, eine Bronzemünze von Panor-
mos (Palermo), älterer Fund; Necroliv. Generalbericht S. 22 und Beilage D 8. 2,
(225)
Taf. 56, 2; Wiberg, deutsche Ausg., S. 95; warum Genthe und Lissauer sie
nicht anführen, weiss ich nicht. — b) Dorpat, eine Bronzemünze von Neapolis,
Fundumstünde unbekannt; Kruse, Generalber. S. 22 u. D 8. 2; auch bei Wiberg,
Genthe, Lissauer. — c) Dreimannsdorf bei Salis, eine Bronzemünze, von
Kruse Selbst gefunden und von ihm für griechisch (von Kyrene?) gehalten nach
Migen Schriftzeichen und wegen ihrer Metalllegirung (73,47 Kupfer, 7,02 Zinn,
19,51 Blei); Necrol. Generalb. S. 22 und D 8. 2, F S. 7, Taf. 56, 1; auch Wiberg,
Genthe und Lissauer, aber in Wiberg's deuischer Ausg. fülschlich als Bronze-
Figur bezeichnet. Nach Prof. v.Sallet's Urtheil handelt es sich um eine in
Alexandrien geprägte Münze des Kaisers Augustus, so dass dieselbe für uns nicht
™ Befracht kommt?).
. 2) Ostpreussen. .2) Neukuhren an der samländischen Nordküste, eine
S'léchiche Silbermünze von Dyrrhachium in Illyrien, dem früheren Epidamnos, laut
set. Mittheilung des Hrn. Dr. Tischler angeblich 1840 von dem jetzt verstorbenen
Kaufmann Willert gefunden, jetzt im Miinzcabinet der Universitit Konigsberg sub
Illyricum 2: Necroliv. Nachtrag S. 24; bei Wiberg, Genthe, Lissauer nicht auf-
Sefihrt, — b) Gross-Hubnicken?) an der samländischen Westküste, eine Silber-
Münze von Athen, etwa aus dem Jahre 100 vor Chr. gefunden 1798 beim Bern-
Steingraben, angeblich in einem 164 Fuss tiefen Schacht, was wohl heissen soll,
M einem behufs Bernsteingewinnung abgegrabenen so hohen Berge; jetziger Ver-
bleib unbekannt, nach Tischler nicht in Königsberg; Vater, Schafatik, Wiberg,
Genthe, Lissauer. — c) Fischhausen im Samland, eine Bronzemünze. von
Neapolis in Campanien, gefunden 1707, von Bayer. für eine rhodische gehalten;
Kruse, Wiberg, Friedländer, Genthe, Lissauer. Friedländer macht S. 164
darauf aufmerksam, dass Wiberg dieselbe doppelt mitzählt; thatsächlich aber
Wird sie dort sogar 3mal aufgeführt, unter. Fischhausen, Samland (als rhodische)
Jad Samogitien, und zwar in beiden Auflagen; in der deutschen heisst es unter
Samogitien ausserdem fälschlich „Bronzemünzen“. Auch bei Genthe und Lissauer
5t irrthümlich die ,rhodische“ Münze als besonderes Exemplar mitgerechnet (unter
Gr. Hubnicken). Bayer giebt p. 4 eine befriedigende Abbildung. Das Stück war
Irüher in der Sammlung Andreas Lilienthal, jetziger Verbleib unbekannt; nach
Dr. Tischler befindet es sich weder im geheimen Archiv, noch im Universitäts-
1) Ein Fund von Koltzen-Peterscapelle, Kruse Generalber. S. 18 u. 21, D 8. 1—9,
Wiberg 8.95, Grewingk 7, 95; 10, 315 scheidet aus, da 2 der 4 angeblich in dem-
Selben enthaltenen Münzen sich als gefälscht erwiesen und die 2 ächten (von Thasos)
Loch durch andere dem Funde anhaftende Bedenken (Vermischung mit ganz jungen Gegen-
Ständen) an Beweiskraft verlieren; vergl. Genthe S.92—93. — Wiberg's 2. Aufl, führt
liesen Fund doppelt auf, S. 27 Nr. XXVI unter Kolzen und S. 28 Nr. XXX unter Oesel,
Ud za in Folge eines Irrthums Chr. Petersen's in seiner Besprechung der ersten Auf-
lage in Göttinger gelehrte Anzeigen 1868, Bd. 1, S. 93, welcher eine Stelle in Christ’s
Aufsatz über Avien, Abhandl. d. philos.-philol. (nicht histor.) Classe der Bayr. Akademie
d. Wiss, München, Bd. XI, Abtheilung 1, S. 149 unrichtig auffasste. Denn es heisst dort
Nicht, dass die Münzen alle auf Oesel gefunden seien, sondern auf Oesel und am rigai-
Sehen Meerbusen.
2) Mit der Münze von Hubnicken ist offenbar identisch die von „Königsberg“, Necroliv.
Dg, l auch Wiberg; Genthe und Lissauer; dieselbe muss nach Kruse vor oder in
1821 gefunden sein, in welchem Jahre Vater ihm einen Abguss davon gab. Aber auch
die von Hubnicken beschrieb Vater in demselben Jahre und nur nach einem Abdruck
(das Original befand sich in Händen des Dr. Halter zu Pillau) und beides sind athenien-
Sische Münzen.
Verhandl. der Berl. Anthrop, Gesellschaft 1891.
15
(22°)
Münzcabinet zu Königsberg; auch in Berlin scheint es nicht zu sein. — d) D eutsch-
Thierau bei Heiligenbeil, eine römische Consularmünze, also aus republikanischer
Zeit, Necroliv. Nachtrag S. 24; Fundumstände nicht erwähnt; bei Wiberg, Genthe,
Lissauer nicht aufgeführt.
Dr. Tischler weist mich ferner hin auf: e) Angerburg, silberner Denar der
Republik, abgebildet bei Th. S. Bayer, De nummis Romanis in agro Prussico
repertis, Lipsiae 1722, Taf. 1, 3, p. 21; vgl. G. A. Helwing, Lithographia Anger-
burgica, I, Regiomonti 1717, p. 94; wie es scheint, ausgepfliigt. Auch kaufte das
Königsberger Provinzialmuseum 1889 von einem herumziehenden Schaubuden-
besitzer eine Ptolemüermünze, deren Provenienz aber natürlich ganz ungewiss:
Im Uebrigen gehören die ältesten sicher in Ostpreussen gefundenen Münze?
Nero an.
Ob in den russischen Ositseeprovinzen seit Kruse's Publication Neues hinzu-
gekommen, konnte ich nicht ermitteln; die mir zugängliche Literatur scheint nichts
derart zu enthalten (z. B. „die Münzen des vaterländ. Mus. zu Dorpat^, Verhandl.
d. gelehrten estn. Ges. zu Dorpat VI, 3 und 4, 1871, S. 172—198) und die durch
den Conservator d. gelehrt. estn. Ges., Herrn v. Hofmann gütigst in Aussicht ge-
stellte Mittheilung des speciellen Conservators der Münzsammlung war nicht zu er-
langen.
Wenn wir nun das vorgeführte Material, 2 Münzen aus Livland, 5 aus Ost-
preussen, betrachten, so ergiebt sich, dass schon die Anzahl der Pundstücke ZU
klein isí, um irgendwie lebhaftere Handelsbeziehungen zwischen dem Süden und
Nordosten in der Zeit vor Augustus darzuthun. Auch werden die ältesten dieser
Münzen kaum über das Jahr 300 vor Chr. hinaufgehen und die jüngeren kónnen
sehr leicht erst zur Zeit des Kaiserthums nach dem Norden gekommen sein. Das
Schlimmste aber ist, dass die Funde selbst wenig vertrauenerweckend sind; in den
letzten Jahrzehnten, seit die Kritik mehr geschürft, ist nichts mehr zum Vorschein
gekommen, trotzdem nie mit solchem Eifer gesammelt wurde, wie jetzt, und in
den aufgeführten Fällen sind die Fundumstände fast stets unsicher oder unbe-
kannt. —
Wir wenden uns jetzt den anderen Ostseeländern zu.
3) Westpreussen. Genthe (ebenso Lissauer, Denkmäler S. 57 und 100,
sowie Dresdener Versammlung S. 41) führt an: St. Albrecht, S. von Danzig, aus“
gegraben vom Lehrer Pawlowski: a) am Fusse des Kapellenberges, für sich
allein im Waldboden, eine silberne barbarische Nachbildung eines makedonischen
Goldstaters des 4. Jahrh. vor Chr. nach Prof Müller in Kopenhagen „gallisch“
nach einem „Alexander“, nach Dr. Menadier vom hiesigen K. Münzcabinet all-
gemeiner „keltisch“ und vom Typus des „Philippus II.“ (360—336). Aus welcher
Zeit die Nachbildung stammt, dürfte fraglich bleiben; Abbildung derselben. Dresdener
Vers. S. 41 Fig. 1. — b) an anderer Stelle des Kapellenberges eine griechische
Erzmünze von Phlius in Achaja etwa vom Jahre 200 und 2 kupferne Ptolemäer
aus Aegypten aus dem Ende des 2. Jahrh. vor Chr. — Auch eine athenische
Erzmünze, ,wohl noch vor Christo, soll Pawlowski auf dem Kapellenberg?
ausgegraben haben; Wolsborn in Altpreussische Monatsschrift 23 (1886) S. 384
bis 403, Nr. 22, und Lissauer, Denkmiler S. 159. — Hr. Dr. Menadier nennt
mir ferner eine Bronzemünze von Hiero von Syracus, 3.Jahrh. vor Chr, hält
aber die Fundumstinde (auf dem Gymnasialhof von Braunsberg!) für ganz un*
sicher. —
Endlich finde ich erwähnt: 4 griechische Kupfermünzen von Briesen,
Kr. Schlochau, mit vielen römischen, meist der Kaiserzeit angehörigen Münzen zU-
BIO
(227)
omen ausgepfliigt. Der Fundort wird Balt. Studien IV, 1, 143 und Wiberg
" 96 Bresen genannt und Bali. Stud. VII, 1, 295 Note nach Pommern verlegt; die
undnolizen und die Münzen selbst kamen aber aus Bütow ins Stettiner Museum
"Und gemeint ist offenbar Briesen, dicht an der pommerschen Grenze zwischen
Rummelsburg und Bütow, aber auf westpreussischem Gebiet. Lissauer führt
den Fund nicht auf. Die griechischen Münzen sind, wie Hr. Dir. Lemcke
Be schreibt, jetzt in Stettin nicht mehr vorhanden; für uns wären sie auch ohne
edeutung, da sie jedenfalls spát ins Land kamen; auch kónnen sie der rómischen
Kaiserzeit angehören. -— Es handelt sich für Westpreussen demnach nur um die
Funde von St. Albrecht; die Aechtheit der betreffenden Stücke steht fest, die Fund-
angaben begegnen aber fast allgemein entschiedenem Misstrauen, obgleich Wols-
born für die Richtigkeit auch dieser eintritt.
4) Pommern. Kühne besprach Balt. Studien 27 (1877) 208 ff. die pommer-
chen Funde. Nach S. 203 Note, S. 210—11 und S. 222—24 würe nur zu erwühnen:
Rügen mit einer Silbermünze der Republik (Mekl. Jahrb. 38, Quartalber. 4, S. 8;
Museum zu Stralsund). Denn eine bei Stettin (nach Kühne 8. 203 auf Chaussee-
Steinen) gefundene griechische Kupfermünze scheint unsicher (vgl. Balt. Stud. V, 1,
S. 153) und eine griechische Bronzemünze von Berytus (Beirut), gef. auf Rügen;
leizt im K. Münzcabinet Berlin, kommt nicht in Betracht, weil sie mit arabischen
Bronzemünzen zusammengelegen haben soll und also spit nach dem Norden ge-
kommen sein wird; ist diese Fundangabe aber unrichtig, so verliert das Ganze
überhaupt an Werth (Friedländer S. 166). — Seit Kühne’s Mittheilung hat sich
Nach gefälliger Auskunft der Herren Prof. Lemcke und Dr. Baier in Stettin und
Stralsund nichts geändert. Auch die Pogge’sche Sammlung, jetzt in Stralsund,
die Kühne seiner Zeit nicht prüfen konnte, enthält keine im Lande gefundenen
Münzen aus der Zeit vor Christo.
5) Meklenburg lieferte nach brieflicher Auskunft des Hrn! Dr. Beltz. keine
der in Frage stehenden Münzen.
. $6) Schleswig-Holstein. Nach Handelmann’s Verôffentlichungen ist nur
Sine keltische Silbermünze, einzeln gefunden bei Pinneberg in Holstein, zu er-
Vühnen: denn eine aus Husum von Philipp III. Arrhidaeus von Makedonien (+ 317),
Cinen Ptolemäer von Plön und eine altgriechische Kupfermünze von Klethkamp,
Kr, Plön, hält Handelmann alle 3 nicht für ganz sicher (Zeitschrift d. Ges. f.
Sehlesw.-Holst.-Lauenb. Geschichte IT (1872) 64, III 435 Note, XVI (1886) 388;
diese Verhandl. 1880, 128; Kieler Münzcatalog, Heft 4, Kiel 1887, S. 1—4). Neues
It laut gef. briefl. Mittheilung nicht hinzugekommen.
7) Dänemark. Nach Montelius’ ,Frän jernäldern“ oder „Remains from
the Iron Age of Scandinavia“, Stockholm 1869, Theil I p.1 kannte man damals
Keine derartigen Münzen aus Dänemark. Bei dem Ausbleiben einer Antwort auf
Meine Anfrage in Kopenhagen darf ich wohl voraussetzen, dass auch seitdem sich
M dieser Beziehung nichts geändert hat.
8) Schweden. Montelius veröffentlichte in seinem Werke „Frän jernäl-
dern“ Theil I p.1 folgende, angeblich in Schweden gefundene Münzen: a) von
5 otland: 1 griechische Kupfermünze von Panormos (jetzt Palermo) auf Sicilien;
Silbermünzen Philipp’s II. von Makedonien (860—336); 9 rümische Familien-
Minen aus der Zeit der Republik. — b) aus Nerike oder Östergötland, etwa
in 100 Jahren gefunden, 3 rómische Familienmünzen der Republik. — Das sind
Kar men, 15 Münzen aus der Zeit vor Augustus. In einem Nachtrag zu Mon-
lus’ Arbeit, Stockholmer Mánadsblad 1872, S. 84 kam. nichts derart hinzu und
1 anderen späteren Veróffentlichungen erwühnt der Verf. die 12 Familienmünzen
15*
(228)
gar nicht mehr; auch drückt er sich bezüglich der makedonischen und griechischen
Münzen in seiner „Kultur Schwedens“, Berlin 1885, vorsichtig aus, was den Fund-
ort betrifft. — Wenn Grewingk, Archiv f. Anthropologie 7 S. 96, angiebt, dass
Montelius auch über griechische Münzen aus Schonen berichte, so ist das
falsch; im Gegentheil sagt dieser a. a. O. ausdriicklich: ,no other greek coin from the
times before Augustus is found in Scandinavia“; dennoch ist Grewingk’s Angabe
von Genthe und Lissauer wiederholt. —
Es erscheint nun höchst auffallend, dass von jenen 15 Münzen nicht weniger,
als 13, aus einer und 2 aus einer anderen Privatsammlung stammen; sie sollen
sich auf 11 oder 12 Funde vertheilen, aber die Zusammengehórigkeit der einzelnen
Stücke ist meist ebenso unbekannt, wie die nüheren Fundumsiünde es sind. Es
muss der Verdacht rege werden, dass die Fundortsangaben nicht richtig sind, ob-
gleich Gotland bereits in der Bronzezeit ziemlich bevölkert war (Congrés Stock-
holm 1874, p. 511 und 512). Eine diesbezügliche Anfrage brachte mir die folgende
Antwort des Hrn. Montelius: ,lrgend neue Funde von Münzen aus der Zeit vor
Augustus kenne ich aus Schweden nicht. Die in den ,Remains* aufgezühlten
führte ich an, weil bestimmte Angaben vorlagen. Ich kann sie, was die Fund-
umstände betrifft, nicht für sicher halten, bevor nicht neue Funde hinzukommen,
und habe sie, soviel ich mich entsinne, auch niemals als Beweisstücke angewendet“.
Demnach scheiden die sämmtlichen schwedischen Funde aus.
Wenn Hildebrand annahm, dass die Statere Philipp's II. von Makedonien
oder deren gallische Nachbildungen schon etwa 300 vor Chr. in Scandinavien ge-
sehen worden seien, da eine Figur auf einem Bronzegefässe ,dem Kutscher der
Quadriga jener Münzen nachgebildet sei^, so wird man nach Obigem solcher
Schlussfolgerung kaum zustimmen kónnen (diese Verhandl. 1874, 98; Congrês de
Stockholm p. 600—601). —
: Das Ergebniss unserer Untersuchung ist, dass die Münzen für den Nachweis
eines irgend erheblicheren Verkehrs zwischen Nord und Süd vor Christi Geburt
ginzlich bedeutungslos sind. Wo ein solcher bestand, muss er demnach auf andere
Weise dargethan werden. —
Hr. Schierenberg iibersandte, durch die Tagesordnung der heutigen Sitzung
veranlasst, eine Mitttheilung über 18 Stück vorvarianische Münzen, 6 silberne und
12 kupferne, in Horn, Lippe-Detmold, und wies auf die Funde von Barenau
bei Engter, nördlich von Osnabrück, hin, die Th. Mommsen in seiner Schrift:
Die Oerilichkeit der Varusschlacht, Berlin 1885, benutzte. Für den von mir be-
handelten Gegenstand kommen diese Münzen aber nicht in Betracht, weil sie weder
in das hier allein berücksichtigte Gebiet fallen, noch auch für alte Handels-
verbindungen irgend etwas beweisen.
(23) Hr. P. Staudinger spricht über die
Bevölkerung der Haussa-Länder.
Von den Eingebornenstaaten im Innern Afrika's nimmt der des Haussavolkes,
sowohl durch seine Ausdehnung, als auch durch die Intelligenz der Bewohner, mit
die hervorragendste Stelle ein. Unter dem Namen „Haussaländer“ versteht man
in erster Linie die unter den Sultanen von Sokoto und Gandu stehenden Gebiete,
wozu noch in weiterem Sinne das Reich Adamaua kommt. Da nun die regieren-
den Obersultane und auch die meisten Provinzkönige aus der Fulbedynastie
stammen und auch die Nachkommen des letzteren Volkes noch vielfach einen
(229)
herrschenden Einfluss ausüben, so ist wohl die richtigste Bezeichnung für das Land:
das Reich der Haussa-Fulbe.
Um nun in groben Zügen die geographischen Grenzen zu zeichnen, kann man
angeben, dass das Land sich nordwärts bis zur Sahara, etwa beim 14° nôrdl. Breite,
und südlich an das sogenannte Hinterland von Kamerun, bis zum 6° oder 7° nördl.
Breite, erstreckt; westlich ragt es mit dem äussersten Zipfel der Provinz: Saberma
bis zum Grade von Greenwich und zieht sich von da hinunter bis zum 3^ Osil.
Länge, während die äusserste östliche Grenze ungefähr beim 8° Längengrad an
» Bornuprovinz Sinder herangeht. Das ganze Gebiet mag ungefähr 18—
0000 Quadratmeilen umfassen; jedoch ist dabei zu berücksichtigen, dass ver-
Schiedene Provinzen in einem sehr lockeren Zusammenhange stehen und sich auch
Innern noch eine Anzahl unabhängiger kleiner Stämme befinden.
Als Nachbarn sind zu nennen: Im Osten und Südosten: das Reich Bornu und
das zu Bagirmi gehörige Musgu; im Süden: eine Anzahl noch unerforschter Neger-
SCmeinden; im Südwesten: die von Gandu unabhängigen Theile von Yoruba. Im
Westen befindet sich noch wenig durchforschtes Terrain, während im Norden das
Chaos der Bevölkerung der alten Sonrhayländer und des Reiches Male, also Neger,
Tuaregg und Fulbe, sowie die stammverwandten wilden Gobirri wohnen.
N Zwei grosse Siróme begrenzen und durchfliessen das Reich, der gewaltige
!er und sein mächtigster Nebenfluss, der Benué.
Der geographischen Beschaffenheit nach ist das eigentliche Haussaland ein,
Wy einem missigen Gebirge durchzogenes, niedriges Hochplateau von 5—600 m
a ung, das sich nach dem Niger und noch mehr nach dem Benue zu ab-
weht. Wenden wir uns nun zu der Bevölkerung und zunächst zu den eigentlichen
A um sie auf ihre Abstammung hin zu untersuchen, so kommen wir leider
sel dem Resultate, dass sich gegenwürtig kaum noch der genaue Ursprung fest-
"d lassen wird, theils weil schon eine zu starke und lange Vermischung mii
wp müglichen Neger- und Nicht-Negervolkern stattgefunden hat, theils, weil man,
es offen zu gestehen, zur Zeit noch nicht die näthigen Hülfswissenschaften zur
i aen Trennung der Unterrassen besitzt. Mit der Linguistik kommt man gerade
an kaum zu einem sicheren Ziele, denu es sind viele Beispiele bekannt, wo zwei
hab "Opologisch sehr verschiedene Völker die gegenseitigen Sprachen angenommen
9n. Wichtiger sind schon historisch-ethnographische Forschungen und in sehr
dorem Maassstabe angestellte genaue anthropologische Aufnahmen und Messungen,
gon, bis es dahin in Afrika kommt, um ein annáüherndes Vergleichsmaterial zu
ge, nen, mag so mancher Rest eines eigenartigen Volksstammes untergegan-
Sein,
ode Von den Haussa steht indessen das eine wohl fest, dass sie vom Norden
ge d. Nordosten allmählich nach dem Süden bis in ihre jetzigen Wohnsitze vor-
ge "ungen sind. Zu welcher Zeit dies geschehen ist; kann wohl kaum noch nach-
rs werden. Wahrscheinlich ist bei ihrem Vorstoss das Volk der Nupe
onen Grade südwestlicher gedrängt worden, denn der Reisende Clapperton
Vi noch Anfang dieses Jahrhunderts Ueberlieferungen erfahren, wonach das
ietzi von Nupe früher seinen Sitz in Katschena, einer nördlichen Provinz des
Yon gen Haussareiches, hatte. Ebenso fand er noch bei einigen Völkern eine Sage
im wer Abstammung von Bornu verbreitet. Bei den grossen Vèlkerverschiebungen
"A darf man nicht unberiicksichtigt lassen, dass vor Jahrhunderten und Jahr-
stat nden Bewegungen von Norden nach Siiden und auch einige Male umgekehrt
die Emden haben. Araber- und Berberstämme sind über die Sahara hinaus in
^ Negerlünder eingedrungen und haben sich theilweise dort sesshaft gemacht,
VA,
(990)
auch hat sehr wahrscheinlich seiner Zeit ein starkes Eindringen asiatischer, Völker-
schaften in Afrika stattgefunden.
Einigen Aufschluss über die Haussa verdanken wir unserem hochverdienten
Landsmann Barth. In der Oase Asbin, die jetzt von Tuareggstämmen, bezw-
Mischstämmen zwischen ihnen und der alten Bevölkerung, bewohnt wird, konnte
er noch Haussa-Sprache und -Einfluss bis Agades festsetzen. Nun war aber der
mächtigste Stamm unter den seiner Zeit nach Norden vordringenden Vólkern, der
Stamm, von dem die Haussa ihre Sprache haben, die Gobirri oder Goberaua, und
über diese hat Barth seiner Zeit noch Ueberlieferungen vorgefunden, wonach die
edlen Familien der Goberaua von Kopten oder Berbern abstammen sollten. Ich
bemerke dazu, dass es jetzt auch noch ein Kónigthum Gobir giebt, welches unter
Sokoto steht. Der Herrscher besitzt aber wenig mehr, als den Titel und eine einzige
Stadt. Die jetzigen Gobirri sind mit die erbittertsten Feinde des Haussareiches und
verheeren durch ihre Einfälle oft die Gebiete ihrer früheren Stammesgenossen-
Ich konnte allerdings festsetzen, dass gerade in den Provinzen, welche an das
Gebiet der Gobirri grenzen, das sind Samfara und Katschena, die Haussasprache
jetzt am reinsten gesprochen wird.
Das nun durch Verdrängung oder Unterjochung der Ureinwohner gefestigte
Haussareich mag schon damals eine gewisse Industrie und Cultur besessen haben,
zumal es wohl im Westen von den Sonrhayländern und im Osten durch Bornu
beeinflusst worden ist. Grosse Städte bestanden bereits. So finden wir auf 200 Jahr
alten Karten Namen von Städten, die noch heute bestehen, wie z. B. Kano, Kat-
schena, Segseg-Saria, Gobir u.s. w. Da kam zu Anfang dieses Jahrhunderts ein
Umschwung in die Verhältnisse.
Schon seit längerer Zeit waren die Fulbe nach den Haussalündern gekommen.
Es ist vielleicht gleich hier am Platze, etwas über dies rüthselhafte Volk, welches
von den Haussa Fullani oder Fillani, sonst aber noch Fullan, Fellani, Fulde, Fulla,
Fellata, Pul, Pulla, Fuia Dschallon, F. Banda, F. Torro genannt wird, zu sagen.
Ueber die Herkunft tappen wir noch im Dunkeln. Nach den Haussalündern mügen
sie vielleicht schon vor einigen 100 Jahren eingewandert sein, und zwar kamen
sie damals aus dem Hinterlande von Sierra Leone und Senegambien. Noch heut-
zutage kann man sogar an der Küste in Freetown Fulbe sehen, die dorthin des
Handels wegen gelangen, aber wollie man nach diesen Leuten das ganze Volk
beurtheilen, so würde man sehr irren, denn man hat es hier mit meistens ganz
vermischten Individuen zu thun. Auch in den Haussalündern haben sich nur wenig?
Individuen rein gehalten. Die Herrscherfamilien sind mit Gobirriblut vermischt;
und einer der Hauptstimme der eingewanderten Fulbe, die Torobe, waren sehr
stark mit Dscholoff-Negern durchsetzt. Am reinsten haben sich die Fulbe noch
in den Haussaländern als Ründerhirten gehalten, nur selten kommen von diesen
Hirten, die Fillani genannt werden, die Männer in die Stadt, und die Weiber
auch nur stundenweise, um Milch und Butter zu verkaufen. Diese Fulbe haben
eine helle Hautfarbe, hellröthlich-bräunlich, von Gestalt sind sie schlanker und
schmächtiger, als die grossen, oft zur Wohlbeleibtheit neigenden Haussa, das Gesäss
tritt nicht so steil hervor, Prognathismus ist bei einigen Exemplaren kaum
zu bemerken, die Nase ist schmalwandig, von hiufig aquiliner Form, die Lippe?
fein, die Augen mandelférmig mit einem bald schwürmerischen, bald lauernden,
wilden Blicke; die Frauen flechten ihr Haar in lange Zópfe und sind in der
Jugend oft von grosser Schönheit. ,
Bezüglich der Hautfarbe bemerke ich noch, dass es auch Völkerschaften mit
ausgesprochenem Negertypus giebt, welche sehr hell sind, allerdings ist der Farben-
ZU
(231)
on dann häufig mehr ein lehmfarbener. Die schwürzesten Leute in Afrika, welche
gesehen habe, waren nicht reine Neger, sondern Mischlinge berberischen Blutes.
Zu Anfang dieses Jahrhunderts befanden sich die Fulbe als Hirten iiber das
Sana Land zerstreut, ein Theil von ihnen hatte sich aber auch schon als Hand-
oe und Schriftgelehrte niedergelassen. Sie wurden von der herrschenden Be-
ferung gedrückt und verspoitet, waren aber zugleich strenge Muhammedaner,
y hrend die grosse Masse der Haussa damals noch dem Fetischdienst zuneigte.
mit ve bei Sokoto lebenden Scheich, Othman dan Fodie oder Schehu Bonifadu
ein Namen, gelang es, seine Landsleute durch begeisterte Reden und Gesänge zu
de ®m Aufstand gegen die unglüubigen Unterdrücker zu begeistern. Der Verlauf
8 nun begonnenen Krieges ist wohl beispiellos in der Geschichte Afrikas.
ir Im Sturm eroberten die Fulbe das Land. Eine Art von Lähmung hatte sich
"i Gegner bemüchtigt, denn selbst das damals schon mächtige: Kano öffnete
a Be Thore ohne Gegenwehr. Dabei ist noch zu bemerken, dass die Haussa ihren
Sta in Bezug auf Zahl und Bewaffnung überlegen waren und in befestigten
ong wohnten. Nur in Saria unterwarf sich der Konig nicht den Eindringlingen,
Ne ern wandte sich mit seinen Getreuen nach Süden, wo er unter den Abudschi-
A ein neues Reich gründete. Sein Nachkomme ist noch heute ein Feind der
gen Dynastie und nennt sich auch noch Konig von Saria.
best Othman dan Fodie nahm nun für sich und sein Geschlecht Besitz von den
der chenden Thronen und gründete eine neue Dynastie. Allmählich erlahmte aber
ergy iegsdrang der Fulbe, die noch das Reich Nupe, sowie Theile von Yoruba
ver êrten, und in den Stüdten verloren sie bald die Eigenart ihres Wesens. Sie
ei Mischten sich mit den Haussa und büssten dabei in den meisten Füllen ihre
op nen Sitten und Sprache ein. In Saria, was zur Zeit des Besuches von
m, Perion noch überwiegend eine Fulbestadt gewesen zu sein scheint, konnte
na, Zur Zeit meines Besuches kaum noch Spuren ‚davon entdecken. Mit Aus-
weit? einiger kleiner Städte im Norden, ist überall jetzt das Haussa-Element bei
°M vorwiegend.
Aus Ungeführ in der gleichen Zeitepoche des Fulbekrieges wurde auch von Bornu
Rig Reich Fumbina oder Adamaua begründet, wobei die Fulbe bis in das
bes engebiet von Kamerun vordrangen. Nach den wenigen Städten, die ieh dort
ein, be, zu urtheilen, scheint sich das Fulbe-Element ebenfalls sehr mit dem der
a oomen Bevölkerung vermischt zu haben, doch hat sich dort die Fulbe-Sprache
€rrschend erhalten.
kle; Noch stetig wird aber jetzt das Völkergewirr vergrossert durch die Aufsaugung
Merer Stämme und den Import von Sklaven aus dem Hinterlande von Adamaua.
eig on kann jetzt die Bevölkerung der Haussaländer in folgende Hauptgruppen
en:
3) iD Die eigentlichen Haussa, welche durch Sprache, Zahl u. s. W. dominiren;
im Be Fulbe, welche sich nur noch an wenigen Stellen rein gehalten haben, aber
Münze der Throne von Sokoto, Gandu und Adamaua sind; 3) die Fulbe-Misch-
5) dus 4) die zahlreichen noch im Lande zersireut lebenden Heidenstámme;
Gand, Nupe und Yoruba, sowie 6) die Bewohner der westlichen Provinzen des
Werden ss die von verschiedentlichen Völkern des alten Sonrhaylandes bewohnt
—— gebe nun schnell eine Aufzählung der wichtigsten Provinzen oder Unter-
Alte 8reiche, und zwar nur der jetzt bestehenden, ohne aus Zeitmangel auf die
Ving s eressante Eintheilung einzugehen. Zu Sokoto gehort jetzt: Erstens die Pro-
okoto selbst, ferner Samfara, Katschena, Kano, Bautschi, Saria, Gombe,
(323)
Muri; die letztere Provinz, welche direct unter dem Thronfolger von“ Yassaure
steht, hat auch Unterkónigreiche jenseits des Benué in Dschibbu und Ibi.— Auch
das Reich Korrorofa ist schon beinahe ganz von Haussa abhängig. Zu Saria, auch
Soso oder Seksek genannt, gehóren Keffi und Anassarawa. In einem gewissen Ab-
hängigkeitsverhältniss soll auch das Volk der Asbenaua ([morschah) stehen, doch
unterwerfen diese sich wohl mur zeitweise freiwillig, wenn sie des Salzhandels
wegen die Städte besuchen.
Unter dem Emir von Gandu befindet sich ein Theil von Kebbi. Mauri, Saberma,
Dendima, Gurma scheinen jetzt sehr wenig abhängig zu sein. Hingegen zahlt das
wichtige Königreich Nupe, sowie ein Theil von Yoruba mit der bedeutenden Stadt
Ilorin (Elorny) an Gandu Tribut.
In Adamaua stehen unter dem müchtigen Sultan von Jola Gasska, Bagnio, Tibati,
Ngaundere.
Der Sultan von Sokoto ist als sseriki-n-musulmin, d. i. Beherrscher der
Gläubigen, der Oberherr aller Haussa. Jährlich einmal finden sich die direct unter
seinem Scepter lebenden Könige ein, um Tribut zu zahlen, den er auch manchmal
ausser der Zeit erhebt. Er kann Könige ab- und einsetzen. Das Hofleben ist
ziemlich entwickelt. Jeder grosse Kónig hat seine Minister, Generale,. Ceremonien-
meister, Richter, Priester, Schreiber.
Der König ist die höchste Instanz für die Rechtsprechung, die sonst von
Richter oder Ortsvorstand ausgeübt wird. Der Religion nach bekennen sich die
Haussa zum Islam, welche Glaubenslehre in Westafrika, sogar oft da, wo sie, wie
an der Küste, mit dem Christenthum concurrirt, beständig mehr Anhänger ge-
winnt. Die gebildeteren Haussa sind zwar fromm, aber nicht fanatische Mohamme-
daner, eher jedoch die Fulbe, welche auch von strengeren Sitten sind. Die ge-
wóhnlichen Leute besitzen nur einige Aeusserlichkeiten der Religion und sind
froh, wenn sie eine Sure des Koran herplappern künnen.
Schulen und Priester giebt es in allen Städten.
Sklaverei, eine uralte Sitte bei den meisten rohen und Halbculturvólkern, besteht
auch bei den Haussa, doch tritt sie hier in einer sehr milden Form auf. Der Sklave
ist durchaus nicht rechilos; die Behandlung eine sehr gute. Er kann zu hohen Ehren
stellen, sowie zu einer gewissen Selbständigkeit kommen, seine Kinder bleiben jedoch
noch dem Herrn hôrig. Verwerflich sind eigentlich nur die aus Beutelust unter-
nommenen Jagden. Man muss das Haussaland in seinem nördlichen Theile als
sehr bevölkert bezeichnen, Bei Tagesmärschen von 6—10 Stunden passirten wir
dort öfters 3—10 Städte und Dörfer. Die Hauptorte, wie Keffi, Saria, Bautschb
Kano, Katschena, Sokoto, Wurnu, wären selbst nach unseren Begriffen schon Mittel-
städte zu nennen. Kano, die reichste und vorgeschrittenste Stadt, mag wohl 60
—80 000 Einwohner haben. Annähernd so gross ist Jacoba-n-Bautschi. Zum
Schutze vor feindlichen Ueberfällen sind die Städte mit einem Graben und mehr
oder weniger hohen Mauern umgeben und gewähren von aussen einen beinahe
mittelalterlichen Eindruck, nur dass die höheren Thürme fehlen. Die Thoreingäng®
sind. thurmartig befestigt. Die Thüren werden theilweise durch die bekannter
Holzschlösser geschlossen, zu denen ein Oberwächter den Schlüssel hat.
Die Form der Lehmhäuser ist die runde, mit spitzem, kegligem Dache. In
der Regel gehört eine Anzahl von Häusern zu einem Gehöft, das mit einer Mauer
oder einem Zaun umgeben ist. Der Eingang geht durch ein offenes Durchgangshaus,
welches als Versammlungsort oder Gastherberge benutzt wird. .
In den Städten giebt es jedoch auch schon grössere, rechtwinklige Häuser mit
A,
(223)
Zwei Stockwerken, während man in Königspalästen und einigen Moscheen schon
Hallen. mit kuppelförmigen Decken findet. .
Die redegewandten, intriguenhaften und verschmitzten Haussa sind geborne
Kaufleute und .besiizen ein ganz hervorragendes Handelstalent. Handeln und
Schachern ist neben Schwatzen und Schlafen ihre Lieblingsunterhaltung. Grôssere
Karawanenzüge von kleineren Leuten oder reichen Händlern, die für weite
Reisen einen Führer oder Madugu wählen, werden von den Haussa nach
Adamaua zur Erlangung von Elfenbein und‘ Sklaven und nach Fanti, dem
Hinterlande von Accra und Togo, zum Einkauf der Goro oder Kolanüsse unter-
lommen. Die Kolanüsse sind das beliebteste Genussmittel, welches vom Könige
bis zum Träger hinab gekaut wird. Nirgends jedoch habe ich die Kolanuss als
Anregungsmittel bei Strapazen angewandt gesehen. Der Preis einer Goro schwankt
"1 den Haussaländern zwischén 50—400 Kauri. (Mit 2—400 Kauri kann sich
Schon ein Mann pro Tag ernähren.) Die Kaurischnecken bilden den Werthmesser,
du den Alles zurückgeführt wird. Ein Sack enthält 20 000 Stück. Grössere Gegen-
Sünde werden indessen auch mit Gewündern und Sklaven bezahlt.
Àn den Hauptstrassen der Stadt sitzen, ebenso wie an den Knotenpunkten der
Landstrassen, Händlerinnen, welche Lebensmittel und Getränke verkaufen. Das
Jeupttreïben entwickelt sich indessen auf dem Markte. Dieser ist gleichsam der
Phtmelpunh für das gesammte Erwerbsleben der Stadt. Hier gehen aber auch
roule hin, um Neuigkeiten auszutauschen und zu plaudern. Ebenso werden wich-
se Bekanntmachungen des Königs hier ausgerufen. Die Stände für die verschie-
denen Arten von Waareü sind getrennt. Kurzwaaren und Tuche werden von
legende Händlern auf dem Kopfe zur Schau herumgetragen. Auch die Handels-
Termite, als Commissionüre und Makler, fehlen nicht; ihnen steht eine be-
Hime Provision zu.
‚Sehr entwickelt ist aber auch in den Haussaländern die Industrie. Diese setzt
e Einwohner in Stand, nicht allein alle ihre Bedürfnissartikel, sondern auch
lxusgegenstände selbst herzustellen. Im Anfang war ich der Meinung, dass die
Araby einen grossen Einfluss auf die Entwickelung des Handwerkes und ‚den
geschmack der Haussa ausgeübt hätten. Ich kam aber später zu der Ansicht,
QN dies nicht im wesentlichen Maasse der Fall gewesen ist, dass vielmehr wohl
ks Fulbe und die Berber, soweit es sich nicht um eine eigene autochthone afri-
di che Kunst handelt, belehrend gewirkt haben. Hervorzuheben ist vor allem
Nr lextilindustrie. Vorzügliche Baumwolle wird im Lande gebaut. Fleissige
x Aber zupfen sie mit einem Bogen und spinnen sie mit Wirteln, deren be-
"Hrerendo Thonkugeln oft bunt bemalt sind, zu Fäden, die sie dann später bis
a Ziemlichen Feinheit drehen. Auf einem einfachen Webstuhl stellt der Weber
n 5—6 cm schmale Streifen her, welche darauf zu einem breiten Stück zu-
""heneonübt werden. EE |
G Die Färbung geschieht entweder im Faden oder, wie bei den tief blauschwarzen
js ändern, im Stück. Man muss den Geschmack der Leute bewundern, denn
Pine schreiende Farbenzusammenstellung beleidigt das Auge. Das Hauptfärbe-
Hite) ist Indigo, der hier in sehr guter Qualität gewonnen wird. |
d Die Fürberei, die ebenso wie die Weberei ein Münnerhandwerk ist, steht in
" Kanogegend in der hóchsten Blüthe; dori werden namentlich die tef blau-
legpy en Gewünder, denen man durch Klopfen einen appreturartigen Glanz ver-
Pa 5 als Exportartikel hergestellt. Zum Rothfärben nimmt man verschiedene
a zen, eine Sorghumart, sowie Baphia nitida. Endlich sah ich noch _ocker-
tige, sowie violette Färbungen, letztere aber selten. Sehr beliebt ist eine Art
ay
(234)
feiner weisser Gewänder mit rothem Unterbesatz, ich bemerke aber gleich, dass davon
die feinsten Qualitäten in Nupe und in der Yorubastadt Ilorin (Elorny) angefertigt
werden. Ferner giebt es gitterartig weiss und blau gestreifte, ganz bunte u. 8. W-
Ein Schneider besorgt das Zusammennähen des langen Haussagewandes, dem
sogenannten sudanesischen Hemde, das sogar von Arabern getragen wird. Zum
Nähen der Gewänder benutzt man einen stärkeren Zwirn, von der Seide eines
Saturniden. Uebrigens kommt auch schon europäische Seide auf dem Wege des
Zwischenhandels ins Land. Besonders geschickte Leute versehen den BrustlatZ
mit weisser, blauer, namentlich aber grüner Stickerei von eigenartigem Muster,
ebenso die engen Enden der weiten Hosen. Natürlich machen billige europäische
Schundwaaren schon erhebliche Concurrenz, doch kännen sie an Haltbarkeit nicht
mit den einheimischen Stoffen concurriren. Der Preis eines Gewandes schwankt
von 8000—100 000 Kauri. Bemerkenswerth ist, dass Haussa- und Nupegewänder
einen starken Exportartikel nach den Tuareggländern bilden, sie gehen aber auch
bis nach Bornu, Murzuk, dem Hinterlande von Accra und Togo, sowie nach Lago®
wo sie von frommen Gläubigen mit 2—10 Pfd. Sterl. pro Stück bezahlt werden,
während man dort schon europäische Anzüge für 1 Pfd. Sterl. erhält. Sogar nach
Brasilien sollen Haussa-Stoffe ausgeführt werden.
Nüchst der Weberei ist die Lederindustrie entwickelt. Auch hier sind die ge
schmackvollen Muster, welche theils durch Zusammensetzung von bunten Stücke
theils durch Radiren von Flächen oder Einpressen von Linien erzeugt werden
recht bemerkenswerth. Hergestellt werden: Sandalen, Pantoffeln, Schuhe, Stiefel;
ferner Sattel- und Zaumzeug, Taschen, Gebetbuchdeckel u. s. w.
Sandalen, sowie Oel- und Buttergefiisse, Spiegelbüchsen und andere kleine
Behälter werden aus Fell und Haut, die übrigen Sachen aus gegerbtem Leder ge”
macht. Ziegenleder und Schafleder wendet man für feinere Sachen an. Gefürb!
wird das Leder roth, schwarz, gelb, grün. Grünes: Leder wird indessen auch vom
Assbins eingeführt. Gelbe und rothe Haussa-Pantoffel findet man weit verbreitet
Als ein hauptsächliches Handwerk nenne ich noch die Schmiedekunst, die j?
viele afrikamische Vülker, vielleicht schon seit Jahrtausenden, kennen. Die Güte
der hergestellten Sachen hängt natürlich sehr von der Geschicklichkeit der ein
zelnen Person ab. Mit einem einzigen Hammer und Ambos kann ein geschickte
Schmied schon viel leisten, indessen besitzen die Haussa-Schmiede bereits Hammer
Ambos, Zange, Blechscheere, Feile, Blasebalg und Holzkohlen. Natürlich können
die Werkzeuge sich nicht mit europäischen messen, aber sie genügen doch zu"
Ausführung zierlicher und brauchbarer Sachen. So brachte ich z. B. ein ärztliches
Messer von ziemlicher Feinheit der Schneide mit. Die Schmiedekunst stellt alle
Gegenstände dar, die zum Haushalt, Ackerbau, Zaumzeug, Bewaffnung u. s. w- £€
braucht werden. Die Klingen der grossen Haussa-Schwerter bestehen jedoch meistens
aus eingeführtem Material. Zu den Arbeiten der feineren Schmiede gehóren auch
noch die eines Gelbgiessers und Giirtlers. Von einem besonders geschickten
Schmied erhielt ich sogar silberne Broschen von eigenartiger Form. Die Stellung
der Schmiede ist hier nicht untergeordnet, wie bei manchen afrikanischen Välkern-
Die übrigen Handwerke sireife ich nur flüchtig.
Die Korbflechterei liefert schöne Matten mit interessanten Mustern, Schüsseln,
Deckel zu Calabassen u.s. w. Auch hier zeigt sich guter Geschmack. Ich be
merke indessen, dass auch sehr schóne Maiten bei den tiefer stehenden Egbirr
Negern am Benuë hergestellt werden. Tischlerei existirt, hauptsächlich wohl 19
Folge des Mangels an brauchbarem Holze, nicht. Aus Holz geschnitzt werden die
(235)
einen Schemel für die Weiber, grosse Essgefässe, Morser u.s. w. Doch leisten
den er Schnitzerei tiefer stehende Negervülker ebenso Gutes. Viele Gefässe für
durch Pat liefert die Schale des Kürbis (sogenannte Calabassen), die entweder
Yon à chnitzereien oder Bemalungen verziert werden. Kleinere Gefässe stammen
Wasser. Früchten einer Strychnacee. Die Töpferei versorgt den Haushalt mit
will ich und Kochgefüssen, Lampen, Krügen, Pfeifenkópfen u.s. w. Bemerken
Puritay bei den Pfeifenköpfen, dass die gebildeten Haussa wohl in Folge des
tameii Einflusses der Fulbe nicht rauchen; nur einige Leute aus dem Volke,
kauen im aber die noch unabhüngigen Heiden rauchen mit Vorliebe. Hingegen
fehlen 16 Haussa gern Tabak mit etwas Natron vermischt, wenn ihnen Goronüsse
Yon i Nicht unerwühnt lasse ich die Einlegearbeiten bei der Herstellung
legen Agen, wobei Messing in hartes Holz tauschirt wird. Die Assbins
indem essig in Eisen ein. Die Nupe besitzen sogar eine Art Glasindustrie,
Schmelze. buntgefärbte Armringe aus dem Glase von europäischen Flaschen
Fle nenne nun noch einige Gewerbe. In grossen Städten giebt es eigene
Shtent or. Fahrende Gaukler und Musikanten findet man im ganzen Lande zer-
kein | Einige Herrscher halten sich Kapellen von Singe- und Spielweibern, welche
legitime Ehe eingehen dürfen.
wing Heilkunst steht noch auf einer verhältnissmässig niedrigen Stufe, Sie
ipei, ons ausgeübt von Priestern und klugen Leuten durch Besprechen, Be-
Sollen Aufschreiben von Koransprüchen. Amulette, die unverwundbar machen
Unter aud ebenfalls dort zu haben. Ferner giebt es eine Anzahl von Hausmitteln,
Theo enen manches Brauchbare sein mag. Ein recht harmloses Mittel ist Butter.
He, Segen Husten, Pillen gegen verdorbenen Magen bringen die Tuaregghändler.
Doggy, ehende Barbiere setzen auf Verlangen Schrüpfküpfe. , Bei einem solchen
hielt R fand ich ein interessantes Besteck, welches ich erworben habe. Es ent-
Comp asirmesser, Horn und Messer zum Schrôpfen, Zahnzange und ein etwas
Koh Cirtes Instrument, welches zum Herausholen einer weissen Masse aus dem
Ka? dienen sollte; namentlich Kinder leiden nach der Beschreibung an dieser
Dome eit, die vielleicht der Bräune ähnlich ist. Pincetten zum Herausziehen von
Blogg, aus den Füssen sind ebenfalls bekannt. Es giebt auch Medicinen für die
p, Ind Schmiede besorgen das Ausbrennen von eiternden Druckstellen.
fre; Y ei dem "Thema Krankheiten erwühne ich noch, dass auch diese Gegenden nicht
Nan Malaria sind und selbst die Haussa an Fieber leiden und einen eigenen
tine, dafür haben. Hier kann wohl das Mitschleppen der Krankheitskeime aus
ki rien Gegend nicht ins Gewicht fallen, denn Reisende, die von Nordafrika
Ühige ; Sowie die in Folge ihrer häufigeren Vermischung mit Negerblut widerstands-
150090 Araber sind. hier ebenfalls erkrankt und gestorben. Eine Erhebung von
Besse, 000 Fuss über dem Meeresspiegel hat meiner Ansicht nach nichts für eine
die Mar. zu besagen. Auch in den von mir besuchten Orten der Westküste tritt
ung Maria mit ihren Folgeerkrankungen in einer besonders heftigen Form auf,
den ph auch durch hygieinische Verbesserungen die Zahl der Todesfálle unter
ford Form sehr verringert werden kann, so wird das Klima doch stets Opfer
Retype nd nur einen bedingungsweisen Aufenthalt gestatien. Aussüizige, Blinde,
finer, " sieht man häufig bettelnd an den Strassen sitzend. Albinos habe ich in
ich im ale beobachtet, partielle Färbung der Haut häufiger. Elephantiasis konnte
an der gem nicht constatiren, wohl aber hiufig am Benué und einen Fall
üste. Am Benus und Niger kommen noch Erkrankungen am Guinea-
CEE
wurm vor. Die Eingebornen leiden hüufig an Dysenterie. Wührend meiner Reise
kamen mir drei geisteskranke Männer zu Gesicht.
Auf den Ackerbau kann ich wegen der Kürze der Zeit nicht eingehen. De
Hauptnahrungsmittel bilden Sorghum, Penicillaria und Erdniisse, daneben Re
Mais, Zuckerrohr, Yams, Bataten, Manihot, Colocasien und anderes mehr, Weize"
gedeiht im Norden.
Die Viehzucht, wo sie als solche getrieben wird, liegt in den Händen de
Fulbe. Hausthiere sind das Pferd, der Esel, das Buckelrind, das Schaaf, die Zieg®
der Hund und die Katze (letztere sehr selten). Ferner das Huhn, die Ente, der
Truthahn, die Taube. Im Norden in wenigen Exemplaren das Dromedar und de
Strauss. Beide gedeihen aber in der Regenzeit schlecht. .
Kurz erwähne ich noch die Kleidung. Alle münnlichen Haussa tragen €?
zwischen den Beinen durcehgezogenes Schamiuch. Die halbwegs vermügende?
Leute darüber weite Hosen und das hemdartige Gewand. Das geschorene Haupt
wird mit einer Stoffmiitze, Kappe, Turban oder Strohhut bedeckt, Kónige und
Vornehme tragen den Gesichtsschleier. Von Arabern eingeführt ist der Burnt
und Haik. Aermere Leute, sowie Trüger auf dem Marsche lassen das eine oder
andere grosse Kleidungsstück fort. Ganz arme Sklaven haben auch wohl nu^
jedoch sehr selten, ein Schamtuch. In Samfara iíraf ich bei der Landbevólkerung
eine Art von Lederschurz. Soweit die Männer nicht barfuss laufen, gebrauchen SI
Sandalen oder Pantoffeln, beim Reiten Schuhe mit Sporen oder hohe Stiefel. Im
Kriege giebt es Helmträger und Waitepanzerreiter. Müdchen, sowie arme Fraue?
haben ein von den Hüften bis über die Knie gehendes Umschlagetuch. Verher
rathete Frauen darüber noch ein längeres, welches von den Achselhóhlen bis Z"
den Knócheln geht. Reiche Frauen tragen darüber noch ein Tuch. In Kano sab
ich gestickte Ueberwürfe, sowie hemdartige Gewänder.
Die Frau geniesst in den Haussalündern eine geachtete Stellung und ziemliche
Freiheit.
Männer schmücken sich mit Ringen um den Oberarm und behängen sich mit
Amuletten. Eitle Burschen färben sich die Augenründer mit Bleiglanz, sowie die
Hände röthlich mit Kräutern, Frauen die Fingernägel mit Henna, die Haare mii
Indigo, die Wangen mit Rothholz und die Zühne mit einer Art Kolanuss. Si¢
tragen um den Hals, den Leib, die Arme und Beine Perlenschnüre, Spange?
Ringe u.s. w. Bei Perlen giebt es ganz bestimmte Moden. Ohrringe, Fingerring?
Nasenperlen findet man mitunter ebenfalls.
Bei den Korro- und Yesko-Heiden, welche sich in das Gebirge auf Felsen oder I
Waldschlupflócher zurückgezogen haben, gehen die Frauen ganz nackt oder tragen
nur ein eigenthümliches Kleidungsstück, welches aus zwei Lappen von der Gröss®
eines Fünfmarkstückes besteht. Diese Lappen werden vermittelst einer Schnur 9?
das Gesüss befestigt. Andere haben nur eine Lederschnur um den Leib gebunde?»
durch welche vorn und hinten Blätter oder Gras gesteckt werden. Die Korro”
weiber durchbohren auch Ober- und Unterlippe und fügen ein rundes Holz-, Glas
oder Knochenstück ein. .
Von fremden Vólkerschaften, welche die Haussalünder berühren, nenne ich 1) die
Araber. Sie halten sich des Handels wegen in einer Anzahl von 60— 100 Persoue?
in Kano, sowie in geringer Anzahl in anderen Hauptsidten auf oder durchziehe!^
Handel treibend oder an Fürstenhôfen schmarotzend, das Land. Von den frommen
Haussa werden sie mit dem Titel Scherif beehrt. In weit grósserer Anzahl kommen
zur Trockenzeit 2) Asbins, das sind Berbervólker, um das Salz aus den Sebchas der
236)
(237)
m. sowie Straussenfedern, Harze, Pferde, Medicinen u. s. w. gegen blaue Toben,
0 veide und Sklaven zu verkaufen. Doch bin ich durch weite Gegenden gezogen,
Vig, der Araber, noch Asbins hingelangt waren. 3) Kanuri-Leute mit Natron und
Laon Yoruba- und Nupe-Leute mit Zeug und Lederwaaren, sowie Mekkapilger aus
808 durchziehen die Länder.
ony werden die Haussa noch näher mit Europäern in Verbindung treten,
Fact an den Ufern des Niger und Benuë bestehen schon seit Jahren, englische
dos en. Auch uns Deutschen stand das ganze Nigergebiet offen und wir konnten
die ohne den Ballast von Oberhoheitsrechten in den Wettbewerb eintreten. Um
die An thschaftliche Bedeutung dieser Linder zu bezeichnen, sei nur erwähnt, dass
hay, AT aus dem Nigergebiet 8 —10 mal grósser ist, als die von unseren ver-
Deu.) sig armen ostafrikanischen Besitzungen. Hoffentlich werden sich aber
eii auch fernerhin bei der Erforschung dieses interessanten Gebietes be-
T Hartmann fragt, ob das unter den ethnographischen Gegenden der Haussa-
Pme anzutreffende geradklingige Schwert mit Kreuzgriff, so ähnlich der be-
jenes en entsprechenden Kriegs- und Jagdwaffe der Nubier und Ostsudanesen, in
tion , Michen Ländern ein Gegenstand gewöhnlicher, einheimischer Fabrika-
ing Staudinger bejaht dies in Bezug auf Scheide und Griff, zu den Klingen
Vielfach eingeführtes Material genommen.
(24) Hr. Ehrenreich hält einen Vortrag über die Bororó in Central-Brasilien.
Sup) Hr. Biissler stellt eine grössere Sammlung von Photographien von
Ara ays,
ta) Hr. G. A. B. Schierenberg übersendet eine Druckschrift „die Münz-
Mon Ung in Barenau“, welche wesentlich gegen die Ausführungen des Herrn
sen in Betreff des Ortes der Varus-Schlacht gerichtet ist.
Mie Hr. Fritz Rödiger in Solothurn schreibt, im Anschlusse an seine früheren
lungen (Verh. 1890. S. 504), unter dem 18. December 1890 über
vorgeschichtliche Kartenzeichnungen in der Schweiz.
By einem Versprechen gemäss sende ich Ihnen noch einige Schaffhauser
bay; P oducte zu [Ihrer Beurtheilung, damit Sie daraus ersehen, — was fast un-
da, ich und unglaublich ist, — dass die Kunstfertigheit und Wissenschaft
Ung d höher gestanden haben muss, als zur Zeit der gewöhnlichen Schalensteine
Zeiger da wohl daran zu denken erlaubt ist, dass dies mitsammen in eine
Ties fiel. Denn wenn man z. B. die Schaffhauser Hóhlen, namentlich die
8er, an Ort und Stelle genauer betrachtet, so liegi zweierlei ganz nahe:
» óftere Ueberschwemmung des unteren Theiles und
) Eins chwemmungen weggeworfener oder verlorener Gegenstände vom
8i Schónenbühl, der eigentlichen Ansiedelung, her.
ge che Pläne und Kärtchen aber bekunden hauptsächlich eines, dass die
weithin besiedelt sein und Verkehrswege haben musste, sogar in ferne
AA
Figur 1.
Figur 2.
Ein Theil der Facade der Freudenthaler Höhle Ein Theil nach der Karte Siegfried (var
(Teufelsloch), aufgenommen im Juni 1890 (etwas kleinert, also 1 : 50000). A Badisch ;
zu niedrig!). Enclave Büsingen, S. W. Schaffhaus?
Wald, 1 Hexenthal, 2, 2 Holderw0®
Vigur 8. 3 Fussweg, 4 Kohlengraben, 5 Weg n9
- Schaffhausen und Ulm, 6 GennersbruD"
Figur 4.
Kartenbild nach der alten Kantonskarte von Die 30 m und mehr hohe Fluhwand über
Peyer 1830. A Enclave Büsingen. F, F das der Twanner grossen Felsenhühle, g^
Freudenthal. T Teufelsloch. (H Hôhle.) St Stein- zeichnet von der Bahnstation-
ücker. Th Thayngen. 1 Opfertshofen, 2 Bibern,
8 Schlatt, 4 Barzheim, 5 Büttenhard, 6 Lehm,
1 Ziegelhütte, 8 Stetten, 9 Dorf und 10 Schloss
Herblingen, 11 Gennersbrunn, 19 Spitzwiesen.
Lünder (denn anders ist Nr. 77, Fig. 8, nicht zu erklüren). Dass bei solchen Cultu
zuständen die Paar Hóhlen schon an sich eine ganz andere, als eine Wohnbede
iung,") haben mussten, versteht sich von selbst, ganz abgesehen von der merk
würdigen geographischen Ausarbeitung des Inneren, wie des Aeusseren. Leizteré?
deutet sehr wahrscheinlich auf. óffentliche Gemeinde- und Staatszwecke 3
Die geographischen Höhlenfacaden, wenn sie sich weiter bestätigen, ze
an, dass man auch in der Schweiz anstehende Felsen in grósserem Maassstab
benutzte, als bisher bekannt war. Also ähnlich, wie im Fichtelgebirge und m
Irland, wie in Asien. Ich kannte bisher nur 2 Fälle: einen im Solothurner Juri
einen im Wallis (Sitten).
1) Uebrigens giebt es in der Schweiz und wohl auch in anderen Ländern heute noch
eine ziemliche Anzahl von Hóhlenwohnungen, auch auf den Alpen, als Käse- und Alpenbüti^.
benutzt. Die modernsten im Kanton Schaffhausen, gegenüber dem Einfluss i
Thur in den Rhein, im dortigen Buchberg, ganz comfortabel eingerichtet mit Thüren ui
Fenstern in einem mächtigen Sandfelsen.
255)
(239)
Figur 5. Figur 7.
K .
tv nach Dufour (verkleinert, daher
Bern ng --- Kantonsgrenze zwischen
Spies Neuenburg. B. S. Bieler See. 8.
A ann, 1 Partier, 2 Siesse, 3 Lamboing,
81; gui: erg, 5 Mühlen, 6 Préles, 7 Weiden,
11 Lige re, 9 Moulin blanc, 10 Neuveville,
Stein «72, 12 Twann, 18 Gaicht, I Schalen-
burg ok englischen Garten zu Neuen-
zu Bor Schalenstein, jetzt im Antiquarium
des Lang stellung des Tessenbergs und _
Stein, IV s bis und mit Biel), LIT Schalen- ^ Kartenbild (Dufour, verkleinert, 1 : 500 000).
lich Schal tein in der Hôhle, wahrschein- I Klettgau's Centrum, Il Randen, III Reiat,
Mit einer énstein, V Grosser Wackelstein IV Höhgau, V Thurgau. W Strasse nach
Hop, ; dehnten Fläche. o Grosse Waldhut. 1 Lausheim, 2 Blumenberg, 3 Rud-
In der Twanner Bachschlucht. óschingen, 4 Watterdingen, 5 Altdorf, 6 Engen,
1.Stühlingen, 8 Grimmelshofen, 9 Fuezen,
10 Epfenhofen, 11 Randen, 12 Thayngen,
18 Blumenfeld, zwischen 14 und 6 Hohen-
Figur 6.° hôwen, 15Bezingen, 16 Merishausen, 17 Opferts-
hofen, 18 Alten, 19 Hofen, 20 Schlatt, 21 Hohen-
Stoffeln, 22 Riedheim, 28 Hitzingen, 24 Hohen-
twiel, 25 Mühlhausen, 26 Schlatt, 27 Hohen-
krähen, 28 Singen, 29 Risalingen, 90 Ramsen,
31 Thayngen, 32 Lehn, 893 Büttenhardt,
: 34 Randenburg, 35 Kirchhaldenbuk, 36 Hem-
7 menthal, 37 Schaffhausen, 38 Güchlingen,
39 Ober-, 40 Unter-Hallau, 41 Neukirch,
42 Haslach, Schloss, 43 Jestetten, 44 Alten-
Nr. 7e der T or Hi al burg, 45 Rheinau, 46 Rafz, 47 Herdern,
Gra haynger Hohlenfunde, natür. — 48 Eglisan, 49 G]attfelden, 50 Marthalen, 51 Al-
rôsse, Knochenplättchen. ten, 52 Andelfingen (Thurbriicke), 53 Schlatt,
54 Basadingen, 55 Stammheim, 56 Dörflingen,
57 Herblingen, 58 Hemmishofen,
tui Für heute sende ich Ihnen zur Ergänzung des Berichtes über die Freuden-
Wie none (das Teufelsloch) bei Schaffhausen noch einen Theil der Façade,
Sehr . Solche skizzirte trotz Wald und Gestrüpp (Fig. 1). Das Kartenbild entspricht
ist die on trotzdem ich nur einige Hauptmerkmale notirt habe. Interessant dabei
Sie s lgur A der Hôhlengeographie und A der allermodernsten Aufnahme (Fig. 2).
Exact, viel ühnlicher, als das A aus der Karte von Peyer (Fig.3). Diese
Nuan, eit der urgeschichtlichen Feldmesser, welche sehr häufig die kleinsten
Senge wiedergaben, ist mir schon oft aufgefallen. Die Bilder, welche ich Ihnen
» Sind meinerseits nie ganz mathemathisch richtig aufgenommen, weil mir
(uu
meistens die Zeit mangelte, da ich sie nur gelegentlich, bei Expertisen u. $: "^
mit mache.
II. Im August dieses Jahres nahm. ich auch einmal, aber ganz flüchtig und
gelegentlich, da ich nur eine fernere Bestätigung suchte, den oberen Theil der
grossen Höhle ob Twann und Ligerz (der Bieler Insel gegenüber) auf (Fig. 4)
und siehe da: auch hier tritt nach dem Kartenbild (Fig. 5, Dufour 1 : 100 000)
cine nicht zu verkennende Aehnlichkeit auf, die bei einer photographische?
oder sonst genauen Zeichnung ganz schlagend wird.
Die Höhle liegt mehr als thurmhoch nördlich ob dem Städtchen Twann m
einer colossalen Felsengruppe. Der Ort hatte oder hat auch einen Kephaloid beim
Wasserfall, aber sehr verwittert; davor im See war ein Pfahlbau. Die Hohle ist
sehr gross und zeigt Steinbearbeitung roher Art. Man spricht von einer Kanzel
und dergl. In der Mitte befindet sich ein grösserer Stein von Kalktuff (Fig. 5, IV)
der jedenfalls ein Zeichen- oder Schalenstein ist (wenn er erst abgeklopft se?
wird). (Hr. Edm. v. Fellenberg hat ihn schon einmal beschrieben im Zürcher
„Anzeiger“.) Diese Gegend ist sehr reich an vorgeschichtlichen Dingen, neben
den Pfahlbauten. Interessant ist der mächtige Hohl- oder Wackelstein in Gaicht
(Fig. 5, V), der aber nicht mehr wackelt, weil er seine Kalkunterlage abgedrück!
hat. Von der Höhle aus und vom genannten Stein besonders hat man eine gross
artige Aussicht über See, Hügel und Alpenschweiz.
Der Stein von Lamboing, den Hr. v. Fellenberg auf meine Veranlassung nach
Bern bringen liess, ist der, welcher die Stadt Biel im Grundriss enthält, gan’
wie auf älteren Karten. Ist dies möglich? werden Sie fragen, — es ist so. Es
ist eine Uebersichtskarte über den sogenannten Dessenberg (Diesse), in VO
geschichtlicher, rämischer und mittelalterlicher Zeit eine berühmte Verkehrsade
(Basel-Neuenburg-Genf).
III. Nun zu den beiden Knochenblüttchen, welche in der Thayng®*
Höhle gefunden wurden und von denen eines im Schaffhauser, eines im Constanze!
Museum liegt (in Merk's Buch betr. Grabung Nr. 76 und 77). Nach Analogie meine?
Steinstudien fand ich beifolgende Kartenbilder dazu. Die Blättchen sind keineswe8*
gebrochen, wie man annahm, sondern bilden offenbar eine Abgrenzung im Umris*
Nr. 76 (Fig. 6): das Strassengebiet durch die wahrscheinlich von gleiche"
Völkern bewohnten Thäler und Hóhen, welche heute noch existiren. So erklär
die Volkssage das Dórfchen Hemmenthal (erste Linie von links, Nr. 36 in Fig: 7)
als die ülteste Ortschaft im Kanton Schaffhausen und der Kirchhalder Buck
(keltisch Bak, die Spitze, Hóhe) ist eine weitschauende Erd- und Felsenburg auf
der Höhe des Randens (Nr. 35 in Fig. 7). Es war die urälteste Strasse von Osie?
nach Westen und Nordwesten von 'Thayngen her, an den 3 Hóhlen und den , dre
Schweizern“ (Pantli) vorüber. Man kann manchmal ganz gut mit dem Zirkel nach-
kommen. Sehr sprechend sind die beiden Schalen. Eine bezeichnet Dörflingen (dst
lich), heute noch ein wichtiger Verkehrspunkt (Nr. 56 in Fig. 7); dann aber ist sehr
interessant und übereinstimmend der westliche Ring (I in Fig. 7), der die heute noch
in der Runde liegenden Hauptorte des Klettgaues bezeichnet, das wahrscheinlich
nicht ins Gebiet der Thaynger gehórte. Das Klettgau ist die Schmalzgrube des
Kantons Schaffhausen, wie überhaupt der Schweiz, von unerschópflicher Fruchib?".
keit. Wer überhaupt die Gegend kennt (ich habe dort 2 Jahre gelebt), der erkenn
sofort die Bedeutung des Blättchens. Es sind die Hauptstrassen, von denen heute noch
die meisten gelten, wie II nach dem Norden (Hemmenthal ist vergangen und. durch
Beggingen-Neukirch ersetzt), IV nach Stuttgart und Ulm, V von Diesenhofen nach
Winterthur über Feuerthalen, ebenso Rheinau ebendahin. Ueber Rafz nach Zürich
246)
(241)
Sl +
bise ich nach Kaiserstuhl, Zurzach und Vindonissa (lange vor den Rómern
—— urchs Klettgau ging, scheint es, daher noch wenig oder es wurde nicht
Nr 7) oder galt hierfür Nr. 77, Linie Schaffhausen-Basel (Fig. 9. Nr. 42).
sichtskant (Fig. 8) scheint eine Art von Ueber- Fieur 8
dama) e über den enifernteren Verkehr der lgur 9.
Reit, Hôh- und Klettgauer, Randner und
Ziemlich » sein. Das Kärtchen bestätigt so E
Gegend 1 le Geschichte der Urzeit von besagter
dem n Auch hier lässt sich vielfach mit
Nungen rkel vergleichen, betreffend Enifer-
Zufall und selbst der Bogen ist kein blosser
Und eene ist nach einer gewissen Grenze
Punk, + (Pis. » N d che Nr. 77 aus der Thaynger Höhle,
Tum) und Bu zwischen winterthur ( odu- natürliche Grosse. Knochenpliitt-
Dlosser Zi ülach aus, als Kreisschnitt. Ob, chen. Die Zahlen, wie auf Fig. 9, wo
Veri, all oder Berechnung, werden spätere die Erklärung gesperrt gedruckt ist.
gleiche erweisen.
Figur 9.
Nag :
h ner alten Karte von Frankreich, 1830 in Miinchen von der artistischen Gesellschaft
l Speie herausgegeben, verkleinert auf 1 : 400 000.
Sart, o K 2 Sinsheim, 8 Oehringen, 4 Heilbronn, 5 Hall, 6 Ludwigsburg, 7 Stutt-
M Bun arlsruhe, 9 Pforzheim, 10 Tübingen, 11 Urach, 12 Reutlingen, 13 Sulz,
20 U1 men, 15 Rottweil, 16 Donaueschingen, 17 Neustadt, 18 Stühlingen, 19 Tuttlingen,
26 Thy, 21 Ellwangen, 22 Nördlingen, 23 Donauwörth, 24 Augsburg, 25 Biberach,
31 Bre Yügen, 27 Radolfzell (H Höhlen), 28 Stein a. Rh., 29 Constanz, 30 Lindau,
lugo: a 32 Waldsee, 33 Colmar, 34 Breisach, 35 Freiburg, 36 Mühlheim, 37 Mühl-
4 Siok; 8 Thann, 39 Epinal, 40 Ville, 41 Merecourt, 42 Basel, 43 Hüningen,
7, 89h, 45 Waldshut, 46 Sursee, 47 Sempach, 48 Baldeggsee, 49 Zürich (Z8
~~. "ürieher See), 50 Bülach, 51 Laufenburg. S Schaffhausen. B S Bodensee.
1
Hey ard im Thurn sagt in seinem „Schaffhausen“ 8.3: Bei Beginn der römischen
SO Wohnt h te Oberrhein sollen im Klettgau die Latobrigen, eine gälische Vólkerschaft,
Venga en (vgl. Ring, Nr. 76). Sie waren durch das Randengebirg (Begingen, Randen-
- der Berl, Anthropol, Gesellschaft 1891. 15
À
(o7)
Bei diesen Herren Geometern der Urgeschichte darf man jedoch viel annehme?
nach meinen langjührigen Erfahrungen. Diese beiden Blüttchen sind sehr originell
allein ganz leicht begreiflich. Haben wir doch in unseren Tagen ganz Achnliches
in den Situationszeigern für Gebirge und Feuersbrünste in der Nacht; ja sogar die
kleinen Eisenbahnkürtchen in den Reisebegleitern und Affichen sehen gan
ähnlich aus. .
Nach allen meinen Erfahrungen in dieser Richtung müssen sich nun auch d!é
grossen Steinwerke Stonehenge (Britannien) und die Werke von Carnac (Frankreich)
analog enträthseln lassen, wenn man sich darauf verlegen könnte. —
Hr. Virchow: Die Deutungen des Hrn. Rödiger haben gewiss viel Ver“
führerisches. Er hat mir ausserdem eine Reihe von Mittheilungen über ühnliche
Vorkommnisse im Fichtelgebirge gemacht, welche die aufgeworfene Frage unsere
eigenen Prüfung nahe bringen. Da er beabsichtigt, das Ganze in einem gróssere?
Werke zu veróffentlichen, so wird sich die Gelegenheit zu einer vergleichende?
Prüfung von selbst ergeben. Vielleicht wird sich dann herausstellen, dass Herr
Ródiger in manchen Füllen zu weit geht und dass die Gleichzeitigkeit der Her-
stellung dieser Zeichnungen nicht zugestanden werden kann, aber man wird nicht um”
hin kónnen, zuzugestehen, dass hier €?
ernsthaftes Problem vorliegt, welche?
neue Gesichtspunkte in grösserer Zahl
eroffnet. —
(28) Hr. Voss legt ein nach seine?
Angaben angefertigtes Instrument vO^
welches bei Ausgrabungen für die sub-
tilen Arbeiten, vollständige Freilegun®
und Herausnehmen der Fundgege"
stände selbst, zu welcher Schaufel und
Spaten zu ungeschickt sind, Verwe”
dung finden soll. Dasselbe ist aus sta!”
kem Eisenblech gebogen, 20 cm lavé
und an der breitesten Stelle 5 cm breit
Es besteht, wie die Abbildung zeigt
aus einem hakenförmig umgebogeneb»
und einem lóffelfórmig gestalteten End-
iheile, welche beide durch einen róhre?"
fórmig zusammengebogenen Mitteltheil
mit einander verbunden sind, und Ve"
einigt, wie leicht ersichtlich, eine klein?
Hacke und einen spiizen lôffelfürmige”
Spaten in sich zu einem Ganzen. Es
hat den grossen Vorzug, dass e$ be
quem zu tragen ist, mit geringem Ge
wicht den Vorzug grosser Festigk?
und Dauerhaftigkeit verbindet und die
burg u.s. w. óstlich) von den germanischen Vindeliciern geschieden, welche im Höhgal
(Reiat) und bis an die Donau und den Lech hausten. (Augsburg war bekanntlich d1°
Hauptstadt der Vindelicier.)
“247.
(243)
hung zur Ausgrabung vereinfacht. Bei dem in der Abbildung gezeichneten
Uebel ist der Spalt des mittleren Theiles noch etwas zu breit, welches den
leicht vn hat, dass empfindliche Hände durch die etwas steil gestellten Ränder
fertiote "s gedrückt werden. Ich habe diesen Mangel bei den neuerdings ange-
dan; n Exemplaren dadurch beseitigen lassen, dass der Mitteltheil zu einer fast
Comey, semen Róhre zusammengebogen ist und in dieser Gestalt einen be-
herznet I andgriff bildet, Das Instrument ist leicht von jedem tüchügen Schlosser
gern be en und hat somit auch den Vorzug der Billigkeit. Ich bin übrigens sehr
Shops le falls jemand ein solches Instrument zu besitzen wünscht, bei dem
Solche r Winter hierselbst, welcher diese Grabeeisen für mich hergestellt hat,
zu bestellen. Der Preis stellt sich auf 1 Mark für das Stück.
(29) Hr, Bartels stellt eine
die bärtige Dame,
bei dstu-Lady Miss Annie Jones, vor. Er macht darauf aufmerksam, dass die
Blei, weiblichen Geschlechte auftretende Bartbildung nicht in allen Füllen
nig LIE ist, sondern dass man vier verschiedene Arten der Weiberbärte zu
junge, piden vermag. Die erste Art ist das sogenannte Bärtchen, wie man es bei
Sich hi amen, namentlich mit dunkler Haarfarbe, nicht selten sieht. Es handelt
der W " um eine etwas dichtere Entwickelung und cine stärkere Pigmentirung
vor de lhaare, so dass namentlich auf der Oberlippe, aber bisweilen auch dicht
Die Am Ohre in der obersten Backenbariregion ein leichter Flaum hervorsprosst.
Nach dete Bartform findet sich bei älteren Frauen, mit wenigen Ausnahmen erst
an de Wechseljahren. Hier entwickeln sich an der mittleren Kinnpartie und
Dorsten: Seitlichen Abschnitten der Oberlippe dünngesäete, aber an sich dicke,
kaum ähnliche Haare. Bei einem Manne würde man eine derartige Haarbildung
tit d dem Namen Bart bezeichnen. Dieser Zustand steht auf gleicher Linie
dy de. bei alten Hühnern ófter beobachteten Auftreten der Hahnenfedrigkeit,
dem Hor Entwickelung von Sichelfedern und eines Kammes, sowie einer fieferen,
Sting ähnlichen Stimme. Auch bei den betreffenden alten Frauen nimmt die
Zeigen sehr häufig eine mehr männliche Klangfarbe an. Eine dritte Art des Bartes
dieses du. ibliche Wesen, welche an Hypertrichosis universalis leiden. Es 'sind
tie gewöhnlich als Hundemenschen, Affenmenschen oder Haarmenschen be-
Die 1, aber nur in seltenen Füllen beobachteten Monstra. ——
handelt Esau-Lady zeigt uns ein Beispiel der vierten Art des Weiberbartes. Hier
der mi es Sich um eine üchte Heterogenie der Behaarung, d.h. um das Auftreten
deg p, lichen Geschlechtscharaktere in Bezug auf die Art und die Anordnung
Annie y Wüchses bei jungen weiblichen Individuen. Für diese Form ist Miss
tiga, p Ones, wie die vom Redner ausgestellien Abbildungen von 8 anderen bür-
Bart ty und Mädchen zeigen, ein ganz besonders vortreffliches Beispiel. Ihr
Wie be ang und dunkel pigmentirt, schwarzbraun, die Haare sind dicht stehend,
keine St einem guten Minnerbarte; der Schnurrbart ist stark entwickelt und lässt
Ran de dde der Oberlippe frei; seine Spitzen reichen ungefáhr bis zu dem unteren
Der *8 Unterkiefers herab.
Wangen lange, dichte Backenbart bedeckt die ganze hintere Seitenpartie der
auch bei (die Masseteren-Gegend) und lässt die eigentliche Wange frei, wie das
bar übe Männern das Ueberwiegende ist. Er geht ununterbrochen in den Kinn-
SO Welten Dieser ist ebenfalls dicht; er besteht aus langen, schwarzen, leicht
Haaren, welche bis ungefähr zu der dritten Rippe herabreichen. Das
16*
c M ls om ua M auch UDCL
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"n Tr ka SUN u. EUN "EMEN Ka A ELENA rr
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CLWdS IN 01€ LONG, so überzeugt man sıch, dass dıe oberste Halsgyegend E.
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atört aber nicht den männlichen [SEA der 7 ume REM D
BEN ANCL ahead RE TN VS SL LL IN ET IR ERA RENNES MEE EE.
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sıch auch beı sehr vıelen Männern als haarlos.
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Jones bis zu den Ferse herab.
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BN HMEIeTOZENIC der DENAAFUN&E KANN Man auch an den Armen und alı ab p
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Te anhıraryan Haaray ın ovcanz männhaAhar Waijen nnd anch hr andars IE Iu nett
Kurzen schwarzen Haaren ın ganz mäaännlıcher Weise und auch besonders 016 St Por
seıten der Grundelhede der Fınger sınd. wıe das beı Männern das MN
15%, ZIEMLUCH CICHAt UNd lang NP RECON Sa D CHE M S MEN M NN MLB ES omen
Aa! EA AAN AT At RN MN a Tran i eM
ganz besonders Me NCNES DeISPIeELl eıINer barııgen VaAamMe
(245)
og riens ist ihr Gesichtsausdruck, trotz des Bartes, doch ein weiblicher,
drogue die Zierlichkeit ihrer Gestalt und die Kleinheit der Hinde und Fiisse
Dr, G den weiblichen Typus bewahrt haben. Nach einer vom Geh. Sanitätsrath
Geni: uttmann angestellten Untersuchung sind auch die äusseren und die inneren
ist die en vollkommen normaler weiblicher Natur. Auch die Klangfarbe der Stimme
Cer Frau.
14. N Esau-Lady ist angeblich in Marion, Smith County im Staate Virginia, am
Nicht x 865 geboren; sie wäre somit fast 26 Jahre alt, wogegen ihre Erscheinung
m Ihre Eltern, sowie ihre 6 Geschwister sollen ohne jegliche Ab-
n.
d 0 durch das Auftreten dieser Form des Weiberbartes die weiblichen Ge-
Schon re mktionon keine Einbusse zu erleiden brauchen, ist von dem Redner
Soll ves er in der Zeitschrift für Ethnologie dargelegt worden. Auch Miss Jones
Dagege eirathet sein, ohne dass jedoch bei ihr eine Befruchtung eingetreten wäre.
Orzielt "ben mindestens drei ihrer Leidensschwestern eine Nachkommenschaft
Schlecht £ ine Schweizerin, welche im Charing-Cross-Hospital in London ihr Ge-
Blah eststellen liess, um die ihr, da man sie für einen Mann hielt, verweigerte
landen. zur Verheirathung zu erwirken, wurde im fünften Monat schwanger be-
Kinder eine Patientin des Redners haite 4 kräftige, nun bereits längst erwachsene
Penn; , Beboren, und von einer Landsmünnin der Miss Jones, aus Wilcox in
Stay d vanien stammend, waren zwei Kinder geboren worden und sie war auch im
Bigg) oe oC dieselben selber zu säugen. Man ersieht daraus, dass durch die
Stöcke et in der uns hier beschäftigenden Form weder die Funktion der Kier-
N. Doch auch diejenige der Milchdrüsen beeintrüchtigt zu werden braucht.
lady ach der Angabe der Aussteller soll bereits im kindlichen Alter bei der Esau-
Sache mM ziemlicher Grad von Bartbildung bestanden haben. Auch diese That-
Ist da. que nicht ohne Analogie dastehen. Denn bei der bürtigen Frau aus Wilcox
begann leiche beobachtet worden; aber erst mit dem Eintritt der Pubertätsjahre
Ausbil lu. Bartbildung und erreichte in kurzer Zeit ihre volle Entwickelung und
des SD Hr. Rud. Virchow bespricht die von ihrem Vater und dem Direktor
SSage-Panopticums bereitwilligst vorgeführten
xiphodymen Gebrüder Tocci.
tip jetzt unter dem Namen des doppelkópfigen Knaben dem Publikum
Vom l6 damals 9 Jahre alte Doppelmissbildung isí von mur schon in der Sitzung
lute, : Januar. 1886 (Verh. S. 47) der Gesellschaft vorgestellt und weitläuftig er-
letzige v. Orden, Es darf auf diese Darstellung verwiesen werden, zumal da die
dossene Mersuchung nichts Neues ergeben hat. Die Jungen sind in den ver-
nme, 1 9 Jahren grüsser geworden und haben ein besseres Aussehen, obwohl sie
Manieren 2 blass und mager sind. Auch ihre geistigen Eigenschaften und ihre
“Wp 1 pod dieselben geblieben. Sie sind wo moglich noch eigensinniger und
Nähere U. er, sehen jeden Fremden scheu und misstrauisch an, verweigern jede
Mens ni Diersuchung, und ihr Vater hat keine Autoritüt über sie, scheint sie wenig-
hose, tht geltend. machen zu wollen. So ist es auch mir nicht gelungen, den
Endes sten Theil ihres Doppelleibes, nehmlich das Verhalten des unteren
Würty eni Wirbelsáule, genau festzustellen. Da die Körper vom Nabel an auf-
Währeng schieden doppelt, wenngleich in der Gegend der Brust vereinigt sind,
unterhalb des Nabels nur ein einfacher Körper, ein Becken, ein rechtes
(246)
und ein linkes Bein vorhanden ist, so würde es vorzugsweise wichtig sein, a
entscheiden, ob die Wirbelsäule und mit ihr das Rückenmark in ihrem untere!
Abschnitte einfach oder doppelt sind. Ich hatte mich schon das vorige Mal
vergeblich bemüht, den Rücken in seiner ganzen Erstreckung zu betasten: die
Jungen machten bei dem ersten Versuche ein solches Geschrei, dass der Vat?
sich ihrer Weigerung anschloss. Nichisdestoweniger musste man annehmen, dass
Wirbelsüule und Rückenmark trotz der innigen Vereinigung der Lenden- und Kreu^
gegend doppelt seien, da Gefühl und Bewegung in allen Theilen unterhalb dé
Nabels von der Mittellinie an getrennt sind. Auch diesmal bin ich nicht wesent
lich weiter gekommen. Es gelang, die Entblössung der unteren Rückengegend n
erzielen, aber als ich in schonender Weise meine Hand über dieselbe hinabgleit??
liess, um. die Reihen der Dornfortsitze zu verfolgen, begann der alte Widerstand
von Neuem und er war in gleicher Weise siegreich.
Das einzige Neue, was der diesmalige Besuch ergab, war die Bekanntschaft
mit der Mutter und einem jüngeren Bruder. Die Mutter, eine durch ihre Frucht
barkeit ausgezeichnete, sehr robuste und gut genährte Person, hat wenig Aehnlich“
keit mit ihren xiphodymen Knaben, die vielmehr dem Typus des Vaters, eines
kleinen, hageren, braunen Mannes mit schwarzem Kopfhaar, folgen. Missbildunge*
bei anderen Gliedern der Familie, auch den jüngeren Kindern, werden bestimmt
in Abrede gestellt. Der hier anwesende Bruder ist ein dicker, etwas untersetzte
Junge von sehr gesundem Aussehen. Der ,Doppelknabe^ ist also, nach wie vo
eine singulüre Erscheinung in der Familie geblieben. |
(31) Eingegangene Schriften.
1. Cobo, P. B., Historia del Nuevo Mundo publ. con notas de Marcos Jiméne?
de la Espada. Tomo I. Sevilla 1890. Gesch d. Herausgebers.
2. Reber, B., Die vorgeblichen Dolmen auf dem Mont Bavon. (Sep.-Abd"
pAntiqua“.) Zürich 1888.
3. Derselbe, Notice sur les Dolmens. Genève 1888.
4. Derselbe, La crémation. Genève 1888.
Nr. 2—4 Gesch. d. Verf.
9. de Aranzadi y Unamuno, Tel, El pueblo Euskalduna. Estudio de anirop?"
logia. San Sebastián 1889. Gesch. d. Verf.
6. Seyler, Bericht über die vorgeschichtlichen Forschungen des historische?
Vereins im Jahre 1888/89. Heft I und II. Bayreuth 1890.
7. Lege, statute, regulamente si decisiuni ale Academiei Románe 1890, Buc"
resci 1890. .
8. Mariani, 8. Fl, Nunta la Roméfni. Studiü istorico-etnograficü. comparati
Bucuresci 1890.
Nr. 7 und 8 Gesch, d. Academiei Romäne.
9. Peñafiel, A, Monumento del arte Mexicano antiguo. Berlin 1890. 3 Bünde
Gr. Fol. Gesch. der Mexic. Regierung.
(32) Weitere Geschenke der Frau San.Rath Schlemm (vergl. Verh. 1890.
S. 637).
l. Aristophanes, Lustspiele. Deutsch in den Versmaassen der Urschrift von
J.J. C. Donner. Leipzig 1861/62. 3 Bünde.
2. Aeschylos. Deutsch in den Versmaassen der Urschrift von J. J. C. Donner
Stuttgart 1854. 2 Theile in 1 Band.
Lat
Sitzung vom 21. Februar 1891.
Vorsitzender Hr. Virchow.
ri Der Ausschuss hat sich constituirt und Hrn. W. Schwartz zum Obmann
Mis Die Gedüchtnissfeier für H. Schliemann wird, unter freundlicher
finden ung der städtischen Behörden, am 1. Mürz im Berlinischen Rathhause statt-
SUN M. Quedenfeldt zeigt unter dem 18. an, dass er am 19. eine etwa
iche Reise in die asiatische "Türkei antrete.
Bit Der Vorsitzende verliest folgenden, aus Santiago, 31. October 1890 datirten
es Hrn. R. A. Philippi über
Coca und Kartoffeln.
was ben Sie mir eine kleine Berichtigung einer Angabe in dem Vortrage,
Sitzung. Hr. R. Hartmann über das peruanische Kartoffelpräparat Chuñu in der
— des Vereins vom 19. April d. J. gehalten hat. Es heisst S. 301 der Ver-
ein OD ,Coca-Blitter waren, mit Thon zugleich gekaut, seit uralten Zeiten
Thon alepticum der peruanischen Indianer.“ Die Coca-Blätter werden nicht mit
Macht Sondern mit Asche gekaut, welche mit wenig Wasser zu einem Teig ge-
heisse. 11 in Form verschieden gestalteter Bródchen gebracht wird. Dieselben
"Weiter uem oder Llucta, und es sind zwei solcher Uuctas auf Tafel 21 des
von gis iles des Werkes ,,Cultur und Industrie siidamerikanischer Volker u. S. W.
Bebildet, el, Reiss und Koppel. Text und Beschreibung von Max Uhle“ ab-
Paca va Die Uuctas, welche mein Sohn von seiner Reise nach der Provinz Tara-
Messer, | Pica mitgebracht hat, sind von ovaler Gestalt und beiderseits flach; sie
Ihre Pa N em in der Länge, 7—7,5 cm in der Breite und fast 1 em in der Dicke.
Blesgt às © ist die graue Farbe der Asche. Zerreibt man en Stückchen «ind über-
Lak Zerriebene mit Wasser, so färbt sich ein hineingehaltener Sireifen rothes
Steht oi ier sogleich blau, und giesst man eine Säure zu der Flüssigkeit, so ent-
haften ^ lebhaftes Aufbrausen; die Zunge spürt nur emen ganz schwachen laugen-
dunk] Gesehmack. Unter der Lupe sieht man eine Menge weisser Punkte in
w grauem Grunde.
bemerken die auf der Hochebene Boliviens gebauten Kartoffeln anbetrifft, so ist zu
jede ihre) dass es mehrere verschiedene Sorten, vielleicht Species sind, von denen
Von eine esonderen Namen hat. Mein Sohn hat eine Anzahl derselben, die er
Alle Woah hier Medicin studirenden Bolivianer aus La Paz erhalten hatte, cultivirt.
Wenig K. sen sehr ins Kraut und fast alle gelangten zur Blüthe, aber sie setzten
nollen an, so dass nur ein Paar Sorten eine so reichliche Ernte gaben,
(248)
dass man einige Knollen kochen und versuchen konnte. Es war nichts Besonderes
ja sie standen zum Theil den gewöhnlichen Kartoffeln im Geschmack nach. Im
folgenden Jahre war der Ertrag noch geringer, mehrere Arten setzten gar keine
Knollen an. Offenbar war den Kartoffeln von der Hochebene das Klima von Sant
lago zu warm, es ging ihnen wie dem Tropaeolum tuberosum und der Oca (Oxalis
Oca mihi), die auch prachtvoll ins Kraut treiben, aber wenige oder gar kein®
Knollen ansetzen, und wie es ähnlich ja auch den mitteleuropüischen Obstarte?
geht, wenn man sie nach den warmen Tropenlündern bringt; sie wachsen sehr
üppig, bringen aber gar keine oder nur schlechte Früchte. Leider hat mein Sohn
zu einer genauen botanischen Untersuchung der erwühnten Solanumformen vo!
der Sierra noch keine Zeit gefunden. Die schóne und vortrefflich schmeckende
innen fast dottergelbe peruanische Kartoffel wüchst, so viel ich weiss, nicht auf
dem Hochland, auf der Sierra, wo es selbst im Sommer fast jede Nacht frierb
sondern in den niedrigeren Gebirgen.* —
Hr. R. Hartmann erwidert, dass seine Angabe, beim Coca-Kauen werde von
den eingebornen Peruanern zugleich mit den Blättern auch Thon angewendet, auf
den Angaben eines Bolivianers, Don Ruiz Cisneros (während der Pariser Welt-
ausstellung 1867), beruhe. Nach E.Poeppig wird fein gemahlener Kalk zug€
setzt; im nördlichen Peru werden nie die Pflanzenaschen benutzt, welche Martius
anführe (Reise in Brasilien III, 1169, 1180). Unfehlbar, sagt Poeppig, verderbe
der Kalk die Záhne, und deshalb hátten die peruanischen Coqueros ein abschreckend
schwarzes und carióses Gebiss (Reise in Chile, Peru und auf dem Amazone
strome, II, 8. 25211). Nach Tschudi tragen die peruanischen Indianer die zum
Kauen bestimmten Cocablütter in einer Ledertasche, Huallqui oder Chuspa, mit
sich. In einem kleinen, oft zierlich geschnitzten Flaschenkürbis, Ischeupuru, be”
wahren sie den bei der Mastication des Analepticums bestimmten, pulverisirten,
ungelôschten Kalk auf. Im Cerro de Pasco, weit mehr aber noch im Süden,
bedienen sieh die Indianer der scharfen Asche der Queñua (Chenopodium quinud),
die sie als Llucta oder Llipta, in Fladen geknetet, mit sich führen. In einigen g€
birgigen Walddistricten verfertigten die Indianer ihre Asche aus Wurzeln vom
Musaceen (Reiseskizzen aus Peru, II, S. 302). Nach Weddell wird die Llipta, also
der beizende Zusatz beim Kauen der Coca, aus Queñua- oder aus gewöhnlicher
Holzasche, in einigen Theilen Amerikas aber auch aus Kalk bereitet (Voyage
dans le nord de la Bolivie etc. p. 526). Brackebusch bemerkt, dass die Llip?
aus einer Asche von Salzpflanzen oder aus gebranntem Kalk hergestellt werde
(Verh. d. Gesellsch. f. Erdk. zu Berlin, 1891, S. 63).
Aus allen diesen Angaben scheint sich zu ergeben, dass man in verschiedene"
Theilen Südamerikas auch verschiedene Substanzen beim Coca-Kauen verwendeb
weder allein Thon, noch bloss Kalk, oder bloss Asche.
Was nun die zur Chunu-Bereitung benutzten Kartoffeln anbelangt, so sei Nie-
mandem, am wenigsten ihm (Hrn. H.) selbst, eingefallen, deren Heimath in der
hohen Sierra zu suchen. Er habe von Huamatanga, mehr als 2000 m über dem
Meere (nach Tschudi), als Heimath der besten, gelben Perukartoffel und von der
Quebrada (Schlucht, Thal) von Huarochin gesprochen. Uebrigens erinnere €T
sich noch, dass, der Erzühlung von Augenzeugen zufolge, nach den blutige”
Metzeleien bei Chorillos und Miraflores, an den gegen die Chileños gefallenen
peruanischen Soldaten neben verschossenen Patrontaschen auch zierlich gestickte
Tüschchen mit Resten von Coca und von ungelöschtem Kalk aufgefunden worden
Selen.
(249)
kind Der Direktor der prühistorischen Abtheilung des Museums für Vôlker-
mini? Hr. Voss, übersendet unter dem 19. im Auftrage des Hrn. Unterrichts-
der !sters eine Schrift des Dr. Schuchhardt in Hannover (Sep.-Abdr. aus Bd. XV
Mitth, des historischen Vereins zu Osnabrück. 1890) über
Ausgrabungen auf der Wittekindsburg bei Rulle.
bur T. Virehow macht folgende Mittheilung darüber: Auf der sogen. Wittekinds-
tesi Der Rulle, nördlich von Osnabrück, sind schon früher gelegentlich Mauer-
von " dem, jetzt hauptsächlich zu Tage tretenden Erdwalle bemerkt worden, so
" Obelinus Persona und von dem Rector Meyer, der 1851 einige Aus-
wei gU veranstaltete. Hr. v. Stoltzenberg (Luttmersen) hat dann 1589 an
dun olen im Wall Mauerwerk nachgewiesen, welches durch den zur Verbin-
toms, hs Kalksteine angewendeten Mórtel auffiel, so dass er die Anlage für eine
worde, e erklärte. In Folge dessen sind die neuen Ausgrabungen unternommen
wohl , Diese lassen keinen Zweifel darüber, dass durchweg in den Willen, so-
tego), ler eigentlichen Hauptburg, als der sich daran anschliessenden Vorburgen,
"T 8° Mauern aus Bruchsteinen stecken, die früher senkrecht nach aussen
der o. und vermuthlich über die Hóhe des Erdwalles binausreichten. An einer
— en ist überdies das Fundament eines runden, an der diagonal entgegen-
dem en die Anlage eines viereckigen Thurmes blossgelegt; auch konnten an
Werden. lichen Eingange die Grundmauern eines festen 'Thores nachgewiesen
Henker Charakteristische Fundstücke wurden nirgends entdeckt. Den halbrunden
Wurde und einige Scherben eines Gefässes, die in dem. runden Thurm gesammelt
nur "m hält Hr. Schuchhardt für prühistorisch; im Innern des Kastells kamen
nach \gebrannte Kalksteine, einzelne Knochen und eine Eisenschlacke zu Tage. Da
stand einer Urkunde von 1243 damals in castro regis Wedekindi ein Bauernhaus
Dini sind diese Funde begreiflicherweise werthlos. Auch die Angabe von der
keine Orischen Beschaffenheit der Thonscherben aus dem runden Thurme, die durch
Werde Senaueren Angaben gestützt ist, darf wohl vorläufig als zweifelhaft bezeichnet
Sche 1. Man wird daher zugestehen kónnen, dass diese Anlage keine aligermani-
Be P Sen ist, da noch nirgend, weder aus jener, noch aus süchsischer Zeit, alt-
Cine sche Steinmauern mit Mórtel bekannt geworden sind. Die Anführung aus
dass a Tanuskript von 1140, welches auf eine ältere Chronik zurückgehen soll,
Hase er Sachsenfürst nach seiner Niederlage durch Karl den Grossen an der
Raggy ch dem Castrum Widekindsborch geflohen sei, mag immerhin auf dieses
entge bezogen werden können, und es dürfte auch wohl nichts der Annahme
den &enstehen, dass ein ursprünglich rómisches Kastell Jahrhunderte später von
weg, sen benutzt worden ist. Es würde aber etwas ungewöhnlich sein, wenn
tiis, o der römischen, noch aus der sächsischen Zeit irgend welche charakte-
Atos 9n Obiekte vorhanden sein sollten, und es darf daher wohl der Wunsch
Brüsten nen werden, dass die Nachforschungen wieder aufgenommen. und mit
Möchten Sorgfalt, gerade mit Rücksicht auf derartige Objekte, fortgesetzt werden
ing 8 chuchhardi spricht sich sehr vorsichtig über die Frage aus, wenngleich
Zungjs, P nente sichtlich der Annahme eines rômischen Ursprunges der Anlage
für Sicha: Er erwähnt speciell, dass auch in solchen Befestigungen, die allgemein
Kir p Sische gehalten werden, z. B. auf dem Tónsberg bei Oerlinghausen, auf
elegy) or und auf der Iburg bei Driburg, Mauern vorkommen, dass aber diese
Kring, | ernmauern waren, d.h. in der Mitte des Walles steckten und denselben
N, statt ihn, wie hier, auf der Seite nach dem Graben hin zu verkleiden
(9^0)
Er weist daher die Meinung des Hrn. v. Oppermann bestimmt zurück, dass die
Wittekindsburg mit dem aligermanischen Ringwall auf der Porta als Glied einer
Befestigungskette anzusehen sei.
(0 Hr. W. Schwartz spricht über den
Sport des sogenannten Handlaufs, die Depotfunde u. A. in Island.
Im Anschluss an den in der letzten Sitzung gehaltenen Vortrag des Hrn. Hans
Virchow (S. 189) über die eigenthümlich entwickelte Körpergewandtheit des
Frl. Petrescu möchte ich auf den sogen. Handlauf in Island hinweisen. ES
scheint nehmlich das, was wir in Deutschland Radschlagen nennen, dort als eine
Art Sport auch von älteren Personen geübt und zu einer grossen Fertigkeit ent-
wickelt zu werden. — Die interessanten, so eben veröffentlichten Volkssagen Islands
von Frl. M. Lehmann-Filhés geben darüber folgende Schilderungen?). S. 188
heisst es von einem gewissen Eyvindur: ,Er sah, dass die Strecke zwischen seinen
Verfolgern und ihm nur noch kurz war und dass es so nicht weiter gehen dürfe.
Da ging er rasch zum ,Handlauf“ über und kam ihnen weit voraus. Als die
Thalbewohner dies sahen, verfolgten ihn zwei von ihnen mittelst des , Handlaufs^,
der dritte jedoch kehrte um.“ Ein anderes Mal, heisst es S. 193, verfolgten ihn
die Bauern zu Pferde. Er aber wandte den ,Handlauf* an, und sie kamen weder
aus einander, noch zusammen (d. h. die Distanz blieb dieselbe). Die Pferde der
Bauern aber blieben in einem Sumpfe stecken, der mitten auf der Hochebene ist,
und da entkam Eyvindur seinen Verfolgern.“ S. 184 heisst es sogar von ihm:
Den ,Handlauí* konnte er so gut, dass er das flinkste Pferd überholte.“
Frl. Lehmann-Filhés macht dazu die Anmerkung, dass die erwühnte Kunst-
fertigkeit in Island viel geübt werde und mancher weite Strecken auf diese Art
zurücklegen könne. In den obigen Ausführungen klingt die ganze Sache doch aber
etwas sagenhaft ausgeschmückt und so habe ich die Dame um weitere Ausführung
bezw. Begründung derselben gebeten, worauf sie mir auch bei ihren literarischen
Beziehungen zu Island weitere Recherchen zugesagt hat, von denen ich seiner Zeit
Mittheilung machen werde. Ich wollte zunächst nur überhaupt die Aufmerksaur
keit auch in weiteren Kreisen darauf lenken.
Da ich übrigens die isländischen Sagen erwähnte, möchte ich noch auf ein Paar
andere, prähistorisch nicht uninteressante Züge hinweisen, die in denselben vor”
kommen. So werden z. B. öfter solche kleinen Sicheln erwähnt, wie wir sie
auch in prähistorischen Gräbern finden. Sie werden an einen Schaft gebunden
und zum Heumähen benutzt. Die Kleinheit geht aus einer Stelle im ersten Theil
der Sagen vom Jahre 1889 S. 9 hervor, wo eine Elbin einem Manne eine solche
Sichel schenkt, die zauberhafte Kraft hat, und ihm das Blatt „unter den Sattel“ legt
Die Todten werden so begraben, dass die Leichen von Ost nach West liegen;
unterlässt man dies, so plagen Sie die, welche sie unrichtig bestattet haben. Jetzt
wendet man Särge an, früher schlug man die Todten in ein Tuch, in alter Zeit
nühte man sie direkt in ein solches ein. Diese letztere Zeit knüpft wohl noch a!
die alte Wikingerzeit und die erste Besiedelung Islands in derselben an, jeden-
falls stimmt es zu dem Gebrauch, der noch meist geübt wird, wenn Jemand auf
einer Seefahrt stirbt.
Schliesslich veranlasst eine Erzühlung noch eine Bemerkung in Betreff der
1) Isländische Volkssagen aus der Sammlung von Jón ’Arnason, ausgewählt und über
setzt von M. Lehmann-Filhés. Berlin 1891. (Neue Folge.)
cou
(251)
xS D epotfunde, für die man noch immer nach Motiven eigener'Art sucht und alles
le qur in denselben findet. Die Protokolle der Schweriner Generalversammlung
Wied esammtvereins der deutschen Geschichts- und Alterthumsvereme geben auch
fundo. einen Beweis davon. Ich habe schon seiner Zeit bei Besprechung des Depot-
lich es von M ellenau, welcher in einem Moorloch gefunden ward, also wahrschein-
dera post in einem alten Wasserloch versenkt war, darauf hingewiesen, dass ein
eine, lges Versenken in prühistorischer Zeit wohl die natürlichste Art gewesen, bei
Siiat »plôtzlichen Ueberfall® seine wenigen Habseligkeiten zu bergen. Derartige
Verba. waren in jenen Zeiten eben die gewöhnlichen, während bei veränderten
zeit dlinissen und mehr regelrechter Kriegführung es meist möglich ward, recht-
solel sem Geld zu vergraben oder in anderer Weise zu verstecken. Gerade aber
To P Situation, wie ich bei dem Mellenauer Fund im Auge hatte, wo m emem
vo ein ganzer Bronzeschatz versenkt war, schildert ein in den isländischen Sagen
Zug höchst anschaulich. Als der erwähnte Eyvindur einst über-
vor, wurde, heisst es: „Er besann sich nicht lange, ergriff den Kochtopf und
(die Shiedene andere Gerüthe und versenkte sie in einen Morast, wo Jene
sen erfolger) sie nicht fanden, und dann enischlüpfte er mit der ganzen Haus-
em, e schaft“ us w Ich kann zur Bestütigung der Sache an sich noch jetzt
der "telle aus Helmold, 2, 13 anführen, wo ganz allgemein es als ein Gebrauch
ema. Zeit ausgesprochen wird, wodurch die Sache einen typischen Charakter
arge : ,Quoties autem bellicus tumultus insonuerit, omnem annonam, aurum et
hib, nium ct preciosa quaeque ,fossis^ abdunt, uxores et parvulos munitio-
Toit vel silvis contutant.^ Man muss eben bei Erklärung von Dingen aus jenen
Hy ; immer zuerst die Verhältnisse erwägen, ehe man künstliche oder gelehrte
A hesen macht, — ich erinnere an den ganzen Entwickelungsgang der über die
ale, Gesichtsurnen angestellten Betrachtungen, — dann wird man finden, dass in
Hing, Bedingungen und Beziehungen meist der Ursprung zu suchen ist, denn der
"rund der ganzen Prihistorie ist überwiegend ein realer.
19 i) Hr. Kurt Taubner übersendet aus Neustadt in Westpreussen unter dem
' ebruar und 19. Mürz folgendes Manuskript
zur Landkartenstein-Theorie.
(Hierzu Taf. I.)
ta 2 einige waren prosaisch genug, derartige Steine für Landkarten einer
Meine Civilisation zu erklären“, sagt der Verfasser eines Artikels „über Zeichen-
ein; m den Illustrated London News“, Jahrgang 1890. Derselbe giebt dabei
tons. Abbildungen von Steinen in England, die im Wesentlichen eingemeisselte
heu, sche Kreise zeigen, welche durch gerade Rinnen verbunden sind. Einen
AR, positiven Beitrag zu ,topographischen Darstellungen" auf Stein hat Herr
leigh; (Carácas, Venezuela) in der Zeitschrift für Ethnologie 1889 geliefert. Viel-
tete p Sind nachstehende Ausführungen geeignet, die in der Ueberschrift angedeu-
beige, 5 wiederum ein Kleines zu fordern, vielleicht sogar einigermaassen den
Tachten Argumenten den Beiklang des Exacten zu verleihen.
«Im Die umstehende, etwas sonderbar aussehende Zeichnung ist Stanley's Werk
eno, en Afrika. Deutsche Ausgabe. Leipzig, Brockhaus 1890, Bà. II S. 282
Nina pe Sie ist nach der Anschauung dieses Autors eine Darstellung des
leynt s von seinem Ursprunge am Mondgebirge (Ruwenzori) bis nach Unter-
en hin. Es heisst bei ihm wörtlich (S. 281 und 282): „Scheich Izz Edin, der
(252)
Fieur 1. Sohn des Ibn Gamar, sagt in seinem Werke
? — über Medicin (ich — Stanley — habe von dem
sif. ee ft eigenhändigen Manuskript copirt)?), dass die
Quelle des Nils auf dem Berge Gumr etwa
11° 20" jenseit des Aequalors liege. Von diesem
Berge gehen 10 Fliisse von verschiedenen
Quellen aus; je 5 davon fliessen in eine"
grossen runden See, welcher 57° von dem
äussersten Ende des unbewohnten Landes im
Westen und 7° 31’ von dem Aequator nach
Süden entfernt ist. Beide Seen sind gleich und
haben einen Durchmesser von 5°. Aus jedem
js der beiden Seen fliessen zwei Flüsse,
Bim. welche sich in einen grossen See in der
m Emm ersten Zone ergiessen, der von dem unbewohn-
AI EN ien Lande des Westens 53? 30' enifernt ist und
Die beiden runden Zeichnungen be- 2 nürdlich vom Aequator liegt. Jeder diese!
deuten kleinere Seen, die grosse ovale vier Flüsse ergiesst sich getrenni m ce
Figur den „grossen See“, Der senk- grossen See, den nur eim érnziger Fluss
rechte Abfluss am Grunde des letzte. Wieder verlüsst und das ist der Nil. Er läuft
ren stellt den Nil dar. durch das Land nach Nubien und vereinigt
sich dort mit einem anderen Flusse, dessen
Quelle in einer anderen Gegend, in der Nähe des Aequators, liegt und der aus
einem grossen See kommt, welcher einen Durchmesser von 3? hat und von
den Grenzen des unbewohnten Landes im Westen 71° entfernt ist. Nachdem der
Fluss die Stadt Kairo passirt hat, erreicht er eine kleinere Stadt Namens Schatanuf,
wo er sich in zwei Arme theilt, die beide in dieses salzige Meer fliessen, und
von denen der eine der Rosette-, der andere der Damiette-Fluss heisst. Dieser
Fluss erreicht auch Mansura, wo sich ein Arm Namens Aschmun von ihm ab-
zweigt; letzterer ergiesst sich dort in einen See, während der übrige Fluss in der
Nähe von Damiette ins Meer mündet. Vorstehend gebe ich einen Plan des Berges
Gumr.“ /
Zur Vergleichung mit der eben gegebenen Beschreibung folge zuerst die Be-
schreibung eines ,Schalen- und Nipfchensteins“, welche Herr Amtsgerichtsrath
Westedt in Meldorf, Holstein, veróffentlicht hat (Zeitschrift für Ethnologie 1884).
,Von den 3 Deckelsteinen zeigte der am westlichen Ende liegende, 2,25 m lange
und auf der oberen Seite lm breite Stein eine grosse Anzahl eingehauener
schalen- und napfförmiger Vertiefungen, welche in anscheinend un-
regelmässiger Stellung fast die ganze Oberfläche bedeckten. Die
grössten Näpfchen haben einen Durchmesser von etwa 8 cm und eine
Tiefe von 6—7 cm, andere sind kaum halb so gross und nur flach, ähnlich
einem flachen Uhrglase. Von den am östlichen Rande des Steins befind-
lichen grösseren Näpfchen sind verschiedene durch ganz flach aus-
gearbeitete Rinnen. mit einander verbunden. Am schmileren nórdlichen
Rande sind 4 eigenthümliche handühnliche Figuren, je zwei und zwei
neben einander, von denen die beiden hinteren etwa 20, bezw. 17 cm lang und am
Ballen 13, bezw. 12 em breit, die beiden vorderen, etwas kleineren 13 cm lang und
1) Bezieht sich auf eine Compilation, in Aegypten befindlich, ohne Angabe des Namens
des Compilators vom Jahre 1686 n. Chr. (Stanley a. a. O. S. 218).
(253)
or eit sind. Es sind aber nur 4 Finger zu zählen. Der dem Ballen
lich and entsprechende Theil ist tief ausgearbeitet und bildet eigent-
nur puch eine grössere Schale, wihrend die fingerfórmigen Ansätze
2m en ausgehauen sind. Zwischen den handihnlichen Figuren sind noch
a nehmlich ein 12 cm Durchmesser zeigender Kreis, der durch zwei sich
tofu nde Striche in 4 Theile getheilt ist; rechts davon eine napfförmige Ver-
halfen welche Von einer ganz flach ausgearbeiteten und 13 em im Durchmesser
nach den kreisfürmigen Vertiefung umgeben ist. Etwa in der Mitte, aber weiter
lüsso y. westlichen Rande hin, finden sich 2 grössere Figuren, welche als
sind . bezeichnet werden, 23, bezw. 21 em lang und 6,5—7 cm breit. Diese
dent vertieft; dicht an der Westseite des nördlichen Fusses sind
beschri ungen von Strahlen gleich den ,Hände“ genannten Figuren“. Der eben
eine vo Stein befindet sich in Bunsoh, Kirchspiel Albersdorf. Letzteres ist
Isenbahnstation zwischen Heide und Neumünster (Holstein).
"n am meisten überraschenden Analoga beider vorstehenden Beschrei-
5 Ply, sind Jedenfalls die beiden runden Seen mit den einmiindenden
nicht Ssen und die han dähnlichen Figuren, aber mit je nur 4 Fingern. Von
dargpyg 5% überraschender Analogie sind ferner auch wohl noch bei der Nil-
Qüreh lung die Verbindung der beiden runden Seen mit dem grossen See
Rana gerade Striche und auf dem Bunsoher Stein „die am östlichen
aus e befindlichen grösseren Näpfchen, welche theilweise durch flach
mr oerbeitete Rinnen mit einander verbunden sind". Ein Blick aber
Weise Umgebung von Bunsoh zeigt ausserdem eine grössere, theil-
die on verbundene Seenplatte — im Osten, bezw. Norden. Endlich ist
ding Ze Umgebung von Bunsoh von Wasser reichlich umgeben, das heute aller-
Bei, ch nur noch als „Moor“ vorhanden ist. Es könnte noch darauf hin-
de, Ei. werden, dass hart bei Bunsoh, östlich anfangend, 4 südliche Nebenflüsse
Tung m sich befinden und dass die Karte die Eider hier mit ausgedehnter Niede-
Sohep ln) bezeichnet, doch kann der Mangel eines getreuen Abbildes des Bun-
aber paies ein weiteres Eingehen auf die Details nicht gestatten. Soviel wird
Stein M ein Jeder zugeben, dass nunmehr der Bunsoher Schalen- und Näpfchen-
S ,topographische Darstellung“ recht gut erklärt werden kann”).
er och ehe das Stanley'sche Werk dem Verfasser in die Hand kam, hatte
lopog, aet, die eine der von Hrn. A. Ernst in Caracas gegebenen, vermuthlich
Moi, Phischen Darstellungen zu deuten; die oben gegebene Nilkarte wird seiner
= En 5 von der aufgestellten Deutung eine nicht unwesentliche Stütze sein.
Südlich Ernst fand die in Fig. 2 wiedergegebene Zeichnung auf einer genau
San 8 orientirten Kalksteinwand in den sogenannten „Cerritos“ von
liggy ebastian, einem Orte, der ungefähr 40 km südlich von La Victoria
Höhlen Unfern der Stelle befanden sich die Eingänge zu einigen ausgedehnten
"ethipy Kalkgebirge (letztere wohl ehemals als Wohnstätten benutzt). Hiernach
Stellt ; igt sich die den nachfolgenden Zeichnungen gegebene Orientirung. Fig. 3
8.99 di Wesentlichen den Lauf des Rio Chico (Caracas) dar und ist entnommen
dir end ès Richard Andree’schen Allgemeinen Handatlas (1881). Die als correspon-
= angenommenen Partien beider Zeichnungen sind durch gleiche Zeichen an-
doy) reg or, der Geschichtsschreiber der Franken tadelt, dass letztere nicht den wahren
Bobi 1 sondern formas silvarum atque aquarum (Darstellungen von Wald-
CD Wasserlüufen sich machen), avium bestiarumque et aliorum quoque ele-
Schr, t Ru. ingere easque ut deum colere eisque sacrificia deliberare. Zeit-
nol. XIV. 1882. Verh. S. 50 (nach Dr. Behla).
(254)
Figur 2. gedeutet. Das Gebirge (Ge-
birgszüge) ist schräg ge
strichelt angegeben. Herr
À. Ernst fand seine Dar-
figi stellung in den sogenannten
UU ,Cerritos*, d.h. den kleinen
Bergen, und betrachtet man
s Fig. 3, so sieht man in der
f. That, dass, während der
eigentliche "Thalkesselrand
des Rio Chico ein einzige
zusammenhängendes gros-
ses Gebirge bildet, südlich
davon einzelne kleinere
Bergzüge liegen.
Die grossen zusammen-
hängenden Gebirgszüge sind
in Fig. 2 als eine unregel-
mässige wellenförmige Linie
dargestellt, die aufrecht ste-
hend gedacht werden muss
und dann einfach die Con-
touren wiedergiebt, wie der
Zeichner dieselben sich ge-
gen den Himmel abheben
= sah. Das Mondgebirge der
: Nilkarte, schön symme-
= trisch geordnet, ist nach
E derselben Idee dargestellt.
NS ~=x2 Die zwei grossen Seen am
. PELA Ursprung und Ende des
- CZ Rio Chico erscheinen als
id A Kreise, ganz ebenso, wie
C bei der Nildarstellung. Der
C. Carabobo. V. Victoria M. M. Meer. C, Caracas. Strich zwischen beiden ist
H. Ch. Rio Chieo (Fluss und Stadt) St. Stelle, 40 4m der Fluss selbst. Die Zahlen
südlich von Victoria (Cerritos). 4—6 in Fig. 3, entsprechend
den gekrümmten Parallel-
strichen in Fig. 2, Nr. 4, 5, bezeichnen 3 kleinere Berge. Aehnliche „parallele
Peripherieabschnitte“ verwendet in ausgedehnter Weise der Neustädter Stein. End-
lich ist noch die kleine Anschwellung am Flusse 2 zu beachten. Sie findet sich
ganz genau so beim ersten rechten Nebenflusse in der Nildarstellung. Recht über-
einstimmend ist auch der scharf ausgeprägte stumpfe Winkel, den das Ufer A—D
(Fig. 2) in beiden Zeichnungen bildet.
Welchen Flüchenraum nimmt endlich die Zeichnung der Fig. 2 ein? Sie ist
ungefähr einem Rechteck gleich, das 40 geographische Meilen in die Länge und
15 in die Breite misst.
Fragt man sich aber, welchen Nutzen man davon hat, wenn es gelingt, nach-
zuweisen, dass zahlreiche Schalen- und N äpfchensteine topographische Darstellungen
sind, so lassen sich offenbar drei Gesichtspunkte aufstellen:
us
(255)
lich D Der Ori, wo ein solcher Stein liegt (vorausgesetzt, dass es sein ursprüng-
er ist), war ein Ort von wichtiger Bedeutung, vielleicht ein Versammlungsort.
re 2) Die topographische Darstellung gewährt die Möglichkeit, gewisse alie
Nzen festzustellen.
heit 5 Es ist in gewisser Weise möglich, nachzuweisen, wie sich die Beschaffen-
Flus er Umgebung verändert hat, z. B. den Uebergang von See in Moor, veränderte
Sláufe u. s, w.
Sti St I, A auf Taf. I (?/,, der natürlichen Grösse) ist die Zeichnung auf einem
Be P (die Contouren des Blockes sind mitgezeichnet) des alten indianischen
Cog ü Tissplatzes bei Palmano, am linken Ufer des Orinoco, etwa 50 km unterhalb
Wore _»Dieselbe scheint zu den ,topographischen^ Darstellungen zu gehören,
Sagt n vielleicht eine genaue Aufnahme der Umgegend Aufschluss geben könnte“ —
de U r. Dr. A. Ernst (Caracas, Venezuela) weiter. In Figur I, B ist ein Theil
des send des Punktes, der etwa 50 km unterhalb Caricara liegt, nach Blatt 92
hier Ichard Andree’schen Allgemeinen Handatlas (1881) wiedergegeben.") Es muss
eben erwähnt werden, dass Figur I, A das Spiegelbild der von Hrn. A. Ernst
By wa n Zeichnung ist. Eine Orientirung ist im Text nehmlich nicht mitgetheilt.
den rd hier angenommen, dass die ursprüngliche Zeichnung sich auf der nach Nor-
auf Hlegenen Fläche des Steins befindet; — es wird dies zugleich eine kleine Probe
ändert. Exempel sein. Das Spiegelbild, auf der südlichen Fläche gedacht,
Karte nichts an der Richtung und harmonirt mit der Anschauung der modernen
gleich -— Die als correspondirend angenommenen „Stellen sind wiederum mit
Fio T Zeichen angedeutet. Es seien in erster Linie A, B, C betrachtet. : A in
die ,B is der ansehnliche Fluss Orinoco, gewiss für einen Platz am Orinoco
der 7 Chtigste » Verkehrsader“ und hauptsächlichste ,Landmarke“. Beim Vergleichen
dass a A fällt speciell das Knie xy auf. Es wird zugegeben werden müssen,
kann ür das eine sowohl, wie für das andere dieselbe "Vorlage dagewesen sein
nre, Net wahrscheinlicher wird diese Annahme durch das Vorhandensein einer
Recs müssigen Linie, die in beiden Figuren von oben her auf das Knie (y) zuläuft.
Pligg, und links vom Orinoco sieht man in Figur I, B einen Gebirgsstock, welcher
Unterh, p dem Orinoco hinabschickt; in Figur I, A befindet sich oberhalb und
Cinen 8 b der unregelmüssigen Linie je ein doppeltcontourirter Kreis, der auf der
andere e (bei C) direct durch eine unregelmässige Linie angeschlossen ist, auf der
Gebir à (bei B) indirect, indem sich noch ein Viereck um denselben erstreckt. Vom
Cinq OOK B in Figur I, B entspringen zahlreiche Fliisse, speciell 4 dicht neben-
Knie x ziemlich in der Mitte; vom Gebirgsstock C kommt nach Osten vom
Figu, T nur einer. Eine auffillige Uebereinstimmung der Particen B und C in
zig" + mit dem eben Geschilderten springt in die Augen. Mit Ausnahme eines
als ur. Winkels ist überall bei B in Figur I, B die getupft schattirte Stelle theils
als RM Linie, theils als kleine kreisrunde Fläche (Quellsee), theils
Zahlen = DE combinirt vorhanden. Die näheren Details sind durch gleiche
arkirt.
Da Vorstehendem ergiebt sich als neu, wenigstens für die Ernst’schen
bedeutet. ngen, dass der doppeltcontourirte Kreis Erhebungen über das Niveau
Behm, wahrscheinlich isolirte Kegel. Ein doppeltcontourirter Kreis findet sich
- h auch in Figur 4 der Ernst'schen Darstellungen, und die correspon-
Ang, In der Zeichnung bedeutet A O den Orinoco, der Punkt A am unteren Orinoco ist
90 km ra, Ca am oberen Orinoco Caricara, das darunter stehende + bezeichnet die Stelle,
Unterhalb Caricara, wo sich die Felszeichnung befindet.
Qu
dirende moderne Karte zeigt an derselben Stelle die mit 2782' als höchste Spitze
angegebene Parüe des Gebirgszuges am linken Ufer des Rio Chico. Die Aus
dehnung wiederum des Gebiets in Figur I, B entspricht ungefähr einem Recht-
eck, das 40 geographische Meilen in der einen, 35 in der anderen Richtung
misst (hierbei wird angenommen, dass nur eine Fläche des beschriebenen Steins
Zeichen aufweist) In Figur 2 der Abbildungen des Hrn. Dr. A. Ernst fallen
zuerst 5 zerrbildartge Darstellungen menschlicher Gesichter auf, welche neben
einem Thierbilde und zwei Menschengestalten fast ausschliesslich die Zeichnung?
in Figur 1 ausmachen. Die Lectüre südamerikanischer Reiseberichte, z. B. der
zweiten Xingu-Expedition in Brasilien (diese Zeitschrifi 1890 S. 82 ff), legt den
Gedanken nahe, dass es sich hier um Abbildungen der in so ausgedehnter Weise
verwendeten Tanzmasken handelt, so dass Figur 1 wohl die Darstellung eines
solchen Tanzes ist. In Figur 1 finden sich aber noch einige besondere Zeichen,
welche wiederum in Figur 2 die Darstellungen der angenommenen Tanzmasken
an Zahl übertreffen. In Figur 2 rechter Hand befinden sich annähernd in der
Mitte zwei kreis-ovale Darstellungen, schräg parallel gestrichelt; sie nähern sich am
ehesten den einfachen Kreisen (See). Zwischen ihnen sieht man eine gezackte Linie
von gerader Ausdehnung; an dem einen Ende derselben Hals und Kopf eines hirsch-
artigen Thieres (Darstellung eines Flusses, in dem ein hirschartiges Thier sich
befindet). Von dem unteren Kreis-Oval geht ein doppeltcontourirter rechter Winkel
und eine doppeltcontourirte Spirallinie ab. Unter dem ersten Winkel be-
findet sich endlich noch ein anderer gleicher und zwischen beiden eine unregel-
mässige Line, die gewissermaassen von der Doppelspirale ,entspringt“. Sieht man
in dieser unregelmüssigen Linie wiederum die Darstellung eines Flusses, so ge
winnt es grosse Wahrscbeinlichkeit, dass die Spirale die Darstellung eines spiralig
gewundenen Weges einen hohen Berg hinauf ist oder überhaupt eines Berges
dessen Spitze nur in spiralfórmig gewundenem Wege (zum Fahren) erreicht werden
kann. Eine gewisse Bestätigung hierfür dürften die Figuren 5 und 6 von Herrn
Dr. A. Ernst liefern. Sie sind nach Steinzeichnungen entworfen, die sich in de"
Cerritos de Cuchivero^, den „kleinen (einzelnen) Bergen in der Nähe des Flusses
Cuchivero“ (linken Nebenflusses des Orinoco), befinden.‘ Sie können nach den letzten
Ausführungen ihrerseits wieder kaum etwas anderes sein, als Darstellungen der
betreffenden Berge selbst.
Beide Zeichnungen bestehen nehmlich entweder aus Spiralen allein oder aus
doppeltcontourirten Kreisen, erstere theilweise rechtwinklig. Ja, Spirale und doppelt
contouririen Kreis dem Kerne nach gleich setzen zu können, dazu liefert das ver”
letzte Zeichen rechts auf Figur 6 eine Handhabe. Es ist nehmlich halb doppelt
coniouririer Kreis, halb Spirale. Vom naturalistisch erklärenden Standpunkte aus
ist aber wohl die Spirale als das primäre, der doppeltcontourirte Kreis als das dar-
aus abgeleitete anzusehen, falls die eine und der andere nicht Differenzen hinsicht-
lich der Höhe und Grösse markiren sollen.
Spiralen und doppelt oder mehrfach contourirte Kreise finden sich unter andere”
Figuren auch auf den englischen und skandinavischen Schalen- und Näpfchen-
steinen und Pelsenzeichnungen!); sie haben auf denselben dieselbe Bedeutung
1) Erklärung der Fig. II—IV auf Taf. I.
Fig. IL A. Baldurstein bei Falkóping (nach ,Tuisko-Land*, von Dr. Ernst Krause
(Carus Sterne), Glogau 1891, S. 310).
B. Kartenbild nach Rich. Andree's Allg. Hand-Atlas (1881), S. 69.
WO West-Ost. K Kattegat. We S Wenern-See u. Wettern-See.
F. Falkóping.
250)
(257)
tm " den südamerikanischen iopographischen Darstellungen. Diese Behaup-
Es i ausibel zu machen, giebt es nur ein Mittel, — vergleichende Beispiele").
cine P davon im Nachstehenden drei; das eine ein Monolith, das andere
dreien elsenzeichnung, das dritte von einem. Grabdenkmal (Dolmen) Bei allen
enthalt ist in der angegebenen Quelle die Orientirung nicht vermerkt. Alle drei
Gerad €n einmal in verschiedenen Exemplaren das Radornament, — ın einer
tellu. verlaufend. Vergleicht man in Bezug auf letzteres Ornament die Dar-
techn. des Weltbildes des Kosmas aus dem 6. Jahrhundert unserer Zeit-
Bild d so scheint die Erklärung des Ornaments als Orientirungszeichen, —
fertigt er aufgehenden und untergehenden Sonne, — Ost und West, — gerecht-
orstorl Die übrigen Zeichen mit Ausnahme der Menschen, Thier- und Schiffs-
— ge ungen und des Abdruckes zweier Füsse sind insgesammt orohydrographisch,
Insel €, Fluss, Berg (Gebirge), Ufercontour, Insel. Namentlich in Ufercontour,
auf aud gewundenem Flusslauf lósen sich scheinbar ganz mysteriüse Darstellungen
Migu qp anderen auch mehrfach Aehnlichkeit mit Zahlen und Buchstaben haben.
Bohay Q A (entsprechend der Figur IT, B) isi theilweise ein kleines Beispiel für die
Pas. ung des Hrn. Ródiger, dass die Contouren des Steins selber in einzelnen
die D mit als Darstellungen zu betrachten sind. In Figur III, A ist interessant
und wo ellung der Fusssohlen. Hierbei hat neben rein naturalistischer Auffassung
Es gi ergabe noch die Anschauung des Kontrastes von + und — vorgewaltet.
Zwisch den daneben gemalten Zeichen, die als Inseln charakterisirt werden sollen.
ant à en letzteren und den Fusssohlen ist eine Zone, wo sich Fussabdrücke
B er Erdoberfläche nicht herstellen lassen, — Wasser. In Figur IIL, A bei
maga ell in Figur IV, A bei A und B macht sich die Tendenz bemerkbar, bei
der Jui nteren Darstellungen von der Peripherie (diese als der Weg gedacht, den
Wenn Ichner ging) nach dem Centrum abzuweichen. Dies erklärt sich sehr einfach,
dies, bedenkt, dass bei Zugrundelegung des Augenmaasses bei der Skizzirung
fachste a hal die Gegenstände am Horizont zusammenrücken, wofür das ein-
Zap eispiel eine grosse Allee ist, die am Horizont in einen spitzen Winkel
Ay nzulaufen scheint.
fiche x Figur IL, A, III, A und IV, A ergiebt sich übereinstimmend, dass der ein-
konto Teis (die Schale) oder das Oval eine begrenzte Wasserfläche, der mehrfach
terii t Kreis (die Spirale) eine gróssere Terrainerhebung andeutet. V on charak-
dezeieh en Ufercontouren sind in Figur IV, A (IV, B) namentlich die mit 1, 2, 3, 4. 5
arg, Pen Bilder hervorzuheben. Von charakteristischen Berg- und Fluss-
U Ungen ebendaselbst 7, 8, 9 und 10, 11, 12.
Fig, Pherschlágt man endlich noch die annühernde Grósse der berücksichtigten
die and So ergeben sich in Figur IL, A und B für die eine Rechteckseite 30, für
Rigy, me 95 geographische Meilen; in Figur IIT, À und B analog 35 und 25; in
etnetim ‚A und B 40 und 20. Abermals also eine auffällige annähernde Ueber-
~ Mung, —
Fig. TII. A. Felsenbilder von Quille-Hárad (Bohuslän) (nach »Tuisko-Land“ u.s.w.
S. 49).
B. Kartenbild nach Rich. Andree’s Allg. Hand-Atlas (1881) S. 69.
WO West-Ost. Ó Oeland. G Gotland. OS Ostsee.
Fig. IV. A. Stein vom Grabdenkmal vom ,Aspatria-Platz“ bei Carlisle, England.
C Carlisle.
D vy .. B. H. Lange’s Volksschul-Atlas (1880) S. 24. C Carlisle.
u ^18. Simpson, Keller, Desor (die einschlägigen Werke) und F. Ródiger,
Verhand) Correspondenz-Blatt d. Deutsch. Anthr. Ges, XIX. Jahrg., Nr. 1, Januar 1888.
- der Berl. Anthropol. Gesellschaft 1891. 17
C.)
Hr. Virchow: Das von den Herren Ródiger und Taubner so eifrig stur
dirte Gebiet der Fels- und Steinzeichnungen hat eine grosse Ausdehnung über
alle möglichen Theile der Erde, und es bietet zugleich der Phantasie so bequem?
Angriffspunkte, dass es etwas schwer ist, dem Gedanken Raum zu geben, dass
diese Zeichnungen überall eine topographische Bedeutung haben sollten. Unser ab”
wesender Freund Bastian hat, wie Hr. E. Krause mir in die Erinnerung zurück”
gerufen hat, schon vor Jahren bei Gelegenheit einer Beschreibung der Zeichen
felsen Columbiens (Zeitschr. d. Gesellsch. f. Erdkunde zu Berlin, Bd. XIII) eine
weit umfassende, wenngleich auch für jene Zeit nicht erschópfende Uebersicht de”
bekannten Petroglyphen gegeben. Seitdem hat jedes Jahr neue Beobachtunge”
gebracht, und wenn nun auch die Schalen- und Näpfchensteine sich derselben Ber
trachtung unterordnen müssen, so darf man sagen, dass die Zahl der in Frag?
kommenden Zeichen und Zeichnungen Legion wird. Hr. Bastian bemerkte schol»
dass in den Petroglyphen Columbiens das Chibcha-Zeichen für Dorfansiedelung an
Furthen „so vielfach in derartigen, Beziehungen zu Hügelreihen andeutenden gr
hóhungen wiederkehri, dass der Zusammenhang des Ganzen, an solchen Passage
stellen der Flüsse, den Eindruck macht, als ob eine topographische Orientirun8
beabsichtigt sein könnte“, Von einer Art Wegweiser auch im alten Mexico hat
Dupaix gesprochen, indem die auf Steinen angebrachten Fusseindrücke zur AM
gabe der Richtung gedient hätten. Nachdem nun, wie ich schon in der vorige?
Sitzung (S. 242) angeführt habe, Hr. Ródiger diese ,wegweisenden^ Peiroglyphe?
bis in das Herz von Deutschland verfolgt hat und Hr. Taubner die an sich nahe
liegende Erörterung der skandinavischen Hällristningar hinzufügt, wird es gewls
angezeigt sein, der Untersuchung Raum zu geben. Indess darf doch wohl auch
daran erinnert werden, dass nicht alle solche Zeichnungen topographische Bede?”
tung haben dürften, und vor Allem daran, dass sie sehr verschiedenen Zeiten an"
gehören. Hr. Rich. Andrée (Das Ausland 1890. Nr. 27. S. 539) hat erst JetzthW
die Aufmerksamkeit auf die von Hrn. Bonnet (Revue d'Ethnographie VIII. 158)
geschilderten Felszeichnungen im Süden der Provinz Oran und in den Oasen de!
Sahara hingelenkt, wo scheinbar ganz weit auseinanderliegende Zeitperioden durch
solche Marken charakterisirt werden. Hr. Bastian erinnerte an eine Beobachtur&
von Sir Robert Schomburgk, der am Rio Negro Felsabbildungen einer spanisch?"
Galeote fand. Warum sollten nicht ähnliche Erfahrungen, wie man sie an de?
Pictographien auf Thierhäuten und Holzbretiern der nordamerikanischen Indiane”
gemacht hat, auch bei den Petroglyphen zutreffen? Die grösste Vorsicht in der
Interpretation wird daher um so mehr geboten sein, je unvollkommener die Zeich
nungen sind, die man interpretiren will, denn es liegt auf der Hand, dass gerad®
die Unvollkommenheit einer Zeichnung das Verständniss der beabsichtigten Dar
stellung in hohem Maasse erschwert und der Willkür des Interpreten ein weite?
Feld eröffnet. Es ist mit den Zeichnungen der Menschen, wie mit den Wolke?
in denen eine erregte Phantasie alle möglichen Thier- und Menschengestalten ©
blicken kann. Möge diese Warnung nicht ungehört verhallen! Möge sie aber
auch nicht so aufgefasst werden, als wollte sie von einer weiteren Verfolgung des
jetzt betretenen Weges abschrecken! Im Gegentheil, môge die Untersuchung fort
gehen, aber in der kritischen Weise, die jeder. einzelnen Erscheinung ihr be”
sonderes Recht vorbehilt!
(8) Hr. Anton Hermann hat Nr. I einer Anzeige über das neu eröffnet?
Museum für Völkerkunde in Budapest eingeschickt.
(9) Hr. M. Bartels zeigt Lieferung I einer neuen Auflage des von ihm bear
beiteten Ploss'schen Werkes über das Weib.
958
(259)
m Hr. R. Buchholz legt die Protokolle der Generalversammlung des Ge-
vor un ne der deutschen Geschichts- und Alterthumsvereine zu Schwerin 1890
liber dio enkt die Aufmerksamkeit auf seine darin (S. 172) enthaltenen Mittheilungen
Durchlässigkeit vorgeschichtlicher Thongefässe und deren hauswirthschaft-
liche Verwendbarkeit.
The In meneror Zeit ist die Verwendbarkeit der antiken und vorgeschichilichen
Ducit; asse für hauswirthschaftliche Zwecke wegen der beobachteten starken
a bestritten worden, um die Ansicht zu begründen, dass sie aus-
deshalb ich für Zwecke der Todtenbestatiung gefertigt seien und ihr Vorkommen
E" auch eine Nekropole andeute.
Mörkisot, Jener Durchlässigkeit habe auch ich mich durch genaue Versuche im
Sechs "m Provincial-Museum überzeugt. Ein römisches, drei römisch-rheinische,
Poststell germanische, ein fränkisches und ein wendisches Thongefäss wurden nach
unter oe der Tara mit abgewogenem ‘Wasser gefüllt, mit Papier verdeckt und
luto hen Ruhe-, Temperatur- und Lufiverhálinissen (allerdings in einem sehr
Wieder enen Zimmer) 7 Tage lang stehen gelassen. Dann wurden die Gefásse
hen a Zunächst brutto, dann tara, gewogen und aus dem Vergleich der gewonne-
durch J chiszahlen die durch die Gefässwandung, zum geringen Theil auch wohl
D 1e Pflanzenpapierdecke, verdunstete Wassermenge berechnet.
eg bests Ergebniss war zwar ein für die verschiedenen Gefässe sehr abweichendes,
lässig ite aber im Allgemeinen, dass alle jene Gefüsse wirklich sehr durch-
100 Das römische Gefäss hatte 75 pCt. Wasser verloren, die römisch-rheinischen
day. hr 95 und 75 pCt., die aligermanischen 83, bezw. 74, 61, 58 und 37 pCt,
Bend ünkische 62, das wendische 52 pCt. In Vergleich hatte ich zwei klin-
Por, E orante mittelalterliche Töpfe, einen glasirten Steingutkrug und ein
die beige, ss gebracht, von denen die beiden erstgedachten 7, bezw. 5 pCt., die
loren hatte letzteren nur eine auf rund. */, pCt. anzunehmende Spur Wasser ver-
n.
e i meiner Erfahrung bin ich überzeugt, dass jeder weitere Versuch unter
Reyqp, Pélinissen mit anderen vorgeschichtlichen Thongefässen 1mmer dasselbe
es jg " d.h. immer einen Wasserverlust von 33 bis 95 pOt. ergeben wird, und
Es halb eine starke Durchlässigkeit als erwiesen zu betrachten. N
Usp Vy sich indess, ob die so constatirte Durchlässigkeit wirklich gegen die
Trangpeog Tauglichkeit der Gefässe zu Wirthschaftszwecken, insbesondere zum
Werden ka und zum Aufbewahren von Flüssigkeiten, erfolgreich ins Feld geführt
nn.
der ns Gefüsse haben mehr als 1000, ja 2000 bis 3000 Jahre und oft länger, in
Wasser © gelegen und sind dort dem Einfluss des Grundwassers und der Tage-
Asse Lo Sgesetat gewesen. Liegt da eine Veränderung der Wandungsdichtigkeit
Charge, 1 Möglichkeit? Wären die Gefässe aus reinem Thon und hätten. sie jenen
Macht rand erhalten, der sie klingend und im Bruch gleichfórmig und glasig
Benomm ann könnte höchstens eine ganz unwesentliche Dichtigkeitsveränderung an-
De en werden. Aber beides ist nicht der Fall.
Tásse N Thon haite meistens eine Beimischung erfahren, um das Bersten der Ge-
hitren n Trocknen zu verhindern; in der Regel hatte man Granit durch Er-
durch rocklig gemacht, dann zerkleinert und mit dem Thon vermengt. Hier-
waren neue Elemente genug in den Thon gelangt, um unter dem Einfluss
17°
(260)
der Erdfeuchtigkeit eine auf physikalisch-chemischen Gesetzen beruhende UM”
setzung zu bedingen, welche im Laufe der Zeit die Dichtigkeit in hohem Grade
beeintrüchtigen musste. Die Undichtigkeit, welche heute constatirt wird, kann des”
halb erst im Laufe der vielen Jahrhunderte entstanden sein, sie schliesst die U!”
sprüngliche Dichtigkeit, wenigstens die Annahme einer erheblich geringere?
Durchlässigkeit, nicht aus.
Auch die mangelnde Schärfe des Brandes kann eine durch die Bewegung des
Grundwassers oder durch den Einfluss der Tagewasser hervorgerufene mechanische
Veründerung in der Lage der Thonpartikelchen begünstigt haben. Klingend schar!
gebrannte Gefässe oder auch nur Scherben kommen aber aus vorgeschichtliche"
Zeit nur höchst selten vor und wenn sie gefunden wurden, so liess sich der scha"
fere Brand als ein nachträglich, durch Zufall entstandener in der Regel erkläre”
Die Brenntechnik war noch nicht auf den Standpunkt gelangt, eine auf die 7"
brennenden Gefässe gleichmässig vertheilte Hitze zu erzeugen, welche eine 8*
wisse Verglasung bewirkte; der Brand war immer nur ein relativ schwacher.
Wenn es hiernach zugegeben werden muss, dass die heute als sehr durch
lässig erscheinenden Gefässe ursprünglich viel weniger durchlässig gewesen sel”
können, so ist es ferner Thatsache, dass alle an den unbestrittenen Wohnstätte?
gefundenen Thongefässe von den Grabgefässen derselben Landschaft gar nicht ver“
schieden sind, dass sie also heute von derselben starken Durchlässigkeit sind und
dennoch als hauswirthschaftliche Gefässe offenbar gedient haben.
An allen, als solche consíatirten Wohnstütten Deutschlands, z. B. Pfahlbaute!*
Burgbergen, Burgwällen, an den in der Nähe von Gräberfeldern aufgefundene?
Wohnplätzen, ist eine Tópferwaare von solcher Beschaffenheit, dass sie Wasser
nicht oder weniger durchlässt, als die Grabgefässe, noch nicht beobachtet wordel
höchstens vereinzelte Stücke, welche zufällig später noch zum zweiten Male !
einen Brand geriethen und dadurch mehr oder weniger verschlackt wurden.
Wenn es überhaupt keine undurchlässigen Gefässe gab, ,
wenn andererseits wohl kaum bestritten werden kann, dass Thongefisse m
erster Linie und ursprünglich für den hauswirthschafilichen Gebrauch 8°
fertigt und erst später nebenher beim Bestattungscultus Verwendung fande?
so muss doch wohl dieselbe, heute so porós erscheinende Poterie auch zum kur7°"
Transport und zum Aufbewahren von Flüssigkeiten, insbesondere von Wasser, 8%
braucht worden sein. |
. Geringer isi, wie schon oben erklärt, die Durchlüssigkeit gewiss gewesen, W*
sie heute erscheint. Eine mässige Durchlässigkeit war aber für die damals b€
nothigte Gebrauchsweise gar nicht von Nachtheil, im Gegentheil, eine schwach?
Verdunstung durch die Gefásswandung war zugleich das Mittel, den übrigen Inhalt
kühl zu halten. Eine Veranlassung zu langer Aufbewahrung des Wassers gab 8
nicht, denn lünger als 1 bis 2 Tage blieb es doch nicht geniessbar, und für e?
so kurze Zeit berechnet sich der Verlust nur auf 5 bis 10 pCt. Bei Bereitung von
Getränken durch Gährung oder durch Erhitzen am Feuer ist. der in Folge d€
Durchlässigkeit entstehende Verlust nicht grösser, als der durch Verdampfen nach
oben, und er musste vertragen werden, da besseres Gefässmaterial nicht zur Ver
fügung stand. Die Holzgefüsse jener Zeit sind zweifellos auch nicht dichter 8“
wesen, und Metallgefüsse waren bei den vorgeschichtlichen Vólkern noch zu selten:
als dass diese hier in Rechnung kommen können. Oel dringt selbst durch fest-
gebrannte Gefässe, man musste sich einen kleinen Verlust am Vorrath gefaller
lassen, ebenso wie bei den zu längerer Aufbewahrung bestimmten, gegohrene"
— M
Foe
4
ru
(261)
er Bekochten Getränken, — eine Aufbewahrung, die man ‘sich nicht so zu denken
' "Ie Sie von den Culturvôlkern geübt wurde.
e eder aus der heutigen Beschaffenheit der Gefásse, noch aus den bezüglichen
gosh Cichtlichen Verhältnissen kann hiernach gefolgert werden, dass die vor-
mop, nt iche Töpferwaare lediglich für den Gräbercultus gefertigt wurde, viel-
Doro p eint es gar nicht zweifelhaft, dass dieselben Gefüsse, troiz ihrer
Flüsse: “Ssigkeit, auch als Wirthschaftsgefässe zur Aufnahme von
brag Seiten, wie von breiigen und trockenen Substanzen, in Ge-
th waren, —
d Virchow erinnert daran, dass er in dem Berichte über seinen vor-
Bleich Besuch in Hissarlik in der Sitzung vom 17. Mai 1890 (Verh. 8. 343) die
habe € Frage besprochen und Versuche mit einem trojanischen Pithos erwähnt
man Welche gleichfalls die Durchlässigkeit dieser Thongefässe ergaben. Wollte
sgg ehe Versuche als maassgebend für das Urtheil über die Gebrauchsweise
Aube, S0 würde daraus folgen, dass beinahe kein prähistorisches Gefäss zur
Sein i ahrung von Flüssigkeiten, auch nur für kürzere Zeit, verwendet worden
durch du Denn fast alle diese Gefüsse sind so wenig gebranni, dass sie schon
Mürbe le Bodenfeuchtigkeit in der Regel aufweichen und daher meist in einem
und kd brüchigen Zustande zu Tage kommen. Wir sehen das bei den grossen
ung en Gefüssen, welche die Grüber unseres Vaterlandes so zahlreich liefern,
Theile elche doch nach Form und Grösse wenigstens zu einem beträchtlichen
they s für Wasser, Milch und andere Flüssigkeiten benutzt sein müssen. Aber
Län der, verhalten sich auch die grossen Gefässe, welche noch jetzt in den meisten
Dungy des Südens als Wasser-, Wein- und Oelbehálter 1m Gebrauche sind. Ihre
Poren qc Bret vermindert sich mit dem Gebrauch und mit der Erfüllung ihrer
Uh Flüssigkeit. —
T Olshausen erwähnt, dass sich auf Amrum und
Müss: n anderen Oertlichkeiten Graburnen finden, welche
lgkeit enthalten. —
D Hr. Virchow zeigt die Photographie eines
1 Mannes mit einem Riesenbart.
Mass October v, J. stellte mir Freiherr v. Schirp einen
alt, — Strassburg, Namens J. Büllersbach, 42 Jahre
Geb. der einen Bart von 1,70 m Länge hat. Er ist von
Keine p.n Deutscher und nimmt im Reichslande eine
Shligs Rlenstellung ein. Die Hypertrichose betrifft aus-
Winey das Untergesicht. Das Kopfhaar ist wie ge-
der Schr Ziemlich reich, aber nicht ungewöhnlich lang;
aber aio hart wird etwas lang getragen, überschreitet
Sehen. c die Verhältnisse, die wir auch sonst zuweilen
die Unter agegen sind die Kinngegend, die Unterlippe und
Mit fing 0 Abschnitte der Wangen- und Unterkiefergegend
seg. ganz excessiven Haarwuchs bedeckt. Der breit
dey M * und sehr volle Bart reicht bis auf die Erde, und
Hal “on ist daher genôthi t, ihn für gewöhnlich d
8 Seschlu ge 19%, i n für gewo n ic! um en
ngen zu tragen. Er bringt ihn sorgfältig in ein
(253)
seidenes Tuch und verbirgt das Ganze unter den Kleidern. Die Haare sind
dunkelbraun, durchweg sehr stark, fast wie Frauenuhaar, meist glatt, nur vereinzelt
rauh und etwas gekriuselt. Nicht selten finden sich im Laufe einzelner Haare
lüngliche Spalten, hier und da am Ende, jedoch vorzugsweise in der Continuitát,
so dass jenseits der Spalte das einfache Haar noch 30—40 cm fortgeht. Die gute
Pflege hat sicherlich sehr viel zu der Erzielung des Erfolges beigetragen. Am
übrigen Körper hat das Haar keinerlei Abweichung.
(12) Hr. Ed. Krause berichtet über
Hügelgräber zu Kehrberg, Kreis Ostpriegnitz.
I. Aufgrabungen im Oktober 1887.
Die im Juli 1887 vorgenommenen Aufgrabungen in den Hiigelgribern ZU
Krams, Kreis Ostpriegnitz, veranlassten den Sohn des Rittergutspüchters Herrn
Joachim Langhoff auf Kehrberg, den damaligen Obersekundaner, jetzigen Stud.
theol. Eduard Langhoff einen der auf Kehrberger Feldmark gelegenen, denen ZU
Krams ähnlichen Hügel aufzudecken. Bei dieser Gelegenheit wurden einige Gefäss®,
bezw. Gefässreste gefunden, weshalb Hr. Langhoff dem Amtsvorsteher, sein
Sohn der Generalverwaltung der Königlichen Museen Anzeige von dem Funde
machte.
Die Ergebnisse der von mir am 6. bis 8. Oktober 1887 vorgenommenen vor-
liufigen Untersuchungen waren folgende:
Auf der Feldmark des Gutes befinden sich, soweit damals festgestellt werden
konnte, drei Gruppen von Hiigelgribern, deren erste Gruppe A (Fig. 1), aus jetzt
noch erkennbaren 5 Hügeln bestehend, 1,5 km NW. vom Dorfe liegt. Diese
5 Hiigel liegen auf einer Bodenerhebung, die nach Siiden am stärksten, nach
allen anderen Richtungen sehr schwach, am schwiichsten nach Norden abfällt.
Von dieser Hügelgruppe wurden die in der Situationsskizze Fig. 1 mit I, II und II
bezeichneten Hügel behufs ihrer Untersuchung geóffnet. Von der Oeffnung dev
übrigen beiden nahm ich Abstand, da auf einem, Nr. IV, eine starke Kiefer steht,
die noch nicht gefällt werden sollte, der Hügel V aber an der Südseite eine Ein-
senkung zeigte, die vermuthen liess, dass hier bereits früher, vielleicht schon !"
alter Zeit, ein Eingriff stattgefunden hatte.
Hügel I (Fig. 1—3). Der erste von mir untersuchte Hügel liegt an dem so.
Ende einer 42 m langen Steinschüttung, auf der auch die Hügel II und III errichtet
sind. Er hat 7m Basisdurchmesser bei 1 Höhe. Es wurde ein etwa 2,5
breiter Graben von SO. in den Hügel eingetrieben. Der Hügel bestand bis auf
den oberen, fast nur aus flachen Steinen gebildeten Theil durchweg aus Roll-
steinen von 0,15 bis 0,80 m Durchmesser. 1,25 m vom Rande stiessen wir auf
eine Steinkiste, hergestellt aus aufrecht gestellten, flachen Geschiebestiicken, die
bis zu 0,80 » lang, 0,40 m breit und 0,30 m dick waren. Dreizehn solcher Steine,
mit ihren flachsten Seiten nach innen gestellt, umstanden und bildeten einen
0,95 m im Lichien weiten Raum, an dessen Wesiseite Urnenscherben mit einige?
Resten gebrannter Knochen, hauptsüchlich vom Schüdel, niedergelegt waren, wührend
andere Knochenreste in dem ganzen geüffneten Theil des Hügels zwischen den
Steinen verstreut. lagen. Die Steinkiste war mit flachen Steinen in mehreren
Schichten überwülbt, wie dies in Fige2 dargestellt ist, Das Gewölbe war In
folgender Weise hergestellt: Auf einen (oder zwei neben einander liegende) Steine
(a) des Steinkreises der Kiste war ein flacher Stein b derartig aufgelegt, dass die
kleinere Hälfte nach unten und aussen überragte; an diesen Stein waren, in gleicher
264
(263)
Figur 3.
Figur 1. A9
zo
u 5
Hügelgruppe A. 3 : 4000. Hügel I. Grundriss. 8 : 400.
Figur 2.
d Jk mpm
208 tJ
eh E
SOR EE
Hügel I. Querschnitt. 9 : 400.
Weise auf die Seitensteine aufgelegt, hart an b anstossende andere flache Steime
Sefiigt, so dass sie zusammen einen geschlossenen Ring bildeten. Auf die
N ten überhängenden Enden, die gegen die Kistenwand hin mit Rollsteinen unter-
» Waren, waren von aussen her wieder flache Steine c gelegt, gegen welche, nach
sr Mitte zu, die Schicht d stiess, deren Zusammenstoss mit c die Schichten e und f
erdeckten. Oben, fast genau in der Mitte des Gewülbes, fand sich als Schlussstein
flacher Mahlstein aus Granit g, der sich jetzt im Museum für Völkerkunde be-
vet, mit der flach ausgehóhlten Gebrauchsflàche nach unten gekehrt. Diese Stein-
te war mit Sand gefüllt, in dem die Scherben, als solche beigesetzt, und Knochen
po halten waren. Die Herstellung eines derartigen gewölbeartigen Baues ist nur
i. Stich, wenn der ganze Raum darunter mit Sand angefüllt ist, da das Gewölbe
we nicht tragen kann und ohne Unterstützung einstürzen würde. Die Steinkiste
wo in den Seitenwinden 0,40 m, in der Mitte 0,75 m im Lichten hoch. Thr Boden
un Mit flachen Steinen gepflastert, die nach Ausrüumung der sonst nur mit Sand
sd einigen kleinen Steinen gefüllten Kiste ebenfalls entfernt wurden; doch fand
‘Ch unter ihnen bis zu 1,25 Tiefe nichts von Alterthümern vor.
d Hügel II, Fig. 4, lag 8,5 m vom Rande des Hügels I ungefähr auf der Mitte
set. inschüttung, deren beide Enden die Hügel I und III bilden. Diese Stein-
u ütung erhebt sich mur wenig, 0,30 bis 0,90 m über die umliegende Ackerflüche
d ist augenscheinlich nicht mehr unberührt, da bereits früher Feldsteine von
" abgefahren, andere, von dem umliegenden Felde aufgelesen, wieder hinzugethan
uM Dennoch hielt ich die kaum als kleine Erhöhung bemerkbare Stelle, welche der
ügel IT einnahm, für unberührt. Die Oeffnung des Grabes bestätigte die Richtig-
(264)
Figur 4.
=. vb X
eee nate rit C a obese e e
Hügel II. Querschnitt. 9 : 400.
keit dieser Vermuthung. Der Hügel hatte etwa 5,5 Durchmesser bei 0,70 m
Hóhe; er enthielt eine kleinere, nach Art derjenigen im Hügel I gebaute Steinkiste
von 0,95 zu 0,75 m Durchmesser bei etwa 0,80 m lichter Hohe in den Wänden.
Die Ueberwälbung dieser Steinkiste deckten verschiedene Schichten flacher Steine,
die bis an die Oberfläche reichten. Der gepflasterte Boden der Kiste lag 0,20 m
über der Terrainhôhe; über das Pflaster des Bodens waren verstreut Scherben
von Thongefüssen, untermischt mit Knochenresten und zwar hauptsächlich an der
südóstlichen und nordwestlichen Seite. Die Lage der Scherben war eine derartige,
dass angenommen werden muss, sie seien als Scherben beigesetzt und nicht als
ganze Gefässe, die später etwa durch die Last der darüber liegenden Steine zer-
drückt wären. Da die Steinkiste mit Sand gefüllt war, hätten die Scherben eines
zerdrückten Gefässes beisammen liegen müssen, so dass eine Wiederherstellung
desselben möglich gewesen wire; hier aber lag Alles bunt durcheinander, SO
dass' sogar zusammenpassende "Thonscherben auf die beiden hauptsáchlichen
Fundplätze in der Kiste vertheilt waren. Das Bodenpflaster dieser Steinkiste be-
stand aus flachen Steinen, die in Lehm gebettet und deren Zwischenrüume mit
kleinen Steinen sorgfültig ausgefüllt waren. Unter dem Pflaster wurde nichts
gefunden. Der Hügel bestand ausser den flachen Steinen der Steinkiste und
deren Ueberdeckung aus Rollsteinen bis zu 0,30 m Durchmesser. Der Lehm für
die Bettung der Bodensteine ist aus ziemlicher Entfernung herbeigeschafft, da die
ganze nühere Umgebung keinen Lehm als anstehend aufweist.
Hügel III (Fig. 5 und 6) war der grösste, am nordwestlichen Ende liegende
der drei Hügel auf der 42 m langen Steinschüttung. Er hatte 11 m Basisdurch-
messer und war 1,25 m hoch. Die ganz flach gewölbte Kuppe war von einem
3 m weiten Kranz grösserer Steine umstellt, welche über die anderen Steine, die
die Oberfläche des Hügels bildeten, etwas hervorragten und im Durchschnitt etwa
je 0,80 m von Mitte zu Mitte von einander entfernt standen: ich zählte 12 Stück-
In den Hügel wurde ein 3 m breiter Graben von Südosten her eingetrieben. Hier-
bei fanden sich in der Mitte des Hügels, sowie nahe dem Steinkreise, doch an
seiner Aussenseite, unter den obersten Steinschichten, einige Thonscherben und
Reste gebrannter Knochen. Der Graben wurde bis über den nordwestlichen Rand
des Steinkreises fortgeführt, ohne dass eine Steinkiste entdeckt wurde. Bei weiterem
Eindringen in die Tiefe fanden wir bei a (Fig. 5) in einer Tiefe von 1,40 m' vom
Gipfel des Hügels, also 0,15 m unter dem Niveau der umliegenden Felder, eine
von grösseren und kleinen Kohlenpartikeln vollständig schwarzgefärbte Schicht,
welche von dieser Stelle aus sich im Bogen über Norden bis Südwesten erstreckte
und bis b sanft anstieg. Sie folgte ungefähr der Peripherie des auf der Hügel-
kuppel befindlichen Steinkreises mit einem breiten Ausläufer nach Nordnordwest
und nach der Mitte des Hügels. Zwischen ccc lag die Brandschicht auf einem
Pflaster von kleineren, doppeltfaustgrossen Steinen. Diese Branderdschicht war
0,30 bis 0,35 m mächtig. In ihr wurden bei a eine kleine Bronzepfeilspitze, 2,5 cm
lang (Fig. 7), eine ähnliche, zerbrochene, 2 cm lang, (Fig. 8) und ein Bronze-Frag-
(265)
Figur 5.
Hügel III. Grundriss, 3 : 400.
Figur 6.
C 3 SR a T ^ 3 au, m
CK wr XT Fy
x - ; } u ww
p 7 N . bo
5 | 25 rr
Y C M i ‘ Aa
Ty + e T i
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Hügel III. Querschnitt. 9 : 400.
Ing .
bei à (Fig. 9), anscheinend durch den Brand
fond er Bestattung geschmolzene Bronze, ge- CL Figur 9.
dg Bei d traf ich Scherben eines sehr F8" * — Figur 8.
hän Wandigen Gefässes, doch nichts Zusammen-
WE vielmehr lagen die einzelnen Scherben, a
lun lin horizontaler, wie in vertikaler Rich- j | i
chip auseinander. Durch die ganze Brand- ; | C
un à t verstreut wurden einzelne Knochenstücke p be.
ogre oo Kohlenbrocken gefunden; letztere
Nor, die Structur des Eichenholzes. Ein von
dep Westen her eingetriebener Graben konnte ?/, der natürlichen Grüsse.
Vorgerückten Tageszeit wegen nicht bis zum
(266)
Figur 10. Treffpunkt mit dem ersten Graben fortgeführt
werden. Der Kürze meines Urlaubes wegen
Ebene. musste ich einstweilen von der sehr wiinschens-
werihen weiteren Untersuchung dieses Hügels
To; x 7 Abstand nehmen, um die weiteren Hügelgruppen
^ fedt mi) ach A. wenigstens so weit untersuchen zu können, dass
p TE liber ihre Beschaffenheit Aufschluss erhalten
fag, 12 pP werden konnte.
(rr I Ich wandte mich deshalb am nächsten Tage
4 405 = der Hiigelgruppe B zu; Situationskizze Fig. 10.
és Diese liegt etwa 480 cm nordnordôsilich gegen
«4: Norden von der Gruppe A; sie besteht aus
4 deutlich erkennbaren Hügeln VI, VII, VIII
Hügelgruppe B. 3 : 4000. und IX. 10 m westlich von dem Hügel VI liegt
noch eine etwa 55 m lange Steinschüttung, deren
Ursprung indessen nicht erkennbar ist und deren Untersuchung späterer Zeit vor-
behalten bleiben musste.
Figur 11.
Lud V XU o. > zn
Y M A i
7 NATH Le
EPA
a D Hoy A.
SE RR V.
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Hügel VI. Querschnitt, 9 : 400.
Hügel VI (Fig. 10 und 11) ist der westlichsie der Gruppe und derjenige
Hügel, den Herr Ed. Langhoff im Sommer geöffnet hat, worüber er, wie folgt,
berichtete: „Nach Wegräumen der oberen Steine fand ich ,eine backofenfürmige
Wólbung^ oben mit einem grösseren platten Stein bedeckt, und geschlossen.
Innerhalb dieser Wólbung befand sich zunächst Sand, in welchem ich ein
Stück gebogenen, am Ende mit geringen Verzierungen versehenen Metalls fand,
was aber leider sehr leicht zerbrach?). Sodann fand ich verschiedene Scher-
ben und Knochenstücke. Noch etwas tiefer entdeckte ich dann schon zu
sammenhängendere Scherben, so dass ich die Form der Urnen erkennen konnte-
Es war mir jedoch nicht môglich, eine der Urnen heil herauszuférdern, da die-
selben. einerseits überhaupt schon vielfach zerborsten, andererseits sehr morsch
und feucht waren. Nur eine ganz kleine konnte ich heil herausbekommen, und
von der grösseren, in der sie stand, glaube ich doch wenigstens alle Stücke zu
besitzen (Fig. 13 und 14). Der Durchmesser der grösseren Urne ist ungefähr
l'/, Fuss und der der kleinen etwa ein Decimeter. Die Masse derselben ist bläu-
licher Thon, und ihren Inhalt bilden Knochenstiicke, einige Kohlen und Erde;
mit letzterer ist überhaupt das ganze Innere der Wölbung angefüllt gewesen.“
Der Hügel hatte 10,5 m Basisdurchmesser und war 1,60 m hoch. Da Herr
1) Es ist im Königlichen Museum für Völkerkunde wieder zusammengesetzt worden
und ist ein Endstück von einem Armringe. Fig. 19. Kr.
A
LEE
Figur 12. */,
Ke i. | Figur 14.
Figur 13.
3/,, der natürlichen Grosse.
Langhotf den Hügel nur von oben her geöffnet hatte, und die Steinkiste noch
Meht ganz geleert war, so liess ich wiederum einen Graben eintreiben und zwar
Yon der Ostseite her. Die Steinkiste (Fig. 11) stand etwas südlich von der Mitte,
ym aus im Querschnitt mehr rundlichen Steinen aufgebaut, ,oben über“, wie Herr
Angho ff perichtet, „ein flacher Stein wagerecht gelegt, und um diesen mehrere
pere? Einen grossen Theil dieser Ueberwülbung fand ich noch in seiner ursprüng-
hen Lage vor. Ehe wir an die Steinkiste gelangten, wurden wiederum zwischen
0x Steinen Scherben und Knochensplitter gefunden. Die Kiste war 1,10 m lang,
po M breit und 0,50 m in den Wänden hoch; ihr Boden war 0,60 m über Terrain-
he in Lehm gebettet. Unter den durch Hrn. Langhoff entfernten flachen Deck-
weinen fand sich wiederum ein grosses Fragment eines Mahlsteines aus weiss ge-
bândertem Syenit oder Diorit. In dem in der Kiste befindlichen Sande wurden
"och Scherben der früher ausgegrabenen Gefüsse, sowie die grösseren Fragmente
nes neu gefundenen Gefässes ausgegraben. Die in diesem Hügel gefundenen
plerthümer sind folgende: Fig. 13 ein kleiner einhenkliger Topf von hellgrauer
“bung ; er ist 6 cm hoch, hat 9,5 cm oberen, 3,5 cm Bodendurchmesser. Unter
tor Weitesten Stelle (10,8 cm) befinden sich 3, darüber 4 wagerechte flache
hen und über und unter diesen je eine Reihe kleiner flacher Grübchen. Der
Weine Topf stand in dem in Fig. 14 dargestellten aufrecht, beide mit Sand gefüllt.
"18. 14 einhenkliger Napf, 11—19 cm hoch, bei 35 cm oberen, 11 em Bodendurch-
Fur 15. Figur 16.
3j, der natürlichen Grósse.
Messer. Er ist dunkelgrau, an einigen Stellen fast schwarz, seine Oberfläche gut
lite. Fig. 15 Urne ohne Henkel, 16—19 em hoch, 24 cm oberer, 23 cm grösster
ae chmesser und 9,6 cm Bodenweite. Fig. 16 Urne von gleichem Typus, wie Fig. 15,
Och gerade; 19 em hoch, 25 cm oberer, 30 cm grosster, 11,5 em Bodendurchmesser.
(268)
Die Urnen Fig. 15 und 16 waren mit Knochen gefüllt, und mit den Deckelschalen,
wie Fig. 17, bedeckt. Fig. 17 Deckelschale, einhenklig, 9—10 cm hoch, 29 em
oberer, 9 cm Bodendurchmesser. Ausser dieser vollständigen Schale ist noch ein
grosser Theil einer zweiten gleichen vorhanden; ferner ein grösseres profilirtes
Randstück einer grossen Schale, das vereinzelt gefunden wurde. Die Fig. 14—16
aufgeführten Thongeräthe sind alle mehr oder weniger hell gelblichgrau, ihre Ober-
fläche gut geglättet.
Figur 18.
Figur 17. mM
GL — |
p s (y
A
1
?Ag der natürlichen Grüsse,
Hügel VIL Grundriss. 3 : 400.
Hügel VII (Fig. 18). Der nôrdlichste kleine Hügel dieser Gruppe hatte
9,9 ^ Basisdurchmesser und war nur 0,50 m hoch. "Trotz seiner geringen Gróssé
barg er dennoch eine Steinkiste sie war: aus 9 im Kreise stehenden Steinen
gebildet und hatte 0,30—0,35 m inneren Durchmesser und etwa 0,25 em lichte
Höhe in den Wänden. Sie war in der beim Hügel I beschriebenen Weise mit
flachen, schräg liegenden Steinen überwölbt in drei Schichten, deren oberste
in der Mitte des Hügels zu Tage irat. Zwischen den obersten Steinschichten
lagen Kohlenreste. Die Steinkiste selbst enthielt auf dem Pflaster Knochenreste,
gebrannt, die in einem Häufchen an der Ostseite, am óstlichsten die Schädelfrag-
mente, lagen; neben diesen im Süden Kohlenerde. Einige Knochensplitter waren
über den Boden der Kiste, der aus flachen, in Lehm gebetteten Steinen bestand,
verstreut; Scherben fanden sich in diesem ganzen Hügel nicht. Nach den Knochen-
resten war das Grab das eines Kindes.
Figur 19.
ZA Sk NEC REX CENTER,
Hügel VIL. Querschnitt, 9 : 400.
Hügel VIII (Fig. 19) ist der am meisten nach Osten gelegene in dieser Gruppe;
er hat 6 m Basisdurchmesser und ist 0,55 m hoch. Seine Oberfláche war von einer
Schicht von Rollsteinen in Kopfgrósse und darüber gebildet, unter der die flachen
Steine in der durch die Zeichnung dargestellten Weise folgten; sie schlossen den
Hohlraum dachartig ab. Die Steinkiste war mit Sand gefüllt; sie hatte ungefähr
quadratischen Grundriss, 0,75 inneren Durchmesser bei 0,55 m. lichter Höhe in
den, Wünden, so dass sie mit der Oberkante ihres Bodens 0,10 m unter Terrain
lag. Etwas östlich von der Mitte stand auf dem gepflasterten Boden eine Urne
mit Knochen, derartig zerdrückt, dass ihr Boden noch an seinem ursprünglichen
t5
(269)
P
mg stand, während der obere Theil nach Westen hin verschoben war. Der
eu in der Steinkiste, sowie die Scherben waren ganz von Regenwasser durch-
st S0 dass von der stark zerdrückten Urne nur einige Scherben gehoben werden
p, ten, während alles Andere zu Krümchen zerbróckelte, wozu auch der starke
d während der Arbeit beitrug. In der Sandfüllung lag über der Urne in der
e der Oberkante der Seitenwandsteine ein flacher, 0,30 m breiter Stein.
Zeit Hügel IX, 6m Basisdurchmesser und 1,10 hoch, konnte der Kürze der
* wegen nicht geóffnet werden, dürfte aber ebenfalls ein Grab enthalten.
Figur 20.
Hügel X. Querschnitt. 9 : 400.
Figur 21.
9 D DS Do
47 Q 0$ |
^
Qy o
3.5. A Nd
773452 OC
Hügel X. Grundriss. 3 : 400.
die Rr Uppe O, 920 m Nordosten gegen Norden von Gruppe B. bei dem Gehólz
Noch an bucht“ oder die „Staarbuchtschen Tannen“. Die Gruppe besteht heute
Ha. den 4 erkennbaren Hügeln X, XI, XII und XIII.
Oben 1861 X (Fig. 20, 21 und 24) hat 10,5 m Basisdurchmesser und 1,60 m Höhe.
N der Mitte lag ein grósserer Stein, der über die umliegenden um 0,20 m
(Uc)
hervorragte. 0,5 m gegen Ostnordost von diesem Mittelstein (Fig. 21) lag dicht
unter der oberen Steinschicht zwischen einigen flachen Steinen ein Háuflein Knochen
von einigen "Thonscherben umgeben. 0,5 m von der Mitte nach Südwesten fanden
sich in einer Tiefe von 0,20 m Scherben eines Thongefásses und 0,80 m unter
dieser Fundstelle eine Steinsetzung (Fig. 21) und darin die mit Knochen gefüllie
Urne (Fig. 22) nebst Deckel (Fig. 23). Diese Urne ist 17,5 cm hoch, bei 28 c"
Figur 22.
Figur 23.
eo oom
or CECE
?/a der natürlichen Grósse.
oberem, 31 em weitestem und 11,5 c» Bodendurchmesser. Die untere Bauchflüche
ist durch ein Gitterwerk von wagerechten und radialen Strichen verziert. Die
Deckelschale (Fig. 23) weist eine ähnliche, wenn auch nicht so regelmässige Ver-
zierung auf; ihr Henkel, von dem die Ansätze noch zu sehen, wurde nicht gefunden-
Die Schale ist 8,5 cm hoch und hat 31,8 cm oberen, 11 cm Bodendurchmesser. Unter
dem den Hügel krönenden Stein lagen 2 Feuersteinspähne mit Spuren von Be-
arbeitung. Um den Hügel zog sich in einem Abstande von 1 m von der Peripherie
ein Kranz grösserer Steine, während der ziemlich grosse Hügel in dem. bisher
untersuchten Theile auffallender Weise fast nur aus sehr kleinen Steinen von Faust
grüsse und etwas darüber zusammengesetzt war.
Hügel XI und XII liegen auf einer Steinschüttung von 18,5 m Länge (Fig. 24).
Es sollte hier ebenfalls nur die Beschaffenheit des Hügels XI festgestellt werden,
deshalb wurde er der Kürze wegen, wie auch mit Hügel X geschehen, von oben
her geöffnet, da die vielen flachen Steine an der Oberfläche ihn als bereits früher
geöffnet erscheinen liessen. Der Hügel hat 4 m Basisdurchmesser bei 0,30 m Hóhe-
Beim Abräumen der zweiten Schicht wurden einige Scherben, zum Theil verzierh
gefunden, so dass der Hügel ebenfalls als ein Grabhügel zu betrachten sein dürfte-
Hügel XII und XIII musste ich unberührt lassen, da mein Urlaub ablief.
Hügel XII hat 8,5 m Durchmesser und ist 1,25 m hoch.
Hügel XIII ist der imposanteste aller von mir besichtigten Hügel. Er liegt
etwa 70 m nordwestlich vom Hügel XII, an einer sehr ausgezeichneten Stelle
nehmlich auf einer Art Vorgebirge (Fig. 24), das nach Nordwesten, Norden und
Nordosten hin abfällt; namentlich ist der Abfall nach Nordwesten bedeutend-
Weiter nach dieser Richtung hin schliesst sich ein Thal an, dessen Grund ei
Sumpf und ein Wasser einnehmen. Dieser grösste von allen Kehrberger Hügeln
hat 15m Basisdurchmesser und ist 2,3 hoch. Da er nicht nur durch seine
Grosse, sondern auch durch seine hervortretende Lage besonders ausgezeichnet ist,
so ist zu vermuthen, dass er zum Denkmal fiir eine besonders hervorragende Per-
sónlichkeit oder Familie errichtet ist, und es dürfte deshalb seine Untersuchung 1
Interesse der Wissenschaft sehr zu empfehlen sein: .
Die hier beschriebenen Arbeiten an den verschiedenen Hügeln sind, da sie 1”
so kurzer Zeit ausgeführt werden mussten, keineswegs erschöpfend, und nur als
(QTO.
(271)
Figur 24.
Flex:
Höhn Fe “ap
Lpichter Abfall
Auch go.
T
I
Hügelgruppe C. 3 : 4000.
onde zu betrachten, welche dargethan haben, dass die sàmmtlichen in. Angriff
io mmenen Hügel in der That Grabhügel waren. Zu einer gründlichen, ihrem
Bra schaftlichen Interesse entsprechenden Untersuchung dieser in der Mark
i, denburg so seltenen Hügelgrüber würde, wenn alle, wie es wünschenswerth,
ge sehend erforscht werden sollten, eine längere Zeit erforderlich sein, bei den
song gen Massen der von der Stelle zu bewegenden Stein- und Erdmassen. Be-
M TS erwünscht dürfte die Untersuchung des Hügels XIII sein, der als der
Sta" von allen ganz isolirt liegt, und so in jeder Hinsicht eine hervorragende
lick ung einnimmt. Hr. Amtmann Langhoff, welcher meine Arbeiten in der
Weiten ürdigsten und umfassendsten Weise unterstützt hat, hat es mir freigestellt,
Schl Ausgrabungen im Interesse der Königlichen Museen vorzunehmen. — Zum
ki sei noch erwähnt, dass auch in Kehrberg die Arbeiter von dem „Riesen-
Sans. Sprachen, der in einem der Hügelgrüber, in einem ganz mit ,Gold gefüllten
"a : begraben sein soll ähnlich wie in Krams, doch da meist » Wiesenkônig“
Ant, in einem „goldenen Sarge“.
IL. Aufgrabungen im Juli 1888.
Lane den Osterferien des Jahres 1888 hatte der Sohn des Ritterguispächters
ge e oft, Primaner Eduard Langhoff, wieder eine neue Gruppe von Hügeln
die "den und zwar in den sogenannten Kuhirifistannen (, Kuhdriftsche Dannen^),
ting, rie Gruppe auf Kehrberger Terra. Er grub mit mehreren Freunden den
Sogen Hügel (XV, Fig. 25) an und fand darin mehrere Scherben und einige Ballen
und Annes Urnenharz, welches im Konigl. Museum fiir Völkerkunde untersucht
Hus Birkenharz erkannt wurde. Durch diese Funde wurde nicht nur diese
auch 8ruppe als ein prähistorischer Begräbnissplatz erkannt, sondern ausserdem
alter ps sogenannte „Urnenharz“ (auch „Räucherharz“) zum ersten Male aus so
21. bi o in dieser Gegend nachgewiesen. Bei meiner Anwesenheit in Kehrberg,
8 26. Juli. maass ich nun diese aus 5 Hügeln bestehende Gruppe auf. Fig. 25
(272)
Figur 925,
" EP Wald
XVI, M
Neal,
Hügelgruppe D. 3 : 4000.
ist eine Situationsskizze dieser Gruppe. Diese Hügelgräbergruppe D liegt
2 km wesinordwesilich vom Gute, etwa 700 m westlich von der Gruppe A, auf einer
leichten Erhebung inmitten des genannten Waldstückes. Die Hügel haben 6 bis
10 m Basisdurchmesser bei 0,60 bis 1,10 m Höhe; sie sind in der Längsrichtung
ungefähr von Nordwesten nach Südosten gruppirt, derartig, dass die beiden grössten
Hügel XIV und XVII an den Enden liegen. Ihre Oberfläche ist glatter, als die
der auf freiem Kelde liegenden, da die Zwischenräume zwischen den oberen
Schichten mehr mit Sand gefüllt sind, als dies bei den übrigen Hügelgruppen der
Fall ist; deshalb ist auch die Oberfläche mit einer Gras- und Haidekrautnarbe
bedeckt, was bei den im Felde liegenden nur zum Theil der Fall ist.
Hügel XV war ein runder Hügel von 7,5 m Basisdurchmesser bei 1 m Höhe-
Die Urnenreste befanden sich wiederum in einer gewölbeartigen Steinsetzung oder
Steinkiste, von welcher ich hoch einige Steine der Umfassungswand in ursprüng-
licher Lage. vorfand. Es waren ziemlich flache Steine, welche mit ihrer flachsten
Seite nach innen standen. Die darüberliegenden, eine Art Gewülbe bildenden
Steine waren durch Hr. E. Langhoff entfernt worden. Der Boden dieser Stein-
kammer lag mit der Sohle etwas über Terrainhóhe; die Zwischenrüume zwischen
den Bodensieinen waren mit Lehm ausgefüllt, welcher in der ganzen nüheren Um-
gebung der Hügelgruppe nicht ansteht, also absichtlich herbeigeschafft war. Der
Boden der Steinsetzung, der zum grossen Theil noch in ursprünglicher Lage an-
getroffen wurde, wurde ausgehoben, doch bis zur Tiefe von 1,20 m unter dem-
selben nichts gefunden. Darauf wurde ein Graben von Südosten her in den
Hügel XVI eingetrieben, aber bis zur Mitte des Hügels nur wenige Scherben ge-
funden, keine Steinkiste. Wegen Arbeitermangels und wegen der Kürze der Zeit
musste ich vorläufig von eingehenderer Untersuchung abstehen. .
Etwa nordwesilich von dieser Hügelgruppe, etwas gegen Norden, bemerkte ich
beim Durchsuchen der Umgebung der Hügelgruppe D zwei Steinsetzungen, welche
einige Aehnlichkeit mit schmalen „Riesenbetten“ haben. Wenn auch ihre Maasse
(273)
ino sind, als bei den Riesenbetten gewöhnlich ist, wollte ich es doch nicht
ihr pose, die Lage aufzunehmen und wenn möglich irgend einen Anhalt über
lanze wetehungsart zu gewinnen. Diese Steinpackungen erstrecken sich als zwei
lan. etten von Nordwesten nach Südosten, vom Nordwestrande der Kuhtrifts-
heit gegen die Hügelgruppe D hin. Das Nordwestbett ist 31 m lang und 4 m
aufre ni schmale Nord westseite, wie die Südwestlängsseite sind gesäumt durch
eins " stehende, bis zu 1 m lange Steine. 3m vom Nordwestende befindet sich
m" D m lange Gruppe grüsserer Steine, welche einer eingestürzten oder halb-
"m en Grabkammer ühneli; in gleicher Entfernung vom Südostende liegen
Stein alls einige grüssere Steine, wührend an der Nordostseite die Reihe grósserer
Miis fehlt. An diese Steinschüttung reiht sich nach Südosten mit 15 m Zwischen-
und 15. 17 m lange, 3m breite beetartige Steinschüttung mit kleineren Steinen,
Nord m südöstlich davon eine hügelartige, 0,5 m hohe Erhebung von 1,25 m (von
dura en nach Südosten) zu 1,40» (von Nordosten nach Südwesten) Basis-
leg messer. 5,5 m nordwestlich vom Nordwestende der ersten Steinschüttung
Stein em grosser flacher Stein zwischen 3 grösseren und 2 kleineren anderen
einer welche eine Gruppe bilden, die einem eingestürzten kleinen Dolmen oder
und emgestürzien Steinkammer ähnlich sieht. 10 m nordöstlich von dieser Gruppe
und e letzterer durch eine Steinschüttung verbunden, eine zweite ähnliche Gruppe
gege m nürdüstlich von dieser eine Steinschüttung, die sich gegen 190 m lang
e a Südosten verfolgen lässt, bis zu einem Punkte nordöstlich vom Hügel XV,
Östlich. in einem kleinen, 5 m breiten, 0,4 m hohen Hügel endet, etwa 63 m süd-
schiti vom Wege nach dem Rummelsberg. Eine Untersuchung der ersten Stein-
Gründe mit den grossen Steinen gmg aus den beim Hügel XVI angegebenen
aufko en nieht an, wohl aber wurde, da die ganze Anlage Zweifel über ihren Zweck
der men liess, der Südost-Erdhügel der zweiten, beetartigen Steinschüttung,
A kleinen Steinen bestand, abgehoben, wobei sich, ausser einer Reihe
regal. Theil kantiger Feuersteinknollen, nichts fand. Die Steine lagen un-
Unter oe ohne erkennbare absichtliche Anordnung. Die Feuersteine lagen meist
Nächst en Steinen im Erdboden, bis zu 0,5 m tief, die meisten in der Mitte und
Ihnen Jer Mitte; Spuren von Bearbeitung durch Menschenhand waren nicht an
langen bar Die Untersuchung dieses Hügels verlief also resultatlos. Die
Hünent teinschiittungen dürften deshalb wohl nicht als sogenannte Riesen- oder
Grey, ien anzusehen sein, da bei dem erstbeschriebenen nur eme Reihe grosser
Breite eine vorhanden war, bei den anderen gar keine, und ferner bei der geringen
thug he wohl die Möglichkeit vorliegt, dass man es hier mit „Lesesteinen“ zu
Wobei d welche mittelst Wagen längs eines Fahrgeleises zusammengefahren wurden,
lieben de grössten Steine nur vom Wagen abgekippt oder gewälzt wurden und so
m em Fahrgeleise wie absichtlich aufgestellt liegen blieben.
Kehrban den Hügelgruppen A bis D findet sich 1,25 km nördlich vom Gute
Heinen nahe dem Wege nach Klein-Woltersdorf, westlich vom Wege auf einer
9 Hügel nhühe, um eine Buche gelagert, noch eine Gruppe E von, wie ich annehme,
durch Sa, (Fig. 26). Die Contouren dieser Hügel sind im Laufe der Jahrhunderte
Yerschy ndwehungen, Pflanzenwuchs und durch das Aufwerfen von Lesesteinen sehr
flache Sp en: Die Hiigel XXI bis XXVII der Situationsskizze sind durch eine
Samen tin mit einander verbunden, so dass sie wie auf einer gemein-
Sprung, rundpackung ruhen, doch ist diese wohl zum grossen "Theil neueren Ur-
Belege, ri Paupistiohlich durch Lesesteine entstanden. Ein ósilich von Hügel XIX
Steinen " ügel ist nicht mit zu der Gruppe zu rechnen, da er lediglich aus Lese-
Vena, Ls wie sein Durchschnitt deutlich zeigte.
* der Berl. Anthropol, Gesellschaft 1891.
18
(274)
Figur 26.
XXL. X
XXIV! i fos | 2XIX
7 Bone.
XXV). x
nu Hügelgruppe E. 8 : 4000.
Hügel XIX (Fig. 27) wurde zuerst untersucht. Er war rund, hatte 5,5 *
Basisdurchmesser und 0,70» Hóhe. 24 an der Peripherie spitz gestellie Steine
die jedoch nur wenig über die Oberfläche des Hügels hervorragten, bildeten einen
Kranz um den Hügel. Es wurde von Osten her ein 2 m breiter Graben in den Hügel
getrieben. Nächst der Oberfläche stiess man zunächst auf eine 25—30 cm starke
Schicht kleinerer Steine, zwischen denen etwas óstlich von der Mitte einige Knochen-
splitter und. etwas Kohle gefunden wurden. Unter dieser Steinschicht lagen grössere
Steine. In der Mitte des Hügels wurde nichts von Alterthümern gefunden, wohl
aber 1m westlich von der Mitte eine Steinsetzung' und darin eine zerdrückte Urne
mit calcinirten Knochen, welche mit auf den Gutshof genommen wurden. Nach
dem Trocknen fand ich beim Sieben der Knochen mit einem feinen Siebe ein
Stückchen einer Bronzenadel, sowie zwei Stücke eines eisernen Messers (Fig. 28)-
Die um die Urne stehenden und über dieselbe gedeckten Steine (Fig. 27) waren bis
zu 50 cm lang und bis 38 cm breit und dick. Die Urnenscherben waren durch den
Druck der Steine leider in solcher Beschaffenheit, dass trotz sorgfältigsten Auf-
lesens aller Stücke die Urne nicht zusammengesetzt werden konnte.
Da mir wegen der Ernte nur zwei Leute zu Verfügung standen, musste
ich von der Untersuchung grösserer Hügel Abstand nehmen; ich wählte des-
halb als nächsten den Hügel XXV (Fig. 29 bis 32), welcher nur etwa 70—75 cm
über Terrain hervorragte, während sein Basisumfang auf der oben erwähnten
gemeinsamen Steinschüttung nicht genau festzustellen war. Unter einer eiw?
30 cm starken Schicht kleinerer Steine von etwa 10 cm Durchmesser fand ich
eine aus flachen Steinen zusammengesetzte Steinkiste (Fig. 30 und 31), welche
indessen durch die Last der darüber ruhenden Steine, wie durch andere Ein-
flüsse, zerdrückt und verschoben war, in der Weise, wie Fig. 30 Querschnitt,
und Fig. 31 Grundriss zeigen. Die Wandsteine waren nicht nur oben nach innen
gedrückt, sondern auch in ihrer horizontalen Lage verrückt; der Bodenstein war
schräg nach Westen geneigt. Auf letzterem stand eine zerdrückte Urne mit cal-
cinirien Knochen, zwischen denen beim Aussieben nach dem Trocknen ein Bruch-
stückchen einer Bronzenadel gefunden wurde, sowie ein weisser Kieselstein 6 cm
lang, 4 em breit, 2 cm dick. Die Scherben konnten leider ebenfalls nur zum Theil
zusammengesetzt werden. In der nordwestlichen Ecke der Steinkiste fanden sich,
etwas höher als die Urne gelegen, Scherben eines kleinen zierlichen Gefässes aus
rothem Thon mit Verzierungen, 8,3 cm hoch, 4,4 cm im Boden, 9 cm oben, 11 cm
an der weitesten Stelle breit, welches wieder zusammengesetzt werden konnte
(Fig. 32). Die Steinkiste war nicht mit einem oder mehreren Steinen bedeckt, wie
x)
Figur 27. Figur 28.
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Hügel XIX. 3 : 400.
Figur 29.
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SAXXY, Grundriss... Yıc (Hügel XXV) Hügel XXV. 9: 409
9 : 400,
Ich qi. . . . .
wr dies in Kehrberg ófter fand, sondern es lag oben auf im Sande ein ruudlicher
7I! Yon 25 ew Durchmesser (Fig. 29).
ber Aus Mangel an Zeit liess ich nun noch Hügel X Gruppe O, wo ich
mas im Jahre 1887 gegraben hatte, weiter untersuchen. Der Hügel war da-
von. Dur von oben her angegriffen worden; jetzt wurde ein 2m breiter Graben
der Ostsüdosten her ausgehoben, und dabei durch nun mögliche genauere Messung
1 s drchmesser des Hügels auf 11,5 m festgestellt. Es wurde zuerst der,
gem mr durch die über die Oberfläche des Hiigels hervorragenden Spitzen
Er pamasste Steinkranz als wirklich vorhanden klar gelegt (Fig. 20 S. 269).
ihre esteht aus aufrecht stehenden, 50 bis 60 cm hohen Steinen, welche mit
m unteren Ende in den Erdboden eingelassen sind. Bei weiterem Ein-
Figur 33.
( 1887)
I.
7
wt oo,
Nadi
— zd * axi Y .
RIAL Zo 24 TATEM TTT Lu,
Hügel X. Beisetzungen. 9 : 400.
278,
880
18*
(216)
Figur 84. dringen wurde östlich von der 1887 ge"
fundenen Steinkiste (Fig. 20, 92, 93) in
" gleicher Hóhe eine Steinkiste gleicher Con
3 struction, doch sehr zerdrückt, gefunden;
und in dieser eine Urne mit Querfülte-
lung und Deckel, welche im Museum ZU*
sammengesetzt wurden. Die Urne (Fig. 34)
ist 27,5 cm hoch, 11 em im Boden, 16 c?
oben, 29 cm im Bauche breit und hat
zwei kleine Henkel. Der Deckel (Fig. 343)
6 em hoch, 17,5 em oben weit, ist als
Deckel für diese Urne besonders ange”
fertigt, wie seine Form zeigt, da er genau
über den Hals greift und ausserdem kein
Standfläche hat, also nicht als Schale ge”
dient haben kann. In der Urne wurden
zwischen den Knochen drei schwarze sand"
steinarlige Stücke gefunden, die anschei-
nend mit organischen Stoffen durchsetzt
"hs (Hügel X) waren. Eine in der Flamme erhitzte Probe
hielt als Stück zusammen, brannte nicht,
roch aber nach Birkentheeröl (Juchten). Es dürften deshalb diese Stücke als ein mit
Birkentheer oder Birkenharz durchsetzter sandiger Lehm anzusehen sein. Nahe der
Mitte des Hügels wurden bis zu 1m von der Oberfläche desselben an mehreren
Stellen einzelne Scherben, Feuersteine und Feuersteinsplitter mit Schlagmarken, ge”
brannte Knochen und Kohlenstückchen, anscheinend von Kiefern und Eichen, gefun-
den. Von weiterer Aufgrabung des Hügels, die bei seiner Grüsse sehr zeitraubend
gewesen würe, musste ich abstehen und schritt desshalb zur Probeaufgrabung des
Hügels XIL Dieser Hügel hat 8,5 » Durchmesser und 1,25 », Hóhe. Ein von Süd"
osten her eingetriebener Graben stiess 1 m südóstlich von der Mitte, etwa 25 cm unteT
. der Oberfläche, auf ein Häufchen Scherben und Knochen,
Firur 85 von ersteren einige, und zwar Fragmente einer Urne und
+ einer Schale, in gleicher Weise verziert, wie die Fig. 22
und 23 des ersten Berichtes. Sodann wurden in der Mitte
von 0,5 bis 1,25» Tiefe, regellos zwischen den Steine"
verstreut, Knochen und Scherben gefunden, darunter stark-
profilirte Randstücke, zwei Stücke von Henkeln, Bauch-
J, (Hügel XID theile verschiedener Gefásse, auch sehr dünnwandige Scher-
(4 ben eines kleinen, hübsch verzierten Gefüsses (Fig. 35).
Durch diese Funde ist auch Hügel XII als Grabhügel gekennzeichnet.
Ausser den bis jetzt festgestellten 5 Hiigelgruppen sah ich auf kehrberget
Feldmark noeh mehrere Einzelhügel am Westabhange des Kiebitz-Berges, 2 4"!
nordnordóstlich vom Gute Kehrberg, sowie einen zwischen den Gruppen C und E,
doch konnte ich bisher noch keinen derselben untersuchen.
(13) Hr. Ed. Krause überreicht einen Bericht über ein
Gráüberfeld und Hügelgrab zu Milow, Kreis Westpriegnitz.
In Seddin erhielt ich im Juli 1888 von dem Gensdarm Schlei aus Perleberg
(277)
die Nachricht, dass der Gastwirth Madauss in Milow beim Kiesfahren wiederum
"ID neues (rüberfeld entdeckt und auf demselben ]5 Urnen ausgegraben habe
und aufbewahre, weshalb ich mich entschloss, dahinzufahren. Das Grüberfeld
von Milow liegt dicht beim Dorfe, gegenüber dem Gasthause. Es ist das schon
längere Zeit bekannte Grüberfeld, auf dem schon öfter beim Kiesgraben Urnen
"^d Alierthümer gefunden worden sind. Eine Reihe dieser Funde behandelt Hr.
Predigor Handtmann, Seedorf bei Lenzen, in den Verhandlungen der Berliner
anthropologisch on Gesellschaft, 1885 S. 555 ff. Die gegentlich der Excursion der
Berliner anthropologischen Gesellschaft nach Lenzen und Umgegend am 10. und
11. August 1886 veranstaltete Ausstellung (Verhandl. 1886 S. 422 ff.) barg einige
Sehr interessante Fundstücke von Milow, darunter eine ciserne Nadel mit bronzenem
Hohlknopt, welche dem Küniglichen Museum für Völkerkunde als Geschenk von
Herm Oberprediger Paschke in Lenzen überwiesen wurde (Verhandl. 1886
S 424 und 430). — Die Funde dieses Grüberfeldes gehóren der La Tène-Zeit und
der darauf folgenden römischen Zeit an. Hr. Oberprediger Paschke begleitete
Mich auf der Fahrt nach Milow. Von den 15 Urnen, welche Hr. Madauss in
diesem Frühjahr beim Kiesgraben gefunden, waren nur noch 3 Urnen und 2 Bei-
Selisse, sowie eine Reihe von Beigaben vorhanden, unter letzteren eine römische
Abel, Glasproben, Bronze-Ohrbommeln und Riemenverzierungen eigenthümlicher
Art, Sowie eine Anzahl eiserner Gürtelhaken und Nadeln, dabei wiederum einer
M bronzenem Hohlknopf, der indessen nur noch zur Hälfte erhalten war. Die
. i enYerzierungen haben diein derneben-
Di enden Zeichnung wiedergegebene Form.
tig, Ciben waren, wie zwei durch Oxyda-
wei Zusammengefrittete Exemplare be-
an Sen, in nebenstehender Anordnung y
er; ander gereiht. Diese Alterthümer M T=
Ni ich von Herrn Madauss als Ge-
enk für das Museum. oo
fl Die Besichtigung des Gräberfeldes ergab Folgendes: Die Urnen stehen ziemlich
Leh im Erdboden, so dass die meisten in ihren oberen Theilen schon vom Pfluge
mort sind. Der Boden des Gräberfeldes ist sebr kiesig und stark mit kleineren
2 Prüsseren Steinen durchseizt, so dass ein Aufsuchen der Urnen mittelst der
x, de unmüglich ist, das Auffinden also meist dem Zufall überlassen werden
fun Wir gruben am Rande einer Kiesgrube, woselbst cin zersibries eee ge-
mit a wurde, dessen Oberflüche künstlich angerauht, on der as € 8
seh Migen schmalen senkrecht verlaufenden platten ac < g
By ©N ist. In den Leichenbrandresten fand sich ein eiserner Gürtelhaken, sowie
ee neni einer eisernen Nadel. Ein zweites Gefüss. etwa 1 m vom vorigen ent-
iy ganz zerbróckelt. | - 4 à à
an den SC Srab bei Milow. Hr. Madauss me d mit, Hause a
100 & anderen Seite der Fahrstrasse gelegenen Felde, neben seinem v. T
Yor Chritt von diesem entfernt, früher ein Hügel gestanden habe, den sein Vater
in "ngefihr 30 Jahren der Steine wegen habe abrüumen lassen. In diesem seien
Bro, gewülbeartigen Steinkiste ausser einigen zerdrückten Gefässen einige
go, sachen, darunter, seiner Erinnerung und Beschreibung nach, ein kurzes
un 4 eb ein Hohlcelt, ein Halsschmuck (eines der früher sogenannten Diademe)
zer eine Nadel, sowie mehrere Niete gefunden worden. Die Thongefässe sind
Schlagen worden. die Bronzen an einen Händler verkauft.
(278)
(14) Hr. W. Schwartz zeigte einige phantastische Thonfiguren vor
10—20 cm Höhe vor, die menschliche Körper in sitzender Stellung mit Thier-
köpfen und meist über der Brust verschränkten Armen darstellten und in greller
Weise mit den verschiedensten Farben betupft und bemalt waren. Hr. Schwartz
machte darauf aufmerksam, (lass, wenn man nicht die Heimath der betreffenden
Figuren wisse, und sie nicht „berücksichtige“, man die mit Eberkópfen ver-
sehenen für Darstellung der bekannten Eber-Inkarn ation des indischen WischnU
halten kónne, von dem es ebensolche Figuren gübe. So seien sie aber aus Tor-
gau, und wenn man den Rücken ansühe, bemerke man, dass es etwas kolossale
Pfeifen für Kinder seien. Es sei wieder ein Beispiel eigenthümlicher Volksindustrie:
wie sie dort noch zu Weihnachten gepflegt werde. Er werde die Figuren auch
dem hiesigen Trachtenmuseum überweisen. Dieselben wurden bis auf die Arme
in Formeu gegossen. Jene anzusetzen, sei Sache der Lehrjungen, und so spreche
sich. denn auch in den verschiedenen Stellungen derselben bei den einzelnen
Figuren ein individueller Humor aus.
(15) Hr. Bartels legt Photographien der mittelamerikanischen Micro-
cephalen vor, welche unter der Bezeichnung
Azteken
wiederholentlich in Europa gezeigt wurden und welche jetzt in Castan’s Panopticum
ausgestellt sind. Sie sind von Carl Günther photographisch aufgenommen.
Maximo steht im Anfange der 90er, Bartola am Ende der 40er Jahre. Es sind
dieselben, welche bereits im Jahre 1855 in Berlin u. $. W. gezeigt und damals von
C. G. Carus besprochen und abgebildet worden sind (Berichte über die Ver-
handlungen der Kgl. Sichsischen Gesellsch. d. Wissenschaften zu Leipzig, Mathem.
phys. Classe I. Leipzig 1856).
Man hat nun also die Gelegenheit, sich von den körperlichen Veränderun-
gen zu überzeugen, welche sich bei ihnen im Laufe der Jahre herausgestellt
haben. —
Hr. R. Hartmann: Die sogenannten Azieken lassen sich schon seit einer
Reihe von Jahren an verschiedenen Plätzen der civilisirien Welt sehen, umwoben
von einem Dunst der erstaunlichsten und unglaubwürdigsten Sagen. Letztere
sind bereits zu Beginn der 1850er Jahre in einem, Sr. Hoheit dem Prinzen
Albert gewidmeten Kleinoctavbündchen niedergelegt, welches den Titel führt:
„MNlustrirte Denkschrift einer wichtigen Expedition in Centralamerika, aus der
die Entdeckung der Götzenstadt Iximaya in‘ einer ganz unbekannten Gegend
hervorgeht“ u. s. w. In dieser schlecht illustrirten Broschüre wurde unter einem
widrigen Wust der allergröbsten und langweiligsten Lügenberichte angegeben,
dass die als Azteken gezeigten ,liliputischen“ Wesen, Maximo der Mann, und
Bartola das Weib, als letzte Sprossen eines halberloschenen, — natürlich ehe-
dem aus semitischer Gegend, aus Assyrien, nach Centralamerica (San Salvador)
eingewanderten — Stammes in dem fabulôsen Iximaya vom Voike in Liebe
und Verehrung gehalten worden sein. Die kleine Statur der Liliputer solle all-
mählich in Folge einer körperlichen Degeneration, ‘bei stetiger Schliessung von
Verwandtschaftsehen, sich herausgebildet haben. Eine aus Mexicanern und Yankees
zusammengesetzte Gesellschaft Desperados soll nun Iximaya in aller seiner Ver-
stecktheit entdeckt, die Liliputer Maximo und Bartola unter vielen Gefahren von
(279)
i fir über Ocozingo nach Europa gebracht und als grösste ethnologische
auch rurdigkeit gezeigt haben. Die erwähnte famose Broschüre sowohl, wie
eich gleicher Weise abgefasste Affichen würden damals mit den Azteken zu-
Werke vorgereiet Das wagte man: selbst in einer Zeit, in welcher die schónen
Gemei er Waldeck, Stephens, Catherwood, Norman, Squier bereits
ich out aller civilisirten Nationen geworden waren. Ich selbst sah 1851 oder 1852,
kurz os die Jahreszahl nicht mehr genau, die sogenannten Azteken in Berlin,
E ich jene Werke in der Bibliothek der Gewerbeakademie durch-
kaufte ae erblickte in jenen Liliputern nur verkümmerte, verkrüppelte Kinder,
Deich, i alberne Begleitschrift, und verwünschte nach gehaltener Lektüre die
T üubigkeit der Zeitgenossen. Bald darauf freilich erhoben sich aufklärende
letzte N Mein grosser Lehrer Johannes Müller z. B. erwähnte in einer seiner
Somme n epochemachenden Vorlesungen über ,pathologische Anatomie", im
Ein ne 857, bei Besprechung der Kopfverbildungen der Microcephalen Folgendes:
Barrio, Guatemala vertriebener General Barrios (nicht Präsident Justo Rufino
Ort Ch lh. Guatemala, der im April 1885 bei dem Sturm auf den sansalvadorischen
Maxime chuapa fiel), ein gebildeter Kreole, habe zu Paris die Erklärung abgegeben,
hoch il und Bartola seien microcephale Mischlinge aus San Salvador, die z. Z.
K. y a enden Eltern seien ihm, dem Barrios, wohlbekannt. Auch veröffentlichte
oben nC" (in seinem 1854 erschienenen Reisewerk über Centralamerika)
der " Notiz: ,Die beiden Mulattenkinder, welche von einem spekulativen Yankee
Be SCT europäischen Masse als die letzten Abkômmlinge einer fast aus-
die durer. aztekischen Priesterkaste aufgeschwatzt worden, sind nichts weiter als
"i Kreuzung der indianischen und aethiopischen Rasse entstandenen un-
tenlg = ten Individuen, die Zwillingskinder von Mischlingseltern Namens Inno-
im De nd Martina Burgos, welche noch gegenwärtig (1853—1854) im Dorfe Tocora
hatte Tartement San Miguel leben. Ein spanischer Krümer, Namens Ramon Selva,
Wären ich dieselben von der Mutter, der sie ihrer Unbeholfenheit wegen zur Last
in de, yer dem Vorwande zu verschaffen gewusst, dass er die armen Geschöpfe
Mehrer ereinigten Staaten erziehen lassen wolle. Statt dessen liess er sie in
— Städten Centralamericas für Geld sehen und verkaufte sie später an einen
Segen a Morris (vielleicht Senor Huertis in der grausen Iximaya-Affäre?), der sie
IN in Europa zeigt.“
Tayo wären Maximo und Bartola Burgos Zwillingskinder von sogenannten
Bei eS oder Chinos im spanischen, oder von Cafusos im portugiesischen Amerika.
Actor Art von Mischlingen hat das Haar die Tendenz, ähnlich wie bei unseren
Mar tiu. gekráuselt und wie ein Duschwerk auseinanderzufahren. Spix und
In p haben dies an ihrer ,Cafusa aus Bào Paulo“ abgebildet.
mit hls ammann’s Album findet sich das Portrait einer Cafusa aus Pernambuco
Bea, om Haarverhalien. Wie ich eben sehe, ist letzierer Kopf in Hrn. Bartels
heit de m von Ploss' Weib reproducirt worden. Eine ganz ähnliche Beschaffen-
Centralag Haare beobachtet man bei Abyssiniern, Bedja, Gala, Somal, selbst in
Die nea bei Wanyamuezi, Wanyema u. S. W. .
Welche _Indianisch-prognathen, ramsnasıgen Gesichtszüge von Maximo und Bartola,
Stehey im seltsamen Gegensatz gegen die Kleinheit des Gehirntheils ihres Kopfes
verbii nd von den Impresarios in nicht ungeschickter Weise mit den künstlich
Zogen wor Kópfen an den Bildwerken zu Palenque in Chiapas in Vergleich ge-
Orden. —
Hr. Virehow theilt mit, dass Hr. L. Castan die Mitglieder der Gesellschaft
T
€
(
auf den 7. Marz zu einer Besichtigung der Azteken in sein Panopticum einladet.
Er erinnert ferner daran, dass er die betreffenden Individuen im Jahre 1866 unier-
sucht und die Ergebnisse seiner Messungen in der Sitzung der Gesellschaft vom
21. Juli 1877 (Verh. S. 289) vorgelegt hat. —
(16) Hr. Rud. Virchow stellt der Gesellschaft vor einen
Dualla-Knaben aus dem Oberlande von Kamerun.
Auf einer Expedition, welche
Hr. Lieut. Morgen in das Ober-
land hinter Kamerun ausführte
und bei welcher er den Mbam-
Fluss entdeckte, kam er auch zu
einem Hàuptling Ngila. Der hier
anwesende Knabe, Tongo mit
Namen, ist angeblich ein Neffe
dieses Häuptlings. Er wurde zu
seiner Erziehung nach Berlin ge-
bracht und befindet sich gegen-
wärtig hier unter der Obhut des
Hrn. W. Wessel, der die Güte
gehabt hat, ihn mir zuzuführen
und auf meinen Wunsch durch
Herrn Carl Günther Photogra-
phien von ihm aufnehmen zu
lassen. Dieselben werden in
autotypischer Verkleinerung hier
wiedergegeben.
Der auf 12 Jahre geschätzte
Knabe hat im Allgemeinen die uns
bekannten ^ Eigenschaften der
Dualla, zeigt aber manche Eigen-
thümlichkeiten, von denen es da-
hingestellt sein muss, ob sie nur
individueller Natur sind, oder ob
sie eine locale Variation des dor-
tigen Stammes ausdrücken.
Besonders auffällig sind die
entschieden gelben, genauer
orangefarbenen Töne, welche in
seiner Hautfarbe hervortreten. Er
zeigt an der Wange 5h Radde,
in der Mitte der Wangen sogar 51;
die sehr blassen Lippen haben 5 e.
Der Hals ist sehr dunkel, mehr
grau, 33g, ebenso die Hand 331, k
und der Arm 32i,k, jedoch tritt
auch hier überall beim Anziehen
der Haut ein gelber Untergrund
hervor.
280)
(281)
Die weit geöffneten Augen erinnern durch ihre rundliche Gestalt, ihren Glanz
und ihr Hervortreten (Grüsse) an die Augen von 'Thieren, namentlich von. Kanin-
chen. Die dunkelbraune, aus der Entfernung schwarz erscheinende Iris verstärkt
um Eindruck der Unbefangenheit, den das ganze Benehmen des Knaben hervor-
Ingt.
Die Kopfhaare sind schwarz, spiralgelockt, jedoch durch Kämmen etwas aus-
Sestreckt; sie stehen, WO sie kurz geschoren sind, in kleinen Schrauben und Zöpf-
She zusammen, namentlich um das Ohr und am Nacken bilden sie formliche
Chen, zwischen denen nackte Haut sichtbar wird. Trotzdem stehen sic nicht
a en- oder gruppenweise, sondern sind ziemlich gleichmissig vertheilt; nur durch
a grosse Neigung, sich aufzurollen und mit Nachbarhaaren zu einer gemeln-
“an Schraube zusammenzutreten, entsteht ‚das Aussehen von freien Zwischen-
n.
sch Die Nase ist kurz und breit, die Spitze dick und gerundet, die Nasenlöcher
UA, gestellt, so dass man bei aufrechter Haltung des Kopfes 1n dieselben hinein-
dicen kann. Die Lippen sind sehr dick und treten stark vor, jedoch entspricht
me Stellung keine nennenswerthe Prognathie der Alveolarfortsätze. Das rund-
© Kinn tritt beträchtlich hinter den Lippen zurück. Das Ohr ist zierlich und
gut gebildet.
dar, Die Messungen sind in einer Tabelle) zusammengestellt. Es ergiebt sich
ist aus, dass der Schädel hypsibrachycephal, das Gesicht hyperchamacprosop
a Der Nasenindex ist extrem platyrrhin, die Orbitaldistanz ungewöhnlich
08s (40 mm); die Lidspalte 63 mm lang.
mit Ich verweise zur Vergleichung auf den ungefähr gleichaltrigen, von Hrn. Kund
pe rachien Ekambi (Verh. 1889. S. 442. Fig. D, der hypsimesocephal, chamae-
0p und mesorrhin und bei dem gleichfalls die Grundfarbe Orange war.
von Ausserdem besitzen wir Messungen des Hrn. Zintgraff (Verh. 1886. S. 644)
B 9 Dualla, darunter eines 12 jährigen Knaben (Nr. 1) und eines 19 jährigen
Wschen (Nr. 2). Ich stelle hier die betreffenden Indices zusammen:
1. 2. 3. 4. 5.
Längenbreitenindex 77,7 75,9 79,2: 732 76,2
Ohrhöhenindex . . 53,6 66,0 63,8 65,8 60,6
Gesichtsindex . . 75,0 81,9 85,5 93,4 87,9
Nasenindex . . . 111,4 97,6 98,7 87,7 86,5
Ton Unter diesen Leuten ist kein einziger vollkommen brachycephal, wie unser
Schi: Auch die zwei, von Hrn. Zinigraff (Verhandl. 1887. S. 332) gesendeten
Brag. von Dualla waren nur hypsimesocephal. Man wird also die ausgemachie
Dung Ycephalie von Tongo, wenigstens vorläufg, als eine ungewôhnliche Erschei-
von rase müssen. Indess beträgt der Unterschied des Längenbreitenindex
r.3 nur 1,1, von Ekambi nur 1,31); man wird also die Differenz nicht zu
ag Seitdem ist noch ein zweiter Dualla, Zampa genannt, ungefähr 18 Jahre alt, hier
i de moon, den mir Hr. Wessel gleichfalls zugeschickt hat und dessen Messungen ich
beck abelle mit aufführe. Derselbe hat schon als Bursche bei Kund und T appen-
worden. po und ist jetat von Hrn. Premierlieutenant Morgen nach Berlin geführt
aus den, n. Lovie gewöhnlich an der Küste in Kribi (Batanga), stammt aber gleichfalls
das Gesicht erlande, etwa 20 Meilen von der Kiiste. Sein Schädel ist orthomesocephal,
2 Jahre alt chamaeprosop, die Nase platyrrhin. Er stimmt mit Nr. 9 (Ssopo,
Tabelle eher von Belldort) in der, nach den Zahlen von Hrn. Zintgraff berechneten
9 u über ein.
) von dem Index des Zampa sogar nur 0,5.
(o7)
hoch veranschlagen dürfen. Jedenfalls wird man die Dualla, im Gegensatze zu
ihren nördlicheren Nachbarn an der Westküste, nicht zu den Dolichocephalen
rechnen dürfen. — Hypsicephalie scheint die Regel bei ihnen zu sein.
Was den Gesichtsindex betrifft, so hat nur Nr. 4 und der männliche Schädel
einen leptoprosopen Index ergeben; im Uebrigen ist Chamaeprosopie Regel. Der
Gesichtsindex von Tongo (74,0) stimmt ziemlich genau mit dem seines Alters-
genossen Anju (75,0).
Grössere Differenzen treten bei dem N asenindex hervor. Derselbe ist hyper-
platyrrhin bei den beiden eben genannten Knaben: 107,8 bei Tongo, 111,4 bel
Anju. Ihnen steht der weibliche Schädel (Verh. 1887. S. 333) am nüchsten. Jedoch
erreicht, der Index auch bei dem 19jührigen N'Gange (Nr. 2) 97,6 und bei dem
24jährigen Ssopi (Nr. 3) 93,7. Wie es scheint, ist die kindliche Nase mehr nach
weiblichem Typus gebaut.
Dualla Tongo | Zampa
^ Ó
Il. Messungen.
Horizontalumfang. . . . . . . . . — D. 558 565
Grósste horizontale Länge . .. ..,.,.,., 193 | 193
» Breite LL. 21 11 2101111 120 155 154
Ohrhôhe . . . l4 130 ' 117
Gehôrgang bis Nasenwurzel . . . s 114 113
> » Nasenansatz . 0. 120 128
» » Vorsprung der Oberlippe . . . 131 137
» » Kinn. . . . . e. . 184 150
Stirnbreite . . . . . . | Ce. 113 111
Gesicht, Hohe A . . . . . —— E 164 191
» Be 0 97 121
» Breite a. . . e... 131 140
+ A 86 93
» 5 c . . Coe. 94 111
Orbitaldistanz innen . 4l... L 40 33
» aussen t .......1 103 100
Nase, Hohe . . . . . . s... 41 48
» Lànge . . . Cee oT 48
» Breite . .. . .. l2... 44 44
, Elevation . LL 11120 19 17
Mund, Linge | 11121 BD 8
Ohr Hóhe . . , | | IZ 1 € 56 58
Kórperlànge. . . | . oto. e s 1515 1651
Klafterweite. . . . . e]. 1670 1750
IL. Berechnete Indices.
Langenbreitenindex . . . . , . , , . _ 80,3 79.8
Lángen-Ohrhóhenindex . . . . . . | | e. 61,4 60,6
Gesichtsindex . . . 21211111 1, 74,0 86,4
Nasenindex . . . 2. lA. 107.8 91.6
(282)
CRUCEM
|| e (es )
E o Hr. KR. Virchow zeıgt zur VE AC NINE | dem KIELNCLH + NN OPE SR
dfe A a e» E = ee
ı Anscheine EN” »halterıgen
Panua-Knaben von Neu-Britannien
apua-K Nabe vo AZ ERIE RIE
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Ll in den ersten Mayen dieses Tahras hena Ahrichtiote m1C h_ der nraktısche
V UMEN MESURE S eue Jahres benachrıichtiste LUG. Mt DTAKLLSCGLLC
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>
(284)
Gesichtsbildung ist unverkennbar, indess ist dieselbe nicht so gross, dass sie ohne
Weiteres zu der Annahme einer verschiedenen Abstammung führen müsste.
Der kleine Bursche ist inzwischen von seiner Krankheit genesen, sieht aber
noch angegriffen und hinfällig aus. Seine Hautfarbe ist viel heller, als man er-
warten sollte, und sein etwas hageres Gesicht, gleichwie die Nase, hat eine mehr
längliche Form. Immerhin tritt bei seiner Betrachtung eine gewisse Analogie mit
dem Dualla-Knaben hervor und man begreift, dass viele Beobachter die Ver-
schiedenheit der Melanesier und der Afrikaner geradezu in Abrede stellen.
Leider ist die Herkunft des Knaben bis jetzt nicht festzustellen gewesen. Er
selbst hat nur zu erzählen gewusst, dass sein heimisches Dorf eines Tages durch
fremde Eingeborne, die in einem Canoe gekommen, überfallen und zerstört, seine
Eltern und Verwandten getödtet seien, und er selbst weithin über das Meer nach
Neu-Britannien verschleppt worden sei, wo er unter Anderem an einem Schmause
von Menschenfleisch habe theilnehmen müssen. Wo seine heimathliche Insel liegt
und wie sie heisst, weiss er nicht anzugeben. Auch die Missionäre, welche seine
Erzählung für wahr halten, haben keinen Anhaltspunkt für die geographische Be-
stimmung seiner Heimath gefunden.
Es ist ein Umstand vorhanden, der eine Art von Hinweis enthalten könnte-
Unter seinem dichten, spiralgelockten Haar fühlt man eine so ungewöhnliche Ab-
plattung und Steilheit des Hinterhauptes, dass man, meiner Meinung nach, auf cin€
künstliche Deformation zu schliessen berechtigt ist. Die natürliche Wólbung
der Hinterhauptsschuppe ist fast vollständig verschwunden. Nun ist künstliche
Deformation an sich keine häufige Sitte unter den Insulanern der melanesischen und
polynesischen Welt. Ich habe bei einer früheren Gelegenheit, in der Sitzung vom
16. Februar 1884 (Verh. S. 153), darüber gesprochen und die beiden Hauptformen der
Deformation, welche dort vorkommen, eingehend geschildert. Die eine derselben,
welche der peruanischen Verlängerung des Kopfes mit Zurückdrängung der Stirn
entspricht, ist eigentlich nur von Mallicollo auf den Neu-Hebriden bekannt; sie ist für
unseren Fall unbrauchbar. Die andere, bestehend in hinterer Abplattung, wird ge-
legentlich von Barnard Davis (Thesaur. craniorum p. 911) von Tanna, Neu-Hebriden
und einmal (p. 308) von Neu-Caledonien erwähnt; er hält sie jedoch für mehr zu-
fällig, als Folge zu langen Drucks beim Liegen. Ich selbst konnte eine zweifellos
künstliche Deformation dieser Art von Niue (Savage-Island) zeigen. Aber alle ge-
nannten Inseln sind so weit von Neu-Britannien entfernt, dass nicht daran ZU
denken ist, dass ein Canoe aus unserem Schutzgebiet eine Fahrt bis dahin habe
unternehmen können. Wohin sollen wir also unsere Blicke wenden?
Unsere Sammlungen sind. ungemein reich an neubritannischen Schädeln. Aber
ich erinnere mich nicht, auch nur einen einzigen mit hinterer Abplattung darunter
gesehen zu haben. Es scheint daher, dass wir auf irgend. eine der noch weniger
bekannten Nachbargruppen hingewiesen sind. Zur Noth könnte man an die
Solomons-Inseln oder noch eher an Neu-Irland (Neu-Meklenburg) denken, jedoch
ist von der ersteren trotz der grösseren Häufigkeit von dort stammender Schädel
in europäischen Sammlungen nichts Analoges bekannt und die Kraniologie von
Neu-Irland ist erst zu machen. —
Hr. Joachim Graf Pfeil: Da uns Thatsachen über die Herkunft des vor
uns befindlichen Knaben nicht vorliegen, so sei es mir gestattet, einige Ver-
muthungen auszusprechen, auf welche mich Hautfarbe, Haarwuchs und Gesichts-
bau hinführen.
(285)
nei, Entgegen der Bemerkung des Hrn. Virchow möchte ich zu der Ansicht hin-
ort de dass die Salomonsinseln, auf keinen Fall deren deutscher Theil, ala Heimaths-
es Knaben nicht angesehen werden dürfen.
ding Der Knabe soll auf einem Kriegszuge erbeutet sein, und in seiner Erinnerung
aber ange Seefahrt ihm vorschweben. Die Eingeborenen Neu-Pommerns führen
die sa den Eingeborenen der Salomons-Inseln niemals Krieg. Neu-Pommern und
grade omons-Inseln sind räumlich so ‚weit von einander getrennt (fast zwei Längen-
Bee) dass hierdurch die Möglichkeit eines Verkehrs oder Krieges zwischen den
Söhne nern ausgeschlossen ist, denn ihre Verkehrsmittel, kleine, schwache Canoes,
We en nie eine so grosse Reise über den offenen, von starken Strömungen be-
glen Ocean ausfiihren.
sing Die Einwohner der nüchstliegenden, hier einzig in Betracht kommenden Inseln
farbe Sowell wir sie kennen, alle von sehr dunkler, beinahe schwarzer Haut-
ling. ihr Haar ist nicht verfilzi wollig und von schmuiziger Farbe, sondern
in ond, locker, fast seidenartig und schwarz, dabei gewellt. Die Nase ist weniger
mue rückt, die Lippen nicht so aufgeworfen, das Gesicht hat weniger Prognathis-
enty; die Backenknochen sind nicht so breit und der Hinterkopf ist weit stärker
Ickelt.
te en von allen craniologischen Unterschieden glaube ich, ‚die grosse
ger mung der Salomons-Inseln verbietet, anzunehmen, dass der Knabe von da
3ubt worden sei.
iy ders liegen die Verhältnisse bei Neu-Irland. Das Südende dieser Insel ist
wise, weit von Neu-Pommern entfernt, dass nicht hin und wieder Verkehr
lin gic den Inseln stattfinde. Namentlich ist ein solcher in den grossen Neu-
Cano ischen Canoes, genannt „Mon“, wohl möglich. Seltener geschieht es, dass
" P aus Neu-Pommern die Reise über den Kanal wagen; die aber, welche
Lan Ch thun, nehmen den Weg über die ,Duke of York“-Gruppe, jetzt „Neu
enburg^,
"i dem Theile Neu-Irlands gegenüber von Neu-Lauenburg kann der Knabe
Seine stammen. Wir kennen die Bevölkerung dort; deren Aeusseres ist von dem
N ganz verschieden.
und Aber auch die Einwohner des Südendes von Neu-Irland sind andersfarbig
Prog rs cartel, als unser Knabe. Ihre Gesichter entbehren der Breite, ihre
forma sind schärfer, charaktervoller, wenn ich so sagen darf; absichtliche De-
ler lonen des Schüdels kommen unseres Wissens hier nicht vor. Innerhalb
nach | maasslichen Lebenszeit des Knaben sind keine Raubzüg® VON Neu-Pommern
im T iesem Ende Neu-Irlands unternommen worden; es müsste dies den Ansiedlern
"inde bekannt geworden sein.
seing cen wir, auf Grund der dunklen Erinnerung des Knaben, annehmen, dass
Mich A Seereise ihn wirklich von einer Insel zur andern führte, so will ich
Beregy; enfalls in das Bereich der Hypothese begeben, zu der ich um so mehr
Unbeka '8ung habe, als uns Thatsachen über die Herkunft des Knaben eben wirklich
von de sind. Ich will dann die Möglichkeit nicht ausschliessen, dass der Knabe
schieder, Admiralitätsinseln herübergekommen ist. Sein Aussehen erinnert ent-
Va an den Typus der Einwohner jener Inseln.
hero an ich diese Möglichkeit zugebe, so möchte ich doch nunmehr das
Selbst führe was mir das Wahrscheinlichste scheint. Auf der Insel Neu-Pommern
Sie sigh; ren die Einwohner oft Krieg mit einander, und es kommt wohl vor, dass
in ihren Canoes an den Ort begeben, welchen der feindliche Stamm bewohnt.
Nun wissen wir zwar nichts Positives über die Einwohner Neu-Pommerns, ab-
gesehen von denen, welche die Gazellenhalbinsel bevölkern, allein die flüchtige
Bekanntschaft, welche wir hie und da in anderen Theilen mit ihnen angeknüpft
haben, zeigt uns, dass sich die Bewohner aus den verschiedensten Elementen
zusammensetzen.
Missionare, die mit ihren Booten lange Fahrten längs der Küste unternahmen;
erzählen, dass sie in der Nähe der Henry Reed Bay auf Eingeborene sehr heller
Hautfarbe gestossen seien und mit diesen freundschaftlichen Verkehr angeknüpft
haben. Bei einem späteren Besuche sollen die Dörfer niedergebrannt und das
Land von einer dunkleren Bevölkerung in Besitz genommen gewesen sein. Ich
selbst habe nur noch dunkelfarbige Leute dort getroffen.
Nun aber glaube ich, dass, wenn wir davon absehen, dass die in der Erinnerung
des Knaben schwebende lange Seereise ihn über den offenen Ocean habe führen
müssen, die Wahrscheinlichkeit sehr nahe liegt, dass er auf einem Kriegszuge
der Einwohner der Gazellenhalbinsel gegen die Leute auf der westlichen Seite
des Cap Lambert, oder, was noch wahrscheinlicher ist, auf ‚einem solchen gegen
die Bewohner in der Nähe der Henry Reed Bay erbeutet worden ist. Auch die
Formation seines Schädels spricht nicht gegen diese Annahme, da wir ja nicht
wissen, ob eine künstliche Verunstaltung desselben unter jenen Völkern nicht
vorgenommen wird. Gesichtsschnitt, Hautfarbe, Haarwuchs, Alles deutet so sehr
auf die uns bekannte Bevölkerung Neu-Pommerns, dass ich mich zu der Annahme
hinneige, sein Heimathsort sei auf dieser Insel zu suchen, was ihn dann zu einem
Landsmann von uns stempeln würde. —
Hr. Neuhauss hält dafür, dass der Knabe auch an Neu-Caledonien, nament-
lich an die Norfolk- oder Pine-Insel, erinnern könnte. Gegen eine solche Herkunft
spreche freilich die weite Entfernung der Gruppen von einander, —
Hr. Virchow hebt noch einmal hervor, dass ein so stark deformirter Kopf,
wie der Knabe ihn zeigt, noch nie auf Neu-Pommern gefunden worden sei. —
(18) Hr. Olshausen macht eine
zweite Mittheilung über den alten Bernsteinhandel und die Goldfunde.
Wichtigste, in nachstehender Arbeit angeführte Literatur; gesperrt
Gedrucktes ist Stichwort für Citate.
O. Helm, mikroskopische Beschaffenheit und Schwefelgehalt des Bernsteins;
in Schriften d. naturf. Ges. in Danzig, N. F. VI, 3, 209; sicilianischer und
rumünischer Bernstein, ebenda V, 1—2, 293, V, 3, 8 und Malpighia, anno I,
Messina 1886, sull' ambra di Sicilia, Sonderabzug p. 1—6; Rumünit, Schriften VII,
4; elementare Zusammensetzung des Ostseebernsteins, Schriften V, 3, 9; Apenninen-
Bernstein V, 3, 11; Bernstein aus Necropolen Oberitaliens und den Provinzen An-
cona, Roma und Ascoli Piceno, V, 3, 14; Bernstein aus mykenischen Grübern VI,
2, 234 und bei Schliemann, Tiryns, Leipzig 1886, 426—432; Succinit und ver-
wandte foss. Harze, Schriften VII, 4; Methode der Bernsteinsüurebestimmung durch
trockene Destillation, Schriften IV, 3, 214; V, 1—2, 294; V, 8, 13 und nament-
lich VI, 2, 238. — A. B. Meyer, Gurina, Dresden 1885, S. 78 ff. — Stoppani,
L'ambra nella storia e nella geologia, Milano 1886. — O. Schneider, Zur Bern-
steinfrage, Dresden 1887 (aus desselben Naturwiss. Beitrüge zur Geographie und
Kulturgeschichte). — H. Conwentz, Monographie der baltischen Bernstein-
büume, Danzig 1890, Einleitung; Ueber die Verbreitung des Succinits, be-
(286)
(287)
P in Schweden und Dänemark (mit Karte), aus Danziger Schriften N. F. VII,
Prähi 0). — Klebs, Bernsteinschmuck der Steinzeit, Königsberg 1882. — Lissauer,
Ronin Denkmäler Westpreussens, Leipzig 1887. — Schriften der phys. ok. Ges.
on ip (Abhan dlungen und Berichte). — de Rougemont, L’äge du bronze
Bed Sémites en occident, Paris 1866. — Müllenhoff, Deutsche Alterthumsk.,
9 Ae I 1870, II 1887. — O. Schrader, Sprachvergleichung und Urgeschichte,
Su ufl, Jena 1890. — de Bonstetten, Recueil d'antiquités Suisses, Berne 1855;
ppl. 1 u. II, Lausanne 1860 u. 1867. — Gross, Protohelvètes, Berlin 1883.
Wie eierli, Der Pfahlbau Wollishofen, Zürich 1886. — Much, Prähist Atlas,
rend 1889. — Westdeutsche Zeitschrift f. Gesch. u. Kunst, Trier. — Compte
holy, Congrès internation. préhist. Copenhague 1869; Bologna 1871; Stock-
deln, 1874; Budapest 1876. — W. Helbig, Osservazioni sopra il commercio
abzu mbra, Memorie dei Lincei Ser. 3, vol. I, Roma 1876/77, p 415—435 (Sonder-
aus Lb 1—21); Die Italiker in der Po-Ebne, Leipzig 1879; Das homerische Epos
Etr en Denkmälern erläutert, 2. Aufl., Leipzig 1887; Sopra la provenienza degli
Uschi, in Annali dell’ Instituto di corrisp. archeol., Roma 1884, p. 108—188.
Sven. Montelius, Spännen frán bronsüldern, in Antiqvarisk Tidskrift för
Tider, 6 (1880—1882) Nr. 3, namentlich 5. 105—113, 193—126, 146—180;
och Romaine inom bronsäldern, Stockholm 1885 (als Bd. 30 der K. V. H.
menti Akad. Handlingar), namentlich S. 144 ff. u. 196, — Brizio, Monu-
Publi. archeologici della provincia di Bologna, in L'Appennino Bolognese 1881,
ne, Hon des Club Alpino Italiano, p. 900 ff. — J. Undset, L’antichissima
Lak, POL tarquiniese, in Annali dell Inst 1885, p. 5—104. — Munro, The
arche | ellings of Europe, London 1890. — Bullettino dell’ Instituto di corrisp.
del ? Roma. — Bullettino di paletnologia italiana, Parma oder Reggio
I Chad — Perrot et Chipiez, Histoire de l’art dans l’antiquité, Vol. I Egypte;
Y Pos dee et Assyrie; III Phénicie-Cypre; IV Judée, Sardaigne, Syrie, Cappadoce;
Vo] Le Phrygie, Lydie et Carie, Lycie; Paris 1882, 1884, 1885, 1887, 1890;
' I auch deutsch von Pietschmann, Leipzig 1884, mit werthvollen Anmerkungen.
1890 hiner ersten Arbeit iiber den Bernsteinhandel, in diesen Verhandlungen
Wop de - 270 ff., konnte ich, weil dieselbe ohnehin schon ziemlich umfangreich ge-
amni; manche Verhältnisse nicht berühren, deren eingehende Erörterung,
Mehenq a im Hinblick auf die für dieses Jahr zu Königsberg in Aussicht
her hi © Anthropologen- Versammlung, wünschenswerth erscheint. Ich komme da-
er nochmals auf den Gegenstand zurück.
D 1) Die Chemie und die Bernsteinfrage-
Welche. allseitig anerkannt ist, dass der Name „Bernstein“ fossilem Harze zukommt,
tapes Im ostpreussischen Samlande gegraben oder an dessen Küste vom Meer
Proggyy en wird, so müssen wir zunächst feststellen, welche Eigenschaften dieses
ach qc Charakterisiren. Hier stossen wir aber gleich auf Schwierigkeiten; denn
Verschi. Untersuchungen von Helm in Danzig und Anderen liefert das Samland
Alters ne | solche Harze. Die Hauptmasse derselben, welche auch von
aly ern. vorwiegend in der Kunstindustrie Verwendung fand, bezeichnete Helm
und ein Stein; ausserdem führte er noch an: Gedanit, Kranzit, Copal, Glessit
Vorkom Schwarzes, unbenanntes Mineral (Danziger Schriften 5, 1—2, 292; dem
Viderspre d schwarzen Harzes an der Ostsee wird. allerdings Malpighia I, p. 2
Staphie va ferner beschrieb Conwentz Stantienit und Beckerit (Mono-
dussertich 2. Da nun mehrere dieser letztgenannten Harze dem Hauptprodukte
Seige nlich sind, so lässt es sich nicht vermeiden, dass der Name „Bern-
auch auf sie übertragen wird; chemisch und z. Th. auch physikalisch _be-
(288)
stehen aber zwischen ihnen wesentliche Unterschiede und somit verliert. die
Bezeichnung „Bernstein“ ihre wissenschaftliche Bedeutung. Bezüglich des Vor-
kommens im Samlande kann man sagen: Bernstein ist ein Collectivname fur
heterogene Harze und Gummiharze aus einer bestimmten geologischen Schicht“
(Monographie S. 1). — Conwentz und Helm bezeichnen deshalb seit 1886 die
Hauptmasse des samländischen fossilen Harzes als Succinit, nachdem man
schon früher Bernstein im weiteren Sinne so benaunt und Brogniart denselben
Namen für ein bestimmtes Harz der Kreideformation gebraucht hatte (Monogr. S- 5;
Verbreitung des Succ. S. 1; Malpighia l. c. p. 5; Stoppani p. 238).
Suecinit ist ausgezeichnet durch einen erheblichen Gehalt an Bernstein“
süure, C,H,O,; nach Helm's Ermittelungen betrügt derselbe 3—8, meist 5—6 pet.
doch nimmt er keinen Anstand, auch solches Material, das etwas weniger Süure
liefert, als mit dem Succinit identisch anzusehen, so solehes aus Grübern zu St.
Margarethen, Krain, mit nur 2,7 pCt. und Rohmaterial von Löbschütz, Sachsen, mii
2,8 pOt. (Gurina S. 81 u. 82). — Der Gehalt an anorganischer Substanz (Asche:
worin die Basen Kalkerde und Eisenoxyd) ist im frischen Material üusserst gering
(0,08 —0,12 pCt.) steigt aber durch Infiltration bei der Verwitterung bisweilen
sehr erheblich. Schwefelgehalt, specifisches Gewicht, Hürte und Farbe komme?
auch noch in Betracht, doch sei hier auf Conwentz’ Charakterisirung des Mine
rals, Monogr. S. 2—5, verwiesen. — Die Büume, welche den Succinit ausschiedem
gehörten wahrscheinlich dem unteren Tertiär, dem Kocen, ‘an; gefunden aber wird
das Mineral jetzt im nordwestlichen Samlande auf secundärer Lagerstätte, in der
sogenannten blauen Erde, einer Lage glaukonitischen Sandes des Unteroligoce!»
also in der niichstjiingeren Schicht der Tertiüárformation. Die blaue Erde liegt
zumeist tiefer, als der Spiegel der Ostsee, und wird daher vom Meere ausgewaschen:
doch baut man sie auch bergmännisch ab; in ihr finden sich auch die andereh
oben genannten Bernsteine. Uebrigens ist der Succinit in Nordeuropa sehr weiß
verbreitet, theilweise wohl, weil das succinitführende Tertiür früher eine gróssere
Ausdehnung haíite (succinithaltiger Griinsand bei Eberswalde u. s. w.), z. Th. aber
auch durch den Transport mittelst des Eises. Er verbreitet sich daher auch in
den jüngeren Schichten als Geschiebe so weit, wie die nordischen Geschiebe über"
haupt, und gehôrt demzufolge zu den charakteristischen Bestandtheilen des Geschiebe-
mergels nahezu in seinem ganzen Gebiet. Westlich fand man ihn an der Küste
von Norfolk im östlichen England und nach Evans Bronze Implements, Londo?
1881, p. 484 bis hinab südlich der Themse, sowie bei Scheveningen in Holland;
südlich geht er bis an den Abhang der mitteldeutschen Gebirge (Schlesien, König”
reich Sachsen), östlich wahrscheinlich bis nach Kaltschedansk unfern und öst-
lich von Jekaterinburg am Ostabhange des Ural, also sehr weit óstlich (nicht süd-
östlich, wie Conwentz sagt), nördlich bis nach Finnland. Da aber die älteste
bekannte und zugleich ausgiebigste Lagerstätte sich an der Ostsee findet, so nannte
Helm den Succinit früher ,Ostseebernstein“. Will man jetzt alle hierher gehörige)
fossilen, in Nordeuropa gefundenen Harze zusammenfassen, so möchte es am
besten sein, „nordischer Bernstein“ zu sagen; denn, wie Succinit, trifft man auch
andere Harze in diesem Gebiet ausserhalb des Samlandes, so Glessit an der Nord-
seeküste des Continents („Verbreitung“ S. 3 Note 5) und ein noch nicht vollständig
untersuchtes Harz im Eocen des Londoner Beckens (ebenda S. 4). Diese anderen
Bernsteine verschwinden übrigens quantitativ alle gegen den Succinit. Sie unter-
scheiden sich von ihm wesentlich durch den Mangel an Bernsteinsäure,
weichen aber zum Theil auch sonst vôllig ab; am ähnlichsten dem Suecinit sind
Gedanit und Copal. —
U
(289)
ma finden sich nun dem Suecinit üusserlich ühnliche, fossile Harze in Europa
seul noch an vielen Orten ausserhalb des nordischen Bereichs und in anderen
Con chen Schichten, ebenso auch ausserhalb Europas; man kann daher mit
A Monogr. S. 1, noch allgemeiner, .als oben geschehen, definiren: „Bern-
welches eine grosse Menge von fossilen Harzen und harzähnlichen Körpern,
h ne nach ihrer Abstammung und Bildung, sowie nach ihrem chemischen und
Physikalischen Verhalten verschieden sind." —
iai die Archäologie von besonderer Wichtigkeit sind die Vorkommen in
bis m sowohl an den nordöstlichen Ausläufern des Apennin von Reggio und Bologna
Ol adriatische Meer bei Rimini, als auch auf Sicilien, wo es zahlreiche Fund-
und giebt, theils auf fester Lagerstätte, theils im Geröll der Flüsse (so des Simeto)
die new an der Meeresküste, namentlich bei Catania. Capellini sprach nun
in I "i aus, gestützt auf susserliche Aehnlichkeit, dass in den ältesten Zeiten
Novy. len nur einheimischer Bernstein verarbeitet worden sei (so auch zu Villa-
ho Jà sogar noch zu Marzabotto); erst später habe man, der Nachfrage zu ge-
15 A auch nordisches Material bezogen (in diesen Verhandl. 16. Dez 1871 und
Verma 1872; Congrès Stockholm p. 799—800, 807—809). Die Richtigkeit dieser
den uthung konnte nur durch genauen Vergleich des Materials der Gräber mit
sich an lichen Bernsteinen verschiedener Herkunft geprüft werden. Helm hat
Suchy leser Aufgabe mit grosser Ausdauer gewidmet; die Tragweite seiner Unter-
der won zu ermessen, ist es nothwendig, etwas näher auf die chemische Seite
Tage einzugehen.
Berne Helm: Notizen über die chemische und physikalische Beschaffenheit des
die Bons, Archiv der Pharmacie 1877 Bd. VIII (Bd. 211 der ganzen Reihe) ist
Nay, einsiure im Succinit fertig gebildet (denn sie kann ihm mit alkoholischem
teagirt entzogen werden), aber nicht frei (da Succinit im Allgememen nicht sauer
tal ) sondern gebunden und zwar an organische Substanz, weil ja mine-
Naty, e Basen nur in Spuren vorhanden sind (S. 238 und 242). Mii alkoholischem
Om auf nassem Wege, erhält man aus dem Fossil 3,2—8,2 pCt. Säure
die bod gedacht, C,H,03) = 3,7—9,4 (richtiger 9,6) Hydrat C,H 0, (8. 239);
Angab ene Destillation des Harzes liefert 3—9 pt. Hydrat oder, nach spáteren
Selbst en Helm's, 3—8 pOt. Hiernach scheint es nicht, als ob bel der Destillation
des rh ein Theil Säure gebildet werde. Dópping glaubte, durch Oxydation
halten Ccinits mittelst Salpetersäure die grösste Ausbeute an Bernstemsäure zu er-
8. 940 Annalen Chem. Pharm. 49, 350; er erzielte 8,33 pCt. und, da, nach Helm
lieferte nur verwittertes Fossil die von ihm angegebenen höchsten Ausbeuten
mii Sa] frischeres aber geringere, so scheint es in der That, als ob beim Behandeln
Bean de sure gewisse Bestandtheile des Harzes erst 1. Bernsteinsäure um-
achtun elt würden. Indess sind zur Sicherung dieser theoretisch wichtigen Beob-
Man d doch noch eingehendere Versuche nóthig. Wenn sie richtig wäre, würde
eine Ox Zunahme des Gehalis an Bernsteinsüure bei der Verwitterung ebenfalls auf
auch Ydation gewisser Harzbestandtheile zurückführen können. Helm. denkt aber
bei de die Möglichkeit einer Fortführung der säureärmeren Bestandtheile
_ Verwitterung, so dass die Zunahme der Süure im Rückstande nur eine
sang quit einzelne Sorten undurchsichtigen Bernsteins (sog. Knochens) zeigen, gepulvert,
Säure henühre Im einer ganz geringen Menge freier Bernsteinsäure und etwas Schwefel-
Mstandey, oe , welche letatere durch Oxydation des im Suceinit vorhandenen Schwefels
Lösung de " Nach Helm 8.938 enthàlt die mit Wasser wieder gefallte alkoholische
Vea, à arzes ,eine Spur freie Bernsteinsáure^
. der Berl, Anthropol. Gesellschaft 1891.
19
(290,
relative sein würde. — Beachtenswerth ist ferner, dass bei sehr starker Ver-
witterung, verbunden mit bedeutender Infiltration von basischen Aschenbestand-
theilen, die Ausbeute an Säure bei trockener Destillation wieder abnimmt, wenn
man nicht durch Zusatz von Schwefelsäure (bis zu 5 pCt.) die an diese Basen ge-
bundene Bernsteinsáure vorher frei macht (Gurina S. 84). Dies beobachtete Helm
1884, als er Bernstein aus mykenischen Gräbern untersuchte, mit einem Aschen-
gehalt von 3,2 pCt. — Die Bestimmung des Säuregehaltes führt Helm fast stets
durch trockene Destillation aus, da die mit alkoholischem Natron zu umständ-
lich ist.
Von allen nicht nordeuropäischen Bernsteinen nun lieferten nur ein galizischer
und ein rumänischer eine ähnliche Menge Säure, wie der Succinit, nehmlich ersterer
3,35—65,01 pCt., letzterer, nach Helm’s neuesten Bestimmungen, vier verschiedener
Proben: 0,3, 0,9, 1,35, 3,2 pCt. Dieser rumänische ist von allen fossilen Harzen dem
Succinit am ähnlichsten, doch weicht er in seinen physikalischen Eigenschaften
noch hinreichend ab, um ihn bestimmt davon zu unterscheiden; Helm benennt
ihn „Rumänit“. Für Galizien lässt Helm die Frage, ob dort echter Suceinit vor-
komme, noch offen; das säurehaltige Material findet sich bei Lemberg. In beiden
Ländern trifft man übrigens auch säurefreie Bernsteine, so in Rumänien. schwarzen.
Als verschieden von Succinit stellte sich ferner heraus Bernstein aus Böhmen,
Mähren, Niederösterreich, Oberitalien (4 Proben von 3 Fundorten der Emilia),
Sicilien, Frankreich, Spanien, desgleichen solcher vom Libanon (bei Saida, dem
alten Sidon), überhaupt alles weitere Rohmaterial, das bisher zur Untersuchung
kam. Alle diese Sorten enthielien entweder garkeine Süure, oder nur geringe
Mengen. Der sicilianische z. B., der durch seine Farbe und Fluorescenz ausge-
zeichnet ist und von Helm nach dem Flusse Simeto ,Simetit^ benannt wurde
(Malpighia p. 6), lieferte bei 8 verschiedenen Proben 5 mal keine Bernsieinsüure,
1 mal 0,12 pCt., 1 mal 0,15 pCt. und 1 mal 0,4 pOt., bei einem Aschengehalt von
0,28—0,32 pCt.") — Hiernach lässt sich bestimmt sagen: wenn unter prühistori-
schen Dingen Succinit gefunden wird, so muss derselbe, von Galizien
abgesehen, nordischer Herkunft sein. Es bleibt dann nur noch zu ent-
scheiden, welchem Theile des nordischen Gebietes er angehört; das ist aber
auf chemisch-physikalischem Wege nicht möglich, sondern höchstens auf archäo-
logischem. — Besteht umgekehrt ein in den südlichen Ländern gefundenes
Objekt aus säurefreiem oder -armem Bernstein, so ist dieser vielleicht
südlichen Ursprungs. Solche Fülle sind jedoch äusserst selten; nur einer
ist sicher nachgewiesen; aber hier handelt es sich um ein rômisches, also
spütes Grab (zu Bedonia, Prov. Parma; Gurina?) S. 81 u. 83), das für Capel-
lini's Ansicht nichts beweist. Und vóllig ausgeschlossen ist selbst hier die nor-
dische oder östliche Provenienz nicht, da ja derartige Harze auch im Samlande
und an den Küsten der Nordsee vorkommen und sich neben dem süurehaliigen
Fossil auch in Galizien und Rumünien finden. — In allen anderen Füllen lieferten
die südlichen prühistorischen und historischen Fundstellen Material, das mehr als
1) Dass auf Sicilen jetzt auch nordischer Succinit verwendet und verkauft wird, war
schon früher bekannt und wurde durch Helm bestátigt. Wenn Schneider, S. 196 Note ***,
nach offieieller Angabe aus Rom berichtet, dass ein Import von Bernstein in Sicilien nicht
stattfinde, so widerspricht dem eine briefliche Mittheilung Helm’s, wonach er aus den
Geschäftsbüchern eines Danziger Kaufmanns das Gegentheil nachweisen konnte.
2) A. B. Meyer wollte zwar nur prähistorischen, nicht rômischen Bernstein in Betracht
ziehen (Gurina S. 78 Note 1), doch entstammt sowohl der von Bedonia, als der von Monti-
celli römischen Gräbern (Bull. di pal. 1886, p. 44 Note 4 und p. 45).
v!
QU)
0,4 pCt. Säure, d. h. mehr als den Maximalgehalt des Simetit ergab. Nahe kommt
dieser Grenze allerdings noch ein Stück aus einem „umbrischen“, d. h. aus einem
der älteren Gräber zu Bologna mit 0,85 pCt. (Gurina S. 81) und man mag dieses
immerhin als zweifelhaft betrachten; die übrigen aber lieferten erheblich mehr,
und wenn Strobel, Bull. di pal. 1886, 46 auch Proben mit 2,50 und 2,45 pCt. aus
der bronzezeitlichen Terramare von Castione und einem römischen Grabe zu
Monticelli, beide in der Prov. Parma (Gurina S. 81; Bull. di pal. 1886, 44 u. 46),
nicht als nordisch ansehen will, weil sie unier der Minimalgrenze Helm's (3 pCt.)
bleiben, so ist doch der Abstand von dem italischen Rohmaterial, namenilich dem
oberitalischen mit nur Spuren Säure, noch weit grösser (siehe auch S. 292). Im
Uebrigen ergaben Stücke aus ober- und mittelitalischen Gräbern der Villanovazeit
und der späteren etrurischen Epoche (s. Cap. 2B) 4,1 —0,3 pOt. Bernsteinsáure; der
lange vergeblich gesuchte Bernstein aus Gräbern auf Sicilien 4,87 und 6,01 pCt.
(AB. Meyer in Bull. di pal. 1887, 23); eine Perle aus einem der Schachtgräber
zu Mykenae, mit Schwefelsäure destillirt, 6 pCt. (das Innere des Stückes war wasser-
hell und hart, wie dies nur bei Succinit vorkommt). Auch Artefacte aus alten
Gräbern der österreichischen Länder lieferten Helm ähnliche Resultate. — Hier-
nach würde man also annehmen dürfen, dass bis auf vereinzelte mögliche Aus-
nahmen, der Bernstein der alten Fundstätten (nordischer) Succinit sei, wenn zu
dessen Charakterisirung ein hoher Gehalt an Bernsteinsäure genügte. Das wird
aber gerade bezüglich des Materials aus Gräbern bestritten, namentlich von A. B.
Meyer. Wenn im Succinit die Menge der Bernsteinsäure vielleicht vermehrt
wird, nach Dópping's Versuchen durch oxydirende Agentien im Laboratorium
und nach Helm unter Aufnahme von Sauerstoff bei der Verwitterung (unter gleich-
zeitigem Verlust von Kohlenstoff, Wasserstoff und Schwefel; Danziger Schriften
V, 3, 9), so liegt es nahe, auch bei säurearmen Harzen einen ähnlichen Vorgang
bei der Verwitternng zu vermuthen. Der freiere Luftzutritt in den Gräbern gegen-
über den fossilen Lagerstätten würde denselben begünstigen; auch glaubte A. B.
Meyer an Lemberger Rohbernstein, welcher in (durchlässigem) Sandstein lagerte,
einen wesentlich höheren Säuregehalt annehmen zu dürfen, als in solchem, der in
mehr luftabschliessendem Thon sich fand (Gurina 8. 84) Dopping's Versuche
bedürfen indess noch der Bestätigung, Helm’s Beobachtungen sind noch nicht
genügend aufgeklärt, und ob man eine beim Succinit gemachte Beobachtung ver-
allgemeinern und ohne Weiteres namentlich auf ganz siurefreie Harze übertragen
darf, ist ohnedies fraglich. Auch gelang es bisher nicht, Simetit mit Spuren von
Bernsteinsäure im Laboratorium so Zu oxydiren, dass eine grössere Menge dieser
Säure entstand (Gurina S. 82 u. 84; Bull. di pal. 1887, 21 ff.) und, was ich für
noch wichtiger halte, Apenninen-Rohbernstein aus der Emilia, der z. Th. bis
ganz in's Innere hinein verwittert war, enthielt. ebensowenig Bernsteinsäure,
als anderer von ebenda in besserer Erhaltung (Danziger Schriften V, 3, 11—12,
Nr. 2 u. 3). während umgekehrt nach Stoppani p. 182 Material aus prähistorischen
Funden Italiens reich an Säure ist, selbst wenn es, wie oft, noch wohlerhalten
und durchsichtig ist. — Mit der Verschiedenheit der Lemberger Rohb ernsteine
endlich hat es eine eigene Bewandniss. Meyer benutzte u. a. die Analysen von
Dr. Weitz in Aachen; für den Bernstein aus Thonlage fand dieser 2,5 pCt. Säure,
Helm aber 5,01 pCt., während die Resultate beider Analytiker für das Material
aus Sandstein gut übereinstimmten (3,45 pCt. und 3,43 pCt., Gurina 8. 82). Meyer
hält nun im ersteren Falle die Weitz'sche Analyse für zuverlässiger (S. 84 Note 1).
Es ist aber auffallend, dass Weitz auch sonst mehrfach erheblich geringere Aus-
beuten erzielte, als Helm; so fand er für prähistorisches Material von Carpineto
1^*
zl
iM
(279)
1,55 pCt. und fiir Rohbernstein von Berlin 3 pCt., Helm dagegen 4,8 und 4,9 pCt.;
ganz zu schweigen von einigen anderen Fällen, in denen Weitz einen niedrigen
Säuregehalt feststellte (Hradischt bei Stradonic 0,8 pCt.; Lommatsch 2,2 pCt.)
während Helm, laut brieflicher Mittheilung mangels hinreichenden Materials nur
nach dem Aeusseren urtheilend, die Proben für „baltisch“ erklärte. Auch ein
Muster Leipziger Rohbernsteins, das Helm nicht vorlag, enthielt nach Weitz
nur 1,2 pCt., und doch gehört es nach Credner einer Formation an, welche
Pommern und Meklenburg in sich schliesst (Gurina S. 82 Note 2), d. h. nach
Helm und Conwentz dem grossen, baltischen (oder nordischen) Gebiet, aus dem
andere, Bernsteinsäure haltende fossile Harze, neben dem Succinit, nicht nachge-
wiesen sind (Danziger Schriften VI, 2, 234—935; Monographie S. 4). Auch scheint
das Leipziger Mineral physikalisch von Succinit nicht verschieden zu sein. Die
verhältnissmässig geringen Ausbeuten aus Material von Castione und Monticelli
endlich (oben S. 291) sind ebenfalls das Ergebniss der Untersuchung durch Weitz.
. Das Material von Carpineto rührte bei beiden Analysen von Hrn. Helm her;
auf Anfrage theilie derselbe mir indess mit, dass die Proben nicht identisch
waren. Die Differenz des Resultates kann also hierauf beruhen; unerklürt bleiben
aber die Unterschiede bei Lemberg und Berlin, sowie der niedrige Gehalt bei
Leipzig (Castione und Monticelli). Es fragt sich demnach, ob nicht in der
Methode der Analyse Elemente der Unsicherheit liegen, welche die Vergleichung
der Resultate verschiedener Chemiker erschweren. Eigene Erfahrungen stehen
mir auf diesem Gebiete nicht zur Seite; indess ist trockene Destillation im
Allgemeinen für analytische Operationen nicht besonders geeignet, und man
wird gewisse Schwankungen dabei ohne weiteres zugestehen müssen; dieselben
können sich aber leicht steigern, wenn, wie hier, oft mit sehr kleinen Mengen
gearbeitet wird; vergl. auch Helm im Archiv d. Pharm. S. 239. Auch die wegen
anhaftenden Oeles nóthige Reinigung der rohen Süure muss auf die Constanz der
Resultate nachtheilig einwirken, Endlich ist bei starker Verwitterung der Einfluss
des Aschengehaltes auf die Ausbeute zu beachten. Zwar war Hrn. Meyer, als
er Gurina schrieb, Helms Arbeit über den Mykenae-Bernstein, und also auch
dessen Methode, bei hohem Aschengehalt mit Schwefelsäure zu destilliren, schon
bekannt (S. 79), wir werden aber nicht darüber unterrichtet, ob Weitz letztere
zur Anwendung brachte; und doch heisst es von der Hradischt-Probe ausdrücklich
,Sehr verwiitert^. Unzweifelhaft wird man aber überhaupt nur bei grosser Material-
kenntniss im Stande sein, nach dem Aeussern zu entscheiden, ob ein Schwefel-
säurezusatz erforderlich ist oder nicht. Daher ist meines Erachtens zu verlangen;
dass überall, wo nicht ganz frische Substanz vorliegt, also namentlich bei Material
aus Gräbern, unter Zusatz von Schwefelsäure destillirt werde. — Zu erwägen
bleibt ferner, ob nicht in wichtigen Fällen die Analyse auf nassem Wege, mittels
alcohol. Natrons, trotz ihrer Umständlichkeit, vorzuziehen wäre. — Endlich möchte
ich empfehlen, mit einer grösseren, in sich gleichartigen Menge von Succinit, deren
Gehalt an Säure durch Destillation und durch alkoholisches Natron genau bestimmt
ist, Oxydationsversuche anzustellen, um die Beobachtung Döppings zu prüfen. TT
Wie aber heute die Sache liegt, wo eine Bildung von Bernsteinsäure durch Ver-
witterung süurefreier oder -armer Harze eine blosse Vermuthung ist, wird man
nicht umhinkännen, alles Material aus alten Fundstellen mit einem (durch trockene
Destillation festgestellten) Säuregehalt, selbst hinab bis zu nur 1 pCt. als Succinit,
oder vielleicht als rumänisches oder galizisches Harz anzuerkennen, da ja die
sämmtlichen anderen Rohbernsteine im Maximum nur 0,4 pCt. ergaben, meist
aber erheblich weniger oder garkeinen. Auch beschränkt Helm sich ja nicht auf
L5
(293)
» Bestimmung der Säure, sondern berücksichtigt nach Möglichkeit‘ auch die
a schen Eigenschaften, so z. B. bei dem Mykenae-Bernstein. — Strobel
BG auch eine Untersuchung der organischen Einschlüsse (Bull. di pall.
duro] > 47 ff.; 1887, p.24) doch móchte diese wohl nur in sehr wenigen Fällen
en sein. — Dass die Farbe des Materials keinen sicheren Anhalt
Sto, rt, sagte schon Virchow, Congrès Stockholm, p. 797, und wurde durch
Ppani p. 182—184 ausführlich erläutert.
MU übrigens in vereinzelten Fällen in den Mittelmeerlàndern auch ein-
hier scher Bernstein verwendet wurde, so ist dies für den Gegenstand, den wir
Be dent Auge haben, nehmlich Material und Wege des Welthandels, ganz ohne
Wong 08: Nach Helbig’s Ausführungen, Commercio p. 1—7, kann solche Ver-
abge ung in Italien eine erhebliche Ausdehnung nicht gehabt haben, auch ganz
an von dem erst später durch Helm erbrachten Nachweis, dass der
" Toy he Rohbernstein kein Succinit ist. Derselben Meinung ist Sto ppani
Yorlie —167. — Rumänisches und galizisches Material sind aber für die hier
"Ad e Frage unwesentlich, weil überhaupt gegrabener Bernstein nicht in
(Cone t kommt. Die Grabungen beruhen ja, wie Stolpe richtig ausführte,
Omen Stockholm, p- 777—778), meist auf moderner Industrie, Bauten u. dergl.,
aug auf wissenschaftlichen Forschungen; das Alterthum spricht fast stets nur von
Seworfenem Meeresprodukt.
2) Verarbeiteter Bernstein in den südlichen Ländern.
A. Das früheste Erscheinen des Succinits im Süden.
Lag Der Orient: Perrot und Chipiez sagen in ihrer Histoire de l'art,
Égypte dant à l'ambre, on n'en a pas irouvé de traces en Egypte; il n’a, disent les
pas os ogues, pas de nom dans la langue. Desgleichen heisst es I 168: On n'a
la Mast trouvé d’ambre en Mésopotamie; cette substance, dont les riverains de
ne Da llerranóe faisaient déjà un grand usage dès le Xe siècle avant notre ère,
Ui aM pas avoir été portée par le commerce dans l’intérieur de l'Asie. Endlich
pour 5. La résine fossile connue sous le nom d’ambre ou de succin est demeurée
ni e ED dire inconnue à la vieille civilisation orientale; nous ne l'avons irouvée
Usage gypte ni en Assyrie. Les Phéniciens orientaux n'ont fait de l'ambre qu'un
ASSez restreint; . . . On n'a rien retrouvé de pareil en Syrie, ni a Cypre. —
ach stimmt im Allgemeinen überein, was ich sonst feststellen konnte;
Schr ant über Funde von Bernsteinartefacten sind äusserst spürlich und meist
Die M, estimmt. Aegypten anlangend, äusserte sich Lepsius in semer Arbeit
1871 pe in den ägyptischen Inschriften“, Abhandlungen der Berliner Akademie
Bache, 141, wie folgt: Im alten Aegypten hat der Bernstein bisher noch nicht
dass Ten werden kónnen, obwohl uns von Plinius (31,86) berichtet wird,
Plinin von den Aegyptern sacal genannt werde'), was an den gleichfalls von
Scheint: (37,40) überlieferten scythischen Namen sacrium erinnert und es wahr-
Roy ch macht, dass die Aegypter den fremden Namen beibehielten (vergl.
Hr. bomont p. 128—129; Müllenhoff I 480, Note) — Nun aber macht mich
Perro; G. Steindorff auf eine Stelle in Pietschmanns Uebersetzung von
der Benz Chipiez, 8. 890 aufmerksam, wo in einer Note zu S. 712 auf 9 Stücke
Oylinde Iner Sammlung hingewiesen wird, nehmlich auf 2 Scarabüen und einen
_ T. Leizterer, Nr. 6809, vielleicht eine tonnenfürmige Perle, mit ziemlich
on ater in Aegypto nasci ac vocari sacal; welches einheimische Harz hier etwa
ónnte, weiss ich nicht. O.
C" ^a
weiter Lüngsbohrung, ist ganz frisch und wachsgelb, seine Herkunft unbekannt;
für eine Zeitbestimmung fehlt es an jedem Anhalt; dies Stück kommt also nicht
in Betracht. Anders die Scarabüen, Nr. 6807—6808, welche auf der unteren,
ebenen Fläche, jetzt allerdings sehr undeutlich gewordene Inschriften in Hiero-
glyphen zeigen und nach Professor Erman wahrscheinlich ins neue Reich (14.
bis 11. Jahrh. vor Chr.) zu seizen sind; sie stammen aus der Sammlung Passa-
lacqua und wurden angeblich in 'Theben gefunden. J. Passalacqua bezeichnet
in seinem Catalogue raisonné et historique, Paris 1826, p. 2, Nr. 27 u. 28, die
Substanz der Scarabüen als Bitumen. Lepsius sprach von bernsteinühnlichem
Harze im gedruckten Führer der Abtheilung d. ägypt. Alterthümer im Kgl. Mus.
3. Aufl, Berlin 1875, S. 63 Nr. 858—359. In der 6. Aufl. unter dem Namen , Ver-
zeichniss der ägypt. Alterth. u Gipsabgüsse“ 1886, S. 72 Nr. 358—399, endlich
wird die Masse als Harz bezeichnet. Nach meiner Ansicht kann die sehr ge-
dunkelte, brôcklige, mit einer gelblichen Verwitterungskruste überzogene Masse
sehr wohl Succinit sein. Leider lässt sich eine chemische Untersuchung nicht
anstellen, da die Objekte eine Probenahme nicht gestatten. — Uebrigens erwähnt
Maspero, L'Archéologie Égyptierme, Paris 1887, p. 235, Bernstein unter den
in Aegypten verwendeten Mineralien und zwar offenbar nicht nach literarischen
Quellen, sondern nach dem Inhalt der Sammlungen. Näheres wird jedoch nicht
hinzugefügt und eine chemische Untersuchung liegt gewiss auch nicht vor. Es
war mir daher von besonderem Interesse, durch Hrn. Professor H. Brugsch aus
Cairo die nebenabgebildete Perle zu erhalten, welche sein Bruder Emil vor
8 Jahren mit mehreren anderen neben Mumienüberresten im
Sande eines zerstörten Grabes fand, das „unbestreitbar in die
Epoche der 11. oder 12. Dynastie fällt (mithin etwa 4000 Jahre
alt ist) und auf dem südlichen Theile der Nekropolis von
Saqqarah (in der Nähe der Teta-Pyramide) gelegen ist“. Heır
Emil Brugsch-Bey hatte die Güte, mir dieses äusserst kost-
bare Stück zu schenken; ich sandte es, nach Herstellung einer
Zeichnung, an Hrn. Helm, welcher mir über das Resultat seiner
Untersuchung Folgendes schreibt: „Die Perle hat ein absolutes
Gewicht von 1,132 g; ihr specifisches Gewicht beträgt 1,238. Aeusserlich hat sie
eine dunkelbraunrothe Farbe, ebenso im Innern, wo sie nur ein wenig heller ist. Ich
schabte vorsichtig von der Perle Theilchen im Gewicht von 0,052 g ab, wobei ich
beobachtete, dass dieselbe durch und durch verwittert und mit feinen Risse?
durchsetzt war, so dass sich leicht kleine Stückchen ablösen liessen’). Ich erhitzte
einen Theil des Abgeschabten auf einem Platinblech, um den Geruch des Ver
dampften festzustellen. Derselbe war stark aromatisch, die Schleimhäute der Nase
und des Schlundes ein wenig zum Husten reizend. Ausgeschlossen war durch
diese Geruchsprobe, dass Copal oder ein Baumharz der Jetztzeit vorliegt. De"
Geruch ähnelte dem des verdampfenden Succinits, war jedoch weniger streng und
zum Husten reizend. Den Hauptbeweis, ob Succinit vorliegt, die quantitativ?
Bestimmung etwa vorhandener Bernsteinsáure, nahm ich mit 0,04 g des Abr
geschabten vor. Wegen der geringen Menge fertigte ich mir eine eigene kleine
Retorte aus Glas an, mit langausgezogenem Halse, den ich in ein schmales Reagen?”
glas steckte. Ich destillirte bis zur Verkohlung des Harzes. Es gingen hierbe
1) Uebrigens ist keine Spur einer ,Verwitterungskruste^, wie an den Scarabäen, VO
handen, das Aussehen vielmehr für den Laien, von der Nachdunklung abgesehen, em
frisches. In der Bohrung sitzt noch ein Rest des Fadens. O.
294)
che
ein braungefärbtes brenzliches Oel von eigenthümlichem aromatischem Geruch und
Wasserhaltige Dämpfe über, die sich im Retortenhalse und in der Vorlage ver-
dichteten. Ich behandelte die Destillationsprodukte mit heissem destillirtem Wasser,
flirirte, dunstete ein, reinigte den Riickstand und verfuhr so, wie früher mit-
Setheili Ich erhielt schliesslich aus dem Destillate keinen krystallinischen Rück-
Stand. Die Perle enthält somit keine Bernsteinsäure, und es ist aus-
Seschlossen, dass sie aus Succinit gefertigt wurde. Dagegen liegt ein anderes
fossiles Harz vor, welches sich hauptsüchlich durch sein hohes specifisches Gewicht
Characterisirt. Suceinit besitzt ein specifisches Gewicht von höchstens 1,100. Es
Slebt jedoch fossile Harze von hôherem specifischem Gewicht. Als am nächsten dem
hier vorliegenden bezeichne ich ein im Libanon gefundenes braunrothes fossiles
Harz, welches nach Bränner ein specifisches Gewicht von 1,118 besitzt und in
Welchem derselbe neben Ameisensäure auch ein wenig Bernsteinsäure nachwies.
Im Libanon kommen verschiedene fossile Harze vor, welche von Brönner,
Lebert, John und mir untersucht wurden. Gewöhnlich werden sie in stark
lerwitiertem Zustande gefunden, selten gut erhalten und bearbeitungsfähig. Es
lt nicht unwahrscheinlich, dass das hier vorliegende fossile Harz ebenfalls seinen
Ursprung von dort herleitet. — Nach alle dem wird man höchstens eine unter-
p ordnete Verwendung des Succinits in Aegypten annehmen dürfen. Scarabien aus
c, Stein sind freilich ausserhalb Aegyptens noch mehrfach gefunden, nehmlich zu
Note 5 and Orvieto in Italien, aber ohne Inschriften (Helbig, Commercio p. 5,
auf Landberg behauptet das Vorkommen von Bernstein in „kanaanitischen“ Gräbern
in oon Inseln Bahrein (a. d. Westkiiste des persischen Meerbusens), ebenso wie
Au Yrien (Congres Stockholm p. 816); aber handelt es sich hier um Succinit? —
eis Üypern fehlt Bernstein auch jetzt noch, doch wird Hr. Ohnefalsch-Richter
Tp Sem Vorkommen desselben fortan erhöhte Aufmerksamkeit zuwenden. — In
vos e fand Schliemann das Material nicht. — Wir müssen aber hier des zuerst
und y Irchow nachgewiesenen Bernsteins aus Gribern des Kaukasus, zu Koban
1882 amthawro, gedenken (diese Verhandl. 1881, 427; 1882, 472; Leo r. »P n.
Verh, 110. Das Grüberfeld von Koban, Berlin 1883, S. 100. — Fr. Yo ps
und indi. 1883, 205. — E. Chantre, Le Caucase II, Texte, Paris Ki P 8
hin 06 Nr. 4). Bayern deutete zwar auf natürliches Vorkommen m m amus
a Verhandl. 1882, 353), aber Chantre zoigte a. a. O. p.88—54, dass der
Wp aus den Gräbern ziemlich reichlich Säure liefert, ch dh " ows
dasselp, liche Vermuthung, das Material sei nordisches; vo: a t > dona
nach à vielleicht auch auf westlichem Wege an Ori unc Stelle gelangie; denn
um „Cm Westen weisen wohl auch die Fibeln. Es handelt sich hier übrigens
Peri verhältnissmässig späte Zeit, da die betreffenden Gräber der Hallstati-
ihnen ¢ Europas entsprechen. Ausserdem ist die Menge der Bernsteinobjekte m
im Sehr gering und es steht demmach fest, dass der Bernstein in alter Zeit
Opp sen Orient keinenfalls eine wesentliche Rolle gespielt hat. Jules
auf oo glaubte bekanntlich in der Inschrift eines Obelisken von 950 einen Hinweis
Wider pu schen Bernstein zu finden, welcher Auffassung namentlich Schrader
Busch th (der übrigens jene Inschrift dem Könige Assurnasirabal, 885—60,
Koban 2 vergl. Matériaux pour l’histoire de l'homme 15, 582; Virchow,
deutsche, 102; diese Verhandl. 1885, 65, 307 und 372; Jacob, in Zeitschr. d.
Suchun ?n morgenlünd, Ges, 43, Leipzig 1889, 353. Das Resultat unserer Unter-
eben, > besonders das Fehlen des Materials in Assyrien, ist Oppert’s Auslegung
alls nicht günstig.
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Zier
(tU
b) Die europäischen Mittelmeerländer: Die ältesten Gräber mit Succinit
sind die Schachtgräber von Mykenae, welche Helbig, Epos S. 71, ins letzte
Viertel des 2. Jahrtausend vor Chr. setzt, Undset noch etwas höher hinauf-
rückt (Necropoli p. 85; Zeitschrift für Ethnologie 1890, 11), Furtwängler und
Lóschke sogar schon im 15.—14. Jahrh. beginnen lassen (Mykenische Vase!
Berlin 1886, S. XII— XIII), was durch Funde mykenischer Vasen zu Gurob im
Fajum aus der 18. und 19. Dynastie bestätigt worden (Journal of Hellenic Studies
Vol. 11 (1890) p. 271 ff.; Berliner archaeol. Ges., Januar 1891). Die Schacht-
gräber gehören dem älteren Theil der Mykenaezeit an; in ihnen tritt das Material
schon in so grosser Menge auf, dass es damals gewiss nicht etwas ganz Neues
war. Schliemann erwähnt aus dem ersten Grabe „eine grosse Masse“ Perlen
bei einem Leichnam, aus dem dritten Grabe „eine sehr grosse Menge“ Perlen
von Halsschnüren, und aus dem vierten bei einem Skelett mehr als 400 Perlen
(Fig. 355) und bei einem zweiten eine ähnliche Anzahl (Mykenae, Leipzig 1878,
S. 353, 235, 283). Einige dieser Stücke sind jetzt in Berlin, Mus. f. Völkerk-
9102 eine flache Perle, 9103—4 zwei Bruchstücke. — Aus Gräbern der jüngeren
Mykenaezeit seien folgende Funde erwähnt: Menidi in Attika, „Kuppel“ -(Thölos-)
Grab mit Skeletten und Leichenbrand, darin u. a.. „etwas Bernstein“; Furt-
wängler und Löschke, 8.40. — Nauplia im Peloponnes, Grabkammern mit
Bernstein; u. a. die Perle ’Adyvoaıv 8 (1879) Tafel, Fig. 7; Furtwängler und
Loschke, S.45. — Jalysos auf Rhodos, Grabkammer, worin mehrere Stücke
Bernstein, darunter das rohe, durchbohrte, Furtwängler und Löschke, Taf. B-
17, und die runde Perle mit grossen Abstumpfungsflächen Taf. B 12; siehe S. 1l;
Grab 13.
In Oberitalien fehlt Bernstein günzlich zur neolithischen Zeit, vertreten
theils in Pfahlbauten der Seen, in Torfmooren und Terramaren, theils in Höhlen und
anderen Wohn- und Werkstätten (Stoppani p. 43, 45, 65ff., 72—73 1); Munro p. 227%
232, 269; Brizio, Monumenti p. 200—205; Helbig, Italiker S. 48—49, 117—18),
endlich auch in meist einzelliegenden Skeletgribern (Bull. di pal. 1884, p. 43—46)-
In einer Uebergangszeit, die schon in mehreren Pfahlbauten des Lago di Varese
sowie in Grübern sich fühlbar macht (Stoppani p. 69 ff, 73 ff£., 76; Munro p. 181 ff)
deutlicher aber in dem Pfahlbau am Mincio bei Peschiera am Gardasee hervor
tritt (Stoppani p. 80, Munro p. 224), zeigen sich die ersten Spuren von Bernstein:
nehmlich ein Artefact aus dem Lago di Varese und zwei Perlen von Peschier&-
Freilich bezweifeli Stoppani das hohe Alter des ersteren (p. 42 und 91) und
sieht auch in letzteren eine etwas jüngere Beimischung (p.90). Das Material is
aber, wenn auch noch in sehr geringer Menge, sicher nachweisbar in der reinen
Bronzezeit, nehmlich in den Terramaren und gleichaltrigen Stationen und
Begräbnissplätzen. Ein zweiter, schon lünger bekannter Pfahlbau bei Peschiera
(an der Festung) lieferte 2 bronzene Haarnadeln mit je einer aufgesteckten Perle
(Stoppani p. 89—90; Much, Ailas, S. 61 Fig. 15; Munro p. 222 Fig. ?
und 10) Von den Terramaren ist eine der jüngsten zu nennen, die der jüngeren
durch Kuppelgráber charakterisirien Mykenaezeit enispricht, nehmlich die von
Castione, Prov. Parma, wo Perlen aus diesem Material gefunden sind (Bull. di
pal. 1877, p. 199; Italiker S. 21); vielleicht kommen aber auch noch andere Stellen
in Betracht, namentlich Montale, Prov. Modena, älteren Charakters (Bull. di pal-
1) Die Verhältnisse in unserm Norden während der Steinzeit blieben Stoppani
gänzlich unklar; seinen Ausführungen p.43—47 gegenüber sei auf die kurze Zusammen-
stellung der einschlägigen Thatsachen in diesen Verhandl. 1890, 271 ff. verwiesen. —
296)
(297)
de 1538; Munro p. 215; Stoppani p. 87). — Ferner sei erwähnt die Station
1876 more bei Terni (Congrès Stockholm p. 812; Archivio per l’Antropol. VL
nur " 8; Stoppani p. 88). — In den gleichzeitigen Brandgräberfeldern fand sich
boht kleine Perle zu Crespellano, beinahe eiförmig, der Länge nach durch-
bank. mit 3 horizontalen vertieften Linien verziert „und also wohl auf der Dreh-
Grab, de acht“ (Bull. di pal. 16, 31); aus dem überwiegend Skelette enthaltendem
Bernst » zu Povegliano, Verona, erwühnt Stoppani p. 90 4 Scheibchen aus
ein, meint aber, sie gehürten den jüngeren der Grüber an.
dore italien findet sich Bernstein in den ältesten griechischen Gräbern,
Sachen nhalt den Character der homerischen Kunst zeigt, so unter den ältesten
Taliep zu Kyme (Cumae) in Campanien, der ersten griechischen Colonie in
Urtheil pm Helbig, Epos. S.88—89 und 430—33, sowie dem zustimmenden
In ndset’s, Necropoli p. 89, um 730 vor Chr. oder etwas später gegründet,
Bernstei den durch die Herren Siret untersuchten spanischen Gräbern scheint
B in nicht beobachtet zu sein (Les premiers âges du métal, Anvers 1887).
wile Verwendung des Bernsteins bei Griechen und Italikern.
bezüglich verdanken Helbig, Commercio p. 10—18, interessante Mitteilungen
In de. der Verwendung des Bernsteins im Kunstgewerbe bei den Griechen.
a dois, homerischen Zeit, d. h. so lange die griechische Welt unter
dagege em Einfluss") stand, war das Material beliebt; in der klassischen Zeit
Nicht (odes de es aus üsthetischen Gründen im Bereiche griechischen Einflusses
Römer Be nach Blümner, Technologie und Terminologie der Griechen und
dürfte d. 2, 381 fL, mur ganz vereinzelt) benutzt. Nach Helbig, Epos. S. 13,
Cogongor das kriegerische Auftreten der Kolonien gründenden Griechen im
Spielen Z zu den mehr Handel treibenden und friedlicheren Phôniciern hier mit-
Klassige] der Verkehr nach dem Norden wurde dadurch beeinträchtigt. In der
Seine, (C. Zeit fehlte daher der Bernstein in den Gräbern Griechenlands und
Yor Ohr olonien, obgleich er nach den Zeugnissen der Schriftsteller im 4. Jahrh.
Wieder , gemein bekannt war. Erst mit dem Verfall der Kunst fand das Fossil
in stei erwendung und zwar von den letzten Zeiten der römischen Republik an
den em Maasse, bis es in der Kaiserzeit wieder sehr gesucht war. — Bei
dem à ischen Völkern war die Verwendung des Materials schwankend, je nach-
Betracht. griechische Einfluss zurücktrat oder überwog. Schliesst man von der
Weise ni alles aus, was nördlich des Po gefunden wurde und daher möglicher-
"eligi s t den eigentlichen. „Italikern“ und den Etruskern, sondern anderen,
Bende,. o Eeltischen Völkern zugeschrieben werden könnte, SO ergiebt sich Fol-
folgang estlich des Apennin lieferten die unmittelbar auf die Terramaren
Bismé en Necropolen, im Anschluss an diese letzteren ebenfalls Bernstein, so
a Pro. Reggio (Spännen 8. 132 Note 2). Reichlich ist das Material
NOvazeit à den oberitalischen Grabstätten der nächstjüngeren, sogenannten Villa-
in den d : h. in den ültesten Necropolen von Bologna und dessen Nachbarschaft,
An dies räberfeldern Benacci und Arnoaldi zu Bologna und in Villanova selbst.
en Orten spielt der Bernstein nach Helbig, was die Häufigkeit des Vor-
T d ach dem, was wir S. 298—95 gesehen haben, ist indess schwerlich an einen Ein-
Jà dort de beziiglich des Bernsteins, direkt von Asien aus zu denken, da dies Material
Gebranch 20 benutzt zu sein scheint. Wenn sich daher zu Mykenae neben massenhaftem
Seste]lt d des Bernsteins ein starker orientalischer Einfluss zeigt, So ist eben nur fest-
Ist, Wie ass sieh beide gleichzeitig finden, ohne dass ersterer durch letzteren bedingt
fahren gy Th hinauf aber vielleicht. die Einwirkung der das westliche Mittelmeer be-
"n Phónicier reicht, lasse ich dahingestellt. —
e
(298)
kommens anlangt, unter den zur Decoration verwendeten Materialien mit dem
Glase die erste Rolle. Auch in der auf die Villanova- oder beginnende Eisenzeit
folgenden reinen Eisenzeit mit sicher etrurischen Gräbern aus dem 5, sowl®
dem Anfang des 4. Jahrh. (d. h. in der nach einem Grüberfelde des etrurische?
Bologna, des alten Félsina, benannten Certosazeit) ist Bernstein nicht selle!
obwohl die edlen Metalle ihm erhebliche Coneurrenz machen. In diesen vom
Marzabotto im Renothal abgesehen, wahrscheinlich mit der Eroberung Félsina?
durch die bojischen Gallier, Anfang des 4. Jahrh., abschliessenden') Necropole?
machte sich griechischer Einfluss wohl geltend, wie aus importirten griechische?
Vasen hervorgeht, er war aber zu schwach, die Anwendung des Bernsteins ZU
hindern (Italiker S. 119—122; Epos S. 42; vergl. Necropoli p. 90). — Mit de?
Angaben Helbig’s bezüglich des reichlichen Auftretens des Materials in de?
vorgenannten Necropolen stimmt übrigens nicht, was A. B. Meyer, Gurina S. 13
bis 80 sagt; es handelt sich aber wohl nur darum, was man „reichlich“ nennt;
denn andere Beobachter sprechen sich doch auch im Sinne Helbig's aus (Deutsch.
anthropol. Corresp. 1879, 44 und 51; Stoppani p. 149, 151—55; Capellinh
Congrés Budapest p. 449).
Westlich des Apennin, im eigentlichen Etrurien, Latium, Campanien, sind
die Verhältnisse wesentlich andere. Es fehlt dort der Bernstein in der Villanova”
Benaeci-Zeit theils noch ganz (Poggio Renzo bei Chiusi, dem alten Clusium, iP
Etrurien, Spännen S. 148, Necropoli p. 41; Rom-Esquilin, Spünnen S. 164, Ne-
cropoli p. 50), theils ist er sehr selten (Albano — Alba longa (?), zerstört um 650:
Spünnen S. 165—173, Necropoli p. 48 49). Erst spüter überschreitet er das
Gebirge und tritt dann eine Zeit lang bei Etruskern und Lateinern sehr reichlich
auf in Gräbern, die zugleich phónicische oder carthagische Sachen ent-
halten: zu Chiusi in den ,tombe a ziro*, Spünnen 8.149; zu Corneto (Tar
quini) und Cervetri (Caere) in den sogenannten ,ügyplischen* Grübern etwa
von 650—550 (Epos. S. 67); namentlich sei erwähnt von Corneto die berühmte
ytomba del guerriero“ des Berliner Museums mit Bernstein als Halsperlen, sowie
an einem Messergriff und an 3 Fibeln (Mon. inediti dell Inst. Roma. Vol.»
Tav. X—Xd und Aun. dell Instit. 1874, 249—66), und von Cervetri das überaus
reiche, durch die Herren Regulini und Galassi aufgedeckte Grab des 7.— 6. Jahrh
(Epos S. 30, Spánnen S. 161—63); zu Veji; zu Palestrina-St. Rocco (6. Jahrh-
Epos 8.31, Spännen S. 163— 64). Vergleiche zu diesen Gräbern noch Necropoli
p. 26f.; es fehlen in ihnen Beweise griechischen Einflusses. — Dagegen wird
Bernstein wieder sehr selten oder fehlt ganz in jüngeren Gräbern mit griechischer
schwarzen „bucchero“-Gefässen, z. Th. in Relief, und schwarz- und rothfigurige?
Vasen, so in Grabkammern des 5. und 4. Jahrh. zu Orvieto-Volsini, Spänner
8. 151—55; ferner in Capua, in Corneto (Spünnen S. 161, Necropoli p. 8 und 19),
sowie in Grübern des 3. und 2. Jahrh., ohne jene griechischen Thongefässe, aber
in Latium mit gravirten Bronzecisten (Palestrina — Praeneste) und im eigentlichen
Etrurien mit gravirten Bronzespiegeln und Vasen einheimischer Arbeit, die mit
Figuren bemalt sind, sowie mit den späteren Reliefurnen. Auch erwähnen die
gleichzeitigen lateinischen Schriftsteller (Plautus, Cato der ältere, Terenz) den
Bernstein nicht. —
Der Bernstein fehlt also in der Zeit griechischen Importes und des starken
Einflusses der griechischen Kolonien Siciliens und der Westküste Italiens, nament-
1) Zu beachten ist indess, was Brizio Monumenti p. 285—897 über das Verhältniss
der Gallier zu den Etruskern in der Gegend Bolognas sagt.
P
(299)
i
NRE auf die einheimische Bevölkerung, vom Ende des 5. bis in das 2. Jahrh.
Sich. =, mit dem Verfall der Kunst, kommt er wieder in Aufnahme und erfreut
etre grosser Beliebtheit zur Kaiserzeit. — Bei den barbarischen Völkern Mittel-
Handy dagegen und den halbbarbarischen Norditaliens hielt Geschmack am und
den N mit Bernstein ununterbrochen an, wie es für Oberitalien der Befund in
khi Foy sowie die Berichte der Alien ergeben. Denn auch wührend der
Kohler. en Zeit wird über ausgiebige Verwendung des Fossils in Norditalien be-
(Comm 80 von Timaeus (bei Diodor) in den ersten Decennien des 3. Jahrh.
belebt ercio p. 19—20.) Als daher, namentlich unter Nero, der Handel sich neu
Knipe, thaten die Romer nichts, als an die früheren Beziehungen wieder an-
alike," indem sie den alten Weg wieder benutzten, auf dem das Fossil zu den
Bowei- auch am Beginn ihrer Entwickelung gelangt war (Commercio p. 19 ff). —
Profes Helbig. Indess wäre nach persönlich geäusserter Ansicht des Herrn
an der, Y Furtwüngler für die angedeutete Erscheinung vielleicht noch eine
ther, Erklärung zulässig: diejenigen Gräber, welche Bernstein enthalten, sind
Würde upt die reicher ausgestatteten (vergl. Necropoli p. 83, Note 1), und Gräber
Binfly,. am ausgiebigsten bedacht eben zur Zeit des phônicisch- carthagischen
auch Ses, _woraus aber noch nicht nothwendig folgt, dass letzterer sich grade
Ben Verwendung des Bernsteins erstreckte. Hr. Furtwängler glaubt die
Nachy ung dieses Materials von Seiten der Griechen der klassischen Zeit mehrfach
dem re zu können, so an mehreren Mohrenköpfen in Goldfassung, etwa aus
Goldy heh, im Louvre zu Paris, und, wenn auch selten, in den südrussischen
m— en des 4.—3. Jahrh. — Dass die Phonicier des westlichen Mittel-
Bapg;,, TS ebenfalls den Bernsteim verwendeten, lehren die Funde auf
West a wo namentlich in der punischen Necropole von Tharros (an der
kamen ste) Ringe, Perlen, Gehänge, z. Th. eichelfórmig und in Gold gefasst, vor-
168) (Bullettino archeologico sardo, Cagliari 1859, p. 115—116; 1884 p. 150 Note
5. Jan zahlreichen Scarabiien vom Ende des 6. und namentlich aus dem
Nioi " — Auch in mehreren Giessereifunden kam Bernstein vor, So ZU Forraxi
an erst abei auch Eisen) und zu Perda € Floris bei Lanusei im Osten der Insel,
Riche] erer Stelle ein Rädchen mit kleinem Loch in der Mitte (Wirtel?) und eine
Heryopy letzterer ein. doppelter Conus und eine facettirte Pyramide mit seitlichen
Neu agungen, beide durchbohrt (Bull. sardo 1884, p. 150 Note 168 und p. 180
fand , auch Notizie degli scavi, Roma 1883, 357). Zu Teti, District Lanusel,
P. 159 ich ebenfalls eine Masse, die man für Bernstein hielt (Bull. sardo, 1884
Note 168). —
3) Die Wege des Bernstein-Welthandels.
eri Lenbo ff sagt im Vorwort zu seiner Alterthumsk. I 8. IV: ,lch glaube es
Nicier o de haben, dass hinfort nicht mehr davon die Rede sein kann, ob die Phoe-
halben er Griechen den Bernstein aus der Ostsee geholt haben, oder dass seinet-
S'sten Jar stetiger, direkter Verkehr von Pontus oder Adria aus dahin vor dem
hatte h hrhundert unserer Zeitrechnung bestand.“ — Der älteste Bernsteinhandel
das an en nach Müllenhoff's, mit der unserigen übereinstimmenden Ansicht
30305 Westküste der cimbrischen (oder nach Alierthumsk. II S. 289 und
Allein Ms tiger der teutonischen) Halbinsel gewonnene Fossil zur Grundlage.
Mercio Tienhoffs Erwartung erfüllte sich nicht. Zunächst trat Helbig, Com-
ein: dar * do und 18 f, für alte, direkte Beziehungen Italiens zu Preussen
Sprach le stützte er sich freilich auf die schon in meiner ersten Arbeit erwähnte
gleichung: ausum = ausis = Gold, die ich jedoch, wie unten ausgeführt
(300)
werden soll, jetzt nicht mehr für beweisend ansehe, und ferner auf Münzfund®
die aber ebenfalls, wie ich in diesen Verhandlungen 1891, S. 223, zeigte, fori
fallen. Richtig bleibt jedoch an Helbig's Erórterungen, dass nach Plinius 31, 4
und nach anderen Zeugnissen der Bernsteinhandel durch Pannonien (richtiger viel
leicht Noricum) an’s adriatische Meer sehr alt war; nur führte er, wie. sich späte!
ergeben wird, in frühester Zeit nicht nach Preussen. Des Weiteren hielt H. Koth®
in seinem Aufsatz „Die Bernsteininseln bei Timaios“, Neue Jahrbücher für Philo”
logie und Pädagogik, Bd. 141, Leipzig 1890, S. 184—186, am Samlande als d€
Quelle des Bernsteins auch in ülterer Zeit fest. Im Wesentlichen handelt es sich
bei seinen Erürterungen um die Auslegung der betreffenden Stellen bei Pliniw®
und man überzeugt sich leicht, dass mit der rein philologischen Forschung die b€
züglichen Fragen niemals gelöst werden können. Auf einen Punkt der Kothe*
schen Arbeit müssen wir hier jedoch nüher eingehen. Redslob schon hatte af
genommen (Thule, Leipzig 1855, S. 23 ff), dass der Vertrieb des samlündische?
Bernsteins nach dem Mittelmeere von Schleswig-Holstein aus staitgefunde”
habe. Kothe vertritt dieselbe Auffassung, wennschon er daneben noch eine?
zweiten direkten Ueberlandweg zur Adria voraussetzt. Es giebt indess gewichtige
Gründe gegen die Annahme einer frühen regelmässigen Verbindung des Sam”
landes mit Schleswig-Holstein. Denn die von Tischler nachgewiesene Verschiede?”
heit des ostbaltischen und des westbaltischen Bernsteingebietes zur neolithische?
Zeit dauert ja, wie ich an den Goldspiralen II G gezeigt habe, auch in der Bronze
zeit fori. Freilich finden sich alte Bronzen (der mittleren Bronzezeit nach Tischler’
oder der Perioden 2 und 3 nach Montelius) in Ost- und Westpreussen, die ebenso
auch im Westbalticum auftreten?); es ist aber doch fraglich, ob die Ausbreitung
gleichartiger Bronzen die Folge von West nach Ost, vielleicht auch von Ost nach
West gerichteten Handelsverkehrs ist, oder nicht vielmehr einer schon frühe?
gleichzeitig im Osten und im Westen aufgetretenen Kulturstrümung zugeschriebe?
werden muss. Denn die alten Bronzen kénnen in beiden Ländern selbst gefertigt
sein, da wir in jener Zeit auch Formen begegnen, die wahrscheinlich rein local®
sind, so z. B. im Ostbalticum den Randcelten, Phys. ök. Ber. 1888, S. 7, Fig. b
und den Nadeln mit gewaltigen platten Spiralköpfen, Phys. ök. Ber. 1887, 13, Ab-
handlungen 1890 S. 95; Bujack, Katalog [ des Prussia Mus., 1884, Nr, 141. Der
vermuthete direkte Verkehr vom Samland nach Schleswig-Holstein lässt sich da
her nicht beweisen.
Für den Handel mit dem Material der cimbrischen Halbinsel und der
angrenzenden Gebiete kommen 3 Wege in Frage, wenn wir von einigen. mö8”
lichen Nebenlinien des Verkehrs absehen, nehmlich der Ocean, die Rheinlini®
und der Elbweg. Alle drei hatte schon Rougemont in Betracht gezogen, p- 138
u. 147, p. 133—138, 140, p. 145 u, 147. Am ältesten ist nach seiner Meinung der
Ueberlandweg den Rhein hinauf,
1) Dem Osten und Westen gemeinsame Formen sind: 1) Axthämmer, wie Worsaa®
Nord. Olds. 110; Phys. ók. Ber. 1887, 8.12, Abbildung; vergl Ber. 1888, 8, 1890, Zu-
wachs des Prov.-Mus, S. 3 u. Abhandl. 1890, 95—96. — 2) Mit Harz ausgelegte Doppel-
knópfe, wie Montelius Antiq. Suéd. 199, Tidsbestämning Fig. 66, Ber. 1887, 19. —
3) Kegelfórmige Knópfe mit einer Oehse an der Unterseite, Antiq. Suéd. 112, Tids-
bestimning 38, 39, Ber. 1887, 13, 1890, Zuwachs S.3. — 4) Doppelknópfe mit hoch
emporragender Stange, Antiq. Suéd. 197, Tidsbest. 65, 95; Ber. 1890, Zuwachs S. 4j
Bujack Katal. I Nr. 141. — 5) Messer, wie Ber. 1890, Zuw. S. 3, Fig. 2 (diese auch im
Süden vorkommend). — 6) Absatzcelte, &pnlich Antiq. Suéd. 117; Lissauer S, 110,
T. HI 22; Phys. ók. Ber. 1890, Zuw. S. 4, Vgl noch Lissauer S. 55—56.
m
-
(301)
Bern Der Weg über den Ocean in die Nordsee. Müllenhoff glaubte, der
West] ein sei in ültester Zeit direkt zu Wasser durch Phônicier der Colonien des
Ariane Mittelmeers geholt. Nach ihm steckt in der „ora maritima" des
Massi (2. Hälfte des 4. Jahrhunderts n. Chr.) ein ursprünglich phonicischer, in
Welch 1a geschriebener, etwa um 500 v. Chr. in's Griechische übersetzter Kern,
einer er ‚Sich auf Fahrten bis zur cimbrischen Halbinsel gründet, ausgeführt in
ande Zeit, wo die Bevölkerungsverhältnisse 1m südwestlichen Europa noch völlig
alten waren (Alterthumsk. I, 8. 13203, 222—223). Diese auf einer Kritik der
Vengo isteller veruhende Auffassung findet schwerlich in den archäologischen
bel {nissen eine Stütze und wurde auch schon von Helbig, Commercio p- 1,
aly op Die ältere Rougemont’sche Ansicht wich von ihr nur insofern ab,
pani. vom Golf von Biscaya aus einen Ueberlandhandel durch Frankreich oder
en an’s Mittelmeer annahm und den Rheinweg für noch älter hielt.
und Die Rheinstrasse theilte sich nach Rougemont in ihrem oberen Lauf
Nach ke dann einerseits die Rhone hinab, andererseits durch die Schweiz, theils
CP born (dem Küstenlande bei Genua), theils den Po hinunter. Vergl. auch
Alte e in Pick's Monatsschrift f. rheinisch-westfäl. Geschichtsforschung und
Brünq ps I, Trier 1876, S.1—20. — Massilia wurde um 600 v. Chr. ge-
Strag. aber die ältesten Nachrichten, welche auf die Benutzung der Rhone-
m" für den Bernsteinhandel gedeutet werden können, scheinen sich in der
87 8 lung der Eridanussage an die Rhone zu finden, und zwar nach Plinius
(oves 2 bei Aeschylus (erste Hälfte des 5. Jahrhunderts) und bei Euripides
die Lo Hälfte des 5. Jahrhunderts). Beide Schriftsteller kennen indess auch schon
Die po lisirung der Sage am adriatischen Meer, die bald die Oberhand gewann.
Meg, iheste Nachricht über den Eridanus als einen in's nordwestliche
"Oo ergiessenden Fluss (bei Herodot III, 115) ist also nicht älter; als diese
live A auf Rhone und Po, so dass sich aus der Literatur allein über das rela-
Von in er der verschiedenen Bernstein-Handelswege nichts entnehmen lässt. —
300 an Nachrichten seien hier noch besprochen die bei Theophrast (um
auf m hr), bei Diodorus Siculus (im 1. Jahrh v. Chr, aber zurückzuführen
des 4 ey wn m " m s di m. Oh ji Pytheas von Massilia, Ende
r.), endlich bei Strabo 24 n. Chr.). —
ton ue Phrast giebt an (mepl Mwy § 29), dass Bernstein (7à #hextpov) in. Ligu-
Sera finde, wenngleich sparsam und an wenigen Stellen, und daselbst
LI en werde (wonach Stoppani p. 166 zu berichtigen). Wie Helbig, Com-
Neuer; 4, überzeugend ausführt, geht ‚hieraus hervor, dass T heophrast den
Stein 59 an mehreren Stellen Oberitaliens aufgefundenen einheimischen Bern-
tig, Front habe, obgleich derselbe kaum verarbeitet wurde. Allerdings ver-
des à apellini Fundstellen desselben in Ligurien und kannte nur solche östlich
hong in (in diesen Verhandl. 1872, 15. Juni; Congrès Stockholm 1874, p. 790;
letztes, Stoppani p. 161—162), aber Helbig nimmt auch einen Theil dieser
Stelle > Gegend für die Ligurer, die Urbewohner des Landes, in Anspruch. Diese
Betrach, 8 Theophrast kommt also für den Handel vom Norden her nicht in
Basiles — Diodor sagt V, 23, der Bernstein (rà 7Àexrpov) werde von der Insel
Nach der nach dem Festlande hinüber gebracht, von Wo er durch den Handel
Roy, M Mittelmeer komme, und diese Stelle ist für die Rhein-Rhone-Strasse von
Inseln ont in Anspruch genommen worden. Wenn Basileia eine der ostfriesischen
Bosch, wie wahrscheinlich, so kann allerdings von dort aus diese Strasse ein-
Nach do sem, zumal Diodor hinzusetzt, dass der Bernstein in derselben Weise
m Süden gebracht werde, wie er es Cap. 99 vom Zinn beschrieben hatte,
(309)
d. h. eben auf der Rhonestrasse; aber ganz ausgeschlossen bleibt auch nicht def
von Rougemont selbst skizzirte Weg von der Weser an die Mittelelbe. — Nach
Strabo IV, 6, 2 giebt es bei den Ligurern „viel Lingyrion, welches Einige
Elektron nennen“. Diese Stelle und die weite Verbreitung des Namens Lingyrio?
oder ühnlicher Bezeichnungen, die als von Ligurien abgeleitet betrachtet werden,
macht die Ansammlung reichlicher Bernsteinmengen in Ligurien durch den Handel,
und also vermuthlich durch Vermittelung der Rheinstrasse, wahrscheinlich, da ja
Elektron nach Th cophrast in Ligurien selbst nur sparsam gefunden wird. Aller-
dings steht nach Helbig’s Erörterungen die Identität von Lingyrion und Elektron
nicht ganz fest, trotz der Angaben Strabo’s und Anderer. Ueber das Lingyrion,
welches schon Theophrast (828) ebenfalls als Naturproduct erwühnte und in
mancher Hinsicht dem Elektron verglich, in anderer aber deutlich von ihm unter-
schied, ist so viel gefaselt, dass es schwer hält, eine allseitig befriedigende Er-
klürung zu finden. Helbig, Commercio p. 5—7, ist geneigt, darin den Namen Zu
erblicken, mit welchem ursprünglich nur der einheimische Bernstein Liguriens
benannt wurde, der dann später auch auf den importirten, äusserlich davon nicht
zu unterscheidenden Succinit überging (Schneider, Zur Bernsteinfrage S. 210,
denkt an Simetit). Man wird hiernach den Rhein-Rhone-Weg für den Bernstein“
vertrieb gelten lassen müssen, doch handelt es sich bei allen den citirten Schrift
stellern um eine späte Zeit.
Genthe stellte Funde von Bronzen und Gold in den Alpen und nördlich der“
selben zusammen und brachte sie mit dem Bernstein in unmittelbare Verbindung;
doch beweisen sie streng genommen nur einen Handel im Allgemeinen. Dieser
würde nach Genthe namentlich vom 7. bis in's 3. Jahrhundert belebt gewesen
sein; dann hätte der Verkehr hier ganz aufgehört und sei erst nach Cäsar wieder
aufgenommen, wobei auch eine kurze Neubelebung des Bernsieinhandels, wie sie
aus Strabo hervorgeht, eingetreten sei; doch zu Plinius' Zeit habe derselbe
nicht mehr bestanden. Verfolgt man nun das Auftreten des Bernsteins selbst auf
der Rheinlinie, so ergiebt sich, dass Stücke fehlen, für die ihrer Form nacb
nothwendig ein Import vom Norden her in verarbeitetem Zustande angenomme”
werden müsste. Meist handelt es sich um kugelige, mehr oder weniger abgeplaitete
oder mit Abstutzungsflichen an den Polen versehene Perlen, seltener auch um
cylindrische oder fassformige. ,Mittelstücke“ dagegen oder röhrenförmige Perlen
(S. 309) kommen hier meines Wissens nicht vor; wohl aber wird bei manchen
Stücken umgekehrt eine Zufuhr vom Süden her vorauszusetzen sein (Genthe S. 9)-
In den Pfahlbauten der Schweiz ist Bernstein zur Steinzeit äusserst
selten, wenngleich er nicht, wie Stoppani p. 43 meint, ganz zu fehlen scheint;
ich kann nur nachweisen 2 oder 3 „sehr gut gearbeitete Perlen“, deren Form
nicht angegeben ist, von Sutz im Bielersee, allerdings dem Ende der Periode al”
gehürig (Pfahlbauber. 7, 27; ,9, 69; Protohelvetes p.15); ferner vielleicht eine
scheibenfürmige von Obermeilen am Zürichsee (Steinzeit, wenige Bronzen; Pe-
richt 1, 'T. 3, 36; Ber. 9, 49); dann eine abgeplattete kuglige Perle von Maurach
am Ueberlinger See, Baden (Ber. 6, 282, Berliner Ausstellungs-Katalog 1880, 614;
Munro p. 141; Steinzeii 4 Kupferüxie) Da iu den oberitalischen steinzeit-
lichen Seeansiedelungen Bernstein fehlt (S. 296) so wird man diese wenigen
schweizerischen Stücke als direkt von Norden her eingeführt ansehen künnen;
denn gegen einen östlichen Import spricht der Mangel an Bernstein in den bay-
rischen und ósterreichischen steinzeitlichen Pfahlbauten (s. unten S. 309). — Aber
auch in der Bronzezeit ist das Material in der Schweiz nicht hüufig; kugelig:
Protohelv. p. 80 und T. 18; Pfahlbauber. 5, T. 16, 11 von Morigen und 13 von
- ra
(803)
Cortaillod ; 7 TT. 2, 16 von St. Aubin und 23 von Môrigen; cylindrisch und fass-
(Ormig: Protohelv. T. 18, 23 u. 24, 25 u. 26; Ber. 6 T. 5, 25 von Montellier;
dhnlich, aber mit nahezu dreieckigem Querschnitt Wollishofen, T. 3, 18; ab-
Weichender noch Ber. 8 T. 4, 20 von Estavayer. — Auch in einem Skeletgrabe
bei Auvernier am Neuenburger See, das zu den daselbst aufgefundenen Pfahl-
bauten in Beziehung gesetzt wird, traf man eine ellipsoidische Bernsteinperle, Ber.
TT. 32, 8, neben den Bronzen Fig. 9, 10, 13 zu p. 36 ff. — An sonstigen Grübern
der Schweiz seien erwähnt aus der späten Hallstatt- oder Frühlatenezeit:
y Musammengesetzte kugelige Nadelkopfe (Bonstetten, Recueil p. 80 u. T. 6, 14)
ei einem Frauenskelet zu Murzelen, Ct. Bern, neben einem goldenen Ohrring
md einem kleinen Bronzeringe (Fig. 8 u. 9); vgl. Westdeutsche Zeitschrift V, 197.
p Solche Nadelküpfe bei Trüllikon, Ct. Zürich, Züricher antiq. Mittheilungen
à, 8.14 u, T. 1,r. Unter-Lunkhofen, Ct. Aargau, 2 Bernsteinringe mit
Weiten Bohrungen (Wirtel?) neben einer Frühlatènefibel u. s. w. aus einem Brand-
Sabe; Archaeologia Vol. 47, London 1882, p. 181—134 u. Taf. 5, 22. Ferner .aus
er Tènezeit: Skeletgrab zu Spietz, Ct. Bern, mit 32 rohen, rundlichen Perlen
(ecu p. 28 u. T. 5, 4) neben Bronzen (Fig. 3 u. 5—9); Bikingen, Ct. Bern,
Le kleme Perle (Rec. Supplém. I p. 11 u T. 5, 3) mit Glasarmbündern (Fig. !
: 2) und einer Bronzekette, wie Recueil T. 27, 1; Schärloch, Ci. Bern, 6 Perlen
(ec Suppl I p. 11 u. T. 6,1) mit Glasarmband (T. 5, 4) einer Fibel (T. 6, 4)
od anderen Sachen bei Skeletten. — Rheinabwürts sollen ebenfalls nur einige
s Migere Funde hier besprochen werden; im Uebrigen verweise ich auf die Zu-
y menstellung bei v. Troltsch, Fundstatistik, 1884, Nr. 118, 8. 82—88. —
LE Hügelsheim bei Rastatt, eine Perle (Wagner, Hügelgräber, Karlsruhe
m S. 31 u. T. 4, 28) mit einem goldenen Armring (T. 4, 29) und 2 Schlangen-
Ne (T. 4, 27), also aus der Hallstattzeit (Corresp. d. Deutschen anthrop. Ges.
p 1, 124; Westd. Zeitschr. 5, 191). — Sinsheim im Neckargebiet, nur eine
i in den dortigen Frühlatenegräbern (Wilhelmi, Vierzehn Todtenhügel, 1830,
Pe u. 151, T. 2, 16). — Kreenheinstetten, westsüdwestlich Sigmaringen, eine
vue (Lindenschmit, Hohenzollernsche Sammlungen, Mainz 1860, S. 135 u. 214,
vs 15) — Hohenzollern: Inneringen, ein dreigetheilter Nadelkopf, wie die
I. Murzelen, bei einer Schlangenfibel (Lindenschmit, Hohenzollernsche Samm-
m 8en S, 135 u. 213, T. 18, 11). — Rothenlachen, südwestsüdlich von Sig-
fo. ingen, eine Perle (Lindenschmit, Hohenz. S. 135 u. 206, T. 12,8). — Würt-
po CTE Donaukreis, Hundersingen, Nadeln mit dreigetheilten Bernstein-
fen, Westd. Zeitschr. 5, 197. — In dem Hügel Belle-Remise bei Ludwigsburg,
Be em der berühmten Fürstengräber der Jüngeren Hallstattzeit, Gehänge von
D, dein (Corresp. d. d. anthr. Ges. 1881, 51). — Bayrische Rheinpfalz:
(ui heim, flache Bernsteinringe in dem berühmten Funde mit dem Dreifuss,
dec nschmit, Heidn. Vorzeit, Il 2, Text zu T. 2. — Weisskirchen, ost-
II o Mich Saarburg, Bernstein an emem Ornament aus Goldblech (Heidn. Vorzeit
Im à T.1, 6). — Dies möge genügen; weitere Funde bei Genthe 8. 8, 9, 15.
Ten llgemeinen scheinen im Rheingebiet die Bernsteinfunde der Hallstatt- und
9zeit anzugehôren.
Bani Westfalen kann ich allerdings durch die Güte des Herm Dr. A. Gótze
ww Ww ein aus einem steinzeitlichen Grabe der Gegend von Beckum nachweisen,
Rho erschulte, Bauerschaft Dalmer (Verhandl. d. naturhist. Ver. d. preuss.
Cora, de und Wesifalens, 24 (Bonn 1870) Sitzungsber. S. 39; Deutsche anthr.
Das, p. 1871, 1); die Perlen sind leider verloren, ihre Form ist nicht bekannt.
n schliessen sich dann im hannoverschen Binnenlande wohl andere Funde
(304)
(Tewes, Unsere Vorzeit, Hannover 1888, 8.31 Fig. 31, flache Perle aus einem
„Steingrabe“ bei Gretes ch, Landkr. Osnabrück); aber diese Fundstellen liegen doch
dem Küstengebiet noch zu nahe, als dass sie wesentlich in Betracht kümen.
c) Der Elbweg. Als zweiten, ebenfalls sehr alten Ueberlandweg bezeich-
nete Rougemont den von der Elbe durch Böhmen und Pannonien ans adriati-
sche Meer; den Unterlauf der Elbe schloss er übrigens aus und liess den Bern
stein von den osífriesischen Inseln die Weser hinauf und nach Halle a. d. Saale
gehen und also erst von dem mittleren Lauf der Elbe hinüber nach der Donau.
Er bezeichnete auch nicht die Elbe, sondern die Donau als Eridanus, da er meinte;
der Haupthandel habe sich die Donau hinab ans schwarze Meer gezogen. Nach
meiner Auffassung aber füllt der ganze Lauf der Elbe von seiner Mündung bis zur
Moldau, mitsammt diesem letzteren Flusse, in das Gebiet des Nordseebernstein-
Handels und passt in jeder Beziehung am besten zur ältesten, ernstlich in Betracht
kommenden Erwähnung des Eridanus ? bei Herodot im 5. Jahrh. wobei aber
wohl zu beachten, dass schon etwa 3 Jahrhunderte früher, um 776, Hesiod den
Namen kennt. Auf dem Elbwege vollzog sich der erste sicher nachweisbare Im-
port von einiger Bedeutung. Hierzu sei jedoch bemerkt, dass ich unter Elb-
weg das ganze Land zwischen Weser-Aller einerseits und Oder andererseits be-
greife, wie es im Wesentlichen durch die Verbreitung der Goldspiralen II G be-
stimmt ist”). Das Vorkommen derselben Spiralen auf Bornholm, den anderen däni-
schen Inseln und in Schweden lässt auf sehr frühes Hinübergreifen des Verkehrs von
der pommerschen?) und meklenburgischen Küste über die Ostsee schliessen und
hängt offenbar zusammen mit den schon in der Steinzeit hier durch die doppelaxt-
und hammerförmigen Bernsteinperlen nachweisbaren Beziehungen, sei es durch
Handel, sei es durch Gemeinsamkeit der Abstammung oder Cultur. Nach Born-
holm wenigstens werden die Perlen durch den Handel gelangt sein, da an seinen
Küsten natürlicher Bernstein äusserst selten ist. (Vedel, Bornholms Oldtidsminder,
Kjóbenhavn 1886, S. 12; Conwentz, Verbreitung d. Suec, S. 6 und 9. Dagegen
findet er sich an der Küste Schonens und in geringer Menge auch auf den meisten
dünischen Inseln (Werlauff in Neues staatsbiirgerliches Magazin 10, Schleswig
1841, S. 9/—99; vergl. die Karte bei Conwentz). Dass aber auch ohne dies der
Bernsteinhandel von der cimbrischen Halbinsel her sich zunüchst vorwiegend auf
1) Wie von mir in der ersten Arbeit S. 987 bemerkt, hat schon Werlauff andeutungs-
weise die Elbe als den Eridanus bezeichnet; von Maack war es vielleicht, der dies zuerst
mit Bestimmtheit that (Zeitschr. d, Gos, f. Erdkunde Berlin 3 (1868) 8. 17—27); aber seine
Beweisführung stützt sich wesentlich auf die Stelle Pausanias I 3, die, als dem 2. Jahrh.
nach Chr. angehörig, kaum in Betracht kommt und zu deren Erklärung Maack ausser-
dem seine alte Hypothese braucht, dass England von Frankreich erst etwa im 5. Jahrh-
vor Chr. durch den Canal abgetrennt wurde! Vgl. Zeitschr. f. allgemeine Erdkunde N. F. 8,
Berlin 1860, S. 2 und 19.
2) Es ist dies zugleich das Gebiet, welches bei Schrader, S.619—21, als Stamm-
land der Germanen skizzirt ist (wesentlich nach Müllenhoff), nur dass hier das Land
zwischen Oder und Weichsel mit hinzugezogen wird. ;
3) Rougemont glaubte aus einer Reihe von Bronzefunden auf einen directen Bernstein-
Handelsweg von Rügen nach dem Brenner schliessen zu kónnen (p.149, 141—48);
richtig bleibt hieran, dass die Küste Vorpommerns frühzeitig einen, vielleicht auch mit
dem Bernstein zusammenhüngenden Verkehr zwischen Nord und Süd vermittelte. Auch
ist ein directer Import des Succinits von den sächsischen Landen her durch Bayern nach
den Alpen hin nicht unwahrscheinlich (siehe unten S. 310), aber schon Meyer sprach sich;
Gurina S. 85 Note D, gegen das zu viele Operiren mit dem Begriff ,Bernsteinstrasse* aus.
(305)
einem breiten Bande rechts der Elbe bewegte, lässt ein Blick auf die Karte ganz
"alurremüss erscheinen, wenn man im Auge behält, dass die im Allgemeinen süd-
Östliche Richtung desselben auf der älteren Cultur beruht, welche die Balkan-
halbingo] gegenüber den westlichen Mittelmeerländern besass. Als in Mykenae
Suceinit schon massenhaft auftrat, war er, so viel wir wissen, in Italien noch un-
bekannt, und erst ein wenig später, in der Jüngeren Mykenaezeit, zeigen sich die
ersten Spuren seiner Verwendung in den Terramaren. —
Obgleich es denkbar wäre, dass verarbeiteter Succinit sich nicht überall auf
Seinem Wege vom Norden nach dem Süden nachweisen liesse, die Ablagerung der
usgetauschten Artikel vielmehr im Wesentlichen auf die Endpunkte desselben
beschrünkt sein könnte, so fehlen doch Beweise eines sehr frühzeitigen Gebrauchs
des Materials auf dem südöstlichen Wege nicht. Ich nenne hier zunächst 2 Bern-
Steinstücke, Museum f. Völkerkunde Berlin I f 2849, von Mildenberg, Kr. Templin,
Proy, Brandenburg, wo auf einer Wohnstütte und in einem Grüberfelde sich wesent-
lich Steingeräthe und -Splitter fanden, dann schnurverzierte Scherben, aber aller-
dings auch ein Stück eines Bronzeringes, wie Tidsbestämning Fig. 83, 84 Per. IV
Oder Fig. 112, 113 Per. V. — Aus der Steinzeit liegen ferner einige Funde der
Sächsischen Lande vor, so wahrscheinlich eine flach-rundliche Perle von Lützen,
Kr, Merseburg, rechts der Saale (Verh. 1881, 186; Klebs macht 8. 58 eine un-
Fehtige Ortsangabe). Ganz sicher ist aber ein Grabfund in einer Steinkammer bei
Nietleben nahe Halle a. S. nach Kruse, Deutsche Alterthiimer II, Heft 2—3,
1897, S. 102—9 u. Taf. 4, nehmlich „einige Fragmente“, sowie das doppelhammer-
Ürmige Stück Fig. 19 mit gelochtem Stiel und das rhombische Gehänge Fig. 20.
Ürsteres ist am besten vergleichbar den doppelknopfartigen Perlen Klebs, Taf. 1,
25, 26, die aber keine Lochung haben. Bohrungen fehlen in Preussen bei dieser Art
(8. 13) lassen sich aber in Dänemark bei den ähnlichen, in der Mitte verjüngten
»Schlussstücken“ (Aarbüger f. n. O. 1888, 286 Nr. 6) wenigstens in einem siche-
‘en Falle nachweisen (Kop. Mus. 10041). Verwandt sind durchbohrte Doppel-
Knöpfe anderer Art und die eigentlichen doppelhammerförmigen Perlen (Klebs
3 98 Fig. b und c). Uebrigens darf der von mir beschriebene Doppelknopf aus
inem Bronzegrabe von Bürwalde-Polzin in Pommern hier nicht unerwähnt
qeiben, wenngleich die Ursprünglichkeit seiner Bohrung nicht feststeht (V erh. 1887,
M Kruse bemerkt S. 107 Note: ,Bernsteinperlen finden sich häufig in ähn-
chen Steingräbern“; ich kann jedoch an sicher steinzeitlichen Funden im Augen-
ink or noch einen nachweisen, eine rundliche Perle aus e Sehicht
ügels auf dem Palmberge zu Vippachedelhausen Der Weimar, Cazu
SChörig ein neolithischer Scherben mit Schnurornament und ein oblonges Stein-
Miche, an den 4 Ecken durchbobrt (Deutsch. anthrop. Corresp. 1871, 18; Corresp.
: Gesammtvereins 16, 61; die näheren Einzelheiten verdanke ich Hrn. Dr. Alfred
pote, der mich auch auf die Funde von Mildenberg und Nietleben hinwies).
s dringen also in den sächsischen Landen steinzeitliche Bernsteinfunde verhältniss-
DE Weit nach Süden. — Aus dem Königreich Sachsen freilich ist Herrn Dr.
voiehmüller laut gef. briefl. Mitth. kein steinzeitlicher Bernsteinfund bekannt,
A aber einer aus einem älteren Urnenfelde (noch ohne Eisen) zu Lömischau
Y ! Bautzen (39 kleine facettirie Perlen). Ferner enthieli der grosse Depotfund
(Rh. Jessen, südwestlich von Lommatzsch, neben vielen sehr zinnarmen Bronzen
we Stinger, Armspiralen, Celten und einem Dolchmesser), „3/4 Metze“ Bernstein,
a indess nur 2 Perlen erhalten sind, davon eine 50 mm lang, 30 mm breit, mit
"DBsbohrung (Sitzungsberichte der Isis, 1884 8. 75; Abbildungen der Bronzen
Verhanay, der Berl. Anthropol. Gesellschaft 1891 20
(306)
fehlen leider), und zu Zehren bei Meissen traf man Bernsteinperlen mit einem
offenen, ovalen, massiven Bronzeringe einer Art, wie sie auch zu Jessen vorkam.
Für meine Anschauungen besonders wichtige Thatsachen liegen aber vor aus
Böhmen; sie beweisen, dass hier gerade an der von mir bezeichneten Strasse be-
reits in früher Bronzezeit der Bernstein ausgiebig als Schmuck benutzt wurde.
Die wichtigsten Funde dieser Arí stammen aus dem Grüberfelde mit liegenden
Hockern von Unétice (Uhnjetiiz) bei Rostock an der Moldau (unterhalb Prag),
dessen Noppenringe und Sübelnadeln ich in meiner Arbeit über Spiralringe aus-
führlich besprochen habe (Verh. 1886, 433 ff, namentlich 483—88). Nach der Be-
schreibung dieses Grüberfeldes (Památky archaeologické a mistopisné Bd. 11, Prag
1881, zu Taf. 13—16) handelt es sich hier um folgende Bernsteinsachen: Serie I
Grab 10, p. 295 u. 306, Halsschmuck Taf. 13, 1, bestehend aus 2 Perlschnüren,
die durch ein grösseres flaches „Mittelstück“ und 2 kleinere „Doppelperlen“ mit
einander verbunden sind, zusammen enthaltend 92 einfache Perlen, meist rundlich
abgeplattet, z. Th. kurze Cylinder. Das Grab enthielt sonst weiter nichts, als noch
eine Anzahl làngliche, runde, flache und cylindrische Perlen aus einem ,Harz oder
Bernstein". Die ,Doppelperlen*: 2 durch einen kurzen Arm mit einander verbun-
dene Kügelchen, wie pHanteln“; ebensolche kenne ich sonst nicht, doch sind sie
gewissermaassen vergleichbar den hammerfórmigen Perlen der Steinzeit, die aber
fast stets nur eine Bohrung (in der Mitte) haben, während hier beide Endkugeln
durchlocht sind. 2 V-Bohrungen hat allerdings, aber auch an der Mittelpartie,
eine solche hammerförmige Perle Kopenh. Mus. A 5858, Aarbüger f. N. O. 1888, 293,
die ich seiner Zeit bei Aufzühlung der V-gebohrten Stücke (Verhandl. 1890, 288)
übersah. Von besonderer Wichtigkeit ist das flache „Mittelstück“, ganz ent-
sprechend den nordischen, namentlich im Westbalticum vorkommenden. — Grab-
stätte I 17, p. 299 und 306, 2 Gräber enthaltend, in dem ersten: 2 ringfórmig ge-
bogene einfache Drähte T. 13, 18 und eine Säbelnadel wie T. 14, 22, alles aus
Bronze; in dem zweiten: Bruchstück eines flachen Bernsteinringes (?) mit einer
Bohrung, T. 13, 2. — Es enthielten ferner die Gräber I 1, 8, 12, 15 ähnliche
Perlen, wie der Halsschmuck, und I 1 noch einen Bernsteinring. — Serie II 2,
p. 356 und 366: Brustschmuck T. 15, 1 aus 4 grossen, flachen, je 1mal gelochten
rohen Stücken und 2 einfach durchbohrten Doppelperlen (ohne verbindenden Arm);
dazu gehörig dünne Röhren aus gewundenem Bronzedraht; ferner dabei Róhrchen
aus Blech (T. 16, 28), die Sübelnadel T. 16, 12 und mehr als 4 Noppenringe, wie
T. 15, 6. — Grab II 6, p. 358 und 365: Schnur aus 94 Bernsteinperlen T. 15, 2,
dabei aus Bronze 2 Spiralarmbünder aus einfachem Draht, 9—10 Windungen
(15, 3) und eine Nadel, dhnlich 16, 12. — Grab II 25: ein flacher Ring mit Loch
(ühnlich T. 13, 2) T. 16, 10. — Auch die Grüber Il 3, 5, 15 enthielten Bernstein-
perlen. — Die charakteristischen Sábelnadeln fanden sich in I 1, 4, 5, 13, 14, 16,
17, 27—29; II 3, 5, 6, 8, 28; an Gold traf man nur den einfachen Fingerreif
T. 13, 8, aus einem schmalen Bande. — Hrn. Brétislav Jelínek in Prag und
Hrn. Prof. Brückner in Berlin bin ich für gütige Beihülfe bei Herstellung dieses
Auszuges aus dem FPundberichi zu Dank verbunden.
Hr. Heinrich Richly in Neuhaus und Prag, Correspondent der K.K. Central-
commission zu Wien, schreibt mir: ,Ausser zu Unétice ist das Erscheinen des
Bernsteins auch in Grabhügelstätten der guten Bronzezeit eine Seltenheit; so habe
ich denselben z. B. in der Necropole Hroby, welche dieser Periode angehört, bei
Durchgrabung von 20 Grabhügeln nie gefunden; dasselbe gilt auch von anderen
Grabstellen, welche der Bronzezeit angehören. In den Depotfunden Böhmens,
welche der guten Bronzezeit angehören und deren mir 42 genau bekannt sind, ist
(307)
auch nicht ein einziges Mal Bernstein mitgefunden worden“. Nichtsdestoweniger
sind unter den nachstehend verzeichneten Funden, welche ich durch die Herren
Richly und Dr. M. Much in Wien kennen lernte, noch einige, die der Bronze-
zeit zugeschrieben werden können, während die meisten wohl der Hallstattzeit an-
gehôren.
Es giebt hauptsächlich zwei Punkte, in deren entfernterer Umgegend sich diese
Funde concentriren, Schlan im nordwestlichen und Pilsen im südwestlichen
Böhmen. Aus der Gegend von Schlan ist zunächst anzuführen: Zlonitz, halb
sitzendes Skelet, dabei Bronzenadel (nicht abgebildet), ein Armband aus 12 kugligen
oder cylindrischen Bernstein- und 2 róhrenfürmigen Kalksteinperlen, Reste noch
vieler anderer Bernsteinperlen, sowie 2 goldene Noppenringe (wohl ILP?); Mit-
theilungen d. K.K. Centraleomm. zur Erforschung der Kunstdenkmale 1880, N. F.
Bd. 6, S. CXXI, Nr. 53 und Fig. 1 = Much, Atlas S. 165, Fig. 6; Kön. Böhm. Mus,
— Ferner gehüren der Zeit nach vielleicht hierher: Ledec — Ledce, 1 Stunde
südwestlich von Schlan, Steinkistengrüber mit ,liegenden Hockern^, dabei Stein-
keil, Armringe, 3 Goldspiralen aus Doppeldraht, 3 Ringe aus diinnem Draht, künst-
lich zusammengerollt (also wohl Noppenringe), Nadeln u. s. w., und 40 Bernstein-
Perlen verschiedener Grósse; Památky arch. 14 Sp. 315. — Risuty, 1 Stunde
südwestlich von Schlan, 1m unter Tage 1 Schädel mit 4 ,Ohrringen“ aus Gold-
draht, Bruchstück eines Bronzedrahts, Bronzenadeln, gerippte Fussringe, Bernstein-
Perlen; Pamétky 14 Sp. 262. — Endlich sei erwühnt, mehr nach der Moldaumün-
dung zu, 2 Stunden nordóstlich von Welwarn, Mléechvost; Thongefäss mit einer
grossen Menge von Bernsteinringen verschiedener Grosse, von 1,5—5 em Durch-
messer; von dem Funde ist nichts erhalten. Mit dem Bernsteinhandel mag er
Zusammenhängen, seine Zeitstellung bleibt aber fraglich; Pamätky 14 Sp. 52. —
Die Schilderung der Funde bei Pilsen lehnt sich zweckmässig an einen Be-
richt Szombathy’s iiber Tumuli und Ansiedelungen im Gebiete des Uslavaflusses
(Gegend. von Stiahlau und Blowitz, südöstlich von Pilsen), Annalen des K.K. natur-
hist. Hofmuseums III, Wien 1888, Notizen S. 130—36. Hier giebt es Hügel der
Bronze- und der Hallstattzeit, erstere aus Stein und Erde und gross, letztere klein;
Manchmal beide Arten von Hügeln in derselben Gruppe; Hallstattgräber auch öfters
nachträglich in Bronzehügeln angelegt. In der Bronzezeit nur Skeletgrüber,
kein Brand. Hier bei den Männern u. A. „goldene Platten, deren Verzierung
Achnlichkeit mit solchen aus Mykenae hat“; sonst heisst es allerdings: „Gold ist
ist hier ein sehr seltenes Metall. Nur in einem Tumulus auf der Hürka bei Sedlec
fand Franc noch 16 Stück Golddrahtrollen“ (welcher Art?). In den Frauengräbern
»lehlien auch Bernsteinperlen nicht“. — Eine der hier in Betracht kommenden
Neeropolen ist die auf der Flur Chjliny bei Blowitz, früher fülschlich Flur
Hladomri genannt, Památky 12 Sp. 7, von wo ich in diesen Verh. 1886, 457 einen
Soldenen Spiralring IIo» G erwähnte, der also noch zu obigen hinzuküme (aus
Hügel Nr. 3, Taf. 1, 9). In Hügel 6 fand sich der halbkuglige Bernsteinknopf
Tat. 1, 19, 33 g. schwer, 6,5 cm Durchmesser; dies Grab erscheint allerdings jünger,
Während Nr. 4 (ohne Bernstein) alt ist. Ein Hügel bei Kyschitz, Östlich von
Pilsen, aus grossen Steinen errichtet, mit Leichenbrand, Thongefässscherben,
Bronzeknopf, Henkel eines Bronzegefüsses und Bernsteinring gehört wohl der
Hallstattzeit an; Památky 12, 298. Ebenso wobl Hügelgrüber auf der Anhóhe
oe bei Brasy, 2 Stunden südlich von Rokycan, in deren einem ein Bronze-
wal Zange, Bruchstücke eines Kessels, Goldgewinde, Urnen und Bernsteinperlen,
w rend sich sonst auch Eisen in dieser Gruppe fand; Památky 5 S. 373 links;
Ocel, Pravek zeme ceské (Vorzeit des bühmischen Landes) S. 60.
20%
(308)
Mehr vereinzelt liegt, nördlich zwischen Pilsen und Saatz, '/, Stunde von
Jechnitz, Chotieschau (Chotésov); der dort gemachte Fund wird auch als Peters-
burger bezeichnet (Petersburg nordnordwestlich von Jechnitz); Památky 7, 322—3.
Hügel 2 enthielt neben verschiedenen Bronzen, Armspiralen u. s. w. 36 Bernstein-
perlen; Spuren von Knochen. Hr. R ichly setzt denselben nicht in die Bronzezeit. —
Gehen wir an die rechte Moldauseite hinüber, so haben wir weit im Süden,
nördlich von Budweis, Kosteletz, Mitth. d. anthrop. Ges. Wien 18, S. 16 ff.
In Hügel 1 scheint mir das Haupigrab nicht gefunden und die Bernsteinperle einer
nachträglich beigesetzten Oberflüchenurne anzugehüren; aber Hügel 2 mit Stein-
kranz und innerem Steinkegel enthielt einige kleine Bernsteinperlen* neben ziemlich
alterthiimlichen Bronzen, nehmlich dem Dolch T. 1,10, dem Messer T. 1,11 und
den Armringen 1,18 und 14: allerdings wird über Leichenbrand berichtet. —
Nicht sehr weit nördlich von Kosteletz: Bezinky bei Bechin an der Luschnitz,
südwestlich Tabor, Hügelgräber: in einem derselben neben Kohle, Bronzenadel,
Pfeilspitze, Armringen auch Bernsteinperlen; Pam. 9, 133 (Hallstattzeit?). — Weiter
nórdlich, nordnordóstlich von Prag, nahe der Elbe, bei Kojetitz, enthielt ein Hügel
neben kleinen Bronzen 98 Bernsteinperlen in der Grósse von Zuckererbsen; Pam.
*, 241. (Hallstatizeit?). — Jenseit der Elbe endlich sei erwähnt Skalsko, 2 St.
südlich von Bélá, Jungbunzlau, woselbst Skeletgrüber, in Fels gehauen und über-
wülbt, 'Thongefüsse auf der Scheibe verfertigt, Golddrahtgewinde und Bernstein-
perlen; Pravék 525
An Böhmen sei hier gleich angeschlossen Mähren: Höhle im Stierfelsen
(Byëi skäla), 1 Stunde südlich von Blansko, nordöstlich Brünn; Hallstattzeit;
Wankel, Bilder aus der mährischen Schweiz, Wien 1882, S. 393. Nach gef.
briefl. Mitth. d. Hrn. Wankel nahezu 1000 Bernsteinperlen verschiedener Formen,
auch Mittelstiicke und ein Ring; Mittelstiicke auch in Knochen, a. a. O. S. 392. —
Dies ist nach Hrn. Wankel’s Kenntniss der einzige einigermaassen alte Fund
von Bernstein in Mähren; denn ein Ring von Ptin (Pteny), westsüdwestlich von
Olmütz (Sammlung Wankel in Wien) scheint spät zu sein. —
Zwischen Böhmen und den sächsischen Landen sind übrigens sehr frühe Be-
ziehungen auch noch anders, als durch den Bernstein nachweisbar, nehmlich durch
die „Säbelnadeln“ und „Noppenringe“ zu Leubingen, Kuhdamm, Thierschneck
(Verh. 1886, 468—70, 487—88; 1890, 282). Auch jene an die Henkelformen der
Thongefässe italischer Terramaren erinnernden Bildungen, die sich in Bôhmen
mehrfach nachweisen lassen (Verh. 1886, 488 von Unétice oder Rostok; 1887, 472
Fig. 16 von Gáslau; nach Dr. Gôtze’s güt. Mitth. auch zu Zalynice bei Prag),
scheinen in Thüringen nicht ganz zu fehlen (Verhandl. 1886, 488); jedenfalls finden
sich Gefässe in gleichartiger Form und mit Griffen in Gestalt von Doppelzapfen,
wie zu Unetice (Pamätky 11, T. 14, 28), nach Zeichnungen des Hrn. Götze auch
zu Thierschneck bei Camburg und zu Stssenborn bei Weimar. ‘
Der Weg, den der Bernstein von Böhmen aus nach dem Süden genommen,
lässt sich noch nicht genau verfolgen. Das Material fehlt nehmlich fast ganz in
den älteren ungarischen Funden, H ampel's Trouvailles de l’âge du bronze en
Hongrie, Congrès Budapest Vol. II 2 kann ich nur die folgenden spärlichen An-
gaben entnehmen: p. 28, No. 24 Collier aus Gold und Bernstein, ,etrurischen Ur-
sprungs®; No. 26 Schnur aus Glas-, Thon- und Bernsteinperlen; beides von einem
Grabfelde bei Pilin, C. Nógrád (nordnordästlich von Budapest); die Fundnach-
richten sind ungenügend. — p. 104, Schatzfund von Tolesva, Com. Zemplén, im
Nordosten des Landes, mit Bernsteinperlen eines Collier (No. 4). — Hr. Professor
Hampel hatte die Güte, Mitte Februar in den Archaeologiai Ertesitö 1891, p. 96
(309)
einen Aufruf betreffend Bernsteinfunde der Stein- und Bronzezeit in Ungarn zu er-
lassen, der aber bisher) ohne Erfolg blieb. — Endlich schreibt mir Hr. Dr. Much:
„Ich kenne aus Niederösterreich und den südlicher gelegenen Ländern unseres
Staates keinen Bernsteinfund, der mit Sicherheit in die Stein- oder reine Bronze-
zeit eingereiht werden könnte. Auch in einem. Grüberfelde bei Stillfried an der
March, das dem frühesten Abschnitte der Hallstattperiode angehört, fehlt Bernstein,
ebenso in dem gleich alten von Hadersdorf am Flusse Kamp, Niederösterreich.
Auch in unseren Pfahlbauten (in Salzburg, Oberösterreich, Krain und im Neusiedler-
see in Ungarn) kommt er nicht vor.“
Dies Fehlen des Bernsteins in Ungarn und in den ôsterreichischen Ländern,
ausser Böhmen (und Mähren), bereitet Schwierigkeiten. Da man aber aus Böhmen
So starke Beweise eines sehr frühen Bernsteinbezuges hat, muss sich nothwendig
die Frage aufdrängen, ob nicht Ungarn und Niederösterreich bei dem älteren Ver-
kehr seitwärts liegen blieben und die Alpen erst etwas weiter aufwärts, etwa von
Enns aus, überschritten wurden. Sollte nicht Hallstatt schon früher, als im Allge-
Meinen angenommen wird, der Punkt gewesen sein, nach dem von Nord und Süd
die Völker zusammenstromten, um ihre Waaren gegen Salz auszutauschen? In
Hallstatt selbst sind Bernsteinperlen ausserordentlich häufig, daneben finden sich
Ringe und mehrfach durchbohrte End- und Mittelstücke (v. Sacken, Hallstatt,
Wien 1868, Taf. 17, Fig. 11—18, 26, 27, 29—31, 28 zum Theil); bei einem Skelet
lagen etwa 400 Perlen (S. 77—79, 119): ,auf allen Theilen des Grabfeldes findet
man ihn mit den verschiedenartigsten Beigaben, und aus dieser Allgemeinheit geht
hervor, dass er während der ganzen Periode der Benützung desselben beliebt
und nicht einmal besonders kostspielig gewesen sein muss, da sonst ärmlich
ausgestattete Leichen mit schönen Bernsteingehängen geschmückt waren“. Viel-
leicht gelingt es daher, hier in der Nähe ältere Gräber aufzufinden und in ihnen
auch das vermisste Material, das vielleicht bisher nur übersehen wurde, weil die
Aufmerksamkeit noch nicht genügend. darauf gelenkt war.
Bayern. Die Hoffnung, dass in Oberösterreich und den südlich davon ge-
legenen Alpenlindern noch Gräber der Bronzezeit mit Bernstein werden zum Vor-
Schein kommen, findet eine Stütze in den Verhältnissen des benachbarten Bayern.
— Hier lieferten‘ zwar die Seen nichts von Belang; im Pfahlbau des Würm- (Starn-
berger) Sees fand sich neben zahlreichen Objecten in Stein, Bronze u.s. w. nur
?ine Bernsteinperle (Munro p. 155). Auch würde nach Naue’s älteren Beob-
achtungen der Bernstein in den oberbayerischen Gräbern der Bronzezeit ganz
fehlen und selbst beim Uebergange der Bronzezeit in die ältere Hallstattzeit, d. h.
etwa um 800 vor Chr, noch zu den äussersten Seltenheiten gehôren, da damals
"ur eine kleine unregelmässig-runde, nicht gedrehte Perle dieser Zeit bekannt war
(Hügelerüber zwischen Ammer- und Staffelsee, Stuttgart 1887, T. 20, 2 = 34, 1 u.
uw 134, 186—88). Erst in der Hallstattzeit, namentlich der jüngeren, würde er
ger werden, obgleich nicht so wie in Hallstatt selbst. — Seit jener Publication
da hat Hr. Naue laut gef. briefl. Mitth. Bernstein auch in bayrischen Gräbern
Por älteren Bro nzezeit aufgefunden; nehmlich scheiben- und róhrenfürmige
Skelot und sogen. ,Mittelstücke^. Er war geneigt, zwei von ihm bel einem
ry der älteren Hallstatizeit gefundene Mittelstiicke als von Hallstatt selbst ein-
Mit n anzusehen (a.a. O. S. 73, 135, 180 und T. 34, 14, 15); da wir aber ein
ans elstück zu Unétice aus der älteren Bronzezeit und mehrere in der Byciskala
US der Hallstatizeit kennen lernten, auch röhren- und scheibenfórmige Perlen
1) Auch noch bis zum 93. Juni.
GARY)
Es fehlt für den Bernsteinhandel Preussens an einem Leitobjekt, wie es im
Westbalticum die Goldspiralen waren; denn die Bronzen kónnen nur einen Handel
im Allgemeinen beweisen und zum Theil müssen wir für sie auch in der Hallstatt-
zeit einheimische Herstellung annehmen (Phys. ók. Abhandl. 1886, 176; 1890, 96;
Bujack I Nr. 124); die allerdings sicher importirten Schnecken südlicher Meere
(die Kauri, Cypraea moneta und Cypraea annulus, Zeitschrift f. Ethn. 1872, 65),
Welche sich namentlich bei Gesichtsurnen finden (Lissauer S.67), sind doch zu
Selten, als dass sich auf ihre Verbreitung weitere Schlüsse bauen liessen. Nur isi
beachtenswerth, dass sie nicht in Ostpreussen und wohl wesentlich links der
Weichsel erscheinen, wie nach Lissauer überhaupt die Reste der Hallstattcultur
in Westpreussen und, namentlich auch die Gesichtsurnen, hauptsüchlich auf dem
linken Weichselufer vorkommen (8.68—69, 117). Die beiden bei Oliva gefun-
denen goldenen Eidringe (meine erste Mitth. S. 284, 295) würde man vielleicht zu
dem Bernsteinhandel in direkte Beziehung bringen dürfen — Auf dem rechten
Ufer des Flusses sind Ueberreste dieser Zeit vornehmlich an der Stelle der grossen
Biegung des Stromes nach Westen hin, zwischen Thorn, Graudenz und Strassburg,
aufgefunden, d. h. ungefähr in dem Gebiet, das Müllenhoff II, S. 4—5, 19, 77,
den Gothen, den einzigen rechts der Weichsel ansässigen Germanen, nach Berichten
des Tacitus um 100 nach Chr., des Piolemáus in der 1. Hülfte des 2. Jahrhunderts
und des Jordanes im 6. Jahrhundert, zuweist, während freilich Schrader S. 620 die
Sitze der Gothen und verwandter Stämme bis zu den Ostseeprovinzen ausdehnt.
b) Der preussische Handel und die Sprachforschung. In meiner
ersten Arbeit erwähnte ich S. 284 Note die für das ältere Lateinische, das Preussi-
Sche und Littauische geltende Sprachgleichung: (Gold =) ausum — ausis — auksas.
Ausis findet sich in dem ältesten uns erhaltenen sprachlichen Denkmal der Preussen,
nehmlich in dem deutsch-preussischen Vocabular von Peter Holezwescher, 1868
au Königsberg herausgegeben von Nesselmann nach dem in Elbing aufbewahrten,
aus dem Anfange des 15. Jahrhundert stammenden Manuscript. Ausserdem kommt
3üsis vor in einem der preussischen Katechismen, dem Enchiridion von 1561, wo
es heisst: ni sen ausin adder sirablan = nicht mit Gold oder Silber (Nessel-
Mann, Sprache der alten Preussen, Berlin 1845). Das littauische auksas ist noch
Jetzt gebräuchlich. — Victor Hehn sprach zuerst die Vermuthung aus, dass ausis
und auksas aus dem Lateinischen übernommen seien (Kulturpflanzen und Haus-
thiere, Berlin 1870, S. 408); wäre dies richtig, so würden sich einige bemerkens-
Werthe Schlussfolgerungen ergeben, nehmlich 1) dass diese Uebernahme vor der
Mitte des 3. Jahrhunderts vor Chr. stattgefunden habe, da nach dieser Zeit nur
noch aurum im Lateinischen gebräuchlich war; 2) dass der Verkehr zwischen
Italien und Preussen schon vor jenem Termin ein ziemlich direkter, etwa durch
Sarawanen vermittelter, gewesen sei, da die zwischen diesen beiden Ländern liegen-
se vielleicht einen Tauschhandel von Stamm zu Stamm vermittelnden Välker-
h aften das Wort nicht aufnahmen; 3) (unter der Voraussetzung, der Bernstein
oe die Grundlage jenes Verkehrs abgegeben) dass die Preussen und Littauer
a malis schon in unmittelbarer Nühe der Hauptbernsteinkiiste wohnten. Allein mit
von ersten beiden Folgerungen stimmen, wie ich schon a. a. O. 8. 284—285 her-
bed 0b, die Fundverhülinisse schlecht überein; die Tragweite jener Sprachgleichung
arf daher noch einer genaueren Prüfung.
Na, Cra der sagt S. 254 ff. (mit Weglassung des fiir uns Unwesentlichen): Der
eine des Goldes ist im Lateinischen aurum, 1m Sabinischen ausum, was auf
das italische Stammform auso- schliessen lässt. Dieselbe bezeichnete ursprünglich
„Leuchtende“, „Gelbe“, dann das „Gold“. Die álteste Entlehnung des lateini-
Gb
(512)
schen aurum hat vielleicht in die baltischen Wörter preussisch ausis, littauisch
auksas stattgefunden. Hs wäre (aber) auch möglich, dass die baltischen Sprachen ein
dem lateinischen auso- entsprechendes, diesem urverwandtes Wort in der Bedeutung
„leuchtend“, „gelb“ besassen und dieses zur Bezeichnung des Goldes, als es ihnen
bekannt wurde; selbständig verwertheten.“ — Eine solche Urverwandtschaft würde
aber ganz dem entsprechen, was Hr. Minden in der Discussion zu meinem Vor-
irage S. 299 geltend machte: denn obgleich der Stamm auso- sich in keiner
anderen Sprache findet, auch nicht (wenigstens jetzt nicht mehr) in dem ebenfalls
zur baltischen Sprachgruppe gehörigen Lettischen, so lässt sich doch dieses
Fehlen wohl durch ein Verschwinden der ursprünglich allgemein indogermani-
schen Wurzel in allen anderen Sprachen erklären (man vergl. Schrader S. 163 ff.:
Verlust alien Sprachguts). Wir werden daher auf das scheinbare und ganz isolirte
Zeugniss jener Sprachgleichung für einen frühzeitigen direkten Verkehr zwischen
Italien und Preussen kein grosses Gewicht legen dürfen. — Was aber den Sitz
der alten Preussen und Littauer zu jener Zeit anlangt, so sei Folgendes bemerkt:
Schrader hebt S. 257 hervor, dass innerhalb des Kreises der indogermanischen
Spracheinheit nach der gewöhnlichen Ansicht die litu-slavisch-germanischen Vólker
durch ein engeres Band der Verwandtschaft mit einander verbunden sind, und
fährt dann fort: „Das Gold wird bei Slaven und Germanen übereinstimmend. be-
nannt: gothisch gulp entspricht dem durch alle Slavinen sich ziehenden altslavi-
schen zlato. Da der littauisch-preussische Name des Goldes hiervon abweicht,
so scheint zu der verhältnissmässig sehr frühen Zeit, in welcher sich auf dem
germanisch-slavischen Sprachgebiet ein von der Wurzel ghel gebildetes Adjectivum
„gelb“ in der Bedeutung „Gold“ festsetzte, der baltische Völkerzweig schon
abseits gewohnt zu haben. Die Letten mögen früher ein dem littauischen
auksas entsprechendes Wort besessen und es später gegen das slavische zelts ein-
getauscht haben“. Näher bezeichnet wird also hier der Wohnsitz der Preussen
und Littauer nicht; anders bei M üllenhoff, welcher IT S. 11 unter den Aestiern!)
des Tacitus (Germania Cap. 45) den „Uns in drei Hauptabtheilungen bekannten,
in sich aber seinem Ursprunge nach einheitlichen Sprach- und Volksstamm der
alten Preussen, Littauer und Letten“ versteht, obgleich, wie S. 30—34 ausgeführt
wird, Tacitus selbst die Aestier zu den Germanen rechnete. Nach S.12 aber
waren die Aestier » keineswegs auf die samlündische Bernsteinküste beschränkt“,
nahmen vielmehr „am rechten Ufer des suebischen Meeres“ eine grössere Strecke
ein und sassen auch noch zur Zeit Theodorichs des Grossen im 6. Jahr-
hundert unter dem Namen Aesti oder Haesti auf derselben Stelle am Ocean, nehm-
lich nach Cassiodor (bei Jordanes C. 5, 17, 28) auf einer langen Uferstrecke östlich
der Weichselmündungen (vergl. S. 14. Auch Einhart Cr 840) kennt noch, nach-
dem mittlerweile die Slaven Sich zwischen Weichsel und Elbe festgesetzt hatten,
in seiner vita Caroli Magni C. 12 "südlich von der Ostsee neben den Sclavi die
Aisti und sogar Aelfred.der Grosse von England spricht noch Ende des 9. Jahr-
hunderts von den dortigen Ésten [im Bericht Vulfstans über dessen Reise von
Heathum oder Haithaby (Schleswig) nach Truso (am Drausensee), welchen Ael-
fred in die einleitende Beschreibung Europas zu seiner angelsüchsischen Ueber-
seizung und Bearbeitung der Historien des Paulus Orosius (aus dem Anfang des
1) Der Name Aestii — Aistjus oder gothisch Aisteis Soll mit dem gothischen aistan =
hochschätzen, verehren, zusammenhängen und sich auf den später mehrfach ausdrücklich be-
zeugten friedfertigen Charakter des Volkes beziehen (S. 18 und 30) Diese Erklärung
dürfte indess den philologischen Laien wenig befriedigen.
A
(313)
9. Jahrhunderts nach Chr.) aufnahm; siehe: The anglo-saxon version from the
Historian Orosius. By Aelfred the Great. Together with an english translation
from the Anglo-Saxon. London 1773. Buch I, Cap. l, p. 16—17 der englischen
Uebersetzung. — The discovery of Muscovy, London 1889 (aus Cassell’s National
Library) p.180 ff]. — 997 kam dann Adalbert von Prag nach derselben Gegend,
die »Pruzzi^ zu bekehren. ,Haite die Bevölkerung inzwischen nicht gewechselt,
A die Pruzzi die Esten des Vulfstan und mindestens ein Theil der Aestii
iy Tacitus sein. Der Name Pruzzi ist ohne Zweifel slavischer Herkunft, um-
ane anfänglich wohl die sämmtlichen Völker der baltischen Sprachgruppe, später
de, »Wie der. Eistenname in fast allen Zeugnissen seit Tacitus^ vorzugsweise nur
d n westlichsten Theil derselben. — Nach S. 15—16 endlich wäre es wahrscheinlich,
"i die Aestier einst bis zum finnischen Meerbusen gesessen hätten; daher die,
auf dem 9. oder 10. Jahrhundert nachweisbare Uebertragung des Namens Esten
die fen später dort angesiedelten finnischen Stamm, der die Aestier verdrängte;
fortd ebertragung wäre von den Scandinaviern®) bewerkstelligt, welche das Land
t auernd nach den ursprünglich dort von ihnen vorgefundenen Bewohnern Eist-
and nannten.
find Dass die Aestier nahe der Weichsel nach Osten sassen, scheint eine Stütze zu
N en in der Litthauischen Bezeichnung des frischen Haffs — aismares (nach
Top imax, Wörterbuch der litthauischen Sprache), auf die mich Herr Prof.
TM Schmidt hinweist. Indess lassen sich die vorstehend entwickelten Ansichten
v; Llenhoff 's nur zum Theil vereinigen mit den Ergebnissen der Ausgrabungen
y, Aler's, welcher nach Untersuchung des Griberfeldes von Oberhof bei
pd in den Phys. ók. Abhandl. 1890 S. 99 sich folgendermaassen aussprach:
en Sanz neues Gebiet, ja fast cine neue Welt beginnt an und hinter der Memel,
song, hiologischer Bezirk, den man nach den russischen Ostseeprovinzen, be-
sch CIS aber nach dem Gouvernement Kowno, weiter verfolgen kann. Der Ab-
RU an der Memel scheint fast eine gróssere Bedeutung als Stammes-
Roo: © zu haben; so gross ist die Verschiedenheit gegen die südlichen
sol non, Môglicherweise war hier die Scheide zwischen germani-
That.. und nichtgermanischen Nationen. Auffallend ist jedenfalls auch die
ghi, de» dass hier schon im 3. Jahrhundert Formen auftreten, z. B. die Ketten-
Sor mit durchbrochenen End- und Mittelstücken, die Spiralringe, wie wir sie
und x vom 9.—13. Jahrhundert bei den preussischen, — dann letto-litthauischen
die IVischen Völkern wiederfinden, Doch ist dies vorläufig nur eine Hypothese,
hisso p. sicherer zu behandeln wäre, wenn man die archäologischen Verhält-
Olens besser kennte.“
küst Nach alle dem ‚bleibt die Frage noch offen, ob unter den an der Bernstein-
und Lou Ssenen Aestiern mit Müllenhoff die baltischen Völker Preussen, Littauer
etten, oder mit Tacitus Germanen zu verstehen sind.
den © Zur Chronologie des preussischen Bernsteinhandels, Dass unter
8, 309) 2^ auch nicht reichlich, in Osipreussen gefundenen alten Bronzen (vergl.
Brith auch solche vorkommen, die nach dem Süden weisen, zeigt, xS schon
haften 18 gewisse Verbindungen hier bestanden; dass dieselben aber keine leb-
bleib: paren, wurde schon in diesen Verh. 1890, S. 284-285 erläutert. Für uns
lér immer das Wichtigste der Antheil des Bernsteins an dem Verkehr.
Bop a t fon Scandinaviern nahmen dann vielleicht auch die Finnen der Ostsee ihre
Germanen doc os Goldes an (vergl. Schrader S. 257—958), da sie von den südlichen
wohl durch die baltischen Vólker getrennt waren.
sich im Gebiete der Uslava finden, so können die bayrischen Stücke wohl aus
Bóhmen. gekommen sein, mit oder ohne Vermittelung der Alpenländer. Ich will
jedoch gerne zugeben, dass man auch an directe Verbindungen Oberbayerns mit
den sächsischen Landen denken kann (siehe oben S. 304 Note 3); eine solche würde
übrigens der Auffassung der Elbe als Eridanus durchaus nicht entgegenstehen; die
Abzweigung des Verkehrs würde eben nur für Bayern vom Mittellauf dieses Flusses,
für die östlicheren Länder vom Oberlauf desselben stattgefunden haben.
Vielleicht ist daher die Aeusserung des Plinius, dass der Bernsteinhandel
über Pannonien ging, nur für die römische Zeit streng gültig, während er früher
durch das Gebirge, also durch N oricum, seinen Weg nahm. Diese Frage wird
erst durch weitere Forschungen an Ort und Stelle ihre Lösung finden können.
4. Preussen.
In meiner ersten Mittheilung habe ich die Fundve rhältnisse in den Pro-
vinzen Preussen nur bezüglich des Goldes (S. 283—284) und die absolute Chrono-
logie des samländischen Bernsteinhandels gar nicht berücksichtigt. Ich will das
hier nachholen.
a) Die Fundverhältnisse. Tischler’s Arbeiten haben über die Verhält-
nisse zur Steinzeit Licht verbreitet (s. bei Klebs, Bernsteinschmuck; ferner Phys.
ôk. Abhandl. 1882, 17—40; 1883, 89—120); über Westpreussen wäre noch zu ver-
gleichen Lissauer S. 22. Uns berührt indess mehr die Bronze- und Hallstatt-
zeit, für welche sich Folgendes ergiebt: In den ältesten Gräbern dieser Periode
in Ostpreussen (aus Tischlers mittlerer Bronzezeit oder Peccateler Periode, Mon-
telius' Periode 2—4) mit Skeletten in 3 Hügeln zu Rantau im Samlande fand
sich eine Menge bearbeiteter Bernsteinstücke verschiedener Form, aber in einem
Hügel zu Alknicken, Kreis Fischhausen, nur ein flachcylindrischer Knopf und
zu Slaszen, Kr. Memel, wie es Scheint, gar kein Bernstein (Phys. ók. Ber. 1887,
12; 1890, Zuwachs S. 4; Bujack, Katalog d. Prussia Mus. I (1884) Nr. 141). Von
den Hiigeln der Hallstattzeit heisst es zwar Phys. 6k. Abhandl. 1886, 146: „man
findet oft rohen Bernstein, manchmal in ganz bedeutenden Quantitäten, bearbeitete
Stücke seltener“ und ebenso 8. 163: „roher Bernstein, wie häufig in diesen Hügeln . A
doch finde ich bei der Einzelbeschreibung Bernstein nur wenig hervortretend,
nehmlich aus dem Kreise Fischhausen zu Birkenhof (S. 127, 129, 130), Warsch-
ken (8. 156, 157), Mollehnen (8. 164) 6 mal je 1 bearbeitetes, 1 mal eines und
l mal 5 unbearbeitete Stücke. Dies scheint für die grosse Zahl der Brandgrüber
der betreffenden Hügelgruppen keineswegs erheblich, zumal andere Gruppen gar
nichts lieferten (Phys. ók. Abhangl. 1888, 100—133; 1890, 1—36). Man künnte
demnach wohl schliessen, dass im Ostbalticum in der Bronze- und Hallstattzeit
bezüglich des Bernsteins in den Gräbern ähnliche Verhältnisse obwalteten, wie im
Westbalticum; und dies scheint durch das Fehlen des Bernsteins in den bronze-
zeitlichen Gräbern von Warszenko, Kr. Carthaus, Westpr. (Phys. ók. Ber. 1890,
Zuwachs S. 4; Lissauer S. 56, 110), sowie durch Lissauer's sonstige Angaben
bestätigt zu werden. Denn wenn bei ihm auch S. 61 Bernstein als Bestandtheil
der Ohrringe an den Gesichtsurnen der Hallstattzeit aufgeführt wird, so heisst
es doch S. 60 allgemein: „Der Export des Bernsteins ist jedenfalls in dieser Epoche
viel grösser gewesen, als die heimische Verwerthung zu Schmucksachen, umgekehrt
wie in der Steinzeit“. Im Ganzen aber erscheint die Zahl der Funde aus der
reinen Bronzezeit in Preussen zu gering und ist auch das mir zugängliche Material
für die Hallstattzeit zu spärlich, als dass ich grosses Gewicht auf die mitgetheilten
Zahlen legen möchte.
(310)
(314)
Wie schon Rougemont p. 132 hervorhob, macht Herodot nicht die mindeste
Hindeutung auf Preussen; die Art, wie er III, 115 Bernstein und Zinn zusammen
bespricht, gestattet viel cher den Schluss, dass er beide als aus ungefähr der-
selben Gegend herkommend ansah; und diese Gegend darf man im Nordwesten
suchen, denn Herodot spricht an der betreffenden Stelle ganz ohne Unterschied
von Abend (also Westen) und Norden; beides war ihm hier nur ein Begriff,
nehmlich die Küste Europas. — Dies war im 5. Jahrhundert; bis an’s Ende des
9. Jahrhunderts aber reichen auch die Goldspiralen IL G- herab, die, wie ich nach-
gewiesen, im. Westbalticum massenhaft vorkommen, im Ostbalticum aber gänzlich
fehlen. Also würden wir den Beginn eines lebhafteren Handels vom Samlande
nach dem Mittelmeere schon hiernach keinenfalls hóher als um's Jahr 400 vor Chr.
hinaufrücken dürfen. Man hat nun für die Jahrhunderte von da bis Christus ge-
wühnlich die Münzen als Beweismittel herangezogen, so Helbig, Commercio p. 9,
Genthe, Lissauer und Andere. Aber ich zeigte in diesen Verhandlungen 1891,
223, wie völlig bedeutungslos dieselben für die vorliegende Frage sind, da die
Zahl der gut beglaubigten Funde eine verschwindend kleine ist. Wenn nun aüch
Kothe, im Gegensatz zu Rougemont p. 132, richtig bemerkt, dass der erste
Handel auch nach Preussen hin unzweifelhaft ein Tauschhandel war, der sich
ohne Münzen behalf, so fehlt es doch für diese Zeit auch an genügenden anderen
Fundstücken in Ostpreussen, welche als hinreichendes Aequivalent für grössere,
nach dem Süden ausgeführte Bernsteinmengen gelten könnten, zumal sicher auch
andere Artikel an dem Export betheiligt waren, so vielleicht Felle u. dergl. —
Nach unseren Ausführungen S. 311—319 kónnen wir ferner auch die auf der Sprach-
gleichung aurum = ausis — auksas beruhende Annahme von direkten Beziehungen
zwischen Ostpreussen und Italien schon vor der Mitte des 3. Jahrhunderts oder
nach Schrader a. a..O. S. 254—255 schon Ende des 4, Jahrhunderts vor Chr.
nicht mehr aufrecht erhalten und es sind daher in unserem früheren Aufsatz, Ver-
handlungen 1890, die Worte S. 287: ,obgleich zu seiner (Plinius?) Zeit lüngst
ein Handel vom Samland nach dem Süden stattfand“ in dieser Bestimmtheit zu
beanstanden, gerade so, wie die Beweisführung Helbig's, Commercio p. 8, und
Stoppani's p. 173. — Die Glanzperiode der ostpreussischen Urzeit fällt bekannt-
lich in’s 1.—4. oder 5. Jahrhundert nach Chr. und erst für sie wird man dem
Bernstein einen grösseren Antheil am Verkehr zuschreiben dürfen. Allerdings
schätzt Tischler, Phys. ök. Berichte 1889, 11 und Abhandl. 1890, 97, denselben
ziemlich gering, aber meines Erachtens ist doch diese Blüthe Ostpreussens wohl
in Zusammenhang zu bringen mit der von Helbig festgestellten, nach längerer
Pause gerade in der römischen Kaiserzeit neu in Mode gekommenen Verwendung
des Bernsteins in den klassischen Ländern (siehe oben Cap. 2 B.). Die grossen
Mengen in dieser Zeit nach dem Süden eingeführten Bernsteins mussten beträcht-
liche Gegenwerthe, namentlich wohl Metallbarren, nach dem Norden führen. Es
kam aber zu Tacitus’ Zeit, etwa 100 nach Chr., für den Bernsteinhandel nur
noch Preussen in Betracht; freilich, seine Worte Cap. 45: „(Aestiorum gentes)
soli omnium (Germanorum) succinum in ipso litore legunt“ besagen, wie Müllen-
hoff IL, 31 mit Recht hervorhebt, keineswegs, dass nur die Aestier den Bernstein
an ihrer Küste besassen!), vielmehr, dass sie allein sich mit dem Einsammeln
1) Müllenhoff nimmt hier an, dass auch Tacitus, wie kurz vor ihm Plinius,
noch von der alten Bernsteinküste im Westen gewusst habe; besser hätte ich demnach,
in diesen Verhandlungen 1890, 287, wohl gesagt: Tacitus ,nennt nur* das Samland als
Bernsteinküste, statt ,kennt nur*
fesselben befassten, aber es folgt doch hieraus immer, dass jeder andere Fundort
Ur den Handel nichts mehr bedeutete.
Nach Tacitus, Germania 45 und nach Dio Chrysostomos Coccejus
Or. 79 (um 100 nach Chr.) hatten die Aestier an der preussischen Bernsteinkiiste
erst ganz neuerdings den Werth des Bernsteins kennen gelernt, was allerdings
nach Helbig, Commercio p. 20—21, wohl nichts anderes heissen kann, als dass
durch die angebahnten lebhafteren Verbindungen mit dem Süden erst kürzlich
?Ine plótzliche Preissteigerung eingetreten war. Denn man wird zugeben können,
dass der samlündische Handel allmählich eingeleitet wurde und den cimbrischen
qu drüngte, einen grossen Aufschwung aber offenbar erst nach Christus nahm, und
"i letztere kónnte wohl mit dem unter Nero, etwa 60 nach Chr, wie es scheint,
p nal in's Werk gesetzten direkten Karawanenverkehr zasammenhüngen. Ob
Tellich die Reise des römischen Ritters unter Nero wirklich nach dem Samlande
8Ing, ist aus Plinius (37, 45), dem wir die Nachricht darüber verdanken, nicht
di entnehmen; jedenfalls hatte letzterer davon gar keine klare Vorstellung (in
des Verhandl. 1890, 287; Müllenhoff A. I, 215). Wenn Müllenhoff trotz-
"a Sich für das Samland entschied, so kann man ihm wohl beistimmen. Aber
M der Ritter schon bei seiner Abreise von der Theilung des Weges,
Sach im nórdlichen Bóhmen, wusste, so blieb doch jedenfalls Plinius der wahre
B Chverhalt noch verborgen, und man muss daher annehmen, dass nicht blos die
tfernung der Bernsteinkiiste von Carnuntum, wie er sagt, erst neuerdings
Kemer bekannt geworden, sondern auch die Kenntniss ihrer Lage im Allgemeinen
M nieht einmal Gemeingut war. — Tacitus dagegen, einige 20 Jahre später,
Nyse nur von dieser neuen Bernsteinküste; überhaupt ist seine Kenntniss des
in ens und Nordostens erheblich grösser, als die des Plinius, vielleicht gerade
mm 8° des Bernsteinhandels (Müllenhoff, A.IL S.3—4), der freilich nicht
Prod, ein direkter gewesen zu sein braucht, sondern sich zum Austausch der
hab ucte der Vermittelung an der Donau sitzender deutscher Stämme bedient
en kann"). E
5. Die Goldfunde.
mei a) Zur Chronologie der goldenen Schalen, Eid- und Spiralringe. In
habe Arbeit über Spiralringe, in diesen Verhandl. 1886, 433 ff. u. 639; 1887, 605
der p, gezeigt, dass die goldenen Noppenringe zum Theil den ältesten Gräbern
uns oN in Mitteleuropa angehören, die verwandten Spiralen ILG aber, welche
Aut, ler hauptsächlich beschäftigen, in sehr früher Zeit beginnend, bis im den
400 ng der Tènezeit hinabreichen, d. h. nach der allgemeinen Annahme etwa bis
Rena Chr. Diese lange Lebensdauer der Spiralen II G machi sie leider zu
8 on Zeitbestimmung untauglich; wenn ich daher in diesen Verhandl. 1890,
jigs : 284 sagte, dass die Goldgefässe und Eidringe „Im Allgemeinen etwas
ein or seien, so meinte das eben nur, dass wir fiir diese beiden Objectgattungen
— es Alter nur äusserst selten, meist dagegen eine spáte Zeitstellung nach-
1 oder vermuthen kónnen.
er s Lontelius hat nun neuerdings gezeigt, dass die getriebenen Goldgefásse, die
Allgemeinen seiner Periode 4—95 zuweist, zum Theil ein wesentlich höheres
Weg De östlich von Oesterreich-Ungarn und Deutschland, durch Russland, môglicher-
sichtigt c Prenssen benutzten Wege des Handels sind in dieser Besprechung unberiick-
auf ihre se Went da ich ausser Stande bin, die vorliegenden Angaben zu sammeln und
entwickelun orth zu prifen. Diese Wege dürften auch für die europäische Cultur-
g in alter Zeit einen nachweisbaren Einfluss nicht gehabt haben.
(315)
(- ^j
Alter haben (Stockholmer Mánadsblad 1589, 137 ff., ausgegeben im October 1890);
die Schale von Gónnebeck in Holstein und das Gefäss von Schifferstadt setzt er
an's Ende der Periode II; für die das letztere begleitenden Bronzemeissel wird
bei dieser Gelegenheit die Form näher bezeichnet als Absatzcelte, die etwa gleich-
alterig mit Antiq. Suéd. 117. Das Schifferstadter Stück aber nimmt durch seine
sonderbare Form, die ihm die Bezeichnung „Hut“ eintrug, eine eigene Stellung
cin, und in Bezug auf die Schale von Gónnebeck betonte ich S. 293, dass sie durch
ihre Stehflüche und die Art der Ornamentik von den meisten anderen Schalen ab-
weicht; dazu entstammt sie einem der, namentlich jenseits der Elbe, relativ so
seltenen Grabfunde; in Monteliu s’ Per. II—ITI wird man sie allerdings setzen
müssen. Will man daher für dieses Stück eine südöstliche Herkunft annehmen,
So wäre dagegen nichts einzuwenden. Freilich bleibt hier noch manches dunkel;
denn die Ornamentik der Gönnebecker Schale stimmt gui mit der zweier Becher
von Boeslunde auf Seeland (Madsen Bronceald. II T. 28, 2 und Congrés Copenhague
T. 21, 2), und doch sind letztere unmittelbar zusammen gefunden mit den Schópf-
gefässen (ebenda Fig. 1), deren Ornamentik nichts Absonderliches zeigt.
Das von Voss in der Discussion zu meinem Vortrage bekannt gegebene Gefäss
von Werder a. d. Havel (K. Mus. f. Völkerkunde I f. 3580), welches der ósi-
lichen Lage seines Fundortes nach so isolirt dasteht, zeigt auch wieder in Bezug
auf seine Ornamentik eine Abweichung von allen anderen bekannten Goefüssen
durch die Vogelgestalien. Die zugehürigen Spiralarmbünder, 3533 a und b,
bestehen aus einfach em Draht in 8— 9 Umläufen, dessen Enden zu äusserst kleinen
Voluten umgebogen worden; die massiven Armringe 3531 und 3532 sind ganz
ähnlich Lindenschmit, Heidn. Vorzeit I 9, T. 4, 6 von Letinin?, Kr. Pyritz
in Pommern (also nicht Kyriiz in Brandenburg!) Stettiner Mus. Nr. 436, unter
einem Stein gefunden; nur die Ornamente, die auch bei beiden Stiicken unter sich
nicht ganz gleich, sind etwas abweichend. Aehnliche goldene Armringe hat man
in Ungarn, Hampel, Bronzezeit, Budapest 1887, T. 47, 2, 3, 4 aus dem Schatz
von Acsäd, diese aber innen mit stark vortretenden Rippen, während jene nur
schwach convex sind. Die verwandten nordischen Ringe mit gespaltenen Enden
(Worsaae Nord. Olds. 253, Madsen, Bronceald. I T. 35, 1, 2) finden sich nach
Sophus Müller, Perioden der Bronzezeit, Jena 1878, S. 52 Note 3 vorwiegend
im östlichen Dänemark und gehóren nach Montelius in Periode III. All dieses
passt gui zu einer östlichen Provenienz des Fundes von Werder und man wird
wohl sagen müssen: die Goldgefüsse kamen meist im Westen herauf nach dem
Norden und gehörten der Periode IV—V an; einige sind aber älter und wahr-
scheinlich aus Südosten gekommen. —
Dass die Eidringe mit den Doppeldrahtspiralen zum Theil gleichalterig
sind, beweisen die Funde von Teglgaard in Jütland und Hunestad in Schweden,
welche Spiralen und Eidringe Semeinsam enthielten. Funde von Eidringen aus un-
zweifelhaft älterer Bronzezeit sind nicht bekannt.
Bezüglich der Spiralen II G. sei bemerkt, dass meine Angabe in den Verh.
1890, 279, wonach dieselben nach Periode 3 und in Brandgrübern verschwinden,
nur für Amrum gilt; denn in meiner früheren Zusammenstellung habe ich F unde
genug aus Brandgräbern und späterer Zeit aufgeführt. — Man könnte geneigt sein,
1) Balt. Studien 8, 2, 257 werden Ringe mehrerer, unter sich sehr verschiedener Formen
als Analoga herangezogen, von denen jedoch nur Friderico-Francisceum T. 22, l mit ge-
spaltenen, zu Spiralscheiben aufgerollten Enden mit dem Lettniner zu vergleichen wire.
316)
(317)
das Fehlen der goldenen Spiralringe in dem von mir in den Verh. 1890, 282
Skizzirten Gebiet links der Weser-Aller lediglich darauf zurückzuführen, dass diese
Ringe eben ihre Heimath im Südosten hatten, so dass an ihre Stelle auf der west-
lchen Verkehrsstrasse andere Tauschmittel treten mussten. Die wenigen an dieser
Strasse gefundenen Spiralen lI G (zu Mainz, Zürich, Courchapon Dep. Doubs;
Verh, 1886, 451 und 457) wären danach als von Osten her eingedrungen zu be-
trachten, um so mehr als die einzigen, mir aus Italien bekannten derartigen Gold-
Spiralen (Verh. 1886, 459) deutlich von den übrigen verschieden sind. Aber andere
S? dsachen wenigstens, und namentlich in ülterer Zeit, vertraten nicht die Spiralen.
8 verdient ld, rein als Material Ich Itsach ferti
Vds, ciue recs Drachtang als dim im Allgemeinen zu Theil wird wie sich
""Elebt, wenn man die Zeit seines Auftretens in verschiedenen Lündern mit ein-
ander vergleicht. In dieser Beziehung ist recht lehrreich
ï b) das erste Auftreten des Goldes in Oberitalien. Wiührend im óst-
eren Mitteleuropa, sowie auf unserem Elbwege im weiteren Sinne und in Scan-
Lig," Gold schon reichlich in der reinen Bronzezeit vorkommt, scheint es in
len zur Bronzezeit noch unbekannt gewesen und erst mit dem Eisen
sich eingeführt worden zu sein (Issel, L'uomo preistorico in Italia, Torino
7%, p. 820 Note 2; Helbig, ltaliker S. 21). Zannoni ist geneigt, zwischen die
pone und die älteste Eisenzeit eine kurze ,Goldzeit^ einzuschieben (Congrés
ich folent jud Ueber das Gold in dor iltesten Disenzei in Norditation finde
e Angaben: Gozzadini bemerkt ganz allgemein, dass die Grüber dieser
poche uns unberihri überkommen seien, weil sie, Past vollständig frei von
SM Metallen, die Habsucht der Grabräuber nicht reizten (Scavi Arnoaldi,
; na 1877, p. 88). Zannoni macht etwas bestimmtere Angaben über das Gold
ie den grossen A. westlich vor dem Thore Man (Seavi della Cer-
ilie) Bologna 1876—84). Hier fanden sich im östlichen (d. h. ältesten) Theile des
Sten Feldes (Benacci) 2 Fibeln und 1 getriebene Rosette (p. 150); auch im
wep lichen rien Thai desselben Feldes kam vielleicht das Metall zum Vor-
en (die Ano 59. ist nicht g ar) Ein wichtiger Fund aber ent-
amt Cinca rae am Arsenal (oder der Cuserne) silich dor Studi, dus i
" M Jüngeren Benaccigrüber folgt; hier handelt es sich S 2 Ange ^
159 1 bel, alles phônicischer Arbeit, neben enorm viel be! T (p. ,
Auf 5; Brizio, Monumenti p. 216 und in Guida del Museo civico, 1882, p. 32).
Sade Felde Arnoaldi, der Schlussabtheilung der älteren Felder westlich der
Nagy af man goldene Fibeln (Gozzadini l. c. p. 89). — Spärlich sind also die
ston "ichten über Gold aus dieser Zeit, und was man kennt, deutet z. Th. wenig-
tin * auf den Orient — Zu Golasecca beim Lago Maggiore zeigte sich ein Ohr-
ligo, m Filigranarbeit, der aber jedenfalls nicht der älteren Abtheilung des dor-
Erst , ve hinauf reichenden Grüberfeldes angehórt (Congrès Stockholm p. 401). —
Yon de Jüngerer Zeit wird das Gold in Oberitalien allgemeiner, so führte Zannoni
Geel. Certosa bei Bologna an Scavi p. 57: Kleiderschmuck Taf. 10, 8, 9 und
Goldmi, Fig. 10; p.345 ein mit einem Hut bedecktes Kópfchen T. 97, 6; p. 375,
mit Ga T. 117, 4, 4 (Certosatypus) und Ohrringe T. 117, 3, 3 (vgl. Index p. 471),
Goldy: d plattirte Silber- und Bronzefibeln p. 344 und T. 97, 1, 2; p. 393, 394;
0) then, Index p. 474.
thei old in der Schweiz. A. In den schweizerischen Pfahlbauten, welche
Beginn er Steinzeit, theils der reinen, meist aber der jüngeren Bronzezeit (dem
findet der Nekropolen Oberitaliens, also dem Anfange der Eisenzeit) angehören,
Sich Gold selten, und die wenigen kleinen Gegenstände, oft nur Bruchstücke,
(518)
lassen kaum einen Zusammenhang mit den Goldsachen des Nordens erkennen. Ich
kann die folgenden aufführen, bis auf einen sämmtlich aus der Westschweiz:
1) Neuenburger See: Concise, gerippte, zu Röhrenperlen gebogene Bleche,
Anzeiger f. schweiz. Alterthumsk. 1885, 175 und PI 13, 1; Munro, p. 56 Fig. 1
und p. 57. — St. Aubin (nach Munro wesentlich Steinzeit), Drihte, Keller,
Pfahlb. Ber. VII T. 9, 20, 21; eine sehr kleine „Rosette“, ebenda Fig. 19. —
Cortaillod, Ohrring Ber. V T. 16, 5 und 5a. — Auveérnier, Spiralen von sehr
kleinem Durchmesser aus einfachem, aber z. Th. aus gedrehtem Draht, Proto-
helvètes, T. 18, 18, 20. — Estavayer, Ohrring, Ber. VIII T. 4, 37, Munro, p. 62
Fig. 16; ein Goldblittchen, Ber. V, S. 175. — Die angeblichen Goldgegenstünde
von Corcelettes, Ber. VII T. 8, 18, 19. sind, wie ich vermuthete und mir Herr
Dr. Gross bestätigt, nicht aus Gold, sondern aus Bronze und Zinn. —
2) Murtensee: Montilier (Montellier), Fingerring aus Blech, Ber. VI
T. 5, 19. oder wie der bronzene, Protohelv. T. 20, 16; ferner ,ein kleines Stück
eines Goldschmuckes^, Ber. IX, 61. Heierli erwühnt » Wollishofen“ S. 28 auch
Ohrringe, gemeint sind aber obige Fingerringe.
3) Bielersee: Móringen (Mórigen), gerippte Lamellen, Protohelv. PI. 18,
21, 22; eine Brillenspirale aus gedrehtem Draht, Ber. VII T. 8, 17, Protohelv.
Pl 18, 19; Fingerring aus Blech, Ber. VII T. 9, 18 (Heierli spricht , Wollis-
hofen* S. 28 wieder von Ohrringen); ein Ringlein des Berner Museums aus ein-
fachem Draht, wie das von Wollishofen (siehe unten), Ber. IX, S. 538 (21). —
Nidau nach Munro p. 24 und 522—283 eine kleine Drahtspirale und ein vier-
eckiges Stück eines dünnen gerippten Blechs, vielleicht Ber. II, T. 2, 106 und 108,
den Gegenständen von Auvernier und Mórigen gleichend. — Von der „kleinen
Insel“ im See ein ,Zierrath*, Ber. V T. 16, 1a. Munro erwühnt p. 31 ein
Goldornament von der Ile des Lapins, aber nicht aus einem Pfahlbau und ver-
muthlich römisch, da auf der Insel römische Sachen auch sonst vorkamen; wohl
identisch mit dem Zierrath von der kleinen Insel.
4) Zürichsee: Wollishofen, ein Ringlein aus einfachem Draht, Ber. IX
IX T. 7, 9; Heierli, Wollishofen, S. 22. — Hier sei angeschlossen:
9) Lac de Bourget, Savoyen: einige Stückchen gewundenen Drahtes oder
Blaitgoldes; Munro p. 102 und 522—993.
DB. Wenn Gross, Protohelvétes p. 78, sagt, Gold sei relativ häufig in schwei-
zerischen Gräbern der Bronzezeit, so darf man nicht vergessen, dass Grüberfunde
vom Typus der Pfahlbautenbronzen überhaupt bisher noch selten sind. Mit Gold-
sachen kann ich folgende schweizerische vorrümische Grabfunde namhaft machen
von denen freilich viele ziemlich jung sind. Ich ordne den Cantonen und inner-
halb derselben dem ungefáhren Alter nach.
Ct. Freiburg: Düdingen, bronzene Pauken- oder Armbrusipaukenfibel, eiserne
Rôhren, bronzene Fragmente, alles mit Gold plattirt; Bonstetten, Supplém. IL
PL 6, 9—16; der Fibel nach etwa ins 5. Jahrh. zu setzen (vergl. Beiträge z. Anthr-
u. Urgesch. Bayerns IV S. 59—61).
Ct. Bern: Galgenrain bei Wangen a. Aare, ein Goldblait mit Längsrippen,
vielleicht ein abgerissenes Stück eines grösseren Blechs, wohl, wenngleich nicht
ganz sicher, aus einem Skeletgrabe mit Schwertern, Sicheln, Armspangen vom
Pfahlbautypus; Antiquarium zu Bern; gef. Mitth. des Hrn. v. Fellenberg. — Grau-
holz bei Bern, 24 runde Perlen verschiedener Grüsse aus Goldblech mit ge-
stanzten Mustern und kleine Ohrringe aus Róhren von Goldblech, Bonstetten,
Suppl. I, T. 14, 1, 2; zusammen mit der gerippten Ciste T. 15 1 u. 16 1, Radreifen
und schmalen Lignit-Armreifen aus einem Grabe, also vom Ende der Hallstatt
Le
(319)
Oder Anfang der Tenezeit. Die angebliche Zugehörigkeit des Feuerstahls T. 13, 10
War mir verdüchtig und Hr. Dr. von Fellenberg {heilt jetzt meine Ansicht wegen
des verschiedenartigen Rostes dieses Stückes. — Allenlüften bei Gümmenen,
Westlich von Bern, Goldbleche, Mitth. d. antiquar. Ges. Zürich XVII T. 1, 1, 2 mit
Giirtelbeschlig, das an Hallstätter erinnert und durch seine Rippung an die Cisten,
aber auch mit Frühlatenefibeln. — Murzelen, der schon 8. 303 erwähnte Ohr-
"ing, Bonstetten, Recueil Pl. 6, 8. Grossholz ob Ins (Anet), zwischen Bieler-
und Murtensee: Bleche, Perlen aus Blech, alles verziert; Bonstetten, Suppl. I
T. 14, 3—8 aus einem Grabe; Drahtkette, Perle aus Blech, Ohrring aus
Blechrôhre aus anderen Gräbern, ebenda Fig. 9—12 (Latenezeit). — Kirch-
thurnen bei Thun, Fingerring Recueil Suppl. I Taf. 6, 12 zu p. 12, zusammen
mit dem silbernen Ring T. 6, 11 und dem glüsernen Armreif T. 5, 21 gefunden
!^ einem (Skelet-?) Grabe in einer Kiesgrube. — Der Goldring von Schalunen
bei Fraubrunnen, Archiv des histor. Vereins d Kis. Bern VI (1867) B. 297.—308
Mit Tafel, ist ausgepflügter Einzelfund, hier also nicht mitzurechnen, übrigens von
der Form Lindenschmit, Heidn. Vorzeit II 5 T. 3, 6.
. Ct. Baselland, Binningen, Goldblech-Beschlag der bronzenen Scheide
nes Bronzemessers; Bonstetten, Suppl. II T. 2, 2 und 1; im Berner Antiqua-
"lum, ,Erdfund, ohne Spur von Knochen“, wird aber meist als Grabfund auf-
& ssl, so von Undset, Westd Zeitschrift V S.9 und von Tischler ebenda
-180; Hr. v. Fellenberg bemerkt mir, dass von den 3 Stücken, in die das
Messer zerbrochen war, eines schön patinirt sei, während die anderen ohne Patina,
A das Aussehen der Pfahlbautenbronzen hätten, aber sehr brüchig seien. Mittlere
_lonzezeit oder gemischter Fund nach Undset, locale Gruppe der mittleren oder
Jüngeren Bronzezeit nach Tischler.
ei Ct. Aargau, Unter-Lunkhofen a. d. Reuss: verschiebbare goldene Schliess-
aus htungen an silbernen Armringen neben. Frühlatenefibeln und Bernsteinringen
2 einem Brandgrabe; Archaeologia Vol. 47, London 1882, p. 131—34 mit Taf. 5,
"nd gef. Mitth. des Hrn. J. Heierli, Zürich.
- Ct. Zürich, Burghólzli bei Zürich: bleifederweite Spirale IIo» G; Zürcher
— Miith. I S. 4 und T. 2, 8; diese Verh. 1886, 8. 457; Anzeiger 1889, S. 145
Tat 190; 1890, S. 290. — Horgen: nach Zürcher Mitth. LIT Abth. 2, S. 11—13 u.
(Mit 1, sowie der Berichtigung hierzu Anzeiger 1887, S. 893: 2 goldene Fingerringe
Fn Fig. B und F + G), ein silberner (Fig. K), eine silberne Mittellatenefibel
D und eine Goldmünze etwa von 300 vor Chr. (Nachbildung eines Phi-
Om Von den angeführten Goldsachen erinnert der Binninger Beschlag durch seine
" amente an die Goldgefässe, während die Sachen von Grauholz, Allenlüften und
andere Muster zeigen. —
(19) Hr. Müschner spricht über die
Wenden der Niederlausitz.
(Hierzu Taf. II)
Stn ionge schon sehnte ich mich danach, der Gesellschaft einen müglichst voll-
das foo Ueberblick über die heutigen Wenden der Niederlausitz zu geben. Durch
dem A ndliche Entgegenkommen des Hofphotographen Hrn. A. Schwartz, der mit
Eeschio in. in der Hand seit mehr als 30 Jahren Deutschlands landschaftliche,
— tliche, volksthiimliche und selbst industrielle Merkwürdigkeiten aufsucht,
und sammelt, dessen Album deutscher Sehenswürdigkeiten bereits die statt-
E M
Le
(520)
liche Zahl von mehr als 40 Bänden erreicht hat, und dessen unermüdlichem Forschen
es gelungen ist, die Rolande Deutschlands, wie sie uns die Festschrift zur Feier
des 25jührigen Bestehens des Vereins für die Geschichte Berlins vorfiihrt, aus
ihren Verstecken hervorzuholen, ist es mir gelungen, eine reichhaltige Sammlung
wendischer Bilder hier vorzulegen. Ich glaube nicht, dass es überhaupt eine
Sammlung giebt, welche diese übertreffen könnte. Auf unserer Wanderung durch
die Niederlausitz haben wir unser Hauptaugenmerk besonders darauf gerichtet,
überall nur das Charakteristische durch photographische Aufnahmen der Vergessen-
heit zu entreissen und zur Anschauung zu bringen. Ich brauche wohl nicht be-
sonders der Schwierigkeiten. und Hindernisse zu gedenken, die ein Sammler volks-
thümlicher Reste, wie überall, so auch ganz besonders unter den Wenden zu über-
winden hat.
Man muss in der That staunen über die Mannichfaltigkeit der Trachten und
Gebräuche, über das, was dem stillen Beobachter in Bezug auf Sprache, Wesen
nnd Gestalt der Bewohner nicht entgehen kannn. Ich will versuchen, meine durch
jahrelangen Verkehr mit den Wenden gewonnenen Eindrücke und Wahrnehmungen
hier wiederzugeben, und beginne mit dem flussdurchfurchten
Spreewald.
In den Adern der Spreewaldbewohner fliesst, wie geschichtlich erwiesen ist
und wie ein Blick auf die Familiennamen lehrt, auch deutsches Blut, jedenfalls
in reicherem Maasse, als in den Adern der übrigen Wenden. Das Auge des
Spreewülders ist ruhig und mild lichelnd. Der Teint der Müdchen ist zart und
weiss, wie Rose und Lilie, sagt das Volkslied. An Festtagen zeigt die Klei-
dung die peinlichste Sorgfalt und Sauberkeit, — Eigenschaften, die man bei den
Slaven ehemals vergeblich gesucht hat und die man unter den Wenden der Nieder-
lausitz auch sonst nirgends so ausgeprägt findet. Man künnte mir darauf ent-
gegnen, dies rühre daher, dass die Spreewülder mit den reiselustigen Deutschen
in Berührung kommen. Ich bin nicht der Ansicht. Wohl machen Touristen mit
den Kähnen und mit den Gasthôfen nähere Bekanntschaft, aber nicht mit den
ruhig ihrem Tagewerk nachgehenden Bewohnern. Wäre der Verkehr mit den
Deutschen allein im Stande, die genannten Eigenschaften den Wenden einzuimpfen,
wahrlich, dann müssten die Anwohnerinnen von Cottbus und Spremberg, die schon
seit alien Zeiten die ,Gnàádigen* der Stadt, denen sie Butter, Milch, Eier und Käse
liefern, in Bezug auf Reinlichkeit und Sauberkeit nicht genug rühmen können,
in dieser Hinsicht den Spreewälderinnen mindestens gleich sein. Dem ist aber
nicht so.
Südlich vom Spreewald, etwa in dem Theile des Cottbuser Kreises, den
die Eisenbahnen Calau-Cottbus und Cottbus-Guben abschneiden, ist der Eindruck,
den die Wenden auf uns machen, schon ein anderer. Der Blick hat nicht mehr
ganz jene Ruhe und Gelassenheit, und auch der Teint lässt jene ausgeprägte Zart-
heit und Feinheit vermissen, er tritt schon etwas gemischt auf. Das Haar der
Mädchen ist nicht mehr gescheitelt, wie in Burg, und umrahmt nur ausnahmsweise
die weisse Stirn, die von dem schweren Kopftuch (lappa) zusammengehalten wird.
Es gilt bei den Wenden für nicht anständig, wenn das weibliche Geschlecht das
Kopfhaar ganz oder auch nur zum Theil zur Schau trägt. Der Teufel lacht, und
die Engel weinen, heisst es, wenn ein Mädchen griwata d. h. mit einer Mähne be-
haftet ist, oder wenn es gar pfeift. Daher sucht man das Haar sorgfältigst unter
Tuch und Mütze zu verbergen. Auch in der Sprache besteht ein kleiner Unter-
schied, besonders hinsichtlich der Färbung der Vocale. Die Tracht gleicht im
av
(321)
even und Ganzen derjenigen der Spreewälderinnen, lässt aber hinsichtlich der
auberkeit und Accuratesse etwas nach.
h Der Hauptunterschied zwischen der Tracht in Burg und der bei Cottbus init
tror in dem Braut-Hupatz, sowie in dem Staat der Braut und der Brautjungfern.
M Spreewald bilden die breiten Spitzen, die wohl auch die Halskrause genannt
orden, einen vollstindig geschlossenen Kreis, aus dessen Mitte der weisse Hals
9rvorragt; bei Cottbus dagegen weicht die Krause von der Form eines Kreises
m umgiebt den Nacken nur schwach und weitet sich unter Kinn und Wangen in
er Fülle aus (Fig. I Brautjungfer von Dru£ka bei Cottbus). Die Kopfbe-
nu der mit Blumen reich besetzte Hupatz, den zu Anfang dieses Jahr-
in "ueris noch der schlichte Rautenkranz zierte, ist bei Cottbus viel grösser, als
Jah urg. Das jetzt so beliebte Kopftuch (Fig. IL Spreewald) soll zu Anfang dieses
arts erst aufgekommen sein, wie mir alte Frauen erzählten. Damals war
dem Hupatz ähnliche Mütze allgemein.
ite ich mich in der Zeitschrift „der Bär“ von 1890 ausführlich über die Hoch-
patet ausgelassen habe, so sei es mir gestattet, hier abzubrechen und eine
WUze Wanderung in
das Gebiet der Malxe
cmtreten, oder genauer in das Dreieck, welches gebildet wird von der Cottbus-
a eer Bahn, der Neisse und der Eisenbahn Cottbus-Forst. Mir kommt es vor,
G Wohne hier ein ganz anderer Menschenschlag, als in den eben verlassenen
ten. Das etwas speckglidnzende Gesicht lässt die Stirn- und Backenknochen
8 arkiger hervortreten; in der Aussprache wird das zart und weich klingende
Lcewäldische „sch“ oft durch das harte „r“ ersetzt, und zwar vielfach nach
ded E der rhythmisch schnelle Gesang der Mädchen der Spinnstube ist min-
ben eine Terz tiefer, der Sinn für Reinlichkeit und Sauberkeit steht hier
dopo termaassen am niedrigsten, und nun erst die Tracht. Die gefällige Tracht
Sch Spreewälderinnen weicht hier der sogenannten runden Mütze mit den
sor Herlingsftügeln und der Roschkawa, die Kleider und Schürzen zeigen
Stoo m der Facon, als auch in der Art und ‚Anordnung der Blumen und
fans. en ein wesentlich anderes Bild (Fig. Ill Heinersbrück) Wegen des auf-
ches kurzen Mieders beginnen die dicken Rockfalten zu hoch, lassen das Mäd-
ine, fast unnatürlich nach vorn gebückt erscheinen, und machen das Hervortreten
voll nach unseren Begriffen gefälligen Figur zur Unmöglichkeit. Die dicken
Aus ?nen Strümpfe und die grossen Schuhe geben dem Fuss em etwas plumpes
fap nen. Auffällig ist es in der That, dass dieses von den Spreewäldern in mehr-
bei G Hinsicht abweichende Vólkchen in der Richtung von Cottbus nach Niemitsch
Ges pone, jenseits des Amisbezirks Cottbus, wohnt, in einer Gegend, die durch
Bie lehte und Sage mit dem deutschen Kaiser Heinrich IL und mit Albrecht dem
Chg verkniipft ist. Auf dem ersten Zuge durch die Niederlausitz gegen Boleslaw
— von Polen, der bei Krossen, Guben, Calau u. 8. W. starke Befestigungen
Mayo haben soll, liess Heinrich II. im Jahre 1005 südlich von Peitz über die
"m v eine Brücke schlagen, und die Sage fügt hinzu, dass dies bei Heinersbrück
A sei. Die schnurgerade Strasse von Bärenbruck (der Sage nach von
führt A dem Bären gegründet) nach Heinersbrück halbirt einen grossen Teich und
Bewes rch ein ziemlich morastiges Terrain: ihre Anlage muss eine sehr mithsame
Blick en sein. Die Bedeutung dieses scheinbar unwichtigen Ortes wird durch einen
von ont Niemitsch und Krossen klar. Unter dem Schutze der Wälder war es
Busse lus aus nicht schwer, bis Bürenbruck vorzudringen. Nun galt es, das
. rst sumpfige Malxethal zu durchschreiten und den Neissehóhen sich zu nähern,
erhandl. der Berl. Anthrop. Gesellschaft 1891.
21
C 7)
um Niemitsch zu beobachten und zu bedrohen. Niemitsch gegenüber, am linken
Neisseufer, liegt das Dorf Gasterose, wendisch goséeraz, d. h. das Mal, das Zeichen
für die Gäste. Kann hier nicht ehemals eine Fähre über die Neisse gewesen sein?
Der Fährmann mag Sasaretz (sa = für, saretz — der hinter dem Fluss Wohnende)
bewohnt haben. Niemitsch, jener in aligermanischer und slavischer Zeit wichtige
Ort, hatte wohl mit Recht Anspruch auf eine solche Verbindung mit dem Westen.
Bemerken will ich noch, dass, da Mjetislaw, Boleslaws Sohn und Nachfolger,
von den Slaven auch kurz Mesk genannt wurde, man wohl auch Niemitsch, das
wendisch Nameschk heisst, als Ort des Meïk ansehen könnte. Das wäre eine
neue Deutung des Namens Niemitsch, wenigstens des Niemitsch bei Guben und
des Niemitsch bei Senftenberg, das wendisch fast ebenso bezeichnet wird. Es ent-
stände nun die Frage: Haben die Bewohner dieses Malxegebietes ehemals direkt
unter der Herrschaft von Niemitsch gestanden, oder giebt es eine andere Erklärung
für ihre Abweichung in Sprache und Tracht von den Spreewüldern?
Der südliche Theil des Cottbuser Kreises
zeigt uns hinsichtlich der Tracht ein ebenso wenig einheitliches Bild, als in Bezug
auf Form und Gestalt der Bewohner. Hier wohnen die Langröcke, wenn ich so sagen
darf, d. h. die Frauenröcke reichen im Allgemeinen bis an die Knöchel, wie in deut-
schen Gebieten, während sie in den drei vorbenannten Bezirken nur etwa die halbe
Wade bedecken. Wie ist das zu erklären? Der nördliche Abhang des Lausitzer
Grenzwalles bildete von jeher einen Theil der Völker- und auch Heeresstrasse von
Jütland nach Pannonien, oder sagen wir bestimmter, von Magdeburg nach Breslau;
und in geschichtlicher Zeit wird noch des alten Salzweges Erwähnung gethan, der
aus Galizien über Sorau und Spremberg führte. Alaun nennt der Wende galicka,
d. h. Salz aus Galizien. Was liegt daher näher, als der Gedanke, dass hier die
wendische Originalität durch den gewaltigen Eingriff der Zeitenwechsel, an dessen
Spuren es auch ‚sonst durchaus nicht fehlt, — ich erinnere nur an Horlitz, Reuthen,
Reinbusch, — durchbrochen und zerrissen worden sein mag, und dass das Auge und
die Tracht der Landbevälkerung auf dieser Linie nur ein schwacher Widerschein
der Wirren verflossener Jahrhunderte ist? Die Kleidung wird von den Wenden
selbst hier und da als deutsch bezeichnet, die Sprache aber ist wendisch. Erst
im südlichen Theil des Spremberger Kreises begegnen wir dem im obenerwähnten
Malxegebiet bekannten, kurzen und groben Frauenrock wieder, und zwar ist in der
Umgegend von Muskau
die runde Mütze mit der in Heinersbrück nahe verwandt (Fig. V). Die Spitzen-
krause umgiebt den Kopf nach Art des Heiligenscheines auf manchen Madonna-
bildern, bald wieder náhert sie sich den Scehmetterlingsflügeln^. Das Gesicht
scheint mehr einen reinen Teint zu haben, als in
Schleife und westlich davon.
Hier tritt aus dem Antlitz der uns grüssenden Kinder der slavische Typus schon
wieder bestimmter hervor. Das niedliche rothe Häubchen, von einem zarten
Spitzenkranz eingefasst, harmonirt mit dem vollen, stets etwas glänzenden, rothen
Gesicht des Mädchens, das mit dem Schnürleibchen und der eigenartig gedruckten
blauen Schürze uns scheinbar eine ganz andere Tracht zeigt, indess der „tausend-
fältige Rock“ der älteren Frauen und die Strümpfe und Schuhe (Fig. IV) erinnern
uns wieder an Heinersbrück und an das durch seine Urnen bekannte Horno bei
Guben. Hier finden wir in dem Volksleben unstreitig noch Reste ächt wendischer
32%
(328)
Bigenart. Die Kirchgängerin trägt unterm linken Arm ein grosses weisses Tuch
(ub, rubiséo) zusammengerollt noch heute so, wie es auch früher um Cottbus
lle war, und die Minner haben noch ihren besonderen Kirchrock von blauem
Tuch mii grossen gelben Knöpfen. Die wendischen Tänze. zeichnen sich hier
Phang sehr durch ihre Originalität aus, wie die Instrumente, nach deren sonder-
aren Klängen getanzt wird. Da tritt uns der Dudelsack in zwei Arten entgegen.
Zur Herstellung der ersten Art, der m echawa, wird ein gegerbtes Kalbsfell luft-
licht so zusammengenüht, dass nur 9 Oeffnungen übrig bleiben: eine da, wo der
Kopf war, und zwei da, wo die Vorderfüsse waren. Die mit dem Halse ver-
pundene Pfeife (pfebérawa) ist von Holz und hat 7 Locher, dhnlich wie eine Flöte.
bre Melodien bewegen sich in f Dur. Der linke Vorderfuss geht in eine lange
feife über, in die ,Bruma^ (baracawa), die nur einen Ton erzeugt, das Conira-f.
" den rechten Vorderfuss schliesst sich das Ende eines kleineren Sackes (blosberk,
+ h, Blasebalg) an. — Die zweite Art von Dudelsack heisst kozol. Der kozol
(Ziegenbock) wird ähnlich so, wie die mechawa aus dem Kalbsfell, aus dem Fell
“Mes Ziegenbockes hergestellt, von dem aber die schöne, weiche Behaarung nicht
nernt werden darf, Der Kopf aus Holz zeigt zwei niedliche Hörnchen, die glän-
ve Hauer (Zähne) eines Ebers. — Das den Dudelsack begleitende Instrument
sol die dreisaitige Geige, ihre Metallsaiten heissen e, a, d. Es giebt zwei Arten
at Geigen, die eine spielt nur auf Hochzeiten und heisst daher werowanske
b Slik; — die kleine Hochzeitsgeige, wihrend die husle, die grossere Geige, sich
" anderen Gelegenheiten hören lässt. Bemerkenswerth ist es, dass der Dudel-
d und diese Geige von Bauern gespielt werden und in jener Gegend. sich grosser
"liebtheit erfreuen. Ein ebenfalls echt wendisches Instrument, das nur dem Namen
Mach noch existirt, die Tarakawa, ist durch die Klarinette verdrängt worden. —
Ganz abweichend von den bisher betrachteten Trachten ist die von
Neustadt an der kleinen Spree hinter Spreewitz.
Das Weisse Tuch, in das die trauernden Frauen sich hüllen, wenn sie zur Kirche
fohen (Fig. VI), scheint an die wendische Göttin Smertnitza (smertnica) zu erinnern.
mer Kindheit wurde mir erzählt, die Smertnitza gehe im weissen Gewande
bl; Sylvesterabend durch das Land, und wer ihre Gestalt draussen am Fenster er-
icke, der müsse im kommenden Jahre sterben. Ein Mädchen habe, in ein rubiséo
ME Tuch) gehüllt, sich erkühnt, ihr nachzumachen, da habe es, von draussen
dày ie erleuchtete Stube blickend, daselbst auf der Ofenbank eine Mulde mit Ge-
de, A gesehen. Am nächsten Morgen fand man sie todt an dem Zaune liegend,
N ihr Eingeweide hielt. Im Cottbuser Kreise ist bei den Frauen diese Art von
er im Erlöschen.
der Die Mannichfaltigkeit der Trachten und die Verschiedenheit der Bewohner in
ei wendischen Niederlausitz giebt uns ein kaleidoscopartiges Bild auf einem
Rap Fleck Landes, wie wir es in solcher Vielgestaltigkeit auf einem so kleinen
ne wohl nirgends finden.
das Na Hr. W. v. Schulenburg und ich über das wendische Wohnhaus und
Mas; Preewaldhaus zusammengestellt haben, das hat Hr. Ad. Cerny im Casopis
die 0 Serbskeje 1890 ergänzt und erweitert, und kann man in dieser Hinsicht
(ieh chung als zum Abschluss gelangt betrachten. In der Oberlausitz ist der
in oo chmuck (kicina) an den Strohdichern eine grosse Seltenheit. Rich. Andree
Pengo Wanderstudien bemerkt, dass die Holzbogen, welche sich über den
ern hinziehen, das Kriterium eines ächt wendischen Bauernhauses sind. —
91*
(224)
Hr. Virchow bezweifelt, ob die Verschiedenartigkeit der Tracht in den ein-
zelnen Gegenden der Lausitz auf ursprüngliche Unterschiede der Gaubevölkerungen
hindeutet. Seiner Auffassung nach sind alle diese Volkstrachten verhältnissmässig
Jung; sie dürften meist nicht über das 15. Jahrhundert zurückreichen. Die so
auffällige Verschiedenheit der Tracht in der protestantischen Niederlausitz von der
in der katholischen Oberlausitz datirt gewiss nur bis zu der Reformation zu-
rück. Es sind eben stehen gebliebene Moden, und es würde also die Aufgabe
sein, zu ermitteln, wann die ,alimodische* Tracht in den einzelnen Gegenden sich
fixirt hat. —
Hr. A. v. Heyden bestreitet gleichfalls die Annahme eines hohen Alters der
wendischen Volkstrachten. Es gebe keine Volkstrachten, welche unter das Ende des
16. Jahrhunderts zurückgehen, die meisten gehôren dem 17. und 18. Jahrhundert an
und seien entstanden aus den Modeformen der Kleider der hôheren Stände, welche
sich bäuerlichem Bedürfnisse und Geschmack gefügt und in solcher Veränderung
theilweise erstarrt sind. Nur sehr wenige Formen, namentlich am weiblichen Kopf-
putze, gehen auf den Anfang des 16. und das 15. Jahrhundert zurück, wie z. B.
das Kopftuch in der Umgegend von Mainz. Die Urform der einzelnen Theile der
Nationalkostüme nachzuweisen, sei sehr schwer, weil es noch an der dazu nóthigen
genauesten Kenniniss der rüumlichen Verbreitung der Modeformen früherer Jahr-
hunderte fehle, die allerdings geschafft werden müsse und Aufgabe der Trachten-
kunde in Zukunft sei. Uebrigens sei die Annahme falsch, dass die National-
kostüme aussterben, sie machen nur denselben Prozess durch, dem sie ihre Ent-
stehung verdanken, sie assimiliren sich die Mode- und Gebrauchsformen der übrigen
bürgerlichen Gesellschaft und erhalten dieselben in oft nicht mehr kenntlicher Form.
Ein solcher in die Augen springender Fall sei z. B. im bayrischen Oberland der
Gebrauch der Militairhose, welche für die Sonntagstracht die Kniehose von Hirsch-
leder zu verdrängen droht. Was den Gebrauch des grossen weissen Tuches an-
langt, in welches sich die Wendischen bei der Trauer hüllen, so sei auch diese
Eigenthümlichkeit das Ueberbleibsel der in ganz Mittel- und Norddeutschland um
die Wende des 16. Jahrhunderts bei der Trauer der hóheren Stünde üblichen
weissen, dichten Schleier (Pleureusen), wie zahlreiche Grabsteine (Stendal, Witten-
berg) solche zeigen. —
Hr. R. Hartmann bemerkt, dass Flügelhaube und lose umgebundenes Kopftuch
neben einander in Kürnthen und bei den Slovenen des Litorale vorkommen. Die
weisse Flügelhaube sei eine háufige Zierde der meist recht gui gewachsenen Land-
Írauen zu Servola, Zaole und an anderen Orten der Umgebungen von Triest. Das
lose Kopftuch werde sehr gewöhnlich auch von der weiblichen Bevölkerung West-
Schwedens, z. B. des Bohuslän-Skärgärd, benutzt. —
Hr. v. Heyden bestätigt die Angaben bezüglich der Slovenen.
(20) Weitere Geschenke der Frau San.-Rath Schlemm (vergl. Verh. 1891.
S. 246).
l. Brommy, Die Marine, neu bearbeitet von H. v. Littrow. Berlin 1865.
2. Euripides, Sümmtliche Tragüdien. Metrisch übertragen von Franz Fritze.
Berlin 1857/69. 3 Bünde.
Le,
Sitzung vom 21. März 1891.
Vorsitzender Hr. Virchow.
- (1) Am 1. März hat unter grosser Theilnahme die von der Gesellschaft ange-
e und von der archüologischen Gesellschaft und der Gesellschaft für Erdkunde,
fe Yon den städtischen Behörden bereitwilligst aufgenommene Gedächtnissfeier
der Zion Schliemann stattgefunden. Der ausführliche Bericht ist im II. Heft
eitschrift für Ethnologie S. 41 fgg. veröffentlicht.
^ Von Hrn. Johannes Ranke ist etwas verspätet folgendes Telegramm ein-
fo meen: „Die Münchener anthropologische Gesellschaft und ich persönlich senden
st n Ausdruck unserer innigen Theilnahme an der Gedüchinissfeier für unseren un-
érblichen Schliemann.“
den S Aus der Zahl ihrer ordentlichen Mitglieder sind der Gesellschaft durch
eif od entrissen worden der Schulvorsteher a. D. Budezies in Berlin, einer der
in sen Förderer der Berliner Localgeschichte, und der Oberlehrer Dr. Bujack
der omgsberg, der Direktor des Prussia-Museums, der unermüdliche Erforscher
Prühistorischen und historischen Alterthümer Ostpreussens.
(3) Als neue Miiglieder werden gemeldet:
Hr. Marine-Assistenzarzt I. Classe Dr. Reich, Wilhelmshafen.
» Generalsecretär der Gesellschaft f. Erdkunde, Hauptmann a. D. Kollm,
Berlin.
, Apothekenbesitzer Schnell, Berlin.
„ Ingenieur Rödiger, Solothurn, Schweiz.
„ Major a. D. Frötsch, Halle a. S.
vet) Am 20. Februar ist zu Nizza der um die anthropologische Literatur hoch-
, ente Buchhündler C. F. Reinwald zu Paris in seinem 80sten Lebensjahre
Se8lorben.
der e) Hr. Hauchecorne hat am 3. Márz sein 25jühriges Jubiläum als Direktor
ergakademie und der Geologischen Landesanstalt gefeiert.
14. (D Hr. Pedor Jagor berichtet in einem Briefe an den Vorsitzenden vom
Cai, uar über den bisher befriedigenden Verlauf seiner Reise, die ibn über
d Ceylon, Madras, Hyderabad, Puma nach Bombay geführt. Er beabsichtigte
ächst nach Rajputana und von da nach Calcutta zu gehen.
Kono) Die naturforschende Gesellschaft zu Danzig ladet zu einer dem
wy 8s erger Anthropologencongresse voraufgehenden Vorversammlung in Danzig
3, a einem Besuche der Marienburg ein. Diese Vorversammlung würde am
^ugust ihren Anfang nehmen.
(8 Die Fédération archéologique et historique de Belgique hält am
2.—7. August 1891 zu Brüssel eine Versammlung ab. Das reichhaltige Programm
wird vorgelegt.
(9) Der Vorstand und Ausschuss der Gesellschaft haben unter dem 19. Februar
an den Herrn Unterrichtsminister folgendes Gesuch gerichtet, betreffend
Gründung eines deutschen National-Museums zu Berlin.
Eure Excellenz haben der heimischen Alterthums- und Volkskunde zu jeder
Zeit ein warmes Interesse bewiesen und dieselbe stets in thatkräftigster Weise ge-
fördert. Die gehorsamst Unterzeichneten wagen deshalb zu hoffen, dass die von
ibnen vorzutragenden Darlegungen bei Eurer Excellenz cin geneigtes Gehör finden
werden.
Als vor nahezu zwei Jahrzehnten von der Berliner anthropologischen Gesell-
schaft die Abzweigung der ethnologischen und prähistorischen Sammlungen von
den im alten und neuen Museum vorhandenen Kunstsammlungen angeregt und in
Folge dessen nach erfolgloser Umschau unter den älteren disponiblen Staats-
gebäuden wegen passender Räumlichkeiten die Errichtung eines besonderen Ge-
büudes beschlossen wurde, konnte man nicht voraussehen, dass beide Abtheilungen
sich, Dank der Untersüizung, welche dieselben von Seiten der vorgesetzten Be-
horde und im Laufe der Zeit auch in weiten Kreisen der Bevölkerung gefunden
haben, so bald zu einem so bedeutenden Umfang entwickeln würden. Aber schon
in dem Augenblick, als das neuerrichtete Gebäude bezogen wurde, stellte es sich
heraus, dass dasselbe nicht für alle Zwecke, denen es dienen sollte, ausreichen
würde. So musste eine Abtheilung, und zwar gerade diejenige, deren eifrige Pflege
stets besonders betont war, nehmlich die der heimischen volksthümlichen Trachten
und Gerüthe, forigelassen werden und konnte erst später durch private Thätigkeit
begründet werden.
Die ethnologische Abtheilung befindet sich mit der Aufstellung ihrer Samm-
lungen in einer sehr bedrüngten Lage, da der Raum nicht ausreicht, die jetzt vor-
handenen Gegenstände in übersichtlich geordneter Weise aufzustellen.
Mit der Erwerbung der überseeischen Colonien für das Deutsche Reich ist
der ethnologischen Abtheilung eine neue Verpflichtung auferlegt und der letzte
Raum, welcher noch verfügbar war, auch besetzt worden.
Die prähistorische Abtheilung ist augenblicklich, aber auch nur scheinbar,
besser gestellt. Wegen Mangels an Schränken ist bereits in den Magazinen ein so
beträchtliches Material angehäuft, dass, sobald genügend Schränke vorhanden sind,
die Räume vollständig gefüllt werden und für den Zuwachs kein Raum mehr ver-
fügbar bleibt.
Zwar wird durch die in Aussicht genommene Verlegung der Schliemann-
Sammlung später einiger Raum gewonnen werden. Aber es wird noch. sehr lange
Zeit, mindestens wohl ein Jahrzehnt, vergehen, bis diese Verlegung stattfinden kann.
Zunächst steht ausserdem noch durch eine neue Schenkung Dr. Schliemann’s
eine so bedeutende Vermehrung der Sammlung in Aussicht, dass die Verwaltung
in grösste Verlegenheit gerathen wird, dieselbe unterzubringen. Auch die Samm-
lungen der anthropologischen Gesellschaft enthalten ein so reiches und werth-
volles wissenschaftliches, auf die Rassenanatomie bezügliches Material, neben der
mehr als 3000 Bände zählenden Bibliothek, dass im Interesse der Weiterentwicke-
lung und Förderung dieser wichtigen Studien die Schaffung grösserer Räumlich-
keiten dringend zu wünschen ist.
(326)
(327)
. In der übelsten Lage befindet sich das neu errichtete Museum für Volks-
achten, welches seine bereits sehr bedeutenden Sammlungen zu einem grossen
Theile in sehr ungeeigneten Räumen magaziniren muss. Da dasselbe fast aus-
Schliesslich durch die Freigebigkeit und opferwillige Thätigkeit einer Anzahl von
Privatpersonen zu Stande gebracht ist und auch in Zukunft, selbst wenn es eine
Staatsunterstützung erhalten sollte, wesentlich auf die werkthätige Beihülfe aller
Schichten der Bevölkerung angewiesen sein wird, so werden für dasselbe so bald
als Möglich Räume herzustellen sein, in denen die schönen und lehrreichen Reste
der in schnellem Verschwinden begriffenen Eigenthümlichkeiten unserer Volks-
Stämme eine würdige und ihrer hohen volksgeschichtlichen Bedeutung angemessene
Aufstellung erhalten können.
Die Anforderungen, denen ein Gebäude für die ‚letztere Sammlung gerecht
ZU werden hat, sind so besondere, dass sie, da in dem Museum für Vólker-
kunde kein Raum für dieselbe gefunden werden kann, in keinem älteren Gebäude
Senügend erfüllt werden dürften. Es erscheint demnach als unabweislich, sobald
als möglich zur Errichtung eines besonderen Gebäudes zu schreiten, in welchem
ausser dem Museum für Volkstrachten auch die jetzige prähistorische Sammlung,
Sowie, wenn möglich, die Sammlungen der anthropologischen Gesellschaft eine
Würdige und räumlich ausreichende Stätte finden, wo sie ihren Zweck, zur Beleh-
"ung des Publikums und zur Förderung der Wissenschaft zu dienen, in ausgiebiger
Weise zu erfüllen vermögen. Jede Verzögerung würde den Bestand der Samm-
lungen sowohl des Trachtenmuseums, als auch der prühistorischen Abtheilung, deren
Zuwachs mehr und mehr und demnächst wieder für unabsehbare Zeiten in Kisten
magszinirt werden müsste, gefährden und die Fortentwickelung der beiden Insti-
Uie auf das Empfindlichste schädigen, weil das Publikum, auf dessen rege Be-
theiligung beide angewiesen sind, sich kühl und unthätig verhalten wird, wenn
der neue Zuwachs in Folge von Raummangel nicht einmal aufgestellt werden
kann. Die Nothstände dieser Art sind noch zu frisch in der Erinnerung, das Auf-
blühen der Sammlung dagegen in den neuen schönen Räumen dagegen ist für
Jeden täglich zu beobachten, und es erscheint deshalb dringend geboten, die Sache
Nicht erst zum Aeussersten gedeihen zu lassen, sondern bei Zeiten diesen mit
Gewissheit vorauszusehenden Zuständen vorzubeugen.
Ausser diesen bereits vorhandenen und in Kurzem eintretenden Nothständen
aber veranlasst die Unterzeichneten noch ein besonderer Grund, welcher mehr die
Ideale Richtung, der die Sammlungen der vaterländischen Alterthümer und der
heimischen Volkstrachten und Geräthe zu dienen haben, berührt: die Vereinigung
dieser Sammlungen in einem besonderen Gebäude Eurer Excellenz auf das Wärmste
zu empfehlen, — das ist die ergänzende Erweiterung desselben zu einem deut-
Sehen Nationalmuseum für Alterthümer und Volkskunde.
à Ueberal] herrscht jetzt die lebhafteste Begeisterung für deutsches Volksthum
th Senwart und der Vergangenheit, überall wird auf beiden Gebieten höchst
un as gearbeitet und gesammelt. Ueberall entstehen neue Museen und Sammlungen,
Mat bereits droht grosse Gefahr, dass das kostbare und schnell selten werdende
" cial in .hundert kleinen Sammlungen zersplittert und einer fruchtbringenden
dass élchenden Bearbeitung entzogen wird. Es ist deshalb durchaus nothwendig,
und die Jetzt herrschende Hochfluth des allgemeinen Interesses voll ausgenutzi
das ous geleitet wird. In München geht man bereits mit dem Plan um, für
dan ortige Nationalmuseum ein neues Gebäude zu errichten, und sicher wird man
1 auch diesem Theile des deutschen Volksthums emen hervorragenden Raum
froh
gewähren. Es würde dann ganz Bayern dem Wirkungskreise unseres Museums
entzogen werden. In Braunschweig ist vor Kurzem ein neues » Vaterländisches
Museum“ eröffnet worden, in Stuttgart sind für eine zu gründende Sammlung ethno-
logischer Gegenstände aus Württemberg Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt
worden, in Baden hat die Regierung einen namhaften Geldbetrag bewilligt zur Samm-
lung Badischer Volkstrachten, in Schwerin und Hamburg sammelt man schon seit
Jahren volksthümliche Trachten und Geräthe aus verschiedenen Landesgebieten.
Es könnte vielleicht gegen die Errichtung eines Nationalmuseums in Berlin
eingewendet werden, dass in Mainz und Nürnberg derartige, vom Deutschen Reich
unterstützte Anstalten vorhanden sind. Dazu ist jedoch zu bemerken, dass das
Römisch-germanische Centralmuseum zu Mainz sich wesentlich auf die Herstellung
von Nachbildungen römischer und germanischer Alterthümer der vor- und früh-
geschichtlichen Zeit beschränkt, während das Germanische Museum zu Nürnberg
zwar auch die Urgeschichte in seinen Sammlungen berücksichtigt, hauptsächlich
aber die gewerblich und künstlerisch interessanten Gegenstände, sowie Waffen des
späteren Mittelalters und der neueren Zeit sammelt. Das Volksthümliche hat in
Deutschland bisher noch nirgend einen Mittelpunkt für seine Veranschaulichung
durch betreffende Gegenstände gefunden, und es thut noth, für eine solche Central-
sammelstelle zu sorgen, ehe es zu spät ist. Noch ist es möglich, etwas Voll-
ständiges zu schaffen, und sicherlich wird, nach den im Publikum bereits viel-
fach gehörten Aeusserungen zu urtheilen, der Gedanke an die Errichtung eines
Instituts, das sich die Entwickelung der Cultur- und Volksgeschichte in Deutsch-
land zur Aufgabe stellt, in allen Theilen des Vaterlandes und in allen Schichten
der Bevölkerung den lebhaftesten Anklang finden. Dabei wird dann wohl Jeder-
mann der Ueberzeugung sein, dass eine solche, das ganze Deutsche Reich um-
fassende Anstalt nur in der Reichshauptstadt, deren Sammlungen bereits einen
breit angelegten, nur des Ausbaues bedürftigen Grundstock bilden, eine Stätte
finden kann.
Auch in sofern scheint der Zeitpunkt für die Errichtung eines Nationalmuseums
besonders günstig, als jetzt mit der Eröffnung der Zimmerstrasse einige Grund-
stücke sich zur Erwerbung darbieten dürften, welche sich durch äusserst günstige
Lage in der Nähe verwandter und sich gegenseitig ergänzender Institute, des
Museums für Völkerkunde und des Kunstgewerbemuseums, besonders eignen
würden. Auch hier würde äusserste Eile zu empfehlen sein, denn schon verlautet,
dass Privatleute, u. A. eine fremde Botschaft, beabsichtigen, dort Erwerbungen zu
machen.
Das neu zu errichtende Nationalmuseum für deutsche Volks- und Alterthums-
kunde müsste in einer vergleichenden Abtheilung jedoch auch die angrenzenden
Lünder Europas berücksichtigen und, wenn es in dem genannten Strassentheile
seinen Platz erhielte, so wiirde es in der kunstgewerblichen und der ethnologi-
schen Sammlung der beiden benachbarten Museen die weiteste Ergänzung erfahren.
Auf diese Weise würde dann fast gleichzeitig mit der Vollendung des neuen
Reichstagsgebäudes, welches den sichtbaren Ausdruck‘ der politischen Einigung
Deutschlands darstellt, ein anderes Monument geschaffen werden, welches die Ent-
wickelung der Stämme Deutschlands von ihren ersten Anfängen bis zu ihrer Ver-
schmelzung in dem Deutschen Reiche in übersichtlich zusammenfassender Weise
vor Augen führen würde, zur Belehrung des Publikums, zur Förderung der Wissen-
schaft und zur Stärkung der Vaterlandsliebe.
Der Vorstand und Ausschuss der Berliner Gesellschaft für Anthropologie,
Ethnologie und. Urgeschichte.
(328)
C?9)
Auf dieses Gesuch ist unter dem 12. Mürz, im Aufirage des abgehenden
Ministers Hrn. v. Gossler, folgendes Antwortschreiben ergangen:
„Die von privater Seite mit so schónem Erfolg eingeleiteten Bestrebungen,
durch eine Sammlung deutscher Volkstrachten und Hausgeräthe die Mannichfaltig-
keit und Eigenart unseres Volksthums zur Anschauung zu bringen, haben von
Anfang an mein lebhaftes Interesse erregt und ich begriisse es mit Freude, dass
die Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte, wie ich aus der
Eingabe des Vorstandes und Ausschusses derselben vom 19. v. M. von Neuem er-
Sehe, der heimischen Volkskunde ihr besonderes Interesse zuwendet.
„Ich theile daher auch den Wunsch, dass die schon vorhandenen Sammlungen
Yon deutschen Volkstrachten und Erzeugnissen des heimischen Hausgewerbes bald
Vollständig zur Aufstellung gelangen und vielleicht allmählich zu einem die Ent-
Wickelung unserer Cultur- und Volksgeschichte veranschaulichenden Museum er-
Weitert werden.
dem und würde mir zu besonderer Befriedigung ig? enn es Eu auf
sch si erigen Wege privater opferwilliger 'Thátigkel e rfüllung dieses Wun-
u *$ nüher zu kommen, und ich werde diese Bestrebungen auch in Zukunft gern
Merstiitzen, soweit mir dazu eine Moglichkeit geboten ist.
u „Die Erwägung jedoch, ob der Staat die Verfolgung der von dem Vorstand
a Ausschuss aufgestellten Ziele als seine unmittelbare Aufgabe zu übernehmen
"d und im Stande ist, wird so lange vertagt werden müssen, bis es gelungen
Sa, für die dringenden Bedürfnisse der bereits in staatlicher Verwaltung stehenden
"lungen die seit vielen Jahren erstrebte Befriedigung zu schaffen.“ —
In Vertretung: Barkhausen.
an Der Vorsitzende spricht im Namen der Gesellschaft den ehrerbietigen Dank
Mi für das so wohlwollende und anerkennende Antwortschreiben, welches allen
g; e ledern von Neuem in die Erinnerung bringen wird, in welch umfassendem
Wel Hr, v. Gossler wihrend seiner ganzen Amtsführung die Bestrebungen,
ws e durch die Gesellschaft vertreten werden, gewürdigt und gefördert hat.
Uni der verehrte Herr versichert sein, dass die energische und sachgemässe
als Erstützung, welche er sowohl den ethnologischen und anthropologischen Studien,
Kreis entlich der vaterländischen Alterthumsforschung zugewendet hat, in unseren
me nicht vergessen werden wird! und möge das durch ihn geweckte Interesse
Nach seinem Abgange in dem Unterrichts-Ministerium erhalten bleiben!
vou) Durch Erlasse des Hrn. Unterrichtsministers vom 4. und 11. Mürz
En zur Kenntnissnahme der Gesellschaft gebracht:
l) der Bericht des Westpreussischen Provincial-Museums für das
Jahr 1890 über die Vermehrung der naturhistorischen, archäologischen
und ethnologischen Sammlungen in Danzig,
2) ein Bericht des Vorsitzenden der Alterthumsgesellschaft in Graudenz,
Gymnasialdirektor Anger über Grüberfelder im Kreise Kulm.
Ba, 1) Das correspondirende Mitglied, Hr. Edm. v. Fellenberg berichtet aus
» 25, Februar, über
Neue Funde am Zihlkanal, namentlich einen Bronzering mit Knöpfen
und Thierfiguren.
ein; eiliegend beehre ich mich, Ihnen 4 Photographien eines Fundgegenstandes
enden, der meines Wissens in unserem Lande bisher einzig dasteht
a * "i
Ono
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und seiner Ornamentik halber das allerhóchste Interesse in Anspruch -
nehmen darf.
Bei der lange andauernden ausserordentlichen Kälte und Trockenheit dieses
Winters war der Wasserstand aller unserer Flüsse und Seen ein ausserordent-
lich niederer und das Wasser von einer seltenen Durchsichtigkeit. Diesen
Umstand benutzten nun die Bewohner des Dörfchens Port bei Nidau am neuen
Aar-Zihlkanal (Bielersee—Meienried), um am Grunde der corrigirten und
daselbst erweiterten alten Zihl nach Alterthümern zu fischen, von denen bei
den Baggerungen zur Erweiterung und Correctur des alten Zihlbettes eine grosse
Anzahl zu Tage gefördert worden war. Hier, gegenüber dem Dörfchen Port (bei
den sogenannten Stüdeli, einer Weidenallee, und etwa 100—150 m flussauf- und
flussabwürts, hat die Daggermaschine jenen Reichthum an Eisensachen der La
Téne-Periode zu Tage gefördert, welche eine Zierde unseres Antiquariums$
bilden. Ich habe über jene Funde berichtet in einem Schreiben an Herrn
Dr. V. Gross in Neuensiadt, abgedruckt in dessen La Tóne, un oppidum
helvéte, Paris 1886 p. 7—12, nachdem im Jahre 1885 in E. Vouga's Les
Helvétes à la Téne p. 4—5, eine kurze Notiz über diese Funde erschienen war:
Der vollstándige und abschliessende Bericht mit Abbildung der wichtigsten Gegen-
stünde erschien im letzten (IX.) Pfahlbaubericht, jedoch ohne Anführung des$
Verfassers, der nur im Titel des Werkes als Collaborator genannt wird. Diese Funde
bestanden aus einer Menge wohlerhaltener eiserner La Tène-Schwerter,
viele davon mit eisernen und bronzenen Scheiden, ferner Lanzen und Wurf-
speerspitzen, Sicheln und Sensen, Aexten, Pferdegebissstücken, Fisch-
speeren, Ketiengehüngen zum Aufhüngen von Kesseln und endlich einer
Anzahl bronzener Kessel von verschiedener Form und Grósse (Gross:
La Tène PI. XIII, u. IX Pfahlbaubericht).
Seit dem Jahre 1874, in welchem die Arbeiten am Aare-Zihleanal gróssten-
theils beendigt waren, vernahm man nichts mehr von Funden im Bette der Zihl,
bis im Laufe des Winters 1888/89 mir ein zerbrochenes und zwei wohlerhaltene
Schwerter des La Téne-Typus gebracht wurden. Dieselben waren bei dem auch
damals sehr niedrigen Wasserstande des Canals in dessen Bóschung steckend und
wie schief gestellte Pfáhle ins Wasser hinausragend bei der Krystallklarheit des
Wassers gesehen und mit der Alterthümerzange hervorgeholt werden. Um die
Ansüssigen am Canal anzuspornen, erhandelte ich die betreffenden Schwerter zu
schönen Preisen, und so wurde nun seither jeden Winter bei tiefem Wasserstand
während der grossen Kälte eifrig gesucht und das Resultat war ein ganz über”
raschendes. Es wurden noch gefunden: ein zerbrochenes La Tène-Schwert
mit Scheide, ein prachtvolles, vollständiges, eisernes Pferdegebis®
(Stangengebiss mit Ziigelringen), eine ganze Anzahl von Lanzen und Wurf-
speerspitzen, eine Fisenmassel (flach geschmiedet, beidseitig zugespitzt, ähnlich
solchen, in der Tiefenau bei Bern gefundenen), ein unvollendetes Schwert und
eine unvollendete Schwertscheide (wie in La Töne gefundene); endlich
Aexte der gallischen Form, dann aber auch Aexte von römischer Form
(asciae) und eine solche in der scharfgebogenen Form einer Hacke, endlich
ein trefflich erhaltener mächtiger Skramasax, sowie zwei typische
Franzisken.
Im Laufe des Monats Januar erhielt ich Bericht von neuen Funden in
Port und begab mich zu dem im Aare-Zihlkanal (Staatseigenthum) zum Suchen
befugten Bevollmächtigten. Ich fand da einige der oben angeführten Gegenstände
und sofort fiel mir ein eisernes Beil (Fig. 1) in die Augen, welches sich aus-
(3 30)
(221)
Zeichnete durch einen in der Dülle sitzenden Keil Figur 1.
Mit Ring und einen wulstférmigen flachen An- A
Satz, der einer stark verkalkten runden Scheibe
8lich. Es scheint mir der flache zungenförmige Keil
m ansitzendem ovalem Ring nicht zufällig in den
, Ohlraum der halboffenen schlaufenfórmigen Düllenaxt
seien, sondern mit Fleiss ad hoc verfertigt und
A eingetrieben zu sein, um vielleicht aus der Àxt
^ bequemes Handinstrument, z. B. einen Meissel,
der Machen, wobei man beim Gebrauch den Zeigefinger
i Techten Hand durch die Schlaufe (Ring) steckte und
à poen trefflichen Flachmoissel erhielt. Auf der oberen,
de ‚Offenen Seite der Axt, auf den beiden Kanten
to, aPpen leicht aufsitzend, dick von verkalk-
a ram bedeckt und nur als cine flache
vu - und Schlammscheibe sichtbar, sass der
dan dersame Bronzering, von dem eine Abbil-
dans” denselben von vier verschiedenen Seiten
de Stellend, umstehend folgt (Fig. 2). Erst als mit
wes Ser die harte Kalkschlammkruste angeritzt
sich e kam Bronze zum Vorschein, und zwar lóste
ku, Blicklichorweise der Kalk gerade von einem der
Sch lôrner ab, das mit seinem Knopf zum Vor-
maps kam und nun zu grosser Vorsicht im Ablösen
"M Das Ablósen der ganzen Kalkschlamm- ||, nat. Grósse.
schap worin das wundersame Amulet stekte, ge- KK Kalkbelag. XXX Stelle,
auf chr leicht, indem erstere bloss an fünf Punkten wo der Bronzering aufsass.
Ring, en Lappen der Axt fest aufgerostet lag. 0
ks von der Axt abgetrennt, wurde sehr langsam und vorsichtig die dicke Kalk-
m € durch sehr verdünnte Sáure entfernt und es bot sich dem erstaunten
logs, der Gegenstand dar, welchen ich hiermit dem Urtheil der Archäo-
"n unterbreite! Der Ring, denn es ist im Wesentlichen ein solcher, be-
Plan schöner, etwas krystallinischer Bronze, von der Farbe der sch önsten
er jg bautenbronzen. Der Ring hat einen inneren Durchmesser von 23 mn;
also Nicht ganz rund im Inneren, sondern einseitig etwas eingedrückt, er 1st
Dang gross, um als Fingerring getragen worden zu sein, es sei denn an einem
des RS aber daran ist ja wegen der hervorragenden äusseren Ornamente
er ist Inges nicht zu denken. Die mittlere Dicke des Ringes ist 4 mm,
hal gr Ooh nicht überall gleich dick. Auf diesem gegossenen Und nicht
ligu, 18elirten oder nachgravirten Ring sitzen die wundersamen Thier-
Sel, welche den Ring unzweifelhaft zu einem pAmulet* stempeln und dem-
einen, einen symbolischen Charakter verleihen. . Wir haben es hier mit
so iy ien Cultobject zu thun. Auf dem Ringe sitzen, wenn wir denselben
blicke dle Hand nehmen, dass die beiden Vogelfiguren nach aufwärts
Sehlos, oben zwei Thierküpfe: der eine mit offenem, der andere mit ge-
und nem Maul, beide mit grossen kugligen, hervorstehenden Augen
mit om ssen vorwürts abstehenden Ohren, deren eines an dem Thierkopf
Bebo, m Maule fehlt. Beide Thierküpfe tragen stark gekrümmte, einwárts
dieser ru Hörner, deren Spitzen in Knöpfe auslaufen. Wir werden in
Thierköpfen offenbar Kuh- oder Ochsenhörner erkennen müssen,
A.
(372) +
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Links und rech Ss von den beiden obenstehenden Kuhkönfen lieoen auf dem Em
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wohl gement sein: ‚Unten Nun (ımmer dıe gleiche Stellung des Rinryes voraus”
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reKrummten Hörnern mıt Tg an den Snıitzen. Hıer hal EL qu E
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INCID NOE MAECEN MEM: dann cha Schnanze nnd das Manl PME EE ES
JMCNDaLr der YUSS MISSTALhNEN, denn dıe SChnauze und das Maul sSınd kaum Mae EAC Is
Der
2
Avischen allen diesen Thierfiguren stehen auf dem Ringe, gleichsam zur
ML und Isolirung der Symbole, drei runde Knópfe, die pyramidal
Nu. um den Ring erheben. Ich glaube, diese Charakteristik genügt. Das
de ere entnehme man den beigefiigten 4 Autotypien, welche genau in Naturgrosse
®n Gegenstand wiedergeben (Fig. 2 a—d).
"AL schon oben erwähnt, ist dieses „Ringamulet“ lediglich gegossen und
die En Stavirt oder polirt worden. Man entdeckt verschiedene Gussfehler,
e nópfe zwischen den Thierfiguren sind nicht überall gut. gerathen, einzelne
ein n unebene Wülste, andere Gruben, jedoch muss man in hohem Grade über
Zeit feines und complicirtes Gusswerk erstaunen. Und nun: in welche
% gehört das Amulet? In keinem Falle zu den Bronzen der Pfahlbauten, da
Kul stylisirte Thierfiguren darin nicht vorkommen. Wir müssen auf ein
wi urvolk zurückgreifen mit hochenitwickelier Mythologie, und da werden
" lebhaft an den Herakult, an die Hera Boopis in Mykenae, erinnert, zudem die
bor ditigen Glotzaugen ausserordentlich prägnant aus den Kuhkôpfen
Ast, Stehen! Und die Vögel? Könnten diese nicht an syrisch-phönikischen
ne CE erinnern? Ich überlasse das Urtheil competenteren Archäologen und
das P» die Mittheilung mit den Worten: Meine Herren, die Discussion über
Orgetragene ist erôffnet!
— ist mir schon mehrmals von Bewunderern des ,Porter Amulets® be-
Bes; worden, ob die Knópfe auf den Kuhhórnern nicht etwas zu bedeuten hätten?
"a man sich die Kuhhórner nehmlich im Profil, so ühneln dieselben auffallend
0 de. P hallus. Ist vielleicht diese Idee hier auch noch im Amulet eníhalten,
die ond die Knópfe auf den Kuhhürnern bloss zum Schutze, damit man sich und
Dies leider beim Tragen des ausgezackten Ringes nicht verletze? Quien le sabe?
Welch, Fund, der offenbar chronologisch mit dem eisernen La Tène-Beil, auf
hat em er gliicklicherweise, in Kalklehm eingekapselt, aufsass, gar nichts zu thun
Bei |. ndern viel älter ist und wahrscheinlich ursprünglich unter dem eisernen
den 5.28 — denn die dicke Kalklehmkruste hat sich gewiss nicht erst seit
Seho aggerungen in der Zihl gebildet, sondern die Gegenstände müssen
Welch, Jahrhunderte lang zusammengekittet sein, — ist ein neuer Beweis,
tha ? uralle Vólkersirasse vom Mittelmeer (Massilia) und dem Rhone-
TTA Südfusse des Juragebirges, den westschweizerischen Seen
Verkoh | nach Norden führte, auf welcher ein schon damals reger Handels-
rt die Völker des Nordens und Südens verband. —
veg Virchow beglückwünscht den erfolgreichen Erforscher des Zihl-Grundes
das t dieses wichtigen Fundes, der vóllig unerwartet kommt, da man allerseits
Porgy, 5 che Gebiet für erschöpft hielt. Gewiss liege es nahe, an orientalische
auf "i zu denken. Er verweist speciell wegen der Vogel- und Widder(?)-Kópfe
"An Atlas des Gräberfeldes von Koban im Kaukasus, wo freilich ein genau
ob des rondes Muster seines Wissens nicht zu Tage gekommen ist. Die Frage,
anlag Ring in eine ganz andere Zeit gehórt, als das eiserne Beil, dem er direkt
> Detrachtet er als eine offene. —
La ut Voss bemerkt, dass der auf der Photographie dargestellte Ring ächten
Weisen Charakter zeige, aber dadurch merkwürdig sel, dass er drei Verzierungs-
diese, A welche sonst meist vereinzelt, höchstens zu je zweien gruppirt, bel Ringen
Ansicht rt vorkommen, in sich vereinige. Die Verzierungen bestünden nach seiner
aus kugligen, perlenartigen Knópfen, Vógeln und Widderkópfen. Solche
333)
(334)
mit Knöpfen verzierte Ringe seien sehr häufig. Sehr selten dagegen die anderen
beiden Arten. Soviel er sich erinnere, sei das in dem Maximilians-Museum ZU
Augsburg befindliche, mit drei Vogelfiguren verzierte Exemplar von Epfach, welches
auf der prähistorischen Ausstellung 1880 hier ausgestellt war und in dem photo-
graphischen Album der Ausstellung abgebildet ist, das einzige dieser Art (Kat. d.
präh. Ausst. S. 31 Nr. 59; Alb. d. präh: Ausst. Section VIIT, Taf. 2 Nr. 225). Bei
demselben sei der Stab an der Aussenseite zwischen den einzelnen Vogelfiguren
mit flacheren perlenähnlichen Erhebungen dicht besetzt, wodurch derselbe stark
an jene Form mit perlenartigen Knöpfen erinnere.
Ein Exemplar mit drei Widderkopfen, welche merkwiirdigerweise von dem
Vorbesitzer auch für phallische Darstellungen angesehen wurden, befinde sich im
Königl. Museum für Völkerkunde (Kat. I i. 766). Dasselbe wurde bei Koln a. Rh.
gefunden und sei auf den Zwischenräumen zwischen den drei, an der Aussenfläche
aufgeseizten, sehr deutlichen Widderkópfen mit je einer Gruppe von drei kugligen
Knópfen besetzt.
Nach der photographischen Abbildung zu urtheilen, sei an eigentlich phallische
Darstellungen bei diesem, durch seine Verzierungsweise allerdings sehr merkwür-
digen Stück nicht zu denken.
(12) Hr. M. Hoernes, Assistent am k.k. Naturhistorischen Hofmuseum in
Wien, übersendet unter dem 17. Januar folgende Abhandlung über
eine Bronzefibel einfachster Form von Glasinac in Bosnien.
In einem Nachtrage zu seinem Aufsatz über die ültesten Fibeltypen (Zeitschr
f. Ethnol. 1889 S. 205, Nachtrag 1890 S. 144) citirt Hr. Dr. I. Undset als Zuwachs
seines Beweismaterials eine Bronzefibel einfachster Form aus einem Hügelgrabe
von Glasinac, welche ich in den Mittheilungen der Wiener anthrop. Gesellsch. 1889
S. 139 f, 175 publicirt habe. Das Vorkommen dieser Form in Tumulis der ersten
Eisenzeit ist um so mehr bemerkenswerth, als die übrigen Exemplare jener Urform
nach Undset's trefflicher Ausführung meist in Schichten der jüngeren Bronzezeit
(Terramaren Oberitaliens, Pfahlbauten von Peschiera und Corcelettes, Depotfund
von Bodrog-Keresztur in Ungarn) gefunden sind. Bei anderen (italischen und
ungarischen) Stücken dieser Serie ist die Zeitstellung unsicher; doch führt Undse!
auch solche aus den eisenzeitlichen Benacci-Grübern bei Bologna an. Die Form
hat also hie und da auch nach dem Abschlusse der reinen Bronzezeit ein For
leben gefunden. Als wahrscheinliches Ursprungsgebiet derselben betrachtet Undse*
den nordlichen Theil der Balkanhalbinsel, wo wir die Voraussetzungen sowohl füI
die ungarischen Culturformen, als auch für diejenigen der oberitalischen Terra”
maren und der Pfahlbauten der Alpenlünder zu suchen haben.
Ich kann dem nur vollkommen beipflichten und ergreife mit Vergnügen die
Gelegenheit, etwas beizutragen, was diese Vermuthung vielleicht weiter zu stüize?
vermag. Das erwähnte archaische Fundstück von Glasinac steht nehmlich inner
halb der Grabbeigaben dieses ausgedehnten Nekropolengebietes, obwohl dasselb®
nach unserer heutigen Terminologie der ersten Eisenzeit angehört, keineswegs ve!“
einzelt, als isolirter Ueberrest aus einer ülteren Periode, da. Es sind nicht nur €?
Paar ähnliche Stücke aus den letzten Ausgrabungen für das bosnische Landesmuseum”
in Sarajewo gewonnen worden, sondern wir sind heute auch in der Lage, eine?
engeren, stylistischen Zusammenhang zwischen dieser alterthiimlichen Fibelfor®
und vielen anderen Tumulusfunden von Glasinac nachzuweisen. Die eigenthüm"
liche Culturstufe von Glasinac, welche ich in meinem citirten Aufsatz. nicht recht
(335)
Zu definiren vermochte, erscheint mir heute, nach den wiederholten umfangreichen
Ausgrabungen, welche ich im Auftrage des Ministers für Bosnien, Hrn. B. v. K állay,
AN jenem Fundorte geleitet habe, um vieles verständlicher. Ich erblicke in ihr so
le Elemente eines älteren (in anderen Gebieten rein bronzezeitlichen) Formen-
prises, dass ich nicht anstehe, zu sagen: wir haben es hier mit einer bisher un-
ekannten Mischung von Typen des Bronzezeit- und des Hallstätter Styles zu thun.
tur Die erste Eisenzeit Europas unterscheidet sich ja von der Bronzezeit nicht
ei N durch das Auftreten des zweiten grossen Culturmetalles, sondern auch durch
sind neuen, offenbar südlichen Einflüssen entsprungenen Styl. Manche Typen
it beiden Perioden gemeinsam; so der Paalstab und der Hohleelt, so das Schwert
D; breiter Griffzunge und dasjenige mit einer Doppelspirale anstatt des Knaufes.
"- Uebereinstimmungen beruhen auf verschiedenen Ursachen. Einfache Fort-
m Menz des Typus aus der älteren in die Jüngere Periode genügt nicht, sie alle
U erklären. Denn wenn das breitzungige Bronzeschwert, wie jüngst wieder
ndset betont hat, als Grundform (ägypto-phônicischen Ursprungs) an dem Aus-
Aursspunkt der bronzezeitlichen Schwerttypen Europas und dann wieder am Beginn
w. Hallstattperiode erscheint, so ist es wahrscheinlicher, dass hier eine doppelte
der ung derselben Culturbasis vorliegt, des mittelländischen Culturkreises nehmlich,
Eis in der Bronzezeit nur wenige vereinzelte Elemente, in der Begleitung des
m Jedoch einen ganzen Schatz neuer Formen nach Central- und Nordeuropa
Sestrahlt hat.
ash will hier nicht darauf eingehen, wie sich die Länderräume dieser letzteren
Pro lete während der Bronzezeit in entwickelungsreiche und entwickelungsarme
Schaan scheiden, wie die einen später, die anderen früher von der Allemherr-
Walt der Bronze abfallen, und wie diese Verschiedenheit ihres Verhaltens in der
be age, der natürlichen Ausstattung und der Configuration der einzelnen Länder
Nong set ist. Jeder weiss, wie und warum England-Irland und Skandinavien-
gen, ischland eine Bronzezeit von lüngerer Dauer und hóherer Entwickelung
Sch, t haben, als z. B. Frankreich und Südósterreich. Man ahnt auch, warum die
Buty: und Ungarn in Mitteleuropa ein Lünderpaar bilden, das sich in seiner
any eng eher den nordischen Reichen, als den unmittelbaren Nachbargebicten
jene "ed Die entwickelungsarmen Bronzezeitprovinzen sind keine anderen, als
ersten ebiete, welche von Süden her leichter zugänglich waren und vom Styl der
lialio Eisenzeit rascher erobert wurden. Hierher dürfen wir, von Griechenland,
Nord, und Spanien abgesehen, namentlich die Länder zählen, welche um den
das m der Adria und des Golf du lion gelagert sind, also die Ostalpen und
kreise. Onebecken, bekanntlich zwei Hauptgebiete des sogenannten Hallstätter Cultur-
seit mn diesem grossen Zusammenhange erscheinen mir die Einzelheiten, welche ich
auf y ey in Bosnien beobachtet, von erhöhter Bedeutung. Leider ist das Material,
loge, +e ich mich hier beziehen muss, so gut wie unpublicirt; die Originale
ich var Sarajewo, und ich selbst besitze nichts, als die flüchtigen Skizzen, die
Mir die rend der Ausgrabung machen konnte, nebst dem lebhaften Eindruck, den
Als fremdartigen Details jener Grabausstattungen hervorgebracht haben. |
fand, : n vor 2 Jahren über die in das Wiener Hofmuseum gelangten Glasinac-
Bergland rieb, konnte ich nur constatiren, dass die Hallstaticultur im dinarischen
reihe y, ; eine besondere, von den Gräberfunden der Ostalpen und ihrer Formen-
den cent, fach abweichende Ausprägung erfahren habe. Die Verwandtschaft mit
Ich sal raleuropáischen Funden sei mehr eine allgemeine, als eine durchgehende.
zunüchst gewisse Erwartungen getüuscht und sagte: ,Die bosnischen Funde
C gt
künnen micht als üchtes Mittelglied zwischen dem gebenden Süden und den
empfangenden und weiter ausbildenden Norden aufgefasst werden. Statt eine Stufe
zu gewinnen, die uns abwürts führt in den dunklen Schooss eines prühistorischen
Werdeprocesses, sind wir auf eine Erscheinung gestossen, die wir vorerst als eint
locale secundäre Sonderentwickelung, als etwas seiner Art nach Späteres und Ab-
geleitetes auffassen müssen.“
A2
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© B f ANSA Exi EN 4 ’ .
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C 2 Ze = >
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“ab vas)
? der natürlichen Grösse.
A, Glasinac, A, Oberitalien, Terramare, A, Toplitica, Kroatien — B, Glasinae, B, Terr?
mare, Oberitalien. C, Glasinae, C, und C, Oberitalien, Terramare. E, a—d Glasina€
E, a—d Oberitalien, Terramare.
Im abgelaufenen Jahre gelang es mir nun, unterstützt von dem Custos de$
bosnisch-herzegovinischen Landesmuseums in Sarajevo, Hrn..Dr. C. Truhelk&
eine Anzahl von Grabhügeln aufzufinden und einen Ringwall abzugraben, in welche?
sich neben typischen Bronzen der Glasinacstufe ziemliche Mengen von Thongefáss"
fragmenten (E, a—d) ergaben, die mit den keramischen Typen der Terramaren Ober”
350)
C3
(337)
Haliens (E, a-—d) auf einer Linie stehen. Es waren Schüsseln mit den charakteristi-
Schen emporsteigenden Henkeln, deren oberes Ende entweder ohrförmig verdickt oder
durch einen halbmond- oder stempelförmigen Aufsatz markirt war. Der halbmond-
lórmige Henkelaufsatz ist als Ansa lunata allgemein bekannt. Manchmal war die
Mitte des Henkels mit dem Gefüssrand durch einen horizontalen Steg verbunden.
Solche charakteristischen Thongefüsse kannte ich aus Bosnien schon früher von
den Ansiedelungsplitzen ZlatiSte und Sobunar am Abhange des Trebevié bei
Serajevo, Ganze Massen derartiger Fragmente sind von diesen prähistorischen Wohn-
Stätten in das Museum der Landeshauptstadt gelangt; ich musste sie aber für älter,
als die Glasinacgräber, halten, da sie aus einer ungeschichteten Schuttmasse
mien, in welcher neben Stein- und Knochenartefakten dusserst wenig Metall
am.
A 0005
3 7
€ (75 +
mn
EN
WA
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»
2|, der natürlichen Grösse.
D1—5 Glasinac, D'1-4 Schweiz, Pfahlbauten, Bronzezeit.
chan jene Gräberfunde nachdrücklich belehrt, sah ich nun auch die anderen
eina ten Dinge in einem anderen Lichte. Zunächst harmonirten die Fibeln
jenes ster Form (Fig. A,), von welchen ich oben ausgegangen bin, vollkommen mit
fügte keramischen Typen. Aber auch die Ornamentik der Bronzen von Glasinac
filly Sich diesem Zusammenhange. . Jene Ornamentik verwendet nehmlich zur Aus-
Fig, AS Kreisen (auf Zierscheiben, vgl. Mitth. d. anthrop: Gesellsch. Wien 1889.
durch, bo 02 und 194 f.) gern Kreuze, welche entweder durch gerade Balken oder
nand wende Halbkreise gebildet werden. Beides kehrt auf Zierplatten von Lar-
rierte ( ortillet, Mus. próhist. Pl. LXXXVI. 997, 998), das leiztere auch auf ver-
Tess, hongefissbóden der italischen Terramaren (l. c. Pl. XI. 1093) wieder. Eine
gleich are-Bronzenadel, die vorstehend abgebildet ist (B), ist nahezu vollkommen
den a einer solchen von Glasinac (B,). Dabei erwühne ich, dass das aus 4 hüngen-
v. Ppelicn) Halbkreisen gebildete Kreuz aüch als Verzierung cines Nadelkopfes
andl. der Berl, Anthropol, Gesellschaft 1891. ©
29
(338)
von Peschiera vorkommt. In den bronzezeitlichen Pfahlbauten der Schweiz eI-
scheinen Reihen von mehrfachen hängenden Halbkreisen als beliebte Verzierung
an Thongefässen und Bronzen (Armbündern, Messern); in der ungarischen Bronze-
zeit finden wir dasselbe Motiv häufig auf Schwertklingen und schalenfôrmigen
Schwertknäufen, auf Beilklingen und Fibelbügeln.
Auf die Achnlichkeit vieler Grabhügelfunde von Glasinac mit Bronzezeitsachen
aus Ungarn habe ich schon in meinem Aufsatz über die ersteren hingewiesen
Diese Analogien sind, aber weniger beweiskrüfüg, weil die ungarische Bronzezeit
sicherlich. eine Zeit lang neben der Hallstattcultur in den westlichen Nachbar-
lüindern hergeht. Demgemüss wird sie denn auch mit der Culturstufe von Glasinat
theilweise gleiehzeitig zu setzen sein, wührend die Terramaren Oberitaliens bedeu-
tend ülter sein dürften. :
Kehren wir nun wieder zu unserer einfachen Fibelform zurück, so scheint
sich Folgendes zu ergeben: Bosnien, Ungarn und Oberitalien besitzen gleichartige
Spuren einer reinen Bronzecultur, die in den drei Länderräumen ungleiche Schick"
sale erlebt hat. In Oberitalien wurde sie frühzeitig durch den Anbruch der ersten
Eisenzeit aus der Reihe der Erscheinungen hinweggetilgt. In Ungarn entwickelte
sich, namentlich in den nördlichen und östlichen Landestheilen, ein „schönes
Bronzealter“, das sich lange eisenfrei erhielt, aber ersichtlich aus der alten Terra-
marestufe hervorgegangen ist. Dafür sind u. a. Funde, wie jene kroatische Fibel (As)
beweisend, welche ein Mittelglied zwischen der Terramare-Fibel und den specifisch
ungarischen Fibelformen darstellt. In Bosnien ist. wieder etwas Anderes eingetreten.
Hier — wenn wir Undset's Annahme folgen: in dem Ursprungsgebiete der
Terramare-Cultur oder in der Nühe desselben — fand das Eisen frühzeitig Aufnahme:
und mit ihm kam manche südliche Form, manches kostbare Importstück (wie jene?
griechische Helm und jene colossale griechische Fibel aus Glasinac, desgleiche?
die seltene Bronzekanne und der Opferwagen von demselben Fundort) und man-
ches Muster, das in einem einheimischen Fabrikationskreise Aufnahme und ab-
geschwüchte Nachahmung fand. Aber daneben sind, wie nirgends im Bereiche
der sogenannten Hallstattcultur, die alten Motive der Bronzezeit, die keramischen
Typen und die Formen und Ornamente des Schmuckgerüthes, lebendig und wirk-
sam geblieben). Und fragen wir uns, warum dem also war, so kann die Antwort
nach dem gegenwärtigen Stande unserer Kenntnisse wohl nur darin gefunden werdet
dass ein Formenkreis an seinem Ursprungsorte doch wohl eine ganz andere Widerr
standskraft entfalten: und gleichsam züher am Boden haften wird, als in Land-
strichen, wohin er nur durch Uebertragung gekommen ist.
(13) Hr. Dr. H. Lenz zu Lübeck hat dem Vorsitzenden unter dem 5. Februar
Exemplare eines, an sümmiliche Landschullehrer des Lübeckischen Gebietes und
der lauenburgischen und holsteinischen Enklaven im Auftrage des Vereins fü!
Lübeckische Geschichte und Alterthumskunde gerichteten Circulars vo”
1) Wenn wir in den westlichen Nachbargebieten Umschau halten, so bieten Küsten
kroatien (mit Prozor bei Otoóae, dessen einfache Fibeltypen Undset wegen der spite?
Zeit jenes Grüberfeldes nicht mit seiner Grundform zusammenstellen wollte) und Istrie?
eine Reihe verwendbarer Erscheinungen, In Istrien findet sich z. B. die typische Schmuck
nadel mit scheibenfórmigem, am Rande ringsum durchlóchertem Kopfe noch auf Gräber
feldern der ersten Eisenzeit (Pizzughi bei Parenzo), und auf dem Castelliere von villa-
nuova, wo ich 189) für die Wiener anthropologische Gesellschaft eine Ausgrabung vor
nahm, ergaben sich zahlreiche Thongefässfragmente, welche die grósste Uebereinstimmung
mit den keramischen Typen der Terramaren Italiens und der Hügelgrüber Bosniens zeigte?
(339)
teni 1890 zugesendet, welches eine kurze illustrirte Belehrung über das altsächsi-
enthalt und einen Fragebogen über Vorkommen, Einrichtung u. s. w. desselben
m er Vorsitzende hat dem Wunsche einer Prüfung genügt und einige Zusätze
" iem Fragebogen in Vorschlag gebracht, auch zugleich der Freude über das
tige Vorgehen des Vereins Ausdruck gegeben.
Gleichzeitig ist ein Schriften-Austausch beider Vereine in Aussicht genommen.
Brags Hr. A. Kunert, Pastor evangelico zu Forromecco, Rio Grande do Sul,
dureh v. übersendet, in Fortsetzung eines früheren Berichtes (Verh. 1890. S. 32),
Gesell Vermittelung des Hrn. Pfarrers Wilh. Sluyter, Agenten der evangelischen
Schaft für die protestantischen Deutschen in America, folgende Abhandlung über
das Alter der im Gebiete des Rio Cahy und Forromecco gefundenen Stein-
waffen.
s Anlage meiner Sammlung versuchte ich, das ungefähre Alter der Steinwaffen
mache hen, um etwaige Entwickelungsperioden erkennen und zugleich ausfindig
zur Du zu können, ob der hiesige Mensch wirklich erst, wie es den Anschein hat,
Sende des jüngsten Alluviums aufgetreten ist. Zu solchen Beobachtungen ist
hio, t ein Land sehr geeignet, welches der Cultur so eben erst erschlossen wird:
leicht efindet sich Alles noch in unberührtem Zustande und man müsste demnach
in te als in alten Culturlindern, im Stande sein, die Spuren der Urbewohner bis
T ere Erdschichten zu verfolgen. Es interessirte mich speciell, zu erforschen,
0 dor tieferen Anschwemmungsschichten des Cahy und Forromecco Steinwaffen
Schw hongeschirre zu finden seien. Der Humus und die oberste Schicht dieses
zur 7, imlandes ist geradezu übersüet mit Thonscherben. Wäre die Bevölkerung
esc als von den benachbarten Bergen die Erde nach und nach in die Thiler
bildy wemmt wurde, nur halb so dicht gewesen, wie zur Zeit der letzten Humus-
man ng (die übrigens auch schon ein respectables Alter haben mag), so müsste
bis o den steilen Ufern, besonders des Cahy, die Entwickelung des Menschen
"T in die Diluvialzeit verfolgen können. Vorausgesetzt aber, dass die Be-
seio, Soi chtighelt nur langsam zunahm, so müssten doch auch davon die Erd-
in de ten Zeugniss ablegen. Aber nichts von alledem, — plötzlich und unvermittelt,
ent ?r Zeit der jüngsten Humusbildung, treten uns die Spuren menschlicher Arbeit
mue Ben, und zwar in grosser Menge. Man mag sagen: die spärliche Urbevälke-
troie et in Höhlen gewohnt, und erst ihre späten Nachkommen fingen an, sich an
hier agerstätten im Urwalde zu gewöhnen, es bleibt doch, abgesehen davon, dass
Weiter nn für höchstens 3 Familien die nöthigen Höhlen vorhanden waren, nichts
Zeit à übrig, als anzunehmen, dass jene Hóhlenbewohner gar nicht lange vor der
Puy, jetzigen Humusbildung gelebt haben. Und auch dann noch müssten die
nach von Waffen und Thonscherben oder wenigstens Aschenresten stufenweise
hà Len abnehmen. Der Ansicht, dass der hiesige Mensch ohne jegliche Kunst-
ohne eit, ohne Kenntniss des Feuers dahingelebt habe, wie ein Thier im Walde,
letzte. € der langen Alluvialzeit Spuren zu hinterlassen, bis er plótzlich in der
2 T Periode den Antrieb empfing, Steine zu Waffen zu bearbeiten und Thon
Mache en Zu kneten, kann ich mich, so lange nicht wenigstens Skeletfunde ge-
vind, nicht anschliessen.
thille, lel wahrscheinlicher scheint es mir; dass die Urbewohner der hiesigen Fluss-
ist wohl grosseren Stämmen eingewandert sind (ob von der See- oder Landseite her,
aum festzustellen), und zwar ausgestattet mit Steinwaflen und der Kennt-
A2"
(340.
niss, Thongeschirre zu verfertigen. Diese Einwanderung geschah zur Zeit des
jüngsten Alluviums. Ob während dieser Zeit weitere Völkerbewegungen statl-
fanden, ob die geringe Verschiedenheit der Steinwaffen ein Zeugniss davon ist
dass die in ihren Jagdgebieten ruhig lebenden Stämme eine Entwickelung durch-
gemacht haben, ob die Waffen der ältesten Periode von einer grösseren und stär-
keren Urbevôlkerung herrühren oder ob sie bloss Eigenthümlichkeiten eines ver-
einzelten Stammes sind, wird sich vielleicht erst erkennen lassen, wenn man ein
zusammenhängendes Bild über die Alterthumsfunde der ganzen Provinz gewonnen
hai. Sicher ist indessen, dass die hiesigen Waldindianer zur Zeit der europüischen
Einwanderung von den Camposindianern verdrüngt wurden, welche auf kurze Zeit die
Jagdgründe jener in Besitz nahmen, um dann wiederum den Europäern zu weichen.
Dass diese Verdrängung stattfand, ist unverkennbar für jeden, der mit Aufmerk-
samkeit die hiesigen Steinwaffen und Thongeschirre studirt und nicht ein blosser
Sammler ist.
Bei der Abschätzung des Alters der Steininstrumente hat man folgende Anhalts-
punkte: 1. Fundort und Tiefenlage, 2. Lage der Fundorte zu einander, 3. Begleit-
funde, endlich als unsicherstes Kennzeichen 4. die Verwitterung und Inkrustirung
der Steinwaffen.
Es ist klar, dass man eine halbwegs sichere Altersabschätzung nicht in Museen
oder an fertigen Sammlungen vornehmen kann, sich auch nicht auf Berichte von
Colonisten, welche die Steininstrumente fanden, verlassen darf, sondern durchaus
persönlich alle genannten Anhaltspunkte prüfen muss. Aus diesem Grunde habe
ich auch bei vorliegendem Berichte nur diejenigen Steinwaffen in Betrachtung ge-
zogen, betreffs derer ich absolut sicher bin.
Im Allgemeinen bietet die Tiefenlage der Funde an sich allein kein besonders
werthvolles Kennzeichen zur Bestimmung des Alters, denn, wie schon gesagt, e$
handelt sich nur um die oberste Alluvialschicht. Diese hat im Laufe der letzten
50 Jahre nach dem Aufhauen des Waldes durch An- und Abschwemmung be-
deutende Veränderungen erlitten. An einzelnen Stellen sind neuere Instrumente
mit hohen Lagen von Kies, Lehm und Humus bedeckt, ältere Steinwaffen aber
blossgelegt worden. So habe ich an eine?
Stelle etwa 2 Fuss lief im Humus neue
Sachen gefunden; darüber lag eine Lehm-
schicht von ungefähr 1 Fuss Dicke und
oben darauf alte Topfscherben und Stein-
- splitter, sowie auch geringe Áschenreste.
we Dieser ältere Feuerplatz lag ursprünglich
5 e. etwas höher am Berge als der neuere, und
Aii, so war es möglich, dass die älteren Sachen
K ältere Funde, L Lehm, J jungere Funde, über die neueren gerollt wurden. Dieser
H Humus, G Geschiebe, F Fels. Vorgang sieht nicht vereinzelt da, man
sieht aber, wie irüglich es ist, so ohne
Weiteres den Schluss zu zichen, dass tiefer liegende Instrumente älter sein müssen
als höher liegende, Man mag Meinen, dass man doch immerhin beurtheilen kann,
ob die Fundstücke noch unberührt oder ob sie durch Wasser auseinander geworfen
wurden, — das ist aber nur in den seltensten Fällen móglich, und nur für den-
jenigen, der die Erdbewegung des betreffenden Fundortes längere Jahre hindurch
genau beobachtet hat. Erschwert wird ferner die Sache dadurch, dass die Stein-
waffen sehr vereinzelt liegen, und unter 100 Steinäxten nur kaum bei 20 ein Zu-
sammenhang mit einem Scherbenhaufen nachzuweisen ist. Ferner habe ich beob-
iv)
(341)
Aelteste Periode. Fig. 1—4.
Fig. 1 Porphyrbeil, gef. im Morro
diable, Land von Thums. Be-
Sleitfund: kaum erkennbare Thon-
Scherben. — Fig. 2 Basaltbeil,
set, im Morro diable, Land von
Häfliger. — Fig s gteinbeil, gef.
"^ Morro diable, Land von Blau.
— Fig. 4 Bruchstück einer Stein-
xt, gef. zusammen mit Fig. 2.
Mittelperiode, Fig. 5-12.
Tg. 9 nach Art der Pfeilspitzen
a auene Axt. Feliz, Land von
cond, — Fig. 6—8, Fundort Land
^! Fleck, Feliz Begleitfunde:
e ribpte Scherben und ein kleiner
M £ — Fig. 9, Fundort Land von
Fro Tass, Feliz, — Fig. 10 Linha
Bi eS, Land von Althaus. —
Yon 11 Escadinha-Cahy, Land
n Panzenhagen. — Fig. 12
Porromecco, Wasserschmied.
Neuzeit. Fig. 13—18.
ut l3a runde Axt, 5 dieselbe |
his len. — Fig. 14 Steinaxt mit ^ ;
Ponge. Forromecco, Land von
Berk Begleitfund: Eisen- 4
in Fey; — Fig. 15 Steinaxt, gef.
Belin Oh, Land von Fleck:
Seem funde: bemalte Scherben,
mit em, — Fig. 16 Steinaxt
Poly "ne, Palmyra, Land von
Scherbe Begloitfund : gerippte
hauen n — Fig. 17 Steinaxt, be-
Yon wok im Morro diable, Land
Toyg, eT. Begleitfund: neuere
axi mit pen. — Fig. 18 Stein-
bach. «nne, gef, Passo de Sel- - | 4
ahy, Begleitfunde: be- X " y
Malte Scherben. “ M
“Che, wie Steinwaffen im Winter in den erweichten Humus einsanken und zuletzt
a der unterlagernden Lehmschicht liegen blieben, so dass es den Anschein hatte,
ob der sie bedeckende Humus erst später darüber gekommen sei. Wollte man
i, etwa berechnen, um wie viel sich die Humusschicht von Jahrzehnt zu Jahr-
eiut durch vegetabilische Abfülle verdickt, und dann einen Schluss ziehen auf das
GC >.
Alter der Steinwaffen, so kiime man zu den verschiedensten und abenteuerlichsten
Resultaten.
Sehr werthvoll ist es, wenn man etwa 2 oder 3 in nicht zu grosser Entfer-
nung von einander liegende Feuerstellen unterscheiden kann. An solchen Orten
haben sicherlich nicht mehrere Familien oder Stämme zu gleicher Zeit gehaust,
sondern solche Lagerplätze gehören verschiedenen Generationen an. In hiesiger
Gegend. legitimirt sich gewöhnlich eine dieser Lagerstellen durch mehr oder weniger
zahlreiche bemalte Scherben als eine neue (100—300 Jahre). Ich erwühne hier
den Lagerplatz auf dem Lande des Colonisten Fleck, Piccade Feliz-Cahy, den ich
am Schlusse meines ersten Berichtes beschrieb. Hier lagen neben und über ge-
wühnlichen gerippten Scherben auch bemalie aus der Neuzeit, sowie Knochen, See-
und Flussmuscheln. Eisengeráth fand ich hier nicht, möglich, dass sich später
solches findet, denn der sehr grosse Feuerplatz ist nur erst zum kleinsten Theile
von mir umgegraben worden. Die Vegetation, die den Ort überwuchert hat, be-
steht aus dornigen Hecken und Schlingpflanzen; einige Bäume, die daraus hervor-
ragen, unterscheiden sich durch ihre Kleinheit von den sonstigen Urwaldsriesen.
Es ist zweifellos, dass dieser Lagerplatz der Neuzeit angehört. Etwa 500 m weiter
nördlich von dieser Stelle am Berge ist ein zweiter Lagerplatz. Hier sind die
Bäume so hoch, wie alle anderen. Asche und Kohlenspuren waren nicht vor-
handen, wohl aber eine Menge gut gebrannter und solid gearbeiteter Thonscherben.
Die grossen Tópfe waren alle zerbrochen, von einem fand sich noch der Rand und
nur ein kleiner, recht sorgfältig gearbeiteter Topf war noch ziemlich unverletzt
(Verh. 1890. S. 32. Fig. 4). Später fand der Besitzer des Landes auf derselben
Stelle noch die Steinbeile Fig. 6—8 und da sich dieselben auch durch ihre In-
krustirung von dem auf dem neuen Lagerplatze gefundenen Steinbeile (Fig. 15)
unterscheiden, so ist wohl gestattet, diese Instrumente der der Neuzeit voran-
gegangenen Periode, welche ich Mittelperiode nennen müchte, zuzuweisen. Ich
mache darauf aufmerksam, dass die Beile der Mittelperiode an der Schneide theil-
weise schmaler sind, als am stumpfen Ende, was bei den Beilen der Neuzeit nur
sehr ausnahmsweise der Fall ist: diese sind an der Schneide breiter, als am
stumpfen Ende. Das ist ein werthvolles Unterscheidungszeichen, welches ich an
hunderten von Steinäxten beobachtet habe. Ganz scharf ist die Scheidung nicht,
denn manche Stämme blieben auch in der Neuzeit in Betreff des Formens und
Brennens ihrer Thongefässe bei der von den Vätern überkommenen Art; in der
Art ihrer Waffenbearbeitung freilich waren sie weniger conservativ, wenngleich der
Fortschritt solcher einsamen und abgelegenen Stämme (Reste der Waldbugres) nur
ein geringer ist.
Ein zweifelloser und bezeichnender Unterschied zwischen 2 Perioden liess sich
auch an den Steinfunden auf dem Morro diable fesstellen. In einem hohlen Baum®
(also Neuzeit) wurden etwa 30 Steinüxte gefunden, wovon ich 12 erhielt. Diese
Beile sind behauen und an der Schneide polirt (wahrscheinlich durch den Gebrauch)-
Die Begleitfunde bestanden aus Scherben gewöhnlicher gerippter dünnwandiger
Töpfe, schön gearbeiteten Schiisseln, Pfeilspitzen von Achat, Achatsteinbrocken und
sehr vieler Asche.) Knochen und Eisen war nicht vorhanden. Wenn man die
Fundstücke zusammen vor sich sieht und sie mii denen anderer Lagerplitze ver-
gleicht, bekommt man sofort den Eindruck, dass der betreffende Stamm eine gan?
besondere Intelligenz gehabt haben muss. Einige der Steináxte waren so gearbeitet,
1) Ebenso fand man eine vereinzelte Bola, und diese verrieth deutlich genug, da$$
der Stamm vom Campo hierher gewandert war.
542)
(343)
dass man einen Stiel daran befestigen konnte, obschon die Befestigungsrinne fehlte.
Andere waren wieder nur für den Gebrauch in der blossen Hand bestimmt.
Hätte sich nun in der Nähe vorbeschriebenen Ortes noch ein anderer Lager-
Platz mit gewöhnlichen Scherben auffinden lassen, so wäre wohl auch hier eine
Mittelperiode erkennbar gewesen. Aber Töpfe, Urnen oder Scherben sucht man im
Umkreise von !/, Meile vergebens. Wohl aber fand man auf dem dicht nebenliegen-
den Lande (von Häfliger) ein walzenförmiges, sehr verwittertes Basaltbeil (Fig. 2),
Sowie das Bruchstiick einer gewöhnlichen Axt (Fig. 4). Beide Instrumente gehören
Zusammen, da sie nicht nur von demselben Material gearbeitet und zusammen ge-
fanden Sind, sondern weil auch die Verwitterung eine gleichmässige ist. Auf einer
anderen nebenliegenden Kolonie (Land von Thums) wurde beim Sturze eines sehr
alten‘ Baumes in dem Felsgerólle, das dessen Wurzeln miigerissen hailen, ein
Porphyr-Beil gefunden (Fig. 1). In dieser Erde fanden sich auch noch sehr geringe,
Kaum erkennbare Scherbenspuren. Beide walzenförmigen Beile sind einander so
ähnlich in der Form, wie nach ihrer Verwitterung, dass sie zu gleicher Zeit von
dem gleichen Stamme gebraucht sein müssen. Das Basaltbeil lag auf einem Hügel-
Tücken, das Porphyrbeil an einem Abhange ziemlich tief im Boden und gleich tief;
beim Ausgraben eines Lehmloches fand ein anderer Kolonist (Blau) in der Nähe
das Beil (Fig. 3). Dieses Beil ist nicht verwittert, wie die anderen beiden; es
Scheint, dass die gute Politur dies verhindert hat, sowie auch seine geschützte
Lage im festen Lehm, doch hat es ganz dieselbe Form, nur ist die Spitze ab-
Sebrochen. Es lässt sich erkennen, dass es zuerst aus dem Steinknollen roh zu-
Schauen, dann etwas feiner gepickt und zuletzt polirt worden ist. An einer Stelle
Ist das Behauen nicht recht gelungen, es sprang zu viel ab, aber trotzdem hat der
Bugre, der es gebrauchte, über die schadhafte Stelle hinwegpolirt. Diese 5 Beile
(Fig, 1, 2, 3) sind fast doppelt so gross, wie alle übrigen, die ich gesehen habe.
Aus der starken Verwitterung der Beile selbst, ihrer auffälligen Form und
Grôsse, aus der Abwesenheit eines (verschütteten oder verschwemmten) Feuer-
Dlatzes, sowie wegen der ganz morschen, kaum erkennbaren Begleitfunde von
Scherben, ferner aus dem ‘Umstande, dass am Fusse des Morro diable, etwa
| Stunde vom Fundorte dieser Beile entfernt, eine Mittelperiode zu constatiren ist,
deren Steinbeile die Form wie Fig. 8, 11 und 12 haben, schliesse ich, dass die
Waffen (Fig. 1, 2, 3, 4) der ältesten Periode angehören. Vielleicht ist das
letztgefundene Beil (Fig. 3) etwas jünger, aber jedenfalls nicht viel. Ueberdies
“hielt ich aus derselben Gegend noch eine abgebrochene, sehr stark verwitterte
Axtschneide, die ebenfalls von einem Beile wie Fig. 1 und 2 stammt.
. Findet man in einem kleinen Umkreise viele Feuerplätze und Scherbenhaufen,
Me das im Thale des Cahy und Forromecco häufig vorkommt, so ist man nicht
n der Lage, festzustellen, zu welchem Feuerplatze die gefundenen Steinüxte eigent-
Ich gehôren, und man muss sich die Anhaltspunkte zu einer Altersbestimmung
= den vereinzelter liegenden Fundorten suchen. Die plump und roh gearbeiteten
rep fir alt, die gut und geschickt gefertigten für neu zu erklären, wäre
Stark voreilig. Die Neigung, dies zu thun, besteht aber. Auch môchte ich die
fall e Verwitterung nur sehr bedingungsweise als Alterskennzeichen anschen, jeden-
zieh aber bei nur einzeln gefundenen Instrumenten lieber gar nicht in Betracht
als en. Es ist klar, dass ein behauenes, wenig geglättetes Beil leichter verwittert,
Ins. glattpolirter Flusskiesel unter gleichen Bedingungen. Zudem kann ein altes
Bep ent in geschützter Lage ziemlich unversehrt bleiben. Ferner leistet ein
U welches aus einem oberflächlich vom Felsen abgesprengten Stücke gearbeitet
(344)
ist, den Angriffen der Zeit und des Wetters weniger Widerstand, als ein solches,
das aus dem Kerne desselben Felsstückes hergestellt ist.
Ich besitze z. B. ein sehr roh behauenes Beil mit Stielrinne, stark verwittert
(Fig. 14). Dass es aber trotz der starken Verwitterung der Neuzeit entstammt,
verräth der eiserne Griff eines alten spanischen Stossdegens, wie solche etwa vor
300 Jahren in Gebrauch waren. Dieser Degengriff wurde mit dem Beile an dem-
selben vereinzelten Lagerplatze gefunden. Hier lag auch noch ein anderes gan?
plumpes Beil aus Flusskiesel, nur wenig inkrustirt. Beide Instrumente scheinen
der frühen Neuzeit (Uebergangsperiode?) anzugehören. Die Scherben des Feuer-
platzes waren gerippt.
Betreffs der runden Aexte (Fig. 13) herrscht die Meinung, dass sie nur in der
Waldregion hiesiger Provinz gefunden werden und darum eine Waffe der Wald-
bugres seien. Wenn das der Fall wäre, so könnten nur die Waldbugres der Neu-
zeit diese Waffe besessen haben. An Fundorten, die mit Sicherheit der Mittel-
periode entstammen, habe ich runde Axte ebenso wenig, wie Bolas, entdeckt. Runde
Aexte werden in hiesiger Gegend nur da gefunden, wo auch bemalte Scherben,
neuere Töpferarbeiten und Bolas vorhanden sind, und da ich nicht annehmen kann,
dass die Waldbugres der Neuzeit so unpraktisch waren, sich im Walde mit Bola-
werfen abzuquälen, vielmehr die Bolas als Waffen der in den Wald retiririen
Campos-Indianer kenne, so hege ich die Ansicht, dass diese fliehenden Camp-
Indianer auf ihrem Rückzuge, der mit ihrer Neuzeit zusammenfällt, in Betreff ihrer
Waffen einen Fortschritt machten und die runden Aexte erfanden. Auf dem Campo
fanden sie dazu nur wenig geeignetes Material; als sie aber in den gebirgigen
Urwald drangen, bot sich ihnen hartes Steinmaterial die Fülle. Die runden Aexte
sind auf dem Campo selten (ich besitze 2 Stück, die auf dem alten Campo von
Sáo Leopoldo gefunden wurden), im Urwalde aber sind sie viel häufiger. Wenn
einmal spüter der Campo so gut umgehacki und umgepflügt sein wird, wie die
Wald-Kolonie hiesigen Staates, dann werden auch noch mehr runde Aexte zum
Vorschein kommen.
Ausserdem findet man hier und da kleine Steinüxte, die am stumpfen Ende platt
geschliffen sind (Fig. 19). Diese eignen sich wegen ihrer Kleinheit meist nicht zum
Handgebrauch, vielmehr wurden sie augenscheinlich in einen Stiel befestigt, auf die
Art, dass man in den Stiel eine Hóhlung machte (Fig. 20). Diese kleinen Aexte habe
ich ebenfalls nur in Gemeinschaft mit Bolas und bemalten Scherben oder wenig-
stens mit besseren TOpferarbeiten gefunden. Aus der Zeit vor der europäischen
Einwanderung sind mir solche noch nicht bekannt geworden.
Ausser den Steinäxten sind noch folgende Steininstrumente zu erwühnen:
1) Behauene Pfeilspitzen von Achat. Nur einige solche Pfeilspitzen habe
ich an Begleitfunden als der Neuzeit angehürig erkennen können; im Ganzen
konnie ich ihr Alter nur aus der leichten Verwitterungsschicht muthmaassen, und
da ergiebt sich, dass die anscheinend alten Pfeilspitzen genau ebenso sorgfältig
gearbeitet sind, wie die neuen, und dass keine Abweichung in der Form stattfindet.
2) Sandreibsteine (Fig. 21). Diese sind handgross und grósser, theilweise
glatt und abgenutzt, theilweise auch mit tiefen Rünnen, die sich öfter kreuzen, ver-
sehen. Es ist unklar, welche Instrumente auf solchen Steinen geschliffen wurden-
Das Schleifen von Aexten, Bolas oder Eisengeräth erzeugt so tiefe Rinnen nicht,
höchstens können Schmuckperlen oder Pfeilhölzer darin glatt geschliffen sein. Die
Reibsteine der Mittelperiode und der Neuzeit sind sich gleich.
3) Topfsteine (Fig. 22, a—c). Ueber solchen Steinen formte man den Boden
der Tópfe, darum findet man sie in der Náhe von Brennlóchern. Die Scherben dieser
co
<a; = Ü
. vf Auc A LE
CELA. up T or
=
a Topfsteine, Asche, Scherben. TEN i
b Scherben, Knochen, Abfülle, Asche. Ja ÿ ts
Je LS
Bre 3
dep Scher findet man oft 2 Fuss tief im Boden, und man denkt dann, einen Tieffund,
and ?iner früheren Periode angehórt, gemacht zu haben, zumal ófters auch Knochen
an tige Abfälle in das gebrauchte Loch hineingeworfen wurden (Fig. 23).
die ) Stampfkeulen (Fig. 24). Das sind oft grosse und. schwere Instrumente,
Was, wie die Tradition sagt, zum Zerstampfen von Beeren, Palmherz und
tese des wilden Mandiok gebrauchte. Jch habe nur wenige solche Instrumente
*h, und zwar meist zerbrochene. —
den, 19 Hr. Rathschreiber G. Strass zu Meersburg am Bodensee berichtet unter
2. März über
I neue Funde im Bodensee.
Welche Anschluss übersende ich einige Zeichnungen von neueren Fundstücken,
hier . Sich bei den jüngsten Ausgrabungen im See, welche ich in der Nähe von
mio, 0 liess, ergaben. Der Pegelstand des Sees war 2,54, während der
etry Stand gegen 4 m ist. Die äusserste Entfernung von der Uferbóschung
Wage, à 25 m. Die Stellen, an denen gegraben wurde, waren theilweise mit
Unter q edeckt, bis zu 15 cm. Als der See überfroren war, war das Wasser ruhig
Di er Decke und leichter zu bewältigen.
keine N gefundenen Gerüthe sind meistens aus Horn und Bein, wenige aus Stein,
us Metall. Naturalien fanden sich ziemlich hüufig und boten einiges Neue.
45.
2
(346)
1) Thonscherben mit Randverzierung (Fig, 1). Seltenheit hier. Unverzierte
Stücke giebt es die Menge.
2) Stück Bein. Zum Gebrauch ausgebrochen und durch Gebrauch geglättet.
Zweck unbekannt.
3) Stück Hirschhorn. Zum Gebrauche geschnitten, benutzt. Zweck unbekannt
4) Geschliffenes Beil aus Horn.
9) Fischerangel von bemerkenswerther Gefälligkeit der Form aus Horn (Fig. 2)-
Figur 1. Figur 2. Figur 3.
pum = 5
= d >
Bass
3/, der natürlichen Grösse.
6) Glatte Lamelle, gebraucht, aus einem Rippenstück hergestellt. Zweck un-
bekannt.
1) Geschliffener Meissel aus Knochen vom Hirsch.
8) Geschliffenes durchbohrtes Gerüth, aus einer Rippe hergestellt. Zweck
unbekannt.
9) Abgebrochener, geschliffener Beinmeissel.
10) Zugeschliffenes lôffelartiges Geräth aus Bein (Fig. 3).
Ausserdem fanden sich aus dem Steinreiche: Feuersteine, bearbeitet und nicht
bearbeitet, meist grau, schwarz oder roth; 2 grössere Handstücke, wie kleinere,
zeigten keine Benutzung zum Feuerschlagen. 1 tellerfórmiger, in der Mitte durch-
bohrter Stein von hier nicht gewühnlichem Sandstein. ?2 Stücke rothfarbenen
Erzes werden weiter untersucht. Steinmeissel, schwarz, polirt. Steinmeissel, halb-
geschliffen, abgeschaftet. Steinmeissel, roh zubehauen zu weiterer Bearbeitung, un-
gebraucht. Steinmeissel, gebraucht, roh mit wenig Bearbeitung. 1 Stück Löffel
aus halbgebranntem Thon geformt. Sog. Kornreiber, Glasstücke, versteinertes Horn
stück, bemaltes Steinstück.
Aus dem 'Thierreiche: wie früher, Bos Taurus, Hirsch, Sus, Capreola, Capré
Equus, neu. Igel und Hund, von letzterem gut erhaltener Schädel mit 10 Zühne*
des Oberkiefers, Unterkiefer fehlt, Stirn 4 cm breit, Hinterkopf bis zur Naht 5 cm
Länge des Kopfes von oben bis zum Ende des Nasenbeins 16 cm.
Aus dem Pflanzenreich. Als neu ermittelt sind aufzuführen: Samen vom
Seifenkraut und Froschlöffel.
(16) Das correspondirende Mitglied, Hr. Bernhard Ornstein zu Athen über”
sendet unter dem 16. März folgende Mittheilung über
silberfarbiges Haar.
In Nr. 334 des Jahrgangs 1884 brachte die hiesige ,Ephemeris* in ihrem
Blatte vom 23. December a. St. die Neuigkeit, dass eine mit ihrer Mutter in Paris
sich aufhaltende junge Polin, Namens Sacha, durch ihr silberfarbiges Haar vo?
(841)
Seltener Schönheit die Bewunderung der mit ihr verkehrenden oder ihr begegnenden
Personen auf sich ziehe. Dieser von der Ephemeris quasi als Unicum be-
Zeichnete Fall gab Anlass zu der folgenden, in Nr. 339 derselben Zeitung ent-
haltenen, einschlägigen Mittheilung des auf Ithaka ansässigen, bekannten Rechts-
Ahwalts, Hr, Hippokrates Karavias. Früulein Sacha, schreibt derselbe, hat eine
ébenbürtige Nebenbuhlerin in Griechenland, und zwar auf meiner Heimathinsel
Tihaka, in der achtjührigen Tochter des Fassbinders Labova. Das Müdchen, be-
fichtete er weiter, ist weisshaarig geboren, ohne dass es Merkmale von Albinismus
M sich trüge. Die lebhaften Augen, sowie die blühende Gesichtsfarbe sprechen
für normale Gesundheitsverhältnisse. Bemerkenswerth ist, dass die Hautfarbe der
Eltern in's Brüunliche füllt oder wenigstens den Eindruck eines vergleichsweise
dunklen Colprits macht. Somit, schliesst der Epigone des Ulysses schwunghaft,
kann Griechenland sich rühmen, nicht nur die goldhaarige Sphakiotin") zu besitzen,
wonder auch ein lebendiges und vollkommneres Exemplar dieser Art: „das silber-
“arige Mädchen von Ithaka“.
Nach einigen Wochen, am 28. December 1884 a. St, verüffentlichte dasselbe
Blatt nachstehende, hierhergehörige Beobachtung des in Galaxidi wohnhaften Arztes
Dr. Karalivanos: „Vor 17 Monaten begab ich mich zum Besuch eines Kranken
Nach Amphissa Ich sah unter anderen daselbst ein junges Mädchen, welches
Nach einiger Zeit, wie ich erfahren habe, gestorben ist. Dasselbe war 12 Jahre
al, hübsch von Gesicht, von weisser Hautfarbe und sanguinisch-lymphatischem
Temperament. Auch der Wuchs war dem Alter entsprechend, dagegen waren
Augenbrauen, Wimpern und Kopfhaar silberfarbig. Auf meine Erkundigung erfuhr
ns dass die Eltern, welche ich überdies persänlich kenne, von Gesicht und Haaren
räumlich, kräftig und gesund sind, dass sie drei dergleichen weisshaarige Kinder,
zm Männliches und zwei weiblichen Geschlechts, erzeugt hatten. Der Knabe starb
m Alter yon zwei, das eine Müdchen von acht Jahren und das dritte, von dem
tie Ree ist, bald nachdem ich dasselbe zu sehen Gelegenheit hatte. Auf diese
Ny Kinder folgten noch drei andere, welche keine Spur dieser Abnormitit an sich
en“.
_ Ferner schreibt die „Neue Zeitung“ in ihrer Nr. 346 desselben Jahres: „Es
"ird viel über ein Müdchen in Ithaka gesprochen, welches mit weissem Haar
Seboren ist, wie wenn es sich um etwas sehr Seltenes handelte. Auf Paxos
a lab — lebt nach dem „Volk“ (einer seitdem eingegangenen Zeitung) em von
burt weisshaariges Brüderpaar, Söhne des Nicola Arvanitakl. Das Merk-
à, igste dabei ist, dass der Vater derselben von brüunlicher Gesichtsfarbe und
kelhagrig ist.“
acht Obgleich ich seit 56 Jahren in Griechenland lebe und dasselbe Ende der
hab ger Jahre als Sanitäts-Inspektor in allen Richtungen nr durchkreuzen hatte,
tese nA doch nie Gelegenheit gehabt, einen derartigen » n POP Ab
ticht en von der unverbürgten, das polnische Fräulein betre en en eitungsnac -
halte Würde ich mich auch dem ersten und dritten Fall gegenüber skeptisch M
keit y wenn nicht die Mittheilung des Kollegen Raralivanos volle MM S
in Ga spruchen dürfte. Der mur seit 1847 bekannte, _bedächtige ann,
Wi Öttingen studirt und daselbst im Jahre 1846 doctorirt hat, beschreibt. 1e
p,, Perm, die Brauen und die Kopfhaare als silberfarbig ,dpyupobareis . Diese
“elchnung schliesst in meinen Augen die Vermuthung aus, dass die lebhafte
des » a XQUGOUALLOUGE täv Zqpaxımy ist eine Anspielung auf ein so betiteltes Gedicht
Usionirten Gymnasialprofessors Antoniades.
(858)
griechische Phantasie das hieroris allerdings seltene hellblonde Haar zu einem
silberfarbigen gemacht haben könne.
Aus den vorstehenden drei Beobachtungen lüsst sich meines Dafürhaltens keine
weitere sichere Schlussfolgerung ziehen, als dass die Pigmentkärnchen in der
Marksubstanz des -silberfarbigen Haares entweder nicht so entwickelt, oder nicht SO
dunkel sind, als gewöhnlich, oder dass sie vollständig fehlen. Dieser abnorme Zustand,
der nur sporadisch beobachtet und nicht vererbt wird, weckt freilich auf den ersten
Blick die Erinnerung an Albinismus, doch liegt auch in obigen Fällen der Gedanke
nicht fern, dass derselbe lediglich als ein vereinzeltes Kennzeichen der Leuküthiopie
in die Erscheinung trit. Der Zufall hat mir allerdings keinen Albino der oceani-
schen Rassen oder der Galla's u.s. w. in den Weg geführt; indess hatte ich ein-
mal Gelegenheit, einen Kakerlaken aus dem Harz auf der Braunschwgiger Messe
zu sehen. Ich habe heute noch das Bild des jungen Menschen mit der milch-
weissen Haut, dem schlichten weissen Kopfhaar, der blassen Iris, der rothen Pupille
und der fortwährend zitternden Bewegung des Augapfels vor Augen. Wir stehen
hier vor einem Symptomencomplexe, zu dem sich nach mir zugängigen Autoren
ausser einem in der Regel schwächlichen Körperbau und einer solchen Musculatur
noch Lichtscheu und Kurzsichtigkeit gesellen und somit dem Individuum ein nahe-
zu pathologisches Geprüge aufdrücken, wührend die weisse Haarfarbe an und für
sich als ein Naturspiel ohne jedwede functionelle Stórung sich kundgiebt.
Warum sollte nicht auch beim Menschen eine Abnormität zur Beobachtung
kommen, welche bei Thieren, wie z. B. in seltenen Fällen beim weissen Ele-
phanten in Siam, in Europa häufiger bei isabellenfarbigen Pferden, ohne Functions-
beeinträchtigung vorkommt? So habe ich die persónliche Erfahrung gemacht, dass
das in der Umgebung der Stadt Mitylene auf Lesbos und besonders in der Nähe
der 2 Stunden entfernten heissen Schwefelquelle weidende Rindvieh fast durch-
güngig isabellenfarbig ist, und zwar von einem vergleichsweise etwas helleren
Colorit, als die Pferde dieser Art zu zeigen pflegen.
Schade, dass obige silberfarbigen Haare bezüglich ihrer Structur- und Textur-
verhülinisse nirgends mikroskopisch untersucht wurden.
(17) Hr. Paul Ehrenreich übergiebt eine Anzahl von ihm im Sommer 1890
auf Hissarlik aufgenommener Photographien zum Geschenk.
(18) Hr. A. Baessler hat eine Ausstellung zahlreicher Photographien von
Sulu, den Philippinen und den Molucken im Saale veranstaltet.
(19) Hr. Bartels zeigt neuerdings veröffentlichte Abbildungen von den
Ruinen von Zimbabye
im Matabelen-Lande, Süd-Afrika, welche theils in den Proceedings of the Royal
Geographical Society London 1891, zum grösseren Theile in der Zeitung: The
Cape Argus (17. Oct. 1890) erschienen sind. Ausserdem legt er die nach den
Originalen aufgenommenen Photographien des ornamentirten Steins und der
steinernen Vogelfigur vor, welche Hr. Willy Posselt (Middelburg, Transvaal) von
den Ruinen von Zimbabye mitgebracht und deren Zeichnungen Redner schon in
der December - Sitzung 1889 gezeigt hat. Diese Photographien sind ihm von
Hrn. Posselt, der Cape Argus von Hrn. Missionar Schloemann (Mpome, Trans-
vaal) übersendet worden.
gq.
(349)
(20) Hr. R. Buchholz zeigt einen
Schädel aus dem slavischen Gräberfelde von Blossin.
eM der wendischen Skeletgräberstelle bei Blossin, Kreis Beeskow-Storckow,
und welche ich im vorigen Jahre zweimal berichtete (vergl. Verhandl. 1890 8. 376
"" oon ist es nach Ausgrabung von 42 Skeletten, deren Gebeine fast ganz
Me allen waren, endlich gelungen, einen, zwar nicht intakten, aber doch noch zu
lich Ee" geeigneten Schädel zu finden. Da aus den weiteren Funden, nament-
en dem Topfgeräth und den Eisensiücken, der wendische Charakter der Gräber-
sonde erwiesen ist, so ist die mehr dolichocephale Form dieses Schädels von be-
Bey erem anthropologischem Interesse und ich lege ihn deshalb zur fachkundigen
rtheilung vor.
Ont 0 den sonst noch auf der Stelle gefundenen Knochenstücken zeigte ein
Meg Star an der äusseren Seite der Vorderzähne einen grünlichen Bezug von
son ONT so dass zu vermuthen war, man habe dem Todten eie Münze oder
tu ein Metallstück in den Mund gelegt. Der Finder wurde zwar daraufhin
hat Sofortigen Durchsuchung der betreffenden Erde mittelst des Siebes veranlasst,
aber nichts mehr gefunden. —
en, Vircho w: Der mir zur genaueren Bestimmung übergebene Schädel ist in
Uni, Scbrechlichem Zustande zu Tage gefördert. Die ganze rechte Seite bis zum
ein N leferwinkel ist zertrümmert gewesen und obwohl sich daraus noch wieder
dugg liches Ganzes hat herstellen lassen, so sind doch Capacıtät und Breiten-
d des Gesichts nicht zu bestimmen. Nach dem Zustande der Knochen
Solche, man eigentlich auf ein sehr hohes Alter des Grabes schliessen, indess sind
© Schätzungen bekanntlich sehr unsicher.
Die Nach meiner Annahme handelt es sich um den Schädel eines jungen Mannes.
T Ufangsmaasse (horizontal 523, sagittal 400 mm) sind betrüchtlich. Der starke
ey, CW Ulst bildet über der Nasenwurzel einen steilen Absatz. Die Stirn ist
Über. zurückgelegt und geht langsam in die sehr lange und hohe Scheitelcurve
Unter Des Hinterhaupt tritt mit voller Wolbung vor. Die Zähne ım Ober- und
Kron, lefer sind wenig abgenutzt, die Weisheitszihne haben ganz unversehrte
ens aber auch die übrigen Zähne zeigen ihre Spitzen und Schneiden noch
ich unversehrt.
Bop Interesse an dem Schädel wurde hauptsächlich angeregt durch seine
Schäd à welche stark an die der Reihengrüberschádel des Westens ennnern: die
Otho. kapsel erscheint lang, schmal und hoch, das Gesicht hoch, die Kiefer fast
Platt 8nath, mit einer schwachen Vorschiebung der mittleren Zähne. Die Gaumen-
et tief und etwas breit. Das Kinn stark progenaeisch.
Indic, Messzahlen sind in einer Tabelle zusammengestellt. Aus den berechneten
(Länge ergiebt sich für den Schädel ein hypsidolichocephaler Typus
hohe 7 preitenindex 10,9, Lüngenhóhenindex 77,2). Der Hinterhauptsindex hat die
trägt - von 31,7. Die gerade basilare Länge vor dem Foramen magnum be-
Partei mm. An der Scheiteleurve betheiligen sich das Stirnbein mit 34,2, die
si, mit 34,5, die Hinterhauptsschuppe mit 31,2 pCt. Dieser sehr regel-
ha; 572 Bildung entspricht der ganz normale Zustand der Nähte. Selbst die Stirn
Men minimalen Durchmesser von 98 mm.
. Der Gesichtsi . 322 al . . I. . .
Ziemlich oe sindex ist leider nicht zu bestimmen. Die Orbitae haben einen
im late, achen oberen Rand, sind in ihrem medialen Abschnitt eng und niedrig,
ralen in der Diagonale nach unten und aussen weit und daher schief; Index
re
74,3, hyperchamaekonch. Die Nase schmal, ihr Ansatz tief, der Rücken leicht
eingebogen und mässig vortretend, Index 46,8, leptorrhin. Der Unterkiefer zart
seine Aeste schmal und schräg gestellt. Hier erscheint daher nur der gedrückt
Bau der Augenhühlen auffüllig; er zeigt eine Eigenschaft, die ich von alten Slave?
schädeln häufig erwähnt habe.
Im Uebrigen gehört der Schädel nach seinen Eigenschaften in jene immer
mehr anwachsende Zahl von Reihengräberschädeln des nordöstlichen Deutschlands
die wir früher für germanische hielten, die aber nach der Beschaffenheit der per
gaben als slavische anerkannt werden müssen. —
Das noch ausserdem vorhandene, zerbrochene Unterkieferstück ist, wie Her
Buchholz mit Recht betont hat, in seiner Mitte stark gefärbt. Namentlich die
Sehneidezühne zeigen, und zwar, was besonders bemerkenswerth ist, an den etwa?
abgeschliffenen Schneiden, eine intensiv grüne Fürbung, welche wohl nur auf die
Lage einer kupfernen Münze") zwischen den Záhnen bezogen werden kann. —
I. Messzahlen des Schädels.
Grösste horizontale Länge. . . . - es 189 mm
» » Breite. . . . ls 134t ,
Gerade Hóhe . . . . . . . . . 11045 146 ,
Ohrhóhe . . . . . . . . . . . . e 124 ,
Gerade Hinterhauptslànge . . . . . ... 00,
Entfernung des Ohrloches von der Nasenwurzel . . . 104
» , Foramen magnum von der Nasenwurzel 101
» » Ohrloches vom Nasenstachel . . . . 104 ,
- . Foramen magnum vom Nasenstachel . 91 ,
Ohrloches vom Kinn . . . . . . . 127
» ; Foramen magnum vom Kinn . . . . 110 ,
Horizontalumfang . . . . . . . . 523 y
Sagittalumfang des Stirnbeins e . . 187 ,
» der Parietalia . D . . .. 138 ,
» » Sq. occip. . 125
Ganzer Sagittalbogen. . . . . 400 ,
Minimale Stirnbreite . . . . . . 98 ,
Gesichtshéhe . . . . . . 5... s.s s. 12,
Linke Orbita, Hóhe . . . . . . 2... 29,
» » Breite. . . . |. 2... 299,
Nase, Hohe . . . . . . . . . . . . . . . . 47,
, Breite. . . 22
II. Berechnete Indices.
Lüngenbreitenindox . , 70,9 Hinterhauptsindex. . . 31,7 ’
Längenhôhenindex . . 77,2 Orbitalindex |. . . . 743
Ohrhóhenindex. . . . 65,6 Nasenindex . . . . . 46.8
(21) Hr. Kuttner stellt einen siebenjihrigen, auf Manila geborenen Tagale?”
Knaben vor, der von reiner Beschaffenheit sein soll und schon binnen Kurze?
etwas Deutsch gelernt hat.
1) Das von mir früher untersuchte Brandgrüberfeld bei Blossin lieferte ächte Bronze
(Verhandl. 1875 8.948). V.
: 350)
(OP
(22) Hr. Staudinger spricht, unter Vorlegung von zwei Specimina, über
Reizsteine des Penis auf Sumatra.
Zeit Bei meiner letzien Anwesenheit in Ost-Sumaira, bei welcher ich auch einige
früh In den von Battakern bewohnten Gebieten weilte, erlangte ich, wie schon
der Reisende, Kenntniss von der bei den Eingeborenen vorkommenden Sitte
Inlegung sogenannter Reizsteine.
Van sind dies jene beinahe flach-konischen Fremdkôrper, welche sich einige
un J schaften im malayischen Archipel in die Haut des Penis einheilen lassen,
amit beim Coitus einen grösseren Wollustreiz auf ihre Weiber auszuüben.
ich Verschiedene Reisende haben die Sitte erwähnt; noch nie sind aber, soviel
Fin. m die Reizkôrper selbst nach Berlin gekommen; ja, nur in selteneren
Java N sind sie überhaupt gesehen worden. Doch soll das Batavia-Museum auf
Mehrere Exemplare besitzen.
dese mir gelang es damals nicht, derartige Stücke zu erhalten. Ich bat in-
2 einen meiner Freunde auf Sumatra, sein Augenmerk auf den Gegenstand
wel et und ich erhielt unlängst durch die Güte des Hrn. Rudolf Schadt,
Bez; er früher im Grenzgebiet der noch unabhängigen Battaker lebte und gute
Zehungen zu ihnen hatte, 2 Stück davon.
"P Schadt schreibt: „Nach Aussage glaubwürdiger Battaker werden bei der
Stein enden Operation Einschnitte in die Oberhaut des Penis gemacht und die
in v unter die Haut geschoben. Einzelne Individuen haben eine Anzahl Steine
uu P ralfórmiger Anordnung in ihrem Gliede. Die Operation wird. der besseren
Maggs wegen in fliessendem Wasser vorgenommen. Das am meisten begehrte
see ui zu diesen Steinen soll eine Muschel im oder am Tobasee sein. (Der Toba-
Werd legt auf der Hochebene im Gebiete der unabhüngigen Baitaker; seine Ufer
ohne. zum Theil noch von anthropophagen Stämmen, z B. den Pack-Pack, be-
) Reiche Leute nehmen auch Gold- und Silberklümpchen".
By Aehnlich berichtete auch Dr. Hagen, ein ausgezeichneter Kenner der Battaker.
ane Sogar einen Preis für die Muschelsteine an. So einfach mag übrigens die
P rocedur nicht sein und sehr häufig mögen wohl die Steine auseitern.
zu Die der Gesellschaft vorgelegten Exemplare scheinen nicht aus Muschelkalk
By, Con, sondern gleichen bei einer, oberflächlichen Untersuchung mehr emer
Se oder Pflanzensubstanz. Hr. Dr Hilgendorf haite die Liebenswürdigkeit,
Maps Querschnitte genauer zu untersuchen, und konnte feststellen, dass das
“Tal Elfenbein ist.
A wäre nun interessant, zu erfahren, wie weit die Sitte der Reizsteine ver-
dst. Auf Java soll sie sporadisch auftreten, ebenso auf Celebes.
(Dp ig Dayakstämme auf Borneo haben eine ähnliche, noch raffinirtere Sitte
Enden bohrung der Eichel und beim Gebrauch eingeführte Silberdrühte, deren
Hoy, mit Borsten, Haaren u.s. w. versehen sind), worüber schon früher von
handiy v. Miclucho-Maclay unter Beifügung von Abbildungen in den Ver-
ügen der Gesellschaft (1876 S. 22 fgg.) berichtet 1st.
(33) Hr. Nehring berichtet über
neue Knochenfunde in den Hóhlen bei Rübeland im Harz.
vag langer Zeit schon sind die Baumannshóhle und die Bielshôhle, von
be deu. die erstere am linken, die letztere am rechten Ufer der Bode (Jedoch in
ender Hóhe über dem heutigen Wasserspiegel) liegi, bei den Besuchern des
sd
(
Harzgebirges bekannt. Auch wusste man, dass in der Baumannshôhle zahlreiche
Reste des Hóhlenbüren vorkommen. Im Laufe der letzten Jahre sind aber be
Rübeland sehr bemerkenswerthe Entdeckungen gemacht worden, indem einorseit$
neue Höhlenräume von überraschender Schönheit aufgefunden, andererseits sehr
zahlreiche und wissenschaftlich werthvolle Reste diluvialer Thiere an das Tages”
licht gebracht worden sind.
Die betreffenden Forschungen wurden im Auftrage der obersten Forstbehôrde
des Herzogthums Braunschweig und unter wesentlicher Förderung von Seiten des
Herzoglich Braunschweigischen Staatsministeriums durch die Professoren Dr. J. H.
Kloos und Dr. Wilh. Blasius vou der technischen Hochschule zu Braunschwel8
ausgeführt; einen nicht unwiehtigen Antheil an denselben hatte auch mein Bruder
der Oberförster Robert Nehring.
Nachdem Kloos bereits 1889 in einem besonderen Werke über die bei de
Durchforschung der sogenannten Hermannshóhle erlangten geologischen Ergebnisse
berichtet hatte, wobei die thierischen Reste nur nebensüchlich behandelt wurden,
lieferte Blasius kürzlich einen vorläufigen Bericht über die neuen Knochenfunde
aus den Hohlen bei Riibeland?), von welchem ich der Berliner Anthropo
logischen Gesellschaft im Auftrage des genannten Forschers, meines verehrien
Freundes, einige Abdrücke überreiche. Indem ich auf diesen Bericht, dem später
eine genauere Bearbeitung der gesammten Knochenfunde folgen soll, verweisé
erlaube ich mir, hier nur ganz kurz die wichtigsten faunistischen Ergebnisse het”
vorzuheben. Ich muss allerdings betonen, dass die Sonderung der gefundene?
'Thierresie nach Niveaus in Folge mancher Umstünde bisher im. Allgemeine?
nicht streng durchgeführt werden konnte; hoffentlich wird dieses bei den fernere?
Ausgrabungsarbeiten môglich sein.
A. Die sogenannte Hermannshöhle, welche schon vor etwa 20 Jahren durch
Geheimrath Hermann Grotrian einer vorläufigen Durchforsehung unterworfen und
neuerdings, wie eben erwähnt, durch Kloos untersucht wurde, lieferte an Thier-
resten:
1) Myodes torquatus, Halsband-Lemming;
2) Myodes obensis, Ob-Lemming;?)
3) Arvicola amphibius, Wasserratte;
4) Cricetus frumentarius, Hamster;
5) Lepus sp. wahrscheinlich der Schneehase;
6) Lagomys sp., eine Pfeifhasen-Art;
1) Foetorius erminea, Hermelin;
8) Vulpes sp., wahrscheinlich der Eisfuchs;
9) Equus caballus, Pferd;
10) Antilope sp., wahrscheinlich die Gemse;
11) Lagopus albus, Moorschneehuhn (sehr zahlreich!).
Ausserdem fand man an einer Stelle der grossen „Höhlenlehmterrasse“ zahl-
reiche Reste von Ursus spelaeus, einige Reste von Cervus elaphus und ein Unter”
kieferstück von Felis spelaea.
B. Die Bielshóhle hat bisher nur wenige subfossile Knochen gelieferb
welche uns hier kaum interessiren kónnen.
1) Verbesserter und zum Theil erweiterter Sonder-Abdruck aus Nr. 989—991 de
,Braunschweigischen Anzeigen* vom 10.—12. December 1890.
2) Von Kloos und Blasius als norwegischer Lemming bezeichnet; ich halte diese
Arb für Myodes obensis.
352)
(353)
der m Die Baumannshähle. Hier sind es vor Allem die neuentdeckten Theile
rest ôhle, welche an verschiedenen Stellen zahlreiche, sehr interessante 'Thier-
ente geliefert haben. Besonders wichtig ist ein Schuttkegel von etwa 9 m Hóhe
m 0:15 m Durchmesser, welcher sich an der Stelle findet, wo die neue Bau-
we ole mit der alien in Verbindung steht. Dieser Schuttkegel lássi von oben
iuf unten 5 Schichten erkennen, welche für die Abgrenzung der faunistischen
© von Bedeutung zu sein scheinen.
l Die oberste Schicht lieferte:
asc Lepus sp. (wahrscheinlich variabilis), das fast vollständige Skelet eines
2) Foetorius erminea, Hermelin, zahlreiche, zusammengehörige Skelettheile.
mi Etwas weiter südöstlich am Abhange des Schuttkegels: Reste von Fleder-
(Sen und Wühlmäusen.
Ein IL. Schicht. In diese Schicht gehören wahrscheinlich die bei dem ersten
ig ben in der Mitte des südöstlichen Abhanges gefundenen Thierreste, nehm-
von folgenden Arten, bezw. Gattungen:
hope) Cervus tarandus, sehr wohlerhaltene Reste, 2) Myodes torquatus, 2) Myodes
(al 1818, 4) Arvicola ratticeps und andere Arvicolen, 5) Mus sp., 6) Sorex sp.
Plnus?), 7) Batrachier. °
ma IM. Schicht. Ein fast vollständiges Schneehasen-Skelet, nebst einigen Fleder-
US-Resten,
"A Schicht. Ein fast vollstándiges Skelet des für die diluviale Steppenfauna
and akteristischen grossen Pferdespringers (Alactaga jaculus); ausserdem Reste
ie ,, agethiere wie Mus sp, Arvicola ratticeps'), und einige Exemplare von
1Sp1 a.
y, SChicht, Feiner lössartiger Sand, ohne Steine, wahrscheinlich aeolischen
gs.
eina Nach Blasius scheint durch diese Schichten mit ihren Einschlüssen eine Ueber-
d»; lagerung und zeitliche Aufeinanderfolge zweier oder vielleicht
Shi verschiedener Faunen dargelegt zu sein. „Ueber den älteren. aus-
Spas. chen Ablagerungen von Hóhlenbáren-Resten finden sich die deutlichen
Era ONCE offenbar jüngeren Glacialfauna, und es ist vielleicht das interessanteste
noch Miss der bisherigen Untersuchungen, dass sich zwischen diese beiden Schichten
ung oe Steppenfauna einzuschieben scheint, worauf die Funde der Lóssschicht
?t Knochen des grossen Pferdespringers, Alactaga jaculus, schliessen lassen.*
Zeit (Auch meine eigenen Beobachtungen sprechen dafür, dass die diluviale Steppen-
Mitteleuropas mit der sogenannten Interglacialzeit zusammenfällt.)
knapp cher, der mit dem Begriff der Steppe die Vorstellung einer Ebene Zu ver-
lang Ni pflegt, könnte vielleicht das Vorkommen von Alactaga-Resten bei Rübe-
Alae, Harz auffallend finden und darin einen Grund sehen, die Eigenschaft von
Been a jaculus als eines charakteristischen Steppenthieres anzuzweifeln. Dem
an a, Der muss ich betonen, dass Steppenfauna und Steppenflora durchaus nicht
Gay Ebene gebunden sind?) dass sie vielmehr in vielen Gegenden sich in die
. S9 hinauf und namentlich über Hochflächen derselben erstrecken. Es giebi
Sein 5 Wegen des Zusammenvorkommens mit Alactaga jaculus würde wohl noch zu prüfen
berger diese Reste nicht statt auf Arv. ratticeps auf die sehr ühnliche Arv. oeconomus
3) en könnten. ; 2 . Tad:
"nd Ste an vergleiche die bezüglichen Bemerkungen in meinem Buche über ,Tundren
Very LO" ; Berlin 1890, S. 48, 51, 54 u. s. w.
ndl, der Berl. Anthropol. Gesellschaft 1891.
928
(354)
genug Steppengebirge und Steppenplateaus, die sich mit demjenigen Theile des
Harzes, welchem Rübeland angehört, vergleichen lassen, wenn wir uns diese?
letzteren als unbewaldet vorstellen. So wie heutzutage der grosse Pferdespringe
in den steppenartigen Distrikten bei Slatoust im südlichen Ural oder an den
steppenartigen Abdachungen des Altai ziemlich hoch hinauf vorkommt, so kan?
es nicht auffallend erscheinen, dass er einst auf dem Plateau um Rübeland herum
gelebt hat.
Was endlich die etwaigen Spuren menschlicher Existenz anbetrifft
so sind dieselben bisher etwas zweifelhafter Natur; doch liegen immerhin einig?
Fundobjecte vor, welche dafür sprechen, dass auch der Mensch schon wührend
der jüngeren Diluvialzeit zuweilen die Gegend des heutigen Rübeland besucht hat-
Hoffentlich liefern die noch bevorstehenden, ferneren Ausgrabungen und Unter
suchungen sicheren Aufschluss in dieser Hinsicht.
(24) Hr. A. v. Heyden legt im Anschluss an seine Bemerkungen in der
vorigen Sitzung (S. 524) eine grössere Anzahl von
Zeichnungen weiblicher Kopftrachten des 16, und 17. Jahrhunderts
vor, die in auffallender Weise den Ursprung gleichzeitig erläuterter Volkstrachic?
darthun, welche letzteren bekanntlich Reste der Modetrachten der höheren Stände,
nur häufig in nicht ganz leicht erkennbarer Form, sind. Es fehlt aber noch viel
zu sehr an einer genauen Kenntniss örtlicher Verbreitung der Moden in dem
historischen Trachten früherer Zeit, um überall die Beziehnung der Volkstracht
zu der vorbildlichen historischen .Tracht feststellen zu können. Durch fleissige®
Aufsuchen solcher Analogien, die Redner zu vermehren verspricht, wird man der
Erkenntniss der Entstehung der Volkstracht aus der Modeform nüher komme?
Ueberall zu erledigen wird diese Frage schwer sein.
(25) Hr. Rud. Virchow borichtet über
Analysen kaukasischer und assyrischer Bronzen.
Das Interesse, welches sich an die Kenntniss der orientalischen Bronzen knüpfb
ist seit alten Zeiten durch die Tradition der griechischen Welt, der Ursprung de
Bronzekunst sei überhaupt in Asien zu suchen, rege erhalten worden. Man darf
jedoch sagen, dass in dem Maasse, als die Zahl der Untersuchungen grüsser £9
worden ist, die Frage nach der Heimath der Bronze-Industrie immer weiter zurück"
geschoben worden ist. Ich habe es daher als eine besondere Aufgabe betrachtet
durch neue Untersuchungen das Gebiet der wohl beglaubigten Thatsachen aus”
zuweiten. Bei einer anderen Gelegenheit werde ich noch weitere Erfahrunge?
mittheilen; fiir heute móchte ich nur einige neueste Analysen mittheilen, welche
die beiden Gebiete betreffen, welche vor allem die Aufmerksamkeit auf sich ziehe?
Ich verdanke diese Analysen dem so oft bewährten Wohlwollen des Herr?
Landolt, in dessen Laboratorium und unter dessen Leitung dieselben durch sein?
Assistenten, die Herren H. Plath und Dr. E. Rimbach, ausgeführt worden sind:
I. Nordkaukasische Bronzen.
Das Material für diese Untersuchungen habe ich denjenigen Funden entnomme”»
über welche ich in der Sitzung vom 19. Juli 1890 (Verh. S. 417) ausführlich be
richtet habe. Folgende Stücke haben der Analyse unterlegen: .
1) Ein grósseres Bruchstück einer jener Plattennadeln von Kumbulte 1n
(355)
igor ien (a. a. O. S. 418. Fig. 1), welche zu den grössten und schwersten Stücken
“Ser Art überhaupt gehören.
Os 2) Ein zerbrochenes Armband aus dem Unterlager von Tschmy in
Selien, Nr. 23b, von der zweiten, auf S. 424. Fig. 11 erôrterten Form.
Kai Ein zerbrochener Ring, Nr. 36, von Tscheghem, Oberland der
ist arda, vielleicht das Bruchstück eines Ohrringes (a. a. O. S. 442. Fig. 45). Es
*In drehrundes, gebogenes Bronzestübchen von 9 mm Durchmesser.
Ka Das Bruchstück eines Armreifes von Ataschukin im Flachlande der
Es ir Nr. 30, ähnlich dem unter Nr. 2 aufgeführten Stück von Tscheghem.
(vol 16 mm breit, ziemlich schwer und mit 3 erhabenen Längsreifen versehen
8^ a. a. O. 8. 455).
gels Das Bruchstück einer dicken Bronzescheibe, vielleicht eines Spie-
ebya 5p eb en daher (vgl. S. 456). Die Scheibe ist vollkommen rund gewesen,
erhab, mm im Querdurchmesser: die eine Fläche ist ganz glatt, die andere mit flach.
Ornam nen Ornamenten und in der Mitte mit einer kleinen Oehse versehen. Das
— besteht aus 3 concentrischen Zonen, welche durch erhabene Grenzlinien
leden und von schrügen crhabenen Linien durchsetzt sind.
Die Analyse hat folgende Resultate geliefert:
Ar. d. Nr. 2.
Kupfer . . . 96,61 Kupfer . . . 93,0-
Arsen . . . 3,1 Zinn. . . . 6,77
Blei ausserdem geringe Mengen von Blei und
Antimon | Eisen (Rimbach).
Zink | Spuren Nr. 4.
Nich Eisen 4 Kupfer . . . 99,08
Zing w Qrhanden: Phosphor, Schwefel, Schwefel . . 0,22
' Wismuth, Kadmium (Rimbach). Antimon
Nr. 3. Arsen | Spuren
Kupfer . . . 77,23 Eisen
Zink. . . . 12,02 Nicht vorhanden: Zinn, Zink, Blei,
Blei . . . . 3709 Phosphor (Plath).
Zinn. . . . 291 Nr. 5.
Eisen . . . 0,64 Kupfer . . . 79,08
Nich Nickel . . Spuren Zion. . . - 21,89
Arte t vorhanden: Phosphor, Schwefel, Bli.... 28
% Antimon (Plath). Eisen . . Spuren
Nicht vorhanden: Phosphor, Schwefel,
Zink, Arsen, Antimon (Plath).
weis hier eine gewisse Mannichfaltigkeit der Metallmischung vorhanden sein
Sehieq liess sich. vermuthen, da das Alter der einzelnen Gräberfelder ein sehr ver-
here ist. Indess auf so grosse Verschiedenheiten, wie sie sich thatsächlich
Zyj, OUI haben, konnte nicht füglich gerechnet werden. Finden wir doch alle
Vor englieder von dem einfachen Kupfer bis zu der vollendeten Zinklegirung
trot, de, dass der Gesammtname „Bronze“ eigentlich nicht zutrifft. Wenn ich ihn
fines qr anwende, so geschieht es nur wegen des üusseren Ansehens, welches
N hterschied in der Patina nicht erkennen liess. |
np ein einziges Stück, Nr. 2, das Armband von Tschmy, hat sich als reine
Schen pure ergeben, freilich mit einem viel geringeren Zinngehalt, als der klassi-
do, onze entsprechen würde. Die früheren Untersuchungen der Herren Lan-
und Rammelsberg über Bronzen von Koban, die ich in meiner Mono-
ou
225
(2169
graphie über das Gräberfeld von Koban S. 23 mitgetheilt habe, zeigten in 3 ver
schiedenen Proben ausschliesslich die klassische Bronze-Mischung, wobei der Zinn-
gehalt zwischen 10 und 12 pCt. betrug; daneben wurde einmal eine bestimmbare
Menge von Blei (1,93 pCt.) gefunden. Der Unterschied ist also ein denkbar
grósster, und zwar um so auffüllger, als anscheinend das Grüberfeld von Koban
an Alter von keinem der hier in Rede stehenden überiroffen wird. Indess muss
ich- bemerken, dass ich schon früher (Verh. 1883. S. 331) ein offenbar sehr altes
Stück, eine schwere Bogenfibula aus dem Flachlande der kleinen "Tschetschna be*
schrieben habe, bei deren Analyse Hr. Salkowski ausser Kupfer nur etwa 4 pOt
Zinn, dagegen weder Zink, noch Blei, noch Wismuth oder Silber fand.
Dasjenige Stück, welches seiner Zusammensetzung nach den Eindruck des
grössten Alters machen konnte, ist Nr. 4, der Armreif von Ataschukin, der aus
reinem Kupfer besteht. Die geringe Beimengung von Schwefel darf als natür-
liche Beimischung betrachtet werden. In meiner früheren Besprechung (a. a. O
S. 454) habe ich verschiedene Gegenstünde aus dem Griiberfelde von Ataschukin
aufgeführt, welche den Eindruck von Kupfer machten. Aber alle diese Gegen-
stinde zeigen eine Vollendung der Technik, welche den Gedanken direkt aus-
schliesst, dass es sich hier um Produkte einer primitiven Metallzeit handeln kónne-
Man wird vielmehr annehmen müssen, dass auch in späterer Zeit gelegentlich
Gegenstände aus Kupfer gefertigt wurden, selbst solche, welche, wie der Armreil,
mit ganz analogen Bronzeformen der Nachbargrüberfelder (vgl. Nr. 2, Tscheghem)
in Form und Ausführung übereinstimmen.
Die grösste Ueberraschung brachte die Analyse von Nr. 1, der Plattennadel vo?
Kumbulte, indem hier die überaus seliene Arsenik-Bronze gefunden wurde. Ich
habe in dieser Beziehung an den ersten derarügen Fund, den ich vor Jahre?
machte, zugleich den ersten solchen Fund überhaupt, zu erinnern. Es war bei
Ausgrabungen auf dem denkwürdigen Grüberfelde von Zaborowo, dass ich im
Jahre 1874 (Verh. S. 224) grosse Eisenringe fand, welche zur Befestigung de$
Urnendeckels auf den Rand desselben gelegt waren. Gleich nachher traf Herr
Thunig einen, durch seine Schwere und Grösse besonders ausgezeichneten Ring»
den wir für einen Bronzering hielten, und im nächsten Jahre gelang es mil
noch weitere Stücke auszugraben. Ich erwähnte bei Vorlage eines solchen Stücks
in der Gesellschaft (Verh. 1875. S. 110), dass ich an der ,scheinbar ganz regulüre?
Bronze, die so grün, wie die andere aussah, als ich mit einem Messer die Patin?
abkratzte, keine gelbe Stelle erhielt, und als ich später die Feile anwendete, €?
mir schien, ich hätte Eisen vor mir, so blüulichgrau war der Glanz der Ober
fläche“. Da sich bei der Analyse herausstellte, dass es doch Bronze war, $0
unterschied ich diese vollkommen eisen- oder stahlfarbige Bronze vo»
der gewóhnlichen gelben Bronze. Die Analyse wurde von Hrn. O. Liebreich aus
geführt, der darüber selbst in den Verh. 1875. S. 246 berichtet hat. Er fand
Kupfer . . . . . . 56,00
Nickel ,( 2... 1400
Arsen 2... 1200
Kobalt . : . . . 400
Zinn . - oo . +. + + 1,50
Antimon 2.5.5.5 1,50
Schwefel . . 0,75
Eisen . . . . . « . . 040
Die Analyse gab wegen der Verluste, die bei der Untersuchung stattfander
420;
(357)
Dur approximative Werthe, aber sie geniigte doch, um zu zeigen, dass bei einem
geringen Kupfergehalt Arsenik und Nickel in grossen Mengen vorhanden waren.
ist Es ist mir nicht bekannt, dass noch ein zweites Mal eine alte Bronze gefunden
m Welche gleich hohe Prozenizahlen für Arsenik und Nickel ergeben hätte. In
aut 9 is deren Analyse eines dicken Ringes von Zaborowo fand Hr. Carl Virchow
See] ho Kupfer und 3,7 Zinn (mit Antimon) 1,8 Arsenik, und in einer Bronze von
10 OW in der Mark auf 90,8 Kupfer und 4,1 Zinn (mit Antimon) 2,8 Arsenik und
( Nickel (Verh. 1875. 8. 248). Ich habe spüter bei der Besprechung der „weissen
SA Bronze* und des sogenannten Weissmetalls (Verh. 1884. S. 543) die ver-
pod Metallmischungen, welche dabei in Betracht kommen, ausfiihrlich be-
ku en, aber nur eine chinesische, und zwar moderne, Mischung, das sog. Weiss-
ent oder Petong, nachweisen können, welches allerdings 37 oder 54 pCt. Arsen
Bron, t Für unseren Nordosten ist besonders bemerkenswerth der Fund von
35 ven bei Putzig, Westpreussen, wo eine Mischung von 85,0 Kupfer, 3,2 Zinn,
Ant rsenik, 5,9 Blei, 1,2 Nickel ermittelt wurde. Im Uebrigen lässt sich nur die
ii À Bronze (ebendas. S. 456) in Parallele stellen, die auch in dem alt-
Ischen Spiegelmetall vertreten ist.
"T Arsenbronze von Kumbulte unterscheidet sich von allen aufgeführten alten
von zen mit erheblicherem Arsengehalt dadurch, dass sie gar kein Zinn und auch
sich Sonstigen Metallen, z. B. von Antimon, nur Spuren enthält. Sie unterscheidet
" aber auch von dem modernen englischen Hartmetall, wie es im Kupferprozess
9.7 wen wird, ganz erheblich, da dieses auf 66,2 Kupfer 28,4 Zinn, 2,0 Arsenik,
allen isen, Nickel und Kobalt enthält. Die Bronze von Kumbulte ist also unter
als kannten Legirungen die reinste Arsenikbronze, und man wird sie kaum
lin, me natürliche Mischung der beiden Metalle betrachten dürfen. Sie hat vor-
einer "i ganz singulüre Stellung, und obwohl ich nicht daran zweifle, dass bei
sie à ermehrung der Analysen sich weitere Parallelen finden werden, so verdient
och, schon ihres Alters wegen, eine besondere Aufmerksamkeit. —
"On beiden noch restirenden Bronzen zeigen eine viel complicirtere Zusammen-
md P. welche von. der klassischen Mischung erheblich abweicht, ‚welche aber
e ei einer Vergleichung der beiden Analysen grosse M erschiedenheiten erkennen
Bro, Nr. 5, die Scheibe (Spiegel) von Ataschukin, besteht aus sehr zinnreicher
Bron Ze mit geringem Zusatz von Blei. In meiner Abhandlung über die graue
— oder das Weissmetall habe ich eine Reihe von Beispielen für diese Art
heh. (a. a. O. S. 544) und namentlich darauf hingewiesen, dass diese Mischung
Tug, in alten Spiegeln, freilich aus dem europäischen Westen (Mainz, Chur,
Als Qe Sowie in Münzen altgriechischer Städte gefunden ‚worden ist (v. Bibra).
ting, sehe Beispiele gab ich die Analysen eines Knotenringes von Gorz (?) und
Grip, s eheibe von Hagenau im Elsass. Da ich auch aus anderen Gründen das
Muggy, eld von Ataschukin als ein bis in spätere Zeiten hinaufreichendes bezeichnen
Zusam À x stimmt dieses Ergebniss recht gut mit der archüologischen Beurtheilung
aug och viel jünger ist offenbar Nr 3, der Ring (Ohrring?) von Tscheghem, der
lst, " ger Zinkbronze besteht. Da der Fundort nicht genügend bezeichnet
erst en dsst sich die Moglichkeit nicht ganz ausschliessen, dass dieses Fragment
lich ater in das Grüberfeld gerathen ist. Indess sind ühuliche Legirungen, frei-
Analyse aus rümischer Zeit, mehrfach bekannt. Ich verweise deswegen auf die
"On antiker Bronzen, welche L. R. von Fellenberg in den Schriften der
Bana dr naturforschenden Gesellschaft 1860—65 verüffentlicht hat. Einen kleinen
ieser Analysen hat uns Hr. Edm. v. Fellenberg so eben aus der Dibliothek
(55%)
seines Vaters zum Geschenke gemacht. Darin findet sich (1863. S. 139. 1865. 8. 19)
eine römische Fibel von Mainz mit 24,45 pCt. Zink, ein Schnallenstück aus dem
Goldbach-Grabe im Emmenthal mit 17,6 pCt. (I. Nr. 38), eine Spiralheftel vo?
Cammin in Meklenburg mit 16,31 pCt (1865. S. 54), eine Metallplatte von Basel-
Augst mit 10,61 pCt. (I. Nr. 34), eine Heftel von Hagenow in Meklenburg mit
9,6 pCt. (1865. S. 53). Besonders interessant erscheint ein Ohrring aus einem Grabe
von Kastaniatissa auf Euboea mit 10,87 pCt, der Parallele wegen, die er zu dem
Ringe von Tscheghem bietet. — |
Ich versage es mir, weitere Betrachtungen über diese Ergebnisse anzustellem
Vielleicht geben die letzteren aber nen neuen Ansioss für andere Forscher, die
Analyse prühistoriseher Bronzen in grósserer Zahl und mit grósserem Eifer in Al
griff zu nehmen, als es noch immer geschieht.
IL. Assyrische Bronze.
Hr. C. F. Lehmann hat die grosse Gefälligkeit gehabt, auf meinen Wunsch
bei Gelegenheit eines Aufenthaltes in London daselbst Umschau nach älteren assyri-
schen Bronzen zu halten. Unter dem 18. December v. J. benachrichtigte er mic,
dass der Principal Librarian des British Museum ihm für mich ein Kästchen mit
Theilen des Bronzethors von Balawat (unter Salmanassar IL. 859—824 v. Chr.)
übergeben habe. Dieses, seiner genauen Bestimmung wegen doppelt werthvolle
Geschenk ist seitdem in meine Hände gelangt. Es sind Stücke von sehr schwere?
und starken Platten, die ganz leicht auf der Fläche gebogen und mit dicken, nach
aussen hervortretenden, innen vertiefen Querwülsten versehen sind. . Eines davo?
scheint ein Randstück zu sein; es hat eine falzartige Einbiegung lüngs des zien
lich glatten Randes. Ein anderes Stück trägt einen starken Nagel von 4 em Lüngt
mit einem platten Kopf von 12 wm Durchmesser; derselbe steckt noch in der Platte;
die an dieser Stelle leicht trichterférmig vertieft und nach innen vorgebogen ist.
Wenn man den Nagelkopf scharf andrückt, so sicht man ihn von einem Ringe flach
rundlichey Buckel umgeben, die aus der Platte in Form einer Rosette hervortreten:
Alles ist mit einer rauhen, graugrünen Patina bedeckt und auch die frischen Bruch
flachen zeigen meist durchweg eine hellgrüne Farbe. Nur an einzelnen Stelle!
z. B. an dem Nagel, legt die Feile noch unveründertes Metall von räthlichgelbe?
Farbe bloss.
. Bine Abbildung der Bronzethiir von Balawat steht in Kaulen (Assyrien und
Babylonien. Freiburg i. Br. 1891. S. 38. Fig. 21).
Hr. Landolt war so freundlich, auch diese Bronze in seinem Laboratoriu™
durch Hrn. H. Plath analysiren zu lassen. Das Resultat ist folgendes:
Kupfer . . . . . . . . 92,14
Zim . . . . . . . . . 192
Eisen
Antimon | . . . . . Spuren
Als nicht vorhanden werden ausdrücklich angegeben Blei, Zink, Nickel, Arse!"
Phosphor und Schwefel.
Von den vorher mitgetheilten kaukasischen Bronzen kommt Nr. 2, das Arm"
band von Tschmy, in der Mischung am nächsten. Die Analysen assyrische
Bronzen, welche Dr. Percy an Stücken des Hrn. Layard (Nineveh und Babylo?
übersetzt von Zenker. Leipzig. S. 510) angestellt hat, ergaben, wie die Bronze
von Koban, eine der klassischen Bronze entsprechende Mischung, in der Zinn zu
9,78—11,33 pOt. vertreten war; nur eine Glocke hatte 14,1 pCt, wie Hr. Layard
(S. 144) annimmt, weil eine andere Wirkung erzielt werden sollte. —
ATX
QO
(259)
Ful Vater erinnert an das von ihm vor Jahren gezeigte, aus einem Spandauer
e stammende Stück Bronze. Dasselbe hatte 15 pCt. Arsen. —
abo Hr. Virchow erkennt die Richtigkeit des Citats von Hrn. Vater an. Allein
S Sesehen davon, dass das Spandauer Stück ausserdem 8,2 pCt. Silber und sogar
aren von Gold enthielt (Verhandl. 1884. S. 601), ist weder über die Zeitstellung
went los noch über seine Bestimmung irgend etwas bekannt; es lüsst sich. daher
Zu einer Aufklärung über andere Funde verwerthen.
(26) Hr. Rud. Virchow zeigt
Schädel und Skelettheile aus Hügelgräbern der Hallstatt- und Tène-Zeit
in der Oberpfalz.
oste Dr. Julius Naue in München hatte die Güte, mir in zwei Sendungen das
Ob Ologische Ergebniss seiner Ausgrabungen von Hiigelgribern der bayrischen
érplalz zu überschicken.
i, Die erste, schon im Jahre 1889 eingegangene Sendung enthielt leider keinen
mir Sen, gut erhaltenen Schädel und sie ist daher länger liegen geblieben, als es
T" Selbst lieb ist. Hr. Naue berichtete darüber Folgendes unter dem 20. März d. J.:
ein. Sendung enthielt zwei, leider durch meine Arbeiter zerbrochene Schädel aus
Brgy Grabhügel der jüngeren Hallstattzeit bei Parsberg. Mann und
dass gen in dem Grabe zu gleicher Zeit bestattet worden; denn dafür sprach,
linke er linke Oberarm des männlichen Skelets unter den Halswirbeln des zur
sich n Seite des Mannes bestatteten Weibes lag; die Unterarmknochen jenes fanden
— linken. oberen Seite des weiblichen Skelets. Ich legte auch einen der
bezw en Oberarmknochen (den linken) bei, weil er an einer Stelle eine Wunde,
kon erüefung hat, die sehr dunkel gefärbt ist. Woher diese Verletzung rührt,
habe. ich mir nicht erklären. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wollten Sie die Güte
Max) mir darüber etwas N äheres mitzutheilen. Ein bekannter Sammler (Hr. Gabriel
herr meinte seiner Zeit, die Verletzung kónne müglicherweise durch einen Blitz
Meng sein (?). — Dann lagen dieser Sendung noch Bruchstücke (Frag-
"bene t Stirn) eines weiblichen Schüdels aus einem ülteren Bronzezeitgrabe,
sie à alls von Parsberg, bei. Sie werden diese Stücke leicht herausfinden, da
Sie rs ihre abnorme Stürke wesentlich von den anderen abweichen. Ich legte
en wegen der Stärke bei.“
Baie einem früheren Briefe vom 5. October 1889 erwähnte Hr. N aue noch in
krum des erstgenannten Grabes, dass zur rechten Seite des Mannes eines jener
Prau fo Hiebmesser lag, wie wir sie aus der jüngeren Hallstatt-Zeit kennen; die
mit pate nur 3 Bronzeringe. Von der Verletzung am Oberarmknochen sagte er
bei de qo sie sähe aus, „wie von einigen kurzen Hieben herrührend". Die
Selben chädel seien nicht bloss zerbrochen, sondern die einzelnen Theile der-
auch durch Unachtsamkeit eines Arbeiters durch einander gekommen.
fait Mois sehr erfahrener Präparator hat unter meiner Aufsicht mit grôsster Sorg-
es hat Knochen sortiri und sie, soweit es sich thun liess, zusammengesetzt, aber
dass sich nichts Vollständiges herstellen lassen. Immerhin hat sich ergeben,
Yon asser den von Hrn. Naue erwähnten dicken Knochen, sich Bestandtheile
liche pe had unterscheiden lassen, von denen einer (Nr. 3) ausgemacht weib-
(Nr. 3) b hat; ein zweiter (Nr. 1) lässt nichts davon erkennen; auch ein. dritter
ledenfan,. wohl ziemlich dünnwandig, scheint auf einen Mann zu deuten, hai
s einem jüngeren Individuum _ angehört. Wahrscheinlich sind einige
e
(36
Bruchstücke eines jüngeren Ober- und Unterkiefers auch zu Nr.2 zu rechnel
während. ein Paar andere wegen der stärkeren Abnutzung der Zähne einem ältere?
Individuum, also wahrscheinlich dem Manne Nr. 1, zuzuschreiben sind. Da im
Uebrigen Nr. 1 und Nr. 2 manche übereinstimmende Züge darbieten, so kónnte €?
sein, dass sie den münnlichen Stammestypus am besten ausdrücken. Nimmt ma?
an, dass der Ober- und Unterkiefer mit abgenutzten Zähnen dem Schädel Nr. !
zuzurechnen sind, der verhältnissmässig besser erhalten ist, so erscheint die Am
gabe der beigelegten Zettel wahrscheinlich, dass dieser Schädel dem Manne, Nr. ^
dagegen der vermeintlichen Frau aus dem gemeinsamen Grabe angehörten.
Nr. 1 (bezeichnet als Fragmente eines Frauenschädels aus einem Grabhügel der
älteren Bronzezeit), ein ziemlich vollstándiges Schüdeldach mit Nasenansaiz, ohn*
Basis und untere Seitentheile. Es ist sehr in die Lünge gestreckt, 203 mm lang
Die Sagittaleurve misst im Ganzen 375 mm, wovon 128 — 34,1 pCt. auf das Stir?”
bein, 109 — 29,0 auf die Parietalia und 138 = 36,8 pCt. auf das Hinterhaup
fallen. Die überwiegend occipitale Entwickelung ist dadurch verstärkt, dass über
dem Lambdawinkel ein grosses Os triquetrum sitzt. Der Stirnnasenwulst kriftig
die Stirn selbst zurückgelegt. Nase schmal, aufgerichtet, der Rücken eingebogel-
Von den anscheinend zugehörigen Kieferknochen ist der Oberkiefer deutlich
orthognath, die Zähne vorn stark, hinten mässig abgenutzt, der Molaris III frisch;
der Alveolarfortsatz lang (22 mm), der Gaumen sehr tief. Der hohe, in der Mitte
gebrochene Unterkiefer hat entschieden männliche Form, die Zähne sind tief ab-
genutzt, die Seitentheile stark, das Kinn progenaeisch.
Nr. 2, ein sehr verdrücktes Schüdeldach, dem der ganze Vorderkopf fehlt (b€
zeichnet als ,Fragmente eines Frauenschüdels^), leicht und dünnwandig, erscheint
soweit sich das beurtheilen lässt, sehr gross, hoch und breit. Nur die Breite isi
zu bestimmen: sie ergiebt 160 mm. Die Sagittalcurve der Parietalia misst 125, die
der Squama occipitalis 123 mm. Die Oberschuppe sehr gross, mit einem Os apicis
und Schaltknochen der Naht.
Von den vielleicht hierhergehürigen Kieferknochen zeigen die Oberkieferstücke
noch frischere Zahnkronen, namentlich die Praemolaren; die Zahncurve weit, de’
Gaumen tief, Alveolarfortsatz kurz. Der in der Mitte zerbrochene Unterkiefe^
dem Anschein nach gleichfalls progenaeisch, ist zarter; der rechte Molaris IU
hat eine ganz'írische Krone, wührend dem linken eine obliteririe Alveole ent
spricht; Kronen der Schneidezühne stürker abgerieben.
Nr.3 (bezeichnet als Fragment eines Frauenschüdels aus einem Grabhüge!
der älteren Bronzezeit) hat weibliche Form. Basis und Hinterhaupt fehlen. Stir?”
wülste schwach, Glabella tief, Stirn gerade, schnelle Umbiegung der übrigens stark
gebogenen Scheitelcurve, schneller Abfall am Hinterkopf. Grösste Länge 173, Breit®
145? mm, Nase sehr schmal, tief angesetzt, Rücken voriretend und eingebogen.
Nr.4. Die dickeren Knochenstücke lassen sich nicht zusammenbringen. Si?
haben eine Dicke bis zu 9 mm, sind reich an Diplo&, besonders die Stücke dé?
Frontale und der Parietalia, jedoch auch die der Hinterhaupisschuppe. Scheinbar
fliehende Stirn, Kolossale Warzenfortsätze, grosses Felsenbein.
Nach Nr. 1 und 2 zu urtheilen, handelt es sich um eine dolichocephale:
leptorrhine, orthognathe und progenaeische Rasse, Das weibliche Schädel“
dach Nr. 3 scheint brachycephal gewesen sein; aus den freilich sehr zweifelhafte?
Messzahlen besechnet sich ein Index von 83,8.
Was den verletzten Oberarmknochen betrifft, der wohl mit dem Schädel
Nr. 1 zusammenzustellen ist, so ist er stark verletzt, indem das ganze obere Dritttheil
fehlt. Trotzdem erscheint er sehr kräftig und voll; in der Mitte des Schaftes ist &
A6,
(361)
20 mın dick. Die Condylen sind vor Alters ab- Figur
8 bracken, jedoch ist ein Theil der Fossa pro
Crano erhalten und diese kónnte durchbohrt Figur 2.
Men sein. Der Schaft ist etwas iiber der
" e (Frisch) zerbrochen. Er fühlt sich sehr
Sdn an, jedoch zeigt sich auf einem Lüngs-
dic (Fig. 2) die Markhóhle fast ganz mit
hts Lehm erfüllt; die Rinde ist sehr
Stel" aber nicht hyperostotisch. Die verletzte
an d legt am unteren Drittel des Schaftes
der b. vorderen Seite. Sie ist 38 mm lang, an
breit rettesten Stelle (mehr nach unten) 15 mm
Zei pu in der Mitte ungefähr 6 mm tief. Sie
meh; von der Flüche aus gesehen (Fig. 1),
Ange theils horizontal, theils schräg gelegene
link, ze, die am oberen Abschnitt mehr von
von nach rechts, am unteren dagegen bestimmt
dem Lois oben nach links unten gehen. Auf
scha a stellen sie sich als ziemlich
Hiep, © Vorsprünge dar; sie dürften den „kurzen
— des Herrn Naue entsprechen. Die
Word en sind von oben und links her geschlagen
Absit Die Flüchen, welche zwischen den
imm liegen, haben parallele Furchen, die
und ich schräg von oben und links nach unten
Hig, rechts ziehen, gleich als seien sie durch
beil » mit einem schartigen Werkzeug (Stein-
i d: hervorgebracht. An der tiefsten Stelle
—— Knochenrinde fast ganz weggenommen,
Marg go. sich weder im Umfange, noch in der
Rego © irgend ein Anzeichen einer vitalen
Regio Dagegen hat die ganze verletzte . |
A n eine schwürzliche Farbe, wie wenn sie gebrannt worden ware; auch die
Mehr Normale Umgebung des Substanzverlustes lässt eine verwaschene, ım Umfange
That schwarzbraune, gleichmüssige Fürbung erkennen. Dass die Farbe in der
ist die V Verkohlung herrührt, dürfte kaum zu bezweifeln sein, aber jedenfalls
Oberg: Verletzung selbst nicht durch Brand entstanden. - Dagegen spricht die
Werden e der Verletzung auf das Bestimmteste. Es wird also wohl angenommen
leti, a, SSO dass erst die Verletzung stattgefunden hat und dass dann die ver-
Positiy telle gebrannt worden ist. Nichts in dem Verhalten der Theile spricht
Heïlun dagegen, dass dies bei Lebzeiten des Mannes, vielleicht zu Zwecken der
Vena vorgenommen ist, indess scheint es mir wahrscheinlicher, dass Beides,
dafür 8 und Brennung, erst nach dem Tode geschehen ist. Irgend eine Parallele
dente ir freilich nicht bekannt; der Fall kann also nur aus sich selbst ge-
rden.
i Gedanke an eine Benagung durch Thiere wurde von einigen Beobachtern
NM indem sie hauptsächlich auf die feinen Längsfurchen zwischen den Ab-
dieselbe wiesen. Hr. Naue, dem ich von dieser Hypothese Kenntniss gab, wies
lichen : jestimmt ab, weil der betreffende Arm unter dem Hinterkopf des weib-
chädels liegend gefunden sei und weil kein anderer Knochen eine ähnliche,
(02)
Veränderung zeigte, Auch ich halte diese Hypothese für unzulässig, da ein Be-
nagen durch Thiere quere Furchen erzeugt haben würde; die mehr senkrechte
Richtung der Furchen würde eine hôchst gezwungene, ja fast unmôgliche Anfügune
der Zähne voraussetzen. Man wird also wohl die Einwirkung menschlicher Gewalt-
mittel zugestehen müssen. Jedoch ist dabei festzuhalten, dass die Annahme einer
einzigen Aktion für die Erklärung nicht ausreichen würde; die vorhandenen Ab-
sütze lassen sich weder mit einem Schwertstreich, noch mit einem Beilhiebe €!”
klären. Sie sind übrigens mehr gehackt, als gehauen, und auch nach Lage und
Richtung sprechen sie mehr für eine Erzeugung nach dem Tode. Wer kann
wissen, ob diese nicht mit einer abergläubischen Handlung in Beziehung stand! —
Ueber die andere Sendung, die von 1890, schrieb mir Hr. Naue unter dem
90. März, dass dieselbe 5 Schädel enthielte:
2 von Hohenbüchel, Grabhügel Nr. 4
00» % » » 1
» Muttenhofen, » » 1
. » Staufersbach, Gruppe 1I, Grabhiigel Nr. 1
„Aus einem Grabhiigel sind die beiden, zuerst aufgeführten Schädel von
Hohenbüchel Da sich bei dem Skelet des Grabhügels Nr. 1, Hohenbüchel, und
bei jenem von Muttenhofen, Grabhügel Nr. 1, Oberarmringe, kleine Eisenlanzen
spitzen und Eisenmesser vorfanden, weibliche Sehmuckstücke — Ohrringe und
Fibeln — aber fehlten, wäre es mir sehr erwünscht zu erfahren, ob die betreffen”
den 2 Schiidel wirklich minnliche sind, worauf die Beigaben hinzudeuten scheinen
„Den Schädel aus dem Grabhügel Nr. 1, Gruppe IL, Staufersbach, fügte ich
deshalb der Sendung bei, weil er von einem der 12 Skelette herrührt, welche in
diesem Grabe, abgesondert von der Hauptbestattung, unter und dicht neben ein”
ander lagen. Nur eines dieser Skelette hatte 2 dünne Bronzedrahtarmringe. Einige
Schädel — und dazu gehort der iibersandte — lagen ganz dicht neben einander?
ja, es sah aus, als wenn sie neben einander gestellt wären.
„Da ich später noch einige Male derartige merkwürdige Bestattungen ohne
eigentliche Beigaben vorgefunden habe, glaube ich annehmen zu dürfen, dass wil
hier Menschenopfer vor uns haben. Die Hauptbestattungen mit reichen Beigabe?
finden sich dann stets getrennt von jenen. So traf ich in Staufersbach, III. Gruppe
in demselben Grabe in einer Reihe neben einander 4 Schüdel: Nr. 1 und 2. ware?
auf ihre Basis gestellt, nur Nr. 3 lag auf dem Hinterhaupte, der Oberkürper etw?
enifernter davon; Unterkórper fehlte, vielleicht ist er verbrannt worden, denn es
fanden sich verbrannte menschliche Knochen seitwürts des üussersten Skelets, d£?
aber auch nur einen Oberschenkel hatte. Schädel Nr. 4 lag auf dem rückwärts
gebogenen Oberarmknochen eines kopflosen Skelets. Die Beigaben bestande?
lediglich aus 2 ganz kleinen Bronzeknópfchen. Die Haupibestattung befand sich
1m tief, jene der 4 Skelette 40 cm tief."
Die Schädel Nr. 1 und 1a von Hohenbüchel, Grabhügel 4, sind so vollständig
erhalten, dass alle möglichen Maasse an ihnen genommen werden konnten; der
Schädel aus dem Grabhügel Nr. 1 dagegen ist höchst defekt und gestattet nur gan?
wenige Messungen. Ziemlich vollständig in Bezug auf die Schidelkapsel ist der
Schädel von Staufersbach; ihm fehlt, wie dem von Muttenhofen, das Gesicht
diesem dagegen auch die ganze Umgebung des Foramen magnum.
Die von Hohenbüchel halte ich sämmtlich für männliche, den von Muttenhofe?
für wahrscheinlich weiblich. Der von Staufersbach ist schwer zu bestimmen, da
er deutliche Zeichen künstlicher Verunstaltung trägt; indess deutet Viele?
Ao.
(363)
fl weibliche Züge hin. Nachstehend gebe ich eine kurze Uebersicht der Haupt-
Merkmale:
1) Hohenbüchel.
Seba 1. Grab 4. Ein gewaltiger, höchst ehrwürdig aussehender männlicher
Ke h mit Unterkiefer; Zähne tief abgenutzt. Seine Capacität beträgt 1765 ccm
tom LT Le) sein Horizontalumfang 558, der Sagittalumfang 410 mm. Zu letzte-
Form. ellt das Stirnbein 34,6, der Mittelkopf 34,3, der Hinterkopf 30,9 pOt. Die
leicht 1st hypsimesocephal. Er hat cine Sutura frontalis persistens mit
in mi»: Vorwólbung an dem hinteren Theile des Stirnbeins. Stirn breit (107 mm
Miche: Kriftige Stirnnasenwiilste, vertiefte Glabella, vortretende Tuberallinie.
vorge ges Mittel- und Hinterhaupt. Hinterhauptsindex 31,4. Oberschuppe stark
lich Wölbt, breite Prot. occip. Schmaler Angulus pariet. — Gesicht hoch, nament-
Orbit, En des kolossalen Unterkiefers, trotzdem chamaeprosop (Index 84,5).
tak e sehr ross, tief, etwas eckig, in der Diagonale nach aussen und unten
Rück ausgeweitet; Index 90,0, hypsikonch. Nase etwas gedrückt, Ansatz seicht,
Stark eingebogen, wenig vortreiend, flach gewülbt; Index 52,9, platyrrhin.
Zähne Spina nasalis. Alveolarfortsatz kräftig, 25 mm, vollkommen orthognath.
tang, tief abgerieben. Unterkiefer von mächtiger Entwickelung, bis zum Alveolar-
drciogy der Mitte 35, bis zum Zahnrande 41 mm hoch; Kinn kräftig, niedrig
Dig, Aeste gross, steil, 31 mm breit; Winkel etwas ausgelegt, 110 mm
"i la, Grab 4. Ein gleichfalls sehr grosser, männlicher Schädel von etwas
Wap guter Erhaltung; Zühne stark abgenutzt. Er hat eine Capacität von
trägt en und orthobrachycephale Form, obwohl sein Hinterhauptsindex 34,3 be-
der y Der Horizontalumfang misst 549, der sagittale dagegen nur 397 wm. In
tmp, e tune der einzelnen Abschnitte des Schädeldaches auf den Sagittal-
Die a ergeben sich fast dieselben Zahlen, wie bei Nr. 1, nehmlich 35,0—34,0—30,9.
flache im ist hier etwas zurückgelehnt, die Stirnnasenwülste stark, von da eine
Wap, ane Crista abgehend, tiefe Glabella, Stirnbreite 102 mm, Grosse volle
Schr d des Scheitels und des Hinterhaupts, zumal in die Breite. Oberschuppe
keine Protuberanz. Schläfen etwas eingedrückt, Ohrgegend vor-
IM — Gesicht hoch, fast leptoprosop, Index 89,3. Orbitae gross, weit nach
aber yond unten ausgezogen, Index 88,0, hypsikonch. Nasenbeine zerbrochen,
a schmal, seicht angesetzt; Rücken eingebogen; Index 54,0, platyrrhin.
ies, Swinkel 73?. Oberkiefer gross, tiefe Fossae caninae, langer (25 mm), etwas
in de Sestellter, schwach prognather Alveolarfortsatz. Unterkiefer sehr gross,
Aes, s itte 35 mm (alveolar) 43 (dental) hoch; Kinn leicht dreieckig, krüftig.
olossal, 36 mm breit, (3 (Proc. coron.) hoch, Distanz der Winkel 104 mm.
" M 4, Grab 1 (nach der Aufschrift mit, Oberarmring gefunden), ohne Gesicht
Form asis und mit verletztem Vorder- und Hinterkopf, offenbar männlich. Seine
agp mesocephal. Auch er ist sehr gross, jedoch etwas kürzer; sein Hinter-
Stirn pdx beträgt nur 23,2. lndess sind alle Maasse am Schiideldach unsicher.
Tubo, reii (100 mm), mit starkem Stirnnasenwulst, tiefer Glabella, vortretenden
Prog. Lange, etwas flache Scheitelkurve. Breites hohes Hinterhaupt mit starker
ringer links von der Mitte derselben ein grosses, schräg von oben her ein-
Selon Emissarium. Im Ganzen grobe Form. Starke Warzenfortsätze. Enge
Digg leicht gehört hierher ein schwerer ganzer Unterkiefer von mächtigen
"m Slonen ; derselbe hat tief abgenutzte Zähne, breite, aber etwas niedrigere
- Winkeldistanz 106 qm.
i)
(364)
Alle 3 Schädel ‚haben grosse Uebereinstimmung unter einander. Sie sind sehr
knochig, schwer und gross, Nr. 1 und 2 geradezu kephalonisch. Ihre Indices be
wegen sich zwischen den oberen Graden der Meso- und den niederen der BrachY
cephalie. Sie sind ausgesprochen oder annähernd orthognath und hypsikonch;
steigen bis in die höheren Grade der Chamaeprosopie, sind aber ausgemacht
platyrrhin.
2) Muttenhofen (Grab 1).
Ein sehr defekter, leichter und dünnwandiger, wahrscheinlich weiblicher Schädel
ohne Gesicht und hintere Basis. Seine Form ist orthomeso- (fast dolicho-)
cephal, die Nähte stark zackig. Stirn schmaler (90 mm), ziemlich gerade, aber
niedrig, schwacher Nasenwulst, mässige Glabella, stärkere Tuberallinie, schneller
Uebergang in die hohe, aber kurze Scheitellinie. Volles, breites Hinterhaupt.
Hierher gehört wohl ein halber rechter, sehr leichter Oberkiefer, der alle
Zähne bis zum Caninus enthält. Sie sind sümmtlich mit ganz frischen Krone?
ausgestattet.
3) Staufersbach (II. Nr. 1).
Ein sehr sonderbarer, grober und eckiger Schüdel, dessen Geschlechtscharakte?
zweifelhaft ist, der aber nach seiner geringen Capacitüt (1205 cem) und seiner Stir?”
bildung wohl als weiblich anzusehen ist. Er ist plagiocephal, offenbar durch
exitrauterine Verdrückung des Hinterkopfes, der auf der linken Seite stark ein”
geschoben, dagegen an der rechten Hülfte der Squama occipitalis vorgewälbi isi
Ausserdem ist die ganze Gegend des Lambdawinkels abgeplattet. Im Uebrige”
ist die Schüdelkapsel ziemlich vollstándig; das Gesicht fehlt bis auf den Nase!
ansatz und das rechte Wangenbein. Die Form ist hypsibrachycephal und zw&
sehr ausgeprágt (Lüngenindex 85,1, Hóhenindex 78,0). Die Reduktion des Hinte"
hauptes - zeigt sich in der Verkürzung des Hinterhauptsindex bis auf 27,2. Vol
ständige Erhaltung der Sut.frontal Sehr starker Stirnnasenwulst, durch die
tiefliegende Stirnnaht getheilt; vertiefte Glabella. Stirn breit (102 mm), in dé
Mitte und über der Tuberallinie stark vorgewülbt. Flache Scheitelcurve, hinte”
der Coronaria eingetieft. Tubera pariet. krüftig. Horizontalumfang 515, Sagittal”
umfang 362, davon 34,8 pCt. Stirnbein, 37,0 Parietalia und 28,1 Occiput. Schlife?
tief. Basis breit und kurz. Foramen magnum gerundet, 34 auf 32 mm. Gelenk”
hócker sehr weit nach vorn gestelli, unregelmüssig. — Wangenbein vortretend
Orbita nur angedeutet, scheinbar hoch, Contour gerundet. Nase sehr tief angesetzb
an der Wurzel breit, Rücken eingebogen.
Hierzu wahrscheinlich ein Stück eines ganz senilen Oberkiefers, dessen Zühn^
bis auf die Wurzeln abgenutzt und geglättet sind.
Ausserdem ist noch ein grósserer, älterer Unterkiefer mitgekommen, den ich
nicht unterzubringen weiss. —
Fassen wir die Ergebnisse dieser Untersuchung zusammen, so zeigt sich, das?
die Schädel der Hallstatt-Grüber von denen der Téne-Grüber recht verschiede?
sind. Letztere lieferten Schädel, welche in vielen Beziehungen mit denen der
eutigen oberbayrischen Bevölkerung übereinstimmen; erstere dageg®®
würden sich leichter mit denen der merovingischen Reihengrüber in P€
ziehung stellen lassen. . Was die ültere Bronzezeit angeht, so ist das Material ZU
unvollkommen; jedenfalls zeigt das Vorhandene viele Unterschiede von andere?
Bronzeschádeln.
(365)
- Stau- | Mut-
Hohenbüchel fers- | ten-
Oberpfälzische Schädel bach | hofen
1 |! 1a | 4 1
STE LS
Capa cus I. Schádelmaasse.
rp Ae 11111121 1166) 1% - 1005 —
Psste horizontale Länge. . . 1. 2 22425 194 | 195 nu 181
"i Breite 5... rss 1596, LE 1431| 197p
ap 149 , 1? 191 | 136
moe ll sls se ee eee ee 1254.7 198 | 115
ps ing 008 n —
érnung des For, magn. von der Nasenwurzel . 108 t o! 100
Ho S » Ohrloches , , » . 114 : 109 107
Sp Malumfang , Ce 558 L 515 | 520
Blltalumfano a ee ee ee ee ee ee 142 139 126 122
> b... s 141 | 185 | 184 188
Gang” € ll 2 a mo oon 127 1281 1021 -
Ws fer Sagittalbogen |... 0. soror 410 | 397 362 —
A Stimbreite, . . a 107, 98: 109 90
“oht, Hohe A . . . . . . . . . . . . — 126| 126 134. —
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rand 80) rand 80)
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On: » 6€. .. . . 110 | 104 7 T7 —
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Cee s au s 79,1 | 66,0
4 '
(27) Hr. Virchow spricht unter Vorlegung eines entsprechenden Skelets über
Xiphodymie.
Vor Kurzem haben wir zum zweiten Male das zweibeinige Brüderpaar (oder,
wie man sagi, den zweikäpfigen Knaben) Tocci in einer unserer Sitzungen gesehen
(8. 245). Ich habe bei dieser Gelegenheit die hôchst sonderbare Thatsache hervor-
gehoben, dass diese Doppelmissbildung, obwohl sie vom Nabel abwürts einfach
erscheint, doch in Wirklichkeit auch in dieser Region doppelt ist, indem die Empfin-
Figur 1.
dung und Bewegung der rechten Seite dem rechten, die der linken Seite dem linken
Knaben ausschliesslich angehört, — ein Verhältniss, welches sich nur begreift, wenn
man annimmt, dass, gleichwie der obere Abschnitt jedes der beiden Körper einen
besonderen Kopf und eine besondere Wirbelsäule, also anders ausgedrückt, ein
besonderes Gehirn und ein besonderes Rückenmark besitzt, so auch der untere
Abschnitt eine doppelte Wirbelsäule und ein doppeltes Rückenmark haben müsse.
Wegen der Renitenz der Knaben hat sich dies durch die áussere Betastung nicht
sicher feststellen lassen.
(366)
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(368)
die Drehung am grössten; dabei tritt übrigens eine stärkere Drehung des rechten
Zwillings hervor. Am 4. Lumbalwirbel besteht eine brückenförmige Verbindung
der beiderseitigen Querfortsätze; dann folgt die erwähnte Platte, welche dünn,
aber recht fest ist und sich jederseits unter einem fast rechten Winkel an
die Wirbelsäule anschliesst. Unmittelbar an dieselbe stösst nach unten ein
grösseres Knochenstück, das nach vorn, gegen das Becken, mit einer schräg-
gestellten Fläche, nach hinten in Form eines stark kirschkerngrossen Knopfes
(Fig. 2) hervortritt. Es entspricht einer verkümmerten Ala sacralis, und zwar an-
scheinend der linken Hälfte des rechten Kindes. Die untersten Abschnitte des
Kreuzbeins und die Steissbeine entfernen sich weit von einander, so dass die
Spitzen der Steissbeine durch einen grósseren Zwischenraum getrennt sind.
Es ergiebt sich also, dass das scheinbar einfache Becken aus der rechten
Hälfte des Beckens des rechten und der linken Hälfte des Beckens des linken
Kindes so zusammengesetzt ist, dass jede Hälfte die ihr zugehörige Unterextremität
in regelrechter Weise trägt und ebenso an die betreffende Seite je einer Wirbel-
säule angefügt ist. Die Vertheilung der Rückenmarksnerven an die Unterextremi-
täten konnte also in gleicher Weise vor sich gehen, so dass das rechte Bein so-
wohl sensible, als motorische Nerven von dem Rückenmark des rechten, und das
linke Bein ebenso von dem Rückenmark des linken Knaben erhielt. Von dem
linken Bein des rechten und dem rechten Bein des linken ist keine Spur vor-
handen, ebensowenig von den entsprechenden Theilen des Beckens, abgesehen von
dem kleinen Knopf, den ich der Ala sacralis des rechten Kindes zuschreibe. |
Etwas complicirter gestalten sich die Verhältnisse an der Brust. Hier er-
scheinen, von vorn her gesehen (Fig. 1), beide Brustkörbe zu einem einzigen, sehr
weiten Brustkorbe von 5 cm Querdurchmesser vereinigt, an welchem die Rippen mit
ihren Knorpeln vollständig ausgebildet sind, so jedoch, dass die der rechten Seite
dem rechten, die der linken dem linken Kinde angehören. Die Knorpel inseriren
sich, wie gewöhnlich, an ein Brustbein; dieses aber ist sehr unregelmässig gebildet.
Es stellt nehmlich eine sehr breite knorpelige Platte dar, in welcher 4—5 unregel-
mässig zerstreute, zum Theil recht grosse Knochenplatten (Ossifikationskerne) ent-
halten sind. Ein Paar derselben scheinen paarweise geordnet zu sein, also den
ursprünglichen Hälften anzugehören. Der grösste liegt unten rechts.
Eigentlich sollte man ein ähnliches Verhältniss auch an der Rückseite er-
warten. Allein hier (Fig. 2) finden sich, und zwar nicht einmal vollständig, nur
die Rippen, dagegen fehlt daselbst jede Spur von Brustbein. Soweit ein solches
vorhanden ist, werden wir es gleichfalls an der Vorderseite, und zwar in voller
Vereinigung mit dem schon beschriebenen Brustbein antreffen. Betrachten wir
vorerst die Rippen. Hier zeigt sich, dass die oberen Rippen, und zwar an dem
linken Kinde 7, an dem rechten 6, vorhanden sind. Sie stossen sehr bald auf
einander, krümmen sich dann schnell nach innen und sehr stark nach oben, wo
sie fast dachziegelförmig über einander geschoben sind und viel weiter hinauf-
reichen, als die Rippen der freien Seiten. Ihre Enden sind nach vorn gegen die
hintere Fläche, zum Theil gegen den oberen Abschnitt der Sternalplatte gewendet-
So entsteht mitten hinter der Sternalplatte eine Art von doppelter Scheidewand, wo-
durch innerlich eine, wenn auch unvollständige Zerlegung des Von vorn her schein-
bar einfachen Thorax in 4 Abtheilungen (Höhlen) bewirkt wird. Die Rippen des
linken Kindes sind länger und mehr gestreckt, die des rechten kürzer und stärker
eingebogen; jene springen daher über die letzteren nach innen und unten hervor-
Die weiteren (unteren) Rippen zeigen grosse Abweichungen, An dem linker
Kinde ist die noch recht lange 7. Rippe vom Angulus an beträchtlich verdickt,
(369)
Wie man jedoch nur bei der Betrachtung von innen sehen kann. Die folgende
8. Rippe ist stark verkürzt, so dass sie überhaupt nicht mehr nach innen vortritt;
Se ist schon am Angulus in einen breiten und starken, winkelig nach unten ein-
Sebogenen Haken umgewandelt, der den Raum zwischen dem Ansatze der 7. und
der ganz kurzen 9. Rippe einnimmt. Von den folgenden 3 Rippen des linken
Kindes ist äusserlich nichts sichtbar, weil die in Wirklichkeit vorhandenen kurzen
Reste der Rippen nach aussen durch die hyperostotischen Stümpfe der Rippen des
deren Kindes gänzlich verdeckt werden. An dem. rechten Kinde ist schon die
^ linke Rippe sehr kurz; sie taucht sehr bald unter die 7. rechte Rippe, nach-
dem sie einen rundlicheckigen Knopf gebildet hat, der auch von innen sichtbar ist.
An der Stelle der 8.—10. Rippe finden sich ganz kurze Stümpfe, die in der Gegend
des Ángulus zu dicken Knópfen anschwellen. Diese treten in der Hinteransicht
Stark hervor (Fig. 2). Die 11. Rippe ist kurz und dünn; die weiteren fehlen.
Höchst sonderbar ist der Schultergürtel eingerichtet. Es sind in der That
4 Schulterblätter und 4 Schlüsselbeine vorhanden. Von diesen sitzt das linke
Schulterblatt des linken und das rechte des rechten Kindes mit den zugehöri-
Sen beiden Armen, die regelmässig ausgebildet sind, an der normalen Stelle.
Von jedem derselben geht eine sehr lange Clavicula nach vorn, um sich etwas
tet an die Sternalplatte anzusetzen. Dagegen sind die beiden anderen Schulter-
blätter mit den dazugehörigen Armen über die Seiten des Thorax weit nach vorn
Und oben geschoben (Fig. ]) und zugleich so gedreht, dass der untere Winkel
na Ch oben und innen gewendet ist; beide Winkel sind über dem Sternum durch
“nen ligamentösen Strang verbunden. Die Claviculae gehen unter einer starken
Verschiebung am Akromialansatze nach vorn und inseriren sich an die Sternal-
Platte oberhalb, vor und nach innen von den beiden anderen Claviculae, in geringer
Entfernung von einander. Daraus folgt, dass die Sternalplatte in ihrem oberen
Abschnitte eigentlich der Rückseite der Doppelbildung angehört und dass dieser
Abschnitt dadurch entstanden ist, dass die hintere Sternalplatte, soweit sie über-
haupt in ihrem sehr defekten Zustande vorhanden ist, sich von oben und hinten
her Nach vorn herübergeschlagen hat und hier mit der vorderen Sternalplatte ver-
Smolen ist. Jedes der Kinder entsendet also 2 Claviculae zu der gemeinsamen
‘emalplatte: eine obere, vordere und eine tiefere, hintere.
Sehr interessant sind die dicken knopfförmigen Stümpfe der defekten Rippen,
Telche cine vollständige Analogie zu der knopfförmigen Ala sacralis darstellen.
Kopf und Hals sind vollständig doppelt. — 2
bild Wir sehen hier das Verhältniss der ausgemachten Thoracopagie mit Defekt-
"ng der einander zugewendeten Thorax-Hälften und zugleich das der Ischio-
PAgie mit noch weiter gehender Defektbildung der betreffenden Beckenhälften
V uns, — ein Verhältniss, welches der berühmten Janus-Bildung am Kopfe
M ist. Denn es handelt sich dabei nicht um eine Verwachsung der Brusi-
vie] © und der Becken zweier, einfach neben und an einander gelagerter Körper;
un 4 chr müsste man, wenn man aus den Brustkórben zweler Kinder einen einzigen
Bry aus den beiden Becken ein einziges von dieser Art herstellen wollte, die
M, orb und die Becken in sagittaler Richtung der Linge nach be fan
angi ium sterni, bezw. bis zur Ala sacralis durchschneiden, die beiden Hi M
day, er klappen, die hinteren Seitentheile in grósserer Strecke wegnehmen M
basi Durchschnitte mit ihren Oeffnungen gegen einander stellen. Diese e-
Schon E lehrt, dass derartige Doppelmissbildungen nicht einfach durch MN sung
eine, tiger Körper entstehen können, dass vielmehr die Störung schon in
eit des Embryonallebens angelegt wird, wo die einzelnen Theile
Verhanal, der Berl, Anthropol. Gesellschaft 1891.
24
Qu
noch gar nicht vorhanden sind. Dies aber lässt sich nur verstehen, wenn
man annimmt, dass die Doppelmissbildung aus ‚einer einfachen Eizelle hervor”
gegangen und dass durch eine Störung, welche schon bei dem ersten Begin”
der Entwickelung eingetreten ist, die secundüren Zellgruppen, aus welchen die
spüteren Einzeltheile werden sollten, auseinandergedrüngt worden sind. Die voll
ständig symmetrische, weitere Ausbildung beweist, dass die Zellgruppen zur Zeit
dieser Störung noch in ihrer ursprünglichen, engverbundenen Lagerung sich be-
fanden.
Ich bemerke übrigens, dass xiphodyme Doppelmissbildungen am häufigsten
bei niederen Wirbelthieren, besonders bei Vögeln, vorkommen. Unsere Sammlung
besitzt eine Anzahl solcher Formen von Hühnern. Desgleichen finden sich darin
xiphodyme Neugeborene vom Menschen, so namentlich ein schöner Fall (Nr. 6062):
bei dem die hinteren Oberextremitäten zu einer einzigen verschmolzen sind, nur
dass die beiden Hände sich erhalten haben. Der Fall ist in einer Dissertation
von M. v. Willich beschrieben.
(28) Hr. Rud. Virchow bespricht
die sogenannten Azteken und die Chua.
Ein grosser Theil unserer Mitglieder hat heute vor 14 Tagen, einer freund-
lichen Einladung des Hrn. L. Castan folgend, dem ich dafür den besten Dank
ausspreche, in seinem Panopticum die sogenannten Azteken gesehen. Wir habe?
bei dieser Gelegenheit wiederum die in der vorigen Sitzung von Hrn. R. Hart-
mann in die Erinnerung zurückgerufene Mühr von der „Entdeckung der azteki-
schen Stadt Iximaya in einer unerforschten Region und der Besitzergreifung vo?
zwei merkwürdigen Azteks“, wie sie schon vor Jahren in einem kleinen Pam”
phlet geschildert wurde, von dem Impresario mit gleicher Ueberzeugungstreue und,
wie ich denke, mit gleich negativem Erfolg vortragen hôren. Indess unser Urtheil
wird die weitere Fortführung dieser Geschichte nicht hindern und das Publikum
soweit es glüubig ist, wird auch fernerhin der wundersamen Erzühlung lausche?
Wir sind seit Decennien überzeugt, dass diese ,Azteken* Microcephale?
sind, und die neuerliche Vorstellung hat diese Ueberzeugung nur bestärkt. Aber
es lüsst sich nicht leugnen, dass die beiden Leute sehr ausgezeichnete Micro”
cephalen sind, und wenn sie weiter nichts würen, so würde dies schon genüge”
sie unserer Aufmerksamkeit würdig erscheinen zu lassen. Dazu kommt, dass die
meisten Microcephalen, die uns vorgeführt werden, Kinder sind und früh sterbe?:
während. wir hier nicht nur erwachsene, sondern auch verhältnissmässig alte Pe!”
sonen vor uns sehen. Ueber ihr Alter ist freilich nichts Genaueres bekannt. Nach
dem erwähnten Pamphlet fand die Expedition nach Iximaya 1848 statt; damals waren
die ,Azteken“ noch Kinder. Aus der Abhandlung von C. G. Carus ersehe ich;
dass sie als solche auch in dem Regierungsblatt von 8. Salvador vom 8. October
1853 besprochen sind. Es steht daher nichts entgegen, ihnen ein Alter von nahezu
50 Jahren zuzuschreiben. Der Angabe der Führer nach wäre der Mann gegen”
wärtig 53, die Frau 48 Jahre alt. Da sie jetzt in eiuem salonfühigen, europäische”
Anzuge, wohl frisirt und geschniegelt, vorgeführt werden, so ist der Eindruck el
ebenso origineller, wie abenteuerlicher, zumal da ihre geistige Entwickelung keine?
Fortschritt gemacht hat. .
"Trotzdem. hat ihre Erscheinung etwas Besonderes an sich, was ZU einem wel
teren Eindringen in ihre Geschichte reizt, und diesem Reize hat in der That kem
Untersucher widerstehen kônnen. Ihre Kopf- und Gesichtsbildung erinner
310
($11)
in hohem Maasse an altmexikanische Bilder. Gleichviel ob man dabei mit
dem Altmeister Carus die Skulpturen von Palenque als Muster nimmt, oder ob man
"Send einen der unzähligen Thonkôpfe wählt, die uns aus Mexico zugeführt werden,
— die Leute gleichen in der That diesen Figuren, und der Gedanke, dass in ihnen
"I^ alimexikanischer Typus fortlebe, bietet sich gewissermaassen von selbst dar.
Insofern ist die Deutung, welche der Impresario giebt, in etwas entschuldbar.
Indess kein Anthropologe wird zugestehen, dass die verdrückten Küpfe der
alien Skulptur und Keramik typische Köpfe eines der alten Stämme darstellen
Oder auch nur darstellen sollten. Da wir aber nicht wohl annehmen können,
dass €S Zu irgend einer Zeit eine Liebhaberei der nationalen Künstler gewesen
Sel, Mierocephalen darzustellen, so liegt es viel nüher, jene Kópfe als defor-
rte zu betrachten. Dafür spricht der Umstand, dass Deformation im alten
Mexico in grosser Ausdehnung geherrscht hat, wie die Gräberschädel beweisen.
Auch in Kleinasien, wo die schon von Hippokrates aus Kolchis geschilderte
Deformation der Köpfe bis in die neue Zeit hinein nicht ganz erloschen ist,
finget man verdriickte Thonkopfe von ähnlicher Art, wie die mexikanischen.
Wäre es nun nicht moglich, dass sich die, ursprünglich durch äussere Gewalt her-
l’orgebrachte Verunstaltung des Schädels im Laufe von Generationen erblich fort-
Sepflanzt hätte? Darauf müssen wir ganz bestimmt verneinend antworten. Noch
8 kein einziger Stamm bekannt, wo sich eine solche erbliche Fortpflanzung hätte
Nachweisen lassen. In dem Augenblick, wo die Sitte der künstlichen Verunstal-
lung aufhört, schwindet auch der verdrückte Kopf bei der nachgebornen Generation.
. Höchstens könnte man annehmen, dass die Köpfe der beiden Leute selbst
einer Solehen künstlichen Deformation unterworfen worden seien. Aber auch das
lässt Sich abweisen. Die Deformation bringt gelegentlich eine leichte Verkleine-
ng deg Schädels hervor, aber sie erzeugt keine Microcephalie im engeren Sinne.
Dn horizontaler Kopfumfang von 370 oder von 385 mm, wie wir ihn bei diesen
eüten finden, ist niemals als Folge einer gewaltsamen Einschnürung bei Er-
d'achsenen beobachtet worden. Am wenigsten würde cine solche Einschnürung
die besondere Form erzwingen, welche wir hier antreffen. | |
. Auch ist die Kleinheit dieser Köpfe nicht jener Zwerghaftigkeit des Schädels
Sleichzusetzen die ich als Nannocephalie bezeichne und die ich bei einer
Vrosseren Zahl von wilden Stämmen Americas in einer bemerkenswerthen Häufig-
Seit Nächgewiesen habe. Der nannocephale Schädel ist ein Cranium justo
inus, der microcephale eine Monstrosität. Und daher gehören unsere
rAntekons nicht zu den Nannocephalen, sondern zu den Micrpcephalen, und die
ye PPreinstimmung ihrer Kopfe mit altmexikanischen ist mehr schein-
*" als wirklich. |
Die jetzige „Inhaberin“ (Proprietress of the „Aztecs“), Mrs. Nellie Marsh,
Sestattero mir in gefälligster Weise, nach der Vorstellung ihrer Schützlinge Messun-
son an denselben vorzunehmen. Diese mussten allerdings unter den verhältniss-
bouts. ungünstigen Gelegenheiten des Ortes und der Zeit auf ein ‚kleines Maas
si Chränkt werden, und ich bin nicht einmal ganz sicher, dass sie vüllig exuk
x Ich habe schon vor 14 Jahren (Verhandl. 1877. B. 289) eine Reihe ülterer
1866 sen der Gesellschaft vorgelegt, die nach meiner Firinnemung aus NM
diese stammten, und es war mir daher doppelt interessant, zu " ' NET
von à Zeit aus den Leuten geworden war. Leider kann ich meine righ not
ma); ämals nicht auffinden, und die Vergleichung der jetzigen Maasse mi "i >
ein Sen ergiebt so grosse Differenzen, und zwar keineswegs gleichmässige ür die
zelnen Personen, dass ich befürchten muss, es seien bei der Aufzeichnung oder
A.
34^
($79)
der Abschrift Verwechselungen vorgekommen. Ich verzichte daher auf eine Vet"
gleichung der früheren und der jetzigen Zahlenreihen und gebe nur die letzteren:
Maximo $ Bartola
Horizontaler Kopfumfang . . . . 385 mm 310 mm
Grôsste horizontale Länge. . . . 133 « 129 «
» Bree . . . . 0. 104 « 108 «
Ohrhóhe . . . . 2... GE 0 76 «
Sürnbreite . . . 00 0e 78 «
Entfernung des Ohrloches von der
Nasenwurzel. . . . . . . 102 « 93 «
Gesichtshôhe A (Haarrand) . . . 137 « 132 «
» B (Nasenwurzel) . . 53 « 68 «
Gesichtsbreite a (jugal). . . . . 104 « 106 «
» b (mala) . . . . 67 « 12 «
» c (mandibular . . . 83 « 144 .
Augendistanz . 29 « 26 «
Distanz der üusseren Augenwinkel. 75 T4 o
Nase, Héhe . . . . . . . . . 56 52 «
, Lánge. . . . . . . . . 55 « 94 «
, Breite. . . . . 5. 836 « 39 «
, Blevation (der Spitze) . . . 27 « 21 «
Mund, Lánge . . . . . . . . 910 « 55 «
Ohrmuschel, Héhe . . . . . . i: « 52
Kórperhóhe . . . . 0. . 51885 « 1355 «
Da der Haarwuchs auf dem Kopfe reichlicher, wenigstens die einzelnen Haar?
länger und durch Kümmen zu einer gewaltigen Haarkrone ausgestreckt sind, so ist
es begreiflich, dass die Kopfdurchmesser nicht unbeträchtlich grösser ausgefallen
sind, als früher, was schwerlich allein auf eine Vergrösserung des Schádels zu be
ziehen ist. Dazu kommt, dass einzelne Maasse, z. B. die Länge des Schädels, jetzt
in der Horizontale bestimmt werden. Am auffälligsten ist die Verminderung der
Körperhöhe (Länge), welche bei Maximo 65, bei Bartola 10 mm beträgt. Soweit
ich mich erinnere, habe ich die Leute früher im Liegen gemessen, während ©®
jetzt im Stehen geschah. Aber ich möchte allerdings glauben, dass Maximo 10
der That kleiner geworden ist. Seine Beine haben durch die Art seines Sitzen?
mit nach aussen gespreizten Unterextremitüten an Krümmung zugenommen, gleich"
wie seine Haltung stark vornüber geneigt ist. Einzelne Theile scheinen jedoch
positiv gewachsen zu sein, so namentlich Gesichtsknochen: die Gesichtshöhe hat
bei Maximo eine Zunahme von 8, bei Bartola von 6 mm ergeben, die Höhe der
Nase ist um 3, bezw. 2 mm grösser verzeichnet.
Aus den mitgetheilten Zahlen ergeben sich folgende Indices:
Lüngenbreitenindex . . . . Maximo 78,1 Bartola 79,8
Ohrhóhenindex . . . . . . » 49,6 , 98,
Gesichtsindex . . . . . . » 50,9 , 64,1
Nasenindex . . . . . . . » 6043 , 67,3
Hier zeigen sich die grossen Contraste in der Bildung der einzelnen Regione?
Wührend der Breitenindex bei beiden mesocephal ist, erweist sich der Ohr*
hóhenindex als hyperchamaecephal, und wührend das Gesicht ultrachamae-
prosop ist, berechnet sich ein leptorrhiner Nasenindex.
Die schon früh verbreitete Nachricht, dass die ,Azteken^ Mischlinge seie
deren Mutter eine Mulattin, der Vater ein Indianer gewesen, findet in der Nase"
Sn
(379)
ung, soweit die Mutier in Betracht gezogen wird, und in dem Gesichtsindex,
"a der Vater herangezogen werden sollte, keine Unterstützung. So schmale
Là 80 weit vorspringende Adlernasen, deren Elevation 27, bezw. 21 mm und deren
"hl (am Rücken) 55, bezw. 54 mm misst, lassen sich nicht füglich auf eine Neger-
Hie zurückführen, und ein so niedriges Gesicht von 53, bezw. 68 mm gerader
bes * (Nasenwurzel bis Kinnrand) ist unmöglich für einen typischen Indianer. Ganz
m ers bezeichnend ist aber die Niedrigkeit des Ohrhöhenindex, welche gänzlich
M der Kategorie der bekannten Rassenindices heraustritt. Hier sehen wir jene
genthüimliche Combination von Microcephalie und Microprosopie, welche nur den
der logischen Formen zukommt. Letztere zeigt sich in nichts so evident, als in
"a des Unterkiefers, dessen Kinn weit hinter den Lippen und Kiefer-
nur Ws zurückbleibt, — eine fast affenartige Bildung, — und dessen Winkeldistanz
3, bezw. 74 mm beträgt.
ea Sammlung des Pathologischen Instituts besitzt glücklicherweise ein aus-
so, mete Specimen von Microcephalie bei einem Negerknaben, welches
Ame für eine Vergleichung um so mehr eignet, da der Knabe gleichfalls aus
May stammt. Nach dem Katalog wurde es im Mai 1856, noch durch Johannes
bracht erworben. Es waren damals zwei Kinder gleicher Art nach Berlin ge-
um i wie man annahm, Bruder und Schwester. Das nach Angabe des Führers
des qehrere Jahre ältere Mädchen war dem Bruder ganz ähnlich in der Gestalt
und esichtes und Kopfes; es war, wie er, ohne articulirte Sprache, jedoch lenksam
a üthig; auch verstand es manche spanische Worte des Führers. Der
ist m der etwas weniger lenksam war, erkrankte in Berlin und starb. Sein Kopf
Letri Spiritus aufbewahrt (Nr. 18350), sein übriges Skelet macerirt (Nr. 18403).
dierligy hat vom Atlas bis zur Sohle eine Hohe von 890 mm, zeigt sehr feine und
Coleg Knochen, ohne jede Spur von Verkrümmung oder von Anschwellung der
beni enden, die Epiphysen sind noch abgesetzt, aber scheinbar 1m Verschmelzen
Die be der Thorax in seinem unteren Theile ungewöhnlich weit und vorgeschoben.
hey eren Schneidezihne sind im Wechsel begriffen, die beiden mittleren brechen
ung vor, doch darf man wohl annehmen, dass sie linger zuriickgehalten sind,
Man wird nach ihnen schwerlich das Alter des Kindes bestimmen können.
und Der Kopf ist bedeckt mit einer ganz dichten Perrüke von schwarzem, hier
hog, à leicht bräunlich schimmerndem Haar, dessen enge Spiralrollen 6—8 mm
ganze Sehen, Es ist das reinste Negerhaar. Die Behaarung setzt sich über die
Bm. ürn bis zu den sehr starken und glatten Brauen fort, jedoch ist dieses
licher n kurz und ganz glatt, Auch erstreckt sich bis zum Kieferwinkel ein deut-
und a von Backenbart, dagegen fehlt jede stärkere Behaarung an Lippen
Sa Die Augenlider lang und glänzend schwarz. Die Haut ist braun-
Index M Die Nase kurz, breit, dick, am Rücken eingebogen, 34 mm hoch, 30 breit,
treten à 2, also platyrrhin. Die Lippen, besonders die obere, dick und vor-
Schön. das Kinn weit zurückstehend. Die Schneidezähne des Unterkiefers sehr
Schneugn Iekelt, breit und mit je 3 Zacken (den Kunden der Thierärzte) an der
lege, t den Schädel betrifft, so ist derselbe nicht geóffnet, dagegen durch Zurück-
de, Pf. Weichtheile entblósst. Man sieht daran eine vollstándige Synostose
Sind. Dinah, wührend Kranz- und Lambdanaht, letztere sehr flach, erhalten
àn de, T Schädel ist 124 mm lang, 93 breit, also dolichocephal (Index 75,0,
la gq, e Grenze der Dolichocephalie). Er erscheint auch sehr schmal, zumal
eine "ubera parietalia entwickelt sind. Die Stirn ist schräg, mit einer
* Mi
(914)
medianen flachen Crista ausgestattet. Das Hinterhaupt niedrig, von pithekoidem
Aussehen.
Das ist also ein microcephales Negerkind mit allen wesentlichen Eigen
schaften seiner Rasse. Es mag dabei in Betracht kommen, dass es wahrschein-
lich von schwarzen Eltern ohne Vermischung mit einem Gliede einer anderen
Rasse abstammt, aber man muss doch zugestehen, dass es von unseren Azteke"
toto caelo verschieden ist. Nichts an ihm, natürlich abgesehen von dem patholo-
gischen Sehüdelbau, erinnert an unsere beiden Leute.
Wenn man immer wieder betont hat, dass das Haar dieser letzteren kein
amerikanisches Haar sein könne, da es nicht schlicht und straff, sondern „kraus“
sei, so ist dagegen zunächst zu bemerken, dass in neuerer Zeit, namentlich in Süd-
america, doch auch Eingeborne getroffen sind, welche ,krauses^ Haar besitze"
Aber noch mehr ist zu betonen, dass dieses ,krause* Haar kein Negerhaal
ist: ihm fehlt, ebenso‘ wie dem Haar der Australier, vollständig die Eigenschaft
Spiralróllehen (,Pfefferkórner^) zu bilden, wie sie der Kopf des mierocephalen
Negerkindes in so ausgezeichneter Weise zeigt. Das Haar unserer Azteken war
niemals spiralgerolli, es war und ist eben nur wellig, und was darüber hinausgeht,
das ist künstliche Frisur. Mrs. Marsh war so gütig, mir zu gestatten, Haarprobe”
von den Azteken zu nehmen. So besitze ich eine 15 cm lange Haarlocke v0?
Bartola und eine ühnliche von Maximo. Beide zeigen starke, schwarze, hier und
da mit grauen untermischte Haare ohne jede Neigung zur Spiralwindung. Bei der
mikroskopischen Untersuchung sieht man das Pigment in dichter Anhäufung in
der Rindenschicht, dicht unter der ganz farblosen Cuticula; es besteht aus feinem:
schwarzbraunen Kornern, die hüufig in Spindelform angeordnet sind. Darunter
folgt eine ganz farblose Zone, in der hier und da ein Pigmentkórnchen liegt. An
vielen Haaren fehlt jede Andeutung eines Markstreifens, an einzelnen ist ein
solcher vorhanden, jedoch meist dünn und häufig unterbrochen, und dann ent-
hält er gleichfalls schwärzliches, körniges Pigment. Auf dem Querschnitt er”
scheinen die Haare überwiegend rundlich oder oval, niemals bandfórmig oder a
einer Seite abgeplattet, höchstens etwas eckig.
Meiner Meinung nach liefern die Haare der Azteken keinen Hinweis auf eine
Absiammung von Negern. Man vergleiche z. B. meine Beschreibungen der Haare
der Bella Coola (Verh. 1886. S. 212) und der Goajiro (ebendas. S. 701), und ma?
wird kaum eine Verschiedenheit von den Haaren der Azteken finden, hüchstens das?
die der Bella Coola durchschnittlieh dicker waren. Aber auch bei ihnen, wie be!
den Goajiro, findet sich gelegentlich welliges Haar. Ebenso wenig, wie das Haar
liefert die Hautfarbe der Azteken ein entscheidendes Merkmal. Allerdings sind si
sehr dunkel gefürbt, allein wenn man die Schilderungen der Hautfarbe der heutige?
Indianer Mexicos von A. von Humboldt bis auf die neueste Zeit zu Rathe zieht
so sieht überall die ungewühnlich dunkle Hautfarbe im Vordergrunde?) Was abe"
jeden Zweifel beseitigt, das ist die günzlich unnigritische Bildung des Gesichts,
insbesondere der Nase und der Interorbitalgegend. Letztere is ganz schmal (b€
Maximo 29, bei Bartola 26 mm), entsprechend der Schmalheit der Nasenwurzel und
der Leptorrhinie überhaupt. Eine so weit vortretende, aquiline, geradezu vogel-
schnabelühnliche Bildung der Nase ist bei Negern unerhôrt und, wie wir sahem
nicht einmal dem microcephalen Negerkinde eigenthümlich. .
Diese Art der Nasenbildung ist es vor Allem, welche zur Vergleichung mii
- ‘1) Man vergl übrigens die Angaben des Hrn. Melgar (Verh. 1814. S. 19; über die
„Schwarzen“ in Chiapas.
(375)
en alimexikanischen Skulpturen und Thonbildern auffordert. Auch an diesen
ko? e$ schon Humboldt aufgefallen, dass die heutige Indianer-Bevólkerung Mexicos
ande solche Bildung aufweist, und unser berühmter Landsmann hatte dafür keine
flle Erklärung, als dass die Bildner sich in einer gewissen Uebertreibung ge-
R en hätten und dass so mit der Zeit eine Art von Kanon entstanden.sei. Mit
ont hat Morton (Crania americana. Philad. 1839. p. 146) darauf hingewiesen,
Ro sich diese grossen aquilinen Nasen vorzugsweise an verdriickten (distorted)
in n vorfinden, und ich kann hinzufügen, dass diese Nasen denen unserer Azteken
alim ohem Maasse gleichen. Nun ist es hüchst sonderbar, dass die Schädel aus
lich eXikanischen Grübern gerade diese Form am wenigsten zeigen. Die gewóhn-
Sch; Form der Deformation ist die hintere Abplattung, wie sie Morton von
lon deln von Otumba abbildet (Pl. 59 und 60); eine extreme Steigerung dieser
vo Bitudinalen Zusammendriickung stellt die abenteuerliche Form dar, welche Gosse
la den Sacrificios-Inseln in der Bucht von Vera Cruz beschrieb und als drei-
WP (trilobée) bezeichnete (Ann. d'hygiéne publ. 1855. No. VIL. p. 354. Pl. 1.
S.4a et 4b. Man vergl. P. Gratiolet, Méóm. de la soc. d'anthrop. de Paris. I.
P 39D. Aber gerade die verlängerte Form mit niedergedrückter Stirn, welche
Bildwerken so hüufig ist, fehlt unter den alten Schüdeln.
re rented ist die Schüdel- und Gesichtsform der ,Azteken® die gang-
gleich orm auch bei unseren einheimischen Microcephalen. Ich zeige zur Ver-
der ung einen Kopf aus der Sammlung des Pathologischen Instituts (Nr. 12 710),
(1 om der Gebriider Sohn, Friedrich, (aus Kiwitsblot in Posen) angehört hat
se aD. Er hat gleichfalls eine völlige Synostose der Sagittalis und eben
hat le Stark aquiline Nase und die prognathen Kiefer der Azieken. Hr. Carl Vogt
( Archi seiner berühmten Abhandlung über die Microcephalen oder Affenmenschen
geh " f. Anthropologie 1867. II. S. 148. Taf. VIII—X) das Nähere über ihn mit-
win. i. Wer das Profil dieses Schádels (Taf. VIII) mit dem der Azteken vergleicht,
cite an den blossgelegten Knochen erkennen können, wie gross die Ueber-
igh ist. Weitere Hinweise, die in Fülle zu Gebote ständen, sind wohl
erforderlich.
en Gedanke, dass sich eine Rasse von Microcephalen seit alter Zeit fort-
ello habe und dass die beiden ,Azteken^ die letzten Sprüsslinge derselben dar-
cepha musste um so mehr abenteuerlich erscheinen, als erfahrungsgemass Micro-
auf m in der Regel sich nicht fortpflanzen. Ich habe in früherer Zeit wiederholt
ne Erfahrung hingewiesen, um daraus zu folgern, dass es unzulässig sei, an-
be dap es habe jemals eine Rasse von dieser Art gegeben. Allein, wie es scheint,
dep Y diese Erfahrung doch eine gewisse Beschränkung. Hr. Castan hatte bei
Welche lang der Azteken 6 Gypsabgüsse aus seiner Sammlung ausgelegt,
entrom nach seiner Angabe von einer microcephalen Familie (Suckey Hilling?)
M chen seien, die in einem Londoner Arbeitshause untergebracht war. Während
Mehrey ungewöhnlich ist, dass in einer Familie von norm al gebauten Eltern
boren € microcephale Kinder, nicht selten wechselnd mit normalen Kindern, ge-
die Ap, den, so würde hier der Fall vorliegen, dass auch schon bei den Eltern
ta bestanden hat.
Wenn oe Ueberraschung über diese Gypse wäre sicherlich noch grösser gewesen,
Seführt Ch nicht durch eine frühere Erfahrung schon auf ähnliche Betrachtungen
12. Ju; M würe. Hr. F. J agor hat der Gesellschaft in der Sitzung vom
Schrift ©; (Verh. S. 237) die Photographie eines indischen Chua und die Ab-
vom | Ines Berichtes des Dr. Wilson Johnston aus The Indian Medical Gazette
: Mai 1866 vorgelegt, Nach diesem Berichte musste man annehmen, dass
die Chua, von denen Dr. Johnston ausdrücklich sagt: They have a special aztic
look, im Stande seien, Kinder zu erzeugen. lch bat daher Hrn. Jagor, als er
beim Antritt seiner neuen indischen Reise am Ende des vorigen Jahres von mir
Aufträge anthropologischer Art verlangte, wenn irgend möglich nach Goojrat, dem
Aufenthaltsorte der „Rasse“, sich zu begeben und durch persönliche Nachforschung
Genaueres zu ermitteln. Leider ist ihm dies, wie er mir meldet, nicht möglich
gewesen; er hat mir nur ein Exemplar der erwähnten Nummer der Indian Med.
Gazette geschickt. Da die Hauptsachen daraus schon in der früheren Vorlage an-
gegeben sind, so beschrünke ich mich darauf, zu erwühnen, dass Dr. Johnston
über gewisse Widersprüche nicht hinweggekommen ist. Obwohl er berichtet, dass
die Chua's (d. h. Rattenküpfe) an dem, von ihrem Vorfahren Shawdowla gegründeten
Tempel zu Goojrat den Dienst thun und dass kinderlose Frauen, welche dort um
Mitternacht um Kinder bitten, beim Erwachen an ihrer Seite einen Chua finden;
was zur Folge habe, to reproduce chuas ad libitum, und obwohl er ausserdem at
giebt, dass die Söhne von Shawdowla (unter der Regierung Akbar's) sich vet"
heiratheten und eine reiche Kinderschaar erzeugten, so fand er doch bei der Unter-
suchung lebender Chua's an entire absence of sexual powers and puerile develop-
ment of pro-creative organs. Er streift beiläufig auch die Frage einer künstlichen
Deformation, bleibt aber schliesslich bei der Annahme einer Missbildung. Da-
gegen war Dr. J. Wilson, von welchem Hr. Jagor den früheren Bericht erhalten
hatte, einen Schritt weiter gegangen; er war der Ansicht, „dass die Chua-Schädel
das Ergebniss künstlicher Verunstaltung seien“, und führte an, „dass die meisten
jetzt noch vorhandenen Chua’s über 25 Jahre alt seien, weil die Regierung in
neuerer Zeit diese Körperentstellung mit Erfolg verboten habe“. Ich bemerke
dazu, dass Dr. Johnston 1866 angab, es seien in dem Shawdowla-Tempel noch
9 Chua’s vorhanden, 5 männliche und 4 weibliche; der älteste 40, der jüngste
3 Jahre alt, und dass nach seiner genauen Beschreibung nicht füglich ein Zweifel
darüber bestehen kann, dass die Chua's sowohl kürperlich, als geistig Mierocephalen
sind. Er nennt unter ihren Eigenschaften: a) an almost total inability to articulate,
b) a total inability to discern the quality of food, anything being equally greedily
devoured.
Es ist hóchlich zu bedauern, dass diese ebenso wichtige, als sonderbare Ge-
schichte noch immer nicht weiter aufgeklärt ist, und ich kann nur wiederholt den
Wunsch ausdrücken, dass eine eingehende Untersuchung darüber angestellt werden
möge. Wenn man liest, in welcher Verehrung die bei dem Tempeldienst be-
schäftigten Chua’s bei dem Volke standen, so wird man unwillkürlich an die Ge-
schichte von der Verehrung der Azteken in dem Tempel von Iximaya erinnert.
His (Shawdowla's) descendants, sagt Johnston, still minister at the temple, which
is held in great reverence, and thousands yearly flow to the Shawdowla ,mela^. —
Schliesslich will ich noch anführen, dass Hr. Prof. Langhans in Bern mi
unter dem 19. December 1888 eine Reihe von Photographien hat zugehen lassen:
welche in höchst dankenswerther Weise eine microcephale Familie in Thun dar-
stellen: die Geschwister Christian (geboren 1855) und Elise (geb. 1856) Schenkel,
welche Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre von Klebs und Aeby unter-
sucht worden sind, und von denen Elise am 20. April 1888 ein microcephales
lebendes Kind männlichen Geschlechts geboren hat. „Der Vater ist ganz un-
'" bekannt; die Schwangerschaft wurde erst kurz vor ihrem Ende bemerkt. Die
Mutter selbst hatte gar kein Verständniss für ihren Zustand, noch für das, was be!
der Conception mit ihr vorgegangen war.^ Hier ist also die Fortpflanzung des
krankhaften Zustandes durch eine microcephale Mutter zweifellos dargethan. Für
die Fortpflanzung durch einen microcephalen Vater wären aber noch genauere
: 316)
(377)
Nachweise wünschenswerth. Vielleicht wäre es möglich, über die Familie Suckey
Hilling in London Genaueres zu erfahren. —
Hr. R. Hartmann: Als in der letzten Sitzung von den sogenannten Azteken
die Rede war, versprach ich einige bildliche Erläuterungen und Belege zu dem
Yon mir damals Gesagten zu liefern. Ich zeige hier zunächst den Versuch einer
vielleicht dem Leben entsprechenden Restauration des Kopfes eines Kônigs und
eines geringen Mannes aus den Reliefs von Palenque in Chiapas vor. Beide Köpfe
lassen die künstliche Verbildung des Gehirntheiles und die sehr ausgeprägte
Römernasenbildung des Antlitztheiles wohl erkennen. Der König zeigt die äusserst
Complicirte Beschaffenheit der Kopfbedeckung mit ihren, vielfach den altaztekischen
ähnelnden, metallenen, edelsteinbesetzten Spangen und Netzen, den wehenden
Büschen der prachtvollen Quetzalfedern u. s. w. Der geringere Mann hat das Haar
bis auf eine Art mittleren Skalpschopfes kahl geschoren. — Das Bild des Osagen-
häuptlings Talli, nach einer Oelskizze George Catlin’s, lässt eine ähnliche Be-
handlung des Kopfhaares und den hochroth gefärbten Schopf vom Schweifhaar
des Virginia-Hirsches erkennen. — Eine altaztekische Steinmaske, ferner das Porträt
eines Guatemalteken indianischer Nationalität aus Santiago, die Köpfe eines Mönni-
larri- und eines Krühen-Indianers, letztere beiden nach den prichtigen (colorirten)
Darstellungen eines Karl Bodmer (Reise des Prinzen Max von Neu-Wied in
Nord-America), sowie die Bilder zweier nackter, aztekischer Weiber aus dem
Werke von Lord Kingsborough bieten die typische, ramsnasige Bildung der
Indianergesichter getreulich dar. Dasselbe ist der Fall an zwei Aquarellzeichnungen
"ner (modernen) India Azteca del Mirador und eines (ebenfalls modernen) Jungen
Totonaco von Cempoalla. Diese beiden sehr charaktervollen Köpfe sind Copien
Ton Oelskizzen des ausgezeichneten Tropenmalers Moritz Rugendas. Sie sind
Yon mir der hiesigen Königlichen Nationalgalerie entnommen. Der erwähnte
Künstler bereiste zu Ende der 1820er Jahre Mexico. Leider ist derselbe ge-
“Wungen gewesen, bei seinen rastlosén Streifereien einen Theil der von ihm stark
beanspruchten Oelfarben seines Malkastens aus schlechtem Material zu ergänzen.
Die Mit solchen Farben gemalten Bilder fallen einer Verderbniss anheim, für
Welche kein Gegenmittel existirt. — Es folgen noch der Kopf einer Longhead-Frau
Ton Koskimo nach einer von Capitán Adr. Jacobsen mitgebrachten Photographie
"nd. einer Longhead-Frau nach Oelskizze von G. Catlin. Letztere bringt die
Methodische Kopf-Compression des auf einer Art von Wiege getragenen Säuglings
nd Unzweideutige Weise zur Anschauung. —
-. (29) Hr. R. Hartmann zeigt, zur Erlàuterung der stattgehabten Diskussion
iii Zimbáoe (Verh. 1889. S. 741), Holzschnitt- Darstellungen: 1) der damals
M ihm erwähnten Vertheidigungsthürme in Khorassan (gegen turkomanische
oa aus der Pariser Illustration (Autor Oberst Colombari) und aus den Utu-
lia *d London News (Autor Will. Simpson 1885 und 1889), sowie 2) der ühn-
Ci en Nuraghen auf Sicilien aus der Illustrazione Italiana (Autor Capitän Alete
Onini 1890).
(30) Hr. Missionssuperintendent Merensky hält einen Vortrag über
Spuren vom Einfluss Indiens auf die afrikanische Vólkerwelt.
vor Die Beeinflussung der afrikanischen Völkerwelt durch Indien müsste man
Aussetzen, wenn sie sich nicht nachweisen liesse. Die afrikanische Ostküste
(87%)
liegt der indischen Westkiiste gegeniiber und man hat sie deshalb im Alterthum
zu Indien im weiteren Sınne gerechnet. Die ältesten arabischen Gelehrten glaubten,
dass beide Länder im Süden zusammenhingen, und Vergil (Georg. 4. 292) nennt
die Aethiopier Indi und Ovid die Araber ebenso. Jedenfalls hat zwischen beiden
Ländern seit frühester Zeit Verkehr und Handel stattgefunden. Der arabische
Schriftsteller Edrisi berichtete, die Inder hätten in Sofala Eisen und Waffen ge-
handelt. Ebenso erzählt Dos Santos (Histoire de l’Éthiopie) von den afrikanischen
Eingebornen derselben Gegend, dass sie Zuckerrohr und Wein bauten, und mit
Orangen und Limonen nach Indien handelten, welcher Bericht dadurch bekräftigt
wird, dass in den Lündern zwischen Sambesi und Limpopo sich thatsüchlich noch
heute verwilderte Wein- und Orangenplantagen finden. Der Geographus Nubiensis
(Gildemeister Script. arab. de rebus indicis p. 147) nennt eine Stadt (ayuna im
Lande Sofala, welche von Indern, Zing und vielen anderen Fremden bewohnt war.
Als Vasco de Gama im Jahre 1498 die Ostkiiste erreichte, fand er, dass hier
ein lebhafter Handel mit Indien, besonders mit Kambaya (in der Nähe des heutigen
Bombay), stattfand, und er erhielt ohne jegliche Miihe in dem Hafen Malindi Piloten,
die ihn nach Kalikut an der Malabarküste brachten.
Im vorigen Jahrhundert wird mehrfach berichtet, dass indische Kaufleute von
der Ostküste bis tief ins Innere, ja nach der Westküste (Wydah, Dahomey) ge-
kommen seien. Spuren dieses Verkehrs finden wir in verschiedener Gestalt.
Capitán Owen, welcher in den 20er Jahren im Auftrage der englischen Regierung
die Ostküste aufnahm, berichtet, dass die Fahrzeuge an der südlichen Osiküste
denen der Koromandel- und Malabarküste sehr ähnlich seien. Bekannt ist, dass
unter sehr vielen afrikanischen Vólkern sich alte Schmuckkorallen finden, deren
Ursprung ihnen unbekannt ist. Schreiber dieses hat über solche uralte Perlen,
wie sie sich bei den Bassuto im 'Transvaal fanden, in der Zeitschrift für Ethno-
logie (Jahrg. 1882. S. 543) berichtet. Lange hat auch er vergeblich nach der Her-
kunft dieser Perlen geforscht. Endlich konnte festgestelli werden, dass sie indi-
schen Ursprungs sind, und dass man sie noch heute in Baumnaghar auf der
Halbinsel Guíscherat verfertigt.
Waitz (Anthropologie S. 378) weist auf die grosse Aehnlichkeit des Blase-
balgs, wie er am unteren Niger gebraucht wird, mit dem indischen hin. Unter
den Eingebornen der Ostküste bis nach Transvaal hinein finden sich Kórbe, die
entschieden nach indischen Mustern gebildet sind, und die zwischen Sambesi und
Vaalfluss am hüufigsten gesehene Form der Streitaxt ist augenscheinlich der indi-
schen Tigeraxt nachgebildet. "Wenn die Marimba (das bekannte Kalebassen-Piano
der Neger) sich in genau derselben Gestalt in Africa und Indien (Birma, Siam)
findet, so wird der Schluss berechtigt sein, dass sie von dem älteren Culturlande
her nach Afrika eingeführt worden ist. Von indischer Herkunft ist das Betelkauen,
das sich bei einigen Stümmen, z. B. den Wanika, findet. Waitz (Anthropologie
S. 311) glaubt, dass die Sitte, Blut-Brüderschaft und -Bund zu schliessen, die sich
bei so vielen Stümmen, besonders bei den Mpongue, findet, auf indische Einflüsse
zurückzuführen sei. Bei den Herero, die allerdings jetzt an der Westküste wohnen,
die aber der Sprachverwandtschaft nach zu den Vólkern der Ostküste gehóren,
findet sich sogar ein Anklang an das indische Kasiensystem. Die alten Leute des
Volkes reden von einem Sonnengeschlecht, Ovakuenyuwa, zu welchem der frühere
Adel des Volkes gehört habe. Von den Weissen rechnen sie dazu nur etwa den
Gouverneur von Kapstadt. Dann folgt das Regengeschlecht der Ovakuenombura.
Man zählt noch 4 oder 5 weitere Kasten; die niedrigsten Leute werden Ekuadyivi
genannt. Merkwürdigerweise findet sich bei diesen Herero der Cultus eines heiligen
s GC
(379)
Feuers, von dem sich auch bei einigen anderen afrikanischen Stämmen Spuren
finden, welcher wohl mit Sicherheit auf parsische Einflüsse zurückzuführen ist.
Der alte Dapper berichtet, dass solch’ Cultus bei den Leuten von Monomotapa
Zu finden sei. Unter den Bawenda in Nord-Transvaal findet sich die Sage, dass
der göttlich verehrte alte König Tocho-Ndou dem Volke das Feuer gebracht
habe, und in den Hauptstädten werden bei ihnen heilige Feuer unterhalten,
die nicht verlöschen dürfen. Unter jenen Herero hat jeder Stamm eine solche
Stätte, Okuruo genannt. Sie ist mit einer Hecke umgeben. Die Eingebornen
betreten sie mit heiliger Scheu, nachdem sie sich vorher ihrer Sandalen entledigt
haben, und küssen die Asche. Das Feuer, welches nie verlöschen darf, wird von
einer Tochter des Häuptlings gepflegt, welche Ondangere genannt wird. Sie führt
das Amt, welches ihr eine bevorzugte Stellung giebt, nur bis zur Verheirathung.
Dieses heilige Feuer darf nie verlöschen; während das Vieh gemolken wird, muss
es hell brennen.
Jede abziehende Familie nimmt von diesem Feuer mit sich. Sollte es ver-
löschen, so bleibt der Wanderzug liegen, bis von einem anderen Orte heiliges
Feuer herbeigebracht ist. Am neuen Wohnplatz angekommen, wird die neue Feuer-
Stätte errichtet, Opfer werden geschlachtet und jeder Anwesende speit von einem
Gemisch, das aus Wasser, Fett und Milch besteht, ins Feuer. Bei den schon oben
Érwähnten Mpongue, welche am Gabun wohnen, aber den Sulu und Suaheli ver-
Wandt zu sein, also von der Ostküste zu stammen scheinen, findet sich nach
Hübbe-Schleiden die Sitte, dass anf den Häuptlingsdärfern ein heiliges Feuer
Tag und Nacht brennend unterhalten wird, wodurch man die Einflüsse der bösen
Geister abzuwehren glaubt. |
, Auch in Bezug auf das Bestatten der Todten ist die ursprüngliche afrikanische
Sitte des Begrabens durch fremde Einflüsse hie und da verdrüngt worden. Einige
Stämme, besonders in der Congogegend, stellen die Leichen, jedenfalls die der
Häuptlinge, an versteckten Plätzen aus, damit sie von der Luft verzehrt werden.
Das erinnert an die entsprechende Sitte der Parsi bei Bombay. Besonders inter-
éssant ist die vom Archideacon Callaway erkundete Thatsache, dass die Sulu
früher ihre Leichen verbrannt haben. Wenn Häuptlinge starben, umgaben die
Krieger den gewaltigen Holzstoss, auf dem die Leiche lag, und nachdem das Feuer
Brand gesteckt war, mussten Räthe, Diener und andere hochgestellte Personen
»Mit dem König ziehen“, d.h. sie wurden in das Feuer hineingestossen. Solche
Leichenverbrennung ist im holzarmen Afrika etwas so Fremdartiges, dass man sie
Wohl mit Sicherheit auf indische Einflüsse zurückführen darf.
Auch dürften auf solche Einflüsse die Spuren des Glaubens an Seelenwande-
lung deuten, die sich hie und da zeigen. Bekanntlich findet sich bei den Sulu
End den ihnen verwandten Dinka der Glaube, dass die Seelen der Menschen in
Schlangen fortleben. Aus Katanga berichtet Missionar Arnold, dass man dort
Slaube wilde Thiere seien von den Geistern verstorbener Feinde besessen, wie
NM die. Evhe-Neger (Mitteilungen der geogr. Gesellsch. zu Jena. Bd. IX. B. 17)
on estafrika, nach Mittheilungen des Missionars Spieth, sich vor den Geistern
an wilder Thiere fürchten, und Hübbe-Schleiden (Aethiopien S. 132) er-
See] von den schon oben erwühnten Mpongue, dass sie an eine Prüexistenz der
best: vor der Geburt glaubten. Aus dem Charakter eines Menschen glauben sie
ist IMmen zu können, was für ein Geist der Mensch vor seiner Geburt gewesen
Und was er nach seinem Tode sein wird.
weit Wir glauben die gesuchten Spuren nachgewiesen zu haben. Freilich wird erst
eren Forschungen, ganz besonders auf dem Gebiete der vergleichenden Sprach-
(Qe
wissenschaft es vorbehalten sein, für die Beeinflussung der afrikanischen Vülker-
welt durch Indien vollgültige Beweise beizubringen. —
Der Vorsitzende dankt Hrn. Merensky für den anregenden Vortrag und
spricht die Hoffnung aus, dass derselbe von seinem schwierigen Missionswerke am
N’yassa-See, zu dem er demnächst abzureisen gedenkt, gesund und mit reichen
Erfahrungen zurückkehren möge. —
(31) Das correspondirende Mitglied, Hr. J. Heierli zu Zürich übersendet unter
dem 25. Februar ein Exemplar des Prachtwerkes: „Zürich und das schwei-
zerische Landesmuseum“, welches im Auftrage der Stadt Zürich, und zwar
nur in kleiner Auflage, erschienen und im Buchhandel nicht zu haben ist. Das-
selbe ist bei Gelegenheit der Concurrenz der schweizer Städte um das eidgenössi-
sche Landesmuseum zur Vertheidigung der Ansprüche der Stadt Zürich verfasst
worden.
Der Vorsitzende spricht den herzlichen Dank der Gesellschaft für das schöne
Geschenk aus. —
(32) Hr. J. Heierli hat unter dem 2. December 1890 an Hın. Virchow mit
nachstehendem Begleitschreiben eine Sendung übermittelt, bestehend aus
Skeletten und Schädeln aus schweizer Gräbern.
„Ich habe heute eine Anzahl menschlicher Knochen aus Gräbern an Sie ab-
gehen lassen und bitte, dieselben nach Belieben zu benutzen. Es sind zunächst
Funde aus einem erst theilweise untersuchten Gräberfelde bei Hedingen, Canton
Zürich, an der Eisenbahnlinie Zürich-Zug. Gleich ausserhalb des genannten Dorfes
befindet sich an der Strasse nach Bonstetten der sogen. Kreuzrain, eine kleine Er-
hebung, die einem Moränenzuge gleicht. Da, wo die Strasse die höchste Stelle
erreicht, dehnen sich zu ihren beiden Seiten Aecker und Wiesen aus, wo zu ver-
schiedenen Zeiten Knochen und Artefakte zum Vorschein gekommen waren. Be-
sonders beim Sandgraben sollen, einige Schritte östlich der Strasse, häufig Skelette
gefunden worden sein.
Im März des Jahres 1890 erhielt ich von Hrn. Sekundarlehrer Attinger in
Hedingen die Mittheilung, dass beim Sandgraben auf dem Kreuzrain wieder einige
menschliche Knochen zum Vorschein gekommen seien. Ich begab mich an den
Fundort und fand wirklich ein Grab, das aber schon früher durchwühlt worden
sein musste, wahrscheinlich von Sandgräbern (Grab I). Hr. Attinger hatte alles,
was noch von älteren Funden erhältlich war, sorgfältig gesammelt und konnte mir
eine Reihe von Schädelfragmenten (Calvarie, Ober- und Unterkiefer), die ich bei-
gelegt habe, übergeben. Zudem war er in den Besitz einiger Artefakte gelangt,
die aus einem Grabe stammen, das links, also westlich der Strasse und einige
Dutzend Meter von derselben entfernt, sich gefunden hatte. Diese Artefakte be-
Figur 1. standen in einem blauen Glasarm-
EN ring (Fig. 1) und Bronzeringen und
| -knópfchen, die in Eisenrost ein-
le 1, gebacken sind, Der Glasarmring
beweist, dass dieses Grab der sog.
=== mr Mittel-La Tène-Zeit angehörte, Wie
A Sa = AU ^ x ’ nebenstehende Abbildung zeigt, hat
=: . UY derselbe an der Aussenseite 2 Wiilst-
3/, der natürlichen Grósse. chen, die durch schrüge Kerben ein
380)
(381)
éler- oder perlstabähnliches Aussehen erhalten. Die blaue Farbe des Ringes rührt
sahrscheinlich von Kobalt her. Aehnliche Ringe sind an mehreren Orten der
wein gefunden worden, z. B. in Horgen, Canton Zürich, neben einer silbernen
einer. A Téne-Fibel, einem Gagatring, mehreren Fingerringen aus Gold oder Silber,
werde Bronzekettchen und einer Goldmünze, welche vielleicht helvetisch genannt
Gla en darf und als eine Nachahmung der makedonischen Philipper erscheint.
wort B¢ von gelber Farbe sind unweit Hedingen, in Mettmenstetten, gefunden
wit en und zwar mit Mittel-La Tone-Fibeln beisammen liegend. Nebenbei set er-
"^ni, dass in den Grübern dieser Art auch gedrehte Thongefässe enthalten sind.
ahi Bei der Begehung der Felder auf dem Kreuzrain bei Hedingen fanden wir
auc poche römische Gefässscherben und Ziegelstücke. Es muss also dieser Platz
zur Römerzeit bewohnt gewesen sein.
der ve meinem zweiten Besuche daselbst deckten wir in der Sandgrube östlich
In rasse 3 weitere Gräber ab, von denen ich die Skeletreste beigelegt habe.
Grab IV fanden wir zwischen den Knien des Skelets ein Eisenmesser (Fig. 2).
Figur 2.
1 der natürlichen Grösse.
a Form ist so wenig charakteristisch, dass ich nicht zu entscheiden wage, wel-
Me eit das Messer angehôrt, doch hat es grosse Aehnlichkeit mit Alamannen-
SSern unserer Gegenden.
die Leider verhinderten lokale Verhältnisse die Fortsetzung der Ausgrabungen,
© bald möglichst wieder aufgenommen werden sollen. —
Asi, SE Sendung habe ich einen Schädel von brauner Farbe beigelegt, der bei
org 8 einer neuen Strasse in unserer Nachbarstadt Winterthur gefunden
en ist und einem mittelalterlichen Friedhofe entstammt-
ein Ne Solothurn stammen ein Schüdeldach und ein Unterkiefer. Der Finder,
rühr udent der Medicin, benutzte denselben als Studienmaterial und von ihm
auc yi © auf den Schiidel geschriebenen Namen der Knochentheile her, sowie
die Etiquette. —
oder ich liegt der Sendung ein fast vollstindiges Skelet bei aus einem Fliesen-
man es herab vom Geissberge (Winkelwiese) in der Stadt Zürich. Als
Brühe 383 Erdbewegungen am Geissberge vornahm, fand man einige Platten-
Bange von denen eines, das im Januar 1884 zum Vorschein kam, dem Unter-
einem enirissen werden konnte. Es war aus rohen Steinplatten erbaut und mit
Sernify Sieinernen Deckel verschlossen gewesen. Dieser Deckel, aus mehreren
Selbst Platten bestehend, befand. sich 70 cm unter der „Erdoberfläche. Das Grab
— war 50 em tief, etwa 1,80 m lang und 45 em breit. Die Knochen sind gut
eine AL und gehörten nach Kollmann einem Weibe an. Der Schàádel zeigt
diese, omit am Hinterhaupte, eine dreigetheilte Oberschuppe. (Vergl. über
hei, chädel meine Monographie über den Pfahlbau Wollishofen in den „Mit-
leido, gen dex Antiquar. Gesellschaft Zürich*, Bd. XXII. Heft 1. Beigaben fehlten
finden Te ich, doch scheinen unter den Knochen sich auch Stücke zu be-
Zähnen © nieht vom Menschen herrühren, z. B. ein Schweinskiefer-Fragment mit
(09)
Hr. Virchow:
1) Die Gebeine von Hedingen.
Grab I. Die bunt durch einander gewürfeltlen Knochen haben offenbar zu
2 Leichen gehört: einer kleineren weiblichen und einer grösseren männlichen.
Von den Schädeln ist wenig vorhanden; nur die Unterkiefer lassen sich sicher
beurtheilen. Der eine hat einer älteren Frau angehört; er ist niedrig und etwas
progenaeisch, hat etwas gestreckte Aeste und stark abgeschliffene Zähne. — Der
andere Unterkiefer ist viel kräftiger, seine Praemolaren sind noch fast ganz intakt.
Ihm fehlt der rechte Ast.
Grab II. Nur zertrümmerte oder vereinzelte Knochen, meist von der Peripherie,
besonders vom Fuss. Dazu ein grosses, sehr dickwandiges und schweres Stirnbein
mit geringem Stirnnasenwulst, ein grosser Calcaneus und ein gewaltiger Metatarsal-
knochen. Auch dürfte hierher ein stark orthognather Oberkiefer mit abgenutzter
Zühnen, unter denen jedoch der Molaris III eine ganz frische Krone besitzt, und
mit tiefem Gaumen gehóren.
Grab III. Keine Spur von Schidelstiicken. Die Knochen, zumeist lange
Röhrenknochen, sind anscheinend männliche. An der einen Fibula ein frisch
gebohrtes, rundes Loch.
Grab IV. Männliche Ueberreste. Kein Schädel. Grosse Rôhrenknochen,
namentlich lange Oberschenkel. Tibien nicht platyknemisch. —
9) Grab von Winterthur: Schädelkapsel ohne Gesicht von einem jungen
Manne; nur das rechte Wangenbein mit dem halben Oberkiefer ist erhalten und
liegt lose bei. Der Schädel hat eine ungewöhnlich dunkle fleckige Farbe. Zähne
jugendlich, mit ganz intakten Kronen. Schädel mittelgross (1800 ccm), kurz,
breit und hoch, Index hypsibrachycephal (Längenbreitenindex 85,4, Längen-
hôhenindex 82,4). Stirn breit (97 mm minimal), an der Coronaria ein 32 mm langer
Rest der Sut. frontalis, an dem Nasenfortsatz ein kiirzerer dhnlicher. Hinter-
haupt sehr breit und steil, Oberschuppe wenig gewôlbt, Protuberanz niedrig. In
der Lambdanaht zahlreiche grössere Schaltknochen. Ala temp. gross.
3) Grab auf dem Franciskaner-Platz in Solothurn, April 1890. Sehr
regelmässiges, grosses, volles männliches Schädeldach ohne Basis und Gesicht.
Grosse Stirnhöhlen. Zähne stark abgenutzt. Index mesocephal (78,7). Sehr
breite niedrige Stirn (101 mm). Kolossaler Unterkiefer mit ganz breit gerundetem,
voll vortretendem Kinn; das Mittelstück äusserst kräftig, stark eingebogen, 38 mm
hoch, bis zum Zahnrande 50 mm. Aeste breit (33 mm), aber von mässiger Höhe
(Proc. coron. 70 mm hoch). Kieferwinkel etwas nach aussen vorgebogen.
4) Alemannisches Grab bei Abtragung des Geissberges, Frühjahr
1884 (Anzeiger f. Schweiz. Alterth. 1884. Nr. 1. S. 31): fast vollständig erhaltener,
gut aussehender, wohl jugendlicher Schädel vön fast weiblichem Aussehen, mit
zerbrochener Basis. Die langen Knochen des Skelets vollständig, keine Platyknemie,
keine Durchbohrung des Humerus Alle diese Knochen sehr gross und kräftig,
so dass sie münnliche zu sein scheinen. Schüdelindex orthodolichocephal
(Längenbreitenindex 73,7, Längenhôhenindex 73,2). Stirn von geringer Breite
(91 mm), niedrig, fliehend, ohne Tubera und Orbitalwülste, fast ohne Nasenwulst.
Hinterhaupt lang, Index 34,6. Os Incae tripartitum. Alae nach oben eng.
Sehmales, hohes Gesicht. Leichter dentaler Prognathismus. Orbitae gross, ge-
rundet, hypsikonch (89,4). Nase ultraleptorrhin (38,9). Zähne abgenutzt, die
oZ
(383)
hinteren Alveolen obliterirt. Unterkiefer mittelstark, progenaeisch, mit schief
gesetzten, engen Aesten. Becken gross und weit, Darmbeinschaufel steil. Kreuz-
bein breit, Promontorium vorgestreckt. Jederseits ein Proc. tendin. am: horizontalen
Aste des Schambeins. Grosser Winkel an der Symphyse.
. Nach gewóhnlichen Annahmen würde demnach der Schüdel von Winterthur,
Vielleicht auch der von Solothurn, alemannischen Typus tragen, dagegen der vom
deissberg fränkischen. Ueber die Hedinger Reste lässt sich ethnologisch nichts
agen.
V; Geissherg,
Schweizer Schädel Winterthur | Solothurn Zürich
| 5 5 QE
Capacität. . . es 1300 - —
Grósste horizontale Lànge . . . . . . . ., 160 174 179
Q^ Breite. . . . eee eee 141 In 132
Gerade Hohe . . . se 136 131
Obrhèhe . . . . LL LL 124 115 105
Gerade Hinterhauptslänge. . . . . - - - | 42? 62
Minimalbreite des Stirnbeins. MNT 91 91
Gesicht, Hohe A . . . . . vs 114
» s B. . . 67
» Breiteb. . . . . . 0. . 87
» w Cee. . : 96
Örbita, Höhe Co. 34
» Breite . . MM 38
Nase, Höhe . P 54
» Breite , . 21
(33) Hr. J. Adrian Jacobsen übersendet folgende Abhandlung:
Geheimbünde der Küstenbewohner Nordwest-America’s.
shi A verschieden auch die Götter und Heldensagen der Naturvölker in den ver-
das. enen Continenten erscheinen, so haben sie fast alle das mii einander gemem,
Sehr neben den Göttern und Menschen auch die Thiere eine verhältnissmässig
Kon Wichtige Rolle spielen, und der Gedanke, dass die Götter oder Geister mit
Dog, Lhiergestalten annehmen, ist fast unter allen Völkern der Erde zu finden.
wol dürfte dieser Gedanke nirgends ausgeprägter erscheinen, als bei den Be-
ante der Nordwestküste Americas, Dort kommen noch alle Jahre nach dem
en der Indianer die verschiedenen Gottheiten in mancherlei Gestalten und
an du hiedenen Zeiten zur Erde hernieder, zeigen sich den Menschen und nehmen
den M ihnen zu Ehren gefeierten Festen Theil. Die meisten dieser Götter sind
ange, hen wohlgesinnt, ja fast Jede Familie behauptet von einem oder dem
keh, ^. Gott abzustammen, so dass sich dadurch gewissermassen ein inniger Ver-
wischen Göttern und Menschen bildet.
heit poben den Stammgôttern glaubt man auch an bôse Geister, die der Mensch-
Vorhg dele bringen kónnen; doch isi ihre Gewalt eine geringere und sie kónnen
Soha ssi leicht durch den Medicinmann und die mit ihm im Bunde
en mächtigen Geister aller Art vertrieben und unschädlich gemacht werden.
ses
(384)
Die Repräsentation der Götter übernehmen in jedem Stamme einige intelligente
und, wie sie behaupten, inspirirte Männer; sie bilden die Geheimbünde, da-
mit ihre geheimen Künste und Lehren, ihre Vermummungen und Maskenspiele
nicht an Uneingeweihte und an das grosse Volk verrathen werden. Diese Auf-
führungen sollen dazu dienen, besonders die Jugend und die Frauen in dem
Glauben an die alten Traditionen über den Verkehr der Gótter mit den Menschen
und über ihre eigenen intimen Beziehungen zu den Göttern. zu befestigen. Um
die etwaigen Zweifler zu überzeugen, haben die Mitglieder der Geheimbünde ihre
Zuflucht zu allerhand mysteriösen Mitteln genommen, die einem civilisirten Men-
schen als die höchste Rohheit erscheinen müssen, so dass sie sich z. B. den Körper
verstümmeln, Leichen zerreissen und verzehren, lebenden Menschen Stücke au$
dem Kórper reissen u. dergl. mehr. Auch die bei den Nordwest-Indianern beinahe
zur Krankheit gewordene übergrosse persönliche Eitelkeit und die Sucht, sich
berühmt und angesehen zu machen und als etwas Besonderes zu gelten, mögen
als Motiv gedient haben für den Eintritt in die Geheimbünde, da jedes Mitglied
eines solchen grosses Ansehen geniesst.
Es waren und sind noch hunderte von Masken in Gebrauch, deren jede ein-
zelne einen in der Sage vorkommenden Geist vorstellt. Bei den Vorführungen
treten sie einzeln oder in Gruppen auf, wie es eben die darzustellende Sage er-
fordert, und die Masken tragenden Personen werden dann von der staunenden
Menge nicht nur als Darsteller der Götter und als Schauspieler, sondern geradezu als
die vom Himmel auf die Erde gekommenen Götter selbst angesehen. Daher mus$
auch jeder Darsteller genau alles das, was die Sage von dem Geist berichtet, aus-
führen. 'Trügt der Darsteller keine Maske, wie es bei den Hametzen (Fressern
oder Beissern) oder bei den Pakwalla (Medicinmünnern) ofi geschieht, so ist der
Geist, den er reprüsentiri, in seinen Kórper gefahren und der vom Geiste Besessene
ist dem entsprechend nicht verantwortlich für das, was er in diesem Zustande ver-
übt. Da der Gebrauch von Masken aber die Aufführung mit einem gewissen
geheimnissvollen Nimbus umgiebt und gleichzeitig den Darsteller unerkannt bleiben
lässt, so werden die besonders heiligen Feste viel häufiger mit Masken, als ohne
solche, vorgenommen. Es herrschen in jedem Geheimbund bestimmte Gesetze, wie
oft und wie lange eine Maske gebraucht werden kann. Bei den Quakjult dürfen
die Masken während vier Wintern, der hauptsächlichsten Zeit für derartige Feste,
bei der schwersten Strafe nicht veräussert werden. Nach dieser Zeit dürfen sie
zerstört oder, damit sie kein Uneingeweihter findet, im Walde versteckt, oder auch
schliesslich verkauft werden. Die Herstellung der Masken wird nur im Geheimen,
gewöhnlich in tiefer Waldeinsamkeit, vorgenommen, damit kein Uneingeweihter den
Verfertiger entdeckt. Wie streng dieses Geheimniss bewahrt wird, zeigt folgendes
Beispiel: Im Dorfe Nouette auf Nordwest-Vancouver war einst ein Indianer mit
dem Schnitzen einer Maske im Walde beschäftigt, als sein halberwachsener Sohn
der bemerkt hatte, dass sein Vater so oft in den Wald ging, ihn eines Tages in
seinem Versteck aufsuchte. Darüber gerieth der Vater in solchen Zorn, dass er
seinen eigenen Sohn sofort tödtete, nur, damit er nicht zum Verrüther an der
heiligen Sache werden konnte.
Den Tanz begleitet Gesang, der mit prahlerischen Worten die Macht der Gott-
heit und die in der Aufführung zur Anschauung gebrachten Grossthaten feiert.
Bei der Hauptaufführung singen alle Anwesenden mit, da der Gesang meist
allgemein bekannt ist und in recitativer Weise immer und immer wiederholt wird.
Es scheinen jetzt noch immer neue Gesänge und neue Aufführungen in einem oder
dem anderen Dorfe zu entstehen, indem irgend welche mündlichen, von den Vor-
(385)
Vätern erzählten Sagen von irgend einem intelligenten Jüngling, der noch keine
genen Gesänge besitzt, poetisch behandelt werden. Denn jeder Mann, der sich
an den Aufführungen und Festen betheiligt, muss auch mit einem eigenen, selbst-
Yerfassten Gesange debütiren. Auf diese Weise entstehen immer neue Lieder und
Tänze, deren Stoff natürlich immer von den Stammgottheiten des betreffenden
Singers und Dichters hergenommen ist.
Neben den Masken werden andere Abzeichen der Geheimbünde getragen,
Welche ich später besprechen werde.
Von den Tänzen, die mir nicht als zu den vier Geheimbünden gehörend
bekannt sind, ist der Naualock oder Nawalok, d.h. grosser Geistertanz, zu
Dennen, Dieser Tanz geht gewöhnlich im Spätherbst vor sich, indem mehrere,
it Masken bekleidete Indianer sich hinter einem Vorhang aufstellen. Der
dabei gebrauchte Maskentypus stellt meist den Mis-missallami (Gott der Sonne) vor,
— eine Maske in Sonnengestalt mit halb geschlossenen Augen und sich drehendem
Rad, welches die Bewegung der Sonne bedeuten soll. Die meisten anderen Masken
Zeigen den Sonnengott in Gestalt eines Adlers, wie er mit Vorliebe die Erde be-
Sucht. Während die übrigen Tänze nur im Winter vorgenommen werden, kann
dieser Tanz auch ausnahmsweise im Juli aufgeführt werden. So kam ich im
Jahre 1885 im Juli in das Quakjult-Dorf Nakortok. Als die Indianer vernahmen,
dass ich besonders die zu dem Nawalok-Tanz gehôrende Maske haben wolle,
fingen sie den bereits erwähnten Tanz an, da mehrere Masken in dieser Saison
Asgedient hatten und somit verkauft werden konnten. Das Fest begann damit,
dass eine Anzahl Männer bald in Häusern, bald im Walde auf Holzflöten von
Morgens bis spät in die Nacht bliesen, zum grössten Schrecken der Jugend. Es
Würde mir bedeutet, jetzt verlasse der Sonnengott, in Gestalt eines grossen Adlers,
die Sonne und nähere sich dem Dorf. Daran schloss sich dann der Tanz, und
nach Beendigung desselben erwarb ich auch die Masken, die der Vorschrift gemáss
Vr Winter hindurch gebraucht worden waren.
" Der Zeitpunkt, wann der junge Indianer in den Bund aufgenommen werden kann,
d Sewühnlich das Eintreten der Pubertät. Auf West-Vancouver bei den Ahts wird
in yy ling in diesem Alter in den Wald geführt, wo die Hälfte der Dorf bewohner,
Stet, olfsfelle und Wolfsmasken gehiillt und mit den oben genannten Pfeifen versehen,
Ki S darauf bläst und den sogenannten Wolfstanz aufführt. Dann heisst es bei den
a lem, dass der Jüngling vom Wolf eniführt sei, um ihm ein ,skokom Tamtam, d.h.
N Starkes Herz oder Glauben zu geben“. Dieser Akt ist in veründerier Form der
ino der Bella-Coolas. Die dortigen katholischen Missionare nennen ihn ,die
Bi lanertaufe des Knaben“, während ihn die Indianer selbst ihr „Klokwalla nennen,
n ühere und eingehende Kenntniss der verschiedenen Gebrüuche in den
x eimbünden ist naturgemäss für den Fremden sehr schwer, denn selbst wenige
Mis den betheiligten Indianern haben selber Verstündniss für das, was in ihrer
"i Vorgeht. Nur diejenigen, die Mitglieder eines Geheimbundes sind, können
weil den Hergängen innerhalb desselben berichten, verrathen aber nicht gern etwas,
ancy ^ sonst ihre Geheimnisse aufhören würden, Geheimnisse zu sein, und dann
ver à weil der Verrath mit schweren Strafen, Ja selbst. mit dem Tode geahndet
denken kann. Dazu kommt ferner, dass der Indianer sich nicht sehr mit Nach-
fra en plagt; um aus der peinlichen Situation zu kommen, in. die ihn das An-
eL versetzt, sagt er leicht Dinge, die der Wahrheit sehr fern liegen, oder da er
um % nicht viel weiss, berichtet er oft seine sehr verkehrten persönlichen Ansichten,
wes oh keine Blósse zu geben. Daher ist und bleibt der sicherste Weg, um
1gstens Einiges zu erfahren, immer der, dass man sich selbst an den Festen
Verhandl. der Berl Anthrop. Gesellschaft 1891. 25
GA
C
betheiligt und dann durch gelegentliche geschickte Fragen hinter die Wahrheit zu
kommen sucht.
In nachfolgender Schilderung werde ich in einzelnen Punkten in Widerspruch
mit den Berichten des Hrn. Dr. Boas im Archiv für Ethnographie über diese
Geheimbünde kommen. Ich glaube aber die volle Verantwortung für das von mif
Gesagte übernehmen zu konnen, da ich Vieles durch eigene Anschauung kenne
und Manches durch meinen Bruder Philipp erfahren habe, der seit 5 Jahren unter
den Indianern lebt, ihre Sprache spricht und sich besonders mit Sitten und Ge-
bráuchen der Leute veriraut gemacht hat.
Die Hametzen.
Unter den erwühnten Geheimbünden sind die Hametzen die angesehensten
und berühmtesten, einerseits weil sie von hoher Abkunfi sein müssen, zweitens
wegen ihrer Handlungen, die sie in den Augen des Volkes gewissermaassen ZU
dümonischen und gefürchteten Personen machen. So habe ich z. B. bei den Be-
wohnern West-Vancouvers grosse Furcht vor den Quakjult äussern hören, und
zwar nur ihrer Hametzen wegen. Auf meinen zwei Sammelreisen an der Nordwest-
küste Amerikas hatte ich fast täglich Gelegenheit, mit Mitgliedern verschiedener
Geheimbünde zu verkehren, und ich habe nur von der Existenz von vier solchen
Geheimbünden gehört,
Neuere Forscher, besonders Dr. Boas, wollen bei den Quakjult noch mehr
Geheimbünde entdeckt haben. Nach Aussage des letzteren sollen die Hametzen
und Nuttlamattla mit einer dritten Gesellschaft, den sogen. Bärenspielern, zusammen
zu einem einzigen Bunde gehóüren (Archiv f. Ethnographie Bd. III. Heft 1. S. 11),
wührend andererseits eine ganze Reihe anderer Geheimbünde existiren sollen, die
der alten Minner, der alten Hàüuptlinge, der verheiratheten Frauen, der jungen
Mädchen und sogar der Kinder, die alle nach Ansicht des Verfassers geschlossene
Gesellschaften bilden. Dieses scheint mir für dortige Verhältnisse fast unnatürlich-
Die Nuttla-mattla bilden einen Bund gänzlich für sich, sowohl in Bezug auf ihre
Abzeichen, wie ihre Handlungen, worauf ich noch zurückkommen werde. Nur
eines will ich hier bemerken, dass, wie oben erwähnt, die Geheimbünde entschieden
den Zweck haben, in den Kindern und allen ausserhalb stehenden Leuten den
Glauben an die Geister und Götter und an die Inspiration der Eingeweihten
zu befestigen; somit scheint mir ein Geheimbund unter Kindern und Frauen
ausgeschlossen. Ich habe wohl bei den West-Vancouvern und bei den Quakjult
Feste gesehen, wobei Frauen und Kinder für sich Tänze abhielten, doch trugen
diese niemals das mystische Gepräge der Vorführungen eines Geheimbundes,
sondern waren lediglich Vergnügungen, was mir um so natürlicher erscheint, als
gerade die Indianerstümme äusserst gesellig und für fróhliche Feste und Lusibar-
keiten empfünglich sind.
Unter Hametzen verstehen die Quakjuli und die Nachbarstümme einige in
jedem Dorf befindliche Männer (hin und wieder auch Frauen), die eine Art von
Kannibalismus üben. Das Recht, Hameize zu werden, scheint nur durch hohe Geburt
oder Hineinheirathen in solche Familien, die das Privilegium besitzen, erworben
werden zu künnen. Ausserdem muss der Hameize von dem Geist, den er beim
Tanzen repräsentirt, inspirir sein. Diese Inspiration geschieht nur im Winter.
Vor derselben wird der Hametz von seinen Genossen im Dorfe mehrere Tage von
Haus zu Haus vollstándig nackt berumgeführt, was ich selbst im Jahre 1881 in Fort
Rupert gesehen habe. Die Vorbereitung für wenigstens einen Theil der Hametzen
soll nach einigen Angaben eine vierjährige sein, in welcher Zeit der Betreffende
380)
(^T^
einen besonders dazu hergestellten Figur 1.
Cederbastring (roth gefärbt) unter
den linken Arm und über die rechte
Schulter gelegt trägt. Die letzten
Mer Monate muss er allein im
Walde leben, so dass dann das
Volk glaubt, dass er bei den grossen
Waldungeheuern, wie beispielsweise
bei Päh-Päh-Kwalanusina (bei den
River Inlet-Indianern Bek-bek Kwa-
lanit genannt), zum Besuch weile. —
Diesen Glauben suchen die Hametzen
Natürlich auf alle Weise zu bestär-
ken, indem sie einige Zeit, bevor
der Einzuweihende den Wald ver-
lässt, durch Pfeifen auf Holzflöten
allabendlich ausserhalb des Dorfes
die Stimmen der Gottheiten nach-
“men. Die Pfeifen (Fig. 2a) sind
Sehr kunstvoll gearbeitet, bisweilen
Mit vier Stimmen versehen, die zu-
gleich ertönen können. Andere
v eifen wieder sind wie ein Blase-
alg eingeri ; di ragen die
NUM om "am nd er- Erstes Auftreten des neuen Hametzen in Beglei-
“®ugen durch Auspressen der Luft tung von älteren,
Verschiedene Tone, welche die
a Figur 2.
% Flôten. à Doppelmaske aus Holz mit zwei in Holz geschnitzten Schüdem. D ¢ine Bete
Zeigt‘ die wirkliche Gestalt des den Hametzen inspirirenden Gottes, Bek-be ,
andere die von ihm zuweilen gewühlte Gestalt eines Frane
She
D
Cs)
Stimmen bestimmter Thiere nachahmen. Nur sehr ungern verkaufen die Hametzen
die Pfeifen an Fremde, da kein anderer ausser dem Stamme eine Ahnung davon
hai, dass die angebliche Stimme der Gottheit durch solche Instrumente erzeugt
wird.
Mein Bruder schreibt mir Folgendes bei Uebersendung eines Hametzen-Gesanges
in Bella-Coola-Sprache und der Üebersetzung davon:
,Die Bella-Coola-Indianer nennen den Hametzen Alla-kotla nach dem Geist,
von dem sie behaupten, am meisten inspirirt zu sein.
„Wenn der Novize von dem Geist Alla-Koila (der ein Bote des Geistes Beck-
beck kwallanit zu sein scheint) inspirirt wird, so glaubt er ein starkes, sturm-
ühnliches Brausen zu hüren: die Erde zittert durch die gewaltige Stimme des Alla-
kotla. Der Kandidat wird von dem Geist erfasst und von ihm in die Luft oder in
das Innere der Erde geführt, wo er aus Luftmangel fast erstickt und wo sich tiefe
Abgründe befinden. Niemand weiss, wo der Alla-kotla auf solchen Wanderungen,
geht und Niemand darf ihm nachspüren.
„Nach der Rückkehr zur Oberfläche der Erde befiehli der Geist dem Novizen,
die im Tanzhaus Gegenwärtigen zu beissen, andernfalls wird der Novize vom Geist
verschlungen.
,Ein anderer Geist, Sek-seik Kallai, der bei solchen Festen zugegen ist, in-
spirirt die Menschen zum Tanz. Nus-Alpsiía ist der dritte Geist der bei solchen
Gelegenheiten zugegen ist; derselbe scheint auch ein Abgesandter des Bek-bek-
kwallanit zu sein, doch will er den Menschen nur Bóses, indem er versucht, die
Tanzenden zu Fall zu bringen; der Novize erkennt ihn leicht an dem Grunzen,
welches dem eines Bären gleich kommt. Alles dieses wird dem Kandidaten
monatelang vor den Tanzaufführungen von dem älteren Hametzen, der sein Lehrer
ist, gelehrt. Die Ermahnungen über die Verhaltungsmaassregeln geschehen mit
so grossem Eifer und Ernst, wie wohl kaum jemals in unserem Religions-
unterricht.
Alla-kotla- oder Hametzen-Sang.
1) Bakotla-juts doksno litsdaska Kilits ma kotsen
Askelusem ma lits dai.
2) Al ilmelak simako di nois-nolta nao as Allo kwalla tom
you ta jako sim skita.
3) Allivam lutsun dai
Sek-Seik-kallai skobam
lakhamal to mam soll koa
hoihets Bahots to mam dets
Alti nu tunikt sit dai.
Uebersetzt:
1) Wir hôren eine schwerwiegende Neuigkeit. Ich sehe, wo er ist, — ja dieses
ist es, was ich haben will, — so bekomme ich doch diesen Geist. Der Geist
(Alla kotla) will es haben, dass ich mit ihm in die Wolken fahre, er droht
mir, falls ich nicht mit ihm gehe, will er mich verschlingen.
2) Ich sehe (oder es sieht) einen Mann auf dem Wege, wo die Cederbastringe in
Menge zu finden sind. Der neue Alla kotla bekommt den Geist, wo die Ceder-
bastringe in Menge zu finden sind. Alla kotla sieht den Platz, wo alle Geister
sich befinden.
3) Sek-seik Kallai wünscht nicht, dass der Alla-kotla in Unglück kommt, sondern
er wünscht, Alla-kotla soll in das grosse Haus gehen, wo das viele Volk sitzt.
356.
(389)
Figur 3.
Cederbastringe für Hals nnd Kopf.
Gehe hinüber zu der guien Seite des Hauses, Figur 4.
Wo der Weg gut ist und wo du nicht fällst;
Nus-Alpsta ist auf der anderen Seite des Hauses,
gehe nicht dort.
„Sek-seik Kallai ist der Gott für alle Tänze,
ur Inspirator zum Tanz. Nus-Alpsta ist ein ver-
Dé ST Geist, der wünscht, dass der Tanzende
(er ist auch einer der Hametzengeister).“
me; Das erste Auftreten des Novizen geschieht
m ohne Maske. Der Hametz irügt um den
Ks mehrere Ringe aus Cedernbast und um den
ei meist einen dünnen Ring, an dessen Vorder-
"i lange Streifen von Cederbast hüngen, die das
Dep bemalte Gesicht halb verdecken (Fig 3).
Ha Kopf ist dicht mit Adlerdaunen bestreut. Die
Ry. Selenke und Füsse sind ebenfalls mit je vier
Ha gen aus Cederbast verziert. Einige berühmte
wu ets denen zu Ehren früher Sklaven getódtet
sche en oder die in der Neuzeit, wo keine Men-
Weni, mehr getódtet werden dürfen, anstatt dessen
a viele Menschen gebissen. haben, tragen
aus d emen Halsring mii darauf befestigten,
fans olz geschnittenen Todtenkópfen (Fig. 1, der
die pie Hametz), oder solche an einer Decke,
Der m Tanzen über der Schulter liegt (Fig. 5).
(Pi ametze tanzt in einer halbsitzenden Stellung
'8. 1), wobei er beide Arme, von sich gewendet, Scalplocke,
4
4M
(39M
Figur 5.
Tanzdecke mit angenähten Köpfen aus Leder.
Figur 6. mit der Handfläche nach oben,
bald nach rechts, bald nach
links streckt, und die Hände
@ und Fingerspitzen in ununter-
brochener zitternder Bewe-
gung hält. Das Tanzen be-
steht meist aus Sprüngen nach
rechts und links. Mit den
b Augen starrt der Träger nach
oben, so dass man meist nu!
das Weisse im Auge sieht,
und mit dem halbgeóffneten
Munde und den aufgeworfenen
Lippen stósst er ab und ZU
abgerissene Laute aus, wie
^ ein langgezogenes ,ah*. Der
Tanz besteht in vier Abthel-
lungen mit dazu gehürende?
vier verschiedenen Gesüngen-
Während des letzten Ge-
sanges werden ihm von de?
7 ihm stets begleitenden und mit-
tanzenden vier Hametzen zwe!
Tanzrasseln zugestellt (Fig. 1
die eine besondere Form und
Tanzrasseln, theils von’ den Novizen, theils von den andere Griffe haben, als die
älteren Hametzen gebraucht. übrigen, zum Tanz gebrauchten
v,
(391)
Rossoln, Sie stellen meist Todtenkópfe oder menschliche Gesichter dar, theilweise sind
le auch in Gestalt von Fróschen mit Menschenküpfen geschnitzt (Fig. 62). In einem
dnakjult-Dort fand ich besonders menschliche Gesichter mit herausgestreckter Zunge
tac 6d) zu Rasseln geschnitzt, wodurch, wie mir ein Indianer erklärte, das Lechzen
Am ot angedeutet werden sollte. Auch seine Begleiter haben jeder eine Rassel.
sich nde des vierten Tanzes reisst der Hametze die Decken vom Leibe, stürzt
m auf sein auserkorenes Opfer und beisst ihm kleine Hautstücke aus Brust und
Per heraus. Nicht selten kommen aber auch gefährliche Wunden bei solchen
6 un heraus; ich sah z. B. einmal einen Mann mit gewaltigen Narben, der
ei onate an seinen Bisswunden darnieder gelegen hatte; ein anderer starb, weil
n übereifriger Hameize ihm die Kehle vollständig durchgebissen hatte.
übe Mein Bruder, der 1887 bei einem Hametzenfest zugegen war, schreibt mir dar-
u Le Folgendes: „Bei dem ersten Fest tanzte der Hametze mit seinen Begleitern
Nter fortwährendem Gesang vier verschiedene Tünze. Gegen Ende des vierten
Figur 7,
a c b
7 Wolfsmaske, 5 Wolfskopf der Tschimpsian-Indianer aus Holz, Klapper. c Rassel.
venues kam der Geist über ihn und er wurde wie rasend, riss die Tanzcostüme
A À Körper und schrie wie ein Thier, indem er sich gleichzeitig auf einen sich
der H Nähe aufhaltenden Indianer stürzte. Dieser wehrte sich nach Kräften, aber
und Ametze schien übernatürliche Krüfte zu besitzen. Er warf ihn zu Boden
die biss ihm ein Stück Fleisch aus dem Arm. Während dieser Scene standen
So Vier Begleiter so dicht um ihn herum, dass man das Opfer kaum sehen konnte.
übrig hr der Hametze mit noch vier von den Anwesenden, worauf fast alle
ihn Sen Anwesenden die Flucht ergriffen. Die ihn begleitenden Hameizen suchten
fällen. beschwichtigen, was aber nicht gelang, da er in eine wahre Tobsucht ver-
eine, war. Zuletzt wurde der Schamane oder Medieinmann herbeigeholt, der nach
Viertel Stunde den Hametzen zu beruhigen vermochte.“
mm Nein Bruder schildert den Auftritt als das Grässlichste, was sich ein Mensch
Bj, Ken kann. Das Auge des Aufgeregten war mit Blut unterlaufen und sein
Bissna Au dämonischer. Bei den zahlreichen, auf Arm und Brust befindlichen
so "n en der Indianer war es uns stets ein Räthsel gewesen, wie die Wunden
bis zu aussehen konnten, um so mehr, als bei den Küstenindianern die Zühne fast
ist i Wurzel abgenuizt sind, besonders bei älteren Personen. Dieses Räthsel
dure meinem Bruder bei dem geschilderten Fest gelöst worden, da er sich
die das letzte Opfer umringenden Hamelzen hindurch drängte und wahr-
(89?)
nahm, wie der Hametze zuerst mit den Zähnen sich in den Arm festbiss, dann
schnell mit einem, so lange unter der Decke verborgen gehalienen krummen Messer,
wie es die Indianer gewöhnlich benutzen, das mit den Zähnen gepackte Stück vom
Körper lostrennte. Die Aufregung und der Schreck lässt den Bedrängten diesen
Kniff nicht fühlen und die übrigen Zuschauer können durch die herumstehenden
Hametzen das auf dem Boden liegende Opfer nicht sehen.
Wie man sich leicht denken kann, bieten die Indianer natürlich alles auf, um
den Hametzen vom Beissen abzuhalten. Die älteren Hametzen hingegen suchen
den zaghaften Neuling durch besonders grosse (bisweilen 2 m lange) Rasseln zu
reizen. Im hiesigen Museum” befinden sich 2 solche Rasseln, von denen die eine
eine Eule darstellt (Fig. 6e), die andere einen Kranich (Fig. 6a).
Der neue Hametze hält sich in der dunkelsten Ecke des Hauses auf, darf
keine Arbeit verrichten und muss sich möglichst des Essens enthalten, denn
die Sitte will, dass er blass und mager aussieht. Mein Bruder beobachtete in
Bella Coola einen vom Walde zurückkehrenden Hameizen, an dessen Kopf an vet*
schiedenen Stellen die Haare fehlten, so dass es hiess, das wäre die Folge des
langen Fastens; doch glaubte mein Bruder, dass das Haar vermittelst eines Rasit-
messers entfernt wäre. Der Hametze geniesst ein so grosses Ansehen, dass vier
Häuptlinge ihn während der Festsaison im Winter viermal einladen müssen, ehe
er zu einem Feste erscheint. Er schreitet dann langsam und mit Würde von seiner
Behausung dem Festplatze zu. Niemand darf eine Speise anrühren, ehe der Hametze
seinen Theil bekommen hat, da er sich sonst beleidigt fühlen, in Wuth gerathen
und dann über die Anwesenden herfallen und ihnen Stücke aus Brust oder Arme?
beissen würde. Dr. Boas behauptet in seinem Aufsatz (Archiv für Ethnographie
S. 11), dass, wenn ein Hametze einmal jemand gebissen hat, ihm ein ferneres
Theilnehmen an Festen verboten sei. Dieses kann nur ein Missverstündniss sein
oder sich nur auf eine kurze Zeit beschränken, denn nur, damit er in der Gesell-
schaft als Erster gilt, trachtet der vornehme Jüngling darnach, Hametze zu werdet:
und bei all den Festen, wo ich selbst zugegen war, waren die Hametzen die
Hauptpersonen. Würde man sie aus der Gesellschaft ausschliessen, so könnte”
keine Häuptlinge oder hervorragende Personen am Fest theilnehmen, denn die
meisten solcher hochstehenden Leute gehören zu dem Geheimbund. Ferne
sagt Dr. Boas wörtlich: „Mitunter giebt ein Häuptling ein Fest, zu welchem €
sämmtliche Geheimbünde einladet. Bei diesem Fest ist Niemand zu essen el”
laubt, bevor der Hametze seinen Theil bekommen hat, und sollte er das ihm vo!“
gesetzte Mahl nicht zu essen belieben, so kann die Festlichkeit nicht stattfinden-“
Da man Jemanden, der noch Niemand gebissen hat, nicht Hametze nennen kan?»
so sind mir die eben erwähnten Worte unverständlich.
Man unterscheidet dreierlei Arten von Hametzen: erstlich solche, die die
nur ihnen zu Ehren getódteten Sklaven verzehren, was bis in die sechszig®
Jahre hinein noch geschah; dann diejenigen, welche Leichen mit den Zühne?
zerreissen und sie dann angeblich verzehren; drittens solche, die nur Hunde,
durch Zerbeissen der Kehle, tödten. Diese drei Akte heissen bei den Indie
nern „den Hametzen belustigen“. Von Frauen als Hametzen wird erzählt, dass
sie früher mit besonderer Vorliebe Kinder getödtet hätten. Nur der Energie der
englischen Regierung ist es zu verdanken, dass allmählich die Menschenopfer
aufgehört haben, und wenn sich die Hametzen jetzt mit blossen Bissen in Brust
und Arme begnügen, so müssen sie die Verwundeten durch einen hohen Prels
der meist in wollenen Decken besteht, entschädigen. Die zweite Art der Hametzen
welche Leichen zerreissen, nehmen die auf Bäumen bestatteten und getrockneten
^a
(393)
Leichen herunter und legen sie einen oder mehrere Tage in Wasser, um sie dann
sait Tanzen mit den Zähnen zu zerbeissen. Die Sitte, . alte getrocknete Leichen
oft frischer zu nehmen, scheint daher gekommen zu SCI, weil bei solchen Festen
gefährliche Blutvergiftungen vorgekommen sind.
halt Bei der Aufführung springt plötzlich ein Hametze, die Leiche in dem Arm
lute hervor und tanzt mit seinen Genossen um das Feuer herum unter dem
der Ruf: hap, hap, hap, hap, hap, hap (oder auch ham-ham). Der Kopf
" eiche, welche der Hametze nicht loslässt, liegt stets auf dem rechten Arm.
wing S Deugten Knien, in halb sitzender Stellung, nach Raben-Art springend,
M der Tanz ausgeführt. Sind nun die Hametzen mehrmals um das Feuer herum-
te so stürzen sich die ältesten von ihnen über den Leichnam her, und
Dane heftigem Ringen unter einander beginnen sie denselben zu zerstückeln.
dureh scheinen sie aber noch ein besonderes Gewicht darauf zu legen, sich
Wie das Zerbeissen der Knochen mit den Knochensplittern das Gesicht so sehr
" möglich zu entstellen, besonders aber den Mund und die Lippen derart zu
Stechen, dass Blut hervorquilli.
d Hunde iódtenden Hametzen sind besonders bei den Bella-Coola und
ein p Psion hàufig. Mein Bruder sah im Jahre 1887 bei den Bella-Coola, wie
a er 16 Hunden die Kehle herausbiss. Während er Jagd auf Hunde
mit trug er die grosse Holzmaske eines, einem Wolfe ähnlichen Ungeheuers
Mim, oe Augen und ebensolchem Unterkiefer (Fig. 7a). Nachdem er
Scho; liche Hunde im Dorfe verletzt hatte, stellte er sich krank und würgte an-
Beha grosse Stiicken Fleisch, welche er unter seiner Kleidung verborgen
die en hatte, durch den Rachen der Maske heraus, während ein zweiter Hametze
den 7; grossen Stücke, welche nicht durch die Oeffnung der Maske gingen, mit
Ang nen packte und herauszerrte. Bei der nach dieser Procedur folgenden
der | Tung vergrosserte sich die Gestalt des Unthieres immer mehr, indem mehrere
es at lioner mit unter die Decken krochen, und als es entfliehen wollte, suchten
tichg anwesenden Indianer unter grossem Lärm zurückzuhalten. Soweit der Be-
1889 Meines Bruders. Eine ganz ähnliche Scene sah ich bei einem Feste im Jahre
an der Westküste Vancouvers.
be ner der ersten Ansiedler der Küste, der bei den Tschimpsian ansüssig war,
ein; rieb mir ein Hametzenfest bei denselben in folgender Weise: Nachdem
moi der Theilnehmer eine Zeit lang auf Hunde Jagd gemacht hatten, erschienen
np einige Männer mit einer Leiche im Arm und führten einen Tanz mit der-
sich à in der oben erwähnten Weise um das Haus herum auf. Darauf begab
und " Hametze, der die Leiche irug, von seineu Genossen gefolgt, in ein Canoe
Mein oss vom Ufer ab. Hier in dem Boot fingen sie an, die Leiche zu verzehren.
Hir gC orstatter glaubte aber, dass sie den Leichnam vorher mit gekochtem
— gefüllt hätten und, indem sie nur dieses verzehrten, die am Ufer ver-
Welche en Indianer vollständig täuschten. In früherer Zeit glaubten die Europäer,
mit an Solche, nach unserem Geschmack Ekel erregenden und widerlichen Scenen
Vos hen, dass die Theilnehmer nur Medicinmünner seien und durch derartige
in a ihre Novizen einweihen wollten; man gab sich eben keine Mühe,
"e innere Geistesleben dieser wilden Vólker einzudringen, und hatte keine
Ww von der Existenz der besprochenen Geheimbünde.
teichnor. Anfangs gesagt, repräsentiren die Tanzenden die durch die Masken be-
"on “RN und es scheint, dass die Hametzen durch Beissen ihrer Mit-
Verse n, erreissen von Leichen und Tödten von Kindern und Hunden das Treiben
ledener Geister nachahmen wollten, denen eine bei den Küstenindianern all-
lY.
ern
(394)
gemein verbreitete Sage derartiges zuschrieb. Die ursprüngliche Sage, welch®
den Stoff zu solchen Aufführungen und Gesängen gegeben hat, ist etwa folgende‘
Es lebte einst an einem der Fjorde ein alter Jüger Unoako, der drei Sóhue
hatte, welche gleichfalls gewaltige Jäger waren. Als diese dem Vater eins
ihre Jagdabenteuer erzählt hatten, erhielten sie, im Vertrauen auf ihren Muth,
die Weisung, das im Walde lebende Ungeheuer Beck-Beck-Kvalanit und sein®
Brüder aufzusuchen. Sie zogen über hohe Berge in's Binnenland und g€*
langten an das Haus des Ungeheuers, das mit seinen Brüdern auf die Jagd 8€
gangen war und nur seine Frau und seinen Sohn im Hause zuriickgelassen hatte:
Sie traten in das Haus ein, aber als sie bemerkten, wie das Kind das Blub
welches der eine von ihnen durch eine zufällige Verletzung verloren hatte, gierl$
aufleckte, traten sie schleunigst ihren Rückzug an. Die Mutter aber rief ihre?
Gatten, das Ungeheuer, mit den Worten herbei: ,Komm, Beck-Beck-Kvalanib
hier sind Menschen, deren Fleisch du so gern issest“, worauf er „hap-hap“ (oder
„ham-ham“) antwortete. Er machte sich sofort mit seinen Brüdern an die Ver
folgung der drei Jüger, und nur durch die Zauberkünste des Jüngsten gelang
es diesen, glücklich in die Heimath zurückzukommen. Hier erzählten sie il
Abenteuer, worauf ihnen der Vater den Rath gab, ein Loch neben dem Feuer zu
graben und dasselbe durch eine Matte künstlich zu verdecken. Kaum damit fertig)
kam das Ungeheuer mit seinen Brüdern vor dem Hause an und lud sich be
Unoako zu Gaste ein. Auf die Frage, was sie zu essen wünschten, verlangte Beck”
Beck-Kvalanit und seine Brüder die vier zuletzt im Dorfe Verstorbenen. Diese
wurden herbeigeschafft, in eine mit Wasser gefüllie Holzkiste gethan und dan?
gekocht. Als das Ungeheuer mit seinen Brüdern am Feuer das Mahl bereitete:
wurde er mit ihnen hinterrücks von den Jägern in das gegrabene Loch gestosse?
und mit der heissen Brühe der Leichname überschüttet, worauf schnell das Loch
mit Erde gefüllt wurde. Einige Tage darauf erschien die Frau von Beck-Beck
Kvalanit und erkundigte sich nach ihrem Gatten. Die Indianer behaupteten, nicht®
von ihm zu wissen. Doch verliess die Frau das Haus noch nicht, sondern fing
mit den Kindern der Indianer an zu spielen, nahm sie auf den Arm und blies
ihnen in die Ohren, so dass es aussah, als wollte sie, wie es bei den Indiane™
üblich ist, die Kinder damit in den Schlaf bringen. Dasselbe wiederholte Si
bei vier verschiedenen Kindern, die darauf in Schlaf versanken. Als aber di
Mutter ihre Kinder aufwecken wollte, stellte es sich heraus, dass das Unweib ihne?
durch die Ohren das Gehirn herausgesogen hatte, da sie eben so sehr dem Kann"
balismus frohnte, wie ihr Mann und ihre Schwüger. Die Indianer besiraften si
damit, dass sie sie wihrend der Ebbe an einen Stein festbanden, und als das
Wasser bis an ihren Kopf heraufstieg, Bretter mit Feuerscheiten um diesen herum”
legten, um sie so zu peinigen, Aus jedem Feuerfunken entstanden Mosquitos mit
demselben Blutdurst, wie die Ungeheuerfamilie.
Die Maskentünze der Hametzen stellen bald das Ungeheuer Beck-Beck-Kr#
lanit (in dem Beila-Coola-Dialecte Päh-Päh Kualanusiva, in Nordwest-Vancouve"
bei den Quakjult ,Hamsewie^ genannt), bald seinen Bruder Menis und Hau-Hat
dar, die jeder ihre Lieblingsspeise hatten: der erste das Fleisch lebender Mensche?»
der zweite Leichen und der dritte Hunde. Auch die Frau des erwähnten Un“
geheuers wird durch weibliche Hametzen dargestell. Im Dorfe Nouette (zum
Quakjult-Stamm gehôrend) erwarb ich im Jahre 1881 von zwei berühmten Hametze?
Masken, von denen die eine das vielbesprochene Ungeheuer (Fig. 2b), die andere eine?
Raben (Fig. 8) darstellt. An beiden hing eine Anzahl aus Holz hergestellier, todten"
kopfähnlicher Schnitzereien. Wie der Eigenthümer, ein bedeutender Hametze, M
(395)
Figur 8.
Hametzenmaske, den Kopf eines Raben vorstellend. Am Behang zwei aus Holz
geschnitate Schädel.
s'richtet, springt der Hamsewie (wie im Osten Beck-Beck genannt wird) zuerst auf
= n Tanzplaiz, begleitet von vier, in gewóhnlichen Tanzcostümen mit versteckten
Alten versehenen Indianern, welche das Volk vor dem Ungeheuer schiitzen.
To den Tanz begleitende Gesang des Süngercorps berichtet von den Thaten des
Soleus, wie es von einer Reise über die ganze Welt zurückkehrt, nachdem
Viele Hüuptlinge und berühmte Männer verschlungen hat. Darauf springt die
wie die Rabenmaske, hervor, ebenfalls begleitet von vier anderen Tünzern, die,
2 © die vorigen, Holzflüten unter den Kleidern verborgen halten. Auch von diesem
Velten Ungeheuer wird im Gesange erzählt, wie er in fernen Ländern Menschen
pa einigt und ihnen die Augen ausgehackt hat. Es scheint, als ob je nach den.
ism und den individuellen Auffassungen des Anfertigers die Masken eines und
die ben Dümonen ganz verschiedenartig gebildet sind, ebenso wie wir ja auch
wor Een selbst in den verschiedenen Gegenden manchen Variationen unter-
eines finden, Der Kern bleibt jedoch immer derselbe, so dass man immer den
ken Citlichen Ursprung oder die Verwandischaft der verschiedenen Sagen leicht er-
der 1 kann. — Dasselbe ist auch mit den Sagen, den Gebrüuchen und Tünzen
Medicinmünner der Fall —
D Hr. Philipp Jacobsen übermittelt durch seinen Bruder, Hrn. J. Adrian
Sen, folgende Notiz über
das Kochen der Indianer an der Nordwestküste Americas und die
Abnutzung ihrer Zähne.
be, i" Küsten-Indianer von der Juan de Fuca-Strasse bis zum Kupferfluss in Alaska
"m N alle ihre Speisen in wasserdichten Körben und Holzkisten vermittelst glühend
âchter Steine zu kochen. Die durch ein grosses Feuer heiss gemachten Steine
(89€)
werden mit einer Zange erfasst und nach und nach in das Gefüss geworfen, SO
dass das Wasser stets im Kochen bleibt. Die Steine brückeln allmählich ab, der
Sand vermischt sich mit dem Essen und schleift die Zühne nach und nach ab.
Daher kommt es, dass die dortige Bevölkerung, besonders die älteren Leute, bis
auf die Wurzel abgeschliffene Zähne haben. Diese Erscheinung blieb bis in die
Neuzeit den Gelehrten ein Räthsel, doch glaube ich dieses nur dem erwähnten
Umstande zuschreiben zu können, und nicht, wie man allgemein annahm, dem Essen
von getrockneten Fischen und Beeren; denn die nórdlicher wohnenden Eskimo$
geniessen dieselben Speisen, kochen aber ohne heisse Steine und haben nicht die
abgeschliffenen Zähne. —
Hr. Virchow: Schon Blumenbach hat, zuerst bei ägyptischen Mumien,
auf die ungemein tiefe Abnutzung der Schneidezähne aufmerksam gemacht, aber
Aehnliches auch von Zühnen der Eskimo angeführt (Decas craniorum III p. 9). Er
sagi: Dentium coronae maximam partem deiritae procul dubio ex victus crudi et
durioris ratione, unde et Eskimotarum nomen originem traxisse perhibetur. Der
von Hrn. Ph. Jacobsen hervorgehobene Gegensatz der Eskimo in Nordwest-Amerika
dürfte also nicht so allgemein gültig sein, als er annimmt. Nichtsdestoweniger ist
seine Mittheilung von grossem Interesse, da sie ungleich besser den hohen Grad
der Abschleifung erklirt, als der doch nur hypothetische Hinweis auf die Nahrung
der Leute. Es wird von Wichtigkeit sein, die angefiihrte Ursache auch bei andere?
Naturvolkern genauer in’s Auge zu fassen. —
(85) Weitere Geschenke der Frau San.-Rath Schlemm (vergl. Verh. 1891.
S. 324).
1. Graul, K., Der Kural des Tiruvalluver. Ein gnomisches Gedicht über die
Sterbeziele des Menschen. Uebersetzung und Erklärung. Leipzig 1856.
2. Friedländer, L., Darstellung aus der Sittengeschichte Roms in der Zeit vor
August bis zum Ausgang der Antonine. IIL. Aufl. Leipzig 1869/71. 3 Bünde:
3. Grüsse, J. G. Th, Die Sage vom Ewigen Juden, historisch entwickelt, mit
verwandten Mythen verglichen und kritisch beleuchtet. Dresden 1844:
4. Juvenal, Dec. Jun, Satyren im Versmaasse des Originals und mit erklürenden
Anmerkungen von O. v. Haugwitz. Leipzig 1818.
5. Krause, Joh. H., Die Byzantiner des Mittelalters in ihrem Staats-, Hof- und
Privatleben. Halle 1869.
6. Lenormant, Fr., Die Anfänge der Cultur. Geschichtl. und archüolog. Studien
Jena 1875. 2 Theile in 1 Band.
7. Plautus, Lusispiele. Deutsch in den Versmaassen der Urschrift. Leipzig
1864/65. 3 Bünde.
8. Rosenkranz, Karl, Aesthetik des Hässlichen. Königsberg 1853.
9. Hertz, H., Ueber die Beziehungen zwischen Licht und Elektricität, III. Aull.
Bonn 1889.
10. Horst, G. C., Zauber-Bibliothek oder von Zauberei, Theurgie und Mantil:
Zauberern, Hexen und Hexenprocessen, Dümonen, Gespenstern und Geister-
erscheinungen. Mainz 1821/26. 6 'Theile in 3 Bänden.
11. Jacobs, F., Hellas. Vorträge über Heimath, Geschichte, Literatur und Kunst
der Hellenen. Herausgegeben von E. F. Wüstemann. Berlin 1853.
12. Schmidt, O., Das Alter der Menschheit. Nach den neueren geologischen
Forschungen und Darwin's Hypothese. (Wien 1870, Sep.-Abdr.)
13. Wagner, Joh. Jac., Der Staat. IL Aufl. v. Ph. LL Adam. Ulm 1848.
2 o
Sitzung vom 18. April 1891.
Vorsitzender Hr. Virchow.
y (1) Der Vorsitzende begrüsst den so eben aus Syrien zurückgekehrten Herrn
on Luschan und spricht ihm Namens der Gesellschaft herzliche Glückwünsche
» zu den so erfolgreichen Ausgrabungen von Sendschirli, welche eine ganz
êue Culturperiode enthüllen.
8 (2) Gestorben sind die ordentlichen Mitglieder Dr. Louis Müller und Geh.
no tatsrath Dr. Bd. Goltdammer, dirigirender Arzt der inneren Abtheilung von
p hanien, leizterer nach langer und sehr schwerer Krankheit erst am gestrigen
age,
(3) Als neue Miiglieder werden angemeldet:
Hr. Dr. W. Dórpfeld, Sekretär des deutschen archäologischen Instituts
in Athen.
» Gymnasialdirektor Prof. Dr. Lemcke, Stettin.
, Kreisphysikus Dr. Schröder, Oldenburg, Holstein.
, Ludwig Kuitner, Kaufmann, Berlin.
Sei (4) Hr. Antonio Peñafiel, Director general de Estadistica, dankt in einem
M Teiben aus Mexico vom 9. März für seine Ernennung zum correspondirenden
ligliede.
Sch (5) Am 4. April ist zu Friedberg in der Wetterau der durch seine prähistori-
ange, Forschungen bekannte Gustav Dieffenbach plötzlich in einem Schlag-
fonde gestorben. Derselbe hinterlässt leider den grössten Theil seiner Gräber-
ver ©, ohne dass er selbst eine Publikation derselben bewirkt oder eine solche
s, asst hat, in einem Zustande blosser Magazinirung. Unter denselben befindet
(Th das einzige, auf deutschem Boden gefundene, mit dem Personen-Namen
Hy nil) bezeichnete Skelet aus alifrünkischer Zeit (6. Jahrhundert) Die von
den CHOW gelieferte Beschreibung desselben steht in Rud. Henning, Die
Sehen Runendenkmäler S. 118.
teh Es ist nunmehr festgestellt, dass der Generalversammlung der deut-
lun A anthropologischen Gesellschaft in Kónigsberg eine Vorversamm-
8 in Danzig, die am 3. August beginnen wird, voraufgehen soll.
8 (7) Im August 1892 findet in Moskau ein internationaler rühistori-
ch p
er Qo N pl
Con ngress, als Fortsetzung der früheren, und zugleich ein zoologischer
Sress statt. Die Reglements für beide werden vorgelegt.
L$ Der internationale Amerikanistencongress wird in der Zeit vom
. October 1892 in dem Kloster la Rabida bei Huelva zusammentreten.
(398)
Der Präsident des Organisations-Comites, Hr. Ant. Maria Fabie, der jetzige
Colonial-Minister, ladet zur Theilnahme ein. Da der Congress die Jubelfeier der
Entdeckung America’s begehen wird, so ist der Ort gewählt worden, wo Columbus
vor Antritt seiner grossen Reise längere Zeit ein Asyl gefunden hatte.
(9) Der Vorsitzende dankt der freien photographischen Vereinigung
hierselbst für ihre Einladung zu der höchst interessanten Vorführung trefflicher,
durch einen Projektions-Apparat vergrösserter Bilder aus dem Himalaya durch
Dr. K. Boeck am 10. April.
(10) Hr. Olshausen übersendet unter dem 4, April die nachstehende Notiz über
den Goldbrakteaten von Rosenthal bei Berlin.
In Heft 6 der Zeitschr. f. Ethnol. 1890 finden sich, Verh. S. 518—23, Mit
theilungen der Herren Friedel und Bartels über den Goldbrakteaten von Rosen
thal aus der Sitzung vom 25. October. Hr. Bartels glaubte in der Darstellung
auf dem Brakteaten den Sigurd Fafnersbane, d. h. Siegfried den Drachentódten
zu erkennen und berief sich auf Worsaae's Deutung der Vorstellungen auf
anderen Brakteaten, Mémoires des antiquaires du Nord 1866—71, p. 319 ff
nach Aarbüger f. nord. Oldkynd. 1870, S. 382 T). — Da ich in jener Sitzung nich!
anwesend war, so kann ich erst jetzt, nach Veröffentlichung der Bartels’sche?
Ausführungen, darauf hinweisen, dass Worsaae jene Deutung schon 5 Jahre
vor seinem Tode zurückgenommen hat.
Im Kopenhagener Dagbladet vom 24. November 1880 findet sich ein Bericht
über einen Vortrag Worsaae’s in der Kongl. nord. Oldskriftselskab, betreffend
„eine Deutung der Darsiellungen auf den (Schleswigschen) Goldhörnern und auf
den Goldbrakteaten“. Hr. Virchow gab einen Auszug aus diesem Bericht in den
Verhandl. 1880, S. 414—15. Dem ausfiihrlicheren dänischen Texte entnehme ich
folgende hierhergehürige Stellen (mit Weglassung des unseren Gegenstand nicht
direct Berührenden): „Meine fortgesetzten Untersuchungen in Bezug auf das Relr
gióse (in den Gebräuchen und Darstellungen der Nordlinder) führten zu meinem
Versuch, die Goldbrakteaten zu erklüren (1870). Schon Thorlacius, Abraham"
son und Thomsen hatten die Gôtter Thor und Freyr auf den Brakteaten 8°
funden; hierin schloss ich mich meinen Vorgängern an, versuchte aber die Frag®
weiterzuführen, indem ich mehr. Göttertypen aussonderte. Ausserdem sah ich
auch auf den Brakteaten Sigurd Fafnersbane, die Wölsungen und andere Heroe?
und Halbgótter. Indess wurde meine Theorie über die Götter und Helden v0?
anderen nicht aufgenommen; fast alle verhielten sich passiv. Selbst über manche
Einzelheiten im Zweifel, wartete ich die Zeit ab.* Verfasser kam spüter auf diese
Studien zurück und berichtet darüber, wie folgt: ,Mein Hauptresultat der Unter”
suchung der Brakteaten ist, dass sie alte Götter vorstellen, heilige Zeichen oder
religiöse Mythen; keiner giebt Helden oder Heldensagen wieder.“ Zum
Schluss, nachdem er auseinandergesetzt, dass die Grundlage der nordischen Mythor
logie recht alt und gemein-germanisch sei, sagt Worsaae: ,Meine Freunde P
Norwegen, Sehweden und hier, nicht zu sprechen vom Auslande, müssen ihre Mer
nungen (in Bezug auf diesen Punkt) ändern; aber ich selbst muss ihr Schicksal
theilen, sofern ich einen Theil meiner Erklärungen der Brakteate?
heute in ein frühes Grab gesenkt habe*. — Vergleiche noch Worsaae, The
industrial arts of Denmark, London 1882, p. 167—174.
&
(2205
(11) Hr. R. Buchholz legt
bearbeitete Knochen und Geweihstücke aus Grimme, Kr. Prenzlau
Vor, welche an sich wenig Auffülliges bieten, dagegen durch ihre Lagerungsverhält-
Bisse an der Fundstelle ein weiteres Interesse erregen. Es sind zerschlagene
Knochen- und Geweihstücke vom Hirsch oder Elch, darunter ein Róhrenknochen
po einem regelrechten Bohrloch, das wohl zum Einstecken eines Stiels ange-
Al sein kann, und ein Geweihstück mit Schädelkapselresten, woran zwei ge-
o wärzte Stellen die Einwirkung von Feuer erkennen lassen. Sämmiliche Stücke
a men stark corrodirt, gelblich weiss und haben ein relativ geringes specifi-
es Gewicht; die Hôhlungen sind von eingespülter sandiger Kreidemasse aus-
onl Hr. Cand. phil. Schmeisser, welcher u. a. auch geologische Studien be-
dans überbrachte diese Gegenstände dem Märkischen Museum und berichtete,
Abs sie in der, dem Kaufmann Reinsch gehürigen Kreidegrube bei Grimme, beim
q,, amen einer ungefähr 2 m tiefen Schicht von Geschiebelehm, unmittelbar auf
"s Oberflàche des Kreidelagers gefunden sind. Die Fundstelle sei eine durch
im Seherauswaschung entstandene und mit Geschiebelehm ausgefüllte Vertiefung
s, reidelager, wie sich solche dort in der sonst fast zu Tage liegenden Kreide-
M lcht hüufig finden, und da keine Spur einer Eingrabung in der Geschiebelehm-
in zu bemerken gewesen sei, auch in den oberen Schichten und an der Ober-
dag e irgend welche Culturreste nicht vorkamen, so glaubte Hr. Schm eisser,
Kyo: die Fundstücke zur Zeit der Entstehung und Ausfüllung der Vertiefung im
ms lager mit hineingespült sein müssten. Da, diese Ansicht als zutreffend vor-
no ersetzt, es sich um menschliche Artefakte aus der Diluvial- oder gar
a Ch älteren Zeit handeln wiirde, so unterbreite ich den Fall der Prüfung dieser
®ellschaft, ohne dass ich selbst mit einem Urtheil vorgreife. —
pri Hr. Nehring erklärt, es sei ihm unwahrscheinlich, dass diese Stücke auf
SA Lagerstätte gefunden sein sollten. Er glaubt, dass sie später ın diese
Icht gekommen sein müssen. Es seien Knochen und Geweihe vom Elch. —
An E Virchow bestätigt, dass die Knochen nicht den Eindruck sehr hohen
Pha. machten. Die Rauhigkeit der Oberfläche sei durch tiefe Erosionen von
Zenwurzeln bewirkt.
(12) Hr. M. Bartels legt Proben vor von den
kostharen Perlen der Basutho in Transvaal.
Beg Missionssuperintendent A. Merensky hat im Jahre 1882 in einem, in der
M pe anthropologischen Gesellschaft gehaltenen Vortrage die Aufmerksamkeit
in Ve gelenkt, welche bei den Basutho in Nord-Transvaal (Süd-Afrika)
dag em Ansehen stehen. Sie sind sehr selten und die Eingebornen bebaupten,
*hglisey. dieselben in der Erde finden. Europäische Nachbildungen, welche die
Nacho Industrie einzuführen versuchi hat, wurden von den Basutho sofort als
p; engen erkannt. |
Betragey Perlen wurden ,fast nur von regierenden Häuptlingen und ihren Frauen
dienten besonders eine gelbe und eine schwarze standen in hohem Ansehen und
oft als Sühnegeld oder Tribut, durch den die Unterhäuptlinge die Gunst
DU)
(400)
oder den Schutz des Oberhaupts gewannen. Kaufen konnte man diese Perlen
nie und nirgends, ja es wurde uns mitgetheilt, dass ein Mann niederen Ranges,
wenn er im Besitz solcher Perlen sei, seinen Schatz sorgfältig vor den Augen Un-
berufener hüte, weil er sonst fürchten müsste, dass er die Habsucht des Häupt-
lings reizen würde und so seines Lebens nicht mehr sicher wäre“ (Verh. 1882.
S. 543).
Es kommen 17 verschiedene Arten vor: 4 Arten sind gelblich, 3 schwarz, sonst
giebt es rothe, grüne, blaue, weisse und bunte.
7 s Ich verdanke der Güte des Herrn
7 NL Merensky einige Proben dieser Perlen.
(9) (9) » A domm ou Dieselben fallen durch ihre zum Theil
| sehr bedeutende Kleinheit auf, wodurch
©1 © SB GU (91 (GU sie sich von den bekannten Aggri-
; © , ? " Perlen nicht unwesentlich unterschei-
— | = den. Man vergleiche die in natürlicher
‚De © a Qu 9 d ©. Grösse gegebenen Abbildungen (Fig. !
bis 15). Sie sind fast sämmtlich aus
opakem Glase, nur die Arten II, IV und X sind durchsichtig. Auch sind sie stets
einfarbig, bis auf die Art IX, welche weisse, schmale Lüngssireifen in schwarzem
Glase zeigt. Sie sind ohne Zweifel aus längeren Glasröhren durch Abschneiden her-
gestellt. Diese Röhren waren meistens cylindrisch, jedoch erscheinen sie auch bis-
weilen breitgedrückt, selbst bis zu einer Rautenform mit abgerundeten Kanten. Aber
die Art II ist sechsseitig. Dass die Perlen durch Abschneiden von einer Röhre her-
gestellt sein müssen, erkennt man daran, dass ihre obere und untere, die Durch-
bohrung tragende Fläche häufig nicht parallel sind und dass in einzelnen Füllen
diese Fläche keine Ebene bildet, sondern gebogen erscheint und in eine Zacke
ausläuft (z. B. Fig. 9). Es hat also dieses Abschneiden nicht immer rechtwinklig
zur Längsaxe der Röhre stattgefunden und die Verferliger haben wenigstens in
den zuletzt erwähnten Fällen nicht durch die ganze Continuität der Röhre ge-
schnitten, sondern sie haben, nachdem sie den grössten Theil durchtrennt hatten,
die vollständige Ablösung durch Abbrechen erzielt und dabei sind Splitterungen
vorgekommen. Hierdurch kommt es auch, dass in derselben Gruppe die einzelnen
Perlen nicht selten von ungleicher Grüsse sind. In den Abbildungen sind die
Extreme gewählt worden.
Hr. Merensky hat mir auch die einheimischen Namen mitgetheilt, welche ich
hier folgen lasse. Es mögen die werthvollsten Perlen zuerst genannt werden:
»l. Talama, gross, unregelmüssig cylindrisch, gelb, mit leichtem Stich in$
Grüne oder auch grüngelb, opak. Die Bedeutung des Namens ist den Basutho
unbekannt. In einem am Niassa-See gesprochenen Dialekte aber bedeutet Talama
Gold (Fig. 1, 2).
II. Ebenfalls mit dem Namen Talama bezeichnet, gross, kantig, dunkel
schwarzblau, durchsichtig (Fig. 3).
III. Tsupsane, klein, hellblau. Bedeutung des Namens mir nicht bekannt.
IV. Letsika, sehr klein, unregelmássig cylindrisch, bisweilen breiter als hoch;
dunkelgraublau, opak. Die Bedeutung des Wortes ist unbekannt. Diese Perlen
sind selien und theuer (Fig. 4, 5).
V. Tacha, klein, unregelmissig cylindrisch, bisweilen breiter als hoch, hell
schwefelgelb, opak. Der Name bedeutet „Schönheit“. Diese Perlenart ist die
werthvollste von allen (Fig 6, 7).
(401)
VI. Seloba, sehr klein, unregelmässig cylindrisch, bisweilen breiter als hoch,
8linzend schwarz. Die Bedeutung des Namens ist „die Perle, mit der man
den Frieden erkauft oder zahlt“ (Fig. 8).
VII. Lelodi, klein, unregelmässig cylindrisch, hellgrün, opak. Der Name
bedeutet „Erbse“ und ist nach der Farbe der Perle gewählt, welche in ihrer
Färbung einer frischen grünen Erbse (Schote) gleicht (Fig. 9).
VIII. Lebato, sehr klein, unregelmissig cylindrisch, breiter als hoch, roth-
gelb, opak. Der Name ist ebenfalls nach der Färbung gewählt und bedeutet
»Mennige“ (Fig. 10, 11).
IX. Kchakabaschabo, klein, unregelmässig cylindrisch, schwarz mit regel-
Mässigen, schmalen, weissen Längsstreifen; in der Färbung an einen Onyx er-
Inernd. Der Name bedeutet „Perlhuhnperle“ (Fig. 12).
. X. Mochodi, klein, unregelmässig cylindrisch, hellblau, wie ein blasses Ver-
Sissmeinnicht; durchsichtig. Der Name bedeutet ,Uebel^ (Fig. 13).
, XL Schlôscha, klein, unregelmässig cylindrisch, schmutzig dunkelgelb, opak.
Diese Perlen sind an Werth die geringsten und ihr Name bedeutet „Ausschuss“
(Fig. 14, 15).
Die Namen der 6 übrigen Arten konnte ich nicht erfahren.
Aus welcher Zeit diese Perlen stammen und von welchem Volke sie gefertigt
Worden sind, das ist bisher noch ein unaufgeklärtes Räthsel geblieben. Um
Modernes europäisches Fabrikat kann es sich zweifellos nicht handeln und auch
ue Anfertigung im Lande selbst müssen wir wohl als ausgeschlossen betrachten.
ili Merensky ist, wie wir neulich gesehen haben, der Meinung, dass es sich um
d. €re Einfuhr aus Indien handle. Er wird in dieser Ansicht dadurch bestärkt,
„488 er von dem Missionar Gundermann die Mittheilung erhalten hat, dass noch
ok in Bhaunagar auf der Halbinsel Guirat in Indien eine einheimische Glasperlen-
sop rie bestehe. Es lässt sich nun allerdings nicht leugnen, dass diese indi-
A en Perlen, von denen mir einige Proben vorliegen, wenigstens auf das blosse
s nen hin in Bezug auf ihre Form und Farbe eine überraschende Aehnlichkeit
© einzelnen Arten der Transvaal-Perlen besitzen, namentlich mit den Arten I
alama) und VIIT (Lebato).
ide Aber das allein ist natürlicherweise nicht genügend, um sie mit diesen zu
oq Sion, Man kónnte ausserdem noch an mittelalterliches Fabrikat aus Venedig
Wie an antikes Fabrikat aus Phónicien denken. Das blosse Ansehen genügt hier,
ke gesagt, nicht, um die Entscheidung zu treffen; es ist dazu eine genaue mikro-
ber che Untersuchung nothwendig, wie diese von Dr. Otto Tischler 1n Königs-
Wir Mit überraschendem Erfolge in die prähistorische Wissenschaft eingeführt 1st.
kom Werden auch hoffentlich über die Perlen der Basutho in einiger Zeit ins Klare
schien da ich Hrn. Tischler Proben derselben zu genauerer Untersuchung über-
ckt habe.
(13) Hr. Hans Virchow stellt
B den Degenschlucker
o Heinicke (Charles Benidelli) vor und bemerkt dazu Folgendes:
Würde lotographien des gleichen Artisten, von Hrn. von Luschan angefertigt,
und d Ton mir schon früher, nehmlich in der Sitzung vom 17. Juli 1886 vorgelegt
Gesagta 4 eine Besprechung geknüpft. Ich kann mich daher auf das damals
ee beziehen und mich darauf beschrünken, anzugeben, was sich inzwischen
Thandl. der Berl. Anthropol. Gesellschaft 1891.
96
(402)
geändert hat. Ich möchte aber bemerken, gerade der Umstand, dass sich an dem
Befunde eines solchen Artisten etwas ändert, ist interessant und. bietet uns Gelegen-
heit, das Problem von einer neuen Seite, in neuer Beleuchtung kennen zu lernen.
Damals waren es 5 Jahre, dass der Zwanzigjihrige die ersten Versuche in seiner
Kunst gemacht hatte, jetzt sind annähernd weitere 5 Jahre verflossen, und in diesen
9 Jahren sind Aenderungen eingetreten.
Geändert hat sich einmal der Habitus: damals (im Jahre 1886) war der
Artist mager, heut hat er Körperfülle erlangt, die Muskulatur ist kräftig und vor
allem ist das Fettpolster reichlich entwickelt; man darf annehmen, auch die Fett-
ansammlungen innerhalb der Bauchhöhle, im Netze und an den Mesenterien.
Geändert hat sich ferner, dass der Säbel, welcher früher bis zum Griff ein-
geführt werden konnte, nicht mehr so weit eingebracht wird, sondern dass 15 cm
desselben ausserhalb des Mundes bleiben, oberhalb des Randes der oberen
Schneidezähne. Von diesem Säbel führte ich früher an, dass er 73 cm lang sei;
ich will jedoch hinzufügen, um ganz genau zu sein, dass an dem Griff zwei kleine
seitliche Platten befestigt sind, die 2 cm der Klinge bedecken, so dass für die Ein-
führung nur 71 cm in Betracht kommen. Ausserdem sei bemerkt, dass der Säbel
leicht gekrümmt ist, und zwar so, dass, wenn man Spitze und Anfang der Klinge
durch eine gerade Linie verbindet, die Klinge in der Mitte etwa 2 cm von dieser
Sehne entfernt ist. Jetzt führt der Artist, was er früher nicht that, einen stark
gekrümmten Säbel ein, was ihm nach seiner Behauptung „kein anderer Degen-
schlucker nachmacht“. Um ein Maass für diesen krummen Säbel zu haben, sei
angeführt, dass, wenn man von der Verbindung der Klinge mit dem Griff eine
gerade Linie zur Spitze, also so zu sagen die Sehne zu dem Bogen zieht, diese
gerade Linie 62 cm misst.
Ueber die Einbringung dieser beiden Sibel sei Folgendes bemerkt: 1) der
„gerade Säbel“ gleitet, so weit er überhaupt einzuführen ist, leicht hinab; dann
aber steht er fest. Der Artist bezeichnet die Stelle, wo er die Spitze fühlt, mit
dem Finger, und zwar ist dies eine Stelle, die 6 cm oberhalb des Nabels in Mittel-
linie liegt. 2) der „krumme Säbel“ wird in der Weise eingeführt, dass das An-
fangsstück senkrecht eingeschoben wird; dann wird er so weit auf die Seite geneigt,
dass immer das weiter eingeführte Stück senkrecht steht. Dabei macht zugleich
der Artist mittelst seiner Hals- und Rumpfwirbelsäule seitliche Bewegungen, so
dass er sich so zu sagen auf den Säbel hinaufwindet. Er giebt an, dass die Er-
lernung dieser Einführung viel Zeit und Versuche gekostet habe. Wenn der Säbel
bis zum Griff eingebracht ist, so fühlt der Artist auch von ihm die Spitze, und
zwar an einer Stelle, die zwischen der Mamillarlinie und der vorderen Axillarlinie
der linken Seite liegt, 3 cm über der Querebene des Nabels.
Man darf annehmen, dass die Stellen, an denen in beiden Fällen die Spitze
des Säbels liegt, richtig gefühlt sind, denn, wenn man die Säbel aussen an den
Körper hält, so treffen die Spitzen thatsächlich auf die gleichen Punkte. Da nun
der Magen selbst kein localisirendes Gefühl besitzt, so muss man annehmen, dass
die Magenwandung durch den Säbel an die vordere Bauchwand angedrückt wird,
und dass in dieser das Gefühl entsteht. Der Beobachter vermag die Spitze nicht
zu fühlen, da die Bauchdecken dick und gespannt sind.
Die Einzelprobleme, in welche das Problem des Degenschluckers zerfällt, habe
ich schon in meinem früheren Vortrage bezeichnet. Sehen wir ab von der Frage
nach dem Verhalten der Schleimhaut, so haben wir: 1) das Problem der Topo-
graphie von Magen und Speiseróhre, 2) das Problem einer hochcomplicirten Synergie
von Muskelleistungen.
(403)
Letzteres ist physiologisch das interessantere. Es besteht darin, und zwar
Nicht nur bei unserem Degenschlucker, sondern bei jedem Menschen, der auf die
Einbringung eines Schlundrohres eingeübt ist, dass die Berührungsgefühle im
Pharynx und Oesophagus und ihren Umgebungen so verwerthet werden, bezw.
Schon verarbeitet sind, dass ein feststehender Bewegungsplan ausgebildet isi, der
68 gestattet, den Fremdkörper glatt und schnell und ohne an den Hindernissen auf
dem Wege Halt zu machen, bis durch das Foramen oesophageum hindurch vor-
Züführen. Schon die Stellung, die der Einführende seinem Kürper giebt, ist durch
diesen feststehenden Plan bestimmt, und in unserem Falle gestaltet sich das Be-
Wegungs-Problem, wie gesagt, durch die Aufgabe der Einführung eines krummen
Sübels besonders schwierig. Der Bewegungs-Plan setzt sich zusammen aus Be-
Wegungen des einführenden Armes und aus Bewegungen der Wirbelsüule, in syner-
Sischer Verbindung. In dieser Hinsicht hat sich der Artist vervollkommnet, seine
Leistungen sind verfeinert worden.
Das Problem der Topographie des Oesophagus kann ich nicht genauer be-
leuchten, dazu müsste die Eróffnung der Leiche gemacht werden, wührend einer
der Sübel, vor allem der krumme, darin liegt.
Das Problem der Topographie des Magens hat aufgehört. Früher, als der
lange Säbel bis zum Griff eingeschoben wurde, bestand die Frage, welche Gestalt
der Magen annimmt, wenn er bis fast zur Symphyse ausgedehnt wird; jetzt da-
Segen, da die Spitze des geraden Sübels 8 cm über dem Nabel stehen bleibt, und
da der krumme Sibel eine so müssige Lünge hat, besteht ein solches Problem
"chi mehr. In dieser Riehtung also, in der Richtung der rein mechanischen
Verhältnisse ist eine Einschränkung, eine Verminderung der Leistung ein-
Setreten.
Wie ist sie entstanden? Der Artist selbst macht die Angabe, dass er eine
Zeit lang nur den krummen Säbel eingebracht habe, und dass, als er es dann
Wieder mit dem geraden versuchte, dies nicht gegangen sei. Er habe es zwar
"Inma] erzwungen, jedoch unter Schmerzen und mit dem Gefühle, als sei er durch
“Me enge Stelle hindurchgekommen. Aus Besorgniss, sich zu beschädigen, habe
® den Versuch nicht wiederholt.
Diese Angabe giebt keinen Aufschluss über die Ursachen der Behinderung;
oder soil man glauben, dass die Magenwand durchbohrt war?
. Ich habe daher, um durch die anatomische Untersuchung Licht zu erhalten,
die Einführung des geraden Säbels an einer Leiche vorgenommen, wobei mir Hr.
Hein freundlichen Beistand leistete. Die Leiche eines gesunden, kräftigen, wohl-
Sebauten Mannes, dessen Magen, wie sich nachher zeigte, leer war, mit einer
Kôrpergrässe von 1,71 m, also der des Artisten entsprechend, — ich bestimmte
ose früher zu 1,715, diesmal zu 1,725 — wurde in eine Lage gebracht, welche
a Stellung des Sübel-Einführenden (s. die Figur auf 8. 405 meines früheren Vor-
"vi entsprach; d. h. die Leiche war in Rückenlage, die Schultern durch einen
heiten legten Klotz erhoht, der Kopf hintenübergeneigi, wobei allerdings die Fein-
"i die der lebende Kürper unter der Herrschaft der Muskeln annimmt, nicht
brag Seahmt sind und nicht nachgeahmt werden kónnen. Der eingefiihrte Sibel
or hun zunächst die Halswirbelsäule. Abgesehen von diesem Hinderniss blieb
S er den Magen erreichte, an drei Stellen stehen, nehmlich zuerst, als die
Abe 15 em von den Schneiden der Oberzähne entfernt war, dann in 23,5 cm
(k pnd von denselben, dann in 41 cm Abstand. Ueber das erste Hinderniss
9hlkopf) kam man hinweg, indem man mit der Fliche des Sübels die vor
26*
(404)
letzterer gelegenen Theile nach vorn (oben bei der liegenden Leiche) drängte;
über das zweite (Bifurcation der Trachea), indem man die Lage des Säbels in
sagittaler Richtung so änderte, dass die Spitze sich mehr der Wirbelsäule zukehrte;
über das dritte (Foramen oesophageum), indem man die Spitze ebenfalls der
Wirbelsäule mehr zuwendete. Lageveränderungen in querer Richtung waren un-
nöthig. Endlich blieb der Säbel wieder stehen, als noch 15 cm seiner Klinge vor
den Schneiden der Oberzähne hervorstanden, und zwar war seine Spitze nun ober-
halb des Nabels, links von der Mittellinie zu fühlen, wie letzteres ja auch zu er-
warten war, da der (leicht gekrümmte) Sübel mit links gewendeter Spitze eingeführt
wurde, so wie es der Artist zu thun pflegte. Der Widerstand, der die Spitze auf-
hielt, war vollkommen. Nach einigem Zurückziehen und Tasten liess sich der
Säbel weiterschieben bis zur Querebene des Nabels, wo er wieder fest stand; nach
erneutem Zurückziehen und Tasten ging er weiter vor und glitt nun anstandslos
abwärts, bis der Griff an die Zähne anstiess; ja man hatte das Gefühl, dass sich
bequem noch ein weiteres Stück würde einführen lassen. Die Spitze war nunmehr
5 cm über der Symphyse zu fühlen. Ich glaubte vollkommen sicher das gemacht
zu haben, was früher der Artist selbst zu machen pflegte, wenn er die Magenwand
mit dem Säbel bis gegen die Symphyse vordrängte. Doch das Ergebniss war ganz
anders: es war ein Loch gebohrt, und der Säbel stand mit einem Stück von 11 cm
aus der Magenwunde hervor. Das Loch befand sich an der hinteren Wand, gleich
weit entfernt von der grossen und kleinen Curvatur. Auch das Mesocolon war
durchbohrt. Wenn man diesen Befund, der nach Eröffnung der Bauchhöhle er-
hoben wurde, mit dem vorher Geschilderten in Verbindung setzt, so ist es wahr-
scheinlich, dass die erste Hemmung innerhalb der Bauchhühle (3 em über Nabel-
hóhe) durch die Magenwand, die zweite (in Nabelhohe) durch das Mesocolon
hervorgerufen war, und dass der Magen überhaupt nicht oder nur sehr wenig vor
der andrüngenden (übrigens stark abgestumpften) Spitze auswich. Eine Ursache
besonderer Verletzlichkeit war nicht vorhanden, der Magen war gesund, ohne
Falten und Buchten, und die durchgestossene Stelle zeigte nichts Besonderes. Die
Leiche war mit conservirender (Wickersheimer’scher) Flüssigkeit ausgespritzt,
und weder Auge noch Nase konnten Zeichen von Zersetzung spüren. Immerhin
war es der Magen einer Leiche, nicht so fest wie der eines Lebenden, und vor
allem ohne die Fähigkeit der Muskelcontractionen.
Obwohl nun die Untersuchung mit einer Durchbohrung endigte, so ist ihr Er-
gebniss doch nicht ausschliesslich negativ. Von positiven Ergebnissen enthielt sie
zunächst dieses, dass das Stück des Sibels, welches nicht ohne Verletzung des
Magens eingeführt werden konnte, 15 cm beirug, also genau so viel, als gegen-
würtig bei dem Artisten uneingeführt bleibt. Man kann daher wohl auf letzteren
das Ergebniss übertragen und bemerken, dass gegenwärtig, wenn er den geraden
Sübel einführt, die Magenwand nicht wesentlich verdrángt wird, und dass es diese
selbst und nicht die Bauchwand ist, welche das weitere Vordringen des Säbels
hindert.
Ein zweites Positives lehrte die Untersuchung an der Leiche. Nach der Oefl-
nung der Bauchhôhle und Feststellung des geschilderten Befundes wurde nehmlich
der Sübel so weit wieder zurückgezogen, dass seine Spitze in den Magen guriick-
kehrte; und nun wurde diese, überwacht vom Auge, innerhalb des Magens weiter
vorgeführt, wobei die Magenwand mittelst der Hünde über dem vordringenden
Sibel arrangirt wurde. So kam nun dieser leicht so weit, dass der Griff an die
Zähne anstiess, ohne Durchbohrung, obschon allerdings zuletzt die Magenwand
(405)
durch die andrängende Spitze so gespannt war, dass vielleicht 1 oder 2 cm mehr
cine Durchbohrung hervorgerufen hätten. Am weitesten hinabgedrückt war jetzt
eine Stelle der grossen Curvatur, die vom Pylorus weit entfernt war, noch weiter
von der Cardia, und die grosse Curvatur hatte anstatt der Gestalt einer gebogenen
Linie die einer gebrochenen Linie mit zwei ziemlich gerade verlaufenden, spitz-
winklig zusammentreffenden Schenkeln angenommen. Dieser Theil der Unter-
suchung ist insofern positiv, als er zeigt, dass eine Säbel-Einführung, wie sie unser
Artist vor 5 Jahren zu machen pflegte, möglich ist, ohne dass dafür etwas Weiteres
als der Magen in Anspruch genommen wird, und ohne dass dieser Magen ver-
ändert, insbesondere ohne dass er dilatirt ist. Eine Dilatation glaubte ich schon
bei der früheren Untersuchung ausschliessen zu dürfen; gegenwärtig fehlt erst
recht jeder Grund, an eine solche zu denken, da nicht nur gar keine anamnesti-
Schen Anhaltspunkte dafür vorliegen, sondern da bei dem gegenwärtigen Grade
der Einführung keine bemerkenswerthe Verschiebung der Magenwand stattfindet.
Wäre der Magen dilatirt worden, so müsste sich die Fähigkeit, einen langen Fremd-
körper einzuführen, gesteigert und nicht vermindert haben.
Um nun die Untersuchung zum Abschlusse zu bringen, müsste in Erfahrung
gebracht werden, warum bei dem Artisten die Einführung der langen Klinge früher
gelang, jetzt aber nicht mehr, und warum an der Leiche so bald eine Durch-
bohrung eintrat, während sich doch nachher zeigte, dass der Magen an sich die
erforderliche Dehnung sehr wohl vertrug. Hierauf geben weder unsere Unter-
Suchungen an dem Artisten, noch die an der Leiche eine sichere Auskunft. Voraus-
sichtlich würde man durch weitere Untersuchungen an Leichen eine gewisse oder
annähernd gewisse Lösung der Frage finden; da ich aber solche nicht angestellt
habe, so kann ich nur anführen, was mir nach dem Voranstehenden als das Wahr-
Scheinliche entgegentritt. Es ist zu vermuthen, dass die reichlich angesammelten
Fetimassen in der Bauchwand, vor allem aber im Netz und in den Gekrösen
laumbeschränkend und bewegungshindernd wirken, so dass die Darmabschnitte
nicht mehr, wie früher, frei verschiebbar sind, sondern sich gegenseitig einengen
und sich in ihrer Lage festhalten.
. Wiüre es nun unseres Amtes, den Artisten zu berathen, so liesse sich über
die Einführung der langen Klinge wohl Folgendes sagen: Die Einführung ist vor-
aussichtlich auch jetzt noch möglich, doch dürfte die Weiterführung bis zum Nabel
Und über denselben hinaus nur mit äusserster Vorsicht geschehen und nie er-
ZWungen werden. Nach dem Durchgange der Spitze duréh das Foramen oesa-
Phageum, also, nachdem etwas über 41 cm eingeführt sind, müsste sich die Spitze
der vorderen Bauchwand. nühern, damit die Magenwand nicht gegen das Mesocolon
Angedrängt, sondern zwischen Bauchwand und Colon transversum abwärts ge-
Schoben werde; Aenderung der Körperhaltung ist dafür vielleicht von Nutzen. Vor
lem aber ist eine vóllig consequente Enifettungscur einzuhalten. Höchst bedenk-
Ich bleibt jedoch der Versuch auf alle Fille.
Loge) Herr Olshausen legt folgende Mittheilung des Herrn Schumann in
nitz vor über einen
Bronzeschmuck von Alt-Storckow, Kr. Stargardt, Pommern.
ver ai nter den Funden, welche in jüngster Zeit an das Stettiner Museum kamen,
gun m ein Fund von Alt-Storckow bei Norenberg besondere Beriicksichti-
den Hu uf der dortigen Gutsfeldmark wurden unter einem aus Steinen bestehen-
ügel eine Anzahl von Urnen und dabei einige Schmuckstücke gefunden,
(40%)
die durch ihren guten Brhaltungszustand und ihre schone Patina sich auszeichnen.
Der Fund besteht aus:
1) Einer rautenformigen Hakenplatte (Fig. 1). Dieselbe ist aus Bronze-
blech hergestellt, 62 mm lang und 42 mm breit. Als Ornament zeigt sic cin am
Rande herumlaufendes Band, das durch Punzirung gestrichelt ist. Ein doppeltes
derartiges Band verläuft durch die Mitte der Platte. Ober- und unterhalb dieses
Bandes befinden sich je 3 erhabene Buckelchen. Die beiden Enden der Platte
gehen in nach unten umgebogene, 25 mm lange Haken aus.
3) Zwei Brillenspiralen (Fig. 2). Dieselben sind aus 2 mm starkem
Bronzedraht hergestellt und haben 47 mın Durchmesser. Es macht den Eindruck,
als ob sie an einem Kleidungsstück befestigt gewesen seien, während die erwähnte
rautenförmige Platte mit ihren Haken in die Oehsen der Brillenspiralen eingegriffen
und so das Kleidungsstück zusammengehalten hätte.
3) Dem interessantesten Stück, dem Schmuck Fig. 3. Derselbe besteht aus
einzelnen Gliedern und zwar aus Spiralröllchen und flügelförmigen Schalt-
stücken. Die Spiralröllchen, aus 1 mm starkem Draht und etwa 60 mm lang, sind
nicht gleichmässig dick, sondern verjüngt, in der Art, dass das dünnere Ende
zwischen die Flügel der Schaltstücke eingefügt werden kann, während das dickere
Ende auf die Erhöhung derselben an der Rückseite passt. Die flügelförmigen
Schaltstücke bestehen aus zwei dachförmigen Blättern, an deren Basis sich eine
an
4
X
(407)
Durchbohrung findet, welche der Hohlung der Spiralröllchen entspricht. Es kann
keinem Zweifel unterliegen, dass der Schmuck ähnlich, wie Fig. 3 es zeigt, auf-
gezogen getragen wurde. Wenn man die Spiralröllchen als Stiel und die Schalt-
Stücke als Blätter auffasst, erinnert. er an einen Mistelzweig.
Ein Stück dieser Art besass unser Museum bislang noch nicht, doch sind
Mehrere aus Pommern und Posen bekannt:
a) Der Fund von Neu-Lobitz, Kr. Dramburg (Kühne, Balt. Stud. 33. S. 314)
enthielt 3 Brillenspiralen, 4 glatte Knöpfe (wie einer im Koppenower Kasten, Balt.
Stud. 33. Taf. IL), zwei eiförmig zugespitzte Zierplatten, die eine mit zwei kurzen
Haken (Balt. Stud. 33. Taf. I. Fig. 3), die andere mit umgebogener längerer Nadel,
beide verziert, jede mit 6 von innen ausgetriebenen kleinen Buckeln, ferner 28 Spiral-
korallen, 25 gegossene Zierstücke (Balt. Stud. 33. Taf. I. Fig. 6, unsere Schaltstücke),
Zwei defekte Nadeln, ein hohles Aufsatzstück, einen Gusszapfen, einen Bronze-
kuchen, einen Kupferkuchen, fast alles neu. Im Acker gefunden, Privatbesitz.
b) Ein dem unseren gleiches flügelförmiges Schaltstück befand sich in einem
Grabfunde von Zuchen bei Bärwalde (Virchow, Verh. 1875. S. 28 u. Taf. III.
Fig. 5). Dort kam es mit einer Spiralplattenfibel, einem Bronzemesser mit abwärts
8chogener Schneide, einer Pincette und Ringen zusammen vor. Der Gebrauch des
Geräthes blieb damals zweifelhaft.
c) Ein dem unseren ebenfalls gleiches Schaltstück lag in einer Urne zu
Murowana-Goslin, Kr. Obornik (Schwartz, Verh. 1876. S. 287 und 271 und
Tat. XXV. Fig. 7) neben einer Bronzepfeilspiize und wurde als Schaftende eines
Haarpfeils aufgefasst. Fin derartiges Schaftende dürfte indessen wohl im Verhält-
Nisse zur Kleinheit der Spitze zu schwer sein, und man wird wohl besser an-
Dehmen, dass es, ebenso wie das von Zuchen, einem ähnlichen Schmuck zugehórt
hat, wie die Von Alt-Storckow und Neu-Lobitz.
.. Was die Zeitstellung dieses Schmuckes betrifft! so kamen die flügelfórmigen
Schaltstücke in Zuchen mit einer Spiralplattenfibel und einem Messer mit abwürls
Sebogener Schneide vor, in Neu-Lobitz mit Knópfen, welche dem einen Knopfe
Von Koppenow gleichen, wo sich ebenfalls eine Spiralplattenfibel fand; man wird
denselben also etwa in eine Zeit setzen dürfen, die der Periode III bei Montelius
(Om Tidsbestämning inom Bronsáldern, Stockholm 1885) entspricht. Periode I
5t in Pommern sehr wenig vertreten. Periode II und III kommt meist vereinigt
Vor und bildet unsere ültere Bronzeperiode. a“
Bemerkenswerth ist, dass die pommerschen Fundstellen, Alt-Storckow, Neu-
Lobitz und Zuchen, nicht weit von einander liegen. —
(15) Hr. A. v. Heyden zeigt im Namen des Hrn. von Chlingensperg in
Reichenhall nebst den Erläuterungen desselben folgende
Ueberlebsel aus früheren Zeiten.
Kl ‚Ich bitte dem Museum für deutsche Trachten u. $. W. in meinem Namen eine
Einigkeit als Geschenk zu übergeben.
M Es sind zwei Endsprossen von einem Hirsche mit ächt germanischem
ister (Fig. 1), welche ehemals an einem Pferdekummet angebracht waren,
ane jetzt selbe bei den Fuhrwerksbesitzern unserer Brauer u. s. w. von Messing
We oracht sind und woran gewôhnlich ein Dachsfell und Messingkamm hängen.
Md die Stücke auch nicht zu den Reichenhaller Gräbern gehôrern, so darf man
Immerhin nicht weit davon hinlegen.
m Hirn. Virchow als Vorstand des Trachten-Museums habe ich Einiges über
Smedicin und Zauberei, und zwar:
( A
Figur 1.
Figur 2.
je Natürliche Grôsse.
ve
'/ der natürlichen Grósse.
1) Eine Zauberformel für Schaizgrüberei von einem Bauern von War-
zoll, von dem ich selbe zur Enizifferung erhielt; vielleicht gelingt es in Berlin
damit die bósen Geister zu bannen!
2) Das Heilbuch des berühmten Theoph. Paracelsus und ein Lehr-
buch über Augenheilkunde von 1686. Die Bücher stammen aus der Biblio-
ihek eines Bauern von Karlstein, welcher als Kurpfuscher einen ziemlichen Ruf
hatte. Aus den vielen Excerpten sieht man, dass der Mann fleissig studirte.
3) Das in Messing gefasste Amulet enthält den sogenannten Adlerstein
(Fig. 2), über dessen Eigenschaften wir durch beiliegenden Papierfetzen näher
unterrichtet werden. Er war im Besitz einer Bauernhebamme in St. Zeno, welche
den Gebärenden bei starken Blutungen Einiges von der Schote abschabte und mit
Wasser vermischt zu trinken gab. Vielleicht gelingt es mir noch andere inter-
essante Heilmittel ausser den Adlerstein von dort zu erlangen. —
Der von Hrn. v. Chlingensperg erwühnte yPapierfetzen“, ein sehr unvoll-
ständiges Fragment, enthält Folgendes:
Beschreibung der Tugend und Kraft des Adler-Steins, welcher von Albertus Magnus,
auch Ludwig Süss aus ihren Büchern, und sonst vielen Gelehrten und Erfahrnen,
als Hypocrates, Galenus und Plinius probieret, und an vielen Menschen bewähret
worden, Er wird gefunden an des Meeres Gestatt, wie auch in Persien.
Der Stein Aechites, oder Aquilea genannt, ist Kastanienfarb oder gelb, und wird
genannt Adlerstein, darum, dass ihn die Adler wider die vergiften Thiere und andere
Geführliehkeiten ihrer Jungen (weilen sie die Natur dieses Steins wohl wissen) in
ihre Nester tragen und gebrauchen: Inwendig ist er hohl, und hat einen kleinen
Stein oder Kern in sich, welcher, so man ihn schiittelt, einen Klang von sich giebt ").
1) Der Stein erweist sich als ein Thoneisenstein, Sphaerosiderit, V.
408)
(409)
Es Seynd diese Steine von mancherley Gestalt, etwelche rund, etliche langlicht,
einige gross, andere klein, nachdem sie die Natur her . . AN
6. Dieses Pulver, zwey Quentlein in warmen Wasser eingenommen, und darauf
Seschwitzet, ist gut für das Seiten-Stechen, Pluritis genannt, des Abends, so man
schlafen gehet, also gebraucht, treibet gewaltig das Gries in den Lenden.
7. Den Adler-Stein und ein wenig Magnet-Stein zwischen den Schultern ge-
tragen, ziehet die Flüss aus den Augen und Haupi, machen auch denen Frauen,
die jhre Kinder abgenommen, die Milch sterben.
8. Diesen Stein, gebunden an den Gipfel eines Baumes, behaltet er die Frucht
tesselben; hingegen so er unten an den Stammen geknüpft wird, machet er die
rüchten abfallen.
. 9. Das Erdreich oder Kern darinnen in Wein gesotten, und warm getrunken,
hilft denen Frauen gewaltig für die Mutter, denen Mannspersonen für das Grimmen,
Vertreibt die rothe Ruhr und Gelbsucht, auch alle Bauchflüss.
. 10. Ist er auch gut für den Schlag, so er dem Kranken auf das Herz gebunden
Wird, kommt er wieder zu seiner natürlichen Red. Er ist auch gut und hat schon
Vielen geholfen für das Fieber.
das (16) dr. Rud. Virchow erwähnt bei dieser Gelegenheit mit grossem Danke,
vor. Magistrat und Stadtverordnete dem Trachtenmuseum einen einmaligen Zuschuss
d n 2000 Mark bewilligt haben, — eine sehr willkommene Gabe, da die Mittel
© Museums höchst beschränkte sind.
der (17) Der Alterthumsverein zu Mannheim übersendet cine Abbildung von
ew. Mahl, welches nach der Schlacht bei Seckenheim statigefunden haben soll, in
Cede Nachdruck. Dieselbe ist ausgegeben bei der Wiederaufrichtung des
am enksteins an den Sieg, den Kurfürst Friedrich L der Siegreiche von der Pfalz
30. Juni 1462 davongetragen hat.
m 5) In der März-Sitzung der Kgl. Nordischen Alterthumsforscher-GesclIschaft
openhagen sprach Hr. Mejborg über die
Aehnlichkeit der schleswigschen Bauernhófe mit den Gebáuden der mitt-
leren und älteren Zeit.
sell Der Redner wies auf einzelne schleswigsche Bauernhöfe und auf die an den-
sonde, angebrachten Zierrathen hin. Auf die Giebelverzierungen habe man be-
Brass Gewicht gelegt und erwähnte Redner noch besonders die sogenannten
lj 2 Das Wort Hausbrand komme noch auf Bornholm vor und sei in Jüt-
das och in dem Pleonasmus Brandstange vorhanden. In Bayern habe Redner
wiede ort gehört und in der Topstange der Schiffe finde man es ebenfalls noch
sonat r. Viele Decorationen hätten die alten Gebäude wohl kaum gehabt, denn
der Gp iden wir wohl noch Spuren davon gefunden haben; dagegen stehe aber
dang, plan der Häuser uns desto klarer vor Augen. Der Redner zeigte als-
sche B. Zeichnung eines alten südschleswigschen Gebäudes vor, das an die römi-
Zeigte asılika erinnerte; das Haus befindet sich E Klein-Dannevirke. Alsdann
und ^! eine Nachbildung eines anderen basilikaartigen Gebäudes aus Dithmarschen
a ER von merkwürdigen südschleswigschen Höfen vor. Das inter-
Schleswis ds jedoch das alte dünische Haus, wie man es aus der Voigtei Loe in
interes ig kenne, mit Vorderdiele, Pissel und Klówe. Der Redner zeigte ferner
sante Ueberreste von dünischen Thüren vor, an denen man früher Zapfen
Are
(410)
statt Hängsel anbrachte. Schliesslich auch noch eine Zeichnung eines Rundhauses
von Alsen, einer der ältesten bekannten Hausformen, die noch jetzt in einem grossen
Theile von. Asien angewandt wird. Das erwähnte Haus sei sehr leicht ausgeführt.
Es fehle aber nicht an runden Häusern, die wie die Tempel für längere Dauer
bestimmt seien. In den christlichen runden Kirchen und in den Kuppeln hätten
wir noch Ueberreste von dem alten ursprünglichen Hause.
(19) Der Lehrer Laurendak in Meggenhofen bittet um Beiträge zur Grün-
dung einer Volksbibliothek in Wels (Oesterreich).
(20) Hr. Rud. Virchow macht Mittheilung eines an ihn eingegangenen Schrei-
bens des correspondirenden Mitgliedes, Hrn. Paolo Orsi, Direktors des R. Museo
Archeologico Nazionale in Syracus vom 17. Mürz, betreffend
archaische Gräber von Syracus und ein eigenthümliches Geräth von
^ frojanischem Muster.
,Da parecchio tempo era mia intenzione di scriverle, e precisamente dacché
avenne la disgraziata perdita del nostro compianto Schliemann; cccole fuor’ altro
le ragioni di codesta mia lettera.
,Le sarà gradito sapere che nell’ estate del 1890 io ho fatto degli important!
scavi e scoperte nelle necropoli preclleniche, e precisamente sicule di Melilli,
Castelluccio e Plemmirio, tuite nel territorio della provincia di Siracusa. Tali
scoperie saranno quanto prima da me illustrate nel Bullettino di Paletnologia
Italiana. Posso peró fin d'ora assicurarla, cd Ella se ne convincerà presto, che essc
sono della piü alta importanza, perocchè illustrano una pagina affatto nuova della
antica etnografia italica e Siciliana. Sulla Sicilia noi si possedeva fin qui la mono-
grafia del von Andrian (Praehist. Studien aus Sicilien), buona sotto taluni rispetti,
non sotto aliri, perocché in essa fossero mescolati materiali di due diverse eta, ©
tutti attribuiti a quella della pietra. I miei scavi furono eseguiti dentro necropoli
il cui tipo di tomba, scavato nella roccia, da noi si chiama a forno, da loro
Tedeschi ,Fenstergrab®. Tali sepoleri esistono a migliaga nei monti siracusani,
ma sono tutti devastati. [o potei trovarne, dopo molte ricerche, alcuni di sani.
Curioso € il loro contenuto: Sempre numerosi scheletri, fino a 28 dentro una
sola cella che ha appena 2 x di diametro; accompagnati da numerosi e magnifici
coltelli di selce (Fig. 1—3), non pero da alire armi e stromenti di tale materia.
In tutte le necropoli trovai perd iraccie di bronzo (Fig. 4), in un sepolcro pezzino di
ferro. ln altre necropoli, quella de] Plemmirio, una spada e daghe del tipo di
Micene; e poi ambre, disgraziatamente in piccola quantita, accette di basalte, altre
minuscole di pietre dure (giadeite, nefrite), e, strano a dirsi, vasi dipinti in uno
stile geometrico primitivo.
»lra gli altri oggetti poi delle curiosissime ossa lavorate decorate nella loro
superficie di globoli simili a Scarabei (Fig. 5—7); essi parvero a me e ad alíri delle
assolute unità, e l'unico riscontro che potrei trovare si à in un pezzo rinvenuto dal
compianto Schliemann a Ilios, e da lui figurato nella sua edizione francese (Ilios,
trad. Egger). Con gli strati dillios e di Micene credo di aver trovato parecchi aliri
punti di contatto, specialmente nelle ceramiche e nei piccoli ornamenti; vorrei
ora essere meglio informato sulla natura di codesto curioso oggetto e precisamente
Se esso sia di osso o d'avorio, se sia o no decorato, ed in caso positivo come.
.. sEssendo morto il Sig. Schliemann, e consigliato anche dal prof. von Duhn
di Heidelberg, mi rivolgo a Lei per tali informazioni, supponendo che tale oggetto
(411)
3
Si trovi attualmente al Museo Etnografico di Berlino. Di un suo cenno Le saro
Molto obbligato. .
»Nel mese venturo invieró a codesta Società, cui ho l’onore di appartmere, due
"'"^hii greci, provenienti dalla necropoli greca di Megara Hyblaea (VII e VI secolo
*- C)) nella quale da piü mesi sto lavorando; spero saranno graditi. |
. NB. „Siccome il no del disegno nell’ Ilios di Schliemann mi e andato smarrito,
"6, qui in Siracusa tengo quell’ opera, Le invio una fotografia dalla quale potrà farsi
U^. concetto piü chiaro dei curiosi oggetti. Sono della stessa provenienza di questi
1l coltello in bronzo o quelli di selce, che vedonsi nella stessa fotografia." —
k : Er. R.Virchow: Die Mittheilung des Hrn. Orsi ist von hervorragender Wichtig-
eit. Zum ersten Male erscheinen hier, auf einem so alten, aber auch so ent-
T
(412)
fernten Culturboden, wie der Sicilien's, Fundstücke, welche nicht bloss an Mykenae,
sondern direkt an Troja anknüpfen. Meine Aufmerksamkeit auf diese uralten Fund-
stätten, namentlich auch auf die Felsgräber bei Syracus, wurde schon bei Gelegen-
heit einer Reise im Frühjahr 1883 erregt; ich habe in der Sitzung unserer Gesell-
schaft vom 19. Mai 1888 (Verh. S. 280) ausführlich darüber berichtet, auch darauf
aufmerksam gemacht, dass diese Periode mit den ersten phónikischen Nieder-
lassungen auf der Insel zusammentreffen dürfte. Die Beobachtungen des Herrn
Orsi gestatten, diese Betrachtung in verstärktem Maasse wieder aufzunehmen.
Von ganz besonderer Bedeutung sind die mit flachen Knöpfen besetzten
Knochengeräthe (Fig. 5—7), welche in unverkennbarer Weise mit irojanischen
Funden übereinstimmen. Schliemann hat sowohl in der deutschen, als in der
englischen Ausgabe seines llios nur ein solches Stück beschrieben und abgebildet.
Es ist in beiden Ausgaben als Nr. 983 bezeichnet (S. 513 der deutschen, p. 514
der englischen Ausgabe) Er sagi darüber, es sei „ein sehr merkwürdiger Gegen-
Stand aus einer vollkommen weissen Masse mit Spuren blauer Farbe an der Aussem
seite. Er hat 9 halbkugelförmige Vorsprünge, ein Linearornament und an einem Ende
ein Loch, am anderen zwei Löcher, mittelst deren man ihn an einen anderen Gegen-
stand heftete. Ich glaube“, sagt er, ,daher, dass dieser Gegenstand als Zierrath an
einer hölzernen Büchse diente. Im Bruch sieht er ganz wie Gyps aus, auch ist er
viel weicher und leichter als agyptisches Porzellan. Da ich nie etwas gefunden habe;
was 'dieser Masse ähnlich war, und auch wegen ihrer blauen Farbe; die sonst in
Hissarlik nirgends vorkommt, glaube ich, dass dieser Gegenstand aus dem Aus-
lande eingeführt war“. Leider ist dieses merkwürdige Stück, das in einer Tiefe
von 26—33 Fuss aufgefunden wurde, in der Schliemann-Sammlung unseres Museums
nicht vorhanden; es dürfte sich noch in Athen befinden. Wäre es richtig, dass
die Knöpfe der sicilianischen Stücke Skarabäen gleichen, wie Hr. Orsi annimmt,
so wäre die Frage eines ägyptischen Ursprungs, die Schliemann offenbar in Be
tracht gezogen hatte, gewiss sehr berechtigt. Wenn man indess die ganz glatte
und runde Beschaffenheit der platten Knöpfe in der Abbildung in Ilios in Betracht
zieht, so erscheint der Vergleich mit Skarabüen kaum zulüssig; nur in den Abbil-
dungen des Hrn. Orsi (Fig. 5 und 7) erscheinen auf der Fläche der Knópfe ge-
wisse Zeichnungen, die wohl an Käfer erinnern könnten. Leider sind die Zeich-
nungen nicht scharf genug, um darüber urtheilen zu kónnen. Zu bemerken is!
dabei, dass die Basis des einen sicilianischen Gerüths (Fig. 7) ein Rauten-
ornament trigt, das an Schuppen erinnert, wihrend die trojanischen ganz glatt sind,
nur dass die Basis der Knüpfe von concentrischen eingeschnittenen Linien um-
geben ist.
Das Berliner Museum besitzt jedoch ein zweites, ähnliches Stück. Dieses is!
nur in der französischen Ausgabe erwähnt und dort in einer Seitenansicht abgebildet
(lios, Ville et pays des Troyens, traduit de lAnglais par Mme. Egger. Paris 1885.
p.932. Fig. 564). Schliemann sagt darüber, es sei aus Elfenbein; es habe
9 halbkuglige Vorsprünge, wie Kuchen (pains), jeder auf 2 kreisfórmige Ringe ge-
stellt; die Grundfläche gleiche einem Boot. Hier knüpft er unmittelbar an die
Phónicicr an,
Bei der grossen Wichtigkeit dieses Stückes gebe ich nachstehend eine ge
nauere Beschreibung. Hr. Conservator Ed. Krause hat die grosse Gefülligkeit
gehabt, einige Zeichnungen anzufertigen, welche hier in Autotypie (Fig. 8—9) an-
gefügt werden. Das Stück ist 7,5 cm lang, 1,5 cm breit, und besteht aus einer
glänzend braunen; durch Längsrisse zerklüfteten Substanz, die ich nicht für
Elfenbein, sondern. für‘ Knochen halten möchte. Auf der flach gewölbten Ober-
(413)
Sette Sitzen in einer Reihe 5 platirundliche, etwa Figur 8. Figur 9
pirschengrosse, an der Basis etwas eingeschniirte
i D deren Oberflüche ganz glatt und einfach
" Um ihre Basis verlaufen auch hier ein Paar
welormige, durch tiefe Einschnitte getrennte
"ülste. Die Oberseite ist sonst ganz glatt, ohne
fete Verzierung. Die Unterseite ist glatt und.
"i concav (Fig. 10, Durchschnitt); gegen die
a erundeten Enden erhebt sie sich etwas; da-
auch. entsteht die von Schliemann erwähnte
» nlichkeit mit einem Boot. Das eine Ende
lps verletzt, das andere zeigt eine rund-
og Grube, gleich als ob man auch hier ver-
habe, ein Loch zu bohren.
Gs, ber die Verwendung dieser sonderbaren
m lassen. sich mancherlei V ermuthungen
oder ellen. Dass sie als Beschläge für Büchsen
hei sten gedient haben, wie Schliemann
m ni, ist müglich; da aber diese Annahme vor-
hes cine durch die Löcher des ersten Stückes
war, und diese sowohl an dem
" tien Stück, als an den sicilianischen fehlen,
wes. indert sich diese Möglichkeit nicht
Chose, Die Gestalt und Grösse würde sonst am
als on zu der Annahme führen, dass die Stücke Fieur 10
ge die, age von Griffen an Messern oder Dolchen 1gur 10.
hay haben. Bemerkenswerth ist die Ge-
dg] eit der Arbeit, die keineswegs den Ein-
freier cht, als seien die Stücke ganz aus
% of and gefertigt worden. Das Muster ist
von eenthümlich und das Ganze so abweichend Natürliehe Grósse.
eine © gewöhnlichen Vorkommnissen, dass
mg, Pe meinsame Quelle und ein ganz bestimmter Gebrauch vorausgesetzt werden
Beh, Da auch das zweite Stück in einer Tiefe von 8,50 m gefunden ist, so
8 jedenfalls den älteren Schichten von Hissarlik an. —
aye von Herrn Orsi angekündigte Sendung von Schüdeln von Megara
Stan de Ca ist gleichfalls eingetroffen, aber leider in einem SO zertrümmerten Zu-
Knoche dass eine brauchbare Restauration unmôglich war. Die sehr brüchigen
Wiping auf dem Transport in eine grosse Menge von kleinen Bruchstücken
Sind et ergegangen; nur Theile des Stirnbeins mit dem Ansatze der Nasenwurzel
Vo alten. Von Unterkiefern ist keine Spur vorhanden.
Vorder dem Schädel Nr. 1 hat sich ‚derjenige Theil des Daches, welcher den
Hinter, und Mittelkopf umfasst, noch einigermaassen zusammensetzen lassen; das
Breitendu fehlt fast ganz, ebenso die Basis und das Gesicht. Nicht einmal der
a esse lässt sich mit Sicherheit bestimmen. Die Brüchigkeit der
Alter cond selbst der Zühne ist so gross gewesen, dass weder Geschlecht, noch
Summis erkennbar sind. Nichtsdestoweniger móchte ich sagen, dass der Ge-
Die Kn ruck auf eine weibliche Person von mittlerem Lebensalter hindeutet.
Tafe] ochen des Schiideldaches sind leicht und dünn, die üussere und innere
Schwach. Die Stirn ist schmal (Minimaldurchmesser nur 86 mm), niedrig,
(414)
etwas schräg gestellt, die Orbitalwülste schwach, der Nasenfortsatz trotz grosser
Stirnhöhlen flach, die Glabella leicht vertieft. Die Parietalia sind kurz, stark ge”
bogen, und der Mittelkopf anscheinend breit. Da sich hinten ein ziemlich steiler
Abfall bemerkhar macht, so lässt sich auf einen mesocephalen, wenn nicht brachy-
cephalen Index schliessen. Die Nase erscheint am Ansatz kräftig, jedoch nicht
breit, die Wurzel ist wenig vertieft; das kurze Stück, welches vom Rücken et-
halten ist, zeigt eine leichte Einbiegung und eine schnell ansteigende Wandung-
Der Oberkiefer ist zart, ausgemacht orthognath; der Alveolarfortsatz sehr kurz
16 mm.
In einem zweiten Packet waren Stücke von verschiedenartiger Beschaffenheit
vereinigt, die zu zwei verschiedenen Schädeln gehört haben müssen.
Nr. 2 war wohl auch weiblich; das Aussehen ist noch glatter und zarter, als
bei Nr. 1. Von dem Dach hält nur ein Theil der Stirn zusammen: sie ist niedrig
und gerade, die Stirnhöhlen gross, aber nicht vorgewölbt. Der Ansatz der Nase
schmal, der Rücken eingebogen. Die Orbitae haben einen schün geschweiften
Oberrand, scheinen aber klein gewesen zu sein. Der Oberkiefer deutlich ortho-
gnath, der Alveolarfortsatz kurz, gleichfalls 16 mm. Die Zihne stark abgenutzt:
Der Gaumen kurz und breit.
Nr. 3 ist gänzlich zertriimmert und verwittert. Die vorhandenen Bruchstiicke
sind dick, an der Oberfliche rauh und uneben. Irgend eine genauere Angabe ist
unmöglich. —
Es ist ungemein zu bedauern, dass gerade diese altgriechischen Schädel, welche
einer so frühen Zeit der sicilianischen Colonisation angehören, den Unfällen der
langen Reise erlegen sind. Manches spricht dafür, dass sie eine nicht geringe Aehn-
lichkeit mit dem Schädel aus einem griechischen Sarkophag von Akragas (Girgenti)
besessen haben, den Hr. Künne im vorigen Jahre mitgebracht hat und den ich
in der Sitzung vom 19, Juli 1890 (Verhandl. S. 415) beschrieben habe. Hoffentlich
wird die Nekropole von Megara noch andere Schüdel liefern, und. wir werden Hrn-
Orsi sehr verpflichtet sein, wenn er uns einen Ersatz für den schmerzlichen Vet"
lust bieten. könnte. —
(21) Hr. C.F. Lehmann hilt einen Vortrag iiber
die Principien der metrologischen Forschung und das ptolemiische System.
Derselbe — eine ausführliche Erwiderung auf Herrn Dórpfeld's Aufsatz
„Ueber die Ableitung der griechisch-rómischen Maasse von der babylonische?
Elle* (Zeitschr. f. Ethnol. XXIL. 1890. S. 99— 102) — wird später erscheinen.
(22) Hr. Grempler, der im vorigen Jahre in Moskau die Gesellschaft als
Delegirter vertreten hat, erstattet, unter theilweiser Benutzung des Roeferats v0?
Herm Franz Heger (Mitth. der anthrop. Gesellsch. in Wien. Bd. XX. Neue Folge
Bd. X), Bericht über die
Verhandlungen des VIII. russischen Archáologen-Congresses in Moskau 1890-
Am T. Februar 1864 hatte der verstorbene Graf Uwarow sich mit einer
grösseren Zahl Gleichgesinnter zusammengethan und die kaiserliche archäologische
Gesellschaft in Moskau gegründet. Im Laufe der Jahre ist dieselbe aus beschel-
denen Anfängen zu einer der bedeutendsten wissenschaftlichen | Gesellschaften
Russlands aufgewachsen. Ihre Schriften stehen in hohem Ansehen und enthalte?
ein reiches Material zur Kenntniss der Archüologie des russischen Reiches.
(415)
Die Gesellschaft hatte ein weites Programm für ihre Bestrebungen aufgestellt,
entsprechend dem Material des weiten Reiches. Die urgeschichtlichen, die classi-
Schen und byzantinischen Alterthümer reizten zum Sammeln; die Baudenkmäler
der russischen Architektur, der religiösen, der profanen wie der militärischen,
Wurden ebenfalls in das Bereich des Studiums der Gesellschaft gezogen.
Um die Funde zu bergen und für die Gesellschaft ein Versammlungslocal zu
Sründen, wurde der Bau des historischen Museums unternommen, welches jetzt
als Prachtbau in der Nihe des Kreml steht und in seinen Räumen auch den
Congress aufnahm. Wenn wir die reichhaltige Sammlung der dort aufgestellten
Funde, besonders aus dem Kaukasus, betrachten, welche in der kurzen Zeit
von 25 Jahren zu Stande gekommen ist, so ist dies auch dem Interesse zu ver-
danken, welches der Zar den Bestrebungen der Gesellschaft entgegenbringt, der
für die Forschungen im Kaukasus allein 25 000 Rubel gespendet hat. Auch weti-
eifern die Geburts- und die Geldaristokratie Russlands darin, die Forschungen auf
dem Gebiete der Archäologie reichlich zu unterstützen.
Im Januar vergangenen Jahres feierte die Gesellschaft ihr 25 jähriges Jubiläum
"nd hatte an alle verwandten Gesellschaften Europas Einladungen ergehen lassen
“ur Betheiligung an dieser Festfeier, an welche sich ein Congress russischer
Archäologen und eine grosse Ausstellung schloss.
. Die Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte hatte
Mich, wie der Verein für das Museum schlesischer Alterthiimer zu Breslau, mit
dem Mandat eines Delegirten beehrt.
Am 8./20. Abends fand im historischen Museum das Stiftungsfest der kaiserlichen
pe Miologischen Gesellschaft statt. Grossfürst Sergei Alexandrowitseh, welcher das
TOteetorat übernommen hatte, wie seine hohe Gemahlin Elisabetha Feodorowna
Verliehen sammt der ganzen officiellen Welt Moskaus, der Versammlung einen be-
SOnderen Glanz. Die zahlreich erschienenen Delegirten der Universitäten, der
pn Senschaftlichen Academien, Gesellschaften und Vereine Russlands, die Delegirten
boy Teichs, der deutsche und der österreichische Delegirte hielten ihre Begrüssungs-,
. Gliickwunschreden unter Ueberreichung von Adressen.
sie Frankreich hatte drei Delegirte entsandt: Hrn. Emil Cartailhac vom franzô-
de pe Unterrichtsministerium, Baron de Baye von der Sociéte des Antiquaires
sel à France und Graf Louis de Fleury von der archáologisch-historischen Ge-
U Schaft der Charente. Aus Deutschland war ich der einzige, aus Oesterreich-
gam war Custos Franz Heger als Delegirter der Wiener anhropologischen
“Sellschaft anwesend.
loo; Am nächsten Tage fand die feierliche Eröffnung des VIIL russischen archio-
loge Congresses durch den Grossfirsien Sergei statt. Nach dem 1885 er-
Ser ên Tode ihres Gemahls, des Grafen Uwarow, war seiner Gemahlin Praskownja
Se Gräfin Uwarow die Prasidentschaft der Moskauer archäologischen
ihre; Ischaft übertragen worden. Unter ihrem Vorsitz tagte der Congress. An
ine rich über die Vorarbeiten und die Arbeiten der Gesellschaft schloss sich
entledi Istorische Skizze der bisherigen Archiiologenversammlungen. Zum Schluss
Gesell sich Geheimrath Bogdanow des Auftrages seitens der anthropologischen
Mog Schaft in Paris, als Ort für den nächsten internationalen Archäologencongress
i in Vorschlag zu bringen; derselbe wurde angenommen. 5
folgend. 10./22. Januar begannen die SitZungen der einzelnen Sectionen, deren sich
€ 9 constituirt hatten:
1) Vorgeschichtliche Alterthümer.
2) Historisch-geographische und ethnographische Alterthümer.
(416)
3) Denkmäler der schönen Künste.
< Sitten und Gebräuche in Russland.
"A Religiöse Denkmäler.
.) Russisch-slavische Sprach- und Schriftdenkmäler.
) Olassische, slavisch-byzantinische und westliche Alterthümer.
8) Orientalische und heidnische Alterthümer.
9) Archäographische Denkmäler.
Das Präsidium hatt 73 Fragen aufstellen lassen und für jede war ein Referent
bestellt worden. Ausserdem waren noch weitere 50 Fragen bezeichnet, über welche
es wünschenswerth sei zu discutiren.
Die Verhandlungssprache war die russische. Aus Courtoisie wurde mit Rück-
sicht auf uns Ausländer eine Sitzung in französischer und eine in deutscher Vor-
tragssprache veranstaltet.
Am 24. Januar (5. Februar) fand die Schlusssitzung des Congresses statt, in
welcher der Vorsitzende des wissenschaftlichen Comite’s, Prof. D. M. Anutschin,
die Thitigkeit des Congresses resumirte. In den 16 Tagen hatten 3 allgemeine
Versammlungen und 31 Sectionssitzungen stattgefunden und waren 136 Vorträge
gehalten worden.
Dass die grosse Fülle von Aufgaben, welche das Programm gestellt hatte, in
so kurzer Zeit bewältigt werden konnte, verdankt die Versammlung nicht zum
geringsten Theile der sachkundigen Geschäftsleitung ihrer hochverdienten Präsi-
dentin, Gräfin Uwarow, welche sich ihrer Aufgabe in einer Weise entledigte, die
allen Anwesenden sichtlich imponirte. Ausser dem Dank für das Zustandekommen
und die treffliche Leitung des Congresses wurde der hohen Dame, welche die
Berliner anthropologische Gesellschaft zu ihren Ehrenmitgliedern zählt, eine silberne
Gedenktafel überreicht, auf welcher die Namen der Congressmitglieder eingravirt
waren.
Im Zusammenhang mit dem Congress fand eine grossartig angelegte archäo-
logische Ausstellung statt, die in 11 Räumen des historischen Museums etablirt war-
Abtheilung I enthielt eine Sammlung werthvoller, alter russischer Spitzen aus
dem Besitz der Frau von Schabelski.
Abtheilung II: Vorgeschichtliche Alterthümer aus dem Museum von Twer,
russische Alterthümer von Choinavshij u. a.
Abtheilung IIL— VI: Kirehliche Alterthümer, namentlich von N. M. Postnikow.
Abtheilung VII: Seltenere Alterthümer aus verschiedenen Zeiten.
Abtheilung VIII: Alterthümer aus den Privatsammlungen von E. N. Skar-
áinskij (aus dem Gouvernement Poltawa herrührend), der Gräfin Uwarow, ferner
aus dem Museum von Rjasan (werthvolle Funde aus der Zeit der Vólkerwande-
rung), aus Sibirien U. S. W.
Abtheilung IX: Eine Collection von Alterthümern des historischen Museums
des Museums von Minsk, und Funde aus den verschiedensten Theilen des Reiches-
Abtheilung X: Kaukasische Alterthiimer aus der Sammlung der Grüfin
Uwarow (493 Nummern), zahlreiche permische Alterthümer von Tepluchow:
Semenow, die prachtvolle Sammlung‘ der archäologischen Gesellschaft von Moskau,
Funde von Sizows Ausgrabungen im Kaukasus, Alterthümer aus dem Gouverne-
ment Wjatka.
Abtheilung XI: Privatsammlungen von Antonowitsch aus Kiew und 5a-
mokwassow aus Warschau.
Ich gebe in Folgendem kurz den Inhalt derjenigen Vortrüge an, welche in
(417)
"gend einer Beziehung stehen zur Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte des
Westens. —
Prof. D. J. Bagalej referirte über die Alterthümer im Gouvernement
Charkow. Auch in diesem Gouvernement sind die überall bekannten Perioden ver-
treten. Im Szjumer Bezirke stiess man auf Hämmer und Pfeilspitzen aus Stein. Von
Ausgrabungen sind jene von J. A. Zarjetzki im Distriet Bogoduchow die bemerkens-
Werthesten. Ein Gorodischtsche am Flusse Merl hat Alterthümer aus den verschieden-
sten Perioden geliefert: Steinäxte, einen Bronzecelt, etliche Eisenwaffen und Münzen
von Septimius Severus. Von den Gorodischtschen, welche ebenso zahlreich hier vor-
kommen, wie die Kurganen, tragen die einen rein slavische Namen, während bei
den anderen türkisches Gepräge sich verräth. Auch die zahlreichen Steinbabas
Sind nach Ansicht des Vortragenden den türkischen Stämmen, welche zu jener
Zeit in diesen Gegenden die Herrschaft ausübten, zuzuschreiben. In zweien der
durch Zarjetzki erôffneten Kurgane fanden sich Terracotten und Goldschmuck
Mit Greifen und Lôwen, wie wir sie an den Gestaden des schwarzen Meeres in
Olbia, Pantikapaeon, Phanagoria finden, und welche Zarjetzki der sogenannlen
SCythischen Periode zuzuschreiben geneigt ist. Besonders hervorheben möchte ich
“Men Lederköcher, welcher mit einem silbernen Kreuz verziert ist, neben wel-
Chem sich eingravirte Greifen befinden. Zahlreiche Münzfunde kennzeichnen die
‘ômische, die byzantinische und arabische Periode. Die römischen Münzen
Lammen aus den ersten drei Jahrhunderten der christlichen Zeitrechnung, die
Yzantinischen und arabischen Münzen aus dem 6. bis 9. Jahrhundert. In den
gano fanden sich zwei Bestattungsarten: Brandgriber und Skeletgräber.
M ersten Falle waren die Brandreste in einer Urne beigesetzt, im anderen
ven der Todte sammt seinem Pferd, Kócher und Pfeil bestattet. In Betreff der
in 5 des Skelets kamen hier zwei Varianten vor: einmal fanden sich die Skelette
8estreckter Lage, ein andermal in hockender. —
G Prof D. J. Samokwasssow aus Warschau über die Chronologie der
tabhügelfunde in Mittel- und Südrussland. :
Ai, ach ihm lassen sich bei den mittel- und südrussischen Grabhiügeunden MA
welche eden unterscheiden. Die e ülteste, ist neh m M e det
Seyi is zum 7. Jahrhundert vor Chr. bis zur wahrschem ic eel à ,
po en an den Gestaden des schwarzen Meeres reicht. Die Grab ügel dieser
z, de liefern Gegenstünde aus Knochen, Stein, Thon und Bronze; Eisen fehlt.
P diesen Grabhügeln rechnet er auch jene im Kubangebiet bet Kislowodsk und
7 1 Sorsk (Ciskaukasien). — Die zweite Periode, die scythische, rechnet er vom
ran hander vor Chr. bis zum 9. Jahrhundert nach Chr., eine Periode, welche bis
den Gründung des getisch-sarmatischen Reiches zwischen Donau und Dnjepr
be crie, und in welcher schon Münzen und eiserne Geräthe vorkommen. Am
den Tr enswerthesten sind die Gegenstände griechischer Herkunft, ; welche von
slam, olonien am Pontus in das Innere des Reichs gelangten. Aus dieser Periode
ment pr die Kurgane von Taman, der Krim und Südrussland bis zum Gouverne-
6. Jah pr — Als dritte Periode bezeichnet er die getisch-sarmatische vom 2. bis
voll ve undert, als hier die Geten herrschten. Die Kurgane ‚dieser Periode sind
hört de Münzen und Gerüthen römischer Herkunft aus der Kaiserzeit. Hierher ge-
Sicht or Kurgan vom Dorf Jablonowka, ein anderer bel Kalisch. — Als vierte Periode
enthalt, die slavische vom 6. Jahrhundet bis 1000 an. Die Grüber dieser Periode
gow So byzantinische Münzen und Gegenstände. So die Grabhügel von Tscherni-
y arodub u. s. w. — Als fünfte Periode stellt er die tatarisch-mongolische hin,
Thandl, der Berl. Anthropol, Gesellschaft 1891. ^
Z2
(418)
welche durch tatarische Münzen, besonders. aus den Gräbern im Gouvernement
Jekaterinoslaw, erkannt wird. —
Derselbe spricht weiter über den Bau der Kurgane von Aksitienec im
Kreise Romny, Gouvernement Poliawa. Er grub einen grosssen Kurgan aus, der
von ungefähr 400 kleineren umgeben war. Es fanden sich zwei Bronzemesser,
Bruchstücke eines Gefässes und Thierknochen, welche letztere nach Ansicht des
Redners von einem Leichenschmause herrührten. Die darunter liegende Schicht
wies Holzspuren auf und deutete damit wohl die eigentliche Grabstätte an. Hier
traf man auf ein Gefäss, einen Schweineschädel, Reste von Pferdegeschirr, vier
bronzene Zügelschmucke, schellenartige Bronzegehänge, Reste von Stoffen, vier
seltene Lanzenspitzen in einem Köcher, der ausserdem 93 Pfeilspitzen aus Bronze
und eine desgleichen aus Eisen enthielt; weiter ein Panzer, zwei Beile und cine
Lanzenspitze, — diese Gegenstände alle aus Eisen. Nach Samokwassow bildeten
sie die Rüstung des Verstorbenen. Das Skelet war nur theilweise erhalten, da
der Kurgan früher ausgeraubt worden ist. — Ein zweiter, noch unberührter
Grabhiigel barg ähnliche Funde, ausserdem ein Gefáss, wie der Vortragende
vermuthet, von griechischer Herkunft, einen goldenen Henkel und den Hals
eines Kruges. Bei dem Skelet, in dessen Schädel ein Nagel steckte, lagen
Perlen aus Gold, Ohrringe und Schmuckplättchen, Armringe um die Armknochen;
an den Füssen bemerkte man rothe Farbe, Spiegel und Schwefelstücke. Dies
Skelet ist wahrscheinlich das einer Frau. Ein anderes Skelei hatte an der Seite
einen goldenen Schwertgriff und einen Köcher mit Lanzenspitzen, so dass es wohl
als das eines Mannes anzusprechen sein dürfte. —
Prof. W. B. Antonowicz aus Kiew spricht über die Bestattung in der
Kurganen des Gouvernement Kiew. Er unterscheidet dreierlei Bestattung"
weisen, welche verschiedenen Perioden entsprechen sollen. Dieselben zerfallen
in mehrere Unterabtheilungen.
A. Steinzeit. Die Grüber dieser Periode zeigen wieder 3 Nüancen:
1) Grabhüg el von mássiger Grósse und arm an Inhalt, nur Steingeräthe ent-
haltend. Die Skelette befinden sich in gestreckter Lage auf einer Sandschicht und
sind mitunter in Birkenrinde eingewickelt.
2) Flachgrüber, aus Steinplatten zusammengesetzt. Auf dem Boden der
Steinkisten stehen Thongefüsse, in welchen sich die verbrannten Knochenreste
finden. Die sehr sorgfáltig zugeschliffenen Steinbeilchen sind besonders charakte-
ristisch für diese Grüber.
3) Grosse Grabhügel, in welchen sich mehrere Grabkammern be-
finden. In jeder dieser Kammern liegen ein bis mehrere Skelette in hockender
Lage. Zu diesen Grabhügeln gehóren jene, welche Graf A. Bobrinskij!) in Smjál&:
Gouvernement Kiew ausgegraben hat. 'Dypische Gerüthe aus diesen Grabhügeln
sind gebohrte Steinhämmer und lange Ketten aus Bein. Das auffallendste in diese?
Grübern ist, dass die Knochen mit einer Schicht Ocker überzogen sind.
B. Seythische Epoche. Die Grüber dieser Zeit sind meist gewólbeartig i?
Stein eingehauen, das Inventar besteht zumeist aus Eisen, seltener Bronze. Charak-
teristisch sind die Pferdetrensen aus Eisen, Lanzenspitzen aus Bronze und Eisem
Beile aus Eisen, namentlich aber eiserne Panzer. Daneben Spiegel aus Bronze
Perlen aus Carneol, Achat, Jaspis, Glas und Bernstein, und zahlreiche Thongefissee-
1) Kurgani i sluéainija archeologiéeckija nachodki bliz mjästeëka Smjäli. St. Peters-
burg 1887. Gr. 4? X, 172 pp. Mit 24 Tafeln und 2 Karten. In russischer Sprache.
(419)
Auffallend sind die grossen Töpfe mit Thierknochenresten, welche darauf hinzu-
deuten scheinen, dass die Gefässe Speisen enthielten. Häufig fanden sich auch
Schwefelstücke und Farben, letztere aus Auripigment, Ocker und Zinnober.. Mit-
unter fanden sich auch Schalen von Schneckenarten, die heute nur im mittel-
lindischen Meere leben.
, , 9 Die slavische Epoche. In den Grübern dieser Epoche findet sich selten
Gold, desto hüufiger aber Silber.. Antonowitsch nimmt verschiedene Modifi-
kationen dieser Bestattungsweise an, welche mehr geographischen, als chronologi-
Schen Gesichtspunkten entsprechen. Im Norden des Gouvernements Kiew sind die
Gräber in anderer Weise ausgestattet. Rings um die Skelette finden sich eiserne
Nägel, welche von Holzsärgen, in denen die Leichen bestattet waren, herstammen
dürften. Thongefässe kommen hier nicht vor, hingegen Messer aus Eisen und
allerlei Schmuck aus Silber: Ohrgehänge, Ringe, Schnallen. Charakteristisch
dud die silbernen Zopfringe, die man in der Siebenzahl sammt dem Haarrest 1n
er Rückengegend fndet. Dieselben stammen aus Frauengrübern. Die Männer-
vos werden charakterisirt durch die gleichzeitig vorkommenden Pferdeskelette.
Ba fand menschliche Skelette in voller Ausrüstung aus Eisen, zu der auch ein
elm gehórt. —
a spricht Professor W. B. Antonowiez über eine Wohn- und Werk-
der te bei den Parogen (Stromschnellen) des Dnjepr. An der Mündung
W Sura in den Dnjepr zwischen den Parogen Sursky und Lochansky ist diese
sus stile gelegen. Auf den Feldern des Dorfes Wolosskoje fanden sich viele
Le nahe, namentlich Steinbeile, und da die Sage ging, dass hier im Boden
Sap re verborgen seien, wurde alles von der Bevölkerung durchwühlt. Thönerne
w Ciben mit Verzierung, Muschelschalen, Messer aus Quarz, steinerne Pfeilspitzen,
?lzsteine und. Knochengerüthe bildeten das Inventar. —
Bi G. L. Skadowsky: Typen der Bestattungen in den Kurganen von
dor Doserka im Gouvernement Cherson. Der Vortragende hat 7 Typen
estattung festgestellt:
aut à Aelterer Steinzeittypus. In den nicht tiefen Grübern liegen die Skelette
Zei em Rücken mit ausgestreckten Armen, aber eingebogenen Knien. Auch hier
Ne die Knochen rothe Färbung. Die Schädel sind dolichocephal. Als Bei-
N finden sich geschlagene und geschliffene Steine vor.
der 3 Steinzeit. Hier kommen die Skelette in seichten Vertiefungen in hocken-
Hàng age vor. Die dolichocephalen Schüdel liegen fast immer gegen Südost.
fehle ger als Steingeräthe finden sich Beigaben aus Bein. Starke Thongefässe
N fast nie.
ue Das Skelet findet sich in einem Holzboot, welches mit einem zweiten
Kup eckt ist, in gestreckter Riickenlage. In einem Falle wurde eine Schnalle aus
eine er (Bronze?)!), ein Fingerring aus Eisen und oberhalb des Grabes die Knochen
8 Pferdes gefunden.
Rich In den oberen Schichten der Grabhügel liegen die Skelettein gestreckter
füsse enlage. Bei diesen füllt besonders auf, dass sich unter don Beigaben Ge-
sie, e ec hiseher Herkunft mit Inschriften, Medaillons mit figuralen Dar-
Sen, Perlen aus Bergerystall und Karneol, Ohrgehänge, Fingerringe, Arm-
d die Fundstücke nicht analysirt sind, welche als Kupfer angeführt werden, so
dürften mir diese Annahme mit Rücksicht auf die anderen Beigaben zweifelhaft; sie
Wohl von Bronze sein.
9 *
(420)
ringe aus Kupfer (Bronze?) finden. Nach Ansicht des Vortragenden handelt e$
sich hier um die Reste griechischer Kolonisten. /
5) Skeletgräber in halbovalen Veriiefungen, welche zu beiden Seiten Fortsátze
haben. Die Skelette liegen gestreckt, die Beigaben sind gleichmässig vertheilt,
auf der einen Seite fanden sich immer Schafknochen(?), dabei stets eiserne Messe!
mit Beingriff. Daneben schöne griechische Thongefässe, kupferne(?) oder goldene
Ohrringe, Fingerringe aus Kupfer, ferner Senkblei(?), Kupfer(?). Pfeilspitzen
und Schleudersteine wurden nur in einem Grabe gefunden. Auf den gleichzeitig
gefundenen Dachziegeln fand sich das Wappen der Kolonie Olbia mit einer
griechischen Inschrift, welche besagt, dass dieselben von einem Tópfer Namens
Poseidonius zur Zeit Apollodor's verfertigt wurden.
6) Katakombenartige Gräber, d. h. Grabkammern, wie sie in den Kur-
ganen noch erhalten sind: Pferdeskelette und Waffen zeichnen diese Grabkammern
aus. Gefásse griechischer Herkunft finden sich selteuer vor. Redner glaubt, dass
diese und die unter Nr. 5 beschriebenen Grüber den Scythen zugehüren; in den
ersteren will er die ansässigen Scythen und zwar die Kalliniden Herodots, In
letzteren die nomadische Bevölkerung Scythiens begraben wissen.
7) Skeletgräber in einer Vertiefung von Bootform in gestreckter
Rückenlage. Auf der einen Seite Bogen und Pfeilspitzen aus Eisen, auf der
anderen Pferdeknochen mit Resten von Sattel und Trense; daneben Schmuck für
das Gewand und das Pferdegeschirr mit verschiedenartigem Muster, mitunter mií
Rubinen(?) und Glassechmelz ausgelegt. —
Auch Hr. J. COhainowsky bringt Material zu der Frage über rothgefürbte
Skelette'). Er berichtet über Funde aus dem Kurgan Saur, Gouvernement
Jekaterinosslaw, Bezirk Wierchniednieprowsk. Er zeigt einen dolichocephalen
Schädel und rothgefárbte Knochen, welche er in diesem Kurgan gefunden hatte.
Der Schädel gehört nach seiner Ansicht zur Rasse von Cannstatt und charakterisirt
sich durch die Niedrigkeit der Stirn und die stark hervortretenden Augenbrauen-
bogen, auch ähnele er sehr dem bei Düsseldorf gefundenen. Für den Tiefstand
der Kultur der hier begrabenen Leute spricht ihm der gänzliche Mangel an Ge-
räthen. Es fanden sich keine Metalle, nur steinerne oder irdene Gefässe ohne
jede ı Ornamentik. Es handelt sich nach ihm um die ältesten Bewohner des
Dnjeprthales. Die rothe Färbung der Knochen erklärt Chainowskij damit, das®
dieses Volk die Haare roth fürbte und sich auch mit ebenso gefürbten Thierfellen
bekleidete. Da die Verstorbenen in ihren gewöhnlichen Kleidern bestattet wurden,
so gingen auch die gefürbten 'Thierfelle mit in's Grab und lagerten nach seiner An-
sicht bei ihrer Vermoderung ihren Farbstoff als Niederschlag auf die Knochen ab. —
W. N. Poliwanow über einen alten Begrübnissplatz, sowie eine Be-
festigung bei dem Dorfe Muranki im Kreise Sjengilej, Gouvernement
Simbirsk.
Der Begrübnissplatz enthält Flachgrüber mit Leichenbestatiung aus der Mon-
golenzeit. Im Jahre 1880 wurden beim Bau eines Dammes die meisten Funde
von den Bauern verschleppt, die Gold- und Silbergerüthe eingeschmolzen. In den
Münnergrübern finden sich die Reste von Pferdegeschirr und Waffen, letztere:
Aexte und Messer aus Eisen; zu Füssen immer ein Thongefäss. Die Gräber der
Frauen enthalten die eigenthümlich zugerichteten Haarflechten der Verstorbenen.
Eine solche Haarflechte auf eine Weidenruthe gewunden, ist an letztere durch
1) Vel. Nadaillac, Moeurs et monuments des peuples préhistoriques. Paris 1888.
p. 280. Emile Cartailhac, La France préhistorique. Paris 1890. chap. VI.
(421)
kleine Lederriemen festgemacht, dann ist die ganze Flechie in dünnes Leder ein-
Sewickelt und in Baumrinde eingebettet. Der so entstandene Zopf, mit feinem
Silberdraht umwickelt, findet sich gemeinsam mit Glasperlen, Ohrgehängen,
Ringen u.s. w. vor. Die Skelette sind von vermodertem Holz umgeben und
scheinen die einzelnen Grüber früher durch Steine bezeichnet gewesen zu sein,
Wie aus einem von Poliwanow gefundenen, regelmüssig behauenen, oben ab-
Serundeten Steine mit einer Inschrift hervorzugehen scheint. Aus dem gleich-
?&igen Funde von tatarischen Münzen aus dem Jahre 1330, der Regierungszeit
Usbeks, und einer aus dem Jahre 1346 geht hervor, dass es sich hier um tatarische
Gräber gehandelt hat.
_ Während sich auf diesen Gräbern niemals Erdhügel erheben, kommen in der
Nähe Hügelgräber vor, welche Poliwanow für bulgarisch und vorislamitisch an-
Meht. In dieser Gegend, wohnten, wie geschichtlich nachgewiesen, einst die ehe-
Mals heidnischen Bulgaren. —
N. M. Jadrincew spricht über: Die Verbreitung der Steingrüber in der
Mongolei und in Sibirien (die sogenannten Kereksuren).
Er hebt die Verwandtschaft der von ihm in der Mongolei untersuchten Stein-
S'über qii denjenigen in Sibirien hervor. Am Baikalsee finden sich zwei Arten
derselben: viereckige, von Steinplatten umgeben, nnd runde, mit niederen Auf-
Shüttungen und zum Theil von Steinplatten umlagert. Ihres ähnlichen Baues
Vegen wären beide Arten einem Volke zuzuschreiben. Die Gräber an der Selenga
Mad deren Nebenflüssen wurden gleichfalls von Jadrincew untersucht; sie fanden
Ni besonders háufig bei Ust Kjachta. Am Orchon und an der Tola und Charula
od er eine dritte Art von Gridbern, welche eine Uebergangsform zwischen den
"den früheren darstellen, nehmlich Steingrabhügel, welche von Steinplatten um-
Seben sind, Die Form dieser Kereksuren ist verschieden, am grössten sind sie
m Orchon ; auch ihre Zahl ist eine ungemein grosse. Nach Mittheilung eines
ann sollen einzelne derselben Gegenstände von Gold und Silber enthalten
: .. : XT AH : -
iu s. Sie dürften von einem V olke herrühren, das mit der Steinboarbel P rer
Ww ar, und das urspriinglich in der Mongolei an der Selenga und am Orchon
Ohnte, Späterhin sich nach Westen zum Baikalsee und Jenissei ausbreitete, —
M Jadrincew berichtet auch über: Die Steinbabas in Sibirien und in der
PAgolei”,
Ste Mit den Kereksuren finden sich im Kreise Minussinsk und im Altai stets
ge ba vergesellschaftet; desgleichen in der Mongolei. Nach J adrincew
Hing. Sie hier wie da demselben Volke zuzuschreiben. Ihre F orm, die gefalteten
Krei & ferner die Beigaben von Schwert und Becher bleiben sich immer gleich. Im
Am 7 Minussinsk sind die Dabas am vollendetsten und zeigen eme Art von Runen.
"a alsansee liegen 4 merkwürdige Grabhügel, wahrscheinlich Grabstätten her-
Schneider Personen. Vor diesen Gräbern steht ein grosser Stein mit eingehauenen
Schrig 1 hen (2), daneben ein Obelisk mit runenartigen Zeichen und anderen
Pie? von denen eine der chinesischen ähneln soll. In der Nähe liegen die
lan © von Lówen und marmorne Statuen, Die letzteren sind ohne Kopf, tragen
Geb. Kleider und den Chodakis (Seidentücher, welche bei den Buddhisten in
deno, e Sind). In der Hand halten sie Figuren, welche Menschen oder Götter,
u der Kopf fehlt, vorstellen. und den Steinbabas mit den gefalteten Hánden
ko) Zur Frage über die Herkunft der Steinbabas siehe Rud. Virchow, Grüberfeld von
lichen P Kohn und Mehlis, Materialien zur Vorgeschichte des Menschen im Ost-
Uropa, II, S. 186.
(^^)
ähnlich sind. Aus diesem Grunde dürfte ein Zusammenhang zwischen beiden
Arten bestehen. Jadrincew schligt das Alter der besprocheneu Grabhügel aul
etwa 1000 Jahre an; ihre Herkunft ist nach ihm schwer festzustellen. Wenigstens
sollen sie nicht von den Mongolen, die jetzt dort wohnen, herrühren. Diese haben
nehmlich eine andere Bestattungsweise und schreiben selber die Grabhügel einem
fremden Volke zu. Ausserdem bieten ihre Ueberlieferungen keinen Anhalt für die
Annahme, dass sie von ihren Vorfahren. errichtet seien; auch entbehren die Mon-
golen, als ein Steppenvolk, die Kunst, Steine zu behauen. Da die Inschriften
fremdartigen Charakter haben, möchte Jadrincew die Bildwerke und Grabhügel,
indem er sich auf verschiedene Sagen stützt, den Kidonen und Uiguren zuweisen-
Endlich spricht Jadrincew über Spuren asiatischer Kulturen in den
südrussischen und scythischen Alterthiimern.
Indem er die scythische Kultur mit der sibirischen vergleicht, findet er eine
Aehnlichkeit der scythischen Kessel mit den westsibirischen, der scythischen Sireit-
üxte mit denen der Kirgisen und Altaivülker. Auch von den Schwertern habe
Anutschin aus Moskau nachgewiesen, dass ihr Heft den Bronzegriffen am Altal
ähnlich sei. Die scythischen Spiegel werden zahlreich in den Gräbern des Altal
gefunden. Auch die Steinlagerungen um die Grabhügel bei den Scythen, der
Brauch derselben, Leute und Thiere auf den Gräbern zu schlachten, sowie die
Tödtungsart der Thiere haben ihr Analogon im fernen Osten. Ueberhaupt sei das
Studium der orientalischen Kultur gecignet, in der Scythenfrage Licht zu verbreiten. —
Hr. A. A. Iwanowskij berichtet über das gleichzeitige Vorkommen des
Verbrennens und Begrabens bei den westmongolischen Torguten.
Die westmongolischen Torguten haben neben der Sitte der Leichenbestattung
auch die Leichenverbrennung beibehalten. Angesehene beliebte Personen werden
verbrannt, so die Geistlichen, die Bezirkshäuptlinge u. s. w. Die Weiber werden
nur selten, ausnahmsweise verbrannt. Vor 18 Jahren wurde die Leiche einer Frau
verbrannt, der es als Verdienst angerechnet war, 28 Kinder geboren zu haben-
Sonst werden die Leichen den Hunden vorgeworfen. Die Asche einer verbrannien
Leiche wird mit Lehm zusammengeknetet und daraus die Gestalt des Todten her-
gestellt und am Orte der Verbrennung aufgestellt. Kinst machte man dies®
‚Babas auch aus Stein. Nach einem Erdbeben jedoch und folgend den Mahn-
worten des torgutischen Helden Merkyt wurde das Material geändert. In der
rechten Hand hält jede Baba ein Gefäss, in welches ein Theil der Asche unter
gebracht wird, denn der Engel der Auferweckung der Todten hat dieselbe einst
nôthig. Zur Zeit der Steinbabas legte man einen Theil der Asche unter das Stand-
bild, den anderen in das Gefüss. Wer bei Lebzeiten einen Dolch trug, der ist
auch mit einem Dolch abgebildet, daher fehlt derselbe bei den Priestern. Steckt
der Dolch hinter dem Gürtel, dann heisst es, dass er die Steinbaba eines Fürsten
vorstelle, der im Greisenalter abgedankt hat. Am Gürtel hüngen gewühnlich kleine
Krüge, die den Sücken &hnlich sind, welche die Torguten jetzt tragen und in
denen sie Fett zum Beschmieren der Bogensehnen aufbewahren. Iwanowskij
hat an 60 Grüber beobachtet (davon 40 am Tarbagatai). Potanin hat solche
Gräber in Nordwestmongolien, Klemenz im Bezirk Minussinsk, Jadrincew im
Altai und im Thale des Kok-su und am Flusse Orchon gesehen. An diese Gräber
schloss sich eine lange Reihe von Steinen. Die chinesischen Chroniken sagen,
dass diese von den Dulgassen, welche am südlichen Abhange des Altai wohnten;
abstammen. Sie behaupten, dass die Dulgassen bei jedem Grabe eine Figur des
Verstorbenen mit der Beschreibung der Schlachten, an denen er theilgenommen
hatte, aufstellten und dass die Zahl der Steine um das Grab die Anzahl der von
442
(423)
ihm getódten Feinde bezeichne. Nach Iwanowskij ist diese Ansicht falsch. Er
meint vielmehr, dass diese Steine sich auf eine Sitte der chinesischen Kirgisen
beziehen. Stirbt einer von diesen, so bringt jeder Verwandte einen Stein mit und
stellt ihn auf das Grab; ehemals wurden die Steine reihenweis gestellt, jetzt werden
dieselben regellos auf die Gräber gesetzt, um dieselben vor den Wölfen zu sichern
und dann auch, um nicht so viel vom Boden verloren gehen zu lassen, denn nach
dem Volksglauben ist die Erde mit den Steinen Eigenthum des Todten, wo man
weder Kibitken aufstellen, noch Vieh weiden lassen kann. Was die vorherrschende
Östliche Richtung dieser Steine anbelangt, so glaubt Iwanowskij, dass diese in
Zusammenhang stehe mit den religiösen Anschauungen, nach welchen die Seele
das Paradies in östlicher Richtung gehe. —
. Zur Frage der Steinbabas sprach auch Herr M. E. Brandenburg. Er
öffnete einen mit einem Steinbaba versehenen Grabhügel im letzten Sommer im
Mariupoler Bezirke. (am asowschen Meer, Gouvernement Jekaterinoslaw), am
Plusse Karatysch. Die Baba stellt einen Mann dar, mit dem Gesicht nach Osten
Sewendet. Darunter befand sich eine Steinschicht, in welcher eine zweite kopflose,
Segen Osten gerichtete Baba entdeckt wurde. In der Steinaufschütiung fanden sich
Scherben von Thongefässen und 4 Gräber. In zweien derselben lagen die Skelette
Segen Osten, in zwei anderen gegen Norden gerichtet. Zwischen den Füssen eines
der Skelette lag ein Pferdeschädel. Rings umher standen steinere, schón orna-
Mentirte Tópfe, sowie bronzene Gerüthe von scythischem Typus. —
vi Graf Louis de Fleury: De quelques horodysezes du bassin de la
1stule, Die Gorodischtsches am linken W eichselufer verzeichnete zuerst
Ossowski auf seiner archäologischen Karte von Polen (1881) und sah sie für
Ueberreste aus der Steinzeit an. Lissauer (1887) dagegen setzte sie in die von
Ihm als nordarabisch bezeichnete Periode, d. h. in's 7. bis 10. Jahrhundert unserer
Zeitrechnung de Fleury meint, manche dieser Burgen könnten wohl aus so
SPäter Zeit sein, viele aber seien weit älter. In den Akropolen Vorderasiens,
Griechenlands und Italiens sieht er ähnliche Aufschüttungen, nur bestanden diese
“US einem anderen Materiale. Bei den Römern und in den griechischen Kolonien,
Mit denen sie in Berührung kamen, mögen die Bewohner der Weichselufer den
Bau Soleher Burgen kennen gelernt haben. de Fleury sucht seine Ansicht durch
den Hinweis auf die Funde im Gorodischtsche Wisna (Gouvernement Lomza in
Polen) zu stützen, welcher in der Geschichte um das Jahr 1170, dann 1294 er-
Wähnt wird und auf welchem noch im 17. Jahrhundert eine hölzerne Burg ge-
Standen hat. Dort haben sich in den untersten Schichten Münzen aus der Zeit
der Antonine gefunden und gerade dieser Fund bestimmte de Fleury, die Er-
Mchtung dieser Burgwälle mindestens in die Zeit der Antonine hinaufzurücken. —
ir Interessant in Betreff der Altersbestimmung der Gorodischtsches war der Vor-
De des Herrn W. J. Sizow, in welchem er über den Gorodischtsche von
2 Kowo bei Moskau und dessen Verhältniss Zu den Grabhügeln von
98kau und Smolensk berichtete.
von Der Gorodischtsche, zuerst von Samokwassow ohne besonderen Erfolg, dann
liof Sizow genau durchforscht, hatte annähernd die Form eines Dreiecks und
Pte. eine interessante Ausbeute. In. der untersten Schicht lagen knöcherne
la "Spitzen, ein geschliffenes Steinplättchen und andere Gegenstände. Die darüber
Tho den Schichten enthielten wenig Alterthümer, darunter das Bruchstück emes
kann asses mit Wellenornament, das als specifisch slavisch betrachtet werden
: Die Funde erinnern an die aus dem Gorodischtsches in den Gouvernements
(424)
Wjatka, Kasan und Perm. Die von Samokwassow aus den oberen Lagen ge-
sammelten Gegenstände gehören einer älteren Zeit an, nicht dem 10. bis 11. Jahr-
hundert, und sind ganz verschieden von den sonst im Gouvernement Moskau ge-
fundenen Artefakten. Diese sind jünger und dürften in die Zeit nach dem 11. Jahr-
hundert gehören. Zu dieser Zeitbestimmung gelangte Sizow durch die Funde in
den gleichalterigen Kurganen der Gouvernements Smolensk, Wladimir und Twer,
in welchen auch Münzen angetroffen wurden. Nach Sizow gehörte das Volk,
welches den Gorodischtsche von Djakowo erbaute, zu den Urbewohnern des Gou-
vernements Moskau und sind die Funde dem Stile nach gleich jenen der ältesten
Anwohner der Wolga und Kama, welche Finnen waren. Die Erbauer der Kurgane
dürften nach seinen Ausführungen den Slaven nahe stehen. —
Hr. F. Heger spricht über die kaukasischen Gräberfelder und deren
Beziehungen zum Westen.
Die archäologische Durchforschung des Kaukasus, die namentlich seit dem
fünften russischen Archäologen-Kongress von Tiflis, vornehmlich in Ossetien, vor-
genommen wurde, hat sehr wichtiges Material ergeben und dadurch unseren Ge-
sichtskreis bedeutend erweitert. Die Funde von Kasbek und Koban wurden für
die Urgeschichte des Kaukasus von Wichtigkeit, doch erst der Kongress von Tiflis
verhalf ihnen zu grösserer Bekanntschaft, die durch die Werke von Virchow und
Chantre gefördert wurde. In Russland war es der jetzt verstorbene Präsident
des Kongresses, Graf Uwarow, welcher die Wichtigkeit dieser Funde sofort er-
kannte und eine ausgezeichnete Sammlung davon zusammenbrachte. Neuerdings
haben sich die Fundstätten aus jener Zeit sehr vermehrt; besonders haben die
Funde von Faskau und Kumbulte unsere Kenntniss erweiteri, wührend andere
Fundstätten in Digorien (Kamunta, Donifars, Galiatha, Machtschesk u. a ) reiches
Material aus jüngeren Zeiten ergaben. Aus einer Vergleichung der älteren Funde
aus dem Kaukasus mit denen von Hallstatt, Watsch, St. Margarethen u. s. w. zieht
Hr. Heger den Schluss, dass eine direkte Beziehung zwischen dem östlichen
und westlichen Kulturgebiet nicht anzunehmen sei, beide vielmehr von einem
dritten, das etwa im Süden zu suchen würe, beeinflusst sein kónnten. Er vermuthet,
dass die álteren kaukasischen Grüberfelder wahrscheinlich einer jüngeren Zeit an-
gehören, jedenfalls nicht der Hallstattperiode entstammen. —
E. Oartailhac aus Toulouse: Des lumiéres que l'archéologie. pré-
historique russe peut projeter sur l'Europe occidentale.
Die russische Alterthumskunde scheint bestimmt zu sein, fiir Westeuropa von
Bedeutung zu werden, da sie zur Aufhellung noch dunkeler Punkte vieles bei-
tragen kann. Wenn Quatrefages Sibirien als die Urheimath der Menschenrasse
annimmt, so scheinen für seine Hypothese auch Thatsachen zu sprechen. Die
Spuren des Menschen, der vor der Eiszeit auf der Erde erschien und sich anfangs
roh bearbeiteter Steine bediente, sind in Russland noch selten und werden durch
plumpe Steingeräthe und zugerichtete Mammuthknochen bezeichnet. Je weiter
man nach Westen geht, um so grösser aber wird die Zahl, und um so vervoll-
kommneter das Aussehen der Geräthschaften. Dies lässt wohl schliessen, dass der
Mensch von Nordosten her nach Südwesten sich ausgebreitet habe. Von der
russischen Archäologie erwärtet Cartailhac auch Aufklärung über die Verbreitung
der Nephritgeräthe und Dolmen, Sie hat nach seiner Ansicht schon die Theorie
von der Ableitung der Eisenbearbeitung aus Afrika durch die Eisen- und Kupfer-
funde aus dem Kaukasus und Sibirien mächtig erschüttert. In dieser Hinsicht
würden die kaukasischen Gräberfunde von grosser Bedeutung für die Forschung
werden. '
(425)
Baron J. de Baye: L’influence orientale dans le bestiaire decoratif
des peuples germaniques. Nach ihm rührt der Ursprung vieler Thiergestalten
IN der älteren abendlündischen Kunst, namentlich der Greifen und Drachen, aus
dem Osten her. —
Prof. J. N. Smirnow: Spuren des Kannibalismus in der wotjaki-
schen Volkspoesie. Eine Fundgrube des Kannibalismus bieten die wotjaki-
Schen Märchen. In einem derselben findet sich auch das Verzehren des Herzens
des besiegten Feindes wieder. Auf Kannibalismus beruhten ferner die Menschen-
9PÍer, galt ihnen doch Gott auch als Kannibale und glauben die Wotjaken noch
Jetzt an Leute, welche Theile des menschlichen Kórpers verspeisen, um Eigen-
SCchaften des Todten zu erben. Ebenso ist der Glaube an Vampyre verbreitet.
Smirnow bezieht Herodots Erwähnung der Menschenfresser, die nórdlich von den
Scythen wohnen sollten, auf die damals noch dem Anthropophagismus ergebenen
Wotjaken,
. Hr Aspelin (Helsingfors) weist die Spuren des Einflusses der Gothen
!! Nordruss]and aus Grüberfunden nach und zwar in den ersten fünf Jahr-
hunderten nach Christi Geburt, nicht bloss auf die Finnen, sondern wahrscheinlich
ch auf die Slaven. Dieser Nachweis, sowie die Anzahl von Fundobjekten, so
der Fibel aus dem 3.—5. Jahrhundert, welche in Russland von den Küsten des
Schwarzen Meeres bis zu den Gestaden der Ostsee in den Flussgebieten des
Dnjepy, Dnjstr, Bug, der Düna und Weichsel vorkommen, lässt alte Verkehrswege
Ostlich der Karpathen erkennen, welche bisher wenig betont wurden. — |
Im Anschluss an diese Frage gab ich ein Referat über den Grabfund von
Sackrau, welcher in den Funden, von denen Samokwassow sprach, von Jablo-
Jowka und Kalisch, seine Amalogien findet. (Funde von Sackrau, Berlin 1888.
Hugo Spamer.) Es ist mir nicht gestattet, im Detail auf die berührten Fragen
“Mzugehen, deren ausführliche Besprechung über den Rahmen meines Keferats
hinausgehen würde. —
Aus dem diesmal in Moskau gebotenen, reichen Stoffe für Anthropologie,
Ethnologie und Urgeschichte kónnen Sie ermessen, was Ihnen der nächstjährige
Miernationale Kongress cbendaselbst verspricht. Müchten die deutschen Anthropo-
logen diese Gelegenheit, sich über die russischen archüologischen Forschungen zu
“Dterrichten, nicht verabsäumen.
(28) Hr. Grempler legt den Abguss eines
Elchhorninstruments mit gezähnter Schneide
Tor, Welehes auf den Rieselfeldern von Osswitz, 1 Stunde nórdlich von Breslau
AN der Oder, mit einem Paar Schlittschuhen aus Knochen und einem, an der
Jur quer abgeschnittenen Birenzahn gesammelt worden ist. In der Nähe der
felle ist die sogenannte Schwedenschanze, von WO das Breslauer Museum
e Topfwaaren und Bronze besitzt. Hr. Grempler hat daselbst noch im vorigen
pure Gräber ausgegraben und Aschenurnen mit Bronzeschmuck gefunden. Das
Strum gp aus Elchhorn möchte er mit der Weberei in Verbindung bringen, etwa
cum Aufkratzen von Wolle oder Flachs?). —
brin 1) Das Correspondenzblatt der deutschen anthropologischen Gesellschaft, 1890, Nr. 1,
8t eine Originalnotiz des Hrn Grempler nebst einer Abbildung des Instruments
(Vgl, ebendaselbst Nr. 9».
Hr. E. Krause bemerkt, dass ähnliche Geräthe, aus Holz geschnitzt und eben-
falls mit Zähnen, wenn auch etwas grösseren, versehen, zur Herstellung von Ver-
zierungen auf dem Lehmbewurf der Wände auf dem Lande in mehreren Gegenden
Deutschlands benutzt werden. In dem alten Hause, das bis gegen 1880 mitten In
Pichelsdorf, bei Spandau, stand, waren die Innenwünde mit Lehmputz beworfen
und mittelst des erwühnten Gerüthes mit Verzierungen, ähnlich denen auf wendi-
schen Burgwallscherben und Gefiissen, verziert und zwar kurz vor 1877. Das
vorgelegte Geräth sieht Hr. Krause als cinen Schaber fiir die Herstellung von
Töpfen an, das in derselben Weise gebraucht wurde, wie die gleichfalls gezähnten
Grundkratzer und Kratzer für Gyps und die gezähnten „Schlingen“ für Thon noch
heute von unseren Bildhauern gebraucht werden, nehmlich zur Entfernung der
Masse an Stellen, wo sie bei der Bearbeitung der Töpfe mit der Hand zu dick
aufgetragen ist und über das Profil des Topfes herausragt. Die Abnutzung der
Zähne an ihren Spitzen spricht für diese Ansicht. —
Hr. Olshausen: Zu dem Gerüth mit gezahnter Schneide kann ich ein Ana-
logon nachweisen: eine „Axt“ aus Elchhorn von Willenberg bei Marienburg:
Westpreussen, Katalog der prühistorischen Ausstellung zu Berlin 1888, S. 427,
Fig. 21. Tischler hielt das Stück für die Nachbildung eines eisernen Celtes und
der gekerbten Schneide wegen für ein Paradestück, nicht für einen Gebrauchs-
gegenstand. Genauere Anhaltspunkte für sein Alter fehlen sonst. Einige eingravirte
Verzierungen gleichen Krückenkreuzen, bei denen die Kreuze selbst doppellinig
ausgeführt sind, die Krücken aus halbmondfórmigen einfachen Linien bestehen.
Welches die richtige Deutung dieser Gerüthe sein mag und ob eine gezahnte
hölzerne Kelle, die zum Ornamentiren des Lehmbewurfs der Wendenhäuser in
der Lausitz diente (Verhandl. 1877, S. 449 und T. 20, 2), und auf die mich Herr
Voss nachträglich hinweist, mit denselben in Zusammenhang zu bringen ist, lasse
ich dahingestellt. —
(24) Hr. Grempler bespricht einen
Goldfund, der Angabe nach aus Schlesien.
Der aus Golddraht hergestellte Goldschmuck
ist mit anderen Gegenständen aus Gold, welche
sämmtlich zusammen jn Schlesien gefunden sein
sollen, von einem Händler erworben.
Der Golddraht ist zu einem Ringe zu-
sammengebogen, welcher im Lichten 0,6 misst;
nach unten schlagen sich beide Golddrühte ein-
mal umeinander, sind rollenartig aufgewickelt
und bilden einen zweiten kleineren Ring, wel-
cher im Lichten 0,24 misst und gleichsam ein
Anhängsel zu dem grösseren Reif bildet. Wäh-
rend der Draht des Reifes torquirt ist, ist der
rollenartig aufgewickelte glatt. Der verwendete
Golddraht ist 0,01 stark.
Mit dem Ringe habe ich gleichzeitig eine
dattelfórmige Perle von Goldblech er-
worben. Aaf das Goldblech sind zwischen zwei
eingepresste Lüngsstübe Querstäbchen einge-
(426)
(427)
Presst. Die Perle endet oben in eine Oehse, unten in einen Knopf und scheint
der Anfang eines Ohrringes gewesen zu sein.
. Endlich gehórten zu dem Funde Róhren von Goldblech, mit eingepressten
Rieven und 6 kleine Goldknópfchen. Bei meinem letzten Besuch des Museums
m Budapest im Monat Juni fand ich einen ganz gleichen Goldreif mit rollen-
lórmigem Anhüngsel. Derselbe stammt aus Siebenbürgen, doch ist Weiteres dar-
über nicht bekannt, namentlich nieht, was die Zeit anlangt, aus welcher er stammt.
T. dampel meinte, es sei ein Obrring, welcher über die Ohrmuschel gehüngt
urde. —
(25) Hr. Grempler bespricht die von dem Kreisbauinspector Brinkmann
Yéranstaltete Untersuchung des Burgwalls von Haidevorwerk im Kreise
Wohlau (Nachrichten über deutsche Alterthumsfunde 1890, S. 29) und zeigt, dass
“ige der daselbst gefundenen Gegenstände, die sich im Breslauer Museum be-
finden, modern seien.
(26) Hr. Grempler legt eine Anzahl von Schiideln aus schlesischen
Grüberfeldern vor.
p Hr. R. Virchow: Die vorgelegten Schädel, von denen jeder von einem anderen
Undplatze stammt, sind unter einander sehr verschieden. Nur einer derselben ist
*0 weit erhalten, dass die Haupimaasse genommen werden können.
1) Der Schüdel von Sillmenau im Kreise Breslau ist offenbar weiblich. Das
Leicht fehlt, dagegen ist die Schädelkapsel erträglich erhalten. Die Knochen
eden eine stark gelbbraune Farbe, kleben an der Zunge, diirften aber doch ver-
1 missmissig recent sein. Die Nähte sind offen und in voller Ordnung, nur ist
ji, La mbdanaht stärker gezackt und an der hinteren Zacke der Ala temporalis
D S findet sich ein abgetrenntes Stück. Rechts zwei gróssere flache Exostosen.
hor Rauminhalt betrügt 1365 ccm, der Horizontalumfang 507 mm. Die Form ist
op sibrachycephal. Das Hinterhaupt gross, gewôlbt, Index 27,6, keine Protub.
®rna. An der Stirn weder Orbital- noch Nasenwiilste.
ha 2) Von dem Schiidel von Langenau, Kr. Leobschiitz, ist nur das Dach vor-
lop Seitentheile, Basis und Gesicht fehlen. Hinterhaupt und Stirn sind ziem-
Zu Vollständig erhalten. Die Knochen sind dünn, licht braungelb, kleben an der
mi Index dolichocephal Stirn niedrig, gerade, breit (101 mm), der Nasen-
un Satz breit und flach. Parietalia sehr lang, Hinterhaupt hoch, gewölbt, Index
ehr 28,2. Der horizontale und sagittale Umfang gross (516 und 374 mm).
e dem dürfte auch dieser Schüdel weiblich sein. Soviel ich verstehe, stammt
AUS einem neolithischen Grabe.
ge 3) An dem Schädel von Wilkowitz, Kr. Breslau, fehlt die rechte Seiten-
an ein Theil der Basis und das Gesicht. Er sieht sehr braun aus; die Ober-
Wel}, der Knochen ist überall von Pflanzenwurzeln benagt. Die Brüche, durch
sin d ? die Ründer der fast einer Trinkschale ühnlichen Calvaria begrenzt werden,
Alle alt und überall abgerundet. An den Seitentheilen der Coronaria Synostosen,
lan M Anschein nach ist das Stück posthum verdrückt worden; es ist ungemein
stell Und schmal. Die Knochen im Ganzen zart. Stirn niedrig, leicht schräg ge-
Wan keine Glabella, Nasenfortsatz breit und etwas vortretend, aber schwache
Hint, Tubera deutlich. Parietalia lang, gestreckte, fast horizontale Scheitelcurve.
Aus Thaupt gross, ohne Protuberanz. Warzenfortsatz kräftig, von männlichem
Sehen. Foramen magnum schief. Nase schmal, Rücken etwas eingebogen,
(428)
stark vorspringend, leicht gerundet. Wahrscheinlich war auch dieser Schädel
dolichocephal: seine grosse Horizontallänge von 198 wm und sein Sagittalumfang
von 383 mm vertragen sich kaum mit einem anderen Index.
Die Tabelle der Maasse ergiebt Folgendes:
Schlesische Gräberschädel Sillmenau | Langenau Wilkowitz
ge 9?
I. Messungen.
Capacität. . . t o | NS 1365 — -
Grosste horizontale Linge . . . . . . . | 170 184 198
» Breite . . 2 241142 1 1 10 147 138 -
Gerade Hohe . . . . 11424 44 0 132 — —
Ohrhöhe . . . . . . . ........ 111 -- 119
Hinterhauptslänge . . . . . . . . . . . 47 592? 38:
Basilare Linge . . . . . . . . ... .. 100 — —
Stirnbreite . . . . ......2,... | 98 101 =
Horizontalumfang. . . . . . . . . . . 10 501 516 —
Sagittalumfang der Stirn . . . . . . . .. 130 | 191 129
der Parietalia . . . . . . . 113 130 130
^ des Hinterhaupts . . . . . . 112 113 124
Ganzer Sagittalbogen . . s 355 374 983
II. Indices.
Làángenbreitenimdex . . . . . , , , . 86,5 15,0 | —
Längenhôhenindex l.l... 77,6 | _— | o
Ohrhóhenindex. . . . . . 65,8 | — | 60,1
Hinterhauptsindex . . . , , 21,6 28,2? | 19,1?
(27) Hr. Rud. Virehow bespricht den in der Gesellschaft anwesenden
heteradelphen Inder Laloo.
Hr. R. Neumann, der Direktor des Passage-Panopticums, der auch heute
sich der Mühe unterzogen hat, den interessanten Heteradelphen zu uns Zu führen,
hatte schon in der vorigen Woche eine Anzahl von Mitgliedern unserer Gesell-
schaft zur Besichtigung desselben eingeladen. Ich war daher schon am 9. März
in der Lage, die Persónlichkeit etwas genauer zu prüfen.
Die Existenz derselben ist der Gesellschaft seit mehreren Jahren bekannt.
Hr. Carl Hagenbeck hatte mir im Jahre 1886 eine Photographie des jungen
Menschen eingesendet und ich habe sie in der Sitzung vom 26. Juni desselben
Jahres (Verh. 1886. S. 378. mit Abbildung) vorgelegt und kurz besprochen, Jetzt
aber haben wir zum ersten Mal Gelegenheit, die merkwürdige Missbildung vor
uns zu sehen, — eine Gelegenheit, die für diese Art der Monstrosität überhaupt
zu den recht seltenen gehört. Zugleich lernen wir in seinem Führer einen indi-
schen Parsi kennen.
Laloo ist von dunkelgelber Hautfarbe, dunklen Augen und tiefschwarzem Haar,
der Angabe nach aus dem Stamme der Rajputen und zu Oovon im Kónigreich
Oudh geboren. Sein Alter wird auf 18—19 Jahre geschützt. In seiner Familie ist
A
(429)
kein ähnlicher Fall vorgekommen. Er ist das zweite Kind seiner Eltern; die etwas
ültere Schwester und zwei jüngere Söhne, die inzwischen gestorben sind, waren
8anz normal gebildet. Er wurde in Kopflage geboren, wührend die Arme des
I"mplantirien Kindes seinen Nacken umfassten !).
Gegenwürtig ist Laloo ziemlich erwachsen. Er ist ein intelligenter, frischer
Und munterer Bursche. Sein im Ganzen magerer Kórper hat eine Hohe von 5 Fuss
2 Zoll engl. und ist überall proportionirt. In der Oberbauchgegend sitzt ein sehr
Sonderbares Gebilde, das in den Ankündigungen als ein weiblicher Körper be-
Zeichnet wird. Dies ist nun freilich ein Irrthum: wie wir alsbald sehen werden,
kann kein Zweifel darüber sein, dass der angehüngte Kórper gleichfalls ein. mánn-
licher ist. Aber es ist nur ein Fragment eines solchen, ohne Kopf, Hals und
Rumpf, also das gerade Gegenstück cines Torso. Wenigstens ist üusserlich nichts
Yon dem angehängten Körper zu sehen, als die oberen und unteren Extremitäten
mit den nächst angrenzenden Theilen der Brust- und Beckengegend. Es handelt
Sich also um die äussere Implantation eines in seinen Haupttheilen
defekten parasitären Zwillings.
In der gewöhnlichen Stellung hängen die Oberextremitäten schlaff herab neben
der grösseren und strafferen Masse der Unterextremitäten, welche in den Hüften
"hd Knien stark gebogen und steif sind. Dabei ist die Befestigung der Ober-
*Xiremitüten eine so lose, dass sie ohne Schwierigkeit nach rechts oder nach links
on der Masse der Unterextremititen gelegt oder auch nach oben erhoben werden
de en. Wenn letzteres geschieht, so sieht man deutlich, dass die Vorderseite
" Implantirten Körpers der Vorderseite von Laloo zugewendet ist, oder, anders
“gedrückt, dass beide Körper mit ihrer Vorderseite an einander befestigt sind.
de Dem entsprechend bemerkt man an der Haut, die zwischen beiden Schultern
den Implantirten Körpers ausgespannt ist, zwei kleine Brustwarzen und über
Kr Unterextremitäten eine grössere, kuglige Hervorragung, welche der Gesäss- und
Nagy am des Parasiten angehört. Die Nates sind voll und zeigen links starke
M en, welche durch eine Verbrennung mittelst einer Paraffin-Lampe entstanden
"m sollen. Unter den Nates sieht man an der Stelle des geschlossenen Anus
vor, rôthliche, glatte Stelle, nach Art einer Narbe, und von da zieht sich nach
ky n eme nahtähnliche Linie hin. Am vorderen und unteren Umfange der Becken-
ud sitzt ein kleiner perforirter Penis inmitten einer, mit langem schwarzem
Pon; bedeckten Stelle, die sich ziemlich weit nach rückwärts fortzieht. Hinter dem
scheid eine leichte Vorwolbung, dem Scrotum entsprechend, jedoch ohne unter-
Sich baren Inhalt, wie denn überhaupt bei tieferem Andrücken der Hintergrund
Weich anfühlt. Keine Spur einer sonstigen Oeffnung.
Aus Die verhältnissmässig langen Oberextremitäten sind bis zu den Fingerspitzen
der D ildet, aber sehr mager und mit allerlei Abnormitäten versehen. Rechts fehlt
der D men und das Handgelenk ist gebogen; links ist die Hand verkrümmt und
"Ana gegen die Hohlhand gewendet, Die Unterextremitäten haben, wie schon
Stai, noch viel stürkere Abweichungen erlitten. Der rechte Fuss hai die
rij 0g eines Talipes varus und besitzt nur 3 Zehen. Der linke ist weniger ver-
Sing und vollkommen entwickelt. Sowohl die Ober- als die Unterschenkel
gan; A und atrophisch, die letzteren auch verkürzt und ihre Muskulatur fast
D efekt. Die Knien stark gebogen und anchylotisch; die Haut der Kniekehle
eai), DT Fithrer hat eine ganz gut geschriebene Erklärung bei sich: An interesting
Leicestoy y © marvellous Indian boy Laloo, brought to this country by M. D. Fraeis.
* Vgl. auch British Med. Journ. 1888. No. 1417.
(430)
gespannt und in einer Falte, fast wie eine Scheide, vortretend. Die Patella sehr
klein. Auch die Hüftgegend ist flektirt und steif.
In der Oberbauchgegend geht die Haut von Laloo ohne Grenze in die Haut
des Parasiten über. Der Nabel des ersteren liegt unter der Vereinigung; er ist
flach, ganz straff und von einem gewöhnlichen Nabel recht verschieden. Von
ihm bis zum Schwertfortsatz des Brustbeins von Laloo reicht die Vereinigung-
Die Verhältnisse am oberen Umfange derselben sind schwer zu bestimmen: man
fühlt an dem Brustbein von Laloo ein breit herabsteigendes Knochenstück, schein-
bar einen vergrösserten Schwertfortsatz, aber bei tieferem Eindrücken kommt man
dahinter auf einen zweiten flachen Knochen, der nach oben hin unter dem ersteren
verschwindet. Darnach könnte es fast scheinen, als ob der grössere äussere
Knochen dem Parasiten angehört.
Alle äusseren Theile des letzteren sind bewegungslos; der Wille von Laloo
hat keinen anderen Einfluss auf sie, als dass sie, wie fremde Körper, hin und her
geschoben werden können. Dagegen hat die Haut überall Gefühl. Bei Ent-
blössung röthen sich diese Theile sehr schnell, sie werden bläulich und erkalten
alsbald, weshalb sie in der Regel bedeckt getragen werden. Zu diesem Zwecke
ist eine besondere Kleidung (Schuhe und Strümpfe, Hosen und Aermeljacke) für
den Parasiten angeschafft, in welcher derselbe wie eine grosse Puppe aussieht.
Die einzige selbständige Thätigkeit des Parasiten äussert sich im Harn lassen,
welches ohne deutliche Empfindung von Seite Laloo’s erfolgt, meist jedoch mehr
tropfenweise, in Form eines Stillicidium. Daraus scheint hervorzugehen, dass der
Parasit eigene Nieren und vielleicht eigene Blase hat.
Von sonstigen inneren Theilen lässt sich nur mit Wahrscheinlichkeit die
Existenz eines Darmstückes vermuthen. Man fühlt in der Gegend oberhalb der
Genitalien einen Inhalt, und zwar in einer Gegend, die gelegentlich etwas an-
schwillt, so dass Laloo um dieselbe eine Art von*Bruchband anlegt, um das Ein-
treten von Därmen aus der gemeinsamen Bauchhöhle zu verhindern. Denn man
muss sich die Einrichtung der letzteren wohl so vorstellen, wie sie in einem Prä-
parat der Sammlung des Pathologischen Instituts (Nr. 6065), das ich vorzeige, be-
steht.
Dieses Präparat, von einem Neugebornen stammend, ist seiner Zeit unter der
Leitung von Rudolphi durch Joannes Wirtensohn (Duorum monstrorum dupli-
cium humanorum descriptio anatomica. Specimen inaugurale. Berol. 1825) sehr
sorgfältig beschrieben worden, und da es üusserlich (Tab. I) unserem Laloo in
höchstem Maasse ähnlich ist», so wird man wohl annehmen dürfen, dass auch die
inneren Verhältnisse im Grossen übereinstimmen. Freilich hat in diesem Falle
der Parasit ein Rectum mit einem offenen Anus, aber die Bauchhóhle war gemein-
sam and die beiderseitigen Dünndürme, an welche sich weiterhin je ein Coecum
mit Proc. vermiformis anschloss, vereinigten sich zu einem Divertikel, welches dem
Nabel ansass (Tab. IL Fig. 3). So ungefähr, jedoch weniger ausgebildet, dürften
auch die Verhältnisse bei Laloo’s Parasiten sein.
Ich erwähne kurz, dass in dem Falle von Wirtensohn 2 Lebern, 3 Nieren
(2 einfache und eine verschmolzene) und ebenso 3 Nebennieren, sowie 3 Lungen
vorhanden waren. Von besonderem Interesse ist aber die Einrichtung des Gefäss-
systems: das Herz war nicht bloss einfach, sondern auch einkammerig, selbst
das Septum atriorum fehlte (Tab. IT. Fig, 2); dagegen hatte das linke Atrium 3 Herz-
1) Ein anderer ähnlicher Fall ist in einer Dissertation von Bergholtz (Taf. I) ab-
gehandelt.
(431)
Ohren. Von dem Arcus aortae entsprang eine ungewöhnlich grosse Subclavia
Drustra, aus dieser eine Mammaria interna, welche bis zu dem Schulterblatte des
Parasiten fortging und die Aorta desselben darstellt. Letztere gab zunächst 2 Arterien
für die Arme, sodann Aeste für die Nebenniere und den Dünndarm, dann eine
À. mesaraica und 4 Aa. renales, dann eine À. epigastrica und die beiden Aa. iliacae,
Welche wiederum je einc A hypogastrica und eine À. cruralis lieferten. Hunc igitur
MM modum ex arteriae majoris corporis subclaviae sinistrae ramo, mammariae in-
lernae respondente, totum exoritur corporis accessorii systema arteriarum (Wirten-
Sohn p. 15). Der Parasit gehort also zu der sonderbaren Gruppe der sogenannten
Acardiaci, der Herzlosen, und zwar zu der Unterabtheilung der Acephali, der
Kopflosen, nur dass er nicht, wie diese, seine Gefásse aus dem Nabelstrang, son-
de M direkt aus einem an sich regelmüssigen Ast des Kórperarteriensystems be-
%eht. Unter der grossen Zahl der Doppelmissbildungen nimmt er eine noch viel
Mehr hervorragende Stellung ein, als die neulich besprochenen Xiphodymen.
Der Name Heteradelphus ist 1826 von Geoffroy-St. Hilaire dem Vater auf-
SCstellt worden (Isidore G. St. Hilaire, Hist. des anomalies de l'organisation chez
l'homme et les animaux. Paris 1836. T. III. p. 215). Ich ziehe denselben der
y deren Bezeichnung Dipygus parasitieus (Fr. Ahlfeld, Die Missbildungen des
lenschen. I. Abschn. Leipzig 1880. S. 95) nicht bloss aus historischen Gründen
2 Sondern auch deshalb, weil die neue Bezeichnung hóchst unvollkommen den
Ustand ausdrückt, der uns in solchen Füllen, wie der von Laloo, entgegentritt.
(28 Eingegangene Schriften.
L Turner, W., On the Placentation of the Lemurs. London 1876, (Extr. Phil.
2 Trans. Royal Soc.)
+ Derselbe, On the Placentation of the Apes. London 1878. (Extr. Phil. Trans.
3 Royal Soc.) :
. Derselbe, The comparative osteology of races of men comprising paris XXIX
and XLVII of the zoological series of reports of the scientific results of
4 ihe voyage of H. M. S. Challenger. Edinburgh 1884—1886.
' Derselbe, Address to the anthropological section of the British Association.
5 London 1889.
. Derselbe, The convolutions of the brain. London 1890. (Extr. Jour. of anat.
6 and phys.)
+ Derselbe, The cell theory, past and present. Edinburgh 1890. (Extr. Jour.
7 anat. and phys.)
: Derselbe, On variability in human structure. (Extr. Jour. of anat and phys.
à vol. XXL)
D Derselbe, Comparison of the convolutions of the seals and walrus with those
9 of the carnivora. (Extr. Jour. of anat. and phys. vol. XXII)
Derselbe, Two masks and a skull from islands near New Guinea. (Extr. Jour.
of anat. and phys. vol. XIV.)
10. à Nr. 1-9 Gesch. d. Verf. .
© Baye, J, Note sur des épées trouvées en Suède et en Norwège. Caen
11, 8 1890. (Exir. Bull. Mon.) Gesch. d. Verf.
Zombathy, J., Die Tumuli von Gemeinlebarn. Ausgegraben von A. Dungel.
12, g Wien 1890. (Sep.-Abdr. Mitth. prihist. Comm.) Gesch. d. Verf.
Schellhas, P. Vergleichende Studien auf dem Felde der Maya-Alterthiimer.
Leiden 1890. (Sep.-Abdr. Internat. Archiv) Gesch. d. Verf.
C
13. Milehhoefer, A., Die Anfünge der Kunst in Griechenland. Leipzig 1883.
Gesch. d. Verf.
14. Hamy, E. T., Anthropologie du Mexique. I. 2. Paris 1890. Fol (Miss
scient. au Mexique.) Gesch. d. Verf.
15. Heger, EF. Reisen im Kaukasus, in Transcaspien und Russisch-Turkestan-
(Juni bis October 1890.) Theilnahme am VIII. russischen Archäologen-
Congress: in Moskau. Besuch von St. Petersburg. Wien 1890. (Sep.
Abdr. Ann. k. k. Naturhist. Hofmus.)
l6. Derselbe, Der achte russische Archüologen-Congress in Moskau 1890. Der
achte Congress russischer Naturforscher und Aerzte in St. Petersburg 1890.
Wien 1892. (Sep.-Abdr. Mitth. Anthrop. Ges.)
Nr. 15 und 16 Gesch. d. Verf.
17. Petriceicu-Hasdeu, B., Etymologicum magnum Romanae. Dictionarul
limbei istorice si poporane a Românilor, Tom I. fasc. 1—4. Bucuresci
1885— 1887. gr. 8*.
18. Derselbe, Etymologicum magnum Romaniae. Dictionarul limbei istorice si
poporane a Románilot, Tom IL, fase. 1—3. Bucuresci 1890. gr. 8°,
Nr. 17 und 18 Gesch. v. d. rumän. Acad.
19. Ernst, A, Venezuelanische Thongefässe und Thonfiguren. Leiden 1890.
(Sep.-Abdr. Archiv f. Ethn.) Gesch. d. Verf.
20. Culin, St., The Phing or ,Patriotic Rising“. (Sep.-Abdr. Rep. Proc. Numism-
Antiq. Soc. of Philad. 1887—1889.) Chinese secret societies in the U. S.
(Sep.-Abdr. Journal Americ. Folk-lore, Feb.-March 1890.) Customs of
Chinese in America. (Sep.-Abdr. Journal Americ. Folk-lore, Juli-Sept-
1890.) Philad. 1887—1890. Gesch. d. Verf.
21. Boas, F., Physical characteristics of the Indians of the North Pacific coast.
(Sep.-Abdr. Americ. Anthrop., Jan. 1891.) Gesch. d. Verf.
22. Treichel, A., Handwerks-Ansprachen. Kénigsberg i. Pr. 1890. (Sep.-Abdr.
Altpr. Monatsschr.)
23. Derselbe. Recension über ,Was auf mürkischer Haide spriesst“, von E.
Handtmann.
Nr. 22 und 23 Gesch. d. Verf.
24. Holm, G., Bidrag til Kjendskabet om Eskimoernes Herkomst. Kjöbenhavn
1891. (Sep.-Abdr. Geogr. Tidskr. Gesch. d. Verf.
25. Powell, J. W., Report, Annual, of the U. S. geological survey to the secre-
tary of the interior 1887/88. Washington 1890. Gesch. der Smiths, Inst.
26. Tit Bits, Chinese. Shanghai. Gesch. v. Hrn. Mies.
27. Stokvis, B. J., Ueber vergleichende Rassenpathologie. Berlin 1890, (Sep-
Abdr. Verhandl. d. X, internat. med. Congr.) Gesch. v. Hın. R. Virchow-
28. Orsi, P., Urne funebri cretesi dipinte nello stile di Micene. Roma 1890-
(Estr. Mon. ant.) Gesch. d. Verf.
2). v. Radimsky und Szombathy, J., Urgeschichtliche Forschungen der Um-
gegend von Wies in Miitel-Steiermark. Wien 1891. (U. u. III. Bericht
Grabungen Jahre 1881— 1883. IV. Sehlussbemerkungen.) Gesch. d. Verf.
30. Ploss, H., Das Weib in der Natur- und Völkerkunde. Dritte Aufl. Horaus-
gegeben von M. Bartels. Leipzig 1891. Gesch. d. Herausg.
3l. Staudinger, P., Im Herzen der Haussalánder. Berlin 1889, Gesch. q. Verf.
32. Terry, J., Sculptured anthropoid ape heads. New York 1891. Gesch. d. Verf.
93. Borsari, F., Einologia Italica. Napoli 1891. Gesch. v. Verf,
432)
Sitzung vom 30. Mai 1891.
Vorsitzender Hr. Virchow.
® (1) Wiederum ist die Gesellschaft durch mehrere sehr bedauernswerthe Todes-
le betroffen worden. Es starben das correspondirende Mitglied Richard Schom-
n. Sk zu Adelaide, 80 Jahre alt, seit 1865 Leiter des botanischen Gartens der
i églerung, am 24. März, ferner das ordentliche Mitglied. Amtsgerichtsrath Niendorf
1 Berlin und das lebenslüngliche Mitglied L. Sokolowski zu Wreschen.
Ki (2) Am 20. April starb in seinem 64. Lebensjahre Prof. Dr. Handelmann in
U seit 1866 Konservator der schleswig-holsteinschen Alterthümer, einer unserer
7 hen Mitarbeiter. 18 Jahre hat er die Direktion des archäologischen Museums
K Kiel geführt. Zahlreiche Arbeiten geben Zeugniss von seiner ausgedehnten
enntniss der historischen und prähistorischen Thatsachen seiner Provinz.
d (8) Hr. Dr. Tischler in Känigsberg ist leider von Neuem so schwer erkrankt,
m ‚er die Geschäfte der diesjährigen Generalversammlung zu Königsberg nicht
va leiten im Stande ist. Da auch Dr. Bujack, der Direktor des Prussia-Museums,
G T" Kurzem verstorben ist, so hat der Vorstand der deutschen anthropologischen
a, ellschaft dem Wunsche des Hrn. Tischler, für diesmal von der Abhaltung
ent Generalversammlung in Kónigsberg Abstand zu nehmen, nachgegeben und sich
a Sehlossen, die freundliche Einladung der naiurforschenden Gesellschaft in Danzig
De nehmen und die Generalversammlung nach Danzig einzuberufen.
*' Entwurf des Programms wird vorgelegt.
V (4) Der stellvertretende Vorsitzende Hr. Beyrich hat am 18. Mai in grosser
re borgenheit sein 50 jühriges Dienstjubilàum begangen. Da er sich alle Ovationen
cle hatte, so widmet ihm der Vorsitzende nunmehr theilnehmende Worte
énder Anerkennung und herzlichsten Dankes für seine treuen und langen Dienste.
se) Hr. Bastian ist glücklich von seiner langen und beschwerlichen For-
de Ungsreise zurückgekehrt, wünscht sich aber vorläufig noch der Theilnahme an
1 Geschüften der Gesellschaft zu enthalten.
Yo (6) Hr. F.J agor berichtet in einem Briefe an den Vorsitzenden aus Rangun
"n 16. April über den ferneren Verlauf seiner Reise und über zahlreiche wissen-
aftliche Ankniipfungen mit Gelebrten in Indien.
Bem 9 Als neues Mitglied wird Hr. Schriftsteller Paul Hirschfeld zu Berlin an-
Cldet,
Wi (8) Als Gäste sind in der Sitzung anwesend die Herren Dr. Bardaz aus
*n und Dr. Chantre von Paris.
Verhandl. der Berl. Anthropol. Gesellschaft 1891.
98
(434)
(9) Seine Majestät der Kaiser hat mittelst Allerhöchsten Erlasses vom
13. April die Mitglieder der Sachverstündigen-Commissionen für die Kônigl-
Museen für die Periode bis zum 31. Mürz 1894 zu ernennen geruht. Darnach
besteht:
' die Commission für die ethnologische Abtheilung des Museums für Völker-
kunde aus, den Herren Bastian, R. Virchow, F. Jagor, W. Reiss und
Freiherr von Richthofen als Mitgliedern, Wetzstein, R. Hartmann,
M. Bartels, W. Joest und K. Künne als Stellvertretern;
? die Commission für die vorgeschichtliche Abtheilung desselben Museums
aus den Herren Voss, R. Virchow und W. Schwartz als Mitgliedern,
M. Bartels, v. Kaufmann und A. v. Heyden als Stellvertretern.
(10) Es stehen folgende Congresse und Jahresversammlungen in Aus-
sicht:
1) der Société helvétique des sciences naturelles zwischen 19. bis
21. August zu Freiburg.
2) der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Aerzte zu Halle
mit einer anthropologisch-ethnologischen Section am 21.—95. September.
9) des IL internationalen Congressos für Folk-Lore am 1.—7. October
in London.
(11) Die Kaiserliche Gesellschaft der Freunde der Naturwissen-
schaften, der Anthropologie und Ethnographie zu Moskau hat am
22. September 1890 eine neue Section für Geographie unter Vorsitz des Prof.
Dr. Anutschin gebildet und bittet um gegenseitigen Austausch der Gesellschafts-
schriften.
(12) Die spanische Regierung beabsichtigt, zu der 400 jährigen Jubel-
feier von Columbus eine Ausstellung in Madrid von allen Gegenständen zu
veranstalten, welche geeignet sind, die verschiedenen Entwickelungsphasen des
amerikanischen Volkes seit Entdeckung des neuen Continents zur Anschauung zu
bringen. Seitens des spanischen Botschafters Conde de Banuelos ist zur Förde-
rung dieser Angelegenheit in Berlin ein Comite niedergesetzt worden, dessen Prä-
sident der Botschafter selbst, dessen Vicepräsident Hr. Virchow ist.
(13) Das Kaiserl hydrographische Amt hat mit Schreiben vom 1. Mai
ein Exemplar des Werkes über die Forschungsreise S. M. S. Gazelle als
Geschenk der Gesellschaft übersendet, dessen anthropologischen Theil Hr. R. Hart-
mann bearbeitet hat.
Der Vorsitzende spricht dafür den Dank der Gesellschaft aus.
(14) Seitens des Hrn. Unterrichtsministers sind mehrere Berichte über
neuere Alterthumsfunde für die Nachrichten eingegangen. Der neue Hr, Unter-
richtsminister bringt der anthropologischen Wissenschaft grosses Interesse entgegen-
(15) Fräulein F. Lemke berichtet aus Rombitten, 1. Mai über
die ostpreussischen Lippowaner.
Nachstehendes entnehme ich der Mohrunger Kreis-Zeitung (zugleich Amtliches
Kreisblatt) Nr. 48, vom 23. April d, J. „In einer Waldblósse der Johannisburger
(435)
Forst, einer der bedeutendsten Waldungen des preussischen Staates, liegen zwei
?nsehnliehe Dörfer, welche sich von den sehr ärmlichen Dörfern Masurens vor-
theilhaft unterscheiden. Auch die Bewohner dieser Dörfer unterscheiden sich
Wesentlich von den meist kleinen, unansehnlichen und dem Trunke ergebenen
Masuren. Es sind dies die sogenannten Filipponen oder Lippowaner. Woher ihr
Name kommt, ist mit Sicherheit nicht anzugeben. Ihrer Abstammung nach sind
Sie Russen, ihrer Religion nach Raskolniken (raskolniki = Abtriinnige, Ketzer, von
lasko] = Kirchenspaltung) der griechisch-orthodoxen Kirche Russlands. Wahrschein-
lich ist, dass dio Lippowaner Ende des 18. Jahrhunderis aus Russland vertrieben
Worden sind und dass ein Theil derselben hier eine Colonie gegründet hat. Die
Filibponen scheeren weder Haupít- noch Barthaar; sie geniessen nur gewisse Speisen,
?uch ist ihnen der Genuss von Branntwein und Wein untersagt. Sie bewahren,
Vas sich schon durch Beibehaltung der altherkómmlichen Tracht verráth, eine
Strenge Zurückgezogenheit. Sie zeichnen sich vor den Masuren durch Fleiss und
Ordnungsliebe aus, sind aber z. Th. sehr fanatisch und abergläubisch und hegen
30 Grund. missverstandener Bibelstellen eine grosse Verachtung gegen das irdische
Leben, was viele Selbstmorde zur Folge hat. Schlank, stattlich, dunkelbàrtig, mit
légelmässigen, oft sogar schônen Gesichtszügen, gehen die Lippowaner langsam,
Würdevoll einher. Sie tragen fast gleichmässig einen langen blauen Rock und
dne Spitze graue Mütze, welche ihre hohen Gestalten noch grösser erscheinen
lässt, Sie zeigen ausserordentliche Energie, Andersgläubige zum Uebertritt zu
Ihrem Glauben zu bewegen. Der Uebertretende wird aber vorher vielen und z. Th.
“hweren Prüfungen unterworfen. Im Uebrigen ist das innere Wesen dieser höchst
u rkwürdigen Sekte zum grossen Theile unbekannt, da sie Andersgläubigen den
Zutri zu ihren Andachten nicht gestatten. Ihre Religionsvorschriften sind meist
Seschriehen. <
(16) Fräulein E. Lemke berichtet aus Rombitten, 1. Mai, über
Bandweben in Ostpreussen.
Die mehrfach in diesen Verhandlungen erwähnten Geräthschaften zum Band-
Weben iraf ich auch im Kreise Neidenburg, Ostpreussen, an. Das Webebrett, in
a Chem die Aufzug-Fäden abwechselnd durch lange schmale Einschnitte und
ph kleine runde Löcher geführt sind, heisst daselbst „Leiterchen“ oder »drapka".
"i Einschlag-Faden befindet sich auf dem ,Schiffchen“ oder »kliszka*. Die
po Zug. Bid en sind auf den „Stock“ oder „ky“ gewickelt, der beim Weben am
or ter befestigt wird. Ein abwechselndes Heben und Senken des Webebrettes
Möglicht verschiedene Lage der Aufzug-Füden, deren Zahl bei dem „Band“ oder
hogy gewöhnlich 16 beträgt. Zuweilen sind die Geräthschaften zierlich ge-
“hong, z. B. das Webebrett durch eingeschnittene Figuren, etwa Herz und Stern.
Mitt (17) Hr. Ernst H. L. Krause in Kiel berichtigt unter dem 23, April eine frühere
heilung über die
Weihnachtsbäume.
den ein Vater macht mich darauf aufmerksam, dass in meiner Mittheilung, beir.
baux elhnachtsbaum (Verhandl. 1890. S. 606) ein Irrthum steckt. Der Martini
on nicht nach Göttingen, sondern nach Ilfeld (1837—1841) also nac
en.
98*
(4. 7)
(18) Hr. F. Blumentritt übersendet aus Leitmeritz (Böhmen), 14. Mai, fol-
gende Notizen über
Eingeborne der Philippinen.
1) Die Atas von Süd-Luzon.
Den Namen Ata führen meist Negritos; in den Provinzen Camarines Norte,
Camarines Sur und Albay hat er aber die Bedeutung von „Wilde“ angenomm€eN;
denn er wird auf alle Bergstämme ohne Rücksicht auf deren Rassenzugehörigkeit
angewendet Insbesondere nennt man so: 1) die aus einer Kreuzung der Bicols
mit Negritos entstandenen und mehr zu den letzteren, als zu den ersteren, gehörigen
Heiden der Provinz Camarines Sur; 2) jene Negritos, welche in der Nähe der
warmen Quellen von Tivi in der Provinz Albay hausen. Auch diese Negritos
sind kein Vollblut, sondern mit Bicols gekreuzt, wie sich dies schon aus ihrem
kräftigeren Körperbau und dem minder wolligen oder gekräuselten Haare ergiebt-
Während alle übrigen Negritos entweder ausschliesslich oder vorwiegend von der
Jagd leben, bildet bei den Atas von Tivi die Jagd nur einen Nebenerwerb, da sie
hauptsächlich von dem Ertrage ihrer Felder leben; bemerkenswerth ist, dass sie
auch Cacao bauen, also eine Frucht, welche einer besonderen Pflege bedarf.
2) Ilocanischer Hochzeitsbrauch.
Die Eltern der Brauileute oder vielmehr deren respective Väter stellen den
Ehevertrag zusammen; es kommt nicht selten vor, dass erst kurz vor der Trauung
die Brautleute sich kennen lernen. Die Verlobung — Patiam in ihrer Sprache —
wird öffentlich bekannt gemacht und der Tag der kirchlichen Trauung (denn die
Ilocanen sind, wie alle Küstenbewohner der Insel Luzón, Katholiken) angesetzt.
Reich und Arm eilt nun herbei, um den Brautleuten Glück zu wünschen, wobe!
jedes ein Geldgeschenk mitbringt. Diese Gabe soll nicht nur als Entschädi-
gung für die Bewirthung des Gratulanten, sondern auch als Ersatz für die
Kosten des splendiden Hochzeitsfestes dienen, welche der Vater des Bräutigams
aus seiner Tasche zu begleichen hat. Jede Gabe wird in eine Liste eingetrage”
und diese bei der Hochzeitstafel öffentlich verlesen. Von der Kirche bewegt sich
unter dem feierlichen Geläute der Glocken ünd den Klüngen'einer Musikkapelle
der Brautzug in das Haus, welches die Neuvermählten bewohnen sollen. Hier
nehmen die Elternpaare Braut und Bräutigam bei der Hand und führen sie zu
einem Hausaltar, vor welchem unter Musikbegleitung das Te Deum laudamus$
gesungen wird, worauf die jungen Eheleute ihren Eltern, den greisen und vor-
nehmsten Güsten die Hand küsssen. Das Ehepaar seizt sich vor dem Altare nieder
und während die älteren Gäste die Mutter der jungen Frau, besonders durch Dar-
reichen von Reiswein (Basi) zu trósten suchen, tanzt die Jugend den philippini-
schen Nationaltanz Cundiman, wobei ein Paar das andere ablôst. Meist pflegt
ein alter Mann eine (spanische) Guitarre zu nehmen und singt dann Volkslieder,
wobei das Brautpaar und die Gäste mitsingen. Mit einer grossen Schmausere!
nimmt das Fest ein Ende. —
(19) Hr. Otto Hertz hat dem Vorsitzenden aus St. P etersburg unter dem
90. April folgenden Brief übersendet, betreffend
Schádelmessungen an Tungusen.
„Leider konnte ich nur wenige Messungen vornehmen, da sich die Tungusen
stets sträubten, solche Manipulationen mit sich machen zu lassen, daher nur dies®
geringe Anzahl.
136
(437)
Etwa 1500 Werst nordwestlich von Jakutsk, unmittelbar am Ufer des Vilui,
traf ich die ersten Tungusen-Jurten und zieht sich das Gebiet dieser Vilui-Tungusen
Roch 1200 Werst westlich und 1600 Werst nördlich dahin. Südlich vom Vilui
Sind seltener Nomaden anzutreffen. Die Flusslänge des Vilui schätze ich auf
2800 Werst. Die Anzahl der im Kreise Viluisk, Gouvernement Jakutsk, befindlichen
Tungusen kann auf 10—12 000 geschätzt werden und halten sie sich von den auf
58 000 geschützten Jakuten ganz separirt. Weiterhin am ochotskischen Meer traf
Ich auf andere Tungusenstämme, welche mir von den Vilui-Tungusen verschieden
Schienen. Während ich die letzteren für tatarisch-mongolischen Ursprunges halte,
Sind die Tungusen am ochotskischen Meere sicher reine Mongolen.
. Die nachstehenden Messungen beziehen sich auf die oben bezeichneten nomadi-
“renden Tungusen auf dem linken Ufer des Vilui:
Alter Schädel- Schädel- |, Gesichts-
- Geschlecht J ahr en umfang wölbung länge
Yow, LL. 29 590 330 165
Won, = SE 28 580 300 160
au LL 1111120 26 | 5 310 150
Pow 0 0,20... 15 510 295 165
Rube LL. 15 535 310 140
Mdhen 1111112 20 19 555 295 145
Mann. ... | æ 545 995 160
Mann, 2... ] 89 565 310 180
Tingling 2... ! 18 550 285 160
Many, s 25 565 210 150
Many, s 30 510 295 160
Way LL 11226 60 570 280 160
Yan Ne 22 560 290 155
Mann | ls 26 570 290 185
fray MM 30 565 265 150
Tingling Co 16 540 265 160
Mádehen Ce 11 580 285 155
Knabe | ua 8 530 265 130
Fue MEN 3% 500 280 110
Yan Aa 37 575 295 165
Mädchen 7 En 16 540 300 140
Sua, CL 9 880 215 150
Mädchen EMEN 13 525 270 130
Knabe ma 15 580 260 150
re 02.2... a0 280 155
Taw Ty 550 295 150
Pag 520257050 017777 50 545 265 160
am 50 s 65 590 800 110
Yang 7 ss 49 580 290 175
Wong | / 40 585 300 180
(438)
(20) Freih. R. von Stoltzenberg schickt unter dem 11. Mai aus Luttmersen
bei Neustadt, Hannover, folgende Mittheilung:
Die Wiederauffindung des Römercastelles (Munitium) im Lande der Chauken.
Schliemann ist todt, er hat als archäologisch-historischer Forscher den
deutschen Namen zu hohen Ehren gebracht. Die Geheimnisse und Schätze, die er
der Erde entrissen, haben die Welt staunen gemacht über die scharfsinnige Com-
bination dieses Forschers. Im Auslande sind wir Deutschen gross, im eigenen
Vaierlande sind wir als Forscher klein Was unser Boden birgt, das wissen wir
nicht, da Bücher lesende und Bücher schreibende Schriftsteller und Gelehrte mit
ihren Hypothesen und Combinationen unseren historischen Horizont so verfinstert
haben, dass wir die einfachsten und klarsten Dinge in ihrer wirklichen Gestalt
nicht mehr zu erkennen vermögen. Die römisch-germanische Geschichte in Nord-
westdeutschland, soweit wir dieselbe aus den Spuren erkennen können, welche die
römischen Heere und die römische Herrschaft dort zurückgelassen, liegt in einer
Weise im Argen, die der deutschen Forschung auf vaterländischem Boden keine
Ruhmessäulen setzen lässt. Zu Ende der sechziger Jahre hat ein klar denkender
genialer Forscher mit Ausdauer und Fleiss, mit Grabscheit, mit Zeichenstift und
Maassstab begonnen, auf diesem Gebiete ein Werk zu schaffen, das er leider nicht
vollenden sollte. Das Schlachtfeld von Wörth, auf dem die wiedererstandene ger-
manische Kraft dem gallischen Romanismus die erste tiefe Wunde schlug, sollte
ihn unter seine Todten zühlen. Dem dort gefallenen Hauptmann Hólzermann
verdanken wir die erste systematische Klarlegung der ungeschriebenen Blätter aus
dem rómisch-germanischen Kriege Nordwestdeuischlands; seine Arbeit und sein
Schaffen ist bahnbrechend gewesen fiir die Kenntniss der Heerzüge des Drusus
und Germanicus im Lande der alten Brukterer, dem Thale der Lippe entlang.
Die Absicht Hólzermann's, die Forschungen im Gebiete der Ems und Haase
im Lande der alten Chauken fortzusetzen, wurde durch den Krieg von 1870
unterbrochen. Seine Arbeiten, die der historische Verein für Münster und
Westfalen mit Staatsbeihülfe herausgegeben hat, hat man versucht anzugreifen
und in ihrer thatsichlichen Bedeutung herunterzusetzen. Dass einzelne neben-
sächliche Auffassungen Hölzermann’s sich durch spätere Forschungen als
nicht berechtigt erwiesen haben, ist bei dem grossen Werthe seiner Arbeiten
ganz ohne Bedeutung; die weitere Forschung und die eigene Herausgabe seiner
Arbeiten würden ihn selbst zu dieser Einsicht geführt haben. Er steht als For-
scher auf dem Gebiete der römisch-germanischen Feldzüge unerreicht da, weil er
nicht mit den römischen und griechischen Geschichtsquellen in der Hand die nord-
westdeutschen Gauen durchzog, um neue historische Probleme aufzustellen, sondern
sich als Forscher damit begnügte, das, was Spaten, Hammer und Kelle zu kriege-
rischen Zwecken einst geschaffen, in seinen jetzt noch vorhandenen Resten fest-
zulegen und von diesen Grundlagen aus Verständniss für die geschriebenen Quellen
zu gewinnen.
Von diesem Boden der Forschung den Haasa- und Emsgau, das Land an der
Hunte bis zur Weser, das einst von dem Volke der Chauken besiedelt war, in
gleicher Weise zu untersuchen, wie es Hólzermann mit dem Landstrich an der
Lippe gelungen war, das war eine hochinteressante Aufgabe, um so mehr, da
die bedeutenden Forschungen des Kammerherrn von Alten auf oldenburgischem
Gebiete gezeigt hatten, wie im Chaukenlande auf Schritt und Tritt kennbare
Spuren der Rómer vorhanden sind. 50 Jahre war das Land der Chauken und
Friesen römische Provinz gewesen. Die Periode der deutschen Erhebung unter
(439)
qnin hatte das Chaukenvolk und seine von römischen Bollwerken beschützten
ders n unberührt gelassen, und als die Rómer in der Mitte des ersten Jahrhun-
mu 0 he Legionen aus Nieder-Germanien, den Gebieten am rechten Rheinufer,
da s bericfen, um der damals gefürchteten Erhebung der Völker zuvorzukommen,
sen ieben diese Lande noch Jahrhunderte hindurch in einer Art von Bundes-
a CEpältniss und im engen Wechselverkehr mit Rom, wovon die massen-
A Münzfunde aus der späteren Kaiserzeit, die fortwährend in diesen Gegenden
ee werden, Zeugniss ablegen. Hier ist also ein Gebiet, auf dem dic ge-
ichtliche Forschung noch reiche Ernten sammeln konnte.
A dieser Ueberzeugung geirieben, kam der Schreiber dieses dazu, vor einem
in de, um beim Landesdirektorium in Hannover vorstellig zu werden, die Arbeiten
der P. Weise, wie sie Hólzermann begonnen, in den westlichen Landestheilen
lasse rovinz Hannover durch geeignete Kräfte aus Provincialmitteln fortführen zu
Übel, Der genialen Einsicht des jetzigen Oberpräsidenten, damaligen Landes-
Bebe ors, Hrn. von Bennigsen ist es zu danken, dass diesem Antrage Folge ge-
fiber, wurde. Dem Vorstande des historischen Vereins fiir Niedersachsen ist es
Yon Fm. diese Aufgabe zur Durchführung zu bringen. Derselbe hat dem General
Ppermann die Special-Aufmessungen übergeben.
I ds D? von Hólzermann angesirebte und von dem Antragsteller weiter vertretene
Zo ant alle Reste von Befestigungen und Heerwegen, die dem römischen
de, ii angehören, festzulegen, hätte ein langsames Vorgehen von der Westgrenze
fem, Tovinz nach Osten zur Folge haben müssen. Man musste diese Reste, inso-
lisse. c dem Zusammenhange nach auf rómischen Ursprung schliessen liessen, in
alte d Gebieten festlegen, um sie von den altgermanischen, frünkischen und mittel-
lichen Erd- und Befestigungswerken zu trennen.
bere. Erforschung des einschneidenden Oldenburger Gebietes, soweit dies nicht
sche v lon Oldenburgern geschehen, war eine zweite Frage. Leider hat der histori-
Neigy erein für Niedersachsen für ein derartiges systematisches Vorgehen keine
alter Be gezeigt. Die von General von Oppermann durchgeführten Aufnahmen
tinge) efestigungen reichen von der Oker bis zur Ems, dem Wiehengebirge und
einem entlang. Die Forschungen auf diesem Gebiete haben uns nun abermals mit
gun hordwestdeutschen Wehrsystem ‚bereichert. Der Kritik über die Berechti-
in S dieser Ansicht wollen wir hier keinen Raum geben. Der Herr General vertritt
liche Forschung den Standpunkt des Hrn. Prof. Knoke, über dessen vermeint-
Tages ntdeckungen auf dem Gebiete der rômisch-germanischen Kriege bereits zur
Zeige Un übergegangen ist. Mochten über die Richtigkeit dieses Urtheils noch
Run. obwalten, so ist die neueste Entdeckung, dass die Wittekindsburg bei
Sonder wenige Kilometer von Osnabrück, nicht der Stammsitz des H erzogs Wittekind,
Elbe eu Das grösste und stolzeste römische Castrum war, das zwischen Rhein und
Solche, aut ist, dazu geeignet, diesem Zweifel ein Ende zu machen. Nur wenige
Ihnen Festen haben die Römer auf germanischem Boden erbaut. Es fehlte
deren v. Zeit, an Kraft und an Musse, in Germanien Bauwerke aufzuführen, zu
Bungg,, ollendung eine Reihe von Jahren nothwendig war. Alle übrigen Befesti-
Wille xe, denen wir in Nordwestdeutschland begegnen, sind Erdwerke, deren
Macht arch Benutzung von Faschinen fast senkrecht steil erbaut, sturmfrei ge-
von den konnten. Auch das Fort Aliso an der Lippe, das zum erstenmal
lich luus zum zweitenmal von Germanicus erbaut wurde, konnte der nachweis-
Will en Bauzeit wegen nur ein solches Erdwerk sein. Aber die vielen Erd-
Nach oq 0 einst der römische Spaten gegraben, wer kennt ihren Ursprung?
Jahren hat der atmosphürische Staub die Grüben gefülli und die Wälle
(440)
sind. verwaschen durch die Wassermassen, welche die Wolken in den Jahrtausenden
über den Erdboden ausgeschüttet. Bei der Burg zu Rulle endet dieser Streit, wir
haben die Formen, wir haben das Mauerwerk vor uns, wie sie die Castelle am
Rhein in ihren Ausgrabungen uns zeigen und vorführen. Und weshalb hat es sO
lange gedauert, dass dieses römische Castell, das gleichsam unter den Mauern
yon Osnabrück liegt, nicht als solches erkannt ist, zumal, da eine Reihe von
Erdbefestigungen im Lande der Chauken vorhanden ist, die unter denselben Be-
dingungen erbaut, gleiche Formen, gleiche Verhältnisse zeigen? Der wahre Grund
für die Verkennung der Dinge und für die Verkennung des römischen Ursprunges
als solchen ist wohl darin zu suchen, dass wir Rómercastelle und deutsche Volks-
burgen in der innigsten Vereinigung finden. Die Befestigungen der Römer im
Lande der Chauken, die im Süden von den die Rómer hassenden Brukterern und
im Osten von dem müchügen Angrivaren-Stamm begrenzt waren, hatten den mehr-
seitigen Zweck zu erfüllen, nicht allein als Stützpunkte gegen äussere und innere
Feinde zu dienen, sondern auch den chaukischen Bundesgenossen beim Eindringen
übermächtiger Feinde zeitweilig Schutz zu gewähren. Dazu kommt der Umstand,
dass die römischen Legionen die unter den Waffen stehenden jungen Mannschaften
der verbündeten Chauken zwar als Bundesgenossen ansahen, aber sie doch in ab-
gesonderten Befestigungen campiren liessen.
Durch diese Verhältnisse sind die Anlagen der Hauptcastelle, der Vorburgen
und. der äusseren Ringwälle erklärlich, die bei der Wittekindsburg zu Rulle nur
der localen Verhältnisse wegen ganz ähnlich angelegt sind, wie bei der 5 Meilen
nördlich im Haasethale liegenden Wittekindsburg zu Russel, die der Schreiber
im Auftrage des Landesdirektoriums vor 5 Jahren untersucht und deren rümischen
Charakter er schon damals festgestellt hat, der aber trotzdem, dass man in der
Nähe der Feste an verschiedenen Stellen in unserer Zeit 8 rómische Münzen auf-
gesammelt hat, immer noch von gegnerischer Seite geleugnet wird. Die Anhünger
der Wittekinds-Mythen, zu denen auch der Herr General von Oppermann sich
bekannt, haben die Entdeckung der Burg als Rómercastell indirekt veranlasst
indem der Herr Genera] durch die gelungene Áufnahme der Burg, die dem
Schreiber bisher unbekannt geblieben war, in diesem bei dem Anblick sofort die
Ueberzeugung feststellte, dass hier ebenso, wie in der Burg zu Russel, die Reste
eines Römercastelles vorhanden sein müssten. Die zufällige Anwesenheit des
Schreibers in Osnabrück, die freundliche Unterstützung des Herrn General von
Rheinbaben, Commandeur der 38. Brigade, und seines Adjutanten des Hauptmann
von Bärenfels, sowie die Erlaubniss der königlichen Klosterkammer zu Hannover
machten es möglich, im Juni 1889 die ersten Spatenstiche in die Wälle der Witte-
kindsburg zu Rulle zu machen.
Das bisher als Wittekindsburg bezeichnete römische Castell liegt auf einem
Bergvorsprunge, der sich nach Nordosten an das tiefeingeschnittene sumpfige Wiesen-
thal eines kleinen Baches lehnt, der sich in den, fast südliche Richtung haltenden,
von breitem Wiesenthale eingefassten, grösseren Nettebach ergiesst. Wir finden
also das Castell wieder in einer Flussgabelung angelegt. Nach Osten hin lehnt
sich die Befestigung an ein Hóhenplateau. Die Grüben des Kernwerkes und der
östlichen Vorburg sind tief in den Felsen gesprengt; die auf der westlichen Berg-
spitze liegende Vorburg isi, als weniger bedroht, nur von geringeren Wällen um-
geben, ähnlich den Wallungen, welche sich weit nach Südosten ausdehnend, den
grossen Raum der Volksburg umgeben. Das Kernwerk enthält nach General von
Oppermann 7500 gm, die westliche und östliche Vorburg etwa einen Flüchen-
raum von 9000 qm und die Volksburg mit Einschluss der Bergabhünge einige
di
(441)
30 000 qm. Nimmt man nun an, dass da, wo der Nebenbach sich in die
Nette ergiesst, ein Querdamm dieses Bachthal staute, und weiter, dass da, wo
der Wall der Volksburg sich an das Nettethal lehnt, abermals eine Stauung
des Nettebaches den Wiesengrund inundirte, so wird die Lage des Castells eine
ausserordentlich feste. Dass aber cine Abstauung der beiden Bachthüler statt-
gefunden hat, davon sind heute die Spuren noch nicht verwischt. Kunst und
Natur haben daher den Waffenplatz zu einer Feste gemacht, wie die Römer im
Binnenlande der Germanen keine zweite besessen haben. Nach stundenlangem
Graben von 10 Arbeitern war es gelungen, ein sehr gut erhalienes Stück der Wall-
Mauer klar zu legen. Die Anlage der Mauer, die auf das Genaueste nach Loth
Und Richtschnur erbaut und deren Steine mit Kalkmörtel verbunden waren, stellte
die erstaunliche Thatsache fest, dass dies mächtige römische Castell nicht, wie die
übrigen Anlagen im nordwestlichen Deutschland, eine in kürzerer Zeit aufgeworfene
Erdbefestieung sei, sondern dass wir hier eine in solidem Mauerwerk angelegte
Rômerfeste vor uns haben, deren Erbauung eine längere Periode in Anspruch ge-
lommen hat, und deren Entstehung dem entsprechend nicht in eine kriegerische
Periode, sondern in eine längere Friedenszeit gefallen sein muss. — Die Er-
bànunp dieser Feste dürfte in die letzten Jahre der vorchristlichen Zeitrechnung
fallen, Im Jahre 5 vor Christi Geburt, als Tiberius in seinem Vormarsche gegen
die Elbe das Land der Friesen und Chauken durchzog, gelang es ihm, diese beiden
Völkerschaften zu Bundesgenossen und Freunden Roms zu machen. Das Chauken-
Volk, von dem die Romer uns sagen, dass es der intelligenteste Stamm unter den
Sermanischen Völkern gewesen sei, mit dem sie in Berührung gekommen, hat
Rom die Treue nie gebrochen, denn bei der deutschen Erhebung unter Armin
Waren die Chauken nicht betheiligt. Die Ansicht, dass die Römer nach der varl-
Schen Niederlage über den Rhein zurückgeworfen wären, ist eine grundfalsche.
Das Fort im Lande der Chauken war im Jahre 14 nach Chr. noch von einer halben
Legion besetzt. Der allgemein gewordene Aufstand der niederrheinischen Legionen
War auch bei den dort die Besatzung bildenden Vexillariern zum Ausbruch ge-
Kommen, Durch die Energie und Klugheit des dort kommandirenden Legaten
Würde der Aufstand nach Niederhauung der Rebellen unterdrückt. Diese Episode
ef ein helles Schlaglicht auf die Bundesgenossentreue der Chauken zu Rom in der
pode der germanischen Erhebung. Armin, der zu grosser Macht gelangte deutsche
lelheitsheld, konnte Marbod, dem mächtigen Markomannen-Kônig in offener Feld-
Schlacht die Spitze bieten. Die rómischen Bollwerke, die das nahe gelegene Land
d Volk der Chauken schützten, wagte er nicht anzugreifen. Das gemauerte
astell an der Nette war unter ihnen das wichtigste. :
Ptolemaeus, .der Geograph aus dem Ende des ersten Jahrhunderts, bringt
us ein Verzeichniss von Ortsnamen in Nordgermanien, dem Lande zwischen Rhein
du Elbe, Diese Ortsnamen betreffen zum gróssten Theil Punkte, wo die Römer
qi, nd oder vorübergehend Castelle oder Befestigungen angelegt hatten; er hat
" Lage der Orte nach der von ihm entworfenen, in Grade eingetheilten Karte
Segeben. Dass diese Angaben nicht in allen Stücken zutreffend sein kónnen,
ont Schon aus dem Umstande hervor, dass sein ganzes Wissen in Bezug auf die
2 8e der Orte aus Itinarien von rômischen Legions-Officieren, die Germanien durch-
ace «ation, entstand. Seine Karte von Norddeutschland geht nicht von Nord
Or, Süd, sondern sie richtet sich schräg von Südost nach Nordwest. Unter den
Schein bezw. Castellen, die mehrere Grade von der Küste rückwärts liegen, er-
Em nt »Munitium*, das gemauerte Castell. Wenn man nun von der Weser-, bezw.
Smündung den Unterschied der Breitengrade, die Ptolemaeus bei der Lage
(442)
von Munitium angiebt, berücksichtigt, so würde dieser Breitengrad die Gegend von
Osnabrück durchschneiden. Nach der Angabe der Lüngengrade würde das Castell
fast nach der Weser hingerückt, aber denselben Fehler begeht er auch mit den
Quellen der Ems, die nach seinen Lüngengraden und unseren Kartenverhültnissen
jenseits der Weser am Solling entspringen müssten. Rechnen wir Ptolemaeus
diese irrthüimliche Auffassung zu gute, so kónnen wir ,Munitium^ in die Mitte
des heutigen Osnabrücker Derglandes verlegen. Damit erlangen wir die Be-
rechtigung, das gemauerte Castrum bei Rulle als die römische Feste anzusehen
welche Ptolemaeus ,Munitium* nennt. Dass aber dies Munitium gleichbedeutend
ist mit dem Fort im Chaukenlande, das ein halbes Jahrhundert hindurch die rümi-
sche Besatzung beherbergte, welche das Chaukenland beherrschte und beschützte,
geht aus dem Umstande hervor, dass wir es hier mit gemauerten Wällen und daher
auch mit gemauerten festen Unterkunftsriumen, von denen die Spuren auf der
Wittekindsburg sich zeigen, zu thun haben, wohingegen bei den sonstigen unter-
suchten 'rómischen Erdbefestigungen nur Merkmale von Unterkunftsräumen, die
blockhausartig an die Binnenseite der Wälle anlehnten, gefunden worden sind.
Der bei der Ausgrabung im Juli 1889 anwesende Hr. Bergmeister Pagen-
stecher machte als Geognost darauf aufmerksam, dass die Gesteine, aus denen
die Gebäude im Castell erbaut gewesen sind, theilweise nicht an Ort und Stelle
aus den Gräben gebrochen seien, wie das bei den Umfassungsmauern nach-
zuweisen war, sondern aus einer Sandsteinart bestehen, die aus einem benach-
barten Berge nach dem Binnenraum des Castells geschafft worden war. Die Frage,
wo das massenhafte Steinmaterial, aus dem die Umfassungsmauern und die Baulich-
keiten im Castell hergestellt waren, geblieben sein könne, da wir es jetzt doch nur
noch mit den von Erde überschütteten Grundresten der Mauern zu thun haben,
beantwortet sich einfach dahin, dass im Mittelalter, als man begonnen hatte, Gebäude
aus Stein und Kalkmörtel zu errichten, die Steine des als Ruine dastehenden
Castells nach der Umgegend als Baumaterial abgefahren sind; namentlich soll das
Kloster Rulle aus diesem Material erbaut worden sein. Die Steine waren hier
natürlich viel leichter zu erlangen, als wenn man dieselben erst aus Brüchen hätte
gewinnen wollen.
Diese von so grosser historischer Bedeutung dastehenden Thatsachen ver-
anlassten den Schreiber, sich im Jahre 1890 mit der Bitte an die Klosterkammer
zu wenden, die erfolgreich angefangenen Untersuchungen auf einer breiteren
Basis fortzusetzen. Der jetzige Herr Klosterkammerpräsident Herrwig, der sofort,
mit grossem Verständniss für die hier vorliegende Forschung, nicht allein die Er-
laubniss zu weiteren Nachgrabungen gab, sondern auch die materielle Unterstützung
der Klosterkammer in Aussicht stellte, hat es möglich gemacht, dass die Aus-
grabungen im Juli 1890 wieder beginnen konnten. Durch eine Influenza verhin-
dert, die Ausgrabungen selbst überwachen zu können, war es mir gelungen, den
Herrn Direktor Schuchhardt vom Kestner-Museum als leitende Persönlichkeit zu
gewinnen, auch den Vorstand des historischen Vereins, Hrn. Regierungspräsidenten
Stüve und den Bruder desselben, Hrn. Dr. Stüve, dafür zu interessiren. In
den Tagen der Ausgrabung tagte der provincialstündische Ausschuss unter dem
Vorsitz des Landesdirektors von Hammoerstein in Osnabrück. Mehrere Mitglieder
des Ausschusses haben die Ausgrabungen besichtigt und, in Rücksicht auf die Be-
deutsamkeit der Sache, aus provincialständischen Mitteln Gelder für die Weiter-
führung der Ausgrabung bewilligt. Leider war damals der Hr. Direktor Schuch-
hardt und viele der Osnabrücker Forscher noch immer der Ansicht, dass die Be-
festigungen nicht rómischen Ursprunges seien. Der Glaube, dass die vermeint
(443)
liche Stammburg des Herzogs Wittekind ein römisches Castell sel, konnte bei den
Üsnabrücker Forschern nur schwer Boden fassen. Jetzt, nachdem die Ausgrabung
des Hrn. Prof. Schuch hardt!) festgestellt hat, dass die ganzen Umfassungswälle
mit hohen mächtigen Wallmauern eingekleidet, dass die Westecke des Kern-
Werkes durch einen runden Wachtthurm, die Ostecke noch durch einen grôsse-
ten quadratischen Burgfried gedeckt war, dass in der Nord- und Südseite des
Walles sich noch Reste der gemauerten Thore vorfinden, da hat sich die
Ueberzeugung Bahn gebrochen, dass die Wittekindsburg, die in ihrem Kernwerke
den ausgegrabenen Resten der romischen Castelle im Taunus so ähnlich sieht, wie
"In Ei dem andern, doch ein wahrhaftiges rómisches Castrum sei. Zu einem sol-
Chen Mächtigen Castell, wie wir es in der Ruller Burg entdeckt haben, bauten die
Römer auch einen Heerweg. Reste dieses Weges haben sich bereits gefunden,
nur führen dieselben nicht in die Hunte-Brüche und -Moore hinein, sondern sie
liegen in dem sich nach Nordwesten ziehenden Haaseihale, wo eine ganze Reihe
Yon Castellen und Befestigungen, die zum grösseren Theile noch vorhanden, den
Heerwee bis zur Ems deckten.
Mit der Entdeckung dieses grossen gemauerten Hauptforis im Lande der
Chauken fällt selbstredend die Hypothese von der Varusschlacht zwischen Barenau
cud Venne als ein absolut haltloser Gedanke in sich zusammen. Im Lande der
Chauken, der treuesten Bundesgenossen der Romer, auf Heerwegen, die von
Castellon geschützt waren, ist Varus mit seinen Legionen weder verrathen noch
Yernichtet worden. Hütte der sonst tiefdenkende Mommsen von dem Vorhanden-
Sein dieser römischen Zwingburg an der Nette Kunde gehabt, so würde er die
leutoburgerschlacht nicht an die bis zum Venner Moore hinabführenden Abhänge
der Egge verlegt haben. Mit den kühnen Vermuthungen des Hrn. Prof. Knoke
St *$ schon etwas anders. Er lásst den alten braven Caecina ungeachtet aller vor
im liegenden römischen Castelle und Heerstrassen sich mit Todesverachtung in
ue Ubtweesamsten Sümpfe in der Umgebung des Dümmersees stürzen, um dort bei
Tägel heben einem vorhandenen römischen Bohlwege auch noch einen Knüppel-
damp zu passiren, der, wie Se. Excellenz der Herr Kammerherr von Alten schla-
Send Nachgewiesen, nicht einmal römischen, sondern mittelalterlichen Ursprunges ist.
m Diesen wichtigen historischen Thatsachen tritt ein anderer bedeutsamer Fund
Ar Seite, der mit der Auffindung des Castells zu Rulle gewissermaassen seinen
phus fand. In der Richtung von Syke auf Twistringen und von dort auf
seo hausen, nördlich des Dümmersees, und wiederum weiter südlich des Dümmer-
bei Hunteburg finden sich Spuren von Befestigungen, welche offenbar dazu
che Imt waren, als Vertheidigungsplätze die Ostgrenze zu decken, welche durch die
Hunts ©. Srossen Sümpfe, Brüche und Waldungen führte, die sich Östlich der
mi, © bis zur Weser hinzogen. Die Befestigungen bei T'wistringen, die von
me ‚untersucht worden sind, haben ihren römisch-germanischen Ursprung docu-
B à "t. Es befand sich dort eine mächtige Volksburg und ein kleineres rômisches
hat Werk, das die bisherige Forschung als einen germanischen Ringwall angesehen
führt Diese Befestigungen, von denen der Ort Twistringen noch heute den Namen
Twist bei denen es sich um 2 grosse Ringbefestigungen handelt (Twieringen —
tóm; Ingen), hatten eine dreifache Aufgabe: sie bildeten die letzte Etappe des
die Schen Heerweges nach der Mittelweser auf chaukischem Gebiete, sie schützten
Go, Paukische Grenze und bildeten bei Einfüllen der östlichen Völker in das
let der Chauken einen Vertheidigungsplaiz für Volk und Heerden. Ueber-
D Vergl diese Verhandl. 21. Februar 1891. 8. 249.
(444)
reste des römischen Heerweges in der Richtung nach Osten sind von mir gleich-
falls constatirt worden. Durch die Entdeckung dieser Thatsache sind sowohl für
die Geschichte der römisch-germanischen Kriege, wie auch für die Geschichte des
Chaukenvolkes bedeutsame Lichtpunkte zu Tage gefördert. Wir dürfen die zahl
reichen römischen Bohlwege, welche die Römer während ihrer Bundesgenossen-
schaft. im Lande der Chauken erbaut haben, doch wohl nicht als die Dimme des
Domitius ansehen; der alte Domitius hätte sein Lebtage genug daran zu bauen ge-
habt. Noch im letzten Jahre hat man in der Richtung zwischen Damme und
Hunteburg einen zweiten römischen Bohlweg entdeckt und ist dadurch die statt-
liche Zahl der Bohlwege wieder um einen vermehrt.
Die Momente, welche uns aus der Geschichte des Chaukenvolkes aufbewahrt
sind, zeigen uns nun diesen germanischen Stamm in einem Lichte, das die
Höhe seiner Civilisation und seine wahrhaftige deutsche Treue so hell glänzen
lässt, dass die Chauken den übrigen germanischen Stämmen in beiden Richtungen
weit voran stehen. Die Berührung mit den Römern hatte das Volk nicht ver-
welscht, es war deutsch geblieben, aber es hat durch den dauernden Umgang mit
den Romanen seine Culturstufe den Vólkern genühert, die unter rómischer Herr-
schaft standen. Wie urdeutsch die Ohauken geblieben waren, zeigt der Vorgang
durch welchen Kaiser Claudius bestimmt wurde, die Besatzung im Lande der
Chauken und Friesen zurückzurufen. Ein fahnenflüchtiger Legionür, Namens
Gannascus, aus dem Volke der Caninefaten, war zu den grossen Chauken geflohen,
die damals zwischen Elbe- und Wesermündung wohnten, wohin offenbar in jener
Zeit die römische Macht nicht reichte. Dieser Gannaseus hatte eine Flotte aus-
gerüstet und verheerende Raubzüge an der Nordküste Galliens gemacht, Der
in Niedergermanien kommandirende Feldherr Corbulus liess ihn durch Meuchel-
mürder umbringen. Diese Gewalithat crregte bei dem gesammten Volke der
Chauken eine solche sittliche Entrüstung, dass eine Empörung gegen die röml-
sche Schutzherrschaft auszubrechen drohte, und da man auch den Friesen nicht
traute in ihrer Bundestreue, so bekam Corbulus Befehl, mit den Legionen über den
Rhein zurückzukehren,
Man erkennt aus diesen geschichtlichen Vorgängen, dass die römische Herr-
schaft über diese beiden nordgermanischen Stämme nur eine sehr schwache,
der Gerechtigkeits- und Freiheitssinn derselben ungebrochen war, und dass die
ein halbes Jahrhundert andauernde Bundesgenossenschaft sich durch freiwilligen
Rückzug der Römer wieder löste. Die Grösse des Volkes, seine Macht, seine
Friedfertigkeit, seine Wehrhaftigkeit im Kampfe, die Schönheit der jungen chauki-
schen Krieger, dies alles wird von Tacitus und Dio Cassius rühmend anerkannt.
Die Wiederauffindung der Ostgrenze des Chaukenlandes von der Weser bis
zur Haase hat nun in den letzten 3 Generalmusterungen den Schreiber als Mit
glied der Oberersatzcommission dazu veranlasst, in den Kreisen Syke, Diepholz,
Sulingen, Hoya, Stolzenau, Rinteln, Osnabrück und Iburg Untersuchungen über die
Körperformen und Grössen, über die Schädelbildung und die Haar- und Augen-
farbe anzustellen. Dieses Studium hat das auffallende Resultat ergeben, dass das
chaukische Gebiet einen ausserordentlich hohen Procentsatz von kräftigen wohl-
gebildeten Leuten besitzt, bei denen Langschädel, graue und blaue Augen, gerade
und nach oben gekrümmte Nasen vorwiegend sind. Der Procentsatz der für
die Garde ausgehobenen Rekruten ist in den Kreisen, die auf altchaukischem
Gebiete liegen, in den letzten 3 Jahren ein mehr wie dreifach höherer gewesen
als in den ästlich gelegenen Kreisen Diepholz, Sulingen, Stolzenau und Rintelm
die nachweislich noch im 8. Jahrhundert von Angrivaren bewohnt wurden. B€
(445)
l'ücksiehtigt man die ausgezeichnete Mannschaft, die das 91. Regiment im Gross-
herzogthum Oldenburg aushebt, das ja chaukisches Gebiet ist, und kommt man
endlich dazu, die seit alten Zeiten berühmt gewordenen Mannschaften der Ems-
ande, des westlichsten Theiles des chaukischen Gebietes, welche den hervorragend-
Sten Zuwachs fiir die hannoversche Garde lieferten, dazu zu rechnen, so darf man
den chaukischen Stamm als ein wahres Gardevolk bezeichnen. Wir finden das Ger-
pr nenthum nicht allein dem Volke als solchem eingeprägt, wir finden auf keinem
nn deutscher Erde die altgermanischen Einrichtungen in Feld und Flur, in
aus und Gemeinde in so auffallender Weise erhalten, wie in dem einst zu Rom
Sehürenden Nieder-Germanien. Das Land und Volk der Chauken besitzt in dem,
Was es birgt, einen Schatz für unsere altdeutsche Geschichte.
(21) Hr. W. Schwartz überschickt unter dem 28. April eine Arbeit:
Volksthümliches aus Rügen.
vo Während meine culturhistorischen Wanderungen in früheren Jahren, abgesehen
im J der Mark Brandenburg, sonst immer meist nach Westen gingen, war es mir
me; ahre 1889 in den Sommerferien möglich, Rügen von Sassnitz aus zum Feld
Hi Mer Beobachtungen zu machen und, trotzdem schon viel auf der Insel in dieser
es, chi gesammelt ist, doch noch in Einzelnem nicht bloss eine nicht uninter-
Vent Nachlese zu halten, sondern auch verschiedene neue Gesichtspunkte den
liy dltnissen abzugewinnen. Denn Rügen ist, wie schon Riehl in seinem treff-
cn Werke „Land und Leute“ sagt, ein ethnologischer Beobachtungs-
sinkt, der wohl ohne Gleichen in Deutschland ist, indem es in seiner
de, Chfachen Gliederung eine eigenthümliche und zäh festgehaltene Zersplitterung
hing. kslebens erzeugt, während daneben stets ein gemeinsamer Untergrund
Ganz hschimmert, da die überall hervortretende Beziehung auf das Meer dem
Zen den Charakter einer gewissen Homogenität erhalten hat.
Rig tt für den Kern (Bergen, Garz u.s. w.)', sagt Daniel im Anschluss an
Tag, 1, »gebraucht der Insulaner den Namen Rügen. Von den Halbinseln (Wittow,
"d Reddewitz oder Monchgut und Zudar) spricht man, als ob das lauter
auch ändige Länder seien. Zwischen den einzelnen Halbinseln ist der Verkehr
wg erstaunlich gering, und auf den beiden grossen Landengen, der Schabe
Ta der Schmalen Heide, hört fast alle Cultur auf. Man kann hier den ganzen
vat. auf sogenannten Strassen bis über die Knöchel im Dünensand und Geröll
Fels Ohne einer sterblichen Seele zu begegnen") Wie in den Hochalpen en
lega, en, so halten hier Landengen die selbständigen Gestaltungen des X olks-
jede S S einander. Jede Halbinsel hat ihre besondere Schattirung des Dialekts,
Weep I Herkommen und ihre eigenen Bräuche. Aber was dieser bunte, unruhige
Fej dsl von. Berg und Thal, Feld und Wald, Heideland, Dünenland, Sumpfland,
fut 1d in der Natur der Eingebornen zersplitiern mochte, das hieli das ringsum
nde Meer wieder mit starkem Arm zusammen.“
Ing Ch man zu den oben erwähnten 9 Gruppen nun noch die naheliegenden
Jumm !nzu, die auch gewóhnlich mit zu Rügen gezogen werden und unter denen
eine Anz und Hiddensóe eine besonders hervorragende Stellung einehmen, so kommt
Keite 2 hiibsche Mannichfaltigkeit des geographisch in allerhand Eigenthümlich-
eng "D sondernden, volksthtimlichen Lebens heraus, die sich auch bis in die
trotz à Zeiten noch äusserlich u. A. in allerhand Spott bekundet hat, welchen,
es Gefühls einer gewissen Gemeinsamkeit, die Bewohner des einen Land-
U Erst jetzt fängt auch dies an sich allmählich zu ändern.
(446)
strichs denen eines anderen angehiingt haben. Dass die Reddewitzer oder Mönch-
guter seit alter Zeit z. B. ,Pook^ genannt werden, hingegen den Rügianer und haupt-
sächlich den Putbusser einen ,Kollen^ heissen, erzühli schon der alte Grümbke
in seiner Geschichte Rügens vom Jahre 18191). Ebenso haben die Jasmunder
ihren eigenen Namen, sie heissen, wie man mir sagte, die »Knuppenbîter“ d. h-
die Knospenbeisser, weil sie so zierlich reden. Vor allen aber gelten die Stral-
sunder — denn Stralsund gehört, wie es von Rügen aus gegründet wurde, noch
immer in der Vorstellung der Leute dazu, — als ,die Finen*, denn der richtige
Stralsunder spricht nicht, wie andere Leute, sondern hübsch fein: ,di mis sinn
bin Klibidel gewest^ (die Mäuse sind beim Kleebeutel gewesen). Die Hidden-
sóer aber, heisst es, erkennt man schon gleich an ihrem Gang; sie gehen mit dem
Oberkorper vorniiber und gleiten oder schlagen dann mit den Füssen hinten weg"
Das macht, weil Hiddensöe lauter Sand hat, da hat ihre Gangart diese Form an-
genommen.
Die Sonderheiten in der Tracht traten und treten noch gelegentlich am meisten
beim weiblichen Geschlecht hervor, während die Münner mehr ein, ihrem Lebe?
als Fischer entsprechendes, homogenes Kostüm tragen. Am längsten haben die von
Jummanz und Mönchgut ihre Eigenthümlichkeiten bewahrt und die alten Familien-
traditionen bis in die neuesten Zeiten erhalten. Seitdem aber, erzählte man mir,
die ersteren in den sechziger Jahren ihren Process mit dem sogenannten Kloster in
Stralsund, d. h. mit dem Magistrat als Rechtserben desselben, verloren haben, und au$
Erbbauern Pächter geworden sind, hat die Bevölkerung auch dort angefangen sich
zu ändern, und die alte Sitte ist im Schwinden begriffen. Aehnlich ist es in Mönch-
gut, wo sie auch nicht mehr, wie früher, ihr Zeug sich selbst fertigen, sondern
ruhig „Kollentüch“ tragen, wie sie früher mit Abscheu das fremde, eingeführte
Zeug nannten. Nur der blanke Brustlatz in der Tracht der Braut gilt noch als ein
charakteristisches Merkmal der Reddewitz-Mónchguterin.
Wird in dieser Beziehung Alles um so uniformer, je mehr Rügen jetzt in de?
grossen Verkehr hineingezogen isí und namentlich alljührlich Dampfschiffe und
Eisenbahnen im Sommer zahlreiche Schaaren von Fremden seinen Büdern zuführen;
so haben sich doch noch bis in die neuesten Zeiten die verschiedenen, schon oben
erwühnten, gruppenweisen Nüancirungen der Dialekte meist erhalten, wie sie ihrer
Zeit schon neben Grümbke auch E. M. Arndt in der Vorrede zum II. Theil
seiner „Märchen und Jugenderinnerungen^ eingehend besprochen hat.
Es ist im Allgemeinen dieselbe plattdeutsche Sprache wie an der Küste der
Ostsee links von den Odermündungen überhaupt, namentlich wie in Vorpommern:
aber sie variirt in Rügen je nach den Gewohnheiten der einzelnen Landesstriche-
In den verschiedensten Formen treten diese Variationen auf, Bald schwanken die
Töne zwischen e und i, a und o, so wechselt z. B. Perd und Pird, gestern und
gistern, wie auch Arndt angiebt, oft in nicht fern von einander liegenden Kircl-
spielen. Bald lüsst man bei einem Diphthong beide Lauie hóren, bald zieht man
sie zusammen. So nannte man mir z. B. die Amsel in Sassnitz gellegaus, in Berge?
gélgós (die gelbe Gans)?. Vor Allem aber macht sich, wie Arndt es ausdrückt
überhaupt die Neigung in der verschiedensten Weise geltend, „die Fülle und Macht
der Töne gern zu zerquetschen und zu verschleifen“. So sagt man nach ihm „wud“,
„wüd“, „wad“ für „wurd“, Würd“, „ward“; „Hän“, „Hun“ für „Händ“ (e), „Hund“ (e);
1) Die Hiddensöer speciell gaben den Mönchgutern nach Dähnert’s Plattdeutschem
Wörterbuch von Pommern und Rügen den Namen ,die Deepschen*,
2) Nach Dühnert heisst auch ein Grünfink geelgóschen.
(447)
vas für „bald“ und dergl. mehr.“ Oft werden auch Consonanten zwischen zwei
des n en durch andere, in ihrer Unbestimmtheit ähnlich lautende, ersetzt. Der Name
die Pgenwurmes wird z. B. in Sassnitz Merrik gesprochen, während anderweitig
" JUrsprüngliche Bedeutung des Wortes klarer in den Formen Müddik, Müding
eine Made) mir entgegentrat.
Witz Besonders Eigenthümliches hat namentlich der Dialekt der Halbinsel Redde-
ses Onchgut) entwickelt; sei es unter Einfluss einer prononcirten, stetigen Ab-
nis. ossenheit oder unter der Mischung mii hinzukommenden westfälischen Colo-
Ling s wovon hernach beim Volksglauben noch die Rede sein wird, — da das
die e 9n, welches ursprünglich zu Putbus gehürte, im Jahre 1295 durch Kauf in
hebt ques der Mönche von Eldena iiberging ). Neben verschiedenen Idiotismen
durch v, n bke besonders zwei Momente hervor, nehmlich ,einmal die Neigung,
Wis Inschiebung eines dem hebräischen Schwa entsprechenden Lautes einsylbige
und er zu zweisylbigen gleichsam zu recken, dann wieder umgekehrt andere zwei-
Mee sylbige abzukiirzen. So sagen die Mônchguter z. B. einerseits für „Hemd“,
s ass (Milch), „Hemmed“, „Mellek“, andererseits für „Gäste“ „Gäss“, für „Gerste“
*; pSund“ für „gesund“ u. dergl. mehr.“
wig Te Erscheinungen finden sich Z. Th. fast in allen Dialekten, da dieselben
an si sen die Schrift, sondern nur mit Hülfe des Gehörs sich fortpflanzen und
Nach 1 schon so einen mehr flüssigen Charakter haben, dann aber auch, indem Je
jenes s Stimmung schon einfach der Ton sich ändert und leicht dann dies oder
Maas Jpisch wird. Während nehmlich für gewöhnlich die Bequemlichkeit das
Sich ende beim Sprechen ist, welche zum Abschleifen der Sylben neigt, wandelt
imme lebendigeren Gefühlen und heftigeren Gemüthsbewegungen umgekehrt fast
Toney Sofort der Ton, indem man unwillkiihrlich zu den schweren und tiefen
Statt der leichten und hohen übergeht.
stell " Dun aber auf Rügen fast jede Gegend, in ihrer verhältnissmässigen Sonder-
Anders” Je nach dem Charakter der Leute im Durchschnitt das Eine oder das
Bebildt V0 typisch entwickelt und namentlich fast einen eigenen Tonfall heraus-
Wie an hat, der Hiddensöer z. B. im Ganzen schleppend-nachlässiger spricht, ebenso
Wähnt ch sem Gang ist, vom Jasmunder und Stralsunder dagegen schon oben er-
dehnte 5 dass er feiner und zierlicher redet, der Mónchguter hingegen wieder ge-
der Di U. s. w., so entwickelt sich auf Rügen eine höchst interessante Gruppirung
kraft ss lekte, welche von der in ihnen steckenden, stets sich erneuenden Lebens-
IN lebendiges Zeugniss ablegt.
Sei lich steht es nun mit dem Volksglauben. Zunächst ist er in allen
Diego Im Ganzen homogen, gemahnt fast nirgends an Slavisches, sondern
Schlios, die Gestalten der niederen deutschen Mythologie und den daran sich
in Ma den Aberglauben in ebenso charakteristischer Weise wieder, wie der
Seine pe Pommern und der Mark. Man weiss fast überall, „trotzdem schon
hang 7 9l die schwedische Regierung neben der Geistlichkeit eifrig gegen aller-
_ ?uberei und Spuk eingeschritten ist?), noch Mancherlei davon zu erzühlen
nip, D *r bekannte Freiherr v. Haxthausen behauptete bei einem Besuche, der Dialekt
Prenss, um an seine paderbornsche Heimath; s, meine Schrift „Bilder aus der Brandenb.-
3) Top ee Vorträge u. s. w. aus den Jahren 1865—71. Berlin 1875;“ S. 89.
nes Ben and z. B. in der Antiquitäten-Sammlung von Freese zu Sassnitz ein Exemplar
Sings Wolpe Patents wegen der Policey-Ordnung. Publicirt am 1. Febr. 1723 zu Stral-
Wie Man " - u. A. einen ganzen Codex von allerhand Zauberei u. dergl. als groben Unfug,
ch heute ausdrückt, verbot. 5 5 lautet: Die Hexen und Zauberer sollen verbrannt,
(448)
und wenn man auch meist nicht mehr recht daran glaubt, so erinnert man sich
doch noch, dass die Alten oft vom Brennen vergrabener Schätze, dem sogen. Geld-
brennen, sowie von der Glücksruthe allerhand Geschichten hatten‘); de Mär (Alp
des Nachts den Menschen ,riti^ und der wilde Jüger, die weisse Frau, die kleine?
,Unterirdischen®, der Drak und der Pük (eine Art Hausgeist und Kobold) den
Leuten in den Köpfen steckte; von wohlhabenden Leuten man sagte ,de drük trüge
es ihnen zu“ oder es stecke Hexerei dahinter u. dergl. mehr. Zur See passir
auch immer noch mancherlei Wunderbares. Es gäbe Beispiele dass Manche
dem Wind zu pfeifen verstünden, damit er ,aufkühle“ und mit dem Klabauter”
mann, der unsichtbar auf dem Schiff sein Wesen treibe, sei es doch eine eigene
Sache, und schlimm sei es, wenn man auf See sei, und plötzlich am Horizont „das
Nebelschiff“ vor einem auftauche und langsam dahinziehe u. dergl. mehr?).
| Wenn in der Arbeit des Sommers die alten Geschichten halb vergessen wer
den, so wachen sie in den langen Winterabenden bei der Isolirtheit der Ver-
hältnisse gleichsam zu neuem Leben wieder auf und erfüllen und beschäftigen den
schon einfach unterhaltungsbedürftigen Sinn der Menschen. Je mehr nach Nordem
desto mehr macht sich überhaupt dies Moment geltend, und auf Rügen sind die eU
zelnen Landestheile in jener Jahreszeit beim Aufhören der Schiffahrt noch ins
besondere von einander geschieden, fast wie die Thüler eines Hochgebirges, zwische?
denen in die Wolken ragende Schnee- und Eisberge jeglichen Verkehr unterbreche?:
so dass jedes Thal seine eigenen Wege geht und auf seine eigenen Lebensgewohn*
heiten sich immer wieder gleichsam basirt.
Neben jenem mehr einheitlichen Hintergrunde des Volksglaubens liefern nun die
in den einzelnen Landestheilen besonders ausgebildeten oder local verknüpfte?
Traditionen den Sagen ein bunt schillerndes Colorit, je nachdem die Natur in
einer Gegend oder historische Ereignisse zur Anknüpfung dieses oder jenes mythr
schen Elementes Veranlassung gegeben haben.
Die Sagen vom Mär, dem Dräk, dem Treiben der Hexen schweben gleichsa”
in der Luft, sie .knüpfen sich weniger an bestimmte Localitäten, sondern mehr
direkt an den Menschen als solchen, den z. B. der Mär heimgesucht, oder an ein
Gehôft, wo der Drak angeblich sein Wesen treibt; sie kehren also unter Umstünde?
überall wieder. Aber wenngleich man von den „Unterirdischen“ noch allgemei?
erzählt, dass sie früher neugeborne Kinder geraubt und ihre , Wechselbálge* unte!
geschoben hätten, und man deshalb in der Stube der Wöchnerin 6 Wochen lan?
auch stets, um dies zu verhüten, ein Licht hätte brennen lassen, So sind doch
weitere Erzählungen von dem geheimnissvollen Treiben dieser kleinen Leute nur da
haften geblieben, wo ein Hügel vorhanden war, an den sich die Sage knüpfen und
erhalten konnte, dass dort ihre unterirdische Wohnung sei, z. B. in Dubberworth b€
Sagard, gerade wie der wilde Jäger meist Wald als sein Revier voraussetzt, die
Sage von der weissen Frau einen See, einen Burgwall oder mindestens ein alie?
Gemäuer, an das sich ihre Erscheinung knüpfen konnte. Ebenso schloss sich d€
die aber ausser Gesprüch und Gemeinschaft mit dem Teufel des Kristallsehens, Wahrsagen*
Planetenlesens, Missbrauchs des Evangelii St. Johannis, Schlüssel-Buchs und Sieblaufe??
oder Drehens, Bôtens, Stillens oder anderer aberglüubischer, unehrisülicher, gottesláste"
licher und verbotener Mittel, unter was Schein es auch wäre, sich gebrauchen, sollen mit
Ausstreichung an dem Pranger oder mit einer ernstlichen Geldbusse bestrafet werden u. $
1) Die Glücksruthe soll auch den Interessen des Fischfangs sogar gedient, den Leute?
nehmlich u. A. gezeigt haben, wo die Heringe laichen.
2) Plótzliche Nebelbildungen eigenthümlicher Art sind auch an der Küste háufig. Mal
nennt sie See-Daak, d. h. Seenebel, denn ,Daak* heisst der Nebel, ,daaken“ es nebelt-
(449)
alte indogermanische Mythos von der im Gewitter in den himmlischen Wassern
Versinkenden, gelegentlich aber immer wieder heraufkommenden und ,wafeln-
den* (leuchtenden) Wolken-Donnerburg hier an das historische Factum vom Unter-
Sang Arkona’s in gleicher Weise, wie auch das alie Schloss in Spieker ein Centrum
für allerhand Spuk wurde").
| Wie aber bei Durchsichtigkeit und Einfachheit aller Verhältnisse auf Rügen
Sich so in Betreff der localen Anknüpfungen der sagenhaften Traditionen die inter-
*SSanfesten Beobachtungen machen lassen, so auch in Beireff der Veranlassung
des Niehtauftretens oder Schwindens dieses oder jenes mythischen Zuges, sowie
des einen oder anderen Gebrauches. Dass auf Gr. Zicker der wilde Jäger fast
Sanz unbekannt geworden, findet nach der oben schon erwühnten Beziehung des-
selben zum Walde seine volle Erklirung, da, soweit die Erinnerung zurückreicht,
Wie mir der dortige Prediger schrieb, es nie einen Wald gehabt. Ebenso entbehrt
Sassnitz wieder der gewöhnlichen Spukgeschichten, wie sie das Grauen der Leute
"Ot einem Kirchhof gelegentlich stets von Neuem weckt, da sie ihre Todien in
dem mehr als eine Meile entfernten Sagard begraben, jede reale Beziehung zu
Jénem Aberglauben also fortfällt, gerade wie mit dem Schwinden der Viehzucht,
Jelidem die umwohnenden Dôrfer die Hiitegerechtigkeit in der Stubnitz verloren
haben, auch der ganze Hexenglaube, der sich namentlich am Melken und Buitern
Toch immer erhielt, einen bedeutenden Stoss erlitten hat.
Eine besonders interessante Beobachtung. ergab sich in dieser Hinsicht in Be-
voit der altheidnischen heiligen Zeit der Wintersonnenwende, der sogen. Zwôlften
(die Man von Weihnachten bis Neujahr rechnet). Eine Erinnerung an dieselben.
lebt fast "überall noch mehr oder minder auch auf Rügen fort, sowie mancher
Gebrauch, dass man z. B. in der Zeit nicht waschen dürfe, denn „wer den tün be-
éledts (4. h. Wäsche aufhüngt muss bald, heisst es auch hier, wie in der Mark,
den Kirehhof bekleiden d. h. sterben. Aber man kann deutlich verfolgen, dass,
Me der Haupthalt der Zwôlften das Spinnen, bezw. das Verbot des Spinnens
“à dieser Zeit gewesen ist, z. B. in Meklenburg und in der Mark sich noch in
er ersten Hälfte dieses Jahrhunderts allgemein in der sich daran knüpfenden
y ohung : ,sonst küme der Wode, die Frick oder Frau Harke® der Namen der alten
hi nischen Götter, denen die Zeit heilig war, erhalten hatte, auf Rigen, bel gem
Spr fast allgemein gewordenen Schwinden des Spinnens, nicht bloss kein ipi
ei üchwort sich erhalten hat, sondern überhaupt dadurch die qe donth en
a Hauptstoss in dem Leben des Volkes empfangen haben. Das Hei en um
aj, Pe Sich nehmlich in Sage, Brauch und Aberglauben überall auf das Engste an
d * Lebensverhülnisse des Menschen an und steht und fàllt mit jeder Wandlung
Érselben.
thi Bei den Sagen Rügens ist übrigens streng zu unterscheiden zwischen den volks-
mir lichen und den Formen, welche ihnen das literarische Interesse, das sich dort
Si denselben seit dem 18. Jahrhundert beschäftigt hat, vielfach gegeben. Die
ma, eh volksthümliche Form ist, Wie fast überall, knapp und prägnant; on
m 7ufülig eine weiter ausgesponnene Darstellung hört, 1st es nur eine In den
Chr gebildeteren Kreisen aus heimathlichem Interesse freier ausgemalte Form
hogy 1, Leber den angedeuteten Ursprung der Sage von den untergegangenen Stadten,
Tung q, fern s. Schwartz, Ursprung der Myth. Berlin 1860. S. 268—260. Fine " i T
Schen "i Donnerburg vom griechischen oder rómischen Standpunkt aus als ie bin i
Ovig Ma und die regalis domus magni tonantis, — die Palatia magni coeli, giebt u. À.
- ^» Metam. I. 170 ff.
Verhanay, der Berl, Anthrop. Gesellschaft 1891.
99
(450)
oder eine Reminiscenz aus einer der viel verbreiteten literarischen, namentlich
poelisch behandelten Versionen. In dieses Gebiet gehüren nicht bloss die soge
Herthasagen, sowie die Schilderung vom Fall Arkona's und des wendischen Heiden-
thums, sondern selbst ein grosser Theil der in E. Moritz Arndt's Jugenderinne-
rungen sich vorfindenden Geschichten, bei denen meist nur, wenn sie auf Rügen?
spielen, ein gewisser volksthümlicher Kern zu Grunde liegt. Aechte Volkssagen
im obigen Sinne finden sich meist nur in den Sagensammlungen von Temme:
Baier und Jahn. Aber auch in dieser Hinsicht gelang es mir, von Sassnitz aus
manch' interessantes Stück nachzusammeln, zumal es mir glückte, in einzelnen
Familien auch Reprüsentanten der anderen Landestheile zu finden.
Ieh werde das Hauptsächlichste in einem Anhange zusammenstellen, nachdem
ich zuvor eine besondere Besprechung zwei Momenten des Volksglaubens gewidmet
habe, die namentlich für Rügen charakteristisch sind und, wie wir sehen werden
eine mythologisch-ethnologische Bedeutung erhalten, nehmlich die Traditionen
vom Nachtjdger und vom Pik.
Für den sogen. wilden Jäger ist nehmlich auf Rügen meist die charakteristisch
typische Form der ,Nachtjüger*. Weder Jahn noch ich haben irgendwo der
Wod gefunden, den man nach Arndt’s Märchen und Jugenderinnerungen 1. S. 401
verschiedentlich vermuthet hat. Arndt hat, wie es scheint, den Namen aus Vor-
pommern herübergenommen, wie er auch die ganze Gestalt verallgemeinert hat,
indem er den wilden Jäger zu einem grossen Fürsten „im Sachsenlande“ macht,
„der viele Burgen und Schlösser und Dörfer und Forsten hatte“. Besonders trit
der Nachtjäger, wie schon oben erwähnt, in waldreicher Gegend hervor und
charakteristisch vorzüglich in Jasmund und Wittow, gerade in der Nähe von Arkon%
z. B. in Putgarten. Er jagt nur des Nachts. Wenn man ihn „flöten“ hört, muss
man ihm aus dem Wege gehen, denn er nimmt alles mit, was ihm in den Weg
kommt. Namentlich darf man nach Sonnenuntergang selber nicht „pfeifen“, sonst
dauert es nicht lange, dann ist er da (Kloster). Der bekannte Ruf: ,halt den
Mittelweg“ wird ihm auch hier beigelegt. Aus Zudar berichtete ihn mir Hr. Pastor
Dankwardt in der Form: Holl den Middelweg, Holl den Middelweg, süss biten
di mine Hunn. Desgleichen erwähnt derselbe, dass in Grabow einige Bauern”
häuser standen, von denen man sagte, dass der Nachtjiger ófter hindurchgezoge?
sei. Auch in Sassnitz bezeichnet man noch jetzt ein Haus am Strande, durch
welches er oft, wenn die gegenüberliegenden Thüren offen standen, mit allen
seinen Hunden hindurchgezogen. Deshalb war auch, heisst es, kein Glück pei den
Leuten; es wechselten oft seine Besitzer.
Ist es nun auch hier noch, wenngleich in verblasster Gestalt, der alte Gewitter”
gott, der im Winde „pfeift“ und mit seiner „heulenden Sturmesmeute“ einher gejagt
kommt und dem Wanderer den noch jetzt bei einem. Gewitter üblichen Ruf zu
ruft, sich mitten auf dem Wege zu halten, damit ihm kein Schaden widerfahr&
so wird der Name ,Nachijüger*, den. er hier abweichend von den gleichen Ge”
stalten bei Meklenburgern und Pommern, wie Dänen und Schweden zeigt, wo noch
der Name des Wodan (Odhin) hindurchklingt, besonders bedeutsam, indem er
direkt auf die Gewitternacht — denn so ist es ursprünglich zu fassen — a]s die
eigentliche Erscheinung der wilden Jagd dort oben am Himmel hinweist.
Man könnte nun an den Swantewit auf Arkona denken, von dem berichtet
wird, dass er angeblich auch des Nachts gegen die Feinde des Landes ausgezog®”
sei und man dann des Morgens sein heiliges Pferd (übrigens von schneeweisse?
Farbe) mit Staub und Schweiss bedeckt gefunden habe. Das ist aber hôchsten*
eine Art internationaler Berührung, denn gerade der wilde Jäger ist, zumal in der
(451)
gezeichneten Form, wie allgemein bekannt, nirgends slavisch, sondern eine speci-
fisch germanische Gestalt, und passt so nicht bloss zu dem sonst hier hervortreten-
den deutschen Aberglauben, sondern bildet, wie überall, auch hier gerade natür-
lich ein Hauptmoment, ja das Centrum desselben. Dazu kommt nun noch, dass der
Name „Nachtjäger“ noch besonders charakteristisch wird, indem er hier, rings von
der Zone des entsprechenden Odhin und Wodan umgeben, wieder im Süden am Iser-
kamm, in den Gebirgen Schlesiens, sowie in der angrenzenden Lausitz, in letzterer,
Wie so manches deutsche Glaubenselement in slavischer Uebersetzung, als nocny
Jagar, aufiritt ), wozu sich dann in Deutschböhmen neben ihm das sogen. nachtgoid,
In Bayern: nachigejaid oder das nachigelait (processio nocturna) nach J. Grimm
Stellt, so dass wir in jenen mythischen Oasen, in denen der Nachtjäger auftritt,
Ueberreste alter „ethnologischer“ Bezüge zu erblicken veranlasst sind ?).
Jedenfalls hebt sich aber hiernach gerade mit dem Nachtjäger der deutsche
Volksglaube auf Rügen ig charakteristischer Besonderheit ab, welche der
Inselbevälkerung eine besondere Selbständigkeit aus der Heidenzeit her
Verleiht, vor allem den Gedanken an eine in dieser Hinsicht einwirkende Coloni-
Sation abschneidet.
Noch bedeutsamer wird aber in dieser Beziehung, dass ich zu meiner grössten
Ueberraschung noch Ueberreste eines eigenthiimlichen Gebrauchs oder Cultes, der
Sich im Anschluss an den schon oben erwähnten Pük (eine Art Hausgeist) über
Sanz Rügen erstreckt, entdeckte. Der Gebrauch reiht sich an die Zeit der Winter-
Sonnenwende, die Zwülften, welche ich auch schon oben als auf Rügen noch fort-
lebend. erwähnte.
Wie die alten heidnischen Gebräuche zu Anfang und Ende des Festes der
Wintersonnenwende, mit dem sich der Jahreswechsel vollzog, sich im Laufe der
Zeiten auf Weihnachten, Sylvester oder Neujahr übertragen. haben, so hat sich der
betreffende Gebrauch, der wohl einst die Ziwülften schloss, an den Sylvester an-
Seschlossen und mechanisch auch in christlicher Zeit erhalten.
»Sylvesterabend muss gebacken werden^, hiess es zunächst in der Familie
Meines Wirthes zu Sassnitz, „sonst essen die Unterirdischen das nächste Jahr
MS Dieser Aberglaube interessirte mich in hohem Grade. Da nach altgermani-
Schem Glauben dann die Geister ihren Umzug halten und man ihnen vielfach noch
Speisen hinsetzt, Lichter anzündet, Alles gleichsam zu ihrem Empfang bereit hält,
30 glaubte ich hier den Rest eines solchen Opfers sehen zu dürfen, dessen Ver-
„Achlässigung die Rache der Unterirdischen nach sich zieht. Wie ich nun weiter
Torschte, irat mir aus allen Theilen Rügens jener Gebrauch in ausgesprochenster
Weise entgegen, selbst aus Mänchgut (Middelhagen, sowie Gr. Zicker), nur dass statt
de. Unterirdischen „der Pük“ genannt wurde, den ich schon früher gelegentlich auf
^T gegenüberliegenden Festlande in einzelnen Sagen als eine Art Hausgeist kennen
Sclernt hatte. Hier aber auf Rügen hat sich, und das ist das Bedeutsame, der er-
cute, daran sich schliessende Gebrauch noch überall erhalten. Die übrigen
w hitzer, sowie die aus Krampas, Sagard und Bergen, Hagen bei Stubbenkamer
'* W. sagten, man backe stets noch einen Geestkuchen (Pfannenkuchen), sonst
1) v, Schulenburg, Wendische Volkssagen. 1880. S. 139.
hes Uebeyall klingt es analog an. Im Riesengebirge (Braunau), sagt Grohmann,
Bod der wilde Jager der „Nachtjäger“. Man soll sich bei Ankunft der wilden Jagd zu
an werfen und darf nicht auf blicken; denn einer, der dies gethan hat, ist davon wahn-
ger REN blódsinnig) geworden, ein anderer blind*, d.h. Donner und Blitz haben ihn
29 *
(452)
ässe der Pük das nächste Jahr mit. Früher hätte man den Kuchen auch den folgen-
den Tag mit in die Kirche genommen und einsegnen lassen, dann hätten alle von
der Familie davon essen müssen, aber auch dem Vieh habe man etwas ins Futter
gethan, den Bienen vor die Löcher des Bienenstockes gestrichen und dergl. mehr.
Aehnliche Berichte erhielt ich aus Putgarten bei Arkona, Iummanz, Kloster und
Gingst. Ueberall vervollstündigte sich das Bild und die Zähigkeit, mit der man,
wenn auch oft nur noch äusserlich, an dem Gebrauch festhält. Der Terminus
technicus war meist: „man müsse den Heerd abbacken“ oder wenigstens am Syl-
vester Teig rühren, sonst wäre im nächsten Jahre alles behext und ginge schief
(Sassnitz und Krampas); „wenn man nicht backt, überhaupt sich nicht mit Mehl
an dem Tage zu thun macht, wird alles Mehl im nächsten Jahr zu Asche (Sass-
nitz).“ Einmal, erzählte eine Frau aus Putgarten, hatten die Leute es vergessen,
da hätte es in der Küche gerufen: „bak, bak und wenn du wider nix häst as
Asche, denn back mit Asche“, Aus Gr. Zicker erhielt. ich den Bericht, dass man
auch allerhand Gemüse in den Geestkuchen gethan. Hr. Pastor Dankwarth aus
Zudar bestätigte mir die schon eben nach Berichten aus Sassnitz gegebene allge-
meine Schilderung in folgender weiteren Ausführung: „Den Heerd abbacken“ ist
in früherer Zeit, jedenfalls noch zu Anfang dieses Jahrhunderts in dieser Gegend
allgemeine Sitte gewesen, jetzt, wie ich glaube, nirgends mehr (?). Es ist ein Geest-
kuchen, mit Aepfeln oder Zwetschen gefüllt, gebacken worden. Der Hausvater hat
davon am Neujahrstage in die Kirche genommen, damit der Segen darüber ge-
sprochen wurde, und dann liaben sümmiliche Glieder des Hauses davon gegessen,
auch das Vieh hat etwas davon bekommen, selbst den Bienen ist etwas auf die
Fluglócher gestrichen worden. Dass es geheissen habe: ,damit der Pik oder die
Unterirdischen nicht mitessen“ oder dort irgend ein anderer Spruch dabei üblich
gewesen, darüber sind, wie es scheint, die Erinnerungen jetzt geschwunden?). Meine
Quelle ist ein alter, 1802 hierorts geborner Mann, der in Bezug auf alte Zeiten ein
sehr gutes Gedüchiniss bewahrt. Dass im Volksglauben die Unterirdischen (auch
der Pük) eine Rolle gespielt haben, dessen erinnerte er sich gut. So erzählte er
mir z. B. u. A. noch in Betreff der Unterirdischen, dass es allgemeine Sitte gewesen
sei, dass nach der Geburt eines Kindes 6 Wochen lang Licht gebrannt worden,
damit die Unterirdischen das Kind nicht nühmen und mit einem anderen ver-
tauschten.“
Weinhold hat mit Recht jüngst hervorgehoben, dass für Mythenforschung
besonders Sitte und Gebrauch von der höchsten Bedeutung sei, und dies gilt
nach der ethnologischen Seite hin entschieden. Recapituliren wir von diesem Stand-
punkt aus das Beigebrachte, so erscheint besonders bedeutsam für das Festhalten
deutscher Gebräuche auf Rügen in dieser Weise neben solchen Einzelheiten, wie
der Gebrauch, ein Licht bei den Wöchnerinnen brennen zu lassen als Schutz gegen
die Wechselbälge oder das Mittel, welches gegen das Mahrriden angewandt wurde,
wovon noch die Rede sein wird, die allgemeine Heilighaltung der Zwölften und
vor Allem das daran sich schliessende ,Abbacken“ des Heerdes und das „mitten
im Wege sich halten“, wenn der Nachtjäger vorüberzieht, wie es auch in anderen
Gegenden geübt oder durch den noch bezeichneteren Gebrauch ersetzt wird, sich
platt auf die Erde zu Werfen. Der Name des Nachtjägers, wie der des Pük
beim Abbacken des Heerdes, geben dabei Rügen noch, wie schon erwähnt, eine
1) In der verschiedensten Weise bröckeln solche alte Gebräuche mit der Zeit ab. Der
ganze Bericht bestätigt aber im Anschluss an die übrigen die geschilderte Sitte auch für
Zudar.
(453)
Sewisse Sonderstellung gegenüber den geographisch-mythologischen Gruppirungen
der angrenzenden Lünder und werfen ein bedeutsames Schlaglicht auf den Stamm-
Charakter der Urbevóolkerung) indem sie demselben in der Hauptmasse einen
ê1g Énartigen urdeutschen Charakter verleihen, wie ich dies in anderer Weise für
nung Pommern und den westlichen Theil der Mark schon nachgewiesen
e,
I In Betreff Móncehgut's will ich in dieser Hinsicht noch eine Bemerkung machen.
Dr habe schon oben bei Besprechung einer gewissen Sonderstellung des dortigen
, Mets darauf hingewiesen, dass man, namentlich nach dem Urtheil des Freiherrn
vu Haxthausen, geneigt sei, dies mit einer Colonisirung des Ländchens durch
Sap ische Ansiedler aus dem Paderbornschen in Beziehung zu bringen. Die
Sta 1 bedarf noch weiterer Untersuchung. Erwühnen will ich jedoch, dass vom
ande punkt des Volksglaubens auch hier ein homogener Untergrund, wie in den
ren Theilen Rügens mit dem Heerdabbacken u. s. w., hervortritt, so dass dies
As eine radicale Umgestaltung in der Bevölkerung spricht, daneben aber doch
P oment für eine Mischung im obigen Sinne redet, auf das ich behufs weiterer
schung aufmerksam machen will.
D Baier sagt in Wolf’s Zeitschrift f. deutsche Mythologie II. Bd. 1885. S. 145
Ma, Witten wiver“ (die weissen Weiber) vertreten auf der Halbinsel
vo, But die Stelle der ,Unterirdischen* (der Zwerge) und es wird
U ihnen zum Theil dasselbe erzählt, was im übrigen Rügen von den
MMerirdischen.“
an ist bei der Isolirtheit dieser Erscheinung hier höchst höchst merkwürdig,
benagp gemahnt auch an Westfalen und speciell an das dem Paderbornschen
Selbst barte Arensbergische. Denn von den Ortschaften Crange und Riemke da-
Sagt Kuhn in den „Westfälischen Sagen“ II. S. 18:
A den witten wivern erzählt man meist Aehnliches, wie von den
Sen, sie vertauschen Kinder u, s. w.
eine Hier scheint also eine ethnologische Beziehung zu Grunde zu liegen, wie ich
iret, qualoge schon in dem in Pommern statt des Wode (Gwode) vereinzelt auf-
8 hes Hakelberg vermuthet habe, der sonst nur in der Alimark, im Braun-
tritt chen, sowie am Solling und überhaupt im Minden-Ravensbergischen auf-
Zum Schluss noch einige Einzelheiten in Sage und Gebräuchen.
Das mährriden.
Der Mär kommt durchs Schlüsselloch, wie ein Thier, wie eine Katze oder ein
Ma chwartz, die Stammbevôlkerungsfrage in Brandenburg, Meklenburg und Pommern.
lung one Forschungen“ XX. 1887. 5. 104 ff. — Vergl. Protokolle der General-Versamm-
1890. n Gesammtvereins der deutschen Geschichts- und Alterthumsvereine zu Schwerin
9 erlin S. 133 ff.
— Tsolirt treten auch die witten wiver noch in Meklenburg zu Sukow bei Criwitz auf,
dem Pug die Zwerge, kinderstehlend, backend u. s. v. daneben von Frau Wauer d. h.
Mega, Wode verfolgt, wie sonst in Mitteldeutschland die Moosweiblein. Niederhóffer,
Wesen , UTBS Volkssagen. Leipzig 1869. IIT. S. 190. — Die Beziehung zwischen beiden
Dring; wtigens nieht auffallend, denn wenn die Zwerge mit ihren Nebelkappen ur-
Atkona«) olkendimonen waren (S. weiter unten die Anm. zu der Sage „die Zwerge bei
Stellyy, > 80 waren die witten wiver die Wolkenfrauen, — eine altindogermanische Vor-
deg Had di Welche u. A, der Sturmesgott verfolgt. — Ueber die geographischen Grenzen
ung Hartmas s. Kuhn und Schwartz, Nordd. Sagen. Nr. 182 und 265. Weddingen
un, Der Sagenschatz Westphalens. Minden 1884. S.15f.
(454)
Marder schleicht er sich an den Schlafenden. Je näher er kommt, desto schwerer
wird die Athemnoth des Menschen, und wenn er aufliegt, ist dieser wie gelühmí
und kann sich nicht rühren. Man nennt dies allgemein das mährriden, wobei in
den einzelnen Gegenden der erste Vocal zwischen a und o schwankt, aber überall nur
mahr, nicht Alp; auf Mónchgut geht das o in u über, ,Muhrtriden^ heisst es da").
Als Gegenmittel gilt, wenn man mit einem nassen Tuch nach der Erscheinung
schlägt, dann verschwindet sie. Oder man legt einen abgefegten, stumpfen Reisig-
besen unter das Bett, damit, wie einer sagte, die „Hexe“ keine Macht mehr daran
hat, d.h. ihn wohl nicht mehr zu dem gespenstischen Ritt, an den dabei wohl
gleichzeitig gedacht wird, gebrauchen kann.
Der Drak
ist noch ziemlich allgemein bekannt, auch auf Ménchgut. Er trägt es den Leuten
zu. Man sieht ihn oft oft des Abends wie eine feurige Kugel mit langem Schweif
ziehen und dann in den Schornstein einfahren. Wenn man ihn ziehen sieht, muss
man ein Wagenrad verkehrt aufstecken, dann muss er fallen lassen, was er mi
sich führt. Nur muss man selbst unter Dach und Fach sein, sonst überschüttet
es einen oft hüsslich, namentlich mit ràm (Sahne)?).
Die weisse Frau.
Wie der Glaube an das gelegentliche Erscheinen des Nachtjügers noch in den
Küpfen spukt, so auch das der weissen Frau?). Man glaubt noch immer, sie hier
und da zu sehen; gerade wie in katholischen Gegenden noch ab und zu das Ge-
rücht auftaucht, die Jungfrau Maria habe sich an irgend einer Stelle sehen lassen
(s. meine Prühistorsch-anthropologischen Studien. Berlin 1884. 8. 372, 374).
Auf dem Wege von Sassnitz nach der Stubbenkamer, hinter der Fürsterel
Werder, soll die weisse Frau namentlich umgehen. Wer das rechte Wort findet,
erlöst sie und erhält ihre Schätze. Auch am Schlossberg am Hertha-See zeigt sie
sich. Ein Junge sah sie noch jüngst dort im Walde Holz lesen. Da fasste ihn
die Angst und er lief quer waldein. Wie er an den Hertha-See kommt, da fährt sie
in einem Kahn auf demselben mit einer weissen Kappe. In Angst und in Schweis$
gebadet kam er nach Hause (Hagen). Das ist aber nicht der einzige gewesen;
dem derartiges begegnete.
1) Ueber den Ursprung des altindogermanischen Glaubens vom Máhrriden, welches i?
Mittel- und Süddeutschland Alpdruck heisst s. Poet. Naturansch. I. S. 12 ff.
2) Der Drâk findet sich in ähnlicher Weise in ganz Norddeutschland. s. Kuhn und
Schwartz, Norddeutsche Sagen 1848. gebr. 200—228. Sonst wird er einem (feurigen)
Wisböm (der auf dem Heuwagen liegt) verglichen. Es geht auf das Wetterleuchten und ist
daneben eine verkümmerte Vorstellung des Windes, der als himmlischer Hausgeist in de
schweren Gewitterwolke etwas hinschleppt, im sogen. Flachblitz leuchtet, im krachende?
Donner etwas fallen lásst, das dann als Unrath, Schwefel u. dergl, gedeutet wird; siehe
Prüh. Studien S. 72. Poet. Naturansch. II. 88. Das Bild, wie ich es oft habe beschreibe?
hóren, giebt noch mit dem Krachen und Schwefelgeruch, nur in anderer Deutung als €?
himmlisches Wahrzeichen wieder Vergil Aen. IT 694. Mit dem herabstürzenden Donner
gekrach heisst: per umbras Stella facem ducens multa cum luce cucurrit. Illam»
summa super labentem culmina tecti, Cernimus Idaea claram se condere silva»
Signantemque viam; tum longo limite sulcus Dat lucem, et late circum loca sulfure
fumant.
3) Ein bekannter Spuk, in dem noch neben dem Gewittergott die altmyth sche Gestalt
der Sonne, als einer himmlischen Wolken- und Wasserfrau, fortlebt, s. über dieselbe Ursp-
d. Myth. Heutiger Volksgl. u. s. w. (II. Aufl), Práhist. Studien u. s. w.
(455)
hne Aehnliches "erzählt man auch vom Burgwall zu Garz, wo eine Prinzessin mit
E M Schützen verzaubert sein soll In der Johannisnacht ist sie zu erlósen.
und . Arndt, Märchen und Jugenderinnerungen I. S. 10—29 nennt sie Swanwithe
Am vo die Geschichte offenbar nach alten literarischen Notizen weitläufig aus.
Nam aschstein bei Stubbenkamer ist es eine schwarze Frau, die umgeht. Der
Die 1 » Waschstein hat zwei Versionen erzeugt; nach der einen, welche Grümbke,
Meo nsel Rügen. Berlin 1819. S. 42 anführt, heisst es: ,dass alle sieben Jahre ein
do. cibchen (eine Wassernixe) ihn an einem gewissen Tage besteige, um sich
beck zu waschen,“ nach der anderen ist es eine Jungfrau, die der Seerüuber Stôrte-
kom] der dort seine Hóhle gehabt, einst entführt, und die da elendiglich umge-
von P und nun die Schütze hüten muss, die da verborgen (Temme, Volkssagen
mii ommern und Rügen. Berlin 1840). Der Umstand, dass sie in der Regel
müpi blutigen Tuch erscheinen soll, dessen Btutflecke sie sich vergeblich be-
Sebo, auszuwaschen, hat zu weiteren poetischen Erdichtungen Veranlassung ge-
Die untergegangene Stadt bei Arkona.
Trg Zwischen Arkona und Stubbenkamer, wo jetzt eine grosse Meeresbucht, das
so er Wiek, ist, da ist in alter Zeit nur ein schmaler Streifen Wasser gewesen,
schm ral wie ein Reitweg oder, wie eine Frau aus Putgarten sich ausdrückte, »80
Wages, dass nur ein Reiter hat entlang reiten können“. Jetzt ist da viel, viel
keit er. Da hat eine grosse Stadt gelegen, die ist aber wegen ihrer Sündhaftig-
Bes Sesangen. Oft hat man noch die Thürme der alten Stadt im Wasser
Bewe *n und das Krühen der Hähne aus der Tiefe herauftönen hören. Wenn das
gens Sen, so hat man gesagt: „die alte Stadt wafelt". Den Ausdruck hai man übri-
Unter auch gebraucht, wenn es cin Wahrzeichen gegeben, dass ein Schiff werde
Sch Sehen. Wenn man ein solches nehmlich halb in der Luft hat vorher vorbei-
Wanken sehen, hat man auch gesagt: ,es hat vorher gewafelt')“.
Die Zwerge von Arkona.
gie" Auf der Insel Rügen sind allenthalben viel Zwerge gewesen und Mancher hat
mi p hen. Jetzt kommt aber so etwas nicht mehr vor. Mein Grossvater, sagte
Mann er eine alte Frau aus Puigarten, hat mir oft erzählt, dass einmal ein alter
klein Mit einer Frau unten in Arkona gewesen. Da habe er gesehen, wie lauter
thon ? Leute mit schwarzen Mánteln und Kappen sich bei der alten Frau zu
Die Somacht, ihr aufgehockt hátten u. dergl. mehr.. Er habe der Alten zugerufen.
Sei An, aber fast taub gewesen und hätte nichts gehört, und wie er hingekommen,
9$ verschwunden gewesen?).
Das Geldbrennen bei Arkona-
wie Be Arkona wollten Leute einmal einen Schatz heben. Da kommt ein Reiter,
— "f dabei sind, mit einer rothen Kappe, und ruft, alle Häuser ständen in
Qu Ueber den mythischen Hintergrund dieser Sagen von den untergegangenen Städten
lande . und Dörfern), die sich nicht bloss an der See finden, sondern auch im Binnen-
‚oben S. 449,
und 2 Nach E. M. Arndt gab es auf Rügen drei Arten von Zwergen, die weissen, braunen
TO die letzteren waren die bösen. Ursprünglich waren die Zwerge Wolken-
Seblich or Kleinen Sterne mit ibren Nebelkappen ; welche in den Wolkenbergen an-
in Bey ar esen trieben: in der Tradition erst wurde die Scenerie auf Erden (namentlich
Kleinen D ocalisirt und dem entsprechend die Sage weiter entwickelt und der Name „die
nterirdischen* ihnen beigelegt. Urspr. d. Myth. S. 18.
(45^)
Feuer?. Da packte sie die Angst, sie sahen sich um, — das darf man bei solche?
Gelegenheit nicht, — und Alles war verschwunden.
Besser ging es Anderen, die sahen einmal an solcher Stelle dort in der Nach!
einen alten Mann, der immer in einem Feuer rührte, dass die Spühne nur s
herumflogen. Er fragt sie, ob sie welche haben wollten. Sie lachen und wolle?
zuerst nicht, zuletzt nehmen sie doch welche in der Schürze mit. Bald wird 65
den Frauen aber immer schwerer und schwerer, so dass sie Alles fortwarfen. Wie
sie nach Hause kamen, waren einige im Schürzenband sitzen geblieben und eitel
Gold”).
Die Hexen zu Walpurgis.
Zu Wollbrekken (Wolpern) fahren die Hexen nach dem Blocksberg. "Wenn
man eine geerbte Egge schräg aufstellt und sich unter dieselbe setzt, kann man
sie sehen. Sie fahren in viereckigen Mulden, wie die sind, in die man nach dem
Fischfange die Steine aus den Netzen, mit denen man selbige beschwert hatte, ab-
streift und sammelt. Schippenartige Bretter, wie man sie beim Flachsreinige?
(Brechen) gebraucht, sind ihre Ruder?).
Die Steine bei Goor.
Bei Goor auf der Halbinsel Wittow liegen grosse Steine, die hat eine Wendin
da fallen lassen, als sie dieselben in der Schürze getragen und das Schürzenband
ihr gerissen?). Putgarten.
Der Ravenin bei Sassnitz.
Jeder Ori an der Küste hat so sein Wahrzeichen. So liegt zum Beispiel bei
Sassnitz zwischen Fahren- und Schlossberg der Ravenin. Das ist den Sassnitzer?
ein Signalberg zwei Meilen hinein in die See, fast bis zur Stubbenkamer hin
Wenn man den sehen kann und die Küste, wo ja alle Spitzen auch ihren Namen
haben, sagte mir ein Fischer, dann kann man danach steuern, so genau, dass map
auf ein paar Meter weiss, wo man landet. Ist aber Nebel, dann ist es schlimm-
Der Spuk in Spyker.
In Spyker, der alten Besitzung der Wrangels, ist es nicht richtig. Im Thurm
da spukt es. Als sie ihn bauten, heisst es, fiel er immer über Nacht ein, bis sie
einen Menschen einmauerten?). Der geht nun um. Nach Anderen ist daselbst ei^
unheimliches Gemach, da ist einer zu Tode gekommen, und der ist es, der nu?
umgeht ©).
1) Derselbe Zug kehrt bei der Erlósung der verfluchten Prinzessin auf dem Müggels
berge bei Berlin wieder. s. Hentiger Volksgl. II. Aufl. S. 111.
2) Ueber die Wandlung der Speisen in Gold s. Heutiger Volksgl. IT. Aufl. S. 85, 43.
3) Interessant ist, wie die Nähe der See die Scenerie wandelt. Die Hexenfahrt wird
zu einer Árt Wasserfahrt So führt auch nach Baier a. a. O. eine Mahr in einer Mulde
mit Schwingblättern. $. Jahn, Volkssagen von Pommern und Rügen 1887. S. 560 f.
4) Die Nähe von Árkona mit seinem Swantewittempel lässt hier ,eine Wendin* auf
treten.
5) Ein junger Fischer, der auch darauf zu reden kam, und der in Wilhelmshave?
bei der Marine gewesen, Meinte, ähnlich hätten sie es auch in Oldenburg seiner Zeit Z€
macht, nehmlich mit dem Kinde einer armen Frau. Da ist es deshalb auch nicht richtig
und/wenn ein Prinz geboren werden soll, ziehen sie immer fort nach einem anderen Pala?
Sonst brüchte es dem Kinde Unglück.
6) In den dreissiger Jahren tauchte im Anschluss hieran, auch in Zeitungen, das Ge
rücht auf, der schwedische Feldmarschal Wrangel, der bei Fehrbellin geschlagen wurde, $€
seiner Zeit auf Befehl des Königs von Schweden hier heimlich hingerichtet worden,
uy,
(457)
Aberglauben.
is D Sieht man am Sylvesterabend den Schatten eines Menschen ohne Kopf, so
as ein Zeichen, dass derselbe im neuen Jahre stirbt. Sassnitz.
| 2) Wenn einer stirbt, muss Alles gleich gewaschen werden, was er an hat,
Mst hat der Todte keine Ruhe. Putgarten.
find 3) Weihnachtsabend stellen die Kinder einen Teller auf das Fensterbrett, da
der y Sie dann am Morgen gebackene Puppen, Aepfel u. dergl. Das hat ihnen
elige Christ gebracht.
Doz 4) Wenn die jungen Gänse zu viel gefressen haben, muss man sie räuchern.
die ranch man Spühne von einer neuen Schwelle, Dill (das ist überhaupt gegen
exen gut) und endlich ein Pulver aus der Apotheke in Putgarten.
(22) Hr. W. Schwartz berichtet über
prähistorische Fundstücke aus Ketzin, Kr. Osthavelland.
die eh bin Herrn Rentier Mannheimer hierselbst dankbar, dass er mich in
auf age versetzt hat, einige z. Th. höchst interessante Stücke vorzulegen, welche
fug, t ihm gehórigen, im Osten des Städtchens Ketzin liegenden Ziegelei ge-
und H sind. Die Gegend hat uns schon einmal beschäftigt, indem Hr. Virchow
Wall r. Krause über einen im Westen von Ketzin an der Havel gelegenen Burg-
vor und die prähistorischen Resultate, ‚welche bei einer in den Jahren 1882—83
ha hommenen Abtragung desselben sich ergaben, des Ausführlicheren berichtet
^n (Bd. XVI. 1884. Verhandl. S. 47).
in aas die Bodenverhültnisse anbetrifft, so kommt zuerst eine starke Torfschicht,
— sich nur gelegentlich einzelne Stücke, wie Beschläge eines Hirschfüángers und
dj, nen aus den letzten Jahrhunderten finden; dann folgt eine z. Th. mit Sand
einen Thonschicht, welche die prühistorischen Funde birgt, und endlich
Die " Sand, in dem sich ófter kleinere und gróssere Stücke von Bernstein finden.
Stelle unde, welche ich vorlege, sind im Laufe der letzten Jahre an verschiedenen
U, meist im Thon, gemacht worden.
ting ay csonderes Interesse nimmt zunächst ein Schädel in Anspruch, der von
Sand kelet herrührt, welches sich 14 Fuss ticf in einer 2 Fuss hohen Schicht
Süchu unter dem Torf fand. Hr. Virchow hat denselben einer näheren Unter-
Bea E besonders in Vergleich zu den seiner Zeit am Burgwall gefundenen
NC unterzogen.
Bron, Eine Raritüt ist dann geradezu eine grosse schlanke Doppelaxt aus
Rigg, (Fig. 1), mit hellgriiner, mehlartiger Patina Von dem in der Mitte be-
Schwu ©, kleinen, ovalen Stielloch verbreitert sie sich gleichmässig in etwas ge-
Broite 3." Linie nach den beiden etwas convexen Schneiden (Länge 30 cm,
3 cm) er Schneiden 6, 3 und 6 cm, Breite in der Mitte 3,2 em; Dicke in der Mitte
Mir B. Sie wurde gefunden auf einer Anhöhe, etwa 12 Fuss tief im Lehm. Wie
aus der Buchholz mitgetheilt hat, besitzt das Märkische Museum eine ähnliche Axt
3) Ge gend von Halle; in der Mark ist noch keine derartige gefunden worden.
beiden qu kleiner Hohlcelt ,mit Ochr“ aus Bronze, mit brauner Patina; an
Yo © êlten Je 3, etwas erhabene Rippen, der hintere Rand wulstartig; nach
tigna, hinten von der Mitte aus sich etwas verbreiternd; die Gussnähte noch
Schaftèrp Linge 8,8 ¢m, Breite der Schneide 3,5 cm, Durchmesser der ovalen
im The nung 3 : 2,6 cm, Tiefe der Schaftéffnung 6,8 em. Gleichfalls 12 Fuss tief
N gefunden.
(458)
Figur 2.
Figur 1.
Fieur ?
4) Ein 13 em langes Gerüth von Horn, oben viereckig, aber sonst rund und
nach vorn sich verjüngend und in eine Spiize ausgehend, von hellbrauner Farbe
wohl eine Art Harpune. Das obere viereckige Ende ist sauber ausgearbeitet.
5) Die rechte Hälfte eines Unterkiefers von einem ponyartigen Pferd?
(459)
pus caballus); vorn fragmentirt, zwei Backenzähne fehlen. 24 Fuss tief im
On gefunden.
Nachtrüglich hat Hr. Mannheimer aus der Gegend noch erworben:
sta 6) Einen Hammer mit weitem Stielloch aus dem Kronentheil eines sehr
dd Hirschgeweihes; etwas gekriimmt, sehr rohe Arbeit; die eine Seiten-
sel © wird durch die natürliche rauhe Schale gebildet, auf der anderen ist die-
Ls © nach vorn zu z Th. entfernt, um eine Art Schneide herzustellen. Grösste
"nge 16 em, Durchmesser der Krone 9 cm.
Ob D Einen kleinen Flachcelt aus Bronze mit brauner Patina und sehr rauher
Yo eriliche, mit je zwei ziemlich erhabenen, geraden Leisten auf beiden Seiten;
mo. Bahnende nach der Schneide sich etwas verbreiternd; das Bahnende halb-
D On eingeschnitten. Länge 11,1 cm, Breite der Schneide 4,1 cm; Breite des
Mendes 2,5 cm, Durchmesser 2,2 cm.
9) Einen schwarzen Steinhammer.
Là 9) Nadel oder Pfriemen aus Knochen, am oberen Ende durchbohrt.
e 8,5 cm, grösste Breite 0,9 cm. |
Thi Hinen massiven Pfriemen aus Knochen, an dem am oberen Ende ein
2. m, op (Fig. 2) mit flacher breiter Schnauze (Pferdekopf?) geschnitzt isi;
+ glatt polirt. Linge 3,9 em, Linge des Thierkopfes 2 cm.
Big eh Urnen, besonders schwarze, sind gelegentlich daselbst gefunden worden.
die M hellerer Farbe, scharf gebrannt, mit tief eingeriizten Verzierungen, giebt
Orstehende Abbildung (Fig. 3) wieder. Gefunden wurde sie 16—20 Fuss tief. —
Ma Hr, Virchow: Nach den von Hrn. Schwartz mitgetheilten Angaben des Hrn.
Kap n elmer handelt es sich hier um einen anderen Platz in der Nähe von
hag als denjenigen, welchen ich im Jahre 1883 mit Hrn. Ed. Krause untersucht
ist Leider sind die Angaben so wenig eingehend, dass es nicht einmal möglich
Mö s ersehen, ob es sich um einen Wohnplatz oder um Gräber gehandelt hat.
pog ot woise ist die Stelle zusammengesetzt aus Anlagen verschiedener Cultrr-
gele ©. Denn während ein grosser Theil der Funde in eine ziemlich weit zurück-
har Zeit weist, erscheint die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass nament-
Kotzi le Knochengeräthe einer viel jüngeren Periode angehören. Die Gegend von
fons. birgt manche Alterthümer, deren Stellung dringend eine weitere Local-
1899 Chung erfordert. Ich erinnere daran, dass ich in der Sitzung vom 21. Jum
in e erh. S. 367) einen Fund von Knochenharpunen erwähnte, welche jedoch,
Seif RZ zu dem von Hrn. Schwartz unter Nr. 4 aufgeführten Geräth, tiefe
"" Einschnitte zeigen.
Pfria ater den jetzt vorgelegten Stücken 1st besonders bemerkenswerth der Knochen-
kopf yo" Nr. 10 (Fig. 2), der an dem hinteren Ende einen geschnitzten Thier-
Evi. Dr Solche Stücke gehören bei uns zu den grossten Pollen soon pure
zu habe 6ziehung dazu scheint ein früherer Fund Tesi urgwall m em
ein Kn n, den Hr. Ed. Krause beschrieben hat (Verh. 8. 50— . Fig. ):
und Ochenpfriemen, auf dessen Rundung sonderbare Schlangenzeichen mit queren
Sekreuzten Einritzungen und mit einem Hakenkreuz zu sehen sind.
mg, ht minder hervorragend ist die Doppelaxt Nr. 2 (Fig. 1). Unsere Auf-
Taf, xy auf dieses sonderbare Gerüth wurde im Jahre 1879 (Verh. S. 336.
einen IL. Fig. 2 und 3) durch den berühmten Ferd. Keller gelenkt, der uns über
(oem CP Fund von Dr. V. Gross berichtete: in dem Pfahlbau von Lüscherz
dig, hatte derselbe eine solche Doppelaxt aus Kupfer gefischt. Ich erwähnte
» dass ich in Athen ganz ähnliche Doppeläxte gesehen hätte und dass auch
(460)
auf Hissarlik dergleichen gesammelt seien; es sei eine altassyrische oder babyloni-
sche Form, welche auch in Zeichnungen jener Zeit vorkomme. Bald nachher
(Verh. 1880. S. 92) übersendete uns Hr. V. Gross einen Gypsabguss des Stückes.
In demselben Jahre fand die grosse Ausstellung deutscher prühistorischer
Gegenstände in Berlin statt. Sie brachte uns nicht weniger als 6 soleher Doppel-
äxte zur Anschauung, nehmlich
1) 3, als Doppelmeissel bezeichnete Stücke aus dem rómisch -germanischen
Museum in Mainz (Katalog der Ausstellung 1880. S. 227): eines von Friedols-
heim (Feuerberg) in der Pfalz, eines von Flonheim in Rheinhessen und eines
aus der Umgegend von Mainz, das erste und das letzte abgebildet in den Alterth.
unserer heidn. Vorzeit von L. Lindenschmit I. 1. Taf. ILL. Nr. 7 und 8.
2) ein als Hellebarde bezeichnetes Stück (Katal. S. 5. Nr. 4) von Altenburg
an der Saale in Anhalt (ebendas. S. 3). Es ist aus Kupfer, 279 mm lang, an den
Schneiden 95, in der Mitte 17 mm breit und an letzterer 15 mm dick. In der ganz
schmalen Mitte ein schr kleines, viereckiges Loch, etwas unregelmässig gebohrt,
8 mm lang und breit. Eine Abbildung davon steht in dem Photogr. Album der
Ausstellung von Günther und Voss Sect. IV. Taf. 17. Nr 4. Aus der Sammlung
des Vereins für Geschichte und Alterthumskunde des Kreises Bernburg.
3) ein als Doppelmeissel bezeichnetes Stück aus der Sammlung des Haupt-
manns v. Graba in Magdeburg (Katal. S. 516. 10. Nr. 4). Es ist dabei bemerkt:
»(Bronze) mit viereckigem Loch. Länge 31 em. Fundort Westeregeln.* Ich
habe es damals gleichfalls als ein Kupfergerüth notirt Seine Lünge maass ich
zu 298 mm, die Breite an den Schneiden zu 68, in der Mitte 17 mm, die Dicke in
der Mitte zu 18 mm. In der Mitte der Seitenflichen ein Wulst, entsprechend dem
viereckigen, 8 nm langen und 5 mm breiten, doppeltrichterformigen Loch. Abgebildet
in dem Photogr. Album Sect. VI. Taf. 1 (150).
4) ,Zweischneidige durchlôcherte Bronzeaxt,“ gefunden in einer Kiesgrube
bei Cólleda, aus der Sammlung des Oberstabsarztes Dr. Schwabe zu Weimar
(Katal. S. 543. 5. Nr. 15). Nach meiner Notiz ist sie gleichfalls aus Kupfer. Sie
misst in der Länge 278 mm, in der Breite an den Schneiden 48 mm, in der Mitte
26. Das in letzterer gelegene runde Loch hat einen Durchmesser von 14 mm
und ist an der einen Seite etwas weiter von dem Rande entfernt.
Alle diese Stücke haben das Gemeinsame, dass die beiden Schneiden in
gleicher Ebene liegen und sehr breit sind, während der mittlere Theil und das
darin gelegene Loch so eng sind, dass man sich fragen muss, wozu eigentlich
dieses Loch benutzt wurde, Ein viereckiges Loch von 8 auf 5 mm Durchmesser
(Westeregeln Nr. 3) oder von 8 mm Länge und Breite (Altenburg Nr. 2) konnte
nicht füglich ein Stielloch sein; nicht einmal ein rundes Loch von 14 mm Durch-
messer (Cölleda Nr. 4) reicht dazu aus. Durch ein solches konnte höchstens ein
Lederriemen oder ein Baststreifen gezogen werden, . um die Axt an dem Stiel zu
befestigen. Für eine solche Erörterung ist es an sich gleichgültig, ob man das
Ding eine Axt oder einen Meissel nennt, denn auch letzterer musste befestigt
werden. Indess ist die Deutung als Meisse] schwerlich annebmbar, wenn man die
vollständige Uebereinstimmung jeder der beiden Hälften mit einer Bronzeaxt in
Betracht zieht. Ob eine solche Einrichtung sehr zweckmässig ist, muss fraglich
erscheinen; sie war aber wohl nur eine traditionelle, aus einer Zeit herübergebracht,
wo man die Aexte nicht schäftete, sondern band; in dieser Beziehung dürfen sie
als Zeugen einer archaischen Zeit angesehen werden.
Sonderbarerweise hat dasjenige Land, welches in Europa der Hauptrepriisen-
tant der Kupfercultur ist und in welchem Doppeläxte aus Kupfer in der That sehr
(461)
zahlreich sind, nehmlich Ungarn, einen ganz anderen Typus der letzteren. Pulszky
(Die Kupferzeit in Ungarn. Budapest 1884. 8. 64) bezeichnet als gewöhnliche ungari-
sche Form den , Kupferstreithammer mit zwei, im Kreuz stehenden Schneiden“.
Unter der Zahl solcher Streithimmer, die er abbildet (Taf. XXIX und XXX),
St nicht ein einziger mit gleichgestellten Schneiden; immer steht die eine Schneide
"1 einem rechten Winkel gegen die andere. Was er von ,Doppelbeilen* sagt
(8. 93), scheint sich freilich auf solche Stücke, wie die unsrigen, zu beziehen, aber,
Wenn ich ihn recht verstehe, so wären nur 2 solcher Stücke in Ungarn gefunden
Worden und diese aus Bronze. Auch Lindenschmit (Alterth. heidn. Vorzeit IL 3.
Taf. IL Nr. 1—2) bildet eine ungarische Doppelaxt von ,Erz“ aus dem Museum
X Zürich ab, welche gleichgerichtete Schneiden, im Uebrigen aber wenig Aehnlich-
keit Mit den unsrigen hat; in sehr bezeichnender Weise folgt unmittelbar darauf
bei ihm (Nr. 3—4) ein zweites ungarisches Exemplar von Kupfer aus demselben
Museum und dieses hat gekreuzte Schneiden. Für die weitere Frage nach der
Herkunft dieser Formen möchte ich hervorheben, dass die Doppelaxt mit
Sleichgerichteten Schneiden vorzugsweise in Griechenland und Vorder-
‘sien Vorkommí, dagegen die Doppelaxt mit gekreuzten Schneiden im
Nördlichen Kaukasus. In letzterer Beziehung verweise ich auf “die eisernen
Doppelbeilehon von Tschmy, Tscheghem und Besinghy (Verh. 1890. S. 432, 437
Ind 447, Fig. 34 und 52); in ersterer erwähne ich, dass ich vor 3 Jahren unter
den Neuen Funden auf dem Parthenon zu Athen „Bronzeäxte mit centralem Loch
"nd doppelten, gleichsinnig gerichteten Schneiden“ notirt habe.
Die Aehnlichkeit mancher deutschen Doppelbeile unter einander ist so gross,
dass màn an eine gemeinschaftliche Bezugsquelle zu denken veranlasst wird. Das
Merkwürdigste in dieser Beziehung sind die zwei Stücke von Friedolsheim und
"on Mainz, welche auf den flachen Seiten ornamentirt sind, und zwar mit genau
demselbon Muster, das doch sicherlich nicht zweimal neu erfunden sein wird.
Andererseits haben die Doppeläxte mit gekreuzt stehenden Schneiden so grosse
MEM Theil noch durch vorspringende Ränder gestützte Löcher, dass sie, wie
Schon Handelmann (Verhandl. 1881. S. 47) mit Recht hervorgehoben hat, sich
VeSentlich unterscheiden. ME
8 Die Lage der bisherigen Fundorte von Doppeläxten mit gleichgerichteten
chneiden könnte auf einen südlichen Import hinweisen. Da die Doppelaxt von
Kotz in den Funden von Westeregeln, Altenburg und Cólleda westliche Nachbarn
“Sitzt und die rheinischen Funde von einem schweizerischen Pfahlbaufunde fort-
at werden, scheint eine mogliche Reihe hergestellt. Indess wird eine noch
as €rneute Priifung erforderlich sein, bevor man einen solchen Schluss definitiv
2 "nmi Dabei werden die beiden aufgeführten Kategorien streng von einander
1 Scheiden sein. — |
lich Endlich der Schädel, welchen Hr. Schwartz mir übergeben hat, zeigt deut-
"T Einwirkung des Torfwassers, welches die Sandschichl m der er lag, nds
Schr di Er ist sehr fest, von dunkelgrauem, glnren ou n. holt ere dox
Lamp et. Von dem Hinterhauptsbem 1st nichts vor a P : von er >P sse
Loch @naht an bis zu der Gegend der sphenooccipitalen ES reicht ein grosses
zu b. an dem auch das linke Schläfenbein theilnimmt. Die wenigen, überhaupt
éstimmenden Maasse sind folgende:
Schädelkapsel.
Grôsste Breite . . 141 mm Stirnbreite . . . . . 100 mm
Ohrhôhe . . . . 115 , Temporaldurchmesser . 115 ,
(462)
Entfernung des Foramen magnum von der Nasenwurzel 111 mm
» » » » vom Nasenstachel . 117 ,
» » » » , Alveolarrand . 122 ,
Sagittalumfang des Stirnbeins . . . . . . 182 ,
» der Parietalia . . 135 ,
Gesicht.
Gesichtshéhe B. . . . . . . 67 ,
Malarbreite . . . . Cee 100
Orbita, Hohe Cee ee . 29 4,
» Breite s 2. 96 ,
Nase, Hóhe . s . 52 ,
, Breite. . . . . Cee | . 24 ,
Gaumen, Lànge. . . . n 55 ,
» Breite. . . 40 ,
Berechnete Indices.
Orbitalindex . . . . . . . . . . . 7183
Nasenindex . . . . . . . . . . 46,1
Gaumenindex . . . 72,7
Der Schädel hat einem älteren, sehr kriftigen Manne angehört. Er ist gross
breit, aber auch stark gestreckt. Die sagittalen Umfangsmaasse des Vorder- und
Mittelkopfes gehen betrüchtlich über die Mittelwerthe hinaus. Die Nühte sind offer
Die Stirn breit (100 mm), gewólbt. Glabella mássig vertieft, Tubera deutlich, die
Orbitalrànder glatt, der Nasenfortsatz vorgewólbi, mit einem Rest der Stirnnaht;
der hintere Abschnitt des Stirnbeins lang und ansteigend. Lange Scheitelcurve:
Schläfengegend normal. — Gesicht sehr kräftig. Grosse Wangenbeine mit starke?
temporaler Tuberositit. Oberkiefer niedrig, aber stark, insbesondere gegen d$
Wangenbein hin kräftig entwickelt. Orbitae niedrig und breit, der obere Rand
mehr schräg, der untere fast gerade gestellt, Index 78,3, ultrachamaekonch
Die Nase mit breitem, leicht vertieftem Ansatz, eingebogenem, gerundetem Rücken;
die Nasenbeine durch Bruch entstellt; Index 46,1, leptorrhin. Alveolarfortsat?
kurz (15 mm), vortretend, prognath. Es sind nur 3 Zähne vorhanden: der link?
Molaris III mit unversehrter Krone und die Molares I und II rechts, die stark ab”
geschliffen sind. Die leeren Alveolen, sowohl der Incisiven, als der Praemolare?
gross, die Zahncurve weit, nach hinten zusammengebogen. Gaumen flach, mii
weiter Ausbuchtung, die Plaite nach vorn etwas zugeschrügt, hinten breit; Inde*
72,7, leptostaphylin (?zweifelhaft wegen der defekten Molaren). Unterkiefer
fehlt. —
Man darf wohl vermuthen, dass der Schüdel hypsimesocephal gewesen ist.
Bei der früheren Ausgrabung des Burgwalles waren auffülligerweise nebe?
einander 3 GSchüdel ohne alle weiteren Skeletknochen gefunden worden. sie
zeigten sämmilich um das Hinterhauptsloch grosse Defekte, welche, wie ich aus
führlich nachgewiesen habe (Verhandl. 1884. S. 55), nicht anders entstanden sel!
können, als durch Köpfen. Ich hielt daher diese Schädel für Kriegstrophäen. In
dem jetzigen Falle ist nach der Angabe ein ganzes Gerippe gefunden, aber U?
glücklicherweise ist nichts davon mitgekommen. Spuren gewaltsamer Verletzur8
sind um das Foramen magnum nicht wahrzunehmen. Hier fehlen also all
Parallelen.
Im Uebrigen lässt sich nicht verkennen, dass manche Uebereinstimmung YO
handen ist. Ganz besonders ist dies der Fall in Betreff der Orbitae, welche be
(463)
allen 3 früheren Schädeln chamaekonch waren, — eine Eigenschaft, die mich
Stets an slavische Formen erinnert. Die Nase variirte mehr, indem sie bei 2 Schä-
deln schwach mesorrhin, bei einem hyperleptorrhin war, was nicht hindert, sie im
Ganzen, wie bei dem jetzigen Schädel, schmal zu nennen. Auch die Gaumenform
wies sich als unbeständig. —
38 (23) Hr. Gymnasialoberlehrer Dr. Krause in Gleiwitz schreibt unter dem
* über
ein Zeusbild aus Ilium.
Es erscheint auffallend, dass unter den zahlreichen Gegenstünden, welche auf
der Stätte des alten Troja gefunden worden sind, sich nirgends eine Abbildung
des Zeus darbietet, während es bekannt ist, dass der Donnergott in Troja hoch
Yerehrt wurde. Am Altare des Zeus nehmlich war König Priamos erschlagen
Worden, Diese Erzählung beweist uns, dass dem Zeus ein Altar in Troja geweiht
Var, und dass der Donnergott von den Trojanern durch Opfer geehrt wurde. Es
It also auch zu vermuthen, dass die Trojaner diesen Gott bildlich dargestellt
saben, in gleicher Weise, wie dies mit Pallas Athene geschah. Obwohl unter den
i Niemann’ schen Funden nirgends eine Darstellung des Zeus erwähnt wird, so
% dennoch eine solche vorhanden. In dem Werke Schliemann’s, Ilios, findet
Sich S. 688 die Abbildung einer archaischen Figur aus Terracotta, welche wir hier
Medergeben (Fig. 1).
ner JE, Figur 3 welche - Figur d
von uss auf-
enden wurde und aus der
8 pren Stadt stammt, deutet
stg mann als die Dar-
Ing ung eines alten Mannes.
Bilg liegt hier zweifellos ein
Wie des trojanischen Zeus vor,
nen i? Blitzbündel oder Don-
beig elle beweisen, welche zu
an en Seiten des Bildwerks
ght sind, und welche
Vor von Schliemann her-
Koo hoben werden. Der
"i wollte den trojani-
Stoll Zeus in seiner Dar-
A 0g als Donnergott zum D. .
“Sdruck bringen, und dazu Ve der natürlichen Grösse,
en die Donnerkeile, welche | | |
ere ad des Gottes beigegeben sind, das geeignetste Mittel. Der Gott selbst
S: eint in dieser Darstellung mit langem Barte und mui phrygischer Mütze oder
annt. Ist auch diese archaische Pigur roh und weit von derjenigen idealen
ist Assung entfernt, wie sie in dem Zeus von Otricoli vor unsere Augen tritt, so
3é dennoch das Bild des Zeus, des Donnergottes.
Sich Auch mehrere andere Gegenstände sind in ]lium gefunden worden, welche
(Bi auf den Zeuscultus beziehen, nehmlich eine Anzahl kleiner Thontäfelchen
die: 24), welche den Blitz und den Regen darstellen. Der Blitz erscheint auf
Dann Täfelchen entweder in der Form von vielverschlungenen Gewinden oder als
Nerkeil mit Flügeln. Die Deutung dieser Täfelchen als Darstellung des Blitzes
(464)
A / s /
' Les
/ AN,
‘ - | i gs
!/, der natürlichen Grósse.
und des Donnerkeiles findet sich schon in dem Schliemann'schen Werke aus-
gesprochen. Dagegen hat eine Darstellung des Gewitters, welche auf zwei anderen
trojanischen 'Tüfelehen gegeben ist, bis Jetzt noch keine Erklärung gefunden. Hier
ist die Abbildung derselben, wie sie sich in Schliemann’s Ilios S. 690 vorfindet
(Fig. 5, 6).
Diese beiden Thontüfelchen stellen offenbar das Gewitter dar. Auf dem ersten
Tüfelehen ist der Himmel mit seinem Regengewólk durch einen Kreis dargestellt,
welcher zahlreiche Regentropfen enthült. Die zweiie Kreisscheibe mit den Wasser-
tropfen stellt die Erdscheibe dar, auf welche der Regen herniederfüllt. Himmel
und Erde sind durch den Blitz verbunden, welcher in zwei senkrechten Strahlen
niederfährt. Auch auf dem zweiten Täfelchen wird es jetzt leicht sein, den Himmel
und die Erde, sowie auch den Blitz wieder zu erkennen, welcher in Gestalt eines
zweitheiligen Flammenbündels auf die noch trockene Erde herabfährt. Diese
kleinen Thontäfelchen, welche in der halben Grösse abgebildet sind, haben sicher-
lich auf die Verehrung des Zeus Bezug und vertraten das Bild des Donnergottes-
Es sind Gegenstände des frommen Cultus, welche die Stelle unserer religiösen
Bilder vertreten haben mögen. Wer die heilige Stadt Ilios betrat und die Cultus-
stätte des Zeus besuchte, wird dergleichen religiöse Gegenstände als Andenken er-
worben und nach der Heimath mitgenommen haben, wie man in unserer Zeit von
den Wallfahrtstätten religiöse Bilder als Andenken nach der Heimath mitzunehmen
pflegt. —
(24) Hr C. Mehlis, Vorstand des Alterihumsvereins in Dürkheim a, d. H.,
schreibt unter dem 19. an Hrn. Virchow über
das früheste Vorkommen arabischer Zahlenzeichen in Deutschland.
„Ich bedaure sehr, dass ich zu Ostern, wie Sie hier waren, verreist war. Ich
hätte Sie dann von einer vierten, in arabischen Zeichen geschriebenen Jahreszahl
in Kenntniss setzen können. Es giebt deren hier folgende:
1) Limburg 1153.
2) Schlosseck 1202.
3) Brunheldisstuhl 1204.
4) Drachenfels (noch nicht publicirt).
v . Dieselbe steht auf anstehendem Fels am
« 7. vr | Boden in der früher unzugünglichen (seit 1859
I zugänglichen) Drachenhöhle, ist von mir drei
mal genau copirt und hat nebenstehende Zeichen:
ei 3 e
PM
(465)
Nach Prof. Wattenbach’s Specialwerk über lateinische Palaeographie zu lesen
= 1249,
Das „4“ ist sehr charakteristisch und kommt nur im 12.—13. Jahrhundert so
Vor (vgl. Wattenbach a. a. O. 4. Aufl. Beispiele S. 101—102).
Vor dieser Zahl (Differenz 30 cm) steht
IRR SAA
^ Irrsaal x ist Interpunetionszeichen; da aber nach L am Felsen kein Platz
Mehr war, machte der Schreiber es vorher. Nach dem Schriftcharakter (bezeich-
"end sind die beiden A) können beide Inschriften derselben Zeit entstammen.
Diese zwei Inschriften bilden dann eine Reihe:
.Irrsaal. .1249
Dicht daneben (1.m nach Westen) steht am Felsen eine im Detail noch nicht
Sanz festgestellte Runeninschrift.
Den Drachenfels umzieht eine rómische Verschanzung aus dem 4. Jahrh.
Funde Spütrómischen Charakters von dort im Alterthumsvereine: a) Lanzeneisen,
y Hacken, c) Meissel; d) verschiedene Gefüssreste. —
. Hr.Rud. Virchow erinnert an seine Controverse mit den Schweizer Gelehrten
Über die Zeitbestimmung einer Jahreszahl an einem schweizer Bauernhause. —
(25) Hr. Dr. Fr. Theile in Lockwitz bei Drésden berichtet in einem Briefe
vom 19, April an Hrn. Virchow über die Auffindung
neuer Slaven-Gräber bei Sobrigau.
Als Ergänzung zu dem von Ihnen im October-Heft 1889 der Verhandlungen
der Berliner Gesellschaft für Anthropologie mitgetheillen Gräberfunde bei
Sobrigau erlaube ich mir, Ihnen den Separat-Abdruck einer Besprechung jener
alten Christengriber zuzustellen®). ol
I Ich bedaure mit Ihnen, dass die erste Ausgrabung, die in mehrfacher Hinsicht
Meressantos bot, nicht in Gegenwart Sachverstündiger gemacht worden ist. Es ist
deshalb manches dabei verloren gegangen, was für die Wissenschaft erhalten
Verden konnte, wie die vollständige Urne und deren Inhalt, die beiden Schädel
Sow, Die späteren Ausgrabungen erfolgten unter sachkundiger Leitung.
. Zu den von Ihnen nach der kleinen illustrirten Zeitschrift ,Bergblumen^ co-
Sen Grabsteinen sind noch zwei hinzugekommen. Den von mir mit Nr. 5 be-
a, Beton hat sich der Königl. Sächsische Alterthumsverein erbeten, um denselben
% Selnem Museum im Kgl. „grossen Garten“ bei Dresden aufzustellen. Auf Grab-
m Nr. 4 reflectirt eine Section unseres Gebirgsvereins. Nr. 2 liegt noch am Feld-
Eni" Jedenfalls liegen auf der Grüberstütte noch mehr derartige Steine unter der
decke verborgen. | _
ti In Bezug auf die Zeit, aus welcher diese herrühren, dürfte wohl ein 600jäh-
ses Alter derselben, wie solches in den Verhandlungen angegeben ist, nicht ganz
Di) Fr, Theile, Uralte Christengrüber bei Sobrigau unweit Lockwitz bei Dresden.
die Shr 1891. Aus der Zeitschrift , Ueber Berg und Thal“, Organ des Gebirgsvereins für
chsische Schweiz. Jahrg. 1891. Nr. 3.
Verhangj, der Berl Anthropol Gesellschaft 1891.
30
(466)
genügen. Da in Sachsen nach Niederwerfung der Sorbowenden durch die Grün-
dung des Bisthums Meissen (965) das Christenthum Eingang fand, so muss man
jene 600 Jahre wohl noch um ein paar Jahrhunderte vermehren.
Unsere Gegend ist nicht arm an unterirdischen Schätzen. Vielleicht fördert
die Zukunft noch mehrere derselben zu Tage. In Lockwitz wurde vor 9 Jahren
beim Grundgraben zu einem Hause eine germanische Gräberstätte blossgelegt-
Den kurzen Bericht, den ich damals in der von mir redigirten Zeitschrift ,Ueber
Berg und Thal“ (Jahrg. 1882. Nr. 9) gab, erlaube ich mir beizulegen. Unter den
damaligen Fundgegenständen war mir insbesondere das dort abgebildete Stück
Wandbewurf interessant, da es so recht handgreiflich auf das Material hinweist,
aus welchen der alte Germane seine Hütten erbaute. Es ist von einigen bezweifelt
worden, ob der Platz, auf welchem jene Urnenscherben u. s. w. gefunden wurden,
auch wirklich eine Grabstätte gewesen sei und nicht vielmehr eine Ablagerungs-
státte von Küchenabraum. Sollte letzteres wirklich der Fall sein, so müsste e$
rüthselhaft erscheinen, warum man so viele derartige Ablagerungsplitze auf so
kleinem Raum beisammen eingerichtet hat. Auf einer Fläche von 14,5 auf
11 m fanden sich in müssigen Abstünden kesselfórmige, mit schwarzer Erde ge-
füllte Vertiefungen, welche nicht in Reihen geordnet, sondern unregelmässig ver-
theilt waren. Endlich, was sollten die Steine in solchen Abraumlöchern be-
zwecken? Von Knochenüberresten ist allerdings, so viel ich weiss, nichts vor-
gefunden worden, aber ich konnte freilich auch immer nur kurze Zeit dem ge-
dachten Grundgraben zu einem Gebäude beiwohnen, da ich zu jener Zeit vielfach
in Dresden in Anspruch genommen war. Aber im Ganzen hatte ich doch die
Ueberzeugung gewonnen, dass hier eine alte Grabstütte erschlossen worden war.
Der auffülig humose Boden in den einzelnen kesselfórmigen Vertiefungen ist mir
aber nicht klar. Ich hielt ihn für die Ueberreste der Scheiterhaufen, die zur
Leichenverbrennung gedient haben, da ich keine andere Erklürung dafür auffinden
konnte. —
Hr. Rud. Virchow: Die von Hrn. Theile 1882 beschriebene Stelle wiirde wobl
allgemein als ein alter Wohnplatz gedeutet werden. Die in der Zahl von 24— 26
aufgefundenen Brandgruben haben in der That nichts ergeben, was auf Leichen-
brand bezogen werden könnte. Wären darin menschliche Leichen verbrannt worden,
so würden sicherlich auch Knochenreste aufgefunden. sein, denn gerade gebrannte
Knochen widerstehen den Einflüssen der Erde ungleich länger und besser, als
ungebrannte. Die wenigen Manufakte, welche zu Tage gefördert wurden, waren
ausschliesslich thónerne: Gefüssreste, ein sog. Gewicht und ein Stück Lehmbewurf.
Sie unterscheiden sich in nichts von den Funden auf alten Wohnplätzen. Ich er-
innere beispielsweise an den Burgwall von Niemitsch in der Niederlausitz.
Die neuen Gräber sind unter Leitung des Hrn. Deichmüller geöffnet worden-
Die erste Untersuchung war mit Ausnahme des Decksteines, einer flachen, läng-
lichen, mit einem eingeritzten Kreuz versehenen Platte aus Pläner Sandstein, ohne
Ergebniss. Die andere lieferte einen ähnlichen Deckstein mit einem, sauber aus
dem Stein bis zur Hohe von etwa 1 cm herausgearbeiteten Kreuz, das jedoch schief
gestellt ist, und ein weibliches Skelet, bedeckt mit faustgrossen Steinen. Neben
letzterem fand sich ein 1,40 m langer, wenige Centimeter breiter und etwa 3 cm
dicker, schwarzer Streifen, anscheinend ein Holzrest. Etwas oberhalb des Skelets
lag ein kleiner, offener und nicht ganz zusammenschliessender Bronzering und i?
dessen Nühe und in gleicher Hóhe ein schwach grünlich gefärbtes Felsenbein-
Obwohl dieser Ring nicht die gewöhnliche Form der sog. Schläfenringe darbietet,
(467)
SO scheint er doch nach der Zeichnung für einen blossen Ohrring zu stark zu sein,
"nd es wäre daher wohl möglich, dass er nach Art der Schläfenringe an einem
Lederstreif in der Gegend des Ohres getragen worden ist. |
Hr. Theile bemerkt bei dieser Gelegenheit, dass in der Nähe von Sobrigau
“Wei Burgwiille vorhanden sind: der eine, noch jetzt Burgberg genannt, nahe bei
Lockwitz am westlichen Bergabhange, der andere oberhalb der Hummelmühle im
Lockwitz-Grunde. —
(26) Hr. Schumann zu Lócknitiz berichtet unter dem 1. Mai über
freiliegende neolithische Skeletgräber von Glasow bei Löcknitz (Pommern).
Au einer früheren Stelle (Verh. 1890. S. 478) habe ich über eine bisher hier
toch wenig beachtete Form von neolithischen Gräbern berichtet, über die frei-
liegenden Skeletgräber, — Gräber, in denen die Skelette mit einzelnen Steingeräthen
"d ab und zu mit Gefüssen ohne Steinkisten im Boden ausgestreckt liegen. Gräber
dieser Art sind aus Pommern noch wenige beschrieben, da dieselben, unscheinbar
and Von aussen durch nichts markirt, bei weitem weniger in die Augen fielen, als
de Srossen Hünengräber mit ihren zum Theil gewaltigen Steinkisten. Ich erinnere
hierbei nur an die von Stolzenburg bei Pasewalk (Verh. 1886. S. 607) und von
Lebehn (Verh. 1889. 8. 217). |
.. Von dem, zu den freiliegenden gehörigen Grabe von Moor bei Brüssow konnte
ch nur über ein Gefüss berichten; ich bin nun auch in der Lage, über emen hierher
SChörigen Schädel Mittheilung machen zu können. Auf dem Grund und Boden des
Bauerhofsbesitzers Wendt, der zwischen Retzin und Glasow, dicht am Randow-
tha) ausgebaut, wohnt, wird zur Zeit Moorcultur angelegt. Der zur Bedeckung
des Bruchlandes im Randowthal nöthige Sand wird dem Ufer des Thales selbst
“nommen. Bei Gelegenheit des Sandabfahrens fanden sich 3 Skelette.
Dieselben lagen etwa 2 Fuss tief unter der Oberflüche, mit dem Kopfe nach
Osten, den Beinen nach Westen gerichtet, gerade ausgestreckt. Dieselben waren
Teder mit Steinen bedeckt, noch mit solchen umgeben. Gefässe wurden bei den-
Selben ‚nicht bemerkt, wohl aber prismatische Feuersteinmesserchen. Von
Metallbeigaben keine Spur. Leider wurde wegen der Unachtsamkeit der Arbeiter
AT der eine Schädel gerettet. Derselbe war gut erhalten, doch fehlten. die
Gesichtsknochen letztere wurden von mir noch an Ort und Stelle gefunden,
li dass sich das Gesicht restauriren
. S. Vom Unterkiefer war nur
Och ein grösseres Bruchstück auf-
’ufinden.
lago müssig grosse Schüdel (Cap.
an ) ist von gelblich grauer Farbe,
oh der Zunge leicht klebend, von
Vols Form. Die Sagittalnaht ist
nap dig verwachsen, die Kronen-
nah; fast vollständig, die Lambda-
Stings thren oberen Theilen, voll-
Kno 38 die Spheno-parietalnaht. Der
"A ieR ist stark, die Muskelvor-
ns Age stark entwickelt, Form |
Anlich, ET
Vo
30*
(468)
In der Norma verticalis bildet der Schädel ein fast regelmässiges Oval.
In der Norma temporalis zeigt er ganz eminent entwickelte Supraorbital-
wiilste. Die Stirn ist müssig hoch und wendet sich ganz allmáhlich nach oben
und hinten. Dicht vor den Tub. parietal. erreicht der Schädel seine grösste
Höhe. Zwischen der Kronennaht und der höchsten Erhebung findet sich eine
leichte querverlaufende Einsattelung. Das starke Hinterhaupt verläuft allmählich
nach hinten und unten und wird nur durch eine sehr starke Crista superior und. eine
Protuberantia der Occipitalschuppe unterbrochen. Diese beiden so ausserordentlich
stark entwickelten Knochenvorsprünge sind auch der Grund der hochgradigen
Dolichocephalie des Schädels (Längenbreitenindex 68,7). Die Ansatzlinie des
Schläfenmuskels hoch und sehr deutlich markirt.
Norma frontalis: Die Stirn ist breit (99 mm) und nur mässig hoch, die
Orbitae an der Innenseite niedriger wie aussen, eher länglich viereckig, mit den
äusseren Winkeln nach unten gezogen.
Norma occipitalis: Hohes Fünfeck mit etwas eingezogenen, nach oben con-
vergirenden Seiten, mit besonders starker Intermasioidealdistanz (aussen 137 mm)
und sehr starker Crista superior.
Norma basilaris: Foramen magnum lang und schmal (40: 32 mm). Gelenk-
fortsäitze etwas nach vorn gewendet. Processus styloides kurz, aber breit. Gaumen
eher schmal; die horizontalen Platten der Gaumenbeine in der Mitte verwachsen
und. in ihrer vorderen Partie, dicht hinter der Transversalnaht, eine rombenformige
Hervorragung bildend. Der Gaumenfortsatz des Oberkiefers unterseits rauh, von
kleinen Lochelchen durchsetzt, aber ohne Torus palat.
I. Maasse.
Capacitat. . . . . . , . . 1880 cem
Gerade Lánge . . . , |. 192 mm
Grósste Lànge. .. | , 192 ,
» DBreite 132 ,
Hóhe (vorderer Rand des Foramen magnum). . . 141 ,
» (hinterer » » » » ). . 148 »
Ohrhóhe . . . , |, , | | D. 0.2. 198,
Minimale Stirnbreite . | | . 0. 99 ,
Horizontalumfang, , 1 | | m 524
Ganzer Sagittalbogen . | | | | . 385 ,
Lénge der Stim . , | | / ; 0. 133 ,
Breite der Occipitalsehuppe . . . . 0. 109 ,
Querumfang. . . . . 316 ,
Enifernung des Foramen magnum von der Nasenwurzel 118 »
» » Ohrloches » » » 120 »
Mastoidealdurchmesser, Spitze . . . ... H8 ,
» Basis (aussen) . . 187 ,
Foramen magnum, Länge . . . | 40 ,
» » Breite M . 32 »
Gesichtsbreite (malar) . . . . . ... 1022,
Obergesichtshôhe . . . . 0... 692,
Nase, Hohe . . . . 0 4,
» Bree . .. n 00. 209,
Orbita, Höhe . . . 2. 0. 88 ,
n Breite Co s 00. 44,
(469)
Gaumen, Länge . . . 2. 40 omm
» Breite . . 38 ,
II. Berechnete Indices.
Längenbreitenindex . . 68,7 Nasenindex . . . . 57,5?
Längenhöhenindex . . 73,5 Orbitalindex . - . 15,0
Ohrhóhenindex. . . . 640 Gaumenindex . . . . 809
(27) Hr. v. Chlin gensperg-Berg in Reichenhall überschickt für das Trachten-
Museum einen
Blutstein.
8 Derselbe hat nach ihm eine ähnliche Bestimmung gehabt, wie der in der vorigen
lizung (S. 408. Fig. 2) vorgelegte Adlerstein. Indess ist derselbe offenbar bestimmt
S*Wesen, nach Art eines Amulets an einem Bande getragen zu werden. Er besteht
“US einer herzartig gestalteten Platte, wie es scheint, aus Serpentin, welche in einer
Silbernen Fassung steckt (Fig. 1). Letztere deckt. die hintere Fläche vollständig
YWionr Figur 2.
£
ud 1st hier mit einer feinen Ciselirung besetzt (Fig. 9); nach vorn fasst sie mit
"Zén Blüttchen über den Rand der Platte. Letztere ist ganz glatt polirt und hat
am ganz g
seh Oberen Ende ein rundes Loch. Excentrisch davon ist eine kleine runde Fläche
In * Sauber ausgearbeitet und wahrscheinlich früher noch mit einem Zeichen im
Voom versehen gewesen. Am oberen Rande hat die Silberplatte einen ringfórmigen
"Sprung, in welchem ein grösserer länglicher Ring hängt. —
St (28) Hr. W. Reiss kündigt die Enthüllung von Nachtigal’s Büste zu
Éndal für den 25. Juni an.
Hi 2). Hr. Paul Ehrenreich iibergiebt photographische Aufnahmen von
Sarlik, die er im vorigen Jahre gefertigt hat.
(30) Hr, Rug. Virchow zeigt
ein friihreifes Madchen aus Berlin.
wir s Kind, welches uns heute von den Angehörigen unaufgefordert zugesendet
Tisch] erschien schon vor einigen Monaten mit seinem Vater, einem hiesigen
Es iU Im Pathologischen Institut und ist damals von mir untersucht worden.
hai nid 14. Juni 1886 geboren, gegenwärtig also nahezu 5 Jahre alt. Der Vater
chts Besonderes an sich, die Mutter, die ich nicht gesehen habe, wie die
(470)
anderen Kinder, 3 an der Zahl, sollen normal gebaut sein. Johanna hatte zur Zeit
meiner Untersuchung eine Hohe von 1,21 m und eine Schulterbreite von 30 em.
Ihr Haar ist ungewöhnlich stark entwickelt. Das dunkelblonde Kopfhaar ist dicht,
lang und wellig. Gesicht und Stirn haben, wie der Kórper im Ganzen, eine weisse
Farbe, zeigen aber, wie bei dem Vater, zahlreiche cyanotische Flecke. Augen hell-
blau. Auf der Oberlippe ein spriessender Schnurrbart, ebenso eine blonde, aber
kurze Behaarung der Backen- und Kinngegend. Vom Kopfe her erstreckt sich
über den Nacken und die obere Rückengegend ein medianer Zug hellblonder, bis
3 em langer, nach abwärts gerichteter, ziemlich steifer Haare. Der mittlere Theil
des Rückens ist ziemlich frei; erst gegen die Kreuzgegend werden die Haare
wieder stärker und convergiren von beiden Seiten gegen die Crena. Die äusseren
Genitalien und der Mons Veneris sind mit einem mächtigen Besatz langer brauner
Haare versehen. Sonst ist der Vordertheil des Rumpfes, der zahlreiche Flecke
von Pityriasis versicolor zeigt, wenig behaart, insbesondere ist der Bauch ziemlich
frei, besonders die Nabelgegend. An den Brüsten starke Warzen mit breiter,
fleckig brauner Aureola, unter der man jedoch keine Drüsensubstanz fühlt. Die
Oberarme mässig, die stark blaurothen Vorderarme wenig behaart. Die Schenkel
sehr stark behaart: an den Oberschenkeln stehen die Haare fast horizontal und
sind nach hinten gerichtet.
Nach der Angabe des Vaters hat das starke Wachsthum der Haare erst mit
dem October 1889, also im Alter von 3!/, Jahren, begonnen. Gleichzeitig haben
die Körperformen an Fülle und Rundung zugenommen. Dagegen scheint die
geistige Entwickelung eher zurückgeblieben zu sein: das Kind macht einen etwas
blödsinnigen Eindruck. Was jedoch am meisten überrascht, ist seine tiefe und
rauhe Stimme, welche derjenigen eines schlecht erzogenen Burschen von 15 Jahren
ähnlich klingt.
Es wird nicht ohne Interesse sein, die Geschichte des Mädchens weiter zu
verfolgen.
(31) Hr. Ingenieur Carl Giebler hat bei der Anlage der neuen städtischen
Wasserwerke am Müggelsee ein grösseres
Urnenfeld bei Münchehofe
aufgefunden und legt die Fundstücke vor. Darunter befindet sich ein grósseres
wannenartiges Thongefäss.
(32) Hr. R. Hartmann hält einen Vortrag
über Fettsteissbildung beim Menschen und bei gewissen Säugethieren,
sowie über die Fettbuckel der Zebu und Kameele.
Der verdiente Direktor unseres zoologischen Gartens, Hr. Dr. Heck, hat mir
einige, unserem langjährigen Freunde und Förderer K. Hagenbeck gehörende
Photographien von Hottentotten-Weibern mit dem Ersuchen zugestellt, diese Blätter
Ihnen vorzulegen. Dieselben stellen Korana-Weiber dar, welche durch Hagen-
beck, in Begleifung einiger Münner, vor Jahr und Tag im Jardin d’acclimatation
zu Paris ausgestellt worden waren.
Sie bemerken zunächst ein wohlgebautes jüngeres Bastard- Hottentotten- Weib-
Die hier kaum angedeutete Steatopygie entwickelt sich bei den anderen, jüngeren
und älteren Korana-Weibern in z. Th. hóchst auffallender Weise, namentlich bel
einem älteren Weibe, dessen Physiognomie in Manchem an eine Buschfrau er-
(471)
mnern könnte. Bei dieser Frau und bei einigen anderen Individuen gehen kolossale
Bildungen von Fettwulstungen an Rücken, Lenden und Unterschenkeln mit einander
Hand in Hand, wogegen Schultern, Brust, und Arme davon ziemlich frei bleiben.
Zur Vergleichung lege ich eine Reihe von Zeichnungen vor:
1) die farbigen Darstellungen der vor etlichen Jahren in Berlin zur Aus-
Stellung gelangten Buschfrauen Fagediö, genannt Fitzi und Faewetie, genannt Annie-
Ich habe käufliche Photographien dieser Weiber, unter Vergrösserung mit dem
Pantographen, meinen Zeichnungen zu Grunde gelegt, denen ich das natürliche
Colorit nach dem Leben zu verleihen suchte. Es ist dies ein von mir häufiger
Nicht ohne Erfolg beobachtetes Verfahren zur Anfertigung naturgetreuer anthropo-
logischer Abbildungen. Sie bemerken auch bei Fitzi und Annie eine auffallende
Entwickelung von Steatopygie.
2) eine stark steatopyge Hottentottin, nach einer Photographie stark ver-
8rôssert. Bleistiftzeichnung.
Steatopygie ist bekanntlich keineswegs allein auf Hottentottinnen und Busch-
Männinnen beschränkt. Herr Schweinfurth bemerkte diese gutartige fettige
Hypertrophie bei Bongo-Weibern in reichlichem Maasse (Im Herzen von Afrika,
Neue Ausgabe, 1878, S. 115, Abbildung). Révoil sah sie bei Somal-Frauen
(E. Hamy, Quelques observations sur l’anthropologie des Çomalis in Révoil
Faune et Flore des pays Çomalis, Paris 1882, p. 6). Ich zeige hier vergrósserte
Copien der Révoil'schen Abbildungen, deren Repräsentanten, so viel ich mich
erinnere, 7. Th. auch von Hrn. Prof. W.Joest gesehen worden sind.
Nun erscheint unter den Skulpturen des Tempels zu Deir-el-Bachri in der
Thebaide die Darstellung eines ungeheuer fetten, ausserordentlich steatopygen, vor-
nehmen Weibes von Punt (Somáli-Land) mit charakterisüscher Physiognomie und
Mit Fettknoten am Bauch, an oberen und unteren Extremitäten, deren Copie nach
Mariette-Bey ich gleichfalls umherreiche (Deir-el-Bachari, Leipzig, Hinrichs,
PL. 13). Beim Anblick dieses Bildes haben einzelne daran gedacht, es möge sich
hier wohl um eine Aussätzige handeln. Allein eine solche würde sich den ägypti-
Schen Abgesandten und Flottenmannschaften der Königin Hatasu oder Hatschepsu
(XVII. Dynastie) als vornehme Dame nicht zu prüsentiren gewagt haben, wie denn
?uch ühnliche knotige Fettwulstungen bei sehr korpulenten afrikanischen Weibern
Nicht ungewöhnlich sind. Ich sah dergleichen 1860 bei der ungemein fetten,
Übrigens sehr würdigen Selime aus vornehmem Fungi-Geschlecht zu Hedebät im
Sennär, deren Ehrentitel Mörem (hohe Frau, Fürstin) von den ruchlosen Schlingeln
Wüserer schwarzen Infanteriebedeckung in Marrah (Stute) umgetauft wurde. Einer
dieser Schalksknechte hatte mir vorgeschwatzt, die Selime litte an Aussatz. Ich
fragte deshalb theilnehmend bei ihr an. Sie aber spie dariiber Feuer und Flamme
"nd mit gellender Stimme rief sie mir zu: „Alles Fett, o Hakim-Baschi, nichts
Yon Aussatz“ (Barraç). Sprach'’s und schob ihre wuchtigen, von ranzigem Ricinusôl
riefenden Beine auf meine Knie, damit ich selbst durch Nachfühlen meine Ansicht
Tur bilden kónne.
Sch Die Steatopygie wird bei den afrikanischen Weibern durch die (bei ihnen
M; ON im jugendlichen Alter auftretende, in gewissem Grade auch den dortigen
lei n eigenthümliche) starke Vorwürtsbeugung der Lumbosacral-Gegend er-
der tert. Hervorragende Knochenpartien scheinen Ja überhaupt der Entwickelung,
sch Auflagerung von Lipomen, Atheromen und ähnlichen nicht bösartigen Ge-
G ar einen günstigen Boden zu bereiten. Es ist ein Verdienst des Collegen
oy ritsch, die natürliche Art von „Lordose“ in dem Bau der afrikanischen
rper zuerst genauer gewürdigi zu haben. Eine wulstige Hervorragung des Ge-
(472)
sässes glaubte ich unter dem schmutzigen Gewande der Mérem Selime wahr-
zunehmen. Unzweifelhaft trat sie hervor bei Dahabo, einer sonst wohlgebauten
jungen Frau in Hrn. Jos. Menges vor einem Jahre hier ausgestellter Caravane
von Somäl-Habr-awel. Dasselbe zeigt das genaue, hier vorliegende Farbenbild
eines etwa 13jährigen Bagâra-Mädchens der Kabyle des Schékh Mohamed-Abd-el-
Woched in Dár-Roséres. Dies ist ein sehr roher, kriegerischer Bedja-Stamm, der
einzige, unter dem ich in das Pubertätsalter eintretende Knaben und Mädchen
splitternackt habe umherlaufen und sich ohne Zeichen von Scham vor mir hin-
stellen sehen, sobald ich sie, unter Darreichung der üblichen Geschenke, zu
zeichnen versuchte. Ferner zeige ich Ihnen die nach Dr. J. Falkenstein’s Photo-
graphien aus Loango vergrössert copirten Figuren junger Fiodh-Negerinnen mit
hochgradiger Lumbosacral-Beuge. Das Bild einer Madi-Frau nach Photographie
von R. Buchta lässt dagegen jenes Vorkommen vermissen.
Zur Vergleichung folgen hier noch Aquarellbilder von nackten europäischen
(meist Berliner) Mädchen, unter Zuhülfenahme einiger von mir selbst veranstalteter
Akt-Photographien entworfen. Dann ein Aktbild der Kina-Keahi, Bastard von Chi-
nese und Sandwich-Insulanerin, nach Photographie des Dr. Arning. Dieses Bild
und das der Europäerinnen, sowie eines einer jungen, von mir nach dem Leben
gezeichneten Koptin, bieten keine Spur abnormer Lumbosacral-Beuge dar. Wohl
aber die Copie eines durch Hrn. P. v. B. aufgenommenen Gouache-Bildes eines
aus Mançûrieh stammenden Koptenmädchens.
Eine recht eigenthümliche, den Werth eines Rassencharakters erhaltende
Fetthypertrophie findet sich im Bereiche der Schwanz- und Lendengegend der
sogenannten Fettsteisssehafe (Ovis Aries steatopygos). An diesen Thieren ent-
wickeln sich am hinteren Umfange der Oberschenkel jederseits zwei. übereinander
befindliche Fettwülste. Der kurze, mit verkümmerten und an Zahl reducirten Wir-
beln versehene Schwanz liegt in einem breiten und an der Unterseite verdickt vor-
springenden Fettpolster, dessen unterer Hautbelag glatt und haarlos erscheint (var.
laticauda). Gewöhnlich. wird dies fettige Schwanzpolster von einem dünnen,
klunker- oder bürzelähnlichen Schwanzende überragt. Letzteres kann gerade herab-
hängen oder spiralig gedreht oder emporgekrümmt und dann von einem häutigen
Frenulum gehalten sein (O. Aries steatopygos var. recurvicauda). Ich zeige von
mir nach dem Leben gezeichnete Aquarellbilder aller solcher Varietäten des Fett-
steissschafes, nehmlich vom Widder aus Kleinasien, von Hämmeln der Schoara-
Beduinen im westlichen Unterägypten, aus Där-Borgu, aus Kordufän und aus
Somäli-Land. Einen gewissen Grad solcher Bildung, wie bei der Var. laticauda,
zeigen auch die Merinos und Southdowns, ferner das chinesische Ongti. Sie sehen
zum Vergleich Bilder von Negrettis und von Southdowns der Proskauer Heerde
(1886) und des Ongti aus dem Pariser Jardin d’acclimatation (1867).
Das Fettschwanzschaf (Ovis Aries laticauda sic) hat dagegen einen langen,
zu beiden Seiten der vollwirbeligen Rübe mit Fettpolstern besetzten Schwanz. Die
Spitze des letzteren pflegt die Fetipolster zu überragen (Abbildungen eines Schafes
aus Adzerbeidjan und eines anderen aus der Provinz Qeliübieh, Aegypten) Bei
manchen Varietäten ist die freie Spitze des Schwanzes sogar emporgebogen, so
z. B. bei Ovis Aries laticauda var. capensis seu hottentota. Zur Fettschwanzrasse
mit magerer, Zuweilen günzlich fettpolsterloser Schwanzrübe muss meines Erach-
tens der monumentale Widder Aegyptens und Nubiens gerechnet werden, von denen
ich zwei moderne Exemplare abgebildet habe. Eines derselben war von mir für
die I. Auflage von H. Settegast's rühmlich bekanntem Lehrbuch der Thierzüch-
tung gezeichnet worden. Ein ebenfalls abgebildetes, langschwünziges Schaf aus
(413)
Dongolah mit Hüngeohren, wohl centralafrikanischen Importes, gehórt dagegen zur
Hochbeinrasse (Ov. Ar. var. longipes). Man erkennt ferner einen rechten Verireter
letzterer Rasse in einem, den Illustrated London News von 1866 entnommenen
Holzschnitt. Dies Exemplar stammte aus Nupe oder Nyfe im West-Sudän her.
Vor Jahren habe ich zuweilen, selbst von gewiegten Leuten, die Meinung aus-
Sprechen hüren, auch wohl irgendwo darüber gelesen, dass das Auftreten der Stea-
topygie bei Buschmännern und Hottentotten, sowie diejenige der Fettsteissschafe
Merkwürdigerweise einem gemeinschaftlichen Urboden, nehmlich dem afrikanischen,
Angehôre und auf irgend eine noch dunkle Correlation rathen lasse. Allein derartige
Spekulationen sind irrig, weil das Fettsteissschaf ein verhältnissmässig neuer Import
aus Westasien ist und sich erst nur wenig über die Länder der Galla, Somál, Afer
"nd Aegypter verbreitet hat. Heimisch sind in Africa dagegen die Fetischwanz-
"nd Hochbeinschafe.
Gestatten Sie mir nunmehr einen kurzen Blick auf die buckelbildende
Fett-Hypertrophie des Kappenmuskels (Musculus cucullaris oder trapezius) der
Kameele, Bekanntlich unterscheidet man einhóckerige, über Africa und West-
ASlen verbreitete Kameele (Camelus dromedarius) und zweihóckerige (C. bactria-
Mus), letztere in verschiedenen Gegenden Asiens. Ich will hier die von mir im
ersten Jahrgange der Zeitschrift für Ethnologie u.s. w. ausführlich erórterte Frage,
ob Wir es mit zwei, von einander getrennten Species oder nur mit zwei Varie-
läten einer Art zu thun haben, nicht weiter erörtern. Nicht unerwühnt soll aber
bleiben, dass man an einhóckerigen Kameelen gar nicht so selten eine Tendenz
Zur Bildung zweier, dann allerdings dicht neben einander befindlicher Hócker
Vahrnimmt. Man sieht dies u. À. an der von mir abgebildeten Naga oder Stute,
Sieg von mir zwischen Wadi-Halfah und Neu-Dongolah gerittenen Thieres aus
Abâbde-Zucht. Ferner, wieder zum Vergleich, lege ich die von mir gleichfalls nach
m Leben gezeichneten Aquarelle von Reitkameelen (ügyptisch Hedjin, syrisch
: zelül, moghrebinisch Mehari) der Beni-Amr, eines Hengstes aus Qeliübieh, end-
Ich von Hengsten und Wallachen aus San Rossore bei Pisa vor.
2 Bereits Gurlt sen. hat nachgewiesen, dass die Bildung des Fettbuckels der
a auf einer Fett-Hypertrophie ebenfalls des Kappenmuskels beruhe. Ich zeige
le Bilder von Zebu, Ochs und Kuh aus Nubien, die eines mächtigen senegambi-
Sehen Stieres mit gewaltigem Buckel, mit tief herabhängendem Triel und gleich-
Sebildeter Vorhaut aus dem Jardin d’acclimatation zu Paris, ferner Holzschnitte
oe Maoggu-Zebu und der Denka-Zebu aus Schweinfurth’s Werk, endlich
g, Pen nach H. Salt’s Originalstichen der abyssinischen, grosshornigen Sanka- oder
Anga-Rasse.
Bei cinem von mir zergliederten Zebu-Foetus war der Buckel schon aus-
at und es zeigten sich bereits die wohl sichtbaren Bündel des Kappen-
der jeu von pulpigen Fettablagerungen durchsetzt. Ein ganz ähnliches Bild bot
Ücker eines von mir zergliederten Dromedar-Füllens dar.
oe Grad der Entwickelung des Hóckers bei ein- und zweibuckligen Kameelen,
Rig) bei Zebu, bei welchen Thieren sehr hohe Dornfortsitze der betreffenden
Aue ehwirbe] die Unterlagen abgeben (wie auch am Buckel, engl haunch, der
der quien und Bisonten), hängt von dem Gesundheits- und Ernährungszustande
mano? ab. Krünkliche und magere Kameele und Zebu verlieren die Buckel
iy mal bis zur Unkenntlichkeit. Die im Jahre 1859 nach Siut in Oberügypten
lose Ste Dar-Fur-Caravane brachte abgetriebene und abgemagerte, fast buckel-
Halfa wi wie Reitkameele mit. Wenige Wochen einer guten Weide auf den
a-Wiesen bei Siut begünstigten die Ausbildung stattlicher Hocker. Als Karl
(474)
Hagenbeck im Jahre 1878 zugleich mit seinen Nubiern (Halenga, Hadendoa,
Beni-Amr u. s. w.) einige aus Goschscham stammende Sanka nach Berlin brachte,
fehlten diesen gleichfalls abgetriebenen "Thieren anfünglich die Hócker. Bodinus
und ich, wir wurden damals beide von allen Seiten angesehrieen, als wir jene
Rinder als Vertreter der Zeburasse in Anspruch nahmen. Nach kurzer Zeit des
Ausruhens und einer guten Müstung wuchsen unseren Thieren die Buckel und
man musste uns Recht geben.
Aehnliches liesse sich übrigens über die Entwickelung des Fettsteisses und
des Fettschwanzes der oben erwähnten Schafe berichten.
(33) Hr. W. Reiss bespricht
neue Feuersteingeräthe aus Aegypten und Hrn. Flinders Petrie’s neueste
Forschungen.
(Hierzu Taf. VII—X.)
Die ägyptische Abtheilung der Kónigl Museen hat neuerdings, durch Ver-
mittelung des Hrn. Todros in Lugsor, zwei prachtvolle Steinmesser erworben,
welche in den Gräbern von Theben gefunden worden sind und aller Wahrschein-
lichkeit nach in die Umhüllung von Mumien eingelegt waren, wie dies mit den
seiner Zeit von Hrn. Brugsch (Verh. 1888. S. 209) und Dr. Stübel (Verh. 1891.
S. 376) gesammelten Exemplaren der Fall war. Vorder- und Rückseite beider
Messer sind auf Taf. VIT und VIII in etwa ?/,, der natürlichen Grósse nach pho-
tographischer Aufnahme zur Darstellung gebracht. Die Abbildungen lassen die
hohe Vollendung erkennen, zu welcher es die Aegypter in der Kunst des Stein-
schlagens gebracht hatten. Das eine der Messer (Fig. 1 auf beiden Tafeln) ist
aus einem windschiefen und in Folge dessen zur Bearbeitung nicht sehr günstigen
Stück Feuerstein geschlagen, dessen natürliche, nicht bearbeitete Oberfläche auf
grösseren Strecken erhalten ist. Von der ziemlich stark gekrümmten feinen Schneide
schwillt die Dicke des Steines bis zu dem in der Mitte 1,4 cm breiten Rücken gleich-
mässig an. Nach dem oberen Ende läuft das Messer in eine flache gekrümmte Spitze
aus, während das untere Ende dick und mit abgerundeten Kanten versehen ist, somit
eine feste Handhabe gewährt (Taf. VIII. Fig. 1). Das Messer hat eine Länge von
23 cm und misst 4,8 cm an der breitesten Stelle. Etwas länger, 23,5 cm, und etwas
breiter, 5,8 cın, ist das zweite, leider nur in zwei Bruchstücken erhaltene Exemplar
(Fig. 2 auf Taf. VII und VII). Die Arbeit ist hier noch schóner als in Fig. 1; die
breite, nur 0,4 cm dicke Platte ist zweischneidig und zeigt, was als besonders
merkwürdig hervorgehoben werden muss, nur auf der einen Seite Schlagflichen
(Taf. VIL. Fig. 2), wihrend die andere Seite in rauher Weise eben geschliffen ist
(Taf. VIIL Fig. 2). Die grósste Dicke der Klinge liegt, wie dies die Bruchflüchen
(Taf. VIIL Fig. 2) deutlich zeigen, in dem Kamme, in welchem die langgestreckten,
regelmássigen Schlagflüchen der Vorderseite zusammentreffen. Dieser Kamm ver-
läuft nicht in der Mitte des Messers; er liegt nüher der gekrümmten Seite, an
welcher der Stein zu einer scharfen dünnen Schneide bearbeitét ist, wührend die
Schneide des fast gerade verlaufenden, gegenüberstehenden Randes stumpfer an
dem hier dickeren Stein ansetzt (Taf. VIII. Fig. 2). Die Schlagflichen sind mit
bewunderungswürdiger Gleichmässigkeit ausgeführt, so dass ihre. Muschelung wie
ein Ornament erscheint. Die parallelen Berührungskanten der langen breiten
Schlagflichen werden an ihren, den Schneiden zugewendeten Enden durch kürzere
Absplissungen gegabelt und die so entstandenen neuen Kanten sind von Neuem ab-
gesprengt, so dass eine feine scharfe Schneide entsteht, die ihrer ganzen Lünge
(475)
nach mit den feinsten, regelmässig gestellten Zähnchen besetzt ist. Im Lichtdruck
sind leider diese, beiden Exemplaren gemeinsamen Sägeformen nicht ersichtlich.
Der obere Theil des Messers hat eine scharf schneidende, abgerundete Spitze,
während der untere Theil stärker im Stein gehalten ist, um als Handhabe zu
dienen. — Die geschliffene Seite zeigt deutlich parallele Ritzen, die wohl auf Be-
nutzung eines Schleifsteines hindeuten dürften.
Die beiden Exemplare, deren Abbildung von den Leitern der ägyptischen Ab-
theilung der Königl. Museen gütigst gestattet wurde, sind aus dem schönsten Feuer-
Stein hergestellt; sie besitzen eine matte lichtbraune Farbe, die am besten mit der
Farbe eines hellen Milchkaffee’s zu vergleichen wäre.
Bruchstücke eines grossen Steinmessers von eben so schöner Arbeit, wie Fig. 2
auf Taf. VII und VIII, hat Hr. Dr. von Landau in Cairo erworben und der prá-
historischen Abtheilung der Kónigl. Museen für Völkerkunde überwiesen.
Es gehören die vorliegenden Steinmesser aus Theben zu der Reihe jener
Prachtgeráthe, wie sie wohl wührend des langen Bestehens der ügyptischen Reli-
gion zu Cultuszwecken, namentlich bei Einbalsamirung der Mumien, in Gebrauch
Waren, Sie zeigen uns zwar, zu welcher hohen Kunst die alten Aegypter es in
der Bearbeitung des Feuersteins gebracht haben, aber sie geben uns keine Aus-
kunft darüber, ob im Nilthale selbst einst eine Steinzeit geherrscht hat. Sie sind
ebensowenig datirbar, wie alle bisher in Aegypten aufgefundenen F'euersteinarte-
fakte. Erst die gewissenhaften Ausgrabungen des unermüdlichen englischen For-
Schers, Hrn. Flinders Petrie, haben hier, wie in so vielen anderen Fällen, neues
Licht verbreitet.
Da ich in der glücklichen Lage bin, Originalstücke der von Hrn. Flinders
Petrie bei seinen mehrjährigen Ausgrabungen gefundenen Steingeräthe hier vor-
Zulegen (Taf. IX und X), so sei es mir gestattet, kurz ankniipfend an die aus den
Verhandlungen der Gesellschaft (1888. S. 344—393; 1889. S. 702—712; 1890.
8.516 und 517) hinlünglich bekannten Erörterungen, über diese für die Frage,
ob für Aegypten eine Steinzeit anzunehmen ist, so wichtigen Resultate zu be-
Tichten.
Als im Jahre 1889 jene grossen Anhäufungen von Feuerstein, oder besser von
den bei Bearbeitung des Feuersteins zurückgebliebenen Abfällen, aufgefunden und
als prähistorische Ateliers oder Werkstätten gedeutet wurden, erhoben die Aegypto-
logen sofort Einsprache, da ihnen Steingeräthe aus den Gräberfunden der ver-
Schiedensten Zeitperioden der ägyptischen Geschichte längst bekannt waren. Vor
Allem war es Lepsius, der (Zeitschrift f. ägyptische Sprache 1870) in energischer
Weise gegen die Annahme einer (Steinzeit in Aegypten sich aussprach. Man
kannte bearbeitete Feuersteine aus den Gräbern des alten Reiches, prachtvolle
Steinmesser aus dem mittleren und neuen Reiche, und die neuesten Funde haben
ergeben, dass Steingeräthe selbst in den griechischen und römischen Städten noch
Vorkommen (Verh. 1889. S: 710). Aber das waren alles nur vereinzelte Funde, die
Sich, im Gegensatz zu den grossen Werkstätten, als Ueberreste einer längst über-
Wundenen Steinzeit betrachten liessen. Berechtigt war eine solche Auffassung, so
lange sich nicht nachweisen liess, dass die alten Aegypter in historischen Zeiten
Sich der Steingerüthe in grósserem Maassstabe bedienten. Diesen Nachweis zu
liefern war Hrn. Flinders Petrie vorbehalten. Seit Jahren mit Ausgrabungen
IN Aegypten beschäftigt, hat er seine Arbeiten nach streng naturwissenschaftlicher
Methode betrieben; jede neu aufgedeckte Mauer, jede auszuräumende Kammer
Wurde genau vermessen und der wegzuräumende Schutt genau auf seinen Inhalt
Untersucht. Für jedes Stück, und sei es noch so unscheinbar, kann die Stelle, an
(476)
welcher es gefunden, und die Lage, welche es vor der Aufräumung einnahm, genau
angegeben werden. Allerdings verlieren die Schilderungen der verschiedenen
Campagnen durch eine solche gewissenhafte Bearbeitung ihren romantischen Reiz;
aber jeder aufmerksame Leser der Werke des Hrn. Petrie wird von dem Gefühle
durchdrungen, dass hier zuverlässige, völlig unparteiische Angaben vorliegen, die
gerade durch die auf die Kleinfunde genommene Rücksicht der Wissenschaft den
grössten Nutzen bringen.
Einer solchen gründlichen Ausgrabung wurde auch die nahe der Pyramide
Illabun gelegene Siadt Kahun unterworfen. Die dabei gefundenen Inschriften er-
gaben (W. M. Flinders Peirie, Kahun, Gurob and Hawara with 98 plates. 4.
London 1890), dass Usertesen IL, in der zweiten Hälfte der XII. Dynastie, sich
eine Grabpyramide und einen Tempel zu bauen beschloss am Wiistensaume von
Fayum und dass er zu diesem Behuf, für die von verschiedenen Seiten herbei-
gezogenen Arbeiter, eine besondere Stadt, Kahun, erbauen liess. Die Stadt, zu
diesem bestimmten Zweck erbaut, war nur etwa 100 Jahre lang bewohnt, wurde
dann verlassen und allmählich unter dem Schutt der verfallenden Häuser und dem
Wiistensande begraben (l. c. p. 92) In den Zimmern der Hiüuser wurde nun
theils einzeln, theils in Haufen beisammenliegend, eine Menge bearbeiteter Feuer-
steine gefunden, von welchen eine Anzahl auf unseren Taf. IX und X in 3/, der
natürlichen Grösse abgebildet ist.
Taf. IX. Fig. 1—6 Bruchstücke messerarüger Instrumente, aus den verschie-
denen Feuersteinvarietäten geschlagen, welche in so grosser Menge im Nilthale
sich finden; Fig. 7 dürfte wohl von einer Lanzenspitze stammen; Fig. 8&—12 sind
schón geschlagene, meist ságefürmig gezahnte Splisse eines feinen, leberbraunen
Feuersteines. Fig. 10—12 weisen an dem rechten Rande eine glünzende Politur
auf, wie solche auch hier und da an den Dreikantern in kleinen Flecken beob-
achtet wird. Solche Stellen haben ganz das Ansehen, als seien sie mit einem
feinen Firniss überstrichen, Schaberartig bearbeitete Stücke zeigen Fig. 1—3 auf
Taf. X; die Fig. 5—12. Taf, X stellen jene einfachen messerartigen Absplissungen
dar, wie sie stets in grossen Mengen unter den Feuersteingerüthen gefunden werden.
Sammtliche hier abgebildeten Stücke darf ich im Namen des Hrn. Flinders
Petrie der prähistorischen Abtheilung des Kgl. Museums für Völkerkunde über-
weisen,
In einem, Medum den 18, März 1891 datirten, Briefe spricht sich Hr. Flinders
Petrie über die hier vorliegenden Steingerüthe so aus: „Das Alter der Stein-
geräthe ist folgendermaassen bestimmt. In den Zimmern der Häuser der Stadt
Kahun, gebaut und bewohnt nur jn der XII. und XIII. Dynastie, fand ich viele
Feuersteinsplitter und Messer, sowie eine Holzsichel mit Feuersteinzähnen. ‘Ganz
ähnliche Steingeräthe wurden in der Wüste dicht bei der Stadt gefunden; da sie
nur in der nächsten Nähe. der Stadt vorkommen und da die Stadt nur im mittleren
Reich bewohnt war, so schreibe ich ihnen dasselbe Alter zu, wie den in der Stadt
selbst gefundenen Stücken.“
Es dürfte nach diesen genau datirten Funden kein Zweifel mehr darüber be-
stehen, dass in der XII. Dynastie geschlagene Feuersteine zu den gewöhnlich ge-
brauchten Werkzeugen gehörten. Aber auch für eine spätere Zeit hat Hr. Flin-
ders Petrie einen solchen Beweis erbracht. Am entgegengesetzten Ende des
Fayums wurde ‚die alte Stadt Gurob ausgegraben, deren Gründung und Verfall
ebenfalls festgestellt werden ‘konnte. Die Stadt gehört in das Ende der XVII.
und den Anfang der XIX. Dynastie (l.c. p. 32), in die Zeit von Tutmes IIL bis
we
-—
(477)
Ramses II. Hier wurden ebenfalls Steingerithe, wenn auch in geringerer Zahl
und roherer Ausführung aufgefunden.
Auch bei den Grabungen an dem grossen Tempel von Arsino? (Medinet Fayum)
würde eine Anzahl grosser und schöner Feuersteinmesser erhalten, welche Herr
F linders Petrie ebenfalls der Zeit der XVIII. und XIX. Dynastie zuschreibt
(Flinders Petrie, Hawara, Biahum and Arsinoë. 30 plates. 4°. London 1889.
P. 98. Pl, XXVIII. Fig. 2—12).
Andererseits hat Hr. Flinders Petrie, wie vor und nach ihm andere Ge-
lehrte, Feuersteinsplitter in den Gräbern des alten Reiches (Anfang der IV. Dynastie),
Sowie auf den Ruinenstätten aus griechisch-römischer Zeit gefunden.
Als Endresultat seiner Untersuchungen gelangt Hr. Flinders Petrie zu den
folgenden Sitzen:
. »In der XIL Dynastie war das Schlagen des Feuersteins zu hoher Kunst ent-
Wickelt; aus feinem, durchscheinendem Material wurden schöne Werkstücke gear-
beitet, die, wenn auch in den Formen durch die Bronzegerüthe beeinflusst, doch
häufiger sind, als Metallwerkzeuge. In der XVIII. Dynastie verhält es sich um-
Sekehrt: geschlagene Feuersteine treten selten auf; es sind aus schlechtem Material
on gearbeitete Stücke. Die Kunst war im Erlöschen begriffen“ (Illahun, Kahun etc.
34),
_ „Ich komme zu dem Schlusse, dass Steingeräthe in Aegypten von den ältesten
Zeiten an bis zum Einbruch der Hyksos gleichzeitig mit Kupferwerkzeugen in Ge-
brauch waren. Dann tritt die Bronze in der XVIII. Dynastie auf; die Bearbeitung
des Feuersteins nimmt stark ab und die Steingeräthe werden sehr roh. Feuerstein-
Splitter wurden bis in die römische Zeit hinein benutzt. Ich habe sie zwischen
Tömischen Glas- und Thonscherben an einem romischen Fort gefunden. Aber
Asser diesem allgemeinen Gebrauch der Feuersteine kommt ihnen noch eine
"itua]e Bedeutung zu. Durch die Bronze im gewöhnlichen Leben verdrängt, wurden
die Steinmesser zu ritualen Zwecken in der XVIII. Dynastie und später (?) weiter
benutzt und diese bei besonderen Ceremonien gebrauchten Geräthe sind prachtvoll
D arbeiteie Kunstwerke, deren Herstellung wahrscheinlich Privileg einer besonderen
"ésterfamilie war !).*
Waren im mittleren Reich, also etwa 1900 v. Ohr, die Feuersteinwerkzeuge
"hd Gerithe noch im täglichen Gebrauch und wurden sie auch spüterhin, wenn
uch in geringer Anzahl, bis in die XVIII. und XIX. Dynastie und vereinzelt bis
d Beginn unserer Zeitrechnung angefertigt, so ist es klar, dass bei einer grossen
évälkerung, wie die des Nilthales, im Laufe der seit Erbauung der ültesten Pyra-
pide verflossenen Jahriausende Feuersteinsplitter in ungezühlten Mengen sich an-
ven mussten. Die bis jetzt aufgefundenen „Werkstätten“ dürften nur einen
s nen Bruchtheil der Abfälle der in diesem langen Zeitraum bearbeiteten und
bey. Beschlagenen Feuersteinknollen enthalten. Da nun die Entstehung aller
sig, ien und noch vieler anderer, bis jetzt noch nicht aufgefundener Werkstätten
Zeit erklüren lässt durch den langen Gebrauch geschlagener Steine in historischer
War, IN einer Zeit, in welcher Kupfer, Bronze und sicher auch Eisen bekannt
Sta © und zu Werkzeugen verarbeitet wurden, so sind wir, nach dem heutigen
ron de unserer Kenntnisse, nicht mehr berechtigt, von einer Steinzeit in Aegypten,
einer prähistorischon Zeit im Nilthale zu sprechen.
"e es kaum möglich sein dürfte, Merkmale zu finden, an welchen sich prä-
rische Steingerithe von den vor Jahrtausenden, aber in historischer Zeit ge-
l) Herr Flinders Petrie in einem Briefe an W. Reiss.
(478)
schlagenen Stücken unterscheiden lassen, so wird es sich jetzt vor Allem darum
handeln, diejenigen F'undstellen kritisch zu untersuchen, deren geologische Ver-
hältnisse auf vorgeschichtliche Zeit hinweisen (Abu Mangar, Qurnah, Schech Landur
bei Siut). Können keine neuen Thatsachen aufgefunden werden, welche für eine
Steinzeit in Aegypten sprechen, so werden wir uns vorläufig mit der Annahme be-
gnügen müssen, dass die Aegypter als ein schon bis zu einem gewissen Grade
civilisirtes Volk in das Nilthal einwanderten. —
Hr. Rud. Virchow bestätigt den wesentlichen Fortschritt, der darin besteht,
dass gemuschelte Steinwerkzeuge, welche bisher als wichtigste Zeugnisse einer vor-
geschichtlichen Zeit angesehen wurden, nunmehr in grösserer Zahl und in höchst
ausgezeichneten Exemplaren aus Fundplätzen historischer Art bekannt werden. In
Bezug auf die Zeit, in welcher sie angefertigt wurden, ist durch diese Funde
wohl noch nicht eine endgültige Entscheidung herbeigeführt worden. Polirte Stein-
hämmer sind in unseren Gegenden bis nach Preussen und den russischen Ostsee-
provinzen hin in Urnen der Hallstattzeit und wahrscheinlich auch noch in späteren
gefunden worden, und doch folgt daraus nicht, dass sie in dieser Zeit noch gear-
beitet worden sind. Wie häufig findet man in Bauerhäusern der heutigen Tage
derartige Steinhämmer, denen man mystische Kraft zuschreibt, in der einen oder
anderen Weise aufbewahrt oder benutzt! Freilich gilt dies weniger von ge-
muschelten Feuersteingeräthen, aber warum sollten sie nicht auch noch lange,
nachdem sie nicht mehr gearbeitet wurden, in Aegypten geschätzt und viel-
leicht auch gebraucht worden sein? Indess, je mehr sich solche Funde mehren,
um so geringere Bedeutung darf man ihnen natürlich für die Frage von der ügypti-
schen Steinzeit beilegen. Diese Frage wird dann in noch höherem Maasse, als
bisher, den einfach geschlagenen Feuersteinen zugewendet werden. Die Entschei-
dung wird namentlich, wie ich schon früher hervorhob, von einer genauen Unter-
suchung der geologischen Stratification Aegyptens abhängen, die leider noch an
keiner einzigen Stelle zu einem Abschlusse gebracht ist. Hoffen wir, dass eine
solche Untersuchung bald einmal von sachverständiger Seite in die Hand ge-
nommen werden wird.
(34) Vorstellung der zur Zeit in Hrn. Castan’s Panopticum ausgestellten
Lappen.
Hr. Rud. Virchow: In dem Panopticum des Hrn. Castan befindet sich im
Augenblick eine zahlreiche Truppe von Lappen mit ihrem Hausrath und Arbeits-
geräth, welche ein recht gutes Bild von dem Leben dieses Volkes gewähren. Ich
habe sie vor einigen Tagen, soweit es sich bei dem sehr störrischen und wider-
spänstigen Wesen und der Habsucht der Leute ausführen liess, untersucht und zum
grüsseren Theil gemessen. Es sind einige, sehr kinderreiche Familien aus dem
nördlichen Schweden. Ihre Complexion ist dem entsprechend ungleich heller, als
die der früher hier gesehenen Lappen. Namentlich der eine Mann, Ante, hat eine
ziemlich helle Hautfarbe, blaugraue Augen und kastanienbraunes Haar. Der
12jährige Thomas, bei dem übrigens die IL. Zehe mehr vortritt, als die L, besitzt
strühniges blondes Haar; die 9'/,jührige Elsa hat helle Haut, hellbraune Augen und
blondes Haar. Die Mehrzahl jedoch ist brünett, keiner aber schwarzhaarig. Alle
sind verhältnissmässig klein und untersetzt, von hässlichen Gesichtsztigen; die Ohr-
läppchen bei vielen angewachsen, jedoch bei einigen auch frei.
Ueber die einzelnen Verhältnisse wird die folgende Tabelle Aufschluss geben.
as
(479)
Ich bemerke nur, dass sämmtliche von mir gemessene Personen, besonders die
Kinder, brachycephal (Index 83 -86) waren. Dabei zeigte sich, dass die Brachy-
Cephalie mit zunehmendem Alter abnimmt. Der Ohrhöhenindex konnte nicht
überall bestimmt werden; er ist bei 2 Individuen chamae-, bei 2 orthocephal; das
Mittel (61,7) ist orthocephal, jedoch nur wegen der relativ grossen Hôhe des
12jährigen Thomas. Der Gesichtsindex ist, entsprechend der Niedrigkeit des
Sanzen Gesichts und der Breite des Jochbogen-Durchmessers, ultrachamae-
P'Osop; er erreicht bei keinem der Gemessenen die Zahl von 80. Der Nasenindex
bewegt sich in den Grenzen der niedrigen Mesorrhinie (72—76); nur bei dem
l2 jührigen Thomas ist er noch leptorrhin (68,8). Die Interorbitaldistanz ist fast
ausnahmslos sehr gross (31—36 mm); nur Frau Neva hat bloss 29 mm.
In Bezug auf den Schädel ist noch zu bemerken, dass der Horizontalumfang
Schon bei den kleinen Kindern sehr gross ist (535—559 mm); nur die kleine
Elsa, die auch sonst sehr zart ist, hat 504 mm, Eine erhebliche Zunahme bei
den Erwachsenen konnte ich nicht feststellen. Auch der minimale Stirndurchmesser
Isi Schon früh sehr betrüchtlich (107—109 mm), was der Frontalansicht ihr sehr
"harakteristisches Aussehen giebt. Daraus scheint zu folgen, dass das Wachsthum
der Schüdelkapsel schon sehr früh sein Ende erreicht.
Wir haben schon wiederholt Gelegenheit gehabt, Trupps von Lappen hier
zu Sehen, und ich habe damals einige Bemerkungen über ihre physischen Ver-
bältnisse vorgetragen (Verhandl. 1875. S. 31 und 295; 1879. S. 143). Die zuerst
Yorgestellten Leute stammten gleichfalls aus dem schwedischen, die späteren aus
dem norwegischen Lappland. Indess stimmten sie in den Hauptsachen unter ein-
der überein, wie dies auch für die diesmalige Gesellschaft zutrifft.
Die jetzige Aufnahme bestätigt insbesondere, was ich schon früher erschlossen
hae, dass die Brachycephalie der Lappen, im Gegensatze zu der der Finnen, sich
Nänfiger mit einer geringeren Höhe des Kopfes vergesellschaftet, dagegen in sehr
“üälliger Weise auch den Stirndurchmesser umfasst. Ferner, dass die Form der
Schädelkapsel an sich viel weniger zu dem besonderen Gesammteindruck des
Kopfes beiträgt, als die Bildung des Gesichts, an dem wiederum die geringe Höhe
ler Kieferknochen und der Nase bei der grossen Breite der Querdurchmesser
hauptsächlich bestimmend ist. Daraus resultirt der Eindruck, den ich wieder-
holt hervorgehoben habe, dass diese Rasse, welche schon durch die geringe Höhe
des Körpers unter den europäischen Bevölkerungen als ein Ausnahmefall erscheint,
"inen pathologischen Zug an sich habe. D. |
Ohne ganz genaue Kenniniss der Familien-Verhältnisse isb es unmöglich, ein
Urtheil über die Reinheit der einzelnen Individuen auszusprechen. Ich möchte
Jedoch in dieser Beziehung hervorheben, dass die beiden blondhaarigen Kinder
(Elsa und Thomas) sich zugleich durch geringere Breitendurchmesser des Gesichis,
a mentlich auch durch geringere Kieferwinkel-Distanz und Mundlänge, auszeichnen,
“80 in höherem Grade den Verdacht einer Mischung erregen.
| Ante
0000 depen pn | orn | done Tie of
Hos |. Messungen.
"Tzont]umfang . 2. 544 | 555 | 555 | 504 ! 585 554
Grôsste horizontale Linge . . 179 | 188 185 8 184
^ Breite. . , 11 © 155 158 156 - ‘ 152
Ohrhèhe . . . - 109 — . 118
(
Lappen Anna | Neva Jonas | Elsa | Thomas Ante
( Jahr 41 Jahr 12 Jahr 9j, Jahr|19 Jahr 36 Jahr
Stirnbreite . . . . . ... 108 109 109 100 107 113
Gesicht, Hohe A . . . . . . 151 168 157 146 158 164
, » B...... 93 108 108 89 99 104
» Breitea . . . . .. 133 141 | 136 122 129 142
, , b n 80 83 76 13 sg 75
5 6.4.2.2... 95 106 | 100 85 95 113
Augen-Distanz a . . . . . . . 33 29 36 31 , 36 32
» b......1 93 8 | 93 | 80 91 93
Nase, Hohe . . . . . . . . 87. 44 au 36 4E 4
» Lánge . .. .. .. : 36 47 42 P 43
» Breite. . . . . 2... 28 32 92 ^ 96 . 35
» Elevation . . . . . | 15 | 23 15 i8 16
Mund, Linge . . . . . . 53 | 55 50 45 | 51
Oh Hóhe . . . . . . , | 53 G 5 49 e 61
Kórperhóhe . . . . 1374 li^ 1350 1171 1354 1461
il. Berechnete Indices.
Längenbreitenindex . . 2.6 86,3 84,8 as 82,4 | 82,6
Ohrhóhenindex . . . . . 59,5 60,0 659 | 61,7
Gesichtsindex . . . a 76,5 794 2 67 32
Nasenindex . . . . . . . 13947 | "2,0 (cA 68,8 74,4
(35) Eingegangene Schriften.
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aus d. Verh. Deutsch. Naturf) Gesch. d. Verf.
2. Virchow, R., Neue Untersuchungen ostafrikanischer Schädel. (Sep.-Abdr.
aus den Sitzungsber. Akad.) Berlin 1891. Gesch. d. Verf.
3. Handtmann, E, Was auf mirkischer Haide spriesst. Berlin. Gesch. d, Verf.
4. Zürich und das schweizerische Landes-Museum. Zürich 1890. Gesch. d. Hrn.
J. Heierli.
5. Riccardi, P., Di alcune correlazioni di sviluppo fra la statura umana e
laliezza del corpo seduto. Modena 1891. (Estr. Mem. d. R. Accad. di Sc.)
Gesch. d. Verf.
6. Kofler, F., Ueber neue römische Funde in der Provinz Starkenburg, Gesch.
d. Verf.
7. Sehwab, G., Die deutschen Volksbücher für Alt und Jung wiedererzählt.
V. Aufl. Gütersloh 1862,
8. Niendorf, M. A, Das Gudrun-Lied. III. Aufl. Berlin 1867.
9. Zittel, K. A., Aus der Urzeit. Bilder aus der Schôpfungsgeschichte. IL. Aufl.
München 1875.
10. v. Mayr, H., Malerische Ansichten aus dem Orient, gesammelt auf der Reise
des Herzogs Max in Bayern im Jahre 1838.
ll. Fouqué, Undine. VIL Aufl Berlin 1851. — Simrock, K., Das deutsche
Räthselbuch. Frankfurt a. M. — Clemens, A., Schiller im Verhiliniss
zu Güthe und zur Gegenwart. Frankfurt a. M. 1857. — v. Platen, A4
480)
(481)
Der Sieg der Gläubigen. Ein geistliches Nachspiel. Herausgegeben von
C. Vogt. Genf 1857.
Nr. 1—11 Gesch. d. Frau San.-Rath Schlemm.
12. Marchesetti, C., Relazione sugli scavi preistorici eseguiti nel 1890. Trieste
1891. Gesch. d. Verf.
13. Blasius, Wilh., Neue Knochenfunde in den Höhlen bei Rübeland. Braun-
schweig 1890. Gesch. d. Verf.
14. Baessler, A., Ethnographische Beiträge zur Kenntniss des Ostindischen Archi-
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15. Helmert, Bericht über die Versammlung der permanenten Commission der
| internationalen Erdmessung zu Salzburg. 1888. Gesch. d. Hrn. Virchow.
16. Kofler, Fr., Archäologische Karte des Grossherzogthums Hessen. Darmstadt
1890. (Sep.-Abdr. aus dem Archiv f. hess. Gesch. u. Alterthumsk. Neue
Folge. IL Bd). Gesch. d. Verf.
17. Brinton, D. G., The american race. New York 1891. Gesch. d. Verf.
l8. Schliemann, H., Bericht über die Ausgrabungen in Troja im Jahre 1890.
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29. Stolpe, H., Utvecklingsforeteelser i naturfolkens ornamentik. Stockholm 1890.
(Sep.-Abdr. aus dem Ymer.)
20, Derselbe, Ueber altmexikanische und südamerikanische Wurfbretter. Stock-
holm 1890. (Sep.-Abdr. aus dem Intern. Arch. f. Ethnogr.).
Nr. 19 und 20 Gesch. d. Verf.
2, Buschan, G., Mehrere Besprechungen von Büchern und Vorträgen.
22, Derselbe, Zur Culturgeschichte der Hülsenfrüchte. Stuttgart 1891.
23, Dersclbe, Die Heimath und das Alter der europiischen Culturpflanzen.
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5. Zur Geschichte des Weinbaus in Deutschland. Stuttgart 1890.
Nr. 21—25 Gesch. d. Verf.
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of the work of James L. Bowes, entitled ,Japanese Pottery“. New York
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2. Abbott, C. C., Sketch of Daniel G. Brinton. (The popular science monthly
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30. Ploss H., Das Weib in der Natur- und Völkerkunde. Leipzig 1891. (IL. bis
31 1V. Lieferung.) Gesch. d. Hrn. Bartels.
: Mitjans, A. Estudio sobre el movimiento cientifico y literario de Cuba.
39 Habana 1590.
- Los Nañigos, su historia, sus practicas, su lenguage, con el facsimile de los
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33 Nr. 31 und 32 Gesch. d. Hm. Guitéras.
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- Derselbe, American aboriginal poetry. Report of the Proceedings of the Numis-
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31
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38. Verneau, R., Les races humaines. Paris. Sér. 1—21. Gesch. d. Herrn
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39. Weil, G., Tausend und eine Nacht. Arabische Erzählungen. Aus dem arabi-
schen Urtext übersetzt. Herausgegeben von A. Lewald. Stuttgart 1838—41.
(4 Bände.) Gesch. d. Frau Schlemm.
40. Cape of Good Hope. Report of the Meteorological Commission for the year
1889. Cape Town 1890. Gesch. d. Hrn. Bartels.
41. Hoernes, M., Die Urgeschichte des Menschen nach dem heutigen Stande der
Wissenschaft. Wien. (Lief. 1—3.)
42. Finsch, O., Ethnologische Erfahrungen und Belegstiicke aus der Südsee.
Wien 1891. Zweite Abtheilung: Neu-Guinea. (Sehluss.) Gesch. d. Verf.
43. Boas, F., Mixed Races. (Sep.-Abdr.)
44. Derselbe, Dissemination of tales. /
Nr. 43 und 44 Gesch. d. Verf.
45. Die Forschungsreise S. M. S. ,Gazelle^ in den Jahren 1874 bis 1876 unter
Commando des Capitün zur See Freiherrn von Schleinitz, herausgegeben
von dem hydrographischen Amt des Reichs-Marine-Amts. Berlin 1838— 90.
(I. Theil: Der Reisebericht. II. Theil: Physik und Chemie. III. Theil:
Zoologie und Geologie. IV. Theil: Botanik. V. Thoil: Meteorologie.)
Gesch. d. Reichs-Marine-Amts, Hydrographisches Amt.
46, Mallery, G., Greeting by gesture. New York 1891. Gesch. d. Herrn Rud.
Virchow.
47. Proceedings of the Society of Antiquaries of Scotland. Edinburgh 1851—1890.
(Vol. 1—24.) Austausch.
48. "Transactions of the Society of the Antiquaries of Scotland. Edinburgh 1828
bis 1890. (Vol. 3—5.) Austausch.
49. Müllenhoff, K., Deutsche Alterthumskunde. Berlin 1891. (Bd. V. Heft IL)
Angekauft.
50. Paivaepona, A. P. Les champs d'or. Lisbonne 1891. Gesch. d. Geogr.
Ges. in Lissabon,
91. Fleming, S. Time-reckoning for the twentieth Century. Washington 1889.
(Extr. Smithson. Rep. 1886.) Gesch. d. Verf.
52. Fletcher, Rob., The new school of criminal anthropology. Washinton 1891.
(Extr. Am. anthropologist 1891.) Gesch. d. Verf.
53. Zeitschrift des Vereins für Liibeckische Geschichte und Alterthumskunde-
Lübeck 1886—1891. (Bd. 5 und 6.) Austausch.
54. Mittheilungey des Vereins für Lübeckische Geschichte und Alterthumskunde
1884—1890. Lübeck 1884—1891. (4 Hefte.) Austausch,
95. Bericht des Vereins für Lübeckische Geschichte und Alterthumskunde, Lübeck
1888 und 89. (2 Hefte.) Austausch.
96. Annales de la Socióté d'archéologie de Bruxelles. Bruxelles 1887 —1891.
(Bd. I—IV. Bd. V. Heft 1.) Austausch.
Sitzung vom 20. Juni 1891.
Vorsitzender Hr. Virchow.
. (1) Die Gesellschaft und die Wissenschaft haben einen ungewöhnlich schmerz-
lichen Verlust erlitten. Vor zwei Tagen, am 18. d. M., ist ganz schnell in
Königsberg unser Freund Otto Tischler, erst 47 Jahre alt, gestorben. Die
lange und schwere Krankheit, eine chronische Nierenaffektion mit Herzhypertrophie,
Welche ihn schon im Winter letzten Jahres an den Rand des Grabes gebracht
hatte, war unerwartet soweit zurückgegangen, dass er im vorigen Sommer scheinbar
Sanz frisch zu unserem Congress in Münster erschien und mit grösster Freude der
Wahl seiner Heimathstadt zum Congressorte für dieses Jahr zustimmte und das Amt
des Localgeschäftsführers übernahm. Mit Eifer begann er die Vorbereitungen, ins-
besondere die Neuordnung des von ihm zu wunderbarer Fülle entwickelten práhisto-
"ischen Museums der physikalisch-ôkonomischen Gesellschaft und die Herstellung
êines illustrirten Führers, welcher eine Gesammt-Uebersicht seiner Forschungs-
gebnisse bringen sollte. Aber gerade die Beschäftigung in den kalten Räumen
des Museums scheint das schlummernde Leiden neu erweckt zu haben. Wie schon
früher der Gesellschaft mitgetheilt worden ist, kam er im Mai zu der Ueber-
“eugung, dass sein Gesundheitszustand die Abhaltung des Congresses in Konigs-
berg, wo inzwischen auch der Direktor des Prussia-Museums, Dr. Bujack, ge-
Storben war, unmöglich mache, und er stimmte. dem. Vorschlage, die freund-
liche Einladung der Danziger Naturforschenden Gesellschaft anzunehmen, bereit-
Willig zu. Aber er war trotzdem voll guter Hoffnung. Noch am 29. Mai diktirte
*' einen Brief an Hrn. Virchow, worin er sagte: „Ich bin augenblicklich psy-
Chisch auf dem tiefsten Niveau angekommen und glaube, dass jetzt die auf-
Sieigende Welle beginnen wird, besonders wenn diese Angelegenheit, die mich
Seit Ostern unaufhörlich auf das Tiefste beunruhigt hat, aus der Welt geschafft
Sein wird.“ Freilich setzte er hinzu: „Ich fürchte, dass die zweite Reise nach
dem fernen Osten kaum mehr von vielen Mitgliedern unserer Gesellschaft unter-
Nommen werden wird, und dass der Konigsberger Congress wohl für immer ins
Wasser fallen dürfte.“ "Trotzdem gab er die Zusicherung, dass das Museum
für diejenigen Mitglieder des Congresses, die von Danzig nach Königsberg kommen
Wollten, zu jeder Zeit offen stehen und sein genau unterrichteter Diener angewiesen
Sein werde, alle Erläuterungen zu geben und „jedes Stück herauszugeben“. Er
Verlangte nur Seitens des Vorstandes die öffentliche Erklärung, dass wegen seines
Gesundheitszustandes der Congress in Königsberg für dieses Jahr aufgehoben worden
SC, „ich möchte sagen, auf ein Paar Jahre vertagt ist“. Und dann schloss er: „So,
"Hn sind wir am Ende, und ich fühle mich am Schlusse dieses etwas langen
S lktates viel frischer, als am Anfange. Es ist mir fast, als hätte ich mir einen
Stein vom Herzen geschrieben. Ebenso erfreuen mich immer Ihre Briefe, wo Sie
ro in so liebenswürdiger Weise diese gewiss recht unangenehme Affaire beur-
eilen und mir in jeder Beziehung zu Hülfe kommen, Ich werde mich schon
‘x
31
(484)
wieder aufrappeln, besonders da diese leidige Sache geordnet ist. Also viel Ver-
gnügen in Danzig und späterhin auf ein frohes Wiedersehen!“
Drei Wochen später war er eine Leiche. Seine Hoffnung und alle die vielen
Hoffnungen auf Belehrung aus seinem Munde und auf weitere Förderung der prä-
historischen Wissenschaft durch seinen scharfen Geist, durch seinen unermüdlichen
Fleiss, durch seine unübertroffene Zuverlässigkeit, — sie sind mit einem Schlage
vernichtet. Tischler war unter allen deutschen Archäologen derjenige, welcher
das grósste Maass von Detailkenntiniss des vorhandenen Materials gesammelt und
zugleich geordnet hatte. In Mitteleuropa gab es wohl keine óffentliche und keine
Privat-Sammlung, die er nicht kannte. Seine literarischen Studien umfassten das
ganze, so schwierig zu erreichende Gebiet der bezüglichen Publikationen. Seine
Notizen waren so vollständig, dass er auf jede Frage Antwort zu ertheilen vermochte,
und seine Bereitwilligkeit, sie anderen Forschern zugánglich zu machen, so gross,
dass er jedem Ersuchen sofort in ausgiebigster Weise entsprach. Er wird uns immer
und überall fehlen. Sein Name wird in der Geschichte dieser denkwürdigen Periode
stets als einer der glünzendsten genannt werden!)
(2) Die Verhandlungen wegen der Berufung des anthropologischen Con-
gresses nach Danzig sind inzwischen soweit zum Abschlusse gediehen, dass
nunmehr das Programm für die Versammlung als abgeschlossen betrachtet wer-
den darf. Am Sonntag den 2. August Abends findet dort die gegenseitige Be-
grüssung der Theilnehmer stati. Am 3.—5. sind Verhandlungen anberaumt. Ein
grosserer Ausflug ist für den 6. nach Hela, ein anderer für den 7. nach Marien-
burg geplant.
(8) Das ordentliche Mitglied, Dr. med. Friedr. Raschkow, ist in der Nacht
zum 30. Mai langem, schwerem Herzleiden erlegen.
(4) Der alie bewährte Forscher Hans Caspar Escher-Züblin ist am 15. Juni
in seinem $84. Lebensjahr zu Zürich gestorben. Seit 1866 war er, noch durch
Ferd. Keller, als Conservator für die Sammlungen der antiquarischen Gesellschaft
gewonnen. Jeder, der seit dieser Zeit das herrliche Museum in Zürich besucht
hat, wird ihm eine dankbare Erinnerung bewahren.
(5) Vorstand und Ausschuss haben zu correspondirenden Mitgliedern gewühli
die Herren:
Prof. Dr. Raffaele Zampa, Rom.
, » Giuseppe Sergi, Rom.
, », E Brizio, Director des Museo civico in Bologna.
(6) Der Magistrat und das Denkmalscomité zu Stendal haben unter
dem 8. eine besondere Einladung zu der am Sonntag den 28. daselbst stattfindenden
Enthüllung des Nachtigal-Denkmals an die Mitglieder der Gesellschaft er-
lassen.
Der Vorsitzende theili das Programm mit und fordert, in Erinnerung an die
1) Nachtrüglich darf auf die treffliche Rede, welche Hr. F. Lindemann an seinem
Sarge gehalten hat (Sep.-Abdr. aus den Schriften der Phys.-ôkon. Gesellschaft zu Kônigsberg-
1891. Bd. XXXID, und auf einen warmen Nachruf des Hrn. Ed. Krause (Das Ausland.
1891. Nr. 31) verwiesen werden.
(20
innige und treue Freundschaft, welche Gustav Nachtigal der Gesellschaft gewidmet
hat, zu zahlreicher Betheiligung auf.
(7) Hr. Eduard Krause hat nach Uebereinkommen mit dem Vorstande das
Programm für eine anthropologische Excursion nach Salzwedel und den
megalithischen Denkmälern der Altmark am 4 und 5. Juli entworfen.
Dasselbe wird mitgetheilt. Hr. Krause legt die betreffenden Karten und Photo-
Staphien vor.
(8) Laut Mittheilung des Hrn. Siehe in Calau ladet die Niederlausitzer
Gesellschaft zur Betheiligung an ihrer Jahresversammlung für den 6. und 7. Juli
nach Lieberose ein. Auch sendet Hr. Oberprediger Krüger in Lieberose eine
dringende Einladung. Das nihere Programm dieser Versammlung wird verlesen.
. (9) Das Programme préliminaire du Congrès international des sciences
Séographiques de Berne für den 10.—14. August wird vorgelegt.
: (10) Es ist die Einladung zum Besuche einer ethnologischen afrikani-
Sehen "Ausstellung mit Verloosung Zu Gunsten eines Hospitals in Deutsch-
afrika eingetroffen. Die Ausstellung findet in dem Waarenhause für deutsche
eàmte in der Dorotheensirasse stati.
b (11) Der als Arzt für die Marshall-Inseln bestimmte Dr. Steinbach hat sich
ereit erklärt, in anthropologischem Sinne thätig sein zu wollen.
p (12) Frau Zelia Nuttall, Special Assistant in Mexican Archaeology am
p body Museum an der Harvard University, Cambridge, Mass. übersendet aus
resden, 19. Juni, folgende Mittheilung über
einen altmexikanischen Federschild in Ambras.
” Mit Vergnügen mache ich der verehrten Gesellschaft die Mittheilung, dass eine
in ; bedeutende, bisher für verschwunden gehaltene, altmexikanische Reliquie noch
ester Erhaltung existirt.
Seir. ist dies ein Prachtstiick von Federarbeit, das ich unumwunden als den
Tne d identificire, welcher Ferdinand von Tyrol gehort hat und welcher im ältesten
entar der Ambraser Sammlung, also i. J. 1596, wie folgt, beschrieben ist:
Pla „Ain Rundell von roten Federn, darynnen ist gestückt von grober Arbait ain
Wer drackh mit guldin Plech versetzt.“
A Lesern von Ferdinand von Ho chstetter’s Publikation über die alt-
tiber anischen Reliquien der Ambraser Sammlung wird diese meine Mittheilung
sich Een vorkommen, da der genannte Gelehrte behauptete, dass das in Wien
den p indende Federprachtstück „das einzige noch erhaltene Stück von den in
Alle Nventaren der Ambraser Sammlung erwähnten Federschmucksachen sei“.
anderen, fügte er hinzu, „wären leider spurlos verschwunden“.
e sache aber ist es, dass das beschriebene „Rundell“ noch existirt, und
im Sch einem Orte, der für die Richtigkeit meiner Identification bürgt, nehmlich
loss Ambras selbst.
ag U befindet sich im Schlosse der Rest der erzherzoglichen Sammlung,
freudi auptbestandtheil im Jahre 1806 nach Wien gebracht wurde. Zu meiner
gen Ueberraschung sah ich, als ich vor einigen Wochen Schloss Ambras be-
485)
(427)
suchte, den unverkennbar altmexikanischen Schild unter ,orientalischen und trans-
atlantischen Gegenständen“ im 10. Saal ausgestellt.
Bei weiterer Nachforschung ersah ich, dass in der von Dr. A. Ilg und Wendelin
Boeheim im Jahre 1882 herausgegebenen „Beschreibung des Gebäudes und der
Sammlungen vom K. K. Schloss Ambras“ sich eine Notiz über den Schild befindet
und er sogar als altmexikanisch bezeichnet wird.
Es ist mir unerklärlich, wieso Ferdinand v. Hochstetter, welcher erst im
Jahre 1884 publicirte, keine Kenntniss hiervon gewann, und die Existenz des Schildes
überhaupt bisher unbeachtet bleiben konnte.
Die erwähnte Notiz lautet: ,Kreis-runder Schild, aus geflochtenen Rohrstäbchen,
auf der Vorderseite mit Federmosaik bedeckt, ein Ungeheuer vorstellend, dessen
Contouren mit Streifen von Goldblech eingefasst sind. Alt-Mexikanisch.“
Zu dieser Beschreibung füge ich für jetzt nur noch hinzu, dass sich an dem
unteren Rande eine ziemlich gut erhaltene Franze von rothen Tlauhquechol-Federn
befindet. Dass der Schild ferner durch eine Franze von herabhängenden Quetzal-
Schwanzfedern geschmückt war, bezeugen Büschelchen ihrer ziemlich zerfressenen
Federkiele. Der Grund des ganz gut erhaltenen Federmosaiks besteht aus rothen
Tlauhquechol-Federn, das darauf auch in Federmosaik mit etwas groben Umrissen
ausgeführte „Ungeheuer“ aus hellblauen Xiuhtototl-Federn. Der Vordertheil seines
Körpers ist aber mit eigenthümlichen, dunkellila Federn schattirt. Sämmtliche
Umrisse, sowie die Grenze zwischen den blauen und lila Federn sind mit ungefähr
5 mm breitem, dünnem Goldblech belegt.
Vor dem „Ungeheuer“ befindet sich eine conventionelle Darstellung von
Wasser = atl, in bekannter Zeichnung, gleichfalls mit hellblauen Federn ausgeführt.
Der Contour ist mit Goldblech eingefasst und goldene Scheibchen bilden die herab-
hängenden Wassertropfen.
Da es meine Absicht ist, bald eine colorirte Abbildung und Weiteres über
diese Reliquie zu veröffentlichen, so behalte ich mir eine genauere Beschreibung
und geschichtliche Erórterungen vor und begnüge mich fiir jetzt damit, meine
Meinung dahin auszusprechen, dass Schloss Ambras den kostbarsten und historisch
interessantesten altmexikanischen Federschild, welcher jetzt noch existirt, enthält. —
Schliesslich sei noch erwähnt, dass ausser dem Schilde drei andere altmexika-
nische Reliquien in Ambras sich befinden, nehmlich:
1) Ein kreisrunder Holzschild, welcher einst mit Türkisen-Mosaikarbeit be-
deckt war, wovon aber nur wenige Ueberreste noch vorhanden sind.
2) Ein Federfächer, den ich leider wegen mangelhafter Beleuchtung nicht
genau habe sehen können, und
3) ein aus hispano-mexikanischer Zeit stammendes Bild in Federmosaikarbeit,
Sanct Hieronymus mit dem Löwen darstellend.
Ich erlaube mir die Hoffnung auszusprechen, dass diese ehrwürdigen Reliquien
einst ihren Platz neben dem vielbesprochenen Federkopfschmuk im Wiener Museum
finden werden. —
(13) Hr. Virchow zeigt einen
Silberring zum Bogenspannen.
In der Sitzung vom 17.Januar (Verh. S. 81) legte ich einen Nephritring von
eigenthümlicher Bildung aus Erbil in Mesopotamien vor, der nach der überwiegenden
Meinung als ,Bogenspanner“ gedeutet wurde. Diese Veröffentlichung hat das Gute
gehabt, dass mir durch Hrn. Ed. Rittinger in Werschetz (Ungarn) unter dem
«o6
(487)
12. d. M. ein ganz ähnlicher, nur kleinerer Ring aus Silber zur Ansicht übersendet
Jorden ist. Nach der Angabe ist derselbe mit anderen Gegenstinden vor einigen
ahren von einem jüdischen Händler auf dem Jahrmarkte in Negotin (Serbien) ge-
Kauft worden, jedoch ohne sonstige Daten. Hr. Rittinger bemerkt, dass diese
Händler in allen möglichen Geschäften den ganzen Orient durchreisen und ge-
Wöhnlich auch alte Münzen kaufen.
Figur 1. Figur 2.
Natürliche Grösse.
; Der Ring (Fig. 1) entspricht in seiner Form genau dem Ringe von Erbil. Seine
Ichte Weite beträgt an der engeren Seite 20 auf 17, an der weiteren 27 auf 18 mm;
die Höhe misst hinten 5, an dem vorderen, abgedachten Umfange 9 mi, Er ist
Stark, insbesondere an der abgedachten Stelle, welche übrigens aussen eine leichte
Einbiegung zeigt. Ganz abweichend von dem früheren Ringe findet sich hier am
hinteren Umfange eine plattrundliche Scheibe von 7—8 mm Durchmesser (in Fig. 2
am linken. Ende), welche allem Anschein nach zur Verstärkung der Löthstelle an-
Bebracht ist. Die üussere Oberflüche des Ringes ist überall ornamentirt; leider
sind die Ornamente in Folge der starken Abnutzung schwer erkennbar. Man sieht
mur an ein Paar Stellen, jederseits neben der Abdachung, Reste von Niellirung,
Wie sie an kaukasischen Gerüthen so hüufig vorkommt. Vielleicht darf man daraus
auch auf einen kaukasischen Ursprung schliessen. Die Zeichnung besteht aus
Arabesken, welche pflanzliche Motive, Zweige mit kurzen Aesten und Blättern, dar-
Stellen; nur die hintere Scheibe und die abgedachte Fläche weichen ab. Erstere
inst einen vielstrahligen, unregelmässigen Stern erkennen; letztere zeigt eine herz-
Ormige Figur, in der ein Kranz von Buchstaben zu liegen scheint.
; Es ist nicht unwahrscheinlich, dass wir in dem Stück das Zeugniss eines
Nodernen Gebrauchs vor uns haben. Wo dasselbe im Gebrauche gewesen ist, mag
dahin gestellt bleiben. Am nächsten liegt auch in dieser Beziehung wohl der
Kaukasus, wo Bogen und Pfeile von den Eingebornen noch in den Freiheitskämpfen
en die Russen verwendet wurden (vergl. meine Monographie über das Gräber-
ad von Koban S. 97). Indess ist mir nicht bekannt geworden, in welcher Weise
wa derartige Ringe gebraucht wurden, und es würde recht dankenswerth sein,
Wenn durch weitere Nachrichten darüber Verlässliches bekannt würde,
be 0 Hr. Schumann übersendet d. d. Lócknitz, 6. Mai, folgende Mittheilung
pommersche Skeletgräber, wahrscheinlich aus der Steinzeit.
1) Skeletgrab von Casekow, Kr. Randow.
"E Jahre 1878 war aus Casekow an das Museum zu Stettin ein Schädel ge-
um weicher mit einer Pfeilspitze und einer Speerspitze von Feuer-
"n zusammen gefunden worden war. Eine spätere Untersuchung hatte ergeben,
dn sich um flache Kegelgrüber mut Steinkisten handelte, auch hatte man in
&. 50s rabe noch die Reste von unverbrannten Leichen gefunden (Balt. Stud. 28.
bed » Der Umstand, dass Feuersteingeräthe mit gefunden wurden, weist un-
enklich auf die Steinzeit hin. Dass in der Nähe auch Kistengräber mit Leichen-
(488)
brand, die wahrscheinlich der Bronzezeit angehören, gefunden wurden, hat nichts
Auffallendes, derartige Gräber liegen oft zusammen und auch die Steinkisten der
Steinzeit sind oft auffallend klein. Man wird daher den noch in Stettin vorhande-
nen Schädel mit viel Wahrscheinlichkeit als der Steinzeit angehörig bezeichnen
dürfen. Der mittelgrosse Schädel ist von gelblichgrauer Farbe, sehr defekt, es
fehlt das Gesicht und ein Theil der Basis. Die Nähte sind stark gezackt, nicht
verwachsen, Muskelvorsprünge gut entwickelt. Schädel wahrscheinlich männlich.
Norma temporalis: Die Stirn ist mässig hoch, allmählich nach oben und
hinten verlaufend. Dicht hinter der Kronennaht leichte quere Einsattelung. Supra-
orbitalwülste wenig entwickelt. Hinterkopf allmählich abfallend, etwas flach, Occi-
pitalschuppe leicht kapselfórmig vorspringend. Muskelvorsprünge der Occipital-
schuppe stark entwickelt, besonders die Crisia superior und Protuberanz. Ansatz-
linie des Schläfenmuskels sehr deutlich und hoch gewolbt.
Norma verticalis: regelmüssiges Oval, hinten etwas verschmälert.
Norma occipitalis: hohes Fünfeck, mit nach oben divergirenden Seiten-
kanten, oben etwas spitz zulaufend.
2) Skeletgräber von Oberfier, Kr. Bublitz.
Im Jahre 1828 hatte Oberförster Engel in Oberfier an die Stettiner Samm-
lung einen Schädel und andere Knochenreste geschickt, die er in einem dortigen
Hünengrabe gefunden hatte. Ueber die Fundverhältnisse berichtet er im folgenden
Jahre: ,Nur in den Districten Oberfier und Zubberow findet man heidnische Grab-
miler, in allen übrigen Districten des Forsireviers Oberfier nicht. — Die Zahl der
Grüber belüuft sich auf 74, die theils einzeln, theils zu einigen, theils gruppen-
weise und reihenweise, von verschiedener Form und Grösse, zusammen liegen. Sie
sind bald rund, bald gleichseitig viereckig, bald lünglich viereckig, grósser und
kleiner, mit Steinen von mittlerer Grüsse, je nachdem die Gegend sie darbot, ein-
gefasst, dann die Erde entweder von 4 oder von 2 Seiten tief aus- und aufgeworfen,
so dass die Höhe der Gräber im Allgemeinen 2—3 Fuss beträgt. Der Durchmesser
ist bei den kleineren 1—2, bei den grösseren 2—3 Ruthen. Steinplatten findet
man auf denselben nicht, jedoch bemerkt man an verschiedenen grossen Vier-
ecken gewöhnlich von der Südseite eine Auffahrt. Die Lage derselben ist von
Westen nach Osten').“ Aus einem derartigen Grabe, in welchem sich immer Ske-
lette fanden, stammt der vorliegende Schädel.
Man wird diese Skeletgriber, in denen sich niemals Metallbeigaben fanden,
mit viel Wahrscheinlichkeit der Steinzeit zuschreiben kónnen, denn auch im west-
lichen Pommern zeigen die neolithischen Hügelgráber, besonders solche, welche
Kisten enthalten, den nümlichen Bau.
Der Schädel ist klein, grau, mit dünner Wandung. Es fehlen die Jochbogen
und der Unterkiefer. Auf der linken Seite des Stirn- und Schläfenbeins Defekte.
Ebenso ist der Oberkiefer an den Rändern abgebröckelt. Pfeil- und Kronennaht
nahezu vollständig verwachsen. Der Schädel ist wohl weiblich und gehört einem
noch nicht voll entwickelten Individuum an.
Norma temporalis: Die Stirn steigt ziemlich steil an, um sich dann plötz-
lich nach hinten zu wenden. Supraorbitalwülste kaum entwickelt, Scheitelcurve
ziemlich flach. Oberer Theil des Hinterhauptes flach abfallend, Hinterhaupts-
schuppe kapselförmig vorspringend. Muskelvorsprünge wenig entwickelt, am meisten
noch an der Hinterhauptsschuppe.
1) LIT. Jahresbericht d. Ges. f. pomm. Ges. S. 50 und IV. Jahresbericht S. 28.
(489)
mah 10 nd verticalis: Der Schädel hat seine grüsste Breite an den Tub. parietal,
sespitat, en ist derselbe kurz zugespitzt, nach vorn allmihlicher, aber stirker zu-
Norma occipitalis: regelmüssiges Fünfeck mit senkrechten Seitenwünden.
A Norma frontalis: Stirn schmal, Orbitae hoch und wenig breit, Nase an der
(hg pyriform. ausgebrôckelt, aber doch eher schmal und lang. Gesicht schmal
kiefo; fehlt Wangenbein und Jochbogen). Wangenbein rechts anliegend. Ober-
Stark abgebróckelt, dabei klein, der Alveolarfortsatz schmal.
bei. Ra basilaris: Foramen magnum schmal und lang, Gaumen kurz und
"—— angs der Mittelnaht rechts und links auf der Unterseite der Gaumenplatte
agende Knochenpartie (fast Torus palat.).
Steinzeit-Schädel ' Sehidel ov | Schidel von
I. Messungen.
Grisste Linge . . . . 2.0 180 119
» Bree. . .. e 130 121
Grüsste Hóhe (vorderer Rand des For. magn.) . — | 122
» » (hinterer , » ^ » ) 140 131
Auriculare Hohe . . . . . . . Coe 114 112
Minimale Stirnbreite. . . . . . + « « . . 94 —
Horizontalumfang. . . . . . « «+ « « . . 500 483
Verticalumfang. . . . . ooo . 6 315 285
Ganzer Sagittalbogen . . N . . . 362 356
Sagittaler Stirnumfang . . . + ++ 4 226 130 —
Lünge der Pfelladht. . . 1 +111 226 124 =
Breite der Occipitalschuppe . - - 135 —
Entfernung des Ohrloches von der Nasenwurzel = 99
, For.magn. » » » 98
Foramen magnum, Lànge. . - + + + +. . . 91
» » Breite. . . . + . 2, © 21
Orbita, Hohe . . . . 2 - « « « « « . . 33
» Breite . . . . 2 ooo o oe e 38
Nase, Hohe . . NN 467
» Breite . . MM 94?
Gaumen, Lànge . . ee te ee 35?
» Brite . . . . 14 4 32
II. Berechnete Indices.
Längenbreitenindex . CL (2,2 67,6
Längenhähenindex (vorderer Rand) - . . . — 68,1
» (hinterer 4 ) - - . . . 1708 73,2
Aurieularhöhenindex . a di EEE 63,0 62,0
Orbitalindex. . . . . . Cee - 86,9
Nosenindex'. . . . . . .. .. .... - 52,2?
Gaumenindex . . . . ee eee 91,5?
za
(15) Hr. Eugen Bracht berichtet in einem Briefe an den Vorsitzenden aus
Baalbek vom |. Juni über seine
Reise nach dem Negeb
und stellt einige Schädel von da zur Verfügung. Das Nähere wird bei Eingang
der Schädel mitgetheilt werden. —
(16) In einer Versammlung, welche auf Einladung der Vorstände des Orient-
Comites (v. Kaufmann, Sachau, Schrader), der archäologischen Gesellschaft
(Curtius), der Gesellschaft für Erdkunde (W. Reiss) und der anthropologischen
Gesellschaft (R. Virchow) am 10. d. M. im Hôrsaale des Museums für Välker-
kunde statigefunden hat, berichteten die Herren v. Luschan und Koldewey unter
Vorlage von Plänen und Karten über die Ergebnisse der II. u. III. Campagne der
Ausgrabungen von Sendschirli.
Die für die hiesigen Museen erworbenen Fundgegenstände der I. und II. Cam-
pagne sind in Berlin angelangt und zum grösseren Theil aufgestellt.
Der Vorsitzende beglückwünscht die Leiter der neuen Expeditionen noch einmal
zu den unerwarteten Erfolgen ihrer Thiitigkeit, die unter höchst erschwerenden
Umständen stattgefunden hat, und drückt den dringenden Wunsch aus, dass die
Mittel zur Fortführung dieser denkwürdigen Untersuchung aufgebracht werden
möchten. —
(17) Die Probenummer einer neuen Zeitschrift, ,Süd-Amerika“, zur Vertre-
tung deutsch-südamerikanischer Handels- und Colonisations-Interessen, wird vor-
gelegt.
Dieselbe enthält neben zahlreichen Geschäftsnachweisungen belehrende Auf-
sütze über die mannichfaltigsten Verhältnisse von Siid- und zum Theil auch von
Central-Amerika. —
(18) Hr. Virchow bespricht weitere Beispiele von
geknöpften und mit Thierfiguren besetzten Ringen.
In der Sitzung vom 21, März (S. 329) wurde eine Mittheilung des correspon-
direnden Mitgliedes, Hra. E. v. Fellenberg in Bern, vorgelegt, betreffend einen
mit Knüpfen und Thierfiguren (Vögeln und :Stierköpfen) besetzten Bronzering
aus dem Zihlkanal bei Port, Eine analoge Mittheilung enthält der Anzeiger für
schweizerische Alterthumskunde, 1891 April, Nr. 2. S. 480.
. Bei der Vorlage iu unserer Sitzung erinnerte ich an kaukasische Bronzen.
Hr. Voss citirie ein analoges Exemplar von Epfach aus dem Augsburger Museum,
welches mit Knöpfen und Vögeln, und eines von Cöln a. Rh. aus dem Berliner
Museum, welches mit Knöpfen und Widderköpfen besetzt ist. Er war der Meinung,
dass diese Stücke der Tene-Periode angehören.
Als ich bald nachher das Museum in Wiesbaden besuchte, fiel mir ein neues
Stück dieser Art in die Augen. Es ist ein ziemlich enger und dicker Ring (Fig. 1),
am äusseren Rande besetzt mit 4 Doppelknöpfen, zwischen welchen 4 Thierköpfe
sitzen, welche unverkennbar Widdergestalt zeigen. Derselbe ist seiner Zeit im
Rhein in der Gegend von Walluf gefunden worden; leider fehlen jedoch genauere
Fundangaben.
Hr. Dr. Florschütz machte mich darauf aufmerksam, dass sich auch im
£30)
f* 00184
Figur 9
Figur 1.
igur 3.
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- 4 = A,
Figur 6.
eur D. SP ESS,
Mai
Mainzer Museum ein ähnliches Stück befinde, und erst dadurch wurde meme Er-
pe Tung auf eine von Hrn. L. Lindenschmit, dem Sohn unseres verehrten Ehren-
4 iedes, in Heft 1 der „Nachrichten über deutsche Alterthumsfunde“ vom Januar
Ep; olfentlichte Notiz gerichtet, wonach bei neuerlichen Baggerungsarbeiten im
Sin unterhalb von Mainz, zwischen der Ingolheimer und der Peters-Aue, neben
(491)
(492)
einer grossen Anzahl von Bronzebarren auch ,ein geperlter Bronzering^ gefunden
ist, um welchen „sich in regelmässigen Abständen 4 Stierhäupter gruppiren, deren
lange Hörner gleich Stacheln von dem Ringe abstehen“. Ich begab mich sofort
nach Mainz und konnte zu meinem grossen Vergnügen constatiren, dass auch dieser
Ring sich der in Frage stehenden Gruppe eng anschliesst. Der Holzschnitt in
Fig. 5, der nach einer mir gütigst zur Verfügung gestellten Zeichnung gearbeitet
ist, zeigt sowohl die Flichen- (a), als die Seitenansicht (^). Man erkennt daraus
eine weitere Variation, indem neben den grösseren marginalen Knöpfen um die
Seitenfläche des Ringes noch ein dichter Ring kleinerer, „geperlter“ Knöpfchen
angebracht ist. — —
Rechnet man noch den Cólner Ring des Berliner Museums hinzu, so erhalten
wir also 3 derartige Stücke vom. Rhein, von denen wenigstens 2, wie der aus der
Ziehl, im Flusse selbst gefunden sind. Der gleichzeitige Fund der Bronzebarren
unterhalb von Mainz, welche ein Gesammigewicht von beinahe 10,5 kg hatten,
während die einzelnen 220—265 g schwer waren, lüsst wohl keinen Zweifel dar-
über, dass es sich um ein Handelsobjekt handelt, gleichviel ob man mit Herrn
Lindenschmit annehmen will dass das Schiff gescheitert ist, oder es vorzieht,
sich vorzustellen, dass ursprünglich am Ufer ein Depot angelegt wurde, das später
vom Strome überfluthet ist. Vielleicht darf auch der Fund an der Ziehl ähnlich
gedeutet werden.
Das Wiesbadener Museum enthält eine grössere Reihe von Bronze-Objekten,
welche wahrscheinlich demselben Formenkreise angehören. Hr. Dr. Florschütz
hat die grosse Gefälligkeit gehabt, eine Anzahl derselben für mich durch Herrn
Bornträger photographiren zu lassen, von denen ich einige Abbildungen beifüge.
Da ist zunächst ein sonderbares Stück (Fig. 2), bestehend aus zwei rohen Widder-
figuren, welche mit den Leibern zu einer Querstange vereinigt sind. Auf letzterer
steht auf einem hohen und dicken Stiel eine rohe Figur, die vielleicht als ein
Vogel zu deuten ist. An den Füssen der Widder sind lange Stifte angebracht,
durch welche das Stück auf einer Unterlage befestigt gewesen zu sein scheint.
Dieses Stück schliesst sich durch seine Doppelfigur wiederum an jene doppel-
köpfigen Hängeschmucksachen an, die in vielen Museen zu sehen sind. Ein Exem-
plar in Wiesbaden (Fig. 3) zeigt zwei Stierköpfe mit langen geschweiften Hürnern,
wie sie für die italische Rasse so charakteristisch sind.
Damit kommen wir auch zu einem vaterländischen Objekt, das mit diesen
Fundstücken verglichen werden kann, ich meine zu unseren lausitzer Bronzewagen
und ihrem Besatz mit gestielten Vógeln und langhórnigen Stierkópfen. Ich habe
vor langer Zeit, in der Sitzung vom 6. December 1873 (Verh. S. 198), ausführlich
darüber gehandelt und zahlreiche Parallelen dafür beigebracht (vgl. auch Verh. 1875.
S. 108), auf welche ich hier verweisen darf.
Zum Schlusse wil ich nur noch erwähnen, dass im Wiesbadener Museum
auch ein einfach gekndpfter Ring (Fig. 4) vorhanden ist, dem die Thierfiguren .
günzlich fehlen. Es ist dies eine weit verbreitete Form, für welche ich noch ein
iranskaukasisches Objekt (Fig. 6) vorführe. Dasselbe stammt von dem Grüberfelde
von Gogdaja und stellt einen starken, innen platten, nach aussen gewólbten Bronze-
ring von 6,9 cm lichter Weite dar, an dessen üusserem Umfange 4 rundliche Knópfe
aufsitzen. Das Metall ist so stark verwiitert, dass troiz seiner schünen Patina und
vollständigen Glätte der Ring mir unter den Fingern zerbrochen ist,
Es wird nun darauf ankommen, zu entscheiden, in welche Zeit diese Stücke
gehören. Ich hatte in jener früheren Erörterung die Beziehung der Thierfiguren
zu Funden der Hallstatt- und der etruskischen Zeit betont. Hr. Voss hat sich in
(40°)
der Sitzung vom Mürz für die Tene-Zeit erklärt. Die Grenze wird schwer zu
Ziehen sein. Typen der Hallstatt-Zeit ziehen sich bekanntlich bis tief in die Tene-
Zeit hinein, und eine Entscheidung dürfte vor der Hand weniger nach den Objekten
an Sich, als nach den sonstigen Fundumstünden zu treffen sein. Aber auch diese
Müssen sehr vorsichtig interpretirt werden. So wurden bei dem Mainzer Funde
aus dem Rhein „in der Nähe der Fundstelle“ nach und nach Bronzefibeln mit ge-
Schlossenem F'usse (sog. spüter La Téne-Typus) und mehrere, dieser Form nahe-
Slehende rümische Charnierfibeln aus Bronze erhoben, aber mit Recht bemerkt
Hr. Lindenschmit, dass ,diese kleinen, verschiedenen Zeiten angehôrigen Gegen-
Stände wohl zusammengeschwemmt sein können“. Im Ganzen möchte ich immer
Noch den Gedanken festhalten, dass es sich um südliche Importe handelt, welche
Vorzugsweise der Hallstatt-Zeit angehören, aber ich erkenne an, dass manche der-
tige Gegenstünde in Funden vorgekommen sind, welche auf eine spütere Zeit
In weisen 1)
(19) Hr. M. Uhle hält einen Vortrag über
das dànische Haus in Deutschland.
da Nach den Darlegungen, welehe ich im Januar vergangenen Jahres glaubte über
" fóhringer Haus bieten zu dürfen (Verh. 1890. S, 62 fg), würde ich mir kaum
» aubt haben, in diesem Jahre zu demselben Thema das Wort zu ergreifen, ob-
wu ich im vergangenen Sommer bestrebt gewesen bin, neue Erfahrungen über
py reitung und Herkunft des von mir als Typus bezeichneten fóhringer Hauses
Sewinnen.
das Die Resultate meiner 1890 angestellten Beobachtungen waren nicht derartig,
Prob sie, wie ich als Ziel allerdings erhofft hatte, auch nur einigermaassen das
Hay lem der ganzen nordlichen Verbreitung der fohringer und der ihr verwandten
löst omen und das Problem der fundamentalen Ableitung des ganzen Typus ge-
sell diten. Unter solchen Umständen hätte ich die zu erneutem Hervortreten mir
nicht nicht genügenden Resultate zu späterer Verwendung zurückgestellt, wenn ich
Em loch in der veränderten Auffassung des von mir behandelten Problems durch
fing, ahn (vorgelegt im Herbst 1890, Verh. 1890, S. 530—535) die Nöthigung hätte
?n müssen zu antworten. |
des ich verkenne nicht, dass ich mit meiner an die Feststellung und Verbreitung
pri Ypus geknüpften Vermuthung (Verh. 1890, S. 74), derselbe möchte ein ur-
und "Sich dem friesischen Stamme eigen gewesener sein, ZU weit gegangen bin,
Ben, amit wohl Hrn. Jahn selbst den Anlass gegeben habe, mit einer Kritik meiner
Tngep Een hervorzutreten. Die Nothwendigkeit, nicht auf der ursprünglichen
hatte Origkeit der ganzen eigenthümlichen Bauart zu den Friesen zu bestehen,
Sich mir selbst inzwischen schon aufgedrängt durch meine neueren Beobach-
Meg Nr. 3 des Schweizer Anzeigers theilt Hr. v. Fellenberg Gutachten der Herren
erus er oram do Tischler und Heierli mit. Ersterer spricht die Vôgel (Enten) der
Hr. Tiger. Dekoration und dem Hallstatt-Cyclus, die doppelten Hörner den Galliern zu.
geht ler hilt es nicht fiir zweifelhaft, dass der Ring von Port der La Téne-Periode
H eler]; s wohl auch von Helvetiern gemacht ist. Zu demselben Resultat gelangt Hr.
der Zieh, Es ist dabei zu erwähnen, dass im Laufe der weiteren Nachforschungen aus
Sefischt ordi Reihe rümischer Stücke, darunter eine Kasserolle mit lateinischer Inschrift,
Tügswej. den ist. Auch mag noch besonders angeführt werden, dass Hr. Tis chler vor-
des Porter mom Werth legt auf die Kugeln, welche an den Enden der Hörner
inges sitzen; derartige Kugeln seien nur von Téne-Funden bekannt.
15,
(^^
tungen im Norden, welche auch auf die Annahme einer nördlichen Abkunft des
Typus nunmehr hinzuweisen schienen. Dadurch würde die merkwürdige Verbrei-
tung der abweichenden, dem sächsischen Hause gegenüber ziemlich originellen Bau-
form in der Ausdehnung der mit Friesen besetzten westdeutschen Küsten aus
einer specielleren Stammesfrage wieder vorwiegend eine Frage eigenthümlicher
geographischer Einwirkung aus einem anderen culturellen Gebiete werden.
Ein kurzer Aufenthalt im Innern Holsteins (Neumünster) gestattete mir im
vorigen Sommer, mich persönlich von der noch allenthalben verbreiteten Ànwesen-
heit von Rauchhüusern in Holstein zu überzeugen. Schleswig dagegen (ausser
vielleicht in den von Sachsen bewohnien Theilen mit süchsischer Hausform) hat
sein Haus vollständig in den Zustand der mit Schornsteinen ausgerüsteten Häuser
übergeführt. Noch nie und nirgends in Schleswig bot sich mir bis jetzt die Beob-
achtung eines Rauchhauses. Nur zu begründet ist die Vermuthung, dass vielleicht
kein oder kaum ein einziges Rauchhaus, soweit dieses nicht sächsisch, in Schleswig
noch existir. 1847 haben schon Liitgens'), sowie Graf E. Reventlow-Farve und
H. v. Warnstedt?) der erstere bestimmt, die letzteren ühnlich, auf das Fehlen
von Rauchhüusern nicht süchsischer Bauart in Schleswig hingewiesen. Vielleicht
existirte schon zu jener Zeit kein einziges Exemplar mehr. In Jütland, wenigstens
im Südwesten desselben, scheinen die Verhältnisse ähnlich zu liegen. 1802 gab e$
auf der Insel Mors im Limfjord noch alte Rauchhüuser. Von ihnen wurden zwei
Pläne vom Propst Schade aufgenommen. Ueber die heutigen Verhältnisse dieser
Gegenden und über die entsprechenden Verhältnisse der dänischen Inseln fehlen
noch Nachrichten.
Auf schleswigschem Boden lassen sich demnach die Beobachtungen am nicht-
sächsischen Hause dieses Gebietes nur an Häuser mit Schornsteinen anknüpfen-
Die Resultate bewegen sich dadurch mehr auf der Oberfläche der Entwickelung
der Hausformen und entbehren jener historischen Tiefe, in welche die auf dem
Boden Holsteins angestellien Untersuchungen schon geführt haben?). Immerhin
lassen sich Ergebnisse über die Verbreitung der von der süchsischen abweichenden
Bauformen erzielen und Feststellungen darüber gewinnen, dass, wenn auch der ganze
Grundriss des in der regelrechten Entwickelung vorangegangenen Kauchhauses un
bekannt bleibt, doch derselbe sicher nicht dem holsteiner Rauchhause, sonder?
einem davon verschiedenen entsprach.
Mehrere Pläne von Häusern des angeler Landes sind bis jetzt publicirt worden-
Sie finden sich in den Werken von Lütgens, sowie Graf E. Reventlow-Farve
und H. v. Warnstedt, z. Th. darnach reproducirt bei Hrn. Henning, Das deutsche
Haus 1882. Keiner dieser Plüne belehrte bis jetzt über eine einfache, in Angeln
vorhandene oder die früher vorhanden gewesene Grundform. Ein Theil der Pläne
knüpft an zu entwickelte Formen der Bauerwirthschaft an, der andere Theil an
Mischgebilde zwischen dem sächsischen und einem abweichenden Typus. Durch
den Wunsch, womöglich eine reine und einfache Form auch noch auf diesem Ge-
biete kennen zu lernen, wurde ich auf den Boden des angeler Landes geführt.
Durch Entwickelung des Wohlstandes sind auch die Bauformen sehr vor”
geschritten. Dieselben sind mannichfaltig, theils mehr sächsisch, theils mehr
dänisch, mitunter auch cigenthümlich gekreuzt, wie z. B, wie es scheint, in dem
Plane aus Sôrup, Fig. 1:
1) Kurzgef. Charakteristik der Bauernwirth. der Herzogth. Schlesw. u. Holst. 1847, S. 6-
2) Beitr. z. land- und forstwirthsch. Statistik der Herzogth. Schleswig u. Holstein 1841,
S. 33.
|... 8) Virchow, Verh. 1887 und 1890.
+94)
(495)
‘leur -
"|
À Wohnung (darüber Böm), B Dreschtenne (darüber Jöll, Heuboden), C Stall (darüber
Bim), a Vordiele, 5 Heckselraum, c Hühner, d Stände für Vieh, ee Gänge hinter dem
Vieh, f Futtergang, g Futterlade, ^ Thür zum Heudurchtragen, + Thitrlose Wand.
Den Zug zum Wechsel und zur Veränderung zeigt mannichfacher Wechsel der
Bauformen in der Familie, bei welchem der ältere Bauer seine, schon nach etwas
éntwickelten Principien zu Anfang des Jahrhunderts errichtete Wirthschaft als Alten-
thei] behalten kann und der neue Bauer sich daneben eine Wirthschaft nach ganz
?nderen Principien errichtet.
Die äussere Form der meist nicht sehr alten Häuser kommt der sächsischen
durch das hohe spitzwinklige Dach am nächsten,
Hr. Callsen in Sterup, in der ganzen Gegend wohlbekannt, war jedoch so
sefällig, mich nach einem älteren Hause, dem von Hrn. Rasch in Bremholm bei
Sterup, zu führen. Im Aeusseren und Innern wich es von den vorerwähnten Ge-
bäuden ab. Lang, niedrig, schmal, mit weniger hohem und steilem Dach, glich es
vserlich den gewóhnlichen Bauen Nordfrieslands und der westlichen Inseln. Im
Aneren zeigte es eine sehr entsprechende Einrichtung.
da Eine Jahreszahl des Hauses war leider nicht festzustellen. Wegen Alters sollte
i Haus abgetragen werden. Ein gleich oder ühnlich alterthümliches Haus war
forme ganzen Gegend nicht vorhanden, erst in einem Dorfe bei dem 15 km ent-
leid ên Süderbrarup, welches ich ss
Der yo ont mehr besuchen konnte. wur s
hai ater des 70jährigen Besitzers
kon, das Haus als fertiges über-
"e und nicht gewusst, wel-
baut Md Vorgünger dasselbe ge-
gogo ate. Dem Wohnhaus parallel
Scher Der stand eine kleinere
en Ihre Umfassungswünde
Ziege] Zwischen Balkenstellungen
jedes Po der Weise gesetzt, dass
(Fi eld dieses Muster ergab)
8. 2).
House dem von Hrn. Virchow Verh. 1890, 8. 563, Fig. / abgebildeten vierländer
8 des H. Herden in Kurslack gewahrt man ein ähnliches Muster, ebenso an dem
Mus Der ,Donnerbesen* (Virchow, Verh. 1890. 8. 77) kommt, in Ziegeln gesetzt, als
Soll da, tor Aussenvand unter dem Namen „Franzbi“ auch in Angeln vor. In Holstein
>Banerntau,s rn. Virehow a. a. O. S. 18 erwähnte und in Fig. 4 daselbst mit abgebildete
erhaltener Angabe nach auch über dem Schwibbogen zu finden sein.
(496)
Figur 3.
I 5 €
yos
X X—À9— e
Die Zahlen geben die Fachabtheilungen an.
a Vordiele, ^ Küche mit Heerd, c Kellerkammer, d Norderstub, e Backlauw (dàn. klaf)
f Pisel, gepflastert, früher beste Stube, jetzt Wohnstube, g Süderstub mit Tisch und Bank.
h h À Betten, i Futter- und Dreschdiele: Lohe, k früher Verschlag, jetzt Krippe, / Kuh-
stall (6—8 Kühe nach k zu gerichtet), dahinter ein schmaler Gang.
Haus von Peter Heldt in Ostenfeld aus dem 17. Jahrhundert, welches unten b€
sprochen wird (Mittheilung voa Hrn. Voss in Husum).
Das Haupthaus (Fig. 3) enthält in den Fenstern Butzenscheiben, Gebälk durch-
aus von Eiche, einen riesigen, in ähnlicher Grösse mir noch nirgends begegnete?
Schornstein, dessen untere trichterartige Erweiterung grosse Theile der Küche und
nebengelegenen Wohnstube zugleich überspannte und dem durchfallenden Rege?
Raum gab, ferner eine ziemlich zierlich gepflasterte Vordiele: metergrosse Quadrate
aus Reihen von Ziegeln, ausgefüllt mit andersfarbigen kleinen Rollsteinen.
Diese objektiven Kennzeichen höheren Alters veranlassten mich zu der Ein-
räumung, dass das Gebäude, wenn es auch nicht, wie die wohlmeinenden Orts-
bewohner sagten, aus dem 16. Jahrhundert stammen mag, doch immerhin vielleicht
zwei Jahrhunderte getragen hat. Als ein glücklicher Beleg vergangener vorhundert-
jähriger Bauart, dabei mit der gewünschten verhältnissmässig einfacheren Grund-
anlage, durfte das Haus jedenfalls, auch ohne die leider nicht besonders festgestellte
Jahreszahl seiner Errichtung, gelten. .
Wichtig an dem Hause ist der Mangel jeder Einfahrt und das Fehlen über
haupt jedes Zuganges zur Tenne am Giebel. Dabei soll freilich nicht verschwiege”
werden, dass im Innern eine nebensächliche Berührung mit sächsischen Verhält-
nissen nicht ganz zu verkennen war. Das Vieh stand mit den Köpfen nicht nach
der Wand, sondern nach der Tenne zu. Ueber den Viehständen befand sich die
Einrichtung „de hill“ (= „de hilgen“: Hr. Virchow, Verhandl. 1890, 8, 81). DI
Tenne war früher (als das Futter noch über den Verschlag weg zwischen Vie
ständen und Tenne dem Vieh vorgeworfen wurde) gewissermaassen Dreschdiel®
und Futterdiele zugleich. Aber dif darin zu erkennenden Einwirkungen des sich”
sischen Hauses waren immerhin keine fundamentalen. „De hill“, die sächsisch®
Einrichtung, kann man auch in Nordschleswig als neuere Einführung in mehr”
hunderijührigen Gütern (wie z. B. im ,Durrhaus^ bei Tondern) finden. Derartig®
Einrichtungen finden also nicht selten gesonderte Verbreitung über die Grenze?
des ganzen Typus, welchem sie ursprünglich zugehórten, hinaus. Ausserdem schien
an den Umfassungsmauern dieser östlichen Hälfte des Hauses nichts geändert. Am
Giebel war nie ein grósserer Eingang, nie eine Einfahrt, gewesen. Es vollendet®
6
(497)
sich mir dadurch die Gewissheit, dass ein schon dem Ursprunge nach von dem
sächsischen abweichendes Haus vorliegen müsse.
Das Haus bot aber noch eine Eigenheit, welche zwar auch sonst in Angeln
Verbreitet ist, vor dem Besuch Angelns aber mir noch nicht vorgekommen war.
Wie über den Zimmern (der Zimmerdecke) und der Vordiele der Kornboden
„de böm“, über den Viehständen „de hill“, so war über der Tenne in deren Aus-
dehnung die zur Bewahrung des Heus dienende Bodeneinrichtung „de joll^. Die-
selbe liegt etwa 0,5 oder 1m hóher als der Boden ,de büm“, wodurch der cben-
erdige, darunter liegende Raum um SO
Viel überhóht wird, und besteht aus Figur 4.
Mehreren, über Querbalken mit klaffen-
den Zwischenräumen lings gelegten
Breitern: „de sleten“. An der Wand
Zwischen Vordiele und Tenne stellte sich
» dem Rasch'schen Hause der architekto-
Nische Querschnitt demnach in neben-
stehender Weise dar (Fig. 4).
Von der im Umfange nur einstündi-
Sen Insel Barsô bei Apenrade in Nord-
Schleswig erlaube ich mir den Plan des
»1766 von Berdel Müller in Loit“ errich-
teten Hauses herzuseizen (Fig. 5). Das
Haus ist allerdings nicht besonders alter-
ace Er ai at dile ——À—
gerichtete Vordiele (k),
für deren Vorkommen am fohrer Haus Lohe. Stall. —
Hr. Jahn (Verh. 1890, 8 532) allein die Hausdurchschnitt an der Wand zwischen
Erklärung aus de m sächsischen Flet hatte . Vordiele und Tenne. |
Im Plan. dd Mech und Bünke un a Thür, 0 Wand der Vordiele, € Zimmer-
der Ki sind ferner Lısch un ; decke, d Kornboden „de böm (über der
üche erkennbar. Ueber der Tenne Wohnung und Vordiele, bis an den First
Und Durchfahrt ist der Boden ,de jOll^ ^ reichend), e „de slöten“, f Heuboden „de
S ler ,de joll“); das Bretterlager des jóll (nur über der Tenne.
Odens heisst, wie in Angeln, ,de sléten^.
Figur 5.
EE. s (03 82 1
N V
UU [oT
ap Die Zahlen geben die Pachabtheilungen an.
rangulv, b Küche mit Heerd, Tisch und Bank, c Keller, d Kammer, € Stube, f Pisel,
Sepflastert, g Kammer, h Saal, 6 ? i Betten, & Vordiele, ! Backhaus mit Backofen,
(ap chtkammer, n Kuhstall, o Gang, p Getreideraum (bis ins Dach offen), q Schafstall
arüber „böm“), r Heckselraum (darüber „böm“), s Tenne (darüber „joll“), % Durchfahrt
(darüber „Joll“).
Verhandl, der Berl. Anthrop. Gesellschaft 1891.
/
89
(498)
Das Gebäude bildet die eine Seite eines hufeisenfórmigen Hofes, welcher au$
hm, einem Stück Wall und einem winkelförmigen, Ställe und Scheune enthaltenden
Gebäude zusammengesetzt ist. |
Tenne und Stall kommen auch in Nordschleswig (Barsó) parallel neben ein-
ander, wie auf Föhr, vor. Es wird dies u. A. durch nachstehende kleine Skizze
(Fig. 6) bewiesen. Figur 6.
le
ST 44 XXX
a Durchweg zur Tenne, 5 Tenne, darüber ,joll^, c Schweinestall, d d Stünde für Kühe,
€ e Thüren zur Wohnung.
Der die Wohnung enthaltende Theil des Hauses war auf Barsó immer aus
Ziegeln errichtet. Die grössten Höfe waren aber im Uebrigen fast immer rein aus
Holz aufgeführt, auch der Theil des Haupthauses, welcher die Wohnung nicht
enthielt. Man vergleiche dazu die Erwähnung alterthümlicher bäuerlicher Holz-
bauten in der Nähe des (etwa 5 km entfernten) Loit auf dem Festlande (Kornerup,
Correspondenzblatt d. deutsch. Gesch.- u. Alterth.-Vereine 1870, XVIII, 66), welche
um 1870 im Aussterben waren.
. Das jütlàndische Haus lernte ich auf der, einen Breitengrad nórdlich Fóhr ge-
legenen Insel Fanó kennen. Fand ist ein interessanter Punkt, wie schon Marryat
(A residence in Jutland 1860, p. 218), welcher es besuchte, bemerkt hat. Es ist
zwar nicht 1000 Jahr stationär geblieben, wie Marryat erklürte (denn Rauch-
häuser giebt es ja auch nicht mehr da), immerhin in Folge seiner Inselnatur fest-
lündischen culturellen Einwirkungen entrückt gewesen, so dass es viele Alter-
thümlichkeiten bewahrt hat.
Das Haus von Fanó gleicht fast absolut dem fôhrer. Eines der ältesten
Häuser oder das älteste Haus im Dorf Sónderho auf Fanö ergiebt den Plan
Fig. 7.
Figur 7.
2 2 F 5 7
pan MM
/
EEN —C——3———- .- %-
Die Zahlen geben die Fachabtheilungen des Hauses an.
a Vórstu&, b Stá&, ¢ Koken, d Heerd (mit Kesselhaken), e Backofen, / Speisekammer,
9 Stuë, h Bett, i Pisel, & Kammer, / früher Dreschdiele, m früher Stall, B T' Bodenleiter.
(499)
Figur 8.
| a
+". X : —
a Vordiele, b Kochraum (sehr eng) c Heerd, d Backofen, e Stube, f Betten, g Stube,
h Pisel, £ Kammer, k Schlafstube, | Tenne, m Kornraum, 7 Heuraum, o Schafstall.
e Das älteste Haus im mittleren Dorf der Insel Rindby (das Haus Hansen's)
4 sbricht dem Plan Fig. 8. (Der schraffirte Theil blieb, bei Aufnahme des Hauses
urch die Fenster von aussen, unaufgeklärt.)
la In neuen Hüusern, zumal in Nordby (wo der Verkehr der Insel mit dem Fest-
inde ansetzt), läuft meist die Vordiele quer durch das Haus (wie auf Föhr), und
we tennen- oder schuppenartige Kammer in der Längsrichtung parallel neben dem
ll hin (wie auf Föhr).
M Fanó hat noch Frauentracht, das umgebende Festland nirgends mehr. Schon
p; ryat hat sich darüber geàáussert (p. 219). Er nennt Fanö nach der üblichen
aufung der Röcke über einander (in seltenen Fällen bis zu 18): „the land of the
a Noch heute erkennt man leicht die ununterbrochene Ueblichkeit dieses
4 rauches. Auf Föhr herrschte eine entsprechende Sitte etwa noch zu Anfang
€ses Jahrhunderts.
wi Ein dunkles, um den Kopf gebundenes Tuch bildet die Kopfbedeckung. Es
M so umgelegt, dass es in schräger Richtung etwas nach hinten ansteigt, und
dad. oberhalb des Wirbels sichtbar durch einen Knoten geschlossen ist. Man wird
ia eh an das Kopftuch der Fóhrerinnen erinnert, welche dasselbe freilich. zier-
êr, mehr turbanartig, anlegen.
der Ein krapprother wollener Rock mit grünem Randsireif bildet den Oberrock
"i Tracht. Als Oberrock wird er noch in dem südlichsten Dorfe Sónderho, wel-
" von dem Verkehr zum Fesilande am entlegensten ist, getragen; 1n Nordby
p; Ben ist er durch einen, in der Farbe gleichgültigeren, dunkleren Rock überdeckt.
nn dunkles Blau drückt die Trauer aus, so als Farbe des Kopftuches und
e arbe des Randstreifes am Rock. Wittwen, ausgenommen, Si heirathen wieder,
p. heinen dadurch gekennzeichnet. Auch die Ueblichkeit des Randstreifes am
Lok hat auf Föhr ihre Parallele. Ein dunkel- und hellblau carrirtes Tuch, wird
ho Trauer auch in Boldixum auf Fóhr geiragen (Mittheilung von Frau Kertel-
. M in Nieblum). Frauen auf dem Felde schützen auf Fanó ihren schónen Teini
Poh den Sonnenstrahlen durch ein über das Gesicht gebundenes Tuch, wie auf
Gabe Die Mähgeräthe (Sense mit zum Raffen bestimmter, seitlich angelegter
al el) sind auf Fanü dieselben, wie auf Fóhr. Aus Allem ergiebt sich eine grosse
dag meine Gleichheit der Cultur und der Sitten von Fanó und Fóhr, welche nur
de, Ch etwas überrascht, dass mit ihr Gleichheit der Sprache, anscheinend auch
die Physischen Abkunft, nicht verbunden gehen. Für den Hausbau beansprucht
Se Aehnlichkeit der Cultur und der Sitten einiges Interesse.
wa Di? Bewohner von Föhr, Amrum, Sylt, Helgoland und Wangeroog werden
neuester sprachlicher Forschung nicht als Nordfriesen, sondern als eine kleine
99%
(500)
selbständige, niederdeutsche Gruppe, welche nur neben den Nordfriesen stehend,
mit diesen und den Osifriesen sich zu der nüchsten hóheren Einheit zusammen-
schliesst, gerechnet (Bremer in Jahrb. d. Vereins f. niederd. Sprachforschung 1887,
XIIL- S. 5 fg.).
Darnach steht der fóhringer Typus auf Fóhr nicht mehr in eigentlich friesi-
schem Gebiete, wiewohl so auf den Halligen, deren Bewohner üchte Nordfriesen sind-
Sonst blieb auf Fóhr und in
dessen Nachbarschaft nach den Beob-
Dow achtungen von 1889 immer noch
Manches auch hinsichtlich des Haus-
baus zu beobachten übrig, wovon
Einiges im Nachstehenden nach-
geholt werden môge.
Zunächst stellte sich unter den
verschiedenen früher bezeichneten
Modalitäten (Verh. 1890, S. 62 fg.)
als älteste, auf Föhr vorkommende
Form des Hauses nunmehr besser
die nebenstehende dar (Fig. 9).
Die einheimischen Bezeichnungen der Haustheile sind folgende:
Föhr, Amrum: Halligen: Gebrauch:
a jaddor sáddór („Südthür“) Haupteingang
b mattälem, auch stiennem mattälem, tele Vordiele
(vonsüen, Stein ?) ; Sylt:
taal?)
c guäddör — Gartenthür
d dórnsk dórnsk Stube
e pisel, pesel pisel „Pisel“
f kógem kügen, kégen Küche
g iäldägh (spr. éldägh)"), häste, härstä Heerd
so besonders auf Am-
rum; ausserdem herstä
h komer — Kammer
i gong . Gang durch den Stall
k büssem*) bósem Stall
| bórdór bósomdór Stallthür
m lohe oder tal tele Tenne
Ausserdem:
bän bän Boden
bághon óven Backofen
1) weil gepflastert.
2) Johansen, Die nordfriesische Sprache 1869, S. 76.
3) Man vergleiche angelsüchs, dled, altsichs. eld, altnord. eldr, din, ild, norw. ell, eil,
schwed. eldr: Feuer. Ildhus heisst schwedisch: die primitive Stube mit freiloderndem
Heerd (Mandelgren, Atlas till Sveriges oldlingshistoria 1877, I—IL 8, 10), islànd. eldhüs
Küche (K. Maurer, Island 1874, S. 434), hollindisch-friesisch eazen = Heerd (Roosje en
Kroese en Eekhoff, Merkwaardigh. van Hindeloopen 1855, 8.9) — Die Sylbe -agh
oder -dägh in iäldägh ist noch unerklärt.
4) Johansen a. a. O. S. 139 schreibt busham.
(501)
.. Fóhr, Amrum: Halligen: Gebrauch:
8nück 1) Kesselhaken
skôstien Schornstein
käller käller Keller
Die ältere Form auf Föhr enthält rechts von dem Quergang keine Zimmer.
Man findet diesen Zustand mehrfach in überhundertjährigen Häusern, und es er-
Scheint auch an sich schon als das Natürliche, dass die Ausbreitung der Wohn-
Täume über den Gang weg nach dem Stalle das Jüngere ist.
} Schon früher (Verh. 1890. S. 66) ist bemerkt, dass die Einfahrt (a. a. O. 8. 65,
Fig. 7, P) bald fehlt, bald vorhanden ist. Sie ist dabei nicht gerade gewöhnlich,
Sondern verhältnissmässig wenig vertreten. Ausserdem wird sie aber auch in alten
Häusern (wie in dem später noch zu erwähnenden von Sophie Olufs in Utersum)
als neuere Zuthat betrachtet. An alten Hüusern fehlt sie häufig. Sie darf sicher
als neue Zuthat betrachtet werden. Dazu kann man weiter die fanöer Bauten ohne
Einfahrten vergleichen. Der Freundlichkeit von Hrn. Voss in Husum verdanke ich
ferner den Plan eines Hauses von Drellsdorf bei Bohmstedt in Nordfriesland, wel-
cher vollständig Fig. 9 gleicht. Auch er entbehrt also der Einfahrt. Der Plan
Selbst ist von Interesse auch als Bestätigung des Vorkommens der relativ ein-
fachen fóhrer Form auf dem nordfriesischen Festland.
Mit der Angabe, dass der Pisel eigenilich unheizbar war, ist Hr. Jahn voll-
Ständig im Recht. In den Plan Verh. 1890, S. 65 gelangte die Angabe des Ofens
Mm Pise] nur durch gewisse Oefen in neuer eingerichteten Piseln auf Fóhr, welche
Berücksichtigung nicht so verdient hätten. Dagegen ist Hr. Jahn mit der Angabe,
dass der Pisel „nur Vorrathsraum“, und „im Uebrigen nur“ bei grossen Festlich-
keiten als Versammlungsort benutzt sei (S. 532), nicht gleichermaassen im Recht.
Denn der Pisel ist eigentlich Staats- und Prunkraum des Hauses, seine Be-
utzung zur Bewahrung von Vorräthen, Truhen u. s. w. (gewissermaassen dem
Schatz des Hauses) war in älteren Zeiten nur die daneben hergehende. Wäre der
Pise] nicht voller Staats- und Prunkraum des Hauses gewesen, so würde sich auch
pet genügend erklüren, wie so er, z. B. in Dithmarschen, sogar zu Bestaitungen
"'YOrramender Personen benutzt werden konnte.
Q Auch die 80jährige Frau Hansen in Keitum auf Sylt, Witiwe des verdienten
P. Hansen, theile mir mit, dass der Pisel früher „nur der Prunkraum war,
pur für festliche Versammlungen diente“, Dienstboten durften den Pisel nicht
elreten « „Es wäre Entweihung gewesen.“ Die Hausfrau reinigte selbst den Pisel.
Im Hause der Sophie Olufs in Utersum fand ich im Pisel, etwa in der Mitte,
i einem Rembalken, an dessen Unterseite, gross, etwa 10—15 em lang, 1—2 em
ho die Hausmarke eingeschnitten. Die Bewohner des Hauses und die Dorfnach-
hatt Obwohl sie mich selbst auf das Haus als das ülteste aufmerksam gemacht
"i Wussten von der Existenz und der merkwürdigen Bedeutsamkeit des Zeichens
Sich *. Dass dieses bedeutsame Zeichen aber gerade im. Pisel sich findet, reimt
halte der früheren, gewissermaassen feierlichen Bedeutung des Pisels im Haus-
Spy, D Verstindlich würde schliesslich das hübsche, an den Pisel sich knüpfende
Py, Wort?) erscheinen, wenn man dem Pisel die Grundgeltung als Staats- und
nkraum des Hauses versagen wollte: Apträpi uun plisal an deelfäl uun busham,
paüisteigen im Pisel und herunterfallen im Stall“, d. i. hoffährtig anfangen und jümmer-
1) Man vergleiche dänisch nok, Haken.
2) Johansen a. a. O. S. 19.
( 99%)
lich enden. Man beobachte die glückliche Benutzung des räumlichen Gegensatzes
des dem Prunke gewidmeten Pisels und des vom Vieh eingenommenen Stalles im
Hause für den Sinn des Sprüchwortes.
An der Ableitung des Wortes Pisel von pisale, heizbares Gemach, nimmt Hr.
Jahn (a. a. O.) Anstoss und bezeichnet sie, wegen der Unheizbarkeit des schles-
wigschen Pisels, als lucus a non lucendo. Gleichwohl hilft wohl eine weitere Be-
trachtung der etymologischen Herkunft des Wortes über die von Hrn. Jahn an
sich ja richtig beobachtete Schwierigkeit hinweg. Pisale wird allgemein, und an-
scheinend mit Recht (man vergleiche die Form phinsel), von lat. pensale, Arbeits-
raum, abgeleitet!) Als Arbeitsraum der Frauen würde dieser Raum heizbar und
so nach und mach vielleicht speciell ein geheizter Raum geworden sein. Jeden-
falls fehlt es bei der grossen lautlichen Aehnlichkeit an dem hinreichenden Grunde,
den schleswigschen Pisel von dem bekannten mittelhochdeutschen phiesel (flesel,
phinsel, pisale, phiesal, pfiesel), welcher anscheinend allgemein ein heizbares?)
Gemach darstellte, zu trennen. Dann würde aber vielleicht auch (durch den Be-
griff der Heizbarkeit in phiesel vermittelt) pfiesel, pfieselkammer, pfieselstatt?) (in
Salzsudwerken eine Kammer, in welcher durch eineu starkgeheizten Ofen das Salz
auf Gerüsten gedorrt und gehürtet, gepfieselt, wird), jedenfalls aber noch franzó-
sisch poéle, sowie norwegisch peis, Ofen?) zuzubeziehen sein. Die Müglichkeit,
dass pisale, piesel, daneben auch Ráume unheizbarer Art bezeichnen konnte, würde
darnach dadurch gegeben gewesen sein, dass die Urbedeutung des lateinischen
Grundwortes überhaupt noch keine Spur des Begriffs Heizbarkeit enthielt, und
dieser Begriff erst nach und nach in einem Theile der Ableitungen aufgenommen
und dann allerdings zum Theil sogar zu vollendeter Schärfe heransgebildet wurde.
Dem von mir entwickelten föhringer Typus stellte Hr. Jahn zwei Hausformen
zur Seite, welche er in dem Kirchspiel Ostenfeld vertreten gefunden hatte. Er
leitete aus diesen Hausformen eines „unverfälscht friesischen Gaues“ ab, dass das
nordfriesische Haus eigentlich eine Modification des niedersächsischen Hauses und
auch der von mir entwickelte fóhringer Typus eine solche sei (S. 531—535).
Für diese Schlüsse waren ihm behülflich die Angaben, dass Ostenfeld ein
durch seine friesischen Alterthümlichkeiten bekanntes Gebiet sei, ferner die Ana-
logien, welche das gewóhnliche nordfriesische Haus mit den ostenfelder Hausformen
in manchen Stücken bot, ferner nahe Uebereinstimmung zwischen der jüngsten
Entwickelung des Bauernhauses in Ostenfeld (Fig. 2) mit dem von mir entwickelten
föhringer Typus. Hr. Jahn fühlte sich so sicher in seinen Beweisfolgerungen, dass
er ein, nach dem Muster des älteren ostenfelder in der deutschen Ausstellung in
London aufgestelltes Haus kurzweg als ein nordfriesisches bezeichnen liess und
in einem Tageblatt als ,das nordfriesische Haus^ selbst näher erörterte 5). Dieser
Artikel ist dann in der Kieler Zeitung, entsprechend dem für die Gegend be-
greiflichen Interesse an dem Gegenstande, wieder abgedruckt worden, hat aber,
so viel mir bekannt isi, bei den Einwohnern Nordfrieslands wesentlich bloss Er-
staunen darüber erweckt, welches nichtnordfriesische Haus auf diese Weise als
nordfriesisches commentarlos erürtert worden ist.
1) Lexer, Mittelhochd. Handwärterbuch 1876, II. 243; Littré, Dictionn. de la lang.
fr. s. v. poêle.
2) Gudrun 996, 4: Du muost heizen minen phiesel und muost selbe schürn die brende.
3) J. A. Schmeller, Bayer. Dialect-Wórterbuch 1824— 931, I 442.
4) Hr. Henning a. a. O. S. 63. Westlich von Oldenburg hórt der Ausdruck ,Piesel* auf.
5) In einer Beschreibung des Hauses im Berliner Tageblatt,
ITI
(503)
Nun bin ich bereit, Hrn. Jahn die Möglichkeit einzuräumen, dass die Nord-
friesen in vorvergangener Zeit früher oder später einmal sächsisch bauten. Als
Missglückt stellt sich aber der Versuch dar, das föhringer Haus als Modification
des niedersächsischen Hauses zu bezeichnen, das nordfriesische Haus, wie es in fast
allen, besonders allen maassgebenden Theilen des Landes existirt, als Modifikation
des niedersächsischen Hauses zu erklären und damit gewissermaassen den Beweis
Zu liefern, dass offenkundig sowohl auf Föhr, wie im übrigen Nordfriesland, die
Bauart ein direkter und einfacher Abkömmling des gewöhnlichen niedersächsischen
Hauses sei.
Für Schleswig, zur Feststellung der dort üblichen Bauarten, ist die Frage
Selbst nicht von zu grossem Belang. Was im Allgemeinen dort gebaut wird, ist bald
Vollständig bekannt. Stellten sich diese Bauarten als Abkömmlinge der sächsischen
Bauart dar, so wäre das interessant. Stellten sie sich als eine andere, etwa däni-
Sche Bauart dar, so könnte dieses Resultat, gemäss den fremdartigen Cultur-
Einflüssen, welchen Schleswig, z. Th. wider seinen Willen, so lange ausgesetzt
War, nicht so sehr überraschen. Die Frage ist nur von grósserem Belang dafiir,
9b in Nordfriesland selbst so offenkundige Belege dafür, dass die ganze friesische
Bauart die sächsische war, vorliegen, ferner von grossem Belang für die Beziehun-
Sen eines vom sächsischen abweichenden, in Schleswig gefundenen Typus zu
Üblichen Bauarten der westdeutschen Küsten der Nordsee, weil mit der ange-
Hommenen Selbständigkeit dieser Bauform in Schleswig die Selbständigkeit der an
den westdeutschen Küsten vorkommenden Form und damit deren besondere Be-
deutung von selbst fiele. Ausserdem hat die Frage vielleicht ein principielles Inter-
*$se insofern, als es vielleicht doch nicht ohne Werth ist festzustellen, ob man auf
Methodischem Wege gewonnene Ergebnisse auf Grund oberflüchlicher Anschauungen
m Untersuchungen, wie solchen über den Hausbau, noch beseitigen darf.
Zunächst habe ich Hrn. Jahn einzuwenden, dass die von ihm als älteste be-
Zeichnete ostenfelder Bauart nicht die älteste des Kirchspiels ist. Von seiner
»Atesten* Bauform sagt Hr. Jahn im Uebrigen nur (S. 531), sie sei vor 50 Jahren
M Ostenfeld noch gewöhnlich gewesen. Man könnte nachweisen, dass Häuser
dieses Zuschnittes zu bauen erst Ende vorigen Jahrhunderts begonnen wurde und
dass das Haus, welchem der Plan 1, S. 531 entnommen wurde, anscheinend das
der Geschwister Lorenzen, nur erst Ende des vorigen Jahrhunderts errichtet ist.
Ich verdanke der Güte von Hrn. Magnus Voss in Husum zwei ältere Pläne
(Fig. 10 und 11) von Häusern in Ostenfeld, welche etwa 1643 und 1685 erbaut
Worden sind. Zu ihnen war Hr. Voss so freundlich mir zu schreiben:
. Zu Fig. 10, Haus von Peter Heldt: „Der Heerd ist jetzt an die Wand ge-
lückt, hat aber früher frei gestanden, und mag, wie die Leute sagen, aus einem
Stein bestanden haben. Links vom Heerd sind die Gesindebetten erhalten. Rechts
St aus den Gesindebetten die Wohnstube gemacht und ein kleiner Anbau (im
Plan punktirt) zugefügt. Dieser Anbau ist an sich auch alterthümlich, stammt
aber, wie man der Inschrift über der Wohnstubenthür entnehmen kann, aus dem
Jahre 1789. Ueber dem Ausgang in der rechten Hörn*) steht in einem Ständer
die Jahreszahl 1673. Ueber der grossen Thür soll 1643 stehen.“
8 1) Gang nach der Seite. Uebrigens giebt Hr. Jahn 8. 518 »Siedeln* als Ausdruck für
tall Dies ist nach Mittheilung von Hrn. Voss kein Wort. „Side“ heisst Seite. Man
Sagt also ,sidenstalls in der Bedeutung Seitenstall, aber nicht bloss ,Siden“ für Stall
oder _Siedelns.
(i 4)
Figur 10. Figur 11.
7 I
Lt L———— N
a Strasse, b Diele, c Sidenstálle, d Hoeerd, a Diele, 6 Torf und Kälber, c Pferde,
e e Gesindebetten, / Pisel, g Gang nach d Heerd, e Wohnstube, / Knechtkammer,
dem Baumgarten, /» Norderstube. g Aufwaschküche, A Pisel, 7 Schlafstube,
k Mädchenstube.
zu Fig. 11, Haus von Reimer: ,Ueber der Hausthür steht die Jahreszahl
1685. Auch hier ist der Heerd freistehend gewesen. Die Gesindebetten sind
rechts erst zu Lebzeiten des jetzigen Besitzers durch eine Aufwaschküche ersetzt.
Die Wohnstube links scheint an die Stelle früherer Gesindebetten gebracht und die
Knechtkammer ebenfalls neuere Einrichtung zu sein. Die Heerdbank heisst Blink,
der Raum mit den Betten Siddelsch.“
Beide interessant übereinstimmende Pläne erweisen, dass Hrn. Jahn’s Fig. 1
S. 531 nicht die älteste Bauart Ostenfelds darstellt. Denn sie weichen von
dieser Fig. 1 ab; es giebt sogar 7—8 solcher Häuser in Ostenfeld ausserdem.
Ihr Grundriss entfernt sich, ausser in Nebendingen, nur unwesentlich von dem
des sächsischen Hauses. Der Pisel, fremdem Einfluss verdankt, in beiden vor-
handen, stellt wohl die einzige wichtigere Abweichung vom sächsischen Typus dar.
Es ist mir auffallend, dass diese beiden alten Häuser in Ostenfeld Hrn. Jahn fremd
geblieben sind, da die in ihnen früher vorhandenen Paneele in dem Londoner
„nordfriesischen Hause“ Aufnahme gefunden haben. Wäre es darauf angekommen,
recht gründlich zu erweisen, dass das nordfriesische Haus ursprünglich das reine
sächsische Haus gewesen ist, so hätten diese beiden Pläne benutzt werden können.
Die Benutzung der veränderten Grundrisse der Häuser des 18.—19, Jahrhunderts,
dieser ,Modifieation des niedersüchsischen Hauses^, gewissermaassen vielleicht
dieser ,friesischen Modification des sächsischen Hauses“ im „unverfälscht friesischen
Gau“ Ostenfeld. erlaubte freilich leichter die Brücke zu schlagen zu den abweichen-
deren Plänen der zur Zeit in Nordfriesland üblichen Bauerhäuser,
h
(595)
Nun erweist sich aber Folgendes: Die zwei Häuser des 17. Jahrhunderts zeigen
ganz geringen fremdartigen Einfluss in der Existenz des Pisels (fast genau wie
das süchsische Haus in Dithmarschen)?). Darin stimmen die Plàne auch schon mit
der Bauart Nordschleswigs. Hier ist ein geringer Anfang zu fremdartiger Ein-
Wirkung gemacht. | |
Hrn. Jahn’s, dazu jüngerer (18. Jahrhundert), Plan S. 531 Fig. 1 zeigt nun die
Abweichung, dass die in den älteren Plinen (Fig. 10 und 11) noch fast rein säch-
Sische Wohnung durch die Gesammteinrichtung der Wohnung des fremdartigen
Hauses ersetzt ist. (Man vergleiche den nordschleswiger Plan S. 534 Fig. 9, ferner
Nebenbei die föhringer Bauart: 4—5 Wohnräume in zwei Längsreihen; dem Pisel
M einer Ecke ein Raum mit grosser Feuerung diagonal gegenüber).
Die Entwickelung ist noch weiter gegangen in den jüngsten Erscheinungen
des ostenfelder Hauses (Jahn Fig. 2 8. 532). Hier ist eine grössere Aehnlich-
keit zum nordschleswigschen Hause erzielt durch Verlegung des Heerdes in die
Wohnung (an die Stelle des Backofens) und durch Absperrung des Flet als Gang.
Hr. J ahn zeichnet selbst den neuen Gang schmäler als das frühere Flet und ähn-
licher dadurch der Vordiele des föhrer Hauses und entsprechenden in Nord-
Schleswig und Fanö vorkommenden Erscheinungen (s. oben Plan 5 und die Be-
Merkungen über Fanö). Die Veränderung des Flet zum Gang reimt sich als An-
dhnelung an den fremden Typus zu dem ganzen erwiesenen Zuge der im osten-
felder Hause seit dem 17. Jahrhundert herrschenden Entwickelung. Es lässt sich
Ausserdem geltend machen, dass anderwärts bei Freiwerden des sächsischen Flet
Yom Heerde nicht nothwendig der Flet, überhaupt als Raum nur, erhalten bleibt.
| Analoge Entwickelung, Anähnlichung des früher rein sächsischen Hauses an
en fremden (dänischen) Typus lässt sich am Hause Norddithmarschens nach-
Weisen: 1. erweisliche Stufe; Plan des dithmarscher Hauses bei Graf E. Reventlow-
Farre und H. v. Warnstedt; — 2. Stufe: Lütgens a. a. O., Taf. 15; — 3. Stufe:
Lütgens Taf, 16.
Nun ist aber auch das fóhringer Haus keineswegs eine Entwickelungsform des
Sächsischen, so sehr es auch von Hrn. Jahn als übereinstimmend im Grundriss
Mit seiner Fig. 2 (S. 532) von Ostenfeld betrachtet worden ist.
Ausserhalb des Grundrisses macht sich die wichtige, von Hrn. Jahn ganz bei
Seite gelassene Differenz geltend, dass das veründerte ostenfelder Haus immer noch
den Giebel in süchsischer Weise der Strasse weist, das fohringer die Langseite.
Im letzteren ist also auch schon nach seinem äusseren Verhältniss zum Dorfe, zu
den Dorfwegen, jenes Merkmal des sächsischen Hauses nicht vertreten.
Die im Grundriss von Hrn. Jahn angenommene Aehnlichkeit ist keine so
grosse. Wohnung und Querdiele stimmen, die Wirthschaftsráume aber in den
Meisten Beziehungen nicht. Es ist wahr: die Tenne liegt auch im föhrer Hause
längs, aber an ihr befand sich in deren ursprünglicherem Zustande keine Einfahrt ?);
Sächsisch in der Lage, war sie doch nicht sächsisch in der Zugänglichkeit, und als
Pine Nachahmung der sächsischen Diele ist sie darnach fraglich. Das föhrer Haus
Zelgi dio Lüngszweitheilung der Wirthschaft (wie Hrn. Madsen's Fig. 3, S. 924).
Deren Entstehung aus der sächsischen Dreitheilung nimmt Hr. Jahn an (S. 532)
"Dd er sucht sie zu erklären, ohne jedoch für die Thatsüchlichkeit des ange-
Rommenen, tief einschneidenden Vorganges den dafür zu wünschenden bestimm-
teren Beweis beizubringen. Die dreitheiligen Stalleinrichtungen (2 Reihen Vieh-
1) Graf Reventlow-Farve und H. v. Warnstedt a. a. O., Tafel.
2) nur eine schmale seitliche Pforte an der Stallseite, man vergl. Fig. 9.
.
(506)
stände zu den Seiten), welche auch Föhr (als neuere Fortbildungen) kennt, ent-
behren der Einrichtung der ‚Diele in der Mittellage zwischen den Viehständen
nach sächsischer Weise, und geben dadurch sogar eine bestimmtere Andeutung
über das Fehlen der Verbindung zwischen der Wirthschaftseinrichtung des föhrer
Hauses und der des sächsischen Hauses .
Dagegen entspricht das fohrer Haus (oben Fig. 9) nach allen wesentlichen Be-
ziehungen dem alinordschleswigschen, von welchem Hr. Madsen einen trefflichen
Plan (Jahn S. 534, Fig. 3) der Oeffentlichkeit zu überlassen die Freundlichkeit
Figur 12. besass. Zwischen beiden Häu-
_ 4 sern, welche nur in der Ver-
wendung zweier Räume (der
föhrer Vordiele und Tenne)
tieferen Unterschied zeigen,
LO im ganzen (Grundriss sich
sonst identificiren, und welche
auch in der Lüngsrichtung an
i ld den Wegen sich gleichen, be-
| steht im Uebrigen kein Unter-
uu _ 4 V1) schied. Hrn. Jahn’s Aeusse-
rung, dass das führer und das
a Vordiele, à Raum für Ackergerüthe, c Abtheilung nordschleswigsche Haus nichts
für Geräthe, d Kuhstände, e Stallausgang, / Schweine, mit einander zu thun haben
g Làmmer, 5 Tenne, i Torfraum, £ Wohnung / Hinter- (S. 538, 535), würe schon dar-
diele, m Gang durch den Stall. ? ’
nach eine gewagte.
Nun ergiebt sich aber auch, dass die Tenne des nordschleswigschen Hauses
eine im fóhrer Hause nur verlegte ist.
Der Name der Vordiele auf Fóhr, mattàlem, wird von den Bewohnern erklürt
als „mitten in der Tenne*?, Tâl, wie die Tenne?) heisst ja auch auf Sylt die
Vordiele*). Also kann darüber kein Zweifel walten, dass auch im fóhrer Haus
früher an Stelle der Vordiele Tenne war.
Der Heu- und Feuerungsraum des alinordschleswigschen Hauses des Herrn
Madsen trägt den Namen „Jöfach“ (S. 534). Ich bin nun genöthigt, jöfach,
ferner „jöll“ (Angeln) und „Joll“ (Barsö), s. oben, sprachlich einander gleichzusetzen.
Leider ist nicht bekannt, ob im nordschleswigschen Hause des Hrn. Madsen der
,]Jó^ ein Boden oder der Raum zu ebener Erde ist. Jedenfalls stehen sich rüum-
lich und sprachlich das nordschleswigsche ,jôfach“ des Hrn. Madsen als Heu- und
Feuerungsraum, und die sonstige Tenne, soweit sie in gleicher Lage vorkommt,
mit darüber liegendem „jöll“ oder ,joll*, Boden, ganz gleich. Daraus ist der
Schluss zu ziehen, dass unter solchen Verhältnissen die Räume auch innere Ver-
wandischaft haben, und daraus wieder der Schluss, da das dänische jöfach nur
Heu- und Feuerungsraum ist, der sonst entsprechende Raum = Tenne mit darüber
liegendem Heuraum zugleich, dass aus der schon nachgewiesenen ursprünglicheren
1) Àuch der durch den Stall nach dem Hausende führende Pfad im führer Haus kann
nicht als Entwickelung aus der Diele des sächsischen Hauses angesehen werden. Nicht
selten windet er sich quer dureh das Haus (der süchsischen Diele in deren gerader Rich-
tung ganz unähnlich), vergl. Fig. 19,
2) Johansen a.a. O. S. 16 vermuthet für Madthälham, die Vordiele, irrig den Ur-
sprung aus mad uun âlham, mitten im Ganzen.
3) Auch im Saterland heisst die Tenne Tâl: ,Ss.“ in der Weserzeitung, 18. Jan. 1885.
4) Johansen a. a. O.
ES
(507)
Querrichtung die Tenne in den ursprünglicheren blossen Feuerungsraum verlegt,
Vielleicht zu gleicher Zeit das Heu aus dem ebenerdigen Raum auf den Boden
Verlegt oder beschränkt wurde.
Molbech (Dansk Dialect Lexicon 1841, 184) kennt ,gulv^ aus Fünen und Jüt-
land in der Bedeutung: zweites Fach einer Scheune voll von Korn. Im ostfriesischen
Hause ist „gulf“ oder „golf“ der Vierkant, also ein Haustheil, ein Theil am ge-
Wühnlichen Hause. Also wird auch der Speicher (,gulv^ in der jütischen Halb-
Insel) ein Theil des gewähnlichen Hauses gewesen sein. Das künnte er aber nur
an der Stelle des „Jöfach“. Ich muss die dringende Vermuthung hegen, dass „Jö“, Jöll
und „joll“ dialectische Veränderungen des Wortes „gulv“ (ursprünglich „golf“)
Sind. Eine Art Mittellaut bildet schon „gul“ in „frangul“, welches Hr. Jahn nach
Hrn. Madsen als plattdänische Bezeichnung der Vordiele angiebt (S. 533). Der
hochdänische Ausdruck in Nordschleswig (wie auf Barsö) und in Jütland ist „fram-
8ulv^, Ein anderer Mittellaut ist die dialectische westfriesische Veränderung von
»Bolf* als „golle“. Dem „joll“, „jöll“ steht man damit schon beträchtlich nahe.
Man könnte auch die %orkommende Veränderung von „golf“ als „go“ anführen.
Nur der Uebergang von g in ] ist schwer belegbar. Dach heisst der Fischerkahn
n£0lle“ der Oberelbe in den nordischen Gewässern „jolle“, — gewiss beides dasselbe
Wort; bei den Friesen wenigstens wird aus „geld“ ,jield^, und was in Dialecten
alles als Wandel auftreten kann, ist gesetzlich deswegen unzureichend zu be-
Srenzen, weil, wie Hr. Fórstemann sagt: die Sprachforscher von den Sprachen
Dur die Schriftsteller kennen. Daraus begründet sich meine dringende Vermuthung,
dass »joll*, Jol eigentlich dialectische Verwandlung von „golf“ ist. Das müsste
aber eigentlich ein ebenerdiger Raum gewesen sein, andererseits müsste er auch
Ursprünglich das Korn mit enthalten haben. So käme man bei Verfolgung der
Merkmale darauf, zu schliessen, dass das „jöfach“ eigentlich Heu- und Kornraum
Zugleich ist, und joll eigentlich als solcher Raum zu ebener Erde war. So kommt
Man noch eine Stufe über den Zustand des altnordschleswigschen Hauses des
Hm, Madsen nach aufwürts. Und ein solcher Zustand als früher bestanden wird
Auch Erforderniss daraus, dass, früher, wie aus dem Norden besonders nachzuweisen
SL, ein Zustand existirt haben muss, wo die Wohnräume der Zimmerdecke ent-
behrten (so trifft man es ja auch noch im Hause auf Marken)’), und darum das
Korn zu ebener Erde untergebracht war, Es wird sich zeigen, dass dieser Zu-
Stand auch noch in einem alten Abkömmling dänischer Bauweise nachweisbar war
Und thatsächlich bestanden hat, wo also Heu- und Kornspeicher an Stelle des
Madsen schen Heu- und Feuerungsraumes und der fohrer Tenne eingerichtet
aren,
Aus Allem ziehe ich aber den Schluss, dass das fohrer Haus eine Umwand-
lung des Hauses des Hrn. Madsen ist. Die Tenne lag also auch hier urspriinglich
An der Stelle der jetzt bestehenden Vordiele, sie wurde daraus verlegt in den
früheren Heu- und Feuerungs- den alten Kornraum. Theils findet sich im föhrer
Hause das Korn auf dem Boden, Heu und Feuerung noch in oder bei der Tenne,
oder Heu und Korn sind beide auf den Boden verlegt, welcher speciell auf den
Inseln gleichmässig in der Hôhe der Zimmerdecke als „böm“ die ganze Fläche
des Hauses überzieht.
I Die mit der nordschleswigschen stimmende Bauart bildet auf Föhr und den
Nseln der Umgebung keine junge Neuerung. Denn Dörfer am Rande der Marsch
à 1) Havard, Eine malerische Reise nach den todten Städten der Zuyder See. Aus
°M Französischen 1882, 15,
T" c
. al
(508)
Figur 13.
utl. Mi a Mie I Ape V " i Me uu dd
T om p ap uu Hp tb uu
uu 2 MO A5 CU uU lh
a Marsch, b Weg an der Marsch unterhalb des Dorfes, c Abtheilungen des Dorfes mit
Häusern, d Querwege durch das Dorf, e Strasse auf der Geest, f Felder der Geest.
auf Fohr (Dunsum, Oldsum, Klintum, Toftum u. s. W.) zeigen eine Grundanlage,
welche direkt für Häuser dieser Art, nicht etwa für solche sächsischer Art be-
messen erscheint, in der Weise der Fig. 13.
Jedenfalls existirten diese Dörfer um das Jahr 1400. Zu dieser Zeit muss
also die jetzt allgemeine Bauart schon die herrschende gewesen sein. Wenn sie
von aussen eingewandert ist, so wird dadurch ein beträchtlich früherer Anfangs-
termin der Einwanderung gegeben. Nichts schliesst bis jetzt aus, dass diese Bauart
schon beträchtliche Jahrhunderte früher auf Föhr existirte.
Um die geographische und nationale Herkunft dieser ganzen Bauart zu be-
stimmen, giebt es hier folgende Mittel der Erkenntniss:
- 1) Die geographische Ausbreitung über Nordschleswig, die schleswigschen
Inseln, Süd-Jütland, soweit man es bis jetzt erkennen kann, und über das halb von
Jiitland eingefasste Fans. Mit der Herrschaft des därischen Einflusses in Schleswig
ist auch die Verbreitung dieses Hauses in Schleswig sine begünstigte gewesen.
Schon Hr. Henning nahm für Nordschleswig, Jütland, Fünen und Seeland
gleichartige Bauart an. Die quadratische und hufeisenförmige Bauart der Höfe
Seelands stimmt mit der in Nordschleswig zu findenden.
2) Die Benennungen der Haustheile. Dieselben sind im Nordschleswigschen
annähernd rein dänisch, auf den schleswigschen Inseln, wie in Nordfriesland,
immerhin zum Theil dänisch. Schon Hr. Henning‘) wies auf den dänischen Ur-
sprung des Namens lohe (in Nordfriesland, Eiderstedt u. s. w.) für Tenne (vergl.
dänisch lohe, schwedisch loghe, finnisch liuwa) und auf die dänischen Beziehungen
des in Nordfriesland und Eiderstedt*) für Stall üblichen Wortes boos (vgl. dánisch
baas?), alinord. bass) hin. Dem nordfriesischen, eiderstedter und dänischen „lohe“
entspricht nun auch auf Föhr-Amrum lohe, Tenne, dem dänischen baas, Stall, auf
1) Die deutschen Haustypen 1886, S. 9.
2) Boos fár Stall findet sich auch in Dithmarschen.
9) Islündisch fjós Stall (M aurer, Island S. 436).
(509)
F Óhr-Amrum büssem, auf den Halligen bôsem, nordfries. festländisch bausem !).
Snück, Kesselhaken, auf Fóhr entspricht dánisch nok, Haken?); slai Scheune auf
Führ dünisch lade u. s. w.
3) Die Vergleichung der im Jahre 1802 von Propst Schade auf der Insel
Mors im Limfjord aufgenommenen Rauchhäuser (s. Henning, Das deutsche Haus
Fig. 94— 85). An ihnen erkennt man eine geringere Entwickelung der Wohnräume
(Zwei- statt Viertheilung) und die Heerdfeuerung vor der Wohnung im Flur. Der
Widerspruch gegen die Möglichkeit der Verlegung des flurständigen Heerdes in
diesem Hause in das Centrum der Wohnung (Verh. 1890, S. 71) wirdvon mir nicht
aufrecht erhalten. Nachgewiesen ist freilich diese Verlegung an diesem Hause
%üch noch nicht. Die von Hrn. Henning aus dem angeler und pellwormer Hause
SCschöpften Beweise (a. a. O. S. 128) sind, der eine wegen seines über die Verhält-
Tisse täuschenden Mischungscharakters, der andere wegen der Hrn. Henning selbst
Jetzt bekannten Grundverderbtheit des ganzen Planes?) nicht stichhaltig. Auch ist
Roch nicht erwiesen, dass nicht doch von jeher, wie in diesem Schornsteinhaus,
30 in dessen direktem unmittelbarem Vorgünger der freilodernde Heerd im Centrum
der Wohnung lag. Denn als skandinavische Entwickelung ist z. Th. nachweisbar
die, dass der am Giebel betretbaren einfachen Feuerhütte ein, nunmehr das Haus
Mach der Facade zu bloss öffnender Flur vorgelegt wurde, welcher den Urraum
tnd Urheerdplatz in den hinter dem Flur gelegenen Raum verschob?) Aber auch
Wenn der Einklang zwischen dem nordschleswigschen und den morser Rauchhäusern
hinsichtlich des Heerdplatzes noch nicht hergestellt ist, und auch die künftige
Einigung noch nicht in voller Gewissheit erscheint, so bestehen doch zwischen
diesem und jenen Häusern so viele Aehnlichkeiten, dass, sei selbst der Urgrund
m Ungünstigsten Falle ein verschiedener gewesen, doch die Entwickelung dieser
tng jener Häuser sich in vieler Hinsicht als eine identische erweist. Sie harmo-
Wren durchaus gegenüber dem sächsischen. Giebeleingänge fehlen in den morser
Häusern. Das Gleiche ist von Fanö und Barsö belegt (vgl. Fig. 6—8 oben). Die
Züwege zum Hause sind an der Langseite. Auf eine frühere Grund-Zweitheilung
der Wohnräume im fóhrer Haus führten mich auch schon meine vorjáhrigen Er-
Ürterunoon. Dafür liesse sich manches Neue zur Bestätigung anführen. "Wie im
führe, Hause die Abtheilung des Pisels (Prunkraums) der Abtheilung der Küche
"nd Wohstube folgt, so folgt im morser Rauchhause, bei Hrn. Henning Fig. 34,
dem Wohnraum der Staats- und Gastraum: vesterstue (, Weststube“; auch auf Föhr
Y S. w. liegt der Pisel meist im Westen). In der „vesterstue“ zweigt (nördlich)
em Vorrathsraum ab, gleichwie auf Sylt der Nebenraum des Hauptpisels „norder-
Bisel* und gleichwie Vorräthe auch im föhrer Haus im Pisel verwahrt sind. Die
Schmale, quer durch das Haus erstreckte Tenne, welche das nordschleswigsche
Haus Zeigt, hat im Princip auch das morser Rauchhaus a. a. O. Fig. 35 bei o.
In den übereinstimmenden Punkten der morser Rauchhäuser und des nord-
Schleswigschen Hauses erkennt man Eigenthiimlichkeiten, welche z. Th. nordischen
Hausbau überhaupt charakterisiren. Dahin gehört: das Vorwalten an der Lang-
1) Bende Bendsen a. a. O. S. 408.
2) Nordfries. killsnauck (Bendsen a. a. O.).
Pl 3) Henning, Die deutschen Haustypen 8.5. Das correcte Original des ,pellwormer*
anes findet sich bei Graf E, Beventlow-Farve und H. v. Warnstedt.
M 4) Troels Lund, Das tügliche Leben in Skandinavien 1882, 12; man vergl auch
?hdelgren a.a. 0, Tafeln der Hefte I—II.
CC
seite des Hauses befindlicher Eingünge, das herrschende Princip der Querabthei-
lungen im Hause. Es lüsst sich aus Mandelgren's Atlas und anderen Quellen
leicht constatiren, dass auch im südlichen Schweden und Norwegen Bauformen
üblich sind, welche mit dem föhrer und nordschleswigschen Hause grosse Aehnlich-
keit in den Hauptpunkten haben. Unter solchen Umständen kann darüber kein
Zweifel walten, dass in den charakteristischen Eigenthümlichkeiten des nord-
schleswigschen und südjütländischen Hauses Merkmale des Hausbaus zu erblicken
sind, welche über grosse Gebiete der südlichen skandinavischen Region herrschen
müssen, selbst nordisch sind, und durch nordischen, dänisch-skandinavischen Ein-
fluss im südlichen Jütland und Schleswig zur Geltung gelangten.
Nun kennt Nordfriesland (um von den, südlich von Husum gelegenen extremen
Theilen hier abzusehen) nur Einrichtungen, welche entweder dem fóhrer Typus
gleichen (man vergleiche oben die Notiz über Drellsdorf), oder — neben einer der
fóhrer gleichenden Wohnung — in Querfächern nach dänischer Weise unter-
gebrachte Wirthschaftsräume zeigen. Das in Nordfriesland herrschende Haus hat
also nicht die geringste wesentliche Aehnlichkeit mit den immer noch sächsische
Merkmale zeigenden Plänen Hrn. Jahn’s aus Ostenfeld. Das ostenfelder Haus als
,das nordfriesische^ hinzustellen ist also ein Widerspruch zu den 'Thatsachen.
Auch ,ültestes^ nordfriesisches Haus ist das Haus des 18. Jahrhunderts nicht.
Denn es ist eben nur Uebergangs-, Mischform, zeitlich vorübergehende Form,
und in Ostenfeld sind in älterer sächsischer Form Häuser vorhanden.
Das Haus Nordfrieslands, wie es jetzt ist, ist als ein dänisches mit Recht be-
zeichnet worden. Aus dem Erdrterten lässt sich die Richtigkeit dieser Benennung
ableiten. Hr. Jahn hat allerdings geäussert, die Niebüller bauten nach derselben
Art wie die Ostenfelder (S. 552), — ein Beweis ist nicht vorgelegt; von Niebüll
aus aber wird in bestimmter Weise zur Zeit bestritten, dass dort eine andere, als
die sonst in Nordfriesland allgemeine, dänische, nicht sächsische Bauart vor-
komme.
Nach allem Vorausgehenden erkennt man Folgendes:
Der Beweis der Herkunft der föhrer Bauart aus der sächsischen ist nicht er-
bracht, im Gegentheil erweist sie sich als eng verwandt mit der nordschleswig-
schen, deren Selbständigkeit der sächsischen Bauart gegenüber Hr. Jahn gewähren
liess (S. 533).
Das nordfriesische Haus ist zur Zeit nicht das ostenfelder oder sonst ein süch-
sisches, sondern ein mit der fóhrer oder anderen direkten Ableitungen aus der
dänischen Bauform stimmendes.
Gewisse Uebereinstimmungen zwischen dem föhrer Typus und der jüngsten
ostenfelder Bauart sind ja nicht zu verkennen. Sie liegen aber auf Seiten der
nicht süchsischen Elemente dieser, einem fremden Typus angeühnelten Bauform,
nicht auf Seiten der, dem gemeinen süchsischen Hause eigenthümlichen Elemente.
Es ergiebt sich, dass die ganze Aehnlichkeit nur dadurch entstand, dass das säch-
sische Haus einem Typus angeühnelt wurde, als dessen Vertreter in dieser Hin-
sicht das führer Haus Sich geltend macht. —
Nun hat sich also erwiesen, dass das ülteste ostenfelder Haus keine ,Modifi-
cation“ des niedersächsischen Hauses in dem Grade war, wie das Haus nach
Hrn. Jahn's Fig. 1 (S. 531). Würe Ostenfeld maassgebend für das, was in Nord-
friesland ehedem als Bauerhaus erstand, so müsste das älteste nordfriesische
Haus sogar noch reiner süchsisch gewesen sein, als es aus Hrn. Jahn's Aus-
führung als Nothwendigkeit hervorgehen würde. Es fragt sich nur, ob man denn
510)
(511)
auf die in Ostenfeld zur Zeit vorhandenen Verhältnisse in dieser Weise so ausser-
Ordentlich viel geben soll. Und das scheint sich nicht zu empfehlen, obwohl Hr.
Jahn in Ostenfeld gern einen ,unverfilscht friesischen Gau“ sieht. Denn obwohl
die von 8—9 Frauen nur noch in Ostenfeld getragene bunte Tracht altfriesisch ist,
30 mischen sich doch süchsische und friesische Verhülinisse im ostenfelder Kirch-
Spie] derarüg, dass man aus der alten Ueblichkeit einer süchsischen Hausform im
Ostenfelder Kirchspiel jedenfalls nicht unmittelbar die frühere Ueblichkeit derselben
Sächsischen Hausform auch durch das ganze übrige Nordfriesland wird ableiten
dürfen.
Die friesische Sprache ist in Ostenfeld seit lange verloren; es ist mir unbekannt,
Seit Wann, auch unbekannt, ob es sich aus irgend welchen Quellen noch erweisen
lässt, dass und wann sie in Ostenfeld herrschte. Man spricht in Ostenfeld das
Sächsische Platt. Die Sprache ist, wie mir Hr. Voss mittheilt, in Ostenfeld ,ganz
Mittelholsteinisch niedersächsisch“. Die Ortsnamen Ostenfeld und Wittbeck sind
Sächsischer Abkunft; wie es sich mit den beiden anderen Ortsnamen des Kirch-
SPiels, Windert und Rott, verhält, ist mir unbekannt, doch scheinen sie nicht nord-
friesisch, Die Flurnamen sind theils sächsisch, theils dänisch u. s. w. (nach inter-
“SSanter ausführlicher Mittheilung von Hrn. Voss). Die männlichen Personen-
"Amen sind vielleicht insgesammt sächsisch; der häufigste in Ostenfeld ist: Harm;
Unter den weiblichen Personennamen scheinen Maika und Metta friesisch, andere
Belege weiblicher Personennamen friesischer Abkunft sind unbekannt (Mittheilungen
Ton Hyp, Voss).
Sehr erklärlich ist es, dass das Ostenfelder Kirchspiel keine rein friesischen
Verhältnisse darbietet. An der südöstlichen Grenze Nordfrieslands gelegen, nur
durch die Treene von sächsischen Nachbarn geschieden, welche, gegen Norden
durch das alte Danewerk geschützt, nach Süden ununterbrochen in die nahegesesse-
den holsteiner Sachsen übergingen, musste es gewiss in allen Jahrhunderten starke
Vichsische nachbarliche Einwirkungen erfahren. —
… Allein wenn auch Ostenfelds Verhältnisse im Zweifel über ursprünglich säch-
isch oder anders geartete Verhältnisse der Nordfriesen nicht mehr den Ausschlag
Seben, und demnach auch aus sächsischer Bauweise der Ostenfelder nicht un-
Witte] gy hervorgeht, dass die Nordfriesen ehedem ihre Häuser nach sächsi-
“Cher Form errichteten, so sei doch Hrn. Jahn gern die Möglichkeit des Vor-
Pestandes der sächsischen Bauform vor der jetzt herrschenden fremden, allem An-
Wein nach allmäblich früher importirten zugegeben. Nur fehlt es auf dem Boden
Nordfricstands zur Zeit noch an ausgiebigen Beweisen dafür. In der moringer
nd hattstedter Mundart bezeichnet hétstin (,Heerdstein“) den Heerd "). Man könnte
darin eine Hindeutung auf die im sächsischen Hause bisweilen durch einen einzelnen
Stein gebildete Heerdeinrichtung sehen. In der bredstedter Gegend stehen in man-
Chen Dörfern einzelne Häuser etwas auffällig mit den Giebeln nach den Wegen zu
Serichtet. Darin könnte gleichfalls ein Anzeichen für die frühere Gepflogenheit
des Sächsischen Hausbaus in der Gegend, da das sächsische Haus diese Stellung
SMZunchmen pflegt, gesehen werden. Freilich bestreiten die Einwohner der Orte,
Und i Lande auch sonst Erfahrene, bis jetzt die Berechtigung der Beziehung auf
den Sächsischen Hausbau. Nach ihrer Erklärung hätten. diese Häuser ihre von der
Sewähnlichen abweichende Richtung durch die Rücksichtnahme auf die in diesen
Th 2 Bende Bendsen, Die nordfries. Sprache nach der moringer Mundart 1860, 408;
"Plebs, Zur Gesch. der engl.-fries. Sprache 1889, I. 122.
(512)
Kiistengegenden dem Hause gefährlichen Winde‘). Demnach wird es weiteren
Untersuchungen zu überlassen sein, festzustellen, welche der beiden möglichen
Auffassungen bei diesem Punkte im Recht ist?). —
Im vorigen Jahre suchte ich den Nachweis zu führen (S. 71 fg.), dass die-
Jenigen Elemente von Friesen bewohnter Häuser der westdeutschen Nordseeküsten,
welche man früher, obwohl bestritten, als von der sächsischen abweichend, einer
existirenden eigenthümlichen friesischen Bauart zugeschrieben hatte, wirklich einer
besonderen Bauart einzuordnen seien, auf dieser beruhen, und nicht durch blosse
Variation der sächsischen Bauart entstanden sein können. Gegenwärtig, wo man
über das föhringer Haus, dessen Entwickelungsstufen und seine dänische Herkunft
sehr viel klarer sehen kann, lassen sich auch die Auffassungen über Wesen, Um-
fang und geographische Ausbreitung dieser abweichenden Bauart immerhin schon
sehr viel klarer gestalten.
Das älteste thatsächliche, den ungefähren Jahren nach bekannte und in dieser
Hinsicht zugleich besonders alterthümliche Haus ist das altostfriesische Haus,
welches Cadovius Müller um 1780, also wahrscheinlich als ein Haus des 16.
oder 17. Jahrhunderts aufnahm (reproducirt bei Henning, Das deutsche Haus
S. 42, Fig. 24). Dasselbe ist dadurch beachtenswerth, dass es in der Einrichtung
der Wirthschaft, — von der, in dem Plane der Lage nach nicht bekannten Tenne
abgesehen, — selbst alterthümlicher dänisch ist, als das alte nordschleswigsche
Haus des Hrn. Madsen. Es zeigt dem Stall gegenüber Heu- und Kornspeicher-
Hier liegt also im Speicher auch noch das Korn, welches im nordschleswigschen
Hause des Hrn. Madsen schon auf den Boden übertragen ist, in seiner früheren
Unterbringung zu ebener Erde aber noch rückerschliessbar erschien.
Jetzt wissen wir, dass auch die Querlage der Tenne in dem, dem föhrer voraus-
gehenden Hause das Uebliche war. Das Vorkommen dieser unsüchsischen Tennen-
lage im friesischen Hause der Wesermarschen gewinnt dadurch an Interesse. Wir
haben sie sowohl durch Hrn. Allmers (Marschenbuch 1859, S. 389) aus dem But-
jahdinger und Stedinger Lande, wie durch Lasius (Das friesische Bauerhaus 1885:
S. 9, Fig. 3) aus dem Jeverlande bezeugt.
Als dänischen Ausdruck fiir Speicher habe ich Gulv und Golf erschlossen.
Gulv heisst auch norwegisch und schwedisch?) Speicher. In den Wesermarschen,
dem Butjahdinger und Stedinger Land, ferner in Ostfriesland heisst der, der Anlage
des sächsischen Hauses als mittlerer Wirthschaftseinbau widerstrebende Speicher
der Vierkant, ,Gulf* oder ,Golf*. Nun war althochdeutsch, wie altnordisch, Golf
ein Wort in der Bedeutung Raum, Zimmer?); das heutige deutsche ,wülben^ ist
1) Mit Rücksicht auf Wind und Wetter ist die bevorzugte Stellung der Häuser die
von West nach Ost, So dass am Westende die Wohnung, am Ostende die Wirthschaft, der
Haupteingang im Süden ist, Freilich sind Ausnahmen zahlreich.
2) Die Möglichkeit ursprünglich sächsischer Bauart aller Friesen ist zuzugeben, obzwar
bindende Beweise dafür meines Erachtens noch anderswoher, als bei den enclavisch
zwischen Sachsen in Holstein und an der Elbe wohnenden friesischen Abtheilungen ge
sucht worden sollten. Die Bauart Ostfrieslands ist noch ungenügend untersucht. Beob-
achter, wie Ss. (in der Weserzeitung vom 18. Januar 1885), stellen sie bestimmt der ge
wöhnlichen sächsischen (auch im Saterland vertretenen) gegenüber. Nicht untersucht ist die
Bauart der 300 000 Friesen des holländischen Königreichs, des Näheren so gut wie ul”
bekannt die Einrichtung des noch auf der Insel Marken in der Zuyder See in zahlreiche?
Exemplaren vertretenen Rauchhauses.
8) Oehrlander und Leffler, Tetraglott-Lexicon 1852, 181,
4) Schade, Althochd. Glossar. 1872—89, I. Band.
.
ro
damit verwandt. Dieses Wort Golf ist nach dem Althochdeutschen im speciell
deutschen Sprachgebiet vollstindig erloschen. Im ganzen Norden hat es sich er-
halten, islindisch heisst es sogar noch Raum, bisweilen Zimmer. ,Framgulv®
stammt davon ab. Sonst bedeutet ,Gulv^ oft: Pflaster oder Fussboden, dünisch,
Schwedisch und norwegisch aber auch Speicher. Diese Bedeutung ist aus der Be-
deutung Zimmer oder Fussboden entwickelt. Sie ist specifiseh nordisch, sie ist
deutsch schon deswegen nicht möglich, weil hier das Wort längst erloschen ist.
Eine von friesischen Lexikonschreibern versuchte Ableitung des friesischen ,golf*
30$ griechischen xdhmos, Busen, mittelalterlich golfe, Meerbusen, ist verkehrt). Es
bleibt nur die Ableitung durch Uebertragung des Wortes und Begriffes aus den skan-
dinavischen Sprachen. Schon das Wort ist also ein sprechender Beweis dänischen
Rinflusses, um so mehr der damit der Regel nach ausgedrückte Vierkant. Der
Vierkant kommt auch bei Papenburg (Gegend vom Burtanger Moor) im deutschen
Binnenlande vor?) Golf findet sich auch in Westfriesland als Golle (Stüremberg
8 4. 0. im Saterlande als Golf (an letztem Orte vielleicht jünger)*) Der dünische
Einfluss ist sonach theils im Wort Golf, theils im Vierkant an sich, von der Zuyder
See etwa bis Eiderstedt, und selbst, wie von Papenburg, aus dem Binnenlande im
Hausbau nachweisbar. Den ganzen Umfang des dänischen Hausbaus sowohl ex-
lensiy als intensiv in diesem Verbreitungsgebiet zu bestimmen, wird eine nicht un-
"Weressante Aufgabe künftig bilden.
Der dänische Einfluss kann auch nicht jung sein. Die grosse Ausbreitung von
„Golf“ als Wort und Vierkant an den von Friesen bewohnten Küsten und z. Th.
m Inlande scheinen dafür zu sprechen. Die länger als die Eiderstedter, in
Schleswig ansässigen Friesen haben die ostfriesische Form des Vierkants nicht, wenn
Auch das Wort Vierkant, jedoch die Eiderstedter. Eiderstedt wurde anscheinend
Von Durstede in Holland aus im 9. Jahrhundert besiedelt. Der Schluss wire nicht
Sanz gerechtfertigt, dass der Vierkant damals schon mit übertragen wurde. Er kann
Sp äter, wie manche Hauseinrichtung sonst, von Jütland nach der Weser nach-
SCWandert sein. Immerhin muss man sicher annehmen, dass schon in der Zeit der
Rauchhäuser das dänische Haus nach den westdeutschen Küsten ausgebreitet
Worden ist. Das würde nur eine Verbreitung des dänischen Hauses nach diesen
Küsten vor etwa 3—400 Jahren bedingen. Auf diesen Zustand des Hauses bei der
Vebersiedelung lassen die durchgehenden Querabtheilungen von Wohnräumen, wie
Te von Spiekeroog und von dem älteren friesischen Hause aus den Rechtsquellen
durch Hrn. Henning (a. a. O. 1882, S. 134) bestätigt sind, schliessen. Denn die
puerabtheïlungen wurden in je zwei Räume zerlegt, als an Stelle von Bänken und
°tten seitliche Durchbrechungen von Fenstern erfolgten, und dadurch die Räume
gewollt breit wurden. Die Einführung der Fenster aber fiel ungefähr mit dem
Ursa der Licht gebenden Rauchlócher — und der freilodernden Heerde im Hause
durch Schornsteinartige Einrichtungen — zusammen. Die quer durchgehenden
Wohnräume repräsentiren also in der grossen allgemeinen Entwickelung etwa den
Zustang der Wohneinrichtung aus der Zeit der Rauchhäuser, Jedoch ist dieser
Schluss immer noch nicht so gut, als der aus der grossen Verbreitung dänischer
Hauseinrichtungen in dem siidlichen Nordseekiistengebiet, um zu beweisen, dass
Hei 1) Ten Doornkaat Koolman, Wérterb. d. ostfries. Sprache 1879, I. 706; Dirk
Wich Stiiremb erg, Ostfries. Worterbuch 1857, 78.
2) G. v. Bezold, Allg. Bauzeitung v. Kostlin 1881, XLVL 78, Taf. IL.
3) Weserzeitung, 18. Januar 1885.
Verhanal, der Berl. Anthropol, Gesellschaft 1891. tj
513)
38
(514)
das dänische Haus in früherer Rauchhauszeit schon im südlichen Nordseeküsten-
gebiete Wurzel gefasst haben muss.
In der englischen Grafschaft Norfolk, welche in England am meisten gegen
Dänemark vorragt und Küstengebiet ist, ist gulph, ebenso goafstead, go-stead
als mit Getreide gefülltes Scheunenfach nachweisbar"). „Stead“ erinnert genau an
Stede^, wie es z. B. in dünisch arnestede, Heerd, vorliegt. Da der nümliche
Ausdruck gulph anscheinend aus anderen englischen Dialecten nicht nachweisbar
ist, so haben die Angelsachsen den Speicher ,Golf^ sicher nicht mit nach England
genommen. Wenn man darnach auch darüber im Unklaren bleibt, welche Haus-
form die einwandernden Angelsachsen selbst mit nach England gebracht haben
(die ursprünglichen bäuerlichen Bauweisen Englands sind noch nicht näher er”
forscht), so erfährt man doch daraus, dass der Golf in späterer Zeit nach England
gelangt ist, wie manche dänische Neuerung am dänischen Hause der Wesermarschen
auch in jüngerer Zeit noch vom dänischen Volksgebiete aus eingeführt wurde. Die
Zeit des dánischen, beziehungsweise des normannischen Einflusses (vermittelt be-
sonders durch Ueberfälle) in England wird von kundigen Forschern eingeschränkt
zwischen die Jahre 787 und 1150%. In dieser Zeit muss darnach der dänische
golf Eingang gefunden haben. Welche Form dieser dänische Kornspeicher damals
hatte, ob die des ostfriesischen Vierkants oder eine andere, bleibt darnach freilich
auch noch unaufgeklärt. Auf Einwirkungen des dänischen Hauses in Nordengland
scheint auch nordenglisch boose, Stall, zu deuten?).
Befremdlich musste Mitteldeutschen die lange, ganz schmale Tenne des däni-
schen Hauses erscheinen. Vielleicht giebt eine, auch in Norfolk im vorigen Jahr-
hundert geübte, von Marshall“) bestätigte Weise, das Getreide zu reinigen, dafür
eine Erklärung. Man schaufelte das Getreide von einem Ende der Tenne zum
anderen, und suchte deshalb diese möglichst lang zu gestalten.
Wir gelangen also zu Einflüssen dänischen Hausbaues über Schleswig, ein-
schliesslich Eiderstedt nebst Inseln und Halligen, über die Küstengebiete von def
Weser etwa bis zur Zuyder See, und selbst über einen Theil der englischen Küste
Man nimmt an, dass die friesischen Wanderungen von Westen nach Osten,
von Süden nach Norden fortschritten. Das bei den Friesen weit verbreitete Haus
zog in enigegengesetzter Richtung. Es folgte auch nicht den Küsten, sondern zog
über das Meer, denn es fehlie bis in die neuere Zeit von der Eider bis zur Weser:
Es folgte auch nicht bloss geographischen Bezirken, sondern Wohnsitzen vo?
Stimmen; die Sachsen Holsteins und des Gebietes zwischen Elbe und Weser mied
es, verbreitete sich dagegen vielleicht hinein bis Holland. Es ist auch nicht mit
einem Mal übergesetzi, um dann die Verbindung zu unterbrechen. Denn durch
längere Perioden hat es die Verbindung forterhalten. Man findet die alte Zwei”
theilung der Wohnung (auf Spiekeroog und nach altfriesischen Rechtsquellen), da”
neben die schleswig-jütische neuere Viertheilung mit Lage der Küche diagonal
gegenüber dem Pisel; man findet die alte Querlage der Tenne vertreten, und da”
neben auch die neuere Lüngslage. Aus den forischreitenden Parallelentwickelunge?
des dänischen Hauses an den westdeutschen Küsten und des Hauses in Schleswig ist
um so weniger der Schluss zu ziehen, dass das dänische Haus der westdeutschen
Küsten erst in jüngerer historischer Zeit aus dem Norden übertragen sein môge-
1) Francis Grose, Provincial Glossary 1790.
2) R. Forby, Vocabulary of East Anglia 1830, I. 32.
9) Francis Grose, 1. c.
4) Humphry Marshall’s Beschreibung der Landwirthschaft in der Grafsch. Norfolk
Aus dem Englischen durch Graf v. Podewils. 1797, I. 195, 996.
(515)
. Vielleicht darf mart aus der Beobachtung dieser fortgesetzten Parallelentwicke-
lungen die Vermuthung eines geographischen Gesetzes ableiten, wonach vielleicht
von jeher Culturzustände der jütischen Halbinsel und der westlichen deutschen
Küsten sich auszugleichen bestrebt gewesen sind. —
(20) Hr. C. F. Lehmann erstattet einen vorläufigen Bericht über
metrologische Studien im British Museum.
Gegen Ende meines Vortrages „über altbabylonisches Maass und Gewicht und
deren Wanderung“ (Verh. 1889. S. 326) habe ich als eine wichtige Aufgabe der
Metrologie die Sammlung des gesammten vorhandenen Materials an antiken Ge-
Wiehten und ihre Vereinigung in einem Corpus ponderum antiquorum bezeichnet.
Die Aufgabe erschien mir ausführbar, weil sich das, allerdings in den verschie-
denen Museen versireute Material als nicht allzu umfassend darstellie, — eine etwas
Sanguinische Auffassung, wie die weiteren Untersuchungen und die Fortsetzung der
Ausgrabungen im Orient gezeigt haben. Sie erschien mir wichtig, weil sie nicht
allein die Uebersicht und die Erkenntniss der Theilgrössen des babylonischen
Systems erleichtern, sondern auch, da die Alten ihre Gewichte vielfach mit Bildern
und Inschriften zu versehen liebten, die dann naturgemäss mit den auf den Münzen
gleicher Provenienz erscheinenden vielfach identisch sind, einen Beitrag zur antiken
Kunstgeschichte und Epigraphik liefern und eine nicht zu unterschätzende Ergän-
Zung zu jedem Corpus nummorum bilden muss.
Ohne dass ich es wusste, war diese Aufgabe von berufener anderer Seite nicht
bloss in Aussicht, sondern in Angriff genommen, — der beste Beweis für ein in
dieser Richtung vorhandenes Bedürfniss.
Die Sammlung der erhaltenen antiken Gewichte, zunächst auf dem Gebiete
des classischen Alterthums, ist in rüstigem Fortgang begriffen, und wenn von
einer Bewältigung der gesammten Aufgabe auch im besten Falle erst nach Jahren
die Rede würde sein können, so wurde doch gemeinsames Hinarbeiten nach dem-
Selben Ziel verabredet, um eine Vereinigung der aus dem orientalischen und aus
dem classischen Alterthum erhaltenen Gewichte vorzubereiten. Als ich daher-im
October 1890 mit Unterstützung der Averhoff-Stiftung in Hamburg eine Reise
Nach London zwecks inschriftlicher Studien im British Museum antrat, hegte ich den
Wunsch, den Aufenthalt etwas länger auszudehnen, um neben den mich angehenden
Inschriften‘) auch den Gewichten des Department of Egyptian and Assyrian Anti-
quities im British Museum einige Aufmerksamkeit zuwenden zu kónnen. Die Mittel
dazu wurden mir mit liebenswürdiger Bereitwilligkeit aus der Rudolf Virchow-
Stiftung gewährt und ich freue mich der Gelegenheit, deren Vertreter, unserem ver-
ehrten Hrn. Vorsitzenden, an dieser Stelle öffentlich meinen aufrichtigen Dank aus-
Sprechen zu kónnen. Das vorhandene reichliche Material zu erschôpfen, ist mir in
der beschrünkten Zeit nicht gelungen. Und da ich somit doch von vornherein auf
Vollständigkeit verzichten muss, SO gebe ich einen provisorischen Bericht, indem
ich nur das Wichtige von dem hervorhebe, was ich zu beobachten und zu unter-
Suchen Gelegenheit hatte.
Andererseits möchte ich eine Erweiterung des Berichtes eintreten lassen:
1) S. mein demnächst erscheinendes Buch: „Samassumukin König von Babylonien“
Taf, XLII—XLVII und Theil II. 12 ff.
33*
Während ich in den Jahren 1887 und 1888 mit der Inventarisirung und Katalogi-
sirung der vorderasiatischen Alterthümer der ägyptischen Abtheilung der könig-
lichen Museen beschäftigt war, habe ich mehrfach Gelegenheit zu metrologischen
Untersuchungen gehabt, deren Ergebnisse grossentheils noch unveróffentlicht sind.
Da das Material naturgemäss vielfach mit dem in London gewonnenen Ver-
wandtschaft und nahe Berührung zeigt, so möchte ich die Gelegenheit benutzen,
einiges Wichtigere auch aus den Berliner Sammlungen beizubringen. Der Verwal-
tung der ägytischen Abtheilung und der Generalverwaltung der königlichen
Museen spreche ich hiermit meinen verbindlichen Dank aus für die auf meinen
Wunsch angeordnete Anfertigung und gütige Ueberweisung einer Anzahl von Ab-
güssen und Abdrücken zum Zwecke der Reproduction an dieser Stelle.
A. Gewichte mit Legenden und Nominalbezeichnung.
I. Den Kern des Bestandes an assyrischen Gewichten bilden die Bronze-
gewichte in Gestalt von liegenden Löwen, welche Layard') in Nimrud auf der
Stätte des alten Niniveh fand. Dieselben sind im Ganzen Wohlerhalten und, was
die Gewichtsbestimmung anlangt, mehrfach untersucht, worüber alles Nähere bei
Brandis und Hultsch?) zu finden ist. Die genaueste Wägung ist jedenfalls die,
welche im „Ninth Annual Report of the Warden of the Standards“ in den Parlia-
mentary Papers von Chisholm gegeben ist, den ich wohl schwerlich anders als
im British Museum zu Gesicht bekommen hätte. Sie bewegen sich zwischen
15 Minen und 3 Schekel (?), sind sämmtlich königliche Gewichte und scheinen
demjenigen System anzugehören, das ich sehr provisorisch als reducirte Form der
erhöhten (königlichen) Norm bezeichnet habe (Verh. 1889. S. 278 ff, 284). Sie
iragen assyrische Inschriften und daneben zumeist Inschriften in aramäischer
Schrift und Sprache; ausserdem wird das Nominal vielfach noch durch eine An-
zahl Striche bezeichnet. Die aramänischen Inschriften, die noch jetzt wohl er-
halten sind, haben mehrfach eine eingehende Behandlung erfahren?). Die Hoff-
nung, dass erneutes Studium der keilinschriftlichen Legenden bei dem jetzigen vor-
gerückten Stande der Keilschriftforschung bessere, als die bisher erreichten Ergeb-
nisse, erzielen werde, dürfte sich schwerlich verwirklichen, auch bei eingehenderer
Prüfung, als ich sie diesen Monumenten angedeihen lassen konnte. Die Keil-
inschriften standen zumeist auf den Rücken der Lówen, dem am meisten exponirten
Theile, und sind meist abgebróckelt oder durch Rost und andere Rinflüsse unleser-
lich geworden und zerstört. —
Die Löwenform hat sich für Gewichte und Münzen weit über die Grenzen
Assyriens verbreitet: wir erinnern an das bekannte Löwengewicht von Abydos $9,
an die üliesten lydischen Münzen, die das Vordertheil eines Löwen als Prägebild
aufweisen. Auch das feststehende Gewicht an der aus Chiusi stammenden Schnell-
waage®) des Berliner Museums ist wahrscheinlich als Vordertheil eines Lôwen
anzusprechen.
IL Die babylonischen Gewichte zeigen zumeist die Gestalt von Schwimm-
1) Layard, Discoveries in the ruins of Niniveh and Babylon 1858. p. 601.
2) Brandis, Das Münz-, Maass- und Gewichtswesen in Vorderasien bis auf Alexander
den Grossen S.44 ff. Hultsch, Griechische und rómische Metrologie $ 42, 10 S. 396 ff.
9) Brandis S. 44 und die dort Citirten, — CIS, Pars II Tomus I Tabula T.
4) Siehe vor der Hand Brandis S. 66 und Anm. 2.
5) Verh. d, Archäol. Ges. 1889, Juli, November, 1891, Juni. Diese Verhandlungen 1890.
Näheres demnächst im Hermes.
(516)
(517)
vögeln mit zurückgewandtem Halse, den Kopf auf den Rücken gelegt. Sie, wie
es regelmássig geschieht, durchgehends als Enten zu bezeichnen, ist, wie es sich
Unten (S. 921) zeigen wird, irrig. Zu dem bei Brandis (S.46ff.) zusammen-
Sestelllen Material sind mehrere neue Stücke hinzugekommen. Ich hebe hervor:
, 1) Ein grosses Gewicht aus Alabaster mit zweizeiliger aramüischer Inschrift,
die im Corpus Inscriptionum Semiticarum (CIS) II. No. 53 veröffentlicht ist.
Es ist auf dem Birs-Nimrud, der Stütie des alten Borsippa, nahe bei Babylon ge-
funden worden und am 12. November 1880 ins British Museum verbracht worden,
daher die Bezeichnung 80. 11—12. Die folgenden Angaben über die aramüische
Inschrift und deren Interpretation beruhen auf Mittheilungen, die Hr. Th. Nöldeke
Mir auf meine Anfrage liebenswürdiger Weise hat zukommen lassen.
. Die Abbildung im CIS ist „leidlich gut“, so dass eine erneute Publication
Richt ngthig ist. Hr. Nöldeke liest:
nopns à
mao
Das erste $y ist absolut sicher, aber das folgende Zeichen ist nach Herrn
Nóldeke's und Hrn. Euiing's übereinstimmender Ansicht kein Buchstabe. Hr.
Nóldeke vermuthet darin das Zahlzeichen für 10, das in aramüischen Inschriften
M ähnlicher Form vorkommt. „Für "opns, wie auch Andere gelesen haben, will
das CIS noon „Feld“ lesen, aber das giebt keinen Sinn für ein Gewicht. Das ^ zu
Anfang dieses Wortes ist nicht so gut gerathen, wie das erste und nahe an das ^ ge-
Tückt, aber ich halte die Lesung doch für sicher.“ — Nun folgt auf das Zeichen,
Welches als Zahlzeichen für 10 angesprochen ist, eine abgeriebene Stelle, in welcher
Spuren eines zweiten Zeichens mit einiger Wahrscheinlichkeit erkennbar sind.
»Dass zwei Zahlzeichen für 10 hinter einander stünden, ist unwabrscheinlich, da
20 eine eigene Ziffer hat. Ob das erste Zahlzeichen wirklich 10 und ob in der
folgenden beschädigten Stelle noch eine zweite Ziffer steckte, wird wohl die Sache
Selbst ergeben.“ „Wenn es 12 wäre, wäre es wohl am Natürlichsten.“ — Man
Sieht, die Entscheidung über die inschriftlichen Schwierigkeiten hängen von dem
Metrologischen Befunde ab.
Bevor wir über diesen berichten, ein Wort über die Deutung der beiden epi-
STaphisch klaren Worte der Legende: Hr, Nöldeke liest mp2W 712732 ^f und
Übersetzt „ein vollständiges mathqäl“. Darnach wire mathqal ,Gewicht der
Name einer Gewichtsgrösse, deren Bestimmung von der auf t5 folgenden Zahl ab-
hinge, Ich möchte lieber die Inschrift übersetzen:
x M(inen) vollständiges Gewicht
Und in den Worten mathqäläh salmäh das Aequivalent des auf babylonischen
Gewichten sehr häufig für die richtige Justirung gebrauchten Ausdruckes (sumerisch)
po (Ideogramm fiir babylonisch-assyrisch kinu, „richtig, gesetzmässig“) er-
Quen, —
, Es fragt sich nun, wieviel Minen wiegt das Gewicht? Leider ist dasselbe ver-
Stümmelt, da der Kopf der Ente (?) weggebrochen ist. Die Wägung selbst aus-
Zaführen, war mir seiner Zeit nicht möglich, da das Monument für die mir zu
pote stehenden Waagen zu schwer war. Nach giitiger Mittheilung des Herrn
M ^ Wallis Budge, der die Wügung nachtrüglich für mich hat vornehmen lassen,
asselbe ,14 pounds 4 ounces? (Troy) schwer — 5349,89 g.
Man sieht nun sogleich, dass das Gewicht mehr als 10 Minen betragen haben
Muss, denn die schwerste Form der leichten Gewichtsmine, — und nur um solche
T
m
p
C 8)
kann es sich nach den sámmilichen bisher in Babylonien und Assyrien gefundenen
grüsseren Gewichtsstücken handeln, — also der (leichten) Gewichtsmine kóniglicher
Norm beträgt 517,6 g (Verh. 1889. S. 283). Aus dem vorliegenden Stück würde sich
bei Annahme der 10 troiz seiner Verstümmelung eine leichte Gewichtsmine von
584 g berechnen. Zwanzig Minen sind ebenfalls ausgeschlossen, da dabei für die
Mine ein viel zu geringer Werth herauskommen würde. Bleibt also die von
Nöldeke vorgeschlagene 12, die um so begreiflicher wäre, als wir es dann mit
einem Fünftel Gewichtstalent zu thun hätten.
Berechnet man den Gewichtsverlust, für den leider eine Schätzung fehlt, auf
/,o des vorhandenen Volumens, was mir schon ziemlich hoch gegriffen erscheint,
so wäre das ursprüngliche Gewicht auf 5883 g zu setzen, und auf die Mine käme
bei Annahme der 12: 8), = 490,25 g; das wire die Gewichtsmine gemeiner
Norm (491,2 g). Der Verlust kann ja aber geringer gewesen sein, so dass das Ge-
wicht hinter der Norm zurückblieb; es kann grüsser gewesen sein, so dass auf eine
Form der erhöhten Norm zu schliessen wäre.
Es ist bedauerlich, dass die Frage bei den jetzt vorhandenen Daten unent-
schieden bleiben muss. Denn da das Gewicht keinen Königsnamen trägt, so hätte
man von demselben einen sicheren Beleg für das Bestehen der gemeinen Norm in
verhältnissmässig später Zeit (s. die aramäische Inschrift!) erwarten können, und
damit wäre die Verwendung der gemeinen Norm nach Einführung und neben der
königlichen Norm in Babylonien erwiesen worden, während dieses Nebeneinander-
bestehen bis jetzt nur mit grösserer oder geringerer Wahrscheinlichkeit angenommen
werden kann (vgl. Verhandl. 1889. S. 274 und 8.643). Die gemeine Norm ist ja
bisher nur an den uralten steinernen Normalgewichten und den der Zeit nach
schwer bestimmbaren kleinen „Enten aus Eisen“ mit Sicherheit nachgewiesen. Wohl-
gemerkt ist hier nur vom eigentlichen Zweistromland die Rede.
2) Ein Gewicht in Enten(?)-Form aus Basalt, Signatur 76.11—17, 144, trügi
eine Keilinschrift, deren erste Zeile lautet
10 Siklu') gi-na = ,Zehn Schekel richtig“.
Das Gewicht beträgt 101,48 g. Bekanntlich war die Gewichtsmine in 60 Schekel
eingetheilt, wührend die Gold- und Silbermine aus 50 dieser Einheiten bestand ?),
Zehn Gewichtsschekel müssten daher ein Sechstel Gewichtsmine bilden. Nach
dem Gewicht des vorliegenden Stückes würde das für die Mine auf 6 < 101,48 g
608,88 g führen, einen Betrag, der keiner der im Zweistromland gültigen, als Mine
bezeichneten Einheiten nur entfernt nahekommt. Als Fünftelmine betrachtet, führt
dagegen das Stück auf eine Mine von 507,38 g. Die leichte Gewichismine er-
hóhter Norm 1a beträgt 510, die erhöht-reducirte Norm (2) 505 g. Zwischen
beiden steht dieses Stück. Dasselbe liefert somit den handgreiflichen Beweis,
dass in Babylonien auch eine Eintheilung der Gewichtsmine in 50 Schekel in Ge-
brauch war.
Die Inschrift zeigt eine Mischung des cursiven und des archaischen Babylo-
nisch. Die Zeile, die den Känigsnamen enthielt, war leider für mich unleserlich,
so dass auf eine nähere Zeitbestimmung verzichtet werden muss.
1) Dass das Zeichen TU = äiklu zu lesen sei, hat man bisher nur vermuthet (assyrisch
Sakälu wägen, hebr. ou Wägen, griech. oéyhos), Die Lesung ist Neuerdings, wie mir
Hr. Strassmaier in London mittheilte, durch die ausdrückliche Angabe eines Syllabars
gesichert.
2) Doch gewinnt es nach babylonischen Contracten den Anschein, als sei mehrfach
auch Gold und Silber nach Gewichtsminen (zu 60 Schekel) abgewogen und verrechnet
worden. Die Sache bedarf genauerer Untersuchung.
(8185)
B. Gewichtsverdächtige Gegenstände ohne Bezeichnung.
Hauptsächlich habe ich jedoch in London mein Augenmerk auf die Gewichte
ohne Nominalbezeichnung gerichtet und glaube einige neue Beiträge zu deren
Bestimmung und Erkenntniss liefern zu können. Ausser dem Hauptzweck, eine
Vollständige Sammlung aller antiken Gewichte anzustreben, kommt namentlich bei
den Gewichten kleineren Nominals, die naturgemäss zu den unbezeichneten Ge-
Wichten das grösste Contingent liefern, noch in Betracht, dass sie indirekte Zeug-
lisse für den àltesten Kleinverkehr in edlen Metallen aus der Zeit vor der Erfin-
dung des gemünzten Geldes darstellen oder doch darstellen können.
. Die glücklichen Zufälle, die uns vollständige Goldstangen und Silberzungen, wie
M Iios, oder grosse Mengen von Hacksilber, wie ganz neuerdings in Sendjirli,
geliefert haben, gehören natürlich zu den Seltenheiten. Die Prägung erregt anti-
Qüarisches Interesse und bildet so einen Schutz des gemünzten Geldes; für die
Erhaltung ungemünzter Stücke in ihrer Integrität nach Material und Gewicht ist
kein derartiger fördernder Schutz vorhanden. Aber die Gewichte, aus haltbarem,
Sehr hartem Stein gefertigt und oft sorgfältig verziert, haben sich in grösserer Zahl
erhalten, als man anzunehmen geneigt ist, und können uns, wenn andere günstige
Umstände hinzukommen, Kunde über die ältesten Handels- und Tauschverhältnisse
we über die Vorgänger der ältesten kleinasiatischen und griechischen Prägungen
Shen.
Als Gesichtspunkte, die bei Untersuchungen dieser Art maassgebend sind,
kommen ausser dem Gewicht vornehmlich in Betracht: die Form, die Dar-
Stellung und das Material. Das Auftreten von Serien von Objekten mit der
gleichen Darstellung oder aus demelben Material in verschiedenen Abstufungen
bildet ein weiteres Índicium in der Richtung der Gewichtsverdüchtigkeit. —
Dass ich mich bei diesen Untersuchungen nicht einem verkehrten Sanguinis-
Mus hingebe, zeigt, wie ich hoffe, schon der so eben eingeführte Begriff der Ge-
Wichtsverdächtigkeit. Ich werde zwar mehrmals meines Erachtens in der
Slücklichen Lage sein, den Beweis führen zu können, dass ein Gegenstand. oder
oe bestimmte Klasse von Gegenständen sicher als Gewichte zu betrachten sind.
m der Mehrzahl der Fülle werde ich mir aber, was ich ausdrücklich hervor-
ebe und zu beachten bitte, vor der Hand daran genügen lassen, eine Anzahl
on Gesichtspunkten aufzuzeigen, die es möglich oder wahrscheinlich erscheinen
ä8sen, dass Monumente, auf welche dieselben zutreffen, Gewichte gewesen sind.
Einmal reicht unsere Kenntniss des altorientalischen Lebens nicht aus, um
ie Erzeugnisse der Kleinkunst nach ihrem Zwecke und ihrer Verwendung zu
y oümmen, Dann aber wird sich zeigen, dass im eigensten Gebiet der Metro-
mie eine Mehrdeutigkeit insofern besteht, als Ge wichte und Stempel einander
D lhrer Form nicht bloss nahe kommen, sondern mehrfach sich geradezu decken.
aher ist doppelte Vorsicht am Platze. Erweist sich dann später im Verlaufe von
ur aucren Studien, zu denen die folgenden Bemerkungen den Anstoss geben oder
wi ang machen móchten, dass der Gewichtsverdacht falsch war, nun wohl: so
Her immer noch die Sammlung einer Anzahl gleichartiger Monumente und die
Vorhebung gewisser Typen der vorderasiatischen Kleinkunst archäologisch nicht
Sanz werthlos bleiben.
Ge D Die ältesten Gewichte, welche wir überhaupt kennen, die babylonischen
Non, De mit priesterlicher Inschrift als Aichungsstempel, an denen ich die gemeine
lus. des babylonischen Gewichtes nachgewiesen habe (Verh. 1889. S. 255 f), sind
eine sorgfältig aus hartem Stein zu langgestreckten Ovalen verarbeitet. Bei
Mm derselben sind die Enden abgeschnitten, so dass die Fässchenform entsteht,
(519)
@
wie sie die babylonischen und assyrischen Cylinder mit Inschriften aufweisen-
Diese Form des langgestreckten Oval hat in ganz Vorderasien eine weite Verbrel-
tung erhalten und ist eine der am leichtesten und sichersten erkennbaren Gewichts-
typen. Die Mehrzahl der in Hissarlik gefundenen, zumeist aus Hämatit gearbeiteten
Gewichte trägt diese Gestalt. Sie sind als solche bereits im hiesigen Museum für
Vüólkerkunde erkannt worden. Scehliemann (llios S. 486), der diese Gegenstände
zunüchst als Schleudersteine bezeichnete, dabei aber gleichzeitig seine Verwunde-
rung darüber aussprach, dass so langwierige und mühevolle Arbeit auf einen Gegen-
stand sollte verwendet sein, der nur einmaligem vorübergehendem Gebrauche dienen
sollte, wies gleichzeitig darauf hin, dass ähnliche Gegenstände in Assyrien gefunden
seien. In der That habe ich in London mehrere dieser Gewichte gesehen, von
denen ich als das wichtigste, weil das grösste und am sichersten bestimmbare, nenne
ein Hämatitgewicht, Form des Ovals, aber abgeplattet und mit abgeschnittenen
Enden. Erwerbung des British Museum aus dem Jahre 1883 (83. 1—18.). Keine
Inschrift. Abstossungen, die auf 1—2 g zu schützen. Wiegt 186,62 (4) g, kommt
also dem Normalgewicht eines Drittels der leichten Silbermine küniglich reducirter
Norm 5*"/, — 188,66 g (Verh. 1889. S. 284) üusserst nahe.
Unter den im hiesigen Museum für Völkerkunde bewahrten Gewichten aus
Ilios, von denen ich ein genaues Verzeichniss mit Angabe des Gewichts und
des Materials der Güte des Hrn. Ed. Krause verdanke und die ich demnächst im
Zusammenhang vor Ihnen zu besprechen hoffe, wiegt eines 188,0, ein anderes
187,7 g. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass wir es in diesen Stücken mit
derselben Gewichtsgrüsse zu thun haben. Wenn wir nun in den Sammlungen des
Antiquariums des koniglichen Museums ein Gewicht aus Blei finden, das die Auf-
schrift IIEPCAMHNON trägt und 184,9 g wiegt, also ebenfalls ohne Zweifel die-
selbe Gewichtsgrósse darstellt, so erscheint hier die Kette von der prühistorischen
bis zur hellenistischen Zeit metrologisch geschlossen und ist wiederum ein schla-
gender Beweis erbracht für die grosse Bestündigkeit und Unabünderlichkeit gerade
der Gewichtsnormen. — Auch auf hethitischem Gebiet sind durch die Aus-
grabungen des Orientcomité’s Gewichte ganz derselben Gestalt und desselben
Materials zu Tage gefordert worden.
2) Das hiesige Antiquarium bewahrt eine Anzahl griechischer Gewichte aus
Eisen in Gestalt regelmässiger Polyeder. Die vorderasiatische Sammlung des Ber-
liner Museums besitzt zwei kleine Objekte aus grünem Gestein, dem der babyloni-
schen Normalgewichte ähnlich. Im Inventar der Sammlung findet sich bei den-
selben die Bemerkung eingetragen: ,kommen von Mosul bis Nedjd vor; d. h, der
Fundbereich für diese Gegenstände erstreckt sich von Ninive bis zum äussersten
Süden Babyloniens; sie waren also durch das ganze Zweistromland im Gebrauch.
Der eine dieser Steine, bezeichnet V. A.) 868, wiegt 8,6 g, d. h. er hat das Gewicht
eines Gewichts- oder Goldschekels erhóhter Norm (Form IIa: 8,5 g, Form IIb: 8,6 g,
reducirte Form: 8,49); der andere wiegt 2,8 g, stellt also die Hálfte eines Silber-
schekels erhóhter Norm (am Wahrscheinlichsten der sog. reducirten Norm: 5,6 g)
dar. Zwischen den einzelnen Formen dieser Norm bestimmt zu unter-
scheiden, ist natürlich bei so geringen Werthen nur selten möglich,
und ein Versuch der Feststellung dieser Unterschiede liegt ausserhalb der Grenzen
die mir durch den Zweck der vorliegenden Untersuchungen gezogen sind. Dass
wir es hier aber mit kleinen Gewichten zu thun haben, dafür, denke ich, wird man
den Beweis für erbracht anerkennen und wird fürderhin unter die Merkmale der
Gewichtsverdüchtigkeit die polyedrische Gestalt rechnen künnen.
1) V. A. « Inventar der Vorderasiatischen Sammlung.
:590)
(521)
. .9) Die wichtigste Kategorie unter den unbezeichneten Gewichten bilden die-
Jenigen, welche Thierdarstellungen zeigen, und zwar können sie entweder selbst
die Form von Thieren haben, oder nur die Abbildung von Thieren oder Scenen
aus dem Thierleben aufweisen. Auch eine Combination ist natürlich möglich, und
die Objekte in Thiergestalt, die wir als gewichtsverdächtig anszuprechen gedenken,
Sind zumeist auch noch mit Bildern aus dem Thierleben versehen:
L Thiergestalt (oft mit Thierdarstellung).
1) Wir haben oben gesehen, dass eine Anzahl babylonischer Gewichte, als solche
durch Inschriften deutlich gekennzeichnet, die Gestalt eines Schwimmvogels mit
Fückwürte gewandtem Kopfe haben. Es ist als natürlich zu erwarten, dass die
qu hwendigerweise vorhandenen Gewichte kleinen Nominals derselben Serie auch
be Gestalt zeigen und in der That giebt es gerade eine sehr grosse Anzahl
her vorderasiatischer Steinobjekte, die diese Gestalt tragen. So hat denn auch
ayard bei seinen Ausgrabungen, zusammen mit den grösseren bezeichneten Ge-
Wichten in , Enten“ (?) -Form, eine Anzahl dieser kleinen unbezeichneten Enten
Sefunden, die im British Museum verwahrt und von jeher als Gewichte betrachtet
gen sind. Ebenso bewahrt das, Louvre 5 kleine Eisenobjekte in „Eintenform“,
le Vielfache und Theile des leichten babylonischen Sechzigstels, und zwar der
i meinen Norm, darstellen und. in einem Grabe bei Hillah auf der Stätte des alten
abylon gefunden sind).
b Die ganz neuerdings in Sendjirli (Samal) gefundenen hethitischen und un-
?Zeichneten Gewichte theilweise recht bedeutenden Volumens zeigen ebenfalls die
tnten^-Form, Die Londoner Gewichte dieser Art sind mehrfach gewogen, zu-
d Sehr genau von Chisholm. Ich habe die Mehrzahl auch meinerseits, mehr
de Feststellung der Identität willen, gewogen. Beifolgend gebe ich eine Abbildung
I Cm zierlichsten ausgeführten Objekts dieser Art: British Museum 59. 10—11. 175.
hall T. (Sammlung Taylor), das 4,88(6) g wiegt, also einen etwas stark gerathenen
Brit: leichten Gewichts- oder Goldschekel darstellt. — Eine Ente, wie es im
OL ish Museum bezeichnet ist, ist es aber sicher nicht, worauf mich die Herren
D Shausen und Hartmann aufmerksam machen, sondern weit eher ein Schwan.
a8 Stück ist undurchbohrt und zeigt keine Darstellung auf der Unterseite (Fig. 1).
Figur 1. Figur 2.
Natürliche Grösse.
— Beispiel einer Darstellung und zwar einer Thierdarstellung auf einem Docu-
© dieser Art diene Fig. 2, die Unterseite eines Berliner Stückes (V. A. 2046).
ala at diese „Enten“ werden wir, da sie nicht bloss als Gewichte, sondern auch
€mpel gedient haben, unten (S. 526) noch einmal zurückzukommen haben.
und 3 An die assyrischen Lówengewichte anknüpfend, möchte ich das in Fig. 3a
Ass dargestellte Lówenvordertheil als gewichtsverdüchtig bezeichnen. Es ist im
‘ÿrian Room des British Museum in case C unter Nr. 527 ausgestellt. Die
I) Brandis 8. 596 f.
C ^9)
Figur 3a. Figur 3b.
y
Natürliche Grôsse.
Unterseite zeigt 4 ruhende Thiere (ebenfalls Löwen?) eingegraben (Fig. 3b). Es wiegt
23,34 g. Für das Gewicht verweise ich auf das, was unten (S. 529 sub 2b) zu dem
Stück im Betrag von 11,92 g gesagt ist, deren doppeltem Betrage der vorliegende
Werth nahe kommt, ohne jedoch diese Bestimmung als sicher bezeichnen zu wollen-
Die Gewichtsverdächtigkeit wird jedoch erhöht durch das Material, einen hellgrau-
grünen schiefrigen Stein mit hellerer weisslicher Bänderung („schist“); denn im Ber-
liner und British Museum findet sich eine Anzahl von thiergestaltigen Objekten aus
demselben Material, die auch. was das Gewicht anlangt, eine befriedigende und ein-
fache Erklárung zulassen und auf welche uns jetzt der Gang unserer Darstellung führt.
3) Die ältesten Tausch- und Zahlungsmittel bestanden bekanntlich in Natu-
ralien. Der Besitzstand wurde nach Häuptern Vieh geschätzt: mit Rindern, Schafen
und Schweinen wurden die grösseren Zahlungen geleistet. Es war daher natürlich,
dass die ältesten Metallstücke, die als Zahlungsmittel an deren Stelle traten, mit
Darstellungen gerade dieser Thiere versehen waren, wie wir es z. B. von den itali-
schen Kupferbarren wissen. Ebenso natürlich und erklürlich wäre und ist die ent-
sprechende Erscheinung bei den Gewichten. Bekannt sind die im hiesigen ügypti-
schen Museum nachgebildeten ägyptischen Wandmalereien, welche die Abwägung
von Gold in Ringform darstellen und bei der zwei Gewichte die Gestalt von Rinder-
köpfen tragen. Daneben erscheinen zwei Gewichte in Kegelform (vgl. S. 527 sub 2
und eines in Gestalt eines ruhenden Löwen (?).
Figur 4a. Figur 4b.
Natürliche Grósse.
a) Fig. 4a zeigt einen schön gearbeiteten liegenden Widder aus demselben
Material, wie das eben besprochene Löwenvordertheil mit Durchbohrung (vom
Rücken zum Unterleib), — letztere ebenfalls ein Merkmal der Gewichtsverdüchtig-
keit, — auf der Unterseite (Fig. 4b) 3 Schafe (?) liegend eingegraben. Signatur:
63. 11—1. 5. (Assyrian Room C. 528). Dasselbe ist wohl erhalten und wiegt
48,78 g, d.h. sehr nahe '/, der leichten babylonischen Gewichtsmine ge-
meiner Norm von 491,2 g.
ö%
z
C04
Bun) Zu derselben Serie gehört ein anderer wohlerhaltener liegender Widder des
0 ish Museum, dessen Unterseite Fig. 5 zeigt, Sign. 56. 5—2. 13. (Assyrian Room
:929). Ueber das Gewicht, 11,9 g, s. u. S. 526 sub 2a, vgl. 5. 522 sub 2.
U €) Ein Schwein aus Serpentin (?) (Assyr. Room C. 370), durchbohrt, auf der
Dei Punkte und Striche aufweisend, die wahrscheinlich die rohe Darstellung
: eler laufender Thiere bilden, wiegt 36,00 (4) g, ist also sehr wohl justirt als
lo der leichten phónikischen Mine gemeiner Norm (363 9), Verh. 1889. S. 251.
Figur 6a. Figur 6b.
Figur 5, L7
C # ;
e.
Natürliche Grósse.
Mus d) Aus demselben Material gefertigt ist ein liegendes Rind des Berliner
Sp s (V. A. 1651) Fig. 6a, Unterseite Fig. 6b. Gewicht: 22,15 9, d. h. 4 leichte
Ttt 33,40 der kóniglichen Silbermine (wahrscheinlich Form B) von 560 g (22,15
, aq).
lie €) Ein ganz besonderes Interesse bietet metrologisch und archäologisch ein
c ides Rind, aus Bergkrystall sehr schön gearbeitet (British Museum, Ass. Room
dur 1) Dasselbe trägt am Rücken auf beiden Seiten eine Anzahl von senkrechten,
(od. Waagerechte Linien eingeschlossenen Strichen, und zwar links 5, rechts 7
uff». Wenn man die äusseren senkrechten mit den waagerechten als Umrahmung
Yon x links 3, rechts 5 Striche). Diese Striche dürften (vergl. S. 516) eine Art
% ominalbezeichnung enthalten, und man wird das vorliegende Stück mit um
ro sere Wahrscheinlichkeit als Gewicht auffassen kónnen, als das Gewicht
Nor 16,00 (5) 9 dem eines schweren Gewichts- (oder Gold-) Schekels gemeiner
Tm (16,39 4) recht nahe kommt.
TN Die Schildkróte ist bekanntlich das Wappen von Aegina. Dafür, dass die
ibo, che und, für die ültere Zeit, die gemeingriechische Gewichtsnorm aus Asien
in p mmen ist (vgl. o. S. 519), werden wir unten weitere Beweise beibringen. Die
dure T dargestellte Schildkröte (Berl. Mus. V. A. 1664, Gewicht 2470) 9); deren
als N die Thierform gegebene Gewichtsverdächtigkeit noch durch die möglicherweise
emg,, zeichnung zu betrachtenden 4 Punkte auf der Unterseite (Fig. 7a)
Ming. wird, macht es wahrscheinlich, dass auch für das Prägebild der äginäischen
eund. und Gewichte ein vorderasiatisches Prototyp vorhanden war. Die in Athen
Norn, enen Gewichte, die die schwere Gewichtsmine gemeiner babylonischer
Bild wn 982,4 g (S. 257) darstellen (Maximalbetrag 919 g), zeigen ebenfalls das
er Schildkröte (vgl. Hultsch S. 140 f.).
IL Stücke nur mit Thierdarstellung.
dux Wir kommen jetzt zu den Stücken, die, ohne Thiergestalt zu haben, Abbil-
SCH in Thierform aufweisen.
Bein An die Spitze stelle ich das in Fig. 7b seinen Hauptzügen nach abgebildete
"— Stück (V. A. 612) aus weissem Marmor, welches nach meiner Ueber-
Asiatisch, ohne Zweifel als Gewicht anzusehen ist. Der „Führer durch die vorder-
herr N e Sammlung der königlichen Museen“ (S. 68) setzt zu dieser, von mir
enden Bezeichnung mit Unrecht ein Fragezeichen. Die Anschauung, dass
(523)
(524)
es ein Siegelcylinder sei, ist entschieden zu verwerfen. Erstens ist die grosse Mehr
zahl der Siegeleylinder der Linge nach durchbohrt, während hier die Durch”
bohrung unter den Fingern des in Form einer Hand gebildeten Griffes durchläuft
Herr von Luschan macht mich zwar gütigst darauf aufmerksam, dass die land-
läufige Vorstellung, wonach die Lüungsdurchbohrung der Siegelcylinder zur Aufnahme
einer Art von Axe als Theil der Fassung gedient hätte, die es ermöglichte, del
Siegelcylinder etwa gleich unseren heutigen Löschrollen über den Thon. zu führer:
irrig sei; dass vielmehr, wo er Siegelcylinder mit Resten antiker Fassung gesehen
habe, der Griff an einem Ende des Cylinders angebracht war und dass dem”
gemáss auch mehrfach undurchbohrte Siegelcylinder vorkämen.
Figur Ta. Figur 8a.
( 99» Figur 8b
GU wes Eo 9.83
Figur 7b. BEN ] 3 Vl
Natürliche Grósse. !/, der natürlichen Grósse.
Ein Siegelcylinder mit einem derartigen Griff als integrirendem Bestandtheil
des aus einem Stücke gefertigten Monuments und mit einer Querdurchbohrung an
diesem Griff wäre, soviel ich sehen kann, etwas völlig Neues. Vielmehr bildet
schon der Griff in Handform ein weiteres Merkmal der Gewichtsverdächtigkeit
Ferner gleicht das kleine Steinobjekt in seiner Gestalt so nahe wie möglich den
Gewichten unserer Kaufläden. Die Darstellung ferner, Rinder, theils vor einer
Hürde, theils aus derselben herausschreitend, hat, soweit mir bekannt, ebenfalls
unter den verschiedenen Typen der Siegelcylinder-Darstellungen kein Analogon-
Fig. 8b giebt dieselbe in Projection wieder, -
Und schliesslich stimmt auch das Gewicht zu unserer Auffassung auf’s
Beste. Der Stein wiegt 84,6 g, wozu noch ein erlittener Verlust durch eine ge-
ringe Abstossung in Anrechnung zu bringen ist, stellt also ein Sechstel leichte
(/, schwere) Gewichtsmine, 10 leichte (5 schwere) Schekel erhöhter Norm dar
(normal, Form B 84,0, Form A, b 85,9—86,3, Verh. 1889. S. 288). Bei einem Stück
von diesem Volumen kann man, da die Möglichkeit eines Zufalls mehr ausge-
schlossen erscheint, schon auf das Zusammentreffen des Gewichtsbetrages mit einer
bekannten Grösse des Systems einen herzhaften Nachdruck legen und wird in dem
vorliegenden Falle das incriminirte Objekt nicht mehr bloss als gewichisverdichtig,
sondern geradezu als der Gewichtsqualitit überführt anerkennen müssen.
2) Eines der interessantesten Erzeugnisse altorientalischer Kleinarbeit bewahrt
das Berliner Museum (V. A. 1632) in einer Elfenbeinplatte *). Die eine Seite derselben
zeigt schreitende Ziegenbücke mit verschrünkten Hórnern, die andere Seite ein Rind
und einen Ziegenbock am Ufer eines mit Fischen belebten Flusses, darüber unter an-
derem das ägyptische Zeichen des Pfluges. Die eigenthümliche Darstellungsweise,
namentlich die gedrungenen Gestalten der Thiere, haben, so scheint mir, mit dem
sog. hethitischen Styl verhältnissmässig die nächste Verwandtschaft, Dieses Stück,
das bisher seinem Wesen nach unbestimmt war, als Gewicht anzusprechen, dazu
1) Die Publication ist an anderer Stelle in Vorbereitung (Verh. 1889, S. 956 Anm. 9).
C0)
ste mich zunächst die Gestalt, die einer der ältesten bezeugten Formen der
Und Darren nahe kommt?) Dazu tritt als weiteres Indicium die Thierdarstellung.
Das St Wägung hat eine, ich darf wohl sagen, schlagende Bestätigung ergeben.
dh tück, das bis auf eine geringe Abstossung wohl erhalten ist, wiegt 60,38 9,
gem, 9S ist ‘/, desjenigen Gewichts, welches wir vor Solon in Athen im all-
vendue A Gebrauch und auch in nachsolonischer Zeit als Marktgewicht in Ver-
die Mine finden, dessen Grenzen nach den verschiedenen antiken Zeugnissen für
im 8 Me zwischen 598 und 606,4 g liegen würden, wührend es nach seiner Stellung
15g em des babylonischen Gewichts gemeiner Norm auf 600,4—602,5 g (Verh.
. 8. 268) zu bestimmen sein würde.
"A werden weiter unten noch einen handgreiflichen Beweis für das Vor-
liest en gerade dieser Einheit geben und hoffen damit die Annahme, dass das
blos © griechische Gewicht aus Asien übernommen war, über das Stadium der
Sen Vermuthung hinausgerückt zu haben.
vau móchte damit hier nur andeutungsweise die Richtung bezeichnen, in
ehe, s Sich die Forschung über die Herkunft der ültesten griechischen metrologi-
Systeme meiner Ueberzeugung nach zu bewegen hat?)
Oberg) Mehrfach finden sich Steine, meist mit gewölbter Figur 9
. ehe, deren geglüttete, kreisfórmige, ovale oder auch
éigenthi > geg ^ 3 : ge .
tige mlich geschweifte Unterseite mehr oder minder roh
(VS aene Thierdarstellungen zeigt. Einige dieser Steine
2 as 1889. S. 249) stimmen ihrem Gewicht nach auffällig
mit Jatischen Gewichtseinheiten. So trifft Berl. V. A. 1633
tip, iem Gewicht von 16,80 g gerade den Normalbestand
Fig. , Chweren Schekels erhóht-reducirter Norm (Form ID).
<1 giebt die Unterseite eines derartigen Steines (Berl. V. A. 2076, Gewicht 6,72 ¢
_* 30g. altiiginiischen Drachme (Verh. 1889. S. 280 u. 284) wieder.
> Hultsch, Metrologie $ 29, 1. S. 165.
der x) Dies namentlich auch gegenüber Hultsch's neuester, an die Auslegung von Cap. 10
diese P gefundenen 4493vaívmv nolusía des Aristoteles (?) geknüpften Aeusserung über
der ig, gen (in Fleckeisen's Jahrbüchern für classische Philologie, 1891. S. 262 f),
^ eor nicht beistimmen zu kónnen bedaure. Ich hoffe dies in einiger Zeit ausführlich
als hap den und bemerke hier nur, dass Hults ch’s auf die Politeia basirte Annahme,
Allem * vor Solon in Athen das königlich (babylonisch-) persische System gegolten,
Vorliegen a Spricht, was nicht bloss historisch überliefert, sondern Was an heute noch
1885 S om und controlirbarem metrologischem Material zu beobachten ist (vgl. Verh.
eh) oo au. 8.318 f. Anm. 1 und besonders auch Dórpfeld, Mitth. d. kais. deutsch.
Sicht à Ustituts zu Athen 1890. S. 167 ff.). Ferner wiederholt Hr. Hultsch seine alte An-
Ya Wai das solonische Hohlmaass aus dem königlich persischen durch Erhöhung um
Vili A0 0 sei. Dem gegenüber möchte ich meine, von Hultsch nicht einmal er-
aus — usführungen in Erinnerung bringen, welche zeigen, dass das solonische Gewicht,
System de (Verh. 1889. S. 296 ff.) Hohlmaass und Längenmaass abgeleitet ist, direkt zum
Möchte A gemeinen Norm des babylonischen Gewichts gehört (Verh. 1889. S. 266), und
der Epp, nF hinweisen auf die allgemeinen Gegengründe, welche ich gegen die Annahme
Erga: *kelung neuer Normen aus den bestehenden durch willkürliche Erhóhung oder
Cog vorgebracht habe (Verh. 1889. S. 255). —
die Yon Y, *eturzusatz: Inzwischen hat das Erscheinen des Facsimile des Papyrus und
die L "E: und Her werden veranstaltete Ausgabe der Politeia gezeigt, dass gerade
Schienen 8 der Worte eigo; und wellw, die die überraschende Angabe zu enthalten
LO > dass die solonischen Maasse grösser gewesen seien, als die pheidonischen,
Aphisch durchaus nicht feststeht.
525
(726)
4) Hieran knüpfen wir weiter die Beschreibung von vier Stücken, die, ver
schiedener Provenienz und verschiedenen Bestandtheilen der Sammlung des Ber-
liner Museums entstammend, offenbar als zu einer Serie gehörig zu betrachten sind.
Sie zeigen simmtlich die Form von Kugelcalotten; auf deren platter Unterseite die
Gestalt von einer oder mehreren Antilopen eingegraben sind. Das Material ist be!
allen dasselbe: weisser, roth gesprenkelter Quarz.
a) V. A. 2105, Fig. 10a, Unterseite Fig. 10b. Gefunden in Surghul (Südbaby-
lonien). Wiegt 88,05 g; als Gewicht aufgefasst, würe es eine etwas übermüssige
Sechstelmine erhóhter Norm (Form Ia etwa 85 9, Ib etwa 86 9, II 84 g).
b) V. A. 2091 (Fig. 11), desgleichen Unterseite zwei ruhende Antilopen. wiegt
sehr wenig über 39 g, hat aber durch Abstossungen verloren, künnte daher al$
!/;o gemeiner Goldmine (409 9) angesprochen werden.
c) V. A. 874 (Unterseite Fig. 12). Eine stehende Antilope. Das Gewicht vo?
4,2 g würde einem halben Schekel‘ entsprechen (gemeine Norm 4,09 g, erhöhte
Norm Ia etwa 4,26 g, Ib etwa 4,3 g, II 4,2 9).
d) V. A. 1634. Unterseite Fig. 13: zwei ruhende Vierfüssler. Wiegt 2,54 9°
Ein Viertel Silberschekel gemeiner Norm? (2,7 9).
Figur 10a. Figur 10b.
Figur 11.
Figur 12. Figur 13.
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Qu sT” ^ .
3.4 ] IN) tu
Natürliche Grósse.
Wie man sieht, habe ich bei dieser Serie, was die Gewichtsqualitàt anlangt, mich
mit keinerlei Bestimmtheit ausgedrückt. Die Frage, ob Gewicht oder Stempel, die
wie Eingangs (S. 519) bemerkt, bei den meisten der behandelten Monumente regel
missig am Plaize ist, liegt hier, wenigstens für die kleineren Stücke, vielleicht näher
als bei den vorstehend behandelten Gruppen. Diese Serie bildet daher die passend®
Ueberleitung zu dem nunmehr zu liefernden Beweise, dass eine und dieselb®
Gattung von Monumenten als Gewicht und als Stempel verwendet wurde.
Gewicht oder Stempel?
1) Wir haben oben von den kleinen babylonischen Gewichten in Form von
Sehwimmvügeln gesprochen. Eine der Kuyundschik-Sammlung angehórige Tho?
ee
2^.
tafel des British Museum zeigt als Siegel dreimal wiederholt einen Stempel, der
seiner Gestalt nach unverkennbar mit einer solchen sogen. „Ente“ gefertigt ist.
Aber mehr noch: die Darstellung des Stempels, ein laufender Vierfüssler, findet
Sich so genau auf einer als Gewicht betrachteten Ente“ des British Museum
Wieder, dass man glauben könnte, — was natürlich nicht anzunehmen, — wir
hätten in ihm dasselbe individuelle Stück, mit welchem die Thontafel gesiegelt
Worden ist. Fig. 14a giebt das auf der Thontafel dreimal abgedrückte Siegel wieder,
80 gut es nach einem sehr unvollkommenen Staniolabdruck moglich war. Fig. 14b
stellt die Unterseite der „Ente“ dar. Es wäre nicht völlig undenkbar, dass im
alten Orient thatsächlich ein und dasselbe Stück als Gewicht und als Siegel ver-
Wendet wäre; es konnte damit eine Verringerung der Utensilien, namentlich des
herumziehenden Händlers, und eine Ersparniss in verschiedenen Richtungen erzielt
Werden.
9) Der Zweifel, ob Gewicht oder Stempel, war mir jedoch, wie ich bekennen
Muss, zunächst durch eine andere Serie von Erzeugnissen asiatischer Glyptik er-
Weckt worden.
Es sind dies die ausserordentlich häufigen kleinen Kegel aus Chalcedon, Achat
V $. w., zumeist mit bünderfórmiger Schleifung, in der typischen Gestalt, wie sie
Fig. 15 nach dem Berliner Stück V. A. 750 giebt. Den Gewichtsverdacht erweckt
Zunüchst neben der Kegelform, die z.B. auch an attischen Gewichten des Anti-
Quariums nachweisbar ist, die ausserordentliche, auf alle Theile des Stückes sich
erstreckende Sorgfalt der Arbeit. Die am häufigsten wiederkehrende, auf der Basis
des Kegels eingegrabene Darstellung wird gewöhnlich gedeutet als die eines Mannes
in betender Stellung vor einem Altar. Ob diese Auffassung die richtige ist, kann
Zweifelhaft erscheinen. Zwar einige der auf dem „Altar“ regelmässig auftretenden
Gegenstände scheinen mit den Abzeichen der babylonischen Thierkreisbilder einige
Aehnlichkeit zu haben, so dass man sie mit dem Gestirndienst in Verbindung bringen
Figur 14a. Figur 15. .
e 1 Figur 16. Figur 17.
FO 2 UM.
Figur 14b.
SLY
Figur 19b.
Figur 19a.
Figur 18.
7
2n
Natürliche Grösse.
könnte. Aber namentlich den in Fig. 16 (Unterseite des so eben abgebildeten Stückes)
und F ig. 17 (Berl, V. A. 2569) besonders deutlich erscheinenden Stab mit einer Anzahl
über einander gereihter Kugeln wird man ebensowohl als eine Hindeutung auf Zühlen
(527)
(5928)
und Rechnen fassen können, als auf den eigentlichen Cultus und Gottesdienst.
Beides stand ja übrigens in Babylonien im engsten Zusammenhang. Eine andere
Form giebt Fig. 18 nach Berl. Mus. V. A. 753. Eine nahe verwandte, als Illustra-
tion und Verdeutlichung interessante Darstellung zeigt eine kleine, man könnte
sagen, beilförmige Platte im British Museum. Fig. 19a und b geben die beiden
Seiten derselben wieder.
Was nun das Gewicht der Kegel anlangt, so fehlt es mir einstweilen an ge-
nügendem Material um ein Urtheil abgeben zu kónnen, da ich die Wügungen der
Berliner Stücke noch nicht vollendet, die der Londoner nicht habe in Angriff
nehmen können. Auch liegt es nicht in meiner Absicht, die Frage, ob Gewicht
oder Stempel, die zudem nach dem oben S. 596 sub 1 Ausgeführten, keine un-
bedingte Entscheidung fordert, hier zu erledigen. Bei so geringen Nominalen
fallen, wie ich wiederholt betone, ja die Grenzen zwischen den verschiedenen
Grössen so nahe zusammen, dass man eine Annäherung an eine der bekannten
Theilgrössen der Systeme schliesslich in jedem Gewicht finden kann. Ich begnüge
mich daher vor der Hand mit der Bemerkung, dass einige Fälle genauer Coinci-
denz mit dem Gewichts- oder dem Silberschekel und dessen Theilen zu bemerken
sind, möchte dagegen die Aufmerksamkeit auf einige andere auf diesen Docu-
menten erscheinende Darstellungen lenken, die zu der Erwägung auffordern, ob sie
nicht als symbolische Darstellungen der Waage und des Gleichgewichts
aufzufassen sind.
Fig. 20 (Berl. V. A. 2567) zeigt zwei thierfüssige Männer mit erhobenen, am
Ellenbogen rechtwinklig gebeugten Armen vor einer menschlichen Gestalt stehend.
Fig. 21 (V. A. 751) zwei ähnlich geartete Gestalten in gleicher Stellung. Ueber
ihnen die geflügelte Sonnenscheibe. Zwischen beiden ein Stab mit kugelförmigen
Absätzen (vergl. S. 527). Dass sie die geflügelte Sonnenscheibe „tragen“, wie es
der Führer durch die vorderasiatische Sammlung (S. 75) angiebt, scheint mir eine
irrige Annahme. Die erhobenen Hände sowohl, wie der Kugelstab, sind von der
geflügelten Sonnenscheibe durch deutlich erkennbare Zwischenräume getrennt.
Figur 23.
Figur 20. Figur 21, Figur 22. | | Figur 24.
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Fig. 22 (V. A. 2566) zeigt einen persischen König, der mit ausgestreckten
Armen zwei Löwen (vgl. o. S. 516) bei den Schwänzen im Gleichgewicht hält.
Darstellungen ähnlich denen, welche auf den Steinen in Kegelform erscheinen,
finden sich auf ovalen Steinen, sog. Skarabaeoiden, die deshalb bei diesbezüg-
lichen weiteren Untersuchungen ebenfalls in Betracht gezogen werden müssen. Ein
solcher Stein (V. A. 2533) zeigt eine weibliche geflügelte Gestalt (wohl die Göttin
Istar) mit waagerecht zur Seite gestreckten Armen (Fig. 28). —
(529)
Es möchte als ein weiteres Indicium für die Gewichtsverdächtigkeit dieser
Gattung von Monumenten gelten kännen, dass sich eine sehr ähnliche Darstellung
(Pig. 24), eine weibliche Gestalt mit vier Flügeln) auf der Unterseite eines der
Schwimmvögel- („Enten-“) Serie angehörigen Documentes (Brit. Mus.) findet.
. Im Uebrigen würe, selbst wenn man uns in der Auffassung beipflichtet, dass
Vir es hier mit Symbolisirungen der Waage zu ihun haben, die Frage, ob
Gewicht oder Stempel, noch immer nicht entschieden. Denn die Stempelung konnte
Ja, wie u. A. bei den edlen Metallen, bestimmt sein, das richtige Gewicht, bezw.
die Aechtheit des gestempelten Gegenstandes zu garantiren. —
. Unter den etwa 50 Wägungen, die ich in London vorgenommen habe, ist es
Mir zweimal begegnet, dass zwei Gegenstände von gänzlich verschiedener Form
"nd grundverschiedenem Material, deren jedes ich als Gewicht angesprochen hatte,
nieht nur ihrem Gewichte nach sehr genau übereinstimmten, sondern ausserdem
Mit diesem: ihrem gemeinsamen Gewicht einer bekannten antiken Gewichtsgrösse
Bleichkamen, — die willkommenste Bestätigung für meine Auffassung.
... 1) a) Ein Stück aus grauem Sandstein, Brit.
Mus. 57, 9—14. 1., in Gestalt einer Kugel- Figur 25.
Calotte, aber an Stelle der oberen Wölbung eine
Vertiefung zeigend, wiegt 147,29 (0) g. — Es
trägt eine Inschrift in altaramäischer Schrift, von
der mir ein Abdruck zur Verfügung gestellt
Würde, nach welchem Hr. Euting freundlichst
die nebenstehend wiedergegebene Zeichnung an-
Sefertigt hat (Fig. 25).
Hr. Nöldeke schreibt mir auf meine An-
Trage gütigst, dass er selbst und Hr. Euting sie vergebens im Corpus Inscriptionum
Sesucht haben und dass es ihnen auch nicht gelungen sei, irgend etwas von Sinn
hineinzubringen: „Man liest ziemlich deutlich: RD“. Der dritte Buchstabe er-
Scheint als der wenigst sichere. —
b) Fast genau dasselbe Gewicht, nehmlich 148,77 (8) g, zeigt ein Gewichts-
Stück (9) aus Alabaster in Giebelform, mit Querdurchbohrung.
. Beide Stücke stellen ?/; der leichten Gewichtsmine gemeiner Norm dar, die
Siehnach a) auf 490,9 (7) g, nach b) auf 495,92 g stellen würde, während der
Normalbetrag (Verh. 1889. S. 297) auf 491,2—492,9 g anzusetzen ist. — |
. 2) a) Der oben (S. 523 sub b vgl Fig. 5) bereits besprochene liegende Widder
Wiegt 11,98 (1) 9.
.b) Ein liegendes Schwein, Marmor (Brit. Mus. Assyrian Room Case C. 388),
Wohl erhalten, quer durchbohrt, auf der Unterseite ein stehender Mann, wiegt
1192 (3) 9 (wobei allerdings eventuell ein ganz geringer Gewichtszuwachs durch
anhaftenden Leim mit in Betracht zu ziehen ist).
Die Uebereinstimmung ist nicht so gross, wie bei dem ersterwähnten Paar;
oc treffen beide mit dem äginäischen Didrachmon gemeiner Norm (vergl. Verh.
89. 8. 265 sub 2) auffällig zusammen. Das sub b genannte Stück nähert sich
"es der vollen Form (Mine etwa 600 g, Didrachmon etwa 12 g); das sub a) mehr
v Wohl in Folge eines Abzugs von 1 pCt. für den Prägeschatz (Verh. 1889. S 269)
érminderten Form 1) (vgl. o. S. 522 sub 2 und S. 524 sub 2, unten S. 531).
Schliesslich gebe ich in Fig. 26 vier verschiedene Seiteitenansichten und die
1) 8. Hultsch, Metrologie § 24, 2 S. 190 Anm. 2.
Verhandl, der Berl. Anthropol. Gesellschaft 1891.
34
(530)
Unterseite eines kunstvoll gearbeiteten Stückes aus Eisen, der Berliner Sammlung
(V. A. 133) gehörig, wieder, das nach Ausweis des Inventars von einem orientali-
schen Händler erworben wurde, der es
noch in unseren Tagen. als Gewicht ge-
brauchte. Es wiegt 10,66 g, wührend ein
Schekel Silbers gemeiner Norm normal
10,92—10,95 g beträgt, so dass das Stück
nur sehr wenig hinter dieser Norm zurück-
bleibt. —
Fassen wir nun die hauptsüchlichen
Merkmale der Gewichtsverdüchtigkeit zu-
sammen, die sich uns im Laufe dieser
Untersuchung ergeben haben:
1) Es gehören dahin die Formen
| des Ovals (und des Füsschens), des Polye-
Natürliche Grüsse. ders, des Kegels, der Kugelcalotte, des ge-
schweiften Steines. Ferner die Thier-
gestalt, der Griff in Handform und die Durchbohrung.
2) Was die Darstellung anlangt, so sind hervorzuheben: die Thiere, nament-
lich Rinder, Schweine Antilopen. — Punkte und Striche als Nominalbezeichnung,
Symbolisirungen der Waage, bezw. des Gleichgewichts (?). —
Das Zusammentreffen mehrerer dieser Merkmale wird oftmals den Gewichts-
verdacht begründen können. Als erwiesen wird die Gewichtsqualität nur dann
gelten dürften, wenn die rein metrologischen, auf das Gewicht basirten Erwägungen
die Annahme stützen und bestätigen. Und dieser Nachweis, wir wiederholen es
nochmals, ist namentlich bei Gegenständen geringen Nominals leider nicht allzu oft
mit voller Sicherheit zu erbringen. —
Endlich möchte ich noch einige Mittheilungen machen über
Wägungen altorientalischer Fundstücke aus Gold.
Wie ich (Verhandl 1889. S. 248 f) ausführie, kónnen neben den Gewichten
und Münzen noch zur Bestimmung des Gewichtsfusses bei vorsichtiger Verwen-
dung herangezogen werden andere Verarbeitungen edler Metalle, Schmuck und
Gebrauchsgegenstünde aus Gold und Silber u.s. w. Denn für den Goldarbeiter
gilt, heut wie vor Alters, in ähnlicher Weise, wie für den, der Gold- und Silber-
geld in Umlauf setzt, dass das werthvolle Material mit grosser Vorsicht verwogen
und bei der Bearbeitung vor Gewichtsverlust behütet wurde und wird. Wenn nun
bereits andere Anhalispunkte für die Bestimmung des am Fundorte solch eines
Gebrauchs- oder Schmuckstückes gebräuchlichen Gewichtes vorhanden sind, so
können namentlich bei schwereren Stücken an den Vielfachen Rückschlüsse auf
die Gewichtseinheit gemacht werden und das so gewonnene Ergebniss lässt sich
zur Prüfung und Controle der anderweitig gewonnenen Ansätze verwerthen. —
1) Das British Museum, Cabinet of Medals, bewahrt zwei Gesichtsmasken aus
Gold (vgl. die von Schliemann in Mykenae gefundenen) Benndorf?, der die-
1) Benndorf, Antike Sepuleralmasken und Gesichtshelme, Denkschr. d. Wiener Akad.
der Wissensch, Phil-hist. Classe. XXVIII. Bd. 1879. Taf. XIV. Nr. 1 u 2 und S. 661
(531)
Selben nach Murray’s Zeichnungen veröffentlicht hat, bemerkt zu denselben: „Das
eine Exemplar wurde, wenn ich mit Recht Identität vermuthe, von Rassam in
Kuyundschyk entdeckt, und zwar in einem Grabe, das aus spätrömischer Zeit her-
Zurühren schien (Layard, Discoveries p. 592 ff). Wann und wie das zweite zum
Vorschein gekommen ist, habe ich nicht in Erfahrung bringen können.“ Ich
Möchte hierzu nur bemerken, dass, wenn auch die Masken in einem Grabe aus
Spütrümischer Zeit gefunden sind, sie nicht in dieser Zeit gearbeitet zu sein
brauchen, Sie können ja Fundstücke aus älteren Gräbern sein, die wieder neu
Verwendet worden sind. Die Fundstätte auf den Trümmern des alten Niniveh
dürfte diese Annahme nahe legen.
3) Die eine. der Masken, die 0,16 m hoch ist und an den Rändern geringe
Abstossungen zeigt (Brit. Mus. 56. 9—9. 66. Benndorf Nr. 2), wiegt 40,35 (1) g;
Se dürfte 1/,, leichte Mine Goldes gemeiner Norm darstellen: normal 409,3 (bls
410,8); mit Abzug von 1 pCt. (vgl. Verh. 1889. S. 269) 405,21 (bis 406,7). —
b) Die andere (Brit. Mus. 56. 9—9. 67) wiegt 21,87 (T) g und würde sich
echt wohl als !/,, leichte Goldmine erhghter Norm betrachten lassen: die Mine
Kime auf 491,5 g; die verschiedenen Formen der erhöhten Norm würden stehen:
là etwa 426.5427 g; Ib etwa 430 g; II 420 g.
Scheint somit das eine Stück sich mit seinem Gewicht in die gemeine, das
andere in die erhóhte Norm einzureihen, so sei wiederholt betont, -dass auf die
Zuweisung in dieser Richtung bei Gebrauchsgewichten und Gebrauchsgegenständen,
Noch dazu nicht völlig sicheren Erhaltungszustandes, kein besonderer Nachdruck
gelegt werden soll. — Andererseits darf darauf hingewiesen werden, dass von den
Platten in Edelmetall mit Inschriften, die im Palaste Sorgons zu Khorsabad ge-
fanden sind, die goldene 167 g, d. h- 20 leichte Goldschekel zu 8,35 g wiegt, also
der erhöhten Norm angehórt!; die sibeme dagegen 438,629, d. h. 40 leichte
Silberschekel zu 10,965 g wiegt, also sich zur gemeinen Norm stellt, da die nie-
drieste Form der erhöhten Norm 11,20 ¢ fiir den Schekel erfordern würde.
Höchst wichtig und interessant sind zwei Stücke der Schliemann'schen
Sammlung‘). Die goldene bauchige Flasche wiegt 403 g, d. h. eine leichte Gold-
Mine gemeiner Norm in dem etwas verringerten Betrage, wie er sich ebenso
80S der Goldmaske a ergiebt. Das demac duduainehhov dagegen wiegt 602 g, stellt
also die volle üginüische Mine gemeiner Norm in ihrem normalen Betrage dar, und
bietet, worauf wir schon oben (S. 524 sub 2) hingewiesen haben, einen wichtigen
Beleg für die Präexistenz dieser Gewichtsnorm an der asiatischen Küste. —
. Dass schliesslich auch Gegenstánde sehr geringen Volumens 1n ihrem Gewicht
die Zugehörigkeit zum System bewahren können, dafür möge als Beispiel dienen:
a) Ein grosser goldener Ohrring, Brit, Mus. 72. 6—4. 484. (Nr. 1381), aus
Wark, (dem alten Uruk, Erech der Bibel, Orchoé der Classiker) stammend;
War Zerbrochen und hat dabei wohl etwas an Gewicht verloren, — ein Verlust,
der durch den der Bruchstelle anhaftenden Leim wohl nicht völlig wieder ein-
Sebracht ist. Er wiegt 3,97 (1) g; 1/, leichter Goldschekel gemeiner Norm wôge
ROrma] 4,09 (bis 4,10) 9. |
P b) Von zwei wohlerhaltenen goldenen Ohrringen, die zusammen mit einem
a, enschidel von der babylonischen Expedition in einem Grabe zu el Hibba in
Udbabylonien gefunden sind und im Berliner Museum (V. A. 2092) bewahrt werden,
wiegt der eine 3,98 g, der andere 3,27 g. Als Fünftel eines schweren Gold-
1) Brandis S. 190.
2) Schliemann, Ilios S. 590 u. 518.
84 *
(579)
Figur 27a. Figur 27b. schekels gefasst, ergeben sie fiir denselben 16,40, bezw.
16,35 g; der normale Goldschekel gemeiner Norm aber
a wiegt 16,39 9g!
Mehr als Beispiel für zierliche Thierdarstellungen,
hr als wegen ihrer etwaigen Gewichtsverdächtigkeit (3,40 9,
> also wenig mehr als die ‚Goldringe) sei schliesslich
eine kleine, etwas gehöhlte Elfenbeinplatte (Berl. Mus-
V. A. 2099) erwähnt, deren Vorder- und Rückseite ın
Fig. 27a und 27b wiedergegeben sind.
Zum Schluss freut es mich, den Herren vom Department of Oriental Anti-
quities und vom Department of coins and medals, namentlich den Herren P. le
Page Renouf, Stuart Poole, Head und Cecil Smith für die Liebenswürdig-
keit und Zuvorkommenheit, mit welcher sie meine Arbeiten gefördert haben, meinen
verbindlichsten Dank an dieser Stelle aussprechen zu können. —
(21) Hr. Dr. Franz Boas übersendet aus Worcester in Massachusetts ein
grösseres Manuscript über
Sagen aus Britisch-Columbien.
In den folgenden Sagen, welche ich auf wiederholten Besuchen in Britisch
Columbien gesammelt habe, benutze ich, der Gleichförmigkeit halber, bei Schrei-
bung der indianischen Namen und Worte dasselbe Alphabet, das ich nach Ueber-
einkommen mit Herrn Prof, Horatio Hale in meinen Berichten an die British Asso-
ciation for the Advancement of Science gebraucht habe: Die Vocale sind wie im
Deutschen gebraucht; E steht für Lepsius € (wie in haben) Folgende Conso-
nanien müssen erklürt werden:
g' guiturales g;
k' guiturales k;
q wie ch in Bach;
H wie ch in ich;
Q zwischen q und m, der Mund in u-Position;
C das deutsche sch;
€ das englische th in thin;
il explosives, dorso-apicales 1.
L Sagen der Shushwap. Gesammelt in Kamloops.
1. Tlé'esa.
Es war einmal eine Frau, die hatte vier Söhne. Der älteste hiess Tlé'esa, Die
jungen Männer wollten die Welt durchwandern. Da warf ihre Mutter ein Zauber-
mittel auf sie, um sie stark zu machen. Sie traf die drei jüngsten, den ältesten
aber verfehlte sie und er ward sogleich in einen Hund verwandelt. Sie sagte
ihnen dann alles voraus, was ihnen begegnen würde.
. . Die jungen Máünner machten sich nun auf ‚und wanderten. vom Shushwap See
aus den South Thompson River hinab. Bald kamen sie zum Hause des , Wood-
chuck“ (Arctomys monax). Dasselbe stand gerade zwischen zwei Felsen. Wenn
jemand kam, so zog das Woodchuck sich in sein Haus Zurück, und wenn man ihm
folgte, um es zu fangen, So schlugen die Felsen zusammen und tüdteten den Ein-
dringhng. Tlé'esa sprach, als er viele Woodchucks auf den Felsen umherspielen
sah: „Ich will hingehen und sie fangen.“ Seine Brüder warnten ihn und er-
innerten ihn daran, dass seine Mutter ihnen erzählt habe, das Woodchuck tödte
jeden, der es angreife; er liess sich aber nicht halten und lief fort, sie zu fangen-
202
GC
Die Woodchucks zogen sich in ihr Haus zwischen den Felsen zurück. Da nahm
Tl&esa seine Lanze mit Steinspitze und stemmte dieselbe quer zwischen die Felsen,
die nun nicht mehr zusammenschlagen konnten. Dann fing er die Woodchucks
"nd erschlug sie mit dem Hammer, der von seinem Handgelenke herabhing. Er
Warf sie dann aus der Felsspalte heraus und seine Brüder nahmen sie auf. Tlë'esa
Sprach: „Künftighin sollt Ihr keine Menschen mehr tödten. Ihr sollt Woodchucks
Sein und den Menschen zur Nahrung dienen.“ Während er noch in der Felsspalte
Mit den Woodchucks kämpfte, machten seine Brüder ein grosses Feuer, brieten die
Thiere und hatten die besten aufgegessen, als Tleé'esa endlich wieder aus der Fels-
Spalte zum Vorschein kam. Tlé'esa sagte nichts, sondern nahm, was übrig ge-
blieben war.
© Dann gingen sie weiter den Fluss hinab. Als sie nach Ducks kamen, sahen
Sle dort eine Frau auf einem Felsen sitzen und singen. "Tlé'esa sagte: ,lch will
sie fangen.“ Wieder warnten ihn seine Brüder, er liess sich aber nicht zurück-
halten, Er ging den Berg hinauf und sammelte viele Tannenzapfen. Die Frau
lachte ihn an und ging eben so rasch rückwärts, wie er den Berg erklomm. Seine
Brüder folgten ihm. Endlich hielt die Frau stille. Als Tlé'esa ihr nun nahe kam,
krochen plötzlich eine ungeheure Menge Klapperschlangen aus ihren Löchern und
Singen auf ihn los. Er aber tödtete alle mit seinen Tannenzapfen. Während er
Doch mit den Schlangen kümpfte, liefen seine Brüder weiter und fingen die Frau
für sich. 'Tl'esa sagte nichts zu seinen Brüdern. Er sprach nur zu der Frau:
»Du wirst von jetzt ab niemand mehr tódten Wenn ein Mann Dich haben will,
Vird er Dich nehmen und Du sollst ihm nichts anhaben können.“
Die Brüder gingen weiter den Fluss hinab. Als sie nach einem Orte, etwas
Oberhalb Kamloops kamen, sahen sie ein unterirdisches Haus ?, neben dem eine
Stosse Stange stand. Hier wohnte der graue Bär und der Coyote. Die Biren
Sahen sie kommen und die drei Brüder iraten ein. Sie banden Tlë'esa vor der
Thüre fest, und bedeckten ihn über und über mit Steinmessern, sogar seinen
Schwanz und seine Zähne. Nach einiger Zeit lud der Bir sie zu einem Wett-
kampfe ein. Sie sollten an der Stange, die vor dem Hause stand, hinaufklettern.
Zuerst kletterte der zweite Bruder mit dem Bären zusammen hinauf. Als sie fast
Oben waren, fasste ihn der Bär und tödtete ihn. Der Leichnam fiel von der Stange
herunter. Als Tl&’esa das sah, ward er sehr zornig. Er heulte und fletschte seine
Zähne. Da rief Coyote: „Ich fürchte, der Hund wird uns auffressen. Er wird
Sanz wild.“ Tl&’esa berührte Coyote nur mit seinem Körper, da blutete jener so-
gleich, Die Steinmesser hatten ihn geschnitten. Nun kletterte der dritte Bruder
Wit dem Bären die Stange hinauf. Es erging ihm nicht besser, als dem ersten
Bruder, und den vierten ereilte dasselbe Schicksal. Nun war nur der Hund Tle’esa
übrig geblieben. Er schnitt das Seil durch, mit dem er festgebunden war und
Metterte mit dem Bären hinauf. Als sie fast oben waren, schnitt er den Bären
Mitten durch, so dass ein Theil rechts, der andere links niederfiel. Vier Bären
Kletterten mit ihm um die Wette, aber er tödtete alle. Dann legte er die Glied-
Maassen seiner Brüder zusammen, sprang über sie fort und sie wurden wieder
lebendig.
. Die Brüder wanderten weiter und gelangten nach Cherry Creek. Dort sahen
Me ein unterirdisches Haus, in dem wohnte das Kaninchen. Tlé'esa sagte: ,Ich
ade hineingehen. Ich will das Kaninchen zu Abend essen.“ Wieder warnten
^ seine Brüder; er liess sich aber nicht zurückhalten. Er nahm einen flachen
1) Die Indianer leben im Winter in solchen Häusern.
230
(534)
Stein, bedeckte seinen Bauch und seine Brust damit und ging hinein. Die Brüder
blieben draussen stehen und lugten in das Haus. Das Kaninchen lag auf dem
Rücken mit übereinandergeschlagenen Beinen. Es hatte etwas Fleisch hinter sich
liegen. Als es Tl&esa eintreten sah, rief es: „Hollah Fremder! Woher kommst
Du? Wohin gehst Du?“ Jener versetzte: „O, ich reise nur zu meinem Vergnügen
umher.“ „Gewiss bist Du hungrig. Hier hinter mir liegt Fleisch; nimm Dir davon!“
Als Tlé'esa nun herankam und von dem Fleische nehmen wollte, trat ihn das
Kaninchen vor die Brust. So pflegte es alle Fremden zu tödten, die sein Haus
besuchten. Sein Bein schlug immer gerade durch die Brust hindurch: Dieses Mal
aber zerschlug es sein Bein an dem Steine, der Tlé'esas Brust bedeckte. Es fing
an zu schreien. 'Tlé'esa ergriff es an dem anderen Beine, schlug es gegen die
Wand und rief: ,Bis jetzt hast Du Menschen geiódtet. Nun tüdte ich Dich und
werde Dich essen.“ Er warf es zum Hause hinaus. Da nahmen seine Brüder es
auf, und kochten und assen es, ehe Tlé'esa herauskam.
Die Brüder gingen weiter und kamen nach Savaners (?) Ferry. Dort stand
ein grosses Elch mit gespreizien Beinen über dem Flusse und tódtete alle, die
über den Fluss zu gehen versuchten. Es zog die Boote ans Land und verschlang
sie. Als die Brüder dort ankamen, wussten sie nicht, wie sie vorankommen sollten.
Tié'esa sprach: ,Ich werde ein Floss bauen und hinunter fahren.“ Seine Brüder
wollten es nicht erlauben. Er aber kümmerte sich nicht um sie, sondern machte
ein Floss. Als er fertig war, stieg er darauf und liess es den Fluss hinab treiben.
Als er dicht an das Elch herankam, schlürfte dasselbe das Floss und Tlé'esa
herunter. Da weinten die Brüder, denn sie glaubten, er sei todt. Die Stangen
des Flosses gingen aber geradeswegs durch das Elch hindurch. Tlë'esa machte
drinnen ein Feuer an und kochte sich ein gutes Mahl. Dann ergriff er das Herz
des Elch und drückte daran. Da fing es an von einer Seite des Flusses zur
anderen zu schwanken. Als die Brüder das sahen, sprachen sie zu einander:
„Was mag mit dem Elch geschehen sein?“ Als es nun wieder zu der Seite hin-
über schwankte, wo die Brüder standen, schnitt Tlé'esa das Herz ab ung, es
fiel todt nieder. Die Briider zogen es ab und schnitten es auf. Als sie nun
den Magen öffnen wollten, rief Tl&’esa: „Passt auf und schneidet mich nicht!“ Da
öffneten. sie den Magen vorsichtig und fanden nun, dass Tl&esa sich drinnen ein
Mahl bereitet hatte. Die Brüder assen ihm alles auf.
Sie gingen nun über den Fluss. Bald erblickten sie einen „Tabaksbaum »*,
Ein Ast desselben schwang im Kreise umher, sobald jemand versuchte, Tabak zu
holen, und erschlug ihn. 'Tl&'esa nahm einen kleinen Stock und ging zu dem Baum
hinauf. Als der Ast zu schwingen begann, schlug er ihn mit dem Stocke durch
und warf ihn in den Fluss, Dann warf er den Baum mit seinem Stocke um, indem
er ihn ausgrub. Da kamen die Brüder herauf und nahmen allen Tabak ab.
Tlé'esa bekam nichts.
Die Brüder gingen dann den Bonaparte Creek hinauf. Dort ist ein steiler
Felsen, auf dem lebte die Bergziege, die alle tödtete, die sie zu fangen versuchten.
Am Fusse des Felsens war ein Hund, der die Vorübergehenden biss. Tlë‘esa
sprach: „Ich will die Bergziege tödten und das Fett mit meinem Tabak mischen.“
Die Brüder glaubten, er werde den Fels nicht ersteigen können. Er liess sich
aber nicht abhalten und ging, das Abenteuer zu bestehen. Als der Hund ihn
beissen wollte, spiesste er ihn auf seinen Stock auf und warf ihn zu Boden, indem
1) Vor Ankunft der Weissen gebrauchten die Indianer angeblich die Blätter dieses
Baumes als Tabak. Die Gattung und Art war nicht zu bestimmen.
(535)
?r rief: ,Du wirst niemand mehr todten! Künftig sollen die Menschen Dich be-
nutzen.“ Er kletterie den Fels hinauf. Als die Ziege seiner ansichtig wurde,
Wollte sie ihn hinunterwerfen. Er aber spiesste sie auf seinen Stock auf und zer-
irümmerte mit seinem Hammer ihren Kopf. Dann warf er sie den Berg hinunter
und sprach: „Du sollst niemand mehr tödten. Künftig sollen die Menschen Dich
födten und verzehren.“ Sie kam ganz zerrissen unten an. Die Brüder hoben sie
auf und nahmen alles Fett, das sie mit ihrem Tabak mischten. So blieb für
Tl&'esa nichts übrig.
. Die Brüder wanderten weiter und kamen zn „Johnny Wilsons Place“. Sie
gingen oben am Berghang entlang und sahen einen Mann unten am Flussufer
gehen. Da sprachen die Brüder zu einander: „Lasst uns ihn zum Besten haben!“
und sie warfen grosse Felsen nach ihm. Als der Staub sich verzog, sahen sie ihn
Weiter gehen, als ob nichts geschehen sei. Einer nach dem andern versuchte ihn
Zu treffen. Sie konnten ihm aber nichts anhaben, obwohl sie zuletzt einen grossen
Bergsturz zu Thal gehen liessen. Da ging Ti&’esa hinab, um den Fremden zu
Sehen, Er sah, dass jener einen kleinen Korb auf dem Rücken trug, nicht grösser
als eine Faust. Er sprach: „Wer bist Du? Wir haben versucht, Dich zum Besten
Zu haben, konnten es aber nicht.“ Jener sagte, er heisse Tkumenaä’lst, und lud
Tléesa und die Brüder zum Essen ein. Er that Wurzeln und Beeren in seinen
Korb und legte Steine ins Feuer. Als das Essen fertig war, sprach einer der
Brüder: „Wenn ich einen Bissen nehme, wird nichts mehr da sein.“ Als er aber
einen Löffel voll aus dem Korbe genommen hatte, ward derselbe sofort wieder
Voll. Nachdem alle sich satt gegessen hatten, wanderten sie zusammen weiter.
Bald gelangten sie nach Hat Creek. Daselbst ist eine steile Felswand. Tlé'esa
Sagte: ,Lasst uns hier etwas spielen!“ Tkumenaëlst frug, was sie spielen sollten,
und Tlë‘esa antwortete, sie wollten versuchen, den Kopf in den Felsen zu rennen.
Zuerst versuchten es die drei Brüder. Sie machten einen schwachen Eindruck in
den Felsen. Dann versuchte es Tlé'esa und sein Kopf drang bis über die Ohren
in das Gestein ein. Tkumenadlst aber drang noch weiter, bis an seine Schul-
lern ein,
. Dann gingen sie weiter und kamen nach Fountain Trail. Dort hatte ein Adler
Sein Nest auf einem steilen Felsen. Ti&esa sprach: „Ich will seine Federn holen
und meinen Mantel damit besetzen.“ Seine Brüder warnten ihn. Er aber liess sich
Nicht abhalten. Er nahm seinen Stab, etwas rothe und weisse Farbe und setzte
Sich unter den Felsen. Da sahen die Brüder, wie der Adler sich auf ihn herab-
Stürzte. Er trug ihn in die Höhe und kreiste mit ihm. Er wollte ihn dann an
dem Felsen zerschmettern. Als er nun aber an den Felsen heranflog und Tlé'esa
dagegen schlagen wollte, stemmte dieser seinen Stab gegen den Felsen und entkam
SO unverletzt. Er spie etwas rothe Farbe, die er in den Mund genommen hatte,
Segen den Felsen und da glaubten der Adler und die Brüder, es sei sein Blut.
Fa. Adler flog nochmals in weitem Kreise mit ihm herum, um ihn gegen den
M Sen zu schlagen. Wieder stemmte Tl&'esa seinen Stab dagegen und spie dieses
x weisse Farbe gegen den Felsen. Da glaubten der Adler und die Brüder, es
jum Sein Gehirn. Er trug ihn dann in sein Nest und flog wieder von dannen. Die
Noon Adler wollten ihn fressen. Da zeigte er aber seinen Hammer und sprach:
bito rührt mich nicht an, sonst schlage ich Euch todt. Wenn Eure Mutter kommt,
vas sie, sie solle sich auf den Rand des Nestes seizen, und wenn sie fragt,
A de Qr mich nicht gefressen habt, sagt nicht, dass ich noch lebe! Die jungen
bra ürchteten sich und versprachen zu gehorchen. Bald kam die Alte heim und
chte ihnen Bären und Hirsche. Als sie Tlë'esa noch im Neste liegen sah, fragte
(=
sie ihre Jungen, warum sie ihn nicht gefressen hätten. Dann flog sie wieder fort
Tlé'esa ass mit den Jungen von den Bären und Hirschen. Als nun die Alte wieder
kam, baten die Jungen sie, sich an den Rand des Nestes zu setzen. Da schlug
Tle'esa sie mit seinem Hammer todt und sie fiel vom Felsen herab. Tlé'esa$
Brüder nahmen den Adler auf, rupften ihm die Federn aus und liessen nichts für
'Tlé'esa übrig. Dieser sass nun im Neste und wusste nicht, wie er wieder herunter
kommen sollte. Endlich sagte er zu den jungen Adlern: ,'Tragt mich herunter,
aber haltet mich gut fest und thut mir nicht weh, sonst schlage ich Euch todt.“
Die Adler fürchteten sich und gehorchten. Er band sich an die Adler fest und
sie flogen mit ihm aus dem Neste und liessen sich langsam zur Erde hinab. Ehe
er sich daran machen kommen konnte, ihnen die Federn auszurupfen, waren seine
Brüder herbeigekommen und hatten sie fortgenommen.
Die Brüder wanderten weiter und gelangten zum Fraser River. Da sahen sie
ein junges Mädchen an der anderen Seite des Flusses tanzen. Sie setzten sich in
einer Reihe am Ufer nieder und sahen ihr zu. Sie blieben dort sitzen, bis sie in
Steine verwandelt wurden.
2. Coyote.
1) Einst schien die Sonne zu heiss und verbrannte die ganze Erde. Da be-
schlossen die Thiere eine andere Sonne zu machen. Alle Vögel versuchten es, keiner
aber ward gut befunden. Endlich rief Coyote: „Lasst es mich jetzt versuchen!“
Er ging gen Sonnenaufgang und stieg den Himmel hinan. Sein Schwanz war aber
so lang, dass derselbe noch nicht ganz über dem Horizont erschienen war, als sein
Körper schon hoch oben am Himmel stand. Als er hoch genug war, um die Erde
übersehen zu können, fing er an zu schwätzen und erzählte alles, was er sah. Da
sagten die Thiere: „Nein, Du bist zu gesprächig. Du darfst nicht die Sonne sein.“
Endlich ward der Tsqiskna'sp (ein Klettervogel mit rothen Flügeln und Schwanz,
rothen Wangen) die Sonne.
2) Vor langer Zeit war es sehr kalt auf Erden. Am oberen Theile des Flusses
war ein grosser Gletscher, von dem eisige Kälte ausging. Alle Thiere zogen aus,
um den Mann, welcher die Külte machte, umzubringen, aber alle erfroren. Endlich
waren nur noch Coyote und sein Vetter, der Fuchs, übrig geblieben. Coyote
wollte sich aufmachen, die Kälte umzubringen, aber der Fuchs warnte ihn davor. Er
hüllte sich in warme Kleider und machte sich auf den Weg. Er kam bei allen
erfrorenen Thieren vorbei und je nüher er dem Gletscher kam, um so külter wurde
es. Endlich sah er das Haus, aus dem die Kilte hervorkam, vor sich. Obwohl
er sich noch fester in seine Decken hiillte, fror ihn sehr. Er hatte nun alle die
erfrorenen Thier hinter sich und gelangte endlich an das Haus. Er konnte kaum
die Kälte ertragen, ging aber doch hinein. Da erfror er und fiel todt nieder. Vier
Tage lang wartete Vetter Fuchs auf ihn. Da aber jener nicht zurückkam, dachte
er, er sei erfroren. Er hüllte sich in warme Kleider und machte sich auf den
Weg. Er kam bei all den erfrorenen Thieren vorüber, fand aber nicht seinen
Vetter Coyote. Er lief weiter und bei jedem Schritte, den er machte, sprühte
Feuer unter seinen Füssen hervor. An seiner Schwanzspitze hingen Dentalien und
klapperten, wenn er sich bewegte. Er nahte sich dem Hause und hörte drinnen
jemand sprechen, konnte aber nichts sehen. Er ging ins Haus und trat einmal
mit seinem Fusse auf. Feuer sprühte aus dem Boden und das Eis des Gletschers
fing an zu schmelzen. Ein Strom Wasser lief herab und löschte das Feuer wieder
aus. Da trat er nochmals auf. Wieder sprühte Feuer aus dem Boden und schmolz
das Eis. Als er vier Mal aufgestampft hatte, war alles Eis geschmolzen und es
wurde wieder warm. Coyote wurde nun wieder lebendig, stand auf und sprach:
536)
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„Ich habe lange geschlafen.“ „Ja,“ versetzte der Fuchs, ,Du warst erfroren."
Der Fuchs nahm ihm unter seinen Arm und befahl ihm, ganz stille zu liegen. Als
mn das Feuer ausgebrannt und das Wasser abgelaufen war, giugen sie zurück
Und erweckten alle Menschen zu neuem Leben.
3) Coyote bliekte nun immer den Fuchs an, als wolle er etwas sagen. Dieser
Wusste ganz gut, was er wollte, sagte aber nichts. Endlich sprach Coyote: , Vetter,
bitte, leihe mir Deinen Schwanz." Fuchs erwiederte: ,Nein das thue ich nicht,
Du möchtest Dir ein Leides anthun.“ Coyote aber versprach, gut Acht zu geben,
"nd endlich gab der Fuchs ihm seinen Schwanz und nahm den des Coyote. Er
Warnte ihn aber, sich ja nicht nach dem Schwanze umzusehen, so lange er ihn trage.
Coyote versprach es. Als er den Schwanz bekommen hatte, lief er damit umher
Und freute sich sehr an dem Gerassel der Dentalien. Endlich konnte er aber doch
der Versuchung nicht widerstehen und sah den Schwanz an, um zu sehen, ob
er ihn gut kleide. Er fand, dass er sehr hübsch aussah und freute sich sehr. Als
er aber nun weiter lief, fühlte er, dass er plötzlich sehr schwach wurde und sah
hun, dass seine Eingeweide ihm zum After hinaus hingen. Da rief er seinen
Vetter. Als dieser sah, was geschehen war, sprach er: „Aha! Du hast Deinen
Schwanz angesehen!“ Er legte die Eingeweide in Coyotes Bauch zurück und
nahm ihm den Schwanz wieder fort.
. 4) Coyote war sehr arm. Einst besuchte er seinen Vetter Fuchs, der einen
Schönen, mit Adlerfedern besetzten Mantel hatte. Diesen wiinschte Coyote zu haben.
Der Fuchs wusste sogleich, was Coyote wollte, stellte sich aber, als merke er
Nichts. Coyote sprach: „Ich sehnte mich nach Dir, Vetter! Deshalb komme ich,
Dich zu besuchen.“ Der Fuchs antwortete nicht. Viermal wiederholte Coyote
Seinen Spruch, erhielt aber keine Antwort. Fuchs kümmerte sich gar nicht um
ihn. Da ward Coyote böse und beschloss, Fuchs einen Streich zu spielen. Fuchs
War aufgestanden und fortgegangen. Da rannte Coyote ihm nach, riss ihm seinen.
Mantel ab und hing ihn sich selbst um. Fuchs kümmerte sich gar nicht darum,
Sondern ging ruhig seines Weges. Coyote sah sich an und dachte: „Jetzt bin ich
hübsch.“ Er ging nach Hause zurück, zuerst langsam. Dann fing er an zu traben,
und als er lief erhob sich ein Wind; der wurde um so stärker, je schneller er lief.
Die Federn seines Mantels stoben umher, und der Wind blies ihn endlich gerade
mM die Höhe. Als er wieder herunterfiel, kam der Fuchs gelaufen und nahm ihm
Seinen Mantel wieder ab. Coyote war halb todt. Fuchs sprach: „Da siehst Du,
Wie es Dir ergeht. Immer versuchst Du mir Streiche zu spielen und weisst doch,
dass Du mir nichts anhaben kannst.“
5) Der Büffel hatte zwei Frauen. Er war so alt, dass seine Hörner fast ganz
abgenutzt waren. Einst stahlen die Wölfe seine Frauen. Er wollte sie verfolgen,
Wusste aber nicht, wohin sie gegangen waren. Da traf ihn Coyote und verspottete
Ihn ob seines Unfalls. Darüber ward der Büffel böse und rannte auf den Coyote
los, ihn aufzuspiessen. Dieser entfloh und der Büffel verfolgte ihn. Als nun der
Coyote müde wurde, lief er in ein Loch, verrichtete seine Nothdurft und sprach zu
Seinen Exkrementen: werdet ein Baum. Es geschah also und er kletterte hinauf.
Als der Büffel ihn nun oben im Baume sitzen sah, stiess er gegen den Baum, bis
€r umfiel. Unterdes hatte Coyote sich ausgeruht und lief weiter. Als er wieder miide
Wurde, machte er einen zweiten Baum und rettete sich darauf. Vier Mal entkam er
auf solche Weise. Als der vierte Baum umfie] sprach er zum Büffel: ,Nun ist
9$ genug, Freund! Ich will Dir helfen, dass Du Deine Frauen wiederbekommst.
Ich will Dich schon und jung machen.“ Der Büffel war es zufrieden. Da nahm
der Coyote eines seiner Horner und zog es aus. Als es schön und lang war, zog
(78)
er das andere auch lang. So bekam der Büffel wieder schöne, scharfe Hörner. Dann
machte Coyote das Haar auf seinem Kopfe schón. Er zog an seinen Beinen und an
seinem Schwanze und der Büffel sah nun wieder aus, wie ein schöner Junger Büffel.
Da sprach der Büffel zum Coyote: „Nun will ich Dich schön machen!“ Er 70g
seine Schnauze lang und seither hat der Coyote eine lange Schnauze und kleine,
schmale Augen. Und er zog seine Beine und seinen Schwanz lang. Dann sprach
er: „Ich bin fertig, mein Genosse. Nun lass uns zum Wasser gehen und sehen,
wie wir ausschauen.“ Als Büffel sich sah, war er sehr froh, Coyote aber mochte
seine lange Nase gar nicht leiden. Der Büffel sprach nun: „Lass uns meine Frauen
suchen. Wenn Du weisst, wo sie sind, sollst Du eine haben.“ Coyote sprach:
„Siehst Du das Thal? Dort wohnen vier Wölfe. Die haben sie geraubt. Es ist
sehr schwer, sie wiederzubekommen, aber lass mich nur machen. Folge mir!“ Sie
gingen das Thal hinauf. Bald sahen sie die beiden Frauen Wurzeln graben. Da
machte Coyote einen dichten Nebel, so dass niemand sie sehen konnte. Sie gingen
auf die Frauen zu und als sie bei ihnen waren, sprach der Büffel zu ihnen: „Ich
kam Euch zu holen,“ und sie nahmen die Frauen mit. Sie kletterten einen der
Berge hinauf, die das Thal begrenzten, und der Nebel folgte ihnen. Als sie oben
ankamen, verschwand der Nebel, Die Wölfe vermissten bald die Frauen und
folgten der Spur. Bald kamen sie den Flüchtigen näher und sahen nun den Büffel,
Coyote und die Frauen, Sie holten sie ein und griffen den Büffel an. Da warf
dieser sie in die Luft und schlitzte ihren Bauch auf, so dass die Eingeweide
herauskamen, und der Coyote sprang vor Freude darüber hin und her. Sie gingen
weiter. Bald sprach der Büffel: „Mein Genosse, hier wollen wir uns trennen! Ich
versprach Dir eine meiner Frauen. Nimm diese, sie ist die beste.^ Er fuhr fort:
„Ich will Dich lehren, wie Du sie behandeln musst. Wenn Du hungrig bist,
kannst Du sie tödten, ein Stück Fleisch abschneiden und es rösten. Aber wenn
Du sie getödtet hast, musst Du Dich auf sie setzen, ein Feuer neben Dir machen
und das Fleisch kochen, Du darfst nicht aufstehen, bis Du fertig gegessen hast.
Dann wird sie zugleich mit Dir wieder aufstehen.“ Coyote befolgte anfänglich die
Anweisung des Büffels. Eines Tages, nachdem er seine Frau getödtet hatte, und
sein Feuer nur klein brannte, dachte er aber: „Weshalb sollte ich nicht etwas Holz
holen?“ Er stand auf und ging fort. Als er zurückkam, erblickte er eine alte
Frau, die das Fleisch bis auf die Knochen aufgegessen hatte und nun als Fuchs
von dannen lief. Da dachte er: „Ist schon meine Frau fort, so habe ich doch
wenigstens ihre Knochen.“ Er sammelte sie und trug sie fort. Als er hungrig
wurde, machte er sich ein Feuer und fing an die Knochen mit Steinen zu zer-
schlagen und das Mark zu essen. Während er noch so beschäftigt war, kam eine
alte Frau des Weges und sprach: „Solche Arbeit ziemt sich nicht ‚für einen grossen
Häuptling, wie Du bist, lass mich es thun.“ Coyote sagte: ,Das ist wahr,“
und gab ihr Knochen und Steine. Er legte sich ans Feuer. Als er sich um-
wandte, hatte die Alte fast alles Mark in ihren Korb geworfen. Coyote dachte, sie
wird mir sagen, wenn sie fertig ist, und drehte sich wieder zum Feuer. Da er
aber längere Zeit gar nichts hörte, wandte er sich wieder um und sah die Alte
fortlaufen und dabei fressen. Er rannte hinter ihr her. Als er Sle aber einholte,
schlug sie ihn auf die Brust, so dass er hinfiel. Er stand wieder auf und dachte:
„Das ist schlimm. Nun will ich wenigstens meine Knochen kochen und das Fett
heraus sieden.^ Er nahm die Knochen, zerklopfte sie und wollte sie ins Wasser
werfen, um sie zu kochen. Da kam wieder der Fuchs in Gestalt einer alten Frau
einher und sprach: „Solche Arbeit ziemt sich nicht für einen grossen Häuptling,
wie Du bist, lass mich es thun.“ Coyote sagte: „Das ist wahr,“ und liess sie
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kochen, wührend er sich ans Feuer setzte und darauf wartete, dass sie ihn rufen
Sollte. Als er sich aber umdrehte, sah er wieder einen Fuchs fortlaufen und dabei
das Fett trinken. Er verfolgte ihn. Der Fuchs aber schlug ihn auf die Brust, so
dass er niederfiel. Da- wurde Coyote betrübt und ging von dannen. Die Frau
aber stand nun wieder auf und ging zu dem Büffel zurück.
|. 6) Coyote kam einst zu einem Hause, in dem wohnten die ,Foolhen* und
lhre Kinder, das , Woodpartfidge®, das Prairiehuhn und das Rebhuhn. Die Mutter
War gerade ausgegangen, als er ankam. Er frug die Kinder: „Habt ihr etwas zu
essen?“ Sie antworteten: „Nein wir haben nichts.“ ,Wo ist denn Eure Mutter?“
„Sie ist im Walde und sucht Beeren.“ „Und Ihr habt wirklich nichts zu essen?“
„Nein, wir haben nichts.“ „Ich habe mich in den Fuss geschnitten. Könnt Ihr
Tir nicht etwas Harz geben, damit ich die Wunde damit verschmiere?* Die Kinder
gaben es ihm. Da nahm er es, verklebte ihre Augen und verliess sie. Da ver-
loren die armen Kinder sich im Walde. Als ihre Mutter nach Hause kam, fand
Sie sie im Walde umherlaufen und brachte sie nach Hause zurück. Sie erzählten
ihr dann, dass Coyote sie so zum Besten gehabt habe. Die Alte und die Kinder
folgten seiner Spur und fanden, dass er einem Pfade nachging, der an einem steilen
Abhange entlang führte. Die Mutter hiess zuerst das Rebhuhn sich im Grase ver-
bergen, ein wenig weiter versteckte sie das Prairiehuhn, noch weiter das „Wood-
Partridge“, und endlich verbarg sie sich selbst im Grase. Sie hatte ihren Kindern
gesagt, was sie thun sollten. Es dauerte nicht lange, da kam Coyote des Weges
und sofort flog das Rebhuhn dicht vor ihm auf. Er erschrak so, dass er fast die
Klippe hinabgestürzt würe. Ebenso thaten die andern. Als das » Woodpartridge^
aufflog, hielt er sich nur mit Mühe auf den Füssen. Als er weiter ging, sprach
er: „Fast wäre ich aber gefallen.“ Da flog die Alte auf und er stürzte in den
Abgrund. Die Hühner glaubten, er sei todt. Sie flogen hinunter und erstaunten
Sehr, als sie ihn noch am Leben fanden. Die Alte frug: ,Was thust Du hier?“
»O,* antwortete er, „jemand hat mich erschreckt, und da bin ich die Klippe
heruntergefallen.“ Die Alte sprach: „Ich habe es gethan, weil Du meinen Kindern
die Augen verklebt hast. Nun siehe, wie Du hier fortkommst. Wir werden Dir
Nicht helfen.“ Damit flogen sie von dannen. Als sie fort waren, stand Coyote
Wieder auf und lief fort.
7) Er sagte: „Ich muss etwas Spass haben. Ich will mit meinen Augen
Spielen.“ Damit riss er sich die Augen aus. Er warf sie dann in die Höhe und
fing sie wieder. Einmal warf er sie sehr hoch. Da fing die Dohle seine Augen
"nd flog damit fort. Da stand er nun ohne Augen und wusste nicht, was er thun
Sollte. Er fühlte umher und fand einen Hagebuttenstrauch. Da pflückte er. einige
Hagebutten und setzte sie sich als Augen ein. Er konnte nun wieder sehen und
Wanderte fürbas. Bald kam er an ein Loch, aus dem Rauch aufstieg. Eine alte Frau
vas dort und fragte ihn, woher er komme. Er antwortete, er reise ohne bestimmten
Zweck umher, und fragte, ob sie allein dort wohne. „Nein,“ antwortete sie, „ich habe
ner Töchter, aber sie sind hingegangen, die Spiele anzusehen.“ „Was für Spiele?“
ste der Coyote. „O, viele Leute tanzen dort,“ sprach sie, indem sie nach der
treffenden Stelle wies. „Warum tanzen sie denn?“ „Sie spielen um Coyotes
Augen, Die Dohle hat sie gestohlen." „Das möchte ich sehen,“ versetzte Coyote,
bi 8e mir doch den Weg.“ Die Alte erfüllte seine Bitte, und: er ging zu dem
xe, wo alle Tänzer versammelt waren. Die Leute sassen alle im Kreise umher.
co einer mit den Augen getanzt hatte, gab er sie seinem Nachbar, der dann
Rein Tanz begann. Coyote setzte sich an die Thüre und wartete, bis an ihn die
e kam. Dann sang er zu seinem Tanze: , Wie hübsch die Augen sind. Früher
589)
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habe ich nie dergleichen gesehen.“ Vier Mal tanzten sie herum. Als nun das
vierte Mal an ihn die Reihe kam, nahm er die Augen und rannte zur Thür hinaus.
Dann warf er sie in die Höhe und sie fielen von selbst in die Augenhöhlen zurück,
wo sie sogleich festwuchsen. Die Thier verfolgten ihn, konnten ihn aber nichí
einholen. Als er in Sicherheit war, setzte er sich hin und lachte, weil er seine
Augen wieder hatte. Er sang: „Ich wusste, ich würde Euch besiegen. Hier habe
ich meine Augen wieder. Hier habe ich mein Eigeffhum wieder.*
8) Coyote kam an ein Haus, in dem er sprechen hörte. Er ging hinein, sah
aber niemand. Als er der Stimme nach ging, fand er in einer Ecke des Hauses
ein Haar, das sprach. Er nahm es und warf es auf den Boden. Dann hörte er
wieder sprechen, sah aber niemand. Er rief der Stimme zu: „Lass Dich sehen
und gieb mir zu essen^; aber niemand liess sich blicken. Als er der Stimme nach
ging, fand er einen Kamm an der Wand stecken, der sprach. Er nahm ihn und
warf ihn zu Boden. Endlich fand er vier mit Oel gefüllte Lachsfelle. Er sagte:
„Euch suchte ich," nahm sie und trank sie aus. Dann ging er weiter den Fluss
entlang. Nach kurzer Zeit wurde er durstig. Da ging er zum Flusse hinab, trank
und ging. wieder hinauf. Nach kurzer Zeit wurde er wieder durstig. Da dachte
er: „Es ist zu umständlich, immer zum Flusse hinab zu gehen, ich will am Ufer
entlang gehen, dann kann ich bequemer trinken.“ Nach einiger Zeit ward ihm
aber auch dies zu umständlich. Er dachte: „Ich will lieber im Wasser gehen,
dann brauche ich mich nur zu bücken.“ Er that also, war aber noch immer
durstig. Da ging er bis an die Brust ins Wasser. Nach kurzer Zeit war ihm auch
das zu viel Mühe und er ging so tief in den Fluss, dass das Wasser ihm einfach
in den Mund lief. Er trank so viel, dass er endlich platzte.
9) Coyote hatte einen kleinen Kessel im Felsen gerade dort stehen, wo der
Weg den South Thompson River hinauf führte. Einst kam jemand des Weges
und warf ihm den Kessel ins Wasser. Derselbe kam aber von selbst wieder.
Dann stahlen ihn einige Leute. Er kam aber immer von selbst wieder zurück.
Endlich aber trug jemand ihn fort und er kam nicht wieder.
10) Einst kam die Eule den South Thompson River herab. Coyote hörte sie
kommen und singen: »HI hi, ich bin es, der alle Menschen todtet und frisst.“
Coyote hielt an und sagie zu sich: ,Der ist gefährlich. Er wird mich fressen.
Ich will denselben Sang singen, wie er; vielleicht fürchtet er sich dann.“ Als
die beiden sich nun trafen, sprach Coyote: „Es scheint, Du bist also gerade so
stark wie ich. Ich fresse auch alle Menschen. Bleib ein wenig hier und lass
uns etwas spielen. Wir wollen uns übergeben und sehen, was wir im Magen
haben.“ Eule war es Zufrieden, und schlug vor, dass Coyote anfangen sollte.
„Gut“, sagte er, „aber wir müssen die Augen schliessen, bis wir fertig sind. Oeffne
Deine Augen nicht, bis ich rufe.“ Eule schloss die Augen und nun übergab sich
Coyote. Er hatte nichts als Gras im Magen. Dann übergab sich die Eule und
spie lauter Menschenfleisch aus. Rasch tauschte Coyote das Erbrochene aus und
rief nun. Als die Eule es sah, rief sie: »Ich habe Gras gespieen , und sie fürchtete
sich vor Coyote, vor dem das ausgespiene Menschenfleisch lag. Beide wurden in
Felsen verwandelt, die noch heute zu sehen sind. Ihre Mäuler sind weit offen.
3. Der Luchs und das Mädchen.
Es war einmal ein Mädchen, die wollte gar keinen Mann nehmen, obwohl
viele. Männer sich um sie bewarben. Sie wohnte in einem unterirdischen Hause
und ihr Lager war gerade am Fusse eines Pfostens. In demselben Dorfe lebte
auch. der Luchs, der in einer kleinen Hütte wohnte. Dieser hätte gar zu gerne
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das Mädchen gehabt, wusste aber nicht, wie er sie bekommen sollte, da ihre Eltern
Sie stets bewachten. Eines Nachts schlich er sich auf das Haus und schlug sein
Wasser dort ab, so dass es an dem Pfosten herunterlief, an dem das Mädchen lag.
Es lief gerade in deren Mund. Da ward sie schwanger, und Niemand wusste, wie
® zugegangen war. Sie gebar einen Knaben. Als der Knabe vier Jahre alt war,
beschlossen die Eltern des Mädchens, einen Versuch zu machen, ausfindig zu
Machen, wer der Vater des Kindes sei. Sie setzten einen Vogel auf die Spitze
der Leiter, die in ihr Haus hinabführte, und sagten allen Männern, sie sollten ver-
Suchen, den Vogel mit ihren Pfeilen zu treffen. Sie versprachen dem, der den Vogel
traf, ihre Tochter zur Frau. Alle schossen danach, aber keiner konnte ihn treffen.
Endlich hatten alle geschossen, nur der Luchs noch nicht, der ein alter Mann war
und still an seinem Feuer lag. Die Eltern des Mädchens sandten nach ihm, er
aber ‘antwortete: „Warum soll ich kommen? Die jungen Leute haben den Vogel
Nicht treffen können, wie sollte ich es denn vermógen? Meine Augen sind ja halb
erblindet.“ Er musste aber doch endlich kommen, und man gab ihm Bogen und
Pfeil, Er schoss ab, ohne einmal hinzusehen und traf den Vogel. Da schrieen
Alle: „Der Luchs bekommt das Mädchen zur Frau“. Ihre Eltern machten einen
Sitz für ihn neben dem Feuer bereit. Als er dort nun sass, sprachen sie zu allen
Leuten: ,Wir wollen unsere Tochter, ihren Mann und ihr Kind verlassen.“ Sie
Packten ihre Habseligkeiten auf. Dann traten sie den Luchs mit Füssen, so dass
Seine Knochen brachen und sein Kórper ganz zerschunden wurde. Sie lôschten
alle Feuer aus und zogen fort. Die Grossmutter des Mädchens, die Elster, hatte
aber Mitleid mit ihr. Sie legte eine glühende Kohle in eine Muschelschale, that
®twas Nahrung dazu und versteckte sie. Die Leute hatten alle ihre Vorrithe, die
Unter Steinen versteckt waren, mitgenommen und glaubten, die drei müssten ver-
hunger, Als die Frau nun allein da sass, fing sie an zu weinen. Sie suchte
Unter den Kohlen nach Feuer, fand aber nichts. Es wurde dunkel und ihr Kind
Weinte. Da hörte sie in der Ecke des Hauses etwas rufen. Sie ging der Stimme
hach und fand die Muschel, welche sie gerufen hatte. Da nahm sie die Kohle
End die Nahrungsmittel und machte sich ein Feuer. Als sie die Nahrungsmittel
kochte, wurden dieselben soviel, dass sie und ihr Kind vollauf zu essen hatten.
Als sie satt waren, schritt sie viermal über den Luchs fort, und sofort war der-
Selbe wieder gesund. Nur sein Gesicht war noch ganz zerschunden. Sie strich
Mit der Hand über seinen Kopf(?), und derselbe ward auch wieder ganz heil.
Dann ging er auf Jagd. und erlegte viel Wild. Dann machte er, dass tiefer Schnee
fiel und die Leute, welche sie verlassen hatten, nichts fangen konnten, so dass sie
bald grosse Noth litten. Er selbst aber hatte Fleisch in Hülle und Fülle. Seine
Frau trocknete es und legte viele Verstecke an. In eines, das für die Elster be-
Stimmt war, that sie die besten Stücke; für die anderen bewahrte sie nur Haut
"nd Knochen, für den Coyote Füsse, Magen und Eingeweide. Nach einiger Zeit
kam die Elster zu dem verlassenen Dorfe, um sich nach ihrer Enkelin umzusehen.
Sie fiirchtete schon, jene sei todt, und war sehr erstaunt, als sie den Knaben ent-
deckte, der mit einem schneeweissen Balle spielte. Bald sah sie, dass der Ball aus
Hirschfett gemacht war. Sie versteckte sich, und als der Ball an ihr vorüberrollte,
Sprang sie darauf los und frass ihn. So hungrig war sie. Da weinte der Kleine:
»Die Elster hat meinen Ball gestohlen.“ Als der Luchs das hórte, kam er aus
dem Hause und sagte zu ihr; „Warum nahmst Du den Ball meines Sohnes? Wenn
Du hungrig bist, komme in’s Haus, ich will Dir zu essen geben.“ Sie gingen
hinein. und gaben ihr Fleisch und Fett. Als die Elster sich sait gegessen hatte,
brug sie, was übrig blieb, nach Hause, um es ihren Kindern zu geben. Sie pflückte
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Flechten von Tannen ab und röstete sie. Diese gab sie dann ihren Kindern mit
Hirschfett zu essen. Als sie das Essen vertheilte, riefen die Kinder: „Du hast
meinem Bruder mehr gegeben, als mir“, und zankten sich. Der Rabe, der mit
im Hause wohnte, und dieses hörte, fragte: „Wovon redet Ihr da?“ Die Elster
sagte: ,O, es ist nichts, die Kinder zanken sich nur.“ Da setzte der Rabe sich
wieder an’s Feuer und schlummerte. Er blinzelte aber hinüber und sah nun, dass
die Kinder Hirschfett assen. Da sprang er auf und rief: „Woher habt Ihr das
Fett bekommen?“ Die Alte erzählte nun, dass der Luchs Nahrungsmittel in Hülle
und Fülle habe. Dann gingen alle zu den Verlassenen zurück; der Luchs gab
Jedem die Vorräthe, die er für ihn aufgespeichert hatte, und jagte dann für sie.
4. Das Kaninchen.
Das Kaninchen und seine Grossmutter lebten in einem unterirdischen Hause.
Neben ihnen lebte der graue Bär, der zwei Kinder hatte. Einst hatte das Kanin-
chen nichts zu essen und sprach zu seiner Grossmutter: „Ich werde zum Ver-
stecke des Bären gehen und mir stehlen, was ich nöthig habe.“ Die Grossmutter
warnte es, es hörte aber nicht. Es plünderte das Versteck und liess nichts drinnen,
als einen Korb voll Wespem und einen voll Ameisen. Als es nach Hause kam,
hiess es seine Grossmutter kochen und braten und gab ein grosses Fest. Am
nächsten Morgen ging der Bär an sein Versteck und fand, dass es ganz ausge-
plündert war. Er fragte alle seine Nachbarn, ob sie wüssten, wer es gestohlen habe,
erhielt aber keine Auskunft. Endlich ging er zum Kaninchen: „Jemand hat mein
Versteck geplündert“, sprach er. Kaninchen versetzte: „Jemand hat mein Versteck
geplündert“. Bär fuhr fort: „Ich frage Dich, Kaninchen! Weisst Du nicht, wer
es gethan hat?“ Dieses erwiederte: „Ich frage Dich, Kaninchen! Weisst Du
nicht, wer es gethan hat?“ Nun ward der Bär zornig und sprach: „Ich glaube,
Du hast es gethan.“ „Ja“, rief da das Kaninchen, „ich habe es gethan. Ich stahl
es und habe alles aufgegessen.“ Da wurde der Bär zornig und wollte mit dem
Kaninchen kämpfen. Dieses steckte seine Grossmutter unter einen Korb, legte
seinen Mantel an und riss sich ein Bein aus, das es als Hammer gebrauchte.
Dann warf es Tannenholz in’s Feuer, dass sein Haus ganz voll Rauch wurde, und
fing an zu kämpfen. Es sprang um den Báren herum. Einmal ergriff dieser es
und quetschte es. Es Sprang aber wieder fort und hielt den Bären so in Athem,
dass er endlich müde wurde. Da schlug es ihn mit seinem Hammer todt und
tödtete dann auch die jungen Bären.
9. Die Moschusraite.
Tsatl haite einen Enkel, die Moschusratte. In demselben Dorfe, in dem sie
wohnten, lebte auch ein Häuptling, der hatte eine sehr schöne Tochter. Jeder
wollte sie heirathen und auch die Moschusratte wünschte sie zu haben. Sie war
aber sehr hässlich und alle Mädchen verspotteten sie. Das Mädchen war gerade
mannbar geworden und wohnte noch in ihrem Häuschen. Eines Tages, als die
Moschusratte um das Häuschen herumstrich, hôrte sie das Mädchen singen: „Die
Moschusratte hat kleine Aeuglein. Ihr Schwanz ist platt und ihre Beine krumm.
Ihr Bauch ist dick!“ Kurz, sie verspottete die hässliche Gestalt der Ratte. Da
beschloss diese, sich zu rächen. Sie ging nach Hause und machte sich Schnee-
schuhe, wie alle möglichen Stämme dieselben gebrauchen. Dann machte sie sich
Pfeile von allen möglichen Stämmen. Als es Nacht wurde, legte sie nach ein-
ander die Schneeschuhe an und lief um die Hütte herum, in der das Mädchen
war. Dann nahm sie Bogen und Pfeile und erschoss sie mit all den Pfeilen. Die
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Mutter des Mädchens sandte am nächsten Morgen ihre jüngste Tochter 'Tsk'a'Hoya
G ein wenig thöricht) zu ihrer Schwester, ihr Feuer zu bringen. Die Kleine ging
zur Hütte, rief ihre Schwester, erhielt aber keine Antwort. Da öffnete sie die
Thür und sah nun ihre Schwester von vielen Pfeilen durchbohrt daliegen. Sie
lief zu ihrer Mutter und erzählte ihr, was sie gesehen. Da liefen alle Leute, zu-
Sammen. Sie sahen nun die Spuren der Schneeschuhe der feindlichen Stämme
"nd erkannten deren Pfeile. Daher glaubten sie, diese hütten einen Ueberfall ge-
Macht und das Mädchen getödtet. Sie brachten den Leichnam in’s Haus und
Tlefen die Krankenbeschwôrer, um zu versuchen, sie zu heilen; doch all’ ihre Ver-
ne waren vergeblich. Endlich riefen sie die Moschusratte, die bei ihrem Feuer
ag und schlief. Sie hatte schon darauf gewartet und sich vorher viele Löcher
? Ufer eines Sees gegraben. Sie ging in’s Haus und fing gleich an zu tanzen
und Zu singen. Sie sang: hé óiné oine' hé, und kletterte die Leiter des Hauses
hinauf, Dann kam sie wieder herunter und sprach: „Beinahe hätten die Geister
eias zu mir gesagt.“ Da riefen alle: „Tanze noch einmal“. Sie sang wieder:
$ O0in&' óoip&/ h&, und kletterte die Leiter hinauf. Als sie wieder herunter kam,
SP'ach sie wieder: „Beinahe hätten die Geister etwas zu mir gesagt.“ Sie tanzte
in dritten und vierten Male. Beim vierten Male kletterte sie die Leiter ganz
"a und sang, als sie oben sass: ,hé óin& óin&'/ hé. Ich habe das Mädchen ge-
Odtet“ und rannte fort. Da verfolgten alle Thiere sie: der Fuchs, der Hase, der
Coyote, der Wolf und der Adler. Als sie die Ratte fast eingeholt hatten, sprang
Se in den See. Coyote sprang ihr nach und glaubte sie gefasst zu haben. Es
War aber nur ein Bündel Wasserpflanzen. Sie tauchte bald hier, bald da auf und
Schwamm bald zu diesem, bald zu jenem Loche und sang weiter: „Ich habe das
Mädchen getödtet.“ Die Thiere konnten sie nicht fangen.
6. Die Bergziegen. -
Es war einmal ein alter Mann in Kamloops, der ging auf Bergziegenjagd.
Er kletterte auf den Bergen umher und ward endlich müde. Da legte er sich
Schlafen und hörte im Traume zwei schöne Frauen sich nahen und singen. Er
achte auf und erblickte wirklich zwei Frauen. Sie traten zu ihm und sprachen:
Si haben Dich gesucht. Komme mit uns!^ Der Alte antwortete nicht. Da
v derten sie ihn nochmals auf mitzugehen und als sie ihn viermal aufgefordert
ien, stand er auf und begleitete sie. Die Frauen waren in Wirklichkeit Berg-
= gen. Er hing seinen Bogen und seinen Köcher mit den Pfeilen an eme kleine
Re, Bald gelangten sie an eine steile Klippe. Die Frauen sagten, das sei ihre
p, math und fingen an hinaufzuklettern. Der Mann konnte ihnen nicht folgen.
gehen sie um, gaben ihm ein Paar Schuhe, und er konnte nun leicht hinauf-
KE tern. Als sie oben ankamen, zeigten ihm die Frauen ihr Haus auf einer nahen
lio Pe und er ging mit ihnen hinein. Da sah er viele Bücke und Ziegen umher
zn und er wurde selbst in einen Bock verwandelt. Nachts wollte er bei den zwei
Ale au schlafen, sie aber sagten ihm, er müsse warten, bis die Brunstzeit komme.
Ey le Brunstzeit kam, kümpfte er mit den Bócken und schlug alle aus dem Felde.
zeit atte alle Ziegen fiir sich. Nach einiger Zeit sagten diese zu ihm: ,Die Brunst-
alle 9 wieder um, und Du darfst nicht mehr zu uns kommen." Nun kamen auch
Die bi anderen Böcke zurück. Nach einiger Zeit bekam der Mann Heimweh.
lag zoe merkten es bald und fragten ihn, was ihn so betriibt mache. Er aber
zuvtiok und antwortete gar nicht. Da sprachen sie: „Du sehnst Dich nach Hause
Wieder : Wir wollen Dich hinbringen. Merke auf! Künftighin darfst Du nie
er junge Bergziegen schiessen, Sie werden Dich kennen und mit Dir spielen.
-".
(544)
Uns Alie aber darfst Du schiessen. Wenn Du einen steilen Fels erklimmen
willst, so speie nur in Deine Hände und auf Deine Füsse.“ Sie brachten ihn in
die Nähe des Dorfes. Die Leute hatten ihn längst verloren gegeben und vergeb-
lich auf den Bergen nach seiner Leiche gesucht. Anfänglich konnte er nicht zum
Dorfe zurückkehren, da er unwillkürlich immer wieder floh, sobald er Menschen
witterte. Endlich aber wurde er entdeckt. Die Leute sahen ihn vor dem Dorfe
sitzen und sprachen zu einander: „Sieht der nicht gerade aus, wie der Mann,
der in den Bergen verloren ging?“ Sie holten ihn. zurück und nach einiger Zeit
erzählte er seine Erlebnisse. Wenn er nun jagen ging, liefen ihm die jungen
Bergziegen immer entgegen.
7. Der Lachsfischer.
Es war einmal ein alter Mann, der fing immer Lachse mit einem Speer, der
mit rothen Spechtfedern besetzt war. Der Specht Tsk-uskoa'sp sagte zu den
anderen Vögeln: „Lasst uns seinen Speer stehlen.^ Zuerst sandten sie den Vogel
Tsutsuspela'n aus. Derselbe verwandelte sich in einen Lachs und schwamm auf
den Alten zu, der sich aber gar nicht um ihn kümmerte. Dann sandten sie den
Vogel Tsk'oà'kEn aus. Auch er verwandelte sich in einen Lachs und schwamm
auf den Alten zu, der sich aber nicht um ihn kümmerte. Ebensowenig hatte
Tsk'usk'oa'sp selbst Erfolg. Endlich sandten sie den schwarzen Specht mit rothem
Kopfe, Tsuqkin, aus. Auch er verwandelte sich in einen Lachs und schwamm
auf den Alten zu. Da warf dieser ihn mit seinem Speer und zog ihn an's Land.
Tsuqk''n aber brach die Speerspitze ab und schwamm damit von dannen. Da
wurde der Alte sehr betrübt. Er ging den Fluss hinab und fragte Jedermann, ob
er nicht einen Lachs gesehen habe, der seinen Speer abgebrochen und fori-
genommen habe, und versprach grossen Lohn, wenn er den Speer wiederbeküme.
Endlich kam er auch zu Tsuglci'n, der wieder seine natürliche Gestalt angenommen
hatte. Er fragte ihn: „Hast Du nicht einen Lachs gesehen, der mit meinem Speer
fortgeschwommen ist?“ Tsuqk-i'n antwortete: » Was willst Du mir geben, wenn ich
ihn Dir wieder verschaffe?“ „Was Du willst. Ich habe vier Mintel, davon kannst
Du Dir einen aussuchen.“ Er zeigte sie ihm der Reihe nach, und Tsuqki'n
wählte den letzten, der ganz mit rothen Federn besetzt war. Er nahm ihn und
gab ihm den Speer zurück. Er war sehr eitel auf den Mantel und ging nun mit
den anderen Vögeln wieder den Fluss hinab. Unterwegs sahen sie eine Forelle
halb todt am Ufer liegen. Tsuqkin sandie Tsk'usk'oa'sp hinab, sie zu fangen.
Die Forelle lockte ihn weiter und weiter in den Fluss, ergriff ihn dann und irug
ihn den Fluss hinauf, wo er mit ihm in einem Felsen verschwand. Es war in
Wirklichkeit der Wassergeist Okelmuqo'luq, der nur die Gestalt einer Forelle an-
genommen hatte. Da gingen die Vögel ihnen nach, um ihren Genossen zu befreien.
Als sie zu dem Felsen kamen, in dem die Forelle mit Tsk'usk'oa'sp verschwunden
war, hiess Tsuqk'i'n Tsutsupela'n mit dem Schnabel gegen den Felsen schlagen und
dabei rufen: ,àm Tsuqki'n*. Der Vogel rief aber seinen eigenen Namen und
schlug daher seinen Schnabel an dem Felsen platt. Ebenso erging es Tsk'oa'k:En,
der auch, statt zu rufen, wie ihm aufgetragen war, àm Tsk'oà'k'En rief, Da schlug
Tsuqk'in selbst gegen den Fels und rief dazu: ,àm Tsuqk'in^. Sofort offnete sich
ein Spalt und er sah nun Tsk-usk-oa’sp halb todt drinnen in einer Hóhle liegen.
Er schlug noch einmal gegen den Fels, da öffnete sich der Spalt weit genug, um
ihn einzulassen, Er ging hinein, kämpfte mit Okelmugö’lug, tödtete ihn und nahm
Tsk'urskoa'sp mit nach Hause zurück.
(545)
8. Der Spieler.
Es war einmal ein Mann, der hatte drei Söhne und zwei Töchter. Der jüngste
Sohn war ein Spieler und verlor alles, was er selbst und seine Schwestern und
Brüder besassen, endlich sogar seiner Schwestern Schuhe. Da er nun nichts mehr
ZU verlieren hatte, hörte er auf zu spielen. Er war so arm, dass er nichts zu
?SSen hatte und aus Hunger die Steine ableckte und verschluckte, mit denen die
anderen Leute gekocht hatten. Da beschloss er forizuwandern und machte sich
nes Nachts auf, ohne dass Jemand es merkte. Er wanderte fürbass, ohne zu wissen,
Wohin er ging. Endlich kam er an ein Haus. Da wohnte eine alte Frau. Sie
rach. „Du bist ein Fremder.“ „Ja, ich bin ein Fremder“, antwortete er. „Wo-
i. gehst Du?“ „Ich weiss es nicht.“ Sie gab ihm zu essen und er schlief in
Tem Hause. Am nächsten Morgen sagte die Alte: „Wenn Du weiter wanderst,
pst Du zwei Frauen singen hören. Achte ja nicht auf sie, sondern gehe ruhig
ies Weges, bis Du einen alten Mann iriffst". Und sie sagte ihm, was er dort
qun solle. Er ging weiter und bald hörte er die Frauen singen. Er aber dachte
PE was die Alte gesagt hatte, und ging ruhig seines Weges. Bald traf er einen
ke en Mann, der allein in einem Hause wohnte. Da dachte er: ,Das ist Tsüis-
sel soma (Menschenfresser), von dem mir die Frau erzählt hat.“ Er sah, dass der-
D © vor seinem Hause Menschenfleisch trocknete. Der Alte rief ihm zu: „Hollah,
his bist ein Fremder“. Er versetzte: „Ja, ich bin ein Fremder, Grossvater.“ „Wo-
D. Wanders Du?“ „Ich weiss es nicht“. Da fing der Alte an zu brummen.
"i junge Mann aber bat: ,Thue mir nichts zu Leide, Grossvater, ich bin ein
ha Mann.“ Viermal brummte der Alte, that ihm aber nichts zu Leide. Er
eb; vier Kisten im Hause. Die alte Frau hatte ihm gesagt, der Alte werde ihm
dew aus den Kisten anbieten. Er solle nur aus der letzten nehmen. Der Alte
De ete nun auf die erste Kiste und fragte: ,Kommst Du, um dies hier zu holen?"
Me, Fremde verneinte. Da offnete der Alte die Kiste und der Fremde sah, dass
dein köpfe darin waren. Ebenso lehnte er ab, etwas aus der zweiten und
hu © Kiste zu nehmen, in denen auch Menschenköpfe waren. Als ihm der Alte
Ko die vierte Kiste anbot, nahm er sie an. Da zog jener einen wunderschönen
v heraus, der ganz mit rothen Federn bedeckt war. Er schnitt den Jungen
By "n auf und nahm die Steine aus seinem Magen, die er verschlungen hatte,
ng oh ihn und setzte ihm den schönen Kopf auf. Er gab ihm 4 Fellmäntel
- nannte ihn Sk'oo'is. Früher war der junge Mann sehr hässlich gewesen. Er
"As Mädchen so zuwider gewesen, dass, wenn er zufällig ihren Mantel be-
das e Sie das Stück herausschnitten, das er angefasst hatte. Zehnmal war ihm
Ehe Passirt, und er hatte alle die Stücke seiner Mutter zum Aufbewahren gegeben.
Chey, er Alte ihn zuriicksandte, sagte er: „Als Du herkamst, sahest Du zwei Mäd-
Jotzi die immer sangen. Jeder will sie heirathen, aber keiner kann sie bekommen.
gin Sche Du hin. Du sollst sie haben.“ Der junge Mann freute sich sehr. Er
lache Zurück und hörte. sie wieder singen. Da ging er auf sie zu. Die Mädchen
ng on ihn an, als sie ihn sahen, SO schön war er. Sie wurden seine Frauen,
May, im sie mit nach Hause. Sie sangen 1mmer weiter und sagten zu dem Jungen
Er ?: „Ihr dürft unserer nicht müde werden, denn wir müssen immer singen.“
Seine, ante Nachts zu Hause an, stieg mit seinen Frauen hinunter und stiess
Macht ater an. Als dieser ihn sah, weckte er seine Frau, Alle standen auf und
und v ein Feuer. Sie freuten sich, zu sehen, wie schön ihr Sohn geworden war
Sagton On seine Frauen waren. Als die Leute ihn am anderen Morgen sahen,
Der ju Sle: , Wir haben so lange nicht gespielt. Lasst uns einmal wieder spielen.“
nge Mann war einverstanden. Coyote dachte schon: ,Ich werde seine Frauen
Verhang, der Berl, Anthropol. Gesellschaft 1891.
2h
(546)
gewinnen.“ Sie fingen an und Sk‘oö’ts verlor/all seine Sachen und auch die seiner
Frauen. Er hatte nur noch einen Stab. Da zeigte ihm seine Frau, wie er spielen
sollte, und er gewann nun. alles zurück und gewann dann auch die Sachen der an-
deren Leute. Seine Frauen sagten ihm: „Alle die Mädchen, die früher nichts von
Dir wissen wollten, werden Dich jetzt haben wollen. Achte aber nicht auf sie,
sondern stosse sie zurück, wenn sie Dich anfassen.“ Die Mädchen gingen zu seiner
Mutter und sagten, sie möchten ihn zum Manne haben. Als sie es ihm nun sagte,
antwortete er nur: „Ich glaube, sie wollen nur die Stücke Fell haben, die sie au$
ihren Mänteln geschnitten.“ Er liess es ihnen geben, verspottete sie und jagte sie fort-
9. Der Mond.
Der Mond war einstens ein Mann. Er hatte zwei Frauen, Wà'ela und Tsita'eka:
Die erstere gebar ihm zwei Kinder, die andere blieb kinderlos. Daher liebte er
sie mehr, als Wa'ela, und endlich kümmerte er sich gar nicht mehr um die letztere
Eines Abends, als er bei Tsita'eka war, fragte ihn Wa'ela: »Wohin soll ich den?
mit Deinen Kindern gehen?“ Dreimal fragte sie ihn, der Mann antwortete ihr aber
gar nicht. Als sie ihn nun zum vierten Male fragte, ward er zornig und rief: ,Seize
Dich auf meine Augen!“ Da sprang sie auf seine Augen und dort sehen wir sie
noch heute im Monde sitzen. Dort sieht man auch deutlich den Mann, seine Beine
und ein Bündel, das er auf dem Rücken trägt.
10. Die Lumme.
Die Lumme war einst ein grosser Spieler. Sie verlor alles bis auf eine Hals"
schnur aus Dentalien. Endlich verlor sie auch diese an den Kranich. Sie wollte
sie aber nicht hergeben, sprang in's Wasser und seither hat sie einen weisse?
Ring um den Hals.
II. Sagen der Nilakyapamuq. Gesammelt in Lytton.
1. Die Sonne.
Ein Mann hatte zwei Töchter. Eine derselben heirathete, die andere aber
wies alle ihre Bewerber ab. Eines Tages sprach ihre Schwester: „Warum bis!
Du so stolz? Du willst wohl die Sonne heirathen.“ „Ja“, versetzte die andere
„ich will die Sonne heirathen.“ Sie machte sich viele Mäntel und Schuhe und
machte sich dann in Begleitung einer Sklavin auf, die Sonne zu suchen. Viele
Tage und viele Monde gingen sie dem Sonnenaufgang entgegen. Wenn sie zu
einem See kamen, schwammen sie darin und wuschen sich mit Cederzweiger-
Endlich kamen sie zu einem Meere. Als sie zum Ufer hinabgestiegen ware;
wussten sie nicht, wohin sie sich wenden sollten. Nach einiger Zeit sahen
sie die Sonne aus dem Wasser hervorkommen. Da nahm sie ein grosses Fell,
warf es auf's Wasser und ging darüber fort der Sonne entgegen. Ihre Sklavin
blieb am Ufer. Die Herrin sah bald, dass die Sonne aus ihrem unterirdische?
Hause hervorkam. Als sie fort war, ging das Mädchen hinein und schlief dort
den ganzen Tag. Dann versteckte sie sich. Abends, bei Sonnenuntergang, trat
plötzlich ein Mann in’s Haus. Er liess die Sonne draussen und steckte den Stock
an dem sie befestigt war, in die Erde. Er entdeckte die Fremde nicht. Nachdem
der Mann am folgenden Morgen wieder ausgegangen war, ging das Müdchen an'$
Ufer zurück und holte die Sklavin. Sie reinigten das Haus, und als der Man?
Abends zurückkehrte, fand er die beiden Mädchen. Er hatte nie zuvor eine Frau
gesehen und ward anfänglich zornig. Dann aber gab er sich zufrieden und
pl
»
(547)
heirathete das Mädchen. Sie hatten einen Sohn und nach einiger Zeit kehrte sie
ZU ihrer Heimath zurück.
2. Qoë'qtlk'otl.
Temtli'psem (ein Vogel) hatte zwei Frauen, die graue und die schwarze Bürin.
Yon jeder derselben hatte er vier Kinder. Eines Tages tödtete die graue Bärin
Ihren Mann und die schwarze Bärin. Als die Kinder der letzteren das sahen,
fohen sie nach Bittanny. Damals lebte ein Mann, Namens Sk'oiné&'ek'a, bei Lytton.
Er tödtete die alte graue Bärin. Nach einiger Zeit verliessen die vier Jungen
Männer Bittanny und wanderten den Fluss hinauf. Qoë'qtik'otl war jetzt erwachsen.
Er verwandelte alle schlechten Menschen, die er traf, in Felsen. Als die Brüder
hach Nk‘ä’ya (am linken Ufer des Fraser River gerade unterhalb des Thompson
River) kamen, trafen sie einen Mann, Namens G‘ôk-oëla, der von Lillooet herab-
Sekommen war. Er verwandelte ebenfalls alle schlechten Menschen in Steine. Als
G'oleoala und Qoé'qük' otl einander trafen, wollten sie versuchen, wer der stärkste
"on ihnen sei. Sie versuchten sich gegenseitig zu verwandeln, fanden aber, dass
Me gleich stark waren. Sie wurden Freunde und trennten sich dann. Der eme
Sig den Fluss hinauf, der andere den Fluss hinab. Qoë'qtlk‘otl gelangte nach
Meislait am Thompson River. Dort traf er den Riesen Qaaqa', welcher Lachse
fing, Qoë'gilk'otl verwandelte sich in einen Lachs und schwamm zu der Stelle,
wo Qaaqa’ fischte. Als letzterer ihn sah, warf er seinen Fischspeer nach ihm.
Das War gerade, was Qoë'qtlkotl gewünscht hatte. Er brach die Spitze des Speeres
ab und schwamm damit zu seinen Brüdern zurück. Dann nahm er seine frühere
Gestalt an und erstieg mit seinen Brüdern den Berg, an dessen Fusse Qaaqa
Stand. Sie warfen ihn mit Erde. Er liess sich aber nicht stören. Am folgenden
Morgen sahen sie ihn noch ebenso dastehen, wie am vorhergehenden Tage. Den
Plata, an dem dies geschah, kann man noch heute erkennen. Es ist der grosse
Bergrutsch von Nekä’mEn. Qaaqa’ ging endlich in sein unterirdisches Haus. Ihn
lnk der Verlust seines Speers. Nach einiger Zeit gingen die Briider hinab und
pen in sein Haus. Sie fanden ihn trotzig im Bette liegend. Der jiingste der
.'üder sprach: ,T,asst uns hier unseren Lachs kochen.“ Da dachte Qaaqa': ,Gewiss
St das der Lachs, den ich verloren habe.“ Er stand auf und ging auf Qoë'qtlk'otl
m. Welcher ihm die Speerspitze zeigte und sagte: „Siehe, was ich gefunden habe.“
" Bab die Spitze an Qaaqa zurück, welcher sich sehr freute.
1 Die Brüder wanderten weiter und Abends schlugen sie ein Lager auf. Qoe'qilk'otl
38 dicht am Fener. Er trug immer eine Mütze aus Biberfell. Der älteste Bruder
qm Sie ihm fort und warf sie ins Feuer. Da fing der Fluss an zu steigen. Die
"i älteren Brüder fürchteten sich sehr und erstiegen einen Berg. Qoeqtlicotl
d * blieb ruhig beim Feuer liegen. ‘Die älteren Brüder sahen ihn vom Gipfel
en Berges aus dort liegen, obwohl die Flut das Land rings umher bedeckte. Nach
Dér Weile liess Qoe'qtlk-otl den Fluss wieder fallen.
Sich Als die Brüder sich eines Tages einem Dorfe näherten, verwandelte Qoö qtlkotl
dre; M einen Hund. Sie gingen ins Dorf und die drei älteren Brüder heiratheten
Der Mädchen. Eines Tages sah man emen schwarzen Bären nahe dem Dorfe.
lege älteste Bruder nahm seinen Knochenpfeil und seien Bogen und wollte ihn er-
Wied Der Bir todtete ihn aber. An den folgenden Tagen zeigte der Bär sich
der I. und der zweite und der dritte Bruder hatten das gleiche Schicksal. Als
" be sich am vierten Tage wieder sehen liess, ging der Hund aus, ihn zu tôdien.
Stig ihn bald ein und sprang gerade über ihn fort. Da brach der Bär in zwei
€. Der Hund lief ins Dorf zurück und sprang über alle Leute, die gleich-
85*
(548)
falls zerbrachen. Dann sprang er über die Leichen seiner Brüder fort und rief s!
so ins Leben zurück. Die drei Brüder wurden dann in Steine verwandelt.
Einst traf Qoë'qtlk'otl einen Mann, der ganz allein lebte. Da verwandelte er
einen Baumwollenbaum und eine Birke in Frauen und gab sie ihm.
Fast jeder Fels im. Cation des Fraser River ist der Träger einer Sage, die auf
Qoe'qtlcoil Bezug hat. Alle sind verwandelte Menschen, Thiere oder Boote.
3. Der Krieg mit dem Himmel.
Ich erhielt nur ein unbedeutendes Bruchstück dieser wichtigen Sage: Die
Vögel wollten den Himmel mit Krieg überziehen und schossen ihre Pfeile gegen
das Himmelsgewölbe ab, um eine Kette zu machen, an der sie hinaufklettern
wollten. Keiner war aber im Stande, den Himmel zu erreichen. Endlich nahm der
Vogel Tcitu'c seinen Bogen und seine Pfeile, und er traf das Himmelsgewolbe-
Dann machte er eine Kette von Pfeilen, die bis zur Erde herabreichte, und alle
Thiere kletterten daran in die Höhe. Später brach die Kette, als nur die Hälfte
aller Thiere glücklich wieder unten angekommen war.
4. Der Knabe und die Sonne.
Vor langer Zeit lebten viele Menschen in Lytton. Unter ihnen war auch ein
Knabe, der sich immer mit all seinen Altersgenossen zankte und viel Unruhe und
Unheil stiftete. Endlich wurden seine Eltern seiner überdrüssig und beschlossen,
ihn zu verlassen. Der Häuptling befahl seinen Altergenossen mit ihm in den Wald
zu gehen, und beim Spiel dessen Augen mit Harz zu verkleben. Die Knaben ge
horchten und führten jenen ins Dorf zurück, nachdem seine Augen verklebt waren
Dann hiess der Häuptling die Leute alle Sachen aufpacken und sie zogen nach
Bittanny. Ausser dem Knaben liessen sie eine alte blinde und lahme Frau zurück-
Nach einiger Zeit schmolz das Harz und der Knabe konnte wieder sehen. Er
blickte sich um, fand aber niemand. Da fing er an zu weinen, denn er merkte,
dass seine Verwandten ihn verlassen hatten. Er ging in jedes Haus und fand
endlich die alte Frau. Sie sagte ihm, dass man ihn verlassen habe, weil er so viel
Unruhe gestiftet habe, Der Knabe machte sich nun Schlingen und fing Elstern
Mäuse und Ratten, von denen er und die alte Frau kiimmerlich lebten. Er machte
dreierlei Mintel aus den Fellen, einen aus Elsterbälgen, einen aus den Mäusefellen
und einen aus Rattenfellen. Er legte die Mäntel auf das Dach ihres Hauses. Als
der Sonnenmann dieselben erblickte, stieg er vom Himmel herab und sprach zu
dem Knaben: „Ich will Dir meinen Bogen geben, gieb Du mir dafür die Mäntel.“
Der Knabe war zufrieden und erlegte von nun an alles, was er haben wollte, so
dass er sehr reich wurde. In Bittanny, unter seinen Landsleuten, herrschte aber
grosse Noth. Einst sandte der Häuptling einen Sklaven nach Lytton, um zu sehen
ob der Knabe todt sei. Dieser war sehr erstaunt, ihn noch am Leben zu finden
und zu sehen, wie reich er geworden war. Als er dem Häuptling berichtete, was
er gesehen, kehrte der ganze Stamm nach Lytton zurück und der Knabe vertheilte
viele Nahrungsmittel unter die Leute.
5. Der Coyote.
Nkia'p, der Coyote, hatte einen Sohn. Dieser hatte zwei Frauen. Coyote
wünschte sehr, eine derselben für sich zu haben. Daher suchte er seinen Sohn
aus dem Wege zu räumen. Eines Tages schickte er ihn aus, einen Vogel zu
fangen, der auf einem Baume sass. Als der junge Mann nun auf den Baum
kletterte, machte Coyote, dass derselbe wuchs, bis er den Himmel beriihrte. Da
(549)
SPrang der junge Mann von dem Baumwipfel in das Himmelsland, und der Baum
Schrumpfte sofort wieder zu seiner früheren Grösse zusammen. Er fand sich auf
nem Pfade, dem er folgte. Rechts und links sah er viele glänzende Punkte.
Erst glaubte er, es seien essbare Wurzeln, und wollte sie graben. Dann aber sah
®, dass es Locher waren, und dass der Wind hindurch pfiff. Es waren die Sterne.
Lange Zeit wanderte er voran, ohne irgend ein lebendes Wesen zu ireffen. Endlich
fe er zu einer Stelle, an der Bäume gefällt waren. Dort traf er zwei alte, blinde
"on die Rebhühner. Eine sprach zur anderen: „Ich rieche etwas Schlechtes.
glaube es ist Tl’ikse’mtem (= der Kletterer).“ Als Tl'iksE'mtem das hôrte,
pod er zornig. Er warf die Frauen in die Luft und verwandelte sie in Vögel.
Si Wanderte noch weiter und traf einen alten Mann und eine alte Frau, die Spinne.
an begrüssten ihn freundlich und sprachen: „Dein Vater ist sehr schlecht, dass er
de Dir So gehandelt hat.“ Tlikse’'mtem war erstaunt, dass sie wussten, wie er in
wei Himmel gelangt war. Er blieb bei ihnen und jagte Hirsche für sie. Mittler-
le i machte ihm die Spinne ein Seil. Nach einiger Zeit bekam er Heimweh; er
sion, Sich ins Bett und die Alten konnten ihn nicht dazu bewegen, Nahrung zu
that ZU nehmen. Da sprachen sie: „Wir wollen Dich zur Erde zurücksenden,“
in Én den jungen Mann nebst einem reichlichen Vorrath von getrocknetem Fleisch
N Le kleinen Korb, den sie an das Seil banden. Ehe sie ihn hinabliessen,
Dy 9n sie: ,Oeffne Deine Augen nicht, so lange Du im Himmel bist und wenn
am n. den Wolken, den Bergen und Büumen vorbeiführsi, sondern warte, bis Du
dan; oden anlangst. Dann öffne, den Korb, knüpfe ihn los und ziehe am Seil,
an lb wir eg einziehen können.“ Der Junge Mann gehorchte, und als er unten
kommen war, zogen die Spinnen das Seil ein. Er war in Lytton zur Erde ge-
Ten, traf daselbst aber niemand, da alle Leute nach Bittanny gezogen waren.
is Di Frau, welche Coyote gestohlen hatte, hatte einen Sohn. Sie beweinte be-
sah NI den Tod ihres Mannes. Als dieser nun von Lytton nach Bittanny wanderte,
Die as Kind ihn kommen. Es rannte zu seiner Mutter und sagte: , Vater kommt!“
Qo Mutter glaubte ihm nicht. Als er aber endlich kam, freute sie sich sehr.
Dii stellte sich, als freue er sich sehr über die Ruückkunft seines Sohnes.
"m dachte aber nach, wie er sich rächen könne. Einst waren die Jäger sehr
aus eklich gewesen und es herrschte Mangel im Dorfe. Da ging TliksE'mtem
bnt "nd tódiete viele Hirsche. Er brachte nicht alles Wild nach Hause, sondern
Bp; en Vater, ihm zu helfen, es zurückzubringen. Er gab ihm ein altes fauliges
liegs Tp das Wild zusammenzubinden. Als Coyote nun fiber con Fluss ging,
ein p, lksE'mtgm denselben steigen und Coyote ertrank. Sein Letcl nam trieb in
Bret achswehr, das vier Frauen gehörte. Dort verwandelte er Sich in ein kleines
Wir * Als die Frauen das Bretichen sahen, Sprach eine von ihnen: „Das ist gut,
Chae len eine Schüssel daraus machen.“ Sie nahmen es nach Hause und legten
eh, achs darauf. Kaum hatten sie ihn aber hingelegt, ‚da war derselbe ver-
ins p. en Das Brett hatte ihn gefressen, Da warf die Jüngste der Frauen es
Fran Uer, Coyote nahm nun die Gestalt eines kleinen Kindes an und schrie. Die
War " nahmen es auf und behielten es als Sklaven. Als er grösser geworden
Bogrey, en die Frauen ihn immer als Wächter zu Hause, während sie gingen
Wespe Zu pflücken. Sie hatten zwei Kôrbe, in denen sie den Nebel und die
er di alii, Eines Tages, als die Frauen ihn allein gelassen hatten, öffnete
Orbe und liess den Nebel und die Wespen heraus.
D; III. Sagen vom unteren Fraser River.
Harrise, meisten der folgenden Sagen wurden in Agassiz, nahe der Mündung des
n River, am Harrison Lake und in New Westminster gesammelt. Eine An-
(550)
zahl derselben, welche oberhalb Fort Douglas localisirt sind, dürften richtiger
den Sagen der Lillooet zugerechnet werden. Da ich sie indessen aus dem Munde
eines Steé'lis hórte, habe ich sie hier mit eingeordnet. Die meisten der folgenden
Sagen wurden mir von George Stse&lis und dessen Frau erzählt.
1. Qäls.
1) Oberhalb Sk'tsas, mitten im Gebirge, lebte der rothköpfige Specht. Seine
Frauen waren die schwarze und die graue Bärin. Er hatte drei Söhne und eine
Tochter von der schwarzen Bärin. Die graue Bärin hatte keine Kinder. Der
Name des mitileren Sohnes war Qoá'k'otlk'otl. Der jüngste Sohn weinte immer
und da er sich gar nicht beruhigen liess, fragte ihn seine Mutter, warum er weine
Da antwortete er: „Ich möchte, dass wir zum See hinab ziehen.“ Die Gottheit
hatte ihm diesen Wunsch eingeflósst. Die Bürin theilte ihrem Manne den Wunsch
des Kleinen mit und sie zogen nach Sk‘tsäs hinab. Als sie dort ankamen, baute
der Specht ein Haus. Dann begann die graue Bärin mit ihrem Manne zu streiten
und tödtete ihn endlich. Qoä’k'otlk'otl machte sich dann eine Kappe aus Biberfell
und die vier Kinder verliessen ihre Mutter und wanderten zusammen den Fraser
River hinauf gen Sonnenaufgang. Als sie am Sonnenaufgang ankamen, gingen sie
in den Himmel und wanderten nach Sonnenuntergang. Von dort kehrten sie
zurück und wanderten wieder nach Osten. Sie hatten den Namen Qäls erhalten
und verwandelten alle, die ihnen begegneten, in Steine oder andere Gegenstände-
K-ä'iq, der Nerz, begleitete sie auf ihren Reisen.
2) Zuerst kam Qils nach Ma'ls, wo heute das Dorf der Qmk'ckoyim steht:
Dort trafen sie den Häuptling Pü'pkeEltel, der sich Muscheln briet. Qàls setzte sich
nicht weit von ihm nieder. Da sprühte Qoà'k'oillcotl etwas glühendes Holz in$
Gesicht und verbrannte ihn ein wenig. Qoà'kotlk'otl fragte: „Wo ist Dein Bach?
Ich móchie etwas Wasser haben." Pi'plerltel zeigte ihm seinen Bach, der so schmal
war, dass die Bäume sich darüber berührten. In demselben wohnten aber die
Unterthanen Pá'pl'zltEls, die Tintenfische. Als Qoà'kotlkotl nun hinkam und Wasse'
irinken wollie, zogen dieselben ihn hinab. Da er nicht wieder kehrte, ging nach
einiger Zeit der älteste der Brüder hin, ihn zu suchen. Er theilte das gleiche
Schicksal und dem jüngsten erging es nicht besser. Da sprach das Mädchen zu
Päpkeltel: ,O, mache mich glücklich und gieb mir meine Brüder wieder.“ Jener
willfahrte ihrer Bitte, und holte die drei Brüder wieder aus dem Bache heraus.
Da verwandelten sie Pä'pk'eltel in eine Schwertlilie. Seither giebt es viele Schwerl-
lilien bei Male.
,. 8) In K"odlleis (unterhalb Yale) lebte ein Knabe, der quälte seine Mutter be-
ständig, sie solle ihm zu essen geben, und obwohl sie ihn vollauf versorgte, war
er doch nie zufrieden. Er ging zu allen Leuten und sagte, seine Mutter habe ihm
aufgetragen, um Nahrung zu bitten. Diese gaben ihm dann zu essen, Statt aber
die Nahrungsmittel nach Hause zu tragen, versteckte er sie im Walde und ass
alles selbst auf. Da dieses sich tagtäglich wiederholte, fragte endlich ein Mann
seinen Vater: „Schickt Ihr eigentlich Euren Sohn jeden Tag zu uns, uns um
Nahrungsmittel zu bitten?“ Der Vater war überrascht und schämte sich sehr. Er
ging zu allen Leuten und fragte, ob sein Sobn bei ihnen gebettelt habe. Als er
nun erfuhr, dass jener alltäglich in allen Häusern bettele, beschloss er ihn zu ver”
lassen und bat alle Leute, mit ihm fortzuziehen und alle Nahrungsmittel, sowie die
Breiterwände der Häuser mitzunehmen. Dann nahm er seinen Sohn in den Wald
unter dem Vorwande, dass er ihn den Gebrauch von Zaubermitteln lehren wolle:
Er nahm noch einen zweiten Knaben zur Begleitung mit und, während der Knabe
M
A
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Sich reinigte, liefen der Vater und-der andere Knabe von dannen. Die Leute hatten
Unterdessen ihre Boote beladen und die Feuer ausgelöscht. Sobald der Mann und
der Knabe aus dem Walde zurückkamen, fuhren sie von dannen. Nur die alte,
blinde Grossmutter des verstossenen Knaben hatte Mitleid mit ihm. Sie nahm
etwas zerkaute Farnwurzeln, hüllte eine glühende Kohle hinein, und legte sie in
eine Muschel, die sie unter einem Brette verbarg. Dann sprach sie zu ihrem
Hunde: „Bleibe Du hier. Wenn mein Enkel zurückkommt, kratze an diesem
Breite, damit er das Feuer findet.“ Dann ging auch sie ins Boot und alle fuhren ab,
Nach einiger Zeit kam der Knabe aus dem Walde zurück. Da sah er, dass
er verstossen war. Er setzte sich hin und fing an zu weinen. Er hatte keine
Kleider und keine Nahrungsmittel. Bald bemerkte er, wie der Hund an dem
Brette kratzte, und als er nachsuchte, fand er das Feuer, das seine Grossmutter
für ihn zurückgelassen hatte. Er machte sich nun ein Feuer und Bogen und Pfeile.
Die Bogensehne machte er aus Weidenrinde. Er schoss sich Vögel, balgte sie
ab und briet ihr Fleisch. Aus den Bälgen machte er sich einen Mantel, der
Sehr schön gezeichnet war. Eines Tages, als er sich niedergelegt hatte und schlief,
Sah ihn die Sonne, stieg vom Himmel herab und trat in Gestalt eines Mannes auf
den Knaben zu. Diese sprach: „Dein Mantel gefällt mir. Lass uns tauschen. Ich
8ebe Dir meinen Mantel aus Bergziegenwolle für den Deinen. Wenn Du einen
Zipfel meines Mantels in den Fluss tauchst, wird er sogleich voller Häringe sein.
Ich bin die Sonne, der Mond ist mein Bruder und der grosse Stern, den Du oft
Nahe beim Monde siehst, ist dessen Frau.“ Sie gingen den Tausch ein, und der
Knabe versuchte gleich die Kraft des neuen Mantels. Er tauchte ihn in den Fluss,
der Sich sofort mit Häringsschwärmen füllte. Er fing viele, trocknete sie und baute
Sich dann ein Haus, das er ganz mit Nahrungsmitteln füllen konnte. Da gedachte
ST seiner Grossmutter. Er rief die Krähe herbei und liess sie einige Häringe ver-
Schlucken, Dann trug er ihr auf, zu seines Vaters Dorfe zu fliegen, und wenn sie
ine alte Frau dort weinen sähe, solle sie ihr die Häringe geben. Die Krähe flog
Von dannen und fand die Grossmutter des Knaben. Da rief sie ,mà'o, mà'o^ und
Spie einen Häring aus. Die Grossmutter erstaunte, und die Krähe erzählte ihr
Mun, dass ihr Enkel noch am Leben sei und ihr die Häringe sende.
Um diese Zeit fuhr ein junger Mann nach dem alten Dorfe zurück, um zu
Sehen, was aus dem Knaben geworden war. Wie erstaunte er, als er dessen
Stosses Haus und die vielen Vorrüthe sah. Der Knabe lud ihn ein, ans Land zu
Kommen, und sprach: „Sage den Leuten, dass ich jetzt reich bin. Sie alle mögen
"ürückkommen, nur mein Vater und meine Mutter sollen nicht hierherkommen.“
Der junge Mann fuhr zurück und richtete den Auftrag aus. Als die Leute nun
hörten, wie wohl es dem verlassenen Knaben gehe, machten sie sich auf, nach
K opts zurückzukehren. Der Rabe hatte zwei Töchter. Er befahl ihnen, ihr
Haar Schön zu kämmen und ihr Gesicht zu bemalen, denn er wünschte, dass der
Yerlassene Knabe sie heirathen sollte. Ein jeder wünschte ihn zum Schwieger-
Sohne zu haben. Endlich erlaubte der Knabe auch seinen Eltern zurückzukommen.
ührend er aber alle Leute reich beschenkte, gab er ihnen nichts und sie wurden
" arm. Er selbst aber ward Häuptling.
d Einst ging er auf Elchjagd. Er führte seinen Hund an einem Strick und ging
*n Fluss hinauf. Als er ein Elch erblickte, liess er seinen Hund los, der es
am Wasser entlang verfolgte. Da kam Qäls des Weges und verwandelte den
Jüngen Mann und den Hund in Steine. Er nahm das Elch und warf es an
den Himmel. Da wurde es in die vier grössten Sterne des grossen Bären ver-
Wandelt.
4) Qäls ging weiter und traf eine Schaar Kinder, die weinten, weil ihre Eltern
ortgegangen waren. Er versetzte sie an den Himmel und sie wurden die Plejaden-
5) Qäls kam nach Sktsäs (oberhalb des Nordendes vom Harrison See). Dort
wohnte SHäi, ein sehr mächtiger Mann. Wenn derselbe einen Weg entlang sah,
wurde derselbe sehr lang. Als Qäls sich ihm náherte, legte Snü'i seine Kleidung,
die ganz aus Bárenfell gemacht war, und seine Schneeschuhe an. Qäls schlug sein
Lager nicht weit von Snü'is Hause auf. Die Schwester blieb dori, wührend die
drei Brüder zu Suá'i gingen, um mit ihm zu kümpfen. Zuerst sprach Qoa'k-otlk-otl:
„Lass uns sehen, wer am weitesten pissen kann.^ Er versuchte den Gipfel des
Berges zu erreichen, vermochte es aber nicht. Snài dagegen pisste über den Berg
hinüber und machte so den Fluss, der von Silver Lake nach Spuzzum hinabläuft.
Dann versuchte Qäls, ihn auf andere Weise zu besiegen. Er ging zu ihm und
sprach: „Alter! Wir möchten nach Stse@’lis hinunter fahren, haben aber kein Boot.
Willst Du uns das Deine leihen? Wir werden es Dir bald wieder bringen.“ Sxäi
versprach ihnen das Boot, und am nächsten Morgen kamen die drei Brüder wieder,
um es zu holen. Sie überredeten Snü'i, mit ihnen den Fluss hinabzufahren. Als
sie noch nicht lange fort waren und den See erreicht hatten, rief Qüls den Ost-
wind. Es entstand ein heftiger Sturm, das Boot füllte sich mit Eis und schlug
endlich um. Qils hoffte, Su#'i werde nun ertrinken, und die Brüder begaben sich
ans Ufer und gingen zu ihrer Schwester zurück, die im Lager geblieben war.,
SHäi hatte sich aber mittelst seiner Schneeschuhe, die er sich an die Schultern
gebunden hatte, ans Land gerettet. Er nahm etwas Diatomeenerde, mit der seine
Kleider eingerieben waren, zwischen die Hände, zerrieb sie und blies sie in die
Luft. Da fing es an zu schneien. Dann blickte er längs des Weges, den Qäls
gehen musste, und derselbe wurde sogleich sehr lang. Der Schnee ward tiefer
und tiefer und Qäls war fast erfroren, als er endlich am Feuer seiner Schwester
ankam. SHái aber war rasch und leicht auf seinen Schneeschuhen nach Hause
gegangen. Als die Briider zum Lager kamen, fielen sie um vor Miidigkeit. Ihre
Schwester würmie sie und gab ihnen heisses »Sockeye^- (Ontorrhynchus nerke)
Fett zu trinken. So erholten sie sich wieder. Sn hatte sie abermals besiegt.
Qüls wollte nun Sná'itódten. Er fragte seine Schwester: ,Kannst Du mir etwas
von Deinem Menstrualblut geben?“ Sie bejahte und gab es ihm. Da that er es
unten in seine Pfeife und häufte Tabak darauf. Der Jüngste der Brüder warnte
Qoäk'otlk'otl und bat ihn, Snü'i in Ruhe zu lassen, da er sehr stark sei. Qoä'k'otl-
k'otl hórte aber nicht auf ihn. Er ging zu Sná'i und sprach: „Wir sind gestern, als
das Boot umschlug und es nachher schneite, sehr kalt geworden. Der Tabak hat
uns aber wieder schon warm gemacht. Willst Du nicht auch etwas rauchen?“
Dabei bot er ihm die Pfeife an. Sui schlug sie aber aus, indem er sagte, er
kónne nicht rauchen. Qoä'kotlk‘otl ermunterte ihn aber, es zu versuchen, und end-
lich liess er sich überreden. Er that einen Zug und Qoà'kotlk'otl sprach: „Du
musst tiefe Züge thun und den Rauch herunter schlucken.“ Er that drei "Züge.
Da fiel er todt nieder. Qäls riss ihm dann die Zunge aus und warf sie fort, Sie
wurde ein Stein. Ebenso rissen sie seinen Magen aus und seine Arme, Beine und
seinen Kopf ab, warfen sie weg und verwandelten sie in Steine.
6) Weiter oben am Flusse wohnte ein Mann, der Schwan, mit seiner Frau,
dem Kranich. Eines Tages sassen sie vor der Thür ihres Hauses, da kam ein
Boot vorbei, in dem ein Mann, die Schwalbe, sass. Der Schwan fragte ihn:- , Wohin
gehst Du?“ Jener versetzte: „Meine Frau ist gestorben. Ich gehe jetzt in den
Wald und werde den ganzen Sommer da bleiben.“ In Wirklichkeit war aber
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CU.
Folgendes geschehen: Seine Frau war ausgegangen, Cederbast zu holen, und hatte
die Gelegenheit zu einem Stelldichein mit ihrem Liebhaber benutzt. Die Schwalbe
hatte das erfahren und sich dann gerächt. Sie ging mit ihrer Frau in den Wald
Unter dem Vorwande, ihr beim Rindesammeln behülflich sein zu wollen. Als sie
Dun auf eine Ceder geklettert war, band er sie auf der Spitze des Baumes fest.
Dann schälte er die Rinde ab, so dass der Stamm ganz glatt wurde und verliess
sie. Der Schwan lud ihn ein, in seinem Hause zu rasten. Nach einiger Zeit hörte
der Schwan eine Stimme im Walde. Es war die Frau der Schwalbe. Sie sang:
Atstlsquä‘quakuë'wul (d. h. der Stock dringt in meinen After) und ihr Blut floss
an dem Stamme herunter. Der Schwan ging mit seinen Leuten in den Wald, um
die Stimme zu suchen, und fand endlich die Frau. Erst nach langen Mühen gelang
*8 einem seiner Leute, auf den Baum zu steigen und die Frau herunter zu holen.
Sie Sagie: , Wenn ich todt bin, so sollt ihr mein Blut trinken. Und wenn es regnet,
S0 Sprecht von mir.“ Sie starb dann und wurde in Brombeeren verwandelt. Der
Sehwan war sehr bóse auf die Schwalbe und als diese im Herbst wieder kam,
Sagte er: „Wenn Du mit dem Ostwinde zurückkommst, will ich flussabwärts ziehen
Wd Dich vermeiden. In diesem Augenblicke kam Qäls des Weges und sprach:
»Gut! Ihr sollt Vögel werden. Du, Schwalbe, sollst im Sommer im Walde umher-
liegen und Deine Frau suchen. Bemale Dein Gesicht jetzt, wie wenn Du Deine
Übernatürliche Macht anlegst.“ Er bemalte sich dann schwarz und weiss und
Steckte sich lange Federn an den Rücken. Da wurde er ein Vogel und fliegt
Seither Sommers im Walde umher und sucht seine Frau mit dem Rufe El, El Ell?)
7) Qäls wanderte weiter den Fluss hinauf und kam zu einem Hause, ın
dem ein alter Mann mit sehr kleinem Munde und sehr dickem Bauche wohnte.
Sein Name war Spepa’ltsep. Als er ihn erblickte, fragte er ihn: „Wie kommt es,
dass Dein Mund so klein ist?“ Jener wusste nichts darauf zu antworten. Er fuhr
fort: „Das ist nicht gut, Du kannst ja nicht ordentlich essen. Willst Du nicht
lieber in den Wald gehen und jagen?“ Jener versetzte: „Nein, ich will lieber
hier bleiben. Ich mag mich nicht viel bewegen und ich wünsche, dass die Leute
Mich hier immer finden können.“ „Gut,“ sagte Qäls, „Du sollst immer hier bleiben“
Und verwandelte ihn in den Fisch Spa'lisep.
8) Qils ging weiter und kam zu einem Hause, in dem wohnte ein alter
Mann mit rothem Gesichte und rothen Haaren an Händen und Füssen. Er hiess
Pétug], Als Qüls kam, versteckte er sich, und als er weiter reiste, verwandelte er
"ch in eine kleine Schlange (roth am Bauch, schwarz auf dem Rücken) und folgte
Ihm, Als Qüls Abends das Lager aufschlug und der älteste Bruder sich setzte,
hor in dessen After. „Ha!“ ne am „machst bu enl here? So bleibe
die , ange und thue immer desgleichen. Seither ist I | chlange,
* Immer den Menschen folgt, sogar ins Wasser, und ihnen in den After kriecht.
D; 9) Und Qäls kam an ein Haus, da wohnte ein alter Mann, die Klapperschlange.
leser sass vor seinem Hause und hielt etwas hinter seinem Rücken versteckt.
il Seizle sich ihm gegenüber und fragte: „Alter, was versteckst Du da?“ Dieser
Mage nicht auf die Frage, sondern sagte nur: „Damit habe ich schon den
hios er besiegt.“ Qäls fragte ihn noch einmal, er aber antwortete gar nicht. Da
ey er ihn aufstehen und sah nun, dass jener eine Rassel hinter seinem Riicken
M arg. Er steckte ihm dieselbe an den Rücken und sagte: „Fortan trage ımmer
dong Diese Sage wird erzählt, wenn es lange regnet, und die Indianer glauben, dass es
aufhören wird zu regnen.
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die Rassel,“ und verwandelte ihn in eine Klapperschlange. Da jener ein Schamane
gewesen war, kann er auch noch heute Menschen vergiften.
10) Er wanderte weiter und traf einen alten Mann mit kleinem Kopfe, Namens
K'éwuq. Er fragte ihn: ,Bleibst Du immer hier bei Deinem Hause?“ „Ja,“ er-
wiederie Jener, ,mir liegt nichts daran herumzureisen.^ Da verwandelte Qäls ihn
in einen Flusslachs, der immer im Süsswasser bleibt.
11) Qäls wanderte weiter und traf den Salamander, einen alten Mann mit
weissem Haare und langen Nägeln. „Alter, was isst Du? wovon lebst Du?“ fragte
ihn Qäls. Jener erwiederte: ,O mein Enkel, ich habe gar nichts zu essen.^ ,Und
warum thust Du immer den Menschen Deine Exkremente in den Mund und tódtes!
sie so? das ist nicht gut. Später sollen die Menschen Deine Exkremente als Gift
gebrauchen,“ und damit verwandelte er ihn in einen Salamander.
12) Er wanderte weiter und traf eine Frau, die hatte ihre Genitalien auf der
Brust sitzen. Da sprach Qäls: „Das ist nicht gut, die Genitalien sollen nicht nahe
dem Munde sein. Zudem kannst Du so nicht gebüren, denn die Brust besteht au$
lauter Knochen und ist unnachgiebig.* Er schloss ihr die Brust. Dann nahm der
älteste Bruder Birkenrinde und wollte daraus neue Genitalien machen. Dieselbe
war aber nicht elastisch genug. Da nahm Qoià'otlkotl die Nackensehnen vom
Hirsche und machte die Geschlechtstheile der Frau daraus. Daher sind dieselben
sehr elastisch und weiten sich beim Gebären.
13) Sie wanderten weiter und fanden einen Mann und eine Frau, deren Ge-
schlechtstheile sassen auf der Stirn. Da schob er sie herunter an den gehörigen.
Platz. Wenn er das nicht gethan hätte, würden die Menschen heute noch ihre
Genitalien auf Brust oder Stirn tragen.
14) Er ging weiter und traf den Prairiewolf. Dieser hatte keine Frau. Er
hatte ein Astloch gefunden, das er sich ausgeschnitten hatte und an Stelle einer
Frau gebrauchte. Als Qäls zu ihm kam, fragte Qoä'k'otlkotl: ,Grossvater, wo ist
Deine Frau?“ „Hier,“ rief Jener, der im Bette lag. Da hob Qäls die Decke auf
und sah das Astloch. „Grossvater, ist das Deine Frau? soll ich Dich glücklich
machen? | Gieb mir etwas Cederrinde und ich will Dir eine Frau daraus machen.“
Der Prairiewolf sprach: „Hier mein Enkel, nimm diese Cederrinde, und mache
mich glücklich.“ Qäls verwandelte sie in eine Frau, die der Prairiewolf dann
heirathete.
15) Qoäk'otlk'otls Brüder wollten sehen, ob er stark sei. Eines Tages, als
sie den Fluss hinauf reisten, verabredeten sie sich, ihn zu prüfen. Abends schlugen
sie ein Lager auf und neckten dann ihren Bruder und zogen ihn an den Haaren.
Dieser kümmerte sich gar nicht darum, sondern legte sich nieder und zog sich
seine Biberfellkappe auf. Da fing der Fluss an zu steigen und seine Brüder und
seine Schwester mussten vor dem Wasser auf die Berge fliehen, wührend er ruhig
am Feuer liegen blieb. Obwohl ringsumher alles von Wasser bedeckt war, blieb
es doch bei seinem Feuer trocken.
16) In Stseélis traf Qüls einen Mann, Namens Pà'anil (Einbein) Derselbe
fischte Lachse am Flusse. Qäls wünschte seine Harpunspitze Zu haben und ver-
wandelte sich in einen Lachs. In dieser Gestalt schwamm er zu der Stelle, wo
Pa'lamil stand. Derselbe warf ihn und dann schwamm er mit der Harpunspitze
von dannen. Er schwamm zu seinen Briidern zuriick und nahm wieder seine eigene
Gestalt ‘an. Dann gingen sie alle zu Pä'laxil, der sich ins Bett gelegt hatte, da eT
sehr betrübt über den Verlust seiner Harpunspitze war. Da gab Qoa'k-otlk-otl jhm
dieselbe zurück und sprach: „Ich will Dich glücklich machen. Hier ist Deine
Harpunspitze. Es sollen immer viele Lachse sein, wo Du bist.“ Damit verwan"
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delte er ihn in Stein. Und er gab ihm die Herrschaft über den Wind, daher kann
der Stein heute noch Wind hervorbringen ).
Qiüls sah Einbein Lachse fangen und bat ihn um die Erlaubniss, an seinem
Hause landen zu dürfen. Er aber verweigerte seine Bitte. Da gingen die Ge-
Schwister zurück und machten ein Lager in einiger Entfernung von Einbeins Hause.
Dann verwandelte sich Qoà'k'otllotl in einen Lachs und stahl Einbeins Harpun-
Spitze, Darauf sagte des letzteren Frau: ,Gehe doch mit Qoà'k'otlk:'otl zum See
hinab!“ Sie gingen und als sie am See angekommen waren, sprang Einbein mit
Zwei Sprüngen nach Hause zurück, während seine Frau die Erde bis zu Qoä'k'otl-
Kotl streckte, so dass jener nicht zurückkommen konnte, und da es sehr kalt war,
fast erfror. Seine Schwester bat nun Einbeins Frau, doch die Erde wieder kurz
20 machen, damit ihr Bruder wieder zurückkommen könne, und jene willfahrte
ihrer Bitte. Dann versuchten beide, wer am besten Lachse im Flusse fangen
könne. Qoà'kotlk'otl nahm seine Pfeife in den Mund und zog sein Netz einmal
durch das Wasser, da war es voll. Einbein musste sein Netz dreimal durch das
Wasser ziehen, ehe es voll war. Dann gab ihm Qoà'kotlk'otl seine Pfeife und
sagte: „Wenn Du die rauchst, wirst Du auch besser fangen können.“ Als jener
einen Zug that, wurde er in Stein verwandelt,
17) Als Qäls den Harrison River hinauffuhr, kam er zu dem Platze, wo eine
alte Frau, Namens Leqyiles, wohnte. Ihre Scheide war mit Zähnen besetzt, mit
denen sie allen Männern, die bei ihr schlafen wollten, den Penis abbiss. Qäls
Schlug nicht weit von ihrem Hause sein Lager auf. Als es dunkel war, schlich
Sich K-a'iq (der Nerz) zum Hause der Alten hinunter. Er fand dieselbe im Bette.
Da fühlte er mit seiner rechten Hand unter ihrer Decke herum, um ihre Genitalien
Zu fühlen. Er steckte seine Hand in ihre Scheide und sie biss ihm dieselbe ab.
Da lief er zurück zu Qäls. Man kann heute noch seine Fussspuren sehen, wo er
zum Hause hinaussprang. Er schämte sich und machte ein Feuer für sich abseits
Vom Lager der drei Brüder. Er hielt seinen rechten Arm beständig hinter seinem
Rücken versteckt. Am folgenden Morgen fuhr Qäls weiter den Fluss hinauf.
K'ig steuerte, wie immer. Da aber seine rechte Hand abgebissen war, gebrauchte
er die linke und in Folge dessen steuerte er schlecht, so dass das Boot bald zur
Rechten, pald zur Linken ging. Erst als sie Abends wieder lagerten, sah Qäls, was
mit K'à'iqs Hand geschehen war. Er verwandelte dann Lrqyiles in einen Felsen.
Derselbe steht noch heute am Harrison River. Wenn es schönes Wetter ist und
Man Wasser auf denselben spritzt, fängt es sogleich an zu regnen.
. 18) Qàüls wanderte weiter. Etwas weiter oberhalb am Harrison River sahen
Slé einen alten Mann stehen, der mit der Harpune Seehunde fing. Als sie an-
kamen, war gerade ein Seehund aufgetaucht. Der Alte hielt seine Harpune in
Bereitschaft, um ihn zu werfen. Qäls kam von hinten her an ihn heran, und der
Alte, das Boot, in dem er sass, und der Seehund wurden sogleich in Stein ver-
Wandelt,
Stammessagen vom unteren Fraser River.
1) Die omeckoyim. Pü'pk'eltel, der Ahnherr der qmEqkoyim, lebte in Malle
3 Nordarm des Fraser River, WO noch heute das Dorf des Stammes steht. Die
Sage ist auf S. 550 im Zusammenhange mit der Qälssage erzählt.
T 2) Die K'oà'antel. K'al&'tsemks, der erste Häuptling der K'oà'antgl hatte eine
ochter, Diese wollte keinen Mann nehmen. Eines Nachts aber schlich sich ein
die 1) Die vorige Version scheint unvollständig zu sein. Ich gebe daher hier eine zweite,
aber auch nicht ganz klar ist.
H2
Mann zu ihrem Bette und sie duldete ihn bei sich. Es war der Hammer ihres
Vaters, welcher menschliche Gestalt angenommen hatte. Morgens, ehe es hell
wurde, verliess er sie wieder und wurde wieder ein Hammer, Am nächsten Abend
schlich sich wieder ein Mann zu ihrem Bette und schlief mit ihr. Es war ihres
Vaters Hund, der ebenfalls menschliche Gestalt angenommen hatte. Nach einiger
Zeit gebar sie eine Anzahl Hunde. Der Hund war stärker gewesen, als der Hammer,
sonst wären die Kinder kleine Hammer geworden. Als ihr Vater das sah, schämte
er sich und verliess sie mit seinem ganzen Stamme. Da baute die Frau sich eine
kleine Hütte und ging jeden Tag an den Strand hinab, Muscheln zu suchen, von
denen sie und ihre Kinder lebten. Als sie drunten am Strande war, hörte sie
singen und das Schlagen von Stäben zur Gesangbegleitung. Sie versuchte einige
Male unbemerkt zu Hause zu kommen, um zu sehen, wer da sang, doch gelang
es ihr nicht. Eines Tages nun hing sie ihren Mantel und ihren Korb, in dem sie
Muscheln sammelte, an ihren Grabstock, so dass es aussah, als sammle sie
Muscheln. Dann schlich sie sich von hinten zum Hause. Da hórte sie folgenden
Sang: ,O! Mutter glaubt, wir seien Hunde und verlisst uns täglich. Sie weiss
nicht, dass wir Menschen sind.“ Und sie sah sechs Knaben umherspielen. Einer
sass als Wächter an der Hausthür und sah nach dem Strande, um gleich seine
Brüder zu benachrichtigen, wenn die Mutter heimkomme. Im Hause sah sie die
Hundefelle, in denen die Kinder sonst immer steckten, hängen. Da sprang sie
hinein, ergriff die Felle und warf sie ins Feuer. So mussten die Kinder Menschen
bleiben. Sie wurden die Ahnen der K-oä'antrl. Später kam Qäls des Weges und
verwandelte K'alr‘tsemEs in einen Dachs.
3) Die K-getse. Der Ahne der K-ë'etss wurde von der Gottheit vom Himmel
herabgesandt. Als er hernieder kam, hörte man einen lauten Lärm droben. Sein
Name war Tsatä’selten,
4) Die Mä’cQui. Der Ahne der Ma'eqQui, Sk'Elé'yitl (von sk'Elà'o, Biber), hatte
einen Sohn, den er ebenso, wie sich selbst, ganz in Biberfelle kleidete. Als Qäls
kam, kämpfte er mit ihm, indem beide einander gegenüberstanden und sich gegen-
seitig zu verwandeln suchten. Endlich besiegte ihn Qäls. Skle'yitl sprang ins
Wasser und schlug dort wild um sich Er wurde nebst seinem Sohne in Biber
verwandelt.
5) Die Lek”ä'mel (NEk"ümen). là'gpk:é'lgm, der Ahnherr der LEk"'á'msl, lebte
mit seiner Mutter zusammen. Die Menschen hatten damals noch kein Feuer und
lebten wie im Traume. Als die Sonne das sah, hatte sie Mitleid mit ihnen und
stieg vom Himmel herab in Gestalt eines Mannes. Dieser gab Iälepk’&lem das
Feuer. Da erwachte derselbe aus seinem traumhaften Leben zu wirklichem Leben.
Die Sonne unterwies ihn und sein Volk in allen Künsten. Später kam Qäls des
Weges und kämpfte mit lalepk-é]Em. Sie standen einander gegenüber und ver-
suchten, einander zu verwandeln. lalepkrélEm nahm etwas weisse Holzasche auf,
streute sie auf sich und rühmte sich durch die Hülfe der Sonne mächtig und weise
geworden zu sein. Er sprang dabei hoch in die Höhe. Da rief Qäls: Thue
künftig ebenso im Wasser!“ und verwandelte ihn in einen Stör.
6) Die Te'ilequé'uk. In Ts’uwä’le, am Unterlauf des Chilluwak River, wohnte
ein Häupiling, der hatte eine sehr schöne Tochter. K-aiq, der Nerz, wünschte sie
für sich zu haben. Daher nahm er die Gestalt eines hübschen jungen Mannes an
und ging den Fluss hinauf an der dem Dorfe gegenüberliegenden Seite. Er trug
eine Harpune in der Hand und Fische auf dem Rücken, so dass es aussah, als
habe er sie eben gefangen. Gerade um diese Zeit hatte ein alter Mann alle jungen
Mädchen, unter ihnen die Tochter des Häuptlings, zum Baden ausgesandt, Die
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Mädchen sahen den jungen Mann, der immer ps! ps! rief, und die Fische, welche
er trug, und baten. ihn, ihnen einen hinüberzuwerfen. Er erfüllte ihre Bitte,
der Fisch fiel ins Wasser, schwamm in die Häuptlingstochter hinein und machte
Sie krank. Ihr Vater suchte einen Schamanen, um sie zu heilen. Da nahm der
Nerz die Gestalt eines Schamanen an. Er ging Abends zum Dorfe und als eine
alte Frau ihn dort erblickte, sprach sie: „Gewiss kann er das Mädchen heilen.“
Sie riefen ihn ins Haus und er versprach sie wieder herzustellen. Zunächst schickte
er alle Leute aus dem Hause und liess nur eine alte Frau vor der Thüre sitzen,
Un mit den rythmischen Schlägen des Tanzstabes seinen Gesang zu begleiten.
Zunächst sang er, dann aber schlief er mit dem Mädchen. Dieselbe gebar sofort
darauf ein Kind. Da sprang er sogleich aus dem Hause. Die Alte hörte das Kind
Schreien und rief die Leute. Diese wurden sehr zornig. Sie nahmen das Kind
Und warfen es aus dem Hause hinaus. Der Nerz stand aber draussen und hielt
Seinen Mantel aus Bergziegenfell ausgebreitet, in dem er es auffing und mit ihm
davonging. Der Vater des Mädchens ward nach einiger Zeit betriibt, dass er seinen
Enkel verloren hatte. Daher sandte er zu K‘ä‘ig und liess ihn bitten, denselben
Zurückzuschicken. Er willfahrte der Bitte und sandte den Knaben zurück. Dieser
*'hielt dann den Namen T'équli'ica (vom Unterlauf des Flusses). Er ward der
ÂAhne der Toilequë'uk- ”). |
Später traf Qäls T’equlä’tca. Sie kämpften miteinander und versuchten eın-
ander zu verwandeln. Qäls verwandelte ihn zuerst in eine Rübe. Doch gelang
diese Verwandlung nicht völlig. Dann versuchte er ihn in einen Lachs und darauf
' einen Nerz zu verwandeln, doch gelang ihm dies nicht besser. Der Nerz trug
Adlerfedern auf dem Kopfe. Da verwandelte er ihn schliesslich in einen Stein.
7) Die Steëlis. Der Ahne der Steëlis heisst Ts’ätsrmilto. Dieser war von
der Gottheit vom Himmel herab gesandt worden. Einer seiner Nachkommen baute
ein Wehr an dem rechten Zuflusse des Harrison River. Dasselbe erstreckte sich
Quer über den Fluss, so dass keine Fische daran vorbei den Fluss hinauf gelangen
konnten. Oben am Flusse in K-oàlEqt lebte aber ein. Stamm, von dessen Vor-
handensein Te’ä’tsemiltg nichts wusste. Der Häuptling desselben war K'ulk‘e'menil.
Thre Ahnen waren ursprünglich Bergziegen und Marder gewesen und dann in
Menschen verwandelt. Als nun Ts’a’tsemilt@ das Wehr gebaut hatte, litten die-
Selben grosse Noth. Ts'a'tsemiliQ hatte vier Sóhne, die allnächtlich am Wehre auf-
Sassen, um Lachse zu fangen. Sie hielten eine Schnur um den Finger gebunden,
die an eine unterhalb des Wehres eingerammte, dünne Stange angebunden war.
Wenn dann die Lachse an das Wehr kamen, und daran entlang schwammen, um
nen Ausgang zu.suchen, so streiften sie an der Stange her, die sich bewegte
"nd so die Fischer weckte. Diese bliesen dann sogleich in Bereitschaft gehaltene
Fackeln an. bei derem Scheine sie die Lachse speerten. Als die Noth in dem
Oberen Dorfe immer grösser wurde, Z0g K‘ulk-r’menils Sohn aus, um nachzusehen,
Warum die Lachse ganz ausblieben. Er gelangte unbemerkt an das Wehr, und
Yersuchte, während die Männer auf die Fische warteten, einige der Stangen heraus-
ZUzichen, damit die Fische hindurchschwimmen könnten. Die Söhne Ts’a’tsemiltes
Merkten aber, dass Jemand an dem Wehre sich zu thun machte. Sie bliesen ihre
,, 0 Die Te'ileque'uk: sprachen bis vor vier Generationen die Nooksak-Sprache, welche
s der der Lummi fast identisch ist. Sie müssen daher als ein den übrigen Fraser River-
a, nen erst neuerdings assimilirter Stamm angesehen werden. Hierauf weist wohl auch
sa en erzählte Sage hin, nach der ihr Häuptling allein vom Unterlaufe des Flusses
Int, wührend der Stamm am Oberlaufe wohnte.
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Fackeln an und erblickten eben noch einen Jungen Mann, der zu entfliehen suchte.
Sie aber waren sehr gute Läufer und holten ihn ein. Da sprach er: „O, Brüder!
Wir sind sehr arm in unserem Dorfe, da gar keine Lachse kommen. Daher sandte
mich mein Vater herab, um zu sehen, warum die Lachse plötzlich ausblieben.“
Ts’à‘tsemiltes Sähne erwiderten: ,Kommt doch herunter und seht Euch das Land
unseres Vaters an.“ Der junge Mann ging zurück und sein ganzer Stamm folgte
der Einladung. Sie zogen hinab, eine grosse Schaar. Ts’à*tsemiltos Söhne hei-
ratheten K'ulk'r’menxils Tüchter und der erstere wies ihnen ein Stück Land an, auf
dem sie sich Häuser bauten. Seit jener Zeit leben beide Stämme gemeinschaftlich
in Steé'lis.
8) Die Skrau'élitsk:: Der Stammvater der Skau'élitsk hiess Kulte/mkelto. Seine
Tochter fand den Sqo&'eqoé. Er selbst wurde von Qüls in Stein verwandelt.
9) Die Prla‘tlo. Eine Frau, Namens Clém (Pelican), lebte in Tca'tcomil, wo
es viele Binsen giebt. Eine der letzteren nahm die Gestalt eines Mannes und
den Namen Qä’latca (wird sichtbar) an. Derselbe trug Hammer und Axt. Er
war ein guter Bootbauer. Er heirathete die Frau und sie wurden die Ahnen der
Pela'tle. Als Qäls kam, verwandelte er Qä’latca in einen Stein. Man sieht noch
heute seinen Hammer und seine Axt bei ihm liegen.
10) Die Pä’pk’um. Der Stammvater der Pä’pk’um hiess Aiuwä’lug. Als Qäls
ihn traf, verwandelte er ihn in eine Bergziege. Daher giebt es viele Bergziegen
auf dem Berge Tlé'ükk'é, südwestlich von Pä’pk’um.
11) Die Siyi‘ta. Ein Bär lebte in Squhämen. Er wurde in einen Menschen
verwandelt, der den Namen Autltën annahm. Er heirathete und hatte eine Tochter-
Eines Nachts hörte er einen Mann seiner Tochter Bett verlassen. Er sprang auf,
um zu sehen, wer es war; jener war aber verschwunden. Dann fragte er seine
Tochter, wer jener sei. Sie kannte ihn auch nicht. Da hiess er sie, ihre Hände
mit Fett und rother Farbe beschmieren und damit den Mann, wenn er wieder zu
ihr kommen sollte, umfangen. Sie folgte dem Rathe ihres Vaters und da sahen
sie am folgenden Morgen, dass der schwarze Hund Autlte'ns ganz voller Farbe
war. Die Mutier des Müdchens entdeckte es zuerst und rief: „Siehe, Vaters Hund
hat bei Dir geschlafen!“ Da schämte sich das Mädchen. Im selben Hause mit
Autlté’n lebte aber auch der Stor. Dieser sprach: ,Nein! wenn er bei dem Mäd-
chen war, kann er nur zuletzt heute Morgen da gewesen sein, denn ich habe immer
bei ihr geschlafen. Wenn sie schwanger ist, so glaubt mir, dass sie das Kind von
mir trägt.“ Autlt&n sprach gar nichts, das Mädchen aber schämte sich sehr. Als
sie nun einen Knaben gebar, nahm,der Stór denselben und irug ihn zum Wasser.
Er warf ihn in den Fluss und er ward sogleich in einen kleinen Str verwandelt.
Der alte Stor fing ihn, tódtete ihn und zerschnitt ihn. Dann setzte er ihn den
Leuten vor und sprach: „Werft keine der Grühten fort, sondern gebt mir alle."
Sie thaten also. Da nahm er die Grühten in eine Schüssel und trug sie ins Wasser.
Sogleich wurden sie wieder lebendig und der Knabe stieg unverletzt aus dem
Wasser hervor. Derselbe wuchs heran und ward der Stammvater der Siyi't'a.
Autltën und seine Familie wussten, dass Qüls kommen würde und dass er
alles verwandelte, Sie Sprachen zu einander: „Uns soll er nicht verwandeln. Er
ist keine Gottheit, er ist nur einer Bärin Sohn.“ Als Qäls nun kam, machte er
wieder ein Lager nicht weit von Seouhä'men. Qoa'k'otlk'otl allein ging zu Autlté^n,
nachdem er die Gestalt eines alten Mannes angenommen hatte. Er fragte Autltén:
„Was thust Du?“ Jener versetzte: „Ich fange Lachse im Netze zwischen zwei
Booten.“ Qäls fragte dann: „Und wie fängst Du Hirsche?“ Autlt&n erwiderte:
„Auch diese fange ich in Netzen.“ Da fragte Qäls: „Und wie fängst Du Vögel?“
(559)
Jener sagte: „In feinen Netzen.“ Dann fragte Qäls: „Und wie liegst Du,
wenn Du schläfst, auf der rechten oder auf der linken Seite?“ „Nein,“ sagte
Autlte'n, „ich schlafe so, auf dem Rücken.“ „Und wie hältst Du Deine Beine?“
fragte Qäls. „Die ziehe ich so in die Höhe.“ „Und wie hältst Du Deine Hände?“
»Die ziehe ich ans Kinn hinauf.“ Autlié'n hatte sich, indem er so sprach, auf den
Rücken gelegt, die Beine in die Höhe und die Hände ans Kinn hinaufgezogen.
Da verwandelte ihn Qäls in einen Stein, der noch heute in Squhä'mEn (Agassiz)
ZU sehen ist.
12) Die Qxtlà'ü. QélqrlEmas, der erste QEtla‘tl, war sehr michtig. Sein
Volk waren lauter Flussungeheuer. Einst kam Qäls zu ihm, Die drei Brüder
Setzten über den Fluss, um ihn zu besuchen, während ihre Schwester auf der
Segenüberliegenden Seite blieb. Sie kamen glücklich über den Fluss, der dort sehr
Sefährlich ist. Als sie aber zu Q&1lqelemas kamen, rief dieser sein Volk, und als
Qüls die schrecklichen Gestalten sah, fiel er in Ohnmacht. Qé'igrlemas nahm ein
Zaubermitte] aus seinem Korbe, besprengte ihn damit und stellte ihn so wieder her.
13) QéIqrlgmas! Bruder, Sk'elà'o (Biber), war der erste Hüupling der Spe'yim
(Spuzzum, das südlichste Dorf der Ntlakyapamugq). Als dieser sah, dass Qàls zu
Seinem Bruder kam, machte er sich einen unterirdischen Gang zu dessen Hause,
"Un ihm jm Falle der Noth zu helfen.
2. Mond und Sonne.
. Àn der Mündung des Ausflusses von Silver Lake lebte eine alte Frau, Namens
Kaia'm, ganz allein. Eines Tages ging sie zum Flusse hinab, fing einen Lachs
"nd nahm seinen Rogen aus. Sie nahm zuerst die längere Seite desselben, drückte
Sle aus und sprach dabei zur Sonne gewandt: „O Sonne, ich bin ganz allein. Er-
Parme Dich meiner und gieb mir Genossen, mit denen ich leben kann.^ Dann
lahm sie die kürzere Seite des Rogens und drückte sie aus. Indem sie also that,
betete sie wieder ebenso zur Sonne. Da wurden die beiden Hälften des Rogens
m Zwei Mädchen verwandelt. Diese wuchsen heran und wurden sehr hübsch. Die
drei Frauen lebten ganz allein und die jungen Mädchen hatten nie einen Mann
t sehen, Als sie erwachsen waren, wünschten sie sehr einen Mann zu bekommen.
or diese Zeit starb Käiä’m. Die Mädchen legten den Leichnam in ein Boot und
Uhren ihn, den Befehlen der Alten gemäss, eine kurze Strecke den Fluss hinauf
Und setzten ihn bei. Sie legten den Steinhammer und den Keil der Alten zu ihr
Ins Grab. Dann kehrten sie nach Hause zurück und legten sich jede an ihrer
Seite des Hauses nieder zu schlafen. Die Alte aber war gar nicht todt, sondern,
als die Mädchen wieder fortgegangen waren, erhob sie sich und. nahm die Gestalt
qe jungen Mannes an. Sie wollte die Mädchen zum Besten haben. Zu diesem
ae band sie sich ihre Haut zusammen, die ganz verschrumpft war, und die
Th auf solche Weise wieder glatt machte, Dann brach sie ihren Hammer in zwei
A eile, die sie sich als Hoden amsteckte; den Keil fügte sie sich als Penis an.
e Düchsten Morgen bestieg sie dann das Boot, in dem sie beigesetzt gewesen
Gen und fuhr zu ihrem Hause hinunter. Sie hatte ihr Haar zurückgebunden, ihr
An Chi mit Glimmer geschmückt und Marderfelle um Kopf und Leib gebunden.
Hs Me den Fluss hinab ruderte, sang sie: ,Auxnä'qoa, auEnä'qoa, ayo'k'sa Kayilà'pa.
che ha, yuk: Kayilä‘pa.” Sie hatte sich den Namen Kayilà'pa gegeben. Die Màd-
je de gingen hinaus, als sie den Gesang hörten und dachten: „Da kommt ein Mann,“
beid wünschte ihn für sich zu haben. Die Jüngste war die schönste, und als
gui e ihn riefen, folgte Kayilà'pa ihr. Er setzte sich zu ihr aufs Bett, sie kochte
es Essen und setzte es ihm vor. Sie gab ihm einen schönen Löffel. Während
(5e)
er ass, hielt er seinen Mantel über seinen Mund. Die Mädchen wunderten sich
sehr darüber und konnten sich nicht denken, warum er das that. Er wollte sie
nicht sehen lassen, dass er keine Zähne hatte. Als sie glaubten, dass er fertig ge”
gessen hatte, nahmen sie Schüssel und Löffel fort. Als nun Kayila'pa aufstand,
sahen sie, dass all das Essen, das sie ihm gegeben hatten, vor seinem Platze auf
dem Boden lag. Er hatte es nicht beissen können. Darüber wunderten sich die
Mädchen noch mehr. Sie gingen hinaus und unterhielten sich mit einander dar-
über. Beide wollten ihn gern zum Manne haben und kamen schliesslich dahin
überein, dass er zwischen beiden schlafen solle. Als sie nun im Bette lagen, legte
die eine ihren Arm über seinen Bauch, fühlte nach seinen Genitalien, um sich zu
vergewissern, dass er auch ein Mann sei, und ward überzeugt, als sie den Keil
und die Hälften des Steinhammers fühlte. Dann kitzelte sie ihn und er lachte nun
gerade, wie Küià'm immer zu lachen pflegte. Sie fühlte dann, dass seine Haut nur
zusammengebunden war und erkannte nun die Alte, die sie so zum Besten gehabt
hatte. Die Mädchen schämten sich so sehr, dass sie fortliefen.
Sie gingen den Bach hinauf und trafen nach langer Wanderung eine alte
Frau. Sie sahen, dass dieselbe ein Kind wiegte, und bemerkten bald, dass sie
blind war. Die beiden Mädchen traten auf sie zu, und fragten: „Wessen Kind
wiegst Du da.“ Sie versetzte: „Das ist meiner Tochter Kind.“ „Wo ist denn
Deine Tochter?“ fragten die Mädchen. Die Alte erwiderte, dass sie fortgegangen
sei, sich zu schaukeln. Dann fragten die Mädchen, wo der Vater des Kindes sei,
und hörten, dass derselbe oben am Bache Lachse fange. Während sie dort waren,
schrie das Kind beständig und die Alte hielt den Ast, an den die Wiege ange-
bunden war, in unaufhörlicher Bewegung, um es zu beruhigen. Die Mädchen
sagten: „Das Kind ist schmutzig, darum weint es beständig. Wir wollen es für
Dich waschen.“ Sie nahmen es aus der Wiege, gingen mit ihm zum Bache und
kamen nach kurzer Zeit wieder. Sie sagten zu der Alten: „Jetzt ist das Kind
rein. Nun wird es wohl ruhig sein.“ Sie thaten, als legten sie es in die Wiege,
legten aber in Wirklichkeit ein Stück verfaultes Holz hinein und stahlen das Kind.
Die Alie schaukelte ruhig die Wiege weiter. Da aber das Kind sich lange Zeii
nicht rührte, ward sie unruhig, fühlte nach und fand nun das Stück Holz. Da
rief sie ihren Schwiegersohn: „Sk‘oä’sk‘oästel! zwei Frauen haben Deinen Sohn ge-
stohlen.^ Der Mann hürte, dass sie ihn rief, war aber nicht im Stande, zu ver-
stehen, was sie sagte, da der Bach, in dem er fischte, zu viel Làrm machte. Er rief
huá, huá, nahm etwas Wasser in den Mund und sprühte es in den Bach, der darauf
sogleich stille wurde, so dass er verstehen konnte, was seine Frau sagte. Als er
hórte, dass ihr Enkel gestohlen war, ward er böse, lief nach Hause zurück, nahm
die Alte an den Haaren, warf sie auf die Erde und rief: » Wenn Menschen Dich
künftig finden, sollen sie Dich essen.“ Sie ward eine Riibe (ts'u'koa), ihre Haare
wurden die Blätter der Pflanze.
Die Mädchen kamen schliesslich ganz oben am Bache an und blieben dort
wohnen. Der Knabe, den sie gestohlen hatten, wuchs heran, und sie machten ihm
Bogen und Pfeile. Zuerst schoss er Vögel, als er aber stärker wurde, bat er die
Mädchen, ihm einen starken Bogen zu machen. Sie erfüllten seine Bitte, und er
schoss nun Hirsche, Bären und Bergziegen. Als er erwachsen war, nahm er die
beiden Mädchen zu Frauen.
Die Mutter des gestohlenen Knaben kam nach Hause, als sie sich genug ge-
schaukelt hatte. Als sie fand, dass ihr Sohn gestohlen war, ward sie sehr betrübt.
Sie liess sich etwas von dem beschmutzten Cederbast aus der Wiege des Kindes
geben, nahm ihn zum Bache, weinte, betete zur Sonne und drückte ihn dann aus,
VIT
OU
(561)
E dass der Unrath ins Wasser tropfte. Da wurde derselbe sogleich in einen
i. ben verwandelt, den sie Sk'u/mtcetl nannte. Sie war der Sonne dankbar, dass
ih ihr ein anderes Kind gegeben hatte. Als der Knabe heranwuchs, machte sie
ws Bogen und Pfeile und er jagte auf den Bergen. Seine Mutter erzählte ihm,
im sein Bruder verloren gegangen sei, und befahl ihm, wenn er je einen Fremden
Walde träfe, freundlich gegen ihn zu sein, da es sein Bruder sein möge.
üb Eines Tages ging Sk'u'mtcetl weit fort, um Bergziegen zu jagen. Er blieb
w er Nacht aus und traf einen Fremden, der ebenfalls auf Bergziegenjagd begriffen
zt Sie spielten Lehal mit einander. Am nüchsten Tage, als er wieder auf Derg-
kan age ging, traf er abermals den Fremden, und als er nun Abends nach Hause
- erzählte er seiner Mutter von der Begegnung. Sie sprach: „Wenn Du ihn
d triffst, sieh ihn Dir genau an. Dein Bruder hat eine Narbe auf der Stirn,
Sk- er erhielt, als er einstens aus der Wiege fiel.“ Am folgenden Tage traf
sich Micetl den Fremden wieder. Jener nahm ihn mit nach Hause und sie setzten
hatt Zum Spielen. Sk'u'mtcetl sah nun, dass jener eine grosse Narbe an der Stirn
ein 4 Da sprach er: „Du bist mein Bruder. Jene beiden Frauen stahlen Dich
ef, Ich erkenne Dich an der Narbe, die Du auf der Stirne hast.“ Als jener so
sich T, dass die Frauen ihn einst als kleines Kind gestohlen hatten, scháümte er
Ki So, dass er sein Haus ansteckte und sich selbst mit seinen Frauen und den
Indern, die er von jenen hatte, verbrannte. Er wurde der Mond.
Wa Er sandte Sk-u'mtcetl nach Hause zurück. Als dieser seiner Mutter erzählte,
La, geschehen war, ward sie betrübt. Sie sprach: „Ich werde wieder zu dem
rode gehen, in dem die Sonne untergeht, und wo man sich schaukelt. Hinfort,
am die Sonne Krankheit und Tod unter die Menschen senden will, werde ich
Sk Lange ziehen und es rütteln, zum Zeichen dessen, was Euch bevorsteht.“
Vmicet] ging dann ins Gebirge und wurde die Sonne.
Als Qüls spáter Küià'm traf, verwandelte er sie in Stein.
3. Der Specht und der Adler.
W Teme'tlepsem, der rothkopfige Specht, hatte eine Frau, Namens Leqyiles, zum
iy deren Scheide mit: Zähnen besetzt war. Sie pflegte allen Männern, die mit
wa Schliefen, den Penis abzubeissen, und sie so zu todten. Ts''sk'El, der Adler,
B. der Bruder des Spechtes. Der Specht und der Adler hatten jeder einen Sohn.
Ro er lehrte sein Kind, an Bäumen hinaufklettern, letzterer das seine, in weiten
D, en aufwärts zu fliegen. Lrkyiàp, der Prairiewolf, lebie mit ihnen in einem
kar Er war ein schlechter Mensch und war eifersüchtig auf die Geschicklich-
jen der Sghne des Spechtes und des Adlers. Er dachte darüber nach, wie er
uà on Schaden zufügen könne. Er befahl seiner Frau, ihre Nothdurft zu verrichten,
lies dann verwandelte er ihre Exkremente in einen schönen Wasservogel. Diesen
ia. er vor den beiden jungen Männern umherschwimmen, um sie zu verführen,
Sch zu verfolgen. Dann fing der Vogel an, weiter und weiter den Fluss hinauf zu
Ka men. Die Jünglinge waren nicht im Stande, ihm näher zu kommen. Sie
b *n mitunter zum Schusse, konnten den Vogel aber nicht todten. So lockte er
A und weiter den Fluss hinauf, bis sie endlich zum Himmel kamen. Dort
. "1 sie einen der Himmelsbewohner, der sie mit zu seinem Hause nahm.
Bie Als ger Specht und der Adler ihre Sohne vermissten, wurden sie sehr betrübt.
Waren ten zu allen Leuten und allen Landen, um nach ihnen zu suchen; sie
Söhne aber nicht zu finden. Endlich erfuhren sie von einem Manne, dass ihre
Söhne im Himmel seien. Da wollten sie hinauf in den Himmel gehen, um ihre
? wiederzuholen. Sie wussten aber nicht, wie sie hinkommen sollten. Sie
Verhandl, der Berl, Anthropol. Gesellschaft 1891. 7
#6
ce
beriefen eine allgemeine Rathsversammlung, in welcher sie die Thiere frugen, wie
man in den Himmel kommen könne. Zuerst trugen sie dem Pelikan auf, zu ver-
suchen, in den Himmel zu fliegen. Er flog in die Hóhe, musste aber unverrichteter
Sache umkehren. Dann trugen sie dem Maulwurf ( pElà'"wkl) auf, zu versuchen
unter dem. Wasser und unter der Erde in die Hóhe zu kriechen. Er konnte e$
aber nicht. Dann liessen sie die Schwalbe (EEI) in die Höhe fliegen; sie ge-
langte aber auch nicht bis zum Himmel. Nun flog der Adler selbst in die Höhe,
musste aber auch unverrichteter Sache umkehren. Dann machte einer der am
Meere wohnenden Zwerge K'stai'muo, die ausserordentlich stark sind, den Versuch.
Er:gelang ihm aber nicht. Da sie nun gar nicht wussten,'wie sie hinauf gelangen
sollten, stand 'I'à^mia, der Enkel von Lrqyiles auf, und sprach: ,Ich tráumte letzte
Nacht, wie wir hinauf gelangen können.“ Er strich seine Haare zurück, _bemalte
sie mit rother Farbe, machte eine rothe Linie von seiner Stirn über die Nase zum
Kinn herunter und begann zu singen, während seine Grossmutter Takt schlug: .
"7. QWus T'à'mia tsEnà'! avatsensé’ss kulskulimt te suä’yil.“
| T’ä’mia . ich! nicht ich fürchte mich zu schiessen den Himmel.
Dann richtete er seinen Bogen nach dem Eingang zum Himmel. droben und
schoss einen Pfeil ab. Derselbe flog und flog und traf endlich den Himmel gerade
unter dem Eingange. Er schoss einen zweiten Pfeil ab, der die Kerbe des ersten
traf und so fuhr er fort, bis die Pfeile eine lange Kette bildeten Seine Gross-
mutter half ihm dabei, indem sie sang und Takt schlug. -Als die Kette fertig war,
wischte er sich die rothe Farbe vom Gesichte und bemalte seinen ganzen Körper
mit gebrannten Knochen weiss. Dann verwandelte er die Pfeile in einen breiten
Weg, der zum Himmel hinauf führte. Nun gingen alle Leute zum Himmel hinauf,
kämpften mit den Himmelsbewohnern, besiegten sie und befreiten die Söhne des
Spechtes und Adlers. Dann kehrten sie nach Hause zurück. Als alle glücklich
wieder unten angekommen waren, zerbrachen sie den Weg, auf dem sie hfnauf-
gegangen waren. Sie hatten nicht bemerkt, dass die Schnecke noch nicht ange-
kommen war. Sie langte am Himmelsthore an, als die Pfeilkette schon zerstort
war, und musste sich hinunterfallen lassen. Da zerbrach sie sich alle Knochen
und seither ist sie sehr langsam.
Der Adler und Specht wussten nun, dass der Prairiewolf ihre Söhne in den
Himmel gelockt hatte, und sie beschlossen sich zu rüchen. Der Prairiewolf wohnte
in einem unterirdischen Hause. Der Specht ging dorthin und hackte unbemerkt
die Pfosten, welche das Dach trugen, sowie den Fuss der Leiter, die als Eingang
dient, durch. Als nun der Prairiewolf nach Hause kam, fiel das Haus ein und er-
schlug ihn'sammt seiner Frau.
‚Der graue Bär war ein Freund des Prairiewolfes. Er dachte: „Warum haben
der, Adler -und Specht meinen Freund getödtet? Ich werde ihn rächen“ Um sein
Ziel zu erreichen, verwandelte er sich in einen Hund und ging in die Hütte des
Vogels Ts’elk‘ä'k, der ein hübsches Mädchen war. Er wünschte dann, dass die
Sohne des Adlers und des Spechtes jene zur Frau begehren sollten. Es geschah,
wie er gewünscht; und zuerst zog der älteste Sohn des Adlers aus, Ts’rlkäl 24
heirathen. Der Sitte gemäss setzte er sich neben der Hausthür nieder, ohne em
Wort zu sprechen (siehe American Anthropologist 1889. p. 332). Da kam der
graue Dür aus dem Hause herausgelaufen und frass ihn. Da der Sohn des Adlers
gar nicht zurück kam, dachte der Sohn des Spechtes: „Das muss ein gutes Land
sein, in dem mein Freund jetzt wohnt. Ich will auch hingehen.“ Als er nun ans
Haus kam und in die Thüre trat, stürzte der graue Bär auf ihn los und frass ihn.
Die jüngeren Brüder beider theilten das gleiche Schicksal. Da nun die Söhne des
€ zt
un
(54%)
Adlers und Spechtes gar nicht zuriickkehrten, wussten die Alten, dass sie ums
Leben gekommen waren. Sie hatten noch jeder einen ganz jungen Sohn. Diese
Sandten sie in den Wald, dort zu baden und sich mit Qederzweigen zu waschen,
um stark zu werden. Sie gehorchten und wurden sehr stark. Sie dachten immer
an ihre Brüder, und als sie gross geworden waren, zogen sie aus, dieselben zu
Suchen. |
Einst trafen sie einen alten Mann, den Waschbiren (mele’s). Dieser lud sie
ein, in sein Haus zu kommen, und bewirthete sie. Er wusste, dass sie ihre Brüder
Suchen wollten, und sagte: „Nehmt Euch in Acht; wenn Ihr auf diesem Wege
Weiter wandert, werdet ihr an einige Häuser gelangen. . Auf. der linken Seite des
Weges wohnen böse Menschen. Diejenigen, welche auf der rechten Seite wohnen,
Sind nicht so böse.“ Die jungen Männer wanderten nun weiter und sahen bald
Zwei Häuser, eines zur Rechten, eines zur Linken des Weges. Rechts wohnte
die Quarzfrau, links eine graue Bärin. Beide waren Frauen des Sqäuwä’l (Marder ?).
Sie hörten, wie die Bärin rief: „Genossin! komme herüber und lause mich.“
Die Quarzfrau kam, nahm den Kopf der Bärin zwischen die: Knie und lauste
Sle. Als sie fertig war, fing die Bärin an, sie zu lausen. Dabei kraizte sie sie
aber mit ihren langen. Nägeln. Darüber ward die Quarzfrau zornig und die beiden
Üingen an, sich an den Haaren zu raufen und zu schlagen. Da die Quarzfrau fast
Unterlegen wäre, rief sie ihren Bruder zu Hülfe, der nicht weit von dort wohnte.
Er kam und schlug seine Schwester hinten vor. Da sprühte Feuer aus ihr heraus.
So half er ihr in ihrem Kampfe mit der Bürin. Die letztere hatte die Aufgabe,
auf den Weg‘ zu achten und niemand vorbei zu lassen. Der Waschbär hatte ge-
Wacht, dass sie mit der zweiten. Frau stritt, um den jungen Münnern so Gelegen-
heit zu geben, unbemerkt vorbei zu kommen, Sie gingen an den Häusern vorüber,
Während die beiden Frauen noch mit einander stritten. Als die Bärin sie endlich
"hideckte, hatten sie einen guten Vorsprung. Sie machte sich aber aber doch zur
Verfolgung auf. Bald kamen die jungen Leute zu zwei anderen Häusern. Rechts
Yom Wege stand das von Sts’ëk', dem Luchse, links das von Ts'Elkák, in dem die
Gebeine ihrer Brüder lagen. Der Luchs wollte sie sogleich fressen. Da sie so
Von der Bürin und dem Luchse verfolgt wurden und nach keiner Seite: entfliehen
konnten, kletterten sie eine alte Kiefer hinauf. Die Bärin sah sie oben ‚sitzen und
that freundlich. Sie rief: „Kommt doch herunter, meine Enkel!“ Sie riefen hinab:
»Legt Euch auf den Rücken und spreizt Eure Beine auseinander, dann wollen wir
herunter kommen.“ Die Bärin und der Luchs thaten, was die jungen Mánner ver-
langten, da sie hofften, sie dann fangen zu kónnen. Kaum aber lagen sie da, als
die beiden vermodertes Holz herunter warfen. Der Staub fiel der Bärin und dem
Luchse in Augen, Mund, Nase und Genitalien, so dass sie vor Schmerz schrien.
Die jungen Minner kletterten dann rasch herunter und liefen weiter. Als die Bärin
Wieder sehen konnte, setzte sie die Verfolgung fort, während. der Luchs umkehrte.
Die Flüchtlinge kamen endlich an einen Fluss, den sie nicht überschreiten konnten,
Sie sahen einen alten Mann, Namens K'oalé'k:oa, die Mówe; an der anderen Seite,
"hd baten ihn, sie in seinem Boote hinüber zu holen. Er kam sogleich und er-
füllte ihre Bitte. Nach einiger Zeit kam auch die Bärin an, die den. Spuren der
Jüngen Männer gefolgt war. Als sie an den Fluss kam, war K-oalé/k'oa wieder an
der anderen Seite. Sie rief ihn und bat ihn, sie überzusetzen. Der Alte hámmerte
Aber. an. seinem Boote herum und liess sich gar. nicht stören. Er-wollten den
Jungen Männern helfen und die Bärin ertränken. Zu diesem Zwecke trieb er einen
Ast, der nahe dem Schnabel im Boden seines Bootes war, heraus. Als er damit
fertig war, ‘that er, als hore er erst das Rufen der Bärin und ging hinüber. Er
20* .
OO
(564)
Sass hinten in seinem Boote, so dass das Vordertheil aus dem Wasser stand und
also kein Wasser durch das Loch, das er gemacht hatte, hineinlaufen konnte. Er
sagte nun zu der Bärin: „Siehe! mein Boot ist Schlecht; es ist. ein Loch vorne
darin. Du musst Dich gerade darauf setzen, sonst kann ich Dich nicht hinüber
bringen, denn mein Boot würde voll Wasser laufen.“ Die Bärin ‚setzte sich also
gerade auf das Loch und musste da sitzen bleiben, wenn das Boot nicht unter-
gehen sollte. Als sie so da sass, floss das Wasser in ihre Genitalien hinein. Der
Mann fuhr ganz schief über den Fluss, so dass sie recht lange unterwegs waren,
und das kalte Wasser tüdtete die Bärin, ehe sie drüben ankamen.
Die beiden jungen Leute wanderten weiter und trafen bald zwei blinde Frauen,
Tequamä'is, das Rebhuhn, und La'’k'elak am, einen anderen Vogel. Sie waren die
Frauen K-a'igs des Nerzes. Letzterer war gerade auf Fischfang, als die beiden an-
kamen. Bald aber kam er nach Hause und sprach: „Bleibt bei mir als meine
Kinder, Ich will Euch helfen, Eure Brüder wieder zu erlangen.“ Am selben
Abend stellte er sich, als sei er sehr krank. Er sagte: „Bringt mich in meinem
Boote zum Strande hinab. Gebt mir meine Harpune mit und setzt mich dort bei,
wenn ich todt bin“ Die jungen Männer gehorchten und brachten K'àiq zum
Strande. Als sie dort ankamen, starb er, und sie setzten ihn bei. Dann gingen
sie zu den blinden Frauen zurück und erzählten ihnen, dass ihr Mann todt sel
Von nun an mussten sie für die Frauen jagen und Muscheln suchen. Als sie nun
eines Tages von der Jagd nach Hause zurückkehrten, kamen sie an K-a'iqs Grabe
vorbei. Sie hörten ihn rufen: „Habt Ihr viele Muscheln gefunden?“ und wunderten
sich sehr, dass der Todte sprach. Nach einigen Tagen kamen sie wiederum an
dem Grabe vorbei und nun fragte K'à'iq sie: ,Haben meine Frauen wieder gehei-
rathet? Sie antworteten: ,TéqQuami&'is hat einen anderen Mann genommen, aber
Là'k'Elak'am trauert noch um Dich.* Da Stand K-a'ik wieder auf und lief nach Hause
zurück. Er nahm Làá'kElakam wieder zur Frau. Dann wanderten die Jünglinge
weiter und die Frauen gaben ihnen Zauberkrüuter mit.
Eines Tages, als sie wieder auf Jagd waren, sahen sie in der Ferne Rauch
aufsteigen, und fanden, als sie nüher kamen, ein Haus, in dem der Büffel wohnte-
Dieser sprach: „Ich weiss, dass Ihr Eure Brüder sucht. Geht weiter in dieser
Richtung, dann werdet Ihr an eine Höhle kommen. Drunten wohnen die Todten
und unter ihnen Eure Brüder. Wir sind die Wächter des Einganges, aber wir
wollen Euch hineinlassen.* Sie gaben ihnen ein Zaubermittel und zeigten ihnen,
wie sie hineingelangen konnten, Die Jünglinge gelangten glücklich zu der Höhle
und stiegen hinein. Da sahen sie unter vielen anderen Leuten auch ihre vier
Brüder. Alle Leute spielten dori zusammen. Sie Sprachen nun zu den Brüdern:
Wir haben Euch lange gesucht. Eure Knochen liegen droben in dem Hause von
Ts'Elkà'k, aber Ihr weilt hier unten. Geht nun mit uns nach Hause zurück.“ Die
Brüder antworteten: „Wir können nicht mit Euch gehen. Denn wiewohl wir hier
unten stark und kräftig sind, sind wir ein Nichts auf der Oberwelt.“ Die Jüng-
linge erwiderten: „Jeder von uns wird seine beiden Brüder zuriicktragen, Dann
gehen wir zu dem Platze, wo Eure Knochen liegen, und wir werden sie wieder
lebendig machen.“ Die Brüder liessen sich dann zurücktragen und sie wurden
wieder lebendig. Sie kehrten dann zum Hause ihrer Eltern, des Spechtes und des
Adlers, zurück.
Diese hatten ihre Kinder längst verloren gegeben und waren blind geworden
von vielem Weinen. Die jungen Leute machten sie dann wieder jung und gesund.
Die beiden Jünglinge waren vortreffliche Jäger. Wenn sie auf Bergziegenjagd aus-
^d
(567)
Singen, schossen sie mit einem Schusse eine ganze Heerde. Sie wurden mächtige
Häuptlinge.
Als der Sohn des Adlers älter wurde, beschloss er zu heirathen und warb um
Qut, einen kleinen Vogel Diese nahm seine Werbung an, wollte aber nicht mit
in sein Land ziehen. Sie sagte: „Bleibe hier bei uns und werde ein grosser
Häuptling. Sende herum und lade alle Leute zu einem Feste ein.“ Da blieb der
Junge Adler dort, baute ein grosses Haus und lud alle Leute zu einem grossen
Schenkfeste ein. Eines Tages, als er aus war, um Hirsche zu jagen, deren Fleisch
für das Fest gebraucht werden sollte, kam sein Onkel, der Specht. Derselbe sah
Qut und wünschte sogleich, sie für sich selbst zur Frau zu haben. Sie wurde dem
Sohne des Adlers untreu und nahm die Werbung des Spechtes an. Als nun der
Adler zurückkam und seinen Onkel im Besitze der Frau fand, ward er betrübt
"hd ging zu seinem Vater zurück. Qui hiess nun den Specht alle Leute zu einem
Feste einladen. Er sandte den Hasen, den ,Hooknose^-Lachs und den Hecht als
Boten aus. Um die Zeit der Wintersonnenwende kamen alle Leute an und be-
Sannen das Fest mit dem Me'tla-Tanze im Hause Quis. Diese war eine Sió'wa?).
Sie tanzte und liess ihre Gäste dazu singen und Takt schlagen. Ihr Mann stellte
SInen grossen Korb vor sie. Als sie nun tanzte, spie sie in den Korb, der dann
Bleich voller Beeren war. Dann stellte ihr Mann einen anderen Korb vor sie, den
Se gleichfalls mit Beeren füllte, indem sie hinein spie. So machte sie die
Nahrungsmittel, mit denen sie das Fest gaben. Dann verschenkte sie viele Mäntel.
Unter den Gästen war auch der „Sockeye“-Lachs und sein Sklave, der Donner-
Vogel. Der letztere wünschte sehr, Qut für sich zu haben. Als das Fest nun vor-
Uber war, ging der Lachs in sein Boot, legte sich im Vordertheile nieder und
Schloss die Augen. Der Donnervogel stand im Hintertheile des Bootes. Da sie
Tun zur Abfahrt fertig waren, kam Qut zum Boote hinab, um ihren Gästen noch
Reiseproviant mitzugeben, wie die Sitte erheischt. Das Boot lag so weit vom Ufer,
dass sie bis an die Knie ins Wasser gehen musste. Da ergriff sie der Donner-
Vogel, hob sie ins Boot und fuhr mit seiner Beute von dannen.
irn Da der Specht auf solche Weise seine Frau verloren hatte, ward er sehr be-
ot, und dachte darauf, sie wieder zu erlangen. Er rief K-diq, den Nerz, der
"üher der Sklave des Sockeye-Lachses gewesen war, zu Hülfe. Dieser sprach:
»leh kenne das Haus des Lachses gut. Nahe dem Landungsplatz der Boote hat
a, Cim Lachswehr, das vom Donnervogel bewacht wird. Er selbst schläft an einer
La des Feuers, der Donnervogel auf der anderen. Lass uns die Gestalt von
"vo annehmen und in das Wehr schwimmen. Dann werden sie uns in das
"n tragen.“ Der Specht nahm dann die Gestalt eines Cohoe-Lachses, der Nerz
De eines Frühlingslachses (O. chouicha) an. Sie schwammen zu dem Wehre des
Lane 808 und liessen sich fangen. Der Donnervogel warf sie mit den anderen
vol Sen, die sich im Wehre gefangen hatten, in sein Boot. Da dachte K-à^iq: ,Ich
hat er ginge nun nach Hause und behielte uns beide für sich selbst.^ Kaum
" er das gedacht, da wandte sich der Donnervogel nach Hause und gab die
pa seiner Frau Qut. Dann dachte K-a'iq: ,Nun wollte ich, Qui trocknete
qr über dem Feuer und briete den Specht.“ Sogleich trug der Donnervogel ihr
wäh dies zu thun. Sie schnitt beide auf und legte K'aiq auf das Trockengestell,
Troggs sie den Specht brieten und assen. Nach kurzer Zeit fiel K-à'iq von dem
_ engestell herunter. Qui legte ihn wieder hinauf, nach ganz kurzer Zeit fiel
"b Sixth Report on the Indians of British Columbia in den Proceedings of the
ion for the Advancement of Science 1890. p. 28.
5681
(566)
er aber wieder herunter. Dann dachte K'à'q: „Ich wollte, der Donnervogel liesse
seine Frau jetzt die Grithten ins Wasser werfen. Dann fiel er wieder von dem
Trockengestell herunter und dachte: Ich wollte, jetzt düchten sie, ich sei ZU
schmutzig und würfen mich auch mit ins Wasser.“ So geschah es. Der Donner-
vogel trug seiner Frau auf, die Grähten und den Lachs, der so oft heruntergefallen
war, ins Wasser zu werfen. Sie gehorchte und ging bis an die Knie ins Wasser,
um die Grähten ordentlich ins Meer zu werfen. Da wurden die beiden Lachse
plötzlich wieder lebendig, nahmen Qut bei der Hand und schwammen mit ihr von
dannen.
Als sie nun wieder in ihrer Heimath angekommen waren, sprach Qui: „Lasst
uns zum (Harrison) See hinaufgehen. Ich will rothe Farbe holen.“ Sie holte
einen Korb voll Erde, reinigte sie, formte dieselbe in. kleine Bälle und trocknete
sie. Dann liess: sie ihren Mann Holz und Rinde holen, ein Feuer machen und
Steine auf demselben glühend machen. Danu brannten sie die Ballen trockener
Erde über den Steinen, nachdem sie erst etwas Erde darüber gedeckt hatten. So
lehrte sie ihren Stamm den Gebrauch und die Zubereitung der rothen Farbe.
Darauf kehrten sie nach Stseëlis zurück. Unterwegs. begegneten sie K-a'iq,
dessen Boot schwer mit Hirschen beladen war. Der Specht fragte ihn: „Wo hast
Du die. vielen Hirsche geschossen?“ Jener erwiederte: „Ich schiesse nie Hirsche-
Wenn ich welche haben will, singe ich nur: amé't'aq Ieglë'silats! me't'aq Ieqlée'silats!
(d. h. kommt herab, kommt herab! ihr Fettbüuchigen!) dann kommen sie herab zu
mir und fallen todt nieder.“
Als sie in. Stsedlis angekommen waren, liess Qut sie viele Wurzeln suchen.
Sie brachten ihr viele Körbe voll. Dann liess sie ein Loch graben und glühende
Steine hinein werfen, die mit Gras bedeckt wurden. Darauf legte sie die Wurzeln
hinein, sprengte Wasser darauf und deckte sie mii Erde zu. Am folgenden Tage
nahm sie sie heraus und gab sie den Leuten zu essen. So lehrte sie sie Wurzeln
zuzubereiten. Spüter unterwies sie die Leute mittelst glühender Steine in Körben
zu kochen.
— K'à'iq ging nun nach seiner Hoimath zu seiner Grossmutter Sk:à/i Sein jüngerer
Bruder Qoi'éqoa versorgie dieselbe immer mit Hirschen. Eines Abends sprach
K'&'iq: „Es sind viele Fische im Flusse. Komm, Qoi'éqoa, lass uns Fackeln nehmen
und hinausfahren und fischen,* Sie fuhren zusammen fort, und als sie mitten auf
dem Wasser waren, sagte Ki'iq: ,Siehe nur, was ist das unten im Wasser?*
Qoi'éqoa beugte sich über den Rand des Bootes, um ‚besser sehen zu kónnen.
K-a'iq rief: ,Siehst Du den Fisch? Spring über Bord und fange ihn!“ Qoi'éqoa
sprang sogleich kopfüber ins Wasser. Da dachte Kà'iq: ,Ich wollte, er würde in
eine Lachsforelle verwandelt, und so geschah es. Dann schlug er ihn todt und
nahm ihn nach Hause. Als er dort ankam, ging er zum Hause hinauf und sagte
zu seiner Grossmutter: „Gehe zum Boote hinab und hole die Lachse, die ich ge-
fangen habe.“ Sie gehorchte und kam bald mit der Lachsforelle zurück. Sie
sprach: „Ich habe nur einen Fisch in Deinem Boote gefunden,“ K'à'iq hiess sie
ihn aufschneiden. Als sie ihr Messer nahm, schrie der Fisch: ,Grossmutter,
schneide mich nicht!“ Qoi'éqoa war nicht ganz wie ein Fisch geworden, K-ä'iq
sagte allerdings: „Er spricht Unsinn. Mein Jüngerer Bruder ist ganz wohl.“ Aber
Sicéi glaubte ihm nicht und ward sehr zornig, weil er ihren Enkel getüdtet hatte.
Sie wanderten dann zusammen den Fluss hinauf, um ein Land aufzusuchen, in
dem es Nahrung in Hülle und Fülle gab. Bald kamen sie an ein Haus, in dem
ein. schónes Müdchen, Namens Pépahà'm, der Frosch, wohnte. Der Biber sass an
der Thüre des Hauses. Er wollte Pépahäm zur Frau haben. Diese war damit
(567)
beschäftigt, einen schönen Mantel zu weben. Als. sie endlich damit fertig war,
Sagte sie zum Biber: „Was sitzest Du so lange da? Gehe fort! Ich will Dich nicht
Zum Manne haben. Deine Füsse und Deine Hünde sind zu kurz und Dein Bauch
ist zu dick.“ Der Biber antwortete nicht, sondern blieb ruhig sitzen. Das Mädchen
arbeitete weiter. . Als sie sich nach einiger Zeit umdrehte und den Biber noch
Immer da sitzen sah, sagte sie abermals, sie wolle ihn nicht, da seine Hände und
Füsse zu kurz, sein Bauch zu diek seien. Da dachte der Biber: „Ich will nach
Hause gehen. Sie schilt mich doch nur. Er ging fort und sang: „Melmele’ts
Qoqöl&’etlp!“ (d. h. Steige Wasser bis über die Báumel). Da fing es an zu regnen,
Als K-a'iq das sah, band er zwei Boote zusammen, legte Planken darüber und fuhr
von dannen. Das Wasser stieg höher und höher und das Mädchen kletterte, auf
Seinen Webstuhl, um nicht zu ertrinken. Sie rief nun: ,K'alà'uya! (Biber) komme
Und hole mich!“ Jener aber war bóse und wollte sie jetzt nicht mehr haben. Er
Sagte: „Warzen sollen künftig Deinen ganzen Körper bedecken.“ Sie ward dann
M einen Frosch verwandelt.
K-àiq und Sk'éi fuhren weiter. Als sie sich einem Dorfe nüherten, verwandelte
Keaig seine Grossmutter in ein hübsches junges Mädchen und legte etwas auf seine
Boote, das wie viele Mäntel aussah. Er wollte wie ein reicher Häuptling er-
Scheinen. Er hatte sich ein schönes Fell um den Kopf gebunden und sein Gesicht
Mit Glimmer bestrichen. Seine Grossmutter, die er für seine Tochter ausgab, sass
Neben ihm und spann Fäden auf ihrem Knie. Als die Leute ihn sahen, riefen sie:
»Ein Häuptling kommt!“ K-&iq und Sk:éi gingen ans Land und die Jungen Männer
Wünschten alle, das hübsche Mädchen zur Frau zu haben. Nachis schlich sich
der Sohn eines Häuptlings zu ihr. Er stiess sie an und sagte: „Rück ein wenig,
ich möchte bei Dir liegen.“ Sie liess ihn kommen, und als er sie in die Arme
Schliessen wollte, sprach sie: „Gieb mir Deine Kupferarmringe. Dann darfst Du
Mich umarmen.“ Er gab sie ihr, sie liess aber doch nicht zu, dass er sie um-
Amie. Am folgenden Morgen ging der junge Mann fort. Dann kam K-aiq zu
Sener Girossmutter und fragte: ,Hast Du die Armringe bekommen?“ Sie zeigte sie
hm, und er legte sie sich an. Das alles war nur eine List Kà'iqs gewesen, sich
11 Besitz dieser Armringe zu setzen. Er ging hinaus, hüllte sich in einen Mantel
und legte sich nieder, so dass jeder seine Armringe sehen konnte. Viele Frauen
érblickten ihn dort, Am Abende schlich sich der Häuptlingssohn wieder zu dem
fremden Mädchen. Er stiess sie an, sie rückte und liess ihn in ihr Bett. Da
Wollte er sie umdrehen und fühlte über ihren Leib. Er merkte nun, dass sie ganz
Yünzelig war. Da rief er: „Gewiss bist Du Ske'il“ und er schämte sich sehr.
Und K:à'iq fuhr mit seiner Grossmutter weiter. Er kam zu einem Dorfe, in
im viele hübsche Mädchen wohnten. Da versteckte er sich im Walde. Er
achte: „Ich wollte, sie kämen alle hierher in den Wald, Beeren zu suchen.“ Es
Seschab, wie er dachte. Als nun die Mädchen den Fluss hinauf fuhren, ver-
Ave er sich in einen Hirsch und schwamm vor ihrem Boote her. Er liess
er. fangen und von den Mädchen an den Beinen ans Land ziehen. Dann dachte
m, »lch wollte, die hübscheste zóge mir das Fell ab." So geschah es. Als sie
und anfing ihm den Bauch aufzuschneiden, blinzelte er ein wenig, sprang dann auf
Brug Bahm sie in die Arme. Die anderen liefen voller Angst von dannen. Sein
wie er Qoi ëqoa, der wieder lebendig war, sah von der anderen Seite des Flusses,
die er ‘mit der Frau schlief. Er sah dann, wie dieselbe seinen Penis festhielt und
Er anderen Mädchen zu Hülfe rief. Diese kamen und rissen ihm den Penis aus.
Ri Ward in einen Stein verwandelt, der noch heute oberhalb Pä’pk’um am_ Fraser
Ver zu sehen ist.
(DER)
4. Bruder und Schwester.
Es war einmal ein schönes Junges Mädchen. Jede Nacht schlich sich ein
Mann zu ihr und schlief mit ihr, ohne dass sie wusste, wer es war. Um ihn
wiederzuerkennen, bestrich sie ihre Hinde mit Russ und bestrich damit den Riicken
des Mannes, ohne dass derselbe es merkte. Am nächsten Morgen, als alle jungen
Männer aus dem Dorfe zum Schwimmen gingen, stellte sie sich ans Ufer, um den-
jenigen zu entdecken, den sie schwarz gemacht hatte. Sie sah aber niemand.
Endlich kam ihr Bruder, und als dieser seine Kleider abwarf, sah sie, dass sein
Rücken ganz schwarz war. Da schämte sie sich sehr. Abends, als der Mann
wieder zu ihr kam, sprach sie: „Ich kenne Dich, Du bist mein Bruder. Ich bin
schwanger. Lass uns fortgehen von hier, denn wir müssen uns vor den Leuten
schämen.“ Ihr Bruder war einverstanden. Am folgenden Tage machte die Frau
ein grosses Bündel . von Decken aus Bergziegenwolle. Sie gingen dann fort und
sie bezeichnete den Weg durch Stücke der Decken, die sie an Zweige band.
Sie wanderten zehn Tage lang landeinwärts, Dann endeten sie ihre Wande-
rung und machten ein Haus. Nach einiger Zeit gebar sie einen Knaben. Als der-
selbe heranwuchs, wunderte er sich sehr, dass seine Eltern einander so ähnlich
sahen, scheute sich aber, darüber zu sprechen. Er war nun so gross geworden,
dass er schon auf die Bärenjagd ging. Eines Abends, als er von der Jagd zurück-
kam, auf der er einen grossen Bären getödtet hatte, fasste er sich ein Herz und
fragte seine Mutter: „Mutter, ist Vater verwandt mit Dir? Er sieht Dir so ähnlich.“
Das erzählte sie ihrem Manne und dieser sprach: ,Es ist nicht gut, dass er weiss,
dass wir verwandt sind.“ Sie versetzte: „Ich schäme mich so, dass ich. sterben
will.“ „da,“ sagte der Bruder, „wir wollen uns verbrennen.“ Am nächsten Tage,
ehe ihr Sohn auf die Jagd ging, erzählten sie ihm, dass sie Geschwister seien und
wie sie entflohen seien. Sie sagten ihm auch, dass sie den Weg zu ihrer Heimath
durch Decken bezeichnet hätten. Als der junge Mann fort war, machten sie Bündel
von Bergziegenfelldecken, Bürenfelldecken, Fett und irockenem Fleisch. Dann
stellien sie Kisten voll Bergziegenfett um sich und legten Cederplanken darüber,
auf welche sie Decken häuften. Dann legten sie Feuer an diesen Scheiterhaufen
und verbrannten sich,
Als der Junge Mann Abends nach Hause kam und seine Eltern verbrannt fand,
dachte er: „Was habe ich gethan! Hätte ich Mutter doch nicht wegen ihrer Aehn-
lichkeit mit Vater befragt!“ Er beschloss seine Grosseltern aufzusuchen. Er nahm
die vier Bündel, welche seine Eltern gemacht hatten, auf die Schulter und folgte
den Stücken Decke, welche den Weg zum Dorfe seiner Grosseltern bezeichneten.
Als er zum Dorfe kam, versteckte er sich im Walde und dachte: „Ich wollte,
mein Vetter küme hierher“. Kaum hatte er also gedacht, als sein Vetter, ein
Knabe, seinen Bogen und seine Pfeile nahm und in den Wald ging. Er schoss
die Pfeile vor sich her und lief ihnen dann nach, um sie wieder aufzuheben. Einer
der Pfeile fiel nun gerade neben dem Jungen Manne nieder. Da sprang dieser
auf, nahm den Pfeil und lief seinem Vetter entgegen. Dieser war sehr erschrocken,
da er den jungen Mann nicht kannte, welcher aussergewöhnlich schön war. Der-
selbe sprach: „Gehe zu Deiner Grossmutter und erzähle ihr, dass ihr Sohn und
Tochter, die einst davongegangen sind, sich verbrannt haben. Ich bin ‘ihr Sohn.“
Der Knabe lief zu seiner Grossmutter, die blind geworden war. So viel hatte sie
um ihre verlorenen Kinder geweint. Er rief. „Grossmutter! Ich habe meinen
Vetter im Walde gefunden. Er ist der Sohn Deiner verlorenen Kinder!“ Da schlug
ihn die Alte, denn sie glaubte ihm nicht. Der Knabe lief in den Wald zu seinem
Vetter zurück und beklagte sich, dass man ihm nicht glaube. Da gab jener ihm
Lap
“OU
4
ein Stück Fett und hiess ihn es seiner Grossmutter zeigen. Als diese das Fett sah,
Ward sie stutzig und folgte ihrem Enkel. Sie sah den jungen Mann, der sie hiess,
den Weg von dem Platze, an dem er stand, bis ans Haus mit Decken zu be-
legen. Sie gehorchte und er ging in das Haus. Er trug die vier Bündel, die
er mitgebracht hatte, hinein. Dann wusch er die Augen seiner Grossmutter, und
dieselbe wurde sogleich wieder sehend und jung. Er blieb immer im Hause,
nur um Mitternacht ging er aus, da er nicht wollte, dass irgend jemand ihn sehen
Sollte. Er hiess seine Grosseltern, alle Leute zu einem Feste einladen. Er öffnete
die Kisten und füllte das ganze Haus aus ihrem Inhalte mit Bergziegenfett, ge-
trocknetem Fleisch, Bärenfellen und Bergziegendecken, indem er die Kisten
Schüttelte. Als die Leute eingeladen waren, sprachen sie zu einander: „Wovon
Wollen sie uns ein Fest geben? Sie haben ja gar keine Vorräthe.“ Als sie aber
in das Haus gingen, sahen sie, dass dasselbe ganz voll war. Der junge Mann liess
Sich aber nicht sehen, sondern blieb in seinem Zimmer. '
, Ein junges Mädchen war sehr neugierig und begierig ihn zu sehen. Daher
Sing sie ans Wasser, verrichtete ihre Nothdurft und verwandelte ihre Exkre-
Mente in einen schönen Wasservogel. Als die Leute denselben sahen, ver-
Süchten sie ihn zu fangen, doch gelang es ihnen nicht. Auch der Onkel des jungen
Mannes versuchte ihn zu erlegen, doch vergeblich! Da erhob sich der junge Mann,
Dahm seinen Bogen und Pfeil und schoss nach dem Vogel. Obwohl er sonst
timer alles traf, was er haben wollte, verfehlte er ihn doch. Erst als er zum
zehnten Male schoss, traf er den Vogel. Derselbe verwandelte sich sogleich
Wieder in Exkremente. Da schámte der junge Mann sich sehr und beschloss fort-
“ugchen.
, Er sagte zu seinem Vetter: „Komm, lass uns gehen und Vögel fangen.“ Sie
Singen zusammen aus, und als sie zu einer sandigen Stelle am Flussufer kamen,
hiess er seinen Vetter sich niederlegen. Dann zerschnitt er die Brust desselben
mit Pfeilspitzen, und bedeckte ihn bis zur Brust mit Sand. Er sagte zu ihm: ,lch
Verberge mich jetzt. Dald werden Adler zu Dir herabkommen. Wenn sie von
der Seite her auf Dich zufliegen, dann blase und Du wirst sie damit verjagen
Können. Wenn aber einer von gerade oben sich auf Dich hinabsiürzi, . dann
Schliesse Deine Augen. Er wird sich niederlassen wollen und ich fange ihn dann.“
Sein Vetter that, wie jener ihn geheissen. Als ein Adler von der Seite her auf
thn zuflog, blies er und jener flog von dannen. Endlich erschien einer gerade über
Seinem Haupte. Da hielt er seinen Athem an und schloss seine Augen, Der Adler
Stürzte sich herab und griff seine Brust mit den Fängen. In dem Augenblicke
Slrzte sieh ger junge Mann aus seinem Versteck hervor, ergriff den Adler und
Dr üttelte ihn so stark, dass alle seine Knochen und sein Fleisch zur Erde fielen.
hn sprach er zu seinem Vetter: „Gehe Du nach Hause zurück. Ich schäme
ni 80, dass ich von dannen gehen will. Sei nicht betrübt, denn ich werde
B Stens zurückkehren. Du wirst es daran wissen, dass eine rothe Wolke am
g; nel erscheinen wird. Dann Zog er den Balg des Adlers an und flog gen
imme],
Ra Droben fand er ein ebenes Land und einen Pfad, dem er folgte. Bald sah er
di, ch aufsteigen. Er ging auf denselben zu und fand zwei blinde Schwestern,
" Sich Wurzeln brieten. Die eine derselben war im Begriff, sie aus der Asche
Ma, men und ihrer Schwester eine Schüssel voll zu geben. Da irat der junge
kom hinzu und nahm es ihr aus der Hand. Da die eine Schwester nichts be-
verseten hatte, fragte sie die andere: „Warum hast Du mir nichts gegeben?“ Jene
zie: .Ieh gab Dir eine Schüssel voll.“ „O,“ erwiederte die andere, „gewiss
(569)
(570)
ist der Sohn des Paares hier, das sich verbrannt hat, und hat die Schüssel fort-
genommen.“ „Ja,“ sagte jener nun; ,ich bin hier.“ Die Frauen sprachen: ,Wir
wissen, Du willst zur Sonne gehen und deren Tochter heirathen; aber wisse, sie
ist sehr böse. Viele sind schon hingegangen, aber noch nie ist einer zurück-
gekommen. Wir wollen Dir helfen.“ Sie nahmen Staub von einem Wetzstein und
beschmierten sein Gesäss damit, um es hart zu machen, denn die Siize im Hause
der Sonne waren mit spitzigen Nadeln beseizt, die jedem ins Fleisch drangen, der
sich zu setzen versuchte. Ferner gaben sie ihm zwei Stücke Fleisch, die um lange
Knochen gewickelt waren. Sie sagten ihm, er solle sic den zwei Wôlfen vorwerfen,
die die Thür des Hauses bewachten. Ehe er sie verliess, sagten sie ihm noch,
er solle zu ihnen zurückkommen und sich weiteren Rath holen, wenn der Mond,
der mit der Sonne im Hause wohnte, ihm Auftrüge geben sollte. Er dankte den
Frauen und ging weiter.
Bald kam er zum Hause der Sonne. Am Eingange sassen zwei grosse Wolfe.
Er warf ihnen die Knochen vor, die ihnen im Halse stecken blieben, so dass sie
ihn nicht beissen konnten. Er sprang, so rasch er konnte, an ihnen vorbei ins
Haus. Drinnen sah er sechs Mädchen: drei waren Töchter der Sonne, drei Töchter
des Mondes. Die Töchter des Mondes waren buckelig, während die, der Sonne
sehr schón waren. Der Mond lud ihn ein, zu ihm herüber zu kommen; er ging aber
gerade auf die Sonne zu und setzte sich fest neben ihr nieder. Dabei zerdrückte
er alle die spitzigen Gegenstünde am Boden, die alle früheren Besucher getüdtet
hatten. „O!“ sprach die Sonne, „Du bist mehr als ein Mann,“ und gab ihm seine
Tochter zur Frau.
Der Mond war aber böse, da er wünschte, dass jener eine seiner Töchter ge-
heirathet hätte. Er lud den jungen Mann ein, am folgenden Tage mit ihm aus-
zugehen und eine Ceder zu spalten. Da ging der junge Mann erst zu seinen
Grossmiittern und erzählte ihnen, was der Mond wolle. Sie gaben ihm zwei
Knochen und etwas weisse Farbe, indem sie ihm sagten, was er damit thun solle.
Er war dankbar und bestrich ihre Augen mit dem Saft von Blättern, der sie sehend
machte. Dann ging er zurück und begleitete am folgenden Tage den Mond,
die Ceder zu fällen. Der Mond schlug seine Keile in den Stamm und liess
dabei seinen Hammer in den klaffenden Spalt fallen. Er hiess dann den jungen
Mann ihn wieder holen. Als dieser nun in den Spalt gekrochen war, schlug er
die Keile heraus, SO dass der Baum zusammen schlug. Der junge Mann stützte
sogleich die zwei Knochen dagegen, so dass der Baum ihn nicht beschädigen
konnte. Er warf aber die weisse Farbe hinaus, die der Mond für sein Gehirn hielt.
Er glaubte, jener sei todt und wollte den Baum wieder auseinanderspreizen, um
den Leichnam herauszuziehen, Als er aber seinen Keil hineingetrieben hatte, fand
er den jungen Mann unverletzt darin sitzen.
Am folgenden Tage hiess er ihn ausgehen und Forellen fangen. Er ging erst
wieder zu seinen Grossmüttern, um sich Raths zu erholen. Sie gaben ihm einen
Stock, in den sie viele Grühten steckien, und hiessen ihn denselben dem Monde
bringen. Der Stock wurde in einen Fisch verwandelt. Der junge Mann fing noch
ausserdem eine Forelle und brachte beide nach Hause zurück. Der Mond ass sie,
und als er den verwandelten Stock zu essen begann, verschluckte er sich an einer
der Gréhten, die ihm im Halse sitzen blieb. Die Tochter der Sonne hiess ihren
Mann, den Mond rasch auf den Rücken schlagen; so bewirkte er, dass die Grühte
wieder herausflog.
Am nächsten Tage sandte der Mond den Jungen Mann aus, um den rothen
Bären zu fangen, mit dem er spielen wollte. Wieder ging dieser zu seinen Gross-
CoA
(571)
Müttern, die zwei Bären aus ein paar Stücken Holz und ihren Kämmen machten.
Die letzteren wurden die Tatzen. Sie sagten ihm: „Wenn Du heimkommst, so
Wirf die Bären auf den Mond. Sie werden ihm böse mitspielen.“ Er that also,
und die Baren zerrissen den Mond über und über. Von da an gab jener es auf,
den jungen Mann zu belästigen.
Bald gebar ibm die Tochter der Sonne zwei Kinder. Als diese heranwuchsen,
Wünschten sie sehr ihre Grossmutter zu sehen. Ihr Vater sagte ihnen aber, dass
dieselbe sich verbrannt habe. Da fragten sie nach ihrer Urgrossmutter, und als
Sie hörten, dass dieselbe auf der Erde lebe, wünschten sie, hinabzugehen. Als der
Sonnenmann davon hörte, gestattete er seiner Tochter und deren Familie zur Erde
Zu gehen. Er machte zehn Haufen Wurzeln zurecht und flocht einen grossen Korb.
Dann liess er zwei alte Frauen, die Spinnen, die unterhalb der Sonne wohnten,
ein Seil machen. An diese band er den Korb und liess seine Tochter nebst ihrer
Familie sich in den Korb setzen, in den sie auch die Wurzeln that. Dann liess
er sie hinab und indem er das that, wurde das Seil immer länger und länger.
Der Korb stiess endlich an den Wipfel einer Tanne nahe bei Stcuwa'cEl (unter-
halb Canoe Pass, an dem Südarm des Fraser River) an. Da schüttelten sie ein wenig
ân dem Seil, als ein Zeichen, dass sie noch nicht ganz unten angekommen waren,
"nd die Sonne liess sie noch weiter hinab. Endlich kamen sie wohlbehalien auf
der Erde an und schüttelten lange an dem Seile, das die Sonne daraufhin wieder
IN die Höhe zog. Während sie herunter kamen, ward der Himmel ganz roth. Da
Sprach der Vetter des jungen Mannes: „Mein Vetter wird jetzt zurückkehren. Er
Sagte mir, ehe er verschwand, dass der Himmel roth werden würde, wenn er zurück-
kehre, « Niemand aber glaubte ihm und man schlug ihn, weil er von einem Todten
Sprach.
Als der Korb unten angekommen war, dachte der junge Mann: „Ich wollte,
der Sohn meines Vetters käme und spielte mit seinen Pfeilen.“ Sogleich kam
Jener in den Wald und schoss seine Pfeile vor sich hin. Der junge Mann nahm
ËMen auf und trat auf den Knaben zu. Er fragte ihn: „Weisst Du, dass einst ein
Jünger Mann von hier verschwand und in den Himmel ging?“ „Ja,“ versetzte
Jéner, ,das war meines Vaters Vetter." ,Ich bin es,^ sprach nun der junge Mann,
»Und dies hier ist meine Frau. Dabei zeigte er auf sie. Der Knabe konnte sie
aber nicht sehen, da sie so hell leuchtete. Der Mann nahm nun Blätter und wusch
thy Gesicht, damit es werde, wie das anderer Menschen, und sie gingen zum Dorfe.
Unterwegs wurde die Frau viermal ohnmächtig, da sie den Geruch von Menschen
Nicht vertragen konnte, obwohl die Häuser, dem Verlangen des jungen Mannes
Semiss, erst sorgfältig gereinigt waren. Als sie endlich im Hause ankamen, kochten
3Ié die zehn Haufen Wurzeln, die ihnen die Sonne gegeben hatte, und machten so
Viel daraus, dass sie den ganzen Stamm damit bewirthen konnten,
. Die Frau hielt sich immer im Hause und liess sich nie sehen. Daher glaubten
die Leute gar nicht, dass sie die "Tochter der Sonne sei. Ein Mann sah aus Neu-
Slerde durch einen Spalt in ihr Zimmer. Sie leuchtete da so hell auf, dass sie
Sein Gesicht ganz verbrannte. Ihr Mann aber machte jenen wieder gesund. Von
"Un am glaubten die Leute, dass sie die Tochter der Sonne sei.
5. Die Pote'mten.
- In Pôtr‘mtEn, oberhalb Fort Douglas, lebte eine Frau, die hatte zwei Tochter
und Mehrere Söhne. Eines Nachts schlichen sich zwei Männer zu den Mädchen,
Wer Anon am nüchsten Tage gebaren dieselben jede ei Kind. Niemand wusste,
ie Väter der Kinder waren. und auch die Mädchen wussten nicht, wer sich
(572)
zu ihnen geschlichen hatte. Daher beschmierten sie ihre Hünde mit Fett und
rother Farbe, und als die Münner sich in der folgenden Nacht wieder zu ihnen
schlichen, umfingen sie dieselben und machten ihren Kórper roth, ohne dass jene
es merkten. Am nächsten Morgen, als alle jungen Männer des Dorfes zum Baden
gingen, passten die jungen Frauen auf, um zu sehen, wessen Körper roth gezeichnet
war. Die jungen Männer warfen Steine ins Wasser und Sprangen dann hinein,
um sie wieder zu bolen. Keiner unter ihnen zeigte eine Spur rother Farbe an
seinem Körper. Als die Frauen nun zurückgingen, kamen sie an einer Stelle vor-
über, wo ein Mann ein Boot baute. Da sahen sie, dass der Hammer und einer
der Spáhne voll rother Farbe waren, und nun wussten Sie, dass diese die Gestalt
von Männern angenommen und bei ihnen geschlafen hatten. Da schümten sie sich.
In der folgenden Nacht kamen die Männer wieder. Da sprachen die Frauen:
„Warum geht Ihr Morgens immer fort? Wir kennen Euch.“ Als die Männer das
hörten, blieben sie bei den Frauen und behielten ihre menschliche Gestalt.
Der Eigenthümer des Hammers und des Spahnes schalt eines Tages auf diese
Männer und sagte, dass sie ihm gehürten. Darüber wurden die Frauen betrübt.
Sie machten einen grossen Korb, setzten sich mit ihren Männern und Kindern
hinein, banden ihn zu und liessen sich ins Wasser werfen. Der Wind und die
Wellen führten den Korb weiter und derselbe landete endlich in Puk'päk‘ôtl. Da
machten sie den Korb auf und stiegen heraus. Die Männer machten Planken und
bauten ein Haus. Sie wurden die Ahnen der Pöte’mten.
6. Die todte Frau,
In K^"eluk, unterhalb Puk'pà'k"otl, lebte ein Mann, der seine Frau sehr liebte.
Dieselbe starb und ward begraben. Der Mann war sehr betrübt. Er weinte und
fastete. Nachts, als alle Leute schliefen, ging er zu dem Grabe seiner Frau, óffnete
dasselbe und legte sich an ihrer Seite nieder. Die Luchse, die auf dem Berge
wohnten, witterten die Leiche und liefen herbei, um sie fortzutragen. Sie öffneten
das Grab, einer warf die Leiche der Frau, ein anderer den Mann über den Rücken
und sie liefen zurück zu ihrem Häuptling. Dieser wohnte in einem unterirdischen
Hause und sie warfen den Mann und die Frau durch den Eingang hinunter, Der
Häuptling wollte den Mann zuerst fressen, als er aber nahe zu ihm heran kam,
rief er: „Der stinkt noch! er ist nicht todt!“ Da sprang der Mann auf, zog sein
Messer, das er unter seinem Mantel verborgen hatte, und tôdtete alle Luchse.
Dann kehrte er zu seiner Heimath zurück. Er war noch immer sehr betrübt, weil
er seine Frau verloren hatte. Er bat seinen Vater um fünf Bärenfelle und schnitt
sich hundert Paar Schuhe aus denselben. Diese nahm er und ging von dannen,
um seine Frau wiederzuholen. Er ging ins Gebirge und fastete. Dann wanderte
er weiter landeinwirts. Als er eine Zeit lang gewandert war, sah er in der Ferne
Rauch aufsteigen und als er nüher kam, sah er ein Haus auf einer Prairie stehen.
Dori wohnte der Pelikan. Dieser fragie ihn: „Wohin willst Du gehen?“ Jener
versetzte: „Ich suche meine todte Frau.“ „Das ist eine schwere Aufgabe, mein
Enkel,“ sprach der Pelikan, „nur Todte können diesen Weg mit Leichtigkeit finden.
Lebende können nur mit grosser Gefahr zum Lande der Todten gelangen.“ Er gab
ihm ein Zaubermittel, um ihm in seinem Unterfangen zu helfen, und unterwies
ihn im Gebrauche desselben. Der junge Mann wanderte weiter und kam zu dem
Riesen Sà'sk'ats, der jeden frass, der an ihm vorbeigehen wollte. Der Mann kam
aber mit Hülfe des Zaubermittels glücklich vorbei. Dann traf er die doppel-
kopfige Schlange Atlk's, kam aber auch an ihr glücklich vorüber. Als er weiter
ging, traf er den Vogel Tletsca‘wul, der ihn fragte, wohin er gehe. Als er ihm von
(* 7“)
seinem Vorhaben erzählte, sagte derselbe, kein Lebender könne in das Land der
Todten gehen. Er rieth ihm zurückzukehren. Der Mann aber ging weiter. In
der folgenden Nacht träumte er, dass, wenn er ein gewisses Kraut kaue, er nie
hungrig werden würde. Er that also und fand, dass es seinen Hunger stille.
Endlich kam er zu einem grossen See, jenseits dessen die Todten wohnten. Er
Wusste nicht, wie er hinüber kommen sollte, und weinte. Da hôrte er eine Stimme
Sagen: ,Kein Mensch kann seinen Kürper mit in den Himmel bringen. Erst wenn
Du todt bist, kannst Du hier hinüber gelangen. Aber wisse! Gott wird Dich
glücklich machen und Dir viel Kleidung und andere Reichthiimer schenken. Deine
Frau kannst Du nicht wieder bekommen. Setze Dich nieder und schliesse Deine
Augen! falte Deine Arme über der Brust und hocke nieder und bete!“ Er that also.
Da kam viele Kleidung, Pferde und andere Reichthümer zu ihm. Er nahm die-
selben und kehrte nach Hause zurück. Er war ein weiser und mächtiger Mann
Séworden. |
7. Die todte Frau.
Die Frau eines Mannes war gestorben. Da er sie sehr liebte, machte er sich
auf, in den Himmel zu gehen und sie zu suchen. Er machte sich viele Schuhe
aus Bärenfell und ging ins Gebirge. Er fastete, und jeden Abend schwamm er
M Teichen und übergab sich, so dass er ganz rein wurde. Dann ging er weiter.
Bald, als. fast alle seine Schuhe ausgetragen waren, begegnete er einem Manne,
der fragte. ihn, wohin er gehe. Er versetzte: „Meine Frau ist todt und ich gehe sie
zu suchen, Da sprach jener: „Der Weg dorthin führt hierher. Er ist sehr ge-
fährlich. Kaue diese Wurzel. Sie wird Dich beschützen.“ Er dankte dem Alten
und ging weiter. Endlich kam er wohlbehalten im Lande der Todten an. Er sah
dieselben tanzen und erblickte unter ihnen seine Frau. Da nahm er sie mit sich
Zurück. Die Todten warnten ihn, ja nicht mit der Frau zu schlafen, ehe er nach
Hause gekommen sei. Er gehorchte und sie schliefen allabendlich an entgegen-
Seseizten Seiten des Feuers. Am vierten Tage fanden sie sich nahe ihrer Heimath.
Da träumte er, die Gottheit sage ihm, er solle beten. Er schloss seine Augen und
betete. Als er die Augen wieder öffnete, sah er Kleidung für sich und für seine
Fran dort liegen; er erblickte ein Pferd, ein Gewehr und Pulver. Am nächsten
Morgen ritten sie nach Hause. Viele Jahre war er fort gewesen. Er fand, dass
Seine Eltern blind geworden waren vom vielen Weinen. Er aber machte sie
Wieder sehend.
8. Der Ursprung der Lachse und des Feuers.
Im Anfange gab es keine Lachse und kein Feuer. Da hielten die Thiere einen
Srossen Rath, um zu besprechen, wie das Feuer zu erhalten sei. Schliesslich
Würde beschlossen, den Biber und den Specht (?Ts'E'tem) auszusenden, um beides
de erlangen. Das Feuer war im Besitze des Häuptlings der ,Sockeye^-Lachse,
sh Im äussersten Westen wohnte. Biber und Specht reisten dorthin, der erste
eis mend, der zweite fiiegend. Als sie in die Nähe der Häuser kamen, die an
Dep Flusse standen, liess der Biber den Specht voran fliegen, um zu spioniren.
ent, letztere kam bald zurück und berichtete, dass zwei Häuser da seien, die an
sq Eengesetzten Seiten eines Teiches standen, aus dem die Leute Wasser Zu
Autre pflegten. Da entwarfen die beiden einen Plan und schritten sogleich zur
a Der Biber grub sich einen Gang von dem Teiche zu dem Hause des
pile Pllings und legte sich dann an der Stelle, wo die Leute Wasser zu holen
Laci en, nieder, indem er sich stellte, als sei er todt. Bald kam die Tochter des
i nes aus dem Hause und lief, als sie den todten Biber sah, sogleich
, um die Münner zu rufen. Dieselben kamen, und beriethen sich unter ein-
578
(574)
ander. Der „Dogsalmon“ (O. keta) sagte, indem er ihn umdrehte: „Der Biber ist be-
kanntlich sehr klug. Ich glaube nicht, dass er todt ist. Gewiss will er etwas hier
bei uns.“ Der „Cohoesalmon“ sagte: „Seine Hände und Füsse sind sehr klug. Mit
ihnen verschliesst er uns alle Bäche und Flüsse, so dass wir nicht vorbei können.
Wenn ich versuche, hinüber zu springen, falle ich in seine Fallen. Gewiss will
er etwas von uns.“ Da sagte der Friihlingslachs: ,Seht Ihr nicht, dass er todt
ist?“ Der Cohoe glaubte es aber nicht und sprach: „Lasst uns ihn kitzeln, dann
werden wir ausfindig machen, ob er lebt oder todt ist.“ Sie stiessen ihn dann in
die Seite, so dass er beinahe gelacht hätte. Sie trugen ihn dann, da er sich nicht
rührte, ins Haus und schickten sich an, ihn abzuziehen. Gerade in diesem Augen-
blicke erschien der Specht draussen und setzte sich an dem Teiche nieder. Sobald
die Leute ihn sahen, wollten sie ihn fangen. Da öffnete der Biber seine Augen
ein klein wenig, und als er sich allein sah, sprang er auf, ergriff das Feuer und
die jüngste Häuptlingstochter, die in der Wiege lag, und entfloh durch den Gang,
den er sich zuvor gegraben hatte. Zugleich flog auch der Vogel von dannen. Als
sie nach SEmiá'mó kamen, nahmen sie etwas Cederbast aus der Wiege und warfen
ihn in den Fluss. Daher sind dort sehr viele Lachse. Ebenso warfen sie in Pitt
River etwas Cederbast in den: Fluss und schufen so viele Lachse. Als sie nach
Yale kamen, warfen sie die Wiege sammt dem Kinde in den Fluss. Daher
sammeln sich dort unterhalb der Schnellen grosse Mengen von Lachsen.
. Der Biber gab den Gespenstern das Feuer. Die Menschen wussten nicht, wie
sie es erhalten sollten, und schickten endlich K'ä'ig, den Nerz, aus, dasselbe zu
holen Dieser lieh sich das Messer seiner Grossmutter, versteckte es unter seinem.
Mantel und machte sich auf den Weg zu den Gespenstern. Er ging zu ihnen ins
Haus und sah sie tanzen. Als der Tanz zu Ende war, wollten sie sich baden und
waschen. Da sprach der Nerz: „Bleibt hier, ich will Euch Wasser holen.“ Er
nahm einen Eimer und ging zum Ufer hinab. Als er mit dem gefüllten Eimer ins
Haus kam und an dem einem der beiden im Hause. brennenden Feuer vorüber
ging, that er, als stolpere er und goss das Wasser ins Feuer, so dass es ausging-
„O!“ rief er, „ich bin gestolpert,“ und ging zum Wasser zurück, um seinen Eimer
wieder zu füllen. Als er wieder ins Haus kam und an dem anderen Feuer vorbei
ging, goss er wieder sein Wasser aus, und es war nun ganz dunkel im Hause.
Da nahm der Nerz sein Messer und schnitt dem Häuptling der Gespenster den
Kopf ab. Er streute Staub auf den abgeschnittenen Hals, damit er nicht blute,
und lief mit dem Kopfe von dannen. Noch ehe die Leute ihr Feuer wieder an-
gesteckt hatten, wurde der Staub von Blut durchtränkt; die Mutter des Häuptlings
merkte es und als sie nun wieder Feuer gemacht hatten, sahen sie, dass der Kopf
ihres Häuptlings abgeschnitten war. Da sprach die Mutter des todten Häuptlings
„Geht morgen dem Nerz nach und kauft ihm den Kopf ab.“ Sie thaten also und
kamen zu seinem Hause. Der Nerz hatte sich zehn Häuser gebaut und sich zehn
verschiedene Kleider von seiner Grossmutter herstellen lassen. Als nun die Ge-
spenster kamen, erschien er bald auf dem Dache eines Hauses, bald auf dem eines
anderen, jedesmal in anderer Kleidung, so dass die Gespenster glaubten, es seien
viele Leute dort. Als sie ankamen, sprachen sie zu der Grossmutter des Nerzes:
„Wir wollen den Kopf unseres Häuptlings für Mäntel eintauschen.“ Sie aber ver-
setzte: „Mein Enkel will keine Mäntel haben.“ Dann boten sie ihm Bogen und
Pfeile an, aber die Grossmutter wies auch dieses Anerbieten zurück. Da weinten
die Bäume mit den Gespenstern; so betrübt waren sie. Und die Thränen der
Bäume waren Regen. Endlich boten die Gespenster. ihm den Feuerbohrer an.
(575)
Den nahm die Grossmutter an und gab ihnen den Kopf zurück. Seither haben die
Menschen das Feuer.
9. Der Nerz.
Der Nerz wollte den Schachtelhalm heirathen. Dieser sprach: ,Nein, Du
kannst mich nicht heirathen. Was willst Du thun, wenn Treibholz den Fluss
herab kommt? Ich beuge mich dann nieder, lasse den Stamm über mich fort-
treiben und richte mich wieder auf.“ Nerz sprach: ,Das kann ich auch." Aber
Was willst Du thun, wenn ein Stamm mit vielen Zweigen den Fluss hinunter ireibt?
Er wird Dich aufspiessen und mitnehmen. „Nein,“ sprach Nerz, ,dann beuge
Ich mich mit Dir und komme wieder in die Hohe.“ Da nahm der Schachtelhalm
Ihn zum Manne. Bald kam ein Baumstamm den Fluss hinab getrieben. Nerz um-
Schlang den Schachtelbalm. Beide beugten sich und liessen den Stamm über sich
foritreiben, Dann aber kam ein Stamm mit vielen Zweigen. Wieder umfasste
Nerz seine Frau. Der Stamm aber spiesste ihn auf, ertränkte ihn und trug ihn
den Strom hinab.
. Er ging zu der verfaulten Kiefer und wollte sie heirathen. (Diese besteht aus
Nichts als harziger Rinde.) Sie sprach: „Nein, Du kannst mich nicht heirathen.
Wenn ich warm werde, schwitze ich und dann wirst Du böse werden.“ „Nein,“
*'widerte Nerz, ,das thut nichts.“ Da nahm sie ihn zum Manne. Am Morgen,
als es warm wurde, fing seine Frau an zu schwitzen (d. h. das Harz fing an zu
Schmelzen) und seine Brust klebte an ihrer Brust fest. Er rief: „Lass mich los.
Du sollst mich nicht so fest halten!“ Sie antwortete: „Ich halte Dich nicht, ich
Schwitze nur.“ Da ward Nerz böse und schlug sie. Seine Hand aber klebte auch
lost. Dann schlug er sie mit der anderen Hand, und es erging ihm nicht besser.
Dann irat er sie mit Füssen und seine Füsse klebten beide an ihr fest. Er stiess
Se endlich mit dem Kopfe und auch dieser klebte fest. Als das Harz Mittags
8anz weich wurde, flel er herunter. Da verliess er seine Frau.
Er ging zum Adler und wollte ihn heirathen. Der hatte fünf Junge und wohnte
?uf dem Wipfel einer Ceder. Er kletterte hinauf und als der Adler mit seinen
Jungen vom Lachsfang nach Hause kam, fand er ihn im Neste. Er fragte: „Was
Willst Du hier?“ Nerz erwiderte: „Ich will Dich heirathen.“ „Nein,“ sprach er,
»Du kannst mich nicht heirathen. Ich springe von hier oben herunter und fliege
Wieder hinauf. Das kannst Du nicht“ ,O!“ sprach Nerz, „das kann ich auch.
Ich Springe herunter und fliege wieder hinauf.“ Da nahm ihn der Adler zum
Mange, Nach kurzer Zeit wollten sie Lachse fangen. Sie setzten sich auf einen
hohen Baum. Der Adler fragte Nerz: „Siehst Du den Lachs?“ „Ja,“ sagte dieser,
»dort hinten, weit fort.“ Er sah aber in Wirklichkeit gar nichts. „Nein,“ sprach
der Adler, „hier, ganz nahe bei, gerade unter uns ist er.“ „O ja!“ sagte da Nerz,
»Ich will ihn jetzt fangen; komme Du gleich nach,“ sagte der Adler und stürzte
Sich hinab. Gleich darauf sah Nerz ihn mit einem Fisch zurückkommen. Da
SPrang auch er herunter. Er zerschlug sich an den Aesten des Baumes die Ein-
SeWeide und lag todt da.
- 10. Das Stinkthier.
. Das Stinkthier hatte zwei Frauen, die Schnecke und die Schlange. Es lebte
M einem unterirdischen Hause. Der Prairiewolf ging immer an seinem Hause vor-
über auf Jagd. Das mochte das Stinkthier nicht gerne und fragte ihn eines Tages:
»Warum gehst Du immer an meinem Hause vorüber? Ich will es nicht.“ Am
Nächsten Tage fand er etwas rothe Farbe vor seiner Thüre. Die hatte der Prairie-
Wolf dorthin gelegt. Es war sein Zaubermittel. Da rief das Stinkthier: „Was soll
die Farbe hier? Die ist doch nichts werth,“ und als der Prairiewolf wieder vorbei
"or,
(576)
kam, lauerte er ihm auf und pisste ihm ins Gesicht. Da lief der Prairiewolf ins
Gebirge zu seinem Freunde, dem Ostwinde, der ihm sagte, er solle sein Gesicht
auf bestimmte Weise bemalen. Der Prairiewolf that es, als er aber am folgenden
Tage an dem Hause vorüber kam, pisste das Stinkthier ihn wiéder an und machte
ihn fast blind. Das Zaubermittel des Ostwindes war nicht stark genug. Wieder
rief der Prairiewolf seinen Schutzgeist, den Ostwind, zu Hülfe; derselbe vermochte
aber nichts gegen das Stinkthier auszurichten. Da gab sich der Prairiewolf für
überwunden und versprach hinfort nicht mehr an dem Hause des Stinkthieres vor-
überzugehen. Er dachte aber darüber nach, wie er sich an jenem rüchen kónne.
Als eines Tages das Stinkthier auf Jagd aus war, rief er seinen Freund, den Ost-
wind. Da brachte dieser einen schweren Schneefall, und das Stinkthier konnte
nicht wieder nach Hause zurück, da der Schnee so tief war. Ein alter Mann, das
Stachelschwein, wusste aber, dass das Stinkthier nahe daran war umzukommen,
und erbarmte sich seiner. Er legte seine Zaubererkleidung an und schiittelte seinen
Mantel vor dem Hause aus. Da fing es an zu regnen und aller Schnee sank zu-
sammen, so dass das Stinkthier leicht darüber for nach Hause gehen konnte.
11. Die Maus.
Der Pelikan gab einst ein grosses Schenkfest. Er liess ein junges Mädchen
mit langen Haaren, die Maus, für sich auf zusammengebundenen Booten tanzen.
Er band Felldecken an Stangen und warf dieselben, als seine Gäste kamen, in$
Wasser. Da sprangen dieselben ins Wasser, um sie aufzufangen. Als sie ins
Haus kamen, vertheilie die Maus das Essen und tanzte für den Pelikan. Die Leute
schlugen Takt und sangen, während sie tanzte. Dann vertheilten sie wieder viele
Decken. Am folgenden Tage reisten die Leute wieder in ihre Heimath zurück-
Die Maus hatte allen so gefallen, dass viele sie haben wollten. Der Nerz, welcher
ein armer Mann war, legte sich Häuptlingskleider an und band sein Haar mit
Bergziegenwolle zurück, damit sie ihn für einen Häuptling aus einem fernen Lande
halten sollte, und wollte sie heirathen. Sie erkannte ihn aber und wies ihn zurück.
Dann kam der Donnervogel und warb um sie. Sie folgte ihm und er nahm sie
in seine Heimath zurück. Dio erste Frau des Donnervogels war aber eifersüchtig
auf die Maus und wünschte sich ihrer zu entledigen. Eines Tages, als der Donner-
vogel mit seiner ersten Frau ausgegangen war, öffnete die Maus die Kisten, in
denen der Donnervogel seine Vorräthe an Bergziegenfett aufbewahrte, und ass
davon. Als er das ausfindig machte, ward er zornig und warf die Maus auf die
Erde hinunter. Daher stiehlt sie noch heute immer Lebensmittel. —
(22) Eingegangene Schriften.
1. Arnold, Fr, Tabulae anatomicae. Fasc. I. Icones cerebri et medullae
spinalis. Turiei 1838. — Fasc. IL' Icones organorum sensuum. Turici
1839. — Fasc. IV pars I. Icones ossium Turici 1840. — Fase. IV pars II.
leones articulorum et ligamentorum. Stutigardiae 1843.
2. Balde, Jac, Krieg der Frösche und Mäuse. Ein Vorspiel des dreissigjährigen
Krieges. Aus dem Lateinischen von M. J. Berchem. Münster 1859.
3. Behaghel, O., Die deutsche Sprache. Leipzig 1886.
4. di Castelli, Nic, Dizzionario italiano-tedesco e tedesco-italiano. Leipzig
1700. 4°.
5. Cicero. M. T., Werke. Stuttgart 1826—38. 8 Bände.
Nr. 1—5 Gesch. d. Frau San.-Rath Schlemm.
3
Sitzung vom 18. Juli 1891.
Vorsitzender Hr. Beyrich.
h Derselbe theilt mit, dass Vorstand und Ausschuss zu beantragen beschlossen
üben, dass die Gesellschaft Herrn Rudolf Virchow zur Feier seines 70. Geburls-
tages zum
Ehren-Präsidenten
"'hennen môchte.
A Auf Antrag des Hrn. Maass wird dieser Vorschlag durch Acclamation ange-
Ommen,
se Der Vorsitzende zeigt an, dass diese Ernennung Hrn. Virchow erst an
nem Geburtstage bekannt gegeben werden soll.
Hr. Virchow betritt demnächst den Saal.
Vorsitzender Hr. Virchow.
b (1) Als Gáste sind anwesend und werden von dem Vorsitzenden freundlich
SBrüsst die Herren Dr. Baier aus Stralsund und Szombathy aus Wien.
Eh (2) Vorstand und Ausschuss haben Fräulein Joh. Mestorf in ‘Kiel zum
Yenmitgliede der Gesellschaft erwihlt.
und (3) Die neugewühlten correspondirenden Mitglieder, die HHrn. Brizio, Sergi
Zampa, sprechen ihren Dank aus für ihre Ernennung.
(4) Als lebenslingliches Mitglied ist Hr. Corning in Genf eingetreten.
Als neues Mitglied wird angemeldet Hr. Dr. Bornemann in Eisenach.
gro (3 Die Enthüllung des Nachtigal-Denkmals "n Stendal hat unter
Vo uen Feierlichkeiten stattgefunden. Die Gesellschaft war durch Miiglieder des
"Standes und freiwillige Theilnehmer vertreten.
Da (6) Das Programm für die anthropologische Generalversammlung in
Sa E wird vorgelegt. Zugleich wird mitgetheilt, dass die Absicht besteht, nach
die "S8 derselben über Marienburg nach Elbing und Königsberg und von da an
Samländische Ostseeküste und das Kurische Haff zu gehen.
hat © Der Chef der Colonialabtheilung des Auswärtigen Amtes, Hr. Kayser,
Dr zn Vorsitzenden einen Band Photographien zur Verfügung gestellt, welche
Voss, er aif im Bali-Lande (Hinterland von Kamerun) aufgenommen hat. Der
für dde übergiebt denselben der Gesellschaft unter dem Ausdrucke des Dankes
Sellsch.. überaus werthvolle Geschenk, welches die von Hın. Zintgraff der Ge-
v aft selbst übermittelien Aufnahmen von Eingebornen in erwünschter Weise
rhandl. der Berl. Anthrop. Gesellschaft 1891.
37
(ER
ergänzt. Hr. Kayser erklärt sich ausserdem bereit, wissenschaftliche Weisunge"
an die Leiter der Expeditionen und die Beamten der Schutzgebiete zu vermitteln;
soweit nicht unmittelbare öffentliche Interessen darunter leiden sollten.
(8) Der Vorsitzende begrüsst den von seiner Reise nach Palästina zurück-
gekehrten Hrn. Eugen Bracht, und theilt aus desseh Briefe, d. d. Baalbek, 1. Jun
folgende Stellen mit:
„Die beabsichtigte Tour nach dem Negeb, dem Lande südlich von Palüstin?
habe ich glücklich ausgeführt, indessen künstlerisch nur miüssige Ausbeute gehabt:
das Beste waren die grossen Ruinen von S'baita, einer Stadt aus den ersten Jab!
hunderten unserer Zeitrechnung, mit grossen Kirchen und den Resten einer kur?
lebigen Cultur.
Das übrige Land war hügelige Steppe, ganz baum- und wasserlos; alle Thàle!
und Mulden zu Acker und Gartenland terrassirt, — jetzt beinahe unbewohnte W üste
Die wenigen Beduinen fristen ihr Dasein lediglich mittelst einzelner herrliche?
Brunnen aus jener alten Culturzeit. An manchen Orten ist ausser dem Brunn?
überhaupt fast nichts mehr vorhanden. Von 2 solchen Plätzen habe ich Gelege»
heit gehabt, je einen Schädel mitzunehmen, falls dieselben für Sie Interesse habe!
sollen, In beiden Füllen waren die alten Begräbnissplätze auf dem Hochufer der
Wadys durch den allmählich verschobenen Wasserlauf angefressen und die Be
stattungen freigelegt worden. Hoffentlich bringe ich dieselben heil nach Berl
Die Fundorte heissen ,Rakhameh* und ,Wady Asludj*^; die Leiche war beim
letzteren Ort mit einer Art Korbgeflecht überdeckt, der Kopf insbesondere in e?
solehes eingebettet und das Ganze mit dicker Lehmschicht umhüllt.*
Die angekündigten Schädel sind inzwischen eingetroffen und Hr. Bracht bat
darüber folgende Mittheilung übergeben:
Nr. 1. Schüdel vom Leichengrüberfeld von Rakhameh oder Rachame, dem
alten Ziklag.
Die periodischen Wasserläufe des Wady Rakhameh haben unter ständige!
Verschiebung des Strombettes nach Westen das rechte Ufer angefressen, welches
jetzt eine beiläufig 5—7 m hohe senkrechte Mergelbóschung darstellt. Ein Theil
des alten Leichengräberfeldes ist auf diese Weise bereits abgeschwemmt und gege?”
wärtig treten 7 Skelette zu Tage. Dieselben liegen in gleicher Höhe, etwa 1,5"
=
= -
tief unter der Oberfläche und gleichmässig nach Osten orientirt; die Leiche?
scheinen in freier Erde gebettet, sind indessen theilweise mit grösseren Steil”
platten zugedeckt. Eine etwaige äussere Andeutung der Gräber ist nicht wahrnehmbar”
Der vorgefundene Schädel ist von Pflanzenwurzeln stark angegriffen, indem
gerade durch seine Lagerstelle eine enge Wasserrinne ausgewaschen ist, welche
Yi
C 7)
Mit kleinen Büschen bewachsen, den Schädel seit einiger Zeit zur Hälfte bloss-
gelegt hatte,
_ An Beigaben war weder bei diesem, noch bei den übrigen unterwaschenen Ge-
Mppen etwas zu bemerken.
Von der alten Stadt sind thalaufwärts Mauerreste von Häusern und Thürmen,
Garten- und Feldterrassen, z. Th. wohl Weinberganlagen, erhalten; schräg gegen-
über vom Gräberfeld befindet sich auf dem linken Ufer ein cisternenartiger ge-
Mauerter Brunnen, zur trocknen Jahreszeit das einzige Wasser weit und breit.
Die Bergung des Schädels von oben her, welche des überhängenden Erdreichs
Wegen nicht gerade leicht war, wurde in dankenswerther Weise von meinem Reise-
Scfährten, Freiherrn von Eckartstein ausgeführt.
Nr. 2. Schädel von Wady Asludj, auch Asluj.
Das Wady Asludj liegt, durch eine felsige Gebirgskette vom Wady Rakhameh
Setrennt, eine Tagereise westlich von diesem und bildet orographisch den unteren
Verlauf desselben, indem die Wasser des Wady Rakhameh durch eine enge Felsen-
Schlucht nach Asludj Abfluss finden.
Unter Asludj wird nicht allein das Thal oder Flussbett vom Gebirge an bis
“ur Einmündung oder Vereinigung mit dem Wady Seba verstanden, sondern auch
besonders eine Ruinenstätte mit einem vortrefflichen Brunnen. Etwa 2 Stunden
halabwärts von Asludj liegen die ausgedehnten Ruinen von Khalasa oder Chalasa,
dem alten Elusa; dieser alte Namen scheint in beiden Bezeichnungen Khalasa und
Asluj nachzuklingen.
b Die Ruinenstätte im Wady Asludj breitet sich am rechten Ufer des Strom-
"les aus. Die Reste sind ausgedehnt, aber unbedeutend: geringe Häuserruinen,
Manerzüge, Scherben, Glas- und Bronzefragmente, Feuersteine zum Feuerschlagen,
pe auch messerformige, abgenuizte Spühne. Auf dem linken Ufer, etwas ober-
ob, befindet sich in ebener Fläche eine Gruppe von 5—6 Brunnen, bis auf einen
ich verschüttet; der noch benutzte Brunnen ist prächtig aus Marmorquadern
ñ aut und hatte einst eine Bedachung, von der noch die Bogenansätze vorhanden
imd: ein Dutzend Steintróge, zum Theil antik, umgeben ihn im Kreise zur Tránkung
*r Heergen,
2 Aus der Lehmwand der Uferbôschung in der Nähe der Mauerzüge ragen auch
Qd starke Mauerpfeiler gegen das Strombett vor, entweder Ufermauern oder Reste
"és Brückenkopfes.
soh Dicht neben diesen Resten hat das Regenwasser eine Rinne bis zur Thal-
ei le ausgewaschen und in der Seitenwand derselben war die Ausschachtungsstelle
le Grabes erkennbar, so dass die nühere Besichtigung sogleich TTheile des Ske-
* erkennen liess.
ar Sohle des Grabes war 1,5 m unter der Oberfläche. Orientirung annähernd.
arii Die Leiche war mit einem Reisiggeflecht zugedeckt, welches den Kopf korb-
Sch umgab, und das Ganze sodann mut starker Lehmlage überstrichen, welchem
des gre Wohl die gute Erhaltung der Knochen zuzuschreiben ist. Bei der Hebung
Sch chädels waren sämmtliche Zähne erhalten und intakt, indessen bröckelten die
rg, crane noch vor dem Verpacken theilweise ab und ein Backzahn, welcher
Wein” konnte nicht wieder aufgefunden werden. Die Bestattung war möglicher-
2 © schon vorhanden, als die Maueranlagen, welche der römischen Epoche an-
"SChören scheinen, hergestellt wurden.
TU halbe Stunde thalaufwärts von hier, noch oberhalb der Brunnengruppe,
Sich auf dem linken Ufer ein grosses Begrübnissfeld des Azazimeh-Beduinen-
519
7 #
(580)
Stammes aus; hier dient eine ornamentirte, pilasterartige Marmorplatte als Grab-
stein, von der alten Stadt herrührend. Zwei ganz gleiche Stücke sah ich in Silo, I?
einem antiken Gebäude, bereits von älteren Resten entnommen, als Einfassunger
einer Wandnische, und zwar verkehrt eingebaut. —
Hr. Virchow:
1) Der Schádel von Rakhameh ist sehr gebrechlich und mehrfach durch
Verwitterung defekt. Die überall offenen Nähte sind lose geworden und zeigen
besonders am Hinterhaupt Lücken, wie denn auch die Squama occip. zum Theil
zerstört ist; an der Basis ist ein grösserer Defekt, der die Apophysis basilaris und
die linke Seite der Umgebungen des For. magnum betrifft. Trotzdem hat sich,
nicht ohne grosse Schwierigkeiten, eine approximative Ausmessung des Inhalts und
eine Ermittelung der Durchmesser herstellen lassen.
Es ist zweifellos der Schädel eines Weibes, klein und zart, annähernd von
einer Capacität von 1040 ccm, also nannocephal. Er erscheint kurz, schmal und
niedrig, indess bei der Kleinheit der meisten Maasse ergiebt sich doch ein meso-
dolichocephales Verhältniss (Längenbreitenindex 72,7, Längenhôhenindex un-
gefähr 74,4). Nach dem Ohrhóhenindex (56,9) würde man ihn als chamaecephal
klassificiren können. Der Hinterhauptsindex beträgt 30,8, entsprechend der rela-
tiven Grösse der Hinterhauptsschuppe. Der horizontale Umfang beträgt nur 478,
der sagittale 541 mm; von letzterem entfallen auf das Stirnbein 33,7, auf die Pfeil-
naht 35,1, auf die Hinterhauptsschuppe 31,0 pCt. Die Entwickelung ist demnach
eine ziemlich gleichmässige, jedoch mit Prävalenz des Mittelkopfes.
Die Stirn ist niedrig, schmal, etwas geneigt, von sehr sanftem Aussehen, ohne
Wiilste, mit schwachen Tubera und kaum vertiefter Glabella. In der Coronaria
rechts an der Kreuzungsstelle der Linea temporalis ein kleiner Schaltknocher-
Beiderseits kleine Epipterica über den niedrigen und stark eingebogenen Alae
sphenoideales. Die Parietalia etwas gestreckt. Das Hinterhaupt schmal und
lànglich. Warzenfortsütze schwach. Foramen magnum länglich.
Das Gesicht ist klein und schmal, leptoprosop (93,9). Insbesondere sind
die Jochbogen fast gerade und angelegt, die Wangenbeine klein und wenig vor-
tretend, die Kieferwinkel-Distanz (82 mm) gering. Die Orbitae hyperhypsikonch
(91,4), die Nase hyperleptorrhin (44,8). Schwache Fossae caninae. Alveolar-
fortsatz kurz (16 mm) und stark prognath. Die Zühne meist abgenutzt, jedoch
einzelne mit noch frischen Kronen. Gaumen leptostaphylin (76,0). Der Unter
kiefer klein, in der Mitte 28 mm hoch und stark eingebogen, die Aeste 32 mm breit,
aber niedrig: Proc. coronoides 55 mm hoch.
2) Der Schädel vom Wadi Asludj (Asludsch), am 29. April erworben, ist
sehr vollständig erhalten. Es ist ein grosser, schwerer, männlicher Schädel vom
hellgelber Farbe, am Hinterhaupt etwas abblätternd und darunter von kreidig-
weissem Aussehen. Die linke Schläfenschuppe steht etwas ab. Die Zähne brüchig
und etwas verletzt, Sonst aber bis auf die mitileren Schneidezáhne und den linken
Molaris III vollstándig. Alle Theile sind stark entwickelt, die Supraorbitalwülste
und der Nasenfortsatz sehr kräftig, die Lineae temporales stark, aber nicht hoch;
das Hinterhaupt nicht stark gezeichnet, dagegen die Warzenfortsätze und der Unter-
kiefer gross. Die Nähte wenig gezackt und offen, nur die Sagittalis hinter den
Emissaria, die schief stehen und einander sehr genähert sind, etwas verwachsen.
Die Capacität beträgt 1425 com, der horizontale Umfang 516, der sagittale
387 mm; von letzterem gehôren 34,6 pCt. dem Stirnbein, 35,6 den Parietalia, 29,7
der Hinterhauptsschuppe, — also nahezu ähnliche Verhältnisse, wie bei dem weib-
(581)
lichen Schädel von Rakhameh. Die Form ist gleichfalls mesodolichocephal
singenbreitenindex 72,6, Lüngenhóhenindex 71,5), jedoch hat auch hier der Ohr-
h énindex nur 59,1. Das Ohrloch steht also verhältnissmässig hoch. Der Hinter-
Auptsindex (32,7) ist ungewöhnlich gross.
hint Die Stirn etwas schräg, Glabella ‚stärker entwickelt, Tubera schwach, der
"n Theil des Stirnbeins lang. Die Parietalia lang, mit kräftigen Tubera,
Vor gewölbt, von der Tuberallinie an abfallend. Am Hinterhaupt die Oberschuppe
ero retend und gewülbt, die Unterschuppe mit zahlreichen Muskeleindrücken. Alae
ins Foramen magnum etwas tief liegend. Die Apophysis basil. flach und etwas
ab Sebogen, Proc. styloides und pterygoides gross. Die Seitentheile des Schädels
Seplattet, daher die Hinteransicht fast ogival.
seh Das Gesicht erscheint auch hier wegen der gestreckten Stellung der Jochbogen
"D und hoch, hat aber einen chamaeprosopen Index (87,0). Wangenbeine
ling oben eingebogen, nach unten wenig vortretend. Orbitae fast viereckig, nach
Nas und unten ausgebuchtet, daher etwas schief, Index hypsikonch (85,7).
End. kolossal vortretend, Ansaiz tief, Rücken leicht gerundet, gegen das untere
n Stark emporgehoben, Apertur gross, Stachel stark, Index mesorrhin (51,0).
alge arfortsatz sehr kurz (12 mm), aber stark prognath. Zähne gross. Gaumen
ein aleptostaphylin (61,2). Der Unterkiefer dünn, in der Mitte 33 mm hoch,
nota. OBE Kinn vortretend, eckig-rundlich. Aeste breit (35 mm), der Proc. coro-
€8 68 mm hoch. Kieferwinkeldistanz gering, anndhernd 93 mm. —
Cr ist leicht ersichtlich, dass die beiden Schädel, obwohl von verschiedenen
hap, iden herstammend, abgesehen von ihrer Grosse, in allen Hauptstücken
am einstimmen und derselben Rasse angehört haben müssen. Abweichend sind
trogen die Gesichts- und Nasenindices, welche bei dem männlichen Schädel,
beig Seiner sonstigen Grösse, niedriger geblieben sind. Höchst auffallend ist bei
Pro en die fast gerade gestreckte Stellung der Jochbogen und der ausgemachte
Snathismus bei verhültnissmüssig kurzen Alveolarfortsátzen.
lani. t besitzen seit längerer Zeit eine Reihe von Schädeln aus dem Ostjordan-
han ‚welche mein leider so früh verstorbener Freund und Schüler Paul Langer-
1870 Jun. von einer Reise mitbrachte, welche er in der ersten Hälfte des Jahres
über in Begleitung des Hrn. H. Kiepert ausgeführt hatte. Er hat ausführlich
M een berichtet im Archiv für Anthropologie 1873. Bd. v I. 8. 89 und 201,
Erg er schon in der Zeitschr. f. Ethnol. 1873. Bd. V. S. 2T. Taf. ILL —VI die
letyg, nisse seiner Untersuchungen an Lebenden mitgetheilt hatte. Da jedoch diese
iusso, e theils Kurden, theils Armenier, iheils Neger waren, SO können sie hier
Schag, Betracht bleiben. Für die Vergleichung bleiben vorzugsweise diejenigen
vom oh welche Langerhans als Beduinen-Schádel bezeichnete; sie stammen
(Phi Ren Ufer des Jordan, namentlich von Hirbe Sar, Es-Salt und Amman
Neger elphia), also von ziemlich weit nördlich liegenden Plätzen, wenn wir das
Vera in Parallele stellen. Nichtsdestoweniger wird man wohl eine nahe Stammes-
a voraussetzen dürfen. Langerhans hat gute Abbildungen von den
in de, n Schádeln gegeben (Archiv 8. 50—52); sie zeigen, dass in der Mehrzahl
Ing, Ln eine grosse Aehnlichkeit mit den Schädeln aus dem Negeb besieht.
Um ar In ist das Material nicht gross genug und zugleich nicht hinreichend sicher,
day, y Lossende Resultate zu liefern; es wird sich die Gelegenheit wohl finden,
dass mare Jedenfalls müssen wir Hrn. Bracht sehr dankbar sein,
Yon ga. 1e Gelegenheit wahrgenommen hat, unsere Sammlung mit guten Beispielen
Chädeln einer schwer zugänglichen Region zu bereichern.
(582)
Schädel aus dem Negeb Ada | Rekhameh
+ g
I. Messungen.
Capacität. . . e e. 1425 1040
Grósste horizontale Lànge . . . . . . . . 186 112
> Breite. . . . ........ 489p | 195t
Gerade Hóhe . . . . . . . . . . . . . 133 |- 1287
Ohrhéhe . . . . . . . 4 lll nn 110 98
Hinterhauptslànge . . . . . . . . . . . 61 53
Stirnbreite . . . . e Co 91 87
Entfernung des For. magn. von der Nasenwurzel 99 102
^ , , vom Nasenstachel . 99 89
n + » Alveolarrand . 105 | 92
^ » ^ » Zahnrand. . . (108) =
^ » » . Kinn . . . . 109 88
. Gehórganges von d. Nasenwurzel | 107 | 102
. ^ ^ vom Nasenstachel. 118 103
. A » Alveolarrand . 118 107
. - » Zahnrand . . (122) —
. Kmn. . . .| 131 116
Horizontalumfang . . . . Cee ee 516 478
Sagittalumfang des Stirnbeins . . . . . . . 134 115
^ der Parietalia . . . . . . . 138 120
> der Squama occipitalis . . . . 115 106
Ganzer Sagittalbogen . . . . . . . . . . | 387 341
Gesichtshôhe . . 1 1122224422 | 108 109
Gesichtsbreite a . LL. 222 4 114 40 | 124 116
A b... rss] 89 90
, ellos. ssl 93? 82
Orbita, Hohe . . . . Da | 80 82
0. Brit .......... s. 3% 35
Nase, Hohe . . . . , . ....... 49 49
, Breite . . | 25 22
Gaumen, Länge | . Ce N 62 50?
„ Breit 1 1211144 2220 38 38
Gesichtswinkel . . . me mne
II. Indices.
LàugenbreitenindeX . . . . . . . . . .. 12,6 72,7
Längenhôhenindex . Ce ee ee 4 ng n 71,5 14,4?
Ohrhóhenindex . . + - . . . + . « . . . 59,1 56,9
Hinterhauptsindex . - MEN der de 32,7 30,8
Gesichtsindex . . . « . . . . . s... 87,0 93,9
Orbitalindex. . . . . . . Cee 85,7 91,4
Nasenindex . . . . . . . . . « . . . . 51,0 44,8
Gaumenindex . . . . . . 4... e n n 61.2 76,0
(0%)
(9) Hr. H. Jentsch in Guben berichtet unter dem 11. über
vorslavische Funde aus der Niederlausitz.
sch Während der letzten Monate sind im Gubener Kreise und in dessen Nachbar-
i an verschiedenen Stellen Ausgrabungen vorgenommen worden, von denen
1e charakteristische Funde ergeben haben.
I. Niemaschkleba.
be; In dem seit® einer Reihe von Jahren gelegentlich ausgebeuteten Urnenfelde
im 2 Vorwerk Niemaschkleba, welches südlich von dem Dorfe gleichen Namens,
nq, chen Theile des Gubener Kreises, unweit der Oder liegt, ist, 100 Schritte
lAwestlich vom Gutshause an der Wegtheilung, nur 1—1!/, Fuss tief, ein Grab
ve worden. Der Steinsatz war an einer Seite bereits bei der vor 49 Jahren
on 8ten Pflanzung einer jetzt wieder beseitigten Pappel weggenommen. Die Funde
Nag, Sen wiirtigen die gleichzeitig hier in Gebrauch gewesenen Gefüssformen und
uy Pe Alle dieser Gruft entnommenen Thongefässe sind sehr kriftig, fest
Spr Mmassig gearbeitet. In der Mitte stand eine grosse, durch die Wurzeln zer-
ibe, Se Urne, deren unterer Theil sich schüsselarüg erweitert, während der obere
bs" Einwólbung mit fast cylindrisch aufsteigendem Halse in weiter Oeffnung
lis. liess. Bei den Knochen lagen etliche Backenzühne, doch kein Metall. Um
en Leichenbehälter herum standen mehrere Buckel- und zwei glatte, aus-
Sebauchte Gefässe.
geri | ter jenen ersteren ist ein Napf von 16 ci Hóhe mit ein wenig nach aussen
Bá tetem, 5 cm hohem Halse und fast 2 cm weit waagerecht ausgelegtem Rande.
" einem zweiten schliesst der gleichfalls konisch erweiterte Hals ohne aus-
br, Plon Saum ab; unmittelbar unter dem oberen Rande setzt hier ein 4,5 cm
— Henkel an, der anfangs waagerecht verläuft, dann, kantig gebrochen, 5 em
Aus derabgeführt ist und zwei Finger fasst. An beiden Nüpfen sind um die spitz
i 5 en Dellen heraustretenden Buckel zwei breite, tiefe Furchen und zwischen
lings der Verzierungen 3—4 senkrechte Linien gezogen. Ein drittes Gefäss mit
hera "isch aufgerichtetem Halse hat 2 krüftige Oehsen, und zwar weniger weil
ie ; &tretende, aber für den Gesammieindruck durch Vieur 2
Allo, p eentrische Kreisfurchen stark markirte Buckel. BUT ^
Hier, Oden ist ein ringformiger Standfuss untergelegt. dL
Reg] treten 2 Gefüsse von der Art, wie sie in der
Schlich neben Buckelurnen erscheinen. Es sind
Rang, te, in mittlerer Hohe ausgebauchte, unter dem
lg " Ziemlich tief eingewülbte Tópfe von 14, bezw.
dem he und 17, bezw. 16 em grösster Weite. Bei
In der drigeren (Fig. 1) ist der Saum flach ausgelegt.
Bo den 2 höheren lagen unter dem Sande auf dem
elwas Nadeln. Die eine, nur 6 c» lang, durchweg
nga, LS Platiet, ist am oberen Ende schleifenartig
Stell 0gen, und schliesst hier mit emer alten Bruch-
Lighy, (Fig. 2): sie erinnert an em Exemplar von
in eee: welches im oberen Theile vierkantig und
Besitzer stärkerer Rundung zusammengebogen ist
Sting; or Oberprediger Krüger in Lieberose); voll-
ze dag. erhalten ist eine Schleifennadel von Star-
: abgebildet Verh. 1886. S. 415. Fig. 5. Von ein-
des
(584)
Figur ^ facherer Art ist das zweite Stück von 15,5 em Lünge
das 6 cm weit vom Knopf so stark zusammengeboge?
6 ist, dass sich das untere Ende diesem bis auf ! ^?
( nähert. Die Zusammenbiegung scheint nachträglich
Ü erfolgt zu sein, wofür eine grössere Zahl von làng?
verlaufenden Rissen der Aussenseite spricht. Der
Knopf ist platt, doppelkonisch (Fig. 3). Ein in ähr
licher Weise zusammengebogenes Exemplar fand sich
gleichfalls in Verbindung mit Buckelurnen bei Sellessen, Kr. Spremberg; auch €!”
innert an diese Gestalt das Bruchstück von Coschen, Kr. Guben (abgebildet im
Gubener Gymn.-Progr. 1886. Taf. 3. Fig. 38), das angeblich (a. a. O. S. 18) anders
verlief. Gleichfalls unvollständig ist eine bei Gleinau in Schlesien gefundene ZU
sammengebogene Nadel im Besitz von Dr. Buschan (abgebildet Verhandl. 1888.
S. 158. Fig. 8).
II. Scheibennadel von Christianstadt, Kr. Sorau.
Südwestlich von Christianstadt ist auf einem sandigen Felde, anscheinend 3?
einem verwüsteten Urnenfriedhof, eine Bronzenadel mit senkrecht vorgelegte!
Scheibe gefunden worden. Der Schaft ist, obwohl vollständig erhalten und spit?
auslaufend, nur 9 cm lang; unter rechtem Winkel biegt er sich um und trägt 19
einem Abstand von 1 cm eine kreisförmige Platte von 2,6 cm Durchmesser; aus ihr
ragt die Nadel, geglättet, ein wenig hervor. Diese flache Kuppe wird von 6 con-
centrischen Kreisen umzogen; es folgt ein glatter Streifen von 3 mm Breite, welchen
3 concentrische Furchen umgrenzen; ein schmaler glatter Rand bildet den Ab-
schluss. Das Stück ähnelt dem von Virchow, Grüberfeld von Koban S. 35 f, an-
geführten Funde von Stralsund und dem schwedischen von Lángbro in Sóderman-
land (Montelius, Bronsäldern 1872. S. 263. Fig. 21), sowie dem von Neumünster
(Tr. Arnkiel, Oimbr. Heydenbegrübnisse, Hamb. 1709. Bd. III. S. 164). Ein Seiten
stück:aus Eisen von Gawlowice, Kr. Graudenz, erwühnt Undset, Das Eisen in
Nordeuropa S. 134, Abbild. Taf. 14. Fig. 7. Die Nadel von Tolkewitz bei Dresde”
(Preusker, Blicke in die vaterländ. Vorzeit III. S. 87. Anm. 1; Taf. 6. Fig. 46
auch bei Klemm, German, Alterthumskunde 1836. S. 61. Taf. 2. Fig. 6) scheint
durch eine leichte Biegung im Schaft den Uebergang zu den S-fórmig gewundenen
Nadeln zu bilden, zumal da die Scheibe von Preusker als hohlspiegelartig be”
zeichnet wird, wie die Platte dieser Nadeln ja nicht selten ist.
II. Gezeichneter Stópseldeckel von Friedland, Kr. Lübben.
In dem mehrfach besprochenen nördlichen Grenzstreifen der Niederlausit?
(Verh. 1890. S. 485 ff) hat sich bei Friedland i. L. ein Deckel von ? cm Durch-
messer mit unten angelegtem Falzrande gefunden, dessen Oberseite mit einem
Kreuz aus Doppellinien verziert ist (Besitzer Postgehülfe Voigtmann, z. Z. i
Christianstadt a. Bober). Das Stück bildet ein Mittelglied in der Reihe ähnlicher
Funde. Oertlich steht ihm am nüchsten ein Fund von Grunow-Mixdorf, Kr. Lübben-
Bei diesem tritt ein scichter Knopf heraus, welcher von 2 Furchen umzogen ist, und
von dem 5 Strahlen ausgehen, aus je 3 Strichen zusammengesetzt (Abbildung in den
Niederlausitzer Mittheil. IL. Taf. 2. Fig. 4.). Diese beiden Verzierungsmuster sind
gleichsam eine Vorstufe des noch etwas mehr zusammengesetzten auf dem Deckel
einer Dose von Coschen im nordwestlichen Theile des Gubener Kreises: den
Aussenrand bildet eine von 2 concentrischen Kreisen begrenzte Zone,. welche mit
Punkteinstichen ausgefüllt ist; in derselben Weise sind die Zwischenräume zwischen
PER
>.
(
den von der Mitte ausgehenden 8 Strahlen verziert (Verh. 1886. S. 654; Abbild.
Zeitschr. f. Ethnol. IX. 1877. Taf. XVII. Fig. 5). Strahlenformig ist auch die Ver-
Zierung eines ziemlich hochgewólbten zweiten Deckels von Friedland, dessen Knopf
abgebrochen und dessen Rand gekerbt ist (Weineck in den Niederlaus. Mittheil. I.
8.315 f Taf. 4, Fig. 20). Wihrend hier die Strahlen die ganze Oberfläche be-
decken, ühnelt ein erheblich weiter westlich bei Prosmarke, Kr. Schweinitz, nahe
der Westgrenze der Niederlausitz, gefundener Deckel durch die Kreuzstellung der
Liniengruppen (Verh. 1887. S. 463) an das hier besprochene Stiick.
IV. Funde von Ossig, Kr. Guben. Niederlausitzer Eisennachbildungen
von Bronzetypen.
Zur Vervollstindigung der Uebersicht über den Inhalt der Gräber mit Thon-
sefässen des Niederlausitzer Typus bietet der Rudenberg bei Ossig in der süd-
Osilichen Ecke des Gubener Kreises einige Funde. Die Gefásse standen dort in
Steinsatz und sind annähernd terrinenförmig, doch mit ziemlich weiter Oeffnung.
Bei einem Leichenbehälter von 27 cm Höhe, 24 cın grösster Weite, 11 cm breitem
Boden, der nach dem Rande hin durchbohrt ist, und 20 cm weiter Oeffnung, ist
der obere Theil glatt gestrichen; der durch den herabgedrückten Thon entstandene
kleine Wulst zeigt Fingereindrücke. Die Beigaben bestehen in ühnlichen kleinen
Gefässen, gleichfalls mit einem Ringe knöpfchenartiger Erhebungen im Uebergange
“um Halse; bisweilen ist der Gefässkörper nicht ausgerundet, sondern. fast konisch
Seformt. Dazu kommen mittelgrosse Terrinen, deren Hals deutlich abgesetzt und
Nach innen geneigt ist, theils mit Henkel, theils mit Oehsen versehen, ferner
Tassen mit hochgezogenem, zuweilen senkrecht gefurchtem Henkel, Teller mit ein-
geklapptom Rande, gehenkelte und henkellose Schälchen mit centraler Boden-
érhebung, einzelne längliche, getheilte Gefisse, ein grosses Räuchergefüss mit
elliptischen Oeffnungen. Verzierungen sind im Ganzen selten und beschränken
Sich, abgesehen von den Wiilsten mit Fingereindrücken, zumeist auf seichte,
Waagerechte Furchen; doch kommen auch concentrische Halbkreise über Kehl-
Streifen bisweilen vor. Höchst zierlich ist eine kleine Terrine von nur 4 cm Höhe
Mit einem Oehsenpaare und 2 waagerechten Linien unter dem ein wenig aus-
Sebogenen Rande: auf der weitesten Auswülbung ist ein Band von senkrecht gegen
“Mander gestellten triangulären Strichgruppen angebracht, höchst sorgfältig bis ins
Anzelne ausgeführt. Von seltneren Stücken ist hervorzuheben ein nur 9 cm
hohes Räuchergefäss, dessen Glocke statt der Oeffnungen 3 Gruppen seicht
Singestrichener concentrischer Halbkreise zeigi: es erinnert an das erheblich
STössere Räuchergefäss mit hufeisenförmigen Einschnitten im Fusse (Verh. 1883.
S. 344. Anm.2) aus der dem Südosten des Gubener Kreises benachbarten Herr-
Schaft Forst-Pfórten (in der griflich Brühl’ schen Sammlung zu Pförten). Ferner
St ein kleines, annähernd terrinenfórmiges Gefáss Zu er-
Vühnen, bei welchem an Stelle der einen abgebrochenen Fieur 4.
Oehse eine Kreisóffnung eingebohrt ist (Fig. 4), — ein Be-
Weis einerseits, dass dies Gefiss wirklich getragen, anderer-
Selts, dass als Mitgabe ein gebrauchtes Stück verwendet
Worden ist.
. Ein fast elliptisches, durchbohrtes Steinplüttchen lag
Mit einer grösseren Reihe kleiner scheibenformiger Then-
Perlen zusammen und war wohl mit ihnen zusammen auf-
Sereiht.
Die Metallbeigaben bestehen in einer kleineren, 8 mm
585)
je
(586)
langen Bronzespirale von 3 mm Weite; ferner in Bronzenadeln, bei deren einer
den Abschluss eine 1,5 cm lange, stark geriefelte leichte Verdickung des Schaftes
bildet (Fig. 5, vgl. Undset, Das Eisen in Nordeuropa Taf. 19. Fig. 4), während
eine andere einen schlicht konischen Kopf irügt: auf diese letztere waren 2 Thon-
ringe von 1,6 em Durchmesser, im Lichten 1 cm weit (vgl. Droskau, Verh. 1888.
S. 255) aufgezogen..
Figur 5. "6.
Von Eisen ist ein Messerchen von 8 cm Länge
U (Fig. 8) erhalten, das zwischen den Knochen lag, ferner
eine Spirale von 3 Windungen mit 2 cm Weite, endlich
eine 21 cm lange, gebogene Nadel mit ebener Platte
von 2 em Durchmesser, unterhalb deren ein rundlicher
Knauf und weiter herab eine Gruppe feiner Reifen
heraustritt (Fig. 7).
Diese beiden Stücke vergrôssern die Zahl der
in unserer Landschaft bekannt gewordenen Nach-
bildungen bronzener Muster, welche dieser Aus-
gangszeit des Niederlausitzer Typus eigen sind (vgl.
Niederlausitz. Mittheil. I. S. 123; II. 8. 21). Es
sind deren bis jetzt bekannt: 1) Hohlcelte von
Zilmsdorf, Berge, Güritz, Kr. Sorau (Verhandl. 1881.
S. 432, 1883. S. 423), anscheinend auch von Billen-
dorf gleichen Kreises (im Märkischen Museum zu
Berlin), endlich aus der Gegend von Golssen (Klemm,
Die Werkzeuge und Waffen 1858. S. 108. Fig. 195).
Ueber bronzene Vorbilder s. Verh. 1886. S. 7121; 1887.
S. 290. — 2) Sogen. Rasirmesser, fast viereckig, mit
kleinem, gebogenem Griff an einer Ecke: von Reichers-
dorf, vielleicht auch von Haaso, Kr. Guben (Gub. Gymn.-Progr. 1886. S. 16); aus
Bronze von Stradow (im Museum zu Cottbus), aus Schlesien bei Undset a. a. O.,
Taf. 10. Fig. 4; annühernd halbmondfürmig, einem Wiegemesser ähnlich, von
Guben Chüne (Verh. 1885, S. 388. Fig. 17), in Bronze von Friedland i. L. (im
Märk. Mus. zu Berlin), vgl. Zaborowo (Verh. 1874. 8. 224), Kluczewo (ebenda 1882.
S. 394; Undset a. a. O. Taf. 10. Fig, 3). — 3) Der Spiralring von Ossig (s. ob.), in
Bronze von Reichersdorf und vielfach anderwürts in der N iederlausitz. — 4) Schlichte
Ringe von 2—6 c» Durchmesser, wenig Charakteristisch; u. a. von Guben Chöne
(Verh. 1885. 8. 387. Fig. 15), von Billendorf (Märk. Mus.). — 5) Nadeln mit ebener
oder flach konischer Knopfplatte: Guben Chóne (Verh. 1885. S. 387. Fig. 13),
Zilmsdorf (ebenda 1883. S. 422, Fig. 5); bronzene Vorbilder vielfach, — 6) Nadeln
mit absaizweise verjüngtem Knopf: Guben Chône (a. a. O. 1885. S. 387.
Fig. 14; gegenwürtiger Besitzer unbekannt), Repten, Kr. Kalau (Niederlausitzer
Museum zu Cottbus); bronzene Vorbilder: Grüne Hiche bei Schenkendorf, Kreis
Guben, u.a. — 7) Nadeln mit einer aus der meist concentrich gerieften Knopfscheibe
herausitretenden Spitze: Reichersdorf, Starzeddel (Niederlausitz. Mittheil. I.
S. 123); in Bronze von Berge, Billendorf, Christianstadt, Güritz, Pfôrten, Kr. Sorau
(5: ,
Haaso, Oegeln, Reichersdorf, Kr. Guben; Klein-Róssen, Prov. Sachsen, Bautzen,
(Voss, Verh. 1881. S. 430, Niederlaus. Mittheil. I. 8. 123. Anm.). — 8) Platten-
Nadel mit gebogenem Halse: Guben Chöne (Verh. 1886. S. 386. Fig. 1); in Bronze
von Lessendorf in Schlesien (Kónigl. Museum zu Berlin). — 9) Kleine Rollnadel:
Guben SW., Kaltenborner Str. 27 (Verh. 1884. 8. 16); in Bronze ebenda (a. a. O.
1882, S, 419, Fig. 11) und Guben Chône (Guben. Gymn.-Progr. 1886. S. 7. Taf. 30.
Fig. 90, und S. 9); vgl. Virchow, Das Grüberfeld von Koban S. 33. Anm. 10 über
schlesische und österreichische Seitenstücke. — Eine Eisennadel ohne Knopf von
Sürehen, Kr. Sorau, befindet sich im Märkischen Museum zu Berlin. — 10) Sicheln
Yon Guben Chône (Verh. 1885. S. 388. Fig. 16; Guben. Gymn.-Progr. 1886. S. 7.
Taf. 3, Fig. 26, S. 9), Haaso (Verh. 1890. S. 358. Fig. 11; Besitzer C. Krüger in
Pforten), Oegeln (in der gräflich Brühl'schen Sammlung zu Pfórten; s. Gubener
Progr. 1889. S. 21), Reichersdorf (Verh. 1890. S. 358. Fig. 9); im Sorauer Kreise
ron Billendorf (im Märkischen Museum zu Berlin), Zilmsdorf (Verh. 1883. S. 425.
Pig. 3). Der Stollen am breiten Ende des Blattes erinnert an den Knopf der
bronzenen Seitenstücke (vgl. Guben. Gymn.-Progr. 8.9). — Es scheint nicht aus-
SéSchlossen, dass diese verschiedenen Eisengerüthe einheimische Erzeugnisse der
Niederlausitz gewesen sind, um so mehr, als einzelne Formen in Eisen gebildet
anderwärts noch nicht nachgewiesen sind.
V. Reichersdorfer Funde.
— 1) In dem bereits seit 50 Jahren bekannten Gräberfelde bei Reichersdorf S.
8t am 10. d. M. auf dem Krügerschen Gehôft in einem Grabe mit Steinsatz un-
Mittelbar an dem unteren Theile einer grossen, terrinenförmigen Urne mit Kehl-
Sireifen zu welcher ein Beigefüss von 11 cw Hóhe mit stumpfwinklig gebrochener
Seitenwand und zwei Oehsen, ein Deckieller mit stark eingeklapptem, spiralig ver-
Zerlem Rande und eine roth überfangene, grosse Schüssel mit facettirter Innen-
Seite des Randes gehôrten, ein Steinhammer gefunden worden, der fast völlig
Unbenutzt zu sein scheint (Fig. S). Es ist dies das fünfte erhaltene Stück dieser
Art aus dem bisher aufgegrabenen Theile des Feldes (Niederlausitz. Mittheil. II.
S ll das zweite, das in unangegriffenem Zustande, mit ein wenig schartiger
Schneide, allseitig scharfen Kanten und völlig glatter Bahn vorliegt. Das Material
st graubrauner, feinkôrniger Sandstein, nicht widerstandsfähig gegen härtere Gegen-
Figur 9.
Figur 8.
ade. Es drängt sich der Gedanke auf, dass beide Hämmer etwa nur zum Zer-
QUE der Knochen benutzt und dann ins Grab mitgegeben worden sind. Die
s ist die in der Niederlausitz überwiegende, im Längsschnitt fünf-, im Quer-
nit viereckig ; die Länge beträgt 18 cın, die Breite der Schneide 4,5, die der
Quadratischen Bahn 2,3 cm. Die Durchbohrung ist cylindrisch. Die beiden Kanten
587)
(a 5)
Zu ihrer Seite sind durch herausgearbeitete Leisten verstürkt. Die Breite beträgt
einschliesslich derselben 5,5 cm. Gewicht 650 g. —
Zwischen den Knochen lag in der Urne eine bronzene Pfeilspitze von
2,9 c. Lünge und 2,6 cm grüsster Breite. Die Schafttülle ist 1,5 cm weit hohl; die
Widerhaken setzen in verschiedener Hôhe an; am unteren Ende ist nach einer
Seite hin das Metall der Schafthülse ein wenig ausgezogen. Eine Oeffnung zur Be-
festigung ist nicht vorhanden (Fig. 9).
Die übrigen, bisher bekannt gemachten Funde aus der Niederlausitz haben
_ . theils einen platten, massiven Schaft und zwei Widerhaken
Figur 10. Figur 11. (Garrenchen und Crossen, Kr. Luckau, Burg, Kr. Cottbus);
theils eine Schafttülle und unten abgerundete Blattansätze
(Fig. 10, gleichfalls aus einer Reichersdorfer Urne), ferner
aus Niemitzsch, heiliges Land, Ratzdorf, Kr. Guben, letztere
im Märkischen Museum, andere von Güritz, Kr. Sorau,
Sellessen, Kr. Spremberg). Auf das heilige Land bei Nie-
mitzsch sind bis jetzt die dreikantigen Pfeilspitzen (Fig. 11)
mit Schafttülle beschränkt.
2) In der wesentlich jüngeren Fundstelle bei Reichers-
dorf W. haben die diesjährigen Untersuchungen einerseits
die Ausdehnung des Gräberfeldes, andererseits die typische
Beschaffenheit der Grüfte festgestellt. Der Friedhof bildet
einen etwa 40 Schritt breiten, von West nach Ost sich erstreckenden, den Weg
nach Niemitzsch, welcher der Forst-Gubener Strasse zuführt, schräg durchschnei-
denden Streifen. Am weitesten westlich, von diesem Wege 110 Schritie in süd-
licher Richtung entfernt, lag das Grab mit dem rómischen Stempelschwert (Verh.
1889. S. 343 ff.) und der tauschirten Eisenscheibe (ebenda S. 659 f.); am weitesten
östlich, 200 Schritte nach Norden vom Niemitzscher Wege, fanden sich in der
Richtung nach dem Gutshof auf dem dem Werderflüsschen sich allmählich zu-
neigenden Gesenke die slavischen Reste (ebenda 8.356 f.). — Die Einrichtung der
Grüfte war folgende: Ausser den ausgesiebten Knochentheilen wurde in derselben
Grube der gesammte Rückstand des Leichenbrandes (Asche, Kohlen, zersprungene
Gefässe) beigesetzt. Spinnwirtel und Thongefässe sind, wie blasig aufgetriebene
und angeschmolzene Stücke beweisen, mit im Brande gewesen, ebenso einzelne
Schmuckgegenstände aus Bronze und Perlen aus Glas und Thon. Den beigesetzten
Gebeinresten wurden Metallgegenstände des täglichen Gebrauches, Waffen und
Schmuckstücke beigelegt, welche‘. bisweilen. tiefer in jene hineingesunken sind.
Nach der regelmássigen Lagerung der Knochenstücke in einem stumpfen Kegel,
weleher sich als compakte Masse darstellte, sobald die umgebende Erde und Asche
entfernt war, ist es wahrscheinlich, dass sich die Leichenreste in einem inzwischen
verschwundenen Behälter (einem Sack, Korb, Fass oder dergl.) befunden haben.
Die Grube war grösser, als der Bestand an Knochen und Brandrückständen, da
der Boden der nächsten Umgebung mit Knochenflimmerchen durchsetzt ist, also
nachträglich in die Grube wieder hereingebracht wurde. Der Aschen- und Kohlen-
schutt, weleher etwa 30 cm unter der gegenwärtigen Oberfläche begann und in der
Regel einen Durchmesser von 0,5 m hatte, machte darauf aufmerksam, dass sich
in nächster ‚Nähe: eine Gruft befinde. Diese schwarze Masse hatte ófters ein Vo-
lumen von etwa 2 Scheffeln. Bisweilen fand sich ein Kranz von kopfgrossen
Steinen auf der Sohle des Grabes, in anderen Füllen eine niedrige regellose
Packung; in einer Gruft lag ein einzelner Stein von der Grósse eines Kürbis;
mehrfach lagen, planlos hingeworfen, kleinere Feldsteine über den Leichenresten.
ESE
(589)
. Die Ausgrabungen im März dieses Jahres ergaben an Metallgeräth, 150 Schritte
Nördlich vom Wege: eine Schnalle mit viereckigem Rahmen, den unteren Theil
êines Messers, das mit rechtwinkligem Absatz in die Griffzunge übergeht, zwei
Eisenstübe von 5, bezw. 4 cm Länge, überdies einen mit der Oeffnung nach unten
*Ingelegten, hel] róthlichen, kolbenfórmigen Topf mit Standfuss, dessen Seiten wand
SChrág gerippt ist (Fig. 12); neben ihm lag, in die Seitenwand eines grossen Ge-
lüsses mit Wulst unter dem senkrecht aufsteigenden Rande eingebettet, ein Theil
"nes Henkelkruges. — 30 Schritte südlich vom Wege fanden sich in Verbindung
Mit einer kleinen Quantität von Knochen ein schlichtes eisernes Armband ohne
Figur 12.
Figur 18. Figur 14.
Verzierung mit verbreiterten Enden (Fig. 13), 2 Schlüssel mit unverziertem Schaft,
Sin beiderseits ebener Spinnwirtel von 3,5 cm Durchmesser und 1 cm Höhe,
18 Melonenförmige Perlen aus gefrittetem Thon von 1,3—2,5 cm Durchmesser
(Fig. 14), glasirt, bläulich und röthlich glänzend, zum Theil schwammig auf-
Setrieben oder im Feuer verzogen; der grössten ist ein Bronzeiropfen, einer der
kleineren eine hellgrüne Glasperle angeschmolzen, ausserdem ist eine grünlich-
blaue, durchscheinende, etwas zerflossene Perle erhalten. In derselben Gruft lag
êin kleines henkelloses Thongefäss von 7 cm Hôhe, in der Mitte ziemlich stark aus-
Sebaucht, mit eingezogenem Halse und ein wenig übergebogenem Rande; es zer-
brach beim Ausheben.
In einem benachbarten Grabe stand neben wenigen Knochensplittern ein zer-
drücktes braunes Gefäss mit gekerbtem Rande; in dem Aschenhaufen dancben
land: sich ein zerflossenes formloses Bronzestück.
l Von älteren Funden zeigte mir Hr. Rittergutsbesitzer Reimnitz ein 5 en
Anges und 2,5 cm breites rechteckiges Schlossblech aus Eisen mit einem Nagel in
Jeder Ecke und einer kreisförmigen Oeffnung nahe der Mitte einer Schmalseite,
lerner einen doppelkonischen Spinnwirtel mit stumpfer Kante, auf welchem beider-
2 is 8 radiale Systeme von Punkten und Strichen angebracht waren: zwischen je
b Linien sind zwei parallele Reihen von etwas breitgezogenen Einstichen ange-
Yacht, Dieses Muster erinnert an die Zeichnung der sogen. Krótensteine.
d Einzelne Streifen des inzwischen besüten Feldes sind für spütere Ausgrabungen
Uch die Freundlichkeit des Hrn. Besiizers aufgespatt worden. —
(10) Hr. Schumann in Lócknitz berichtet unter dem. 2T. Juni über ein
Slavisches Gräberfeld mit Skeletten und Leichenbrand auf dem Silberberg
bei Wollin (Pommern).
vis Auf den Silberberg bei Wollin ist man schon in früheren Jahren durch sla-
Che Funde aufmerksam geworden. Anfangs der dreissiger Jahre wurden durch
(590)
Hrn. Küster dort Ausgrabungen vorgenommen und Skeletgräber gefunden, die
durch Hrn. Virchow genauer untersucht und beschrieben wurden (Verhandl. 1874.
S. 210 und 1876. 8. 234). Bei Gelegenheit einer Exkursion der Gesellschaft für
pommersche Geschichte wurde die Localitit wieder einer Untersuchung unter-
worfen. Es zeigte sich, dass das ganze Feld vor der Mühle des Hrn. Hartwig
ein Reihengrüberfeld bildet, in welchem die Skelette etwa lw tief im Sande
liegen.
Der Sand dieht um die Skelette ist etwas dunkler gefärbt und finden sich
neben und zwischen den Skeletten zahlreiche Scherben. die mit Wellenlinien
und anderen Ornamenten versehen sind, wie wir dieselben aus den slavischen
Burgwüllen zur Genüge kennen. Dass die Skelette der slavischen Bevólkerung
des ehemals grossen und berühmten Julin angehören, kann unter diesen Umständen
kaum. zweifelhaft sein.
Es sind nun aus diesem Gräberfeld wieder 3 ziemlich erhaltene Schädel ge-
wonnen worden, die zum Theil sich noch gut messen lassen. Schädel I wurde
von Direktor Lemcke, Schüdel II und III vom Besitzer des Feldes, Hrn. Hartwig:
ausgegraben.
Schädel I. Der kleine Schädel ist von gelber Farbe, ziemlich gut erhalten.
Es fehlen zum Theil die Proc. nasales der Oberkiefer, die Jochbogen, sowie ein
Theil des Unterkiefers. Die Zühne sind gut, die Weisheitszihne durchgebrochen,
nicht cariós, wenig abgeschliffen.
Die Schádelnühte sind wenig gezackt, noch gut erkennbar, nur die Pfeil-
naht nahezu verwachsen. Die Schüdelknochen ziemlich kräftig.
Norma temporalis: Die Stirn ist mássig hoch, Supraorbitalwülste kaum an-
gedeutet. Die Stirn verläuft allmählich nach oben und hinten. Scheitel gut ge-
wölbt. Der obere Theil des Hinterhauptes flach, die Occipitalschuppe leicht capsel-
fôrmig vorspringend. Muskelansätze am Hinterhaupt deutlich entwickelt, ebenso
die Linie für den Ansatz des Schläfenmuskels. Ausgesprochene alveolare Pro-
gnathie.
Norma frontalis: Die Stirn ist ziemlich breit, Wangenbeine wenig abstehend.
Die Orbitae sind nur mässig hoch, eher länglich viereckig, die äusseren Winkel
nach unten verzogen. Mittlere Schneidezähne breiter.
Norma’ verticalis: Der Schädel bildet ein nach hinten etwas kurz, nach
vorn allmählich zugespitztes Oval.
Norma occipitalis: Regelmássiges Fünfeck mit fast senkrechten Seitenkanten,
Foramina parietalia stricknadelstark.
Norma basilaris: Foramen magnum rundlich. Gaumen eher lánglich, schmal.
Hinterer Rand der Gaumenplatte ausgebrochen, sonst eben, ohne Torus palatinus.
Unterkiefer kräftig, senkrecht, stark ausgebildetes Kinn.
Bei der flachen und allmählich ansteigenden Stirn und der guten Ausbildung
der Muskelansätze könnte man den Schädel für männlich halten. Die Prognathie,
der geringe Inhalt und die breiteren mittleren Sehneidezühne scheinen aber eher
für weibliche Form zu sprechen.
Schädel II. Der kleine Schädel (1285 cem) ist von gelblichgrauer Farbe und
gut erhalten. Es fehlt nur der vordere Theil des einen Jochbogens und der
Unterkiefer. Die Schädelnähte sind stark gezackt, nicht verwachsen. Die Molares III
durchgebrochen, die Muskelvorsprünge mässig entwickelt. Schädelknochen mittel-
stark.
Norma temporalis: Supraorbitalwülste nur wenig entwickelt; die Stirn
niedrig, sich allmählich nach hinten wendend. Scheitelcurve flach. Seine grösste
(591)
Höhe hat der Schädel hinter den Tub. parietal. Hinterhaupt flach abfallend, Occi-
Pitalschuppe leicht capselförmig vorspringend. Neben dem hinteren Theile des
linken grossen Keilbeinflügels ein etwas unregelmässig länglichviereckiger Schalt-
knochen, der nach vorn vom Stirnbein, nach oben vom Seitenwandbein, nach
unten vom Keilbeinflügel und nach hinten von der Schlüfenbeinschuppe begrenzt
Wird. Wäre letztere Verbindung verknóchert, so würde ein Proc. frontalis der
Schläfenschuppe zu Stande gekommen sein.
. Ein Theil der Schläfenschuppe, des Seitenwandbeins und des Jochfortsatzes
links etwas grünlich schwarz gefärbt, vielleicht durch das ehemalige Vorhanden-
Scin von Schläfenringen. Dieselbe Färbung am rechten Jochbogen und der rechten
Stirngegend. Ansatzlinie des Schläfenmuskels nicht deutlich.
Norma frontalis: Die Stirn ist niedrig und ziemlich breit. Die Orbitae
hoch und mehr rundlich. Die Wangenbeine anliegend. Die Nasenbeine an der
Wurzel leicht eingesattelt, dann mehr gewôlbt. Die Nase lang und schmal.
Norma verticalis: Fast regelmässiges, hinten etwas verschmälertes Oval.
Grösste Breite an den Tub. parietal.
Norma basilaris: Foramen magnum gross, länglich. Gaumen mehr länglich,
Schmal, mittlere Schneidezähne breiter.
Norma occipitalis: Fast regelmässiges Fünfeck mit nahezu senkrechten
Seitenwänden, in der Gegend der Warzenfortsitze etwas breiter, oben gut gewölbt.
Schädel wohl gleichfalls weiblich.
Schädel III. Der Schädel ist von graugelber Farbe, sehr defekt. Es fehlt
das Gesicht, ein Theil der Basis und der Unterkiefer. Der vordere Theil der
Sagittalnaht ist wenig gezackt, stärker das hintere Drittel. Der mittlere Theil der
Naht ist in der Verwachsung begriffen, aber noch gut erkennbar. Die Kronen-
Naht in der Mitte gleichfalls wenig gezackt, stärker in den seitlichen Theilen, in
Ihren untersten Partien, über dem grossen Keilbeinflügel verwachsen. Die Stirn ist
Zlemlich hoch. Supraorbitalwülste kaum angedeutet. Die Scheitelcurve mässig
Sewülbt, Plana temporalia hoch.
. Das Hinterhaupt füllt flach ab, Hinterhauptsschuppe capselfórmig vorspringend.
Die Muskelvorsprünge am Knochen leidlich entwickelt.
In der Norma verticalis weicht der Schüdel erheblich vom Oval ab, da die
Gegend der Tub. parietal. ziemlich breit ist.
In der Norma occipitalis ziemlich fünfeckige Form mit eiwas convexen,
"ich oben etwas divergirenden Seitenwinden, oben gut gewdlbt. Der Schiidel ist
"^ Ganzen bedeutend grösser, als Schädel I und IL, wahrscheinlich männlich.
Schädel vom Silberberg bei Wollin | i | © : ut
I. Maasse.
Capacity. . . . . . . . . . . « « . . + 140 1258 —
Grässte Lange . . . . . . 2 oot ot ot 184 182 119
» Breite. . . x. 133 126 191
Örösste Höhe (vorderer Rand des For. magn.) . 130 135 =
» » (hinterer , "P 7»). 139 140 143
Auriculare Hohe . . . . D 112 115 118
Horizontalumfang. 111 1112240 506 198 510
Vericalumfang. . . 1110 300 990 821
d x
A :
M A
(592)
| ; x
Schädel vom Silberberg bei Wollin t MH
Minimale Stirnbreite. . . . . . . . . . | 96 96 96
Ganzer Sagittalbogen . . . . . e. 368 360 382
Sagittaler Stirnumfang. . . . . . . . . . 121 | 110 130
Länge der Pfeilnaht. . M 121 125 180
Lànge der Occipitalschuppe . . . . . . . . 120 125 121
Breite der Occipitalschuppe . . . . . . . . 133 135 123
Gesichtshóhe . . . . . . . . ..... 115 —
Obergesichtshóhe . . . . . . . . . . . . 64 69 -
Jugalbreite . . . . . . . . ...... — 128
Malarbreite . . . . . . e. 95 92 -
Hohe des Alveolarrandes am Oberkiefer . . . 20 DT
. ^ , Unterkiefer . . . 28 — -
Entfernung des For. magn. von der Nasenwurzel 100 110
» » . vom Alveolarrand . 99 91
» 4 » » Zahnrand. . . | 102 --
. X . Kim . . . . 109 ;
. Ohrloches von der Nasenwurzel | 102 113
“ vom Alveolarrand. . | 109 109
fi » „ Zahnrand . . . | 118 —
» : . Km . . . | 125 —
Orbita, Höhe . S. 30 34
5 Breite ZEND ALS 40 38
Nase, Héhe . . . . . . . . ., , . . . , 45 46
. Brite ......,,.,.,2.,.,2.,., 25 21
Gaumen, Lánge . . . . , , , , , ,,, 49? 45
A OU a 38 38
Mastoidealdurchmesser, Spitze . . . . . | © 100 103 100
^ Basis (aussen) . . . . 122 128 121
Foramen magnum, Lànge. , . , 2 1 1 1; 9b 37 —
» » Breite. LL. 11120 30 29 -
II. Indices.
Làngenbreitenindex . . sn 19,8 69,9 16,5
Làngenhóhenindex (vorderer Rand) . . . . . 10,7 10,6 —
Ohrhóhenindex . . . . . s 60,9 63,2 60,8
Gesichtsindex . . . . . . . .. .... 121,1 — -
Obergesichtsindex . . o. 604 . 75,0 —
Orbitalindex . . . . . / .. ..... 75,0 | 895
Nasenindex . . . . . . . . . . 556 ^! — 457
Gaumenindex . 11.6? 18.8
Was dem Gräberfelde auf dem Silberberg ein ganz besonderes Interesse ver-
leiht, ist der Umstand, dass sich dort ausser den Skeletgrübern auch Leichen-
brand fand.
An einzelnen Punkten liessen sich zwischen den Skeletten ganz eigenthümliche
Stellen von schwärzlicher Farbe wahrnehmen, die den Eindruck von Branderde
Machten. Sicher constatirt ist aber der Leichenbrand dadurch, dass der Besitzer,
Hr. Hartwig, ein unzweifelhaft slavisches Gefàáss fand, welches vollständig mit
den Resten des Leichenbrandes angefüllt war, zwischen dem sich auch
Noch Zähne fanden.
Das Gefüss ist von schwürzlich grauer Farbe,
hart und gut gebrannt. Es hat eine Hóhe von
200 mm, Der Umfang beträgt 750 mm bei 200 mm
Mündungsdurchmesser und 95 mm Bodenweite. Der
was kurz ausgelegte Rand ist glatt abgestrichen.
Dicht unter dem Halse finden sich schräg gestellte
Reihen von Punkteindrücken, unterhalb derselben
Me ]eichte Horizontalreifelung und hierauf am
Bauche eine fünffache Wellenlinie. In der Mitte des
Bodens ein rundlicher Eindruck. Ein Henkel ist nicht
Yorhanden,
Dass das Gefüss slavisch ist und mit der Burg-
Vallkeramik vollkommen übereinstimmt, kann keinen
Augenblick zweifelhaft sein. In Form, Masse und Ornamentik stimmt es genau
Mit den übrigen Gefässresten überein, welche sich zwischen den Skeletten sonst
befanden, und man wird kaum anders können, als die Skeletgräber mit
dem Brandgrabe für gleichaltrig zu halten; beide mögen dem Ende des ersten
Jahrtausends unserer Zeitrechnung etwa angehören. Es wird also angenommen
Werden müssen, dass bei den Slaven in Wollin die Leichenbestattung die übliche
Beerdigungsweise gewesen, daneben aber zur selben Zeit der freilich weit seltnere
Leichenbrand geübt worden sel. Bei der grossen Seltenheit derartiger Fälle von
Leichenbrand bei den Slaven, auf welche schon von den HHrn. Virchow und
Friedel (Verh. 1882. S. 398 ff.) aufmerksam gemacht ist, wird dieser sicher con-
Statirte Fall von Wollin nicht ohne Wichtigkeit sein. Jedenfalls wird man aber in
Zukunft bei Untersuchung von slavischen Reihengräberfeldern darauf gefasst sein
Nissen, gelegentlich einmal auch in Grüberfeldern dieser Art auf Leichenbrand
CU stossen.
i (11) Hr. Schumann übersendet durch Hrn. Olshausen folgende Mittheilung
er
zwei neue Bronzesporen aus Pommern.
. Auf dem Gute Obliwitz bei Neuendorf, Kr. Lauenburg, wurden beim Pflügen
TM Acker an äusserlich nicht markirter Stelle eine Urne und Bronzen gefunden.
Je Sporn Fig. 5 lag allein in einer Urne, welche auf Steinfundament gestanden
alte Und zerbrochen war. Auf demselben, etwa 12 Quadratfuss grossen Pflaster,
das aus mittelgrossen Steinen zusammengesetzt war, stand neben sonstigen Urnen-
Testen die Urne Fig. 1. In derselben fanden sich die beiden Sprossenfibeln Fig. à
Und 4 nebst den Resten einer dritten, sowie, ausser einigen Fragmenten, em
“Challenges Beschläge: Fig. 2. Etwa 5 Fuss von genannter Fundstelle und
14 Zoll unter Niveau befand sich wieder auf einigen grösseren Steinen eine Brand-
Stelle mit Branderde, Asche und Knochenresten.
Die oben am Rande etwas zerbrochene Urne Fig. 1, die ehemals mit Henkel
Yersehen war, zeigt am Halse senkrechte Bänder, aus zwei eingeritzten Linien be-
stehend, deren Zwischenraum durch Nageleindriicke ausgefüllt ist. Hierauf Quer-
Verhandt. der Berl, Anthropol. Gesellschaft 1891. 38
(593)
(594)
band mit Schrägeindrücken, sodann Gruppen von je 3 senkrecht und schräg ver”
laufenden Einritzungen und hierauf wieder ein Querband, aus 4 Linien bestehend;
deren Innenraum durch Schrägeindrücke ausgefüllt ist.
Die beiden Sprossenfibeln Fig. 3 u. 4 haben eine obere Sehne und die eine trüg!
unten einen Knopf. Sie gleichen ganz den Fibeln im Phot. Album Sect, I. Taf. &
Fig. 382 und 385, die Tischler seiner Abtheilung C. der Gräberfelder zutheilt.
Das schnallenartige Bronzebeschläge Fig. 2 besteht in einem Kkreisförmigen
Rahmen aus verhältnissmässig dünnem Blech mit 3 runden Fortsätzen, auf dene?
Bronzestiftchen sitzen. An der einen Seite ist noch ein halbmondfórmiger Aus
schnitt vorhanden. Offenbar war das Stück auf Leder aufgenietet.
Der Sporn Fig. 5 hat einen halbringformigen Biigel, an dessen Enden die
beiden Knöpfe sitzen. Der zum Theil hohl gegossene Stachel ist nicht rund, son”
dern mehr pyramidenfôrmig und sitzt nicht direkt auf dem Bügel auf, sondern ist
mit demselben durch ein oben und unten ausgekehltes Basalstiick in Verbindung:
Das gut erhaltene Stück ist in eins gegossen. —
Ein zweiter Sporn (Fig. 6) stammt aus Lübgust bei Neustettin und wurde
ebenfalls mit einer Fibel und Urnen zusammen gefunden. Er wäre zur Abtheilung
der Nietsporen zu rechnen und besteht aus zwei viereckigen Platten, welche den
Stachel zwischen sich fassen und mit demselben zusammen gegossen sind. An der
Hinterseite dieser länglichen Platten befindet sich ein T-fórmiger Stift zur Befestt-
J
(595)
ung des Sporns, Dieser Stift ist indessen nicht mitgegossen, sondern eingenietet.
Der Sporn ist von ziemlich roher Arbeit.
Zusammen mit dem Sporn wurde eine Bronzefibel (Fig. 7) gefunden, die eine
Schogene Querplatte zeigt, an welche sich der platte Bügel mit oberer knieförmiger
Knickung anschliesst. Sehne und Nadel fehlen.
Mit diesen beiden steigt die Zahl der aus Pommern bekannt gewordenen
Sporen auf 11, die 6 verschiedene Typen repräsentiren. Ausser den eben ge-
"ànnten sind noch vorhanden: ein Sporn von Koppenow (Verh. 1890. S. 205);
ZWei Sporen von Schwedt (ebenda S. 195); zwei von Resehl (ebenda S. 191);
Vier von Dranzig (Balt. Stud. 32. 8. 112 und Taf. IIL Fig. 5; Monatsblätter der
Ges, f. pomm. Gesch. 1889. S. 134—36); alle diese aus Bronze, die Schwedter mit
“ISemem Stachel. —
— Hr. Olshausen: Die von Hrn. Schumann mitgetheilten Sporen sind sowohl
Ihrer Form, als der begleitenden Fibeln wegen sehr interessant. Der Sporn von
Obliwitz (Fig. 5) ist. ein „älterer Knopfsporn“, welcher durch seinen facettirten
Stache] dem von Kreuz, Reg.-Bez. Bromberg (Verh. 1888, 154, Fig. 14; 1890, 196,
Pig. 13), und dem von Brunsberg, Norwegen (Rygh, Norske Olds., Christiania 1885,
Pig. 225) gleicht, aber durch die eigenthümliche Basis für den Stachel auf der
Bügelmitte an Stuhlsporen erinnert. Die Stellung des Obliwitzer Sporns wird ganz
Klay, Wenn man ihn vergleicht mit dem Stuhlsporn von Bodum in Schleswig einer-
lbs (Mestorf , Vorgesch. Alterth. aus Schleswig-Holst, Hamburg 1885, Nr. 490 —
Worsaae, Nord. Olds. 356) und dem Knopfsporn von Vimose (Engelhardt,
Nydam Mosefund, S. 33) andererseits; nur ist zu beachten, dass der Bodumer Sporn
eInen Stachel „mit Hals“ hat, während, um die Analogie noch grösser zu machen,
han an einen Stuhlsporn ohne Hals denken muss, wie der von Camin in Meklen-
burg (Verhandl. 1890, 195, Fig. 11). Aber der Bodumer Sporn zeigt ganz ühnliche
Auskehlungen an dem Basaltheil, wie der Obliwitzer. —
Auf eine ähnliche Combination des ,ülteren Knopfsporns^ mit dem Stuhlsporn
Machte ich schon in diesen Verh. 1890, 196 aufmerksam (Fig. 14 nach Engel-
hardt, Vimose Fundet, 1869, S. 25) und erwühnte, dass diese Gattung von Vimose
a 3 Exemplaren, sonst aber aus keinem anderen (dänischen) Funde bekannt sei
(8, 199 ung 198). Die Platte des Stuhlsporns ist bei ihr nur noch ornamental an-
Sedeutet, während der Sporn von Obliwitz eher eine wirkliche Verbindung beider
Typen vorstellt. | | |
Das Stück von Lübgust nun (Fig. 6) steht wieder in einem eigenthümlichen
Verhältniss zu der Vimoser Mischform. Denkt man sich bei letzterer die Bügel-
arme mit den Knôpfen hinweggenommen, so gleicht der Rest dem Lübguster Sporn,
Me besonders deutlich wird, wenn man Vimose S. 25 die Zeichnung rechts, die
Ich Seiner Zeit nicht wiedergab, noch mit betrachtet. Da aber die Biigelarme mit
Ihren Endknöpfen fehlen, mussten natürlich die gewöhnlichen Nieten der Stuhl-
Poren ihre Stelle vertreten, wie auch Fig. 6 zeigt. — Der Uebergang vom richtigen
Stühlsporn durch den Lübguster und die Vimoser Mischform zu dem Vimoser
Nhopfaporn tritt schlagend hervor, wenn man die Abbildungen in der angegebenen
Reihenfolge neben einander stellt. Konnte man früher, so lange die Vimoser
Misch orm allein stand, noch zweifelhaft sein, ob meine Auffassung derselben
Di sei, so, glaube ich, lässt sich jetzt nicht mehr bestreiten, dass hier Com-
er tionen der beiden an sich so ganz verschiedenen Typen von Knopf- und Stuhl-
Poren vorliegen. —
Die Zeitstellung anlangend, so gehören die Stuhlsporen wesentlich in die
9g
(Una
Vimosezeit oder in Ostpreussen in die Periode B. nach Tischler, die etwa von def
Mitte, vielleicht auch vom Anfang des 1. bis in die zweite Hälfte, vielleicht ans End®
des 2. Jahrh. reicht (Verh. 1890, 198— 99). Hr. Beltz glaubt diese Spornart sogal
noch etwas früher ansetzen zu können, und zwar nach einem Funde von Körchow I?
Meklenburg (Mekl. Jahrb. 56, Quartalber. 3), wo gewöhnliche Stuhlsporen mit Hals
(laut gef. briefl. Mitth. = Mekl. Jahresber. 6 Fig. S. 145 und Taf. Fig. 4) neben Waffen
Fibeln und anderen Geräthen zum Vorschein kamen, die Hr. Beltz in den Ueber
gang von La Tene zur frührümischen Zeit setzt, d. h. in Tischler's Per. A—P
eiwa um Chr. Geburt. — Die „älteren Knopfsporen* kennt man in Ostpreusse?
wesentlich aus Per. B; sie reichen aber, wenigstens weiter westlich, noch bis I?
Per. C, die etwa vom Ende des 2. bis weit in das 3. Jahrh., vielleicht an desse?
Ende, sich erstreckt (Verh. 1890, 199). — Unsere Mischformen aber kennen wi
einerseits von Vimose selbst, andererseits, den Sprossenfibeln nach, aus Per. 0
(vergl. Phys.-öcon. Abh, Königsberg, 19, 181; Berl. Kaial. S. 401). Die Fibel mit
kniefórmigem Bügel (Fig. 7) dürfte in die zweite Hälfte des 2. Jahrh., d. h. ans
Ende der Per. B oder den Anfang der Per. C zu setzen sein (vergl. Hostman?:
Darzau, Braunschweig 1874, Taf. 7; Phys.-öcon. Abh. 19,219; Berl. Katalog S. 401:
Berliner photograph. Album 1880, Sect. I T. 8, 377—78; namentlich aber Voss^
Stimming, Vorgesch. Alterth. aus Brandenburg, 1887, V 8, 21 e, eine Kniefibel
von Fohrde, die nach priv. Mitth. Tischler’s dem Jüngsten Abschnitte von Per. B
zuzurechnen ist [Verhandl. 1890, 199]). Die Mischformen gehören demnach in
Per. B—C. —
Ich benutze diese Gelegenheit, um noch eine Bemerkung über
spornähnliche Gegenstände
zu machen. In dem jüngst erschienenen Werke: Der Sporn, von Zschille und
Forrer, Berlin 1891, ist Taf. III 8 zu Seite 8 II ein bronzener Bügel ohne Stachel
abgebildet (nach Worsaae, Nord. Olds. 357), und zwar als Sporn der Völker”
wanderungszeit, während Worsaae das Stück in die römische Kaiserzeit gesetzl
hatte. Allein dies ist überhaupt kein Sporn. Es wurden zwar 2 solcher
Stücke zusammen gefunden, aber nach Annaler f. nord. Oldkynd. 1849, S. 395 haben
sie niemals Stacheln gehabt und schon Engelhardt erklürte in , Nydam Mosefund“
1865, S. 56 die fraglichen Bügel für Reitzeugbeschlüge, wie » Thorsbjerg Mose
fund“ 1863, PI. 14, 23. Unter diesen Umstinden bleibt die Datirung Worsaae'$
zu Recht bestehen, da der Fund von Nórre Broby auf Fünen, dem die Bügel
entstammen, in die römische Kaiserzeit zu setzen ist.
Ueber Reitzeugbeschläge ähnlicher Art siehe noch Gross, La Tène, Paris 1880,
Pl. 12, unterer Theil von Fig. 13 zu p. 32 (garniture de harnais ou de poitrail) und
über Verwechselung solcher Decorationsstücke mit Sporen auch Wilde, Catalogue
Mus. R. I. Acad. I, Dublin 1868, p. 608 ff. —
(12) Hr. Otto Schoetensack in Heidelberg berichtet unter dem 6. an Hrn-
Virchow über ein
Nephritbeil aus der Gegend von Ohlau (Schlesien).
Beim Besuche des röm.-german. Centralmuseums in Mainz wurde mir durch
Hrn. Lindenschmit jun. ein Steinbeil übergeben, welches von dem Eigenthümer
desselben, Hrn. Pastor F. Senf in Langwitz bei Brieg, zur Prüfung auf Nephrit ein-
gesandt war.
(597)
Der erste Anblick des Beiles zeigte mir, dass hier in der That ein typischer
Nephrit vorlag. Ich beschloss daher, eine gründliche Untersuchung des Materials
Yorzunehmen, und hatte mich hierbei der liebenswürdigen Unterstützung des Hrn.
Dr. H. Traube in Berlin zu erfreuen, wofür ich demselben meinen verbindlichsten
Dank abstatte. Ebenso bin ich dem Besitzer des Beiles dafür verbunden, dass er
so bereitwilliger Weise mir dasselbe zur Untersuchung überliess.
p Ehe ich zur Bekanntgabe des Ergebnisses übergehe, will ich hinsichtlich des
Undortes des Beils bemerken, dass sich nur noch feststellen lässt, dass dasselbe
“us der Gegend von Ohlau stammt. Hr. Senf schreibt mir darüber Folgendes:
M erhielt os aus der Hand des Hrn. Gutsbesitzers Floter in Rosenhain bei
a, zusammen mit je einem Feuerstein- und Serpentin-Beile. Diese Gegen-
Se stammen alle aus dem Nachlasse des Bruders des Hrn. Flöter, welcher
"U in Ohlau war und von den Landleuten des Kreises, mit welchen er gern
haic es allerlei merkwürdige Funde zugetragen erhielt. Auswärtige Verbindungen
Int * dieser Herr nicht, ebensowenig hatte er archäologisches oder mineralogisches
Cresse. Wahrscheinlich ist das Steinbeil beim Pflügen gefunden worden.*
auf Die Maasse des Beils, wegen dessen Gestalt
dt ie nebenstehenden Abbildungen verwiesen
Bro; Sind folgende: Grösste Länge 101, grösste
Ole 45. grósste Dicke 22 mm.
l5, Das Material ist ein hellgrasgrüner (Radde
Sis ) 2. Th. in Serpentin umgewandelter schle-
n Nephrit, wie er Neues Jahrb. f. Min.
Pre Beilage-Band HL S. 424 von Herm H.
in De beschrieben worden ist. Die Serpen-
"a ergiebt sich durch ein geflecktes Aus-
Ben. des Nephrits zu erkennen, das bei dem
lich auf der frischen Schnittfliche sehr deut-
tei, hervortritt. In dem Minerale treten zahl-
und © grössere und kleinere, unregelmässig und
bis etlieh begrenzte Flecke von dunkelgrünem
von ast schwiirzlichgriinem Serpentm auf. Nephrit
Beil Sanz ühnlicher Beschaffenheit, wie der des
"— iriffl man nach Hrn. H. Traube im Be- | _
eby © des Serpentins von Jordansmiihl mehrfach an; seine Farbe ist zuweilen
*8 mehr gelblich, seine Struktur oft ebenso kórnig dicht. |
Yon Das specifische Gewicht wurde an Splittern des Minerals, welche völlig frei
im X erwitterungskruste waren, in Thoulet’scher Lösung (Kaliumquecksilberjodid)
ebe, pre als 3,017 ermittelt. Hr. Prof. Osann in Heidelberg war so freundlich,
mei alls einige Bestimmungen des spec. Gewichts vorzunehmen, wofür ich hiermit
fes *1 Dank ausspreche. Das mit der hydrostatischen Waage am Artefakt selbst
qi elite Volumgewicht ergab sich als 2,984. Die Differenz ist der fast 1 man
Diese Stark aufgelockerten Verwitterungskruste des Steinbeils zuzuschreiben,
Weiss] erscheint äusserlich in der Farbe theils bräunlich (Radde 4 d—i), theils
Min Lon, ähnlich wie dies an Pfahlbaufunden von Maurach (vgl. Neues Jahrb. f.
beta IL S. 80— 82) und an einem von mir untersuchten, im British Museum
achtet Ichen neuseeländischen Nephritbeile (Zeitschr. f. Ethn. 1887. S. 138) beob-
Habit 1st, Die Hirte des Minerals ist 6—7, der Bruch splitterig und der ganze
"US der eines üchten Nephriis.
Um eine möglichst zuverlässige mikroskopische Untersuchung des Mate-
(598)
rals zu ermóglichen, wurden 3 Dünnschliffe daraus hergestellt, wovon Nr. 2 móg-
lichst senkrecht zu Nr. 1 geschnitten wurde. Der Befund ist folgender:
Schliff Nr. 1. Im gewöhnlichen Lichte unter dem Mikroskop erscheint der
Nephrit schwach graulich bis fast farblos und von zahlreichen unregelmässigen
Rissen durchsetzt. Die unmittelbare Umgebung der Risse ist durch Eisenoxyd-
hydrat zuweilen gelblich gefärbt, eine Erscheinung, die sehr häufig bei Nephriten
zu beobachten ist. Einzelne Stellen lassen bereits im gewöhnlichen Lichte eine
faserige Struktur erkennen, die Hauptmasse erscheint indess strukturlos. Hin und
wieder finden sich sehr lange, deutlich begrenzte Leisten eines farblosen Minerals
(Hornblende). Bemerkenswerth sind sehr spärliche kaffeebraune, durchscheinende,
isotrope Kórner von Chromspinell, von opakem Magneteisen umrandet, wie sie im
Serpentin des Zobtengebirges so ungemein verbreitet sind. An einigen Stellen
kann manu ausserdem gróssere Anhüufungen von meist zu Limonit zersetzten
Magnetitkórnern beobachten. Derartige Anhäufungen pflegen sich besonders dort,
wo die Serpentinbildung beginnt, einzufinden (Neues Jahrb. f. Min. 1884. III. S. 424);
sie sind die Ursache der bereits makroskopisch sichtbaren dunklen Flecke.
Bei gekreuzten Nicols erscheint der Nephrit zusammengesetzt aus verhältniss-
mássig kleinen, rundlichen, verworrenen Hornblendebüscheln, welche dicht an ein-
ander treten, aber keinerlei regelmüssige Anordnung erkennen lassen (a. a. O. S. 421),
doch treten neben diesen nicht allzu selten, aber immer vereinzelt, auch grössere
faserige Bündel, sowie auch sehr spärlich homogene, dünne Säulchen von Horn-
blende auf. Serpentin-Bildung kann man häufig bemerken, immer aber umschliesst
der Serpentin noch kleine Hornblendebüschel.
Schliff Nr. 2, welcher möglichst senkrecht zu Nr. 1 geschnitten ist, unter-
scheidet sich von letzterem besonders durch das Fehlen der Risse, durch das häu-
figere Auftreten von scharfbegrenzten Hornblendeleistchen und Anhäufungen von
Magnetit. Die Struktur erscheint bereits im gewöhnlichen Lichte stellenweise auf-
fallend grobfaserig. Die Serpentinbildung ist, wie die Beobachtung bei gekreuzten
Nicols deutlich erkennen lässt, hier viel weiter fortgeschritten. Die Struktur des
Nephrits ist langfaserig flachwellig, wobei die Fasern zu oft nur wenig divergirenden
Büscheln gruppirt sind. Das Bild, welches dieses Präparat zeigt, entspricht auf-
fallend der von Hrn. Arzruni (a. a. O. S. 420) gegebenen Beschreibung eines
schieferig-faserigen bis kürnig-dichten, gelblichweissen Nephrits von Jordansmühl.
Die Aehnlichkeit dieses Nephrits mit dem Vorkommen von Neuseeland, auf die
Hr. Arzruni bereits hingewiesen hat und die durch die scharfe Biegung einzelner
Büschel hervorgerufen ist, tritt hier gleichfalls unverkennbar zu Tage. Gelegent-
lich konnte auch ein flaumiger Anflug an den Hornblendebüscheln bemerkt werden,
der schon an anderen Jordansmühler Nephriten wahrgenommen worden isí (a. a. O.
8.416). Alle diese Unterschiede in der Struktur und im ganzen Habitus gegen
Nr. 1 sind offenbar durch die abweichende Richtung, nach welcher der Schliff ge-
führt wurde, bedingt. Besondere Erwähnung verdient noch das Auftreten zahl-
reicher feiner, länglicher, opaker Stäbchen im Chromspinell, in Sagenit ähnlicher
Anordnung, ohne dass hierbei an Rutil gedacht werden könnte, da das Auftreten
dieser Stäbchen anscheinend mit der Magnetitausscheidung am Rande der Spinelle
im Zusammenhang zu stehen scheint.
Schliff Nr. 3 gleicht im Grossen und Ganzen völlig Nr. 2.
Die quantitative Analyse, welche unter zuverlässigster Controle an einem
vom Beile abgenommenen, sorgfältig von der Verwitterungsrinde befreiten Stücke
ausgeführt wurde, ergab:
Co)
Wasser bei 120° OC. weggehend . 0,71 pCt.
ferner in bei 120? C. getrocknetem Zustande:
Kieselsäure . . . P 56,30 pCt.
Chromoxyd . . 024 ,
Thonerde . 0.54 ,
Eisenoxydul . 38,85 ,
Manganoxydul . 010 ,
Kalk . . . 14,002 ,
Magnesia. - 21,00 ,
Kali . . 0,07
Natron . 0,23 ,
Wasser . JU
100,12 pCt.
Dieses Resultat stimmt gut überein mit dem von Hrn. H. Traube (a. a. O.
S. 422) in Betreff des Jordansmühler Nephrits veröffentlichten. Der geringere Gehalt
an Kieselsäure und der höhere Gehalt an Wasser bei dem Ohlauer Steinbeile er-
Klären sich hinreichend durch den bei diesem Mineral vorgeschrittenen Serpentini-
Sirungsprocess, auf dem, abgesehen von dem mikroskopischen Befunde, auch das
niedrigere spec. Gewicht (3,017) des Ohlauer Nephrits gegenüber dem Volum-
Sewichte des Jordansmühler Nephrits (3,043) hinweist. Chromoxyd und die Alkalien
Wurden bei dem letzteren, wie Hr. Traube mir zu bestätigen die Güte hatte, nicht
besonders bestimmt.
Der Fund des Ohlauer Nephritbeils hat ein ganz besonderes Interesse, weil
man von dem bei Jordansmühl und Reichenstein anstehend gefundenen Nephrit
bislang noch keine Artefakte gefunden hatte (eine Nephrit-Einsprengung war be-
leits von Hrn. Arzruni an einem Serpentinbeile von Gnichwitz beobachtet worden),
trotzdem in dieser Gegend ausgedehnte Lagerplüize des vorgeschichtlichen Men-
Schen festgestellt sind (Zeitschr. f. Ethn. 1870. S. 358 und 1887. S. 682).
Man durfte am ehesten das Auffinden von Artefakten aus dem im Serpentin
Selbst auftretenden hellfarbigen Nephrit erwarten, da dieser in einzelnen Knollen
und kleineren Partien bei dem unmittelbar zu Tage tretenden Serpentin zu ver-
Muthen war. Von dem in Jordansmühl bei Weitem häufigeren dunkelgrünen
Nephrit, welcher an der Grenze zwischen Serpentin und Weissstein vorkommt,
Waren Funde von Steinbeilen von vornherein unwahrscheinlich, weil dieser erst
durch die in neuester Zeit bis in bedeutende Tiefe geführten Steinbrucharbeiten
Zur Tage getreten ist (a. a. O. S. 425).
Das Ohlauer Beil ist das einzige in Europa gefundene Nephrit-Artefakt,
Von dem wir die Herkunft des Materials bestimmt nachweisen können. Ausser
diesem Beil ist, soweit mir erinnerlich, nur noch ein Fund eines Nephrit-Artefaktes,
desjenigen von Suckow in der Uckermark, jetzt im Kgl. Museum für Völkerkunde
' Berlin befindlich, in Nord-Europa bekannt geworden.
" In Mittel-Europa treffen wir, der Fischer'schen Karte über die Verbrei-
fons der Werkzeuge aus Nephrit, Jadeit und Chloromelanit (Arch. f. Anthrop. 1886)
oon, solche Artefakte nur noch in den Pfahlbauten der Schweiz und den
Dan then benachbarten Gebieten, sowie Einzelfunde bei Nördlingen (zwischen
wie und Würnitz) und am Starnberger See in Bayern an. Diese scheinen alle,
eine auch die von Hrn. A. B. Meyer in Steiermark bekannt gegebenen Funde, auf
alpinen Ursprung des Materials hinzuweisen.
po Von den in Süd-Europa gefundenen Nephritbeilen lassen die vom Pelo-
nnes bekannt gewordenen einen asiatischen Ursprung vermuthen, da sich die
HG.
(600)
Kette dieser Funde, wie ich an den im Britischen Museum befindlichen Artefakten
nachgewiesen habe (Zeitschr. f. Ethn. 1887. S. 122 ff.), über die Inseln des ügiülschen
Meeres hinweg durch Klein-Asien und Syrien hindurch bis nach Mesopotamien
weiter verfolgen lüsst. Woher die im üussersten Süden von Italien gefun-
denen Nephrit-Beile stammen, das wird sich dagegen wohl schwieriger feststellen
lassen.
Wührend die Verbreitung der Nephrit-Beile in Europa, wie gezeigt, eine relativ
beschränkte ist, verhält sich dies hinsichtlich der Jadeit- und Chloromelanit-
Deile wesentlich anders.
Von den Pyrenüen an bis zum Meridian von Erfurt finden wir Jadeit- und
Chloromelanit-Beile über das Festland von Europa verstreut. Dass diese Funde
gegen Osten hin fast günzlich aufhóren und ebenso im eigentlichen Norden, dass sie
im heutigen Dänemark, auf der skandinavischen Halbinsel ?, sowie auch auf den
britischen Inseln?) fehlen, zeigt uns, dass ihr Ursprung im Südwesten Europas zu
suchen ist. Mit der Annahme Damour's?), die sich wohl speciell auf die Ver-
breitung der Jadeit-Beile in Frankreich bezieht, dass in den Alpen oder in cinem
demselben benachbarten Gebiete sich Lagerstätten des Materials vorfinden müssen,
stimmen gut überein die Funde von Jadeit-Beilen in den Dolmen Frankreichs,
welche. Jetztere sich von dem Rhone-Flusse quer durch Frankreich nach der Bre-
tagne erstrecken. Vom Norden Frankreichs aus gelangten die Jadeit-Beile dann
wahrscheinlich nach dem westlichen Deutschland und von hier bis zur Elbe. Dies
muss zu einer Zeit geschehen sein, als die megalithischen Denkmäler der
norddeutschen Tiefebene bereits errichtet waren, denn sonst hätte man,
gleich wie in den Dolmen Frankreichs, auch in einer der zahlreich untersuchten
Steinkammern Norddeutschlands, welche fast durchweg sorgfültig polirte Beile aus
Feuerstein und aus anderem dort vorkommenden Material enthalten, gelegenilich
ein Jadeit-Beil finden müssen. Ein solches ist aber meines Wissens noch nie in
einem Steinkammergrabe Norddeutschlands aufgefunden worden, trotzdem der west-
liche Theil dieses Gebietes bis zur Elbe reichlich Jadeit- und Chloromelanit-Beile
aufzuweisen hat. In der Altmark sind, wie ich aus den in Gemeinschaft mit Hrn.
Eduard Krause daselbst vorgenommenen Localforschungen ‘) berichten kann, in
den seit den vierziger Jahren zerstôrten, mehr als 100 Steinkammergräbern zahl-
reiche Steinbeile gefunden, aber nicht ein Jadeit-Beil darunter. Ferner befindet sich
nach mir gewordener gefilliger Mittheilung seitens des Provinzial-Museums in
Hannover auch in dieser reichhaltigen Sammlung von Gegenstünden aus megalithi-
schen Grübern kein Jadeitbeil.
Dass für die Gegend des Mittel- und Niederrheins und die óstlich davon ge-
legenen Gebiete der Ausgangspunkt der J adeit-Beile nieht etwa die Gegend der
schweizer Pfahlbauten gewesen ist, wo man bekanntlich neben Nephrit-Artefakten
zahlreiche Jadeit-Beile gefunden hat, erhellt, abgesehen davon, dass dic in der
1) Ich kann mich in dieser Beziehung auf die mir neuerdings gewordenen gefälligen
Mittheilungen des Hrn. Dr. K. Bahnson in Copenhagen und von Frl. J. Mestorf in Kiel
beziehen. .
2) Bezüglich des von H. Fischer im Archiv f. Anthrop. 1886. S. 563 erwähnten Stein-
beils von Brierlow (Derbyshire) konnte ich feststellen (Zeitschr. f. Ethnol. 1887. S. 120),
dass das Material kein Nephritoid ist, und über die ferneren a. a. O. angeführten Beile
scheint keine genauere mineralogische Untersuchung vorzuliegen.
3) A. Damour, Compt. rend. des séances de l’Académie des Sciences. T. XCIL. 1881.
4) Die Ergebnisse derselben beabsichtigen wir demnächst der Oeffentlichkeit zu über-
geben.
(601)
Schweiz gefundenen. Jadeit-Beile meist aus Geröllen hergestellt, klein und. rund-
lich sind, während die am Mittel- und Niederrhein gefundenen Jadeit-Beile nur aus-
nahmsweise Geröllcharakter zeigen und gross und flach’) sind, auch daraus, dass
Nephrit-Artefakte in dem zuletzt genannten Gebiete fehlen. Diese der Farbe
nach stark ins Auge fallenden Nephrit-Beile hiitten aber sicher mit den Jadeit-Beilen
Zusammen von der Schweiz aus ihren Weg nach dem Norden gefunden, wenn
letztere auf dieser Strasse dahin gelangt wären.
Mit den im äussersten Süden von Europa, in Süd-Italien und in Griechen-
land gefundenen Jadeit- und Chloromelanit-Beilen verhält es sich genau so, wie mit
den daselbst aufgefundenen Nephrit-Artefakten. Auch die Funde von Jadeit- und
Chloromelanit-Beilen lassen sich nehmlich von Griechenland über die Inseln des
ägüischen Meeres hinweg bis nach Mesopotamien weiter verfolgen.
. Das massenhafte Vorkommen von Jadeit-Beilen in ganz Frankreich und von da
über den Rhein hinaus bis zur Elbe kann jedenfalls nicht anders gedeutet werden,
ls hinterlassene Spuren von regem Verkehr zwischen den Bewohnern dieser
Länder in vorgeschichtlicher Zeit oder von ausgedehnten Wanderungen derselben
Yon einem Lande zum andern.
Wenn Heinrich Fischer glaubte, alle in Europa gemachten Funde von
Nephritoid-Artefakten auf asiatischen Ursprung zurückführen zu müssen, so ist er,
Wie jetzt von der Mehrzahl der Forscher angenommen wird und wie ja auch durch
die Auffindung des Jordansmühler Nephrits und des daraus gefertigten Ohlauer
Beiles bewiesen ist, darin zu weit gegangen. Die Nephritoide haben aber thai-
Sächlich in einer gewissen Culturepoche bei zahlreichen Vólkern aller Erdtheile
(hinsichtlich Afrikas ist dies auf die daraus geferligten Scarabáen zu beschränken),
“Me gewichtige Rolle gespielt. Es bleibt das unbestreitbare Verdienst Heinrich
Fisch er’s, unter Beibringung eines erstaunlich reichhaltigen und für die Völker-
kunde werthvollen Materials, hierauf zuerst hingewiesen zu haben. —
Hr. Virchow beglückwünscht Hrn. Schoetensack für die wichtige Beob-
Achtung, welche eine entscheidende Bedeutung für die noch immer so schwierige
Nephrit-Frage gewinnen dürfte.
In Betreff des Jadeits weist er auf eine neuere, ihm durch die Güte des Hrn.
R. Andree zugegangene Mittheilung des Professor J. H. Kloos in Braunschweig
(Globus, 1891. Nr. 24. S. 374) hin, wonach im Mai 1888 ein Waldarbeiter auf dem
Ebersberg. einer Erhebung des Festberges auf dem nordöstlichen Höhenzuge der Asse
im Herzogthum Braunschweig, im Gebiete des Wellenkalks, unter der Wurzel einer
Srossen Buche das Bruchstück eines zugeschliffenen Beilcbens, 5 ci» lang und breit,
lm in der gróssten Dicke, auffand. Das Material erwies sich als Jadeit oder genauer
us die Varietüt des Chloromelanits. Der Verf. erinnert daran, dass bereits Heinr.
J ager (Correspondenzblatt der deutschen anthrop. Gesellsch. 1880. 8. 19) ein
als Si -Bellehen erwühnt hat, welches 1869 dicht vor der Stadt Braunschweig in der
fum Lagenbruch bekannten, sumpfigen Niederung hinter dem früheren Kurgarten ge-
sch. en war. Dasselbe ist jetzt im Städtischen Museum zu Braunschweig (Braun-
lm, ger Anzeigen Nr. 72) und wurde früher für Grünstein gehalten. Es ist 10 cm
S und etwas über 5 cm breit.
Alte Dies Merkmal, besonders gut ausgeprägt, zeigen einige in der Sammlung des Mainzer
A reins befindliche Flachbeile aus Jadeit, welche bei L. Lindenschmit,
H. Fischer e heidnischen Vorzeit, 1858. Bd. 1. Heft 2. Taf. 1 abgebildet und bei
, Nephrit und Jadeit, 1875. S. 810 nüher beschrieben sind.
(602)
Nächst den thüringischen Funden, die wir schon von der Berliner Ausstellung
1. J. 1880 her kennen, sind dies wohl die am meisten östlichen in Norddeutschland.
Nur aus Schlesien ist schon früher ein Chloromelanit-Beil bekannt geworden.
Im Uebrigen bezieht sich Hr. Virchow auf seine Abhandlung über das Vor-
kommen der flachen Jadeit-Beile in den Verhandl 1881. 8. 288. —
(13) Hr. Oberlehrer Dr. Krause in Gleiwitz übersendet unter dem 11. fol-
gende Erörterung über
ein Tempelbild aus den Königsgräbern von Mykenae.
Unter den zahlreichen Gegenständen, welche Schliemann aus den Königs-
gräbern in Mykenae zu Tage gefördert hat, nimmt ein Tempelchen aus Goldblech,
welches in fünf ganz gleichen Exemplaren gefunden worden ist, ein hervorragendes
Interesse in Anspruch. Ist es doch die einzige Darstellung eines griechischen
Tempelbaues aus jener fernen Zeit, in welcher das Geschlecht der Atriden in
Mykenae herrschte. Dieses goldene Tempelchen, dessen Abbildung wir nach
Schuchhardt’s Werk „Schliemann’s Ausgrabungen“ S. 298 wiedergeben, weist
mehrere Einzelheiten auf, welche sich bisher noch der Erklärung entzogen haben.
FL =
TOR pm
Dass wir einen Tempel der Aphrodite oder Astarte vor uns haben, darauf
deuten zunächst die Tauben auf den Ecken, wie dies Schuchhardt S. 229 hervor-
hebt. Aber die charakteristischen Merkmale des Tempels sind bisher in dieser
Darstellung noch nicht erkannt worden. Wir wollen daher den Versuch machen,
diesen Tempelbau in all seinen Theilen in klares Licht zu stellen und die Räthsel
zu lôsen, welche bisher noch keine Erklärung gefunden haben.
Der mykenische Künstler stellt uns die Front eines Tempels dar, in welcher
drei Säulen sichtbar werden. Diese drei Säulen liegen scheinbar in einer und
derselben Linie, aber nur zwei dieser Säulen gehören der Vorderseite des Tempels
an, gemäss dem Baustyl aller Tempel- und Palastbauten der altgriechischen Zeit.
Dagegen die mittelste Säule, welche durch die Thür des Tempels sichtbar wird,
ist tief im Innern des Tempels zu denken und stellt das Götterbild nach ältester
Weise in Form der Säule dar, wie wir dies in Cypern finden (Tacitus hist. 2, 8).
Selbst die Sáule des Lówenthores in Mykenae lüssí keine andere Deutung zu, als
die eines Gotterbildes. Durch diese Erklärung der Säule als Götterbild ist die
Schwierigkeit beseitigt, dass die Stellung einer Säule in der Mitte des Tempel-
Einganges, wie sie unser Tempelchen zeigi, sonst rüthselhaft erscheinen musste,
denn eine solche Sáulenstellung würde aller Analogie der Baukunst widersprechen
"uv
(608)
Die kelchförmige Linie, in welcher jede der drei Säulen zu stehen scheint, stellt
eine Guirlande dar, welche sowohl die beiden Säulen des Einganges, als auch das
Götterbild schmückt.
Es erübrigt jetzt noch, diejenigen Theile des mykenischen Tempelchens zu er-
klären, welche die Krönung des Gebäudes bilden und bisher noch keine genügende
Deutung gefunden haben. Es ist dies ein Altar und ein darüber befindlicher Ruhesitz.
Betrachten wir zunächst den Altar, so finden wir, dass er derjenigen Form ent-
Spricht, in welcher sonst die mykenische Kunst den Altar öfter darstellt, so z. B.
Nr.1 am Lówenthore und Nr.2 auf der Kalktafel, welche nach Schuchhardt,
8. 326 eine Opferhandlung darstellt. Durch den Altar wird das Gebäude als ein
heiliges Gebäude, als Tempel charakterisirt. Schuchhardt glaubt (S. 229) in dem
Viereck jenes Oberbaues ein Fenster erkennen zu dürfen, in dem die Halbkreise
nur zur Füllung des Raumes oder zur Verzierung der Läden angebracht sind.
Aber der antike Tempel bedarf an seiner Front keines Fensters, während diese
Halbkreise dem mykenischen Altare gerade eigenthümlich sind.
Zum Sehluss wollen wir nun die oberste Krónung des Tempels besprechen,
Welehe von einigen als Altar, von Schuchhardt, S. 229 als Akroterion gedeutet
Wird. Dieser Theil scheint einen Ruhesitz darzustellen, eine Kline, wie sie in
einigen Tempeln des Alterihums erwühnt wird. So befand sich in dem Heraion
bei Mykenae, wie Pausanias 3, 17 berichtet, ein solcher Ruhesitz der Hera, des-
gleichen wird auch in dem Heiligthum des Belus zu Babylon ein Ruhesitz er-
Wähnt, welcher auf dem Gipfel des thurmähnlichen Gebäudes in einem Tempel
aufgestellt war (Herodot 1, 181). Auch das mykenische Bildwerk lässt uns auf
Seinem Gipfel diese Kline, den Ruhesitz der Gottheit, wiedererkennen. Es scheint
ein Doppelsitz zu sein, für Aphrodite und Adonis bestimmt.
Zwei Exemplare dieses goldenen Tempelchens sind in dem dritten Grabe
der Königsburg aufgefunden worden, drei andere ganz gleiche in dem fünften
Grabe. Und zwar stimmen die drei mit jenen zwei Exemplaren, wie Schuch-
hardt, S. 951 mittheilt, derartig in allen Einzelheiten, in jeder Linie, überein, dass
Sie aus demselben Stempel geschlagen, bezüglich über derselben Form gearbeitet
Sein müssen. —
(14) Hr. Krause bespricht in einer weiteren Zusendung vom 14. Juli
das Palladium in der mykenischen und tirynthischen Darstellung.
. Wie die trojanische Kunst vielfach. die Göttin Pallas in Thon und Stein
In sehr eigenthiimlicher und primitiver Weise bildlich dargestellt hat, so ist das
Palladium auch in Mykenae und Tiryns häufig dargestellt worden, wie die
Télchen Funde erkennen lassen; welche Dr. Schliemann dort zu Tage ge-
fördert hat. In Gold, wie in Thon und Kalkstein, sind uns Darstellungen des
Palladiums aus der mykenischen Zeit erhalten worden, welche aber bei der
Schwierigkeit der Sache bis jetzt gar nicht erkannt worden sind. Die Form, in
Welcher die mykenische und tirynthische Kunst das Palladium zur Darstellung
Bebraeht hat, ist eine so alterthümliche, dass es in der That sehr schwierig ist,
die Gôttin Pallas in diesem Bilde wiederzuerkennen.
Wir nehmen die Darstellung auf einem mykenischen Goldringe (Fig. 1) zum Aus-
s ngspunkte, wie sie in Schuchhardt’s Werk ,Schliemann’s Ausgrabungen “
das uns vor Augen geführt wird. Das Palladium ist auf diesem Ringe viermal
| gestellt, aber in einer so verhüllten Form, dass man nur Thierköpfe zu erblicken
glaubt. Als vier Thierköpfe finden wir auch bei Schuchhardt, S. 314, die vier
(604)
Figur 1. Darstellungen des Palladiums auf dem
goldenen Ringe gedeutet.
£4 Unter den sieben Hauptfiguren dieses
59 N A e fA Ringes erkennen wir leicht die drei Stier-
2 F M U Wit kopfe mit ihren langen Hörnern. Sie
( 99060 060666 7 stellen die Rinder dar, welche der Göttin
1 A /Í Pallas geopfert werden. Die übrigen vier
| )s vo A Hauptfiguren stellen das Palladium selbst
RS \ U og dar. In der obersten Reihe zunächst
0 ase) sehen wir drei Figdren, nehmlich zwei
Palladien, zwischen welchen ein Stierkopf
steht. Am sorgfältigsten hat der myke-
nische Künstler das erste Palladium behandelt, woraus wir ersehen können, dass
das Palladium eine rohe Nachahmung des menschlichen Körpers darstellt, an wel-
cher sich der Kopf, die Brust mit dem Brustschmuck und die Beine unterscheiden
lassen. Der Kopf zeigt nach Weise des irojanischen Palladiums eine schuabel-
artige Bildung, welche an den Kopf der Eule erinnert. Neben diesem Schnabel,
welcher die Nase und die Kante der Augenbrauen darstellt, erkennen wir die
beiden Augen. Unterhalb des Kopfes, welcher ohne Hals auf dem Rumpfe sitzt, ist
in grosser Breite die Brust der Göttin dargestellt. Ein breiter Gürtel, welcher
quer über die Brust von der einen Schulter bis zur anderen lauft, stellt den Brust-
schmuck der Göttin, nehmlich die Aegis dar, welche wir später nach einer anderen
Darstellung aus‘ Tiryns beschreiben werden. Unterhalb der Aegis sind die beiden
Brüste der Göttin deutlich dargestellt. Der unterste Theil der Figur stellt die
Beine dar, jedoch ohne Gliederung und Fussbildung, so dass die Gestalt durch
ein langes Gewand, wie es scheint, ihren unteren Abschluss erhält. Auch die
Brust ist im Sinne der mykenischen Kunst zweifellos bekleidet zu denken.
Das zweite Palladium, die dritte Hauptfigur in der obersten Reihe unserer
Darstellung, lässt alle Einzelheiten des ersten Palladiums deutlich wiedererkennen,
insbesondere auch die scheinbar eulenähnliche Gesichtsbildung und die Aegis.
Weniger sorgfältig hat der Künstler die beiden Palladien in der unteren Reihe be-
handelt. Die erste und dritte Figur dieser Reihe, durch einen Stierkopf von ein-
ander getrennt, sind. ohne Zweifel Wiederholungen desselben Pallasbildes, welches
in der obersten Reihe zweimal erscheint. Die Brust mit der Aegis und die untere
Körperhälfte sind ziemlich deutlich zum Ausdruck gebracht und durch Vergleichung
mit dem ersten Pallasbilde unschwer wiederzuerkennen, dagegen der Kopf der
Figur ist nur sehr unvollkommen ausgedrückt, so dass er nur durch Vergleichung
der beiden oberen Palladien erkannt werden kann. Die elf kugelfórmigen Gebilde,
welche .in der Mitte unserer Darstellung in waagerechter Linie geordnet sind,
stellen Früchte dar von ZWelerlei Art: wir unterscheiden fünf grössere und sechs
kleinere. Sie stellen im Verein mit den drei Getreideühren und den Blüthen-
kelchen der Blumen die Opfergaben dar, welche der Göttin dargebracht werden.
Auch die drei Stierkópfe beziehen sich auf den Opfercultus der grossen Göttin.
Somit haben alle Theile dieser uralten Darstellung, welche den Typus des
Palladiums darstellt, ihre Erklürung gefunden.
Eine zweite anderweitige Darstellung des Palladiums findet sich auf einem
goldenen Ringe, welcher von Schliemann in Mykenae aufgefunden und von
Schuchhardt S. 313 abgebildet worden ist. Dieses Palladium, an welchem die
menschliche Gestalt in Kopf, Fuss und Hand deutlich hervortritt, erscheint mit
Schild und Lanze ausgerüstet, und zwar ist der Schild mitten, sowohl rechts als
(t
links, tief eingekerbt und beide Theile sind fast kreisfórmig abgerundet. Diese
Selbige Auffassung wiederholt sich auch in dem Palladium, welches auf einer
Kleinen Kalktafel dargestellt ist, welche Schliemann in einer Gebäudegruppe an
der Südmauer der Burg von Mykenae gefunden hat. Zwei vornehme Frauen, mit
dem Diadem geschmückt, bringen an einem Altare dem Palladium ihre Anbetung
dar. Das Palladium ist hier durch den grossen zweitheiligen eingekerbten Schild
charakterisirt (Schuchhardt S. 326).
Sehr alterthümlich sind auch die Darstellungen des Palladiums, welche in
Tiryns durch Schliemann aufgefunden worden sind und bisher noch nicht als
Palladien wiedererkannt worden sind.
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DU
AA 1
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Die beiden Thonfiguren aus Tiryns (Fig. 2 u. 3), welche Schuchhardt S. 155
Wiedergiebt, erweisen sich als Palladien, wenn wir sie mit jenem Urtypus vergleichen,
Welchen wir auf dem goldenen Ringe von Mykenae kennen gelernt haben, Die erste
dieser beiden Figuren stellt ein Palladium dar mit deutlicher menschlicher Gesichts-
bildung, mit einem langen Gewande bekleidet, welches den Oberkörper und den
Unterkörper der Göttin bedeckt, so dass die Füsse unsichtbar werden. Die Arme
Sind ebenso wenig zur Darstellung gebracht, wie an jenem Urtypus des Palladiums
aus Mykenae. Die zweite dieser Thonfiguren stellt uns ein Palladium dar, an
Welchem sowohl die Brust, als auch das lang herabwallende Gewand der Göttin
deutlich bezeichnet ist. Diese Darstellung der Göttin unterscheidet sich von der
Vorigen durch die Bildung des Kopfes, an welchem nur die zwei Augen, aber
Nicht Nase und Mund ausgeprägt sind, und durch die Arme, welche an den vorher
betrachteten Palladien nicht frei hervortreten.
Die Aegis, welche an dem trojanischen Palladium als ein breiter Schmuck-
Sürtel mit Troddeln erscheint, der schrüg über die Brust gelegt ist, finden wir
auch an den Palladien von Mykenae und Tiryns, wenn auch in veründerter Form
Wieder. Während das Palladium in der vierfachen Darstellung des Goldringes von
Mykenae die Aegis als einen Brustschmuck zeigt, welcher waagerecht über die Brust
Selegt ist, so stellt uns die Thonfigur aus Tiryns (Fig. 4), welche wir nach Schuch-
505)
(606)
hardt S. 156 abbilden, und an welcher wir zum ersten Mal die Bildung der
Füsse bemerken, ein Palladium vor Augen, dessen Aegis aus einer breiten und
vielen schmalen Platten zusammengesetzt ist, die, mit Buckeln verziert, durch eine
feste Unterlage (Leder) zur Form eines sehr breiten Gürtels vereinigt sind, wel-
cher schräg über die Brust gelegt ist, so dass er auf der linken Schulter ruht.
Die Aegis der Palladien von Tiryns und Mykenae ist offenbar als ein goldener
Prachtgürtel und Brustpanzer der Göttin gedacht und dargestellt.
Als der älteste Ursitz des Palladiums, welches, wie die Sagen melden, vom
Himmel herabgefallen war, galt "l'roja, mit dessen Geschichte es unzertrennlich
verbunden ist. —
(15) Hr. H. Sókeland in Berlin überschickt durch Hrn. M. Bartels folgende
Abhandlung über
die Roggenkorngemmen des frühchristlichen Kirchengeräthes.
Angeregt durch die Arbeiten und Vorträge des Hrn. Dr. Max Bartels über
die sogenannten Alsengemmen, welche mich auf das Höchste interessirten, unter-
nahm ich in den Sommern 1889 und 1890 einen Besuch mehrerer Kirchen in
Westfalen, Hannover, der Rheinprovinz und Holland, um die dort vorhandenen
Kirchenschätze in Bezug auf ihren Besitz an klassischen und mittelalterlichen
Gemmen zu untersuchen und um zu sehen, ob unter denselben noch Gemmen von
dem sogenannten Alsentypus zu finden wären.
Bei diesen, theilweise mit allerhand Schwierigkeiten verknüpften Untersuchungen
wurde ich in der liebenswürdigsten Weise von den Herren Geistlichen Dr. Ber-
lage, Dr. Busch, Dr. Lennartz, van Henkulum, Dr. Biermann, Kreisler,
Lehmkul, Köster, Stein, Stiff, Koch und Zum Hasch in Köln, Aachen,
Utrecht, Münster, Fritzlar, Beckum, Bochum, Siegburg, Oberwinter, Trier und
Borghorst, sowie den Herren Apothekenbesitzer Bohlmann in Hildesheim, Lehrer
Zaal in Haarlem und Architekt von Fisenne zu Meerssen bei Mastricht unter-
stützt. Es sei mir gestattet, allen diesen Herren für ihre thatkráftige Hülfe, welche
allein es mir möglich machte, in so kurzer Zeit das hier beschriebene Material
zusammenzubringen, herzlich zu danken. Gleichen Dank schulde ich dem Herrn
Prof. Julius Lessing in Berlin und ‚dem Hrn. Regierungsrath Bucher in Wien.
Im Dome zu Minden wurde zum ersten Male meine Aufmerksamkeit auf ein
eigenthümliches Intaglio zweier Gemmen gelenkt und zwar bei der Besichtigung
des sogenannten Reliquienarms der heiligen Anna. Dieser Reliquienbehälter ist
mit vielen Edelsteinen verziert; unter ihnen befinden sich zwei ovale, convex ge-
schliffene Rubine oder rubinähnliche Steine, welche ein eigenthümliches, allerdings
äusserst einfaches Zeichen eingeschliffen haben: ein Zeichen, welches durch einen
kurzen dicken, nach den Enden zu sich bis zur Bildung einer stumpfen Spitze
verjüngenden Strich gebildet wird.
. Die Figur ist also im hüchsten Grade einfach und macht einen so unbedeu-
tenden Eindruck, dass man, besonders wenn man nur einen derartigen Stein sieht,
recht gut denken könnte, dieselbe sei zufällig entstanden, — ein Gedanke, der aber
sofort hinfällig werden muss, wenn man erfährt, dass es in relativ kurzer Zeit ge-
lungen ist, in den verschiedensten Kirchenschätzen ganz ähnliche Stücke, im Ganzen
bis jetzt 82 an der Zahl, aufzufinden.
Die Abdrücke einiger dieser Gemmen veranlassten Hrn. M. Bartels, die Pho-
tographien alter Kirchenschiitze im Berliner Kunstgewerbemuseum in Bezug auf
derartige Gemmen zu durchmustern, und zu unserer grossen Freude fand er bald
UE
(607)
eine ganze Reihe hierhergehöriger Stücke, so dass wir jetzt.mit Sicherheit be-
haupten können, einen neuen Typus von Gemmenbildern gefunden zu haben.
Es ist in hohem Grade wahrscheinlich, dass diese Gemmen als Werke früh-
Mittelalterlicher Kunst betrachtet werden müssen. Das Intaglio derselben zeigt
Sich, wie schon erwähnt, fast als ein kurzer dicker Strich mit leicht abgerundeten
Enden. Es ist sehr schwierig, eine übereinstimmende Figur zu nennen, welche
Seiner Form vollständig entspräche. Am. meisten Aehnlichkeit ist noch mit einem
Roggenkorn vorhanden. Aus diesem Grunde habe ich sie auch, einem Vor-
Schlage des Hrn. M. Bartels folgend, „roggenkornähnlich“ genannt; wobei
allerdings zu beachten ist, dass ein Roggenkorn immer an einem Ende dicker, als
an dem anderen ist, was bei diesen Gemmenbildern gewöhnlich nicht zutrifft.
Diese eigenthümlichen roggenkornähnlichen Zeichen finden sich auf den
Gemmenfeldern in sehr schwankender Anzahl. Bald ist es eines, bald 2, bald 3 oder
loch mehr, bis zu 21 auf derselben Gemme. Ihre Gruppirung ist eine ganz
eigenthümliche, áusserst unregelmüssige; nur selten finden sie sich in der Mitte des
Gemmenfeldes, meist sind sie am Rande oben oder unten und immer ganz un-
'egelmüssig angebracht, so unregelmüssig, dass unter den bis jetzt bekannten
82 Stücken dieser Art auch nicht zwei vollständig gleiche zu finden sind, obgleich
Wir mehrere Gemmen mit der gleichen Anzahl von Roggenkorneinschnitten
gefunden haben. Bei den Gemmen mit mehreren Roggenkörnern zeigen diese
Mancherlei Verschiedenheiten in ihrer Grüsse. Aber auch ihre Form variirt in
etwas, indem sie bald schlanker und bald plumper, bald auch als vollständiges
Roggenkorn, bald an dem einen Ende wie abgeschnitten erscheinen. Dabei
Sind sie so scheinbar planlos in das Gemmenfeld komponirt, dass es den Anschein
hat, dass durch die Zusammenstellung der einzelnen roggenkornähnlichen Ver-
tiefungen die Kiinstler nicht beabsichtigt haben, eine bestimmte Figur zu com-
biniren, sondern dass das entstandene Bild mit wenigen Ausnahmen als ein mehr
zufälliges betrachtet werden muss. Denn wenn die Zusammenstellung als solche
eme ganz bestimmte Bedeutung hätte, dann könnte man erwarten, unter 82 Gemmen
Mige Zeichnungen doppelt zu finden, was, wie bereits gesagt wurde, nicht der
Fall ist. Es kam daher wahrscheinlich in erster Linie nur auf das roggenkorn-
ähnliche Zeichen an sich an, sowie vielleicht auf die Anzahl, in welcher es auf
derselben Gemme wiederholt wurde. -
Es finden sich allerdings auch einige Male besondere Figuren, wie Kreuze
"hd Rosetten, welche aus den roggenkornühnlichen Vertiefungen zusammen-
Beselzt sind, jedoch sind derartige Darstellungen bis jetzt nur als Ausnahmen zu
betrachten.
. Die Vertiefungen dieser Gemmen sind trotz aller Verschiedenheit und obgleich
?lnzelne nur sehr seicht eingeschnitten sind, dennoch sehr scharf und deutlich, so
dass entweder die Uebung der Verfertiger grösser oder das Werkzeug besser ge-
Wesen sein muss, als bei denjenigen Künstlern, welche die sogen. Alsengemmen
Seschnitten haben. Der grosse Unterschied in der Ausführung springt um so mehr
'— die Augen, als die sogen. Alsengemmen bekanntlich nur aus Glaspasten be-
Stehen, wührend unsere Verfertiger unter anderen auch die nüchst dem Diamanten
härtesten Edelsteine bearbeitet haben.
Die Ründer der roggenkornühnlichen Vertiefungen sind scharf und deutlich,
jar nicht zu vergleichen den mühsam eingekratzten oder eingestochenen Rändern
en. den Figuren der Alsengemmen, an denen man gar nichi selten deutlich zu
€nnen vermag, wie die gravirende Hand ausgeglitten ist.
Die Steine unserer Gemmen sind in der Mehrzahl der Fälle dunkelroth und
(608)
transparent, wahrscheinlich also Rubine und Almandine; aber auch Saphire und
andere verwandte Edelsteine sind zur Verwendung gekommen.
Die Bildfläche ist bei allen mir bis jetzt bekannten Stücken mehr oder weniger
convex und bei einzelnen ist die Convexität sogar eine sehr bedeutende. Hingegen
ist mir keine einzige dem uns hier beschäftigenden Typus zugehörige Gemme be-
kannt geworden, deren Bildfläche eine vollkommen ebene oder eine concave würe.
Wie ich bereits weiter oben erwühnt habe, sind bisher alle Roggenkorn-
gemmen ausschliesslich an mittelalterlichen Kirchengerüthen gefunden. Aus keiner
öffentlichen oder privaten Sammlung und aus keinem der vielen in den ver-
schiedensten Orten von Deutschland gemachten Erdfunde ist ‘mir nur ein analoges
Stück") bekannt geworden.
Die betreffenden Gerüthe des christlichen Cultus sind Reliquiarien in der Form
von Kirchen, Armen oder Büsten, ferner Vortragekreuze, Evangeliarien-Deckel u. s. w-
Wie aus der weiter unten folgenden Zusammenstellung hervorgeht, gehören sie fast
simmtlich dem 10., 11. und 12. Jahrhundert an.
Bevor ich versuche, durch eine analytische Zusammenstellung der einzelnen
Geräthe und der Zeiten, in denen sie gefertigt wurden, der Technik und der Be-
deutung dieser Gemmen etwas näher zu kommen, möchte ich die Zeichnungen
einiger derselben mit genauer Beschreibung dem Leser vorführen.
Zur Veröffentlichung ausgewählt haben wir zunächst 21 Gemmen. Des be-
schrünkten Raumes wegen nahmen wir nicht mehr; vielleicht findet sich früher
oder später noch eine Gelegenheit zur Publication der fehlenden. Die Abbildungen
geben das Bild der betreffenden Gemmen linear in doppelter Grósse wieder; die
Bezeichnungen rechis und links gelien immer vom Beschauer aus.
Fig. 1. Unregelmüssig ovale Gemme von nur geringer Convexitüt. Lüngs-
durchmesser 14 mm, Querdurchmesser 10 zu 8 mm. Rubin. Auf der unteren Hälfte
links von der langen Medianlinie, parallel mit dieser, ein roggenkornühnlicher Ein-
schnitt, wenig tief eingeschnitten. Berlin, Kunsigewerbe-Museum, Baseler Kreuz,
XI. Jahrhundert.
.. Fig.2. Unregelmüssig runde Gemmoe von geringer Convexitát. Durchmesser
18 zu 14 wm. Aquamarin oder Saphir. Oben rechts einen schräg gestellten Ein-
schnitt mit flach auslaufenden Rändern, in der linken unteren Spitze einen zweiten
2) Das Berliner Museum hat in dem babylonischen Saal seiner ägyptischen Abthei-
lung, unter vielen anderen, zwei Siegelsteine ausgestellt, deren Zeichen eine gewisse Aehn-
liehkeit mit denen unserer Roggenkorngemmen haben. Eine genauere Betrachtung zeigt
aber sofort, dass diese Zeichen mit denen unserer Roggenkorngemmen nicht verwechselt
werden kónnen.
£
(609)
kleineren mit scharf abgesetzten Rändern enthaltend. Berlin, Kunstgewerbe-
Museum, Baseler Kreuz, Filigranseite.
Fig. 3. Unregelmässig vierseitige Gemme mit fast ebener Bildfläche. Längs-
durchmesser 10 mm, Querdurchmesser 4 zu 6 mm. Edelstein. In der oberen
Techten Ecke befindet sich eine länglich runde Vertiefung, welche an ein Hanf-
korn erinnert, dem die Spitze fehlt. Münster 1. W., Mauritzkirche, Erphokreuz,
X.—XI. Jahrhundert.
Fig. 4. Unregelmässig ovale Gemme von ziemlich bedeutender Convexität.
Längsdurchmesser 13 mm, Querdurchmesser 10,5 mm. Saphir oder Ultramarin.
Etwas nach links ein aufrechtstehender, roggenkornähnlicher Einschnitt, welcher
Sich oben zu einer stumpf abgerundeten Spitze verjüngt; ausserdem rechts dar-
Unter eine kleine eigenthiimliche Figur, fast einem liegenden umgekehrten Komma
ähnlich. Berlin, Kunstgewerbe-Museum, kleines Kreuz, XI. Jahrhundert.
Fig. 5. Ovale Gemme mit convexer Bildfläche. Längsdurchmesser 23 mm,
Querdurchmesser 15 mm. Almandin. In der oberen Hälfte, rechts von der langen
Medianlinie, eine längsgestellte, abgerundet spindelförmige Vertiefung, welche an
*m Roggenkorn erinnert. Darüber, vom rechten Rande ausgehend, eine zweite,
fast rechtwinklig zur Lüngsaxe stehend, etwas plumper als die vorige; die laterale
Spitze fehlt, weil sie über den Rand der Bildfläche hinausragen würde, Osna-
brück, Dom, Kapitelkreuz, XI. Jahrhundert. N .
Fig. 6. Ovale Gemme von ziemlich bedeutender Convexitüt. Lüngsdurch-
Messer 15 mm, Querdurchmesser 10 mm. Almandin. Zwei längsgestellte, parallel
der Längsaxe stehende, roggenkornähnliche Vertiefungen, rechts und links von der
Medianlinie, untereinander parallel; die eine (kleinere) dem Rande der Bildfläche
Nahe, Osnabrück, Dom, Kapitelkreuz, XI. Jahrhundert.
Fig. 7. Ovale Gemme mit convexer Bildfläche. Längsdurchmesser 17 mm,
Querdurchmesser 11 mm. Rubin. Ziemlich genau im Mittelpunkt eine schräg
Nach rechts stehende, seichte Vertiefung von der ungefähren Form eines Roggen-
kornes. Eine zweite roggenkornähnliche Vertiefung, aber wesentlich grösser,
geht von hier aus nach links oben bis zum Rande der Bildfläche, mit der Längs-
àXe einen Winkel von 45? bildend. Utrecht, Erzbischôfliche Bibliothek, Evan-
Seliar des heiligen Bernulph, XI. Jahrhundert.
Fig, 8. Unregelmässig ovale Gemme von nur geringer Convexität. Lüngs-
durchmesser 17 YJ, mm, Querdurchmesser 12 mm. Saphir. Das Intaglio zeigt zwei
Vertiefungen deutlich und eine dritte, nur punktirt gezeichnete, undeutlich. In
der oberen Hälfte, etwas rechts, eine schräg nach oben liegende, roggenkorn-
ähnliche Vertiefung, flach eingeschliffen; darunter, fast im Winkel von 45°, zu
Verhandl, der Berl, Anthropol. Gesellschaft 1891. 39
ou
^ 7 |
(610)
dieser eine zweite, aber in ungewöhnlicher, fast birnenähnlicher Form. Am
starken Ende der grösseren Figur befindet sich ein den Rand berührender Aus-
wuchs. Die ganze Bearbeitung dieser Gemme ist roh. Wien, Kunstgewerbe-
Museum, Herme des heiligen Blasius, XII. Jahrhundert.
Fig. 9. Unregelmässig ovale Gemme von nur geringer Convexitüt. Lüngs-
durchmesser 15 mm, Querdurchmesser 9'/; mm. Ultramarin (Saphir?). Drei roggen-
kornähnliche Vertiefungen sind vorhanden. Von zweien, welche sich rechts unten
befinden, sieht man aber nur die Spitzen, weil sie zu dicht am Rande liegen.
Die dritte, deutlich eingeschliffene Figur liegt oben, quer, fast rechtwinklig zur
Längsaxe; die beiden Seiten dieser Figur sind auf dem Grunde, wie aus der
Zeichnung ersichtlich, scharf abgegrenzt. Berlin, Kunstgewerbe-Museum, Baseler
Kreuz, Filigranseite.
Fig. 10. ‘Fast viereckige Gemme mit abgestumpften Ecken von nur geringer
Convexität. Längsdurchmesser 10 mm, Querdurchmesser 8!/, mm. Ultramarin
(Saphir?) Rechts im Gemmenfelde eine aufrecht stehende, ungewóhnlich plumpe
Vertiefung, fast einem riesigen Hanfkorn gleichend; an diesem, unten, schräg nach
rechts und links aussen zeigend, zwei Auswüchse, ungleich in der Grösse, ebenfalls
hanfkornähnlich, ausserdem oben, etwas links und nach links zeigend, ein dritter,
kleinerer derselben Form Die Hauptfigur ist sehr deutlich eingeschliffen, die Neben-
figuren weniger. Berlin, Kunstgewerbe-Museum, Baseler Kreuz, Filigranseite.
Fig. 11. Etwas unregelmässig vierseitige Gemme mit abgerundeten Ecken,
von geringer Convexität. Längsdurchmesser 17!/, mm, Querdurchmesser 19 mm.
Amethyst. Wir sehen drei deutlich eingeschliffene Vertiefungen, Die grösste,
links, hart am Rande, aufrecht stehend, ist länger und schlanker als die zweite,
welche ebenfalls aufrecht Steht, aber fast in der Mitte des Gemmenfeldes liegt;
beide haben ein stumpfes und ein spitzeres Ende. Am oberen Ende der langen Ver-
tiefung befindet sich eine sehr deutlich eingeschliffene, lange, dünne Spitze; eine
ganz ühnliche ist an der rechten Seite der Mittelfigur. Rechts unten, etwas schrüg
liegend, ragt die plumpe Spitze der dritten Vertiefung bis fast an die rechte Seite
der Mittelfigur. Berlin, Kunstgewerbe-Museum, Baseler Kreuz, Filigranseite.
Fig. 12. Ovale Gemme mit convexer Bildfläche. Längsdurchmesser 12 mm, Quer-
durchmesser 10'/, mm. Bergkrystall oder Glas. Fast in der Mitte des Gemmen-
feldes, aufrecht stehend, eine etwas nach links gebogene, mit einer seitlichen
Spitze versehene, roggenkornähnliche Vertiefung. Auf diese Stossend, aber schrüg
nach rechts unten zeigend, eine zweite, kürzere, von’ gewöhnlicher Form. Links
von der Hauptfigur, parallel dem Rande, eine dritte Vertiefung, schlanker als die
vorigen; schliesslich fast an der rechten Spitze dieser zwei kleine, runde Knópfchen.
W ien, Kunstgewerbe-Museum, Herme des heiligen Blasius, XII. Jahrhundert.
LE
(611)
Fig. 13. Ovale Gemme von nur geringer Convexitát. Lüngsdurchmesser
19 mm, Querdurchmesser 15 mm. Ultramarin (Saphir?) Schräg liegend, etwas
Oberhalb vom Mittelpunkte, sehen wir hier eine fast einer Eichel gleichende Figur;
Schrüg in dieser eine tiefer eingeschliffene Rinne. In der Verlüngerung dieser
eichelfürmigen Vertiefung ragt die mit einem seitlichen Ansatz versehene, plumpe
Spitze einer unserer gewöhnlichen roggenkornähnlichen Vertiefungen in das
Gemmenfeld. Rechts unten sind zwei fast runde Vertiefungen, die eine seicht,
die andere sehr deutlich eingeschliffen. Berlin, Kunstgewerbe- Museum, Kuss-
tafel von 1460.
Fig. 14. Ovale Gemme mit convexer Bildfläche. Lingsdurchmesser 14 mm,
Querdurchmesser 10 mm. Almandin. Vier roggenkornähnliche Vertiefungen, ver-
Schieden tief eingeschliffen und ungleich gross, Zwei, fast gleich grosse, recht-
Winklig zu einander in der oberen Hälfte; die dritte, grösste und am tiefsten
eingeschliffene links unten, mit einer Spitze fast den Rand berührend; unter dieser
Techís, parallel zu ihr, die vierte und kleinste roggenkornühnliche Vertiefung.
Berlin, Kunstgewerbe-Museum, Baseler Kreuz, Filigranseite.
Fig. 15. Fast runde Gemme von bedeutender Convexität. X Lüngsdurch-
Messer 13 mm, Querdurchmesser 11 mm. Almandin. Vier roggenkornühnliche Ver-
üefungen, etwas breiter und plumper, als bei Fig. 5 und 6; davon zwei in der
rechten Hilfte, in gleichem Abstande von der kurzen Medianlinie und unter-
einander parallel. Zwei in der linken Hälfte, ungefähr parallel den vorigen: die
Obere hart am linken Rande der Bildfläche liegend, so dass ein Theil ihres
lateralen Längsrandes den Bildflächenrand bilden hilft; die untere, linke mit der
Spitze bis zum linken Bildflächenrande reichend, mit der rechten Spitze gegen das
Centrum der Gemme gerichtet. Osnabrück, Dom-Reliquiarium, bekannt unter
dem Namen „Adorf“.
Fig. 16. Ovale Gemme von geringer Convexität. Längsdurchmesser 19 mm,
Querdurchmesser 14 mm. Almandin. Sieben, unregelmässig vertheilte, roggenkorn-
ähnliche Vertiefungen. Vier in der unteren Hälfte des Gemmenfeldes, davon drei
in gleicher Höhe, etwas gegen die Längsaxe geneigt, und zwar die beiden late-
Talen mit der oberen, die mediale mit der unteren Spitze. Zwischen der linken
Vertiefung und der medialen eine kurze, der linken parallele. In der linken
Oberen Hälfte drei Vertiefungen, die oberste fast horizontal, darunter eine mit der
Unteren Spitze der Längsaxe zugekehrt, und dicht am linken Rande der Bild-
fläche, ungefähr in halber Höhe eine kürzere, mehr horizontal liegende. Minden,
Dom, Reliquienarm der heiligen Anna, XVI. Jahrhundert.
Fig 17. Ungleichmässig vierseitige Gemme, Convexität gering. Lángsaxe
l4y, mm, obere Queraxe 8!/, mm, untere Queraxe 7 mm. Ultramarin (Saphir?).
99#
r4
(612)
Acht roggenkornähnliche Vertiefungen, schlanker als die vorhergehenden, von
denen aber nur zwei vollständig vorhanden sind; diese stehen auf der unteren
Hälfte des Gemmenfeldes rechtwinklig gegen einander und berühren sich fast
mit den Spitzen. Die untere Spitze einer dieser beiden Vertiefungen berührt
beinahe die von aussen hereinragende Spitze einer dritten. Rechts von dieser
sieht man, als ganz kleines Bruchstück, die Spitze der vierten Vertiefung. Auf
halber Höhe der linken Seite eine etwas grössere Spitze, welche die schräg in der
Mitte liegende Vertiefung fast berührt. Die sechste Vertiefung kommt als grösseres
Bruchstück einer roggenkornähnlichen Vertiefung vom oberen Rande, etwas nach
links zeigend. Dicht daneben die Spitzen der siebenten und achten, fast horizontal
liegend und sehr verschieden in der Grösse. Berlin, Kunstgewerbe-Museum,
kleines Kreuz, XI. Jahrhundert.
Fig. 18. Vierseitige Gemme von geringer Convexität. Längsdurchmesser
22 mm, Querdurchmesser 13 mm. Ultramarin? Saphir? Wir sehen sechs roggen-
kornähnliche Vertiefungen, zu drei und drei gruppiri. Die erste, links unten, fast
in der Mitte, senkrecht stehend; über dieser die zweite in etwas anderer Form
(man vergleiche Fig. 12), schräg nach links liegend; die dritte unmittelbar an
dieser, aber senkrecht über der ersten und, wie diese, aufrecht stehend. Nun
kommt rechts unten, parallel der ersten Vertiefung, die vierte, etwas längere;
direkt über dieser die ebenfalls senkrecht stehende fünfte, noch längere, welche an
der rechten unteren Seite die nach rechts unten und aussen zeigende sechste Ver-
tiefung in Form einer Dreiviertel-Figur hat. Berlin, Kunstgewerbe - Museum,
Baseler Kreuz, Filigranseite.
Fig. 19. Ovale Gemme von geringer Convexitüt, Lüngsdurchmesser 18 mm,
Querdurchmesser 12 mm. Almandin. Sieben roggenkornühnliche, schlanke Ver.
tiefungen, Jede einzelne wesentlich kleiner, als die der letztbesprochenen Gemmen.
In der unteren Hälfte zwei sich unter spitzem Winkel kreuzend; der lateralen
Spitze fügt sich eine dritte an, Eine vierte kreuzí, nahe dem Mittelpunkte,
rechtwinklig die Lüngsaxe. Eine fünfte verlüuft in der Richtung der Queraxe
und berührt fast den linken Rand. Links darüber, die untere hart am Rande
liegend, in gleicher Richtung zwei, welche so benachbart sind, dass sie sich mit
ihren Lángsründern berühren. Minden, Dom, Reliquien-Hand der heiligen Anna,
XVI. Jahrhundert.
Fig. 20. Ovale Gemme mit convexer Bildfläche. Lüngsdurchmesser 17 mm,
Querdurehmesser 13 gum. Almandin. Neun roggenkornähnliche Vertiefungen ver-
schiedener Grüsse. Vier von ungleicher Grósse stossen etwas oberhalb des Mittel-
a
(613)
Punktes der Bildfläche so mit ihren Spitzen zusammen, dass sie ein liegendes
Kreuz bilden. Dem oberen linken Schenkel desselben fügt sich eine fünfte an,
diesen in leichtem Knick fortsetzend. Eine sechste verläuft in der Richtung des
linken unteren Schenkels bis zum Rande, diesen berührend und durch ihn etwas
von der Spitze cinbüssend. Eine siebente Vertiefung fügt sich genau in den
Winkel der beiden oberen Schenkel und berührt mit ihrer oberen Spitze eine
achte, welche horizontal liegt und sich dem oberen Rande der Bildfläche anfügt.
Die neunte läuft vom unteren rechten Rande der Bildfläche auf den unteren
rechten Kreuzesschenkel, ohne ihn zu erreichen; der Bildflächenrand verkürzt diese
Vertiefung fast um ein Drittel. Utrecht, Erzbischôfliches Museum. Evangeliarium
des heiligen Bernulph, XI. Jahrhundert.
Fig 21. Herzfórmige Gemme mit convexer Bildfliche. Stein? In der nach
oben gekehrten Spitze sehen wir eine längsgestellte, roggenkornähnliche, ziemlich
Starke Vertiefung; den oberen Theil ihrer Form hat sie eingebüsst, weil derselbe
den Rand der Bildfläche überragen würde. Rechts unter dieser befindet sich eine
8anz kleine. Unterhalb beider, etwas nach links, sind zwei, welche sich recht-
Winklig kreuzen. Der von links unten nach rechts oben gehende Kreuzesarm
hat unten rechts und oben links, beide Male nach aussen zeigend, wieder zwei
Vertiefungen, welche aber ungleich gross sind; dicht an der kleineren von diesen
beiden bemerken wir noch eine ganz kleine in dem, von den beiden unteren
Kreuzesschenkeln gebildeten Dreieck. Links von diesem Kreuze ist erstens cine
kurze, starke Vertiefung, der sich noch weiter links, dicht am Rande, eine längere,
Schlanke, anschliesst. Rechts haben wir eine lange, schrägliegende und links
darunter eine kürzere, plumpe Vertiefung. In der unteren Hälfte des Steines ist
eme Gruppe von kurzen, breiten, unter sich ungleich grossen, roggenkornühnlichen
Einschnitten, welche sich sümmtilich (es sind acht) berühren. Zwei von ihnen
liegen in der Längsaxe der Gemme; ihren sich berührenden Spitzen fügen sich
links und rechts je drei seitliche an, so dass eine rosettenartige Figur ent-
Steht. Rechts in der Zeichnung bemerken wir nun noch vier punktirt wieder-
Segebene Vertiefungen, welche wahrscheinlich in dieser Form vorhanden sind.
Die Photographie ist an dieser Sielle verwischt, so dass wir eine vollkommene
Sicherheit für die genaue Wiedergabe nicht haben. Die letzte Vertiefung steht
3Ufrecht unter der Rosette, den unteren Bildflächenrand berührend und mit
der oberen Spitze die entsprechende Figur der Rosette theilweise bedeckend.
München, Königl. Bibliothek, Buchdeckel aus Niedermünster zu Regensburg,
*heinische Arbeit, XI.— XII. Jahrhundert. — Berlin, Kunstgewerbe- Museum,
P hotographien-Mappe. 1456.
€ 25
(614)
Bei der Betrachtung der vorstehenden Zeichnungen kann man leicht zu dem
Glauben kommen, die in den Fig. 8, 10, 12 und 13 gezeichneten Gemmen
passten nicht recht zu den übrigen, denn obgleich diese Gemmen hóchst wahr-
scheinlich zu demselben Typus gehüren, so scheint es doch, als ob die ein-
geschnittenen Vertiefungen etwas anderer Art wären. Ich glaube aber, es scheint
nur so, denn wenn man die geringen technischen Hülfsmitiel, welche den Künstlern
des Mittelalters zur Bearbeitung dieser harten Steine zur Verfügung standen, in
Betracht zieht, wird man leicht eine Erklärung für die etwas veränderte Form der
Hauptfigur finden. Zu beachten bleibt auch, dass jede dieser scheinbaren Aus-
nahmen, neben der Hauptfigur, eine oder mehrere Vertiefungen besitzt, welche
genau mit den, auf anderen Gemmenbildern befindlichen Roggenkörnern überein-
stimmen.
Schon weiter oben wurde bemerkt, dass wir im Ganzen bis heute 82 Gemmen
kennen, welche dem besprochenen Typus angehören.
Unter diesen 82 haben:
24 Gemmen je 1 Roggenkornvertiefung.
2e » » 2 Roggenkornvertiefungen.
» » 3 "
' "n ” 4 ”
4 ” ” 6 p
2 ” ” 7 »
” » 8 ”
a 9 ,
| » » 21 ,
Sa. 82 Gemmen.
Man sieht, dass einzelne Exemplare eine recht stattliche Anzahl von Ver-
tiefungen aufzuweisen haben, und doch sind von geometrischen Formen nur wenige
vorhanden. Wenn wir von den einfachsten, welche durch die mehr oder weniger
zufálige Zusammenstellung von zwei oder drei Vertiefungen entstanden sein
mögen, absehen, haben wir es nur mit den vier zuletzt gezeichneten Gemmen zu
thun, welche die Nrn. 18, 19, 20 und 21 tragen, denn bei allen übrigen sind die
kleinen, roggenkornühnliehen Vertiefungen ganz plan- und formlos über das
Gemmenfeld vertheilt.
Fig. 18 zeigt uns 6 Vertiefungen in zwei Gruppen von je dreien. Diese in
einen Ultramarin geschnittene Gemme macht einen eleganten Eindruck. Wir
sehen hier zum ersten Male die vorhandenen Einschnitte zu einer Gesammtfigur
vereinigt; jedoch auch hier ist das Intaglio unregelmässig in dem Gemmenfelde
untergebracht.
Fig. 19, welche sieben kleine Vertiefungen von ungleicher Grösse besitzt,
zeigt uns unter diesen ein, durch zwei über einander gelegte Roggenkörner ge-
bildetes, schrügliegendes Kreuz; unmittelbar am rechten unteren Kreuzesschenkel
schliesst sich eine dritte roggenkornühnliche Vertiefung an.
Ein ühnliches, ich móchte fast sagen schleifenartiges Kreuz — die Aehnlich-
keit spring besonders in die Augen, wenn man die Zeichnung von der rechten
Seite betrachtet — sehen wir in der folgenden Nummer dargestellt, Auch hier
liegt die Kreuzesfigur nicht ganz frei, sondern der linke obere Kreuzesschenkel
hat zwei unserer Vertiefungen, welche ihn unmittelbar berühren; eine von diesen
beiden wird wieder von einer weiteren Vertiefung berührt, von der jedoch nur
ein Theil vorhanden ist, weil der Rest die Bildfläche überragen würde. Die
ausser den genannten Vertiefungen noch vorhandenen sieht man links. etwa auf
(* 7)
der Mitte und rechts unten, beide in Bruchstücken und schräg liegend, so dass sie
fast nach dem Mittelpunkte des Kreuzes zeigen, wobei die eine den zunächst
liegenden Kreuzesschenkel beinahe berührt.
Wir kommen nun zu unserer letzten Gemme (Fig. 21). Diese, von Hrn.
Dr. Bartels nachgewiesen, ist ein wahres Prachtstück unseres Typus; leider be-
Sitzen wir keinen Abdruck derselben, sondern sind einzig und allein auf die Photo-
graphie des betreffenden Buchdeckels angewiesen, nach welcher sich natürlich alle
die auf diesem Steine vorhandenen Vertiefungen nicht so sicher wiedergeben
lassen, als wenn wir einen Abdruck besässen. Immerhin kann man aber eine
ganz beträchtliche Anzahl und zwar 16— 18 mit grosser Deutlichkeit, selbst bei
Abendbeleuchtung, durch die Lupe sehen; bei hellem Tageslichte kommen auch
hoch die auf unserer Zeichnung nur punktirt angegebenen Vertiefungen zum Vor-
Schein, welche sonst im verwischten Schatten verborgen bleiben.
. Jer herzfórmige Stein mit stark convexer Bildfläche zeigt zunächst, unten
links, acht unserer Roggenkornvertiefungen von verschiedener Grösse zu einer
etwas unregelmässigen Rosette zusammengestellt. Dicht darüber befindet sich
€N regelmässiges, liegendes Kreuz, aus drei in der Grósse sehr verschiedenen
Vertiefungen gebildet; ausserdem sind. rechts und links und über und unter den
beiden zusammengesetzten Figuren noch 15 Vertiefungen in bunter, unregelmässiger
Gruppirung vorhanden, alle unserem Typus angehürend, aber sehr verschieden in
der Grösse.
Das auf dieser Gemme befindliche Kreuz ist scheinbar regelmässiger, als die
Kreuze der beiden letztbesprochenen Fig. 19 und 20, aber auch hier sehen wir
eigenthümlicher Weise wieder, wie drei unserer Roggenkornvertiefungen den
linken unteren, den linken oberen und den rechten oberen Kreuzesschenkel direkt
berühren,
Die darunter liegende Rosette liegt dagegen, wenn man von -einer unten
Senkrecht auf dem Rande der Bildfliche stehenden Vertiefung absieht, welche
einen "Theil der nüchststehenden Rosettenvertiefung bedeckt, ziemlich frei; sie ist
aber aus so ungleich grossen Einschnitten und so unregelmässig zusammengesetzt,
dass man sie doch wohl kaum als Rosette ansprechen kann und am Ende an-
nehmen muss, sie sei mehr oder weniger unbeabsichtigt entstanden, vielleicht
Nur, weil man diese grosse Anzahl von Einschnitten unterbringen wollte; vielleicht
aber wollte auch der Verfertiger versuchen, ob er eine solche blumenartige Figur
herstellen könne. Auf jeden Fall haben wir es hier mit einer ganz besonders
Mteressanten Gemme zu thun.
, Es erübrigt nun noch, die Gemmen 4, 11 und 18 wegen der darauf befind-
lichen schlanken, strichähnlichen Vertiefungen kurz zu betrachten. In Fig. 4
haben wir unten rechts eine kleine Figur ganz deutlich, welche man mit einem
Umgekehrten Komma vergleichen könnte, Bei Fig. 11 und 13 finden wir an ver-
Schiedenen Stellen, bei Fig. 11 sogar zweimal, einen scharf und deutlich ein-
Seschliffenen Strich: hier einen ersten links oben, halb in der grossen Vertiefung, halb
Ausserhalb derselben, und gewissermaassen eine scharfe Spitze bildend; einen zweiten
an der anderen Vertiefung derselben Gemme oben, fast wie ein Stachel nach
Techts aussen zeigend. In Fig. 13 sehen wir denselben Strich, aber etwas weniger
deutlich, fast horizontal; in dem starken Theile der schräg liegenden Haupt-
Vertiefung.
Wir haben nun die Art der auf unseren Gemmen zur Anschauung gebrachten
Zeichnungen besprochen und auch die Steinarten betrachtet, wir wissen aber noch
Nichts Näheres über die verschiedenen Gegenstände, welche mit unseren Roggen-
615°
€ 4)
korn-Gemmen geschmückt sind. Es wurde schon weiter oben bemerkt, dass alle
Gemmen Gegenstände oder Geräthe schmücken, welche zum christlichen Cultus
in Beziehung stehen; es wird also nôthig sein, diese Gegenstände einer näheren
Betrachtung zu unterwerfen, um vielleicht auf diese. Weise eine Basis fiir die
weitere Untersuchung zu gewinnen.
Wie bereits gesagt wurde, kennen wir keine einzige Gemme, welche nicht
einen zum christlichen Cultus in irgend einer Beziehung stehenden Gegenstand
schmückte, und zwar haben wir es vorzugsweise mit Reliquiarien, Kreuzen und
Evangeliarien-Deckeln zu thun.
Die Zahl der Gemmen aber, welche den einzelnen Gegenstand schmücken,
ist sehr verschieden; sie variirt zwischen 1—10 Gemmen an demselben Gerüthe.
Ein ühnlicher Unterschied besteht unier den gleichartigen Gegenstünden, welche
mit unseren Gemmen geschmückt sind; die hierher gehörigen Zahlen steigen eben-
falls von 1—11. Die folgende Tabelle giebt hierüber eine genaue Uebersicht.
Verziert sind:
12 Reliquiarien + - - - üt zusammen 32 Gemmen.
9 Buchdeckel. . ee » 18 »
8 Kreuze . . . «y » 28 »
I Statuette . 2... © ^ » 3 »
_ Rng. ... ..._ ——— MÀ Ios
31 Gegenstände . . . . . mit zusammen 82 Gemmen.
Wenn wir zusehen, in welcher Zeit die uns beschüftigenden Kunstwerke ge-
fertigt worden sind, so bekommen wir die folgende Uebersicht.
Es stammen aus
dem IX. Jahrhundert 1 Kreuz, — Reliquiar, — Evangeliar = 1 Stück,
» X. » 2 Kreuze, ; »
» XI. » 3 » 7 »
, XII. » 2 , t ; »
» XII. » — , ^
» XIV. 5 - > |
» KT » 1 Statuette, | ;
» XV A. » — Kreuz, »
Entstehungszeit nicht zu ermitteln. .. ^
31 Stück.
Diese Uebersicht wird uns gestatten, einige Schlüsse auf das Alter unserer
Roggenkorn-Gemmen zu ziehen. Ich möchte jedoch hierbei gleich bemerken,
dass ich nicht der Meinung bin, man könne ohne Weiteres und mit voller Sicher-
heit von dem Alter des mit Steinen und Gemmen geschmückten Gegenstandes
auf das Alter der Gemmen selbst schliessen. Dies ist sicher nicht der Fall. Man
kann sich sehr gut denken, dass Steine, da sie schon seit uralten Zeiten ein her-
vorragender Schmuckgegenstand waren und von Natur sehr beständig sind, von
einem Geräthe, welches mit der Zeit schlecht oder unansehnlich geworden sein
konnte, auf ein anderes übertragen wurden; deshalb können also die an einem
kirchlichen Gerüthe befindlichen Gemmen ülter sein, als dieses Gerüth selbst.
Dei unseren Stücken ist es aber für kein einziges bewiesen und nur für drei
ganz späte Stücke wahrscheinlich, dass eine derartige Umarbeitung stattgefunden
hätte. Wir werden daher entweder annehmen müssen, dass die Roggenkorn-
Gemmen, gleich den, an den Kirchengeräthen zur Verwendung gekommenen antik-
geschnittenen Steinen, sich vor der Herstellung der betreffenden Geräthe, welche
21 7^
016,
(617)
Sle jetzt schmiicken, bereits lose in dem Kirchenschatze befunden haben, — und
das ist, wie wir später noch sehen werden, aus mancherlei Gründen höchst un-
Wahrscheinlich, — oder wir sind zu der Annahme gezwungen, dass diese Gemmen
für die mit ihnen verzierten Kirchengerüthe eigens hergeselli worden sind. Dann
isi aber auch ihre Entstehungszeit mit.derjenigen dieser Kirchengeráthe überein-
Sümmeng, Somit ist also das Alter der mit den Gemmen geschmückten Gegen-
Minde ein wichtiger Faktor für die Bestimmung des Alters der Gemmen selbst,
besonders wenn, wie in unserem Falle, sämmtliche, die betreffende Gemmenart
aufweisenden Geräthe einer ganz bestimmten, wohl umschriebenen Zeitepoche an-
Schören und alle auf uns gekommenen analogen Geräthe aus früherer Zeit niemals
mig derartigen Gemmen verziert sind. In dieser glücklichen Lage sind wir nun
Mit unseren Roggenkorn - Gemmen; wir ersehen aus der letzten Uebersicht,
dass die meisten der kirchlichen Geräthe dem zehnten, elften und zwölften Jahr-
hundert angehören; das neunte Jahrhundert ist mit einem Gegenstande vertreten,
das dreizehnte mit einem und das vierzehnte gar nicht; das fünfzehnte und sechs-
Zehnte Jahrhundert sind wieder durch zwei, bezw. ein Exemplar repräsentirt, während
drei Gegenstände ausscheiden müssen, weil wir über ihre Entstehungszeit nichts
Bestimmtes wissen. Nur soviel vermögen wir anzuführen, dass sie unter allen
Umständen jünger, als das zehnte Jahrhundert, sind,
Von 28 somit in Betracht kommenden Buchdeckeln, Kreuzen, Reliquiarien u. s. w.
Slammen
1 aus dem 9. Jahrhundert.
i ?» ” 10. ”
Jo» », ll. »
10 , IA, »
1 , , 18. »
2 , , 15. »
Do, » 16 ,
ich Für die drei letzten möchte ich das weiter vorn Gesagte in Anspruch nehmen;
_ Möchte also annehmen, dass hier die geschnittenen Steine älter sind, als das
e liquiarium der heiligen Anna in Minden, die Kusstafel in Berlin und die Statuette
Jorghorst. Ich denke mir, man wählte zur Verzierung dieser Gerüthe schon vor-
hàndene Steine, und scheide deshalb diese drei aus unserer Besprechung aus.
Von den nun übrig bleibenden 25 Stücken stammen eines aus dem dreizehnten,
zehn aus dem zwülften, neun aus dem elften, vier aus dem zehnten und eines aus
"n neunten Jahrhundert. Am ältesten ist das dem neunten Jahrhundert ent-
Roa mende Kreuz Berengar's L im Kirchenschatze zu Monza, dann folgt ein
zo iarium desselben Schatzes aus dem zehnten Jahrhundert, dem sich das
B arkreuz, ein Kreuz und ein Evangeliar in der Münsterkirche zu Essen, das
gen, Okreuz in Münster und der „Codex aureus“ in München, als aus dem
a ten bis elften Jahrhundert stammend, anschliessen. Genauere Entstehungs-
"ad besitzen wir über die vorstehenden Gegenstände nicht, wohingegen wir
jetat den jetzt folgenden ziemlich sicher das Alter angeben kónnen. Es folgt
v.p. der byzantinische Buchdeckel der Markus-Bibliothek, dessen Anfertigung
Hip in das Jahr 1000 setzt, dann das Evangeliar des heiligen Bernward zu
und eim, etwa um 1010 angefertigt, ferner der Buchdeckel mit Elfenbein
Evans delsteinen aus Bamberg von 1014, und schliesslich werden wir das
rech eliar _ vom heiligen Aribert, welcher 1045 am 16. Januar starb, hierher
©n müssen, da er es doch bei seinen Lebzeiten gebraucht hat.
Um es kurz zu wiederholen, so sehen wir, dass wir das Alter der mit
(618)
Roggenkorn - Gemmen geschmückten kirchlichen Geräthe sicher bis auf: das
Jahr 1000 verfolgen können. Wahrscheinlich sind auch im zehnten Jahrhundert
schon einige angefertigt, vielleicht auch im neunten, wohingegen alle früheren
Jahrhunderte fehlen. Wir sehen ferner, dass bis zum Schlusse des zwölften Jahr-
hunderts die Mehrzahl der bis jetzt bekannten Geräthe entstand; das dreizehnte
Jahrhundert weist nur noch einen Gegenstand auf. Hier scheint mir ferner ein anderer
Umstand nicht ganz ohne Bedeutung zu sein: die weiter vorn stehende Tabelle
weist uns nach, dass das elfte Jahrhundert mit 6 Buchdeckeln und 3 Kreuzen ver-
treten ist, also mit Gegenständen, welche von den Lebenden zur Ausübung des
christlichen Cultus gebraucht wurden; das zwôlfte Jahrhundert hingegen hat von
derartigen Geräthen nur 2 Kreuze und 2 Evangeliare aufzuweisen, dafür aber
ausserdem 6 Reliquiarien. Sollte dies nicht zu der Annahme berechtigen;
dass mit dem Ende des zwölften Jahrhunderts der Gebrauch unserer Gemmen er
loschen war?
Wir werden wohl zu dem folgenden Schlusse berechtigt sein: Im Anfange
oder zu Ende des zehnten Jahrhunderts begann der Gebrauch unserer Roggen-
korn-Gemmen. Man schmiickte die Evangeliare und Kreuze, welche von den
hohen kirchlichen Würdenträgern gebraucht wurden, damit; darum weist uns das
elfte Jahrhundert eine verhältnissmässig so grosse Zahl auf. Es wird dieser Ge-
brauch das zwölfte Jahrhundert aber nicht lange überdauert haben, denn sonst
müssten aus dieser Zeit mehr kirchliche Geräthe mit unseren Gemmen erhalten
sein. Wir müssen also, wie man sieht, die Entstehungszeit unserer Roggenkorn-
Gemmen etwa in die zwischen 950 und 1150—1250 fallende Zeit setzen. Der
Gebrauch begann wahrscheinlich im zehnten Jahrhundert, erreichte seinen Hôhe-
punkt im elften und erlosch mit dem Ende des zwölften oder Anfang des drei-
zehnten Jahrhunderts.
Wenden wir uns nun der Technik unserer Gemmen zu, um den Versuch zu
machen, die Art ihrer Herstellung zu ergründen, so. erfahren wir bald, dass wir
hier mit mehr Schwierigkeiten zu kämpfen haben, als bei der Feststellung des
Alters derselben. Wir hatten zu. beweisen versucht, dass die Roggenkorn-Gemmen
in der Zeit von der Mitte des zehnten bis zum Ende des zwölften Jahrhunderts
gefertigt sein müssen. Nun geben aber alle Werke, welche von der Glyptik
handeln, übereinstimmend an, dass gerade in dieser Zeit die Gemmen-Schneide-
kunst in Deutschland vollständig vergessen war. Sollen wir nun also annehmen,
dass unsere Gemmen Erzeugnisse einer ausländischen Kunstfertigkeit waren, dass
sie von anderswo her, vielleicht aus dem Orient, in den Besitz der betreffenden
Gotteshäuser gelangten?
Ich möchte glauben, dass wir trotz der erwähnten Anschauungen dennoch
dabei verharren müssen, in den Roggenkorn-Gemmen einheimische Arbeiten der
genannten Zeitperiode zu erblicken, und wir werden daher zu beweisen haben,
dass eine zwingende Nothwendigkeit nicht vorhanden ist, sie einer anderen Zeit
und einem anderen Lande zuzuschreiben.
, Dazu ist es aber in erster Linie nothwendig, uns darüber klar zu werden,
in welcher Weise und mit welchen technischen Hülfsmitteln die uns hier be-
schäftigenden Gemmen hergestellt sein können.
Da zeigt es sich nun auf den ersten Blick, dass sie sich von den allerdings
um mehrere Jahrhunderte älteren sogenannten Alsengemmen nicht unerheblich
unterscheiden.
Die Alsengemmen mit ihren so häufig ausgesprungenen Rändern der Figuren
zeigen uns deutlich, dass diese eingestochen und eingeritzt wurden, während die
(619)
glatten Grundflächen und scharf abgesetzten Ränder unserer Roggenkorn-Ver-
tiefungen uns sicher zeigen, dass sie eingeschliffen wurden.
Womit haben die damaligen Kiinstler dieses aber ausgeführt? Kannten sie
bereits eine Drehbank, wenn auch vielleicht primitivster Form, und benutzte man
eine kleine Metallscheibe dazu, um die Ornamente einzuschleifen?
. Durch Sehleifrersuche, welche ich mit einem in einer Drehbank eingespannten
Zweipfennigstück und Schmirgel machte, gelang es mir, in kurzer Zeit und ohne
Jede Vorübung Vertiefungen, ähnlich denen unserer Roggenkorn - Gemmen, in
emen Amethyst zu schleifen. Leider aber überzeugte ich mich bald im Theo-
Dhilus v, Capitel LX, dass eine Drehbank, wie sie hierzu nóthig ist, im elften
Jahrhundert nicht bekannt.war. Der gelehrte Mönch beschreibt in diesem Capitel
das Drehen eines Kernes für einen Guss, ‚wie folgt:
.— — — Nach diesem stecke ein Eisen durch sie (die Kerne sind gemeint) welches
das Dreheisen genannt wird, lang und ziemlich dünn ist, aber an einem Ende dicker,
auf drei Seiten flachgehämmert, immer dünner und dünner zur Spitze verlaufend, an
Seinem dickeren Theile werde ein anderes gekrümmtes Eisen oder Holz befestigt, mit
Hülfe dessen man es drehen kann. .
„Habe dann zwei hölzerne Säulchen auf einem Gestell befestigt, von einander der
Länge des Eisens entsprechend abstehend, deren jegliches an der Vorderseite Nägel,
gleichfalls von Holz habe, eine Spanne lang, und mit einem Einschnitt wie eine Stufe
(wie ein Winkel) versehen. Auf diese kommt das runde Holz zu liegen, dass man es
Seschickter und länger bewegen könne, auf welchem die Hand des Drehenden ruht.
„Ist dies so vorbereitet, so lege das Dreheisen zwischen die beiden Säulen, welches
die Kerne trägt, und während der Dir zur Linken sitzende Gehülfe es dreht, bearbeitest
Du mit scharfen und etwas breiten Eisen sie von allen Seiten, dass sie abgegleicht seien,
Und so bereite Deine Kerne, dass sie in der Mitte, wo sie znsammentreffen, in Breite
und Dicke übereinstimmen“ u. S. W-
. Man sieht, er beschreibt eine äusserst primitive Drehvorrichtung, deren er sich
vou bedient hätte, wenn er eine auch noch so einfache Drehbank gekannt haben
ürde.
Unsere Roggenkorn-Vertiefungen können also nicht mit Hülfe einer Scheibe
e der Drehbank eingeschliffen sein. Derselbe Theophilus giebt uns aber im
papel XCIV, S. 350 eine ausführliche Erklärung über den Stand der Technik des
delsteinschleifens zu damaliger Zeit. Der Autor beschreibt hier zuerst etwas
breit das Schleifen des Krystalls, wobei er auch das dem Plinius entnommene
Mühreheg erwühnt, dass man ihn jedesmal vor dem etwa beabsichtigten Schneiden
à dem Herzblute eines jungen, mit Epheu gefütterten Bockes erwürmen müsse,
Mit er weich sei. Dann fährt er fort:
_ »Wenn Du aber Knöpfe aus dem Crystall machen wolltest, wie sie an den Bischof-
Stäben oder den Leuchtern aufgesetzt werden können, SO durchlöchere sie auf diese
Weise: Mache Dir zwei Hàmmer von der Dicke des kleinen Fingers und fast eine
Panne lang, an beiden Enden sehr diinn und gut gestählt. Sobald Du den Knopf ge-
os hast, schneide ein Loch in einem Holze, so dass derselbe zur Hälfte darin liegen
dec und befestige ihn mit Wachs an diesem Holze, damit er halte. Indem Du einen
en Dimmer nimmst, schlage leicht in der Mitte des Knopfes an einer Stelle, bis Du
conga Loch gemacht hast, und so, indem Du n der Mitte schlägst und Lassi
des on brichst, erweitere die Hôhlung. Wenn Du, so fortfahrend, bis zum Mitte punkte
H nopfes gelangt bist, drehe ihn um und verfahre ebenso von der anderen Seite.
- ast Du ihn durchbohrt, so hümmere ein ein Fuss langes und rundes Stück Kupfer,
80 dass es das Loch durchdringen könne, nimm rauhen, mit Wasser gemengten Sand,
Bd. | Theophilus Presbyter, Schedula diversarum artium, Quellenschriften. A. Illg.
: Wien 1814. W. Braumüller.
(620)
gieb ihn in das Loch und feile es mit dem Kupfer aus. Hättest Du das Loch ein wenig
dadurch ausgedehnt, so hämmere ein anderes dickeres Kupfer, womit Du in ähnliche!
Weise feilest. Und wenn es nôthig wäre, so bediene Dich noch eines dritten dickeren
Kupfers. Wenn Du die Oeffnung, wie Du wünschest, weit gemacht hast, so brich eine?
sandigen Stein behutsam, und nachdem Du ihn hineinbegeben hast, feile abermals mif
einem neuen Kupfer, bis es glatt ist. Dann nimm ein gleichrundes Blei, füge, was vo?
der Ziegelerde abgerieben ist, sammt Speichel hinzu, polire die Oeffnung inwendig und
den Knopf selber aussen, wie oben gesagt wurde* u.s. w.
Am Schlusse dieses Capitels, S. 354 geht der Verfasser zur Besprechung der
Bearbeitung der härteren Edelsteine über; er schreibt hier:
Auf dieselbe Weise werden auch geschnitten, abgerieben und polirt: der Ony*»
Beryll, Smaragd, Jaspis, Chalzedon und die übrigen kostbaren Steine. Man
macht aus den Bröckchen des Crystalles ein sehr feines Pulver, welches, mit Wasser
vermischt, auf ein flaches Brett von Lindenholz gelegt wird, und auf ihm reibt und
polirt man jene Steine.
„Der Hyacint, welcher härter ist, wird auf diese Weise polirt: Es giebt einen
Stein, Schmiergel genannt, welcher verkleinert, bis er dem Sande gleicht, auf eine ebene
Kupferplatte gegeben und mit Wasser vermischt wird, auf diesem erhält der Hyacint
durch Reiben seine Gestalt. Die Flüssigkeit aber, welche wegfliesst, fängt man emsig
in einem reinen Becken auf; wenn sie die Nacht über stand, wird den folgenden Tag
das Wasser ganz abgegossen und das Pulver getrocknet, dann wieder auf der flache?
Tafel von Lindenholz mit Speichel befeuchtet, und darin der Hyacint polirt.«
Friedrich‘) bemerkt in seinem Buche , Die altdeutschen Gliser “, durch
welches ich zuerst auf den Theophilus aufmerksam wurde, in Bezug auf das
obige Capitel:
„Muss man sich nicht billig über die Menge technischer Hülfsmittel wundern,
welche den Schleifern des zwölften Jahrhunderts zu Gebote standen? Wer mag
diesen klaren fachmännischen Worten gegenüber noch behaupten, dass die ge-
schliffenen Steine schon vollendet aus dem Orient bezogen wurden?“
Der sogenannte Heraclius?) behandelt ebenfalls das Zersügen des Krystalles
und das Schleifen der Edelsteine.
Aus den vorstehenden Citaten des Theophilus ersehen wir, dass der Ver-
fasser dieses Manuskriptes, ein in vielen technischen Künsten bewanderter Mönch,
Namens Rogkerus, welcher in dem elften Jahrhundert in Deutschland lebte,
uns ein Verfahren angiebt, mit welchem man wohl alle unsere Roggenkorn-
Gemmen ohne die Hülfe einer Drehbank hersiellen kann.
Nun finden sich aber unter den Roggenkorn-Gemmen einige, welche in
Saphir und Rubin, also den nächst dem Diamant härtesten Steinen eingeschliffen
sind, und man wird mir entgegen halten, mit Schmirgel ist dieses auf die an-
gegebene Weise nicht moglich. Ob es auf die vom Verfasser des Theophilus
angegebene Weise möglich ist, Rubin und Saphir mit Schmirgel zu schleifen;
kann ich nicht beurtheilen; dass aber beide Steinarten mit Schmirgel geschliffen
werden können, geht aus Karmars ch-Heeren’s?) Technischem Wörterbuch hervor-
Wir lesen hier, dass man Saphire, Smaragde und Rubine mit Diamantstaub oder
Schmiergel schleift, alle übrigen Edelsteine mit Schmirgel.
Aus diesem Citat geht also deutlich hervor, dass die genannten härtesten
Edelsteine sich mit Schmirgel schleifen lassen, aber mit Diamantstaub jedenfalls
viel leichter; wir werden also zuschen müssen, ob die Alten schon mit Diamant-
1) Nürnberg 1884.
2) Quellenschriften. Bd. IV. S. 1, 18 u. f.
3) 3. Aufl. Bd. 7. S. 618.
(611
aub Zu arbeiten verstanden. Herr Dr. M. Bartels war so freundlich, mir eine
telle dus dem Buche des Bischofs Marbodus!) nachzuweisen, aus der sich er-
A dass dieser, ebenfalls im elften und im Anfange des zwülften Jahrhunderts
nde Autor das Diamantpulver kannte.
ii Hiergegen behaupten nun aber Lessing?) und Krause?®), Marbodus habe
dep Angaben grüsstentheils dem Plinius entnommen und die Annahme, dass
fag letztgenannte den Diamantstaub bereits gekannt, beruhe auf einer falschen Auí-
m des Wortes feliciter*) in dem betreffenden Satze des Plinius. Beide
e, wollen dori nur Angaben über den Gebrauch der Diamantsplitter,
auf Le über den des Diamantstaubes finden, wobei sich Krause meist
das essing stiitzt. Er selbst jedoch erwihnt?) in seinem unten citirten Buche,
Dia, ausser anderen auch Aloys Hirth®) und Mariette”) für den Gebrauch des
Mantpulvers*) bei den Alten eintreten.
wid Es kann hier natürlich nicht unsere Sache sein, in diesem Streite für oder
Bey. Partei zu nehmen, man wird uns aber zugeben können, ein sicherer
Bes M dafür, dass die Verwendung des Diamantpulvers bei den Alten aus-
in. lossen sei, ist nicht erbracht. Eine Unmöglichkeit, Rubine, Saphire und
AL nach dem Stande der Technik bei uns im elften und zwölften Jahr-
mit D zu schleifen, liegt also nicht vor; sie können sowohl mit Schmirgel, als
lamantstaub geschliffen sein.
vi wollen nun unsere Gemmen einer nüheren Untersuchung unterziehen;
kocht erfahren wir dann, wie die einzelnen Vertiefungen eingeschliffen sein
tuse Zu diesem Zwecke empfiehlt es sich, die Nrn. 14, 15, 16, 19 und 20 aus-
von en, welche sámmilch eie bedeutende Convexität besitzen. Nimmt man
der dem Wachs-Abdrücken derselben einen Gyps-Abguss und ‚schneidet diesen auf
Grand angsaxe einer Roggenkorn -Vertiefung durch, dann sieht man, dass die
a Re dieser letzteren ganz eben ist. Diese 5 Gemmen können also, be-
[A durch die grosse Convexität, mit einer dünnen Kupferstange, einem
gie, hie etwa, in der Weise geschliffen worden sein, welche Theophilus an-
hätte um die Löcher der Edelsteinknöpfe auszufeilen. Von den weiteren Nummern
Cony, wir nun 5, 6, 7, 9, 12, 17 und 21 auszuscheiden. Diese, ebenfalls stark
abey bu Gemmen können auch auf ähnliche Weise eingeschliffen worden sein,
_ a die Grundfläche hier mehr oder weniger gebogen, auch die Stellung der
1) Marbodi, Liber lapidum seu de gemmis etc, Góttingae 1799. $ 1. De adamante.
$2. Incudis damno, percussorumque labore
3) B Hujus fragmentis gemmae sculptuntur acutis
3) poefe antiquarischen Inhalts. 32. Brief.
4 preoteles. Halle 1856. S. 110. a | mE
frangituy er betreffende Satz lautet: „Adamas, cum feliciter rump! contigit, in tam parvas
ula, Crustas, ut cerni vix possint. Expetuntur a sculptoribus, ferroque includuntur,
5) "on duritiam ex facili cavantes.*
6) A a. O. S. 228,
1) To althea von Böttiger. Bd. IL 8.10 u. 11.
8) p aité de pierres gravées, I. p 156. Paris 1750. /
Constant er betreffende Satz von Goguet, auf den sich Klotz stützt, lautet: „Il est
Mant que les Anciens ont parfaitement connu la proprieté qu’a la poudre de Dia-
Brave, Pour mordre sur les pierres fines; ils en faisoient un grand usage, tant pour les
les che pour les tailler. Pline le dit expressement, et quand il ne l’auroit pas dit,
SOUS les oeuvres que les Anciens ont produits en ce genre, et que nous avons encore
yeux, le feroient assez connoitre./ Lessing, Anmerk, z. 82. Briefe.
ts
2
A
(679)
Vertiefungen eine andere ist, so muss der Draht gebogen gewesen sein, — eine A7
nahme, der natürlich nichts im Wege steht. Nr. 18 wäre vielleicht hier auch noch
mit hinzuzurechnen.
Wir kommen nun zu den restirenden 8 Gemmen. Durchgeschnittene Gyp5
Abgüsse der genommenen Wachs-Abdrücke zeigen an der Unregelmässigkeit der
Bodenfláchen der Vertiefungen ziemlich deutlich, dass sie nicht mit einer Scheibe
eingeschliffen sein kónnen; die geringere Convexitüt und die Form und Stellung
der einzelnen Vertiefungen verbietet es ferner, anzunehmen, dass auch sie, WI
die anderen, mit einem geraden oder etwas gebogenen Draht eingeschliffen wurde?
Ueber die Herstellung dieser Gemmen habe ich mir eine feste Meinung noch
nicht bilden kónnen. Hr. Ober-Ingenieur Oesten, welcher die durchgeschnittene?
Gyps-Abgüsse mit mir betrachtete, glaubt, dass sie mit einem, an der Spitze rechi-
winklig umgebogenen Kupferdraht und sonst, wie oben angegeben, mii Schmirgel-
oder Diamantstaub eingeschliffen seien. Diese Annahme scheint mir etwas für sic
zu haben, und die Nrn. 1, 3, 4, 10 und 11 werden wohl auch so hergestellt sein-
Aber nun sind noch die mit den Nrn. 2, 8 und 13 bezeichneten Gemmen übrig-
Von diesen scheint es mir nicht wahrscheinlich zu sein, dass sie auf diese Weise
eingeschliffen wurden, ohne dass ich eine bessere Ansicht über die Art und Weise
wie sie gefertigt wurden, aufstellen könnte.
Wir werden es also immerhin wohl anerkennen müssen, dass eine technisch®
Unmöglichkeit nicht vorliegt, warum die Roggenkorn-Gemmen nicht mit Hülfe
eines der geschilderten einfachen Mittel in der Zeit des 10. bis 12. Jahrhunderts 12
Deutschland gefertigt sein könnten. Weitere Funde werden darüber ja noch mehr
Aufklärung geben, und von diesen scheint einer schon gemacht zu sein.
Hr. Direktor Voss, von der prähistorischen Abtheilung des hiesigen Välker-
Museums, war so freundlich, mich auf das im Osnabrücker Domschatze be“
findliche sogenannte Schachspiel Carl’s des Grossen aufmerksam zu machen:
Bei diesem, augenblicklich noch aus 15 Bergkrystall-Figuren bestehenden Schach-
spiel, dessen Entstehung Hr. Voss mit dem Hrn. Dompropst Berlage in Cölp
in das elfte bis zwölfte Jahrhundert setzt, tragen die meisten der Figuren ganZ
rohe Verzierungen eingeschliffen oder eingeschnitten, welchen man eine gewisse
Aehnlichkeit mit denen unserer Roggenkorn-Gemmen zugestehen kann. Leider
konnte ich Gyps-Abgiisse dieses Schachspiels bis jetzt noch nicht bekommen;
eine genaue Untersuchung dieser müsste ergeben, ob die Vertiefungen, wie die”
jenigen unserer Roggenkorn-Gemmen, eingeschliffen, oder mit dem Rädcheu her-
gestellt sind. |
Wir haben die Roggenkorn-Gemmen nun nach allen Seiten beleuchtet, wir
sahen, wo und wie sie gefunden werden, wir haben ihr muthmaassliches Alter und
ihre Technik besprochen, aber wir wissen noch nichts von der Bedeutung de!”
selben, ebenso wenig wie wir untersuchten, ob sie als Erzeugnisse heidnischer
oder Christlicher Kunst anzusehen sind.
Wir finden die Roggenkorn-Gemmen, wie bereits erwühnt, immer zur AUS“
schmiickung von Kirchengerüthen verwendet, und zwar stets zusammen mit andere”
Edelsteinen, unter denen sich auch hüufig klassische und andere mittelalterliche
Gemmen und Kameen befinden. Diese Kirchengerüthe sind vorzugsweise VO"
deutscher Arbeit und gehören dem zehnten, elften und zwülften Jahrhundert am
Es sind uns, wie ebenfalls schon erwühnt wurde, keine Roggenkorn-Gemme"
bekannt geworden, welche aus einem der zahlreichen Grabfunde, die ja in 8?
grosser Menge zu den verschiedensten Zeiten und an den mannichfaltigsten Stelle?
Europas gemacht wurden, herstammen. Somit fehlt also die bei anderen Gegen”
D
(623)
Ständen sich bisweilen bietende Gelegenheit, aus gemeinsamen Fundstücken einen
Rückschluss auf die Entstehungszeit machen zu können.
. Ebenso wenig kennen wir Roggenkorn-Gemmen, welche sich als einzelne
Stücke in irgend einer Sammlung befünden. Allerdings würde uns das, auch wenn
és der Fall wäre, in unserer Kenntniss nicht sehr gefördert haben, denn sie hätten
JA auf die mannichfachste Weise erworben sein können, welche ebenfalls die Zeit
rer Entstehung nicht mit Sicherheit aufzuklären vermöchte. Von alledem ist
ill unseren Roggenkorn-Gemmen keine Rede, wir kennen eben nur derartige
ücke, welche sich an frühmittelalierlichen Kirchengerüthen befinden, was wir
?' allen Dingen festhalten müssen, wenn wir zunüchst versuchen wollen, dem Ur-
Sprung der Roggenkorn- Gemmen nachzuspüren.
u Im Mittelalter, dem zehnten bis zwölften Jahrhundert, war im Grossen
n Ganzen schon in dem grössten Theile von Deutschland, abgesehen von den
Fe die Wenden bewohnten Gegenden unserer engeren Heimath, von einem
for enthum keine Rede mehr. Unter Carl's des Grossen und seiner Nach-
Soe Hülfe hatten die christlichen Priester fast allerorten, mit Ausnahme der
Ww. Schen Gegenden Nord-Deutschlands, das Kreuz aufgepflanzt; und selbst die
?hden, deren grosse und bis jetzt noch in mancher Hinsicht rüthselhafte, dem
y Radegast* und ,Swantewii^ geweihte Heiligthiimer Rethra und Arkona in dieser
i) zerstört wurden, mussten sich mehr und mehr bequemen, zu dem Christen-
Ume überzutreten.
A Halten wir alle diese Thatsachen fest und vergegenwärtigen wir uns noch
fa, dass unsere Roggenkorn-Gemmen bis heute nur an Gegenstinden ge-
a den wurden, welche zu der Ausübung des christlichen Cultus in irgend einer
logy" Beziehung stehen, dann werden wir auch wohl mit einiger Wahrschein-
hab eit annehmen dürfen, dass wir es mit Arbeiten christlicher Künstler zu thun
sie en und dass die Roggenkorn - Gemmen fiir diese kirchlichen Geriithe, welche
heute noch schmiicken, auch eigens angefertigt worden sind.
fas Wir haben uns nun noch mit der letzten und schwierigsten Frage zu be-
Sen, nehmlich mit derjenigen: Was bedeuten die Roggenkorn- Gemmen?
ich Eine Sichere und nach allen Richtungen hin zufriedenstellende Antwort vermag
die) Wie ich gleich vorausschicken móchte, trotz aller angewendeten Mühe, auf
may Frage nicht zu geben. Alle Versuche einer Deutung und Erklärung, welche
inte machen kann, haben ihre recht erheblichen Liicken. Ich will es aber nicht
Verlassen, hier anzufiihren, woran bei den Roggenkorn-Gemmen etwa gedacht
erden könnte,
m t an könnte annehmen, wir hätten es mit irgend welchen mystischen Zeichen
denk "n, und hier künnte man in erster Linie an die Gemmen der alten Gnostiker
die; en; aber die Blüthezeit dieser liegt um mehrere Jahrhunderte früher, als
an Jenige, welche wir geneigt sind, für die Entstehung der Roggenkorn-Gemmen
ko, emen. Auch finden wir in den dargestellten Figuren der Roggen-
s -Gemmen keinen Anklang an die verwickelte Symbolik gnostischer Dar-
lungen,
von M haben es bekanntlich bei diesen mit einer sehr ausgebildeten Symbolik
aller An schen und menschlichen Figuren, verbunden mit kabbalistischen Zeichen
Korg zu thun; aber die ganze Darstellung ist von derjenigen unserer Roggen-
~Gemmen so sehr verschieden, die Technik im Gegensatze zu der der
1) Rethra sogar zweimal, 955 und 1150, Arkona 1168.
^e,
(624)
Roggenkorn-Gemmen so ausgebildet, dass wir den Gedanken an eine Ver-
wandtschaft zwischen ihnen vollständig ablehnen müssen.
Nun könnte man fernerhin annehmen, die Roggenkorn-Gemmen wären eine
Art von Rangabzeichen in einer geistlichen Brüder-Gemeinschaft gewesen; aber
auch hierfür fehlt es an genügenden Anhaltspunkten, und es ist mancherlei, was
dagegen spricht Hätten die Roggenkorn-Gemmen wirklich die Bedeutung vo"
Rangabzeichen gehabt, dann waren sie doch auch jedenfalls dazu bestimmt,
während der Lebzeiten des Besitzers deutlich sichtbar getragen zu werden, um erst
nach dem Tode desselben an ihren heutigen Platz zu kommen. In diesem Falle
könnten wir erwarten, wenigstens einige derselben in einer Fassung vorzufinden;
die ein Tragen der Gemmen am menschlichen Körper möglich und wahrscheinlich
machte.
Nun kennen wir allerdings eine Roggenkorn-Gemme, deren Fassung allen-
falls diesem Zwecke entsprechen könnte, wir meinen die vorletzte Gemme de
Fund-Tabelle, welche, als einzige von allen, einem grossen Fingerringe als Schmuck-
stein dient. Jedoch bei dieser einen sind wir geneigt, anzunehmen, dass sie sich
nicht in ihrer ursprünglichen Fassung befindet. Die Gründe für diese Annahme
sind weiter oben schon entwickelt. Also auch diese Hypothese vermag uns nicht
zu befriedigen.
Es liesse sich ferner die Frage aufwerfen: Könnten nicht die Roggenkorn-
Gemmen als eine Art von Ursprungszeichen, als Künstlermarke, oder vielleicht
auch als die Marke eines Stifiers betrachtet werden? Trifen wir hiermit die
richtige Bedeutung, dann hätten wir gleich eine Erklärung für die zuweilen ver”
steckte und oft unregelmässige Anbringung der genannten Steine. Denn ebenso
gut, wie heut zu Tage ein Steinmetz sein Zeichen oder ein Künstler seinen
Namen versteckt, anbringt, ebenso gut hatten die Verfertiger der Roggenkorn-
Gemmen dann ihre Gründe, dieselben gerade so und nicht anders anzubringen.
Gegen diese Annahme würde nun scheinbar die theilweise so grosse Anzahl
von Gemmen sprechen, welche wir in einigen wenigen Fällen an einem Gegen-
stande vereinigt finden. Man würde also, wenn diese Gemmen die Bedeutung vo!
Künstlermarken hátten, annehmen müssen, dass mehrere Künstler an den be-
ireffenden Gerüthen gearbeitet hütten. Da haben wir also gleich wieder eine neue
Schwierigkeit, denn eine solche Annahme ist in hohem Grade unwahrscheinlich
und widerspricht auch dem, was wir sonst über das mittelalterliche Kunsthandwerk
wissen. Hier würden wir einigermaassen aus der Verlegenheit kommen, wenn wil
annühmen, dass die Gemmenzeichen nicht Künstlermarken, sondern die Marken
von Sliftlern gewesen sind. Das zuweilen mehrfache Vorkommen wäre dieser An-
nahme nicht im Wege, wenn man bei den mehrfach mit Roggenkorn-Gemme?
geschmückten Kirchengerüthen annehmen dürfte, dass sich mehrere Personen zur
Stiftung eines solchen doch immerhin recht kostbaren Stückes vereinigt hätten.
Hierüber wird sich vielleicht noch mehr ermitteln lassen, wenn man so weit
als möglich der Entstehungsgeschichte jedes einzelnen mit Roggenkorn-Gemmen
geschmückten Geräthes nachspürt, eine Arbeit, welche ich in der nächsten Zeit
nicht aus den Augen lassen werde. Möglicherweise findet sich hierbei für ein?
dieser Annahmen ein Fingerzeig.
Nun müsste endlich noch eine Müglichkeit in Kürze besprochen werden. Ver
suchen wir einmal, uns vorzustellen, in welcher Weise der alte Künstler sein
Reliquiar anfertigte. Nachdem der innere Holzkasten ferüg war, ging er daran,
ihn mit Gold- oder Silberblech zu beziehen. Bei dieser Arbeit schon theilte €T
sich jedenfalls die Plätze für die ihm zur Verfügung stehenden Edelsteine ein.
(625)
Zur Ausschmückung hatte er ungeschnittene Edelsteine und mancherlei Gemmen
"Und Cameen zu verwenden. Hier ist nun zu beachten, dass man eine gewisse
Symmetrie in der Platzbestimmung für die ausschmückenden Edelsteie bei fast
allen mir bekannten derartigen Gerüthen beobachten kann, eine Symmetrie, die
Meist auch selbst noch die Farbe der verschiedenen Steine sehr genau berück-
Sichtigt, Nur in Ausnahmefällen findet man an symmetrischen Stellen Steine ver-
Schiedener Form oder Farbe; es gilt diese Regel nicht unbedingt, aber die Zahl
der Ausnahmen ist eine nur geringe.
Kommen wir nun darauf zurück, dass einem solchen Künstler, wie oben schon
érwähnt, als Edelstein-Material Gemmen, Cameen und ungeschnittene Edelsteine
Verschiedener Farbe für seine Arbeit zur Verfügung standen, dann ist wohl anzu-
Nehmen, dass unser Künstler dieses Material erst einmal nach Form und Farbe
Sortirte, wobei er wahrscheinlich die vorhandenen Gemmen und Cameen besonders
beachtete. Nun brachte er die verschiedenen Steine an den ihnen bestimmten
Stellen in der Weise an, dass sie im Ganzen ein môglichst symmetrisches Ge-
Sammibild zeigten. Sehr oft werden aber einzelne geschnittene Steine gefehlt
haben, um das beabsichtigte Gesammtbild zu erreichen. Kännte nun nicht unseren
Künstlern der Gedanke gekommen sein, selbst einmal zu versuchen, Gemmen zu
Schleifen oder zu schneiden?
Wenn wir mit dieser Annahme das Richtige getroffen haben, dann wurde
Vahrscheinlich in der Weise weiter gearbeitet, dass man nun versuchte, eines oder
das andere der zur symmetrischen Vollständigkeit etwa fehlenden Intaglios selbst
anzufertigen. Dazu hatte man nun nóthig, entweder selbst Zeichnungen zu com-
Poniren, oder vorhandene Gemmen nachzubilden. Bei der geringen Uebung der
damaligen Steinschneide-Künstler dürfen wir vielleicht annehmen, dass dieselben
YOrzogen, eine vorhandene Gemme, SO gut als möglich, zu copiren. Bine Ge-
Wissheit existirt jedoch in dieser Hinsicht nicht. Bis jetzt hat es mir wenigstens
nicht gelingen wollen, eine andere klassische oder mittelalterliche Gemme auf-
“ufinden, deren Copie man mit Sicherheit in einer der Roggenkorn - Gemmen
Rachweisen könnte.
Allerdings dürfen wir uns nicht nur an bekannte Gemmen halten, um die be-
Sprochenen Vorlagen zu finden. Môglicherweise hat der alte Künstler doch frei
Nach seiner Phantasie gearbeitet, Um irgend welche Gegenstände oder Symbole
Rachzubilden. Aber auch in dieser Hinsicht gelang es mir nicht, etwas zu er-
Mitteln, so dass man mit Sicherheit sagen könnte, diese Roggenkorn-Gemme stellt
das und das vor.
Ich bin also nicht im Stande, hinsichtlich der in den verschiedenen Roggen-
korn-Gemmen etwa beabsichtigt gewesenen Bilder eine mehr oder minder wahr-
Scheinliche Behauptung aufstellen zu können. Aufmerksam machen móchte ich
Jedoch noch auf die drei letztgezeichneten Gemmenbilder, auf die Nrn. 19, 20
Und 21, Wir sehen hier jedesmal unter Anderem ein mehr oder weniger schrág
liegendes Kreuz. Diese drei Kreuze, von denen jedes wieder einen bis drei
Anbángso] bai, scheinen, nach der eigenthümlichen Art der Darstellung zu ur-
theiley unter sich verwandt zu sein. Ferner lässt sich die auf Nr. 21 ab-
8 bildete Rosette in zwei über einander liegende Kreuze zerlegen. Das sind lauter
Thsüünde, welche man wohl zur Grundlage weiterer Forschungen machen muss,
Obgleich eine zufällige Uebereinstimmung der genannten Formen nicht ganz aus-
Seschlossen ist.
da Wenn es uns nun auch nicht gelang, bestimmte Beweise dafür beizubringen,
$8 die Roggenkorn-Gemmen gewissermaassen als die Resultate der ersten Stein-
Verhandl. der Berl. Anthropol. Gesellschaft 1891. 47
LL
(624)
schneide-Versuche unserer Künstler zu betrachten sind, so glauben wir doch in
Folgendem einen Beweis für die Beachtung der Roggenkorn-Gemmen von Seiten
der Verfertiger diesbezüglicher Kirchengerüthe gefunden zu haben.
In dem Hildesheimer Domschaiz befindet sich ein etwa um das Jahr 1010
angefertigtes Evangeliarium, dessen mit vielen Edelsteinen geschmückter Deckel
auch eine Roggenkorn-Gemme trägt. Unter einer, die Mitte dieses Deckels eiu-
nehmenden Elfenbein-Schnitzerei, Jesus, Maria und Johannes in erhabener Arbeit
darstellend, sehen wir das griechische Doppelkreuz mit dem Bilde des Er-
lósers. Oben rechts und links sind zwei schrüg liegende Edelsteine. Auf den
correspondirenden Ecken unten sehen wir rechts eine eigenthümliche Gemme mit
zwei Vógeln und links eine zweifigurige Roggenkorn-Gemme.
Der rechts und links und oben wie unten noch sehr reich mit Edelsteinen
geschmückte Buchdeckel hat weiter keine Gemmen, jedoch noch einen auf dem
Kopfe stehenden Cameo. Man sieht, der Künstler hat hier die Roggenkorn-
Gemme in ganz bestimmte Beziehung zu der einzigen anderen Gemme gebracht.
Trotzdem kann es natürlich nicht unsere Absicht sein, schon jetzt diese, vielleicht
auch zufällige Platzeintheilung zu festen Schlüssen zu benutzen. Wir müssen sie
aber beachten, um so mehr, da man auch bei anderen Kirchengeräthen nicht will-
kürlich vorgegangen zu sein scheint. Damit wären wir an dem Schlusse dieser
kleinen Arbeit angelangt, allerdings ohne die Frage der Roggenkorn-Gemmen be-
friedigend gelóst zu haben.
Soll ich meine Ansicht noch einmal recapituliren, so glaube ich, dass wir
in den Roggenkorn-Gemmen eine in sich abgeschlossene und unter sich zu-
sammengehürige Gruppe von Werken der Gemmen-Schneidekunst vor uns haben.
Dieselben sind die Arbeit christlicher Künstler und sind in dem Zeitraume von
dem neunten oder zehnten Jahrhundert bis zu dem zwölften Jahrhundert eigens
für die Ausschmückung von Geräthen des christlichen Cultus in Deutschland ge-
fertigt worden. Was für eine Bedeutung sie aber ursprünglich besessen haben,
das bin ich leider ausser Stande zu bestimmen.
Tabelle
sämmtlicher Roggenkorn-Gemmen, welche bis jetzt bekannt geworden sind.
Anzahl der
Gegenstand Entstehungs- Heutiger Gestein) Einschnitte -
zeit Standort uisi 5 i
- ue
Kreuz Berengars I. IX. Jahrh. Basilicadi Monza 3
Reliquiar...... IX-X. , do. ‘
Lotharkreuz . . . , - 4 Dom zu Aachen Saphire und 6
Aquamarine
Kreuz. ....... A. , Münsterkirche Amethyst . i
zu Essen
Evangeliar....., AK 0, do. Almandine 2
Codex aureus ...| X-XL , Kgl. Bibliothek, (8
München
1) Eine Garantie für die richtige Bezeichnung der Steine kann ich nicht übernehmen.
(^21)
Anzahl der
hunes- Heutiger Einschnitte
Gegenstand Entstehungs ounger Gestein
zeit Standort 112 3 4 5
Byz Buchdeckel . — X-XL Jahrh. Markus-Bibl, i | 2
Venedig
Erphokreuz. .... | X-XI. , Mauritzkirche,
Münster
Buchdeckel .... XL , ‘Emmeran b.
Bamberg
Evang, d. h. Aribert XL Mailand
Baseler Kreuz... XL , Kónigl G.M., Rubin, Saphir,
Berlin Almandine,
Amethyste
Kleines Bas. Kreuz XI. » do. Saphir und
Ultramarin
Ev. q, à Bernulph XL Utrecht, Erzb. Almandine
Museum
» d.h, Bernward XI. , Dom, Hildesheim
Buchdecke] ....: XI-XIL »
Buchdeckel .... XL-XII. , Kgl Bibliothek,
(Niedermünster) München
Rapitelskreus . . XIL „Dom, Osnabrück Almandine :
Prachtkreuz cee XII. Dom, Fritzlar Almandine und 3
Aquamarin |
Reliquiar .... . Xi. . Küniel. G-M, Saphir - 01
Berlin
Herme à. n. Blasius XIL , Kk G-M,Wien do. à
Godehardsarg el. XII. „ Dom,Hildesheim 9
Annoschrein .. . XII. „ Dom, Siegburg Almandine und = | d
Aquamarin
Schrein d. heiligen XIL , Dom zu Cóln Almandine und 1 107
drei Kónige Saphire
x ispinusschrein / Xi. , Dom, Osnabrück Saphir |
Teuzreliquientafel XIII. , Matthiaskirche Bergkrystall | ‘
zu Trier
Kusstafe XV. , Konigl G-M, Almandine
Berlin
Maria-Statuetto .. XV. , Dom, Borghorst Saphire oder
Aquamarine
lu d.h. Anna. XVL , Dom, Minden Almandine
Res etn K. G.-M., Berlin :
or Guia es do. Almandin
liq, in Armform Gereon, Cóln Bergkrystall
81 Gegenstände X.
sind 1) Der Schrein der heiligen drei Könige in Cöln und die Kreuz-Reliquientafel in Trier
det noch mit bedeutend mehr Roggenkorn-Gemmen geschmiickt; es fehlte an Zeit, Ab-
Tücke von allen zu nehmen.
De |
40*
(628)
Der Vorsitzende macht darauf aufmerksam, dass sich kleine gradige Intaglios,
ähnlich angeordnet, wie die „Roggenkörner“, an den von Hrn. Lehmann vor-
gezeigten babylonischen Gewichten dargestellt finden (S. 522-—26).
(16) Hr. Dr. Franz Boas übersendet aus Worcester in Massachusetts ein
grösseres Manuscript über
Sagen aus Britisch-Columbien.
(Fortsetzung von S. 576.)
IV. Sagen der Cowitchin (K-auétcin).
1. Qils.
Vor langer, langer Zeit stieg ein Mann, Namens Qäls, vom Himmel herab. Als
er zur Erde gekommen war, wanderte er durch alle Lünder und besuchte alle
Volker, die Guten belohnend, die Schlechten bestrafend.
1) Einst kam er nahe der Mündung des KCau'étcin-Flusses ans Meer. Dort
wohnte auf dem Hügel bei Cowitchin Wharf ein Mann, Namens Hà'makos. Am
Fusse des Hügels wohnte ein Freund Hà'makos. Als der erstere Qäls heran-
kommen sah, rief er seinen Freund: ,Komme rasch zu mir, ehe Qils kommt und
Dich verwandelt.“ Der Freund beeilte sich, den Hügel hinaufzulaufen; ehe er
aber hinauf gelangte, hatte Qäls ihn erreicht und verwandelte ihn in einen Stein.
2) Qäls ging weiter am Strande entlang. Da sah er eine Frau im Wasser
schwimmen. Ein Mann hatte sich‘ hinter einem Steine versteckt, hinter dem er
hervorlugte und ihr zusah. Er verwandelte beide in Steine.
3) Und er traf einen Mann, welcher Muscheln schärfte, um sie als Spitzen
für seine Pfeile zu gebrauchen. Er fragte: „Was machst Du da?“ Jener antwortete:
„Wenn Qäls kommt, will ich ihn mit diesen Pfeilen erschiessen.“ Er erkannte ihn
nehmlich nicht. Qäls liess sich die Muscheln geben, schlu,,sie jenem in den
Kopf und verwandelte ihn in einen Hirsch, indem er sagte: ,Nun springe davon!
Künftig sollen die Menschen Dich essen!“
4) Qäls ging weiter und kam nach K'umié'ken. Dort traf er einen Mann,
Namens Spál. Dieser war im Begriffe, einen Hirsch abzuziehen, und Qjls sagte
zu ihm: „Sei vorsichtig beim Abziehen des Hirsches. Ich habe ihn getüdtet, mein
Pfeil steckt noch drinnen: Zerbrich ihn mir ja nicht.^ Spál fuhr heftig in die
Höhe und rief: „Was fällt Dir ein. Ich selbst habe den Hirsch getädtet. Mir
gehört er, ich werde damit thun, was ich will, und Du hast Dich nicht darum zu
kümmern!“ Qäls sagte nochmals: „Hüte Dich und zerbrich meinen Pfeil nicht!“
aber Späl kümmerte sich nicht um seine Worte, lud den Hirsch auf den Rücken
und ging nach Hause. Qàls nahm nun vermodertes Holz und warf ein Stück auf
den Rücken und eines auf das Geweih des Hirsches; dann nahm er einen Stein
und zauberte ihn in den Magen des Hirsches. Als Spal nach Hause kam, warf
er seine Last nieder, nahm den Hirschmagen und ging ins Haus. Dori sagte er
zu seiner Frau: „Sieh Dir doch draussen den grossen Hirsch an, den ich erlegt
habe.“ Seinem Kinde warf er den Magen zu, der gerade dessen Leib traf und es
tödtete, denn er war plötzlich Stein geworden. Die Frau aber fand draussen nichts,
als einen Haufen vermodertes Holz. Das hatte Qäls gethan.
Dieser aber traf im Walde einen anderen Mann, der ebenfalls im Begriffe war,
einen Hirsch abzuziehen. Qäls trat zu ihm und sprach: „Sei vorsichtig beim Ab-
ziehen des Hirsches. Ich habe ihn getödtet, mein Pfeil steckt noch drinnen. Zer-
brich ihn mir ja nicht.“ Jener versprach darauf zu achten. Da sagte Qäls: „Lade
den Hirsch auf Deine Schultern und gehe nach Hause. Du wirst mich später noch
(629)
Wiedersehen.“ Jener that, wie ihm geheissen. Und der Hirsch wurde schwerer
"Und schwerer, so dass er ihn schliesslich kaum noch tragen konnte. Als er zu
Hause ankam, rief er seine Frau und bat sie, ihm zu helfen, den Hirsch abzuladen.
Da fanden sie, dass er während des Heimweges ungemein fett geworden war, und
Sie konnten viele Kisten mit dem Hirschfette füllen.
. Als Spàl dies hörte, sandte er seinen Sohn zu seinem glücklichen Nachbar,
ihm einen Fisch zu bringen, denn er hoffte, dass er etwas Fett als Gegengeschenk
erhalten werde. Jener aber nahm den Fisch nicht an. Da ging Späl selbst hin-
über, ihm den Fisch anzubieten, aber er konnte den Nachbar nicht bewegen, den-
Selben anzunehmen. Darüber schümte er sich so, dass er den Fisch fortwarf. Er
8lng wieder auf Jagd aus. Als er einen Hirsch erlegt hatte, trat wieder Qils auf
thn zu und behauptete, sein Pfeil stecke in dem Hirsche. Wieder folgte Spâl nicht
Seinem Verlangen, auf den Pfeil zu achten, und daher verwandelte Qäls auch diesen
Hirsch in vermodertes Holz. Der andere Mann dagegen folgte ihm, und er be-
Schenkte ihn wieder, indem er das Fett des Hirsches sich vermehren liess. Dann
Verwandelte er Späl in einen Raben, den anderen aber in eine Möwe.
5) Und Qäls wanderte weiter. Einst traf er einen Mann, welcher einen blauen
Mantel trug und weit und breit als unverbesserlicher Dieb bekannt war. Diesen
Verwandelte er in den Blauhäher. Einem anderen schlug er zwei Hölzer in den
Kopf und verwandelte ihn in ein Elk; und er schuf den Bären, die Enten und
Viele andere Thiere.
6) Er ging weiter den Cowitehin-Fluss hinauf und kam nach K-ua'mitcan.
Dort lebte. ein mächtiger Häuptling, Namens K^ések. Als Qüls kam, stand jener
YOr seinem Hause. Sie blieben einander gegenüber stehen und versuchten sich
dureh ihre Blicke gegenseitig Zu besiegen. Endlich zeigte sich Qàls als der Stárkere
und K?&sek: stieg in den See Qütsa hinab, wo er noch heute lebt. Er erschuf
die Forellen in Qà'tsa und von dort schwammen sie die Flüsse hinab.
7) Ueberall im Cowitchin-Flusse kann man Qäls Werke sehen: Menschen
"nd Hunde, die er in Stein verwandelt hat, sein Boot — jetzt ein mächtiger Fels-
block im Flusse — und den Pflock, an den er sein Boot zu binden pflegte. Auch
dieser wurde in Stein verwandelt.
8) Und er wanderte weiter. Endlich kam er zu den Ts'á'mes in LEk'ü'men
(bei Victoria. Diese waren beschäftigt, Flundern zu fangen. Sie brachten die
Fische ans Land und spiessten sie auf Stücke, die sie in die Erde steckten. Da
fragte Qals: ,Was macht Ihr denn da mit Euren Fischen?“ „Wir wollen sie von
der Sonne braten lassen,“ antworteten jene. „Versteht Ihr denn nicht, Feuer zu
Machen?“ fragte Qäls. Als sie seine Frage verneinten, lehrte er sie das Reibe-
feuerzeug machen und überzeugie Sich, ob sie es verstanden hatten.
2. Siàlatsa.
Im Anfange war die Erde unbewohnt. Da aber kam Sià'latsa vom Himmel
herab nach Q'tsa (Quamitchan-See) und baute ein Haus daselbst. Am folgenden
Tage stieg Swutlà': vom Himmel herab, dann eine Frau, Namens K-ola'tsiwat.
Am nächsten Tage kam Suk'si'kulak, dann SkuélEm, Swik'em'á'm, Siaiimk'en
Kto'qein, Hé'ukn, qtülà'set, QaiotsE'mkl'En und QuitE'gtEn, jeder an einem Tage
Vom Himmel herab. Sie gingen nach Tsulola und bauten Häuser. Sidllatsa
aber trug einen bemalten Stab, vermittelst dessen er Ungeheuer zu todten ver-
Mochte und Kranke heilte. Sein Gesicht war bunt bemalt mit rother und
Schwarzer Farbe. Zuerst traf er einen S'etlké (doppelkópfige Schlange). Er liess
Seine Leute eine Fichte fällen und zerschlagen. Dann gruben sie ein tiefes Loch,
(630)
in das sie das Holz warfen. Siá'latsa ging nun aus, lockte den S'é'tlke in die Grube
und dort wurde er verbrannt. .
Nun sandte er Swutlà'k: den Fluss hinab. Dieser iraf bei T'aétsella (der Platz,
wo Mr. Lomar's Haus steht) den Sis'é'enkoa, nahm einen Stab aus hartem Holze
und spiesste die Zunge des Ungeheuers daran auf. Trotzdem verfolgte ihn der
Sis'é'enkoa, jedesmal aber, wenn er Swutlà'k: beinahe eingeholt hatte, stach dieser
ihn in die Zunge. So erreichte er sein Haus, vor welchem sich das tiefe Loch
befand. Sts'é'enkoa fiel hinein und wurde ebenfalls verbrannt. Dann ging Swutla’k’
zu dem steilen Felsen in Maple Bay und iódtete einen anderen S'é'tlke, welcher
daselbst lebte.
Einst ging Swutlà'k: nach K-au'ümen bei Sá'menos und sah daselbst viele
Lachse. Er theilte Siàlatsa mit, was er gesehen hatte. Da gingen sie zusammen
nach K-au'ümen und bauten ein Haus. Siá'latsa liess die Leute einen Baum füllen
und das untere Ende desselben brennen und zuspitzen Swutlà/k: stellte dann den
Baum aufrecht an eine Seite des Flusses und stellie einen zweiten ebenso an der
anderen Seite des Flusses auf. Einen dritten Stamm legte er quer über die beiden
ersten und band ihn fest. Hieran befestigte er viele senkrechte Stübe. So machte
er das erste Lachswehr, und die Menschen hatten reichlich Nahrung.
Siàlatsa sah nun viele Hirsche und dachte nach, wie er dieselben fangen
kónne. Er liess seine Leute in den Wald gehen und Cederzweige holen. Dann
befahl er ihnen, dieselben zu erwürmen und Seile daraus zu machen, aus denen
er ein Netz herstelite. Niemand aber wusste, was er damit thun wollte. Als das
Netz fertig war, ging er mit den Leuten in den Wald und liess es zwischen
den Bäumen ausspannen und oben an einem Querbalken befestigen. Dann liess
er die Hirsche gegen das Netz treiben und tädtete sie, wenn sie sich darin ge-
fangen hatten. Als die Leute aber auch Elche hineintrieben, brachen dieselben
durch die Netze, denn sie waren sehr stark. (Nach anderer Version brachen
die Cederseile, als sie trocken wurden.)
Da sann Siä’latsa nach, wie er nun Hirsche fangen könne. Er wusste aber,
dass auf dem Berge Swuq'à's das Ungeheuer Stla'lakam ") wohnte, welches ein
nadelscharfes Horn im Genick trug. Er ging nun mit allen seinen Leuten auf den
Berg. Als diese das Ungeheuer erblickten, liefen sie voll Schrecken von dannen.
Siä’latsa aber sprach: „Was fürchtet Ihr Euch?“ und ging auf das Ungeheuer zu,
indem er sich auf seinen Stab stützte. Da schlief dasselbe ein. Er berührte es
mit dem Stabe und nannte es Wolr'ü's. Dann kraute er es auf dem Kopfe und
Wok'ü's bewegte vor Behagen seine Ohren. Dann liess er zehn Leute ein Seil
aus Cederzweigen machen und legte dasselbe Wok'ü's über den Nacken. Zehn
Leute hielten das Seil und führten ihn herab nach Tsu'kola. Dort fanden
sie viele Hirsche und Elche, Als Wolkü's dieselben witterte, wollte er sich auf
sie losstürzen. Die zehn Leute aber hielten ihn fest, bis Siälatsa ihnen befahl,
das Seil loszulassen. Sogleich stürzte sich Wok"à's auf das Wild und tódtete es,
indem er ihnen das Horn in den Bauch stiess.
Sià'latsa liess nun die Hirsche abziehen und befahl den Leuten, die Rücken-
sehnen zu spalten und mit Steinen weich zu klopfen. Dann liess er Seile. daraus
machen und ein neues Netz flechten. Als die Leute dasselbe aber aufstellen
wollten, zeigte es sich, dass dasselbe zu klein war. (Nach einer anderen Version
brieten und assen die Leute in einer Hungersnoth das Netz.) Dariiber ward
Siàllatsa sehr zornig und legte sich ins Beit. Ein kleiner Knabe, welcher im Dorfe
1) Stlàlak am bedeutet irgend etwas Uebernatürliches.
(631)
Spielte, kam in das Haus und sah ihn zornig im Bette liegen. Da fürchtete er
Sich, lief hinaus und erzählte den Leuten, dass Siä’latsa zornig sei und im Bette
liege. Die Leute versammelten sich alle in einem Hause und sprachen zu ein-
ander: ,Siálatsa zürnt uns und wird Wok"ü's auf uns hetzen, lasst uns lieber aus-
Wandern.“ Qaiotsr/mk'En, otlà/set, He'uleen, Kto'qcin, Qoa'qotein und Susk"eme'n
Wanderten nach Squëlen am Nanaimo-Flusse aus und wurden die Stammväter der
Snanaimug. (Diese Namen stimmen nicht mit denen der Snanaimuq-Geschlechier
überein, wie ich dieselben in Nanaimo selbst erkundete.) Zehn andere gingen
nach Skits und wurden die Stammváter der K'olk'uisala. Wieder zehn gingen
nach S'élak-oat] und wurden die Ahnen der Tsime'nes.
Am nächsten Morgen, als Sid'latsa sich erhob, fand er, dass Niemand mehr
dort war, und er wusste nicht, wohin die Leute gegangen waren. Auch Wokӊ's,
den er Tags zuvor am Hause festgebunden hatte, war verschwunden. Da ging
Sid latsa nach K-auü/men bei S'á'menos und baute sich ein neues Haus.
Zu jener Zeit lebte auch in Sà'ok ein Häuptling, welcher vom Himmel herab-
Sestiegen war. Derselbe hatte eine Tochter. Eines Tages sprach er zu dieser:
„Les nicht zu viel, denn ich glaube, Siälatsa wird kommen und dich zur Frau be-
Sehren, Ich weiss, in seinem Lande giebt es keine Frauen.“ Das Mädchen ge-
horchte: da aber Siä’latsa nicht erschien, ward sie ungeduldig. Sie füllte einen
Korb mit Beeren und Seehundfleisch und ging mit einer Sklavin aus, ihn zu suchen.
Nach langer Wanderung kam sie auf dem Gipfel der Berge an der Südseite des
Cowitchin-Thales an. Von hier aus sah sie in S'à'menos und K'umië'ken Rauch
Auisteisen und sie dachte, dass dort Sia'latsa wohnen müsse. Sie stieg zum Flusse
hinab, und als sie daselbst ein Lachswehr sah, dachte sie, Sia/latsa müsse dasselbe
gemacht haben. Nachts legte sie sich im Walde nieder und schlief. Am: náchsten
Morgen sah sie einen Mann vorüberkommen, der trug einen Fellmantel und Bogen
Und Pfeile, Da dachte sie, jener müsse Siàlatsa sein. Sie schlich ihm un-
bemerkt nach, um zu sehen, WO eT lebe und was er thue. Er ging in sein Haus
Und die Mädchen lugten durch eine Ritze hinein. Da sahen sie, dass er sich
ine Frau aus Holz geschnitzt hatte, und dass er ihr zu essen gab. Als Sidlatsa
"un wieder auf Jagd gegangen War, gingen sie ins Haus, um die Holzfigur zu be-
Sehen, Da fanden sie, dass sie eine Spindel in der Hand hielt und dass Sià'laisa
Ihr Hirschfett vorgesetzt hatte. Sie assen das Fett und versteckten sich. Als
Sid latsa nun zurückkam und fand, dass die Nahrung, welche er der Holzfigur vor-
Séseizt hatte, verschwunden wal, freute er sich, denn er glaubte, sie werde nun
lebendig werden.
Am folgenden Morgen ging er wieder zur Jagd aus, nachdem er seiner Frau
Essen vorgesetzt hatte. Da kamen die Mädchen aus ihrem Verstecke hervor. Die
Häuptlingstochter zerbrach die Figur, warf sie ins Feuer und hing sich ihre Kleider
Um. Die Sklavin aber versteckte sich im Walde. Als Sia'latsa nun zurückkam,
Wär er sehr erfreut, seine Holzfrau lebendig zu finden und legte sich mit ihr zu
Bette, Bald aber erblickte er eine Holzhand im Feuer und wusste nun, dass jene
"Ite Fremde war, die sein Schnitzwerk verbrannt hatte. Er ward so zornig, dass
°F roth im Gesicht wurde, und sagte nur: „Ts, ts, ts, ts“ (inspirirt). Nach einiger
Zeit aber dachte er, es sei doch besser, eine wirkliche Frau zu haben, als eine
Holzfrau, und ward wieder guter Dinge. Am folgenden Morgen rief die Frau die
Sklavin aus dem Walde hervor und sagte: „Fürchte Dich nicht, komme hierher an
Unser Feuer!“ Als Sia'latsa nun die Sklavin sah, wollte er sie auch zur Frau
lehmen, aber die Hauptlingstochter sprach: „Sie ist eine Sklavin und nicht gut
genug für Dich. Gieb sie einem Deiner Leute.“ Siàlatsa war es zufrieden, Er
(632)
rief seine Leute zusammen und fragte: „Wer von Euch will dieses Mädchen zur
Frau haben?“ Sogleich stürzten drei Männer hervor, um sie zu nehmen. Eine!
fasste sie am rechten Arm, einer am linken und der dritte um den Leib. „Halt,“
rief da Siä’latsa, „nur einer von Euch kann sie haben“ und er gab sie demjenigen,
welcher sie um den Leib gefasst hatte.
Sia’latsas Frau gebar ihm bald einen Sohn, dann drei Töchter und dann wieder
einen Sohn. Einst peinigten die drei jüngsten Kinder die älteste Tochter, welche
Tlk'àisis hiess, mit spitzen Stócken, bis sie blutete, und leckten dann das Blut ab.
Das Máüdchen ward nun sehr krank. Da ging Sià'latsa nach K-umié'ken hinunter:
um K'ulé'miliQ und Ckuá'wules zu rufen, damit sie das Gesicht des Müdchens be
malien und sie so heilien. Sie erwiderten auf sein Gesuch: „Wir wollen unseres
Bruders Bitte erfüllen und seiner Tochter Herz stark machen.“ Sie gingen hinauf
nach Siä’latsas Hause und bemalten das Gesicht seiner Tochter. Dann kehrten sie
nach K'umie'ken zurück.
Sie hatten aber das Mädchen zu viel bemalt und ihr Herz wurde zu stark.
So verlor sie den Verstand.
Eines Tages weinte ihr jüngster Bruder und wollte keine Milch trinken. Da
dachte T]kà'sis, ich werde machen, dass er isst. Sie nahm einen Todtenkopf,
öffnete ihn, nahm das Gehirn heraus und gab es dem Knaben, der es gierig ver-
schlang. Und sie machte sich einen Korb mit Tragbündern, legte Schlangen,
Króten und Eidechsen hinein und hing ihn über den Rücken. Unter ihrem Mantel
verbarg sie abscheuliches Ungeziefer (,wie ein Lachs auf Baumrinde lebend“??)
und ging dann in die Häuser, in welchen Kinder weinten. Sie fragte dann jedes
weinende Kind: , Warum weinst Du? Du bist wohl hungrig? Ich will Dir zu essen
geben;“ nahm es und steckte es in den Korb. Da umwanden es die Schlangen.
Sialatsa war der erste, der Müntel und Felle verschenkte. Er liess zwei Männer
auf ein Gerüst treten und die Geschenke unter die eingeladenen Giste vertheilen.
Diesen Gebrauch machte er zum strengen Gesetz und deshalb wird er noch heute
befolgt. Ferner lehrte er seiner Tochter den Wintertanz und befahl ihr, denselben
jedesmal im. Monat Saig'mtk:Els zu tanzen.
Siälatsas Sohn ging einst auf den Berg Qsalà'atsem, um den Donnervogel Sugoà/as
zu besuchen. Als er zu dessen Hause kam, begann es auf Erden zu regnen. Neun
Tage blieb er dort, am zehnten aber kehrte er zurück und erzählte, was er ge-
sehen hatte. Dann schnitzte er den Donnervogel auf den Pfeiler seines Hauses.
Das Auge des Donnervogels glänzt wie Feuer, und wenn er dasselbe ôffnet,
so blitzt es. Einst erblickte SuQo&'as einen Finwal im Meere und wollte denselben
fangen. Zu gleicher Zeit verfolgte ein Boot den Wal. Die Jäger aber sahen, wie
der Donnervogel sich herabstürzte und den Wal von dannen trug. Der Donner-
vogel verfolgte einst den Sts'&'enkoa (einen fabelhaften Vogel siehe S, 630). Der-
selbe stürzte sich auf einen Baum und spaltete denselben von oben bis unten,
um hineinzukriechen. Der Donnervogel aber ergriff ihn und trug ihn fort.
(Nach anderer Version kam nach Siä’latsa Ste'ts’en, dann K-ule'milto und
endlich Ckuá'wules vom Himmel herab und wurden die Stammvüter der K-uámitcan.
Dieselbe Sage über die hölzerne Frau und die Hüuptlingstochter der Sá'ok wird
ber Ste'ts’en erzählt. Der letztere indessen wurde mit Sicherheit als einer der
Stammvüter der Qalaltq angegeben. In K-umié'ken und S'ü'menos wurden mir
die Stammváter folgender Stämme mitgetheilt: Die Qalaliq, welche gegenwürtig
im Tsimé'nes-Thale wohnen, besitzen ein Stück Land zwischen K'ua'/mitean und
S'à'menos. Ihre Stammvüter sollen Sitgoë'metsten und Str‘ts’Een sein. Die
K'umié'ken stammen von K-ulé/miltQ und K-utqá'ise. Die Má'leqatl von Soosti'lten-)
T
(e^?)
3. Die Fluth.
Einst regnete es lange Tage und lange Nächte. Das Meer stieg höher und
höher und bedeckte endlich alle Lande. Als das Wasser sich endlich wieder ver-
lief, blieben die Seen und Flüsse und in ihnen die Fische.
4. Der Donnervogel.
Es war einmal ein Mann in Tsimé&nes, der fing einst sehr viele Enten, indem
°F ein Netz, ausspannte, in welches sie hineinflogen. Er trug dieselben nach Hause
und rupfte sie, um die Leute zu bewirthen. Ein junger Mann, Namens Sqàlek'en,
War aber so ungeduldig, dass er nicht warten konnte, bis er sein Theil bekommen
Würde, sondern die Eingeweide nahm, dieselben reinigte und zu essen begann.
Als dieses sein älterer Bruder sah, ward er zornig und schlug Sqä’lek’en so lange
Wit Cederruthen ins Gesicht, bis das Fleisch sich von den Knochen löste, und der
Junge Mann halb todt war. Dann bestreute er die Wunden mit Holzspähnen.
Als Sqü'lecen wieder erwachte, stand er auf und ging zuerst zur Cowitchin-Bay
Und fing daselbst Enten in einem Netze. Dann ging er auf den Berg Tso'wan,
am Bergziegen zu fangen. Sein Bruder aber war ihm gefolgt. Er zerschlug
Sqi'lek-ens Boot und peitschte ihn nun mit Heidelbeerstriuchern. Dann zündete
® an einem ebenen Plaize zehn grosse Feuer an und peitschte seinen Jüngeren
Bruder mit Zweigen, bis sein Gesicht ganz zerfleischt war und er ihn für todt
liegen liess. Dann kehrte er nach Hause zurück.
Sqü'lek'en lag zehn Tage lang wie todt da. Als er wieder erwachte, fand er,
dass der Donnervogel inzwischen bei ihm gewesen war und ihm seine Augen ge-
8eben hatte. Wenn er um sich blickte, so sprühte es Feuer, Als sein ältester
Brüder nun an demsdlben Tage zurückkam, um sich nach Sqülek'en umzusehen,
blickt er ihn an und das aus seinen Augen hervorflammende Feuer tüdtete jenen.
prier muss jeder sterben, den Sqülek'en mit seinen feuersprühenden Augen an-
lick,
5. Die Knaben und der Wal.
. Es waren einmal zwei Knaben, die hiessen Trtk"é&k'En und Tetk-aid’cen.
Hines Tages fuhren dieselben in ihrem Boote aus. Als sie nicht weit gefahren
Waren, erplickten sie einen Walfisch, welcher auf und nieder tauchte. Da fingen
Se an, denselben mit Schmähreden zu überhäufen. Der Walfisch kam daraufhin
Sanz nahe zu ihnen herangeschwommen, aber sie liessen sich nicht stôren. Dreimal
soucie er auf, jedesmal näher beim Boote. Da die Knaben aber gar nicht auf-
Orten zu schmähen, verschlang er beim vierten Male Boot und Knaben und schwamm
Lo dannen. Er sprach dann zu ihnen: „Ihr könnt von meinem Fleisch essen, aber
a Euch, meinen Magen zu verletzen, denn sonst muss ich sterben.^ Die Knaben
2 Pr fürchteten, der Wal mächte sie so weit ins Meer hinaustragen, dass sie nie
p, lekkehren könnten. Deshalb schärften sie ihr Steinmesser und der ültere
: der sprach zum jüngeren: „Nun hebe mich, damit ich den Magen des Wales
D Schneiden kann.“ Der jüngere Bruder gehorchte, und jener todtete den Wal.
à Nd trieb nun auf den Wellen umher. Da dachten die Brüder: „O strandete doch
die Wal!“ und siehe, er trieb an die Mündung des Cowitchin-Flusses. Da fingen
soppy ben an, drinnen zu schreien, damit die Leute auf sie aufmerksam werden
Schl Zuerst bemerkte sie Niemand. Bald aber hörten sie in der Nähe Axt-
nu “ge und es lautete, als wenn Jemand daselbst ein Boot baue. Sie schrieen
N wieder, so laut sie konnten. Da hörte der Mann sie und ging ins Dorf. Er
060,
(634)
erzählte, er habe zwei Stimmen gehört, wisse aber nicht, woher sie kämen. Da
gingen alle Leute mit ihm zum Strande und sie hörten nun zwei Stimmen singen:
„O, wir sitzen im Walfische. Kommt und befreit uns. Es ist hier so heiss, das$
wir fast verbrannt sind.“ Die Leute gingen weiter und entdeckten bald den Wal-
fisch. Der Vater der Knaben war mit unter den Leuten. Er erkannte die Stimme?
seiner Söhne und rief: ,O seid Ihr dort, meine Söhne? »Ja," riefen jene, ,befreie
uns, wir müssen hier drinnen verbrennen.* Da nahmen die Leute ihre Steinmesser,
öffneten den Wal und die Knaben kamen heraus. Es war aber so heiss im Wal-
fischmagen gewesen, dass sie alle Haare verloren hatten.
6. Der verlassene Knabe.
Es war einmal ein Knabe, der sprach zu seinem Vater: „Ich will auf den
Berg gehen und in dem Teiche dort baden.“ Darüber freute sich sein Vater
Neun Tage lang blieb der Knabe droben. Die Leute aber sahen, dass Rauch auf
dem Berge aufstieg, und sprachen zu dem Vater: »Siehst Du den Rauch dort auf-
steigen, wo Dein Sohn badet?“ Am zehnten Tage kam der Sohn zurück. Er tra
ins Haus und setzte sich ans Feuer. Da hörten die Leute, dass es in seinem
Leibe kollerte und lürmte. Nach kurzer Zeit ging der Knabe abermals auf den
Berg, um zu baden. Da die Leute wieder den Rauch gewahrten, schlich sein
Vater ihm nach und sah nun, dass jener, stat zu baden, ein grosses Feuer ge-
macht hatte, Farnwurzeln briet und dieselben ass. Dabei krochen aus seinem
After Schlangen. Der Vater kehrte zurück und sprach zu den Leuten: „Ich habe
gesehen, was mein Sohn auf dem Berge treibt. Er badet nicht, sondern isst Farn-
wurzeln, und Schlangen kriechen aus seinem After. Lasst uns fortziehen von hier
und ihn allein lassen. Alle waren einverstanden, nur nicht der jüngste Onkel des
Knaben. Als dieser am zehnten Tage zurückkam, hörten die Leute wieder den
Lärm in seinem Bauch und sprachen zu einander: „Hört! Das sind die Schlangen.“
Als er nun wieder auf den Berg ging, schlich sein Onkel ihm nach, und als auch
er sah, dass jener Farnwurzeln ass und Schlangen aus seinem After krochen;
kehrte er zurück und sprach: „Lasst uns den Knaben verlassen. Ich sehe jetzt,
dass er böse Dinge treibt.“ Die Boote wurden beladen und als alles bereit war
abzufahren, wurden die Feuer ausgelóscht. Nur die Grossmutter des Knaben fühlte
Mitleid mit ihm. Sie verbarg ein wenig Nahrung und glühende Kohlen in einer
Muschelschale, legte dieselbe in eine Ecke des Hauses und sprach zu einem
Hunde: „Bleibe Du hier, und sage meinem Enkel, wenn er zurückkehrt, dass ich
die Muschel dort in der Ecke verborgen habe.“ Dann stieg auch sie in das Boot
und fuhr mit den übrigen Leuten fort.
Am zehnten Tage aber kam der junge Mann zurück. Da er das Dorf ver-
lassen fand, setzte er sich nieder und weinte. Der Hund kam zu ihm gekrochen,
stiess ihn an und lief dann in eine Ecke des Hauses. Er kam dann zurück und
ruhte nicht, bis der junge Mann auf sein Gebahren aufmerksam wurde. Er folgte
ihm und fand nun die Muschel, in der die glühenden Kohlen und die Nahrung
verborgen waren. Er machte sich nun ein Feuer und dachte darüber nach, wer
wohl Mitleid mit ihm gehabt habe. Endlich schlief er ein. Da träumte er, er
sähe einen Mann, der ihm zurief: „Stehe auf und reinige Dich!“ Er erwachte
und gehorchte. Während er nun sich wusch, kam ein Mann und strich mit der
Hand über des Hundes Rücken. Da wurde derselbe in eine Frau verwandelt mit
schönem, schwarzem Haar. Als der junge Mann gebadet hatte, war er selbst sehr
schön geworden und hatte langes, rothes Haar. Er nahm nun den verwandelten
Hund zur Frau.
(635)
Als er nun schlief, erschien wieder jener Mann im Traume und sprach: „Deine
Landsleute haben Dich verlassen, deshalb habe ich Dich schön gemacht und Dir
eme Frau gegeben. Willst Du, dass ich Dir Nahrung gebe und Dich ganz glück-
lich mache?“ Jener erwiederte: „Mein Vater hat mich verlassen, nun mache Du
Mich glücklich.“ Der Mann versetzte: „Sei vergnügt! wenn Du auch jetzt nichts
hast. Ich werde Dir Alles geben, was Du bedarfst, Nahrung und gutes Wetter.
Gehe ans Wasser, dort wo Du gebadet hast; nimm den Cederbast, mit welchem
Du Dich immer wäschst, und schlage damit ins Wasser. Dann werden viele
Häringe herbeikommen. Und fürchte Dich nicht, sondern wirf sie alle ans Land
Wnd nimm gie für Dich. Ich gebe sie Dir.“ Es geschah also und der junge Mann
litt nop keine Noth mehr.
Als or wieder schlief, erschien ihm wieder der Fremdling im Traume und
Sprach: »Wisse, Deine Grossmutter hatte Mitleid mit Dir; sie hat Dir Feuer und
Speise gegeben.“ Als der Jüngling erwachte, rief er den Raben herbei und befahl
Ihm, Háringe zu fressen. Der Rabe gehorchte. Als er sich ganz voll gefressen
hatte, befahl der junge Mann ihm sich zu schütteln, so dass er noch etwas mehr
fressen konnte. Dann sprach er: „Nun fliege zu meinen Verwandten. Wenn Du
dort eine alte Frau findest, die beständig weint, so wisse, es ist meine Gross-
Mutter. Ihr sollst Du die Fische zuwerfen. Wenn Dir die Last zu schwer wird,
vo fliege recht hoch, da wirst Du sie tragen können.“ Der Rabe that, wie ihm
Seheissen war. Als er müde ward, stieg er sehr hoch in die Luft und da konnte
© ohne Beschwerde die Last tragen. Er kam zu dem Dorfe und fand bald die
alte Frau. Er rief: ,Mrlä', mElà'ó wa sókukulé, mzlà'ó!^ und liess die Fische
fallen, Da hörte die Alte auf zu weinen, Sie nahm die Fische und verbarg sie
bis zur Dunkelheit, denn sie wollte vermeiden, dass ihr Sohn sie sähe. Dann
Sing sie ins Haus, steckte die Fische auf Stöcke und wollte sie braten. Sie
Steckte sie aber nicht nahe ans Feuer, da sie fürchtete, ihr Sohn möchte sie sehen.
Der Rabe flog zurück und wurde von dem jungen Manne nochmals mit Fischen
beladen zu der Alten gesandt. Dieses Mal aber bemerkte ihr Sohn die Fische und
fragte: »Woher hast Du die Fische?^ Sie musste nun erzáhlen, dass der Rabe
Vie gebracht habe. Sie fügte hinzu: „Ich glaube, sie kommen von Deinem Sohn,
den Wir einst verlassen haben.“ Der Vater ward zornig und sprach: » Weisst Du
Nicht, wie schlecht mein Sohn war? Er ist gewiss längst todt!$ Als der Rabe
aber zum dritten Male kam, erzählte er der Alten, dass ihr Enkel ihn gesandt
habe, Die Alte sprach zu ihrem Sohne: „Siehst Du, ich hatte Recht. Dein Sohn
Sandie mir die Fische.“ Da rief jener alle Leute zusammen, schenkte ihnen die
Haring, und sprach: „Mein Sohn ist jetzt reich, er hat uns die Häringe gesandt.
äSst uns zurückkehren zu unserer alten Heimath.“
Die Leute beluden ihre Boote und am folgenden Morgen fuhren alle von
dannen, Als sie sich ihrer Heimath näherten, sahen sie einen schônen Mann und
Dr Frau am Ufer stehen. Der Häuptling sprach: ,Das ist nicht mein Sohn.
Loe Mann hat ja rothe Haare.“ Sein Jüngster Bruder aber erwiderte: ,O, sage
Gh nieht, Wer weiss, wer ihn schon gemacht und ihm die Frau gegeben hat?“
" landeten und. trugen ihre Sachen in die Häuser. An jedem Morgen ging nun
us Junge Mann ans Wasser und schlug mit dem Bündel Cederbast hinein. Dann
nigh M Häringe geschwommen. Er Sprach n den bouton: HE
ly y on ern helft mir die Fische ans Lana holen. ann nehm
edürfet.
p Eines Nachís erschien ihm wieder der Fremdling im Traume. Derselbe fragte:
»Freuest Du Dich, dass Deine Landsleute zurückgekehrt sind, die Dich einst ver-
(636)
lassen haben, oder willst Du Dich rächen?“ Jener erwiderte: ,Ich zürne ihnel
aber ich bin nur einer und meiner Feinde sind viele.“ Da erwiderte der Fremde:
Rufe morgen einen Wal herbei dann wird derselbe kommen und alle Hüring*
fressen. Du sollst dann Gelegenheit haben, Dich zu rächen.“ Und er schürfte de?
jungen Manne ein, was er thun solle. Als dieser den Wal gerufen und derselbe
die Hiringe gefressen hatte, wollten die Leute ausfahren, den Walfisch zu fangel
Der junge Mann aber sprach: ,Lasst das nur. Ich werde ihn rufen, und er wird
von selbst ans Land kommen.“ Es geschah also. Dann rief er alle Leute herbe
den Walfisch zu zerlegen, und liess diejenigen, welche gut gegen ihn gewese?
waren, auf eine Seite ireten, die übrigen aber auf die andere. Als sie nun ap”
fangen wollten, den Wal zu zerlegen, rief er ihm zu: ,Nun rüche mich!^ D?
schlug jener mit dem Schwanze um sich und todiete alle, die bose gegen de?
Knaben gewesen waren.
7. Sqo&'te. (Galiano Isl.)
Sqoé'té war vor langer, langer Zeit ein aufrecht stehender Baum, dessen Gipfe!
bis zum Himmel hinan reichte. An ihm stiegen die Menschen vom Himmel herab
und Hirsche mit weissem Rücken und schwarzen Beinen, deren Geweihe vorwürt?
gekrümmt waren und die Seiten des Gesichtes bedeckten. Als die Menschen zU'
Erde gelangt waren, dáchten sie nach, wie sie den Baum umwerfen könnten. Da
riefen zwei Männer die Ratten(?) herbei und befahlen diesen, den Baum zu durch"
nagen. Als diese 20 Tage lang genagt hatten, waren sie fast bis in die Mitte des
Baumes gelangt. Da hiessen die beiden Münner sie an der entgegengesetzte?
Seite beginnen, und auch hier nagten die Ratten ein tiefes Loch. Wihrend
sie nagten, sangen die Leute, um sie bei gutem Muthe zu erhalten. Nun freute?
sich die Leute, dass der Baum bald fallen werde, und sangen: „O möchte er um”
fallen und nicht zerbrechen. Viele Hirsche werden dann auf dem Stamme wohnen,
und wir werden unsere Häuser darauf bauen.“ Als die Ratten ihr Werk vollendet
hatten, liefen sie aus dem Baume heraus und derselbe fiel um. Die Spitze aber
brach ab und bildete die Insel A’wik’sen. Auf den Inseln lebten dann viele Hirsche-
(Der Erzähler, ein alter Mann in S'á'menos, behauptet, einst einen solchen Hirsch
gesehen zu haben. Er habe aber nicht gewagt, denselben zu schiessen.)
V. Sagen der SnanaimuQ.
1. Die Entstehung des Feuers.
Vor langer Zeit hatten die Menschen kein Feuer. K-:ak'&'iq, der Mink, wollte
dasselbe holen und führ deshalb mit seiner Grossmuiter zu dem Häuptlinge, der
das Feuer bewahrte. Sie landeten unbemerkt, und Nachts schlich Mink sich
zum Hause, als der Häuptling und seine Frau schliefen. Der Vogel Tr'gya aber
wiegte das Kind. Mink öffnete die Thür ein wenig. Als Tr'gya das Geräusch
hörte, rief er: ,Pq! pq!“ um den Häuptling zu wecken. Mink aber flüsterte:
„Schlafe, schlafe!“ Da schlief der Vogel ein. Mink trat nun ins Haus und stahl
das Kind des Häuptlings aus der Wiege. Dann ging er rasch in sein Boot, in
dem die Grossmutter wartete und sie fuhren nach Hause. Jedesmal, wenn sie an
einem Dorfe vorüber kamen, musste die Grossmutter das Kind kneifen, so das$
es schrie. Endlich gelangten sie nach Tlàltq (Gabriola Island, gegenüber Nanaimo);
wo Mink ein grosses Haus hatte, in dem er und seine Grossmutter allein wohnten-
Morgens vermisste der Häuptling sein Kind und ward sehr traurig. Er fuhr
in seinem Boote aus, es zu suchen, und als er an ein Dorf kam, fragte er: , Hab!
(627)
or nicht mein Kind gesehen? Jemand hai es mir geraubt.“ Die Leute ant-
Bo NE „Heute Nacht fuhr Mink hier vorüber, und ein Kind schrie in seinem.
kr In jedem Dorfe fragte der Häuptling, und überall erhielt er dieselbe Aus-
sich L So kam er endlich nach Tlaltq. Mink hatte ibn erwartet und setzte
das "a er ihn von weiten kommen sah, einen seiner vielen Hüte auf, trat vor
lief aus und tanzie, wührend seine Grossmutter Takt schlug und sang. Dann
and er ins Haus zurück, setzte sich einen zweiten Hut auf und trat aus einer
"van Thür in veränderter Gestalt. Endlich trat er als Mink aus der mittelsten
Mir und trug das Kind des Häuptlings auf dem Arme. Dieser wagte nicht
ink anzugreifen, weil er glaubte, viele Leute wohnten in dem Hause, und sprach:
deb mir mein Kind zurück, ich will Dir auch viele Kupferplatten geben.“ Die
Po mutter rief Mink zu: ,Nimm es nicht.“ Als endlich der Häuptling ihm den
i bohrer anbot, nahm Mink ihn auf den Rath seiner Grossmutter. Der Háupt-
e E nahm sein Kind und fuhr zurück. Mink aber machte ein grosses Feuer. So
lelien die Menschen das Feuer.
Mi à) Im Anfange besassen die Geister (Verstorbener) das Feuer. K-i'iq, der
m | Zog aus, die Geister zu bekriegen und ihnen das Feuer zu rauben. Als er
seh die Häuser der Geister kam, hörte er ein Kind im Hause des Häuptlings
de reien. Es hing in seiner Wiege an einem Aste. Er stahl es und trug es nach
Hs Hause seiner Grossmutter. Als die Geister merkten, dass das Kind ihres
Kan ings gestohlen war, verfolgten sie die Flüchtigen. Sie erreichten das Haus
bes und sahen ihn vor der Thüre tanzen. Er hatte sein Haupt mit Federn
" reat. Da fürchteten sich die Geister und wagten nicht ihn anzugreifen. Sie
Kid en: „Lass uns einen Tausch machen! Was willst Du als Entgelt für das
Die haben?“ Kiq's Grossmutier antwortete: „Nichts will mein Enkel haben.“
Geister fuhren fort: , Wir haben keine Kleidung. Man hüllte uns nur in
hoy cote Decken, als wir starben. Willst Du die haben? Willst Du keine Felle
era Man gab sie uns, als wır starben.“ ,Nein,“ versetzte K'äiq. „Nur
uns felle gab man uns und gegerbte Hirschfelle, nur den Feuerbohrer gab man
und „Gut,“ rief nun K-ä'iq, „den will ich." Sie gaben ihm den Feuerbohrer
er gab ihnen das Kind zurück.
9. Die Entstehung des Tageslichtes.
" Vor langer Zeit gab es kein Tageslicht, denn die Mówe bewahrte es in einer
deg Kiste, die sie eifersüchtig bewachte, Ihr Vetter, der Rabe, wünschte in-
tin das Tageslicht zu bekommen. Eines Tages, als er mi der Mówe spazieren
Se 5 sache er: „O, wenn doch die Möwe einen Dorn in ihren Fuss treten wollte!“
dd er dies gedacht hatte, schrie die Möwe vor Schmerz, da sie auf einen
Ich fen Dorn geireten hatte. Der Rabe sprach: „Lass mich Deinen Fuss sehen!
ich ln den Dorn herausziehen.“ Da es dunkel war, konnte er aber den Dorn
das Landen, und er bat deshalb die Möwe, den Kistendeckel aufzumachen und
ein icht herauszulassen. Die Möwe Offnete die Kiste ein klein wenig, so dass
nog, acher Strahl herauskam. Der Rabe stellte sich, als kónne er den Dorn
den cht finden, und statt ihn herauszuziehen, stiess er ihn tiefer und tiefer in
Mei uss, indem er sagte: ,lch muss mehr Licht haben. Die Mowe schrie:
begun Fuss, mein Fuss!“ und öffnete endlich die Kiste. So wurde das Tageslicht
léit und seitdem giebt es Tag und Nacht.
. 3. Der Mann und der Wal.
und a Harpunier ging jeden Tag auf den Seehundsfang. Er fing viele Seehunde
ehrte nach Hause zurück. Dann lud er alle seine Freunde zu einem Mahle
»)
(688)
ein. Als sie ihr Mahl verzehrt hatten, ging seine Frau zum Ufer hinunter, um
die Schüsseln zu waschen und die Reste fortzuwerfen. Sie band ihren Mantel
um und ging dann einige Schritte ins Wasser, um ein Seehundsfell zu waschen-
Da erschien plótzlich ein Finwal, nahm sie auf seinem Rücken und schwam”
fort. Ihr Mann hórte sie um Hülfe rufen; als er aber an den Strand kam und
endlich sein Boot ins Wasser geschoben hatte, war der Wal fast ausser Sicht
Er rief seine Freunde zusammen und sie verfolgten ihn. Bald aber sahen sie
den Wal tauchen und die Frau auf den Meeresboden hinabnehmen. Als sie ZU
dem Platze gelangten, wo jener getaucht war, band der Mann sich ein Seil au$
Hirschfell um den Leib und sprach zu seinen Freunden: ,Bleibt Ihr hier und
haltet das Seil. Ich werde auf den Meeresboden hinabgehen und meine Frau
wiederholen. Zieht das Seil nicht ein, bis ich wiederkomme.* Dann sprang ef
ins Wasser. Als er auf dem Boden des Meeres ankam, fand er einen Pfad, dem
er folgte. Nach einiger Zeit traf er eine Anzahl alter Frauen. Eine derselben
vertheilte Nahrung, die sie in einem Kessel gekocht hatten. Der Mann sah, dass
sie blind waren, und nahm der Frau die vollen Schüsseln aus der Hand. Sie
glaubte nun, dass alle ihre Genossinnen ihre Schüsseln erhalten hátten, und fragte:
„Habt Ihr alle Euer Essen bekommen?“ Sie erwiderten: ,Nein, wir haben gar
nichts bekommen.“ Dann witterten sie den Fremden und riefen: „O, lass Dich
sehen, Fremder!“ Er fragte: „Sagt mir, Grossmutter, hat nicht jemand hier eine
Frau vorbeigetragen?“ „Ja,“ antworteten sie, „sie sind zum Hause des Finwals
gegangen.“ Als Dank öffnete er ihre Augen. Da sprachen sie: „Nimm Dich vor
dem Kranich in Acht.“ „O, ich fürchte ihn nicht,“ versetzte er; „ich habe meinen
Fischspeer.“
Er ging weiter und traf den Kranich, der dicht am Feuer sass und seinen
Rücken wärmte. Der Häuptling stiess ihn mit dem Fusse und der Kranich fiel
ins Feuer und verbrannte seinen Rücken. Er schrie vor Schmerz. Der Mann
sprach: ,Sage mir, Kranich, trug nicht jemand meine Frau hier vorbei?“ „Ja, sie
sind in das Haus des Finwales gegangen,“ antwortete der Kranich. Da heilte
der Fremde seinen Rücken und gab ihm seinen Fischspeer. Der Kranich warnte
ihn vor dem Sklaven.
Der Mann ging weiter und gelangte zu der Stelle, wo der Sklave des Finwals
Holz für seinen Herrn spaltete. Er kroch unter den Stamm und brach die Spitze
des Keils ab. Als der Sklave das sah, fing er an zu weinen und rief: »0, es
wird dunkel und ich bin mit meiner Arbeit ‚nicht fertig. Gewiss wird mein Herr
mich schlagen.“ Da kam der Mann hervor und der Sklave fragte: „Wie heisst
Du, Häuptling? Woher kommst Du?“ „Ich suche meine Frau.“ „Ich schlage
hier Holz für meinen Herrn, der sie kochen und essen will. O, erbarme Dich
meiner und mache meinen Keil wieder ganz, sonst wird mein Herr mich todt
schlagen.“ Der Mann erfüllte seine Bitte und der Sklave sagte: „Ich will Dir
helfen, Deine Frau wiederzubekommen. Warte, bis er mich aussendet, Wasser
zu holen. Wenn ich zurückkomme, werde ich thun, als stolpere ich und das
Wasser ins Feuer giessen. Dann springe auf die Frau los und enifliehel* Der
Mann folgte dem Rathe des Sklaven. Der letztere goss Wasser ins Feuer, und
dann entfloh der Mann mit seiner Frau. Als der Wal gewahr wurde, dass sie
entflohen waren, befahl er dem Kranich, sie zu tödten. Derselbe stiess aber ab-
sichtlich an ihnen vorbei. Der Mann kam glücklich mit seiner Frau an dem Seile
an. Er schüttelte daran und seine Freunde zogen ihn in die Höhe. Dann kehrten
sie so rasch wie möglich nach Hause zurück. Der Wal verfolgte sie vergeblich.
Sie hatten einen langen Vorsprung. und erreichten glücklich ihre Heimath.
> ^
+
een.
VI. Sagen der Sk'qômic.
1. Qàis.
he; Qà'is, die Sonne, erschuf die Erde, das Meer, Menschen und Fische. Er
M auch Qà'aqa oder Slaälekam 3. Im Laufe der Zeit wurden die Menschen
echt und folgten nicht mehr den Geboten Qà'is. Da stieg dieser zur Erde
pub und verwandelte alle, die schlecht oder thóricht waren, ih Steine und Thiere.
E Mann hatte gehört, dass er kommen würde, und beschloss ihn zu todten.
i. Schürfte seine Muschelmesser auf einem Schleifsteine. Als Qà'is herankam und
ke sah, fragte er, was er thue. Jener antwortete: ,Ich will Qa'is tódten, wenn er
p. mt^ „Das ist gut,“ versetzte jener. „Lass mich doch Deine Messer sehen.“
i gab sie ihm und dann schlug Qà'is sie ihm in die Stirn und verwandelte ihn
wp Den Hirsch. Der Vogel Sk'kcak: war ein Krankenbeschwôrer. Als Qàs ihn
: klaischte er nur in die Hände und verwandelte ihn so in einen Vogel.
ei Nach einiger Zeit wurden die Menschen abermals schlecht. Da machte Qàs
— furehtbares Feuer, das die ganze Erde verbrannte. Nur zwei Männer und
Wei Frauen entkamen dem Feuer, und von ihnen stammt ein neues Geschlecht ab.
Die Menschen wurden zum dritten Male schlecht. Da machte Qà's eine
ipse Fluth. Es fing an zu regnen und es regnete ohne Aufhüren. Nur ein
mi wusste, dass das Wasser alle Lande bedecken würde. Er band sein Boot
ny einem Seile an den Berg Ntck'ai (am Squamish River) und fand so nach der
uth seine Heimath wieder. Er sprach zu seinen Kindern: „Nun seid ja immer
80i, sonst wird Qàis gewiss uns Alle zerstören.“
Sch Später sandte Qà'is den Menschen die Blattern und einen Winter mit tiefem
Nee zur Strafe ihrer Schlechtigkeit. (Erzählt vom Häuptling Joseph.)
2. Der Rabe.
h Der Rabe hatte einen Bruder, den Seehund. Er hatte zwei Kinder, der See-
d hatte eine Tochter. Einst ging der Rabe zum Seehunde und traf ihn gerade
s. Feuer sitzend. Er hielt die Hände in die Höhe und Fett tropfte daraus in
wi Schüssel herab. Als die Schüssel voll war, setzte er sie dem Raben vor
ad gab ihm getrockneten Lachs. Als nun der Rabe satt war, sprach er zum
n ande: ,Lass Deine Tochter mit nach meinem Hause gehen, meine Kinder
y, ten mit ihr spielen.^ Der Seehund willigie ein, und sie gingen. Unterwegs
8 Men sie an einem , Crabapple“- Baume vorüber. Da sagte der Rabe zu dem
Schundsmädchen: „Klettere doch eben den Baum hinauf. und pflücke mir ein
par Aepfel! Sie sind sehr gut.“ Der Seehund sagte, er könne nicht klettern.
nick Rabe versetzte aber: „Versuche es nur. Ich halte den Stamm fest, damit er
t schwankt.“ Da versuchte der Seehund hinaufzuklettern. Obwohl er sich sehr
wie Chickt benahm, kam er glücklich hinauf und pflückte einige Aepfel. Als er
Ba er herunterkommen wollte, rief der Rabe: „Da ganz oben im Wipfel des
his es sind. so schöne Aepfel. Pflücke sie doch!“ Der Seehund kroch wirklich
U und da schüttelte der Rabe den Baum, bis das arme Mädchen herunter-
nang Es verletzte sich so, dass es todt liegen blieb. Da trug der Rabe den Leich-
Seek nach Hause und frass ihn. Nach einigen Tagen kam sein Bruder, der alte
mit und, um sich nach seiner Tochter zu erkundigen. Der Rabe sagte: „Sie ist
Meinen Kindern im Walde und spielt.“ Nach einigen Tagen kam der See-
1) Siehe Anm. S. 630.
oóv)
(640)
hund wieder, um sich zu erkundigen. Der Rabe sprach: ,Sei doch nicht üngst
lich! Deine Tochter spielt so gerne mit meinen Kindern!“ Endlich aber erfuhr
der Seehund doch, dass der Rabe das Mädchen getödtet und verzehrt hatte. D%
ward er sehr betrübt und weinte. (Erzählt von einem jungen Manne, Namens Jack-)
3. K-a'lk-alo-itl.
K-alkalo-il war eine grosse, böse Frau, die im Walde wohnte und einen
Korb auf dem Rücken trug. KEinstmals schwammen viele Knaben im Meere-
Dann trockneten sie sich am Ufer in der Sonne und schliefen dabei ein. Da kam
K'alkalo-itll einher und steckte sie alle in ihren Korb. Unter den Knaben war
einer, der hiess T'étl'éisten (= der immer Schneidende). T’&tk-&isten hatte ein
Messer in der Hand. K-a'lk-alo-itl hatte ihn zu allererst gefangen und daher lag
er zu unterst. Er schnitt den Boden aus dem Korbe und warf einen Knaben
nach dem anderen hinaus, bis nur wenige mehr drinnen blieben. K-alk'alo-itl
hörte sie fallen, glaubte aber, Aeste knackten unter ihren Füssen. Sie gelangte
endlich nach Hause und sah nun, dass fast alle die Knaben entflohen waren. Da
ward sie sehr zornig. Sie nahm etwas Harz und verschmierte die Augen der
Knaben. Auf T'étlcé&istens Rath kniffen sie die Augen fest zu, während jene das
Harz hineinschmierte. Sie machte nun ein grosses Feuer und legte Steine hinein,
mit denen sie die Knaben kochen wollte. Als das Harz in den Augen nun warm
wurde, schmolz es, und sie konnten wieder sehen. K'a'lk'alo-itl aber merkte e$
nicht. 'T'etk'ehstgn bat sie dann, ihnen etwas vorzutanzen. Sie willfahrte seinem
Wunsche. Die Knaben schlugen Takt, und als sie nun mitten im Tanzen wal
stiess "T'etk'é&'isten sie in die Flammen und hielt sie mit einem Stocke fest, bis sie
verbrannt war. Dann gingen die Knaben nach Hause zurück.
4. Die Frau und die Fische.
Eine Frau mit schöner, weisser Haut badete Morgens immer im Flusse und
wärmte sich nachher am Feuer. Eines Tages, als sie wieder badete, kamen viele
Fische geschwommen, saugien sich an ihr fest und liessen sie kaum aus dem
Wasser, Und jedesmal geschah es also. So fing sie zahllose Fische ohne Mühe
und trug sie heim, um sie zu kochen. Darüber waren alle Leute froh, denn sie
beschenkte sie reichlich. Wenn 'sie im Boote war, kamen die Fische herbei-
geschwommen und sie brauchte nur mit dem Speere zuzusiechen, so fing sie
zehn Fische auf einmal. Endlich aber drüngten sich solche Schwürme von Fischen
unter ihr Boot, dass sie fürchtete, dasselbe werde umschlagen. Deshalb kehrte
sie nach Hause zurück. Als sie nun wieder baden ging, rieb sie sich vorher mif
einem Zaubermiitel ein, um zu vermeiden, dass die Fische sich an ihr festsaugten:
aber es war vergeblich Auch ihr Boot bestrich sie mit einem Zaubermittel-
Trotzdem saugten so viele Fische sich daran fest, dass sie es fast heruntergezogen
hätten. Als sie nun nach Hause kam, sprach sie: „Ich fürchte, die Fische werden
mich noch ertrinken. Wenn sie sich wieder an mich festsaugen, werde ich auf
sie uriniren, dann werden sie mich gewiss lassen.“ Als sie nun wieder badete,
kamen die Fische und wollten sie hinabziehen. Da liess sie ihr Wasser und nun
liessen die Fische sie los. Sie kam wieder zur Oberfläche und ging nach Hause,
sich zu wärmen. Am folgenden Morgen bestrich sie ihren Körper mit kräftigen
Zaubermitteln, um die Fische fern zu halten. Als sie aber aus dem Hause
trat, um ihr Bad zu nehmen, stieg ein Feuer von der Sonne zur Erde herab und
tödtete sie,
(641)
5. Sé'nótlk'é und Nuk”ô'mak'En.
. Ein alter Mann und seine Frau sassen am Feuer in ihrem Hause, während
Ihr Sohn Nuk'o'mak:En mit seiner Frau im Bette lag und schlief. Plötzlich hörte
Man draussen einen furchtbaren Lürm und eine Stimme schrie: „Uh!“ Da fürch-
teten sich die Alten, aber Nuk’6'mak'En wachte nicht auf. Der Lürm kam. näher
Und näher, man hörte die Bäume stürzen, und nun wussten die Alten, dass die
doppelkäpfige Schlange!) Sé'notlk'é sich nahte. Die Aeltern versuchten ihren Sohn
ZU wecken. Er aber rührte sich nicht. Die Mutter schlug ihn mit einem Scheite,
© rührte sich nicht. Endlich goss sie ein Nachtgeschirr über ihn aus. Da
""Waehte er und hórte den Sé/notllee. Er sprach zu seiner Frau: „Ich will gehen
"nd das Ungeheuer tódten. "Vier Jahre lang werde ich ausbleiben. Weine nicht,
SOnderm warto auf mich, ich werde zurückkehren.*
8 Mit Tagesgrauen brach er auf. Er nahm sein Feuerzeug und ein grosses
teinmesser mit. Bald fand er die Spur der Schlange und folgte ihr. Als er eine
S°'aume Weile gegangen war, erblickte er das Ungeheuer. Aber er fürchtete,
or „Werde nicht stark genug sein, es zu bestehen. Deshalb badete er in einem
Teiche und ward nun so rein, dass die Schlange ihn nicht wittern konnte, Er
folgte ihr wieder und erblickte, wie ein gewaltiger Baum, über den sie hinweg-
roh, unter ihrer Last brach, wie umgefallene Büume unter ihr zersplitterten,
Und wie sie mit ihrem Leibe die Erde tief aufwühlte. Und er fand ihre ab-
Sestreiften Schuppen an vielen Stellen der Spur. Unterwegs sah er viele Hirsche,
Welche der Sénotlk'é getodtet hatte, aber er ass nicht davon.
T Abends zündete er sich ein Feuer an und badete wiederum. Am folgenden
age folgte er der Spur weiter. Da sah er viele Bergziegen, welche die Schlange
Selüdlet hatte, — Aber er ass nicht von ihren Fleische. Zehn Tage lang folgte er
or Spur, ohne Nahrung zu sich zu nehmen. In jedem Teiche, an dem er vorüber
bab badete er. Dann machte er sich zwei Mintel aus weichgeklopftem Ceder-
ast, Er legte dieselben an und folgte wieder der Schlange. Endlich kam er an
Men See. Er sah die Schlange darin schwimmen. Ihre beiden Köpfe waren
Wirt gerichtet, und wenn sie sich bewegte, kreuzten dieselben einander. Da
y, "htt er sich und beschloss, sie noch nicht anzugreifen, sondern zu warten,
® er stärker geworden sei. Er kletterte auf einen Baum, um die Schlange Zu
y Dachtop, Als sie weiter kroch, folgte er ihrer Spur. Er fand nun ein Zauber-
Sant, mit dem rieb er seinen Körper ein, um stark zu werden. Als er die
“Chlange wieder einholte, schwamm dieselbe in einem See, und er fürchtete sich
oh vor ihr. Nachdem sie ans Land gekrochen war, folgte er abermals ihrer
Pur Er fand ein zweites Zauberkraut und badete dann in einem See, in dem
1 Zehn Tage blieb, ohne ans Land zu kommen. Er ward nun sehr stark. Nach-
Sm er ein Feuer gemacht und sich daran gewürmi hatte, folgte er wieder der
E des Se'notlkve. Jetzt fand er ihn in einem See schwimmend und schlafend.
7. Wagte aber noch nicht, ihn anzugreifen, sondern rieb sich mit einem dritten
; estate ein und badete abermals zehn Tage. Als er ihm nun folgte, fand er
ab n Bergziegen, welche das Ungeheuer gelódtet hatte. Er schor ihnen die Haare
hin machte sich einen Webstuhl und webte zwei grosse Decken, die er sich um-
er 5 Als diese vollendet waren, setzte er seine Verfolgung fort. Abermals fand
me lé Sehlange in einem Teiche, wo sie schlief. Da machte er mit seinem Stein-
Sser zwei grosse Speere aus Fichtenholz und ein schnelles Boot. Er fuhr auf
1) Dieselbe hat einen Kopf am Schwanzende, einen am Kopfende.
Verhandl, der Berl. Anthropol, Gesellschaft 1891.
41
(642)
die Schlange zu und durchbohrte jeden Kopf mit einem der Speere. Kaum hatte
er das gethan, da fing das Wasser an zu steigen und der junge Mann fiel tod?
nieder. Zehn Tage lang blieb er todt, dann erwachte er wieder. Die Lachslüuse(?)
hatten aber unterdess sein Gesicht angefressen. Als er nun erwachte, sah er sich
nach der Schlange um. Er fand sie aber nicht und sah, dass der See trocke?
geworden war und von der Schlange nur eine Reihe Knochen und die Zungen
übrig geblieben waren. Er nahm die Unterkiefer und Zungen, hing sie sich um
und ward fortan ein grosser Zauberer. Er ging nun zurück und nahm alle Felle
der Bergziegen mit, welche die Schlange getödtet hatte. 4 Jahre lang war er der
Schlange gefolgt.
Er wanderte fürbas und endlich sah er ein Dorf. Ein Knabe sah ihn vom
Berge herabkommen und rief den Leuten zu: „O seht, dort kommt ein Fremder,
Jasst uns doch sehen, wer er ist!“ Da kamen alle Männer aus den Häusern-
Kaum aber wurden sie seiner ansichtig, da fielen sie todt nieder. So stark war
der Zauber, welchen der Unterkiefer und die Zunge des Sénóotlké ausübte
Nuk'o'makEn aber ward traurig. Er dachte: » Was habe ich gethan, dass die
Leute bei meinem Anblicke sterben?* ^ Und er nahm ein Zauberkraut, bestricb
sie damit und erweckte sie so wieder. Da gaben drei der Männer ihm ihre
Töchter zu Frauen und schenkten ihm viele Pelzmintel, denn sie wussten nul»
dass er müchtig war.
Nuk"o'mak en wanderte nun weiter, doch jeder, der ihn erblickte, musste
sterben. Er winkte nun den Leuten schon von weitem zu, dass sie aus dem Weg?
gehen sollten; aber vergeblich! Wem er zuwinkte, der starb.
Da beschloss er, den Unterkiefer und die Zunge des Sé'notlk:é zu vergraben:
Er ging in den Wald und legte sie unter die Wurzeln eines Baumes, Da fiel
dieser um. Er legte sie unter einen Fels, doch dieser zersprang. Da wickelte
er sie in drei Decken aus Bergziegenfell ein und lud dieselben auf seinen Rücken-
Es hoffte, dass nun der Zauber nicht mehr wirken werde; aber als er wieder
Menschen begegnete, fielen dieselben todt nieder. Da setzte er sich nieder und
weinte. Alle, die er getödtet hatte, erweckte er aber wieder durch Zauberkräuter,
und in jedem Dorfe gaben ihm drei Männer ihre Töchter zu Frauen. Er bestrich
endlich seine Hànde mit krüftigen Zaubermitteln, und fortan blieben alle, die ihm
begegneten, gesund.
Er hatte nun viele Frauen und viele gewebte Müntel. Er belud ein Boot mil
denselben und fubr nach Hause zurück. Als er in seiner Heimath ankam, fragte
er die Leute, welche zum Ufer gekommen waren, als sie das Boot nahen sahen‘
„Leben meine Aeltern noch?“ „Ja,“ antworteten jene, „sie leben noch und sind
gesund.“ Er fragte weiter: ,Und lebt meine Frau noch?* Sie versetzten: „Ja, sie
lebt und hat auf Dich gewartet.“ Da freute sich Nuk^o'mal'En. Er ging an$
Land und liess alle seine Sachen ins Haus tragen.
Nach einiger Zeit kamen die olu'mi; um mit den Sk:qó/mie zu kümpfen. Sie
hatten dieselben überfallen, viele getüdiet und andere als Sklaven fortgeschleppt-
In zehn Booten fuhren sie zurück und sangen Siegeslieder. Da eilte Nuk"ó^mak £n
ihnen nach. Er hielt den Unterkiefer und die Zunge des Sé'nótlleé in die Höhe;
da starben die lumi. Die Sk‘qö'mic sammelten die Leichen ihrer Landsleute,
und Nuk"ó'mak'En erweckte sie zu neuem Leben.
9a. Der Sé'notllcé.
Ein alter Mann lebte mit seinem Sohne in einem Hause. Der letztere hatte
gerade geheirathet und lag mit seiner Frau im Bette. Der alte Mann stand früh-
(643)
Morgens auf, während der junge Mann und seine Frau weiter schliefen. Da hörte
?t den S¬lle&, welcher den Berg herabkroch, den Fluss kreuzte und an der
anderen Seite wieder hinaufkroch. Er weckte nun seinen Sohn, indem er ihm
einen Eimer kalten Wassers übergoss und rief: „Liege nicht so faul da, tódte lieber
den Sénôtlke“ Da schümte sich der junge Mann. Er sprach zu seiner Frau:
»lch will nun den Se'notlké verfolgen und werde 4 Tage lang fortbleiben. Weine
Nicht! Warte auf mich, auch wenn ich lange fortbleiben sollte.“ Er ging fort
"nd folgte der Spur des Senotlk-e. In jedem Teiche, an dem er vorüber kam,
badete er, um sich stark zu machen. Es ward Winter und es ward wieder
Sommer, und er hatte ihn noch nicht eingeholt. Endlich, im vierten Winter, sah
or den See, in dem der Sé'nôtlk'ë wohnte, im Traume, und er wusste nun, wo cr
th zu suchen hatte. Als er zu dem See kam, sah er Së'nôtik'é auf einem Felsen
IN der Mitte des Sees liegen und sich sonnen. Da schnitt er sich 4 Speere aus
Tannenholz und machte Seile aus Cederbast, die er als schützende Amulette um
Armgelenke und Knie band. Dann warf er die Speere und tüdtete so den
Se notlk-a, Als derselbe starb, fiel er selbst wie todt nieder. Der See stieg und
Schwemmte seinen Körper fort, der nun hin und wieder trieb. Nach 4 Tagen fing
der See wieder an zu fallen. Da kam der Vogel A'qoé des Weges geflogen, liess
etwas Execremente auf den Mund des Todten fallen und rief: ,Stehe auf!^ So-
gleich erwachte der junge Mann. Er sah, dass der See ganz abgelaufen war.
Senotik-@s Körper lag dicht bei ihm. Er blieb nun ein ganzes Jahr dort, bis
alles Fleisch verwest war und nur die Knochen übrig blieben. Diese verbarg er
Unter seinem Mantel. Dann kehrte er in seine Heimath zurück, und alle, die
Ihn sahen, fielen todt nieder. Er aber machte sie wieder gesund. Seine Frau hatte
Sihen anderen Mann genommen, kehrte jetzt aber zu ihm zurück,
VII. Sagen der Lkungen.
1. MEnmä'ntauk-.
Es war einmal ein Stamm von Menschen, die alle Steinköpfe hatten. Deshalb
hiessen sie Menmäntaak (= Steinkôpfe). Sie überzogen immer ihre Nachbarn
mit Krieg, tödteten die Männer und machten die Frauen zu Sklaven. Einst hatten
Se auch eine Schwangere zur Sklavin gemacht, und in der Gefangenschaft gebar
Sie ein Kind. Als der Häuptling der Menmä’ntauk‘ das hörte, sagte er: „Tödtet
das Kind, wenn es ein Knabe ist; wenn es ein Mädchen ist, lasst es am Leben.“
Die Frau hörte, was der Häuptling sagte. Ihr Kind war ein Knabe, und daher
band sie einen Knoten um seinen Penis und zog denselben hinten in die Höhe,
damit man ihn für ein Mädchen halten sollte. Sie wusch ihn nur Nachts, wenn
"iemand sie sah. Ihre List glückte ihr. Das Kind wuchs sehr rasch heran. Als
?$ einen Monat alt war, gelang €S ihr in den Wald zu entiliehen. Niemand wusste,
Wohin sie gegangen war. Sie dachte, es ist besser, dass ich sammt meinem Kinde
Un Walde sterbe, als dass wir immer als Sklaven leben, oder dass der Häuptling
Uns tôdtet. Im Walde bauie sie Sich eine Hütte aus Baumrinde und lebte dort
lange Jahre. Der Knabe fing früh an zu gehen. Seine Mutter machte ihm Bogen
"nd Pfeile, und er erlegte Vögel, die er dann nach Hause brachte. Die Mutter
Wuünderte sich darüber, wie rasch er heranwuchs. Bald fing er an, gróssere Thiere
Zu erlegen, und schoss endlich sogar Hirsche. Sie hatten nun Nahrung in Hülle
Und Fülle. Sie nannte ihn nun K"é'sEk (— der Gebundene) Als er erwachsen
War, tödtete er viele Vögel, trocknete die Bülge und machte einen Mantel daraus.
Er wünschte einen Adler zu fangen. Zu diesem Zwecke nahm er einen Haufen
A1*
(644)
Gras und ging auf eine Lichtung. Dort band er Cederbast um seinen Körper und
legte sich mit ausgestreckten Armen nieder. Dann bedeckte er sich ganz mit Gras.
Es dauerte nicht lange, so stürzte der Adler sich auf ihn herab. Er fing ihn und
todtete ihn. Eines Tages fragte er seine Mutter: „Wie kommt es, Mutter, dass
wir hier ganz allein leben?“ Sie antwortete: ,Frage nicht, mein Sohn,“ und
begann zu weinen. Da drang er in sie und fragte abermals: „Wie kommt es,
Mutter, dass wir hier ganz allein leben?“ Sie antwortete ihm aber nicht. Eines
Tages kam er von der Jagd nach Hause und sagte, er habe Leute nahe am Wasser
gesehen, und fragte: „Sie machten so viel Lärm, warum gehen wir nicht hin und
leben mit ihnen?“ „Mein Sohn,“ versetzte die Mutter, „halte Dich fern von diesen
Leuten, sie haben steinerne Köpfe.“ Er fuhr aber fort: „Wie kommt es, Mutter,
dass wir hier allein im Walde wohnen? Die Leute unten am Meere spielen immer
und haben viel Vergnügen.“ Da sprach sie: „Höre, mein Sohn, was ich Dir sagen
werde. Weisst Du, weshalb wir hier allein leben? Alle Deine Verwandten sind
todt; wir sind allein. Jene Leute haben sie getödtet.“ Er antwortete nicht und
sagte eines Tages: „Mutter, ich werde zum Meere gehen und jene Leute ansehen.“
Er nahm seinen Mantel aus Vogelbälgen; derselbe war sehr schön und glänzend.
Er ging zum Meere hinab. Als die Menmä’ntauk‘ ihn nun sahen, fürchteten sie
sich, da jener aussah, als habe er übernatürliche Kräfte. Er kehrte zu seiner
Mutter zurück und sprach: „Ich habe die Leute gesehen.“ Die Mutter warnte ihn
abermals, zum Meere zu gehen. Er hörte aber nicht auf sie. Er ging in den
Wald und machte sich eine Keule aus Eichenholz. Er versuchte sie und sie zer-
splitterte. Er versuchte Keulen aus allen möglichen Holzarten, aber alle zer-
splitterten. Endlich nahm er Eibenholz (?tlink"ütltc). Es zersplitterte nicht. Als
er sie nun eines Tages wieder spielen hórte, legte er seinen glänzenden Mantel
an, nahm seine Keule und erschlug alle Männer. Sein Mantel machte ihn unsicht-
bar. Dann führte er die Frauen davon, ging zu seiner Mutter und sprach: „Dies
Land gehört nun uns. Ich habe alle Menmä’ntauk‘ erschlagen.“
2. Die Frauen der Sterne.
Es war einmal ein Häuptling, der hatte zwei Töchter. Im Sommer waren die
Leute in ein Lager gezogen, von dem aus sie Lachse fingen. Eines Tages gingen
die Mädchen in den Wald. Abends legten sie sich unter die. Bäume und sahen
die Sterne an. Die älteste sagte: „Ich wollte, der grosse Stern dort droben
(Jupiter) wäre mein Mann.“ Und die Jüngere sagte: „Ich wollte, der rothe Stern
dort (Mars) wäre mein Mann.“ Dann schliefen sie ein. Als sie wieder erwachten,
fanden sie sich in einem fremden Lande. Die Sterne hatten sie in den Himmel
genommen. Sie sahen nun, dass jene Männer waren. Der glänzende Stern hatte
kranke Augen. Und wie sie gewünscht hatten, so geschah es. Die Sterne wurden
ihre Männer. Am folgenden Tage hiessen ihre Männer sie ausgehen, Zwiebeln
zu sammeln. Sie verboten ihnen aber die Wurzeln auszugraben, wie man auf
Erden thut, sondern sie durften nur die Stengel abschneiden. Anfänglich gehorchten
die Frauen. Eines Tages aber sprach die ältere Schwester: „Ich muss einmal
wieder eine Zwiebel essen. Sie grub eine aus, und nun sahen sie zu ihrem
Erstaunen durch das Loch auf die Erde hinab. | Sie sagten nichts davon, als sie
zu Hause ankamen. Nach wie vor gingen sie in den Wald, Zwiebelstengel zu
sammeln. Jetzt machten sie aber dort, ohne dass jemand darum wusste, ein langes
Seil. Als sie glaubten, dasselbe sei lang genug, machten sie ein grosses Loch in
die Erde, und die älteste Tochter kroch hinunter. Sie sprach zu ihrer Schwester:
„Warte Du hier.” Wenn ich unten wohlbehalten ankomme, will ich das Seil
(645)
Schütteln; dann klettere mir nach. Sonst nimm an, dass ich ins Meer gefallen bin.“
Die Jüngere Schwester liess nun das Seil hinab. Endlich landete die Frau auf
dem Berge Ngä’k'un (einige Meilen oberhalb des obersten Theiles von Victoria
Harbor). Da ging sie eine lange Strecke auf und ab und zog das Seil hin und
her, So gelang es ihr endlich, dasselbe ein wenig zu schütteln, und ihre Schwester
im Himmel droben fühlte ganz schwache Bewegungen. Sie band es droben an einen
Baum, umklammerte das Seil mit Händen und Beinen und kletterte herunter. Die
ältere Schwester sass unten und blickte in die Höhe. Endlich sah sie einen kleinen
Punkt sich bewegen. Derselbe wurde grösser und grösser, und nun erkannte sie
Ihre Schwester. Ihre Beine waren vom langen Klettern ganz krumm geworden.
Kaum war sie unten angekommen, da fiel das Seil herunter. Die Leute im Himmel
hatten die Frauen vermisst. Als sie das Seil entdeckten, schnitten sie es durch.
Dann gingen die Frauen in ihre Heimath. Ihre Mutter hatte sie ganz vergessen,
30 lange waren sie fort gewesen. Ihr Haar war ganz grau geworden und ihre
Augen iribe vom vielen Weinen. Sie verbargen sich an einem Teiche. Bald
kam ihre iüngste Schwester heran, Wasser zu holen. Ihr Haar war kurz geschnitten,
denn sie trauerte noch um ihre verlorenen Schwestern. Da strichen diese über
thr Haar, und es wurde sogleich wieder lang. Das Midchen lief zuriick und
Spraeh: „Meine Schwestern sitzen draussen am Teiche.“ Die alten Leute sagten:
„Nun sei nicht so ihüricht^, und verboten ihr diese Rede. Sie ging nochmals
hinaus, und nachdem sie ihre Schwestern abermals gesehen hatte, lief sie zurück
und wiederholte, ihre Schwestern seien am Teiche. Als sie es zum dritten Male
Sagte, schlug sie ihre Mutter. Da ging sie wieder hinaus. Jedesmal, wenn sie
Zum Teiche kam, strichen die Schwestern über ihr Haar, und es wurde immer
länger. Da lief sie zum vierten Male zurück, deutete auf ihr langes Haar und
Sagte, ihre Schwestern hätten es so lang gemacht. Da dachten die alten Leute,
Sle könne doch wohl die Wahrheit reden. Sie gingen zum Teiche und fanden die
Frauen, Sie strichen über das Haar ihrer Mutter, und es wurde sogleich wieder
lang und schwarz.
. Ein Jüngling, der alle Vorschriften genau beobachtet, oft badet und noch nie
® Weib berührt hat, kann das Seil auf dem Berge Ngà'kun sehen. Für andere
Menschen ist es unsichtbar. —
(17) Hr. Dr. Franz Schmitt legt. combinirte Portrait-Photographien
"ach Bowdich’s System vor. —
(18) Hr. Magitot iibersendet die Acten des zweiten internationalen Con-
STesses der criminellen Anthropologie vom Jahre 1890. —
(19) Es folgt die Diskussion über den Vortrag des Hrn. M. Uhle (S. 493) über
das dánische Haus in Deutschland.
Hr. Ulr. Jahn:
Hr. Uhle suchte in seinem Vortrage in der Sitzung vom 11. Januar 1890 den
Nachweis zu liefern, dass auf Fóhr ein Haustypus bestehe, den er als Grundform
Tür die Hàuser der nordfriesischen Inseln und der westdeutschen Küsten und für die
Pigenthümlichen des festländischen Schleswig hinstellte, Der von Hr. Uhle
(Fig. 7) gegebene Grundriss dieses „Föhringer Hauses“ hatte grosse Aehnlichkeit
"lt dem sáüchsischen Hause. Hr. Uhle sagte selbst (S. 70): ,Natürlich besteht
"Ilé gewisse Aehnlichkeit zwischen dem einfachen Führinger Hause und dem
(646)
sächsischen in der dreitheiligen Längsgliederung des Stalles, bei welcher auch
in beiden ‚ein Gang in der Mitte liegt.“ — In der Sitzung vom 25. Oktober 1890
wandte ich mich gegen diese Ausführungen und zeigte, dass das sogenannte „Föh-
ringer Haus“ Uhle's zusammenzustellen sei mit einem unverfälscht friesischen
Typus, der sich am besten in dem Ostenfelder Kirchspiel bei Husum erhalten
habe. Des Weiteren führte ich aus, dass allerdings ein besonderer Haustypus 1
Schleswig existire, der aber, trotz scheinbarer Aehnlichkeit mit Hrn. Uhle's Fóh-
ringer Typus, von diesem grundverschieden sei; denn bei dem Uhle’schen Hause
dominire die Lüngsachse, dort dagegen die Querachse.
Weiter liess ich mich damals auf die Sache nicht ein; es war mir genug, da-
gegen Einspruch zu erheben, dass die irrige Ansicht verbreitet würde, die Friesen
hütten einen besonderen Bausiyl gehabt, bei dem die Querachse vorherrschend ge
wesen sei. Nun kommt Hr. Uhle mit seinem Vortrage: „Das dänische Haus in
Deutschland“ und giebt darin für das Föhringer Haus einen ganz neuen Grund-
riss!), in welchem er für den Längsachsenplan mit der Dreitheilung des
Stallgebäudes (s. oben) einen Querachsenplan mit der Zweitheilung setzt
(„das Föhren-Haus zeigt die Längszweitheilung der Wirthschaft, wie Hrn.
Madsen’s“, S. 534, Fig. 3). Dieser Plan, der von dem ersten in dem wichtigsten
Stücke abweicht, ist jetzt für ihn der Grundriss des Föhringer Hauses, und er
stellt in der Folge die Sachlage so dar, als hätte ich diesen Plan vor Augen ge-
habt, als ich sagte, der Uhle’sche Fohringer Typus sei nur eine Modificirung
des Ostenfelder Hauses.
Noch wunderbarer erscheint mir die Polemik gegen meine Construction des
Ostenfelder Hauses. Ich glaube kaum, dass mir auch nur ein Haus in den
vier Dorfern des Ostenfelder Kirchspiels (Ostenfeld, Wittbeck, Winnert und Rott)
unbekannt geblieben ist; im Ganzen reichen schwerlich 30 Mal, dass ich diese Ort-
schaften durchzogen habe, Ausserdem standen mir bei der Aufnahme ier Hüuser
geschulte Architekten und Zimmermeister aus Altona, Berlin und Husum zur Seite.
Und nun erklärt Hr. Uhle, ohne jemals seinen Fuss in eines dieser vier Dürfer ge-
setzt zu haben, auf das Zeugniss des Hrn. Magnus Voss in Husum hin, meine An-
gaben für irrig. Das Beste an der Sache ist dabei, dass der Gewührsmann des Hrn.
Uhle gegen mich nur zwei Häuser anführt, und gerade die Häuser, welche vor
vielen anderen in erster Linie meinen Plänen zu Grunde gelegt sind. Freilich,
ganz konnte keines von den beiden Häusern in seiner jetzigen Gestalt verwandt
werden, da in jedem im Laufe der Zeit erhebliche Veränderungen vorgenommen
sind, die allerdings Jemanden, der mit Bausachen einigermaassen vertraut ist, nicht
über die ursprüngliche Anlage wegtäuschen können.
So hatte das von Hrn. Uhle in Fig. 10 wiedergegebene Peter Held'sche
Haus vor seinem Umbau dieselbe Einrichtung, welche ich als typisch für das
Ostenfelder Haus im Jahrgang 1890 angegeben habe. Da fiel es dem Besitzer ein,
den Pesel zu verlängern. Die Stube wurde darum vorgerückt; und da sie den
Heerdraum zu sehr eingeschränkt hätte, wurde sie nach links zu, von der Finfahrt
aus gerechnet, stark verkleinert. Der Bauer half sich auf der anderen Seite
damit, dass er einen Ausbau nach dem Garten zu vornahm, und so kam ein Plan
zu Stande, der ungeführ so aussieht, wie der in falschen Maassen gehaltene
Voss’sche Grundriss. Ganz erhielt auch dadurch die Stube ihre frühere Breite
1) S. in diesen Verh. S. 500: ,Zunáchst stellte sich unter den* (sollte wohl besser heissen
„statt der“) „verschiedenen früher bezeichneten Modalitäten (Verh. 1890, S. 62fg.) als älteste,
auf Föhr vorkommende Form des Hauses nunmehr besser die nebenstehende dar“ (Fig. 9)
J
(647)
nicht. Deshalb warf der Besitzer die schöne Peselthür aus der geschnitzten
Stubenwand heraus (weshalb ich auch auf den Ankauf der Wand verzichtete) und
lückto die beiden Bettlocher dicht neben einander. Wer sehen kann, dem wird
die Verkürzung des hübschen Schnitzwerkes nicht entgehen.
Noch gróssere Aenderungen sind im Innern des Hauses meines guten Freundes
Jürgen Reimer vorgenommen, welches Hr. Uhle nach den Voss'schen Angaben
T Fig. 11 wiedergiebt. Es würde zu weit führen, auch die Geschichte des
Umbaues dieses Hauses hier lang und breit zu erörtern; nur soviel sei gesagt,
dass die auf dem Plan zwischen À und 4 angedeutete geschnitzte Wand sich in
"einem Besitze befindet. Ich habe sie herausbrechen lassen, und da zeigte sich
deutlich (was übrigens auch die Ostenfelder bestätigten), dass sie ursprünglich
ting richtige Bettlocherwand, wie die oben erwühnte Held'sche, gewesen war und
Ast vor verhältnissmässig kurzer Zeit ihre neue Stelle bekommen hatte. So war
denn auch die Rückwand des alten Schnitzwerkes mit modernen Tapeten be-
klebt U.s.w. Beides, die Reimer'sche Stubenwand und die Held’sche Pesel-
Einrichtung, kann übrigens Hr. Uhle in einigen Monaten in Berlin selbst prüfen.
Sie Sind Theile meiner, zur Zeit in London in der German Exhibition aufgestellten,
S'ossen schleswig - holsteinischen Sammlung und gehen von da aus in unser
Museum fiir deutsche Volkstrachten und Brzeugnisse des Hausgewerbes über.
Noch einen Punkt führt Hr. Uhle gegen mein Ostenfelder Haus vor. Er
Sagt (8. 505): „Ausserhalb des Grundrisses macht sich die wichtige, von Hrn.
Jahn ganz bei Seite gelassene Differenz geltend, dass das veränderte Ostenfelder
Haus immer noch den Giebel in sächsischer Weise der Strasse weist, das Föh-
"Inger dio Langseite. In letzierem ist also auch schon nach seinem üusseren Ver-
hältniss zum Dorfe, den Dorfwegen, jenes Merkmal des sächsischen Hauses nicht «
Yertreten.“ Hr. Uhle irrt; denn die Häuser Ostenfelds, welche in dem ver-
“nderten Ostenfelder Typus erbaut sind, kehren, wie auf Föhr, die Langseite der
Dorfstrasse zu. Es zeigt sich hier derselbe Process, den man allenthalben in
Nord-Deutschland beobachten kann, wo das sächsische Längsachsen-Haus von dem
fränkischen Querachsen-Bau verdrängt wird: nicht nur das Haus selbst, sondern
uch die ganze Lage des Hauses wird verändert. .
Fühle ich mich gezwungen, Hrn. Uhle's Polemik gegen meinen Ostenfelder
Haustypus energisch zurückzuweisen, so muss ich das in erhóhtem Maasse hin-
Sichtlich des Folgenden thun: Ich sagte (Verh. 1890, S. 533) wörtlich: „Bei den
"O'd-schleswissehen Häusern . . - - dominirt .. .. die Querachse .... Durch die
Freundlichkeit eines in Nord-Schleswig geborenen und aufgewachsenen Bau-
Yerständigen, unseres Mitgliedes, des Hrn. Peter Madsen hierselbst, bin ich in
den Stand gesetzt, meine Erinnerungen zu ergänzen und den Typus des
alten nord-schleswigschen Hauses wiederzugeben.“ Hr. Uhle stellt das
Haus nun lediglich auf meines Freundes Rechnung und nennt es kurzweg das
Madsen’sche Haus, so dass es für den Leser den Anschein gewinnen muss, als
Sel dieser Typus mir vorher gar nicht bekannt gewesen. Nun führt Hr. Uhle
Weiter aus, ,das Madsen’sche Haus“ (er meint also den von mir aufgestellten
"Ord-schleswigschen Typus) und sein „Föhringer Haus“ (er meint aber nicht seinen
ersten Grundriss, sondern den auf den Bau in der Querachse umgemodelten) seien
"hverkennbar gleich, und dennoch werde von mir das Gegentheil behauptet.
. Bo liegt die Sache nicht. Ich habe behauptet, Hrn. Uhle's Fóhringer Haus,
Wie er es in seinem ersten Vortrage geschildert hat, habe mit dem nord-schles-
Wigschen Hause, trotz mancher äusserlicher Aehnlichkeiten, nichts gemeinsam; ich
habe aber nie behauptet und werde auch nie behaupten, dass von Hrn. Uhle’s
(648)
zweitem Föhringer Hause dasselbe zu sagen sei. Schon allein deshalb konnte ich
es nicht sagen, weil der zweite Föhringer Typus von Hrn. Uhle in seinem ersten
Vortrage gar nicht aufgeführt ist; auch konnte ich unmöglich wissen, dass ein
Haustypus so schnell von einem Bau in der Längsachse zu einem Bau in der
Querachse werden kann. Selbstverständlich behaupte ich denn auch, dass, ebenso
wenig als der nord-schleswigsche Typus mit dem ersten Fóhringer Typus Uhle'$
etwas gemein hat, Uhlo's erster Fóhringer Typus mit seinem zweiten zusammen
Zu bringen ist.
Zum Schlusse ein paar Worte über das »Jüfach“. Man bezeichnet damit den
ganzen Platz, in welchem Heu und Feuerung aufgeschichtet wird, von der Erde
bis zu dem Boden. Das „Jöfach“ entspricht also unserem hochdeutschen „Banse“,
dialektiseh Bänse. Der Boden über dem „Jöfach“ heisst in Nord-Schleswig , Hill“
Kine einzige Anfrage des Hrn. Uhle, mündlich oder schriftlich, bei mir oder
meinem Freunde Madsen, hätte ihm volle Klarheit verschafft. Wozu sich mit
Muthmaassungen plagen, wenn die Wahrheit so leicht in Erfahrung gebracht
werden kann! Auch hinsichtlich der „Siedeln“ hätte Hr. Uhle seinen Husumer
Gewährsmann nicht zu bemühen brauchen. Wenn ich ihm versichere, dass mir
die beiden Seitentheile rechts und links der Diele von den Ostenfeldern, welche
ich darum befragt habe, als die ,Siedeln* bezeichnet sind und ebenso die Thüren
dahinter als die ,Siedelthüren*, so sollte er mir glauben und nicht einem Laien
Gehór schenken. Das ,l* darf ihn nicht stören; auch im Ostfriesischen heisst die
Stallthür ,Siedeldór*. — Im Uebrigen brauche ich wohl nicht besonders hervor-
zuheben, dass ieh auch sonst alles aufrecht erhalte, was ich in meiner ersten Ent-
gegnung auf den Uhle'schen Vortrag über das Führinger Haus ausgeführt habe. —
Hr. Uhle verzichtet vorläufig auf eine Beantwortung der Ausführungen des
Hrn. Jahn, findet aber in dessen heutiger Auseinandersetzung nichts Neues. Er
hält seinerseits an dem fest, was er früher schon über das von ihm supponirte
stammfriesische Haus vorgetragen hat. —
Hr. Virchow hält die Entscheidung über primäre und secundäre Entwickelung
der abweichenden Haustypen in Schleswig-Holstein fiir sehr schwierig. "Ob über-
haupt auf der cimbrischen Halbinsel noch Reste des primären Hauses der Ur-
bewohner existiren, lässt sich bei der grossen Verschiebung der Völkersitze schwerlich
ausmachen. Ein übersichtliches Bild dieser Verschiebungen hat kürzlich Hr.
Ludw. Weiland (Die Angeln. Tübingen 1889) ‘geliefert. Darnach kann es nicht
zweifelhaft sein, dass mit der Wanderung der Angeln und Warnen nach Bri-
tannien, der letzteren auch weiter südlich nach Deutschland, das bis dahin von
ihnen besiedelte Land fast ganz leer war und den Einwanderungen sowohl nörd-
licher, als südlicher Stämme offen stand. Damals kamen auch die Nordfriesen in
das Land, aber, was jetzt diesen Namen trägt, sind theils wirkliche Friesen, theils
Nichtfriesen. Nach Möller wären die Bewohner von Helgoland, Sylt, Amrum
und Föhr keine Friesen, sondern Chauken, d. h. Sachsen (Weiland, S. 38). Völker
mit dem Sachsen-Namen sassen freilich von Alters her im südlichen Holstein, wohin
später von Neuem eine starke sächsische Einwanderung gerichtet war. Was jetzt
aber von sächsischen Häusern im Lande vorhanden ist, dürfte viel wahrscheinlicher
diesen Einwanderern zugesprochen werden können. Dass das friesische Haus in
seiner älteren Form jemals die jetzt zur Diskussion stehende Quertheilung gehabt
hat, ist durch nichts bewiesen; indess mag es richtig sein, dass die Quertheilung
eine alte Eigenthümlichkeit, namentlich der suevischen Stämme gewesen ist. worauf
der Redner, nachdem diese Hausform im Schwarzwalde und in der Schweiz von
Ihm nachgewiesen war, schon wiederholt hingewiesen hat. Wollte man diese
Form in Schleswig-Holstein einer Urbevólkerung zuschreiben, so würe am wenigsten
der Friesenstamm dazu berufen. An alten suevischen Stümmen für die Aus-
füllung dieser Lücke fehlt es nicht. "Vielleicht wird ein weiteres Studium der
älteren Häuser in Nord-Schleswig etwas zur Klärung dieser Frage beitragen. —
(20) Hr. G. Schweinfurth spricht über
Aegyptens auswärtige Beziehungen hinsichtlich der Culturgewächse.
. Unter den Hülfsmitteln der Alterthumsforschung gebührt der Pflanzenkunde
ein hervorragender Rang, denn bei allen denjenigen Vólkern der Vergangenheit,
deren Leben sich auf die Pflege von Pflanzen stützte, haben diese einen be-
“onderen Antheil an der Hinterlassenschaft. Die Välker verschwanden oder ver-
Schollen , aber die Pflanzen leben fort, Menschenrassen wurden umgestaltet und
oft blieb keinerlei Bild von ihnen erhalten, auch die Hausthiere, ihre getreuen
Genossen, überdauerten sie nur selten in unveränderter Gestalt, aber die durch
S'Üssere Ortsbeständigkeit und in Folge davon durch ein weit gleichartiger ein-
Wirkendes Medium der äusseren Daseinsbedingungen ausgezeichneten Pflanzen
Unterlagen geringerem, häufig in menschlicher Zeit gar keinem Wechsel. Es hat
Völker gegeben, die keinerlei Denkmäler hinterliessen, keinen beschriebenen Stein;
aber Wo Steine schwiegen, da haben Pflanzen geredet. Wie ein ewig sich er-
leuernder, ewig lebensfrischer Theil der Volksseele gewesener Geschlechter, ja
Sleichsam wie fortsprossende Glieder ihrer längst erloschenen Körperlichkeit, treten
Me vor unsere Augen, in greifbarer Gestalt, lassen sich untersuchen, vergleichen
"Ud an der Hang der verschiedenen Disciplinen des menschlichen Wissens in
Mannichfaltiger Weise deuten und beurtheilen. So führen, abwechselnd auf inductiver
"hd specylativer Fährte, diese Pflanzen uns tiefer und tiefer hinab in die Ab-
STünde der Zeit, und was mancher Disciplin allein nicht geglückt, das vermochte
Me mit Hülfe der Pflanzenkunde. |
. Mehr als andere Gebilde der organisirten Natur erscheinen die Pflanzen
hôherer Ordnung abhängig von den üusseren Daseinsbedingungen, sie sind so zu
‘gen der förmliche Ausdruck der dem Boden eigenthümlichen und der in den
Aimosphirilion wirksamen Kräfte. Sehr kenntlich ist oft der Stempel ihres Ur-
*Prungs. Daher pieten Pflanzen, Wo sie als vom Menschen selbst erwühlte Ge-
Lossen auftreten, so häufige Fingerzeige zur Beurtheilung der Wanderungen des
Menschengeschlechts und des völkervermittelnden Verkehrs. Die Errungenschaften
er Pllanzengeographie sind zwar noch weit davon entfernt, in jedem Falle Aus-
pan Zu geben, etwa, wie Merlin der Wilde, Ráthsel zu lösen aus einem Laube.
Be Unausgesetzt neu zustrômenden Thatsachen ermangeln noch des geregelten
Sites, Hoffentlich aber gelingt es einmal aus dem ungeheuren Vorrathe auf-
E hüuftor Thatsachen, aus den thurmhohen Stapellagern der Einzelheiten ein
lauchbares Bauwerk aufzuführen. Die Völkerkunde nimmt in dieser Hinsicht
foul keine mehr bevorzugte Stellung ein und wenn es die vergleichende Sprach-
y, chung allein zu verstehen scheint, immer tiefer in die unteren Lagen der
se hengeschichte vorzudringen und wenn auch die anderen Disciplinen ihr nur
PA *n dahin zu folgen vermögen, so darf uns das nicht entmuthigen. Wenn erst
w ?nZengeographie und Anthropologie ein gleich ehrwürdiges Alter erreicht haben
AP den, wie die Sprachforschung, dann wird man auch wohl einmal über bessere
Tladnefäden verfügen, als blosse Isothermen und Schädelindices gewähren.
(649)
(49°)
Immerhin können wir auch heute schon auf einige Errungenschaften der
Pflanzengeschichte mit hoffnungsvoller Befriedigung blicken. Wenn uns auch das
Capitulare Carls des Grossen (C. Magni capitulare de villis suis) unbekannt ge-
blieben wäre, so würden wir doch im Stande sein, aus dem Charakter der heutigen
Dorfgarten-Flora Mitteleuropas auf den gemeinschaftlichen Ursprung der Arten
zu schliessen, die sich im frühesten Mittelolter daselbst aus Italien einbürgerten-
Àn dem Flachs bewies Heer die seitdem durch viele andere Funde bestütigte süd-
lindische Herkunft der Pfahlbau-Cultur. Unger’s geistvolle Beleuchtungen der
altügypüschen Culturgewüchse, des Grafen Solms-Laubach Nachweise über die
Wanderungsmomente der Cultur des Feigenbaums, Kórnicke's grundlegende
Untersuchungen der Getreidearten und Hülsenfrüchte, Wittmack's altperuanische
Pflanzennachweise, allen voran Alphonse de Candolle mit seinem kritischen
Sammelwerk über den Ursprung der Culturgewüchse, sie fürderten Thatsachen
ans Licht, mit denen jeder Historiker und Alterthumsforscher zu rechnen hat und
die vielleicht mehr bedeuten, als manche Inschrift, in Stein gehauen. Um noch
ein nahe liegendes heimathliches Beispiel anzuführen, sei es gestattet, auf
P. Ascherson’s Studie über Scopolia!) hinzuweisen, wo überraschende Auf-
schlüsse über die Wanderungen einer unscheinbaren Giftpflanze gegeben werden,
die sich, abseits der Wege deutscher Cultur, nach Preussen verbreitet hat und
deren Geschichte daher schwer zu eruiren war. Nur der Botaniker vermochte
sich in diesem Labyrinthe von Irrwegen zurechtzufinden.
Zu Forschungen dieser Art scheint nun kein Land mehr einzuladen, als
Aegypten; denn abgesehen von dem grossen Dauerwerth alles Bestehenden da-
selbst, den unzähligen Documenten und den aus dem Alterthum in Substanz er-
haltenen Naturerzeugnissen, haben auch die Schriftsteller anderer Culturvölker
beständig ihr Augenmerk auf Aegypten gerichtet, so dass es geographisch und
culturhistorisch, in jedem Sinne, stets eine völkervermittelnde Stellung behaupten
konnte. Daher habe ich auch meinen langen Aufenthalt in diesem alten Lande
und bei dem ewigen Volke dazu benutzt, um alle aus dem Alterthume stammenden
Funde vegetabilischer Natur, soweit sie erhältlich waren, zu mustern und im
Verein mit den heutigen Bodenerzeugnissen zu studiren. Die materiellen Belege
für meine Angaben sind in den botanischen und ägyptischen Museen von Cairo,
Berlin und London (Kew) niedergelegt.
In der von P. Ascherson und mir gegebenen Zusammenstellung der Ge-
sammtflora von Aegypten?) sind von Culturgewächsen der heutigen Zeit, d. h. Feld-
gewächsen, und von Gartenpflanzen die Gemüsearten und häufigsten Fruchtbäume,
150 Species, aufgezählt. Von diesen Culturpflanzen habe ich gegen 40 durch selbst
untersuchte Funde aus dem vorchristlichen Aegypten für die alte Feld- und Garten-
flora nachgewiesen, 10 andere Culturarten könnte man der Zahl nach hinzufügen,
wenn man die aus den alten Denkmülern, aus Inschriften und anderen beglaubigten
Ueberlieferungen sich ergebenden Pflanzen, immer nur die wirklichen Cultur- und
angebauten Nutzpflanzen berücksichtigend, zusammensuchte. Man würde also über
ein Drittel von der Anzahl der im heutigen Aegypten angebauten Nutzpflanzen ver-
fügen, sofern für die alten Anbauverhältnisse wirkliche Belege vorhanden sind.
Dies sind die wenigen Bausteine, die für die Stützpfeiler der Geschichte der alt-
ägyptischen Bodencultur zur Verfügung stehen. Natürlich reichen sie nicht aus
für ein Fundament, höchstens lassen sich mit ihnen die Umrisse des beab-
1) Sitzungsberichte der Ges. Naturf. Freunde. Berlin 1890. S. 59ff,
2) Hlustration de la Flore d'Egypte in Mém. Inst. Egypt. T.IT. 1889. p.95ff.
NN
coU
Ld ,
sichtigten Baues andeutungsweise niederlegen, die Grenzen markiren, wo der
Baugrund beginnt und wo er aufhört. | nn
Unter allen Fragen der Alterthumsforschung überhaupt beunruhigt keine in
So hohem Grade, wie diejenige nach dem Ursprung der Aegypter. Es hat Aegypto-
logen gegeben, die ihr Leben lang bemüht waren, mit ihren Studien In möglichst
BIS Schüchte der ügyptischen Vorzeit hinabzusteigen. Nirgends fanden sie etwas
den Werdenden Anfängen, sei es der Schrift, sei es der Religion, sei es der
Cultur überhaupt Vergleichbares. Im Gegentheil, je älter, um so edler gestaltete
Sch die Schrift, um so vollkommener die bildliche Darstellung von Meisterhand.
Wie eine Pallas Athene prangte das alte Aegypten in seiner blendenden Gold-
lstung. hervorgezaubert aus dem Haupte des Zeus! oo
Eine andere Frage von nicht geringerer Bedeutung betrifft den in ein ebenso
"hauflósliches [)unkel gehüllten Vorgang der Heranbildung des alten Nilanwohners
"um Ackerbau, insonderheit zum Anbau von Weizen und Gerste. Ueber den
Ursprung dieser Cerealien kann nach unserer heutigen Kenntniss kein Zweifel ob-
Walten, er ist in Mesopotamien oder in Babylonien, vielleicht im engeren Chaldaea
m Suchen, jedenfalls in den Euphratlàndern; aber über das wie und das wann
Ihrer Herüberbringung nach Aegypten scheint jeder Hypothese freier Spielraum
Sewährt, Zunächst drängen sich der Betrachtung zweierlei Möglichkeiten auf.
Entweder brachten die Aegypter, die wohl noch kein Forscher als Autochthonen
betrachtet hat, den Weizen mit aus ihrem Stammlande, oder sie (die Be-
YOhner des unterägyptischen Reiches) bezogen ihn, als bei zunehmender Volks-
lermehrung die Viehzucht nicht mehr ausreichte, von denjenigen Ländern, mit
denen sie damals gerade am meisten in Beziehung standen. Was die erste Ver-
Müthung betrifft, so stehen ihr diejenigen Gründe entgegen, welche im alten
Aegypten dafür sprechen, dass die Religionsbildung dem Getreidebau voraus-
Ségangen sein muss.
Alle nördlichen Zugänge nach Aegypten führen durch Wüsten, die den
Dürchzug solchen Völkern erschweren, die nicht Nomaden und Viehzüchter sind *).
1) Das hauptsächlichste Lastthier der Aegypter des alten und mittleren Reiches war
der Esel, der aus dem südlichen Nubien stammte. Mit Hülfe dieses Thieres unternahmen
die Alten, wo es geboten war, ihre Wüstenexpeditionen. Seltener mögen ihnen dabei die
Stets feindlichen Wüstenbewohner mit ihren Kameelen ausgeholfen haben. Das Kameel
fehlt bekanntlich unter den Thierbildern der im Uebrigen so ausführlich und vollstándig
den damaligen Vieh- und Jagdbestand der Nilthalbewohner wiedergebenden Inschriften
der Pyramidenzeit, wie überhaupt allen Tempelbildern. Den ältesten Nachweis über das
Kamee] hat W. Golenischeff in seinen ,epigraphischen Ergebnissen eines Ausflugs ins
Wadi Hammamat“ (Sapissok der orient. Abth. der Kaiserl. russ. archäolog. Ges., 1887,
Th. IT, S. 65) geliefert: ich führe die Stelle hier in der Uebersetzung an, da der
tussische Text bisher wohl nicht genügende Beachtung gefunden hat. Golenischeff
fand unter den aus der XI. Dynastie stammenden Felsinschriften im Wadi-Hammamat,
tnter sicben Abbildungen von Straussen, Ántilopen und Stieren, die in ebenderselben Weise,
d. h, in Flachrelief ausgemeisselt und mit hieroglyphischen Unterschriften versehen waren,
Auch eine solche Abbildung vom Kameel (Taf. V, Fig. 6). Nachdem der ausgezeichnete
«CEYPtologe den Nachweis geliefert, dass die betreffende Zeichnung mit den neueren
Unstleistungen müssiger Beduinenkinder nicht das Geringste gemein hat, fügt er
fS. 12, 13) hinzu: Aus vielen Stellen der Bibel ist ersichtlich, dass bei den an den nord-
Ostlichen Grenzen Aegyptens lebenden Nomaden Heerden von Kameelen vorhanden waren
Und eg ist in Folge dessen schwer zulässig, dass das Thier den alten Aegyptern gänzlich
Unbekannt geblieben sein kann. Daher sind wir, wenn auf der einen Seite die Abwesen-
heit aller bildlichen Darstellungen des Kameels auf den Denkmälern des Nilthals, auf der
(651)
C7)
Wer zuerst Weizen und Gerste in Cultur brachte, Hamiten oder Semitem
und ob dieser Vorgang der Trennung der gemeinschaftlichen Urrasse in zwei aus”
einander gehende Aeste etwa vorausging, ldsst sich nach dem heutigen Stande der
Kenntniss wohl nicht entscheiden. Nehmen wir aber an, dass die ägyptischen
Hamiten als Viehzüchter und Nomaden ihren Einzug ins Nilthal hielten, so wird
die Frage keineswegs vereinfacht, denn in diesem Falle würen dieselben auf de?
einzigen festlàndischen Zugang von Osten, auf die Vólkerbrücke von Sues al
gewiesen gewesen, während die altägyptische Ueberlieferung für eine Aus“
breitung des Stammes, der offenbar in beiden Künigreichen derselben Rasse a!
gehórte, von Ober-Aegypten?) her, spricht.
Wie den Chaldüern, so erschien auch den Aegyptern das Zeitalter der Welt
in dreitheiliger Gliederung, dargestellt aus Geschichte, Vorgeschichte und Götter“
mythus. Wandersagen vorgeschichtlichen Charakters scheinen zu fehlen und
hieraus lüsst sich der Schluss ziehen, dass das erobernde Volk zu einer Zeit i?
Aegypten sich ausbreitete, als dasselbe noch weder im Besiize einer ausgebildete?
Gôtterlehre, noch der Schrift war. Die afrikanischen Urbewohner des Nilthals
sind vor den fremden Eindringlingen verschwunden, denn die ethnographische
Einheit der alten Aegypter nôthigt uns von der Ánnahme einer Vermischung ab-
zusehen, so sehr wir auch der bei der Anzucht neu eingeführter Hausthiere imme
wieder hervortretenden assimilirenden und nivellirenden Kraft der eigenartigen Nil-
natur Rechnung zu tragen geneigt sind.
Um auf die schwerwiegende Annahme einer von Süden nach Norden ge
richteten Ausbreitung der Aegypter zuriick zu kommen, sei es mir gestattet, das
Zeugniss von H. Brugsch (Geogr. Inschriften. I. S. 176) anzurufen, dem zu-
folge die ältesten Volksüberlieferungen Theben zur irdischen Heimath des Osiris
stempeln. Dieser Tradition entsprechend, ward dahin auch der Sitz jener mensch-
lichen Herrschergeschlechter verlegt, die den historischen Dynastieen vorhergegange?
sein sollen. Will man auf diese Winke Werth legen, so ist man genüthigt, an-
zunehmen, dass die Hamiten auf der Vólkerstrasse Qosser-Qeneh, da, wo das Nil-
thal vom Meere aus am nächsten erreichbar war, .aus Arabien eingezogen sind,
nachdem sie als Viehzüchter in den ertragfähigeren Berggegenden zunächst des
Meeres lebend, sich daselbst bei Zeiten mit jenen einfachen und primitiven Mitteln
der Schifffahrt?) vertraut zu machen Gelegenheit fanden, die ausgereicht haben
werden, um die Ueberfahrt zu bewerkstelligen, — ein Vorgang, der sich zwischen
beiden Küsten des Rothen Meeres in der Folge an verschiedenen Punkten und
unzählige Mal wiederholt haben muss, um nach und nach halb Africa durch
hamitische und später durch semitische Einwanderung ethnisch umzugestalten.
Es ist hierbei aber auch die Möglichkeit im Auge zu behalten, dass die
frühesten Hamiten auf demselben Wege, auf welchem ihnen später die semitischen
Völker (Habeschät) folgten, an der nächsten Stelle, also von Süd-Arabien aus,
anderen aber die Angaben der Bibel in Betracht gezogen werden, zu dem Schlusse ge-
nöthigt, dass, wenn auch im eigentlichen Aegypten vor Alters das Kameel nicht un-
bekannt war, die Aegypter doch ohne dasselbe lebten und nur die Nomaden der am
stossenden arabischen Wüste sich desselben zu bedienen wussten.“
1) Es darf ferner auch nicht ausser Acht gelassen werden, dass zur Zeit, als der Ge-
treidebau in Aegypten sich einbürgerte, das Land noch in zwei Reiche getheilt war, i!
das von Ober-Aegypten bis in die Gegend von Memphis und das von Unter-Aegypten. In
den ältesten Gräbern, die man kennt, sind bereits die Getreidearten in Substanz vor-
handen und die vierte Dynastie beherrschte schon die vereinigten Königreiche.
2) Vergl. Guillain, Documents sur l'Afrique orientale. V. [, p. 2, 8.
A [9d
652
€
"Uf die afrikanische Seite hinüber gegangen sind, sich hier immer weiter aus-
breiteten und mit ihren Heerden an den Nil gelangten, in dessen Thal sie als-
dann so weit nach Norden zu vordrangen, bis die Kunde von einem geräumigen
Wald- und Weidelande jenseits der Katarakte gewonnen ward, und auf diese
Kunde hin können dann die Nachzügler, die späteren Invasionen einen directeren
Seeweg von Siid-Arabien nach Ober-Aegypten angestrebt haben. Der südnubische
p'prung des ägyptischen Esels (Equus taeniopus v. Heugl.) steht einer solchen
YPothese stützend zur Seite. |
Zu den Schwierigkeiten der angeregten Frage gesellt sich noch der Wider-
prach, in welchem die drei Factoren der ägyptischen Cultur mit einander hin-
Mehtlich ihres Ursprungs zu stehen scheinen. Schrift und Getreidebau verweisen
WS auf Babylonien. Dort muss der Weizen zuerst aus der freien Natur in den
Dienst des Menschen übergegangen sein. Dort waren die Stätten der ältesten
Rassentheilung. Dort stand der Thurm von Babel, zu welchem die Gelehrten
Noch heutigen Tages wie zu einem Symbol des Ordnung schaffenden Princips in
dem Wust einander widersprechender Thatsachen voll Ehrfurcht emporblicken, —
TISChien derselbe doch bereits dem Schreiber der Bibel als der älteste Platz der
Welt, und dieser kannte doch Aegypten!
Der dritte Factor der Cultur, die Religion, lässt sich nicht ohne Weiteres aus
dem Norden herleiten. Die älteste Götterverehrung, die uns in den Ueber-
lieferumoon der historischen Welt entgegeniriti, bedarf bereits als nothwendiges
Ausstattungsstiick des Weihrauchs. Semitische Religionen sind ohne ‘Weihrauch
kaum denkbar, dieser aber ist ein Erzeugniss des südlichen Arabiens und der
SC8enüber liegenden Küste am Osthorn von Afrika. Wenige Erzeugnisse der
Welt sind von gleich streng umgrenzter Verbreitung, wie der Weihrauch, dessen
Begrify in grosser Schärfe feststeht. Ich nehme daher keinen Anstand, die
Heimath des Weihrauchs mit der Wiege aller, auf. Offenbarung, Tradition, und
Priesterthum basirten Religionen unserer historischen Welt zu identificiren.
Was nun die altägyptische Religion betrifft, so wird. diese Hypothese noch
durch die Thatsache gestützt, dass zwei, seit den ältesten Zeiten der Tempel-
schriften mit der frühesten Götterlehre auf’s innigste verknüpfte Bäume, die
Sykomore und die Persea, in Aegypten sich nur im angebauten Zustande vorfanden,
Vühreng dieselben. wie ich selbst an Ort und Stelle nachgewiesen habe, im glück-
lichen Arabien sowie in den Gebirgslündern an der gegenüber liegenden afrika-
de che Küste "noch heutigen Tages als vollkommen wildwachsende Bestandtheile
"5 Waldes anzutreffen sind. vn
Bei einer Musterung der wechselseitigen Beziehungen, die sich in Betreff der
Cultu. und Ackerbauverhülinisse zwischen Aegypten und den von Alters her mit
Ihm in Verkehr stehenden Lündern offenbaren, erscheint zunáchst eine eingehende
pesprechung der alten Getreidearten geboten, da bei den hierauf bezüglichen
s, Ben noch viele irrige Auffassungen verbreitet sind. Nach H. Brugsch?)
uen Sich in den ältesten Inschriften, von der Pyramidenzeit an, stets drei Ge-
roe learten erwähnt und als solche durch eine Aehre als Determinativ gekenn-
net, Desgleichen sind durch Grüberfunde in Substanz aus dem alten Aegypten
Sr bezw. drei (m Falle man von einer Unterscheidung der nicht immer mii
der heit nachweisbaren Gerstenarten absieht) Getreidepflanzen bekannt: Hor-
eum vulgare L. subsp. tetrastichum Kcke., die vierzeilige Gerste, H. vulg. L.
SP. hexastichum Kceke., die sechszeilige Gerste, Triticum vulgare Vill,
1) In brieflichen Mittheilungen vom Juli 1891.
153)
(654)
Weizen und Triticum dicoccum Schkr. var. tricoccum Schübl., Emmer. Dem
heutigen Aegypten fehlt die letztgenannte Art"), von welcher Maspero !P
Jahre 1866 im Grabe des Ani zu Gebelen (XI., bezw. XXI. Dynastie) eine Anzahl
noch zusammenhängender Aehren aufgefunden hat.
Für Mohrhirse (Andropogon Sorghum Brot.) fehlt es im alten Aegypte»
durchaus an Belegen, was auch Pickering, Wilkinson und Unger zu Gunsie?
ciner enigegengeseizien Annahme haben sagen wollen. Die von Wilkinson (The
Anc. Egypt. 1878. IL p. 427, 428) und A. Erman (Aegypten, S. 578) citirte?
Tempelbilder beziehen sich auf Lein. Die Mohrhirse war erst 10 Jahre, bevo'
Plinius (Hist. Nat. 1. 18. cap. 7) seine Naturgeschichte schrieb, aus Ost"
indien nach Italien eingeführt worden. Obgleich sie ursprünglich aus dem tro”
pischen Africa stammen mochte, ist sie den alien. Aegyptern doch wohl unbekannt
geblieben und daselbst gewiss nicht vor der rüómisch-byzantinischen Periode Geget
stand des Feldbaues gewesen.
Nach den mir von H. Brugsch letzthin gütigst gegebenen Aufklürunge!
ist Folgendes über die vorhin erwähnten drei Getreidearten des Alterthums zu b€
merken:
1) BQTE (öAvpx der Septuaginta), auch bet, böti u. s. w. geschrieben. Von diesem
Korn werden zwei Sorten, eine rothe und eine weisse, angegeben. Dieses Bote
wurde zur Bezeichnung des Monats Tybi (Tubi des koptischen Kalenders) hi
gestellt, mit der Angabe: Reife(?)") des Bote. Der Tiby ist der einzige Monat
des Jahres, welcher einen Mann mit einer Aehre in der rechten Hand zur D€
zeichnung hat; man kann also annehmen, dass er in Ober-Aegypten wenigstens
als der hauptsächlichste Erntemonat, mithin wohl auch die Kornart als das Haupt
geireide des Landes betrachtet wurde. Weitere Nachforschung über diesen wich
tigen Punkt sind geboten. Nach Brugsch ist die Zeit des Tybi 17. Novembe*
bis 16. Dezember. Das Bote muss also unmittelbar nach dem Zurückireten del
Nilsehwelle (Oktober) gesüet worden sein, um im frühen Winter reif sein ZU
können. Es konnte diese Getreideart mithin keine lange Ackerbauperiode beat”
spruchen?) Alle Autoren haben bisher die J\upa der Septuaginta mit Spelt;
épeautre (Triticum Spelta L.) identificirt, obgleich bis zu dem vorhin erwithnte®
Funde Maspero's nichts diesem Korn Aehnliches in ägyptischen Gräbern ge”
fanden worden war. Der Emmer (Triticum dicoccum Schrk)), welcher nu”
aber aller Wahrscheinlichkeit nach als das Bote der Alten betrachtet werde?
muss, dürfte, wie es bereits A. de Candolle ausgesprochen (Orig. p. 293), nichts
anderes sein, als eine der älteren Culturformen des Dinkel oder Spelt ("Triticum
1) Eine Form des Emmer, Triticum dicoccum Schkr. var. arras Br., im Tigrini?
„arras“ genannt, findet sich heute noch in drei Formen im nördlichen Abessinien cultiviré
Einige Reisende, z. B. Dr. Steudner, haben diese Getreideart fälschlich als ,Einkorn
bezeichnet.
2) Die eponyme Bezeichnung des Monats Tybi lautet: ,Schef-er-boti*. Das erst?
Wort hat gewöhnlich die Bedeutung von virilitas und virtus. Wie das auf die unzweife"
haft feststehende Bedeutung von boti, jÀvoe, zu beziehen ist, welss ich nicht. Auf jede"
Fall erscheint der betreffende Monatsgott als Mann mit einem Aehrenühnlichen Gewäch*
in der rechten Hand. Man kónnte beinahe glauben, die virilitas sei als vollste Ent
wickelung des Pflanzenwuchses gedacht (H. Brugsch brieflich, Juli 1891).
3) Der Schwerpunkt der Weizen-Culturperiode füllt heute in die Winter- und Früh
jahrsmonate des Jahres. Weizen wird gesüet: in Ober-Aegypten im November; auf der
Strecke von Siut bis Minieh Ende November; in Mittel-Aegypten von Feschn bis Cairo
im December; im Delta im December und Januar.
(3
Spelta L). Th. Kotschy hat übrigens die Pflanze (Emmer) in wirklich wildem
Zustande am Hermon gefunden und es kann diese Art, für welche im Sanskrit
kein Name vorhanden ist, die aber vielleicht identisch ist mit dem „Kussemeth“
der Bibel (Exod. IX, 32: Jesaias XXVIII, 251; Ezechiel IV, 9), füglich wohl als
die älteste der Weizenarten angesehen werden. | |
2) IQT, die zweite Getreideart der alien Inschriften, kommt unter dieser Be-
“eichnung bereits in den Denkmälern der V. Dynastic vor. Es ist von jeher an-
S?nommen worden, dass mit diesem Namen schlechtweg Gerste (Hordeum vul-
Sare L.) bezeichnet wurde.
3) COYO, die dritte Art, ebenfalls seit der V. Dynastie so bezeichnet, isi
Unser Weizen, Triticum vulgare Vill. subsp. durum Desf. Von den Lexico-
S'aphen wird dieser Name mit „frumentum“ wiedergegeben.
- Eine angebliche vierte Getreideart der alten Texte KAMH ist nach Brugsch
fur als Gebäck gedacht. Dieser Name kommt auch bereits in den Inschriften aus
der Pyramidenzeit vor, hat aber als Determinativ das Zeichen für Brod, bezw.
Kuchen, Gebäck, und keine Aehre. Mit Unrecht ist der Name daher von einigen
Gelehrten ohne Weiteres mit dem ,qamh®’) der heutigen Aegypter identificirt
Worden, obgleich in der Namengebung für Culturpflanzen und den aus denselben
S*Wonnenen Speisen im heutigen Sprachgebrauch der arabischen und arabisirten
Volker vielfach Willkiirlichkeiten stattfinden®).
Wenn man der urspriinglichen Heimath der heutigen Culturpflanzen Acgyptens
Machforgcht, von denen ja die Mehrzahl bereits in vorchristlicher Zeit daselbst
Yorhanden gewesen sein mag, und wenn man alle darauf bezügliche Thatsachen
‘usammenstellt, so erhält man eine Art von Abriss der auswärtigen Beziehungen dieses
Landes, Es giebt wohl keinen Ackerbaustaat der Welt, dessen angebaute Nutz-
Pflanzen sämmtlich Landeskinder wären, ich meine solche Pflanzen, die, ur-
SPriinglich der wilden Flora angehórig, durch die ihnen vom Menschen angediehene
Pflege veredelt, zu Culturpflanzen wurden. Nichts bezeugt mehr das gemeinsame
Band, das alle Menschen vereinigt, als die weltbürgerliche Natur des Ackerbaues,
And diese Thatsache allein genügt, um den Beweis zu erbringen, dass in der
Cultarwelt die Völker auf einander angewiesen sind, wie unter sich die einzelnen
Menschen, und dass sie, wie diese, abhängig von einander sind; die Familie, die
Staatliche Gemeinschaft, der völkervermittelnde Verkehr, diese sind es, welche
die Wohlfahrt aller bedingen. Was sich absondert, muss zu Grunde gehen. Man
Sollte nun meinen, dass ein Land, wie Aegypten, bei der emzigen Eigenart seiner
Natu, und dem ebenso scharf ausgeprägten Charakter selbsterworbener Cultur,
“Men Ausnahmefall darstellen müsste. Aber dem ist nicht so. Die Aegyptologen
Weisen auf jeder Seite der alten Geschichte die fremden Entlehnungen nach und
das Gleiche gilt dann auch für die Geschichte des ägyptischen Ackerbaues.
Nun begegnen wir zunächst einer ganzen Reihe von Nutzpflanzen, welche,
Yon Alters her in Aegypten angebaut, heute noch in den südlichen Gebieten, in
Nubien und hôher hinauf, am oberen Nil, wildwachsend angetroffen werden, in
Gebieten, wo die freie Natur zur Geltung kommt und uns in unzweideutiger Weise
9n Abbilg von dem vor Augen führt, was das Nilthal ursprünglich gewesen sein
Muss, Denn aus allgemeinen pflanzengeographischen Gründen ist leicht der Nach-
1) Im Arabischen von Jemen heisst Weizen „berr“, im Amharenia „ssindi“ oder
»Sauèdes, im Tigrinia ,sernai*. E
isa Ich erwühne z. B.: „Esch“, in Aegypten „Brod“ schlechtweg, bedeutet im ägyp-
€n Sudan Mohrhirse (Andropogon Sorghum Brot.).
655)
(656)
weis zu führen, dass die Uferwälder am unteren Nil und die Ueberschwemmungs-
Gebiete dieses Thales einen der tropischen Steppenregion der Nordhälfte Africas
entsprechenden Vegetationscharakter gehabt haben müssen, bevor noch der Mensch;
zugleich zerstórend und neuschaffend, sich daselbst auszubreiten begann. Das
wirkliche Indigenat dieser Pflanzenarten habe ich durch eigene Anschauung in
allen Fällen nachweisen können.
Ein Theil der Arten ist nun allerdings im wilden Zustande auf die Flora des
tropischen Africa beschränkt, und bei diesen Pflanzen liegt die Vermuthung nahe
dass sie erst durch die Aegypter in Anbau gebracht und anderen Völkern zu
diesem Behufe übermittelt worden sind. Ein anderer Theil dagegen gehört in die
Kategorie der Tropenkosmopoliten, und bei diesen ist der Nachweis der ursprüng-
lichen. Ausschliesslichkeit des afrikanischen Indigenats schwer zu erbringen (7. P.
bei Cajanus flavus DC. in Ostindien, Südamerica und sonst). Manche der letzteren
können in verschiedenen Gebieten, unabhängig von einander, zu Culturpflanzen
herangezogen worden sein, sowie ja auch ganz ähnliche Hausthiere (Hunde, Katzen;
Esel, Schweine!) von verschiedenen Arten der wilden Fauna abstammen und, ZU
verschiedenen Zeiten und in verschiedenen Gegenden, gesondert in den Dienst
des Menschen getreten sein mögen und wahrscheinlich auch sind.
An solchen Gewächsen lieferte Ur-Aegypten, vielleicht bereits als erste Cultur-
Errungenschaft seiner anfänglichen menschlichen Bewohner, die nachfolgenden
Arten:
Acacia nilotica Del., Lablab vulgare Savi., Vigna sinensis Endl., Cajanus
flavus DC., Corchorus olitorius L., Abelmoschus esculentus Mch., Hibiscus canna*
binus L., Cucumis Melo L. var. Chate (Fk.), Luffa cylindrica Ser., Citrullus vulgaris
Schrad., Hyphaene thebaica Mart.
Man könnte diesem Verzeichniss noch einige Arten hinzufügen, deren Her-
kunft indess Zweifel nach mehr als nach einer Richtung offen lässt. Hier muss
auch der seit sehr alter Zeit in Aegypten als Fruchtbaum verbreiteten Dattelpalme
(Phoenix dactylifera L.) gedacht werden, deren ursprüngliche Heimath, bei
ihrer gleichmiüssig dichten Verbreitung vom Indus bis an den Senegal (Région du
dattier, Boissier in Flora Orientalis. Vol. I. Préf. p. X), heute schwer zu eruiren
ist. Wenn man auch die nüchstverwandte Art, die süd-afrikanische Phoenix
reclinata Jacq., die in den Gebirgen Nord-Abessiniens und Süd-Arabiens hüufig
verbreitet, wenn auch nirgends bestandbildend ist, als die Stammart betrachten
wollte, so muss doch zugegeben werden, dass in der weiten Region der Daitel-
palme häufig Stellen nachzuweisen sind, wo die Art durchaus den Anschein und
das Aussehen eines wilden Indigenats zur Schau stellt.
Nächst dem urägyptischen Nilthal ist für unsere Betrachtung Süd-Arabien
heranzuziehen, im engeren Sinne das Gebirgsland an der Südwestecke der grossen
Halbinsel gedacht, das sogenannte glückliche Arabien, einer der am meisten her-
vorragenden Culturheerde im grauen Alterthum.
Ausser dem engeren Jemen von heute kommen hierbei auch die benachbarten
und umliegenden Landschaften in Betracht, afrikanische sowohl, als auch asiatische;
mit einem Wort, jenes Gebiet, das in der Geschichte so häufig als Ziel unter-
nehmender Pharaonen unter dem Namen Punt (oder richtiger Pu-one) genannt
wird und das Sprenger") mit den Worten bezeichnet: ,Die Weihrauchregion ist
das Herz des alten Welthandels und es hat schon in vorhistorischer Zeit zu
schlagen angefangen.“
1) A. Sprenger, Alte Geographie Arabiens. S. 999.
(657)
In der That müssen bereits in prähistorischer Zeit, wenn man diesen Aus-
druck auf die, den ältesten uns bekannten Schriftdenkmülern der Aegypter vorher-
Segangenen Epochen anwenden will, aus Süd-Arabien, aus dem „heiligen Lande“
der Inschriften, die beiden der Isis (speciell der Hathor) geheiligten Bäume, die
»Persea“ ') der Alten (Mimusops Schimperi Hochst.), ,Lebbach*. der arabischen
Schriftsteller, und die Sykomore (Ficus Sycomorus L.) nach Aegypten gebracht
Worden sein 2). .
. Auch die Cultur der üchten Feige (Ficus Carica L.) reicht in Aegypten in
die ältesten Zeiten hinauf und ist durch bildliche Darstellung hinlänglich verbürgt.
Süd-Arabien und Nord-Abessinien beherbergen in ihrem wilden Florenbestande
"16, von manchen Formen der cultivirten Feige kaum anders, als durch die etwas
leineren Früchte und die stets keimfähigen Samen zu unterscheidende Art, Ficus
Palmata Forsk. (syn. F. pseudocarica Hochst.), welche von den Bewohnern beider
Gebiete heute „Beless“ genannt wird, mit welchem Namen man dort auch die ess-
bare Culturfeige bezeichnet. Da im Mediterrangebiet und in Westasien die dort
“ageblich wilde Ficus Carica L. immer nur unter den sichtbaren Anzeichen eines
Poradischen Verwildertseins angetroffen wird, die wirklich wilden Arten Persiens,
Vorder-Indiens und Nord-Arabiens aber der Culturart weit ferner stehen, als die
Wähnte süd-arabisch-abessinische, so kann es für mich keinem Zweifel unter-
Hegen. dass unsere Feige der ursprünglichen Heimath von Sykomoren und Persea,
dem alien Punt-Lande, entlehnt worden ist. Durch den in die ältesten Zeiten
hineufragenden Weihrauchhandel, durch die Punt-Fahrten zur Zeit des mittleren
Reiches, schliesslich durch das Aufblühen des Seeverkehrs an den afrikanisch-
atischen Küsten unter den Ptolemäern wurden diese Beziehungen zwischen Süd-
prabien und Aegypten, ungeachtet langer Unterbrechungen, immer wieder von
“Wem aufgefrischt.
Als ein späteres Geschenk der ursprünglichen Pomona des glücklichen
Arabiens ist der noch heute auf den Bergen bei Taes wild vorkommende Johannis-
D Oda: (Ceratonia Siliqua L.) zu bezeichnen. Es scheint dieses Gewächs bereits
Während der griechischen Epoche nach Aegypten gelangt zu sein, indess ver-
athlioh auf dem Wege über Syrien. nn . .
Nachdem die Araber sich erobernd und von Neuem religionsstiftend über
Legypten ergossen hatten, wurde Siid-Arabien der Vermittler des Verkehrs mit
Indien, und manche indische Culturpflanze gelangte auf diesem Wege an den Nil,
prehdem zuvor in Jemen Culturetappen durchgemacht waren. Die hier in Be-
l'acht kommenden Arten sind, wenn von Indien die Rede sein wird, zu erwähnen.
Hinsichttich der Kolokasia (Colocasia antiquorum Schott), deren Heimath ge-
l'Ohnlich in Indien angenommen wird, ist indess schon an dieser Stelle ein Vor-
behalt Zu machen. da das Bürgerrecht dieser Nutzpflanze im Florenbestande von
Jemen durch meine eigenen Wahrnehmungen bezeugt ist. Vielleicht schon während
der Stiechisch-römischen Zeit in Aegypten eingeführt, gelangte die Kolokasia später
on hier nach Süd-Europa. Sie gehört zu derjenigen Kategorie von Culturpflanzen,
1e einen Vergleich mit der Polypatrie gewisser Hausthiere herausfordern.
di Bei Arabien sei noch gewisser, durch den Gräbercult des Islam, sowie durch
à © Mekka-Pilgerfahrten nach Aegypten verbreiteter Succulentpflanzen (Symbole
os ewigen Lebens und der Auferstehung) gedacht: Aloe vera Lam., Kalanchoe
Ban 1) Dieser Name ist nicht zu verwechseln mit dem von Gärtner einem amerikanischen
Me, der Persea gratissima, gegebenen.
2) Vergl. Sehweinfurth, Verhandl der Ges. f. Erdkunde. Berlin 1889. Nr. 7.
Verhang], der Berl. Anthropol. Gesellschaft 1891, '
49
(6 7;
deficiens Asch. et Schf.,, Cissus rotundifolius V., Euphorbia mauritanica L-
Die hauptsächlichste Gräberpflanze indess, die Aloë, hatte sich bereits in VO
christlicher Zeit’), wegen ihrer medicinischen Eigenschaften, nach Syrien, Griecher”
land und wohl auch damals schon nach Aegypten verbreitet. Aus Arabien 8°
langten auch beliebte Zierpflanzen in die ägyptischen Gärten, so unter andere?
die von da aus später nach Italien und dem nördlichen Orient verbreitete Iri?
florentina L., die ieh an der Spitze des Berges Schibam über Menacha be
3000 in grosser Menge antraf. Die Heimath dieser bekannten Gartenpflanze
war bisher unbekannt geblieben.
Die in Kleinasien, Persien und dem nordwestlichsten Theile von Vorderindie#
cinheimische Luzerne (Medicago sativa L.), welche nach den Angaben griechische
und römischer Autoren im 5. Jahrhundert v. Chr. aus Medien nach Europa 8°
langte, wie ja auch der griechische und lateinische Name andeutet, scheint de?
Aegyptern bis in die neuesie Zeit unbekannt geblieben zu sein. In Süd-Arabie”
wird die Pflanze vielfach als Futterkraut angebaut und an der süd-arabische?
Küste nennt man sie ,Gadhub*. Die Araber erhielten die Pflanze aus Persie?
Die Luzerne wird gegenwürtig in Aegypten allgemein ,berssim hegiási*, d. b
„arabischer Klee“ genannt und ist wahrscheinlich erst seit den Feldziigen gege"
die Wahabiten daselbst bekannt geworden. Indess wird der oben erwühnte süd*
arabische Name Gadhub in den ügyptischen Oasen, wie in denen Tripolitanier*
(selbst in Kauar), allgemein angewendet.
Obgleich Syrien, als das nächte Nachbarland, von jeher mit Aegypten eine”
regen Verkehr unterhalten haben muss, so reichen die Cultur-Entlehnung??
syrischen Ursprungs, auch die aus zweiter Hand vermittelten, nicht in ein $?
hohes Alter zurück, wie diejenigen Babyloniens. Die mittleren Euphratlánde?
waren es, welche, wie bereits erwühnt wurde, schon in vorgeschichtlicher Zeit de?
Aegyptern Emmer, Weizen und Gerste geliefert haben, vielleicht auch die Linse?
(Lens esculenta Mnch.).
Auch Persien tritt bereits in ältester Zeit mit einer sehr bezeichnenden Gabe
in den Haushalt der Aegypter. ' Es is das bekannte Fürbemittel der Hände, Nägel
und Haare, die „Henna“ (Lawsonia inermis Lam.), die „Kypros“ des Dioscoride®
(Diosc. I. 124), „Kopher“ des Hohen Liedes (I. 14), und noch heutigen Tages v0"
den Nubiern ,Chofreh* genannt. Die Heimath?) dieses Strauches mag wobl
eher Vorder-Indien gewesen sein, aber zahlreiche Umstünde sprechen dafür, da$$
das alie Persien bei seiner Verbreitung die erste Vermittlerrolle gespielt habe?
muss.
Wenn man den bestimmten Aussagen verschiedener Reisender trauen dar
so war Persien oder der Nordwesten von Vorder-Indien auch das Ursprungsland
eines anderen, seit den ältesten, durch Inschriften beglaubigten Zeiten in Aegypté*
eingebürgerten Fruchtbaums, des Granatapfels (Punica Granatum L), Alle”
dings sprechen auch gewichtige Gründe dafür, dass der ,Punische Apfel“, der de”
Römern durch die Karthager bekannt wurde, in Urzeiten mit manchen andere?
Gewächsen aus der südarabischen Region zu den nördlichen Semiten gelangt
vielleicht auch schon in Gemeinschaft von Persea und Sykomore nach Aegyple?
Zwar hat man den wirklichen Granatapfel in diesen Gegenden noch nirgends wild
1) Plinius Hist. XXVII 5. Dioscorides III. 22.
2) Emin Pascha verdanken wir eine Angabe über wildes Vorkommen von Lawson?
im Osten vom oberen Bahr-el-Gebel (Latuka-Gebiet), aber diese Thatsache ist noch
durchaus zweifelhafter Natur (Emin Pascha, eine Sammlung u.s. w. S. 251, 400).
358)
(659)
getroffen, allein auf der Insel Socotra wächst die einzige bekannte wilde Art der
Gattung, die Punica Protopunica Balf. f."), welche von den heutigen Formen
der Culturpflanze, nach dem zu urtheilen, was ich in Socotra sah, eigentlich nur
durch die Blätter verschieden ist. Auf die Merkmale der Frucht möchte ich in
diesem Pare nicht allzuviel Gewicht legen.
Mit der altpersischen Eroberung Aegyptens dürfte auch das Auftreten des
Nelumbium speciosum W. zusammenfallen. Diese Pflanze scheint seit jener
Zeit als der ächte Lotus angesehen worden zu sein.
Vor der persischen Epoche finden sich als Lotus nur die zwei Nymphaea-
Arten, die der Flora des Nils noch heute angehören, auf den Tempelbildern und
m den Gräbern dargestellt. Der asiatische Lotus (Nelumbium) ist in Africa
Migends wild. Er verdringte als symbolische Zierpflanze den einheimischen und
ward demselben substituirt. Da der Lotuscult des Nelumbium in Indien seinen
Mittelpunkt hatte, so lässt sich auch in diesem Falle eine Vermittlerrolle Seitens
der Perser voraussetzen. |
. In die darauf folgende Periode der ägyptischen Geschichte, in die griechisch-
Lomische Zeit, fällt die Einführung zweier der heute noch in Aegypten meist ver-
breiteton Fruchtbäume, des Pfirsichs und der Aprikose, bei denen die persische
Vermittelung noch deutlicher hervortritt, wennschon auch Syrien dabei die Hand
DA Spiele gehabt haben muss. Den genannten Obstbäumen sind als eigentliche
Hleimath jene central-asiatischen Gebiete anzuweisen, in welchen die chinesische
Dulturwe]t mit der indischen und persischen Fühlung gewann, allerdings erst in
lerhältnisemässig später Epoche. Die aus Persien stammende Quitte (Cydonia
"ulgaris Pers.) ist in den Gärten Unter-Aegyptens seit langer Zeit verbreitet, aber
daselbst wohl neueren Ursprungs, als Pfirsich und Aprikose.
Die grosse indische Culturwelt war in ihren Beziehungen zu Aegypten nicht
allein auf die persische Vermittlerrolle angewiesen, da offenbar spätestens seit der
Plolemäerzoit der Seeweg offen stand; ausserdem aber bildete ja auch die
“tabische Halbinsel, und zwar nicht nur in ihrer Diagonale über Maskat, ein
Mittelgtied. Guillain in seinem historisch-geographischen Werke über Ostafrika
( P. 35—39) betrachtet die Araber als die ersten Seefahrer des Indischen Oceans,
nd gewiss waren sie auch hier, wie auf den Landwegen, die Handlanger des
Welthandels der Phónicier. Es musste jedem, der sich aufs Meer getraute, bald
"leuchten dass die grosse Regelmässigkeit der Monsun -Winde die leichte Ver-
bindung zwischen Indien und Africa längs der arabischen Küste ausserordentlich
forderte Der günstige Windgott belohnte hier jedes Unternehmen gleichsam mit
‘item freien Retourbillet. oo
Indien muss allerdings schon in sehr alter Zeit mit Ost-Africa in Verkekr ge-
Ständen haben. denn die Herkunft einer Anzahl ächt indischer Culturgewächse
là St sich nur aus dem tropischen Africa ableiten, wenn man auf den Umstand
Wrhaupt Werth legen will, dass die nüchstverwandten congeneren Arten der
Wildniss in Africa zu Hause sind und nicht in Indien. Dies ist in erster Linie
der Fall mit den im iropischen Africa so weit verbreiteten wilden Reis (Oryza
Pünetata Ky), der sich von vielen angebauten Formen des Reis (Oryza sa-
ia L.) durch Merkmale von specifischem Werthe überhaupt nicht unterscheiden
d Sesamum ist eine andere Gattung, deren sümmtliche Arten der Flora des
OPischen Africa angehôren, darunter einige der Culturart (Sesamum indicum L.)
1) Vergl. J. B. Balfour, Botany of Socotra, p. 93—96.
49 *
(660)
nahe stehende Formen. Andropogon Sorghum Brot., die Mohrhirse, hat ein®
ganze Reihe den Culturformen durchaus nahestehender wilder Vertreter in Afric?
. Zu dieser Kategorie der tropisch-afrikanischen Entlehnungen, auf dem räumlich
wie zeitlich so unendlich weiten Umwege über Indien, gehört vielleicht auch da®
Zuckerrohr") (Saccharum officinarum L.), die Eleusine coracana Gaert™
und die Vigna sinensis Endl., deren Ableitung aus indischen Stammarten bishe!
eine grössere Berechtigung zu haben schien.
Indien scheint demnach in den alten Zeitabschnitten eine ähnliche Vermittler
rolle auf weitem Umwege gespielt zu haben, wie im 16. Jahrhundert Constantinope!
(d. h. wohl eher die venetianischen Colonien Candien, Cypern, Rhodos u. a.) 1m
Austausch amerikanischer Cultur-Novitäten an West- und Nord-Europa („Mais“ —
türkischer Weizen, „granturco“; Puterhahn — „turkey“ u. dergl.).
Der Sesam muss, den Erwähnungen desselben bei Theophrast und Dioscorides
zufolge, in griechischer oder vorgriechischer Zeit von Indien nach Aegypten 8°
langt sein. Plinius (XVIIT, 10) behauptet diese Herkunft ausdrücklich. Aller Wahr*
scheinlichkeit nach fällt in dieselbe Zeit auch die Einführung des Indigo (Indig0”
fera argentea L.) als Culturpflanze?), bezw. seine Heranziehung aus der ein
heimischen Flora für die Bodencultur, wenn das letztere nicht eher den Araber?
der Chalifenzeit zu verdanken war. Der Mohrhirse und Kolokasia ist bereits g€*
dacht worden.
Während der römischen Kaiserzeit gelangte der „medische Apfel“, heute
„Cedro“ der Italiener (Citrus medica Risso) nach Syrien und Aegypten, um als
bald weiter nach Süd-Europa (im 3. Jahrhundert in Italien) übermittelt zu werde?
Diese Art wird ebenso, wie die süsse Citrone (Limetta) und die kleine Limon®
der Araber, als der Flora des subalpinen Vorder-Indiens (Süd-Himalaya) angehörlg
betrachtet, Dass Persien und Medien oder Mesopotamien die Verbreitung des
Baumes nach Westen vermittelt haben, geht aus der Namengebung bei den alter
Schriftstellern hervor („medischer“, „persischer“ und „assyrischer“ Apfel).
Die arabische Chalifenzeit ist reich an indischen Einführungen in Aegypten
und hier betreten wir beglaubigt historischen Boden. Der Reis, das Zuckerroh?
der weisse Maulbeerbaum, die Cassia Fistula L., die Banane (Musa sapien-
iium L.), die Pomeranze*) (Citrus Bigaradia Duh.) und die kleine Limon?
(Citrus Limonum Risso, var. pusilla Risso), schliesslich eine Anzahl beliebte!
Zierpflanzen, unter ihnen Jasminum Sambac L. und J. grandiflorum L. ge
hôren dieser Periode an, in welcher Aegypten nicht nur der empfangende Theil
war, sondern auch den weiteren Vermittler nach Europa spielte.
Die süsse Orange (Citrus Aurantium Risso) hat sich nach A. de Candolle
1) Ritter’s klassische Studie über die geographische Verbreitung des Zueckerrohr®
hat vor einem halben Jahrhundert den Nachweis der indischen Heimath dieser Pflanz®
erbracht, aber A. de Candolle (Origines, p. 122— 127) hat in dieser Frage panz neu?
Gesichtspunkte aufgestellt und die Herkunft des Zuckerrohrs aus Süd-Ohina oder aus
Hinter-Indien in hohem Grade wahrscheinlich gemacht. Hinter-Indien Scheint ein áhn*
liches Hinterland der Cultur für Vorder-Indien gewesen zu sein, wie Süd-Arabien für
Aegypten.
2) Theophrast (V, 107) spricht von einer wildwachsenden Form, während Pliniu®
(XXXV, 12 und 25) nur des Indigos als Drogue Erwähnung thut. Hinsichtlich der Cultur
der üchten Indigofera tinctoria L. in Aegypten fehlt es an Belegen. Die heute in Aegypte?
angebaute Art ist im wilden Zustande der desertischen Flora, sowohl Aegyptens und
Nubiens, als auch des nordwestlichen Indiens eigen.
3) Nach Massudi über Maskat im 10, Jahrhundert,
EDS
(661)
Süd-Europa seit dem Beginn des XV. Jahrhunderts zu verbreiten begonnen,
Sicher noch, wenn auch nur kurze Zeit, vor den grossen Seefahrten der Portu-
Slesen, Dennoch hat man die letzteren als hauptsichliche Pfleger und Verbreiter
dieser Königin der Früchte anzusehen, denn sowohl in Aegypten und Syrien
Gbortugán y" als auch in Italien (,portogallo^), benennt man sie nach dem glor-
lehen Volke. Als Heimath der Orange ist mit grosser Wahrscheinlichkeit das
Nidliche China oder Hinter-Indien zu betrachten. Wahrscheinlich wurde sie über
KOrder-Indien weiter nach Westen und wohl nur vermittelst Samenzusendung nach
NA forigepflanzt, da ihre Cultur in Aegypten und Syrien keine Etappe gemacht
di haben Scheint, wie bei anderen Arten dieser Familie. Das Gesagte gilt auch für
di Sewühnliche Citrone (Citrus Limonum Risso, var. vulgaris Risso), während
de. Süsse Citrone (var. dulcis Moris) wohl schon im arabischen Mittelalter an
ên Ni] gelangt ist. | |
sta Aus Indien brachten auch die Araber den von der Subhimalaya- Region
hi, senden Cassiabaum (C. Fistula L.) der heute noch in Unter-Aegypten ziemlich
ig anzutreffen ist. Die gleichfalls subhimalayische Cordia Myxa L. gehört
A dgyptischen Gärten wohl schon seit der griechischen Zeit an, während die
acia Farnesiana W., welche J. D. Hooker als indischen Ursprungs betrachtet,
Melleicht erst nach Beginn der türkischen Epoche eingeführt wurde.
z Die neueste Errungenschaft der ägyptischen Cultur aus Indien ist seit etwa
ji hundert Jahren der jetzt so massenhaft verbreitete und. bereits den landschaft-
B Charakter von Unter-Aegypten modificirende Alleebaum Albizzia Lebbek
das | der mit dem auf ihn übertragenen altarabischen Namen „lebbach“ gleichsam
% Erbe der ausgestorbenen Persea-Cultur angetreten hat.
vo Syriens anscheinendes Fernbleiben bei den ältesten Cultur-Entlehnungen war
actin erwähnt worden. Naturgemäss muss bei allem typisch Mediterranen in
des Pten zunächst die Annahme eines syrischen Ursprungs sich uns anfdringen,
fo ein grosser Theil der syrischen Flora ist entschieden süd-europäiseh-medi-
d, en Charakters, wührend die Nilflora, selbst die im Delta und an der Küste
il, Nilmüngungen von diesem Typus nur Geringes aufzuweisen hat. Einige der
von ägyptischen Culturpflanzen mögen aber bereits zur Zeit der ersten Dynastien
Sa Syrien aus Unter-Aegypten erreicht haben. Linsen (Lens esculenta Mch.),
à, ohne (Vieia Faba L.) und Coriander (Coriandrum sativum L.) sind wenigstens
as Grüberfunde schon aus der Zeit der XI. Dynasüe nachgewiesen und diese
Die Sehóren in die Kategorie der Pflanzen von ausgeprägt mediterranem Typus.
Witt Saubohne ist nach de Candolle’s Ansicht von einer wilden Wickenart des
Ung eergebiots, Vicia narbonensis L., abzuleiten; aber F r. Kôrnicke, ‚dessen
der Sil ebenso maassgebend für die Cultur-Leguminosen 1st, wie für das Heer
ney Cerealien, schliesst sich dieser Meinung durchaus nicht an. Vicia narbo-
Pn, Ll. erscheint schon auf den ersten Blick als eine gänzlich verschiedene
mé und, bei näherer Betrachtung der Kinzeltheile, drängen sich zahlreiche,
der Sicht zu überwindende Schwierigkeiten auf, die gegen die Vereinigung mit
aubohne sprechen. Allerdings ist die genannte Wicke!) noch heute als ge-
zu ù Ich muss an dieser Stelle die einheimischen Namen anführen, die allerdings viel
gin, ten geben. In Aegypten nennt man heute die Vicia Faba L. ,fül*, im Jomen
Eh, ; in Abessinien aber, in Tigrinia ,ater bahri* oder ,ater báhari*, d. h. die bá axi-
li (ater in Tigrinia und in Jemen — arabisch ,áter^ oder „ätar“, attar heisst die
Sauboh Pisum sativum L.); bâhar ist also wahrscheinlich der altsemitische Name für die
dag Delt, und dieses Wort ist heute noch in Aegypten bei den Fellahen des Fajum un
a fiir Vicia narbonensis L. in Gebrauch, es lautet daselbst: „bächer“.
008
(t 0s
legentliches Unkraut in den Saubohnen-Feldern Aegyptens, und zwar nur in ihne»
ziemlich häufig.
Hier stösst unsere Betrachtung auf die wichtige Frage nach dem Ursprung
einer grossen Anzahl ägyptischer Feld-Unkräuter, die dem ichten Mittelmeer"
Typus angehören. Dieser letztere ist auf den Aeckern der ägyptischen Oasen der
Libyschen Wüste in grösserer Zahl vertreten, als auf denen des Nilthals, und
man hat daran die Vermuthung einer von Aegypten unabhängigen Einführun$
des Ackerbaues in die Oasen geknüpft. Im Nilthal sind es vor allem die viele?
Leguminosen des Mediterran-Typus (z. B. Pisum sativam L., Vicia sativa p., diê
im eigentlichen Aegypten nicht angebaut werden und wahrscheinlich auch nicht
wurden), welche in Betracht kommen, wenn von Syrien die Rede ist, denn viele
derselben lassen sich nicht ohne Weiteres aus dem ursprünglichen Stammlande
der Getreidearten, wenn man dasselbe auf Babylonien beschränkt, herleiten.
Unger (in Sitzb. d. Ak. d. Wiss. Bd. LIV. S.10—13. Wien 1866) fand
einem Luft-Ziegel der aus der V. Dynastie stammenden Ziegelpyramide vof
Daschür zwei Cotyledonen einer Leguminose, die er mit Pisum arvense L. (= P.
sativum L.) identificirte, desgleichen eine Blattranke, die er als zur Vicia sativa L-
gehörig erkannte. Wenn man auch für die erstere Pflanze Vicia narbonensis D
und für die zweitgenannte Vicia calearata Df. substituiren wollie, so würde aus
diesen Funden immerhin doch mit ziemlicher Sicherheit hervorgehen, dass bereit®
im dritten bis vierten Jahrtausend vor Christo im Nilthale Ackerkräuter von aus
geprügtem Mediterrantypus verbreitet waren.
Unter die Pflanzen mediterranen Ursprungs wird auch der ägyptische Kümmel
(Cuminum cyminum L.) und der ägyptische Lattich (Lactuca Scariola L. var
sativa B.) zu zühlen sein, eine der ältesten Culturpflanzen des Nilthals, da die
bis in die XVII. Dynastie hinaufreichenden Darstellungen auf Tempelbildern keine
Missdeutung zulassen und die eigenthümliche ägyptische Culturform dieser Pflanze
auf eine lange Einbürgerung deutet. Als Unkraut allgemein verbreitet sind ferne!
in ganz Aegypten die wilden Cichorien (Cichorium divaricatum Schousb-}
welche sich zu den Culturarten C. Intybus L. und C. Endivia L. gerade so v€
halten, wie die wilde Lactuca Scariola L. zu Lactuca sativa L.
In einem gleichen Verhältniss zu einander stehen auch die wilde und die ar
gebaute Mohrrübe (Daucus Carota L.), welche, wie der ägyptische Lattich und
der ägyptische Rettich, eine durchaus eigenartige Form in Aegypten aufweist, -
Zeichen sehr alter Cultur. Die wilde oder verwilderte Mohrrübe in Aegypten hat
den Stempel einer eigenen Art (Daucus maximus Desf), welche in Grieche
land, Syrien und West-Persien verbreitet ist, und man kann diese letztere als die
Stammform der ügyptischen Culturvarietüt betrachten. Wie in Europa und i
mediterranen Orient lassen sich die wilden und verwilderten Formen der Mob”
rübe auch in Aegyplen nur sehr schwer auseinanderhalten.
Wann sind diese Unkrüuter der Mediterranregion in's Land gekommen? |
Eines der am meisten charakteristischen, Medicago hispida Urb. (die F orm
M. denticulata W.), ist für das ägyptische Alterthum durch einen Ziegelfund aus
der ältesten Pyramidenzeit (Ziegelpyramide von Daschür) nachgewiesen.
Für die engen Handelsbezichungen, in welchen Aegypten mit Syrien bereiß
im mittleren Reiche gestanden haben muss, sprechen auf's Ueberzeugendste die
vielen aus Fóhren-, bezw. Pinienholz verfertigten Gegenstände (Särge u. A.), die aus
jener Zeit stammen und von denen mehrere im ägyptischen Museum zu Berl?
aufbewahrt werden.
Besonders stark aber muss sich der syrische Einfluss erst im neuen Reich®
662)
(663)
Seltend gemacht haben, in der sogenannten semitisirenden Epoche. Zwei ächt
Yische Acker-Unkräuter, Delphinium orientale Gay und Centaurea depressa
M. Bieb., finden sich mit Beginn der XVII. Dynastie wiederholt in den Todten-
tud "Zen (Blumengewinden), die zur Ausschmückung kóniglicher Mumien dienten.
Die genannten beiden Pflanzen, der Rittersporn und die Kornblume, die gegen-
Wartig aus Aegypten verschwunden sind, mögen damals unter dem Weizen und
der Gerste als Unkräuter vorhanden gewesen sein, wie es ihre Art mit sich bringt.
Eine andere Pflanze, die heute noch in allen arabischen Gärten des Landes so
sui wie verwildert auftritt, die Alcea ficifolia L., ist gleichfalls den erwähnten
Todtenkränzen eigen.
Als mit Beginn des neuen Reiches die Völkerzuzüge über die Landbrücke
Yon Sues häufiger wurden, müssen auch die Gelegenheiten zur Einschleppung von
Âcker-Unkräutern zugenommen haben. Noch heutigen Tages lassen sich diese
Vôlkerstrassen durch das -mehr oder minder weite Ein- und Vordringen der
Pflanzen der óstlichen Regionen aus den topographischen Einzelheiten des jetzigen
Plorenbestanaos von Aegypten nachweisen *). m
Der Oelbaum (Olea europaea L.), welcher nach dem Zeugniss der griechischen
Schriftsteller so vorirefflich in Aegypten gedieh und sich auch heute noch in
Unter-A esypton und namentlich in den Oasen vielfach angebaut findet, muss
Sp ätestens nach den Eroberungszügen der XIX. Dynastie in Aegypten eingebürgert
Worden sein. Die schriftlichen Urkunden der Aegypter ertheilen der Kenntniss
des Oelbaumes ein weit hóher hinaufreichendes Alter. Unzweifelhaft war Syrien
das érste Land, wo der wilde Oelbaum in Cultur genommen und veredelt wurde,
Bevor die Griechen denselben weiter vermittelten ®). |
D Eine ursprünglich syrische Pflanze ist auch das grosse Schilfrohr (Arundo
Onax L.), welches sich neben dem wilden gewöhnlichen Schilf (Phragmites
‘ommunis Trin.) in Unter-Aegypten verbreitet hat, jedenfalls auch in Folge
"on Anpflanzung aus älterer Zeit. |
. Bei Zunahme des Weltverkehrs in der griechischen Zeit wurde Syrien noch
iger mit Aegypten verkettet und manche pflanzliche Erwerbung gehört dieser
Epoche an, wo abermals neue Sitten und Anschauungen am Nil zur Geltung ge-
ten und den alten hinzugefügt wurden. Die Griechen waren die Verbreiter
tes Rosencults, der mit den griechischen Colonien bereits frühe Eingang in
‘alien fand. Wenn auch anzunehmen ist, dass die Centifolie als abgeleitete
Clty der ebenfalls in Vorder-Asien wie in Siid-Europa wildwachsenden Rosa
Sallica L, zuerst an den Küsten von Klein-Asien?) aufkam, so ist eine Be-
ung y Vergl. P. Ascherson, Florula Rhinocoluraea, in Mém. Institut Egypt. H. p. 781,
Y à ehweinfurth, Sur la flore des anciens jardins arabes, in Bull Inst. Egypt. 1888.
) .
Ara) Obgleich den alten Hebräern längst bekannt, ist der Oelbaum im glücklichen
iss doch so gut wie unbekannt und daselbst nur in wenigen Gärten neuesten (tür-
"A en) Ursprungs zu finden. Der in den Gebirgen von Jemen, sowie in ganz Abessiuion
wp, tete, oft Bestand bildende wilde Oelbaum (Olea chrysophylla Lam.) ist zwar de
Merle Art sehr ähnlich, doch nicht vou genügend specifischer Uebereinstimmung d “
(alt Male, um als Stammvater des europäischen Oelbaums gelten zu können. Dom süd-
Abe) rabischen Namen ,'attümm* oder , óttümm* von heute steht e e ron
Vion der an unser ,Olea* anklingende Name ^ auleh Do le gegen m
Da, d der Baum im Tigré und im Ambarenia .Wogera* oder ,Wogra^ gena .
Cultivirte Olivenbaum ist auch in Abessinien unbekannt. |
Y 3) Bereits Archilochus, 100 Jahre vor Chr., hat Rosen und Myrten besungen. Vergl.
' Hehn, Culturpflanzen. 1883. S. 201.
E
(664)
theiligung semitischer Völker an diesem Cult und an dem Aufbringen diesel
Cultur doch so gut wie ausgeschlossen, und man muss sich hierbei nicht von dem:
durch die Griechen selbststindig entwickelten Adonis-Cult umd -Klage beirre?
lassen, wenn man diese semitische Idee") so háufig mit Rosen uad Rosenbau !”
Verbindung gebracht sieht. Auch die alten Hebräer kannten die Rose nicht. DIE
Rose der Gürten (R. centifolia L.) war jedenfalls auch den Aegyptern in vof
griechischer Zeit fremd. Gartenrosen hat man erst in Gräbern aus ältere”
römischer Kaiserzeit gefunden und diese?) waren identisch mit einer noch heute 12
Abessinien im angebauten Zustande, und zwar nur bei Kirchen, angetroffene?
kleinblüthigen Form, der R. sancta Rich., welche Crépin gleichfalls für eine
Form der Rosa gallica L. hält. Das alte Abhàngigkeitsverhüliniss der abess!”
nischen Kirche von der koptischen Aegyptens erklärt das Erhaltensein dieser
Relictform der fritheren Rosenculturen am Nil. Für die Centifolie eine noch ut
entdeckte oder schlecht gekannte Rosenart in den Gebieten von Nord-Syrien und
Armenien als Stammpflanze vorauszusetizen, ist nach allen bisherigen Ermittelunge?
durchaus nicht geboten.
Syrien hat aber zur rümischen Zeit Aegypten mancherlei geliefert, was de!
damaligen Geschmacksrichtung entsprach, so namentlich die in früheren Epoche?
unbekannten Myrien (die beim Todtencult der Syrer noch heute eine Rolle
spielen), welche nebst Origanum Majorana L., einer anderen syrischen Pflanze
sich in grosser Menge in den Grübern?) jener Zeit (2. bis 3. Jahrhundert n. Chr
vorfinden. Auch ist damals der schwarze Maulbeerbaum (Morus nigra L.) eingeführi
worden, wahrscheinlich auch der Lorbeer (Laurus nobilis L.), dessen Blätter
gleichfalls beim Todtencult der römischen Gräber von Hawara Verwendung g€
funden haben, neben Majoran und Myrten. Aepfel-, Birnen-, Mandelbäume und
eine Pflaume (Prunus divaricata Led.) mógen auch dieser Epoche angehürel
indess haben sie in Aegypten nie eine grosse Rolle gespielt und fristen am Nil
ein gleichsam nur geduldetes Dasein.
Nord-Syrien ist pflanzengeograpisch den südlichen Landestheilen schon gewissel”
massen entrückt. Es lässt sich von den anstossenden Gebieten Klein-Asiens und
Armeniens nicht recht trennen. Dennoch müssen wir diese Region, die den Schwer"
punkt des Reiches der Cheta enthült, für sich betrachten, um eine andere Gruppe vo?
fremden Cultur-Beeinflussungen Aegyptens nicht unerwühnt zu lassen. Sehr wichtige
Nutzpflanzen der ältesten Epochen müssen aus diesem Gebiete ihren Ursprung
genommen haben, in erster Linie die Weinrebe (Vitis vinifera L.), in zweiter de!
Lein (Linum usitatissimum L.). Die ursprüngliche Verbreitung des wilden Weil
stocks war in den Zeiten der frühesten Práhistorie wohl eine sehr grosse, gróssel
wahrscheinlich, als das heute für die eigentliche Heimath desselben angesehen?
Gebiet umfasst, so dass Völker sehr verschiedenen Ursprungs in der Lage waren
ven diesem Geschenk der freien Natur bei Zeiten Gebrauch zu machen und durch
Pflege und Anbau dasselbe schon in den ältesten Zeiten zu verbreiten,
Zwei Feldgewächse Aegyptens ferner, die Kichererbse (Cicer arietinum L-)
und die Platterbse (Lathyrus sativus L.), letztere jetzt mehr als Unkraut, denn als
1) Als solche schwebte sie noch den Dichtern der römischen Kaiserzeit vor, vergl
Ovid Artis amat. 1. I, 75.
2) Vergl. P. E. Newberry in Flinders Petrie, Hawara, London 1889, S. 58, und
Fr. Crepin in Comptes rendus. Soc. Botan. de Belgique. 1888. p. 188—191.
9) Vergl. Figari, Studii scient. sull Egitto, p. 220, Newberry in Flinders Petrie
Hawara, S. 51, und Schweinfurth in Petermann’s Mitth. 1890. S. 54.
(665)
Gegenstand des Anbaus, haben gleichfalls, wie Lein und Rebe, ihre Heimath im
“rmenisch-caspisch-pontischen Gebiet. Die Zeit ihrer Einführung ist zweifelhaft.
Die Kichererbse galt schon bei Beginn der christlichen Zeitrechnung für ein ägyp-
tisches Bodenprodukt. E
Der Rettich (Raphanus sativus L.), welchen die Aegypter in einer von der
UnSerigen sehr abweichenden Spielart cultiviren, ist wahrscheinlich auch in der
fordsyrisch-armenischen Region zuerst als Culturpflanze aufgekommen. Die Römer
Sollen ihn, nach V. Hehn, unter den ersten Kaisern als ,:adix syriaca^ aus Syrien
®rhalten haben. Herodot's Angaben über den Rettich als Speise der Pyramiden-
érbauer haben wenig Ueberzeugendes für eine Zeit, die von der seinigen um
Mindestens zwei Jahrtausende abstand. Die als Rettiche gedeuteten Abbildungen
auf alten Tempelbildern sind noch zweifelhafterer Natur).
Eine wichtige Pflanze aber, die gewiss bereits in sehr alter Zeit von den
Aegyptern angebaut worden ist, der Saflor (Carthamus tinctorius L.), muss zuerst
Ws dem nördlichen Syrien und aus Armenien in die Cultur eingeführt worden
Sein, denn hier findet eine wilde Art dieser Gattung, die man mit einem hohen
Grade von Wahrscheinlichkeit als die Stammform des Saflors betrachten kann,
de ? Carthamus flavescens W.?), sein Verbreitungscentrum. Saflorblüthen fanden
Sch in den Blumengewinden von Mumien der XVIII. Dynastie. Die alte Cultur
dieser Pflanze in Aegypten wird auch durch eine lange Reihe von Formen wahr-
SCheinlich gemacht, die sich hier aus der angebauten Pflanze herausgebildet haben
"hd die man in anderen Ländern vermisst. Solche Spielarten finden sich häufig
anf den Feldern Aegyptens und scheinen eine Tendenz des Zurückschlagens in
die wilde Stammform zu bekunden, angedeutet durch sehr dornige Formen mit
Pappusgekränten Achaenien, welche unter den wehrlosen und vôllig pappuslosen
“erstreut auftreten.
Der Mohn (Papaver somniferum L.) war sicher schon zur rómischen Zeit in
Aegypton Gegenstand des Feldbaues. Ueber die Heimath dieser Pflanze und die
früheste vorhomerische Geschichte seines Anbaues schweigen die Documente.
Der Beweis der Ableitung des zur Gewinnung von Opium angebauten Mohns von
eIner Süd-europüischen oder vielmehr einer Art des westlichen Mediterran-Gebiets,
(P. Setigerum DC.) ist nicht genügend erbracht?); übereinstimmende wildwachsende
Formen sind nicht bekannt. Nach Flückiger tritt der Mohn mit seinem Saft als
Zweck der Cultur in der Geschichte zuerst in Kleinasien auf. Afiün-Kurahissar
Opium x ) heisst daselbst heute noch eine Stadt.
I D Unger (in Sitzb. der Akad. d. Wiss. Bd. LIV. S.97. Wien 1866) will in einem
t-Ziegel der Ziegelpyramide von Daschür auch Samen von Raphanus Raphanistrum L.
Sefunden haben, — jener Art, die bei uns für die Stammpflanze des Rettichs gilt. Die
Seuannte Art ist aber im heutigen Nilthal nicht vorhanden und wurde erst in allerneuester
Zeit von Letourneux und von Ascherson an der Küste bei Alexandrien aufgefunden;
Such ist der Nachweis, dass die Schotenstückchen, die Unger fand, zur genannten Art
Sehôrten, von ihm nicht genügend erbracht.
2) Die von mehreren Autoren (A. de Candolle, Boissier, C. B. Clarke u. A.) befür-
Wortete Ableitung des Saflors von dem nordwest-vorderindischen Carth. oxyacantha M. B.
Müss aus botanischen Gründen der Affinität aufgegeben werden. Gegen den indischen
Ursprung der Culturpflanze führt George Watt (Dictionary of the Econom. pr. of Iudia.
‘ol, II, p. 184) auch den Umstand an, dass der Gebrauch der Saflorblüthen als Farbstoff
‘À Indien erst ganz neuen Ursprungs ist.
dies 3) Heer, Pflanzen der Pfahlbauten, S. 32, 33, blieb den Nachweis schuldig, dass
9 Art dort wirklich Gegenstand des Anbaus war.
(666)
Kine grosse Rolle spielten im alten Aegypten die auch heute so hoch ge-
schätzten Zwiebelgewächse. Als Volksnahrung, wie als Symbole glücklicher Vor-
bedeutung immer noch in hohem Ansehen bei den Aegyptern, zählten sie im
Alterthum zu den geheiligten Gewächsen: die eigentliche Zwiebel (Allium Cepa LJ;
der Lauch (Allium Porrum L.) und der Knoblauch (Allium sativum L). Hur
sichtlich ihrer Herleitung von wilden Stammpflanzen gehören sie zu den am
schwersten zu ermittelnden Gewüchsen. Wenn ich sie an dieser Stelle erwähne;
so môchte ich damit bekunden, dass nach meinem Dafürhalten die vorder-asiatische
Region ein besonderes Anrecht auf sie hat. Vielleicht sind diese Arten bereits
seit den Zeiten der Einführung der Getreidepflanzen in Aegypten?
Die klein-asiatische Halbinsel, insonderheit Karamanien, hat wohl schon in
der vorgriechischen Epoche Aegyptens mit diesem Lande Seeverkehr unterhalien,
aber erst die letzten Abschnitte seiner Geschichte, von der byzantinischen Zeit an
gerechnet, haben hier einen beständig regen Austausch zu Wege gebracht. In
noch höherem Maasse gilt das Gesagte für die Balkan-Halbinsel. Die über-
völkerten Inseln des Peloponnes kamen für die Entlehnungen des Acker- und
Gartenbaues wenig in Betracht.
Zwei der heutigen Tages wichtigsten Feldgewächse Aegyptens, der ägyptische
Klee (Trifolium alexandrinum L.) und die Termis-Lupine (Lupinus Termis Fk.)
sind von keinem anderen Gebiete herzuleiten, als von der Balkan-Halbinsel. Beide
Arten sind in Aegypten sicherlich erst neueren Ursprungs, namentlich der Klee,
der wahrscheinlich erst zur byzantinischen (vielleicht schon zur Ptolemäer-) Zeït
an den Nil gelangte, wo derselbe gegenwärtig das Universal-Futterkraut aus-
macht. Der heutige arabische Name‘) scheint bei Beginn der arabischen Epoche
von der den Arabern bekannten Linse auf den Klee übertragen worden zu sein.
Als Stammart des ägyptischen Klees hat man mit E. Bois sier, der für die spe-
cifische Identität beider Pflanzen einstand (Flora Orientalis Vol. II. p. 127),
das in Thracien wild vorkommende Trifolium constantinopolitanum Ser. zu be-
trachten.
Schwieriger gestaltet sich die Ableitung des Termis von dem Lupinus
albus L., der, in Griechenland cultivirt, sich gleichfalls in angeblich wildem Zu-
stande in Thracien vorfindet. Die Annahme, dass diese Pflanze erst durch die
späteren Griechen nach Aegypten gebracht wurde, wird durch den Umstand wahr-
scheinlich, dass sie in diesem Lande nur unter dem griechischen Namen („termis“
= Séppoc) bekannt ist.
Einen ühnlichen Fingerzeig liefert der Name, den die Petersilie (5 baqdünis^)
in Aegypten führt, weleher von den Sprachforschern mit Macedonien in Ver-
bindung gebracht wird. Ich fand Petersilie in der höheren Gebirgsregion des
glücklichen Arabiens bei 2500 m Meereshóhe auf cultiviriem Boden wie Unkraut,
konnte aber daselbst weder einen einheimischen Namen noch eine Nutzanwendung
im Haushalte der Bewohner nachgewiesen erhalten.
Sehr viel angebaut sind in Aegypten die wohlriechenden Münzen, namentlich
Mentha piperita L. und Mentha sativa L. Beide müssten nach sonstigen An-
zeichen als aus Europa hersiammend betrachtet werden, obgleich die erstgenannte
Art, wie ein Gräberfund beweist, schon in vorpersischer Zeit, vielleicht bereits
unter der XXI. Dynastie am Nil angesiedelt war.
1) „berssim“. In dem alt-arabischen Dialect von Jemen heisst die Linse heute „belssin“,
desgleichen in den semitischen Sprachen des närdlichen Abessiniens (Tigré und Tigrinia)
„börssen“. Das heutige „ads“, das in Aegypten für Linsen in Gebrauch ist, hängt hin-
gegen offenbar mit dem hebräischen „adaschim“ zusammen.
"saga
DU
(667)
Seit der türkischen Eroberung wurden die Beziehungen Aegyptens zur Balkan-
Halbinsel noch innigere, namentlich durch die Anwesenheit und Einbürgerung
Zahlreicher, aus den nördlichen Ländern stammender Kriegsleute, während bis
dahin wohl die Griechen von den Inseln, wie das übrigens auch heute wieder der
Pal ist, unter den fremden Ansiedlern weitaus vorgeherrscht haben werden. Die
Türken, Freunde des Gartenbaues und der Blumen, haben ihren Lieblingspflanzen
Am Nil neue Heimstätten geschaffen und seit vier Jahrhunderten die ägyptischen
Gärten zum Theil nach ihrem Geschmack umgemodelt. Bald nach Beginn
der Türkenherrschaft müssen auch die amerikanischen Gewächse ins Land ge-
kommen sein, indess wird ihre rasche Verbreitung wohl weniger den Türken und
den directen Verbindungen mit Constantinopel, als vielmehr der Vermittelung durch
die damals noch in so hoher Blüthe befindlichen venetianischen Colonien des
Orients Zu verdanken sein: Mais, Tabak”), der Liebes- oder Paradiesapfel (To-
Mate), der Cayenne-Pfeffer (Capsicum) und die süsse Batate (Ipomoea Ba-
latas Lam).
Italien, welches seine orientalischen Culturentlehnungen meist aus zweiter
Hand, durch Vermittelung der griechischen Welt, erhielt, war umgekehrt in der
Reihe der maritimen Nachbargebiete auch unter den letzten, die Aegypten mit
Neuheiten des Garten- und Feldbaues versahen. Der Gartenrosen aus der älteren
"mischen Kaiserzeit ist vorhin gedacht worden. In dieser Periode wurden auch
Zwei andere Arten, ausschliesslich italienischen Ursprungs, als Zierpflanzen in die
%yptischen Gärten eingeführt, wie die von Flinders Petrie bei Hawara (Fajum)
Semachten und von mir selbst untersuchten Grüberfunde beweisen: Lyehnis coeli
"08a Desr und das als Kranzblume unter dem Namen Helichrysos bereits von
Theophrast, Theokrit, Dioscorides und Athenaeus erwühnte Helichrysum Stoechas DC.
Auch der Lorbeer (Laurus nobilis L.) stammt vielleicht aus jener Zeit. Der in
Unter-Acsypten so florirende Orangenbau von heute, scheint, namentlich in An-
betracht des süd-italienischen Charakters der in den Orangengürten verbreiteten
Unkräuter?), ganz italienischen Ursprungs zu sein.
Indem ich bei Italien angelangt bin, habe ich den Rundblick über die
Wichtigsten Gebiete der alten Culturwelt, welche für die auswärtigen Beziehungen
des üevptischen Feld- und Gartenbaues in Betracht kommen, von der ältesten bis
Wf die Neuzeit vollendet. Die angeführten Einzelheiten liessen sich am besten
lécapituliren, wenn man sie als Zeitmarken auf dem weiten Rückwege zu den
Üültur-Anfángen Aegyptens in umgekehrte Beleuchtung stellen wollte. Was ich
bieten kann, wird Manchen als ein leeres Phantasma erscheinen, ein auf schwan-
Kenden Stützen ruhendes Luftgebilde. Aber nach dem Grundsatze, dass die
Ürkenniniss des Wahren eher aus Irrungen sich Bahn bricht, als aus der Ver-
Wirrung, wird der Versuch eines Schemas zum Wiederaufbau der ägyptischen
Geschichte, vermittelst der Culturgewächse, nicht gewagter erscheinen, als die
Zeitliche Abgrenzung der Erdgestaltungs-Perioden nach fossilen Einschlüssen. Ich
Deschrünke mich auf den allgemeinen Entwurf einer Zeiteintheilung der ägyptischen
Vergangenheit nach dem Auftreten der uns bekannten Culturgewächse:
. 1) Der Gebrauch des Tabaks verbreitete sich in diesen Ländern ebenso schnell, wie
de halbes Jahrhundert vorher der von Süden vordringende Kaffee. 1511, 6 Jahre vor
de. Eroberung Aegyptens unter Selim L, wurde in Mekka bereits das erste Verbot gegen
en Kaffeegenuss erlassen, der 1534 in Constantinopel seinen Einzug hielt.
» 2 Vergl. Schweinfurth Sur les anciens jardins arabes, in Bull Inst. Egypt. 1888
I. Periode der zurückkehrenden Cultur.
1. Abschnitt bis 1860, die letzte Zeit, in der wir Augenzeugen waren.
Einführung des Baumwollenbaues (Gossypium barbadense L.) im Grossen
Einführung der modernen Gartencultur West-Europas.
Einführung und Verbreitung einer grossen Anzahl europäischer Gemüse:
Kartoffelbau, Kopfkohl, Bohnen, Erbsen, europäische Mohrrüben u. s. W-
Euphorbia geniculata Ort. aus Amerika, verbreitet sich in Folge der Baum-
wollen-Cultur, nebst vielen anderen Arten, massenhaft als Unkraut auf
allen Feldern Unter-Aegyptens.
2. Abschnitt, 1860—1800. Die Epoche Mehemed Ali's.
Erschliessung des Sudan, Einführung der Erdnuss (Arachis hypogaea L.),
der Luzerne (Medicago sativa L.) aus Arabien. Eine grosse Zahl
vorder-indischer Nutzbáume gelangt in die Gürten Cairos. Cheno-
podium ambrosioides L. verbreitet sich als Unkraut in Unter-Aegypten.
Die Mandarine (Citrus nobilis Lour.) wird eingeführt. |
9. Abschnitt, 1800—1517. "Türkische Epoche.
Albizzia Lebbek W. (seit 1670 spätestens) wird angebaut.
Beeinflussung der Gartencultur durch die italienische Renaissance: Dian-
thus Caryophyllus L.
Einführung der Orangen-Cultur.
Einführung des Mais und anderer amerikanischer Nutzpflanzen.
Beeinflussung der Gartencultur durch Constantinopel.
Einführung des Kaffeegenusses und vermehrte Verbindungen mit Arabien
auf dem Seewege.
IL. Periode der Cultur-Vermittelung.
1. Abschnitt, 1517— 640. Arabische Epoche.
Einführung des Zuckerrohrs und des Reis. Eine Anzahl tropischer und
speciell indischer Unkräuter verbreiten sich durch den Reisbau in
Unter-Aegypten: Ammannia, Bergia, Sphenoclea etc.
Einführung indischer Nutzbäume, des weissen Maulbeerbaumes, der
Banane, der Pomeranzen und der kleinen Limonen.
2. Abschnitt, 640—400. Byzantinische Epoche.
Einführung des ügyptischen Klees (2).
Einführung des Aprikosenbaumes.
3. Abschnitt, 400 bis Christi Geburt. Römische Epoche.
Einführung des schwarzen Maulbeerbaumes und des medischen Apfels
aus Vorder-Asien,
des Lorbeers (der Myrie?) aus Syrien.
Gartenpflanzen aus Italien: Rosen, Immortellen (Heliehrysum Stoechas DC.),
Lychnis coeli rosa Desr. u. dergl.
4. Abschnitt, von Christi Geburt bis 330. Griechische Epoche.
Einführung des Anbaus von Mohrhirse (Andropogon Sorghum Brot.) aus
Vorder-Indien.
Anbau von Mohn, aus Klein-Asien.
Die Termis-Lupine aus Griechenland eingeführt, die Petersilie (Klee,
Myrte?).
Anbau des Oelbaumes im Grossen.
(668)
C .
5. Abschnitt, 332—525 vor Chr. Persische Epoche.
Indigo-Cultur und Sesam aus Indien eingeführt. Nelumbium, die alten
Lotusblumen ersetzend.
IIl. Periode der Aegyptischen Cultur.
L. Abschnitt, 525— 1050 vor Chr. (nach Erman) Libysch-idthiopische Epoche.
2. Abschnitt, 1050— 1530 vor Chr. (nach Erman) Epoche des Neuen Reiches.
Semitisirung Aegyptens unter der XX., XIX. und XVIII. Dynastie. Ver-
bindungen mit Syrien und dem nördlichen Vorder-Asien.
3. Abschnitt, sogen. Epoche der Hyksos.
4. Abschnitt, 1930 (nach Erman) bis 2500 vor Chr. Epoche des Mittleren
Reiches.
Zeit der staatlichen See-Unternehmungen (Punt-Fahrten) unter der
|. XII. Dynasüe.
9. Abschnitt, 2500— 3100 vor Chr. (nach Erman) Epoche des alien Reiches.
IV. Periode der Cultur-Entlehnung.
Einführung des Getreidebaues aus den Euphrat-Ländern: Emmer, Weizen,
Gerste, des Leins und der Weinrebe.
Religionsbildung und Schriftentwickelung, Einführung des Gebrauches von
Weihrauch, der geheiligien Baume (Persea und Sykomore) aus Süd-
Arabien.
V. Periode, Besiedelung Aegyptens durch die Hamiten.
VL Periode, Urzustand des Nilthals.
8 Hr. Hartmann fragt den Vortragenden, was er über die Herstammung von
*Sbania, Amyris, Penicillaria, Phoenix dactylifera, Abrus und Bala-
Mites denke. —
p Hr. Schweinfurth: Es würde viel Zeit in Anspruch nehmen, wenn ich diese
oo Sen ausführlicher beantworten wollte. Nur in Kürze will ich anführen, dass
a meinen ldeen und Erfahrungen Sesbania, Abrus und Balanites auf
pa ischem Boden erwachsen sind. Für die Stammpflanze der Cultur-Daitel-
“me halte ich Phoenix reclinata, ein ächt africanisches Gewächs. —
e Hr. Hartmann bemerkt, dass das eben Erwühnte seinen eigenen Vorstellungen
Dsproch o. —
(31) Hr. v. Luschan zeigt eine
(v Nachbildung der Berner Elfenbeinkanne
me diese Verhandlungen 1884, S. 466), welche Dr. Uhle kürzlich erworben
gl dem Museum für Völkerkunde geschenkt hat; dieselbe ist aus Thon und innen
Dot, giebt aber die Formverhältnisse des Originales sehr gut wieder; nur der
êckel fehlt.
bei Das Berliner Museum besitzt eine grosse Reihe von Schnitzwerken aus Elfen-
dal welche mit der Berner Kanne eng verwandt sind und aus West- Africa
hon Sie waren in Folge des Umzuges viele Jahre verpackt geblieben, sind
Jetzt in Schrank 4 des afrikanischen Saales wieder zur Aufstellung gelangt.
669^
(6)
(22) Hr. Felix v. Luschan hált einen Vortrag über
Bogenspannen.
Unter dem Titel Ancient and modern methods of arrow-release hat
Prof. Edward S. Morse, früher in Tokio, jetzt Direktor der Peabody Academy
of Science in Salem, Mass., U. S. A., schon 1885 im Essex Institute Bulletin auf
die bei verschiedenen Vólkern verschiedenen Arten, den Bogen zu spannen, auf"
merksam gemacht. Kürzlich hat nun R. Virchow zwei Bogenringe hier vo!
gelegt’), einen aus Nephrit, bei Erbil (Arbela) gefunden, und einen aus Silber"
der dem Anschein nach wohl kaukasischen Ursprunges ist.
Gelegentlich der an diese beiden Vorlagen geknüpften Debatten hat sich her
ausgestellt, dass die Technik des Bogenspannens nicht so allgemein bekannt ish,
als vielleicht hätte angenommen werden können; ich bitte deshalb um die Er
laubniss, das Wesentlichste derselben hier kurz andeuten zu dürfen. Ich werde
dabei den Ausführungen von Morse folgen, ausserdem aber zwei vóllig neuartige
hierher gehórige Apparate vorlegen, welche eben erst vor wenigen Tagen durch
Premier-Lieutenant Morgen aus dem Hinterlande von Kamerun nach Berlin g€
bracht worden sind.
Morse unterscheidet die folgenden Arten, den Bogen zu spannen:
| l. Die primäre Spannung.
Der Pfeil wird einfach zwischen Daumen und der Gelenkgegend zwische?
Grund- und Mittel-Phalange des Zeigefingers geklemmt gehalten und mit der
Sehne zurückgezogen.
Kinder und Erwachsene, die nie früher einen Bogen gespannt haben, pflege?
so vorzugehen. Aber auch die Anos (wenigstens die von Jesso), sowie die De-
merara- und Ute-Indianer wenden diese Art der Spannung am.
Ein einfacher Versuch zeigt, dass der Pfeil leicht ausgleitet, bevor die Sehne
genügend gespannt ist und dass sehr grosse Kraft und heftige Anstrengung er-
forderlich sind, um auf diese Weise mit Erfolg zu schiessen. Etwas erleichtert
wird das Spannen, wenn der Pfeil am Sehnenende kolbig verdickt ist, — eine Form,
welche bei einigen anderen Arten der Bogenspannung dieselbe eher erschwere?
würde.
2. Die secundäre Spannung.
Der Pfeil wird gehalten, wie bei der primären Spannung, aber die Sehne wird
nicht, wie bei dieser, mit dem Pfeile zurückgezogen, sondern mit Ring- und Mittel-
finger gespannt.
Diese Spannung, die gegen die erste schon einen wesentlichen Fortschritt‘ dar“
stellt, wird von den Zuni, Ottawa, Chippewa und einigen anderen Indianer”
Stämmen geübt.
3. Die tertiäre Spannung.
Die Sehne wird vom Zeige- und vom Mittelfinger, manchmal auch noch vom
Ringfinger gespannt, der Daumen drückt leicht auf den Pfeil, wie bei der secun-
düren Spannung.
Der Versuch lehrt, dass diese Art der Spannung gegen beide früheren einen
grossen Fortschritt bedeutet und vor allen auch ein sicheres Zielen sehr erleichtert;
wir finden sie dementsprechend auch sehr verbreitet: die Mehrzahl der nord-
amerikanischen Indianer bedienen sich derselben, aber auch die Siamesen und;
wie es scheint, auch die Andamanesen.
1) Verhandlungen 1891. 8.81 und 486.
310.
(671)
4. Die Mittelmeer-Spannung.
der Der Daumen bleibt hier völlig unthätig. Die Sehne wird mit den Spitzen
M; drei mittleren Finger gespannt, wührend der Pfeil leicht zwischen Index und
Wtelfinger geklemmt wird.
An Es scheint, dass diese Spannung schon bei den Aegyptern und Assyrern zur
war hung kam, jedenfalls finden wir sie auf altgriechischen Darstellungen; sie
Pra m Mittelalter in ganz Europa verbreitet und wird noch heute in England und
ip reich, sowie in Amerika gefunden, wo das Schiessen mit Pfeil und Bogen
selten sportsmässig getrieben wird.
me n wird wohl annehmen dürfen, dass eine so weit verbreitete und durch
ong Jahrtausende geübte Art der Spannung ihre grossen Vorzüge hat; be-
ann ers wird die leichte „Entlassung“ des Pfeiles gerühmt. Ich muss also wohl
ge men, dass es auf persönlicher Ungeschicklichkeit beruht, wenn mur gerade
Sch Art der Spannung die grossten Schwierigkeiten macht. Ueberhaupt ist das
NG mit Pfeil und Bogen nicht ganz so einfach, als ein Unerfahrener anzu-
"d pflegt. Von dem richtigen. Zielen ganz abgesehen, wird der Anfünger
ibl daran scheitern, dass er den Pfeil nicht gleichzeitig mit der Sehne frei-
der P es kann dann geschehen, dass ihm, trotz mächtigster Anspannung der Sehne,
Ich feil, anstatt dem Ziele zuzufliegen, machtlos vor die Beine zur Erde fällt.
nur Persönlich habe dieses Missgeschick Anfangs wiederholt gehabt, aber immer
bei der „Mittelmeer-Spannung“.
den F ür uns ist diese Spannung auch deshalb wichtig, weil sie, im Gegensatze zu
ma jue früher behandelten Arten, zum ersten Male einen Hiilfsapparat nothig
shit, t. Die Sehne schneidet nehmlich bei starkem Spannen derart in die Finger-
la, Zen ein, dass ein heftiges Schmerzgefiihl entsteht und die Finger bald er-
den wenn sie nicht durch Handschuhe geschützt sind, die natürlich gerade an
Bos Fingerspitzen besonders verstärkt werden müssen; nur ganz ausgepichte
Sir hiitzen können dieses Fingerschutzes entrathen. Auffallender Weise findet
tur dieselbe oder mindestens eine ganz verwandte Art der Spannung, nehmlich
und Mit dem Zeige- und Mittelfinger, auch bei den Eskimos von Point-Barrow
ucl Cumberland-Sound, sowie, nach einer Beobachtung der Brüder Krause,
auf dem Sibirischen Ost- Cap.
5. Die mongolische Spannung.
Spa Der Daumen wird von innen nach aussen um die Sehne herumgelegt und
de "hi diese nur mit Hilfe des um den Daumennagel herumgelegten Zeigefingers,
T Bleichzeitig den Pfeil zu halten hat.
Ag, Diese anscheinend höchst unbeholfene Spannung findet sich fast durch ganz
den m Jedenfalls überall in Ost-Asıen; sie war früher auch in Persien und bei
ande verbreitet. Sie erfordert viel Uebung bevor sie mit Sicherheit ge-
sie 1, abt werden kann, ist aber, wenn einmal erlernt, eine sehr angenehme, weil
sie €! grosser Leistung wenig Kraftanstrengung erfordert. Natürlich bedingt auch
de, sn Hülfsapparat, einen Schutzring für den Daumen, der sonst beim Spannen
ehne zu stark angegriffen werden würde.
ang Solcher Art sind nun auch die beiden Ringe, die Hr. Virchow in} der Januar-
Bosteo) der Juni-Sitzung d. J. vorgelegt hat; sie werden in, der folgenden Art an-
der Sor (Fig. 1), dienen also dazu, den Daumen der rechten Hand beim Spannen
bag ne Zu Schützen und den Druck der letzteren auf die Haut des Daumens
hätten m Wenn gesagt worden ist, dass solche Ringe] den Zweck
Bog ; »die Hand vor der Verletzung zu schützen, welche beim Spannen des
ns durch den Rückschlag der Sehne leicht entstehen kann,“ so scheint mir
(672)
das auf einer Verwechselung mit einem völlig. anderen Hülfsapparat zu be
ruhen, der allerdings auch manchmal beim Bogenschiessen in Anwendung kommt,
aber mit diesen Spannringen nicht das Mindeste 7"
Figur 1. thun hat.
Ist nehmlich der Bogen im Ruhezustande nicht
stramm gespannt, so schlägt die Sehne, wenn. sie nach
starker Anspannung plötzlich frei gelassen wird, natürlich
noch über ihren Ruhestand hinaus zurück und trifft
dann die den Bogen haltende linke Hand, wenn dies®
nicht irgendwie geschützt ist. Jedenfalls ist aber strenge
zwischen den Spannapparaten für die rechte und de?
Schutzvorrichtungen für die linke Hand zu unterscheiden
Letztere sind. bei sehr zahlreichen Völkern im Gebrauch;
thre Form ‚richtet sich natürlich zunächst nach der je”
weilig üblichen Haltung des Bogens, denn von dieser
allein hängt es ab, welche Stelle der Hand zunächst von der rückschlagenden
Sehne getroffen wird. Manchmal muss, wie besser durch eigenen Versuch, als
durch die breiteste Beschreibung. erkannt wird, hauptsächlich die untere Radial-
Gegend geschützt werden, ein andermal das Handgelenk, wieder bei einer andere?
Bogenhaltung auch der Mittelhand-Knochen des Daumens.
Wohl die einfachste Art einer solchen Schutzvorrichtung hat Ehrenreich bei
den Botokuden beobachtet, — einen Streifen Baumbast, der einige Male um das
Handgelenk gewunden wird. Aus dem Niger- und Benuë-Gebiet verdanken wif
R. Flegel die Kenntniss eines ledernen Armbandes?!) für den gleichen Zweck
und auch von breiten Elfenbeinringen, welche die Form von 0,15 bis 0,20 cm hohen
Cylindern haben, wissen wir, dass sie den linken Arm vor der rückschlagenden
Sehne schützen sollen.
Einen höchst eigenthümlichen Apparat aus dem Hinterlande von Kamerun;
der demselben Zwecke dient, werde ich am Schlusse dieser Mittheilung zu
besprechen haben; einstweilen lege ich noch einen kleinen Gegenstand aus
Persien vor (Fig. 2), der ohne Zweifel auch hierher gehört, obwohl ähnliche
bisher in der Literatur meines Wissens nicht erwühnt sind. Es ist eine ovale
Messingplatte von 9,3 und 12 em Durchmesser, am Rande ringsum von kleinen
Löchern eingefasst, welche zur Befestigung des Schmuckes dienen sollen. Die
obere Fläche der Platte trügt nehmlich ein zierlich mit barocken Ornamenten be-
maltes Pergament, auf dem vier persische Verse, in gewóhnlichem Talik ge
schrieben, stehen und das durch eine durchsichtige Hornplatte, die genau die
Grösse der Messingplatte hat, geschützt wird; diese ist, ebenso wie das Pergament,
sorgfältig an die Messingplatte angenáht und mit einem schmalen Flechtbande aus
Seide und dünnem Silberdraht umrahmt. Durchbrochen wird aber diese Platte
von einem Körper aus hartem Holze, der oben die Form einer schmalen Rinne
(Fig. 3), unten aber eine unregelmässig gekrümmte, leicht ausgepolsterte hohle
Fläche und eine Vorrichtung zum Anschnallen hat. Als ich diesen kleinen
Apparat vor mehreren Jahren in einem Bazar in Constantinopel erwarb, hielt ich
ihn zunächst für eine Vorrichtung, um den Pfeil beim Bogenspannen noch inner“
halb von dem Bogen aufruhen lassen zu kónnen. Aehnliche Gerüthe, welche also
sichtlich einen Uebergang zwischen Bogen und Armbrust vermitteln, sind mehrfach
erwähnt, aber, soviel mir bekannt, nirgends abgebildet worden. Ich glaube indes?
1) Museum für Völkerkunde. Berlin. Nr. III. F. 463.
(6:7)
Jetzt nicht mehr, dass der vorliegende Apparat in diesem Sinne zu erklären ist;
Jedenfalls eignet er sich schlecht als Rinne für einen Pfeil und ganz vorzüglich
“Um Auffangen der rückschlagenden Bogensehne.
Figur 2. %/,
Persische Schutzplatte.
Figur 3.
fo =
4
- = —_—
Schematischer Querschnitt durch eine persische Schutzplatte.
, Der Vollstándigkeit halber sind hier auch die ganz riesigen, in 10—20 Spiral-
den aus Baumrinde gewundenen Schutzringe von den Salomons-Inseln zu er-
Shen, welche fast den ganzen linken Arm bedecken).
glei So finden wir die Schutzvorrichtungen über die ganze Erde zerstreut; dass sie
er oh lange nicht überall da bekannt sind, wo Bogen und Pfeile vorkommen,
Tklärt sich leicht, wenn man bedenkt, dass sie die durch strammeres Angezogensein
als l) Auch in vorgeschichtlichen Sammlungen finden sich Gegenstünde, die vielleicht
auf Solche Schutz-Apparate aufgefasst werden können; vor allen scheinen gewisse, spiralig
Ks etollte Bronzeringe vielleicht hierher zu gehôren. Die prihistorische Abtheilung der
seh chen Museen besitzt unter II, 5770 eine rechteckige Platte aus einem dunklen,
is leferartigen Steine mit je einer Durchbohrung an jeder Schmalseite. Der Gegenstand
Ho »Danmen-Schutzplatte“ bezeichnet, doch war ich nicht im Stande, mit einem aus
Da » angefertigten Modell desselben, mit dem ich mehrfache Versuche anstellte, den
Platt. À, irgendwie erfolgreich zu schützen. Es scheint mir also die Erklärung als Schutz-
v nicht völlig gesichert zu sein.
Srhandl, der Berl Anthropol, Gesellschaft 1891.
SS
48
(674)
der Sehne im Ruhezustande des Bogens leicht völlig entbehrlich werden, den?
dann wird der Rückschlag durch die elastische Spannung des Bogens aufgehalten
lange bevor die Sehne die Bogenhand erreichen kann.
Nach dieser Abschweifung über die Schutzvorrichtungen für die linke Hand
habe ich nun noch einmal zu der mongolischen Spannung zurückzukehre?
und zu den Spannringen für den Daumen der rechten Hand, die sie gobieterisch
erfordert.
Die beiden Ringe, die Hr. Virchow kürzlich vorgelegt hat, und zwei Ring®
aus Bronze (Fig. 4), die ich vor langer Zeit, den einen in Ale ppo, den anderen IM
Damascus erworben (den einen habe ich seither Hrn. E. S. Morse geschenkt),
stimmen nun alle vier auffallend mit Spannringen aus Korea überein (Fig. 5 u. 6)
Figur b. 9/,,
Figur 4. ?/,
Figur 6.
(Seitenansicht)
Spannring aus Syrien. Spannring aus Korea. Spannring aus Korea.
die mehrfach im hiesigen Museum für Völkerkunde vertreten sind; trotzdem kan?
es gar keinem Zweifel unterliegen, dass sie simmtlich nicht aus dem fernen Osten,
sondern aus Vorder-Asien stammen.
Ktwas anders geformt sind die Spannringe der Chinesen: diese sind völlig
regelmässig cylindrische Ringe von etwa 1,5 cm Höhe, gewöhnlich aus Nephrit,
häufig reich verziert, meist völlig glatt. Jetzt, wo seit Kurzem in der chinesischer
Armee Feuerwaffen eingeführt worden sind und Bogenübungen nur mehr zu Parade"
Zwecken vorgenommen werden, hat auch der chinesische Spannring seine ursprüng"
liche Bedeutung . verloren und ist, wie mir Professor Dr. W. Grube mitzu-
theilen so gütig war, zu einem militärischen Rangabzeichen geworden. Mors®
erwähnt, dass solche Ringe durch ihr Material und durch ihren Schmuck oft sehr
kostbar gewesen sind und dass er in Canton einen solchen gesehen habe, der
auf 300 Dollars geschätzt wurde.
Höchst überraschender Weise kennen wir einen solchen Ring aber auch aus
Afrika. Unter III. F. 615 bewahrt das Königliche Museum für Völkerkunde in
Berlin einen aus den Benuë-Ländern stammenden eisernen Daumenring (Fig. 7).
der von R. Flegel selbst gesammelt und als Bogen-Spannring bezeichnet ist.
Einer solchen Angabe gegenüber kann, auch wenn sie einstweilen vereinzelt
geblieben ist, nicht bezweifelt werden, dass die ,mongolische Spannung“ auch in
Afrika bekannt ist, denn nur allein bei dieser kann ein Spannring für den Daumen
vorkommen.
Ich selbst besitze übrigens einen kleinen, mit einem langen, seitlichen Dorne
versehenen Ring aus einer hellen, eisengrau patinirten, harten Metalllegirung, den
(675)
art Zeit Ernst Marno vom Giraffenflusse mitgebracht und als „Ring zum Bogen-
wie ed bezeichnet hat (Fig. 8a). Da mir Marno damals nicht sagen konnte,
Sein man eigentlich mit einem solchen Ringe eine Sehne spannen kónne, habe ich
Nu Angabe nicht weiter beachtet und den Ring für einen Schlagrmg gehalten.
letzi bewahrt aber das Berliner Museum für Völkerkunde, wie ich erst in den
Kor. Tagen gesehen, einen ganz ähnlich geformten, nur grösseren Hornring aus
ea auf, der gleichfalls als Spannring bezeichnet ist (Fig. 80). Obwohl eine
Figur 8.
Figur T. 9/4,
Spannring aus dem Benuë-Gebiete. a) Spannring aus den oberen Nilländern.
b) Spannring aus Korea.
re Angabe nicht vorliegt und die Art der Anwendung auch dieses Ringes einst-
fat 2 noch unklar ist, so erfährt doch die alte Marno’sche Angabe jetzt, nach
ii 0 Jahren, eine hóchst unerwartete Bestätigung, und man wird wohl genöthigt
dep auch fiir die oberen Nilgegenden das, wenn auch vereinzelte Vorkommen
Any, ongolischen Spannung“ anzunehmen. Freilich bleibt die eigentliche Art der
be endung dieser Spannringe mit seitenstándigem Dorn vorläufig noch unklar,
Bop wie es auch noch aufzuklären bleibt, wie sich in Korea diese abweichende
M neben der dort gewöhnlichen und typischen gebildet und erhalten hat.
neq ser den bisher besprochenen fünf Arten der Bogenspannung „zählt Morse
sind einige von geringerer Bedeutung auf, die theilweise nur individueller Art
mit pond von denen nur eine hier noch besonders ausgeführt werden könnte: jene
Bog, eiden Hünden; der Schütze liegt dann auf dem Rücken und stemmt den
dap, mit beiden Füssen. Ich selbst habe Buschleute so schiessen sehen, aber
by 1 eher den Eindruck einer ,Kiinstler¢-Production, nicht eines typisches Ge-
Auches gehabt.
der "ra bin ich heute in der Lage, eine neue, ‘bisher völlig unbekannte Art
ogenspannung mitzutheilen:
y, Die Wiüte-Spannung. Die Kenniniss derselben ist Hrm. Premier-Lieutenant
der sen, dem kühnen und glücklichen N achfolger Hauptmann Kund's, zu danken,
liest bei dem Wüte-Volke im Hinterlande von Kamerun beobachtet und für
dong ep oe Belegstücke nach Berlin gebracht hat. Die Wute spannen,
nicht als alle übrigen Vülker, von denen wir bisher Kenntniss haben, überhaupt
mit den Fingern, sondern mit der Mittelhand. Sie bedienen sich
45
(676)
dabei eines Spannringes, der, wie die Abbildung (Fig. 9) zeigt, aus einem dünne!
Holzbrettchen besteht, das schleifenfürmig gebogen ist und dessen Enden, je nach
» . der Grösse der Hand, durch
lgur 9. "f einen Lederstreifen mehr oder
weniger genühert werden
können. Dieser Ring wird
nun so getragen, dass mal
ihn — die geschlossene Seite
radial-, die ‚offene ulnar-
würts — über die Mittelhand
zieht. Mit dem Rande der
radialen Seite wird dann die
Sehne erfasst und gespannt,
während der Daumen den Pfeil
in der gewünschten Stellung
erhält.
An diese Handringe
schliessen sich natürlich die
westafricanischen Dolche mit
hohlem Griffe an (Fig. 10 w-
11), die uns bisher aus dem
Bogon-Spannringe für die Mittelhand, Schutzgebiete von Togo, aus
aus dem Wüte-Lande. dem Wüte-Lande und aus
denBenué-Lündern bekannt
geworden sind. Speciell aus den letzteren haben Staudinger und Hartert schon
1886 ein langes Dolchmesser mitgebracht (Fig. 10), wie sie deren bei den Ka-
Figur 10. JJ,
Dolchmesser aus dem Benuë-Gebiete, gleichzeitig Bogenspanner.
Figur 11. 5,
Dolchmesser aus dem Wiite-Lande, gleichzeitig Bogenspanner.
darra- und Korro-Stämmen (also unter dem 8? ósil. L. v. Gr. und 10° n. Br.)
vorgefunden haben, wo dieselben sowohl als Handwaffe zur Vertheidigung dienen;
als auch ,zum schnelleren Spannen des Bogens, indem der Griff an die Sehne ge-
drückt wird.“ Diese Angabe ist ja nicht völlig klar, da man mit einem solchen
Hülfsmittel wohl eher an Kraft, aber kaum an Schnelligkeit gewinnen kann, aber
es geht aus derselben doch einwandsfrei hervor, dass thatsächlich auch diese
Stämme dieselbe Art der Bogenspannung haben, welche seither etwas weiter süd-
östlich von Premier-Lieutenant Morgen genauer erkannt worden ist
(677)
seh Das Berliner Museum für Völkerkunde besitzt aber ganz ähnliche Messer in
amt zahlreichen‘ Exemplaren aus dem Togo-Gebiete, woher sie uns durch Stabs-
wi Dr. Wolf und durch Dr. Büttner zugegangen sind; dem letzteren verdanken
be auch die einheimischen Namen Ssegara und Sama, welche, wie es scheint,
nue in der Sugu-Sprache für diese Messer üblich sind. Freilich haben beide
ne dieselben nur als solche betrachtet und erwühnen nicht, dass sie auch
sica Bogenspannen dienen, es scheint aber keinem Zweifel zu unterliegen, dass
die ebenso wie die gleichartgen Messer in den Benuë-Ländern, beiden Zwecken
s hen; jedenfalls ist uns für das Messer (Fig. 11) aus den Wüte-Ländern
opel angegeben, dass es auch zum Bogenspannen verwendet wird, — also
Too den oben beschriebenen hölzernen Mittelhand-Ringen, die dem gleichen
ab êcke dienen. Zu untersuchen, welche Form hier die ursprüngliche, welche die
je Seleitete ist, wire eine schwierige und vielleicht auch müssige Aufgabe;
dan ls ergiebt -schon die theoretische Erwägung — und der Versuch be-
tous es, — dass diese Art der Bogenspannung, gleichviel ob sie durch den
"Con Handring oder mit Hülfe des eisernen Dolchgriffes erfolgt, eine ausser-
ipe ich kräftige ist. Thatsächlich ist sie weitaus jedem anderen Spannverfahren
Ar rlegen nicht blos durch die Leichtigkeit, mit der die volle Kraft des ganzen
heit auf die Sehne übertragen wird, sondern auch durch die erstaunliche Zart-
: Mit welcher der Pfeil im entscheidenden Augenblicke freigegeben wird.
Sein Der enorme Krafteffekt aber, der durch diesen Spanunring geleistet wird, findet
en Gegenausdruck in einer Schutzvorrichtung für die linke Hand, die in ihren
Figur 12. */,
Schutzring für das linke Handgelenk, aus dem Wütelande.
mension gleichfalls alles bisher dagewesene übertrifft. Sie besteht (Fig. 12)
Seite enge an das Handgelenk anschliessenden Lederbande, das auf der ulnaren
rege] offen und zum Binden eingerichtet isí, auf der Daumen-Seite aber eine un-
aug "vn kegelartige Ausbauchung von 10—15 cm Höhe trägt, die gleichfalls
Version em Rindsleder hergestellt, schwarz gefirbt und meist mit geometrischen
als, data geschmückt ist. Dieses eigenartig asymmetrische Armband. wendet
den n rückschlagenden Sehne zwei schiefe Flüchen entgegen, die jeden, auch
gsten Schlag, vóllig paralysiren.
C 3
So ergiebt sich also in der kleinen und anscheinend gleichgültigen Frage nach
der Art der Bogenspannung bei verschiedenen Vólkern eine unerwartete Mannich”
faltigkeit und vielfacher Anlass zu weiterem Nachdenken. Das bisher bekannte
Material hat aber noch allzu viele Lücken; wenn die eben mitgetheilie Wüte
Spannung eine solche in so durchaus eigenartiger Weise ausfüllt, so erscheint
das Klaffen der übrigen nur um so bedauerlicher. Ich darf also wohl die Hoffnung
aussprechen, dass künftige Reisende auch dieser Frage mehr Beachtung schenke»
als sie dies bisher meist gethan, und dass die schöne Wahrnehmung pr.-Lé
Morgen's noch lange nicht die letzte ihrer Art bleibt. —
(28) Hr. Virchow zeigt
Bohnen der Canavalia von den Chinhills in Hinter-Indien zur Bereitung
von Schiesspulver.
Schon vor längerer Zeit erhielt ich von Hrn. Dr. Fritz N ôtling, Geological
Survey Office, Calcutta, d. d. Mandalay, 28. Juni 1889, folgenden Brief:
„Mit heutiger Post habe ich ein Packet an Sie abgesandt, enthaltend Samen
einer sehr merkwürdigen Bohnenart, die in den Chinhills, im wildesten Theil
Hinter-Indiens, wächst und cultivirt wird. Ich nenne die Bohne deshalb höchst
merkwürdig, weil sie von den Chin’s zur Pulverbereitung verwendet wird. Die
Chin’s gebrauchen dieselbe als Ersatz des Schwefels, der nicht in den Chinhills
gefunden wird und dessen Import bei dem bestehenden Kriegszustande verboten
ist. Nicht aber, als ob die Chin's dieses Surrogat für Schwefel erst in letzter Zeit
erfunden hätten, nein, dasselbe ist bereits seit undenklichen Zeiten im Gebrauch:
und das damit erzeugte Pulver ist wunderbar genug, indem es erwiesen ist, dass
dasselbe auf 400 Yards Entfernung noch tödtliche Wirkung besitzt. Ich habe diese
Mittheilung von englischen Officieren, welche am Feldzuge gegen die Chin’s Theil
nahmen, erhalten; dieselben waren im hohen Grade überrascht über die Fern-
wirkung des Pulvers, das sie für eine ziemlich harmlose Mischung gehalten
hatten.
„Die Chin’s bereiten das Pulver aus Salpeter, der aus Dung gewonnen wird;
und Holzkohle, welche beiden Substanzen mit einem Absud aus den Bohnen ger
mengt werden.
„Die Bohne wird auch als Nahrungsmittel, namentlich von den Burmesen, ger
benutzt, scheint aber nur am oberen Chindwin und in den Chinhills zu gedeihen-
Entsprechend der Grösse der Bohne ist die Schote riesenhaft, zuweilen iiber einen
Fuss lang.
„Vielleicht haben Sie die Güte, die Samen oder einen Theil davon an die
Direction des Botanischen Gartens zu senden, um damit Anpflanzungsversuche ‘)
vorzunehmen, und mir später gefälligst den Namen der Art mitzutheilen.
„Mich hat es mit Staunen erfüllt, dass ein auf so niedriger Culturstufe stehendes
Volk, wie die Chin’s, ein Surrogat für den Schwefel gefunden hat.“
' Bald darauf erhielt ich auch das Packet mit einer kleinen Sammlung schön
rother, sehr grosser Bohnen. Ich übergab einen Theil davon Hrn, Prof. A. Engler-
Nach einer gefälligen Mittheilung desselben stammen die Bohnen von der, in gan?
Ost-Indien und Ost-Africa. verbreiteten, auch in mehreren Varietäten vielfach IM
1) Betreffs der Anpflanzung kann ich nur sagen, dass die Pílanze auf nicht ZU
schwerem lehmigem Boden gedeiht, wahrscheinlich aber sehr viel Feuchtigkeit bedarf und
gegen Kälte nicht sehr empfindlich ist, augenscheinlich mehrjáhrig.
678)
(679)
den Tropen cultivirten Canavalia ensiformis DC. Die jungen Samen werden ge-
U sen, Hr Engler bemerkt ausserdem, dass eine Anzahl der Samen im Bo-
“Mischen Garten angesäet wurde und aufging, aber keine Samen ansetzte.
Hr. Salkowski hatte die Güte, eine Untersuchung der Bohnen auf Schwefel
lorzunehmen. Es ergab sich, dass dieselben, mit Ausschluss der rothen Schale,
fur 0,24 pCt. Schwefel enthalten.
. Der Gedanke, dass es ein etwaiger Schwefelgehalt sei, dem die Explosiv-
Figenschaft zuzuschreiben sei, muss also zurückgedrüngt werden. Indess hindert
das Nicht, dass eine solche Eigenschaft vorhanden ist. Wenn man die Bohnen
Pülverisirt, so erhält man ein feines, weisses Mehl, welches sich bei Berührung
Mit einem brennenden Hölzchen leicht entzündet und mit grosser Kraft explodirt.
Dass durch ein solches Mehl ein gewisser Ersatz für den Schwefel in der Zu-
Sammensetgung des alten Schiesspulvers gegeben wird, lässt sich nicht in Abrede
Sellen, denn obwohl es in Bezug auf seine Entzündlichkeit nur graduell von der
Kohle verschieden ist, trägt doch die Explosivität desselben ein neues Element in
die Mischung, welches sich mehr der Wirkung des Salpeters annähert und den
Schlusserfolg begreiflich macht. —
(24) Es werden Berichte erstattet über die
Excursion nach Salzwedel und in das megalithische Gebiet der Altmark.
Hr. Virchow: Die lange geplante und oft verschobene Excursion in die Alt-
Mark hat sich in gelungeuster Weise vollzogen. Herrliches Wetter begleitete uns;
Boch waren die Felder mit Saaten bedeckt, die Wilder in dunklem Griin, die
Kleingrep Gewüchse in voller Blüthe, darunter stellenweise besonders reichlich die
»Topheide“ (Erica tetralix). Fröhliche Stimmung erfüllte die Vereinigung so vieler
Freunde. Von den Berlinern nenne ich, ausser Hrn. Ed. Krause, dessen. sorgsam
Usgedachtes Programm getreulich durchgeführt wurde, die HHrn. Voss, Ols-
nausen, Ascherson, Schweinfurth, Maass, Minden, Seler, Ehrenreich,
Vater, die beiden Photographen Alb. Schwartz und Sohn.
Schon am Samstag, 4. Juli, gegen Abend trafen wir in Salzwedel ein, freundlich
“Mpfangen von dem Bürgermeister Hr. Zechlin, den HHrn. Zimmermann,
Gädeke u.A. Wir hatten noch Zeit, die Stadt zu durchwandern, deren alterthiimliche
Bauwerke trefflich erhalten sind, und das Museum zu besuchen, in welchem seit
Danneil's Zeit eine grosse Zahl herrlicher Bronzen beisammen liegt. Die
ammlung ist jetzt durch die Fürsorge des Hrn. Zechlin in einem neuen Lokal
Migestellt, durch Hrn. Ed. Krause geordnet und katalogisirt, und nach mehrfachen
Richtungen erweitert. Insbesondere ist die Zahl der Funde aus römischer Zeit
érheblich gewachsen. Ich habe römische Sachen notirt vom Perwer, von Brietz,
Selbst von Seehausen in der Wische ein Stück Terra sigillata; ganz besonders
"Dleressant war mir aber eine Sammlung von Fundstücken aus dem Grüberfelde
Mi Rebenstorf im Amte Lüchow, weil sich darunter ein neues Exemplar einer
de sterurne befand. Es ist ein sehr einfaches, nicht verziertes Thongefiss,
en „Fenster“ (im Boden) durch weisses Glas geschlossen ist. Aus demselben
; tdberfelde sahen wir schwarze Urnen in Pokalform mit Miander-Verzierung und
lige Gefässe, denen aus dem benachbarten Darzau ähnlich, römische Fibeln,
"Ch eine sonderbare Blechfibel, eine eiserne Schaafscheere u. A.
ka Vor 10 Jahren (Verhandl 1881, S. 63, Taf. II) habe ich die bis dahin be-
di inten deutschen Fensterurnen im Zusammenhange behandelt. Ich konnte damals
Tel (vielleicht vier) aufführen, welche sümmtlich dem Gebiete zwischen Elbe und
" »
(680)
Weser angehörten. Darunter befand sich als nächste eine von Borstel bei Stendal,
aus einem gut bestimmten römischen Grüberfelde, eine von Hohenwedel bei Stade
gleichfalls aus rümischer Zeit (Verhandl. 1881, S. 208), und eine yon Liierte
in Oldenburg aus einem Hiigelgrabe. Später wurde von mir noch eine Fenster
urne von Brockeswalde, Amt Ritzebiittel, ermittelt (ebendas.). Mit der neue?
Rebenstorfer Urne habem wir also nunmehr fünf wohl beglaubigte Fensterurne?
aus dem bezeichneten Gebiete. Nur für die Urne von Lüerte, Amt Wildeshausem
fehlt eine genauere Zeitbestimmung (Verhandl. 1879, S. 228); alle anderen gehóren
zweifellos der römischen Periode, und zwar wahrscheinlich schon einer späteren
Zeit, an.
Sonst. erwähne ich noch aus dem Museum von Salzwedel:
1) einen zarten Schüdel von dolichocephalem Bau aus einem megalithischen
Grabe von Mellin,
2) einen ganz glatten Bronzegürtel, viereckig, mit Nieten, aus einem Brand-
grabe von Klein-Wieblitz,
3) einen grossen Silberring und zwei silberne Armbrusifibeln, beide zer-
brochen und nur zur Hälfte erhalten, mit sehr langer Rolle, ähnlich der
von mir früher beschriebenen Fibula von Ragow, — aus dem Gräberfelde
von Westheeren bei Tangermünde.
Mit patriotischer Rührung betraten ‚wir das Gebiet der alten askanischen
Burg, welche dicht neben der Stadt gelegen ist und deren Gründung Albrecht
dem Bären zugeschrieben wird. Der mächtige runde Thurm steht noch un-
versehrt da, ein Gegenstück zu dem Perwer am anderen Ende der Stadt. Wie
frither (Verh. 1881, 8. 222), bemühte ich mich vergeblich, irgend welche charakte-
ristischen Scherben aufzufinden; es lagen alte Stücke genug umher, aber kein
einziges zeigte auch nur die Andeutung eines Ornaments. —
Am nächsten Morgen, Sonntag 5. Juli, begannen wir eine längere Fahrt durch
das megalithische Gebiet der westlichen Altmark, ungefähr in der Rich-
tung, in der ich im Jahre 1881 meine erste Reise dahin gemacht hatte, jedoch
nicht in gleicher Ausdehnung (Verhandl. 1881, S. 220). Wir besuchten nach ein-
ander die Hünenbetten von Borusen, Drebenstedt, Nieps und Stóckheim, die gróssten
und verhältnissmässig best erhaltenen dieser Gegend. Ueber einzelne derselben
habe ich schon früher kurz berichtet. Hier will ich nur drei derselben hervor-
heben. Vor allem das gewaltige Hünenbett von Drebenstedt (vgl. Abbild.),
welchés ich auf meiner ersten Reise nur im Mondenschein gesehen hatte. Schon
Danneil gab als Maasse 140 Fuss in der Lünge, 20 in der Breite an; die Zahl
der Ringsteine betrug 72, die Grabkammer hatte 12 Triger- und 5 Decksteine, von
denen der dusserste 8 Fuss lang, 6 Fuss breit und 3 Fuss dick war. Das Grab liegt
auf einem leicht gewólbten Rücken in einer ziemlich flachen Gegend. Einzelne
der Ringsteine sind etwas verschoben; im Ganzen ist das ehrwürdige und höchst
imposante Monument noch ziemlich vollständig erhalten. — Das nächst grosse
Grab, das von Nieps, ist durch die Sorgfalt des Besitzers, des Landraths
v. Schulenburg, sehr wohl gepflegt und sorgfältig umfriedigt. Es liegt mitten in
einem schönen Walde mit zum Theil uralten Bäumen auf einer mässigen Anhôhe-
Zwischen den gewaltigen Steinblöcken des äusseren Ringes ist der Boden stark
erhöht. Am Südwestende befindet sich eine mächtige Grabkammer mit 3 Deck-
steinen und einem mächtigen „Wecker“. — Von dem Grabe von Stöckheim,
dessen ungeheuren Deckstein ich schon früher beschrieben habe, will ich er-
wähnen, dass der letztere zahlreiche, flache, rundliche Gruben, wie Näpfchen,
auf seiner Oberfliche zeigt, sowie eine tiefe Querrinne. Die Sage hat allerlei Er-
T7005
uy
(681)
klürunpen daran geknüpft. So wird erzühlt, dass jedes Neujahr drei neue Nüpfchen
entstehen lasse, In der That scheint cs kaum zweifelhaft, dass diese Nüpfchen
a
C;
=
=
a
“cine Rundmarken, überhaupt keine Kunstprodukte sind, sondern dass sie durch
48 Ausspringen und Abblättern der Oberfläche gebildet werden, Man kann solche
"
(682)
abblitternde Stellen leicht auffinden. So mag es sich erklären, dass der Frost des
Winters in der That das Ausspringen begünstigt.
Die Dörfer, welche wir durchfuhren (Kehrberg, Wilmersen, Liidelsen, Dreben-
stedt u. s. w.) zeigten weder die Rundlingsform der wendischen Dörfer, noch die
grossen Gebäude der Sachsen mit längsdurchlaufender Diele und daneben de?
Ställen für die Thiere. Die Dorfstrasse war meist gestreckt, gerade durchgehend
Die Höfe hatten fränkische Anordnung: grosse Höfe, oft mit vollständiger UM”
zäunung, vorn die Wirthschaftsgebäude, hinten das Wohnhaus aus Fachwerk mit
Mauersteinen. Besonders bemerkenswerth schien mir, dass die meisten Hüusel
an dem einen Giebel gekreuzte Thierfiguren, an dem anderen eine?
Pfahl mit einem Stern zeigten, also die beiden Arten der Giebelverzierung
vereinigten. Die grossen Thorwege, durch welche man auf den Hof gelangt, waren
bemalt oder mit Inschriften versehen, jedoch konnte ich keine Jahreszahl entdecker
Zuweilen fanden sich in denselben 3 'Thüren: eine ganz grosse Hofthür zu?
Durchfahren mit Doppelflügel, eine seitliche kleinere, schmale mit ein Paar Stufe?
für die Menschen und eine auf der anderen Seite zum Viehhof. Die Häuser der
kleinen Leute haben ganz alamannische Anordnung: rechts ein Zimmer, dahinter
eine kleine Küche und Treppe, daneben links ein von der einen Seite zur andere?
durchgehender Flur, weiterhin links Ställe für Kuh und Schwein und Heugelass
Von den etwas grósseren besassen einige gleichfalls eine quer liegende Tenne !!
der Mitte, mit einer grossen Scheunenthür.
Gegen Abend musste ich mich von der Gesellschaft verabschieden, um nach
Berlin zurückzukehren, während die übrigen Herren noch eine kleine Ausgrabung
vornahmen. —
Hr. E. Krause theili über die vorgenommene Ausgrabung Folgendes mit‘
Die Excursion schloss in ihrem geschäftlichen Theile mit einem Besuch des
Hügelgräberfeldes auf dem nordwestlich vom Dorfe Leetze gelegenen
Hüttenberge. Auf dem östlichen Abhange dieser Hügelkette waren beim Kies
graben schon mehrfach Urnen gefunden. Sie standen, wie mir der Lehre!
Schulz schon bei einem Besuche im Jahre 1889 mittheilte, gewöhnlich ir
kleinen Steinpackungen unter niedrigen Sandhügeln, deren mehrere von Stein“
kränzen umgeben waren. Einige daselbst gefundene Urnen hat Hr. Schulz bereits
früher dem Königlichen Museum in Berlin geschenkt, einige andere, von den HHrn-
Gädeke und Zechlin ausgegrabene, sind in das Salzwedeler Museum gekommen:
Bei unserem Besuch stiess die Sonde an verschiedenen Stellen auf Steinpackunge?
im Boden, doch wurden nur zerstörte Gräber gefunden, mit einigen wenigen
Scherben. Nur in einer leichten Bodenschwellung wurde unter Steinpackung eine
Urne gefunden mit Leichenbrandresten, doch von den Wurzeln der auf dem Grabe
stehenden Kiefern fast gänzlich zerstört. Die Scherben sind im Königlichen Museum
für Völkerkunde wieder zusammengesetzt worden. Das Gefäss ist ein tief napf
förmiges, der spätesten römischen Kaiserzeit angehörig, wie wir sie in grosser
Anzahl gerade von Grüberfeldern der Altmark kennen. Das Gefäss ist 14:f, em
hoch, 17 em oben, 21 em im Bauch, 9!/, cm im Boden weit.
(25) Hr. Virchow stellt zwei, zur Zeit im Panopticum auftretende Fremde vor:
1) Der moderne Proteus.
: So nennt sich. selbst Hr. Siméon Aiguier, der sich auch die Namen des
Squelette vivant und des Homme Macabre beilegt. Seine Leistungen sind in der
(C53)
That hóchst überraschend und mannichfaltig, zugleich von hohem wissenschaft-
lichem Interesse. Denn sie zeigen eine so stark entwickelte und zugleich so
Sehr localisirte Wirkung des Willenseinflusses auf einzelne Muskeln und Muskel-
8tuppen, wie man sie kaum fiir moglich halten wiirde, und sie gestatten in Folge
lesson einen höchst illustrativen Einblick in die Thätigkeit dieser Organe.
M. Aiguier ist Südfranzose und verleugnet in keinem Augenblick die lebhafte
Natur des Provencalen. Er ist gegenwirtig 40 Jahre alt, eher mager, als fett, aus-
Semacht brünett, von müssiger Hóhe, aber von krüftigem, muskulósem Dau. Seine
Bewegungen lassen selbst in der Darstellung schreckhafter Verunstaltungen eine
Sewisse Eleganz erkennen. In liebenswürdiger Haltung und zugleich in scharfer
Pormuliruno giebt er die Erklärung seiner Handlungen. Einer wissenschaftliohen
Prüfung hat er sich mit vollster Hingebung unterworfen.
In einer kleinen Schrift (Curiosités contemporaines. Le Protee moderne.
Bordeaux 1889) hat er eine Selbstbiographie veröffentlicht. Danach ist er auf dem
Lande bei Toulon geboren, der Sohn eines wohlhabenden Bauern; spüter wurde
T Bäcker, vorübergehend Soldat. Seine Bildung erhielt er in der Primärschule
ind durch den Geistlichen seines Ortes. Schon frühzeitig begann seine Neigung,
"lPewGhntiche Vérhältnisse nachzuahmen. Mit 7 Jahren, als er in der Schule an-
Schalten wurde. ein Bild zu zeichnen, erfand er die Combination von Muskel-
Actionen, die er später in dem Homme squelette fixirte. Sehr bald lernte er die
Kunst, seine Baucheingeweide hin- und herzuschieben, sie bald nach oben unter
dem Brustkorbe verschwinden zu lassen, bald in Masse gegen die Nabelgegend
Yorzutreiben. Einer der Nachbarn hängte sich auf; während alle Umwohner
m tiefsten Kummer herumstanden, studirie er mit Begierde an der Leiche die
Vitkungen der Strangulation, und fast unmittelbar darauf gab er eine Reproduktion
des Homme pendu. Dann lernte er seinen Muskeln die Härte der Todtenstarre
Oder gar des Steines geben: SO entstand die Darstellung des Homme-statue und
des Homme mort. Schliesslich entdeckte er, auf die Anregung eines Magnetiseurs,
die Kunst, seine Herzbewegungen zu unterdrücken. . nn |
Nicht alle diese Leistungen sind gleich ungewöhnlich. Die Einwirkung einer
Stark verlängerten Inspiration auf die Herzthätigkeit ist den Physiologen wohl be-
ant und leicht zu zeigen; bei Hrn. Aiguier überrascht jedoch die Vollstándig-
keit und die lange Dauer der Unterdrückung von Herz- und Pulsschlag. Auch
Willkürliche Muskelstarre ist erfahrenen Aerzten wohl bekannt; ich habe sie von
Simulanten in vollster Stärke entwickeln sehen. Was bei Aiguier jedoch am meisten
Auffahrt, das ist die isolirte Thätigkeit einzelner Muskeln, z. B. der verschiedenen
Bauchmuskeln, namentlich aber die des Platysmamyoides. Aiguier vermag nicht
bloss beide Platysmen, sondern auch nur einen derselben, und zwar bis zu dem
“ussersten Grad contrahiren. Die betreffende Partie erhebt sich weit über
d rade, zu M x
" umliegende Haut, welche daneben tiefe Gruben und Thiler bildet; die Inser-
“Oo treten isolirt hervor, endlich legt sich die Haut über dem Platysma ın quere
alten. Ausläufer der Muskelplatten lassen sich bis weit über die Brust abwärts
"erfolgen. Wie es scheint, ist die muskulöse Platte des Platysma, über welche
Wr gewöhnlichen Sterblichen fast gar keine Herrschaft haben, ja die eigentlich
légelmässig ganz atrophisch ist, bei Aiguier in hohem Grade hypertrophisch,
Wahrscheinlich in Folge langer Uebung.
Eine weitere Analyse ist hier kaum am Platze. Aber auf Eines möchte ich
"(ch die Aufmerksamkeit richten. Aiguier gebraucht gewisse Vorbereitungen
und Hülfsmittel, um seine Muskeln zur Aktion zu treiben. Manches davon mag
AN sich unnóthig sein, denn ich sah ihn auch seine schwereren Leistungen fast
JO.
(684)
plötzlich vornehmen. Es ist also wohl müglich, dass er diese Vorbereitungen 2'"
sichtlich hinzufügt, um die Spannung der Zuschauer zu erhöhen. Indess möcht®
ich denselben doch einen gewissen Werth beilegen. Ehe er bestimmte Muskel?
oder Muskelgruppen zusammenzieht, führt er mit der Hand drückend und leicht
knetend darüber hin, dann klopft er mit dem ulnaren Handrande auf dieselbe!
endlich giebt er sich einen plötzlichen Ruck und stellt die beabsichtigte Cor
traction her. In ähnlicher Weise tritt auch die Lösung der Contractur und d
Nachbehandlung der Muskeln ein. Aber Aiguier macht auch ausgedehnte Vo!“
übungen. Er selbst beschreibt dieselben folgendermaassen: „Veritable artist®
amoureux de son art, il travaille plusieurs heures par jour à assouplir ses organes
à forcer ses muscles à des contractions, à des allongements nouveaux, à obéir
en quelque sorte à sa volonté.“ Man wird ihm glauben, dass er Alles, was €!
isí, durch energische Uebung und feine Beobachtung natürlicher Vorgünge 8€
worden ist, und man wird ihm zugestehen müssen, dass er nunmehr ein wirk
licher , Muskel-Künstler“ ist.
2) Der Hautmensch.
Peter Spamer, aus der Gegend von Würzburg, ist so ziemlich das gerade
Gegenstück des Muskelmenschen: blond, gross, knochig und phlegmatisch. Während
bei Aiguier Alles Aktivität ist, überrascht Spamer durch eine weit, ja bis in'S
Unglaubliche getriebene Passivität, zufälliger Weise der gleichen Theile. Das
Phänomen, das bei ihm in grösster Stärke hervortritt, ist eine unerhörte Dehn-
barkeit seiner Haut und Unterhaut. Er fasst einzelne Stellen der Haut und
erhebt dieselben weiter und weiter, bis sich eine grosse Falte oder ein umfang”
reicher Lappen daraus bildet, mit dem er nicht bloss Nachbartheile bedeckt, sonder?
selbst entfernte Regionen verhüllt. Dies macht er am Rumpfe, an den Extremi-
täten und selbst am Gesicht. Sein grösstes Kunststück ist es, die Haut des
Halses, gerade aus der Gegend des Platysma, in einer weiten Querfalte vorzu
ziehen und dann über das Gesicht zu legen; wie ein Tuch verhüllt sie alle
Theile des Gesichtes bis zu dem Haarrande. Ebenso leicht und schnell, wie sie
vorgezogen ist, zieht sich bei Nachlass des Zuges die Haut zusammen und kehrt
wieder in ihre Normallage zurück, — kurz, sie ist fast noch mehr elastisch, als
ein Kautschukbeutel.
Die grosse Elasticität der äusseren Haut ist genügend bekannt und sie lässt
sich an allen den Stellen, wo Spamer seine Experimente macht, auch bei anderen
Menschen leicht demonstriren. Sie ist so gross, dass wenn man ein Hautstück
von. der Oberfläche des Körpers abpräparirt, dasselbe so stark zusammenschnurrh,
dass es die entstandene Wundfläche nicht mehr deckt. Aber eine so excessiv?
Dehnbarkeit, wie bei Sp amer, ist doch ausserhalb aller bekannten Verhältnisse:
und sie ist um so merkwürdiger, als mit der Verschiebung der Haut auch da$
Unterhautgewebe und mit ihm die Blutgefüsse eine colossale Dehnung erleiden
müssen. Dass dabei keine Zerreissungen und Blutinfiltrationen entstehen, beweist;
dass auch diese Theile sich einer gleichen Elasticitit erfreuen. —
Namens der Gesellschaft sage ich beiden Künstlern und namentlich Hrn-
Neumann, dem Direktor des Passage-Panopticums, freundlichen Dank für die
interessante Vorführung. —
(20) Eingegangene Schriften.
1. Homeri, Opera omnia ex recensione et cum notis S. Clarkii. Cura J. Aug
"Ernesti. Ed. IL Lipsiae 1825, 5 Theile in 3 Bünden.
(685)
; Sadler, P., Nouv. dictionnaire portatif anglais-français et fr.-angl. Paris 1844.
: Schaaff , L., Encyclopiidie der classischen Alterthumskunde. III. Aufl. Magde-
4 burg 1826. 2 Theile in 1 Bd.
. Scheller, Imman. Joh. Gerhard. Deutsch-lateinisches und lateinisch-
5 deutsches Lexicon. II. Aufl. Leipzig 1788/89. 4 Bde. |
. Schmitt, Christ., Anleitung zur Erlernung der schwedischen Sprache. Nach
Ollendorff's Methode. IL. Aufl. Frankfurt a. M. 1872. — Schlüssel
6g dazu. Frankfurt 1872.
* Schul- und Reise-Taschen-Wärterbuch der italienischen u. deutschen Sprache.
noy, Leipzig, o. J.
' "irgilii, Maronis, Publ, Opera omnia cum annotationibus, cura Joh.
TEN Minellii. Francofurti 1708.
' "frselbe, Opera. Accedit M. Manilii Astronomicon. Biponti 1783.
9 Nr. 1—8 Gesch. d. Frau San.-Rath Schlemm.
) Nehring, A., Diluviale Reste von Cuon, Ovis, Saiga, Ibex und Rupicapra
aus Mühren. Stuttgart 1891. (Sep.-Abdr. a. d. Neuen Jahrb. f. Miner,
0. x, Geol. u. Paliont. Bd. IL) Gesch. d. Verf. |
' Aug van Reusselaer, J., Playing cards from Japan. (S.-A. Proc. Nat.
11 Mus. Vol. XIII. No. 836.) Gesch. d. Smithsonian Institut.
' Treichel, A, Primitive Fischerei. (Sep.-Abdr. aus den Mittheil. d. Westpr.
19 D Fischerei-Vereins. 1891. Bd. IIl. $8.109— 112.) |
' Yerselbe, Die gewöhnlichen Polnischen Bezeichnungen bei Fischerei und von
là, p Fischen im Kreise Berent, o. O. u. J. | _ |
' Yerselbe, Ueber die an der Pommerschen Kiiste bei Leba zu Utensilien bei
der Lachs- und Breitlingsfischerei zur Verwendung kommenden Holzarten.
(Sep.-Abdr. a. Circular des Deutsch. Fischerei-Vereins. Berlin 1379.
u, p, & 57—59)
erselbe, Ueber starke Báume. Schriften d. Naturf. Ges. zu Danzig. Neue
lá p Folge. Bd. VIL Heft 4.
16 p. selbe, Westpreussische Schlossberge und Burgwülle, o. O. u. J.
17 p. rselbe, Ornamentirie Urnen von Hochstüblau, o. O. u. J.
lg p. selbe, Westpreussische Häuser, o. O. u. J. | | |
' Jerselbe, Versammlung des bofanisch-zoologischen Vereins in Neustadt i. Wpr.
(Danziger Zeit. v. 21. Mai 1891.)
19, gi Nr. 11—18 Gesch. d. Verf.
20 DO, Polnische Bezeichnungen für Fische, o. O. u. J. Gesch. d. Verf.
' Mél meridiano iniziale e dell ora universale. Bologna 1890. (R. Acc. d.
20, p scienze di Bologna.) Gesch. d. R. Acc. d. scienze di Bologna.
"loss, H., Das Weib in der Natur- und Völkerkunde, 3. Aufl., herausg.
von M. Bartels Leipzig 1891. (V.—VII. Lieferung.)
29. à Gesch. d. Hrn. Sanitütsrathes Bartels.
u Bois-Reymond. Bericht über die Wirksamkeit der Humboldt-Stiftung
für Naturforschung und Reisen. S.-B. d. k. Preuss. Akad. Berlin 1890.
23. n Gesch. d. Hrn. Virchow. |
lunischli, J. C, Gesprüche über Gott und Natur und über Unsterblichkeit.
M. og. Nordlingen 1880.
1ssinger, K., Verzeichniss der Triimmer- und Fundstitten aus römischer
%. à Zeit im Grossherzogthum Baden. Karlsruhe 1885.
“4 Bois-Reymond, E., Ueber die Grenzen d. Naturerkennens. II. Aufl.
Leipzig 1872.
(686)
26. du Bois-Reymond, Ueber die Uebung. Berlin 1881. .
27. Dahlem, J., Das mittelalterlich-römische Lapidarium und die vorgeschichülich"
römische Sammlung zu St. Ulrich in Regensburg. Regensburg 1881.
28. Ebers, G., Eine Gallerie antiker Portraits. Erster Bericht über eine jin?
entdeckte Denkmiüler- Gruppe. — O. Donner-v. Richter, Die 9"
kaustische Malerei der Alten. München 1888.
29. Fraas, O., Die geognostische Sammlung Wiirttembergs. Stuttgart 1877.
30. Freihold, F., Die Lebensgeschichte der Menschheit. Bd. I. Das erste
Leben der Menschheit oder die sinnliche Richtung. Jena 1876.
31. Jäger, G., Die Entdeckung der Seele. Leipzig 1878. (Sep.-Abdr. Kosmos)
32. Moleschott, J., Die Einheit der Wissenschaft aus dem Gesichtspunkte der
Lehre vom Leben. Giessen 1879.
33. Die Sammlungen des Vereins für Pommersche Geschichte und Alierthums
Kunde in Stettin. Stettin 1886.
Nr. 23—33 Gesch. d. Frau San.-Rath Schlemm.
34. Meyer, H., Eine Weltreise. Neuer Abdruck. Leipzig und Wien 1890.
39. Derselbe, Zum Schneedom des Kilimandscharo. Berlin, o. J. (1888.) Fol.
Nr. 34 u, 35 Gesch. d. Verf.
36. Actes du deuxième Congrès international d’anthropologie criminelle. Biolog
et sociologie. (Paris, août 1889.) Lyon ct Paris 1890.
. Gesch. d. Hrn. Magitot.
37. Brizio, E., Relazione sugli scavi eseguiti a Marzabotto presso Bologna dal
Nov. 1888 a tutto Maggio 1889. Roma 1890. Fol. Gesch. d. Verf.
38. Undset, I, De nordiske kloverblad-formede spaeder fra yngre jernalder, dere®
tilblivelse og udvikling. Christiania 1891.
39. Derselbe, Mere om de norske oldsager i Kobenhavns oldnordiske museu™
Christiania 1891.
Nr. 38 und 39 Gesch. d. Verf. .
40. Festakt zur Feier des siebenzigjährigen Geburtstages Sr. Königlichen Hoheit
des Prinz-Regenten Luitpold von Bayern als des erhabenen Protektor®
gehalten von dem Historischen Vereine von Ober-Bayern, in einer Fest
versammlung am 9. Mürz 1891. München 1891.
Gesch. d. Vereins. -
Sitzung vom 17. October 1891.
Zum Tm Eintreten des gelegentlich seiner 70jáhrigen Geburtstagsfeier (13. October)
Crh ren-Präsidenten der Gesellschaft ernannten” Vorsitzenden, Hrn. Virchow,
©N sich die anwesenden Mitglieder von ihren Plätzen.
vali Virchow bemerkt, dass ihm eigentlich Seitens der Gesellschaft ein Ge-
Zweifel angethan worden sel, dessen constitutioneller Charakter ihm nicht ganz
Ziveqy, OS erscheine. Nur in dem Gefühl der dauernden Uebereinstimmung der
epg © und der Arbeiten, welches er den Mitgliedern der Gesellschaft gegenüber
Augen: habe er sein Gewissen beruhigt und wolle er sich auch in diesem
inb, licke fügen und die Hoffnung aussprechen, dass für die Zukunft sich kein
e nid, nes Prüjudiz ergeben móge. Seinen Dank für eine so grosse Ehre kónne
tein, qunders ausdrücken, als in der Zusage, dass er sich bemühen werde, in
stag igkeit für die Gesellschaft nicht nachzulassen, so lange seine Krüfte es
Vorsitzender Hr. Virchow.
ung e Die Testaments-Vollstrecker Schliemann's, die HHrn. P. Calliga
der s reit, haben, d. d. Athen, 2./14. September, angezeigt, dass der Verstorbene
Sey, eu schatt 10000 Francs vermacht hat. Im Einverstündniss mit Frau Sophie
ng iemann haben sie diese Summe hierher überwiesen. Der Vorsitzende
Bleus Schatzmeister haben die Summe erhoben und darüber eine notariell be-
ri Quittung ertheilt. Vorstand und Ausschuss haben dieses Vorgehen nach-
höch gutgeheissen. Es wird dem Hrn. Cultus-Minister ein Antrag auf Aller-
Ste Genehmigung zur Annahme der Schenkung unterbreitet werden.
seo ht ohne tiefe Rührung wird die Gesellschaft aus dieser Schenkung er-
ihre fors dankbar Schliemann dafür gewesen ist, dass die Gesellschaft durch
hat 2eltige und andauernde Anerkennung seiner Leistungen ihm die volle Re-
Sein G.S in Deutschland und den Sieg über alle Widersacher erleichtert hat.
Weng, achiniss wird nun durch ein neues Band gesichert sein. Ueber die Ver-
Allgyy 5 der geschenkten Summe wird später Beschluss zu fassen sein, sobald die
chste Genehmigung eingegangen ist.
ms Der Hr. Unterrichts-Minister hat durch Erlass vom 1. August die
A Beihülfe in der bisherigen Höhe für das laufende Rechnungsjahr
Das neue Ehrenmitglied, Fräulein J. Mestorf, spricht ihren Dank in
em Schreiben an den Vorsitzenden, d. d. Kiel, 30. Juli, aus:
(688)
„Die Auszeichnung, deren die Berliner Gesellschaft fiir Anthropologie, Ethno”
logie und Urgeschichte mich durch die Ernennung zu ihrem Ehrenmitgliede 89
würdigt, hat mich ebenso sehr überrascht, wie ich mich durch dieselbe geehrt
fühle; denn wohl ist es hohe Ehre, als erwühltes Mitglied einer Gesellschaft 9"
zugehóren, die so glünzende Erfolge ihrer den ganzen Erdball umspannende?
ruhmvollen Thátigkeit zu verzeichnen hat.
„Ich bitte Euer Hochwohlgeboren, meinen tief empfundenen Dank entgege?
zu nehmen und ihm der hohen Gesellschaft gegenüber Ausdruck verleihen 7"
wollen.“ —
(4) Seit der letzten Sitzung ist eine ungewöhnlich grosse Zahl von Mit-
gliedern durch den Tod abgerufen worden.
Von unseren correspondirenden Mitgliedern sind gestorben:
Dr. Isidor Kopernicki, Professor an der Universitüt zu Krakau, einer
der erfahrensten Kraniologen der Gegenwart, und
Dr. Georg Alex. Wilken, Professor an der Universität zu Leiden, 2%
28. August, erst 44 Jahre alt, der grösste Kenner der Ethnograph!?
des malaiischen Archipels.
Aus dem Kreise der ordentlichen Mitglieder schieden:
Dr. Gustav Hahn, Oberstabs- und Regimentsarzt, am 7. September, "”
Folge eines Schlaganfalles, in Schreiberhau:
Max Quedenfeldt, Premier-Lieutenant a. D., 40 Jahre alt, am 18. SeP”
tember zu Berlin, an einer schweren Unterleibskrankheit, die er v0?
seiner letzten Reise in den Orient zurückgebracht hatte.
(9) Aus der Zahl der Forscher und Freunde unserer Wissenschaft schicde?
dahin
Dr. Voigtel zu Coburg, das thätigste Mitglied des dortigen Verein?
einer der regelmássigsten Besucher unserer Congresse;
Dr. Rackwitz zu Nordhausen, ein eifriger Arbeiter auf dem Gebiete d€
historischen und folkloristischen Studien;
Dr. philos. et theol. Friedrich Fabri, ordentl. Honorar-Professor de
Universität zu Bonn, ciner der tapfersten Streiter auf dem Grenzgebiet?
zwischen Theologie und Naturwissenschaft und einer der am besie”
unterrichteten und kiihnsten Vorkümpfer der Colonial-Politik.
(6) Als neue Mitglieder werden angemeldet:
Hr. Prof. Dr. Hirschfeld, Kónigsberg i. Pr.
, Gymnasial-Lehrer E. Róssler, Schuscha im Kaukasus.
, Ritterguts-Besitzer Papendieck, auf Dalheim bei Gutenfelde, Os*
Preussen.
Das Bernstein-Museum Stantien und Becker, Känigsberg i. Pr.
Hr. Rechtsanwalt Paul Langenmayr, Pinne, Provinz Posen.
, Dr. Glogner, Officier van gezondheit, Padang, Sumatra.
„ Kaufmann Friedrich Müller, Berlin.
„ Max Ohnefalsch-Richter, Charlottenburg.
(7) Hr. W. Schwartz hat wihrend der Ferien seinen 70jührigen G**
burtstag gefeiert. Hr. Voss hat ihm persónlich die Beglückwünschung der
Gesellschaft überbracht. "Wir dürfen heute den rüstigen Jubilar wieder unter uns
(7
Brien und ihm die würmsten Wünsche fiir sein weiteres Fortarbeiten auf
er ruhmyollen Bahn darbringen.
fing (8) Unter den Hrn. Virchow zugegangenen Gratulations- Telegrammen be-
Pa et sich auch ein solches von Hrn. Jagor aus Makassar. Trotz der lapidaren
a (gratulor Jagor) darf daraus wohl auf das gute Befinden unseres
Sundes geschlossen werden.
Rh (9) Am 25. October feiert der Verein von Alterthumsfreunden im
tang ade sein 50jähriges Jubiläum. Das Programm wird vorgelegt. Vor-
Vünsq Ausschuss werden den hochverdienten Verein in einer Adresse beglück-
en.
ges (10) Die Oberlausitzer Gesellschaft für Anthropologie und Ur-
sh echte hat ihre vierte Hauptversammlung am 8. October, in einer für uns
Ungünstigen Zeit, in Görlitz abgehalten.
Mig D Die kaiserliche Moskauer archáologische Gesellschaft ist vom
m, erum der Volksaufklürung beauftragt worden, in Constantinopel ein
bons Ces Institut zur ethnographischen und archäologischen Er-
Mi ne des Orients zu errichten. Es sind demselben zu diesem Zweck reiche
il Zur Verfügung gestellt worden.
ape Vorsitzende erhofft die dereinstige Einrichtung ‚eines solchen Institutes
eutschlands in Cairo.
ma (12) Nachdem Hr. Castan von Dr. Schellong's papuanischen Gesichts-
quien Gypsabgüsse angefertigt hat, ist nunmehr ein Circular an hervorragende
der ge Phische Museen erlassen worden, in welchem ein Personal-Verzeichniss
tücke (37 an der Zahl), mitgetheilt wird. Von den Masken beziehen sich
Nr. 1—99h. auf Neu-Guinea. NO. Kaiser Wilhelms-Land. Finschhafen. Jabim.
» 23—97. » » » Kai.
» 28—31. , Insel Tami.
» 32, , Neu-Lauenburg.
» 33. ^ , Neu-Britannien (Neu-Pommern).
» 34, , SW. Neu-Meklenburg.
» 35, 36. 5 NO. » »
» 9T, , Salomons-Insel Wella-W ella.
Der Tenor des Circulars lautet: |
Von zm dem Besitze der unterzeichneten Gesellschaft befinden sich Gypsabgüsse
Welche Gesichtern Eingeborener aus Melanesien, namentlich aus Neu-Guinea,
tein, Hr. Dr. Sehellong über Lebenden abgeformt hat. Das umstehende Ver-
chen” enthält die nüheren Angaben. Eine genaue Beschreibung wird Hr.
Ong in der Zeitschrift für Ethnologie, Heft IV, 1891, geben.
pa Vir sind im Stande, Vervielfüliigungen dieser Gypsabgüsse, in natürlichen
De cat, käuflich abzulassen. .
95 Ma cr Preis beträgt exclusive Verpackung und Porto für das Stück
Sehen Tk. Sollten bei uns mehrere Bestellungen auf die gleichen Stücke ein-
fo],,.", S0 künnen wir eine Preissermüssigung eintreten lassen und zwar in
Sender Weise:
Verbanay, der Berl. Anthrop. Gesellschaft 1891.
9089)
44
(690)
bei 1 Bestellung auf die ganze Folge 2090 Mk.
. 2Bestelungen , , , ^ 1330 ,
?» ” ” ” " 1070 n
* 29 » » Y 950 »
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5 ^ Wi .» ” ” 824 »
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” ^ » ” a ' 140 ”
» 16 ” » » 2 7s : . 122 ”
» Wir bitten, uns die Bestellungen bis zum 15. November dieses Jahres 2
gehen zu lassen, und werden wir darauf den Reflectanten mittheilen, ob und welche
Preisermássigung wir eintreten lassen können.“
Die Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte zu Berlin-
Dr. Max Bartels, Schriftführer. Berlin SW., Königgrätzerstasse 120.
Der Vorsitzende fügt hinzu, dass etwaige spätere Bestellungen, wenn ®
möglich ist, auch noch berücksichtigt werden sollen.
(13) Hr. O. Borchert unternimmt demnächst eine Expedition nach d"
ceniral-africanischen Seen. Graf Schweinitz, der ihn begleitet, beabsichtig
daselbst wissenschaftliche Untersuchungen, auch anthropologische, zu veranstalte”
(14) Das correspondirende Mitglied, Hr. Dr. Paolo Orsi, Ispettore degli Sca"?
in Syracus, berichtet aus Rovereto im Trentin unter dem 21. August über
Prähistorischen Bernstein aus Sicilien.
Als wichtigen Nachtrag zu den hochinteressanten Mittheilungen über der
alten Bernsteinhandel und die Goldfunde (des Hrn. Olshausen in diese?
Verhandlungen 1891, S. 2861) kann ich berichten, dass wir endlich ?
officieller Weise die Existenz von Bernstein in prühistorischen oder besser, ?
protohistorischen Gräbern Siciliens constatiren kónnen. Schon vorher hatte Prof
A. B. Meyer im Bullettino di Paletnologia Italiana 1887, p. 22. 94, zwei Be
steinfunde besprochen, einen von Randazzo, den anderen von Crichi; die chemisch
Analyse des Hrn. Bürwald in Berlin ergab jedoch, dass dies kein Bernstë!”
aus Sicilien (Simetit), sondern aus dem Norden (Succinit) war. Ich muss jedoch
einige Bedenken über diese Resultate erheben, nicht vom chemischen, sonde?
vom archüologischen Standpunkte aus. Vor allem bemerke ich, dass der Ber
stein von Crichi gestrichen werden solle, da Crichi in Calabrien und nicht ”
Sicilien liegt; und dann, dass, meiner Meinung nach, auch der Bernstein von Rf
dazzo suspect ist, da in Randazzo keine prähistorischen Gräber existiren, wenigster
Niemand davon weiss.
Dagegen in den Ausgrabungen, die ich im Auftrage der kónigl. italienische?
Regierung in den sikelischen Nekropolen von Plemmirio bei Syracus und Casiellucci?
bei Noto im Jahre 1890 ausgeführt habe, hatte ich die Freude, einige Bernste!"
perlen, mit bronzenen Schwertern und steinernen Messern zusammen, zu finde™
Einige Stücke, die, durch die Güte des Hrn. Prof. A. B. Meyer in Dresden, mittel?
chemischer Analyse geprüft wurden, ergaben, dass sie sich ganz anders, als
Ostsee-Bernstein, verhalten. Detailliries über meine Entdeckungen werde ich m
Bulletino di Paletnologia Italiana dieses Jahres herausgeben. Gegenwärtig mag e
(691)
hep Een, die erste Entdeckung von prühistorischem sicilischem Bernstein in Sicilien
annt Zu machen, —
tu D) Hr. Marchesetti berichtet in einem Briefe an den Vorsitzenden aus
st, 17. September, über
neue Ausgrabungen zu Santa Lucia im Litorale.
bese pe bin jetzt mit dem Auspacken meiner 14 Kisten, Ausbeute von S. Lucia,
Gang, tigt, denn obwohl die Zahl der geöffneten Gräber nicht gross war (291 im
halt N), waren doch die meisten sehr gut mit Sachen versehen, so dass ich reich-
Brot Funde in diesem, als im Vorjahre, machte. Besonders zahlreich sind
ein egefüsse vertreten (23), worunter einige mit schünen gepunzten Zeichnungen,
iggy. CE erhaltener Kelch, eine zweihenkelige Situla mit Deckel, drei cylin-
form © Reifeneimer (Ciste a cordoni), ein 50 cm hohes Ossuarium in Situla-
Schw eic. ete. In grosser Zahl sind auch schön erhaltene Kelche aus Thon mit
heim nn und rothen Zonen. Interessant, besonders für die Zeitbestimmung,
sep, ir das Vorkommen einer apulischen Kylix. Fibeln kamen ebenfalls in
Mugg icher Zahl vor (es sind deren 391), darunter mehrere für S. Lucia neu.
und wem eine Menge anderer Zierrathe, verschiedenartige Ringe, Nadeln, Glas-
fang rnsteinperlen, Anhàngsel, Messer, ein Schwert, ein Paalstab u. A. Wiederum
Man das Grab eines Pferdes, jedoch nur mit einem eisernen Zaume versehen.
NA Juni habe ich eine schöne Reise durch Dalmatien, Montenegro und
Muse © gemacht. Im höchsten Grade haben mich die Funde von Glasinac im
italie von Serajewo, wegen der vielen Analogien mit unseren und den süd-
denti Nekropolen (besonders Sybaris), interessirt. Desgleichen konnte ich die
ihre, c "unserer Castellieri mit denen Dalmatiens und Bosniens, sowohl hinsichtlich
: onstruction, als ihrer Funde, nachweisen.“
Unter dem 10. October hat Hr. Marchesetti eine schöne
an archaische Bronze-Fibel von Koban-Form
WS p Virehow zu dessen Geburtstag gesendet. Er nennt sie eine typische
se TPE, wie sie seines Wissens
lo, - alb der Nekropolen des Litorale
Dirgends gefunden wurde.
dad P Virchow dankt dem freundlichen
dem a das werthvolle Geschenk, das er
Über Museum für Völkerkunde zu
Exe en gedenkt. Es ist ein kleines
Bügel ar mit dickem, fast blutegelfórmigem
arche der an 4 Stellen mit tiefen Quer-
Die NS in der Zahl von 6--8, besetzt 1st.
an ns entwickelt sich mit drei, dicht
ee liegenden, abgeplatteten Win-
Eng, ; aus dem Bügel und legt sich am
an dep eine sehr breite, eingebogene Platte,
eher noch Spuren von Querkerben
Own a arsind. An dem Bügel hüngen zwei
dicker geschlossene Ringe von
Piney; last drehrunder Bronze, ferner eine
* mit verhülinissmüssig schmalen
IE
(692)
Armen und drei Klapperkugeln mit sonnenförmigen Eindrücken, beide an €
sonderen kleinen Ringen. —
(16) Hr. Leopold Conradt, aus Königsberg, hielt in der Gesellschaft für
Erdkunde am 7. März einen Vortrag über eine centralasiatische Reise (Verhandl.
der Gesellsch. 1891, Nr. 3, S. 168), welche er im Gefolge der Expedition des Capit?
v. Grombtschewsky in den Jaliren 1889 — 90 gemacht hatte. Bei dieser Ge
legenheit erwühnte er auch die Nephritbrüche von Schachidula und die Nephrit
schleifereien von Chotan, über welche er genaue Aufschlüsse zu geben wusste. EB
versprach Hrn. Virchow weitere Nachrichten darüber und Proben des Gestein*
Letzterer war nicht wenig erstaunt, den nächsten Brief, vom 23. August datirt
von der Plantage Derema in Deutsch-Ostafrica zu erhalten, zugleich mit der Mit
theilung, dass Hr. Conradt beides, Brief und Proben, dem Grafen Joachim Pf!
mitgegeben habe, den er in Tanga getroffen habe. Letzterer war inzwischen nach
Berlin zurückgekehrt und überbrachte in freundlichster Weise die werthvoll?
Sendung. Die Gesteinsproben sind von dem Vorsitzenden Hrn. Arzruni in Aache”
zugeschickt worden, der eine genauere Analyse derselben zugesagt hat.
Der Brief des Hrn. Conradt, d. d. Tanga, 29. Juni, berichtet Folgendes übel
die Nephritgruben von Schachidula und die Schleifereien von Chotan-
„Was zuerst die Fundorte des Nephrits anbetrifft, so fand ihn Capitä®
v. Grombtschewsky schon 1888 weiter stromab am Raskemflusse, als wo wir der
selben an der Einmündung des Ily-Ssuflusses in ihn berührten. Im Winter 1889/9°
gelangten wir an die Nephritbriiche, die vom Platze Schachidula-Chodsha de?
Kara-Kosch etwa eine Tagereise stromauf sich befinden und die wohl auch scho?
von Schlagintweit besucht waren, woselbst aber jetzt nicht mehr gegraben wird-
Endlich wurde das Gestein auch in der Nähe des Tisnaph-Flusses gefunden, als°
etwa südlich von Jarkend, welche Gegend Sie ungefähr nach der von mir zu meine?
Vortrage in der geographischen Gesellschaft gemachten Marschrouten-Skizze €
Sch. Ch. Schachidula-Chodscha.
N. B. Nephrit-Brüche.
K. K. Karakosch.
. Ch. Chotan (Iltschí).
J. K. Juruny Kosch.
es Ch. Chotan-Darja.
R. D. Raskem-Darja. Bei 4- d?
. Karakorum-Pass zum BY
A malaya.
E K. P. Kilian-Pass.
- K. Kilian.
K. J. Kuk-Jar.
O S. Oase Sanshu.
s, . W. Wüste.
7 Arbet Zwischen Sehachidula und Cho?!
a der Kwen-Lun.
og —- o ——
247
(F9)
hen können. Auch soll Nephrit, wenn ich nicht sehr irre, bei Polu in den Ge-
birgen vorkommen, ebenso wird er auch in der Ebene bei Chotan gegraben. |
»Doch nun zu seiner Bearbeitung. In der Stadt Chotan befinden sich die
S'Üssten Schleifereien, und war die, welche wir im Sommer 1890 besuchten, in
dem Besitze eines Muhamedaners von Kaschgar. Hingeführt, fanden wir ein
S'Üsseres, langes Zimmer, in dem 4 Arbeiter an einem langen Tische sassen und
T "SCchiedene Stücke Nephrit schliffen, bezw. schnitten. Vor jedem Arbeiter befand
“Ch am Tische eine muldenförmige Vertiefung, mit Wasser gefüllt, durch welches
“ine Srüssere oder kleinere dünne Eisenscheibe lief, die durch einen Tretstuhl in
Schnelle Bewegung gesetzt wurde. Vermittelst dieser Scheiben, die einen halben
bi Segen einen Fuss im Durchmesser hatten, wird das rohe Stück Nephrit zu
N Sewünschten Grösse durchgeschnitten, um dann später bearbeitet zu werden.
eigentlichen Bearbeitung dienen zwei andere Eiseninstrumente: eines zum
Stellen der Körperfiguren oder zum Rund- und Glattschleifen von Arm-
pem, Fingerringen, Schälchen, Mundstücken für die Opium- und kleinen
v Dakpfoifon und dergl, und besteht dieses Instrument aus kleineren, bis fast
^ Zoll dicken Eisenscheiben, die 1 Zollund weniger im Durchmesser haben. Zum
Sohren der kleinen Kautabakflaschen dagegen biegen sie eine feine Eisenplatte
et einer an einem Ende spitzer zulaufenden Röhre, deren Längsseiten aber nicht
sang sich decken. Diese letztere Arbeit ist natürlich die schwierigste und am
lingsten dauernde. da der Stein sehr hart ist, und kosten daher solche tief ge-
Doh, Fläschchen am meisten; sah ich doch eine solche, die etwa 3 Zoll
ling, ‘/s Zoll dick und 1'/, Zoll breit war, auch einen kleinen goldenen Deckel mit
“nem ganz kleinen Schäufelchen hatte, wofür die Eingeborenen gegen 200 Rubel
lerlangten. Da nun die Bearbeitung schwierig ist und ziemlich lange dauert,
S0 sing alle diese Nephritgegenstünde, wenn der Stein selbst rein, also nicht
eckig ist, ziemlich theuer; besonders beliebt ist aber die fast milchgraue Farbe
des Nephrit, der daher auch bei den Chinesen am besten bezahlt wird, und werden
Schr Viele Gegenstände daraus nach dem @stlichen China exportirt. |
fag Schleifen des Steines gebrauchen die Schleifer aber noch awe verschieden.
Ana:S° Arten von Sand, von denen die eine bei Chotan, ie «
Mishap jm russischen Turkestan gefunden wird, aber beide nicht sehr theuer sind.
m »Die Instrumente sind auch nicht theuer, da der Capitán einen allerdings nicht
u Sehr guten Satz, nebst Proben von den zwei Arten von Sand, für etwa
Rubel kaufte. | |
Sta »Ánbei übersende ich Ihnen nun auch die zwei bei Schachidula gefundenen
‘hole Nephrit zur gefälligen Benutzung.“ —
or Hr. Virchow dankt dem giitigen Sender fiir die grosse Liberalität, mit der
30 seltene Gegenstände der Wissenschaft opfert, und für die interessanten An-
Rm über die Technik der Fabrikation. Hoffentlich werde die Untersuchung des
Nos Arzruni eine bleibende Grundlage für die Beurtheilung des ost-urhestanischen
Ne lis, den man so lange als die Quelle der occidentalischen práhistorischer
Phritgeräthe betrachtet hat, bilden. —
Ste] (17) Hr. Virchow theilt aus den Briefen des Hrn. Conradt noch folgende
len mit, betreffend
das Innere von Usambara, Ost-Africa.
ü 1) Aus dem Briefe vom 29. Juni: „Ich nahm bei der Deutsch-Ostafrikanischen
*Sellsehaft eine Stellung hierselbst an, um mit einem anderen Herrn in dem
4M
E»
vu,
(7)
Inneren des Usambara-Gebietes Kaffee- und andere Plantagen anzulegen, und glaub
fast sicher, dass nach dem, was ich bis jetzt gesehen und gehört habe, diese plar
tagen, energisch und umsichtig angelegt, einmal eine grosse Zukunft haben werden
2) Aus dem Briefe vom 23. August: , Wir haben nun endlich in der Land
schaft Usambara geeignete Terrains für Kaffee-Plantagen in einer Hóhe von über
800 m gefunden, haben auch schon angefangen, Land urbar zu machen, und glaub®
ich, dass das Plantagen-Unternehmen der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft
glücklich gedeihen wird, wenn es nur energisch und umsichtig angefangen wird.
Günstige Vorbedingungen, als Arbeiter, Klima, Fruchtbarkeit u. s. w., sind vor
handen und bin ich wenigstens noch stets ganz gesund geblieben.“ —
(18) Hr. Dr. Fritz Nötling, von dem Geological Survey of India, perichte!
in einem Briefe an den Vorsitzenden aus Yenangyoung, Upper Burma, vom
9. August über
prähistorische Steinwaffen in Ober-Birma.
Es wird Sie interessiren, ein paar kurze Mittheilungen über die endliche Auf
findung von Steinwerkzeugen in Ober-Birma zu erhalten. Wie Ihnen wohl b®
kannt, sind prähistorische Steinwaffen aus Hinter-Indien ungemein selten, die Mehl“
zahl derselben stammt aus Tenasserim; der einzige mir bekannte, verlässliche Fund
aus Birma selbst ist eine Streitaxt aus Sandstein, aus der Nähe von Prome.
Während der drei Jahre, die ich in Birma herumreiste, habe ich mich ve
geblich bemüht, Spuren einer prühistorischen Ansiedelung aufzufinden. "Trotzde?
ich stets ein Steinbeil mit mir führe, das ich den Eingeborenen als Muster v0U
weise, und trotz hoher Belohnungen war es mir bisher noch nicht geglückt
irgend ein Steinwerkzeug aufzutreiben. Ich hatte beinahe alle Hoffnung auf
gegeben, solche im mittleren Theile von Ober-Birma aufzufinden, — um so mehr, als
geologische Anzeichen darauf hinweisen, dass Ober-Birma noch in verhältnis”
müssig nicht weit zurückliegender Zeit vom Meere bedeckt war, — als ich von eine?
Bekannten die Nachricht erhielt, dass er im Besitze von vier Steinbeilen sel, wov0?
er eines selbst aufgefunden habe. Der Fundort liegt in den Bergen westlich vof
Mingin zwischen dem Chindwin und dem Arrakan Yomah; 23° n. Br. und 94° 1°
óstl. Lànge v. Gr. nüherungsweise. Das Steinbeil, das im Gerólle eines kleine?
Baches aufgefunden wurde, gehört zur Gruppe der curiosen „shouldered celts“, die
soweit mir bekannt, bisher nur in Tenasserim und d&
malayischen Halbinsel gefunden sind; die Bedeutung diese
Fundes erscheint mir somit von hóchster Wichtigkeit, als
derselbe erstens völlig authentisch ist und damit den 0°
brauch von Steinwerkzeugen bei den prähistorischen EI"
wohnemn von Upper Burma beweist, zweitens, weil hiermit
die Verbreitung dieser merkwürdig geformten Sieinwalf??
über eine Zone von mindestens 13 Breitengraden (vom 10.? bis 23.9) constatirt €
scheint. /
Ich beabsichtige, diese Entdeckung weiter zu verfolgen, denn ich glaube
kaum, dass dieses Beil ein isolirter, zufilliger Fund ist. Meine Idee ist, de
kleinen Bach aufwürts zu wandern und dabei fleissig Umschau zu halten; vielleich!
gelingt es mir, den alten Ansiedelungsplatz selbst aufzufinden, wo dann sicherlich
noch weitere Funde zu erwarten wären. Mein Bekannter, der mir das Beil
freundlichst überliess, theilt mir mit, dass dasselbe vorzüglich erhalten und durchat®
nicht „waterworn“ sei; es kann also nicht weit transportirt sein. denn sonst wäre
694
(€°%)
nn stärker abgerollt. Leider habe ich dasselbe bis jetzt noch nicht erhalten,
Woche oe ich Ihnen eine genaue Beschreibung geben; da ich jedoch in einer
Septoy, wieder auf eine längere Tour gehe und deshalb schwerlich vor Ende
nüt ber in Besitz meiner Postsachen gelangen werde, so erschien es mir
zich, Thnen wenigstens eine vorläufige Mittheilung zu geben.
AN die anderen drei Steinbeile angeht, so stammen sie alle aus derselben
Dons. , können aber, da von eingeborenen Doctoren erhalten, bei denen der
erst oi „modschio“ in grossem Ansehen steht, nicht den gleichen Werth, wie
dere beanspruchen. Eines davon ist ebenfalls ein „shouldered celt“, die beiden
en besitzen die gewöhnliche Keilform.
Ou ein Programm für den nächsten Winter ist ein sehr umfangreiches: im
Sehen. werde ich nach den südlichen Schanstaaten und dem Karennilande zu
Opa 2. wo ich Anfangs Januar zurückzukehren gedenke; dann geht es den
Anse hinauf, und bei dieser Gelegenheit beabsichtige ich, der prähistorischen
die Chine nachzuspüren. Anfang oder Mitte Februar werde ich cine Tour durch
kreuz inhills unternehmen und dieselben ungefähr unter dem 21. Breitengrade durch-
“en, um nach Akyab zu gelangen.
wi m Schluss noch eine kurze Mittheilung, die Sie vielleicht auch interessiren
Esci Wir hatten im vorigen Monat die Influenza hier, wenigstens Krankheits-
Benu nungen, die mit den bekannten der Influenza übereinstimmten. Curios
diese 7. es jedoch, dass es scheint, als ob die Influenza nur in den Chinhil's um
dieser eit epidemisch war, m den Ebenen von Ober-Birma, wenigstens hier in
hinauf Gegend, hörte ich nichts davon. Wie die Influenza nach den Chinhill's
Wissen gekommen ist, um die wilden Chin’s zu beglücken, das mögen die Götter
"A Virchow erwähnt, dass sich auch unter den, von Hrn. Vaughan Stevens aus
Ca eingesandten Gegenständen zahlreiche, geschliffene Steingeräthe befinden. —
do U9) Der evangelische Pfarrer, Hr. A. Kunert zu Forromesco, Rio Grande
"Ul schreibt über
Caximbos in Süd-Brasilien.
Sing s dem Districte des mittleren Cahy besitze ich etwa 20 Caximbos. Sie
m ou Thon geformt und gut gebrannt, der grössere Theil aber ist zerbr o chen
Beg Lo Andis: Einen Anhalt zur Altersbestimmung geben nur die etwaigen
malten unde von Kupfer- und Eisengeräth, venetianischen Glasperlen, sowie be-
Beg, 07 Scherben. Ich glaube mit Recht annehmen zu diirfen, dass in solcher
Solche S gefundene Caximbos nicht älter, als höchstens 300 J ahre sind. Die ohne
in Santi egleiter auftretenden Caximbos können wohl älter sein. Dr. Philippi
die in ago de Chile, dem ich einige Zeichnungen übersandte, schrieb mir, dass
hätten. alien chilenischen Gräbern gefundenen Caximbos genau dieselbe Form
(im 0, Ni die hiesigen, und dass solche Pfeifen heute noch von den Pehuenchen
Die hiec: der chilenischen Anden), sowie von den Patagonen benutzt würden.
VE 5 Bugres nennen den Tabak petüm (pitö — Cigarette), — dasselbe Worl,
18, Tag Philippi’s Mittheilung schon die spanischen Schriftsteller des
Es seh m erts gebrauchten (Petun). Die Araukaner nennen den Tabak Püthem.
Drame pa als ob das Wort pitár — rauchen, welches oft anstatt fumar ge-
ja noch wir , aus der Guarani-Sprache iibernommen wurde. Ganz sicher ist es
nicht, ob das Rauchen nicht etwa durch die Portugiesen hier eingeschleppt
) y m
(*
sein künnte oder ob die Eingebornen mit dem Worte petüm ursprünglich de?
Tabak oder ein anderes Rauchkraut bezeichneten. Die allgemeine Verbreitung
des Wortes petüm lässt allerdings vermuthen, dass die Sitte des Rauchens scho?
älter ist, als die Einwanderung der Spanier und Portugiesen. In Chile soll ©
sicher sein, dass das Rauchen aus Caximbos schon vor Ankunft der Europäer b®
kannt war.
Die Funde von Caximbos sind nicht gerade háufig. Fig. 1, 2, 3 und 4 wurde”
mit Kufper- und Eisengeräth, sowie mit bemalten Topfscherben zusammen gefunde”-
Caximbos vom mittleren Cahy und von Forromesco.
l. aus Sebastopol, 9. Passo Wiltgen, 8. Linha Franzesa, 4. Linha nova, 5. Picade Feliz,
* 6. Salvador, 1. Forromesco, 8., 9. Picade Feliz,
Fig. 5 und 9 entstammen einem noch vor 70 Jahren von Bugres bewohnten Orte-
Die meisten Caximbos sind vierkantig, wenigstens die Röhre, bei Fig. 5 auch der
696)
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Figur 10. Yo Figur 11.
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SERT «1n
Von Bento Goncalves. B Längsschnitt, bei a und » Seitenlócher.
Figur 12, Figur 13. Figur 14. Figur 15.
a
5 " F3 : =
Cp s ve P
o.
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‘sw 16. Figur 17. Figur 18. Figur 19. Figur 22.
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Figur 20. Figur 21.
-
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co
Zi
+
(698)
Kopf und das Stopfloch. Fig. 3 ist sehr genau sechskantig. Fig. 4 ist nach de"
Brennen mit kriftig eingekratzten Zickzacklinien verziert. Die Stopflócher vor
Fig. 5, 6, 7 sind so klein, dass nur das erste Glied des kleinen Fingers hine"
passt. Pig. 6, 7, 8 sind ohne Begleitfunde aus Europa, sowie ohne bemalte Scherbe?
gefunden, sie könnten also älter sein. Besonders interessant ist die in Bent?
Goncalves (früher Conde d'Eu) gefundene Pfeife (Fig. 10). Sie ist in halber Grósse
abgebildet. Die Pfeife ist auch unten offen, von beiden Seiten sind zwei Locher
schrüg nach oben eingebohrt. Sollten vielleicht zwei Personen gleichzeitig daraU?
geraucht haben? Die Verzierungen sind mittelst eines gekerbten Holzes 6"
gedrückt. Ich halte dieses Instrument für nicht älter, als 200 Jahre.
Beireffs der Altersbestimmung der Steinwaffen machte ich bereits !
meiner ersten Mittheilung vom Januar 1890, sowie auch spüter darauf aufmerksam)
dass man selten in der Lage ist, mit annühernder Sicherheit das Alte vom Neuen ZW
unterscheiden. Endlich ist mir das einmal gelungen an Fundstücken vom Mor!?
do diabo (Colonie von Hifliger). Ich besitze von dort acht roh behauene Aexte
(Fig. 11 und 12); alle sind stark verwittert, zwei derselben der Art, dass man $i
nur mit Mühe erkennt. Zwei grosse, walzenfórmige Beile (Fig. 17) stammen ebet
falls daher, sowie vier Bruchstücke von solchen (Fig. 15 und 16), eine Stampfkeule
von Stein, roh behauene Steinknollen (Fig. 14) und einige rohe, an der schmale?
Schneide zugeschliffene Aexte. Ausserdem fanden sich rund gehauene Steinkugel?
(Fig. 18 und 19) und viele Waffenbruchstücke. Einzelne derselben sind der Art ver”
wittert, dass sie sich mit dem Messer durchschneiden lassen und sich so leicht ar
fühlen, wie alte Knochen. Pfeilspitzen, Scherben oder Asche fanden sich bis jetzt
nicht, aber ein kleiner Sand-Reibstein mit Rinnen bewies, dass auch dieser ul
alte Stamm Pfeilhólzer geglüttet hat. Vereinzelt kommen die walzenfürmigen Beile
auch im Gebiete der italienischen Kolonie von Bento Goncalves, Forqueta und
Caxias vor, wo sie meist als Schleifsteine benutzt und lampigi (Donnerkeile) gë
nannt werden, Alle diese Funde unterscheiden sich ganz auffällig von den Waffen
welche auf einer Nachbarkolonie gefunden wurden. Hier (auf dem Lande von Winter)
finden sich die schönsten Thongefässe, zwar nicht bemalt, aber doch sauber und
gefällig geformt, die Steinbeile sind sorgfältig zugehauen (wie mit dem Pickel) und
an der Schneide polirt (Fig. 22). Hier giebt es Pfeilspitzen, ein Bruchstück eine!
Pfeife, sowie endlich eine kleinere, „runde Axt“. Es ist zweifellos, dass man ©
hier mit Funden aus zwei verschiedenen Perioden zu thun hat, einer ältesten und
der neuesten, Die neueste Periode zeigt in den Formen der Thongefässe off
Nachahmung europäischer Porzellan- und Thonwaaren, und in Begleitung solche!
Funde (auch Kupfer- und Eisengeschirr) finden sich die runden Aexie, Ich bi?
überzeugt davon, dass diese der letzten Periode angehüren und nicht die Waffe!
der eigentlich ältesten Waldbewohner sind. Diese Erkenntniss gründet sich nich!
allein auf die eben genannten Funde, sondern ist mir auch an vielen andere?
Stellen bestätigt worden. Diese Unterscheidung ist wichtig, wenn man auf den
Gebiete hiesiger Alterthumsforsehung weiter kommen will; es werden sich noch
Sammler finden, die sie bestätigen. Ob die Aexte mit Stielrinne (Fig. 20 und 21)
deren Vorkommen in Rio Grande bisher noch nicht bekannt war, ebenfalls der
letzten Periode angehören, kann ich noch nicht feststellen; gerade diese Aexte abe!
werden (wenn sie noch häufiger auftreten) einen Rückschluss auf die Herkunft
der hiesigen Stämme gestatten. Nach Dr. v. Ihering sollen sie in Bolivien b!°
zum Amazonasthal und in Nord-Amerika auftreten, im südlichen Brasilien bisher
aber unbekannt sein. —
SN
C
d
(20) Hr. Krause in Gleiwiiz berichtet unter dem 23. Juli über
Darstellungen aus der mykenischen Gotterwelt.
übe Obwohl wir keine geschriebene Urkunde besitzen, welche uns Meldung brüchto
den, die Götter, welche in jener fernen Zeit in Mykenae verehrt wurden, so sind
ung a bildliche Darstellungen vorhanden, welche uns die Götter jenes Zeitalters
old ihre Verehrung schildern. Eine solche Darstellung befindet sich auf einem
wel pon Ringe, welchen Dr. Schliemann in Mykenae aufgefunden hat und
, Cher in Schuchhardt’s Werk ,Schliemann’s Ausgrabungen“, S. 313 be-
Prochen und bildlich dargestellt wird. Wir geben dieses Bild in zweifacher Ver-
STösserung.
m Dadiesehochinteressante bild- Figur 1.
ke. Darstellung bis jetzt noch ,
fana. genügende Erklärung ge-
Ver en hat, so wollen wir den
wei Such machen, die Vorstellungs-
Wi dieses Bildes zu erschliessen.
ti) erblicken auf dem Bilde zu-
seh, st drei Frauen, festlich ge-
oa und zwei Kinder. Eine
Sitgt welche unter einem Baume
Welch nımmt Blumen entgegen,
eine e ihr von zwei Frauen und
Die. Kinde zugetragen werden.
"mi Blumen haben die Be-
Pn mung, als Schmuck zu dienen bei der Verehrung der Götter; die sitzende
von wird sie zu Guirlanden vereinigen. Ein kleines Mädchen ist im Begriff,
Bry einem Baume Früchte abzunehmen. Schon liegt zu den Füssen der sitzenden
Pr rechts und links eine grosse Zahl von Früchten in zwei Haufen. Auch diese
A sind, wie die Blumen, dazu bestimmt, den Gottern als Opfergaben dar-
doy ont zu werden. Wir erblicken ferner sechs Thierschidel, welche den Cultus
seh] Gütter zur Anschauung bringen, denen Rinder und andere Opferthiere ge-
Sohn tet werden. War es doch in alter Zeit Sitte, am Tempel eine Anzahl Stier-
"d von Opferthieren in den Oeffnungen des Gebülks, den Metopen, aufzu-
in erfahren auch aus unserem Bilde, für wen diese Opfergaben bestimmt
Dari Es sind die himmlischen Götter, welche über dieser irdischen Scene zur
Som, ellung gebracht sind. Da ist zunáchst die Gottheit des Mondes, der Gott der
Stellt. und des Meeres, welche uns der mykenische Künstler im Bilde vor Augen
Zeus Ein ganz besonderes Interesse aber nehmen die Bilder der Pallas und des
Schild Anspruch. Das Palladium oder das Bild der Pallas Athene erscheint mit
Papa) d Lanze ausgerüstet. Da ist nicht jene unförmliche älteste Gestalt des
Sebildet i.f welche auf einem anderen Goldringe (Schuchhardt, E 315) ab-
einem. " sondern jene beschildete neuere Gestalt des Palladiums, wie sie auf
ältere vy enischen Kalktüfelchen (Sehuchhardt, S. 326) dargestellt ist. An die
Schliess orm des Palladiums, wie sie bei Schuchhardt, S. 315 dargestellt ist,
"TR zunächst diejenigen Formen des Palladiums an, welche in Tiryns
Paling; en worden sind (Schuchhardt, S. 155). Wir sehen hier in Thon das
Diese, le einmal ohne Arme, das andere Mal mit Andeutung der Arme dargestellt.
© letzteren Darstellung entsprechen auch diejenigen zwei Palladien, welche
(699°
(700)
in dem ersten Grabe in Mykenae aufgefunden und von Schuchhardt, S. 212 ab-
gebildet worden sind.
Zeus, der höchste der Götter, ist von dem mykenischen Künstler auf unserem
Ringe durch das Symbol des Doppelbeiles vorgestellt Das Doppelbeil erscheint
auf den karischen Münzen als das Symbol des Zeus. Die mykenischen Dar
stellungen lassen deutlich erkennen, dass das sogenannte Doppelbeil als Schlag
Instrument in Form eines Hammers gedacht ist, denn der Hammer ist das
Symbol des Donnergoites, wie wir auch in der deutschen und nordischen Mytho-
logie an der Gestalt des Thonar sehen, welcher den Hammer Miollnir, d. b-
Zermalmer, führt. Die Doppelaxt oder der Hammer des Zeus ist in der obigen
Darstellung (Sehuchhardt, S. 313) deutlich als ein Schlag - Instrument charak-
terisirt, nicht mit scharfen, sondern mit stumpfen Endflächen. Es ist kem
Zweifel, dass unter dem Symbol des Doppel-Hammers Zeus, der Donnergoth
dargestellt ist.
Dr. Schliemann hat in dem vierten Grabe zu Mykenae die Darstellung eines
Stierkopfes gefunden, zwischen dessen Hórnern jenes Doppelbeil oder der Hammer
angebracht ist. Die Abbildung dieses Stierkopfes findet sich bei Schuchhardt:
S. 284.
-, Diese Darstellung, welche aus Goldblech angefertigt
ist, hat sich in jenen Königsgräbern in 56 Exemplare?
vorgefunden. Das Bild ist offenbar religiósen Charakter?
und stellt uns den Donnergott Zeus in der Gestalt eines
Stieres dar, entsprechend derjenigen Auffassung, 1!
welcher die Stiergestali als das Symbol des höchsten
Gottes gedacht und abgebildet wurde. Wir werden durch
dieses mykenische Bild in die uralte Zeit versetzt, I
welcher auf Kreta, in Phönicien, in Aegypten und selbst
bei dem Volke Israel der Stiercultus in Aufnahme wal-
; So wurde z. B. Jehovah von den zehn Stämmen des
uL Reiches Israel in der Gestalt des Stieres angebetet
(1. Kón. 12, 28). In demselben Grabe zu Mykenae, i?
welchem der Stierkopf mit dem Doppel-Hammer sich vorfand, ist ein überau$
schön modellirter grosser Stierkopf aus Silber gefunden worden, dessen Horner aus
Goldblech angefertigt sind. Schuchhardt, welcher diesen Stierkopf, S. 283 dar
stellt, vermag keine befriedigende Erklärung über die Bestimmung dieses Bild-
werkes zu finden, welches durch die naturgetreue Darstellung Staunen erregt. Die
Stirn des Stieres ist mit einer sechszehntheiligen schönen Rosette geschmückt.
Dieses kostbare, kunstreiche Stierbild hat, wie jene 56 kleinen, goldenen Stier
bilder desselben Grabes, die Bestimmung, den Donnergott, den höchsten der
Götter, darzustellen. Jene 56 kleinen Stierbilder desselben Grabes, welche den
Donner-Hammer zwischen den Hórnern tragen, liefern den bestimmtesten Hinweis:
dass die mykenische Kunst auch in dieser Stiergestalt den Donnergott dargestellt
hat. Diese Vorstellungsweise lebt auch noch in der griechischen Mythologie der
klassischen Zeit, denn in der Gestalt des Stieres, so erzählt die Sage, hat Zeus
die Europa geraubt und nach Kreta entführt.
Fügen wir zu den bisher erwühnten Góttern noch die Aphrodite hinzu, welche
in der mykenischen Kunst ebenfalls ihre Darstellung gefunden hat, wie die Ab*
bildungen bei Schuchhardt, S. 226 und S. 228 beweisen, so findet die Darstellung
der Gótterwelt in der mykenischen Zeitperiode hiermit ihren Abschluss. Es sind
Zeus und Athene, die Gottheiten der Sonne, des Mondes und des Meeres, und
e Ud
id TO deren Gestalten aus den Gräbern zu Mykenae emporgestiegen
der 8 n In beredter Sprache zu uns reden von einer Zeit, in welcher die Kenntniss
Chrift in Griechenland noch nicht vorhanden war.
"le bleibt uns ein Götterbild zu erwähnen, welches seit Jahrtausenden, be-
Way d viel besprochen, schon vor den Schliemann'schen Ausgrabungen das
den Leichen der Burg Mykenae war, nehmlich das Lówenthor mit der Süule und
bei as. den Lówen. Dass diese Säule eine Gottheit darstellt, ergiebt sich aus den
lehrt | Áltüren, auf welche die Säule und die beiden Löwen gestellt sind. Auch
Mykonos der kleine, goldene Aphrodite-Tempel, welcher sich in den Grübern von
Kunst ae vorgefunden hat, dass wiederholt die Form der Säule von der mykenischen
Welch zur Darstellung der Gottheit verwendet wurde. Durch besondere Abzeichen,
jene, Ser Säule beigegeben wurden, z. B. die Tauben, vermochte die Kunst in
alice das Bild der Aphrodite zum Ausdruck zu bringen. So ist es auch in
des K er Weise bei der Säule des Lówenthores geschehen. Ueber dem Abakus
Son, ells hat der Künstler vier grosse, runde Scheiben angebracht, welche die
Ringe viermal darstellen. So ist z. B. auch das Palladium auf dem goldenen
Stellt (Schuchhardt, S. 315) viermal wiederholt. Die Säule des Lowenthores
m so, mit vier Sonnenscheiben geschmückt, ; den Sonnengott dar. Durch die
ihn ddl wird der gewaltige Held charakterisirt, als welchen die alten Sagen
n. —
in aln Virchow: Die Kunst in der Deutung der alten Funde, welche Hr. Krause
Senn Reihe von Füllen uns zur Anschauung gebracht hat, und welche schon
in eli €mann selbst bei ihm anerkannte, zeigt sich auch bei dieser Gelegenheit wieder
der sor nder Weise. Ich móchte aber doch auf einen gewissen Mangel hinweisen,
Wohl ch durch alle diese Erörterungen hindurchzieht. Hr. Krause entnimmt so-
hardt e Abbildungen, als deren Beschreibung dem Werke des Hrn. Schuch-
ehe; Auf diese Weise geschieht es, dass seine Abbildungen zuweilen nicht un-
nur n von den Original-Abbildungen Schliemann's abweichen und dass ihm
ange. CL kommen bekannt wird, was unser scharf beobachtender Freund selbst
er gesagt hat.
Tog gilt namentlich von der Platte des Ringes aus Mykenae, die in Fig. 1,
sie m abweichend von dem Original, abgebildet ist. Abgesehen davon, dass
stehe © Iständig umgekehrt ist, indem die rechte Seite links, die linke rechts
Doppelte, erscheint auch das Einzelne in ganz missverstándlicher Form. Die
herein auf welche Hr. Krause so grossen Werth legt, und die er als stumpf
Bleigy, net, erhilt dieses Aussehen nur durch Fehler in der Wiedergabe. Ver-
D. 437 T das Original in der franzósischen Ausgabe von Mycénes (Paris 1879),
man à; ig. 530, so erscheinen die Axtschneiden nicht nur ganz scharf, sondern
die nm auch statt der einen Doppelaxt des Hrn. Krause zwei Doppeléxte,
Manche vor die andere gestellt. Il y à deux doubles haches montées sur un seul
den Hs (P- 440). Schliemann selbst stellt sie in Parallele zu der Axt zwischen
daillen ern der Kuh (Fig. 329 und 330) und zu Darstellungen auf den Me-
Gemme di Tenedos. Eine dritte ähnliche Abbildung findet sich noch auf einer
Fig. 541) ie an der Stelle des alten Heraion von Mykenae gefunden wurde (p. 446,
beides al M ührend Hr. Krause darin einen Stier mit der Doppelaxt sieht und
eine Ku sid des Zeus betrachtet, hielt Schliemann daran fest, dass es
einer ansciob; das Sinnbild der Here sei, obwohl er an einer anderen Stelle, bei
Zeus L a jgeren Besprechung der kleinasiatischen Doppelaxt, hervorhebt, dass der
abrandius von Karien seinen Namen von der Labranda, dem karischen Namen
701)
(702)
dieser Doppelaxt, trug (Troie. Paris 1883, p. 776). Dagegen stimmte Schlie”
mann in der Deutung der kleinen, oberen Figur mit dem Stabe oder der Lanze
mit Hrn. Krause überein, denn auch er sah darin yun palladium d’un type trés”
ancien et très-primitif “.
Dasselbe gilt von den 4 Palladien auf dem anderen Ringe von Mykenae, de?
Hr. Krause früher besprochen hat (S. 604, Fig. I). Schliemann (Mycènes
p. 448, Fig. 531) bezeichnete die Darstellungen auf diesem Ringe ausdrücklich als
4 Palladien und 3 Here-Idole.
Auch das Goldtempelchen, welches Hr. Krause (S. 602) bespricht, ist vo"
Schliemann bereits mit der Aphrodite in Beziehung gebracht worden. Er sagt
darüber (Mycénes, p. 350, Fig. 423): „Je voudrais aussi rappeler au lecteur les
monnaies de Paphos, sur lesquelles est représenté un temple d'Aphrodite, ave‘
une colombe perchée sur chaque pignon.“
Es mag an diesen Beispielen genügen, obwohl sich auch sonst in manche?
Einzelheiten erhebliche Bedenken gegen die Auffassung des Hrn. Krause auf
finden liessen. Aber ich möchte seinen Eifer, den ich für höchst verdienstlich
halte, nicht abschwächen. Ich führe es nur an, da die Pietät gegen den Ver”
storbenen nicht minder, als die Sorge um eine genaue Auffassung so wichtige!
Funde ein stetes Zurückgehen auf die Originale dringend erfordert,
Eines nur möchte. ich noch bemerken. Bei den Funden von Hissarlik ist €
absolut nothwendig, das Alter der einzelnen Schichten genau im Auge zu bchalten-
So gehôren die Thontäfelchen, welche Hr. Krause auf den trojanischen Zeus»
wie mir scheint, mit guten Gründen bezieht (8. 483), simmitlich nach Ilion novum,
wie Schliemann bestimmt angiebt; sie haben also für die alte Ilios keine Be-
deutung. —
(21) Hr. Schumann in Lôcknitz übersendet folgende Mittheilung über
Steinzeitliche Ornamente aus Pommern.
Etwa 1 km westlich von N euenkirchen, an der Chaussee Stettin-Pasewalk»
liegt dicht hinter dem Kruge eine etwa 10—15 Morgen grosse Sandfläche, auf
welcher schon seit Jahren prähistorische Gegenstände und Scherben sich gefunden
haben. Es fanden sich an Steingeräthen sehr zierlich geschlagene Pfeilspitzen
prismatische Messerchen, Schaber u. s. w.; aus Bronze: Ringe, Pfeilspitze und
sogar eine römische Provinzialfibel. Die Scherben gehören zum grösseren Theil
der Steinzeit an, doch finden sich auch solche, die unzweifelhaft den Hallstatt-
typus zeigen (facettirte Randstücke) und sogar die spätere Eisenzeit und das
Mittelalter sind in einzelnen Stücken vertreten.
Die Stelle wird in den Monatsblättern d. Ges. f. pomm. Geschichte 1889, S. 18?
erwähnt und dort als zerstörtes Gräberfeld aufgefasst. Es mag dies richtig sein,
doch will ieh bemerken, dass auffallender Weise wenig Steine vorhanden sind,
was man bei den Gräbern der Hallstatt- und Steinzeit voraussetzen sollte; e$
finden sich auch wenig calcinirie Knochen, dagegen an den Stellen, wo Scherben
häufiger liegen, Mengen von rothgebranntem Lehm mit glatten Eindrücken, wa$
doch auf zerstórte Niederlassungen der genannten Zeitperioden deuten kónnte.
Was die Ornamente der steinzeitlichen Scherben betrifft, welche sich dor!
finden, so zeigen sich die verschiedensten Motive:
1, Gruben-Ornament, durch Fingerdruck hergestellt (Fig. 1 und 2). Die
Abdrücke der Fingernáügel sind deutlich ausgeprügt, meist verlaufen sie in horizon"
ialen Reihen.
(703)
und 2. Gruben-Ornament durch Eindruck eines Stäbchens hergestellt (Fig. 3
" 4). Das Stübchen war entweder meisselfürmig zugeschürft, oder es war rund,
auf mangelhaft geglättet, so dass der Einstrich in seinen unteren Theilen streifig
Stiel,
m 3. Das bekannte Schnur-Ornament (Fig. 5). Sehr zahlreich. vorhanden, in
N ireren Reihen horizontal um die Gefässe verlaufend. Häufig ist dasselbe mit
n Gruben-Ornament vereinigt, in der Art, dass die Schnurverzierung vertiefte
fon bildet, das Gruben-Ornament dagegen auf einer meist erhabenen Leiste ein-
Stochen ist, so dass ungemein zierliche Profilirungen entstehen (Fig. 6 und 8).
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Rando Loch-Ornament (Fig. 7). Während sonst in Pommern die Löcher am
los; € der neolithischen Gefüsse hüuflg vorkommen, zuweilen mit ausgezeichnet
Nene et Bohrung (wie die betreffenden Bernsteinperlen), zeigt das Sandfeld von
Sind nire hen hüufig Gefüssreste, die durch zahlreiche Lócher siebartig durchbohrt
5 Die Löcher sind mit einem zngespitzten Stübchen eingestochen.
bester, Bogen-Ornament (Haken-Ornament). Das betreffende Ornament (Fig. 9)
Thon t in einem nach unten offenen Oval. Es ist, wie der Versuch mit plastischem
eingeq ohne Weiteres zeigt, mit einem schrág abgeschnittenen Schilfrohrstengel
Bodas Häufig sind diese Haken- Verzierungen zu Dreieck-Gruppen an-
*. 7 A
(704)
6. Winkel-Ornament (Fig. 10). Ein gleichfalls recht häufig an oben a"
gegebener Stelle vorkommendes Ornament besteht in Mengen kleiner, tief eU
gestochener Winkelchen mit nach oben offenen Seiten. Diese Ornamente sind be
sonders häufig in dreieckigen, nach unten spitzen Gruppen angeordnet (Fig. 1D
Oft auch sind sie mit Strichsystemen combiniri, deren Abschluss nach unten S!
bilden (Fig. 12). Ein Gefäss mit diesen Ornamenten fand ich auch z. B. in der
Steinkiste von Lebehn. Vergl. Verhandl. 1889, S. 221, Fig. 5.
. Wie der Versuch mit plastischem Thon ergiebt, ist das Ornament mit einem
Stäbchen eingestochen, welches zunächst dachfôrmig zugeschärft, hierauf an der
Basis mit einer Rinne versehen und vorn dann schräg zugeschnitten worden wat
Die Henkel: Es finden sich zum Theil Henkel ganz gewöhnlicher Art. Be
manchen Henkeln ist der Canal noch so kantig, dass er an eine ehemalige ein”
fache horizontale Durchbohrung denken lässt. Es finden sich zahlreiche
Stücke, die den Uebergangsprocess aus der horizontalen Durchbohrung eines
hervorstehenden Wulstes in den späteren Henkel erkennen lassen. Häußg
finden4sich statt der Henkel undurchbohrte Thonvorsprünge. Jene nach oben nase”
formig zugespitzten, querdurchbohrten Vorspriinge, wie sie in Verh. 1891, S. 75
abgebildet sind, haben sich bisher noch nicht gefunden.
. Die Bodenstücke sind flach, eben, Ornamente haben dieselben noch nich!
gezeigt.
(22) Hr. Schumann berichtet unter dem 7. October über
Slavische Schädel vom Galgenberg und Silberberg bei Wollin (Pommern):
Schon an einer früheren Stelle habe ich über drei slavische Schädel berichtet
welche neben Resten slavischer Gefässe und neben slavischem Leichenbrand auf
dem Silberberge bei Wollin ausgegraben worden waren. Während des dies
jahrigen Sommers hat Dr. Walter von Neuem Ausgrabungen in Wollin gemacht,
sowohl auf dem bekannten slavischen Gräberfelde auf dem Silberberg, als auch
auf dem Galgenberg. Bei diesen Ausgrabungen, über die derselbe nachstehend
berichtet, wurden neben einer Anzahl von, zum Theil recht gut erhaltenen
slavischen Gefüssen, auch vier Schädel gewonnen, deren slavische Provenien?
unzweifelhaft ist, Es stammen von diesen Schüdeln drei vom Galgenberg, eine’
vom Silberberg, so dass also von letzterem Orte nun hier vier Schädel vorhanden
sind. Die Schädel sind zum Theil recht gut erhalten und messbar.
SchädelI (vom Galgenberg). Der ziemlich grosse Schädel ist von gelb-
licher Farbe, an der Zunge leicht klebend, etwas abblätternd, recht gut erhalten
mit Unterkiefer. Er ist verhülinissmüssig leicht, mit ziemlich dünnen Knochen"
wandungen und gehört höchst wahrscheinlich einem m ännlichen, im Jiinglings
alter stehenden Individuum an, bei welchem die Weissheitszähne theils schon
durchgebrochen, theils im Durchbruche begriffen waren.
Die Schädelnähte sind nicht verwachsen, ziemlich stark gezackt. Die Kronen-
naht in der Mitte weniger, an den Seiten erheblich gezackt. In der linken Seite de
Kronennaht, 35 mm von der Pfeilnaht entfernt, ein groschengrosser Schaltknochen-
Die Pfeilnaht weniger, die Lambdanaht stärker gezackt. Im unteren Theile des
linken Schenkels der letzteren gleichfalls ein Schaltknochen.
Norma temporalis: Die breite Stirn steigt ziemlich steil an, in eine ziemlich
gute Scheitelwolbung iibergehend; etwas hinter den Tub. parietal. erreicht dieselbe
ihre grösste Höhe. Das Hinterhaupt fällt plötzlich ab, so dass der obere Theil
der Occipitalschuppe leicht vorgewölbt erscheint, Die Linie für den Ansatz des
Schädel vom
Wolliner Schädel Galgenberg — 1. | Silberberg
| II III | TC
e | 217
Capacity 1. Maasse.
7 atk. , , 15. e 1400 ! 1228 — | 1096
Grüsste Länge 111. s 185 | 178 188 174
» Breite . . . ‘ 140 130 | 138 132
» Höhe (vorderer Rand des For. magn.) 141 131 — 131
Oh, 20» (hinterer , |» » » ) 145 — —- 136
Bere e e. eee ee e e e d 113 110 110
Veg talumfang . esos ss. BIT 1 500 490
Mig fang « LL LL 1114400 310 | 810 - 300
idle Stirnbreite .. 1.124220 99 | 8 104 95
Se Sagittalbogen .. 2222220 375 | 367 — 351
Li. talumfang der Stim . . . . . . . - 127 122 128 122
Lip. der Pfeilnaht . . . . . 2 2 + 2 = 131 118 | 186 117
Bui. der Occipitalschuppe . . . + - + 131 | 199 | — 112
Gana der Oceipitalschuppe 2... s... c 18 125 — 140
Obey Gesichtshóhe . 2 s omm ec] t 110 105 -- 113?
Ty Sesehtshóhe . . . . . . « + + = 64 61 -
a ie eee eee] 18 117 — 119?
"SL 98 87 ; -
uy, Prtreite 4 e. 97 89 -- 99
* des Alveolarrandes am Oberkiefer. . . 18 21 — —
Eng » , Umterkiefer . . 30 29 32
Mung des For. magn. von d. Nasenwurzel 108 95 -- 100
» » , vom Alveolarrand . 98 90 —
. > » > , Nasenstachel . | 96 89 —
> » » , Zabnrand . . | — i 94 -
> > , Kim. . . . 111 99 -- 113
, Ohrloches von der Nasenwurzel 109 94 = 101
» » vom Nasenstachel . 111 ^| 9‘ -- -
» » , Alveolarrand . 116 | 102 -- —
» , , Zahnrand . . — 106 _—
Orbit, 0 ” . Kin. .-.. 132 114 - 127
‘Hohe LL... 12 1 8 31 — 94
LLL 0 —— 839 .. 1 — 88
> Hôhe LL 111121204406 47 4 —
CELL 94 , 99
Ten, Länge. . 1 1 11° . . . . . 47 48
Ma. Breite. . . . . ...... 35 35 -
Oldealdurchmesser: Spitze . . . . - - 104 100 101
Foran, Basis. . . . . - - 180 119 116
n magnum, Lànge . . . . . . « - 87 — 38
" » Brie........ 38 — 28
andl, der Berl. Anthropol. Gesellschaft 1891.
(705)
(706)
Schädel vom
Wolliner Schädel Galgenberg |Silberbes
l | II HI J
5 Lo + | ? =
II. Indices.
Längenbreitenindex 75,7 79^ 15,9
Längenhôhenindex. . ME (6,9 5 75,3
Ohrhóhenindex . . . | 1 63,2
Breitenhóhenindex. . . . | 106. Noc 100,8
Orbitalindex . . . . . . 5 19,5 89,
Nasenindex . . . . . . . 51,1 53,7
Gaumenindex . . . . . 145 | 814
Gesichtsindex (jugal) A. . . 85,9 | 897 4.9?
Obergesichtsindex B . . . . . 50,0 | 52,
Sehláfenmuskels nicht deutlich. Der aufsteigende Ast des Os malare hat beidersel?
ein stark vorstehendes Tuberc. temporale ") (Proc. marginalis).
Norma frontalis: Die Stirn ist breit, entsprechend der Sutura frontall®
im oberen Theile der Stirn leichte Erhebung (Crista frontalis). Im unteren Theil®
dicht über der Stirn-Nasennaht, ist die Sutura frontalis auf etwa 11mm el“
halten. Supraorbitalwülste kaum angedeutet. Stirn hoch und ziemlich steil 27
steigend. Orbitae ziemlich hoch, aber mehr eckig, die üusseren Winkel etw?
nach unten gezogen. Die Nasenbeine am Ansatz etwas eingesattelt, dann abe
gut gewôlbt, so dass im Leben eine Adlernase bestanden zu haben scheint. DI
Nasenöffnung schmal. Alveolarfortsatz niedrig. Die Schneidezähne fehle?
Die übrigen Zähne des Oberkiefers nicht abgeschliffen. Die Weisheitszähne 1”
Durchbrechen begriffen.
Norma basilaris: Foramen magnum rundlich. Die Gelenkfortsätze gerad?
nach unten gerichtet. Synchondrosis spheno-occipitalis klaffend. Oberkiefer rundlich
lang und dabei ziemlich breit, ohne Torus palatinus, aber wenig tief.
Norma occipitalis: Regelmássiges Fünfeck mit etwas convexen Seitenwände?“
Gruben und Leisten der Occipitalschuppe miüssig stark entwickelt.
Norma verticalis: Im Allgemeinen zeigt der Schüdel eine ovale Grundfor””
doch ist derselbe nach hinten etwas zugespitzi, wührend er in der Gegend de
Tub. parietal. etwas stärker auslegt. Die grüsste Breite liegt etwas tiefer und
mehr eine temporale.
Der Unterkiefer ist ziemlich hoch und stark, deutlich dreieckiges Kin?
Sämmiliche Zähne vorhanden und nur ganz wenig abgeschliffen; Molar. III recht?
durchgebrochen, links im Durchbrechen. —
Schädel II vom Galgenberg: Der kleine Schüdel ist von gelblicher Farb
vielfach abblütternd. An der Basis, links vom Foramen magnum, ein grössere)
rechts davon einige kleinere Defecte, ebenso sind die Gelenkfortsätze am 0°
occipitis abgebrochen, sowie zum Theil der Proc. zygomaticus des rechten Schläfer”
beins. Die Nähte sind nicht verwachsen. Die Kronennaht weniger gezackt in ihre?
1) Vergl. Verhandl. 1875, 28. Juni, S. 162, Fig. a, 6. Auch an dem früher geschilderte”
Steinzeitschädel von Glasow fand sich auf beiden Seiten, wie ich nachtrüglich bemerk:
derselbe Fortsatz.
(707)
Oberen und unteren Partien, am meisten in der Mitte rechts und links. Stark ge-
“ackte Pfeilnaht, ebenso die Lambdanaht. Im Winkel der Lambdanaht sitzen zwei
dreicckige Schaltknochen, die mit ihrer Basis so zusammenliegen, dass die
Me trennende Naht eine Fortsetzung der Pfeilnaht bildet. Wenn letztere fehlte,
Würde ein viereckiges Schaltbein vorhanden sein, ühnlich wie an dem Schädel von
Bamberg (Verh. 1888, S. 471, Fig. 3); hier aber schneidet eine Fortsetzung der
oo naht diesen viereckigen Schaltknochen in zwei gleichschenklige Dreiecke von
l ""^ Seitenlinge, deren Spitzen nach aussen liegen. Etwas weiter nach rechis
8h fast genau, wie am eben genannten Schidel von Blumberg, ein zweiter Schalt-
fochen, ebenso nach links. Die Knochenwandungen sind mässig stark.
8 Norma temporalis: Die Stirn ist eher flach und etwas zurückgelegt. Die
Cheitelwälbung flach, erst über den Tubera ihre höchste Erhebung erreichend.
Das Hinterhaupt etwas flach abfallend, platt, so dass der obere Theil der Occipital-
“Chuppe ziemlich vorspringt, während der untere Theil derselben etwas eingezogen
8 und dann gerade nach unten und vorne verläuft. Die Ansatzlinie des Schläfen-
Müskels nicht deutlich, aber anscheinend die Tubera parietal. erreichend. Linker-
"els liegt zwischen Os parietale und Os temporale über dem Proc. mastoides ein
Sézackter kleiner Schaltknochen.
Norma frontalis: Die flache und schmale Stirn zeigt kaum eine Andeutung
Yon Supraorbitalwülsten. Die Orbitae sind innen niedriger, wie aussen, mit nach
abwärts gezogenen äusseren Winkeln und eher eckig. Die Nasenbeine am
Ansatz eiwas eingebogen, dann mehr gewólbt (Adlernase). Nasenôfinung verhältniss-
Méssig schmal. Der Proc. alveolaris nicht hoch, aber deutlich prognath. Die
Mittleren Schneidezähne erheblich breiter, als die äusseren. Die drei Molaren vor-
handen, Die Zähne des Oberkiefers (zwei fehlen) nicht abgeschliffen. Tiefe Fossae
“Minae, Wangenbeine anliegend.
b Norma basilaris: Das Foramen magnum, soweit es wegen der Defecte zu
éurtheilen ist, cher länglich. Gelenkgruben für den Unterkiefer nicht tief. Ober-
Kiefer tief und länglich, nach vorn auffallend zugespitzt, ohne Torus palatinus.
P Norma verticalis: Ovale Grundform, nach hinten etwas zugespitzt. Die
Wietalgegend erheblich herausgewólbt. Die grösste Breite ist parietal. |
. Norma occipitalis: Ziemlich hohes Fiinfeck mit nach oben etwas diver-
bo den Seitenwünden. Protuberantia occipital. extern. ziemlich stark entwickelt,
ele Muskelgruben. | .
Unterkiefer: Kleiner, verhältnissmässig schwacher Knochen, Kinn deutlich
Markirt, eher spitz. Ueber dem Kinn ist der Kiefer eingezogen, also eine
horizontale Furche bildend. Der Alveolarrand im Gebiet der Schneidezähne nach
vor gebogen (Prognathie). Die Zähne sind bis auf zwei vorhanden, nicht ab-
Seschlifren,
Der Schädel scheint einem erwachsenen Frauenzimmer angehört zu haben. —
h Schädel III vom Galgenberg. Von ihm ist nur die Schädelhaube er-
alten, Es. fehlen Basis, Gesicht und Seitentheile. Die Kronennaht ist mässig
Szackt, Pfeilnaht verwachsen, ebenso der obere Theil der Lambdanaht. Die
oi deldecke ist schwer und von gelblicher Farbe. Krüfüg angelegte Supra-
ni llalwülste, aber etwas unsymmetrisch, links stärker gewülbt, als rechts. Die Stirn
de voller Glabella ist etwas niedrig und zurückgelegt. Die Scheitelwölbung ist
ha und erreicht hinter den Tub. parietal. ihre hächste Erhebung. Das Hinter-
"d steigt allmählich, aber etwas platt abwärts, Die Occipitalschuppe etwas vor-
"gend. Foramen parietale rechts stricknadeldick, links nicht vorhanden.
Schädel IV vom Silberberg: Kleiner Schädel von graugelber Farbe.
A5 *
(79)
Starke, ziemlich schwere Knochen, an vielen Stellen abgeblättert, besonders auf
der linken Seite. Es fehlen Wangenbein, Nasenbein und der halbe Oberkiel”
links. Ausserdem kleiner Defect hinter dem Foramen magnum. Die Kronenna?
ist in den oberen und unteren Partien wenig gezackt, in der Mitte rechts V!
links am meisten. Die Pfeilnaht am stärksten gezackt in den hinteren Partie?
Verwachsungen der Nühte nirgends vorhanden.
Norma temporalis: Die Stirn steigt ziemlich gerade in die Höhe, allmählich
aber gut gewölbt, in die gleichfalls gute Scheitelwölbung übergehend, deren hôchst”
Punkt vor die Tub. parietal. fällt. Ansatzlinie fiir den Schläfenmuskel nich
deutlich. Der obere Theil des Hinterhauptes etwas abgeplattet, die Oceipital-
schuppe in ihren oberen Theilen etwas vorspringend. Unterhalb der Protuberanti“
externa verläuft das Hinterhaupt wieder platt nach unten und vorn. Crista occi"
ialis superior sehr deutlich entwickelt, ebenso die Muskelgruben.
Norma frontalis: Die Stirn ist ziemlich hoch und eher schmal, volle Gla-
bella. Arcus supraorbitales kaum angedeutet. Die Orbitae sind hoch und fast
rund. Die drei Molaren vorhanden. Die Zähne am Oberkiefer (es sind nur dre
vorhanden) nicht wesentlich abgeschliffen.
Norma basilaris: Foramen magnum rundlich, Gelenkfortsätze nach unte”
und hinten gerichtet. Proc. styloides stark entwickelt. Oberkiefer, soweit noch
erhalten, ziemlich tief.
Norma verticalis: Schones, fast regelmässiges Oval.
Norma occipitalis: Etwas hohes Fünfeck mit convexen Seitenwänden.
Unterkiefer: Kräftig, hoch. Kinn deutlich vorgewólbt. Innen doppelte Spin?
mentalis. Oberhalb des Kinns steigt der Kiefer nicht senkrecht, sondern in der
Fläche concav auf, Alveolarfortsatz wieder senkrecht. Schneidezühne und Prae
molaren stark abgeschliffen. Der Schidel ist wohl der eines erwachsene?
Weibes. —
(23) Hr. Dr. Walter berichtet aus Stettin, 6. October 1891, über
das Gräberfeld auf dem Galgenberge und slavische Grabfunde bei Wollin
Seitdem Virchow in den Verhandlungen vom Januar 1872 die Aufmerksamkeit
auf Wollin gerichtet hatte, sind dort wiederholt Forschungen vorgenommen worde?
s. die Zusammenstellung in den Verhandl. 1883, S. 111. Das gróssere Interesse
nimmt dabei die Wendenzeit in Anspruch, sowie die Frage nach dem alten Wolli?
und der Jomsburg. Für den Namen der letzteren wird nach Verhandl. 1877/79 ein®
neue Deutung vorgeschlagen, ihre Stelle a. a. O. von 1883 auf dem Silberberg?
nördlich der Stadt gesucht. Beiden Ansichten gegenüber mag noch einmal auf
den trefflichen Aufsatz Klempin’s „Die Lage der Jomsburg^ in den Baltische?
Studien 13, 1. —107 hingewiesen werden, der mir bezüglich des Namens (S. 7) und
hinsichtlich der phantastischen, nicht auf Autopsie beruhenden Schilderung des
Hafens der Wikinger (S. 73—77) nicht leicht zu widerlegen scheint. Weniger is
im Laufe der Untersuchungen von dem südlich der Stadt, beim Austritt der
Divenow aus dem Haff, gelegenen Galgenberg die Rede gewesen, wiewohl dieser
vom Dampfschiff aus zuerst die Augen auf sich zieht.
Bei meinem diesjihrigen Sommeraufenthalt in Misdroy erhielt ich nun vom
Vorsitzenden der Gesellschaft für Pommersche Geschichte und Alterthumskunde:
Hrn. Dir. Lemcke, den Auftrag, die Insel Wollin nach Alterthümern zu durch-
forschen. An der Hand der trefflichen Bemerkungen Virchow’s geschah dies
nach mehreren Seiten, besonders aber machte die Umgebung der Stadt Wollin bel
(US
(709)
puer maligen Besuchen einen solchen Eindruck auf mich, dass ich eine umfassende
Theil pop derselben beschloss, an welcher Hr. Dr. Ulrich Jahn aus Berlin
ym,
ku, T hatten frühzeitig in Misdroy aufbrechen müssen, um am 28. Juli schon
Behan 7 Uhr in Wollin sein zu kónnen. Hr. Rektor Clausius hatte die Gite
à Q ; uns die nôthigen Arbeiter zu besorgen, wovon der eine schon mehrfach
"rwio, und Stelle bei Ausgrabungen thätig gewesen war und sich recht anstellig
Noch Die Arbeiter hatten hinter dem Häuschen Schutz gesucht, das auf der
wehte en Stelle des Galgenberges für die Sturmball-Signalstation errichtet ist; es
frisch In heftigen Wind- und Regenbóen über das Haff, trotzdem aber gingen wir
des G s Werk. Denn wenn der Alterthumsforscher schon einen blossen Besuch
Sein algenberges lohnend finden wird, wie viel mehr muss er in froher Erwartung
Sören. Morgen eines Ausgrabungstages, wenn ihn, wie hier, keine Zuschauer
iem]; keine Terrainschwierigkeiten hindern! Ueber 50 Grabhügel liegen hier in
Bener regelmüssigen Reihen in der Richtung von Westen nach Osten auf dem
zu s, ken angeordnet; nur fünf davon sind angegraben, ohne aber ganz abgetragen
der N, die anderen anscheinend völlig unberührt, unter nur niedriger Grasnarbe, —
Geor ze Berg dient nehmlich als Hütung. Wir entschlossen uns nun, im
cinen 1. zu der deutlich sichtbaren Art der bisherigen Untersuchungen, wenigstens
legen: ügel völlig abzutragen, und wählten dazu den schon am 14. Juni ge-
ord, Ich eines Ausfluges des Pommerschen Geschichtsvereins angestochenen Hügel
Aus von der Signalstation dicht am Nord-Abhange. Wie das bei solchen
kom een zu geschehen pflegt, war damals bei der Kürze der Zeit nur ein unvoll-
mop ener Versuch gemacht worden und ausser unverzierten Urnenscherben nichts
ont gekommen ; da aber unsere Wolliner Helfer betheiligt gewesen waren, so
Vires Wir nun das begonnene Werk mii Musse fortsetzen. Die 1871 von
Grüne Ow untersuchten Hügel lagen weiter westlich und waren an ihren kleinen
sie ah. oder Schachten zu erkennen, hinsichtlich der äusseren Gestalt entsprachen
rung); à ganz den unserigen, die wir im Laufe des Vormittags öffneten: flach-
Der Che Erhebungen bis zu 3 Fuss Höhe und nicht. unter 10 Fuss Durchmesser,
Sich Weitere Befund ergab jedoch ein durchaus neues Resultat: „Wenn damals
io, solu keine Spur von Urnen, auch keine Scherben, so wenig als irgend ein
dag ii Stein“ zeigte, so haben wir in den drei genauer untersuchten Hügeln
Stelle égentheil constatiren können. Zunächst bezeichnete der Vorarbeiter die
Sr, dem Hiigel, wo die Stettiner Gesellschaft vor 6 Wochen zwischen Steinen
Siehe te Gefässe gefunden hatte, die nach seiner Meinung im Kreise herum
Cine la Wir gruben demnach den Hügel rings herum völlig ab, so dass
der Dur ber Fuss dicke Erdsüule in der Mitte zunächst stehen blieb, an der sich
Unter de schnitt der verschiedenen Erdschichten deutlich abhob. Ungeführ 1 Fuss
Bangg, H Oberflüche zeigte sich eine schwürzliche Brandschicht, die unberührt den
dass sie ügel in einer Mächtigkeit von fast 1 Fuss durchzog und zwar derartig,
Nichts e hve der sanften Wólbung nach oben anschloss, übrigens aber durchaus
Viele übe : ielt. Erst unter ihr in gelblichem Lehm stiessen wir auf einzelne Steine,
dass à er faustgross, und auf verstreute Urnenscherben; die geäusserte Meinung,
Hätten gen im Kreise an der Peripherie in Abständen von 1'/, Fuss gestanden
Whang von den Steinen zerdrückt seien, schien sich wiederholt als richtig
leste Storer, jedoch fanden sich nirgends bestimmt gekennzeichnete Gruben oder
auch mio een, noch auch grössere Gefässbruchstücke. Vielmehr passten
Lehmschi zwel Scherben zu einander, einzelne lagen waagerecht oben auf der
icht, andere in den steinlosen Zwischenrüumen, so dass wohl nichts übrig
(710)
blieb, als die Annahme, dass überhaupt nur Bruchstücke von Gefässen niede!”
gelegt seien. Unerklärlich ist dann freilich das Fehlen derselben gerade in der
Brandschicht und ebenso ihr Zusammenliegen mit den Steinen. Wir wendete?
darum auch den letzteren die grösste Aufmerksamkeit zu, und da erwies sich dem”
ein Theil derselben als rauchgeschwärzt, zwei aber geradezu bearbeitet.
Fig. 1 zeigt das Bruch
stück eines Steinhammers Y"
der in Pommern nicht selté
nen eifürmigen Gestalt mit
centraler Durchbohrung; das
Werkzeug scheint nicht etw?
beim Gebrauch einfach 8€
sprungen, sondern namentlich
an der Bruchfläche rechts 8°
waltsam zertrümmert zu sel”
übrigens ist die saubere kon"
sche Durchbohrung des fem
kórnigen Granitmaterials noch
deutlich erkennbar und von de”
durch den Gebrauch rauh 8*
4 wordenen Aussenfläche dure?
4 ihre Glätte abweichend. Nach
diesem Funde durfte auch €?
anderes kleineres Fragment als
Artefakt angesprochen werde?
obwohl es nicht bis zum stie"
loch erhalten ist; der Ste”
ist ganz ähnlich, doch mit
kleinen Abweichungen in der
Struktur. Ferner wurden klei
Feuersteinsplitter und cal"
nirte Knochenstückchen °°
Tibien geborgen, nach der
Mitte zu endlich die beide"
einzigen Scherben mit Ver
zierungen (Fig. 2 und 3), d
weiter unten mit den Funde
aus den nüchsten Hügeln b€
Fig. 1, 4, 5, 6 in !/, 2 und 8 in ?/, d. nat. Grosse. sprochen werden sollen. pr
| zwischen hatte die Grabund
im zweiten Hügel es wünschenswerth gemacht, auch beim ersten die ganze C€7
trale Erdmasse abzutragen, doch kam hier beim Durchgehen bis auf den 8°
wachsenen Boden durchaus nichts weiter zu Tage, als eine zweite Brandschicht-
Hr. Dr. Jahn hatte gleichzeitig einen unberührten Hügel (südôstlich) danebe”
mit den anderen Arbeitern in Angriff genommen, indem er von Westen nach Oste”
einen Graben hindurchlegte. Bei der Nähe der beiden Arbeitsstellen war eine
fortwáhrende Vergleichung móglich und interessant; sie ergab in der allgemeine”
Anlage des Hügels bezüglich der Schichten, Steine und zahlreichen Scherben, unter
denen sich auch hier nur ein verzierter befand, dasselbe Resultat, wich aber m
zwei Punkten vom 1. Hügel ab. Nach Westen zu fand sich nehmlich, 1!/, Fus?
(711)
Wier dep Oberfläche, der schon von Virchow in mehreren Hügeln getroffene
Haufen gebrannter und zerschlagener Menschenknochen, der im 1. Hügel bei beiden
Grabungen nicht bemerkt war. Sodann enthielt der 2. Hügel genau im Centrum,
Uber 17, tief, auf dem gewachsenen Boden in der unteren Brandschicht eine
- Fuss im Durchschnitt haltende Brandstelle, aus tellergrossen, oben flachen
Steinen fest zusammengepackt und dick mit Russ überzogen. Unter den am Rande
des Grabens aufgeschichteten Steinen der oberen Brandschicht fand ich, in Folge
Beine, Erfahrungen beim 1. Hügel, noch ein gleichfalls zertrümmertes Steinwerk-
760g: das Material ist feinkórnig, der Bruch glatt gesplittert, die Oberfläche überall
glatt geschliffen, und zwar so, dass an dem anscheinend nicht durchbohrten Werk-
Zeuge die Breitseiten nach unten rund geblieben, nach oben in eine Kante ab-
Seschlifren sind, ebenso wie die eine erhaltene Schmalseite links zu einer Art
Schneide ausgearbeitet wurde, die deutliche Gebrauchsspuren zeigt. Die eine
Seite des Steins ist rauchgeschwirzt (Fig. 4).
Der dritte untersuchte Hügel lag 5 Schritte südw. vom ersten, war gleichfalls
berührt und wurde seiner grössten Länge nach von Nordwesten nach Südosten
durch einen 12 Schritt langen, 6 Schritt breiten Graben wieder durch mich er-
Öffnet, Hr. Dr. Jahn constatirte, um dies gleich vorweg zu nehmen, später in
Mem Hügel hart am Nord-Abhange, durch einen Schacht, wieder Steinpackung in
der Mitte, wie im zweiten, in einer Erhöhung unten im Grunde endlich nur natür-
liche Sandaufhäufung. Die Schichtung des 3. Hügels war wieder deutlich den
bisherigen Beobachtungen entsprechend, an Einzelheiten aber nicht ohne Ab-
Veichungen: vom 1. Hügel verschieden war das Fehlen grösserer Steine, wie denn
ch hier, trotz grösster Sorgfalt, kein Steinwerkzeug gefunden ist. Vom 2. Hügel
abweichend war das Fehlen des Knochenhaufens und des Steinpflasters in der
Mitte, doch enthielt die untere Brandschicht, hier deutlich einen Fuss unter der
sten sich abhebend, mehr Knochen und grössere Kohlenstücken mit anscheinender
Nichenholz-Structur. Von den auch ‚hier zahlreichen Urnenscherben ist die in
Pig. 5 dargestellte wieder durch Eindrücke allein bemerkenswerth; einen verzierten
Henkel zeigt Fig. 6. |
So ist durch die erneute Ausgrabung auf dem Galgenberge das einst von
Virchow gewonnene Resultat nur in dem einen wichtigen Punkte nicht be-
Stätiot: den Metallbeigaben; und doch können die diesmaligen Grabungen gewiss
als umfassender bezeichnet werden, wenn auch der ganz abgetragene Hügel nicht
7 einem Zuge und unter derselben Aufsicht bearbeitet ist. Da sich damals „an
Aigen Stellen Ueberreste von geschmolzener Bronze* gefunden hatten, so richteten
Wir hierauf natürlich unser Augenmerk ganz besonders, konnten aber nirgends die
Seringste Spur von Metall entdecken. Die schon erwähnten Knochenhaufen fanden
SCh nur einmal. aber mehr nach Westen, während im Centrum ein Brandheerd
ang Steinen zweimal vorkam; die damals als nicht erheblich bezeichneten Spuren
Ton Kohle waren hier und in der unteren Schicht des Hügels recht bedeutend;
lich — und das scheint das wichtigste neue Ergebniss — erwiesen sich diese
Hügel vielfach mit Steinen durchsetzt und enthielten sogar drei Steinartefakte,
SNimmtlieh aber ergaben sie mühelos grosse Mengen von Urnenscherben. Nur sehr
Wenige derselben sind freilich ornamentirt, aber sie werden vielleicht einen Finger-
?élg für die Datirung des Grüberfeldes bieten kónnen. u
Wenn Virchow schon auf die Bronzezeit zurückgriff, so lehrt auch ein Blick
A das Scherbenmaterial jetzt sofort, dass die Gräber — und an diese Bezeich-
Lung der Hügel wird nunmehr Niemand weiter Anstoss nehmen — auf der Mitte
des Galgenberges durchaus ülter sein müssen, als die sonstigen zahlreichen Funde
(712)
aus dem wendischen Wollin. Von den Gefässen lässt sich keines nur mit einige
Sicherheit wieder aufbauen, also auch nichts Sicheres über ihre Form behaupte
trotzdem Boden- und Randstiicke, sowie Henkel gefunden sind. Der Thon ist
ziemlich rein von körnigen Beimischungen, die Farbe entweder gelblich-braun mit
ziemlich glatter Oberfläche, oder ziegelröthlich und dabei mehlig-rauh. Der Hals
scheint sich nirgends cylindrisch vom Bauche des Gefässes abgesetzt, sondern sich
in leichter Biegung darangesetzt zu haben; der Rand ist bei einem räthliche”
Stück glatt abschliessend, bei mehreren bräunlichen durch eine kleine Furch®
saumartig umgebogen. Zu dieser Art gehörte auch die einzige verzierte Scherb€
des 2. Grabes, die leider nachher verloren gegangen ist, aber nach unserer deut
lichen Erinnerung unter dem Saum als Ornament eine Reihe fortlaufender N Z"
tragen schien. Bei einem dickwandigen Stück quilli der Rand weiter nach aussen
über und ist durch Fingereindrücke kerbenartig unterbrochen; an Fig. 5 erscheinen
unter dem scharfen Rande runde Fingereindrücke, bei denen noch der Nagel sicht-
bare Spuren hinterlassen hat. Mehrere Bodenrandstücke lassen auf flache Stand-
flächen schliessen. Die Henkel endlich sind sehr verschiedenartig vertreten: vo!
dem, durch einen tiefen Daumeneindruck hergestellten Wulst giebt es ein Beispiel
von kleinen nur für Schnüre verwendbaren Henkeln mehrere, einmal auch eine
in einer Stürke von 30 mm um ein daumengrosses Loch gebogene, plumpe Hand-
habe, simmtlich von der weicheren, rothlichen Masse. Die verhältnissmässig zier-
liche Form mit kreisrunder Oeffnung (Fig. 6) ist dagegen gelblich-glatt und durch
7 Einstriche ausgezeichnet, wihrend sich nach unten divergirende Linien in de?
Anfängen zeigen, nach links und rechts horizontale Parallelen, alle übrigens urn
gleich und nicht mit mehrzinkigen Instrumenten hergestellt. Dies alles schien mil
aber nicht genug, um daraus einen Hinweis auf eine bestimmte Periode ent
nehmen zu kónnen, den ich vielmehr erst aus Fig. 2 und 3 herzuleiten wage
welche ausgesprochene Kerbenverzierung aufweisen; diese ist mit viereckigen:
meisselartigen Stäbchen tief eingedrückt, wie die Bruchflüchen noch deutlich
zeigen. Schon Klopfleisch hat in den Vorgesch. Alterih. d. Provinz Sachsen
IL, 88 und 90 die Tupfen- und Kerbenverzierung an das Ende der neolithische?
Periode gesetzt, und neuerdings Voss in den Verh. 1890, 8. 72 neue Beispiele
dazu beigebracht, zum Theil von Klemmen, welches von Wollin nur 25 km östlich
liegt. Inzwischen hat das Stettiner Museum unzweifelhaft neolithische Gefisse aus
Gross-Rambin, Kreis Belgard, erhalten, die gleichfalls dasselbe Kerbmuster zeigen,
so dass es für Hinter-Pommern gesichert ist. Auch Fig, 5 ordnet sich dieser Zeit
unschwer ein, wihrend wir endlich zu den Strichmustern in Fig. 6 neolithische
Parallelen von Podejuch und Fiddichow, beide am rechten Oderufer, besitzen-
Und dazu die Steingeräthe! Dagegen widerspricht der Leichenbrand dieser Zeit-
ansetzung allerdings, da wir in der neolithischen Zeit in Pommern nur Skelet-
grüber, wenn auch vielleicht in drei Modificationen, kennen. Allein es konnte
wohl dies grosse Griberfeld in den von uns geöffneten Hügeln die ausgehende
Steinzeit, in den von Virchow berührten westlicheren die beginnende Bronzezeit
kennzeichnen. Wir würden eine in insularer Abgeschlossenheit lebende und nicht
gerade reiche Bevölkerung anzunehmen haben, die ihre Todten verbrannte und
ihnen nur zerbrochene Gefässe und Geräthe mitzugeben für gut befand. Die in
Pommern noch recht selten beobachteten Gräber aus dem Beginn der Bronzezeit
unterscheiden sich mit ihren Hügeln, Leichenbrand und spärlichen Beigaben, auch
sonst recht wenig von diesem Brauch. Mit diesem Eindruck schied ich von der
Höhe des Galgenberges, und er befestigte sich, so oft ich seitdem beim Passiren
(713)
qs, Haft seine baumlose Kuppe weit und breit allein die niedrigere Umgebung
agen sah.
ings Gesagte gilt nur für den höchsten Theil des Berges, da an den Ab-
Slavic) nördlich und südlich hiervon wiederholt spüiere Fischeransiedlungen und
Abhay, e Scherben constatirt sind. Von dem als Kiesgrube dienenden West-
bores. hörte ich nachträglich von meinem Collegen Dr. Bornemann, einem ge-
de olliner, dass er hier als Student einmal ein Skelet gefunden habe, in
eine honplatten, die nicht ganz Backsteinen glichen, ohne sonstige Beigaben
anstos ettet. Damals aber gedachten wir nach angestrengter Früharbeit in dem
Unto, senden Schützenhause eine Mittagspause eintreten zu lassen und von weiterer
ge des Galgenberges absehen zu können. Und doch sollte er uns noch
Scheint Funde bringen! Die Arbeiter unterhielten sich nehmlich über die
Abhan ar so geringe Ausbeute der Hügel und meinten, dass man am Nord-
jüngst 7c ganz andere Dinge finden kónne; dort kümen oft Skeleite zu Tage, erst
an ài ein solches mit einem Kinderskelet zwischen den Schenkeln. Wir dachten
auch au telalterliche Benutzung des Galgenberges, auf dem doch wohl irgendwo
ab und. Hingerichteten bestattet sein müssten, kürzten aber doch die Ruhezeit
CN Siegen, anstatt durch die Wiek zur Stadt zu gehen, den geraden Treppen-
Kuppe om Schützenhause wieder auf den Berg hinauf: er bildet hier eine kleine
den a perauenberg?, die allein mit ein paar Bäumen bepflanzt ist und gleichsam
Div eitelpunkt angiebt, von dem aus der Hóhenzug merklich, wie auch die
Setzt M aus der östlichen in die nordóstliche Richtung umbiegt. Von hier aus
an bei der Kamm wie ein schmaler Wall stadtwürts fort, und bald lehnen sich
T Abhänge die Häuser der Wiek; endlich fällt er als steile Kiesgrube
ime, à nach Norden ab, und hier ist schon ein grosser Theil abgetragen, wobei
Schleich kelette gefunden sind. In der That lagen auch jetzt in der Grube aus-
der Hav Schenkelknochen, zu denen der in einem benachbarten Schuppen auf
den ich € von einem Seiler verwahrte Schädel ohne Unterkiefer gehören sollte,
Weitey heraussuchte und freundlich geschenkt erhielt. In der Grube fanden sich
nach Zahlreiche, offenbar slavische Scherben, und während ich an den Rändern
agp Chen und Culturschichten suchte, begann Dr. Jahn einen flachen Hügel
fest. Cn versuchsweise anzugraben; doch ehe sich hier etwas zeigte, stellte ich
Ar a die Kiesgrube einen ähnlichen Hügel abgetragen haben musste, von dem
leget Osten noch wenige Fuss des sanften Abfalls standen, die zu bewältigen
Bunge sein müsste. Mit grösserer Sicherheit liessen sich nun schon slavische
in ion, und sehr bald stiessen wir auf ein Skelet; es lag 1 Fuss tief
Abbau |i Kies, genau von West nach Ost, doch waren die Beine schon beim
auf die er Grube zerstört. Sonst lagen die Arme langgestreckt, der Kopf sanft
Schläfe rechte Seite geneigt, gut erhalten, aber zu unserer Enttäuschung ohne
Köpfen 8° die dafür am Genick gefundenen drei eisernen Nägel, mit dicken
und dio A. 3—4 cm lang, konnten uns über die Art des Fundes nicht aufklären,
zh in ; rbeiter sagten, es sei ein Gerichteter. Doch wenige Zoll weiter links
toit Wellen deckten wir, vorsichtig scharrend, ein beträchtliches Urnenfragment
ist die Um me, und dicht bei der Schulter riefen plötzlich mehrere Stimmen: da
schrisen ^A ! Dr. J ahn umarmte den ganzen Erdklumpen und rollte damit den
Völlig un hang hinab; unten legten wir daraus an einer sonnigen Stelle das
dischen sorte Gefäss (Fig. 7) bloss, das nun keinen Zweifel mehr an dem wen-
ee des Fundes liess und uns wegen seiner guten Erhaltung und der
Sich Von q er Fundumstünde mit Freude erfüllte. Es ist 10 cm hoch und erweitert
em unverzierten Boden von 5 cm schnell, um mit einer Oeffnung von 12,5 cm
(714)
zu schliessen; der Rand ist nach innen schrüg abgesirichen, nach aussen ebenfalls
schräg abfallend und dann durch eine schmale Einschnürung unterbrochen, unte!
welcher sogleich der Bauch mit schrüg gestellten, unregelmüssigen Tupfen ansetzt
nach unten mit vier willkiirlichen Querstreifen noch weiter verziert. Auf ihm 126
die Hälfte einer kleineren, gerillten Urne mit Hals wie ein Deckel, sonst schi®
sie ganz mit Erde erfüllt; nach gehörigem Trocknen aber fand sich beim AU”
leeren weiter die zweite Hälfte des kleinen Gefässes, gleichfalls mit dem hohle?
FAN
& T» je)
07 RS
hs ;
Theil nach unten, so dass sich nun, bis auf einen geringen Defekt am Boden, de
Ganze (Fig. 8a) wieder zusammensetzen liess. Man hatte die „Tasse“ offenb®
absichtlich in der Mitte durchgebrochen und die beiden Hälften übereinander ?
das grössere Gefäss gelegt, obwohl sie ganz darin Platz gefunden hätte; sollt
darum nicht auch das Zerschlagen der Gefisse in den am Morgen untersucht“
Gräbern Absicht und bestimmter Brauch sein dürfen? Doch die Urne enth!®
noch mehr, nehmlich den (Fig. 8¢ und b) von zwei Seiten dargestellten Deck?
endlich einige Stückchen gebrannter Menschenknochen. Ist schon das klei
(715)
E fin von 8 em Hóhe, wenig eingezogenem Fuss, aber fast gerade angesetziem
Vs, ohne Einschnürung der Form, noch unter den wendischen Typen selten,
0, ger durch seine zahlreichen Horizontalrillen, so darf der Deckel wohl als ein
cum gelten, Der Falz passt weder von innen, noch von aussen auf das Gefäss,
em trifft gerade den Rand; das Material scheint etwas heller als das des
" fchens (s. Friedel in den Protokollen der General-Versammlung zu Schwerin
un 0, 8. 127), die ganze Arbeit ist sehr roh, namentlich die mit einem Spahn ganz
wo, metrisch und ungeschickt eingerissenen Verzierungen. Ein dicker Strich ge-
bie nicht zu der Gruppe zwischen den concentrischen Kreisen, sondern reicht
be zum Rande herunter; sollie es ein Zeichen sein, wie an dem von Virchow
das hriebenen wendischen Deckel, dem ein gleiches am Urnenrande entspricht? (Vgl.
TN Gefüss von Dumgenewitz auf Rügen, Verhandl. 1886, S. 613 und 1887, S. 380.)
din, einen schliesslichen Inhalt von Knochen bot unsere gehaltreiche Urne aller-
m nur noch geringen Raum, und wir hielten das mit Wurzelgewóll umsponnene
p. Chen derselben für den Rest eines dem Todten mitgegebenen Mahles.
Sei Nachträglicher Besichtigung indess wies mein freundlicher Rathgeber, Hr.
üb Umann in Lôcknitz, dem ich die mitgebrachten Skelettheile zur Bestimmung
L ®rgeben hatte, die Unhaltbarkeit dieser Annahme nach: es sind Knochen vom
ba henbrand, und zwar grösstentheils von einem Kinde. Dies lässt die sonder-
ein Erscheinung der Leichenverbrennung zugleich mit der Beerdigung vielleicht
q \sermaassen erklären; auch die Kleinheit der beiden Gefässe würde dafür
chien, denn die noch weiter gefundenen waren sämmilich grüsser, und es
p, den nicht wieder zwei in einander. Ueberhaupt dürfte diese aus Lausitzer
bo enfeldern z. B. bekannte Sitte für wendische Verhältnisse hier zum ersten Mal
“Obachtet sein.
fang SZ wischen war der Rest des Skelets blossgelegt und geborgen, aber nun
die Sich auch rechts vom Kopfe in gleicher Schicht eine weitere Urne (Fig. 9a),
Ky aber trotz aller Vorsicht zerfiel und ihren, nur aus einer grösseren Menge von
o Ochen bestehenden Inhalt in die Grube verschüttete. Aus den mit müglichster
a gesammelten Bruchstücken hat nachträglich meine Frau mit grosser Aus-
Br indessen soviel zusammengestellt, dass die Form sicher zu erkennen ist.
"i tritt ung nun der bekannteste slavische Typus mit dem eimgezogenen Halse
har Ben; bei einer Hóhe von 12,5 cm und einer oberen Oeffnung von fast 15 em
Bs der Boden nur 6,5 cm Breite, zeigt aber ein erhabenes, mit eben solchen
p, dem umzogenes, eingestempeltes Kreuz, wie es Virchow in den Verh. vom
s, ber 1870, S. 29, Tafel Vl, Fig. 7, von Soldin darstellte und danach
ml im Archiv f. Anthropologie XX., 8. 24, Tafel II, 6; vergl. nun dazu unsere
bi 9). Uebrigens habe ich gerade diesen Stempel unter den zahlreichen Topf-
mob die Stettin im vorigen Jahre geliefert hat, von ‚denen ich auch selbst
By "ére besitze, nicht wieder gefunden, auch nicht bei J entsch, IV. Progr.,
Yon, 946; wohl aber liefern die Zeichnungen vom Hradek ein Analogon,
der s 1886, S. 661. An unserer Urne zeigt die beginnende Ausbauchung unter
voit lefen Einkehlung zwei ganz regelmässige Rillen, dann sind wieder an. der
wei en Stelle des Bauches schriige, dreifache Tupfen auf die Rillen aufgedrückt,
Ye ®r nach unten sind diese einigermaassen in Zonen angeordnet, um endlich
Sellos zu verlaufen.
ng 2S weiter östlich von diesem Skelet in einer Entfernung von 2 Fuss
in Bry sich noch Reste eines Kindes, doch ging hier der Kieshiigel zu Ende und
Zug e über, so dass die Knochen sehr mürbe geworden waren. Ebenso war der
and einiger grüósserer Scherben mit umgebogenem Rande dabei zerbrechlich,
(716)
leider zerfiel auch ein ganz sonderbares Thongebilde grósstentheils. Es war, W!
Fig. 10 zeigt, ein flacher Deckel mit schräg abgestrichenem Rande und eine?
starken Falz, auf der Oberfläche ungemein reich verziert. Dem glatten Rande ZU
nächst läuft ein breiter und dann ein schmaler Streifen herum, durch tiefe Ei”
kehlungen geschieden, der breitere aber noch durch das schräge Dreitupfem
Ornament, wie an der Urne Fig. 9, sehr wirksam verziert. Nun schliessen sich
nach der Mitte zu eine Art von Nase, wie bei den gothischen Kirchenfenstern, und
breite, fiachere Bänder mit schrägen Einkerbungen an, die über einander greife»
aber leider keine Gesammtvorstellung geben. Das Stettiner Museum hat wede
diesem, noch dem anderen Deckel (Fig. 8) ähnliche Stücke zur Seite zu stellen.
Da der Hügel nach Osten zu Ende ging, gruben wir das letzte Stück des”
selben nach Norden zu noch ab und fanden 1*/, m vom ersten Skelet ein parallel
liegendes zweites, den Kopf ebenso nach Osten gerichtet in gestreckter Lag®
Hier fehlten die Nigel, allein an beiden Schultern fanden sich wieder Urnen VO"
(Fig. 11), an der linken Schulter. Die Form enispricht der von Fig. 9 im Al
gemeinen, doch ist das Gefüss um 3 cm höher und hat keinen verzierten Bode?
Die Tupfen an der beginnenden Ausbauchung sind hier mit einem breiten Spahl
je einmal, übrigens gleichfalls schrüg eingedrücki; endlich tritt hier auch die ??
den bisherigen Gefüssen fehlende, aber an Scherben beim Kopfe des ersten Skelet®
vorkommende Wellenlinie auf. Sie ist unter der Halseinkerbung einmal tiefer
unter den Tupfen noch zweimal einzeln in unregelmässiger Weise flach auf di®
schon vorhandenen, gleichfalls flachen Rillen eingezogen. Die Oberfläche wa
hier vielfach abgestossen und miirbe, doch ist auch dies Gefäss von meine?
Frau wieder leidlich zusammengesetzt. Es enthielt gleichfalls Menschenknoche?-
Rechts von der Schulter stand endlich der untere Theil einer schwarzen, sehr dick"
wandigen Urne, unverziert, zu der sich keine Scherbe als Obertheil passend erwies
Rechne ich diese nun mit, so hat dieser eine Fund fünf slavische Gefüsse 7"
Tage gefördert und dürfte in dieser Reichhaltigkeit bisher einzig dastehen; viel
leicht lassen sich auch später Anhaltepunkte für eine Eintheilung der slavische!
Keramik daran anknüpfen, die Beltz (Protokoll der Schweriner Generalvers. 189%
S. 83 und 125) noch als unsicher bezeichnet. Freilich sind dazu noch weiter
Funde unversehrter Gefässe erforderlich, denn die vorliegenden zeigen die dre?
Formentypen (mit geradem, schrügem, umgebogenem Rande) nur für die dre
Ornamente der Rillen, Tupfen und Wellenlinie. Wie aber die ganzen Gefüsse d€
anders verzierien Scherben ausgesehen haben, die gerade in so unendlich?
Mannichfaltigkeit z. B. aus dem Stettiner Burgwallgraben neuerdings gehoben sind
wissen wir noch nicht. Bezüglich des Materials mag noch bemerkt werden, das
dasselbe bei allen Gefässen verschieden ist: rôthlich und mürbe bei Fig. 11 und
der noch zu erwühnenden Fig. 12, braun und hiirter bei Fig. 7, dunkelbraun und
klingend hart bei Fig. 9, grau bei Fig. 8. —
Da sich an dieser Stelle weiter nichts vorfand, statteten wir dem nôrdlich de’
Stadt gelegenen Galgenberge noch einen kurzen Besuch ab. Hr. Mühlenbesitze"
Hartwig zeigte uns die Stelle, wo er die Fig. 12 abgebildete Urne gefunden habe:
sie ist inzwischen vom Stettiner Museum erworben und in den Pomm. Monatsbl-
1891, 7, 107 beschrieben. Sie ist noch jetzt zur grösseren Hälfte mit Knoche?
vom Leichenbrand gefüllt. In einer Entfernung ‚von 2 Fuss von dieser Stelle
stiessen wir wieder auf ein Skelet mit den Füssen nach Westen, am Genick zwei
der uns bekannten Nägel, sonst nur mit Scherben in der nächsten Umgebung:
etwas weiter davon lag eine, aus zwei quadratischen Bisenplüttchen, die durch
eine Niete verbunden sind, gebildete Klammer. Weitere Skelette lagen schrág:
(717)
ei
qal 3 Sehüdel zusammen, dicht unter der Oberfliche. Die Zweifelhaftigkeit
12 s Funde und die hereinbrechende Dümmerung zwang uns, die beinahe
brag, tunden fortgesetzte Thitigkeit endlich abzubrechen, und mit reichen Erträgen
Th wir spät wieder in Misdroy ein.
= Für diesmal begnüge ich mich mit der Bekanntgabe dieser Funde; eine Zu-
allen enstellung der übrigen wendischen Gefässe des Stettiner Museums, sowie
ich. bisher gemachten Beobachtungen über die Bestattungsweise der Slaven konnte
aus Mangel an Zeit noch nicht durchführen. —
(24) Hr. L. Zapf in Münchberg schreibt unter dem 5. September über
Steinmulden im Fichtelgebirge.
Gra Auf den horizontalen Flächen, wie an den verticalen Seiten der anstehenden
wel gebilde des Fichtelgebirges machen sich vielfach Eintiefungen bemerkbar,
"" he als Mulden, Becken, Wannen, Rinnen u. s. w. erscheinen und zu den ver-
in Easton Deutungsversuchen Anlass gegeben haben. Die Volksphantasie sieht
die en Opfermulden altheidnischer Zeit oder Ruhesitze Christi oder des Teufels,
wit Geologie erklärt dieselben als in dieser oder jener Weise entstandene Aus-
gp, sen, ein schweizerischer Forscher erblickt in ihnen kartographische Dar-
So Ungen eines Urvolkes. Es ist nach jeder dieser drei Richtungen hin schon
vet geschrieben worden, dass wir füglich auf die einschlügige Literatur ver-
"A künnen, ohne dieser oder jener Deutung das Wort zu reden. Doch sei
de, alle, hier ein bisher noch nicht gezeichnetes Muldenbild in dem westlichsten
aus Waldsteinfelsen zur Anschauung zu bringen, wie es sich von der Burgstelle
gts Welcher dieser Fels vorliegt, darstellt (Fig. 1 die Muldenstelle selbst, in
Serem Maassstabe in Fig. 2).
Figur 1.
Figur 2.
N
ach der Natur gezeichnet von L. Zapf, Die Stelle der Mulde in Fig. 1.
am 3. September 1891.
dg, Die hochromantische, eine weite Umschau darbietende Waldsteingruppe auf
Stütze amme des Gebirgszuges, welche mehrfach Ausmuldungen aufweist, unter-
tein À ihrem ,Teufelstisch“, ,Drudenfels“, ,Frei-“ oder ,Arnstein“ und ihrem
Wir b. Sagenkreis die herkömmliche Annahme einer besonderen Bedeutsamkeit).
eschrinken uns hier jedoch auf die Vorführung des eben erwähnten Mulden-
PD
Ist seine im vorigen Jahrzehnt hier aufgedeckte und untersuchte wendische Wallstelle
"ührlich beschrieben im VI. Bd. der „Beiträge z. Anthr. u. Urgesch. Bayerns“,
(718)
bildes, ohne irgend welche Schlussfolgerungen ziehen zu wollen. Der Fels,
dessen abfallender, mássig gewölbter Südseite die dargestellte Vertiefung sich 2€18”
ist ohne Anwendung von Leitern unersteiglich, die künstliche Entstehung der
ersteren daher zu bezweifeln. Auffallend ist der Halbkreis oberhalb der Muld®
welcher letztere, wie die Braue das Auge, umgiebt, aber auch an die Nabelform M
innert, und dies um so mehr, als der Fels an dieser Stelle bauchühnlich gewôlb}
ist. Die Mulde selbst scheint von ziemlicher Tiefe zu sein. Man glaubt be!
Abendbeleuchtung, welche die bildliche Erscheinung besonders deutlich hervo”
treten. lässt, ein Idol vor sich zu haben, wie deren aus keramischen Produkte»
bekannt sind. Die Ostseite der Deckplatte des Felsens weist eine Reihe von AU
hóhlungen auf, welche die Kante unregelmüssig durchbrechen und dem Able"
des Regenwassers von der Platte zuzuschreiben sein werden.
Die Darstellung des Felsbildes in dieser Zeitschrift wird sich rechtfertige#”
wenn es sich auch nur um ein in merkwürdiger Weise den alten Traditionen entr
sprechendes Naturspiel handeln wird, wie es auch das neben dem alten „Opfer“
altar“ Nusshardt mit seinen neun Mulden aufragende, von der Natur geschaffen“
riesige Steinkreuz ist. — ,
Weiter sei der gleichfalls noch nicht abgebildete „Herrgottsstein“ bel
Hendelhammer zwischen Selb und Thierstein (Fig. 3) hier vorgeführt, e
Figur 9. Nach der Natur gezeichnet von Dr. E. Linkardt.
TO =z B Ansicht von Westen.
ZZ 5
Un e TN
A Südseite mit den Hóhlungen.
Durchmesser der grössten Höhlung etwa 0,5 m.
Inhalt des Blockes etwa 1 cbm. —
C Ansicht von Osten.
günzlich isolirter unscheinbarer Granitblock, auf welchem Christus, auf einer Fur
wanderung müde, geruht und geschlummert haben soll Das harte Gestiein P.
nach, um dem Erlôser zur weichen Lagerstatt zu dienen, und so sieht man her,
noch den Eindruck des heiligen Leibes. Der müde Wanderer, der hier P p
nimmt, fühlt sich wunderbar gestärkt. Als man einmal den Stein an einen ander
Ort bringen wollte, brachte ihn kein Gespann von der Stelle, obwohl er nur et
l cbm im Umfang hat. Alles dies berichtet die Volkssage. Das Kreuz in d
grossen Mulde wurde von unbekannter Hand eingegraben. —
B
C
(719)
a Hr. Fritz Ródiger, Cultur-Ingenieur in Solothurn, übersendet in Fort-
N 237 seiner früheren Zusammenstellungen (1890, Verh. 8. 504; 1891, Verh.
* 497) unter dem 3. August aus Weierhof noch einige
Erläuterungen und beweisende Vergleiche zur Steinkarten-Theorie.
han Virchow hatte (Heft III) die Güte, die Steinkarten-Theorie als ein ernst-
Begins Problem zu erklären; das hat mich von Herzen gefreut, da ich seit dem
Schighy dieser anstrengenden und zeitraubenden Studien gerade bei vielen Ge-
dem tsforschern (freilich meist bei Archivisten) betrichtlichen Unglauben fand,
D auch viele Forscher „glauben“ am liebsten an die herkömmlichen
iy omen! Dass ich hinsichtlich der Zeit mich etwas unrichtig erklárte, gebe
stan allein — ich habe die Erledigung dieser Frage Hrn. Virchow und
Selte Ig seinen Mitarbeitern in Berlin anheim gestellt. — Zu weit gehe ich wohl
bei à da ich sehr vorsichtig bin. Es mag manchmal so scheinen, wie z. B.
ich er Entdeckung, dass auch die Höhlen in Sachen mitarbeiten; doch habe
moine hier noch fernere Untersuchungen und Bestätigungen vorbehalten. Ich
dara érseits bin freilich schon jetzt davon überzeugt, zumal da mir zwei neuerdings
und uf hin untersuchte Hóhlen im Jura ganz dieselbe Antwort gaben, innerlich
do dusserlich. Wenn ich wieder einiges Material bei einander habe betr. Höhlen,
Werde ich dasselbe gleichfalls anbieten zur Einsichtnahme und Begutachtung.
Ka, ur heute móchte ich darthun, dass das in der Thayinger Hóhle gefundene
enblättchen auf Braunkohle (Fig. 1) der ersten und ältesten geschicht-
Figur 1. Figur 2.
7 vM e
Nf
i p, hanger Zeichnung) Altägyptische Karte der nubischen Gold-
aunkohle (Verh. 1890, Taf. V, minen. Nach Chabas Inscriptions ete.
Fig. 10). Etwa !/, der natürl. Grüsse (auf Papyrus).
a, a Goldberge (roth colorirt) — 6, 5 desgl
— ¢, Heiligthum Ammons. — e verwischte In-
schrift. — f Ammons Grab. — g Weg von Ta
manatti, — ^, h Niederlassungen. — ¢ Stele
(Denkmal) des Königs Ramamea. — À grosse
Cisterne im Oval. — / kleine Cisterne m, n, 0
Wege.
li
ien Karte auf Papyrus, die man kennt (Fig. 2), doch sicher gleicht, wie
idem anderen. Nehmen wir nun an, dass Ramses IL, der Verbesserer
1) Vgl. Verhandl. 1891, S. 239, Fig. 6 und S. 241, Fig. 8.
(720)
. . : a«elDe
besagter altágyptischer Karte, welche im "Turiner Museum sich befindet, diesel
bereits um 1300 Jahre vor Chr. auf Papyrus und mit Inschriften zeichnen liess -
und ehe es zu dieser Kunst kam — gut vorher noch 500— 1000 Jahre WW
gangen sein werden, so darf es uns gewiss nicht stark wundern, auch 1)
Europa und Deutschland derartige Anfangsgründe (auf Knochen, Kohlen u. der"
zu finden. 91
Ganz dasselbe gilt von den beiden kleinen Knochenplättchen (Verh. 1877
S. 239 und 241, Fig. 6 und 8), wie sich solche in besagier Hóhle vorfanden. de
Sehen wir doch in nachstehender Fig. 3 eine indische Naturkarte") aus dem En
Figur 4.
Figur 3.
<
= ag ar f
0
& 7
2 © e M
7
De s
i o 1
General Map of the dominions of the Tupajas-Karte. ?/, natürl. Grósse.
King of Ava, drawn by a slave of the Nach einer Copie G. Forster's.
Kings eldest son at Amarapura. 1795. 1. Tubai, 2. Borabora, 3. Tahaá, 4. Huahin"}
1/, der natürl. Grösse. 5. Raiatea, 6. Tapuaimanuo, 7. Otahaiti, :
1. Neinstein River, 2. Kasi, Inna River, 8. Maitea, 9. Oiroto, 10. Ohiteroa, 11. Tum
Kasi Shan of Shan country, 4. Narin-Zara towroaro, 12. Itonne, 13. Moutoa, 14. Cheti!
Riv. 5. Narizessa, 6. Tafundu am Kraun, Tamanura, 15. Ouropae. f
7. Rakhain, 8. Moamoas, 9. Ava, 10. (Copy of a chart by a man of the Nation v
Country of the Talain, 11. Briet country, Oaheitu named Tupaia. Contains about 49
12. Indara, 13. Indara Shan, 14. Irawadi of longit.)
Riv., 15. Bhamo, 16. Wild Kaktion, 17.
Wild Lawa, 18. Tarons.
des vorigen Jahrhunderts, welche noch ganz dasselbe Geprige, wie die beide
Hohlenplittchen, an sich hat. Dass aber auch die frühesten Einwohner unsere
Gegenden derartige Künste mit aus Asien gebracht haben werden, als Indo
germanen, darf angenommen werden. .
Uebrigens weiss man ja zur Genüge, wie alle wilden Menschenrasse?
Landkarten auf Holz und im Sande zeichnen und darstellen, und dass ma”
in China bereits vor 2200 Jahren dergleichen Landkarten auf Erz und Stel"
gehabt haben soll. (Die begleitenden Erd- und Felsenburgen finden sich J"
ebenfalls dort wieder)?). — Warum soll nun diese Kunst nicht auch mit de?
1) S. Anfänge der Kartographie (S. 197) aus Ethnolog, Parallelen von Rich. Andr s
2) China, historisch, romantisch u. s. w. Carlsruhe, Kunstverlag von Stóbe 1819
S. 78.
Se
24
(721)
a sormanen nach Europa eingewandert sein? — Wegweiser und Situationszeiger
a den Wanderer so wichtig, wie Messer und Löffel!
dosha 4 ist Sogar eine Seek arte von einem halbwilden Polynesier. Für uns
ticht; Es weil sie zeigt, wie der Kartenkünstler die Inseln im Meer
Schal arstellte! — Ganz die gleiche Methode finden wir bei schlesischen
Land seinen, indem uns ein solcher (Fig. 5) mit ganz den gleichen Figuren,
Beo 2 (Ansiedlungen), auf Steinplatten gezeichnet zukam. — Man sieht, die
nicht re ist ebenso natürlich, als — uralt! Dies beweist gleichzeitig, dass es
^ Dp uswaschungen sind, wie Dr. Gruner meint, sondern Zeichnungen.
das as lehrt ausserdem noch zum Ueberfluss das Kartenbild Fig. 6 zu Fig. ö,
Misa in jene Gegend und zu dem angeblich ausgewaschenem Zeichenstein
Passe 1 Lauban und Kohlfurt passt und noch viel besser und schlagender
“SD wird, wenn man eine Speziallandkarte jener Gegend zu Rathe ziehen kann.
Figur 5. T.onr f
EN
[o 7
e o
b ;
peinplatte zwischen den Bahnwärter- 1. Lauban, 2. Seifersdorf, 3. Gürlitz,
Kopp t" Nr. 444 u. 443 der Linie Lauban- 4. Rothwasser, 5. ? (s. bessere Karte!),
urt, 15 Schritt vom Schienengeleise 6. Kohlfurt, 7. Kühna, 8., 9. Schön-
@ (Schlesien). berg-Zeibsdorf u. 8. W.
U Dr. Gruner?s ,Opfersteine Deutsch- -- - - - Eisenbahn.
lands“. Taf. I, Fig. 7, S. 9.) vo^. Fluss.
zzz Gebirge.
1:1 250 000.
(Zu Gruner, Taf I, Fig.7. Karten-
bild nach Andree’s Atlas, Fol. 86.)
ig Dr. Gruner in seinen ,Opfersteinen Deutschlands“ sagt über den Opfer-
im py he Girgelstein® [Fig. 7] (wie er überhaupt alle diese Steingestaltungen
lige, telgebirge von Auswaschung und Verwitterung ableitet): „Die sitz-
Schei leineren Hóhlungen (4 e) mit horizontalem Boden seien augen-
heros ich nur durch eine weniger intensive Thátüigkeit des bewegten Wassers
"efus gerufen. Hätte das Wasser lünger fortgewirkt, so wären grössere Sitze (Ver-
gen) entstanden“ u. s. w.
Ces Kartenbild?) (nach meiner Erklärung) des Girgelsteiner Opferaltars
Yon Paz spricht für sich selbst. Westlich von Tröstau befindet sich eine Menge
Lage, rhon u.s. w. (Weiher, kleine Seen, a c). Bei der hohen Mätze ist der
berg n der Platte. S B entspricht der Fig. b auf dem Steinbild Fig. 7 (Schnee-
Bedentet Nussertgruppe); ich habe es beim Kartenbild nur schwach an-
. weil weniger entscheidend. Dagegen habe ich, da sie vielleicht zu
) S. Spocialkarte vom Fichtelgebirge von R. Reinsch. 1: 150 000,
. der Berl, Anthropol. Gesellschaft 1891. '
46
(722)
diesem Bilde gehören, einige andere Figuren aus Dr. Gruner’s Werkchen hie
eingeschoben, nehmlich dessen Fig. ! u. 2, S. 20 (im Text), hier als Fig. 94 V"
gezeichnet und so gestellt, wie sie sich in Wirklichkeit an der bezeichneten Stelle
auf der Girgelsteinkarte einstellen dürften.
Figur 7. Figur 8.
_ ER
L
G
ay
Der Opferaltar am Girgelstein, ^.
zunächst der hohen Mätze. s
Figur 9, Kartenbild des Opferaltars (Fig. T)-
a | 1 Haberstein, 2 Weissmainshochofen-
RS. Rudolfstein, B. Birk, G. Grün, R. Rôsla%
# . € SB. Schneeberg, N, Nussert, W. Wunsiedeh
4 . FS. Fichtelsee, P. Platte, 7. Tröstau, HM
= Hohe Miitzen, FB. Fichtelberg, M. Mühl
bühl, B. Brand, FN. Fichtel-Nabe.
Dr. Gruner sagt darüber: ,Fig. 1 auf der Gipfelplatte des kleinen Habe"
steins, Fig. 2 an der letzten Treppe, welche zum kleinen Haberstein führt,“ ^
sie bezeichneten demnach kleinere Landflüchen (Privatbesitz? oder zu öffent”
lichen Zwecken?)
Merkwürdig ist hierbei aber, 1. dass es zwei Habersteine giebt, einen kleine”
beim Burgstein und einen grossen am Mainflüsschen. Fig. 1 und 2 (nach Grune’
S. 20) finden sich am kleinen Haberstein, die dazu passenden Landflüche?
aber am Schneeberg. Es lässt sich dies nicht anders erklären, da sich äh”
liche Flächen um den kleinen Haberstein nicht finden, als dass beide zusamme”
gehörten. Spätere Studien an Ort und Stelle dürften dies aufklären. Fig. 95 (ent
sprechend Gruner’s Fig. 2, S. 20) ist zu eigen geartet, als dass sie auf eine!
guten Karte beim kleinen Haberstein nicht sofort zu erkennen wire. Die Stein”
bilder deuten, wie heut zu Tage, Plüne, auch entfernteren Besitz an.
Ganz die gleichen Erscheinungen, nur im grüsseren Maasse, finden wir b?
Gruner (Fig. 4, Taf. IV) wieder, welches Bild unverkennbar deutlich die Ochsen”
kopfgruppe darstellt und sich doch als Steinplatte am Girgelstein befindet;
und andere Bilder am Rudolfstein und Nussert mehr! ,
Das Interessanteste aber, was die kleinen Figuren (94 und b oder b?
Gruner 20, Fig. 1 und 2) am Haberstein beweisen dürften, ist: dass schon damals
augenscheinlich parzellirt wurde, was übrigens in der Schweiz mancher kleine!“
Stein beweist, der Stücke von nur 2—3 Aa wiedergiebt.
(722)
nae indirekten oder rückwärts schliessenden Beweis, dass unsere
‘arten y , “eichen und Beckensteine u. s. w. seien Situationszeiger, Pline, Land-
am Broo). w., richtig ist, leistet wohl auch die viel- und allbekannte Rosstrappe
Weg, in ve Ich habe solche noch nie gesehen, _
Mange atura, noch im Bilde, habe aber schon gar ieur 10
dabei al davon gelesen und in neuerer Zeit auch
Bigg, aks: „die bedeutet eine dortige huf-
Nyy, a Landfläche." Letzthin las ich sie
'allelens er emmal in den ,ethnographischen Pa-
aly Rate Rich. Andree (S. 94, ,Fussspuren®)
Bangg, ches Mal, und suchte in demselben
Héron as, der freilich für eigentliche Studien zur Er-
Maas Soleher Erscheinungen einen viel zu kleinen
Broek ab hat, den Harz, die Rosstrappe und den :
Vährte en auf, und siehe da! in diesem Falle be- 2° =
Bera, in auch dieser minimale Maasstab, da o Bo
Auge f ie Rosstrappen-Situation eine sehr ins a.
Das ende ist, zu unseren Gunsten! Fart der Ross-
Selby kleine Kartenbild (Fig. 10) spricht für sich UP ru
liches Die Rosstrappe ist wiederum kein „natür- + pr ke 1 i
M Mal“, wie so viele unnatürliche Maler der ,; roe en (1141 m, 2. Wer-
d Usteine« beh : n nigerode, 9. Elbingerode, Ro.
ae deg y: e aupten, sondern eine Sehr ähnliche Rosstrappe, 4. Blankenburg,
den a vielberühmten Brockens, und dürfte, troiz 5, Derenburg, 6. Hendeburg,
Bogen ordentlich starken Hexenbesuchen, jene 7. Vienenburg, 8. Harzburg,
Hex, Unter Herrn Teufels Vortanz doch nicht auf Neustadt, 9 Altenau, 10.
Selly, Teil“ beruhen, sondern auf Grundbesitz-Fest- Braunlage, 11. Schierke, 12.
gleich.” Wer das Bild der Rosstrappe hat, möge Ilsenburg.
Hin Chen, es wird zutreffen! Es wird auch die ----Eisenbahn. .
die m elsgegend dieselbe sein, wie auf der Karte, (Nach d. Handatlas von Rich.
pof fnung nach Südwest! Andree, Fol. 36.)
Nicht mi man es hier mit einem urgeschichtlichen Handgebilde zu thun habe und
Tena einer Natur- oder Zufallserscheinung, dürfte noch der gegenüber legende
Nühe sol Le platz anzeigen, da der bekannte, schwarze Herr fast immer in der
Möchte d er Felsen und Steine auftritt, so dass ich fast auf die Idee kommen
© die vielen Teufelsplätze, Teufelsbecken, Teufelssteine, Teufelsberge,
Dètze Den u. s. w. von dem Worte deuten herkommen könnten, als: Deute-
Manche eutebecken, Deutesteine, Deuteberge, Deutefelsen u. s. w. An gar
Dag, Orte schon wurde ich stark daran erinnert!
Breite a kommt noch eine grosse Höhle am Teufelsplatz von etwa 70 Schuh
Billige, nd 50’ Tiefe, die demnach, wenn oval eingehend, ganz im ähnlichen Ver-
hr angelegt wire, wie die Rosstrappe (7:5), und da in dortiger Gegend noch
Bitte derartige Steinfunde vorliegen, so wird meine Annahme kaum fehlen.
ta Nachprüfung!
Mit Ww sende Thnen noch ein Felsenkopfbild aus dem Thiiringer Walde
der Parker auch nicht sprechend ähnlich dem Bilde im Jahrgange 1870, S. 405
So Zeigt he allwo ich es erst heuer einmal würdigte als das, was es ist,
dag Verf he Kartenbild (Fig. 12) doch ebenfalls genau den Gedankengang und
Stab de ren unserer keltogermanischen Geographen, trotz allzu kleinem Maass-
a Zur Erläuterung füge ich noch die betreffende Stelle aus dem
n Reisehandbuch von Thüringen“, Berlin bei Alb. Golds chmidt,
465
(724)
: eigt
Oberhof, Tambachtour betreffend an, S. 89: ,. . . .ihm gegenüber (links) 7 çhbef
der Steinbühl, dessen Fortsetzung der mit Felsenzacken übersäete s d
ist. Inmitten dieser Höhen, etwa ' Stunde vom Falkenstein, thalabW" c gr
hebt sich, rechts an der Strasse, wo dieselbe über eine Ueberbrückung de$ 1 qp
laufes führt, ein isolirt stehender Felsen“ (ich habe nur einen Thee gr
benutzt), der Napoleonsstein (Fig. 11), der, von der Mitte der Brücke igh (f
sehen, in seinen zerklüfteten Formen ein Napoleonsgesicht (Napoleon III) 7€
Figur 11. Figur 12.
Napoleonsstein bei Tambach Kartenbild zu Figur 11.
im Thüringerwald, Felsenkopfbild. Etwa 1:800 000. pone
1. Friedrichsroda, 2. Rodigen, 8. Leinathal, 4. Tambach, 5. Dietharz, 6. n oi
T. . Schmalwasserthal, 8. Finsterbachthal, 9. Schwarzwald, 10. Sturzhaus, 1 argo
»—. Sirasse nach Gotha, 12. Oberhof, 18. Ohrethal, 14. Ilmenau, 18. Go om
Der Maasstab der Karte ist viel zu klein, um etwas ganz Aehnliches finden, rind y
Der Gedankengang übrigens genügt! (Nach der ,Illustrirten Reisekarte vom p diu
Waldgebirge* von Karl Vocke. 8. Aufl. Verlag der Kuhn’schen Buchb?
Eisleben.) ons gi
$
würe sehr wünschenswerth, den vornapoleonischen Namen dieses T "
ermitteln!) ,Weiter abwüris, am Hange der Mürtenswand, ebenfalls ¥ bel p
der Strasse, in unmittelbarer Nühe von Dietharz, erhebt sich, 19 Wald ji
Thalsohle, eine Grotte, das sogenannte Hülloch.* — Der Thüringer V j
reich an solchen Malsteinen sein! p etw? e
In der Nähe derartiger Kephaloiden oder Obelisken, deren ic m eh!
Dutzend bis jetzt kenne, befindet sich stets eine Höhle oder auch der pe
Höhlen. Sie scheinen demnach (fernere Erfahrungen vorbehalten)
thierzeit anzugehören! —
(725)
j (26) Frl .
Au Rombitic Elisabeth Lemke berichtet (kurz vor ihrer Abreise nach New York)
w liten, Ostpreussen, den 18. September, über
| p, Mnser ohne Schornstein in Pommern und Westpreussen.
"eg in PU Vermitielung von Frl. M. Hobus (Schlawe) erhielt ich die Skizze
OT bei Lanzig, Kr. Schlawe in Pommern, gelegenen sogenannten
M von " . Dasselbe ist mit Stroh gedeckt und 'hat Giebelverzierungen in
teh eine ferdeküpfen, ,die nach aussen sehen“. Das (bereits alte) Haus ist
AN | or der Länge nach in zwei ungleiche Abtheilungen getheilt; in der
leineren 'efinden sich zwei Stuben und zwischen diesen die Küche; in der
Küche ing P aar Kammern und ein in die Wand gefügter Schrank. In der
i "m p. Zwei in die Wand gemauerte Heerde ohne Schornstein; der eine Heerd
Aa der Fische, der andere zum Kochen bestimmt. Von dem umher-
Verne Rauche sind alle Wände und Balken dick überzogen. Die Bewohner
Naher ih en gegen eine kleine Entschädigung das Rüuchern von Fleisch u. s. w.,
Kamen der Rauch besonders schätzenswerth ist. Ueber den Stuben und
PEN sind Bodenräume, die nach dem Flur zu offen geblieben.
Zählte m T3jührige Arbeiter Borkowski in Bündken bei Saalfeld (Ostpreussen)
"onen w von einem in der Elbinger Niederung (Westpreussen) vorhanden ge-
Seiner Mi hause ohne eigentlichen Schornstein. Der Borowski war während.
em Dah, árzeit dort einquartirt gewesen. Man hatte ihm eine Schlafstelle auf
Ütnen. d Oden zugewiesen; er haite es indess vor Rauch dort nicht aushalten.
des Dach. Schornstein über dem Heerde reichte nur bis zur unteren Balkenlage
And her odens, und der Rauch wiilzte sich von dort aus unter dem Dache hin
Witney, 4 Car mühsam durch seitliche kleine Oeffnungen einigen Abzug ge-
2
qn Hr. Bartels überreicht folgende Notiz über
De einen neuen Fall von Schwanzbildung beim Menschen.
Sony, Freundlichkeit des Hrn. Sanititsrath Dr. Aschoff verdanke ich die Zu-
folgend der Nr. 168 des Bataviaasch Nieuwsblad (vom 23. Juni 1891), worin sich
“Meh; Angabe findet: ,Im Soloschen hat eine der Désa Kalongas (Bojolalie)
boren mi eingeborene Frau, Namens Mbok Karto di Kromo einen Sohn ge-
Mich in ei einem Schwanz, dessen Länge 15 cm beträgt.“ Auch Hr. Jagor machte
Pan ne à Schreiben (aus Padang-pandjang, Sumatra, 21. Juli 1891) auf diesen
Menschen 1 sam: „Dass neulich eine hiesige Zeitung die Geburt eines geschwänzten
Sethe); wol Surakaria meldete, ist Ihnen ja wohl schon vor einigen Wochen mii-
SProchen Orden. Die Herren von der Bataviaasch Genootschap haben mir ver-
und wo pe zu sorgen, dass der Fall durch dortige Aerzte genau untersucht
00 Wir NR durch Photographie fixirt werde.“
A Java y \üssen Hrn. Jagor für diese Fürsorge sehr dankbar sein und die Herren
erden hoffentlich Genaueres über den Knaben hören lassen. —
(2
Wu, Baron v. Alten hat Hrn Virchow mit einem herzlichen Glück-
Sendet, » reiben vom 10. October fir das Trachten-Museum ein Geschenk über-
» Destehend in einem
Dassethe hôlzernen Thürschloss aus dem Harze.
18t von einem Dorfschreiner in Barbis aus starkem Buchenholz angefertigt
(724)
worden nach dem Vorbilde derjenigen, welche noch vielfach, namentlich an Wirth
schaftsgebäuden, in der dortigen Gegend verwendet werden: a
Das Schloss wird ge
Figur 1. : net, indem man den Schlüss®
07 me^ horizontal hebt, und den
Riegel, welcher nicht ga“
herausgenommen werden kan!»
hervorzieht. ]
Schiebt man den Riege
wieder hinein und Jässt de»
über diesem hineinzustecko"
den Schlüsse] sinken, so =
das Schloss geschlossen, uP
der Schlüssel kann heraus
gezogen werden; ist das
Schloss geüffnet, so ist dies
(our nicht der Fall.
Die hintere Seite des
Schlosses ist gleichsam das
Scheunenthor, an dem das-
í selbe befestigt wird; sie kann
unbeschadet, mit Vorsicht ab-
genommen werden.
Kein Schlüssel passt zu
einem zweiten Schloss. —
Hr. Virchow dankt dem
freundlichen Geber und bittet
——À 4 . cg
Fig. 1 das Schloss von der Vorder-, Fig. 2 von der imap rondo der volks
Rückseite. S der Schlüssel, R der Riegel, « und » iche 7, d Ibsi
die beiden verschiebbaren Hölzer mit den vor- liche Zusen ungen. Er se
Springenden Haken a, und à, hat auf seiner ägyptischen
Reise eine Woche lang m
einem ‘nubischen Dorfe verweilt, wo sein Zimmer mit einem ganz ähnlichen
Schlosse versehen war, nur dass der Schlüssel einfachere Form zeigte und haupt-
sächlich durch seine Krümmung sich dem Schlosse anpasste. —
(29) Hr. Carl Günther schenkt Photographien der ältesten ägyp-
tischen Bronzen des Berliner Museums. —
(900 Hr. Buchholz legt neue Erwerbungen des mürkischen Provinzial-
Museums vor. per Bericht wird in Heft VI der „Nachrichten“ erscheinen. —
(31) Hr. Felix v. Luschan zeigt
sechs Mandragora-Wurzeln.
Der Vortragende hat diese Stücke in den letzten Jahren in Damascus,
Constantinopel, Mersina und Antiochia erworben; sie haben alle die Form mensch-
licher und zwar ausgesprochen weiblicher Figuren. Eine derselben, die aus
Antiochia, sieht aus wie eine Frau, die ein Kind in den Armen hält. Wurzeln
mit männlichen und mit mehreren Figuren sind verhältnissmässig selten: die
^.^
PA
£X
(727)
Mandragora- Wurzeln.
DAMASL .
ANTIOCHIA
DAMASCVS
M ERSINA
CONSTANTINOPE L
(728)
letzteren pflegen meist in inniger Umarmung begriffen zu sein; auch münnliché
Figuren allein sind manchmal phallisch dargestellt.
Die Wurzeln der Mandragora-Pflanze werden heute besonders in der Nach
barschaft von Mersina und von Antiochia von bestimmten „Künstlern“ fast gewerbs
mässig in menschenähnliche Form gebracht. Das einfachste, hierzu angewandt?
Verfahren besteht darin, die frisch ausgerissene succulente Wurzel durch vof
sichtiges Schneiden und Drücken umzuformen und dieselbe gelegentlich auch
während des Austrocknens noch weiter zu beeinflussen. Einige der vorgelegte?
Stücke sind einfach in dieser Art hergestellt. — Viel bessere, thatsächlich höchst
überraschende Erfolge werden durch ein anderes Verfahren erreicht, bei dem die
lebende Pflanze sorgfältig ausgegraben und die Wurzel dann durch Umwickel?
von Bindfäden, durch Spalten, Einschneiden, Aufritzen und Zusammenschnüre?
der Art vorbereitet werden soll, dass sie zunáchst wieder eingegraben wird und
noch durch längere Zeit weiterwachsen kann. Erst wenn die verschiedenen Ver
letzungen gut vernarbt sind, wird die Wurzel wieder ausgegraben, und wenn Sl"
dann erst einmal ordentlich geschrumpft und getrocknet ist, so füllt es oft sehr
schwer, die künstlich präparirten Stellen als solche zu erkennen und nachzuweise?
Ein geschickter „Künstler“ wird also Alrüunchen herstellen, die ganz unanfechtbar
aussehen und deren Aechtheit auch von Niemand im Lande bezweifelt wird. Solche
Alräunchen sind aber nicht nur „Sehr selten und nur unter grösster Lebensgefahr
auszugraben“, sondern sie bilden auch kostbare und werthvolle Talismane. Einige
machen ihren Eigenthümer hieb-, stich- und kugelfest, andere wirken als unfehl-
bare Aphrodisiaca, und andere wieder sollen den Trüger unsichtbar machen; fast
alle aber zeigen die Stelle an, wo. unterirdische Schätze verborgen sind und haben
zugleich die ebenso werthvolle Eigenschaft, die Krankheit eines Menschen, der sie
beständig trägt, in sich aufnehmen zu können; gerade hierin aber liegt auch die
Schattenseite und die Gefahr der Sache: das Wurzelmünnchen kann die Krankheit
nehmlich auch auf einen neuen Fügenthümer übertragen und es kann durch eigene?
,Kranksein* alle früher gerühmten Eigenschaften zeitweilig oder dauernd verlieren.
Die vorgelegten Stücke sind von 16 bis zu 30 em lang; grössere dürften selten
vorkommen, auch kleinere sind selien, doch giebt es auch solche, die kaum die
Länge eines Fingers haben; diese gelten als besonders werthvoll. Vüllig un
bearbeitete Wurzeln ohne ,Retouche*, wie sie in früheren Jahrhunderten i?
Europa geschätzt worden zu sein scheinen, werden in Syrien heute kaum beachtet;
auch die europäische Sitte, den Wurzelmännchen richtige Kleider anzuziehen;
scheint im Oriente nicht bekannt zu sein.
Der türkische Name für diese Wurzel ist Adam-Kókü (die Menschenwurzel)
der arabische: Abdul-selám (Diener des Heiles); in der Gegend voi Antiochia
kommt auch die Bezeichnung Jabrüh-el-sanam vor, deren Deutung ich Anderen
überlassen muss, nicht ohne an die aramäische Wurzel brh = fliehen zu erinnern;
aus der jabrûh vielleicht abuleiten sein könnte.
Eine eigenartige und, soviel mir bekannt ist, alleinstehende Angabe verdanke
ich Bedri Effendi vom kaiserl. Antiken Museum in Constantinopel; darnach wäre
die Mandragora-Wurzel ein heftiges Brechmittel und gelange in Gaben von nicht
über einem halben Dirhem (= 1,5 9) zur Verwendung. Er theilt mir auch den Aus-
druck lefah für unsere Wurzel mit, der ebenso für Persien durch Pollak (II. 262)
sichergestellt ist. —
Eine Photographie der vorgelegten Stücke wird der anthropologischen Gesell-
schaft überwiesen, —
(729)
die m. Paul Ascherson: Mit den Mittheilungen des Hrn. v. Luschan über
slim e der Herstellung der Mandragoras-Alraune") vorgenommenen Manipulationen
über die Ermittelungen meines hochgescháizten Collegen Dr. G. Volkens®)
re Derselbe untersuchte ein Exemplar, welches der seit einer Reihe von
Port, In Diensten des Prof. G. Sehweinfurth stehende Syrer Tanüs 1889 in
bes "Said von einem Landsmanne käuflich erworben hatte, Volkens fand, dass
Kay dere auf den quergerichteten Einschnitten, durch welche die kleineren
vhs helle, wie Augen, Hände und Füsse deutlich hervortreten, sich die durch-
"m Gefässbündel ohne Schwierigkeit erkennen lassen. Dass dieser Ein-
das a der frisch aus der Erde genommenen Wurzel vorgenommen ist, und dass
die eben noch einige Zeit nach demselben foridauerte, geht daraus hervor, dass
liche chnittflächen oberflächlich verkorkt sind, obwohl es zur Bildung von eigent-
Refill Wundkork nicht mehr gekommen ist. Da das Gewebe stroizend mit Stärke
Sond Is folgt daraus, dass die Herrichtung der Wurzel nieht in die Vegetations-,
ern in die Ruhezeit fiel, also vermuthlich in den Hochsommer.
VL Aus Syrien und dem südlichen Kleinasien, woher wohl alle von Hrn.
ks Dan vorgelegten Alraune, auch der in Constantinopel?) angekaufte, stammen,
Offi man bisher nur den im Frühjahr grünlichweiss blühenden Mandragoras
mop, sm L. ex p. (M. vernalis Bert.) In Griechenland, wo ausserdem noch
Tere violett blühende Formen‘) vorkommen, werden vermuthlich auch aus
deg 2 Mavógayógas , mandragoras (männl.) ist die ausschliesslich bei den Schriftstellern
heut Jassischen Alterthums vorkommende Form, die sich nach Th. v. Heldreich noch
und im Neugriechischen erhalten hat; mandragora (weibl.) flndet sich erst im Mittelalter,
herpes daher die erstere Namensform auch in der botanischen Nomenclatur wieder
Mani werden. Aus der griechischen Schreibweise ergiebt sich, dass der Name
beta oo bezw. Mandrágóra zu sprechen ist, nicht wie herkómmlich Mandragora. So
Name auch de la Motte Fouqué in seiner 1821 erschienenen Novelle ,Mandragora^ den
(Wie a auf den er zweimal „Flora“, dann „Aurora“ reimt. Dies ziemlich schwache Produkt
m vel wirkungsvoller hätte nicht A. Th. Hoffmann, auf dessen Spuren der Verfasser
folky, ndeln sich bestrebt, das Thema behandelt!) ergab übrigens eine unerwartet geringe
Ystische Ausbeute.
Sang. Erde, dass die beiden gebräuchlichsten Namen des uns beschäftigenden Gegen-
Währe, In ihrer sprachgeschichtlichen Entwickelung ihr Geschlecht ausgetauscht haben.
Mart aus dem Mandragoras die Mandragora wurde, hat sich die Alruna zu dem
N umgestaltet!
y Vergl. Ascherson, Verh. Bot. Ver. Brandenb. 1890, S. XXXVII,
Altayn Auch Geheimrath Ferd. Cohn hat dort auf dem Mizre Tscharchusi-Bazar einen
Stan gay TK: adam-tschotschi, nach Hrn. v. Luschan [S. 128] vielmehr adam-kókü), er-
4) v ergl. 68. Jahresb. d. Schles. Ges. f, Vaterl Cultur, 1890, Breslau 1891, 8,94).
Welcher e Frage über die Artbegrenzung derselben ist eine vielfach umstrittene, in
lehmon ich, aus Mangel an ausreichendem Material, darauf verzichten muss, Stellung zu
Violett 2, Mehrzahl der Schriftsteller über. die Flora Süd-Europas nimmt nur eine
Sib, ie Art an, die sie als M. auctumnalis Bert. [bei Sprengel] (M. officinarum
im Herbst ( Dertol Comm. de Mandr.) bezeichnen. Bertoloni trennte von dieser, meist
M, micro selten noch einmal im Frühjahr) blühenden Art eine zweite aus Sardinien,
Vereins fe ab, die Th. v. Heldreich, welcher neuerdings in den Mitth. des botan.
Gattun ur Gesammt-Thüringen IV. (1886), S. T5—80 eine monographische Skizze der
Teich ann Achte, auch in Griechenland angiebt. Ausserdem unterscheidet Held-
Hausskne di un im Frühjahr blühende, bisher nur bei Korinth gefundene Form als M.
Eeldr) bil 1 e die dort auch mit M. vernalis einen Bastard (M. hybridus Hausskn. et
sandten Herbe In einem mir kürzlich von der Baseler Mission zur Bestimmung über-
ar aus Palästina findet sich ein violett blühender Mandragoras, für dessen
ul
(780)
letzteren Alraune hergestellt, da, wie Th. v. Heldreich (Die N utzpflanzen Griechen-
lands, Athen 1862, S. 36) mittheilt, ,der sehr dicken, oft zwei Schuh langen
Wurzel [wohl sámmtlicher Formen], die verschiedenartig sich verästelnd, zuweilen
eine überraschende Aehnlichkeit mit der Gestalt des menschlichen Körpers zeigt,
auch jetzt noch allerlei Zauberkräfte zugeschrieben werden.“
A. v. Perger, der fleissige und gemüthvolle Sammler des Pflanzen-Folklore ‘)
und Ferdinand Cohn, welcher bei Seinen eingehenden und anregenden Studien
zur Pflanzen-Geschichte dem Mandragoras besondere Aufmerksamkeit geschenkt
hat (a. a. O., S. 285—293), wiesen auf den polyphyletischen Ursprung des Kreises
von Sagen und Wahnvorstellungen hin, die sich seit der rämischen Kaiser- und
der byzantinischen Zeit an diese Pflanze knüpfen. Weder die aligermanischen Al-
raunen, ,zuerst weise, allwissende, weissagende, zauberspruchkundige Frauen?)
dann böse Dämonen und’ zuletzt Zauberwurzeln in Menschengestalt“, noch die
fabelhafte, zuerst von Flavius Jose phus?) erwühnte Syrische Wurzel Ba’aras, Ba’ar
genauere Bestimmung reichlicheres Material abzuwarten. ist. Eine wissenschaftlich noch
nicht festgestellte Art traf Prof. K. Haussknecht in Persien (S. 787). Endlich findet sich
eine, wie der Artname beweist, in der Tracht recht verschiedene Art, M. caulescens
Clarke (Anisodus humilis Hook. fi]. ms.), im óstlichen Himalaya. Schon die Alten unter-
schieden übrigens den robusteren M. vernalis als männlichen oder weissen Mandragoras
von den gracileren, violett blühenden Formen, die sie als weiblichen oder Schwarzen be-
zeichneten (vergl. Dioskorides, Mat. med. IV., 76; Plinius, Nat. Hist, Lip. XXV.,
Cap. XIII, Sect. 94; Th. v. Heldreich, a, a. O., S. 75, und F. Cohn, 65. Jahresbericht
Schles. Ges. Breslau [1888], S. 287, nach dessen Mittheilungen diese beiden Formen in
den Abbildungen des in der Wiener Hofbibliothek aufbewahrten Codex Neapolitanus des
Dioskorides deutlich zu erkennen sind.)
1) Ueber den Alraun, Verhandl. d. Z00l-bot. Vereins in Wien, VI. (1856), S. 721, 724
und Berichte und Mittheilungen des Alterthums-Vereins zu Wien, Bd. V (1861), S. 959—969,
Vergl. auch F. Unger in Sitzungsber, der k. k. Akad. d. Wiss. z. Wien, XXXIII. (1858),
S. 819—316.
2) Noch in einem Nürnberger Schwank aus der zweiten Hälfte des 15, Jahrhunderts
wird. die „Alraune“ als eine Göttin oder Zauberin angerufen. Vergl. J. Trojan in
National-Zeitung vom 22. Januar 1899. Morgen-Ausgabe, 1. Beiblatt.
3) Bellum Judaicum VII, 6, 8: T's Paokyyos dà INS XaT NV GQrroyp TEGLEZ OÙONS
vy Thy [sc. Mayeioobvto] Badoas ovoudistal 1s 167mog, qa TE ollav OMWVE peg le-
youfvyv eUtQ. aly Phoyt uèy Tj" yoot&v &ouxe, nep 03 qd éozépag a£log ÉRUOTOdNTOUOE
TOÏS ÉRLOUOL xol Povhouévors deBry QUINY 0x {grey euyelpwrog, ald ÜNOPEÏyEt, xol o0
THQÔTEQOV Varta. OLY v tig Oùouv yuvatxoóg 5 a0 Euunvoy ciua Xén xaT a)ro où "n
«AAA rai tits toig cipeu£voig 7o0ÀnÀóg Bari davarog, sl Un Tüyoe Ts ŒÙTÿV êxelvor
Aneveysxdusvog tjv Offav à tjs Xétos danornuévnp. dhioxeren dE ab 209 Éregov roómorv
amvdives, Bs 2au 700008. AVkÀO näcay DEPT, ZEQLOQUGGOVGLY, WE EIVAL TE ZOUATOUEVOY
Ts Olims Poagürtaroy, sl’ èE CùTñs dnodoïo xÜva, zdztívov 1ÿ dyoavne Ouvaxolovdsiv
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uélloviog 13 BOTEN dveipjotoóq - 46Bos yèo oùdels 10is uetk TAUTE AeuBavovoi.
Eate dE usrà roGoŸrwy xvduvey dik utay Ioyuv négronoïdaoros* rd ye *alouuevæ daı-
usvie (tala J movnewy 201i dvSpwnwy AVE pare) 10is Qoi elodviusve za) XTElVOPTO
1005 BonYelag un TUyy &VOVT 0, alt raping aUrh, xüp noooevvtyO uóvov toi; vogoior.
Géovar de xai 9toudrv bOatgr anyel zeta tov émov , . . Diese im Alterthum Kallirrhoë
genannten Thermalquellen sprudeln noch heut unfern der Miindung des Wag; Zerka Main
in's Todte Meer, welches Thal die Hochfläche im Norden umgiebt, auf der die noch heute
Mukaur genannte Trümmerstätte des alten Machaerûs gelegen ist (vergl. Kersten in Zeit-
Schrift des Deutschen Palästina-Vereins, IL, 1879, S. 208). Der fabelhafte Bericht des
Josephus kehrt offenbar in den späteren Traditionen über die lebensgefährliche Ge-
winnung der Alraunwurzel (vgl. S. 748) wieder, obwohl noch manche spätere Züge fehlen.
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^ díddr
(731)
oder Bataritis, die an einer genau angegebenen, auch heut noch wohl bekannten
Stelle an der Ostseite des Todten Meeres wächst, „ihren Ort wechselt und nur
Namentlich der dem Hörer todtliche Schrei, den die Wurzel ausstósst, Wenn sie aus der
Erde gerissen wird. Indess wird auch dieser Zug wohl orientalischer Sage, Wenn auch
wieder einer anderen Quelle, entstammen, obwohl allerdings erst im Mittelalter zwei
arabische Schriftsteller, Ibn el Awwäm und Ibn Baithär (nach Löw Aramäische
Pflanzennamen, Leipzig 1881, S. 239), von einer Pflanze Lüf oder Ssabat berichten, jeden-
falls der Gattung Arum oder einer verwandten angehürig, die „Zu Pfingsten schreit; wer
sie hort, stirbt im selben Jahre“. Sie wird daher auch es-ssarächa, „die Schreiende“
genannt. Fast gleichzeitig mit Josephus berichtet Plinius (Lib. XXX, Cap. L, sect. 6),
allerdings unter Spott und Unglauben, dass ihn als jungem Manne der Grammatiker
Apion von einer Pflanze Cynocephalia (in Aegypten Osirites genannt) erzählt habe: »si
lota erueretur, statim eum qui eruisset mori. Der Name lüsst vielleicht schon auf die
Mitwirkung eines Hundes schliessen. Dagegen schliesst sich anf's engste an Josephus
die Wundermäre des Aelianus an, der in Nat. Anim. XIV, 21, allerdings ohne Fund-
ortshezeichnung, von der Erwerbung einer Heilpflanze gegen Epilepsie und Augenkrank-
heiten berichtet: ;0roue qutobp ruvéonactos (xaksiter dà dou xaù àyhañqons ñ avt
Boïlouar yo êxtioat y9£os smourndeic) 0 ued nufoay uv lp Toig dÀÀorg Orakélners
xci ox Éor. zdvv GUVONTOP, vóxico 0à Exgpalvetat vai diemgéter @s actÿo* phoyodns
yap Bor zed Zorm z1v0(.. Obxobrv onueioy Tt Taig oils napanySaviEs Quis onalldrrovial,
oUre rj» yo0« Eyovtsc ued nuéoev, gf pi) T0070 QEORLEY, UVNLOVEÖOAI, oUrs uy tO sidos."
Folgt nun die Manipulation vermittelst des Hundes, wie bei Josephus, nur dass derselbe
nicht an die Wurzel, sondern an den unteren Theil des Stengels angebunden und dureh
vorgeworfenen Braten zu der Bewegung, die das ihm tödtliche Ausreissen der Pflanze be-
wirkt, verlockt wird. Diese Zauberoperation geschah, wie schon aus Obigem hervorgeht,
abweichend von den mittelalterlichen Traditionen, bei Tage; e$ heisst auch ausdrücklich:
hráyp dà ó frog 107) ràç Gites, © zie» ànogvnozes TAQALQHHE- Oéntour dù èv eùt®
tj yooíQ aùtèr, xal TLVES óodoavtec dnoontous fegovoyíac xol TIUNOAPTES i00 auvès TOV
Vexpèr UTEQ «vtov 1:9vnà106-" Auch noch spátere byzantinische Schriftsteller, Zonaras
(Ann, VI, p. 308) und Phykas (Ann. III, p. 978) erwähnen die Pflanze Bang oder die
ofla Baragites 1 phoyostôns (flammae similis)". Seetzen IV, p. 919, nach Lów a a. O.,
S. 188. Der Name Aglaophotis kommt in der antiken Pflanzen-Nomenclatur mehrmals vor.
Bei Plinius (Lib. XXIV, Cap. XVII, sect. 102) ist sie eines der Zauberkrüuter des Demo-
kritos; bei Hermes Trismegistos das Kraut des Mondes (nach E.Meyer, Geschichte der
Botanik 1L, Kónigsberg 1855, S. 344. Ob mit der Pflanze des Aelian Paeonia (welche bei
Dioskorides und. Apulejus auch Aglaophotis genannt wird) und von der schon Theophrast
(Hist, plant. IX, 8, 6) das Márchen der Wurzelgräber berichtet, dass der Specht gie be-
wache und dem sie Sammelnden die Augen auszuhacken suche, oder wie Andere wollen,
der südeuropäische, lebhaft phosphoreseirende Hutpilz Agaricus (Pleurotus) olearius DC.
(über welche Erscheinung Tulasne, Ann. des SC. nat. VIL, ser. t. IX [1848], p. 388—362
ausführlieh beriehtet) gemeint ist, lasse ich dahingestellt. Im Sinne v. Perger's (Pflanzen-
sagen, 1864, S. 714.) gehóren die erwähnten Pflanzen zu den „ungenannten“, da Báaras
oder Bataritis nur von dem Fundorte, Aglaophotis (Glanzlicht) von der Eigenschaft des
nächtlichen Leuchtens, Kynospastos (vom Hunde ausgerissen) von der Art der Gewinnung
abgeleitet ist. Das „Körnlein Wahrheit“, das nach dem Ausdruck des geistreichen Volks-
märchenerzählers Musäus vielleicht auch in diesem „Volksgerede“ verborgen sein mag,
zu ermitteln, ist in diesem Falle wohl wenig Aussicht. Jedenfalls fiel es weder Aelianus,
noch Josephus ein, die fabelhafte Pflanze mit dem, Beiden zweifellos wohlbekannten
Mandragoras zu identificiren. Fher dürfte die von Josephus an einer anderen Stelle
(Antiquitates Judaicae VIII, 2, 5) erwähnte Zauberwurzel, welche in dem Siegelringe
Salomo's eingeschlossen war, mit dem Báaras identisch sein. Ein Bekannter des Josephus,
der, wie nicht weniger als 22 andere, in dessen Schriften vorkommende Personen, den
Namen ’Ekeatæpos (Actagos des neuen Testaments) führte, trieb in Gegenwart des
Vespasianus und Titus durch den Geruch dieser Wurzel aus zahlreichen Besessenen den
(732)
durch gewisse unästhetische Mittel in der Erde festgehalten wird, des Nachts wie
ein Stern leuchtet und nur durch einen Hund aus der Erde 8ezogen werden darf,
welcher dabei sein Leben verliert, während die ausgerissene Wurzel ohne Gefahr
berührt werden kann“, hatten ursprünglich etwas mit der Arznei- und Zauberpflanze
Mandragoras, deren Kräfte zum Theil seit uralten Zeiten berühmt waren, zu thun.
Die schlafmachende Wirkung?) dieser Pflanze war schon im Alterthum sprüch-
wôrtlich, und auch noch, worauf den Vortr. Hr. Dr. Franz M oewes aufmerksam
machte, zu Shakespeare's Zeit wohlbekannt, wie Stellen aus zweien seiner be-
Teufel aus und bannte ihn durch Salomonische Beschwórungsformeln. Der deutsche Arzt
Johann Weyer (lateinisch Wierus, französisch Wier, der, ein wackerer Vorkämpfer
der Humanität und des gesunden Menschenverstandes, als einer der Ersten gegen die
Hexenprocesse auftrat) zeigt sich seiner Zeit auch hier voraus, indem er (Von Verzeube-
rungen u.s. w., Basel 1565, S. 883) diesen Bericht in folgender derber Aeusserung ver-
Spottet: ,Hierzu kónnen wir nicht anderst sagen, das die drey alle zumal, Josephus
nämlich als ein Jud, Vespasianus als ein Heyd, vnd Eleazarus der Hebreer, von dem
Teuffel gefatzet und vmbgetrieben Seyen worden." Derselbe sei nehmlich freiwillig ent-
wichen, ,damit vnnd das er die Leute desto lustigklicher betriege*. Ich verdanke diese
und noch einige andere Stellen aus der deutschen Zauberliteratur der Güte des Hrn.
R. Beyer, der Schon vor Jahren eingehende (weiter unten zum Theil wiedergegebene)
Studien über die Alraune und Verwandtes gemacht hat,
Erst gegen Ende des fünften Jahrhunderts erscheint der unglückliche Hund, mit
dessen Leben der Besitz der Zauberwurzel erkauft wird, an hervorragender Stelle in Ver-
bindung mit dem Mandragoras. Auf einem der, dem gleichfalls in der k. k. Hofbibliothek
in Wien aufbewahrten Codex Byzantinus des Dioskorides vorgehefteten Bilder erscheint
Dioskorides ,in weissem Professorentalar auf der goldenen Cathedra sitzend, während die
wissenschaftliche Forschung (Heuresis) mit der einen Hand ihm die Mandragora-Pflanze
überreicht, in der andern an einem Strick den erdrosselten Hund hält, der die Wurzel
aus der Erde gezogen. Auf einem zweiten Bilde erläutert die Heuresis dem vor der
Staffelei stehenden Maler die Mandragora, die dieser auf eine goldgerahmte weisse Tafel
abzeichnet* (F. Cohn a. a. O., S. 286).
Nach Th. v. Heldreich (Nutzpfl, Griechenl, S. 36 v. 91) glaubt das Volk in Griechen-
land noch heute, „dass derjenige sterben muss, der die [Mandragoras-] Wurzel ganz bis
an's Ende ausgrübt, daher man Sie nur mit Hülfe eines Hundes, der an das Obertheil der
Wurzel gebunden Wird, ausziehen Soll!
1) Zur Hervorrufung dieser Wirkungen bedurfte es angeblich nicht einmal des Ge-
nusses der Pflanze; schon den Ausdünstungen wurde diese Wirkung zugeschrieben, Von
den Früchten sagt Plinius (L c): ,gravedinem adferunt etiam olfactu; quamquam mala
in aliquibus terris manduntur, nimio tamen odore obmutescunt ignari^ Unger (a, a, 0.,
S. 806) versteht unter gravedo, sicher mit Unrecht, „Schwangerschaft“, während dies Wort
offenbar „Schwere des Kopfes“ heissen soll (als ein Mittel dagegen wird von Plinius (Lib. XXX,
Cap. IV, sect. 11] empfohlen, die Nase eines Maulthiers zy küssen!) Als Anästhetieum vor
Operationen wurde für einzelne Patienten schon den Ausdünstungen dieselbe Wirkung zu.
geschrieben, die wir von Aether und Chloroform kennen: »Ob haee satis est aliquibus
somnum odore quaesisse« (Plinius XXY); vermuthlich auch (1, €.) die Vorschrift: »effossuri
cavent contrarium ventum, die allerdings mit der folgenden, von Theophrast (s, unten
S. 184) übernommenen unter Umständen collidiren kónnte: »postea (nach der noc] ZU %r-
wühnenden dreimaligen Umkreisung mit dem Schwerte) fodiunt ad OCCASUM spectantes.“
Auch aus neuerer Zeit ist übrigens, worauf mich gleichfalls Hr. Beyer aufmerksam
macht, diese Wirkung bezeugt. Es findet sich in Boyle’s de natura determinata efflu-
viorum (Opera varia 1680, p. 97) folgende Stelle: »Scriptores de Venenis memorant,
Mandragorae radicem et succum Sopori lethargico haurientes dare. Et quamquam
ejusdem plantae poma multo minus noxia habeantur, Levinus Lemnius (in Expli-
cationibus Herbarum Bibliearum c. 2. tamen narrat, se, eum in Musaeo suo quaedam
(183)
"ühmtesten Dramen beweisen. In Anthony and Cleopatra, ActI, Scene V, sagt
Cleopatra:
Give me to drink mandragora....
That I might sleep out this great gap of time,
aehmlich bis zu der Rückkehr ihres Geliebten Antonius, und in Othello, Act III,
poe III, sagt Jago, nachdem er dem Mohren den tódtlichen Verdacht gegen
esdemona eingeflôsst:
.... Not poppy, nor mandragora
Nor all the drowsy sirups of the world
Shall ever medicine thee to that sweet sleep
Which thou owedst yesterday b.
Dieser schlafmachenden, bezw. betiubenden Wirkung des Mandragoras soll man
pon im Alterthum sogar im Kriege bedient haben. So erzühlt Sexius Iulius
Tontinus (Strategematicon Lib. II, Cap. V, 12): ,Maharbal?), missus a Cartha-
Siniensibus adversus Afros rebellantes, cum sciret gentem avidam esse vini, magnum
"Jus modum mandragora permiscuit, cujus inter venenum et soporem media vis
Tunc proelio levi commisso ex industria cessit: nocte deinde intempesta, re-
Ctis intra castra quibusdam sarcinis et omni vino infecto, fugam simulavit:
tumque barbari, occupatis casiris in gaudium effusi, medicatum avide merum
"a et in modum defunctorum [dead drunk sagt der Engländer bezeichnend!]
ii iacerent, reversus aut cepit eos aut trucidavit.^ Denselben Kunsigriff soll nach
Mandragorao poma reposuisset, halitibus eorum adeo redditum fuisse somnolentum, ut vix
Xcutere soporem posset; remotis vero pomis alacritatem pristinam recuperasse.“
y D Auch der Schrei der Alraunwurzel wird von dem grossen britischen Dramatiker
b, nal erwähnt, worauf mich gleichfalls Dr. Moewes aufmerksam machte; allerdings
"d er an der ersten Stelle bei ihm (wie in der oben erwühnten Fouqué'schen Novelle)
f t Tod, sondern Wahnsinn. In Romeo and Juliet (Act IV, Scene IIT) sagt Julia, sie
Trehte, zu früh in den Schauern des Grabgewólbes zu erwachen, und nennt unter diesen:
.... shrieks like mandrake’s torn out of the earth,
An That living mortals, hearing them, run mad.
Kö der zweiten Stelle, an der Suffolk in King Henry VI, Part IL, Act IIT, Scene II, der
Wgin zuruft:
Win]; Would curses kill, as doth the mandrake’s groan,
an thm, wie gewöhnlich, tödtliche Wirkung zugeschrieben. Die Alraunwurzel wird ferner
ma 2wei Stellen in King Henry IV, Part II, als Vergleichsobject mit einem kleinen und
PARU Menschen gebraucht: Act I, Scene II nennt Falstaff seinen kleinen Pagen
in ED 00m mandrake“ und Act III, Scene II sagt er, dass der Friedensrichter Shallow
get ner Jugend in liederlicher Gesellschaft ,mandrake“ genannt wurde; der dort hinzu-
fete Vergleich: ,when he was naked, he was.. ees like a forked radish with a head
era US carved upon it with a knife,* sieht wie eine scherzhafte Anweisung zur
auf lung eines Alrauns aus. Jedenfalls sagt B. Sigismund in seinem lesenswerthen,
| on Quellenstudien beruhenden Aufsatze: „Die Pflanze als Zaubermittel“ (Mitth. d.
dieser Vereins für Gesammt-Thüringen, IIT. [1889], S. 290—302) mit Recht, dass aus
ill. Wiederholten Erwühnungen sich schliessen lasse, dass Alraune zur Zeit des Dichters
(ang gebräuchlich und bekannt waren. Bemerkenswerth ist, dass für die Arznei
Das an und die Zauberwurzel (mandrake) verschiedene Namen gebraucht werden.
Anf as letztere nur eine ,volksetymologisirende* Verstümmelung des ersten ist, liegt
der Hand,
ot re berühmten Mustern“ wurden für diesen wenig bekannten Namen bei Citaten
Polya erihmtere gesetzt. Schon der noch nicht ein Jahrhundert später schreibende
hen aber p rategika V, 10, 1) erzühlt dieselbe Geschichte, nennt den punischen Feld-
8. 79) her imilko; Brandt und Ratzeburg (Deutschlands Giftgewüchse I., Berlin 1894,
aben Hannibal, A. v. Pergér (Ueber d. Alraun a.a. O., 8. 264) Hamilkar. .
(734)
Polyainos’) (Strategika, Buch VIII, Cap. 23, 1), der junge Caesar angewendet
haben, als er, wie bekannt, auf einer Reise nach dem Orient, unweit des Vot"
gebirges Malea, in die Hünde kilikiseher Seerüuber gefallen war. Er liess mit
dem verlangten Lósegelde auch einen Vorrath mit Mandragoras vergifteten Weines
aus Milet kommen, mit dem cr die Räuber, mit denen er wührend seiner Halt
ziemlich freundschaftlich verkehrt zu haben scheint (Caesar inter piratas!), be-
wirthete. In ihrer Narkose liess er sie sodann ergreifen und gab das Läsegeld
den Milesiern wieder.
Eine ühnliche ,Kriegslist^ wird übrigens auch aus dem Mittelalter, sowie,
gleichfalls von nordafrikanischem Boden, aus der neuesten Zeit herichtet, wobel
indess andere narkotische Solanaceen benutzt wurden. Der letztere Fall, die Ver-
nichtung der franzüsischen Expedition Flatters in der südlichen Sahara nach
vorangegangener Vergiftung mittelst Hyoscyamus Falezlez Coss., welches Gift den
halbverhungerten Opfern in trüglich dargebotenen (gequetschten) Datteln bei-
gebracht wurde, ist noch in frischer Erinnerung. Die mittelalterliche Erzählung»
in welcher Atropa Belladonna L. als das angewendete Gift genannt wird, habe
ich nach George Buchanan (Rerum Scoticarum Historia. Ultrajecti 1668
p. 204) vor einigen Jahren (Sitzungsber. Ges. Naturf. Freunde. Berlin 1890,
S. 75—'6) in extenso mitgetheilt. Sie hat durch die handelnden Personen, den aus
Shakepeare's Macbeth bekannten Kónig Duncan von Schottland und seinen Feld-
herm Bancho, ein besonderes Interesse. Dieselben werden von dem (auch bei
Shakespeare Act L, Scene II, erwähnten) norwegischen Kónig Svend in der Haupt
stadt Perth belagert. Um für den Entsatz durch den heranrückenden Macbeth
Zeit zu gewinnen, lassen sie sich scheinbar in Verhandlungen mit den Belagerern
ein, die durch Lieferung von Lebensmitteln und vergiftetem Wein und Bier be-
siegelt werden. Die arglosen, an Speise und besonders an Getränk Mangel
leidenden Norweger sprechen letzterem unmässig zu und werden in ihrer Atropin-
narkose grösstentheils niedergehauen, bis auf wenige, denen es indess gelingt, den
vewusstlosen Konig auf die Schiffe zu reiten. Obwohl die genannten Persone?
der Geschichte angehóren, ist der ganze Bericht doch sagenhaft.
Weniger beglaubigt, als die hypnotischen Eigenschaften der Mandragora, aber
in folkloristiseher Beziehung ungleich bedeutsamer, sind die erotischen?).
1) Brandt und Ratzeburg (a. a. O.) citiren als Gewährsmann dieser wohl apokryphen
Erzählung ,Frontinus, Strategem., L. VIII* (155 die Strategematica dieses Schriftstellers
haben aber nur vier Bücher. Wie viel Zeitverlust durch solche unrichtigen Citate ver
anlasst wird, hat wohl jeder mit derartigen Arbeiten Befasste erfahren! Auf die Spur
des richtigen Autors brachte mich mein Bruder Ferdinand, dem ich überhaupt für
Fórderung meiner Literaturstudien vielfachen Dank schulde.
3) Erwühnen doch die Alten eine Aphrodite Mandragroritis (allerdings auch einen Zeus
Mandragoras). Auf aphrodisische Wirkungen deuten auch schon die wunderlichen Cere-
monien, unter denen, wie Theophrastos (Hist. plant. IX, 8, 8) berichtet, der dieselben
allerdings als thóricht und betrügerisch bezeichnet, die griechischen Wurzelgrüber sich
in den Besitz der Mandragoras-Wurzel setzten: ,nsguyo&qe 08 xol vóv uavóQoyógar elc
roig Elger, TÉuv&w di moos éoméguv BÀénorvie. TOV d’ Étepoy zuxle megropysiod at zal
àéysw. (c nàsiota zteQ) dqgodtoímy." Es muss zwar bemerkt werden, dass, worauf schon
Anguillara (Sempl, Venet. 1561, p. 90, nach Sprengel), nach ihm Caspar Bauhin
(Iivaë theatri botaniei, Basil. 1671, p. 169), C. Sprengel, Theophrast's Naturg. der Ge-
wüchse [1892], IL, 8.994), Brandt und Ratzeburg (a. a. O., S. 77) und zuletzt Th.
v. Heldreich (Mitth, d. Bot. Ver. f. G.-Thür., 1V., S. 75, 16) hinwiesen, der von Theo-
phrast selbst gesehene uevdoaycoog unmöglich mit dem des Dioskorides, Plinius und der
späteren Schriftsteller identisch sein kann. Da Theophrast ihm (l c. VI, 2, 9) einen
(.
der yon der pharmaceutischen Benutzung als Aphrodisiacum und zur Erhöhung
Tor: ruchtbarkeit des Weibes führt nur ein kleiner Schritt zur magischen als
A an, um Gegenliebe hervorzurufen "). Diese erotische Anwendung steht, wie
he en obigen Mittheilungen des Hrn. v. Luschan hervorgeht, im Orient noch
"m m Vordergrunde und hat sicher auch stets obenan gestanden. Auf sie be-
mer sich die ältesten Nachrichten, die wir über die Pflanze haben. Es kann
dor I der übereinstimmenden Meinung der sachkundigsten Beurtheiler (schon
liege XX Dolmetscher, vergl. Weizstein in Delitzsch, Commentar zum Hohen-
den und Koheleth Leipzig 1875 8. 439—445) nicht zweifelhaft sein, dass unter
13 oder nach Wetzstein dem in der Genesis 30, 14—17 und im Hohenliede 7,
*'wühnten Dudáim die wohlriechenden (vergl. die citirte Stelle des Hohenliedes),
ee, ähnlich dem 70049nE (Ferula), und schwarze Früchte mit weinähnlichem Saft zü-
jetz; t, 50 hat die Vermuthung der genannten Schriftsteller, dass hier die allerdings im
sowie Königreich Griechenland sehr seltene, indess schon am Olymp und Athos häufige,
ist es auch in Kleinasien vorkommende Belladonna gemeint sei, viel für sich. Trotzdem
Theo pou kaum zu bezweifeln, dass die heutigen Mandragoras-Arten auch schon zu
NA rast’s Zeit und früher 50 genannt wurden, und vielleicht mögen sich die erwähnten
oli s ehe, die ja auch Plinius (vergl. oben S. (32), nur unter Weglassung des unter
fischer Reden umher tanzenden Gehülfen, von seinem (mit dem unserigen sicher iden-
falls = Mandragoras berichtet, schon damals Vorzugsweise oder allein auf letztere. J eden-
Über St der niedrige Mandragoras leichter mit dem Schwerte zu umkreisen, als die oft
a Tollkirsche. Ob in diesen Rhizotomen-Gebráuchen, sowie in dem von
Monge. us bei der Erwerbung des Baaras berichteten Verwendung von Weiberharn oder
pa lat die Quelle der späteren abendländischen Traditionen von dem rusauberen
oh, e dt unter dem Galgen wachsenden Alraunwurzel (vergl. weiter unten S. 743) zu
to © ein später Nachklang der antiken Mandragoras - Traditionen in erotischer Be-
am A 8 erscheint folgende Nachricht, die der berühmte Africa-Reisende Leo Africanus
Nicht Usgange des Mittelalters. über eine fabelhafte Wurzel des Atlasgebirges, gleichfalls
m. p me eine ironische Zwischenbemerkung, bringt, — eine Nachricht, auf die mich
mag, le; ein hervorragender Kenner nicht nur des botanischen Folklore, aufmerksam
* Gegen Ende des IX. Buches der Africae descriptio liest man:
,Surnag radix.
Vig ot quoque et hoc radicis genus in Athlantis Occidentalibus locis proveniens, eui
in Blot. ajunt earum regionum incolae, membrum virile tum confortandi, tum qui ea
han, Vario utatur, coitum augendi. Affirmatur quoque si casu radici immeiere quem-
Seno Ea, subito membrum erigi. Non praetermissurus sum hoc loco, quae communi
img); à omnes Athlantis incolae afferunt, plurimas puellas ox carum numero, quae
Wingy, per eos montes pascunt, virginitatem alia occasione non amisisse, quam quod
de ejus Supra hanc radicem emisissent: quibus ego joco respondebam, me probare quidquid
Quae aq cis oceulta virtute eventus comprobasset. Ajebant quoque, inveniri nonnullas,
Wye, 180 infectae essent, ut non modo virginitatis florem amittere facerent, sed corpus
um quoque turgere.*
TNAM Wotastein bemerkt, mit Recht, dass der Name Surnag schwerlich arabisch,
ran berberisch sel. Yon arabischen Worten würde Aw in den Con-
auch Kein men ; indess ist dies nach Wetz stein sarendj auszusprechen und ist
Verran, det flanzenname, sondern nach dem Qamüs „ein bekanntes, bei Wundenheilungen
Weit Medicament, das auch seilaqün genannt werde; letzteres Wort bezeichne un-
ein Syuo ein Mineral « Eher könne man (immer nach Wetzstein) noch an sarmaq denken,
1) En es bekannten Pflanzennamens qataf, der u. a. Atriplex- Arten bezeichnet.
Bragg] x €nso auch nach Sibthorp (Fl. Graeca III, p. 27), citirt von v. Martius (Fl.
die Jün 2 P 190), welcher berichtet, dass (vor etwa einem Jahrhundert) zu diesem Zwecke
glinge in Attika ein Stück Mandragoras-Wurzel in einem Beutelchen bei sich trugen.
(853
C
angenehm aromatisch schmeckenden Früchte des Mandragoras zu verstehen sind,
deren Geniessbarkeit schon Plinius (s. oben S. 732) erwähnt, und welche noch
heute im Orient als Aphrodisiacum gelten, bei deren Verzehren man sich abe
hüten soll, die, vermuthlich stärker alkaloidhaltigen') Samen mit zu verschlucke?
A. v. Perger (Alraun, S. 261), vielleicht auch schon frühere Schriftsteller be
zeichnen sie, entsprechend der Bedeutung des hebrüischen Dudáim, das mit „am“
torius“ erklärt wird, als „Liebesäpfel“ (mala nannte sie auch Plinius). Es er
scheint annehmbar, dass dieser Name von der Mandagorasfrucht auf die a"
Indien stammende, wohl. erst im Mittelalter in die Länder Vorder-Asiens und
später nach Südeuropa eingeführte Frucht von Solanum Melongena L. (arabisch
badindjän, ital. melanzana, französ. aubergine) übertragen wurde, die auch öfter
im Syrischen mit dem Namen des Mandragoras, jabrühá (der auch ins Arabische
übergegangen ist und durch ,Volks-Etymologie^ zu djerábüh , Erwecker de
Wollust^ wurde vgl Weizstein a. a. O.) bezeichnet wird, vgl. Lów, Aram
Pflanzennamen S. 188, und von dieser endlich auf die amerikanische Tomate
(franz. pomme d’amour) und das in der Frucht ähnliche afrikanische Solanu»
aethiopicum L.?) (in Constantinopel nach Delile pomme d'amour des juifs) über"
iragen wurde. In Algerien heissen die Mandragoras-Früchte (nach einer brieF
lichen Mittheilung von Dr. Ch. Bonnet) neben ‘jabrûh auch arab. tufáh - el -dj€
(Geister- oder Dämonenäpfel), berb. tärilà.
Während nun die Dudâim-Frucht sehr bekannt ist, so erwähnen angeblich
nur Rabbiner des Mittelalters) nach Harsdörffer (Grosser Schaw - plot?
Jämmerlicher Mordgeschichte IL, S. 277) und A. v. Perger (Alraun a. a. O., S. 261,
Pflanzens., S. 11) einer Dudáim-Wurzel. Aus dieser sollen die Theraphim (, Gôtzen”
Luther „eine Art Hausgôtter oder Penaten“ Gesenius) gearbeitet gewesen seit
welche Rahel ihrem Vater Laban stahl und so erfolgreich verheimlichte (Genesis 3l
19, 30, 32, 34, 35). Diese Angabe ist insofern von Interesse, als den Urheber?
derselben offenbar künstlich bearbeitete Mandragoras-Wurzeln, wie sie gr
v. Luschan uns vorgelegt hat, wohlbekannt gewesen sein müssen. Das vor
handensein solcher Präparate schon im classischen Alterthum kann freilich kau?
bezweifelt werden. Wenn schon Schriftsteller der Ptolemäer-Zeit, wie die ver
lorene Schrift des [Pseudo]-Pythagoras über die Wirkungen der Pflanzen (nach
einem Citate im oben erwähnten Codex Neapolitanus des Dioskorides) die Wurzel
1) Ahrens (66. Jahresb. d, schles. Ges. f. vaterl. Cultur, Breslau 1889, S, 162—199
Ber. D. Chem. Ges., XXII. (1889), S. 2159—61; Ann. d. Chem, CCXXL, 8. 812—816, fand
in alter Mandragoras-Wurzel ein neues Alkaloid, Mandragorin, isomer mit Hyoscyam”
2) Diese Pflanze findet sich auch unter dem Namen qa’ûta oder qûta in den arabische?
Gáürten Aegyptens; ebendaselhst eine nahe verwandte, nur durch stürkere Behaarung ver
schiedene Form, die schon Rohlfs (1866) als qa'üta aus Fesáàn mitbrachte, die aber 7
Aegypten wadda heisst. Letztere dürfte mit dem von der Goldküste besehriebenen 5
geminifolium Thonn. identisch sein; zu vergleichen ist sie auch mit dem aus Brasilien 9
kannt gewordenen S. Gilo Raddi. Vergl. Ascherson et Schweinfurth in Mém. de
Inst. Bg. II (1889), p. 769.
3) Allerdings hat sich einer der gelehrtesten Kenner der rabbinischen Litteratur, de
dureh sein ausgezeichnetes Werk ,Aramiische Pflanzennamen gerade auf dem Gebiet?
der botanischen Alterthümer so rühmlich bekannte Dr. Immanuel Là w, vergeblich bemühb
eine solche Stelle aufzufinden. Derselbe schreibt mir (Szegedin, 4. Febr. 1892) Folgende?"
,Die Hauptstelle der traditionellen Literatur über Terafim ist Pirké derabbi Eliezer 86
(etwa aus dem 8. Jahrh. n. Chr), wo die Terafim für den abgeschnittenen Kopf eines
Erstgeborenen erklärt werden. Von einer Identification mit der Mandragora findet sich
nirgends eine Spur: Terafim und Dudaim werden bei Juden nirgends combinirt."
736)
(737)
= #75 uophoc und Columella (De re rustica IL v. 19, 20) ") sie ,semihomo“ nennen,
N ferner in den bereits S. 729, 730 (Fussn. 3) erwühnten Abbildungen im Codex
Ha tms des Dioskorides die Wurzeln der beiden Mandragoras-Arten in mensch-
er, und zwar die eine in männlicher, die andere in weiblicher Gestalt, dar-
in werden?) so ist wohl anzunehmen, dass schon damais die Kunst der Natur
e geholfen hat. Auf diese Vergleichung deutet auch der von Unger (a. a. 0.)
ar hte persische Name merdum-giah?) (Menschenpflanze), der übrigens auffällig
Mandragoras anklingt.
Gri Dass die Anwendung des Mandragoras als Arznei- und Zauberpflanze von
nd roland aus, in der macedonischen oder byzantinischen Epoche, auf eine
va ere Solanacee der östlichen Karpatenländer, Scopolia carniolica Jacq, übertragen
A die, wie die verwandte Belladonna (die ja vermuthlich schon im classischen
de erthume ebenfalls pavdpayépas hiess, s. S. 734, 735, Fussn. 2), noch heute bei
wis mine Siebenbürgens und der Moldau matragün oder matragûna genannt
dort und dass sich die Cultur und vermuthlich die Benutzung der Pflanze von
Sch] us durch die Ebene Galiziens, das stidwestliche Russland (Polen?) bis Ober-
sets Ostpreussen und in’s Kurländische Oberland verbreitet hat, jedenfalls ab-
Sebi. Yon den Wegen deutscher Cultur, glaube ich in einer vor zwel Jahren er-
lenenen Abhandlung‘) wahrscheinlich gemacht zu haben.
tin Auch eine, mit Mandragoras verwandte Pflanze Süd-Brasiliens und Argen-
2 ens, Himeranthus runcinatus Endl. (= Jaborosa r. Lam.) wird zu magischen
Wecken benutzt. v. Martius (Flora Brasiliensis X. (1346) p. 190) sagt von ihr:
Pari modo fertur Brasiliae ausiralis Indos radicem. Himeranthi runcinati in in-
s. ationibus propinare ut animum ad magicas artes exerceant et in vaticinia
er tur, quae ideo Mandragorae, stirpis affinis vices ibi gerit, apud antiquos
pos pro malis Medeae artibus decantatae, et cujus frustula tanquam amatorium
G Nostra aetate juvenes Atticos secum in sacculo cireumferre Sibthorpius in Flora
aeta (IIL. p. 27) auctor est.“ Auf welcher Quelle die erheblich abweichende
Nabe Endlicher’s (Enchiridion botanicum. Lipsiae et Viennae 1841, p. 334):
>Himeranthi et Jaborosae baccis ad inducendum furorem amatorium Americanos
l) Quamvis semihominis vesano gramine foeta
Mandragorae pariat flores . - -
2) Vere]. Cohn a. a. O., S. 287. |
mir 3) Prof. K. Haussknecht, der vorzügliche Kenner des heutigen Persiens, schreibt
w Über das Vorkommen von Mandragoras in diesem Lande (W eimar, 17 J an.) Folgendes:
dort s Mandragora betrifft, so kommt sie in Persien vor, obwohl sie Boissier nicht von
den Et vertrocknete Blätter habe ich dort gesehen und sie wurden mir auch von
Über 7 ‘schoronen als solche bezeichnet. Auf den persischen Bazaren ist die Wurzel
Yes ai Zu finden, die namentlich in der Provinz Schiraz gesammelt wird. Sie hat dort
[aras dene Namen, namentlich als yabruch oder yabrudsch- es- sennam oder sennemé
AE S. oben S. 728, P. A.], auch als merdum - giah (Manneskraut) oder mehr-e-giah
P A rant), biche-lefáh [lefah ist gleichfalls im Arabischen gebräuchlich, vgl. Low a. a. 0,
Zur J a Name sekkun ist weniger gebräuchlich. Leider ist es mir nie gelungen, sie
sind es Zeit zu sammeln, so dass die Art noch fraglich ist. Die vertrockneten Blatter
Vebri ong, nach Art der M. Haussknechtii. Die Wurzel wird meist als Amulet getragen.
in Later wird auch die Wurzel von Hyoseyamus muticus vielfach dort verwendet, sowohl
dort re auch gezuckert; sie gilt als Aphrodisiacum. [Ebenso in Acgypten; ihr
Hash, one icher arabischer Name sekràn bedeutet ebenso gut liebes-, als Alkohol- oder
runken. P. A.]
qa, ) Aseherson, Das Vorkommen der Scopolia carniolica Scop. in Ostpreussen. Sitzb.
urf. Freunde. Berlin 1890. S. 59—£2 (im Sonderabdruck noch 8.82a— e).
Verhandl, der Berl, Anthropol, Gesellschaft 1891. ;
47
(738)
uti constat“ beruht, habe ich nicht ermitteln können. Der Name der Gattung»
Himeranthus, deutet auf erotische Verwendung. Von Jaborosa sagt der Auto
A. L. de Jussieu (Gen. Plant. ed. Turic. 1791, p. 140): ,Jaborose ') nome”
arabicum Mandragorae quae habitu similis et fere congener.“ —
Hr. R. Beyer: Die im Abendlande hergestellten Alraune haben nicht au
Mandragoras bestanden und weichen von den morgenländischen vôllig ab. De
ächte Mandragoras dürfte in Mitteleuropa kaum bekannt gewesen sein UD
stand sicher den Verfertigern nicht zur Verfügung. Der nórdlichste sicher?
Fundort dieser Pflanze liegt im Vicentinischen. "Von den übrigen bei Reiche?
bach (FL germ. exc., p. 390, 1831) erwähnten Localitäten ist Pinzgau sicher um
richtig. Für Süd-Tirol?) ist die Pflanze erst ganz neuerdings an einem Fundort®
bekannt geworden, über dessen Nicht-Ursprünglichkeit kein Zweifel besteht: „Ver
wildert auf einer Gartenmauer in Lenzima [südw. von Rovereto], wo selbe Anfang?
dieses Jahrhunderts von einem dortigen Curaten cultivirt worden war,* Gral
Sarnthein, Oesterr. bot. Zeitschr. 1891, S. 108. Bei Torri am Gardasee, auf dem
insubrischen Monte Generoso und im Valpelline bei Aosta [au pied de Douves)
ist die Pflanze, wenn sie daselbst überhaupt einheimisch war, längst ausgerottet-
Nach Jacob Grimm (Deuische Mythologie IL, S. 1005) ist der Gebrauch vor
Alräunchen in Deutschland sehr alt. Wie man aber dazu gekommen, den Name?
der aligermanischen weisen Frauen auf die Zauberwurzel zu übertragen, ist trot
aller Erklürungsversuche noch fraglich®). Am wahrscheinlichsten däucht mir d?
Annahme Horst's, dass schon die alten Deutschen solche Hausgótzen besesse"
und unter dem Namen Alraunen verehrt hätten. Es lag dann in der That nahe
das Wort auch auf ähnliche, aus fremden Ländern stammende Gebilde ang
wenden. Nach Grimm übersetzten schon die althochdeutschen Glossen de
Münchener Bibliothek (Saec. 10) das Wort mandragora (dudaim) der Septuagini?
durch alrüna. Doch darf man wohl annehmen, dass die Kunde von der Mensche
ühnlichkeit und den wunderbaren Krüften der Wurzel dieser Pflanze im Abend”
lande erst durch die Kreuzzüge oder frühestens während der Herrschaft de
Araber in Spanien allgemein verbreitet wurde. Bekanntlich haben diese Ere’
nisse die abendländischen Völker zuerst genauer mit morgenländischen Sitten ver
traut gemacht. Natürlich wurde bald vielfach der Wunsch rege, eine so wer
volle Wurzel selbst zu besitzen. Es befremdet daher nicht, dass findige Geiste!
des Abendlandes auf den Gedanken kamen, unter den einheimischen Pflanzen mi
rübenförmiger Wurzel nach einem Ersatz zu suchen. Da man aber die achte?
orientalischen, stets unbehaarten und unbekleideten Wurzelmännchen nicht 7
Gesicht bekam, schnitzelien die Industrieritter aller Art, welche fortan sich pe
mühten, diesem Bedürfniss abzuhelfen, aus Wurzeln ein Produkt heraus, welch?
mit jenen nicht die geringste Aehnlichkeit hatte. Sie waren auch pfiffig gents
1) Offenbar aus jabrüh (s. oben S. 728) corrumpirt.
2) Die früheren Angaben aus Tirol sind hóchst unwahrscheinlich. Vergl. Haus
mann, Flora von Tirol, S. 1197, 1854. .
. 8) Ausser Grimm handeln darüber Sehmid, Commentatio epistolica de Alrun#
Germanorum ete. Halae Magdeb. 1789; Schedius, De diis Germanorum, p. 481 ; Hors
Zauberbibliothek. Mainz. Bd. V, 1895, 8.326ffg. Schon Paullini (Zeit-kürtzende erbaulich
Lust IIX. 1697. S. 613) meint, da nach Tacitus die Germanen nach dem Tode der Auris”
Bildnisse derselben dargestellt hätten, ,dass dannenher, was man von Allrüngen schwat?*
leicht kan erkläret werden.“
zu
(739)
“in Mite] zu finden, um ihre Figürchen mit Haaren zu versehen. Das dabei
übliche Verfahren wurde erst im 16. Jahrhundert bekannt. Am ausführlichsten
bespricht dasselbe Mattioli?) Es sei gestattet, den wesentlichsten "Theil seines
Berichtes wortgetreu wiederzugeben:
. »Die Theriackskrümer vnd Landltreicher haben ein wurtzel feyl getragen, die
Hi formiret wie ein minnle oder weible, haben die leute vberredet, [ie [ey
Chwerlich zubekommen, mülfe vnter dem galgen mit forglicher mühe aufsgegraben
Werden, dartzu mus man einen fchwartzen hund haben, der fie an einem firicke
Wlsreille, der gräber aber [oll die ohren mit wachís verstopffen, dann fo er die
Wurtzel hôret [chreien, [tehe er in gefhar feines lebens. Was ift das anderft,
dann Wie man vom Farn lagt, wer den Farnfamen*) will holen, der muls keck
lein, vnnd den Teuffel kónnen zwingen. Solch narrenfpil vnd fpectra mufs man
den leutten machen, quia vulgus vult decipi, darumb bin ich hie, [pricht der
Landtftreicher, das haben fie auch meyfterlich aufsgerichtet, gemelte wurtzel thewer
Verkaufft, als mache (ie die leute, vnd fonderlich die bezauberten, gluckfelig, die
"überhaffton weiber fruchtbar, habens alle fambstag mit wein vnd walfer baden
Mullen [auber einwicklen, vnd heymlich halten. Vnd foll nun der güttige lefer
Willen, das folche Alraunwurtzlen ein lauter fabelwerck, vnd gemacht ding (ein,
dann fie fchneiden die Brionienwurtz*), oder Rhorwurtzlen, dieweil lie noch frilch
Cat, in eines menfchen geltalt, ftecken Gerlten oder Hirfenkornlen an die ftellen,
da fie wollen haar haben, darnach verfcharren fie diele gefchnitzte wurtzek in
fandi, bifs aufs gemelten kórnlen zülerlen wachfen, welchs gemeiniglich in dreyen
l) Ich eitire nach der seltenen deutschen Ausgabe: ,New Kreüterbuch. Mit den aller-
Schönsten und artlichsten Figuren aller Gewechís, dergleichen vormals in keiner sprach
A an tag kommen. Von dem Hochgelerten vnd weitberümbten Herrn Doctor Petro
pren Matthiolo... Erstlich in Latein gestellt. Folgendts durch Georgium Handsch...
“deutsch etc, Prag 1563.“
2) Der unsichtbar machende Same des Farnkrauts spielte im Aberglauben des Mittel-
Alters keine geringere Rolle als die Alrüunchen Man vergleiche ausser Grimm be-
SOtders Reling und Bohnhorst, Unsere Pflanzen nach ihren deutschen Volksnamen us. Ww.
m, S. 62.64; Freiherr v. Valvasos, Ehre des Herzogthums Krain (1689) und die
lauterbücher der Patres.
e 9) Auch die Zaunrübe stand bei den Abergläubischen in grossem Ansehen. Kranke
erhofften Genesung, wenn sie die ausgehöhlte Wurzel als Trinkbecher benutzten, Liess
o Gichtkranker sein Blut in eine solche träufeln und vergrub sie an einem heimlichen
a $0 glaubte er beim Verfaulen der Wurzel gesund zu werden (Gichtrübe). Auch galt
le vele als Schutzmittel gegen Hexen und gegen Gewitter, sowie als Liebeszauber. Dazu
Sn die Mädchen, wenn sie zum Tanze gehen wollten, Scheiben der Wurzel in ihre
"he unà sprachen dabei:
Kórfcheswurzel in meinem Schuh,
Ihr Junggesellen, lauft mir zu!
el Unger a. a. O., 8. 394; nach gütiger Mittheilung des Hrn. Prof. Ascherson, dem
Lat schützenswerthe Beiträge zu dieser Arbeit zu grossem Danke verpflichtet. bino Die
hey gu hiess nehmlich in manchen Gegenden wilder Kürbis oder Hundskürbis. rel
B ese Pflanze noch A. v. Perger, Deutsche Pflanzensagen, S. 180 und Reling un
Phnhorst a. a. 0, S. 217.
cing, hrigens glaubte man auch, dass die Wurzel dieser Pflanze zuweilen die Gestalt
alba, Menschen habe. So schreibt z. B. Schott, Magia Universalis I, p. 185: »In Brioniae
Vari radice inventam effigiem humanam, et adhuc in publico Museo Bononiensi conser-
dios! testatur Ambrosinus (n histor. monstror. Aldrovandi f. 808)* Die Abbildung
€ „Wurzel“ erwühnt A. v. Perger, Ueber die Alraune, S, 268,
AT *
(740)
wochen gefchicht, alfsdann graben (ie es wiederumb aufs, befchaben die "
gewachfenen züferlen mit einem (charffen meffer, vnd machen fie allfo fein [ubü !
als werens haare an dem haupt, bari, vnnd bey der fcham, darmit werden die em
falügen betrogen.
,Diefe büberey hat mir felbs ein Theriacksfchreyer offenbaret, der zu Ror
[chwerlich kranck lag, vnd in meiner cura war, zeigte mir ettliche [olche 8°
fchnitzte wurtzlen, vnd fagte, er hette bifsweilen den reichen eine allein für drei
Ducaten verkaufft ").
Die Form der abendländischen Alräunchen war sehr mannichfaltig- »
Länge betrug gewöhnlich nur etwa eine Handbreite bis eine Spanne. Doch s
es auch solche von ein, ja selbst von 6 Fuss Lünge gegeben haben). Die Be
haarung beschrünkte sich nicht immer auf die von Mattioli erwihnten Stelle”
sondern bedeckte zuweilen den ganzen Kórper. So sind z. B. die beiden Alräunche”
verschiedenen Geschlechts in der k. k. Bibliothek zu Wien?) beschaffen, welch®
daselbst seit 1680 aufbewahrt werden und noch im vorigen Jahrhundert viele aber
gläubische Gemüther erregten. Sie stammen aus dem Besitz Kaiser Rudolf’s I,
des hohen Schüizers aller geheimen Wissenschaften, an dessen Alchymisten das
Goldgässchen auf dem Prager Hradschin noch jetzt erinnert. Früher wurden i
regelmässig gebadet. Unterblieb das einmal, so sollen sie wie neugebore??
Kinder geschrieen haben, bis ihnen ihre gehórige Pflege zu Theil wurde *). Nach
A.*v. Perger sind dieselben nicht aus der Wurzel der Zaunrübe, sondern aus
Rhizomen der Siegwurz gebildet*). Ebenso scheint das Alrüunchen des Bergen!
1) Ein anderer Originalbericht über die Anfertigung von Alrüunchen befindet sich i
S. Freyberg’s Recreat. Mensal. Discurs. 18, p. 83835; abgedruckt in Frommann’s Tra”
tatus de fascinatione novus et singularis. Norimbergae 1678, p. 669. — Dasselbe ver
fahren schildern J. Wier (Von verzeuberungen, verblendungen, auch sonst viel VP
mancherlei gepler des Teuffels vnnd seines gantzen Hcers etc, deutsch durch J. FüglinuJ"
Basel 1565), Giambattista Porta (Magia universalis 1589), Tabernaemontant®
(Neuw vollkommentlich Kreuterbuch) u. A.
2) Roth, de Imagvnevlis Germanorvm Magicis, qvas Alrvnas vocant. Helmstadii 178%
p- 5. Die Angabe ist entlehnt aus Happelius. Vergl auch Tharsander, Schaupla#
ungereymter Meynungen vnd Erzählungen. T. I, sect. VIIT, p. 560f.
3) Nach gefälliger Mittheilung des Dr. R. v. Wettstein an Prof. Ascherson P*
finden sich diese höchst merkwürdigen Gegenstände noch heute daselbst.
4) Monatliche Unterredungen von dem Reich der Geister, 9. Unterredung, S. 287 fig”
citirt bei Horst a.a. O. Die Wiener Alrüunchen wurden zuerst beschrieben von L2
beck, Commentarii de Augustissima Bibliotheca Caesarea Vindobonensi, Wien 1665—1^
Lib. II und VIII; abgebildet in Calmet, Dictionarium histor. criticum etc. T. II m
v. Perger.
5) Die Siegwurz oder der Allermannsharnisch, Allium Victorialis L., frühe
Victorialis mas oder longa, nimmt in der Geschichte des Aberglaubens ebenfalls eine
wichtige Stellung ein. Ihre Zwiebel galt wegen des an einen Panzer erinnernden Fase"
geflechts als Amulet gegen Hieb, Stich und Schuss. Gleiche Namen und Eigenschaft?
legte man dem Gladiolus communis L., Victorialis femina oder rotunda bei. Durch Br
Dr. Potthast erfuhr ich, dass dieser Glaube vereinzelt noch 1870 in Berlin herrschte. ^
Uebrigens bemerkt schon Keysler (Antiquitates selectae septentrionales et celticae ete
Hannoverae 1720, p. 505, adnot.) bei Besprechung der Mandragora: Multis etiam ejusmo®
superstitionibus inservit radix victorialis. Ueber diese Zwiebel schreibt auch einer des
besten Kenner unserer norddeutschen Flora, Hr. Apotheker K. Beckmann in Hannovëf
früher in Bassum bei Bremen, Folgendes an Prof. Ascherson: „In den Dörfern der Us
gegend von Bassum herrscht der Glaube, dass sich in jeder derselben eine Hexe (meist
(741)
Museums, welches von Schübeler, Norges Växterige 3, p. 169 abgebildet ist,
Venigsteng iheilweise aus Siegwurz zu bestehen. Der Alraun des Mürkischen Museums
71 Berlin Soll nach Angabe des Custos, Hrn. Buchholz, nicht aus einer Wurzel,
Yondern aus einer Maserknolle geschnitzt sein. Manche Alräunchen endlich waren
Sar nicht aus Pflanzenstoffen verfertigt. Th. Bartholin beschreibt eines, dessen
Körper aus einem gedörrten Frosche geformt war. Dasselbe besas daher ge-
Bliederte Beine, Knochen und ausgetrocknete Muskeln. Die lang herabhängenden
Haare bestanden aus Wurzelfasern. An dem zu einer meuschlichen Figur zurecht-
Sestutaten Körper war der kugelige Kopf (ex radice gallae [vielleicht Galgant,
Alpini officinarum Hance, dessen Name wohl zur Herstellung eines Galgen-
Nanncheng auffordert?] effictum) mit den Augen und Haaren geschickt befestigt.
Dies Alräunchen sollte unter einem Galgen in der Schweiz gefunden sein und
‚Pleptischen Weibern Heilung gebracht haben?) Die Bekleidung dieser Gebilde
bestang meist aus einem weissen Seidenmantel mit gelbem Gürtel (Roth, 1. c. p. 5.)
Das Sofort zu erwähnende Leipziger Erdmännchen, welches sich zu Keysler’s
Zeit im Besitz des Dr. jur. Heinsius befand, lag in einem Kästchen und war
Mit „4 Docken Flock-Seide“ von graublauer, rother, gelber und grüner Farbe —
Mach Keysler vielleicht Symbole der vier Elemente — wie mit einem Bettchen
mhi
Die Alrüunchen versahen nach mittelalterlichem Glauben alle Dienste eines
Spiritus familiaris. Besonders interessant für die Kenniniss ihrer Verwendüng
54 ein Brief, den ein Leipziger 1575 an seinen Bruder in Riga sandte?). In der
dinleitung beklagt der Schreiber das Unglück und den Unfrieden im Hause seines
Bruders, die nach der Meinung verständiger Personen nicht von Gott, sondern
‘on bösen Leuten herrührten und nur durch „ein Alruniken oder Ertmänneken“
ait thranigen Augen [dortiger Ausdruck fiir Triefaugen]) befindet, die Menschen und Vieh
durch ihren Anblick behext; in Folge davon entstehen Krankheiten, welehe von einem
Mderen Weibe durch Besprechen geheilt werden können. Bei dem Vieh — ob bei
Menschen auch. weiss ich nicht — spielt Radix Vietorialis dongae eine Hauptrolle, Es
Vird dieselbe unter Hersagen einer Zauberformel unter die Krippe, auch unter die Schwelle
ples Stalls gelegt. Gleiches berichtet Hr. Apotheker Porrin aus Kôslin, welcher an
Sof Áscherson schreibt, dass neben Allium Victorialis ebenso háufig die Knolle von
Blagg verwendet wird; die runde Knolle des letzteren (Radix Vietorialis rotundae)
a als „Fräulein“ bezeichnet und bei männlichen Personen oder Thieren zum „Anfachen
* Liebo« gebraucht; die Zwiebel des Allium (Radix Vict. longae), welche Mánnlein ge-
a Unt Wird, bei weiblichen Individuen. Beide werden entweder in geriebenem Zustande
IBenommen oder am Leibe getragen. Ausserdem dient der ,Allermannsharnisch* auch
dn das | Verrufen* (Behexen) des Viehes und wird dann entweder unter der Krippe
op eben oder besonders Schweinen in die Ohren gesteckt. Allium Victorialis wird in
8 1e esterreich, wo sie ,Lahnawurz“ heisst, nach Duftschmid (Flora von O.-Oest. I.,
"iE 1818) und Hans Steininger (Oesterr. Botan. Zeitschr. 1885, S. 2974) gegen „Ver-
Voll rung“ des Viehes gebraucht, wozu der letztere, ein kürzlich verstorbener, verdienst:
Solch. Volksschullehrer rationalistisch bemerkt, dass „das andere Vieh, welchem keine
den ï Wurzel täglich gegeben wird, mit den damit gefütterten nicht mitweidet, e
Zwi ‘auchgeruch nicht zu lieben scheint. Nach Duftschmid tragen die Burschen ie
Big bei sich, um sich Sieg im Raufen und Glück im Spiel zu sichern. Eine kóstliche
der Pi der » Volksetymologie“ ist die von Pritzelund Jes sen (Die deutschen Volksnamen
flanzen, S. 20) verzeichnete Namensform: Almanachharnisch (Pinzgau).
p ed Th. Bartholinus, historia anatomica, Centur. II, hist. 51 (nach Fro mmann L c.
Je
2) Abgedruckt bei J. G. Keysler a. a. O., p. 507 fg.
(742)
zu bannen seien. „So hab ich mich nu von deinetwegen ferner bemühet und PM
zu den Leuten gangen die solches gehabt haben als bey unsern Scharff- Richte
und ich habe ihn dafür geben als nehmlich mit vier und sechzig Thaler und. de
Budels Knecht ein Engels-Kleidt (d. i. ein Münzstück) zu Drinckgeldt solches sol
dir nu lieber Bruder aus Liebe und Treue geschencket sein, und so soli" es
lernen wie ich dir schreib in diesen Brieve wen du den Erdman in deinen Haus?
oder Hofe überkümmest so lafs es drey Tage ruhen ehr du darzu gehest, nach
den 3. Tagen so hebe es uff und bade es in warmen Wasser mit dem Bade soli
besprengen dein Vieh und die Sullen deines Haufses do du und die deinen Lg
gehen so wird es sich mit dir woll bald anders schicken, und du wirst wol
wiederum zu den deinen kommen wen du dieses Erdmünneken wirst zu rade
halten und du solt es alle Jahr viermahl baden und so offte du es badest s0 soli
du es wiederum in sein Seiden Kleidt winden und legen es bey deinen beste"
Kleidern die du hast so darffstu Ihnen nieht mehr thun, das Bad darin du es
badest ist auch sonderlich gut wann eine Frau in Kindes-Nähten ist und nicht 8°
beren kan dafs sie ein Lüffel voll dovon trincket so berth sie mit Freuden und
Danckbahrkeit und wen du für Richt oder Raht zu thun hast, so stecke de?
Erdman bey dir unter den rechten Arm so bekümpstu eine gerechte Sache sie 86
recht oder unrecht. Nun lieber Bruder dis Erdmünneken schicke ich dir zu eine?
glückseeligen neuen Jahr und lafs es nicht von dir kommen das es magk behalte?
dein Kindes-Kind hiemit Gott befohlen.“
Ein Alräunchen soll nach anderen Berichten künftige und heimliche Dinge n
Wohlfahrt und Gedeihen offenbaren. Jedes über Nacht zu ihm gelegte Geldstüch
findet man früh Morgens verdoppelt (daher Heckmännchen), doch überlade ma”
es nicht damit. Es weicht nicht von seinem Besitzer und kehrt, selbst wenn e
weggeworfen wird, wieder zurück, wenn man es nicht etwa wohlfeiler verkauft
als es erstanden wurde, ‚Nach dem Tode des Besitzers erbt es der jüngste Sob?
muss aber dem Vater ein Stück Brod und Geld in den Sarg legen. Stirbt er vor
dem Vater, so geht es auf den Aeltesten über, der aber dem Todten ebenfalls
Brot und. Geld mitgeben muss. (Vergl Grimm a. a. O., IL. 1005, 1. 424, Anm.)
Ueber die Anwendung und die wunderbaren Kräfte von Alräunchen ware?
viele Erzählungen im Umlauf. Man meinte, dass die Jungfrau von Orleans ire
Siege über die Englünder einem Alrüunchen verdankte. Nach G. Porta soll e
italienischer Charlatan eine aus der Alraunwurzel geschnitzte menschliche Fig
durch ein in die Scham gestecktes Hanfkorn beseelt haben. Dieselbe, theilweis
eingegraben, beantwortete alle Fragen „mit dem Haupte*". Wenn Jemand
einem Wurzelmännchen mehr als Gott vertraut, so bekommt der Teufel nach
mittelalterlichem Glauben die Macht, dasselbe zu beleben, gleichgültig, ob es b”
trügerischer Weise hergestellt oder wirklich im Erdboden erwachsen ist. Inde?
der böse Feind demselben ausserdem auch noch übernatürliche Krüfte beileg®
verstricke er die darauf Bauenden vollends in Sünde und bringe sie um die ewig?
Seligkeit. Frommann vermuthet sogar, dass bei einem von ihm erzählten AP“
gebot von Alrüunchen eine direkte Abgesandte des Satans dieselben zu verkauft
suchte").
Um den teuflischen Einfluss beim Gebrauch von Alrüunchen zu erweisen, er
1) Nach Harsdürffer im Grossen Schau-Platz Jümerlicher Mordgeschichte. Erste
und ander Theil etc. ....verdolmetscht und vermehrt durch Ein Mitglied der Hochlöl”
lichen Fruchtbringenden Gesellschaft. Hamburgk 1649, S. 277.
9) l e, p. 676fg.: ,Emissariam hane Satanae fuisse, omnino mihi persuadeo,*
(148)
“ah Harsdórffer !) folgende (hier auszugsweise wiedergegebene) Geschichte. In
Cer vornehmen Handelsstadt im Frankenlande befahl eine Handwerkersfrau auf
throm Sterbebette der ültesten Tochter, ein schwarzes Münnlein, eben einen Alraun,
M den Fluss zu werfen. Die Tochter gehorchte, obwohl sie wusste, dass ihr
Vater nach der Meinung der Leute verdorben sein sollte, weil er dies Männchen
PIS in seinem Kasten hinter die Thür geworfen habe. Hedwig, die Jüngere
Tochto, irug grosses Verlangen nach dem Alraun aus dem Erbe ihrer Mutter und
durchsuchte danach vergebens alle Winkel, da ihr die Schwester die Beseitigung
nach dem Auftrag ihrer Mutter absichtlich verschwieg. Nach beendeter Erb-
theilyng aber fand Hedwig den Alraun, zu ihrer grossen Freude, plötzlich unter
Uerüthscha tion in einer ihrer Truhen. Es ging ihr auch fortan sehr gut. Sie
heirathele einen Bäckergesellen, machte ihn zum Meister und Bürger, kaufte noch
M ersten Jahre ein schönes Haus und hatte Geld genug, während ihre Schwester
? Hüsserster Armuth verkam. Nach wenigen Jahren jedoch verfiel sie plötzlich
11 eine Sehr schwere Krankheit und schrie darin unablássig nach ihrem Manne.
Den Zureden, sich christlichen Beistand beim Sterben zu erbitten, schenkte sie
kein Gehür. Als aber der Mann endlich erschien, konnte sie nicht mehr sprechen
7 nach H. natürlich, weil sie der Alraun „auf das Maul schlägt“ — und starb
Alsbala, Aus ihrem Grabe kam sie im Todtenkleide mit Heulen und Schreien in
thy Haus Zurück, so dass der Wittwer eine andere Wohnung nehmen musste.
Achnliches berichtet Fouque in seiner oben erwähnten, doch wohl authentischen
Vorlagen nachgedichteten Novelle „Mandragora“. Den von ihm als charakteristisch
"'Vühnten durchdringenden Leichengeruch der Zauberwurzel habe ich in den von
Mir eingesehenen Quellenschriften nirgends erwähnt gefunden.
Eine von Fontane?) erzählte märkische Sage beweist, dass ein Alräunchen
uch als Familienhort gedacht wurde. Vor mehreren hundert Jahren hatte eine
Fran v. Beeren auf Grossbeeren einer Gesellschaft von Zwergen, welche aus
de " Diele unter dem Kachelofen hervorgestiegen waren, Erlaubniss zur Abhaltung
"her Familienfestlichkeit in ihrem Zimmer gegeben. Zum Dank dafür legten sie ein
Angebinde auf die Wiege ihres Kindes und prophezeihten, die Familie werde blühen,
vo lange man dasselbe in Ehren halte, vergehen und verderben, sobald man es
Tissachte, Es war eine kleine Bernsteinpuppe mit menschenähnlichem Kopf,
twa zwei Zoll lang und der untere Theil in einen Fischschwanz auslaufend.
Dieses Püppchen, das Leute, die zu Anfang dieses Jahrhunderts lebten, noch ge-
Sehen haben wollen, führte den Namen ,Allerhühnchen^ (Alrüunchen) und galt
als Talisman der Familie. Es vererbte sich von Vater auf Sohn und wurde ängstlich
dewahrt und gehütet. Geist v. Beeren (so nannte man Hans Heinrich Arnold
y, Beeren, welcher 1812 starb) indessen kümmerte sich wenig um das wunder-
Che Familien-Erbstück; war er doch kein Freund von Sagen und Geschichten,
fo Tand und Mirchenschnack, und was seiner Seele so ziemlich am meisten
*hlto, war Pietüt und der Sinn für das Geheimnissvolle.
7 Allerhühnchen hatte lange im Schrank gelegen, ohne dass seiner erwähnt
, "den wäre. Da führte das Weihnachtsfest eine lustige Gesellschaft bei Geist
© Beeren Zusammen und der Zufall wollie, dass einer der Güste vom ,Aller-
1) l. e, p. 279989,
Story Fontane, Wanderungen durch die Mark Brandenburg. IV. Spreeland. va
Sheng, und Barnim - Teltow. 1882. S. 306—308. — Mit geringen denderengen d on
excerpipie der ülteren Auflage, L, 8.398, aus welcher Hr. Dr. Bolle die Stelle gütigs
(744)
hühnchen“ sprach. „Was ist es damit?“ hiess es von allen Seiten und kaum dass
die Frage gestellt worden war, so wurd' auch schon die Geschichte zum Beste?
gegeben und das Allerhühnchen herbeigeholt. Geist v. Beeren liess es rundum
gehen, witzelte und spöttelte und — warf es dann in’s Feuer. Von dem Augen
blick an brach das Unheil herein.“ Feuer, Krieg und Misswachs zerstörten den
Wohlstand und in kurzer Zeit starb die ganze Familie aus.
Die mehrfach erwühnten enormen Preise solcher Alráunchen wurden von den
Händlern durch die angeblich mit der Erwerbung verknüpfte ernste Lebensgefahr
begründet. Der Glaube an bestimmte, zum Ausgraben erforderliche Vorbereitung®
stammt sicher aus dem Orient. Wir haben oben (S. 730, 731) die fabelhaften Be-
richte des Josephus und Aelianus bei der Gewinnung des Ba'aras, bezw. der
Aglaopbotis mit Hülfe eines Hundes kennen gelernt. Die occidentalische Phantas®
schmiickte die Sache nach anderer Richtung hin aus. Der Alraun sollte aus dem
Urin oder Samen entstehen, den ein gehängter Erbdieb, der aber ein reiner Jung”
geselle sein musste (Andere setzen an Stelle der sexuellen Integrität die criminelle
und verlangen gar einen unschuldig Gehängten) im Augenblicke des Todes fallen
liess, und mithin nur unter dem Galgen zu finden sein (daher Galgenmünnche?
und niederlindisch pisdifje). Der Gräber muss seine Ohren mit Wachs, P ech
oder Baumwolle verstopfen. Er macht drei Kreuze über die Wurzel, gräbt sie
dann soweit aus, wie bei Josephus angegeben, und lüsst sie durch einen dard’
gebundenen, ganz schwarzen Hund, dem man ein Stück Brod vorhilt, aus”
reissen?). In diesem Augenblick stüsst sie einen so fürchterlichen Schrei aus
dass der Hund und Jeder, der denselben hört, stirbt”). Dazu werden gelegentlich
noch andere Bedingungen gefügt. Nach Roth (a. a. O., S. 7) muss sie in stillster
Mitternacht und unter Hersagen einiger Zauberformeln, nach Thomasius”) an
einem Freitage vor Sonnenaufgang gegraben werden.
Zahlreiche, völlig. abweichende Vorschriften zur Gewinnung eines Alräunchen*
findet man in den „Secrets du petit Albert“‘). Ein Bauer, den eine Zigeuner?
in das Geheimniss eingeweiht hatte, zog eine Bryoniawurzel bei günstiger Col
stellation des Mondes mit der Venus und dem Jupiter an einem Montag im Früh“
ling aus dem Boden. Er pflanzte sie in den Grabhügel eines eben verstorbene”
Mannes und begoss sie vor Sonnenaufgang einen Monat lang mit Molken aus
Kuhmilch, in welchen er drei Fledermäuse ertränkt hatte. Dann zog er sie aus
Sie war der Gestalt eines Menschen weit ähnlicher geworden als früher. Dan?
heizte der Bauer seinen Ofen mit Isenkraut?), trocknete die Wurzel darin, und
1) Vergl hierzu auch Thorpes, anal. 94, nach Grimm a. a. 0. Neu sind hier die
Bedingungen, dass die Wurzel mit einem elfenbeinernen Stabe ausgegraben und dass def
Strick statt am Schweif, am Nacken des Hundes befestigt werden soll.
2) Warum der Wurzelgrüber, der ja durch Verstopfen der Ohren gegen die todtlich?
Wirkung des Schreies geschützt ist, die Pflanze nicht selbst herauszieht, wird nirgends er
ürtert. Die Verwendung des Hundes gründet sich wohl auf den einst verbreiteten Glaube?!
dass man bei der Gewinnung werthvoller Dinge, z. B. von Schätzen, ein Leben oder ein
Seele oder wenigstens einen Kürpertheil opfern müsse.
3) Thomasius, Dissert. de Mandragora ete. Lipsiae 1671, nach Frommann l e
4) Lyon 1718. A. 169. Aus v. Perger, Ueber die Alraune (S. 268). à
5) Das Eisenkraut (Verbena officinalis L.) galt bei den Aegyptern, Griechen, Römern un
Germanen als eine der heiligsten, glückbringensten Pflanzen und, wie die Salbei, fast als
Universalmittel gegen Krankheiten. Bock (Kräuterbuch I, S. 56) schreibt daher: „Es ist
bei vns teütschen kaum eyn kreütlin, darmit man mehr affenspil treibt, als mit de»
Verbena.*
(745)
M sie in einem Sückchen aus einem Stück Leinwand, in welche eine
im H. gehülli gewesen war. So lange er diese Wurzel besass, war er glücklich
tigligp eo gewann im Spiel, fand verschiedene Dinge auf dem Wege und nahm
Sam), an Wohlstand zu. Schade, dass diese Alraune in neuerer Zeit ihre Wirk-
elt verloren!
Wi einer poetischen Reminiscenz, die doch schwerlich ganz auf freier Er-
Hamer, beruht, gedenken wir folgender Stelle aus Jul. Wolff’s Rattenfänger von
bezieht” die sich auf Herstellung eines Talismans aus einer Bilsenkrautwurzel
„mit dem Messer
Schnitzt er aus der starken Wurzel
Einen Menschenleib . . . .*
v. p Ganz so vollständig, wie es nach dem obigen launigen Stossseufzer A.
Arg 8 er’s scheinen möchte, ist übrigens der Glaube an die Wirksamkeit der
Paul Ne noch nicht ausgestorben. Ein Zuhörer Prof. Ascherson’s, stud. phil.
in ae Taebner, theilte demselben erst kürzlich mit, dass er bei einer Bauerfrau
Verso] Nähe von Colberg noch vor einigen Jahren einen Alraun in Gestalt einer
gut rumpfier, entfernt menschenähnlichen Wurzel gesehen habe, mit der die
Müthige Alte ihn selbst bei einem leichten Unwohlsein curiren wollte.
gg den Umfang, den der Verkauf von Alräunchen gewann, ist beachtenswerth,
dopp olen selbst die Polizei gegen diesen Industriezweig einschritt. Hars-
Welche. (a. a.O., IL, S. 278) berichtet: „Zu Hamburg hat man drey Weiber,
e mit diesen wurizeln gehandelt, mit Ruten aufshauen lassen im Jahr 1630.*
ong mögen nur die vielen Alrüunchen, welche nach den Schilderungen zeit-
woo, Seber Schriftsteller vorhanden waren, geblieben sein? Einzelne mögen wohl
hôre In den alten Truhen gläubiger Seelen sorgfältig gehütet werden. Indess ge-
den dieselben zu den grössten Seltenheiten öffentlicher Sammlungen. Ausser
eine oben genannten im Berliner, Wiener und Bergener Museum befindet sich noch
bia. im germanischen Museum zu Nürnberg. Etwas häufiger trifft man Ab-
Pons Ben. Durch Vergleich von solchen, wie man sie bei Keysler, Schmid,
bes T u. A. findet, lernt man die grosse Mannichfaltigkeit dieser Objekte am
die ?n kennen, Die Phantasiefiguren im Ortus sanitatis zeigen, Wie man sich
M, 205 unter dem Galgen wachsende Mandragoraspflanze dachte, — als einen
Fro, Oder eine Frau, aus deren Kopf ziemlich breite Blätter, (gelbe) Blüthen und
te hervorwachsen.
Bota aChsehrifl. So eben geht uns der Bericht über die Sitzung des Preussischen
26. sehen Vereins vom 21. Januar 1892 (Königsberger Hartungsche Zeitung,
boat ee zweite Morgenausgabe) zu, dem wir folgende für unseren Gegenstand
die interessante Stelle entnehmen: „Hr. Schultz demonstrirte als ein Curiosum
in g, Senannte „Glückswurzel“, welche er gelegentlich seiner vorjährigen Reise
als ap erstanden hatte. Es besteht diese Glückswurzel aus nichts anderem,
Sn, " den Wurzelstócken der gelben Schwertlilie (Iris Pseudacorus), welche in
en und an Flussufern bei uns nicht selten ist. Der Vortragende er-
und à dass derartige Wurzelstócke in Goldap korbweise zum Verkauf gebracht
für ln mit 10, 30 und 50 Pfennig bezahlt wird. Der höchste Preis wird.
fernte ei Exemplare gezahlt, welche, wie meist bei der Alraunwurzel, eine ent-
lio chotichkeit mit der Menschengestalt besitzen. Das Rhizom soll Leuten,
Solar aufen und an geheimen Orten aufbewahren, nach aberglàubischen V or-
"Ann Glück (Reichthum, Kindersegen) bringen. Dass die Verkäuferinnen
iger Amulette damit sehr geheimmissvoll thun, ist selbstverständlich, denn
(746)
sonst würde der Nimbus, den bei uns die Wurzelstöcke der gemeinen, gelbe?
Schwertlilie gefunden haben, sehr leicht schwinden. So geben sie an, dass ne
die ,Glückswurzel^ von einer blaublühenden Lilie im Walde zwischen Hirschthal
und Jodapp im Kreise Goldap sammelten, was sich jedoch in der Folge als
richtig erwiesen hat, denn die einzige blaublühende Schwertlilie, welche hin und
wieder in unserem Gebiete auf Fluss- oder Waldwiesen vorkommt, Iris sibiric®
war dort nicht zu finden.“ Nach einer schriftlichen Mittheilung des Hrn. Schult’
soll das Geschäft nicht schlecht gehen und die Glückswurzeln sogar bis Berlin
Absatz finden. —
(32) Der als Gast anwesende Hr. Rosset zeigt Photographien der
Benong Ahong, Nhongeh, welche er von seiner letzten Reise mitgebracht hat.
(33) Hr. Rud. Virchow berichtet über
die diesjiahrige Generalversammlung der deutschen anthropologischen Ge:
sellschaft und den Stand der archäologischen Forschung in West- und
Ostpreussen.
Nachdem die schwere Erkrankung und der schnelle Tod unseres Geschäfts“
führers, des Dr, Otto Tischler, zu der Aufgabe des Königsberger Congresses und
zu der definitiven Verlegung desselben nach Danzig gezwungen hatte, ist die Ver”
sammlung in letzterer Stadt vom 3.—5. August d. J. in programmmissiger Weis?
abgehalten worden. Ein grosser Theil der Mitglieder begab sich von da 93?
6. August nach Hela und am 7. nach Marienburg; ein etwas kleinerer setzte alsdan"
die Reise nach Elbing und am 8. nach Königsberg fort, um den Manen des so schw“
vermissten Freundes ihre Verehrung darzubringen und von den, zu einem wesent
lichen Antheil durch ihn zusammengebrachten Sammlungen, sowie von denen der
Prussia, Kenntniss zu nehmen. Eine besondere Excursion brachte die Gesellschaft
in das Samland zu dem berühmten Bernstein-Bergwerk von Palmnicken und a”
12. nach dem Kurischen Haff und der Nehrung. Von da führie uns am 13. eil
Regierungsdampfer nach der litiauischen Küste und in die Ausflüsse des Meme
stroms, zu den Elchen und nach Russ. Für den nächsten Tag war ein Ausfluß
über die russische Grenze geplant, allein die dortige Behörde hatte so eben strengel*
Bestimmungen über den Grenzverkehr erlassen, denen wir nicht genügen konnte!»
und so bestieg am Mittag des 14. der inzwischen zusammengeschmolzene Rest de”
Gesellschaft in Heydekrug die Eisenbahn, um über Kónigsberg heimwürts zu ziehe!"
Ich blieb mit meiner Familie zurück, um noch etwas mehr von Land und Leute?
zu sehen. Darüber werde ich nachher sprechen.
Jedenfalls war der Congress mit diesem Anhange, sowohl der Dauer, als de
räumlichen Ausdehnung des besuchten Gebietes nach, bei Weitem der längst®
von allen, welche die deutsche Gesellschaft bisher abgehalten hat. Aber er bot
auch eine solche Mannichfaltigkeit der Anschauungen und eine solche Fülle de
interessantesten Ausblicke in eine halbfremde Kultur, dass er den Theilnehme!?
gewiss unvergesslich bleiben wird. Unsere Leiter, in Wesipreussen die HHI»
Lissauer und Conwentz, in Ostpreussen die HHrn. Lindemann und Bezze?”
berger, werden bei uns in dankbarster Erinnerung bleiben. Dazu wird nicht zu”
Wenigsten der Umstand mitwirken, dass eine grössere Zahl von Theilnehmern, als
je zuvor, mit photographischen Apparaten versehen war und dass daher auch di
anderen Mitglieder auf Schritt und Tritt ihren Angriffen ausgesetzt waren. Scho?
jetzt bin ich im Besitze einer Menge vortrefflicher Blätter: ja, Hr. Ed. Kraus?
(147)
ad mir zu meinem Geburtstage ein prüchtiges Album gewidmet, welches in hóchst
gui ngenen Aufnahmen Erinnerungen von Danzig bis Insterburg umfasst. Ein sehr
die gelungenes Blatt des Hrn. v. Le Coq, im Hofe der Marienburg aufgenommen,
E Gesellschaft darstellend, ist in einer Plattenvergrösserung und in Licht-
Hoy in den ,Photographischen Mittheilungen fiir Fachménner und Liebhaber von
- Vogel“, Berlin 1891, veröffentlicht worden.
ang Eroffnung des Congresses geschah in Danzig in Anwesenheit des neu er-
v. Gon Oberprüsidenten von Westpreussen, des bisherigen Unterrichtsministers
Ato ler, des langjährigen Förderers unserer Gesellschaft und der gesammten
herz; umsforschung in unserem Vaterlande, der auch bei dieser Gelegenheit be-
aug genswerthe Gedanken über die Stellung und Bedeutung unserer Wissenschaft
ven ach Ihm zur Seite standen die Vertreter der westpreussischen Communal-
Schw und der gelehrten Gesellschaften von Danzig. Statt des leider wegen
Meisten Krankheit aus dem Amte geschiedenen, hochverdienten ersten Bürger-
den ers v, Winter, des Begründers des westpreussischen Museums, sahen wir
Ni Neuen Vertreter der städtischen Behörden, Hrn. Bürgermeister Baumbach in
?rer Mitte.
a die Verhandlungen habe ich nicht zu sprechen, da der stenographische
wid hoffentlich binnen Kurzem in dem Correspondenzblatt der deutschen Ge-
über aft veröffentlicht werden wird. Ich beschränke mich darauf, einige Worte
von, s neue westpreussische Provinzial-Museum zu sagen. Dasselbe ist in dem
mali ándig in alterthümlicher Weise restaurirten Grünen Thor und in dem ehe-
lien Franciskaner-Kloster untergebracht. In letzterem befindet sich, unter der
St vollen Pflege des durch seine ethnologischen Bilder weit bekannten Malers
lun Yowsky, die historische Abtheilung, zu der vor dem Eingange auch eine Samm-
fuss jener merkwürdigen Steinbilder, der letzten westlichen Ausläufer der
die Schen Baba’s, gehört. Im Grünen Thor dagegen sind durch Hrn, Conwentz
ge TSC Schichtliche und die prähistorische Sammlung in schänster Ordnung auf-
Schi i jene besonders ausgezeichnet durch lehrreiche Stücke, welche die Ge-
rng, te des Bernsteins, diese durch die grüsste existirende Sammlung von Gesichts-
Grip. und durch die vorzügliche Ausstellung von langen Suiten von Funden aus
die erfeldern der Téne-Periode. Sümmlliche Provinzial-Sammlungen, namentlich
Sclichen Elbing, Thorn, Graudenz, hatten ihre merkwürdigsten Stücke dazu her-
thei darf dabei rühmend hervorgehoben werden, dass unter finanzieller Be-
ügliche © der Provinzial-V erwaltung über mehrere. Abschnitte der Prähistorie vor-
die B e, auf das Prächtigste illustrirte Publikationen verüffenilicht sind (vergl.
Wig rechung in der Zeitschr. f. Ethnologie 1891, 8. 231.) Die dauernden Be-
den BE des Hrn. Lissauer haben für das Verständniss der Altsachen überall
die ne gesehürft; eine neue, speciell für den Congress bestimmte Arbeit über
ingen erihiimer der Bronzezeit gab uns Gelegenheit, die scharfsinnigen Beobach-
legten es bewührten Forschers unmittelbar zu prüfen. Allgemeines Interesse er-
Sich auct nentlich die auf Tafel XIV daselbst dargestellten Ringhalskragen, die
sicht, bei uns noch vorfinden, und von denen eine getreue Nachbildung an einer
Ich ha sume von Friedensau auf der Danziger Hohe dargestellt ist (ebend. Fig. 12).
(Verna po früher, als ich die in Pommern gefundenen Gesichtsurnen besprach
geschen Ai S. 602, 604), darauf hingewiesen, dass der, damals als Zopf an-
es damal orper am Hintertheil des Halsschmuckes ein Schloss sein dürfte, wie
Westpr ous schon von einem solchen Schmuck von Telkwitz bei Buchwald in
ssen bekannt war. Auch ist durch Hrn. Ossowski (Monum. préhist.
(748)
de l’ancienne Pologne. Cracovie 1885, p.83. Pl. XVI. Fig. 23 et 93a) bei Kr
Jablau (Jablówko), Kr. Stargard, eine Urne aufgefunden worden, freilich ohne Gesicht,
aber sonst von der gewöhnlichen Form der Gesichtsurnen, welche den Halsschmuck
mit einem deutlich ausgeführten Schlosse trägt (vergl. auch Lissauer, Prühis*
Denkmäler S. 91). Jedenfalls hat sich bestätigt, was ich behauptete, dass in den
Gesichtsurnen ein werthvolles und ganz authentisches ikonographisches Material
erhalten ist, welches für die Chronologie der Bronzen von entscheidender pe
deutung ist, namentlich für die Zeitbestimmung der Depotfunde unmittelbare An
knüpfungen gewährt.
Im Museum des Grünen Thores sahen wir auch zuerst eine Sammlung aus
der von Hrn. G. Berendt 1875 entdeckten, vielleicht ältesten‘) Ansiedlung i
Westpreussen, der von Tolkemit am frischen Haff, nordöstlich von Elbing"
Weitere Sammlungen von da traf ich in Elbing und Königsberg. Auf einer Excursio
von Elbing aus kamen wir ganz in die Náhe von Tolkemit; wir sahen das steil
abfallende Ufer des Plateaus, auf dessen Hóhe die alten Abfülle gelegen hatten:
aber wir standen von einem Besuche ab, da unsere oriskundigen Führer Y€T
sicherten, dass die Kulturschichten fast gänzlich abgestürzt seien und dass sich nu
am Uferrande gelegentlich noch einige Reste der alten Zeit finden. Wenn ich
den Eindruck dessen, was wir in den Sammlungen sahen, zusammenfasse, SO go
hörte die Ansiedelung von Tolkemit der neolithischen Zeit an (vgl. Lissauel
Die vorhist. Denkmiiler der Prov. Westpreussen 1887, S. 38). Die Steingeräthe sind
durchweg geschliffen, manche durchbohrt, und zwar bestehen sie durchweg aus
krystallinischem Gestein; in der Danziger Sammlung sah ich ein einziges Bei] a
rothem Feuerstein. Der grüsste Theil der erhaltenen Ueberreste stammt von Tho?
gerüth. Darunter tragen viele das Schnur- oder Stichornament in schôner Aus
führung (Lissauer Taf. II, Fig. 14 und 17); manche haben tiefe, senkrecht“
gerade Eindrücke. KEinzelne Stücke sind sehr dick und mit mächtigen, breite?
Henkeln versehen. In Danzig steht eine grössere Wanne aus Thon; in Elbing sah
ich ungemein dicke Stücke mit breiten Henkeln und starken Vorsprüngen, vo?
denen einer hornartig gestaltet ist. Eine reiche Collektion von Topfscherben hat
Tischler in der Sammlung der Physikalisch-ükonomischen Gesellschaft in Konig?
berg aufgestellt (vgl. Katalog der Berliner Ausstellung von 1880, S. 412. Photog”
Album von Giinther und Voss, Sect. I, Taf. 4).
Eine zweite ähnliche Stelle hat am heiligen Berge bei Oxhöft, am Nordend®
des westlichen Ufers der Danziger Bucht, existirt (Lissauer a. a. O. S. 45). Ich
habe schon vor Jahren (Verhandl. 1875, S. 99) darauf aufmerksam gemacht, das?
sich unter den von Prof. Lepkowsky am Strande von Oxhóft gesammelten und
im Krakauer archäologischen Cabinet aufbewahrten Thonscherben solche mit dem
Ketten- oder Bindfaden-Ornament befinden. Auch im Thorner Museum traf ich
derartige Scherben.
Das Verzeichniss der prähistorischen Denkmäler Westpreussens von Br».
Lissauer enthält noch eine Menge von neolithischen Fundstellen, aber die
Mehrzahl derselben betrifft weder Ansiedelungen noch Grüber. Von den letztere?
muss wohl angenommen werden, dass sie oder wenigstens die bei ihrer Er
1) G. Berendt in seinem vortrefflichen Vortrage ,Geognostische Blicke in A
Preussens Urzeit“ (Sammlung gemeinverständl. wissenschaftl. Vortráge von R. Vircho*
und v. Holtzendorff 1811, S. 813) hält für die ältesten Spuren des Menschen gewisse
in Torfbrüchen gefundene, regelrechte Kohlenstellen. Immerhin würden diese nicht direct
eine Ansiedlung anzeigen.
(749)
in pn benutzten Steine schon seit langer Zeit verschleppt sind; dass sie jedoch
und qs eror Ausbreitung vorhanden gewesen sein müssen, dafür liefern die hier
sind dá zerstreut vorkommenden Steinsetzungen den Beweis. Am besten bekannt
homm lé In nüchster Nähe der Südgrenze der Provinz im russischen Polen vor-
v. piden megalithischen Gräber, von denen die in Cujavien durch Hrn.
"D untersucht und von mir (Verhandl. 1879, S. 428, 1850, S. 335, 428)
Gehalte, erörtert sind. Von da sind auch Schädel und ein ‚vollständiges Gerippe
Invent, Die neolithische Bevólkerung hat sich mit gewissen Variationen ihres
ohne d weithin von jenseits der Weichsel bis tief nach Innerdeutschland erstreckt,
Worde ass bis Jetzt eine strengere Scheidung ihrer einzelnen Glieder durchgeführt
LN ware. Bei Rinzelfunden isí es zuweilen kaum möglich, mit Sicherheit ihre
ürigkeit zu dieser Periode nachzuweisen.
has? bemerkte ich in der Elbinger Sammlung einen grossen Hirschhorn-
Die Ober mit anscheinend neolithischem Ornament von Hirschfeld bei Elbing.
Stichy erfläche desselben zeigte Reihen von sehr regelmässigen, annähernd der
"— rung angehôrenden Eindrücken: mitten über die Fläche verlaufen zwei
D gegen diese richten sich unter rechtem Winkel 4 parallele
Bot one Sie bestehen sämmtlich aus pfeilspitzenähnlichen, hinter einander
hey en, im Ganzen dreieckigen, jedoch nach hinten wie mit Widerhaken ver-
das ba Eindrücken, ganz denen ühnlich, welche auf neolithischen "Thongefüssen
tes, rante Stichornament bilden. Die genauere Betrachtung lehrte, dass sie
waren. Der Hammer selbst ist an seinem hinteren Ende flach, nahe
Cine TS em grosses, länglich viereckiges, scharf geschnittenes Loch, welches für
dass Schmik späterer Zeit spricht; das vordere Ende ist schräg abgeschnitten, so
Stück ne Art von Schneide zu Stande kommt. Ich bin um so mehr geneigt, dieses
Kümma re jüngeren Periode zuzurechnen, als ich ein ähnliches Ornament auf
Zeit en von dem Neustädter Felde bei Elbing bemerkte, welches der römischen
angehürt, —
S die Perioden der Bronzezeit machen sich in Wesipreussen ganz andere
Vertret Spunkte geltend. Die ältere Bronzezeit ist hauptsächlich durch Depotfunde
in un en und diese finden sich vorzugsweise in den Gebieten links von der Weichsel,
Beg, P Rennbarem Anschlusse an die pommerschen und posener Funde‘). Da-
in ab die jiingste Bronzezeit, 1m Uebergange zum Eisen (Hallstatt.- Zeit),
Weise reichen Steinkistengräbern nachgewiesen, unter denen sich in ganz einziger
ihres fie schon erwähnten Gesichtsurnen geltend machen. Thr Gebiet über-
Sahl gegen Osten nur ausnahmsweise die Weichsel; auch die in Königsberg
da ax en Gefässe dieser Art gehören fast alle dem linken Weichselufer an. Von
einen erstreckt sich das Gebiet dieser höchst merkwürdigen Thongefässe durch
m d Theil von Hinterpommern und das nórdliche Posen bis nach dem
en Theile von Schlesien, indem es in unverkennbarer Weise eine scharfe
Zeit UI Museum von Elbing sah ich einen merkwürdigen Depotfund von Culm, den seiner
eine Ar auinspektor Bauer gemacht haben soll. Beim Pflügen wurden 6 Ringe und
zu Tage gefördert. Ich habe einen grossen und schweren offenen
Sestellt i e 20 em Durchmesser notirt, | der eckig und scheinbar durch Hämmern her-
Oben über d r hat grosse Aehnlichkeit mit den Ringen, welche an Urnen von Zaborowo
bei der 4 " Deckel gelegt sind (Verhandl. 1814 S. 994, 1875 S. 110) und welche sich
Ringe uh ^. als aus Arsenikbronze bestehend erwiesen (ebendas. S. 246). Aehnliche
"Wm "hoi asl Her in Kónigsberg zahlreich; sie hatten achteckigen Schnitt und waren
On ornamentirt.
(790)
Sonderung der damaligen Bevölkerung dieser Gegend von allen umwohnende"
Stümmen, auch von den ostpreussischen, anzeigt.
Bei einer früheren Gelegenheit (Verhandl. 1874, S. 113), als ich auf eine
Reise durch die westlichen Theile dieses Gebietes die vorhandenen Sammlung?"
musterte, stiess ich auf die sonderbare Erscheinung, dass aus den, mit einem
mützenartigen Deckel versehenen Gesichtsurnen durch allmählichen Verlust de
Gesichtstheile einfachere Gefässe hervorgegangen sind, welche zunächst noch
Ohren und Mützendeckel, später nur noch die letzteren besitzen. Ich bezeichnet?
diese als Ohren- und als Mützenurnen. Gegen die Bezeichnung „Mützendeck@
hat Tischler (Schriften der phys.-ökon. Gesellsch. zu Königsberg 1881, XXVI
S. 160) eingewendet, dass sie nicht alle Varianten der Deckel umfasse, welche ™
einer stopselartigen Verlingerung, wie ich es ausgedrückt hatte, in die Oeffnuné
der Urne eingreifen; er hat deshalb den Namen ,Stópseldeckel* vorgeschlag?
Ich habe gegen letztere Bezeichnung nichts einzuwenden, da Stópseldeckel auc
an Orten vorkommen, wo niemals ein Mützendeckel beobachtet ist, aber ich
hatte auch keineswegs die Absicht, mit der Bezeichnung des Mützendeckels ein®
Deckelform zu bezeichnen, welche mit einer Mütze keine Aehnlichkeit hat. Mar
mag daher immerhin von Stöpseldeckeln generell sprechen, aber für das feine"
Verstindniss wird meiner Ansicht nach der Name der Mützendeckel und der
Miitzenurnen beibehalten werden müssen. Nur durch ihre Beachtung wird man d
Stande sein, das Gebiet der typischen und der in der Entartung begriffenen Ge
sichtsurnen sicher abzugrenzen.
. Beilüufig sei noch bemerkt, was ich schon damals bestimmt hervorhob, das
das Gebiet der Gesichtsurnen nicht etwa auf das Küstenland zu beschränken und
einer maritimen Einwanderung zuzuschreiben sei, sondern dass es sich tief in ds
Binnenland, und, wie ich jetzt hinzufüge, weit über das Weichselgebiet hinaus er
streckt. Ich veranschlagte diese Gräber als spätestens dem 4. vorchristliche?
Jahrhundert angehorig, und ich sehe mit Vergnügen, dass Hr. Lissauer in sein?
neuesten Arbeit zu einem ähnlichen Schlusse gelangt. Wenn man nach der jet
üblichen Bezeichnung diese Zeit mit dem Namen von Hallstatt belegt, so möcht‘
ich, um ein naheliegendes Missverständniss zu vermeiden, bemerken, dass ähnlich®
Gefässe weder in Hallstatt, noch in dem Zwischengebiete zwischen uns und de?
alten Noricum gefunden sind. Wollen wir Anknüpfungen suchen, so müssen wi!
in gerader Linie entweder auf Siebenbürgen oder auf Etrurien zurückgehen. —
Ein ähnlicher Gegensatz, wie bei der Bronzezeit, zeigt sich in Westpreuss®
auch in der Tene-Zeit. Tischler (Schriften der phys-ókon. Ges. 1888, xx
Sitz.-Ber. S. 17) hat festgestellt, dass die Tène-Periode in Ostpreussen sich nur er
wenig über die Weichsel noch in Grüberfeldern vertreten findet, nicht mehr weit!
ostlich, wo er Grüber dieser Periode nur als Nachbestattungen in älteren Grab.
hügeln nachweisen konnte (vergl. 1886, XXVII, S. 176; 1890, XXXI, 8S. 96). Au
dem rechten Weichselufer beginnt die lange Reihe der Gräberfelder der qne
Periode, welche sich weithin durch Deutschland bis in die westlichen und güd"
lichen Nachbarländer erstrecken. Sie einem einzigen Volke, wie es für west
preussen mit den Gothen geschehen ist, zuzuschreiben, ist also ausgeschlosse?"
Offenbar handelt es sich hier nicht um ein Volk oder einen Stamm, sondern up
eine Mode, die sich scheinbar schnell über einen grossen Theil von Europa aus
gebreitet hat. Immerhin bleibt es hóchst bemerkenswerth, dass diese Mode “
wenig in den Osten eingedrungen ist. —
Wir kommen dann an die Funde der römischen Zeit, die sich in West
preussen vielfach mit denen der Tene-Zeit vermischen. Ihre höchste Entfaltung
x^^
n
^v
(751)
en io Jenseits der Weichsel gefunden, wenngleich sie sich bekanntlich durch
erste eutschland, auch den frei gebliebenen Theil desselben, verbreiten. Das
üchst Re Grüberfeld der Art lernten wir in Elbing kennen, wo bekannilich in
Seite er Nähe der Stadt, auf dem Neustädter Felde, sehr ausgedehnte Ausgrabungen
des = der dortigen Alterthums-Gesellschaft, zuerst unter der sorgsamen Leitung
in die ger (Verhandl. 1877, S. 259), ausgeführt worden sind. Ich will nur
Bro, Erinnerung zurückrufen, dass damals Hr. Rammelsberg eine Analyse einer
ln pice Del veranstaltete und darin 7,15 pCt. Zink auf nur 2,22 pCt. Zinn fand.
felat ing habe ich gesehen, dass noch zwei andere Analysen durch Hrn. Rehe-
or veranstaltet worden sind, welche bis 30 pCt. Zink und fast gar kein Zinn
geben haben, —
Ni ober die eigentliche Vólkerwanderungszeit fehlen bis jetzt die genaueren
Hy Lose. Dagegen sind recht zahlreich die Ueberreste aus alislavischer Zeit.
Boze aver hat dafür den Namen der arabisch-nordischen Epoche gewählt, eine
his " nung, die mir nicht ganz glücklich erscheint, zumal da Funde der Art sich
als de in Central-Russland verfolgen lassen. Wir dürfen, wie mir scheint, vorläufig
eh Cher annehmen, dass die Hacksilberfunde auch in Westpreussen den Slaven an-
das "i In gleicher Weise ist dahin zu rechnen ein grosser Theil der Burgwälle,
tinge Ochst eigenthiimliche Thongeschirr, die immer zunehmende Zahl der Schläfen-
hing, u. À. Funde dieser Art sind ungemein häufig bis zur Weichsel. Ueber diese
Lope 5 nimmt nach Osten ihre Zahl schnell ab. Ausgezeichnete Fundplütze sind der
den "Ng und Caldus bei Culm (Lissauer, Denkmiüler S. 184. Florkowski in
Muse achrichten über deutsche Alterthumsfunde 1891, Heft 3). Im Elbinger
do; P sah ich auch sehr ausgeprügte Ornamenitypen an Scherben von dem
soll Sen Armenkirchhofe, wo weder ein Burgwall, noch ein Grab vorhanden sein
Tea, pondern nur alte Aschenplätze verzeichnet sind (Verhandl. 1879, S. 244).
— alls ist aus Ostpreussen wenig Sicheres über slavisehe Funde bekannt. Ich
igh später noch auf einige, vielleicht dahin gehörige Sachen zurückkommen,
Yom x aber dringend die Aufmerksamkeit der Localforscher darauf hinlenken, da
todo] achweise ihres Verbreitungsbezirks für die Beurtheilung der früheren Be-
Yon de des Landes durch slavische Stämme viel abhängt. Es gilt dies namentlich
ên Burg- und Schlosswällen, die in Ostpreussen sehr zablreich sind.
By sahen einen Burgwall bei Lenzen am frischen Haff, den wir von
ting, aus unter Leitung unserer dortigen Freunde besuchten. Derselbe krönt
land der hohen Vorsprünge, welche das von tiefen Schluchten durchzogene Hoch-
ting, P Ben das Haff vorschiebt. Seine Lage ist prüchüig: man überschaut von da
den grossen Theil des frischen Haffs und die ihn abschliessende Nehrung, fast
li P en Werder mit dem Nogat- und Elbing-Fluss, schliesslich die Höhen des
tag p, Cichselufers bis nach Oxhóft hinüber, Eine Beschreibung des Burgwalles
vom po Dorr steht in Lissauer’s Denkmälern S. 188; darnach wurden Scherben
de ee PUS und solche aus älterer Zeit gesammelt. Wir selbst fanden
kei, D eines niedrigen Erdwalles, der die Spitze des Berges umzieht, eine sehr
— lüche, welche wohl nur als ein vorübergehender Zufluchisplatz dienen
Brande In der Erde lagen zerstreut Scherben von der Zusammensetzung und dem
©, welche den slavischen zukommen, aber wir fanden kein ornamentirtes Stück.
Was Vir schieden aus Westpreussen mit dankerfülltem Herzen für alles das Schone,
nach o. daselbst gesehen und genossen hatten. Die weitere Reise führte uns dann
mal zu D eussen und zwar direkt nach Königsberg, wohin ich später noch ein-
aaa re Hier befinden sich neben einander zwei reich ausgestattete
-Museen, aus der Concurrenz der Alterihums - Gesellschaft Prussia und der
(752)
physikalisch-ökonomischen Gesellschaft hervorgegangen. Die erstere war mir au
drei früheren Besuchen wohlbekannt, deren ersten ich noch unter der Leitung des
Begründers derselben, des bekannten Professors August Hagen gemacht halte; ich
fand sie jetzt in einem neuen Local und sehr vermehrt durch die rege Thátigkeit des
kürzlich verstorbenen Direktors Bujack und seines überaus glücklichen Helfer?
des Prof. Heydeck. Die Sammlung der physikalisch -ókonomischen Gesellschaft
ist eigentlich erst nach meinen Besuchen hergestellt worden, und zwar ganz wesent
lich durch die unermüdlichen Arbeiten unseres Freundes Tischler (seit 1874)
dessen ganzer Stolz sie war und der sie uns bei dieser Gelegenheit hatte zeige"
sollen.
Unser erster Besuch in dieser Sammlung war daher auch vorzüglich der
Erinnerung an ihn geweiht. Die Herren Lindemann und Hirschfeld, welch?
die Sorge für diese schóne Sammlung übernommen hatten, empfingen uns mil
tief empfundenen Worten, in denen sie die Tiefe des Verlustes beklagten. AB
Vorsitzender der Gesellschaft gab ich der allgemeinen Trauer Ausdruck. wr
seien zu dem Entschlusse gekommen, die Versammlung nach Kónigsberg Zu ver
legen, um hier durch Tischler selbst eingeführt zu werden in die Kenntniss der
so mühsam durch ihn hergestellten chronologischen Ordnung der Funde, für w elobe
es bisher in ganz Deutschland keine Parallele gebe. Gewohnt, in jedem Jahr?
neue und scharfsinnige Beobachtungen aus dem Munde eines Mannes zu hore?
der besser, als sonst jemand, die Sammlungen von ganz Mitteleuropa kannte und
die genaueste Buchführung darüber gehalten hatte, empfänden wir auf das Schme!”
lichste die grosse Lücke, welche wahrscheinlich lange Zeit unausgefüllt pleibe?
werde. Môge die grosse Zahl erfahrener Msnner, die sich um ihn gesammelt
haben, der schönen Aufgabe treu bleiben, welche er mit ganzer Hingabe gefürde
hat und für welche, wie wir uns überzeugten, keine andere Provinz in unsere?
Vaterlande einen gleich ergiebigen Boden biete. Als ich zum ersten Male dies
Stadt besuchte, gelang es mir, einen Freund und einstmaligen Schüler, Profess?
v. Wittich, zu bestimmen, sich derartigen Untersuchungen zu widmen. Wir est
deckten in dem Staube des Archivs, in. dem damals noch Voigt waltete, ein?
Reihe alter Schädel und dazu gehöriger Fundstücke von Balgarden. Sehr valé
häuften sich dann die Untersuchungen und sie nahmen eine planmässige Gestalt
an. Hr. Berendt, der meine Arbeiten über die Gesichtsurnen in erweiterter For?
aufnahm und sie in einem klassischen Werke durchführte, hat das grosse ver
dienst, in den verschiedensten Theilen des Landes das praktische Interesse de
Gebildeten geweckt zu haben. Aber erst Tischler hat jene anhaltende und
vollstem Maasse sachverstindige Thätigkeit entwickelt, welche die ostpreussiscb"
Archäologie zu einer wahren Musterschöpfung gemacht hat. Darum Ehre und
unvergünglicher Ruhm seinem Andenken!
An einem der nächsten Nachmittage versammelten wir uns in seinem Haus“
Da er sein Grab weit ab auf dem Familiengute gefunden hat, so konnten wir n
an dieser Stätte die Erinnerung an ihn feiern. Wir betraten sein Arbeitszimm®
wir standen vor seiner Bibliothek, wir sahen seine Notizbücher, wir durchwandert®
seinen wohlgepflegten Garten, dessen Abhang gegen den Schlossteich zwisch®
hohen Bäumen eine Fülle von Gewächsen in üppigem Wachsthum zeigte, die ¢
von seinen Reisen heimgebracht hatte. Wir sassen in wehmuthsvoller Unterhalt®®
mit seinen Angehörigen und erweckten in uns sein Bild, seine Geschichte, seit?
Lebensgewohnheiten, seine Pläne. Es waren weihevolle Augenblicke, erfüllt vo
Betrübniss und doch auch von dem Gefühl der Befriedigung, dass es ihm vergön?
gewesen ist, so Grosses zu vollenden. Mitten in der Arbeit ist er abgerufe*
(753)
Worden, aber doch erst, nachdem er sein Werk bis zu einem gewissen Abschlusse
Sebracht hatte.
be Es würde ein sehr unvollständiges Bild von dem Reichthum der beiden Känigs-
ihr Sammlungen gewühren und es würde auch meine Krüfte übersteigen, wenn
in » versuchen wollte, auch nur eine flüchtige Uebersicht über dieselben geben
Über ollen. Ich beschrünke mich daher auf einige fragmentarische Demerkungen
Song eizelne Punkte, die unserem Erfahrungskreise ferner liegen oder die be-
ers wichtige Verhältnisse betreffen.
aug = der älteren Prussia-Sammlung finden sich ausser zahlreichen Einzelfunden
der a Knochen u. dergl. ursprünglichem Material einige hervorragende Funde
bela testen Periode der Besiedelung Ostpreussens. Eine mir bis dahin un-
Word gebliebene Publikation der Prussia-Gesellschaft mag dabei vorweg erwähnt
hera en: Preussische Steingerüthe, auf 5 Tafeln photographirt von H. Prothmann,
Usgegeben und erläutert von Georg Bujack. Kônigsberg 1. Pr. 1875. hoch-4°.
Hi An der Spitze des Katalogs unter Nr. 1— 12 stehen die Funde aus einem
Ree grabe im Wäldchen Kaup (Kaps) bei Wiskiauten, nicht weit von
Hu p Ruren im Kreise Fischhausen. Der 1873 von Prof. J. Heydeck aufgedeckte
Tiers enthielt unmiitelbar unter dem Rasen eine Brandstätte mit Urnen; in einer
Mois. von 59 en zusammengeworfene Menschenknochen mit einem kleinen bronzenen
so der Verzierungen in gefiederter Blattform trägt, und einer gebogenen ge-
Ta prcton bronzenen Nadel; in der Tiefe von 96 cm ein Skelet (Pr. Steingeräthe
Knoche Fig. 21) mit einem Messer aus Feuerstein (ebendas. Fig. 16) und einer
ein à ennadel mit Oehr (Fig. 19); sodann 146 cm tief, genau unter dem ersten Skelet,
der “ares in derselben Lage und mit einem Feuersteinsplitter zwischen den Knochen
in a echten Hand (Fig. 17), sowie mit einem zweitheiligen Gurt-Ende aus Knochen
Na, cengegend (Fig. 20). Die zuerst erwähnten oberen Lagen gehören offenbar
begin éstattungen an und können hier ausser Betracht bleiben. Der eigentliche Fund
Eee erst in einer Tiefe von 96 cm. Er würde der palaeolithischen Zeit zu-
Sein net werden künnen, da ausser ein Paar Knochengerüthen nur zwei Feuer-
ham Splitter aufgeführt werden, die sichtlich von Menschen geschlagen sind;
entlich Fig. 16 ist ein langer gebogener Spahn von ganz charakteristischer Gestalt.
Poder der Katalog erwühnt unter Nr. 7 ein ,durchlochtes Beil aus Grünstein-
Beil e der Schaft aus Holz verwittert^; nach meiner persönlichen Notiz lag dieses
als ei e dem unteren Skelet und war polirt. Darnach wäre dieses untere Skelet
de, n neolithisches anzusprechen. Am auffälligsten sind die bei demselben in
Welche ergegend gefundenen und als Gurt-Enden bezeichneten Knochenplatten,
Von la die Herren des Museums für Artefakte aus Renthiergeweih hielten. —
Choppy em konnte ich mich nicht bestimmt überzeugen: es schien mir wahr-
Senauer Y. dass sie vom Elch stammen. Hr. Prof. Braun versprach mir eine
die an de ergleichung. Die eine dieser Platten ist an einem Ende stark verletzt,
Nach ere ziemlich gut erhalten. / Sie ist sehr dünn, auf der Fläche leicht gebogen;
Mango convex und ungefähr von der Gestalt eines Korsets oder eines
sop, a sterni, nach unten stark verjüngt und sanft abgerundet, nach oben weit
Sing Mi und am oberen Rande seicht ausgebuchtet. Nahe dem unteren Rande
dicht b a runde Löcher, ebenso zwei nahe dem oberen Rande, beide ziemlich
besetzt nen Die Oberfläche ist geglättet und mit sehr zierlichen Ornamenten
Medianen © auf beiden Stücken genau übereinstimmen. Sie bestehen aus zwei
Vordere Die breiten Bändern, welche senkrecht neben einander über die
e herablaufen und ein sehr regelmässiges Wolf szahn-Ornament
» der Berl, Anthropol. Gesellschaft 1891.
48
(754)
zeigen. Ein ühnliches laterales Band zieht sich rings um die ganze Platte, den
Aus- und Einbiegungen des Randes folgend; ein drittes schmäleres verläuft parallel
mit dem lateralen, nach innen von demselben, aber wührend die andern Bände!
gegenstündig abwechselnde Zähne haben, hat dieses nur eine einfache Reihe. .
Die beiden Skelette sind in einem Glaskasten in natürlicher Lage über enm
ander aufgestellt. Beide sind „liegende Hocker“ oder, wie der Katalog von dem
ersteren sagt, es ist „in liegender Stellung mit angezogenen Beinknochen“, während
das zweite „in hockender Stellung“ war. Dabei ist zu bemerken, dass das erster?
halb auf der Seite liegt, und dass der Feuersteinspahn und die lange Knochennadel
theils über, theils neben dem Becken sich befinden. Die Schädel erscheinen aus”
gemacht dolichocephal. Das obere Skelet bietet die Zeichen der Arthritis der
formans, namentlich an den Knieen und Wirbeln, welche letzteren durch supracaril
laginàáre Exostosen verschmolzen sind. Dabei sind die mittleren Zähne im Ober"
kiefer bis tief über den Schmelz herunter abgeschliffen, wührend die im Unte
kiefer unversehrt sind. Das untere Skelet, welches den linken Vorderarm über
die Brust gelegt hat, trägt eine grosse Hiebwunde rechts am Schädel.
In der, von den HHrn. Kupffer und Bessel-Hagen gelieferten Bearbeitung
der Schädel und Skelette der anthropologischen Sammlungen zu Kónigsberg S p
werden auch die beiden Schádel von Wiskiauten, freilich mit der Angabe: „WW
den ersten Jahrhunderten n. Chr.,“ aufgeführt. Darnach berechnet sich für de?
ersteren ein orthodolichocephales Verhiltniss (L.-Br.-I. = 68,8, L.-H.-I. — 64,3); der
zweite erscheint hypsidolichocephal (L.-Br.-I.= 63,1, L-H.-L. = 74,7). Man wird diese
Ergebnisse nicht wörtlich nehmen dürfen, da die Schädel aus zahlreichen Bruch’
stiicken zusammengesetzt sind und die Maasse dadurch in etwas beeinflusst sei
werden. Immerhin wird man nicht bezweifeln dürfen, dass beide Schädel dolich?”
cephal waren.
In den „Preuss. Steingeräthen“ wird bemerkt, dass „ein Parallelfund zu der”
Skelei^ Fig. 21 (dem oberen) von der phys.-ókon. Gesellschaft auf der kurische?
Nehrung bei Rossitten gemacht sei, bei welchem jedoch nur eine Knochennad®
und ein Feuersteinmesser gewonnen seien. Hr. Bezzenberger (Die Kurisch?
Nehrung und ihre Bewohner. Stuttgart 1889. 8. 249 [89]) spricht gleichfalls vo?
einer bei Rossitten gefundenen Leiche der Steinzeit, setzt aber hinzu, dass ge
leider durch die Arbeiter bis auf einige Knochenreste zerstört sei. Als Beigabe?
werden hier erwühnt, ausser der stumpfen Knochennadel und dem Feuersteil”
messer, eine defecte Steinaxt, ein halber Bernsteinring, eine runde Steinscheibe (S08
Imatrastein?) und eine kleine versteinerte Koralle; also das, was im Photogr. AlbU?
der Berliner Ausstellung abgebildet ist (Sect. I, Taf. V, No. 164, Katalog S. 413)
Dass diese Funde der Steinzeit, und zwar der jüngeren angehören, schein?
zweifellos. Das einzig Bedenkliche in Bezug auf das Grab von Wiskiauten könnte?
die bei dem unteren Skelet gefundenen verzierten Knochenplatten sein, und zwar d€*
halb, weil das Wolfszahn-Ornament meist erst in späterer Zeit auftritt, bei uns im
Norden hauptsächlich in Gemeinschaft mit arabischen Kunstartikeln und an solche?
Ich habe dieses Vorkommen früher ausführlich erórtert (Verh. 1877, S. 393). wir
es sicher, dass die beiden Platten bei dem unteren Skelet gelegen haben und nicht
etwa zufällig in die offene Grube hineingefallen sind, so wiirde das Auftreten des
Wolfszahn-Ornaments weit zurückversetzt werden müssen. Für unzulässig halte
ich das nicht, da bandfürmige Verzierungen an Knochengerüthen der neolithische?
Zeit auch im Norden vorkommen. Ich erinnere an das von mir beschrieben?
pFalzbein“ von Janischewek in Cujavien (Verh. 1879, 8. 435, Fig. sub 3). —
Ich übergehe einige andere, offenbar gleichfalls der neolithischen Zeit a”
(755)
tee Aufdeckungen, z. B. das durch sehr charakteristische Funde ausgezeichnete
8, 43 x Wuttrienen, Kr. Allenstein (Berliner Ausstellung von 1880, Katalog
von Nr. 165. Photogr. Album Sect. I, Taf. V.). Nur will ich ein schon früher
mit Pa erwähntes, recht seltenes Vorkommen in Erinnerung bringen, nehmlich die
als § Cuersteinzdhnen besetzten Hirschhorn-Harpunen, die vielleicht auch
Aus pren von Wurfspiessen gedeutet werden könnten. Die Abbildung einer solchen
Nr. P Sammlung der phys. -ókon. Gesellschaft in dem Photogr. Album Taf. VI,
ela 8, bei welcher ausdrücklich angegeben ist, dass die Feuersteinsplitter ein-
Stein et Seien, ist etwas undeutlich. . Viel besser ist die Abbildung in den „Preuss.
beg; Er hen! Taf. V, Fig. 11, die sich auf ein Stück des Prussia-Museums
ong und eine doppelte Reihe von Feuersteinzähnen zeigt. Die Erklärung
welche nk lautet: » Wurfpfeil mit ursprünglich sechs Widerhaken aus Feuerstein,
tine, in eine, nach beiden Seiten zugespitzte Schüftung aus Knochen mittelst
beg aer ürzlichen Masse eingesetzt sind. An dem einen Ende der Schäftung
rich et sich der Ueberrest desselben Kitts, mit welchem dies Geräth in eine Vor-
No, " von Holz eingelassen wurde. Dirwangen (Kr. Róssel) Vgl. Nilsson PI. VI,
toti 9u.126.* Ich sah dieses prüchtige Gerüth im Prussia-Museum und habe mir
je doch dass es aus einem Moor in Masuren stamme. Aus dem Katalog ersehe ich
Teg; » dass das Museum ausser dem Dirwanger Stück noch 2 andere, eines von
wel Kreis Johannisburg, und eines von Garben, Kreis Stallupónen, besitzt, an
fpe die Feuersteinzühne noch erhalten sind; ausserdem werden noch 4 Stück
longi; ührt, bei denen die Feuersteine verloren gegangen waren, die aber dafür offene
tin udinale Rinnen oder Fugen besassen: eines von Penken, Kr. Pr. Eylau, und
bur von Kinwangen, Kr. Friedland, beiderseits, — eines von Dialla, Kr. Johannis-
dio; Und eines von unbekannter Herkunft (Nr. 85) nur auf einer Seite. Der Gebrauch
liche, Werkzeuge, die in dem Katalog als Fischstecher bezeichnet und mit áhn-
Sehr. Geräthen in Neu-Seeland parallelisirt werden, scheint demnach in Preussen
mit Verbreitei gewesen zu sei, Wie denn auch die gewóhnlichen Hornharpunen
mehrfachen Widerhaken häufg sind (Photogr. Album Taf. VI, Fig. 170 u. 171).
By, Im Anmschlusse daran mag daran erinnert sein, dass in der Oberforsterei
eig ees Kreis Labiau, ein Auerochsen-Schüdel gefunden ist, in dem noch die Spitze
*8 Feuersteinspeers steckte (Verhandl. 1884, S. 560). —
eine Das der phys.-ókon. Gesellschaft ‚gehörige Provinzial-Museum besitzt ferner
lun ür die neolithische Zeit hóchst wichtige, hauptsüchlich keramische Samm-
mi Yon der Kurischen Nehrung, von der das Photographische Album der
éme Taf. III u. IV vortreffliche Abbildungen enthält; die Stücke stammen
Yon 5 ich von Nidden. Sie sind begleitet von zahlreichen Steinartefakten, namentlich
Peu Messern und Schabern, sowie von vortreff lich gearbeiteten Pfeilspitzen aus
Hi. Stein in den mannichfaltigsten Formen (Photogr. Album Taf. I u. II) und von
Yon qun mit Bohrzapfen, von Schleif- und Behausteinen. Nach dem letzten Bericht
350 Pr ler (1890) besass das Museum bloss von der Kurischen Nehrung
Ps, 290 wirkliche Messer und Schaber, und fast 200 Aexte und
NE Eine besondere Beachtung verdient die grosse Zahl der ausgebohrten
P von denen 57 vorhanden waren.
ähnliche die Beurtheilung der letzteren ist es nicht ohne Bedeutung, dass sich
Ich ty. Bohrzapfen auch in den russischen Ostseeprovinzen sehr häufig finden.
8, 39) e diesen Punkt in dem Bericht über meine livländische Reise (Verh. 1877,
beso, a, e ation besprochen und die Natur der Zapfen klargestellt. Was jedoch
Kórpe r8 merkwürdig ist, das ist der Umstand, dass sich in Livland derartige
T in Grübern finden, und zwar auch in solchen, welche Bronze und Eisen
4C *
=
(156)
enthalten, einzelne sogar in Bronzefassungen. Ich habe damals daraus geschlosseP
dass auch die Bearbeitung zu einer Zeit statigefunden habe, wo Bronze und Eise?
vorhanden waren. Ob dieser Schluss ganz sicher war, will ich gern zur Erörterung
stellen, aber ich möchte auch die Frage nicht als unzulässig betrachten, ob die vielen
Bohrzapfen der Kurischen Nehrung alle der neolithischen Zeit angehóren. Dies°
Frage scheint mir um so wichtiger, als die bisherigen Annahmen dahin gehe»
dass die Bewohnung der Kurischen Nehrung mit der Steinzeit für eine lange Zeit
aufgehört habe und dass erst sehr viel später eine neue Besiedelung eingetreten S°*
Für die Entscheidung dieser Frage möchte ich auf die relative Häufigkeit
des Zusammenvorkommens von Steinhämmern mit Metallbeigaben ?
ostpreussischen Grübern hinweisen. Bei verschiedenen Gelegenheiten, namentlich
bei Besprechung einer von Hrn. Bujack gelieferten Zusammenstellung solche
Funde, bin ich darauf zurückgekommen (Verhandl. 1888, S. 497). Ich will daraus
hervorheben, dass in einem Grabe der Drusker Forst, Kr. Wehlau, ein sehr schónt?
durchlochter Steinhammer in einer Thonurne lag (Sitz.-Ber. der Prussia 1887/5
S. 115, Taf. IV), in einem anderen ein ganz gleicher neben zerdrückten Tópfe?
(Sitz.-Ber. 1888/89, S. 141, Taf. V). Allerdings wurde in keinem dieser Gräbe"
welche im Uebrigen Leichenbrand zeigten, Metall aufgefunden, aber nach der ÀUS
stattung der Nachbargriber mit Bronzeschmuck war zu erschliessen, dass es sich
um vorchristliche Anlagen handelte, von denen einzelne bis in die römische Zeit
zu reichen scheinen. Hr. Bujack, der die Ausgrabungen leitete, war geneigh
eine Beilegung älterer Steinäxte in Gräber einer späteren Zeit anzunehmen. Indes“
führt er selbst 3 Stücke des Prussia-Museums auf (von Fürstenau, Lóberi*
hoff und Kirpehnen), nehmlich Bruchstücke durchlochter Steinbeile, aus Gräber”
feldern der römischen Periode. Auch diese Funde sind an sich nicht von en
scheidender Bedeutung, aber sie werden künftig in Verbindung mit den Vorkomm”
nissen auf der Nehrung und in Livland zu erörtern und zu verfolgen sein. —
An die Steinzeit haben die ostpreussischen Forscher eine andere Kategorl®
von Funden angeschlossen, welche allerdings der höchsten Aufmerksamkeit würdig
sind: die Artefakte aus Bernstein. Sonderbarerweise sind die Hauptfunde de!“
selben im Kurischen Haff selbst gemacht worden, unter Umständen, welche noch
jetzt nicht eine endgültige Deutung gefunden haben. Wir besitzen darüber musie"
hafte Arbeiten des Hrn. Rich. Klebs, namentlich die prächtige Abhandlung: ,De
Bernsteinschmuck der Steinzeit von der Baggerei bei Schwarzort, Königsberg 1882^
bei welcher der Verf. sich der Beihülfe Tischler's zu erfreuen hatte. Da ic
selbst mehrere Wochen in Schwarzort verweilie und noch Zeuge des Abbruch®
der berühmten Baggerei war, so wird es vielleicht Interesse gewähren, wenn ich
darüber Einiges sage.
Schwarzort liegt ziemlich weit gegen Norden auf der Haffseite der Nehrun£
Man führi von da in einigen Stunden mit dem Dampfer nach Memel. Das Hall
ist hier, nicht weit von dem einzigen, jetzt noch vorhandenen Ausflusse in d?
Meer, schon ziemlich eng: das gegenüberliegende, niedrige Ufer von Prökuls Lass?
sich in einer halben Stunde im Boote erreichen. Das Fahrwasser aber ist noc®
viel enger. Eine Untiefe, die sich von dem &stlichen Ufer heriiberzieht und
den Fischern für die Aufstellung ihrer Reusen und Netze grosse Bequemlichkeit
gewährt, zieht sich vom jenseitigen Ufer bis nahe an Schwarzort heran. Als
gróssere Schiffe, namentlich Dampfer, diesen Weg nahmen, ergab sich alsbald
die Nothwendigkeit, die Fahrrinne zu verbreitern und zu vertiefen. Bei den von d"
Regierung angeordneten Baggerarbeiten kam ungewöhnlich viel Bernstein zu Tag“
Aehnliche Funde waren schon früher auf dem benachbarten Festlande in dem Al
(757)
rien der Lusze bei Prökuls bekannt geworden und hatten 1857 zur Bildung
velo Gesellschaft in Memel, unter der Firma Stantien und Becker, geführt,
mit de die Ausbeutung des dortigen Lagers unternahm. Im Jahre 1860 traten sie
in Hor Regierung in ein Pachtverhültniss, um auch die Aufschliessung der Untiefe
"— und die Fortführung der Baggerarbeiten auszuführen. Ihre Erwartungen
fy ren sich in unerwartetem Maasse, und es erwuchs im Laufe der Jahre eine
entst 1che Flottille von Bagger- und Transportschiffen, ein Hafen wurde erbaut, es
mii and. eine neue Ansiedelung von Arbeitern, und der stille Platz erfüllte sich
Borngta Verkehr. Damals bemerkte man, dass unter dem ausgebaggerten
Mens ein nicht selten bearbeitete Stücke, selbst figürliche Darstellungen von
über vorkamen; es wurden Sammlungen davon angelegt und mit grosser
für 1tät interessante Suiten an die Museen abgegeben. Das war die Grundlage
16 Arbeit des Hrn. Klebs.
A Wir in Schwarzort eintrafen, hatte sich Alles verändert. Nachdem die Er-
Hy S ler Baggerei sich in letzter Zeit von Jahr zu Jahr vermindert hatten, und
die vetker, der gegenwärtig mit Hrn. Hagen an der Spitze des Geschäfts steht,
legi yo rarbeitung und den kaufmännischen Vertrieb des Bernsteins nach Wien ver-
boi atte, 1st das Pachtverhältniss gelôst worden; ‚die Regierung lässt die Bagger-
hg wieder durch Staatsschiffe betreiben und die alie Firma hat ihre gesammte
wp e co nach Palmnicken im Samlande übertragen, wo ganz nahe an der Küste,
wird bis unter das Wasser des Meeres 1, der Bernstein bergminnisch gefördert
inters Die noch anwesenden Mitglieder des Congresses besuchten das höchst
vord Ssante Werk am 11. August unter persönlicher Führung des Hrn. Hagen; wir
am An von Frau Geh. Rath Becker in gastlichster Weise empfangen und schieden
de, : end, erstaunt und bewegt ob der Fülle des Bernsteins, den noch immer
Gaga indische Boden verborgen hält. Wir sahen hier aus den abgebrochenen
— en vom Schwarzorter Hafen neue Fabrikgebäude und Arbeiterwohnungen
An] en, und konnten uns darauf vorbereiten, die Zerstórung der Schwarzorter
Sen mit Verständniss zu beurtheilen.
zu De Bagger, welcher jetzt dort in Thätigkeit ist, fördert immer noch Bernstein
sah Se Nicht bloss kleine Stücke, sondern bis halbmannskopfgrosse Klumpen
kann ch selbst auf demselben. Wie gross die Menge früher gewesen ist, davon
tritt Man sich sofort überzeugen, wenn man die breiten Strandanschüttungen be-
in a che ober- und unterhalb von Schwarzort durch den ausgebaggerten Schlamm
in hinein angesetzt worden sind; wohin man irit, da liegt Bernstein,
&s lei eh in kleinen Fragmenten, jedoch auch in grösseren Stücken, so dass
Wald 1st, in kürzester Zeit Háünde voll davon zu sammeln. Die Dorf- und
chi welche in weiter Ausdehnung mit solchem Schlamm überdeckt sind,
gay en, wenn der Wind die oberflächliche Staubdecke hinweggeblasen hat,
p, l'ehsetzi mit funkelnden Partikeln.
bei an einer Stelle, wo so viel Bernstein vorhanden ist, derselbe auch be-
Lande worden ist, würde nichts Auffallendes haben, wenn das Ganze auf dem
hip finden würe. Nun sind allerdings, wie Hr. Klebs nachweist, ühnliche
Schwing en auf der Nehrung selbst gefunden worden, aber ihre Zahl ist ver-
"eine Dün klein und die Nehrung selbst ist anscheinend gerade hier eine so
An dere, nenbildung, dass darin wohl kaum das Urmaterial gesucht werden kann.
Borg lässt sich wohl denken, dass die erwähnte Untiefe fiir verschwemmten
. "ln ein günstiger Absatzplatz gewesen ist. Aber woher sollte aller dieser
beiten” a diesem Winter ist das Meer in diese Stollen eingebrochen, wobei mehrere Ar-
n Tod gefunden haben. (Nachträglicher Zusatz von 1892.)
(i
Bernstein gekommen sein? Nirgends am Haff ist eine alte Fabrikationsstelle auf
gefunden worden. Es bleibt also scheinbar kaum eine andere Deutung übrig; als
dass der ehemalige Fabrikationsort durch Wasser zerstört worden ist, dass er sich
aber innerhalb des. Bereiches des jetzigen Haffs befunden haben muss. d
Die Aufmerksamkeit hai sich daher begreiflicherweise auf den UntergruP
gerichtet und das Vorkommen von stärkeren Hölzern ist in der That bei der”
Baggern festgestellt worden. Waren hier etwa Pfahlbauten? Hr. Klebs hat dies?
Frage aufgeworfen, aber unbeantwortet gelassen. Ich möchte dazu bemerken, das
es mit Pfählen allein nicht gethan sein könnte. Andere Dinge, die für eim
Ansiedelung sprechen móchien, etwa die stets ireuen Topfscherben oder ander’
Steingerüthe, sind, soweit ich ermitteln konnte, nie heraufbefórdert worden. 80
ist denn schliesslich eine Möglichkeit stehen geblieben, die nehmlich, dass hie
oder in einiger Entfernung früher fester Boden war, der vom Wasser hinw os’
gerissen wurde und von dem das leichtere Material verschwemmt worden ist. Die
umfassenden Arbeiten des Hrn. Berendt über die Entwickelungsgeschichte de
Haffs und der Nehrung, insbesondere seine Nachweise wiederholter Hebung U?
Senkung des Landes in einer Zeit, welche der Mensch noch gesehen haben kan?
bieten eine nicht zu unterschätzende Stütze für eine solche Annahme. .
Von der Fülle und Mannichfaltigkeit der Artefakte erhielten wir zuerst ein?
Anschauung, als die Firma Stantien und Becker auf der ersten Fischerei-AU*
stellung in Berlin durch eine grosse Bernsteinsammlung alle Welt überrascht“
Ich besitze seit längerer Zeit durch die Güte des Hrn. Klebs eine kleine, abe
sehr instruktive Collektion bearbeiteter Stücke. Unsere Gesellschaft hatte Gelege”
heit, in dem Königsberger Bernstein-Museum der Firma die werthvollsten Fund?
zusammengestellt zu sehen, und manches unserer Mitglieder durfte eine interessant’
Erinnerung, ja Originalstücke mit nach Hause nehmen, Eine Privatsammlung de
Hrn. Dr. Sommerfeld gab uns zugleich Gelegenheit, eine treffliche vergleichen?
Zusammenstellung des Bernsteins verschiedener Länder zu mustern.
Die HHrn. Klebs und Tischler sind nach langen und sorgfältigen Prüfung?
zu dem Ergebniss gelangt, dass die Schwarzorter Artefakte durch Männer ein
Steinvolkes und zwar mit Feuersteinwerkzeugen hergestelli seien. Sie haben de?
Nachweis geführt, dass diese Artefakte von denen der späteren Zeit in Haup"
stücken verschieden sind und dass sie eine verhältnissmässig spärliche Verbreituré
und eine nur beschrünkte Area des Vorkommens gefunden haben. Indes$ 5
Tischler selbst spüter auf Bernsteinschmuck in Hünengrübern gestossen, welche
mit dem Schwarzorter in vielen Stücken übereinstimmte, und er hat sich nur m
der Annahme helfen kónnen, dass die Stücke ,zur Steinzeit gearbeitet, in die gr^
gerathen und von dem Erbauer der Hügel wieder aufgefunden und verwendet seie?
(Schriften der phys.-ükon. Ges. 1886, XXVIL 8.147) Eine Klürung dieser Fro’
erwartete er von kiinftigen Entdeckungen. Ich kann mich dem nur anschliesse*
da ich nach manchen Anzeichen glaube, dass die weitere Ergründung 'der pr
historischen Funde mindestens eine Erweiterung des Verbreitungsbezirkes ergeb®
wird. Nur das darf ich schon jetzt betonen, dass uns hier ein neues Beisp!
entgegen tritt, wie unter der ausdauernden Beschäftigung mit einem bestimmt?
und geeigneten Materiale sich die Kunstfertigkeit der alten Arbeiter zu einer pol
entwickelt hat, welche unser Staunen erregen muss, wenn wir sehen, wie T
von den einfachsten Anfüngen sich in aller Abgeschlossenheit aus eigener Kraft ? 5
einer immer vollkommneren Ausbildung der Form, zu einer immer grüsse,
Mannichfaltigkeit der Aufgaben, schliesslich zu einer gefélligen Ornamentik #*
selbst zur Nachbildung der menschlichen Gestalt emporgeschwungen haben. —
"58"
(759)
Mit dem Schlusse der Steinzeit „verliert die Nehrung fast jede archäologische Be-
deutung. Es sind noch drei sehr interessante ältere Bronzen gefunden (2 Celte,
! Lanze), vielleicht auch noch ein Armring, einige römische Münzen: das ist alles,
Was zwei Jahrtausende auf diesem öden Landstriche zurückgelassen haben, bis am
Ende des Heidenthums noch einmal ein heller Lichtstrahl die Archäologie des
Ostens aufklären sollte“ (Tischler, Schriften der phys.-ôkon. Ges. 1890, XXXI,
8. 94). Ich kann dem nur hinzufügen, dass der Fischmeister Hr. Lardong in
Schwarzort, der sehr aufmerksam die späteren Funde aus der Umgebung gesammelt
hat, Mir nur folgende Gegenstände zeigen konnte:
A. von dem Nordtheil der Nehrung, gegen Memel hin, 2 gebrochene, grosse,
geschliffene und gebohrte Steinhämmer, scheinbar aus Diorit,
P südlich von Schwarzort, gegen Nidden, 30 Fuss über dem Niveau, auf der
Wanderdüne, und zwar an der Seeseite derselben, |
1. eine kleine, abgebrochene, glatte Beilschneide aus Thonstein,
2. einen kleinen geschliffenen Keil aus schwarzem Feuerstein,
3. ein geschlagenes trapezoides Stiick aus gleichem Material.
Die Auffassungen über die ostpreussische Bronzezeit haben im Laufe der
letzten Jahre, mit dem Fortschreiten der Erfahrungen, grosse Aenderungen erfahren.
Während früher die Kenntniss der älteren Bronze vorzugsweise auf Depot- und
Einzelfande beschränkt war, ist es neuerlich gelungen, Gräber aufzudecken, welche
derselben Periode angehören; Tischler setzt sie um ein Jahrtausend vor Christo
an, Besonders bemerkenswerth sind die Grüber von Rantau im Samlande, welche
tn Jahre 1887 in der Nähe von Neu-Kuren am Strande gefunden wurden
(Schriften der phys.-ökon. Ges. XXVIII. Sitz.-Ber. S. 11). Später entdeckte man
ähnliche Gräber ganz in der Nühe bei Alknicken (ebendas. XXXI, 1890, Sitz.-Ber.
S. 19), Diese Funde erscheinen deshalb besonders bemerkenswerth, weil sie gerade
das eigentliche Bernsteinland betreffen und daher für die Frage des alten Handels-
Jerkehrs eine Anknüpfung gewähren. Ich sah die Fundstücke in dem Provinzial-
Museum und will hervorheben, dass mir, ausser einem Axthammer von sehr eigen-
(hümlicher Form, einem Messer von Bronze und einer, am einen Ende schlangen-
form gebogenen Nadel, namentlich eine ganz grosse Nadel, die am Ende in ein
Spiralblatt auslief, aufgefallen ist; sie erinnerte mich lebhaft an die kaukasischen
Nadeln yon Kumbulte (Verhandl. 1890, 8. 419). Die meisten Umen sind nicht
"amentirt, besitzen aber Doppelgriffe und einen leicht umgebogenen, welligen Rand.
Auch im Prussia-Museum befindet sich eine Sammlung Rantauer Fundstücke
Katalog L 2, 8.7), jedoch bin ich zweifelhaft, inwieweit sie derselben Zeit an-
Sehôren, Denn es sind bei Rantau auch Hügelgräber aufgedeckt worden, welche
Nach Tischler's Angabe zu den Steinkistengrübern gehóren. Ich will daher hier
Dur erwähnen, dass ich darunter kleine Gefüsse von ganz neolithischem Charakter
Sah, welche am Bauch senkrecht durchbohrte Vorspriinge tragen. Auf die anderen
Verde ich noch zurückkommen. Dagegen möchte ich darauf aufmerksam machen,
Was ich schon früher hervorhob (Verh. 1886, S. 3883), dass Gefásse mit ,kleinen,
“Weimal senkrecht durchbohrten Hervorragungen“ auch in Gräbern von Fritzen,
Sleichfalls in dem Wäldchen Kaup bei Krantz, gefunden worden sind. Schon da-
als habe ich auf die Aehnlichkeit einer dort gewonnenen Scheiben- oder
Spiegelnadel mit denjenigen, die ich von Koban im Kaukasus beschrieb, hin-
Sewiesen, Nachdem ich das Stück gesehen habe, das ich damals nur aus einer
Abbildung kannte, muss ich die Analogie bestitigen. Ebendaselbst ist auch ein
mosse gedrehter Bügel aus Bronze mit weit zurückgeschlagenen Enden, den ich
Ur den Henkel eines Gefässes hielt, und ein offener Arm- oder Fussring mit ab-
(760)
geplatteten Endknöpfen zu Tage gekommen. Der Fundbericht steht in den
Sitzungsberichten der Alterthums-Gesellsch. Prussia für 1885—86, S. 5, Taf. 1-1
Tischler (Schriften der phys.-ükon. Ges. 1888, XXIX. Sitz.-Ber. S. 8, Fig 3)
hat den eigenthümlichen tordirten Bronzebogen, die er für Halsringe hält, den
Namen „Bügelringe“ beigelegt. Er beschreibt einen solchen aus einem Depot
funde von Willkühnen, Kr. Königsberg; derselbe wurde mit einem andere?
grossen Ringe, 5 Celten und 6 Armringen gefunden. Ich muss anerkennen, nach
dem ich diese Stücke im Provinzial-Museum gesehen habe, dass die Bügelring°
als Henkel kaum brauchbar waren; das um- und zurückgelegte Ende ist nehmlich
angeschmolzen. Aehnlich verhält es sich mit zwei Bügelringen des Danzig?
Museums, von denen der eine (Lissauer, Alterthümer der Bronzezeit Taf. vl,
Fig. 15) aus einem grósseren Depotfunde von Brünnhausen, Kr. Puizig, der andere
(ebendas. Taf. X, Fig. 8) aus einem Depotfunde von Gerdin, Kr. Dirschau, stammt
Das Grab von Fritzen hat für alle diese Funde eine willkommene Verbindung he“
gestellt. Man wird nicht im Zweifel sein können, dass sie einer jüngeren Bronzezeit
angehören. Tischler setzt sie, hauptsächlich wegen der Torsion, in das 5. Jahr"
hundert v. Chr.; Lissauer aber weist darauf hin, dass Ringe dieses Typus in West
preussen und Hinterpommern schon mit entschieden älteren Bronzen zusamme?
vorkommen. Der Fund von Fritzen scheint diese Ansicht bestimmt zu bestätigen.
Sämmtliche Gräber der Bronzezeit in Ostpreussen gehören der
Zeit des Leichenbrandes an. Dass die Téne-Zeit mit ihren Bestaitungsgräbe""
bis jetzt nur spurweise in der Provinz nachgewiesen ist, wurde schon hervo
gehoben. Dann aber, ungefähr um Christi Geburt, beginnt die Periode der grosse?
Grüberfelder der Bisenzeit, welche eine gehäufte Bevölkerung voraussetzen; gie
haben das Hauptmateria] für die chronologischen Bestimmungen geliefert, da nich‘
wenige bekannt geworden sind, in welchen die Aufeinanderfolge der Perioden WI
mittelbar nachweisbar war. Mit berechtigtem Stolze sagt Tischler in dem Jubiläum”
bande der Schriften der phys.-ökon. Gesellsch. 1890, S. 97: „Die Glanzperiode der
ostpreussischen Urzeit, das 1. bis 4. Jahrhundert n. Chr., bis ins 5., nimmt m
Museum den grössten Platz ein, und diese Ausgrabungen liefern auch stets d!°
allerreichste Ausbeute.“ Seine ersten Feststellungen geschahen auf den Grübel
feldern von Dolkeim und Corjeiten. Er unterschied (Schriften der Gesellsch. 1880;
XXVII Sitz.-Ber. S. 22) 3 Perioden:
1. Gräber der ersten und eines grossen Theils der zweiten Periode, vo!”
, wiegend Skeletgrüber,
2. Gräber vom Ende des zweiten und aus dem dritten Jahrhundert: aus
schliesslich Leiechenbrand in sehr grossen Aschenurnen,
3. Gräber vom Ende des dritten bis zum Anfange des fünften Jah"
hunderts: Beisetzung in freier Erde.
Diesen Perioden entsprechen die berühmten Unterscheidungen der Fibel?»
welche Tischler aufgefunden hat. In der zweiten trifft man häufig römisch®
Münzen. Während dieser ganzen Zeit nimmt er an, dass hier germanische
(gothische) Stümme sassen, wührend sie Westpreussen schon im Anfange des
dritten Jahrhunderts geräumt hatten.
Auf weitere Einzelheiten kann ich hier nicht eingehen. Ich möchte nur auf
die grosse Mannichfaltigkeit der Urnen aufmerksam machen. Unter diesen orregt¢
meine Aufmerksamkeit namentlich eine grössere Anzahl, welche m ehrfach
durchlochte Henkel besassen. Ich habe seitdem gesehen, dass Tischle
diese wesentlich der Téne-Periode, freilich meist Nachbestattungen, zurechnete. pr
beschrieb die ersten aus einem Grabe von Warschken in der Nühe von Germat
(161)
s, Piehhausen (1886, XXVII, S. 165, Taf. V, Fig. 8), und von 8t. Lorenz (ebend.
Rug ; Taf. V, Fig. 13), und machte auf das Vorkommen ähnlicher in Rantau und
Sohn, aufmerksam. Ein solches Gefäss von Rudau, Kr. Fischhausen, ist in den
My ten 1888, Taf. I, Fig. 18 abgebildet. Ich fand weitere von Rantau im Prussia-
Forma von Corjeiten und Tenkieten im Provinzial-Museum. Mir waren diese
anche ganz neu und ich interessirte mich um so mehr dafür, als auch die Gefässe
in q; e Eigenthümlichkeit zeigen, die meiner Ansicht nach sie bis nahe an oder
le Zeit der Steinkistengräber hinaufreichen lässt.
echt was die Form betrifft, so sind es grosse Urnen von doppelkonisch er
mit ihr d. h. sie sehen aus, wie wenn zwei an der Spitze abgeschnittene Kegel
liqua ren Grundflichen auf einander gesetzt wurden. Dadurch entsteht ein starker
linger t Vorsprung, der zuweilen geradezu kantig ist. Der obere Theil ver-
lem g sich oft erheblich und verjüngt sich dann auch mehr und mehr bis zu
Pagoq ide: Sie nähern sich dadurch jener Art altitalischer Gefässe, welche ich
Sehr enurnen genannt und mit den etruskischen Gesichtsurnen in Beziehung
Schaft, ht habe (Verhandl. 1883, S. 326. Sitzungsberichte der Akademie der Wissen-
von va Berlin 1883, S. 1013). Graf Gozzadini hat deren aus dem Gräberfelde
schon lanova beschrieben (a due coni unii per Ja base), doch finden sie sich
den He Marino und Corneto. Nun giebt es freilich einen grossen Unterschied in
Dreus enkeln, indem die italischen den Henkel an dem unteren Kegel, die osi-
heh, jenen dagegen an dem oberen Kegel haben. Ueber diesen zieht sich
mit ; ch auf einer Seite ein langer Graht aus Thon herunter, der gelegentlich
Br, (Warschken, Corjeiten) oder mit 3 (St. Lorenz, Rudan) oder mit 4 (Rantau)
D Oeffnungen durchbrochen ist. An einer Urne von Tenkieten hat der
the, die Gestalt eines zweizackigen Vorsprungs; andermal zeigt er rundliche Ab-
Hoy > den einzelnen Oeffnungen entsprechend, so dass er wie aus mehreren
eln über einander zusammengesetzt erscheint.
hen azu kommen Stópseldeckel. Bei einer Urne von Tenkieten reicht die Form
Omas Pon nahe an die Mützenform heran. Die Oberfläche der Urnen selbst ist háufig
Rang entirt, am ausgiebigsten an emer, auch sonst sehr merkwürdigen Urne von
Bite) m Prussia- Museum. Hier ziehen sich um die Aequatorialgegend mehrere
Strich Ormige Zonen, durch Querlinien begrenzt und mit Gruppen von Schräg-
unten in wechselnder Neigung erfüllt, nach oben eine Zone mit Grübchen, nach
der peine Gruppen eingestochener Ornamente. An dem oberen Kegel, dicht unter
Bein andeinziehung, sind kleine Männchen mit Kopf, Leib, Armen und
"d freilich sehr rudimentär, eingeritzt, zwischen denen sich Reihen kurzer
li che hinziehen. Die Zeichnung hat viel Aehnlichkeit mit den mensch-
Figuren, die an westpreussischen Gesichtsurnen angebracht sind.
"d Bemerkungen mügen der weiteren Erwügung der ostpreussischen Fach-
Fun dst. anheimgegeben sein. Natürlich müsste eine genaue Revision der sonstigen
Stellen ücke vorgenommen werden, um die Zeitstellung dieser Gefüsse sicher zu
Toney Exgiebt sich darnach, was ich für wahrscheinlich halte, dass sie der
Peri de à angehören, so würde es sich doch fragen, ob sie nicht der ältesten
ganges erselben zuzurechnen seien und ob sie nicht Repräsentanten des Ueber-
Eisen von der Hallstatt-Zeit darstellen. Schon Undset (Das erste Auftreten des
Umen s, ordeuropa. Deutsch von J. Mestorf. S. 153) stelli die ostpreussischen
Stück vo chen Figuren, von denen er eine vollständige und ein Bruch-
irkehnen (Taf. XV, Fig. 16 u. 17) abbildet, als Zeitgenossen der west-
Citirt I en Gesichtsurnen dar, wie er denn auch Beispiele von Mützendeckeln
+ Ich will übrigens nicht verfehlen, auf die Aehnlichkeit der Figuren mit
\
(162)
denen der schwedischen Hillristningar und einiger schleswig-holsteinischer Urnen
(von. Hadersleben und Borgstedt, 38. Bericht zur Alterthumskunde Schleswig-Hol-
steins, 1885, S. 21. Mestorf, Vorgesch. Alterthümer aus Schleswig-Holstein, S. 22,
Taf. XLI, Fig. 464 u. 468) aufmerksam zu machen. —
Aeusserst dunkel ist die Frage nach den Gründen des Wechsels in der
Art des Begräbnisses. Hier ist der Gegensatz unserer Erfahrungen ‚gegen die
ostpreussischen besonders gross. Zu einer Zeit, wo im übrigen Ostdeutschland
überall noch Leichenbrand und Urnenbestattung herrschte, treffen wir hier Skelet-
grüber, — eine hóchst fremdartige Erscheinung, die wohl daran denken lassen
könnte, dass sie einer Einwanderung von auswärts zuzuschreiben sei. Um so
auffälliger ist dann das erneute Auftreten des Leichenbrandes in der Zeit des
römischen Einflusses, wo das Neustädter Feld bei Elbing zahlreiche Skeletgräber
zeigt. Hier wäre es höchst wünschenswerth, dass Localforscher durch eine aus-
gedehnte Zusammenstellung aller Localfunde mit ihren charakteristischen Beigaben
eine authentische Grundlage für das Urtheil herstellten. Ausgiebige, wenn müglich
illustrirte Kataloge mit scharfer Sonderung der zusammengehörigen Fundstücke,
woran es noch ganz fehlt, würden das Werk sehr erleichtern. —
Zeichen der slavischen Einwanderung machen sich demnächst bemerkbar.
Man hat in Ostpreussen etwas lange gezôgert, die Erfahrungen, welche wir in
Pommern, Meklenburg, der Mark, Schlesien, Sachsen und weiter südlich gemacht
haben, zu verwerthen. Es ist, soweit ich sehe, auch eines der grossen Verdienste
von Tischler, die Identitàt der Gefässscherben dieser Periode, namentlich in Be-
ziehung auf ihre Ornamente, mit den westslavischen ausgesprochen zu haben
(Katalog der Berliner Ausstellung von 1880, S. 410). In der That liessen die auf
unserer Ausstellung gezeigten Stücke von Szittkehmen, Statzen, Rossitten (Korallen-
berge) und Mewe (Heidenschanzen) darüber keinen Zweifel (Photograph. Album
Taf. 19 u. 20). In den Berichten der Prussia, so in der Beschreibung des Burg-
walls oder der Ansiedelung von Bosemb, Kr. Sensburg (1885/86, S. 119, 135), wird
trotz der überraschenden Aehnlichkeit der Ornamente (das. Taf, XII, vergl. diese
Verhandl. 1886, S. 383) jede Beziehung auf das. slavische Element vermieden.
Nun folgt freilich aus der Uebereinstimmung des Thongerüthes mit dem aus-
gemacht slavischen, welches mit der Weichsel beginnt und sich bis über die Elbe
erstreckt, noch nicht, dass auch die ostpreussischen Scherben von Slaven herrühren.
Tischler selbst sprach von ,slavisch-preussischen^ Scherben, ja er erklürte (Be-
richt von 1890, S. 102), dass die Scherben der Preussen mit denen der Slaven in
Westpreussen ganz identisch seien.
Man könnte nun meinen, diese Schwierigkeit sei topographisch zu lösen.
Historisch betrachtet, scheinen die Slaven von Süden her in zwei Richtungen in
das nachmalige preussische Gebiet eingedrungen zu sein: im Osten in Masuren
und im Westen in Pomerellen, von wo sie, wie wir früher (S. 751) sahen, ein
wenig über die Weichsel hinübergegriffen haben. Auf dem rechten Weichselufer
rechnete man das polnische Gebiet bis zur Ossa, so dass also das Culmer Land
noch ganz slavisch war (Zeuss, Die Deutschen und ihre Nachbarstümme S. 676,
Anm.) Soviel ich wahrnehme, ist über die Deutung derjenigen Fundstücke, welche
aus diesen Landestheilen stammen, keine Differenz. Was Masuren betrifft, so ge-
hören dahin die, mit grossen steilen Wellen besetzten Scherben von Statzen bei
Oletzko und aus den Grübern von Szittkehmen bei Goldap, an denen ausser Wellen
und grossen und kleinen Curven auch blosse Ringlinien und Stempeleindrücke ver-
schiedener Art angebracht sind. Allein das topographische Merkmal reicht nicht aus.
Wenn im Samlande derartige Scherben, z. B. in Dolkeim, vorkommen, so steht der
(792)
Mangel jeder historischen Erinnerung an eine daselbst stattgehabte Einwanderung
slavischer Elemente der Annahme, dass ‚die dortigen Aschenplätze, auf denen
Scherben mit Wellen, Schrägeindrücken und blossen Rippen, aber auch eine grosse
Bronzeschale mit eingeritzten Ovalen gefunden wurden, slavischen Ursprungs seien,
nicht mit beweisender Kraft entgegen, denn die Zeit vom Ende des 5. bis zum
10, Jahrhundert und noch spáter ist nur sehr spárlich Gegenstand historischer Be-
richte gewesen, und es ist recht wohl denkbar, dass während dieser Zeit auch das
Samland eine kürzere oder längere Besiedelung durch Slaven erfahren hat. Lässt
doch Adam von Bremen Schiffe von Julin nach dem Samlande fahren, aber freilich
Setzt er hinzu: provinciam quam possident Pruzzi. Wenn das Grüberfeld von Cor-
jeiten, das Jahrhunderte hindureh von germanischen Leuten benutzt worden ist, in
seinen jüngeren Theilen Aschenplätze mit Scherben, die das Wellenornament tragen,
enthält (Schriften der phys.-ôkon. Ges. 1886, Sitz.-Ber. S. 24), so vermisse ich in
seinem Inventar charakteristische Bestandtheile, welche auf eine ethnisch von den
Slaven verschiedene Bevölkerung hindeuten.
Allerdings erscheinen in derselben‘ Gegend. die Zeichen einer anderen Be-
völkerung. Vollgültige Zeugnisse dafür wurden zuerst von Schiefferdecker 1871
auf der Kurischen Nehrung aufgefunden. Hier waren bei der Verschiebung der
Dünen gegen Osten in der Nähe von Rossitten die Reste einer alten Ansiedelung
-und eines dazu gehörigen Kirchhofes auf der Westseite blossgelegt worden. Man
nannte diesen, sonst ganz namenlosen Ort nach einer alten, übrigens zweifelhaften
Angabe auf einer Landkarte Stangenwalde. Nach den aufgefundenen Münzen
liess sich feststellen, dass nach 1350 keine Beerdigungen mehr stattgefunden hatten,
dagegen konnten für den Anfang der Benutzung des Kirchhofes keine älteren
Münzen, als eine aus dem 12. Jahrhundert, entdeckt werden. Das genauere Studium
der Beigaben ergab, dass dieselben genau übereinstimmten mit denen aus livländischen
Gräbern. Als ich 1877 (Verhandl. S. 389) aus Livland zurückkehrte und die Funde
von Stangenwalde im Prussia-Museum prüfte, konnte ich diese Uebereinstimmung
vollauf bestätigen. Ueber die inzwischen ausgebrochene Streitfrage, ob die alten
Bewohner der Nehrung wirkliche Liven, d. h. Finnen, oder Letten gewesen seien,
glaubte ich zunächst hinweggehen zu können, da gerade die zur Vergleichung
herangezogenen Gräber in Gegenden Livlands vorkommen, die seit alter Zeit
lettisch waren, und da andererseits ähnliche Gräber auch aus zweifellos altfinnischen
Gebieten bekannt waren. Nach sorgfältiger Erwägung der Verhältnisse kam ich da-
her zu dem Ergebnisse (a. a. O. S. 396), dass weder die Letten, noch die Liven
und Esthen eine specifische, nur ihnen eigenthümliche Cultur hatten, dass man
also aus der archäologischen Ausstattung eines Grabes keine Rückschlüsse auf die
Stammesangehörigkeit seines Besitzers machen dürfe. Dies ist auch jetzt noch
richtig. Trotzdem halte ich es für wahrscheinlich, dass es sich bei den Funden
von der Nehrung und den ihnen entsprechenden aus dem Samlande vorzugsweise
um Letten gehandelt hat. Gründe dafür werde ich in meinem folgenden Vor-
trage entwickeln.
Für jetzt will ich nur erwähnen, dass sich Parallelfunde auch ausserhalb der
kurischen Nehrung, ja bis tief in das Samland hinein gefunden haben. Sowohl
das Provinzial-Museum, als das der Prussia besitzen zahlreiche Belegstücke dafür.
Ich nenne aus dem letzteren das schon früher besprochene Wiskiauten, wo
Sich arabische Münzen, livische Bronzen, Schildkrötenfibeln und andere skandina-
vische (Wikinger-)Anklünge, auch grosse, starke, offene Armringe mit dem Wolfs-
zahn-Ornament (S. 754) fanden. Nicht sehr weit von da, bei Kunterstrauch,
zwischen Wikiau und Wargenau, wurden in einem Hügel zwei Skelette aufgedeckt
“As
(164)
und mit ihnen Scherben mit dem Wellenornament und eine Münze des 13. Jaht-
hunderts; dazu gehórt auch ein grosser, ornamentirter Gürtel. Gleichfalls in der
Nähe liegt Ekritten (Sitzungsber. der Prussia 1888/89, S. 127, Taf. XII— XIID
mit sehr charakteristischen Funden. "Tischler (1890, Sitzungsber., S. 17) hob
andererseits namentlich Oberhof bei Memel hervor; ich kann nach den Stücken
im Provinzial-Museum den livländischen Charakter der dortigen Formen bestätigen.
Nehmen wir also vorläufig an, dass die Letten (Kuren) im 12, Jahrhundert,
wahrscheinlich schon viel früher bis Samland in das hinein sassen, so lassen
sich auch die, sonst vielleicht als slavische anzuerkennenden Funde als lettische
deuten. Tischler (1890, Sitzungsb., S. 16) gestand zu, dass sich bei den Liven,
den Letto-Litauern und den Slaven identische T hongefüsse fánden. Man kennt jenseits
der Weichsel ausserhalb des Küstengebiets nur zerstreute Orte, wo sich das liv-
lündische Inventar wiederfindet, welches uns die vorher als lettisch bezeichneten
Gräber des Samlandes, der kurischen Nehrung und der Gegend von Memel bieten-
Solche Orte sind das Gräberfeld von Gerdauen (A. Hennig, Zeitschr. f. Ethn. XI.
303), und einige Plätze in der Náühe des kurischen Haffs, wie Lôbertshoff, Kr.
Labiau, Weszeiten und Heydekrug. Wir haben daher dieses Inventar, namentlich
die Bronzen, unserer Diagnose zu Grunde zu legen.
Hier ergiebt sich nun, wie mir scheint, eine fühlbare Lücke, welche durch
die weitere Lokalforschung auszufüllen wäre. Wo sind die Gräber und An-
siedelungen der alten Preussen? ‚giebt es erkennbare Beispiele derselben aus der
grossen Zwischenzeit zwischen dem 5. und dem 10. oder 19. Jahrhundert und welches
sind ihre Merkmale? Waren die alten Preussen den Letten so nahe verwandt, wie
unsere Linguisten annehmen, sollten sie dann nicht auch Schmuck, Waffen und
Hausgeräth, wie die Letten, gehabt haben? Oder giebt es für Preussen und Letten
eine ältere Periode, wo sie die Artefakte noch nicht herstellten oder besassen,
welche die charakteristische Austattung der livländischen Gräber ausmachen?
Sollte es nicht gelingen, in den mittleren Theilen der Provinz eine grössere Zahl
„livischer“ Gräber nachzuweisen, so müsste die letztere Eventualität wohl ernst-
haft in’s Auge gefasst werden. Das gelegentliche Vorkommen sogen. fränkischer
Fibeln, welches zeitlich ungefähr eine Vergleichung gewährt, würde dabei näher
in das Auge zu fassen sein. —
Es giebt noch eine Erscheinung, welche in ihrer zeitlichen Stellung unter-
sucht werden muss, — das sind die grossen Steinfiguren, welche, wie in West-
preussen (S. 747), so auch hier in einzelnen Exemplaren erhalten sind. Sie
gleichen den Kamienne Baba’s der russischen Kurgane. Ein Stück aus sehr grobem
Granit von Ichitken (Masuren) ist im Prussia-Museum. Von einem anderen in
Rositten bei Eylau wurde mir dort erzählt; ebenso von zwei anderen, welche
im Volk als Bartel und Mostel bezeichnet würden '), von Bartenstein. Ausserdem
hat Pfarrer Meier (Sitzungsb. Prussia, 1885/86, S. 122) ein sehr defectes steinernes
Gótzenbild von Mühlfeld bei Bartenstein beschrieben. —
Es erübrigt schliesslich noch eine Erinnerung an die ostpreussischen Pfahl-
bauten. Dieselben sind in unseren Verhandlungen so oft besprochen worden,
dass ich darauf verweisen darf. Zuersí, im Jahre 1874, wurde ein solcher im
1) Nachtrüglich ersehe ich aus einer Abhandlung des Hrn. Gigas (Zeitschr. des hist.
Vereins für den Reg.-Bez. Marienwerder, 1871, Heft 2, S. 48), dass der zweite Stein nicht
Mostel, sondern (seit 1769) Gustabalde, d. h. Gustel aus dem Walde genannt wird, Der
Bartel ist (ebenda, Taf. V, Fig. 2) in der That den Baba's ühnlich, nur hat er statt des
gewôhnlichen Trinkbechers ein Trinkhorn. Der sog. Potrimpos von Christburg (ebenda,
Taf. V, Fig. 1 und S. 69) ist ganz anders gebildet.
(765)
Arys-See, Kr. Johannisburg, bekannt; Hr. Prof. Heydeck hat das Verdienst, ihn
Wiederholt durchforscht zu haben. Vergl. Verhandl. 1874, 8.363%). Auf meiner
Rückreise von Livland 1877 (Verhandl., S. 434) sah ich die Funde und kam
zu der Ueberzeugung, dass sie bis in die Eisenzeit reichten; ich glaubte daher um
So mehr, der Auffassung derselben als Zeitgenossen der Schweizer Pfahlbauten
ehigegentreten zu müssen, als auch die Bearbeitung der Pfühle selbst, nach dem
Zeugnisse des Untersuchers, auf den Gebrauch eiserner Werkzeuge hinwies. Seitdem
ist durch die energische Thütigkeit desselben Forschers eine Reihe weiterer Pfahl-
bauten aus den masurischen Seen bekannt geworden, so namentlich von Kow-
Datken (Sitzungsber. Prussia, 1886/87, S. 72, Taf. I—ID, aus dem Szonstag-
und Tulewo-See (Sitzungsber. Prussia, 1887/88, S. 127, Taf. VII—XVI), sowie
aus dem Kock- und Probken-See (Verhandl. 1884, S. 560) Hr. Heydeck ist
bei seiner Auffassung von der Gleichzeitigkeit der preussischen und der schweize-
Yischen Pfahlbauten stehen geblieben, und hat als ein besonders. entscheidendes
Kriterium die Häufigkeit von kleinen Löchern hervorgehoben, welche sich längs des
Randes der Thongefässe.hinziehen und in ganz ähnlicher Weise an schweizerischen
Pfahlbautópfen vorkommen. Meine Bedenken sind in den Verhandl. 1884,. S. 561,
1888, S. 429 vorgetragen worden.
Nach meiner neulichen Musterung der vortrefflichen Sammlungen aus diesen
Pfahlbauten in der Prussia kann ich zugestehen, dass im Ganzen sehr wenig
Metall gefunden ist, wührend Stein- und Hornwerkzeuge hüufiger vorkamen. Wie
Wenig jedoch auf dieses statistische Material ankommt, hat Hr. Heydeck ge-
Zeigt, indem er den Nachweis lieferte, dass die Pfáhle des Szonstag-Sees mit
Bronzeäxten zugehauen worden sind. Wirklich gefunden ist aber daselbst keine solche
Axt, sondern nur eine Zierscheibe aus Bronze (oder ein Deckel?) mit einer cen-
tralen Ochse (Taf. XI, Fig. 7). Bei dem Tulewo-See kommt Hr. Heydeck (a. a. O.,
S. 134) sogar auf die Möglichkeit zurück, ob die Hiebspuren an den Pfühlen nicht
Yon. Eisen herrühren móüchten. Es ist jedoch nur im Arys-See ein Eisenstück,
und zwar ein nichtssagendes, gehoben worden. Was die Steingerüthe betrifft, so
Mag noch erwähnt sein, dass zahlreiche geschlagene Feuersteine zu Tage kamen,
aber auch eine polirte Steinaxt (Arys-See) und ein Bruchstück einer gleichfalls
Polirten und zugleich durchbohrten Axt (Szonstag-See). Wie hoch darnach das
Alter dieser Pfahlbauten zu schätzen ist, dürfte immer noch zweifelhaft bleiben.
Auch der Umstand, dass sich im Szonstag-See ein bearbeiteter Stirnzapfen von
Bos primigenius gefunden hat (Nehring in Verhandl. 1888, S. 342), ist nicht ent-
Scheidend, da sich im Uebrigen zahlreiche Knochen von Hausthieren (Hund, Pferd,
Rind, Schaf, Ziege und Schwein) bestimmen liessen und die Zeit, bis wohin
Wide Ure in Preussen vorkamen, nicht bekannt ist. Verhülinissmáüssig am
ältesten erscheint bis jetzt der Pfahlbau von Kownatken.
Die Verschiedenheit dieser Pfahlbauten von unseren slavischen habe ich von
Anfang an zugestanden. Dass sie einer früheren Zeit angehüren, wird nicht be-
Zweifelt werden können, da sie auf keinen Fall jünger sind, als die slavischen.
Welcher der in der vorhergehenden Erörterung behandelten Perioden aber sie zu-
Seschrieben werden müssen, folgt aus dem vorliegenden Material nicht. Da die
Teme Steinzeit ausgeschlosssen ist, die sonstigen Umstände aber auf den Gebrauch
Ma Bronze und Eisen hinweisen, so bleibt vorläufig die ganze Breite der alten
letallzeit für die Phantasie offen. Mügen daher die ostpreussischen Forscher die
1) An dieser Stelle ist ein Druckfehler stehen geblieben. Zeile 21 von unten muss es
Statt „Neuzeit“ heissen „Steinzeit“.
+
^ a
(766)
Geduld und den Muth nicht verlieren, ihre Untersuchungen fortzusetzen. Mög-
licherweise belohnt ein glücklicher Fund alle ihre Mühen!
Als ich auf der Rückreise ein Paar Tage zu Nickelsdorf, Kr. Allenstein
im Ermelande, verweilte, stiess ich bei einer Excursion über den Wadang-See auf
eine Erscheinung, die ich wenigstens erwühnen will, da sie vielleicht zu weiteren
Ermittelungen führen kónnte. Am Nordrande dieses Sees, in müssiger Entfernung
von dem Ufer, liegt eine kleine, mit Bäumen und Gesträuch bewachsene, verhält-
nissmässig hohe Insel. Während ich dieselbe umging, bemerkte ich an ihrem
östlichen Ufer, wo offenbar frischere Abstürze geschehen waren, in dem seichten
Wasser Thonscherben, deren Thon mit so grossen, weissen Quarzstücken durch-
setzt war, dass sie schon von Weitem sichtbar waren. Eine dieser Scherben, von
denen wir binnen Kurzem eine Anzahl sammeln konnten, zeigte flache Parallel-
streifen, zwei andere Nageleindrücke. Die meisten waren ohne Verzierung, dick,
braun, glatt und der Randbildung nach den slavischen ähnlich. Von der Stelle,
wo diese Scherben lagen, zog sich eine Untiefe zu einer kleinen, im Wasser ge-
legenen Rohrkämpe, einem für einen Pfahlbau recht geeigneten Platze. Wir be-
fuhren in einem Nachen die ganze Kämpe, konnten aber nirgends etwas von
Pfählen bemerken. Auch ein Graben, der durch den Gipfel der kleinen Insel ge-
legt wurde, zeigte überall gewachsenen Boden ohne Culturspur.
Dagegen machte mich Frl. v. Hoverbeck auf eine andere Stelle aufmerksam,
die weiter östlich am Lande gelegen ist und durch eine steile, isolirte Höhe den
Eindruck einer künstlichen Bildung erregt hatte. Wir besuchten sie am nächsten
Tage (4. September) bei einer Fahrt um den ganzen Wadang-See. Derselbe be-
ginnt hier mit einer engen Bucht an der Einmündung des Pissa- oder Pisenflusses.
Kurz vorher zieht sich nach Osten zu eine tiefe Schlucht den Berg heran und in
ihrer Mitte erhebt sich, rings abgeschnitten, ein müssiger sandig-lehmiger Hügel von
sargáhnlicher Gestalt, dessen Südende gegen den benachbarten Bach ganz steil abfällt.
Der Sage nach soll hier eine Kirche gestanden haben. Jetzt wird der Hügel be-
ackert. Ziegelsteine fanden sich nicht, dagegen ein grosses Bruchstück von einem
Mühlsteine aus rothem brüchigem Granit, axtühnliche Gerôlle, Thierknochen und
ziemlich zahlreich dicke Topfscherben mit ganz grossen Kiesbróckeln, aber nicht
verziert, nicht unähnlich denen aus dem See. Ich bemerke jedoch, dass die Ent-
fernung beider Stellen von einander mindestens 2,5 km betrágt und dass der letzt-
genannte Hügel von dem Anfange des Sees noch vielleicht 300 Schritte abliegt. —
Damit schliesse ich diese Besprechung. Sie wird wenigstens ein annüherndes
Dild von dem Reichthum der preussischen Museen geben und vielleicht dazu bei-
tragen, das wissenschafiliche Interesse der nicht preussischen Archäologen in
höherem Masse anzuregen, als es bisher der Fall gewesen ist. Nachdem mit
Tischler der gegebene Interpret für die Fremden hinweggenommen isi, müssen
wir Zurückgebliebenen uns in die Arbeit theilen, dieses wichtige Gebiet der Kennt-
niss der Zeitgenossen zu erschliessen. Wenn es mir nicht besser gelungen ist,
so trägt die Zersplitierung der Sammlungen in Königsberg einen grossen Theil
der Schuld. Schon Undset hat vor Jahren den Wunsch geäussert, es möchten
die Sammlungen der Prussia und der physikalisch-ökonomischen Gesellschaft ver-
einigt werden; ich empfinde es als eine Pflicht, diesen Wunsch von Neuem
und so dringend als möglich auszusprechen. Möge damit dem Andenken
an die beiden Männer, denen die Museen ihre gegenwärtige Fülle und Ordnung
verdanken, ein bleibendes Monument geschaffen werden! —
Der Gegensatz der prähistorischen Cultur, innerhalb deren Bereich ich mich
So lange bewegt hatte, trat mir in ganzer Stärke entgegen auf der letzten Station,
(767)
auf welcher ich mir eine kurze Rast gewähren konnte, in Thorn. Es war ein
Schöner sonniger Tag, ein wahrer Sonntag (6. September), und eine Gesellschaft
der liebenswiirdigsten Menschen, unter denen ich vor allen meinen Collegen
Dr. Meyer und den Hrn. Bürgermeister Schusterus nennen muss, bemühte sich
m der gefilligsten Weise, uns den Abschied von dem rechten Weichselufer
Zu erschweren. Da ich hier keine eingehende Beschreibung liefern kann, so will
ich mich auf die Bemerkung beschränken, dass die alte Ordensstadt auch weit-
gehende Erwartungen übertrifft. Ihre hohe Lage über dem mächtigen Strom ge-
Stattet einen weiten Ausblick über das jenseitige Niederland. Der Strom selbst
in seinem fast geradlinigen Verlauf gewührte am Abend, als die Sonne sank, einen
grossartigen Anblick. Wir befuhren ihn auf einem Dampfer bis nahe an die
Tussische Grenze. Hier wurde mir eine besondere Ueberraschung zu theil. Am
rechten Ufer, noch auf preussischem Boden, erschienen gewaltige Mauerreste einer
alten Wacht- und Zollstation, zum Theil noch aufrecht stehend. Das Bild, welches
durch das Zusammenwirken dieser verschiedenen Elemente entstand, hatte eine
Solche Aehnlichkeit mit den altägyptischen Ruinen von El Ombo am Nil, dass ich
Mich unwillkürlich nach dem treuen Gefährten meiner damaligen Reise umschaute.
Möge diese Weichselfahrt jedem, der nach Preussen zieht, empfohlen sein!
Ueber das Alterthums-Museum von Thorn, welches ein polnischer Privaiverein
Zusammengebracht hat und unterhält, Muss ich mich trotz seiner Reichhaltigkeit
kurz fassen. Wir haben einen nicht geringen Theil seiner Schätze schon auf der
Berliner Ausstellung von 1880 gesehen (Katalog 8. 487). Der Gegensatz gegen
die ostpreussischen Museen füllt sofort in das Auge. Hier befinden wir uns
unter dem Einflusse der Stümme, welche das linke Weichselufer bewohnten. So
erscheinen namentlich die Gesichtsurnen in grosser Zahl und in bemerkenswerthen
Exemplaren. Aber sie stammen auch fast sämmtlich von dem anderen Ufer. Auch
die slavischen Funde, die ungemein stark vertreten sind, wurden vorzugsweise auf
der anderen Seite der Weichsel gemacht. Indess gewähren schöne Stücke aus der
heolithischen und Bronze-Zeit aus der Umgegend die Ueberzeugung, dass auch
Schon in so frühen Perioden das Land bewohnt gewesen ist. —
(34) Hr. Rud. Virchow spricht, unter Vorlegung von Photographien, über
die altpreussische Bevölkerung, namentlich Letten und Litauer,
sowie deren Häuser.
Altpreussen, d. h. das Land zwischen der Weichsel und der russischen Grenze,
hat gegenwärtig eine sprachlich und noch mehr confessionell so sehr gemischte
Bevölkerung, dass es eine schwierige Aufgabe für mich sein würde, darüber ge-
Dügende Auskunft zu geben. Indess diese Aufgabe berührt mehr die Staatswissen-
Schaften und die Statistik, als die Anthropologie. Auch da, wo letzteres der Fall ist,
haben wir keine Veranlassung, auf die späteren Zusätze einzugehen, da es sich um
Zu kleine Bruchtheile der Bevölkerung handelt. Die Einwanderung der Salzburger,
der Refugiés, selbst der Schotten, der Schweizer und der Tataren hat Nachwirkungen
gehabt, die noch heute nicht aufgehört haben, aber die Gesammtmischung ist da-
"On nicht erkennbar betroffen worden. Anders ist es mit den Einwanderungen
Srüsserer Volksmassen, welche von benachbarten Culturvolkern ausgegangen sind.
, Hier stehen obenan die Polen and die Deutschen. Nun gehen aber ihre
Einwanderungen so weit zurück, dass wir mit diesen verhülinissmüssig modernen
Namen nicht auskommen würden: für die alte Zeit müsste man schon ,Slaven*^
und „Germanen“ sagen. Es dürften wohl zwei Jahrtausende vergangen sein,
"^ ——
(768)
seitdem das Hin- und Herwogen slavischer und germanischer Völker auf diesem
Boden fortgesetzt angedauert hat, und schliesslich hat es sich nicht bloss um Be-
siedelungen von dieser oder jener Seite her gehandelt, sondern um wirkliche Um-
gestaltungen der Bevölkerung. Die Polen haben polonisirt, die Deutschen ger-
manisirt, und wenn sich nicht auf historischem Wege Einiges darüber feststellen
liesse, aus linguistischen Merkmalen würde man oft keine zutreffende Diagnose
herleiten können. Die kirchlichen Einwirkungen sind dabei häufig bestimmend
gewesen, doch nicht immer. So sprechen die Masuren im südöstlichen Theile des
Landes noch heute polnisch, bekennen sich aber zum Protestantismus, während die
Polen in Ermeland und an der Weichsel natürlich auch polnisch sprechen, aber dem
katholischen Glauben anhängen. Diese Gegensätze haben erst seit der Schlacht von
Tannenberg (1410) und der Reformation ihre volle Schärfe erlangt, nachdem der
westliche Theil des Landes dem Königreich Polen einverleibt war, während der
östliche dem Deutschen Orden verblieb und mit dem letzten Hochmeister zum
Lutheranismus überging. Der südliche Theil des jetzigen Kreises Allenstein im
Bisthum Ermeland ist erst seit dieser Zeit polonisirt worden (Grunenberg, Ge-
schichte und Statistik des Kreises Allenstein. Allenstein 1884), wührend das
Kulmer Land, das bis zur Ordenszeit polnisch war, durch den Orden germanisirt
und nach der Schlacht von Tannenberg mehr oder weniger repolonisirt wurde.
Nach der gelüufigen Annahme war der grössere Theil des Landes zu der Zeit,
als der Orden den Besitz desselben antrat, also im 13. Jahrhundert, von einer ein-
heimischen Bevölkerung, den Pruzzen, eingenommen. Den Namen der Borussen
oder Porussen (Neben-Russen) haben sie niemals geführt, wie sie denn weder mit
Slaven, noch mit Finnen etwas gemein hatten, vielmehr von jeher von beiden
unterschieden wurden. Ihr Name erscheint zuerst in der Lebensbeschreibung des
h. Adalbert zwischen 997 und 1006 (Zeuss, Die Deutschen und die Nachbar-
stämme 8. 671, Anm.). Sehr viel älter sind ein paar andere Völkernamen, welche
die Jahrtausende überdauert haben: die der Galindae und der Sudini, welche
schon Ptolemaeus (150 n. Chr.) aufführt und welche zur Deutschordenszeit
plötzlich‘) wieder in den Landschaftsnamen Galindien (Galanda) und Sudauen auf-
tauchen. In dieser Zeit kntipft sich der Name beider Stämme nach dem Zeugnisse
von Dusburg an die südlichen Theile des Landes um den Spirding-See, indem
Galindien westlich, Sudauen nördlich und östlich von demselben angesetzt wurde
(Zeuss a.a. O. 8. 674. Müllenhoff nimmt an, dass dies secundüre Sitze waren,
in welche die genannten Stämme von Norden her verdrüngt wurden. Nach seiner
Auffassung (Deutsche Alterthumskunde IL 19) war dies früher gothisches Ge-
biel, zu einer Zeit, wo die Galinder das Bernsteinland (Samland) und das Pregel-
Gebiet bewohnten. Er hält letztere daher für „die nachmaligen Preussen in dem
engern, eigentlichen Sinne, den wir vom sprachlichen Standpunkt mit dem Namen
verbinden.“
Diese ganz plausible Annahme führt naturgemäss auf die Frage, wie man im
zweiten Jahrhundert in Rom zu einer so genauen Kenntniss der Völkernamen in
diesem weit abgelegenen Bezirk gekommen ist. Müllenhoff beantwortet sie in
scheinbar ausreichender Weise durch den Hinweis auf den Bernsteinhandel, der
1) Die Annahme des Hrn. Brosow (Sitz.-Ber. der Prussia 1890, S. 48), dass um 253
Schaaren von Vandalen, Finnen, Galindern und Wenden dem Kaiser Volusianus an der
Donau gegenüberstanden, stützt sich auf die Legende einer Münze, Müllenhoff (Deutsche
Alterthumskunde II, S. 100) hat jedoch überzeugend nachgewiesen, dass diese Lesart auf
einer falschen Deutung beruht.
(769)
vom Samland zur Donau und von da nach Rom ging. In der That erscheinen
vor dieser Zeit überall nur die Aestier als Gesammtvolk in den Aufzáhlungen
der klassischen Autoren. Sie sind das eigentliche Bernsteinvolk. So schildert
Sie schon Tacitus (Germ. 45): Mare scrutantur ac soli omnium succinum, quod
lpsi glesum vocant, inier vada aique in ipso litore legunt . Auch knüpfte sich
Noch lange nachher die Vorstellung von der Herkunft des Bernsteins an die Aestier,
Man lese nur den von Cassiodorus aufbewahrten Brief des Ostgothenkönigs
Theodorich (6. Jahrhundert) an die Haesti in Oceani litoribus constituti, in welchem
er sich für die Geschenke bedankt, die ihm eine üstische Gesandtschaft überbracht
hatte, und in ausführlicher Weise die Entstehung und das Aussehen des Bernsteins
bespricht (Zeuss S. 667). Auch in dem Reiseberichte des Angelsachsen Wulfstan
Ist nur von Esten die Rede.
Es ergiebt sich also, dass im Laufe der ersten Jahrhunderte nach Christi Geburt
Zuerst der Name der Aestier (Esten), dann der der Galinder und Sudiner, zuletzt
der der Pruzzen erscheint, wie alle neueren Schriftsteller einmüthig annehmen,
Stets für dasselbe, sowohl von Germanen und Slaven, als von Finnen verschiedene
Volk, bald Gesammtname, bald Stammesbezeichnung. Dieses Volk aber war auf
das Nächste, nehmlich sprachlich, verwandt mit den weithin nach Nordosten, Osten
Und Südosten verbreiteten Stämmen der Letten und der Litauer.
Es würde hier zu weit führen, wenn ich ausführlich über alle diese, zum
Theil sehr schwierigen, ethnischen Verhältnisse sprechen wollte. Dieselben müssen
aber wenigstens kurz berührt werden, da sie sich in das uns beschäftigende Ge-
biet einschieben. Die prähistorische Archäologie lässt uns hier leider im Stich.
Die ältesten litauischen Gräber dürften in ihrer Ausstattung von den lettischen
Nicht allzu verschieden sein, und was die Gräber der Pruzzi betrifft, so verweise
lch auf die Untersuchungen des Hrn. Arth. Hennig (Zeitschr. f. Ethn. 1869, S. 301)
über das Grüberfeld von Gerdauen, welches bis in die Ordenszeit reicht und
archäologisch dem von Stangenwalde ganz nahe steht (S. 764). Die politische Grenze
ZWischen Preussen und Litauern bildete zur Ordenszeit die Memel (Dusburg), von
WO aus die letzteren sich weit in das heutige Russland hinein erstreckten. Aber
Schon sehr früh waren litauische Ansiedelungen auch in die Ordensländer Schalauen,
Sudauen und Nadrauen vorgeschoben, und noch jetzt liegt die Grenze des Sprach-
Sebietes viel südlicher. ,Die 145000 Litthauer, welche heute noch in Preussen
®Xistiren, sind zuriickgedringt bis zu einer Linie, welche vom Ausfluss der Deime
(nahe bei Labiau) bis Laukischken, von da auf Gross-Baum, Popelken, Aulowóhnen
bis Pillkallen geht^ (Alex. Horn, Culturbilder aus Altpreussen. Leipzig 1886.
8.85). Sie reichen innerhalb dieses Gebietes bis an die Ostküste des Kurischen
ti 1) Zeuss (a. a. O. S. 268, 613) suchte aus dem Worterbuche des Stephanus Byzan-
pus zu beweisen, dass schon Artemidorus den Namen der Ostiaeer gekannt und auf
id theas (um 320 v. Chr.) zurückgeführt habe, woraus zu folgern sei, dass der massaliotische
> Ser schon die Aesten gekannt hat. Die Stelle des Stephanus ist überaus dunkel:
P ONE, ÉSvos nage 1D OUTIXD "Oxtavo, ous Koooivoug ‘Aoteuidwgos prot, ITvSéas
Pete Tovtov j'8E sÜevvucv of Kóamvor Àeyoutvot Qortwres, ous Ilvdéas
Volke ov TQOG&VOQEUEL, Von den Kossinern ist sonst nirgends die Rede; der einzige
wähnte " UH der Ostsee-Küste, der ihnen nahe kommt, ist der von Ptolemaeus er-
(Deutsch "u ossicr (Occo), mit dem man nichts zu machen weiss. Müllenhoff
des Tacit ert mets L, 8. 914) hàlt es für unmöglich, diese Ostiaeer mit den Aestui
bringt sio be: 1 entificiren, weil ihre Sitze am westlichen Ocean angegeben seien; er
in Verbindun er mit den 'Océouio: ('Qor£uior bei Strabon) in der gallischen Aremorica
g.
Verhandl, der Berl. Anthrop. Gesellschaft 1891.
A9
(5. >)
Haffs. Gegen Norden geht ihr Gebiet bis an die Grenzen von Kur- und Livland,
zum Theil noch darüber hinaus.
Hier beginnt eine neue Schwierigkeit in Bezug auf das Verhältniss der Letten
zu den Kuren und Liven. Ich habe mich in meinem Reisebericht von 1877
(Verhandl. S. 368 fg.) bemiiht, diese verwickelten Beziehungen klar zu legen
Darnach stellen sich dieselben folgendermassen dar: Als die Deutschen die
Colonisation der baltischen Provinzen begannen, trafen sie in Kur-, Liv- und Est
land finnische Bevólkerungen. Diese waren anscheinend vor nicht sehr langer Zeit
von Osten her eingedrungen und hatten, wenigstens in Liv- und Kurland, die ein-
heimischen Letten unterjocht. Allein im Laufe der Zeit machten sich diese wieder
geltend, und es begann eine unaufhaltsam fortschreitende sprachliche Umwälzung,
welche zuerst in Kurland zu einer fast vollständigen Lettisirung der Bevölkerung
führte. Als ich im Livland war, hatte sich auch in dieser Provinz die Lettisirung
so sehr ausgedehnt, dass es mir nicht gelang, auch nur einen einzigen reinen
Liven aufzufinden. Westlich reichte das lettische Gebiet bis an den Ausfluss der
Memel.
Die sprachliche Umwälzung hat uns gerade in Preussen werthvoller Anhalts-
punkte für die Beurtheilung der ethnischen Elemente der Bevölkerung beraubt.
Nachdem insbesondere Kurland gänzlich lettisirt ist, giebt es nur noch schwache
historische Anhaltspunkte dafür, wo finnische Ansiedelungen bestanden haben, Für
die weiter westlich gelegenen Bezirke, die uns vorzugsweise interessiren, fehlen
auch diese Anhaltspunkte. Es mag nur erwähnt werden, dass Memel bis 1328 zu
Kurland gehôrte und dass von Dusburg (+ 1880) die Kurische Nehrung, Neria
curoniensis, zum ersten Male bei einem Kriegszuge der Litauer nach Samland er-
wühnt wird (Bezzenberger, Die Kurische Nehrung und ihre Bewohner S. 23).
Der Name des Kurischen Haffs, Mare s. Stagnum Curonicum s. Curonense, er-
scheint erst in Urkunden nach 1866. Daraus folgt natürlich nichts fiir das wirk-
liche Alter der Bezeichnung. Der Name der Kuren selbst (Cori) wird schon um
die Mitte des 9. Jahrhunderts genannt, und zwar mit dem bemerkenswerthen Zu-
satze: (gens) Sueonum principatui olim subjecta (Zeuss S. 681). Die Bewohner
der Nehrung hiessen, so lange überhaupt von ihnen die Rede ist, Kuren, wie sie
selbst sich noch heute nennen, und es ist von grosser Bedeutung, dass die nüchsten
Ortschaften des Samlandes, da, wo der südliche Theil der Nehrung an das Fest-
land anschliesst, bis zum Briister Ort, die Namen Cranzkuhren (auch kurzweg
Cranz oder Kraniz), Neukuhren, Gross- und Kleinkuhren tragen. Von letzteren
beiden Ortschaften weiss man, dass sie schon im 16. Jahrhundert bestanden
(Bezzenberger S. 105).
Wohin gehören nun diese Kuren? Hr. Bezzenberger hat in trefflichen
Arbeiten nachgewiesen, dass die Sprache der Nehrungs-Kuren zum Lettischen sich
als ein, allerdings selbständiges, Glied, verhält, aber doch im Wesentlichen nur
dialeküsch verschieden ist. Finnische Elemente sind bis jetzt darin nirgends nach-
gewiesen worden. Kónnte man sich auf die Territorialnamen verlassen, so lüge es
ja nahe, das Samland als ein Land der Finnen, Suome oder Same, zu deuten.
Indess, so sonderbar es auch ist, der alte Name des Samlandes, des Landes der
Aesten (Eastlande bei Alfred), ist auf Estland. übertragen worden, wo vielleicht nie
Aesten wohnten, und dafür ist ein Name eingetauscht worden, der weit eher nach
Estland gehörte. Die Vertauschung ist, wie mir scheint, von germanischen Völkern,
vielleicht am meisten von skandinavischen, vorgenommen worden. Saxo Gram-
maticus und dänische Chronisten nennen die: Bevölkerung des Samlandes zuerst
Sembi, Sambi, Sami, und Adam von Bremen lässt keinen Zweifel darüber, wer
LU
(771)
damit gemeint ist, denn er spricht von Seefahrien, die von Julin ad Semland
provinciam, quam possident Pruzzi, unternommen wurden (Zeuss S. 615— 16).
Sembi vel Pruzzi heisst es an einer anderen Stelle (Müllenhoff IL. S. 348). Dass
Zur Wikinger-Zeit hier nordische Einflüsse bestimmend waren, davon haben die
Grüber des Samlandes unverkennbare Zeugnisse aufbewahrt, und selbst der Name
des Flusses Elbing, Ylfng bei Wulfstan, scheint auf Skandinaven hinzuweisen,
wenn man darin nicht ein gothisches Relikt sehen will.
Die Grabalterthümer der Nehrung und zum Theil auch solche des Samlandes
Stimmen vollkommen. überein mit den Alterthiimern, welche man lange Zeit als
Zubehür der ,Grüber der Liven^ beschrieben hat. Allein ich habe schon daran
erinnert (S. 763), dass diese Grüber wahrscheinlich zu einem grossen Theil Letten
angehört haben, und wenn dieselben sich auch noch weithin in ferne östliche Ge-
biete erstrecken, in denen bisher eine lettische Urbevölkerung nicht nachgewiesen
ist, wo uns vielmehr nur Finnen als historisch nachweisbare Bewohner bekannt
Sind, so spricht doch Vieles dafür, dass die Artefakte, welche uns hier entgegen-
treten, mehr lettisch als finnisch sind. Mitten in diese Alterthümer treten, wie
in dem Grabe von Wiskiauten, unverkennbar skandinavische Formen hinein,
Zum Zeichen, dass die Sambi oder Sembi mit Wikingern in nahe Berührung ge-
treten sind. Nimmt man hinzu, dass die Kurische Nehrung bis zur Ordenszeit
noch zum Samlande gerechnet wurde, $0 wird nicht wohl ein Zweifel darüber be-
Stehen können, dass sie schon vor dieser Zeit durch Letten von Kurland aus be-
Siedelt worden ist.
Die heutigen Kuren der Nehrung sind. ausgemachte Polyglotten. Meine Freunde
in Schwarzort sprechen im Hause noch ihre kurisch-lettische Sprache, aber sie
haben dabei auch Hochdeutsch gelernt. Dazu kommt als Drittes das Litauische,
Offenbar eingeschleppt durch zahlreiche Einwanderungen und Heirathen mit Leuten
der gegenüberliegenden litauischen Küste des Haffs und gepflegt durch die Regie-
rung, die in einer Zeit, welche dem feineren linguistischen Verständnisse noch wenig
erschlossen war, das Litauische zur Kirchensprache erhoben hat. Nur die Kirch-
höfe der seit Jahrhunderten unter dem Dünensande verschütteten Dörfer, welche
jetzt bei dem Wandern der Dünen hie und da wieder zum Vorschein kommen,
zeigen noch das unverfälschte lettische Inventar. Man wird daher schliessen dürfen,
dass zu der Zeit, als diese Dörfer, von denen man zum Theil nicht einmal die
Namen kennt, noch bestanden, sie von einer nahezu rein lettischen Bevólkerung
bewohnt waren. Hr. Bezzenberger (a. a, O. S. 103fg.) hai nun gezeigt, dass die
Kuren der Nehrung, welche sich selbst Kurseneeki = Leute aus dem Kurenlande,
und ihre Sprache Kursineeku walohda = kurische Sprache nennen, in den ver-
schiedenen Abschnitten der Nehrung verschiedene Dialekte sprechen, nehmlich im
südlichen Theile, von Sarkau bis Pillkoppen, den nordwestkurländischen oder tah-
Mischen, im nördlichen Theile, von Nidden bis Schwarzort, den südwestkurländischen.
Da jener aber mehr alterthümliche Formen enthält, so erscheint auch die Besiedelung
der südlichen Nehrung als die ältere. Das entspricht recht gut der grösseren
Fruchtbarkeit dieses Abschnittes und dem dort vorwiegenden Vorkommen der
Mehrfach erwähnten Alterthümer.
| In den Ausführungen des gelehrten Linguisten finde ich nur eine Schwierig-
keit. Nach ihm kann der nordwestkurländische Dialekt im Nordwesten Kurlands
erst im 13. Jahrhundert eingebürgert sein, da dieser Theil bis dahin von Wenden
bewohnt war. Nun hat aber Schiefferdecker (Schriften der phys.-ôkon. Ges.
XII, 1871) auf dem alien Begrübnissplaiz von Stangenwalde eine deutsche Silber-
münze des 12, Jahrhunderis gefunden, die mit einem Ringe versehen, also wohl
49
(772)
als Schmuckstiick getragen war. Dieser Fund ist nicht direkt beweisend, da môg-
licherweise das Stück erst später zu einem Schmuck verarbeitet worden ist, aber,
zusammengehalten mit dem Funde von Wiskiauten (S. 763), wo neben livischen
und skandinavischen Formen auch arabische Münzen zu Tage gefördert wurden,
lässt sich die Frage wohl nicht abweisen, ob die Anwesenheit von Letten im Sam-
lande und auf der kurischen Nehrung nicht noch höher hinaufgerückt werden muss.
Da nach Bezzenberger selbst die tahmischen Elemente des nordwestkurlündischen
Dialekts aus Südwestkurland stammen (S. 114) so würde daraus ein mehr süd-
licher Ausgangspunkt der Colonisation, aber keineswegs ein geringeres Alter folgen.
Denn es genügt zur Lósung der Schwierigkeit die Annahme, dass in der Zeit, wo
die erste Auswanderung aus Südwestkurland erfolgie, auch dort die Sprache eine
noch mehr alterthümliche Fürbung hatte.
Vollkommen den Thatsachen entsprechend ist dagegen die Darsiellung des
Hrn. Bezzenberger, dass die Letten vorzugsweise Fischer und demnach auch
Schiffer waren, im Gegensatze zu den Litauern, und dass sie daher am meisten
sich dazu eigneten, wie jenseits Memel die Küste, so diesseits die Nehrung zu be-
setzen. Dabei ist indess zu bedenken, dass der wüste Zustand der N ehrung Acker-
bau und Viehzucht auf die engsten Grenzen beschränken musste, wenn auch viel-
leicht damals mehr Wald vorhanden war, und dass die Bewohner, wenn sie es
nicht schon vorher waren, sich nothgedrungen mehr und mehr zu Ichthyophagen
ausbilden mussten. Die Fahrten auf den weniger gefährlichen und überall der
Küste nahen Gewässern des Haffs konnten als eine wahre Navigationsschule auch
für solche Leute dienen, die aus dem Innern des Continents stammten.
|... Wir gewinnen somit von den Vülkerverschiebungen bis zur Ordenszeit das
Bild, dass Letten und Litauer sich von Norden, und Osten her immer mehr in das
Gebiet der Pruzzen hineingeschoben haben, indem sie das Haff beiderseits um-
fassten, so dass die Nehrung kurisch (lettisch), das Festland litauisch wurde. Das
Samland, das in der preussischen Geschichte stets eine so hervorragende Stellung
eingenommen hat, bildet dann gewissermaassen den Knotenpunkt, zu dem die
ôstlichen Einwanderungen in zwei getrennten Radien vorrückten. Der Umstand,
dass die Skandinaven das Land Samland und die Bewohner Sambi oder Same
nannten, deutet darauf hin, dass schon den Wikingern eine gewisse Kenntniss von
der Herkunft der Küstenbevölkerung beiwohnte.
Das einzige germanische Volk, welches in alter Zeit jenseits der Weichsel
genannt wird, sind die Gothen (Gothones bei Tacitus, lU8uve bei Ptole-
maeus, Guiones bei Plinius), welche in den beiden ersten Jahrhunderten auf
dem rechten Weichselufer wohnten. Bis auf Müllenhoff nahm man sie als uralte
Besiedler der Bernsteinküste, die schon Pytheas gekannt und besucht habe; der
grosse Germanist hat diesen Glauben, wie es scheint, auf immer zerstört, indem
er den Massalioten von der Ostsee ausschloss und die Gutones in Teutones ver-
wandelte (Deutsche Alterthumskunde 1870. I. 419). Fügt man sich dieser An-
nahme, so fragt es sich, wie lange das Volk an der gedachten Stelle gewohnt habe
und woher es gekommen sei, Die alte, von Jordanes erhaltene Heldensage lüsst
die Gothen in 3 Schiffen unter König Berich aus Skandinavien herüberfahren und in
der Gegend von Danzig landen; in dem einen der Schiffe seien die Gepiden ge-
kommen. Da weiterhin erzählt wird, dass die Auswanderung der Gothen aus
Preussen nach dem Süden unter Filimer, dem fünften Könige nach Berich, erfolgt
sei, so könnte die Einwanderung aus Skandinavien am Ende des ersten Jahrhunderts
nach Christi Geburt erfolgt sein oder höchstens kurz vor der Zeit, wo Plinius
und Tacitus ihre Werke schrieben. Allein die Heldensage wird von den gelehrten
(003)
Kritikern für unzuverlüssig gehalten, und man muss zugestehen, dass es sehr be-
denklich ist, wenn dieselbe Herkunft den Langobarden und den Sachsen zu-
geschrieben wird. Indess darf wohl an die Ausnahmestellung der Gothen auf dem
rechten Weichselufer erinnert werden, während sonst allgemein die Weichsel als
der östliche Grenzíluss der Germanen bezeichnet wird; ebenso an die zahlreichen
Gothennamen, welche schon früh in Skandinavien auftreten. Als dann im 3. Jahr-
hundert der Aufbruch des Gothenvolkes nach dem schwarzen Meere geschah, zogen
hinter ihnen auf ihrem rechten Flügel Gepiden, auf dem linken Heruler, ein gleich-
falls skandinavisches Volk (Müllenhoff IT. 91). Wenn ich darnach geneigt bin,
die skandinavische Tradition als ernsthaft diskutabel zu halten, so will ich doch
Nicht leugnen, dass sie erst nach einer eingehenden Prüfung an der Hand der
Alterthümer auf ihren wirklichen Werth zurückgeführt werden kann.
Wie weit die Gothen in Preussen ihre Sitze ausgebreitet hatten, ob der Name
Guitalus, welcher dem Pregel oder der Memel beigelegt wurde, auf sie hinweist,
und ob die Gudden, welche noch im spüthistorischer Zeit in Nadrauen und Scha-
lauen genannt werden (Zeuss S. 673), mit ihnen etwas zu thun hatten, muss dahin
gestellt bleiben. War im ersten und zweiten Jahrhundert das Samland im Besitz
der Aesten (Galindier, Sudiner), so wird man den Gothen eben nur die Uferbezirke
an der Weichsel und den Süden des Landes zuweisen können, von wo aus um
170 n. Chr. ihre ersten Schaaren den Siegeszug zum Dniepr antraten. In diese
Zeit aber fällt das grosse Gräberfeld der Téne-Zeit von Rondsen bei Graudenz,
Und nicht ohne Grund schreibt der glückliche Erforscher desselben, Hr. Anger,
dasselbe den Gothen zu (Das Grüberfeld zu Rondsen S. 69), nachdem schon
Hr. Lissauer (Denkmiüler S. 124) die Téne-Periode für Westpreussen bis zum
Jahre 900 n. Chr. ausgedehnt hatte. Ist das richtig, so wiirden die Gothen als die
eigentlichen Träger der Tène-Oultur jenseits der Weichsel anzusehen sein, und
Wir gewönnen zugleich in den Gräbern dieser Cultur Merkzeichen für die räum-
liche Ausbreitung des Volkes. Darnach zu urtheilen, müsste es mehr als zweifel-
haft erscheinen, ob dasselbe sich jemals über den grösseren Theil des preussischen
Landes ausgedehnt habe. Vielmehr müsste angenommen werden, dass die Gräber
der Perioden B und C von Tischler, welche der Zeit der römischen Kaiser bis
zum 3. Jahrhundert angehören, als Aestengrüber zu deuten wären.
Nach dem ausdrücklichen Zeugnisse von Jordanes waren die Gebiete um die
Weichselmündung gleichfalls im gothischen Besitz. Von den Gepiden führt er an:
COmmanebant in insula Visclae amnis vadis circumacta (nach Brosow hiess sie
Spesis), und er führt fori: Nunc eam, ut fertur, insulam gens Vividaria incolit, ipsis
ad meliores terras meantibus. Qui Vividarii ex diversis nationibus acsi in unum
aSylum collecti sunt et gentem fecisse noscuntur. Da dieser Passus mit der Angabe
eingeführt wird, die Vividarii oder, wahrscheinlich richtiger, Vidivarii hátien ge-
Wohnt ad litus Oceani, ubi tribus faucibus fluenta Vistulae fluminis ebibuntur, so
kann offenbar nur der Danziger Werder gemeint sein, und die Elemente, aus denen
die Vidivarier gemischt waren, miissen Gothen und Aesten gewesen sein. Der
Name Vidland oder Vitland, der noch zu Wulfstan’s Zeit, ja selbst im 13. Jahr-
hundert erhalten war, deutet nach den gelehrten Auseinandersetzungen Müllenhoff's
(II. 347) auf üstischen Ursprung. Wir werden also als sicher annehmen dürfen,
dss nach dem Abzuge der Gepiden und Gothen, von denen vielleicht hie und da
(Prone Reste zurückgeblieben sein mügen, das leer gewordene Land von Aesten
0 ruzzen) eingenommen wurde; nur die Gebiete an der Weichsel südlich von der
ssa diirften den Slaven (Wenden) zugefallen sein. So konnte schon Wulfstan
(774)
den Gegensatz von Veonodland und Vitland vorfinden, der uns in den Alterthümern
erhalten geblieben ist.
Was im Vitlande schon so frühzeitig geschah, das hat sich nachher, nament-
lich seit der Deutschordenszeit, in immer weiterem Maasse fortgesetzt: die
Mischung verschiedener ethnischer Elemente?) Leider ist die Geschichte
der deutschen Colonisation in Preussen aus den vorliegenden Publikationen, soweit
sie mir zugänglich waren, nur unvollstindig zu erkennen. An sich ist es ja sehr
wahrscheinlich, dass je nach der Herkunft der Hochmeister und der Grossgebietiger
des Ordens Landsleute derselben die leer gewordenen Räume fiillten, aber die
genauere Erforschung dieser Verhältnisse ist noch zu machen. Als ein vielleicht
nicht zu unterschätzender Behelf dazu dürfte das Studium der Haus- und Feld-
einrichtungen zu betrachten sein. In Betreff der Häuser werde ich einige Beiträge
liefern. Mögen sie für die Angehörigen der beiden Provinzen einen Anreiz zu
weiteren Forschungen darbieten!
Vorweg dürfte es jedoch von Bedeutung sein, an die Ergebnisse unserer Er-
hebung über die Farbe der Haut, der Haare und der Augen bei den Schulkindern
zu erinnern. Dieselbe ergab für die in Betracht kommenden Regierungsbezirke
Königsberg und Gumbinnen (Ostpreussen), Danzig und Marienwerder (West-
preussen) folgendes Procent-Verhüliniss:
Auf 100 Kinder mit
Reg-Borirk Beinblonder Reim brünettor "OMM Augeh blonden Haagen
Typus ypus braunen Àugen braunen Haaren
Kónigsberg. . . 40 9 42 30
Gumbinnen . . 40 9 41 32
Danzig . . . . 40 9 40 33
Marienwerder. . 3€ 16 84 z
Hier tritt zunächst ein scharfer Gegensatz zwischen dem Reg.-Bezirk Marien-
werder, der ein grosses Contingent slavischer Bevölkerungen umfasst und weit über
das linke Weichselufer nach Westen herübergreift, in die Erscheinung, während
bei den drei übrigen Bezirken, trotz der darin enthaltenen grossen Städte, genau
dieselben Zahlen ermittelt wurden. Noch mehr, als bei den reinen Typen,
macht sich dieser Gegensatz bei den Mischtypen geltend, indem von den Kindern
des Reg -Bezirks Marienwerder 84 pCt. der Mischlinge braune Augen und 44 braune
Haare zeigten.
Von den Kreisen wähle ich nur diejenigen aus, welche für die Erörterungen
dieses Berichtes eine besondere Bedeutung besitzen. Ich bemerke dabei, dass die
Halbinsel Hela zum Kreise Neustadt, die Weichsel- und Nogat-Niederung zu den
Landkreisen Danzig und Elbing, das Samland und der südliche Theil der kurischen
Nehrung zum Kreise Fischhausen gehören. Das alt-litauische Gebiet wird durch
die. Kreise. Memel, Heydekrug, Niederung, Tilsit, Ragnit und Pillkallen, das
slavische durch Kulm, Lóbau und Allenstein reprüsentirt.
1) Sehr bezeichnend ist für diese Betrachtung die Mischung im Kreise Pillkallen.
Die deutsche Bevölkerung daselbst besteht. aus Nachkommen salzburgischer, nassauischer,
magdeburgisch-halberstädter, pfälzischer, pommerscher, märkischer, anspachischer, hessi-
scher u.s. w. Familien, die durch König Friedrich Wilhelm I. herangezogen wurden
(Bezzenberger in Schnaubert, Neueste Beschreibung des Kreises Pillkallen, Pill-
kallen 1889).
(775)
Auf 100 Kinder mit
Kruse Rellene Tanger YESSY kommen at
ypus ypus braunen Augen braunen Haaren
Neustadt . . . 44 8 40 32
Danzig-Land . . 42 9 31 31
Elbing-Land . . A8 1 31 24
Kuim. . . . . 36 45 43
Lóbau . . . . 36 ! 48 38
Allenstein . « . 9€ 40 35
Fischhausen . - #4: 33 26
Labia . . . - 5? 33 24
Memel .. . . 46 40 21
Heydekrug. - - 43 | 34 26
Niederung . - - 44 \ 34 24
Tisi. . . e. 99 10 40 38
Ragnit . - - - 40 ' 31 28
Pillkallen . - A 42 22
Ich will mich hier nicht in eine zu weit gehende Erklàrung der Einzelheiten
einlassen. Insbesondere überlasse ich den Lokalforschern die Aufklärung darüber,
wie Tilsit zu Zahlen kommt, welche denen von Allenstein ganz nahe stehen;
sie deuten auf eine starke Mischung mit brünetten Leuten, die nur durch Kulm
und Löbau übertroffen wird. Immerhin mag erwähnt werden, dass die Stadt
Tilsit erst 1559 angelegt worden ist und dass auch die Besiedelung des um-
liegenden Landes sich sehr spät und langsam vollzogen hat.
Nehmen wir als Repräsentanten der deutschen Colonisation die Landkreise
Danzig und Elbing, denen sich übrigens Neustadt nahe anschliesst, so finden wir
den blonden Typus sowohl in seiner reinen Form (weisse Haut, blaue Augen,
blonde Haare), als auch in dem Verhältniss der blauen Augen und der blonden
Haare in den Mischformen am stärksten vertreten. Der Elbinger Landkreis hat
fast durchweg das reinste Blond.
, Aber die lettischen und litauischen Kreise, wenn wir von Milsit absehen, treten
ihnen unmittelbar an die Seite. Der rein brünette Typus hat überall niedrige, der
rein blonde hohe Zahlen, und auch die Mischlinge zeigen vorwiegend. helle
Complexion. Es stimmt das gena? überein mit den Angaben, die ich früher (Verh.
1871, S. 386) über die Letten gemacht habe, sowie mit dem, was zahlreiche Beob-
achter von den Litauern angeben. Auf Einzelheiten werde ich noch zurück-
kommen; hier mag es genügen, Zu constatiren, dass die Leiten, die Litauer
und wahrscheinlich auch. die eigentlichen Preussen chromatologisch
Mit den Germanen des Nordens zusammentreffen.
Meine eigenen Untersuchungen an Lebenden wurden an verschiedenen Orten,
zum Theil unter erschwerenden Umständen, angestellt. Es waren folgende:
, Ll Auf der Halbinsel Hela an 5 erwachsenen, sehr kräftigen Fischern
im besten Lebensalter. Ihren Familiennamen nach gehörten zwei (Kunkel und.
Hallmann) zu den Deutschen, die drei anderen (Walkows und Zuch) vielleicht zu
anderen Stimmen 1). Alle 5 waren grosse Männer: den grössten, Heinrich
Walkows, 34 Jahre alt und 1,882 m hoch, konnte ich leider nicht weiter messen.
Von den anderen war der zweite Walkows am grössten: 1,735 m; ihm stand am
nüchsten Zuch mit 1,702 m; die kleinsten waren Kunkel mii 1,678 und Hallmann
1) Ein Ort Walkowe wird in Litauen bei Insterburg genannt (Horn a. a. 0., S. 113).
(776)
mit 1,647 m. Die Kopfform war bei zwei (Hallmann und Zuch) ausgemacht
brachycephal (Index 84,8 und 80,0), bei den anderen stark mesocephal (Index
78,4 und 19,5, der Brachycephalie ganz nahe). Der Ohrhóhen-Index durchweg
cher niedrig, zwischen 57,5 und 61,6. Der Gesichtsindex schwankte: zweimal war
er leptoprosop (Index 91,6 und 89,8), zweimal chamaeprosop (Index 79,0 und 87,4),
jedoch bei Kunkel relativ hoch. Der Nasenindex ergab bei allen vier ein lep-
torrhines Maass (zwischen 96,8 und 68,5), am niedrigsten (56,8) bei Kunkel.
Das Kopfhaar bei Walkows blond, bei Hallmann dunkelbraun, bei den beiden
anderen schwarzbraun, jedoch bei Zuch der Bart blond; die Iris bei Walkows
hellblau, bei Zuch rein blau, bei Hallmann hellgraublau, bei Kunkel grünlichblau,
also vorwiegend blau; die Gesichisfarbe bei Hallmann bräunlich, bei Zuch durch
die Luft gebrüunt, bei Kunkel rosig, bei Walkows stark roth. Weitgehende
Schlüsse lassen sich daraus nicht ziehen. Es mag ausserdem bemerkt werden,
dass die Kinder ausgemacht blond und blauáugig waren.
IL. In Palmnicken im Samlande stellte mir Hr. Stadtrath Hagen mehrere
seiner Arbeiter zur Verfügung. Von diesen waren vier Litauer, nehmlich
1. Daniel Daszenies (spr. Daschenis), geb. 1866 in Uszlóknen, Kr. Heydekrug.
Sowohl Eltern, als Grosseltern sprechen nur litauisch. Er misst 1,708 m. Das
Haar ist hellbraun, die Iris hell, mit einer gelben Pupillarzone und einem
weissen Reticulum, beiderseits Spitzohr mit angewachsenen Ohrläppchen. Kopf-
index fast brachycephal: 79,5, Gesichtsindex chamaeprosop: 18,9.
Daniel Krutinnis, geb. 1835 in Jakischken, Kr. Heydekrug. Eltern und Gross-
eltern spechen nur litauisch. Er misst nur 1,598 m, ist dunkelblond, die Iris
wie bei dem vorigen, nur der gelbliche Ring um die Pupille stärker aus-
geprägt. Kopfindex brachycephal (82,5), Gesichisindex fast leptoprosop
(89,0).
Georg Abromeit, geb. 1846 in Szudnaggen, Kr. Memel. Der Vater spricht
etwas deutsch, Mutter und Grosseltern ausschliesslich litauisch. Er hat eine
Höhe von 1,7 m, dunkelbraunes Kopfhaar, die Iris dunkelblaugrau mit gelbem
Pupillarring und hellem Rete, Ohrläppchen angewachsen. Kopfindex brachy-
cephal (80,4), Gesichtsindex chamaeprosop (78,6).
Adam Wabbel, geb. 1847 in Russ. Sein Vater spricht etwas deutsch, Mutter
und Grosseltern ausschliesslich litauisch. Er hat eine Höhe von 1,645 m, hell-
braunes Kopfhaar, eine sehr helle Iris mit ganz weisslichem, jedoch durch
einen dunklen Rand abgegrenzten Innenring. Rechts Cataract. Ohrlüppchen
nur wenig abgesetzt.
Ausserdem führte mir Hr. Hagen nocb einen, von deutschen Eltern stammenden
Samländer zu: |
5. Der 21jährige Mann war zu Sorgenau im Kreise Fischhausen geboren, 1,69 m
hoch. Kopfhaar dunkelblond (hellbraun), Iris weisslichblau, Ohrlüppchen an-
gewachsen. Kopfindex 80,6, brachycephal, Gesichtsindex 82,9, chamae-
prosop.
Alle diese Leute, auch den Samländer nicht ausgeschlossen, zeigten in den
anthropologischen Merkmalen grosse Uebereinstimmung, Die grösste Breite des
Schädels. war bei allen parietal, zwischen 144 und 156 mm; die minimale Stirn-
breite beträchtlich, meist zwischen 111 und 113 mm, nur bei Abromeit 191 mm.
Der Nasenindex leptorrhin, zwischen 61,4 (bei dem Samländer) und 68,9, nur
bei Daszenies mesorrhin (70,5).
In hohem Maasse überraschte mich die Beschaffenheit der Iris bei den
Litauern. Dieselbe zeigte einen blauen Untergrund, meist blass- oder fast Wasser-
(777)
blau; darüber legte sich ein loses Netzwerk (Reticulum) von vollständig un-
gefärbten und daher weiss erscheinenden Fasern, welches vorzugsweise den mitt-
leren (intermediären) Theil des Iris-Ringes einnahm und nur die Ränder freiliess.
Dafür war die Pupillarzone der Iris stärker gefärbt durch hellbraunes Pigment,
Welches im Ganzen einen gelben Eindruck hervorbrachte, wie er von den Gothen
behauptet ist.
II. Die nächsten Messungen geschahen in Nidden, einem kleinen Fischer-
dorfe auf der kurischen Nehrung, unter gütiger Vermittelung des Hrn.
Bezzenberger. Sämmtliche Personen waren der Angabe nach Kuren, die
Männer Fischer.
l. Hans Peleikis, 60 Jahre ali, stammt aus dem verschüiteten Dorfe Alt-Negeln.
Er ist 1,787 m hoch, stark gebaut und kräftig. Das Kopfhaar dunkelblond
(hellbraun), die Iris dunkelblau, mit einem weisslichen Reticulum bedeckt.
Ohrläppchen grossentheils angewachsen. Kopfindex brachycephal (84,8), der
Ohrhöhen-Index orthocephal (62,1). Der Kopf macht den Eindruck eines
Kephalonen: Horizontalumfang 588 mm, grösste horizontale Länge 198, grösste
parietale Breite 168, basilare Länge 136, Stirnbreite 113 mm. Gesichtsindex
chamaeprosop (82,2), wegen der. Grösse der Distanz der stark vorstehenden
Wangenbeine, bezw. Jochbogen. Nase gross, lang, mässig breit, leptorrhin
(61,2).
Fritz Früse, 46 Jahr alt, abgebildet bei Bezzenberger (Die kurische Nehrung,
S. 120), gleichfalls sehr gross, 1,768 mm. Kopfhaar hellbraun, Iris hellblau
mit lichter Pupillarzone. Kopfindex brachycephal (82,6), Ohrhóhen-Index
orthocephal (61,0). Horizontalumfang 565, horizontale Lünge 190, parietale
Breite 157, basilare Länge 125 mm. Gesichtsindex chamaeprosop (82,9),
Jugaldistanz 147 mm. Nasenindex hyperleptorrhin (59,0).
Marie Zander, geb. Peleikis, entfernte Verwandte von Nr. 1; ihre Urgrossmutter
soll in Sarkau, Grossvater und Mutter in Alt-Negeln gelebt haben. Sie ist
46 Jahre alt, hat kastanienbraunes Haar, eine blaue Tris mit weissem Ringe
und eine helle Hautfarbe mit rothen Backen. Ihre Grösse beträgt nur 1,565 m.
Kopfindex 81,4, brachycephal; Ohrhöhen-Index 59,0, chamaecephal. Ge-
sichtsindex 72,2, ultrachamaeprosop. Nasenindex hyperleptorrhin (56,8).
Johann Tschakau, 67 Jahre alt, in Nidden geboren, zeigt ein ganz anderes
Gesicht. Er ist nur 1,581 m hoch. Sein Kopfhaar ist dunkelbraun, die Haut
selbst bräunlich, die Iris grünlichblau mit zahlreichen braunen Flecken. Ohr-
läppchen etwas angewachsen. Kopfindex 80,6, brachycephal, dagegen der
Gesichtsindex 92,0, also leptoprosop; Jugaldistanz nur 138 mm. Nasenindex
leptorrhin, 62,5. Wahrscheinlich ist der Mann nicht von rein kurischem
lute.
, Im Uebrigen hatten alle Personen den gleichen Typus, der bei den Männern
Vielfach an das Aussehen amerikanischer Rothhäute erinnerte. Die meist braunen
Haare waren etwas dünn, leicht wellig, häufig zottelig. Besonders bemerkens-
Geh schien mir die grosse und volle, fast ganz gewülbte Stirn, das sehr breite
p, eh, die lange und trotz ihrer Stärke schmale Nase, Man vergl. übrigens die
Orträts einer Frau und mehrerer Müdchen bei Bezzenberger, S. 121, 122.
" IV. Eine fernere Reihe von Messungen veranstaltete ich in Schwarzort,
be, egenwirtig grüssten Ort der kurischen Nehrung. Mit Hülfe der HHrn. Bezzen-
ihid und Stellmacher wurden diejenigen Familien ausgesucht, welche als die
ee. en und reinsten unter der kurischen Bevölkerung galten. Indess ergaben
doch nicht selten Beziehungen zu dem litauischen Ufer, namentlich im Folge
ces
von Heirathen. Eine absolute Sicherheit dürfte sich wohl kaum erzielen lassen.
Es handelte sich durchweg um Fischerfamilien.
l. Lauzening, 71 Jahre alt, von dem benachbarten Karweiten gebürtig, hat sich in
die Wirthschaft eingeheirathet. Er ist 1,672 m hoch, noch sehr kräftig und in
voller Arbeit. Seine Zähne sind noch vollständig, sein freilich ergrautes Haar
voll und lockig, der Bart stark, rasirt. Kopfindex 84,1, brachycephal;
Ohrhóhen-Index 63,9, orthocephal. Gesichtsindex chamaeprosop (87,0),
wegen der Breite der Jugaldistanz (147 mm). Nase gross, gerade, Spitze etwas
dick, Index leptorrhin (62,7).
' BSaküt (ein auf der Nehrung und dem Festlande 7 sehr háüufiger Name),
48 Jahre alt, stammt aus einer alten Schwarzorter Familie, ist auch daselbst
geboren. Seine Mutter, eine geb. Pietsch, war von Karweiten. Er ist ein
kriftiger und sehr grosser Mann, 1,774 m hoch, breit gebaut, von dunkel-
braunem Haar, das auf der Stirn etwas dünn geworden ist, und eher heller
Haut. Seine Iris ist fast gelb, mit einem grossen hellen Ring um die Pupille,
aber ohne Reticulum. Kopfindex mesocephal, 79,6; Ohrhöhen-Index cha-
maecephal, 59,3. Auch der Gesichtsindex chamaeprosop, 78,5, trotzdem
die Nase leptorrhin, 67,9.
Marike Saküt, die Frau von Nr 2 und die Tochter von Nr. 1, 50 Jahr alt, eine
hübsche Frau mit langem, dunkelbraunem, leicht ergrauendem Kopfhaar und
blauen, etwas schwachen Augen ohne weisse Ringe. Sie ist brachy- und
orthocephal (Kopfindex 82,4, Ohrhôhen-Index 62,7), wie ihr Vater, und
ebenso, trotz ihres scheinbar schmalen Gesichts, chamaeprosop (88,1) und
leptorrhin (64,8) Ihre Kórperhóhe betrügt 1,52 m.
Ihre Schwägerin, die Schwester von Saküt, ist mit einem Mann von »jener*
Seite, aus Kinthen (nicht weit von Prókuls), Namens Kumbertzky, verheirathet.
Sie ist 46 Jahre alt, nur 1,482 m hoch, aber stark und kräftig gebaut, sehr
energisch und aufmerksam, von etwas vollen Formen, kurz und breit. Ihr
Haar ist dunkelbraun, die Haut bräunlich, die Wangen geröthet, die Iris blau,
mit lichtem, braunem Ringe. Kopf- und Ohrhöhen-Index orthob rachy-
cephal (80,3 und 60,6). Gesichtsindex ultrachamaeprosop (75,0). Nasen-
index mesorrhin (76,5).
Michel Peleikis, nicht verwandt mit dem Niddener Nr. 1, 67 Jahre alt, 1,661 m
hoch, hat spärliches, braunes, etwas grau gewordenes Haar, lichte Haut und
licht hellblaue, fast weisse Iris. Seine Kopfform ist chamaemesocephal
(Kopfindex 77,8, Ohrhóhen-Index 98,4), wie bei Sakát (Nr. 2), dagegen ist er
chamaeprosop (77,7) und mesorrhin (75,9), wie Frau Kumbertzky.
Wilhelmine Lauzening, geb. Pietsch, aus Karweiten, die Schwiegertochter
von Nr. 1, 39 Jahre alt. Ihre Mutter war eine Litauerin von Klisch auf der
„anderen Seite“. Sie ist eine stramme Frau von 1,647 m Hôhe, mit schônem
braunem Haar, bräunlicher Haut und weisslich blauer Iris mit ungefärbter
Deckschicht. Ohrläppchen fehlen. Sie ist chamaebrachycephal (Kopf-
index 82,4, Ohrhóhen-Index 59,5), chamaeprosop (843) und leptorrhin
(65,8). Ihr horizontaler Kopfumfang misst, wie bei dem Ehepaar Saküt (Nr. 2
und 3) 560 mm.
Anna Peleikis, Tochter von Nr. 5, unverheirathet, 32 Jahre alt, 1,525 m hoch.
Braunes Haar, Iris graublau, ohne Reticulum, mit leicht gelblicher Pupillar-
zone. Ohr ohne Läppchen. Stirn vorgewölbt. Sie ist chamaemesocephal
1) Ein Dorf Sackutten liegt im südlichsten Theile des Kreises Memel.
NH
(C
(K.-I. 78,6, O.-H.-T. 58,4), ultrachamaeprosop (77,7) und hoch leptorrhin
(68,7).
Anna Piktschuss, 17 Jahr alt, zierlich, anämisch, 1,559 m hoch. Haar dunkel-
blond; Iris bräunlichblan, mit einer Pigmentlage um die Pupille und einem
leicht weisslichen Intermediürringe. Ohr fein, aber ohne Läppchen. Sie ist
hypsibrachycephal (K.-I. 87,9, O.-H -J. 68,3), chamaeprosop (68,1) und
leptorrhin (64,5).
. Trotz nicht unerheblicher individueller und Familien-Variation, die in der
üusseren Erscheinung stark hervortrat, sind die Indices doch ungewóhnlich gleich-
arlig, Unter 8 kurischen Köpfen waren nur 2 mesocephale, jedoch mit hohen Indices
(79,6 und 78,6), die der Brachycephalie sehr nahe stehen. Ebenso fanden sich
2 mesorrhine (76,5 und 75,9). Ein sexueller Einfluss war nicht zu erkennen.
. V. Die folgende Station war das Gut Lóbarten, südüostl. von Memel, im
eigentlichen Litauen. Hr. Ritterguisbesitzer Scheu besorgte mit der grössten
Liebenswürdigkeit nicht nur das Material zu den Messungen, sondern auch einen
Stossen Süngerinnenchor, um uns die nationalen Weisen (Deinos) vortragen zu
lassen und die Kostüme zu zeigen. Es isi dies die Gegend, aus der noch in
Neuester Zeit ein Zug berittener Litauerinnen (nach Männerart reitend) dem Kaiser
Vorgeführt wurde.
L Kristup Laukstins, 52 Jahre alt, 1,704 m hoch. Kopfhaar hellbraun, Hautfarbe
hell, Tris hellblau mit weissem Netz. Kopfform orthobrachycephal (K.-I.
847, O.-H.-L. 64,5). Gesicht chamaeprosop (Index 81,8). Nasenindex lep-
torrhin (56,6). Jugaldistanz 148, Unterkieferwinkel-Distanz 114 mm.
Isze Janéikis, ein 17jähriges, 1,616 m hohes Mädchen mit dunkelbraunem
Kopfhaar, heller Haut und blauer Iris, letztere mit gelber Pupillarzone und
weissem Netz. Kopfform chamaebrachycephal (Br.-I. 82,4, O.-H.-I. 58,8).
Gesicht chamaeprosop (858), Nase ultraleptorrhin (53,9). Sehr breite
Stirn (110 mun in minimo); Horizontalumfang (wegen des starken Haares zu
gross) 560 mun.
Martin Grausdís, 27 Jahre alt, nur 1,664 m hoch, mit dunkelbraunem Haar und
heller Haut, Iris ziemlich blau mit gelbbrauner Pupillarzone. Ohrläppchen
fast ganz frei. Kopfform hypsibrachycephal (Br.-L 82,8, O.-H.-I. 68,9).
Gesicht chamaeprosop (85,0), Nase hyperleptorrhin (58,0). Jugaldistanz
gross (140 mm), die grösste Breite nahe am Ohr. Malarbreite mässig (91 mm),
dagegen Kieferwinkel-Distanz sehr gross (117 mm). Das Gesicht nach unten
konisch, mit stark vortretendem Kinn, die Kieferwinkel nach auswärts vor-
Springend.
Mare Skrandis, ein 19jähriges Mädchen von 1,604 m Höhe, sehr kräftig, dunkel-
blond, von heller Hautfarbe, Iris hellblau mit gelbem Innenrand und weissem
Netzwerk. Kopfform orthomesocephal (Br.-L. 76,2, O.-H.-I. 61,8), mit hohem
Hinterkopf. Gesicht chamaeprosop (80,4), Nase leptorrhin (60,7). Grosse
basilare Länge (111 mm), gr0SSC Jochbogenbreite (138 mm).
Jurgis (Georg) Szernis, 33 Jahre alt, 1,613 m hoch. Kopfhaar röthlich blond,
Hautfarbe hell, Wangen geröthet, Iris blau mit weissem Netz. Kopfform
orthodolichocephal (Br.-I. 18,2, O.-H.-L. 61,8), mit hohem Hinterkopf. Ge-
waltige Basilarlinge (122 mm), grosser Horizontalumfang (544 mm), starke
ane (141 mm). Gesicht chamaeprosop (87,9), Nase leptorrhin
Ilsze Szernís, die Schwester von Nr. 5, 28 Jahre alt, 1,511 mm hoch. Kopfhaar
dunkelblond. Haut sehr hell, Iris hellblau mit weissem Netz. Kopfform von
(19)
(780)
der des Bruders ganz abweichend, chamaebrachycephal (Br.-I. 83,1, O.-H.-I-
26,1), aber auch hier grosse basilare Lünge (115 mm). Gesicht leptoprosop
(90,0), dagegen die Nase mesorrhin (Index 72,3). Kieferwinkel-Distanz klein
(97 mm).
Isze Schulkis, 29 Jahre alt, zu der brünetten Varietit gehôrig, von stumpfem
Verhalien, 1,548 m hoch. Kopfhaar dunkelbraun, Haut bräunlich, Iris gelblich
mit blauem Innenrand und weissem Netz. Kopfform orthomesocephal (BrI-
(9,7, O.-H.-I. 63,8). Gesicht chamaeprosop (86,9), Nase leptorrhin (66,0),
dick, mit breiten Flügeln.
" llsze Alksnís, geb. Taléikis, 46 Jahre alt. Kopfhaar dunkelbraun, Haut hell-
bráunlich, Iris dunkelblau. Kopfform sehr abweichend, fast ,thurmartig*, mit
schrüg abgeflachtem Mittel- und steil abfallendem Hinterkopf, daher die Indices
unsicher: Kopfindex 85,7, brachycephal; Ohrhóhenindex 64,6, orthocephal.
Gesicht ultrachamaeprosop (73,9), Nase hyperleptorrhin, Index 59,6.
Die Mehrzahl der Lôbartener Leute hatte keine abgesetzten Ohrläppchen.
VI. Von Lóbarten aus begaben wir uns in die Forst von Szernen, etwas
weiter südlich, wo Hr. Bezzenberger eben beschäftigt war, Gräber der römischen
Zeit zu öffnen. Er hatte die grosse Freundlichkeit, mir einige seiner Arbeiter zu-
zuführen.
1. Johns Salomons, 67 Jahre alt, mittelgross. Kopfhaar dunkelbraun, etwas grau
gemischt. Iris braun, mit weissem Netz und hellbrauner Pupillarzone. Kopf-
form chamaebrachycephal (Br.-I. 82,6, O.-H..I. 58,9). Gesicht chamae-
prosop, Jugaldistanz 135 mm. Nase leptorrhin, 62,9. Kieferwinkel-Distanz
klein, 99 mm.
Martin Liebiszkis, 71 Jahre alt, aber noch riistig und arbeitsfrisch, gross, mit
dunkelbraunem Haar, Iris blau mit weissem Netz. Kopfform hypsibrachy-
cephal (Br.-I. 87,1, O.-H.-1. 65,7). Grosser Horizontalumfang (530 mm). Gesicht
chamaeprosop (81,4). Nase mesorrhin (11,1). Jochbreite (143 mm) und
Unterkieferwinkel-Distanz (106) betrüchtlich.
Adam Baldruschat, 56 Jahre alt, gross, gehört auch der dunklen Varietät an.
Kopfhaar fast schwarz, Iris bräunlich mit stark braunem Reticulum. Kopf-
form chamaebrachycephal (Br.-I. 87,1, O.-H.-I. 56,4), ziemlich ähnlich den
Zahlen von Nr. 1, mit dem auch der chamaeprosope Index (82,8) stimmt.
Im Uebrigen ist der Horizontalumfang betrüchtlich (940 mm), die Kiefer-
winkel herausgeschoben (110 mm). Nasenindex auf der Grenze von Meso-
und Leptorrhinie: Index 69,2.
Die vorliegende Untersuchung umfasst 15 Litauer, darunter 5 Frauen. Dahin
gehören die unter II. aufgeführten 4 Männer, die in Palmnicken gemessen wurden
und aus der Gegend von Heydekrug, Memel und Russ stammten, also aus der-
selben Gegend, welche ich später selbst bereiste, und aus Welcher 8 Personen,
darunter 5 Frauen, in Löbarten, 3 Männer im Forst von Szernen untersucht
wurden. Natürlich sind keine weit zurückgehenden Nachforschungen über ihre
Herkunft angestellt worden, aber die besten Kenner des Volksstammes standen
mir zur Seite und das Material darf wohl als ein verhältnissmässig reines be-
trachtet werden. Ich sah begreiflicherweise ausserdem viele Personen in den
Häusern und konnte so wenigstens dem äussern Eindruck nach das kontroliren,
was die genauere Einzeluntersuchung gelehrt hatte.
Darnach kann ich bestätigen, was seit jeher über die Litauer gesagt ist, dass
es eine kräftige, überwiegend dem blonden Typus zugehörige Menschen-
(1913
art ist. Der alte Pfarrer Praetorius ([ 1684) berichtet von ihnen, sie hätten
»graue, fast ins gelbe fallende Augen, eine weissrothe, ófter brüunliche Farbe der
Haut und schlichte, gelbe Haare, die sie, ein Zeichen der Unfreiheit, kurz tragen“
(Ad. Rogge, Der preussische Litauer des 16. und 17. Jahrhunderts. Insterburg
1886. L g. 5) Hr. Horn (a. a. 0. S. 77) sagt speciell von den Frauen und
Mädchen, sie seien ebenso kräftig und wohlgepflegt (wie die Männer). „Die Nase
ist klein und gestülpt, die vollen Wangen haben einen Anflug ins Bräunliche, die
Lippen roth und feurig.“
Die Haarfarbe der von mir untersuchten Erwachsenen war überwiegend
dunkelbraun (in 7 Fällen); nächstdem habe ich in gleicher Zahl (je 3 Fälle) hell-
braun und dunkelblond notirt; nur einmal sah ich rothlichblondes und. einmal fast
Schwarzes Kopfhaar. Aber die Kinder waren simmtlich blond, nicht selten weiss-
lich blond, und auch das nachgedunkelte Haar der Erwachsenen liess den hellen
Schimmer im vollen Licht oft genug erkennen. Am meisten zeugte der Bart für
die ursprünglich blonde Beschaffenheit des Haares.
Damit harmonirte die Haut, welche selbst bei diesen, fast immer der Luft und
dem Lichte ausgesetzten Leuten ein ungewöhnlich helles Colorit, zumal an den
bedeckten Theilen, bewahrt hatte. Häufig war das „Weiss“, besonders bei weib-
lichen Individuen, ungemein zart. Bei älteren Frauen stellte sich freilich ein
Schmutziges, bräunliches oder gelbliches Aussehen her. Indess gab es auch ein-
Zelne Personen, welche ein mehr ausgeprägtes Braun zeigten, und es mag wohl
Sein, dass, wie Hr. Bezzenberger annimmt, eine braune Varietät unter den
Litauern vorkommt. Der zuletzt aufgeführte Mann von Szernen mag als Beispiel
dienen. Wer kann wissen, woher diese Farbe stammt? Jedenfalls ist sie nicht
die Regel.
Am meisten überraschte mich die Farbe der Augen. Der alte Praetorius
Nennt sie „grau, fast ins Gelbe fallend“, gewiss sehr zutreffend, aber auch,
Schr charakteristisch. Wie aus den Einzelaufnahmen hervorgeht, hing dieses Merk-
Mal mit bestimmten anatomischen Eigenthümlichkeiten der Iris zusammen. In
dieser Beziehung ist zweierlei zu erwähnen. Erstens fand sich bei der Mehrzahl
der Leute eine eigenthümliche, ungefürbte und daher weisslich erscheinende Deck-
Schicht, welche in bald breiterer, bald schmälerer Ausbreitung den mittleren Theil
des lris-Ringes bedeckte und sowohl den pupillaren, als den lateralen Rand frei
liess, Ich habe diese Schicht als Reticulum oder Netzwerk bezeichnet, weil sie
bei eenauerer Betrachtung aus einem maschigen Gewebe bestand, dessen Faserzüge
?u zahlreichen Knotenpunkten zusammentraten, Da, wo die Maschenrüume lagen,
Schimmerte die meist blaue oder bläuliche tiefere Lage der Iris durch, während.
die Fäden und Netze selbst durch ihre Undurchsichtigkeit und Farblosigkeit einen
Sr 'sslichen Schimmer erzeugten. Trat das Pigment aus der Tiefe weiter herauf,
ro gab es einen griinlichen oder gelblichen Schimmer; zuweilen sah man aber das
ein Blau der Tiefe zwischen dem Weiss der Oberfläche durchleuchten. Zweitens
dur. N sich um die Pupille herum eine marginale Zone, welche nicht gedeckt war
oe dos Reticulum, und gerade hier trat eine stärkere, am häufigsten eine gelbe
Auch raune Pigmentirung hervor, zuweilen durch kleine braune Häufchen verstärkt.
und A "a aterale Theil der Iris zeigte ähnliche Verhältnisse, mur nicht so scharf
Auge N en äusseren Eindruck bestimmend. So wird es begreiflich, dass dasselbe
od em einen blau oder blüulich oder blaugrau, dem andern grünlich, gelblich
9der selbst gelb erscheinen kann?).
Schul n habe diese Verhältnisse in der Einleitung zu meinem Bericht über die deutsche
ung S. 14 erörtert.
da
(782)
É
Dieser Zustand hat unverkennbar etwas Albinistisches an sich: er wt
auf einem Mangel an Farbstoff in den äusseren oder vorderen Theilen "pin
Trotzdem haben die Augen der Litauer nichts von den Eigenschaften der À und
an sich: sie sind weder lichtscheu, noch unruhig, die Pupille ist rein schwa? en
nichts deutet darauf hin, dass irgend ein anderer Theil des Auges an dem P a
mangel theilhat. Der Zustand ist eben eine extreme Steigerung des bens pde
standes, wie das gelbliche Weiss des Haares eine Steigerung des blonden Tus mer
darstellt. Merkwürdig genug ist es zu sehen, wie hier Haar und Augen gusan! de
wirken, um jenen Eindruck der ÉavBérsc, welchen die alten Schriftsteller 9?
nordischen Vólkern einmüthig hervorheben, zu erzeugen. po di
Nüchst der Complexion der farbigen Aussentheile war es vorzugs wok gy
Körpergrösse, welche stets die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich 08- uni
dieses Merkmal ist bei den Litauern vorhanden. Ich fand .im Mittel 1.708
7 Männern 1,661, unter 5 Frauen 1,573 m. Von den Männern hatte einer 1.616
ein zweiter 1,704, ein dritter 1,700 m. Die grösste unter den Frauen maas® “
die nächste 1,604 m. e pig?
Indess keines dieser Merkmale ist den Litauern allein eigen. Mehr oder motif
fand ich sie auch bei den Kuren (Letten). Was z. B. die Korpergrosse 546
so betrug sie im Mittel unter 7 kurischen Männern 1,707, unter 5 Frauen 1, j 4h
Die grössten Männer hatten 1,787, — 1,774, — 1,768, die gróssten Frauen hob?
— 1,559 m. Dass gegenüber den Litauern eine etwas grössere Anzahl Has
Staturen vorkam, mag durch die Auswahl der Leute bewirkt sein. De viré
farbe war bei den Erwachsenen überwiegend braun, jedoch bei Keinem o
lich; bei einigen hellbraun oder dunkelblond, meist jedoch dunkelbraun- einig?
den Schulkindern in Schwarzort traf ich zwei rothhaarige Geschwister und A ag?
braunhaarige Knaben; sonst waren alle blond, zum Theil fahlblond. Die pror?
zeigien gróssere Variation, jedoch innerhalb der hellen Fürbung; bei me pne"
Müdchen konnte ich ein weissliches Netz an der Vorderseite der Iris erk®
Bei den Erwachsenen war ein ausgemachtes Reticulum seltner, als bei den Lie ein?
aber es fanden sich ein Paar vortreffliche Specimina davon. Fast alle zeig! po
sehr ungleichmässige Färbung der Iris, nehmlich eine gelbliche oder prim, qu
Pupillarzone; bei einem schien die Farbe fast rein gelb zu sein, Die Hau
bei einigen mehr brüunlich, bei der Mehrzahl aber ganz hell.
Nicht anders verhält es sich mit den Kopfmaassen:
l. Der Lüngenbreitenindex ergab unier
12 Kuren (5 Frauen) 15 Litauern (5 Frauen)
Brachycephale . . 9, darunter 4 Frauen 12, darunter 3 Fraue?
Mesocephale . . 3, » 1 Frau 2, » 2 2
Dolichocephale. . — — 1 —
?. Der Ohrhóhenindex?) zeigte
Orthocephale . . 5, darunter 2 Frauen 5, darunter 3 Fraue?
Chamaecephale . 5, » 2 » 4, » 2»
Hypsicephale . . 2, » 1 Frau 2
3. Der Gesichtsindex:
Chamaeprosope. . 11, darunter 5 Frauen 14, darunter 5 Fraue?
Leptoprosope . . 1 1 - "
—- 4 We
1) Da ich in Palmnicken meine Messinstrumente nicht mithatte und mich m N ie
zeugen aus der Werkstatt durchhelfen musste, so konnte bei den dort untersu 7 ue
Litauern die Ohrhóhe nicht bestimmt werden. Somit erscheinen hier nur die 11
von Lóbarten und Szernen
(783)
*- Der Nasenindex:
péptorrhine ; . … 10, darunter 4 Frauen 11, darunter 4 Frauen
Wi €sorrhine . . . 2, ^ ] Frau 4, , 1 Frau
Vase. ersichtlich, variirt eigentlich nur der Ohrhóhenindex in erheblichem
War, ap dem nahezu die eine Hälfte der Köpfe ortho-, die andere chamaecephal
der Me "dies gilt für beide Stämme in gleichem Maasse. Die an sich kleine Zahl
Anden ML ist bei den Kuren im Verhältniss etwas grösser; umgekehrt
Sedo, ne unter den Litauern etwas mehr Mesorrhine. Im Ganzen erwies sich
War, als er Typus beider Stimme, soweit er aus diesen Messungen Zu erkennen
Auf Yorwiegend brachycephal, chamaeprosop und leptorrhin.
Sein, das Weitere Details möchte ich hier nicht eingehen. Es mag nur erwähnt
ROM (Br ich bei der Nase nach meinem Schema 4 Durchmesser notirt habe: die
Yon dep mung des Septum von der Wurzel), die Linge (Entfernung der Spitze
Mya n urzel), die Breite (Entfernung der Flügelansätze von einander) und die
demtion (Entfernung der Spitze vom Ansatze der Scheidewand). Letztere zeigt
Di grosse Variation.
die 4 s, esszahlen gebe ich in tabellarischen Uebersichten, denen ich zugleich
dig Shan besprochenen Indices anfüge. Zur Vergleichung móchte ich noch auf
Shy CLV erhalinisse hinweisen. Damit komme ich freilich auf ein sehr
Die Zah Gebiet und ich verzichte im Voraus darauf, es völlig aufzuklären.
Russian q der untersuchten Schädel aus Preussen und den baltischen. Provinzen
Meine Pes ist eine ziemlich grosse. Ich selbst habe, als ich im Jahre 1877 über
Über m nach Livland Bericht erstattete, eine möglichst vollständige Uebersicht
damais älteren Angaben und über meine eigenen Ergebnisse geliefert, Aber auch
dagg An es mir nicht möglich, die osteologische Forschung so weit zu bringen,
Finnen Scharfe typische Unterschiede der Schädel von Letten, Litauern und
Arbeit (Liven, Esten) zu bezeichnen vermocht hätte. Meine ziemlich umfangreiche
Weitere, ui in unseren Verhandlungen 1871, S. 369 fg. Seitdem ist eine Reihe
"Beste. niersuchungen sowohl m den russischen Ostseeprovinzen, als in Preussen
Gebiet b worden. Ich. beschränke mich für jetzt auf die letzteren, da sie dasselbe
Obengy, ellen, mit dem ich mich so eben beschäftigt habe. Unter ihnen steht
Konig ie Arbeit der HHrn. C. Kupffer und F. Bessel-Hagen über die in den
legs, PCT Sammlungen befindlichen Sehidel (Nr. IV. der Berichte über die
dem Re anthropologischen Sammlungen). Sie behandelt 16 litauische Schädel aus
Nora Bez. Gumbinnen und 49 als lettisch bezeichnete von der Kurischen
des Ber Unter diesen befinden sich 5 von einem alten Kirchhof. am Abhange
eig T^ Siehwit bei Rossitten, 15 von einem anderen Kirchhofe bei Kunzen,
hofe vo S in der Nähe von Rossitten, 7 von dem früher (S. 763) erwähnten Kirch-
Nühe To Stangenwalde und 22 von einem alten Kirchhofe bei Lattenwalde in der
Eine Sarkau, also sümmilich aus dem südlichen Theile der Nehrung.
Belfer. Nachtriige dazu hat Hr. W. Sommer (Zeitschr. fiir Ethn. 1883, S. 65)
Ang], o indem er 3 Schädel von Pillkoppen und 2 von Kunzen einer genaueren
Konnte ng, Von den ersteren waren 2 dolicho-, | mesocephal; von Kunzen
Rossitton ' einer bestimmt werden: er war mesocephal. Ein Paar Schüdel von
Zeitschr berührt auch Hr. Lissauer in_seiner Arbeit über die Crania prussica
Da. { Ethn. 1874, S. 219).
D ussergebniss der HHrn. Kupffer und Hagen über die kurischen
hoe a] > folgendes: Von 46 in Rechnung gezogenen Schüdeln waren 9 do-
Weicht vou 25 mesocephal und 12 brachycephal = 19,6 — 54,3 — 26,1 pCt. Das
1 meinen Messungen an Lebenden sehr erheblich ab. Etwas anders
(784)
stellt sich die Sache, wenn man die einzelnen Fundpliitze, die doch zeitlich nicht
wenig von einander abweichen dürften, fiir sich betrachtet. Ich habe nach der
Reduktionstabelle des Hrn. Welcker die Lüngenbreitenindices ausgeschrieben und
stelle sie nachstehend zusammen:
1. Skielwit 2. Kunzen 3. Stangenwalde 4. Lattenwalde
76,2 79,9 74,1 78,3
77,5 81,1 78,2 76,7
77,2 78,3 73,8 74,1
77,6 82,7 69,1 87,9
82,7 80,1 70,7 73,8
76,1 76,7 76,4
77,8 81,1 77,2
74,7 81,6
83,4 76,6
78,7 19,7
73,4 73,1
81,0 79,0
75,4
82,3
75,4
79,1
77,7
80,7
80,2
77,9
79,1
Ordnet man darnach die einzelnen Formen topographisch, wobei ich mir er-
laube, die Indices von 79,7 und 19,9 = 80 zu nehmen, so erhält man für
Skielwit Kunzen Stangenwalde Lattenwalde Summa
Brachycephale ı 6 14
Mesocephale 4 12 22
Dolichocephale — 3 9
Hiernach stellt sich heraus, dass Stangenwalde von dem gegenwiirtigen Zu-
stande am meisten abweicht, indem unter 7 Schädeln nur ein brachycephaler, da-
gegen 4 mesocephale sind. Gerade umgekehrt verhält es sich mit Kunzen, wo
unter 12 Schädeln 6 brachycephale und nur 2 dolichocephale vorkamen, also ein
Verhältniss, welches dem gegenwärtigen schon sehr viel näher liegt, Nächstdem
ist Skielwit zu nennen, wo überhaupt kein dolichocephaler zu Tage kam, und
dann Lattenwalde, wo von 21 Schädeln mehr als die Hälfte, nehmlich 12, meso-
cephal, mehr als ein Viertel, nehmlich 6, brachycephal und nur 3 dolichocephal
waren. Ps mag sein, dass der Zufall hier sein Wesen getrieben hat, aber der ist
ja in diesen Untersuchungen nirgends ausgeschlossen. Immerhin bleibt die That-
Sache bestehen, dass von den aufgeführten 45 Schüdelindices 31,1 pOt. brachy-
cephal, 48,8 pCt. mesocephal und nur 20,0 pCt. dolichocephal waren.
Stellen wir dazu die von den HHrn. Kupffer und Hagen gemessenen Litauer-
schädel, darunter die von dem alten Kirchhofe von Nemmersdorf, Kr. Darkehmen,
So ergiebt sich ein ähnlicher Gegensatz gegenüber den 4 aus verschiedenen Theilen
Litauens gesammelten:
(185)
Nemmersdorf Einzelfunde
78,0 68,9
81,7 77,8
83,4 78,1
79,3 77,5
11,8
77,9
77,3
82,0
74,3
91,3
Nach Kategorien geordnet, erhalten wir für
Nemmersdorf die Einzelfunde
Brachycephale . . —
Mesocephale . . - "
Dolichocephale . .
. Unter den 3 Litauer-Schüdeln, bezw. Kópfen, über die ich selbst früher be-
richtet habe (Verh. 1877, S. 384) und von denen einer gleichfalls von Nemmersdorf
Sammte, war kein brachycephaler. Neuerlich habe ich 7 Schádel von Kinten und
4 von Windenburg, zwei Orten auf der litauischen Kiiste des Kurischen Haffs, er-
on, deren Maasse ich am Schlusse in einer Tabelle vorlege. Darunter befinden
ich v
on Kinten Windenburg
Brachycephale . . * ?
Mesocephale . . . 5
Dolichocephale . . 2
Auch hier derselbe locale Gegensatz! Wir müssen dabei. nicht vergessen, wie
Schwer, ja wie unmöglich es oft ist, bei Lebenden ihre Herkunft genau fest-
Zustellen. Wie sollie man es machen, nun noch aus den Gräbern ein ganz sicheres
Material zu sammeln? Auch darf nicht übersehen werden, dass die Vergleichung
der am lebenden Kopfe genommenen Maasse mit den am nackten Schädel er-
hobenen nicht ganz zutreffende Zahlen ergiebt. Namentlich bei Frauenköpfen ist
€8 nicht thunlich, den Einfiuss des Haares auf die Verbreiterung der Maasse ganz
abzuschneiden. Trotzdem mag es versucht sein, aus den aufgeführten 28 Schädeln
Yorläufig den Litauer-Typus zu suchen. Wir erhalten dann 32 pCt. Brachycephale,
46 pt. Mesocephale und 21 pCt. Dolichocephale. Für die weitere Localforschung
Wird es sich empfehlen, wie es hier geschehen ist, die local zusammengehörenden
Menschen und Schädel auch in dieser Zusammenfassung Zu betrachten. Für jetzt
erscheint es unthunlich, eine eng begrenzte Schädelform für diese offenbar wenig
reine Rasse aufzustellen. Soviel ich ersehen kann, ist die Gesichtsform weit mehr
Constant und daher auch wohl zu ethnischer Diagnostik weit mehr geeignet, als
die Form der Schädelkapsel.
In dieser Beziehung will ich ganz kurz auf einige Punkte aufmerksam machen:
1. Das Gesicht ist bis auf wenige Ausnahmen chamaeprosop. Diese Er-
Scheinung ist vorzugsweise bedingt durch die Grosse der Jugaldistanz: sowohl
echbogen, als Wangenbeine treten, selbst bei dem weiblichen Geschlecht, stark
Ivor.
1 2. Die Nase ist, in einem starken Gegensatz dazu, in der grossen Mehrzahl
eptorrhin. Bei den Lebenden wird dies um s0 stürker bemerkbar, als die
Verhandl, der Berl, Anthropol. Gesellschaft 1891. ’
i
Al
(276)
Elevation der Nasenspitze meist beträchtlich ist. Sie erreicht bei Männern häufig
die Zahl von 24 und 25 mm.
3. Die Kiefer sind ausgemacht orthognath. Schon bei der Beschreibung des
ersten Schädels von Nemmersdorf bemerkte ich, dass er fast opisthognath sei; ich
kann dies für die Schädel von Windenburg und Kinten bestätigen, wo namentlich
die Schneidezähne des Oberkiefers etwas rückwärts gerichtet sind.
4. Der Unterkiefer ist kräftig, aber nicht hoch, das Kinn tritt häufig vor, ZU
weilen in fast progenaeischer Weise. Die Kieferwinkel sind nach aussen ge-
wendet und bilden nicht selten vortretende Randleisten.
9. Die Augenhóhlen sind hóchst variabel, sowohl der Grüsse, als den Indices
nach. Sie zeigen bald chamae-, bald meso-, bald hypsikonche Verhältnisse. An
Lebenden erscheint das Auge meist etwas tief liegend und in grösserer Ausdehnung
durch die Lider gedeckt.
Im Anschlusse daran möge zum Schlusse noch die Variabilität des
Schädelinhalts erwähnt werden. Unter den Niddener Männern, die ich auf
führte (S. 777), ist Peleikis als ein Kephalone, seinen Maassen nach, bezeichnet
worden. Ihm ist an die Seite zu stellen ein männlicher Schädel von Stangenwalde,
dessen Capacität die HHrn. Kupffer und Hagen zu 1685 ccm bestimmten. Daran
schliessen sich 3 ihrer Kuren-Schädel von Lattenwalde mit 1565, 1545 und 1540 cem.
Unter den Litauern bestimmien dieselben Herren einen Schüdel zu 1550 und je
einen zu 1525, 1590 und 1510, ich einen von Kinten zu 1590 cem.
Dem gegenüber steht eine ausgesprochene Nannocephalie, besonders bei
weiblichen Schüdeln. Ich fand bei einem solehen von Windenburg nur 1160 cem;
die HHrn. Kupffer und Hagen erhielten unter 7 überhaupt bestimmten Schädeln
von Nemmersdorf 4 nannocephale, nehmlich 2 männliche mit 1175 und 1125;
2 weibliche mit 1200 und 1115 cem, Unter den alten Schüdeln von der Kurischen
Nehrung waren 2 mit 1130 (einer von Lattenwalde, einer von Kunzen), 1 mit 1145
(Stangenwalde), 1 mit 1160 (Mann? von Kunzen) und 1 mit 1190 cem (Slielwit).
Es ist dies ein unter europäischen Schädeln bis jetzt sehr ungewöhnliches Ver-
hältniss, das, in Verbindung mit der Kephalonie der Männer, an die von mir bei
Neubritanniern aufgefundene Variabilität erinnert. Die Differenz zwischen dem
grössten und dem kleinsten Kurenschädel beträgt 520 ccm,
Soviel über die rein anthropologische Seite der Betrachtung, —
Ich wende mich nunmehr zu einer kurzen Darlegung meiner Wahrnehmungen
über die Häuser, wobei ich nur bedauere, dass es mir nicht Möglich gewesen ist,
dieses Problem in grösserer Ausdehnung in Angriff zu nehmen. Beim Beginn der
Reise hatte ich gehofft, irgendwo unser sächsisches Haus wiederzufinden. Diese
Freude ist mir nicht vergönnt gewesen. Vielleicht wird ein Anderer glücklicher
sein. Dagegen trat mir eine andere Erscheinung entgegen, auf die ich nicht vor-
bereitet war, nehmlich die westpreussischen Vorlaubenhäuser,
Mir war von früheren Besuchen noch in voller Erinnerung das fremdartige
Aussehen der alten Strassen von Marienburg, welche durch ihre langen Lauben-
gänge vor den Häusern an süddeutsche und schweizerische, ja an italienische
Strassen gemahnen. Ich hatte sie als eine städtische Eigenthümlichkeit aufgefasst
und mich mit der Deutung abgefunden, dass die Baumeister des Ordens sie von
irgend einem südlichen Platze oder Lande eingeführt hätten. Aber sehr bald sah
ich auch ländliche Architekturen, welche freilich keine zusammenhängenden Lauben-
gänge, sondern nur gesonderte, jedem Hause zukommende Vorbauten darboten, deren
Zusammenhang mit den städtischen Bauten mir jedoch nicht zweifelhaft erscheint
dS
(787)
Das erste Beispiel trat mir auf unserer Fahrt in das Elbinger Oberland in dem
Schon erwähnten (S. 751) Dorfe Lenzen entgegen, dessen Name manche heimischen
Anklänge in mir erweckte. Hier hatten die Häuser der grösseren Bauern umfang-
reiche Vorbauten; nur die Biidnerhduser waren ohne dieselben. In Fig. 1 gebe
Ich die Ansicht eines solchen Hauses, welches Hr. Ed. Krause die grosse Güte
hatte, auf meine Bitte zu photographiren, Man sieht hier einen grossen zwei-
stockigen Vorbau, der senkrecht vor der Mitte des langgestreckten, der Strasse
parallel gestellten einstóckigen Hauses vortritt. Unten ist eine offene Unterfahrt,
Weit genug, um auch Heuwagen den Zugang Zu gestatten, vorn durch
hölzerne Säulen getragen. Darüber ein geschlossenes Geschoss aus hölzernem
Fachwerk, dessen Zwischenräume mit Mauersteinen zierlich ausgelegt sind, die
Balken hüufig gebogen und mii blauer oder gelber Farbe angestrichen. Daran hat
sich die bàuerliche Architektur in der Haupisache erschüpft; das Haus selbst ist
Sehr viel einfacher, zum Theil gemauert, zum Theil in gewóhnlichem Fachwerk,
das hohe Dach mit Stroh oder Rohr gedeckt, ohne Giebelschmuck, mit
Schornstein.
En
Figur 1.
Der Gesammteindruck ging dahin, dass diese Bauten dem fränkischen Typus
angehören. müssten. Die Betrachtung der Hofanlage bestürkte mich darin. Durch-
Weg bildeten die Häuser die vordere Begrenzung eines Hofes mit getrennten
Scheunen und Ställen, jedoch ohne förmlichen Abschluss. Dabei zeigten die
Scheunen häufig seitliche Vorsprünge, wie man in Pommern sagt, „Abseiten“.
Weitere Erkundigungen belehrten mich, dass diese Art von Bauten durch die
ganze Niederung, namentlich durch den Marienburger Werder, verbreitet ist und sich
auch weiterhin in Ostpreussen findet. Sie hängt offenbar zusammen mit den, von
Hrn. A. Treichel (Verhandl. 1889, S. 196) aus Westpreussen beschriebenen
»laubenartigen Vorbauten^ und weit darüber hinaus mit den ,Lówinghiusern" in
der Neumark, von denen Hr. Alfred G. Meyer eine eingehende Schilderung ge-
liefert hat (Verhandl. 1890, gq. 527). Für den Zusammenhang bezeichnend ist es,
dass nach den literarischen Nachweisen des Hrn. Treichel die Lauben in den
preussischen Städten vom Volke ,Lewen oder Löwen“ genannt werden, wie denn
auch im Posenschen die Bezeichnung ,Lówe oder Lóbe* vorkommt. Indess wird
es nöthig sein, hier strenger zu unterscheiden zwischen den an der Giebelfront an-
gebrachten Lauben und den in der Mitte der Vorderfront errichteten „Vorlaub en“,
sowie den Lauben, welche sich vor den litauischen Kleten befinden und von
Welchen ich später sprechen werde. In der Schrift des Hrn. Meitzen (Das
deutsche Haus in seinen volksthümlichen Formen. Berlin 1882. S. 12, Taf. I,
50 #
(788)
Fig. 3) ist eine solche Anlage, leider ohne Angabe des Ortes, als Bild des frän-
kischen Typus gezeichnet. In der That wird man nicht daran zweifeln können,
dass die preussischen Vorlaubenhäuser Zeichen einer weit ausgedehnten
fränkischen Colonisation sind. Dabei ist besonders zu beachten, dass nach
Treichel und Arthur Meyer gerade die ültesten Háuser die vollkommensten Vor-
lauben besitzen. —
Wesentlich verschieden waren die Bauernhüuser, die ich im Kreise Allen-
stein sah. Dieser Kreis, der früher im Süden zu Galindien, im Norden zu
Warmien gerechnet wurde, ist ein Bestandtheil des Bisthums Ermeland, und wie
ich schon (S. 768) anführte, seit dem 15. Jahrhundert polonisirt. Noch 1249 unter-
Figur 2.
schied man Ortschaften mit preussischem (polnischem) und Culmischem (Magde-
burgischem) Recht. Bei unserer Umfahrt um den Wadang-See (S. 766) besuchten wir
das Nordufer desselben, an welchem eines der ältesten Ordensschlösser gelegen hat,
Wartberg genannt (Grunenberg a. a. O. S. 16, 57). Neben demselben soll eine
Stadt gestanden haben. 1354 zerstörten die Litauer diese Anlagen; die Stadt wurde
später in grösserer Entfernung vom See weiter nach Osten aufgebaut, und an der
früheren Stelle entstand das jetzige Dorf Alt-Wartenberg. Dasselbe liegt theils in
einer Schlucht, theils auf der Höhe, in einiger Entfernung vom See. Viel näher an
dem letzteren, auf der hier steil abfallenden Uferhöhe, nicht weit von der Mühle
Orzechowo, wurde uns ein Platz gezeigt, der den Namen Stare miasto (alte Stadt)
(789)
führt. Nach der Aussage des Müllers sind daselbst vor einigen Jahren Nach-
grabungen veranstaltet worden, wobei in einer Tiefe von 7 Fuss ein Pflaster und
Urnen, auch ein eiserner Speer gefunden sein sollen. Wir konnten in kurzer Zeit
eine Anzahl mittelalterlicher Scherben und grosse Brocken von Lehmbewurf mit
eingeknetetem Rohr, zum Theil verbrannt, von der Oberfläche sammeln.
Ein grosser Theil der Häuser von Alt-Wartenberg ist ganz neu. Indess giebt
es doch einige von sehr alterthümlichem Aussehen. Im Allgemeinen herrscht die
Anlage von „Höfen“ vor. Nur die kleinen Leute haben einfache Häuser, die zugleich
Stall und Scheune umfassen. Sonst stehen fast immer neben dem Wohnhause
noch 3—4 Gebüude, die zusammen ein Geviert bilden, welches den eigentlichen
Hof umschliesst. Das Wohnhaus liegt entweder in der Mitte, oder an einer Seite,
so dass der Hof gegen die Strasse offen ist (Fig. 2a W). Die übrigen Gebäude
sind zu Wirthschaftszwecken bestimmt: Ställe, Scheunen, Wagenschuppen u. dgl.
Es sind Blockhäuser von Holz mit Rohrdüchern, welche mit dicken Moosrasen
überzogen sind, und starke Dachreiter aus Holz, mit weit vorspringenden Armen,
tragen. Selten sahen wir einen Giebelschmuck und dann meist Pfáhle, selten ein
Kreuz. Die Schornsteine scheinen verhülinissmüssig neu zu sein. Die Wände des
einstöckigen Wohnhauses sind niedrig, ebenso die Thüren. Die innere Disposition
erwies sich als sehr einfach (Fig. 2^), indem in der Regel ausser dem Flur nur
4 Räume vorhanden waren: durch die in der Mitte der Lángswand gelegene Haus-
{hür betrat man den Flur (F), hinter dem eine kleine geschlossene Küche (K)
angebracht war; rechts und links je 2 Stuben, davon die Hälfte für einen Altsitzer
Oder Miether. Früher ist stets, jetzt wird noch theilweise in der Küche über einem
an der Erde angemachten Feuer gekocht; wir sahen noch Küchen, wo die Feuer-
stätte am Erdboden in einer Ecke lag, und darauf den zum Kochen verwendeten
eisernen Dreifuss (Grapen). Jetzt hat man neue Heerde in den Stuben angelegt.
Die niedrige Zimmerdecke besteht aus Holz mit vorspringenden Balken ohne alle
Verzierung. Alles war verriuchert und überdies sehr schmutzig.
Die Einrichtung hatte manche Aehnlichkeit mit der alsbald zu beschreibenden
litauischen und kurischen, nur dass, verglichen mit der letzteren, die Wohnräume
viel einfacher, der Flur kleiner und nicht durchgehend,‘ die Küche durch eine
Wand vom Flur abgegrenzt waren. Nichts erinnerte an einen der nord- oder
mittelgermanischen Typen. Es wäre daher wohl möglich, dass sich hier eine alt-
preussische Anlage erhalten hai. In dieser Beziehung ist noch zu bemerken, dass
sich in der Nähe des Ortes allerlei Wälle finden. Allerdings konnten wir eine,
auf der Karte verzeichnete Schwelenschanze vor dem westlichen Walde nicht
finden. Das Terrain ist hier so Coupirt, wie an vielen Stellen in Hinterpommern.
Sandige Höhen, zuweilen von wallartigem Aussehen, wechseln mit tiefen moorigen
Gründen, aus denen sich überall wasserreiche Büche sammeln, Erst in dem,
Weiter westlich gelegenen ,Kónigreich -Walde^ trafen wir einen, von dem Wege
zum See hinabgehenden Wallgraben von grosser Tiefe und Breite, der zu beiden
Seiten mit Erdwüllen besetzt war, hinter welchen noch einmal seichtere Grüben
folgten. Da die Grüben ganz trocken sind und das Ganze sich in fast gerader
Linie durch den Wald zum See zieht, scheinbar ohne alle Beziehungen zu einer
anderen Anlage, ühnlich wie es in der Lausitz ófter der Fall ist, so muss es wohl
als eine alte Landwehr aufgefasst werden. — Sonst konnte ich in Bezug, auf Alter-
thümer nur ermitteln, dass vor 26 Jahren auf der Feldmark von Nickelsdorf, auf
einem Kieshügel nordwestlich vom Vorwerk, Urnen ausgegraben seien. Aber der
Platz liegt auf der anderen Seite des Sees in ziemlich grosser Entfernung. Grunen-
berg (a. a. O. S. 14) erwähnt ausserdem_aus dem Kreise das Vorkommen von
(790)
„Hochäckern“ und das, nach dem Ablassen des Kl. Kleeberger Sees hervorgetretene
Vorkommen unregelmässig aufgeschichteter Steinhügel. —
Unsere erste genauere Bekanntschaft mit den Häusern der kurischen
Fischer auf der Nehrung machten wir am 13. August in Nidden, einem Dorfe,
welches dem Ausflusse der Memel (des sog. Russstromes) in das Haff ziemlich gerade
gegenüber liegt Die Sandberge der N ehrung erheben sich hier bis zu einer Höhe von
135 Fuss. Oben liegt ein Leuchtthurm mit prächtiger Aussicht auf Meer und Haff.
Auf dem Wege hinauf fanden wir zum ersten Male eine der Seltenheiten der
Nehrung, den auf nacktem Sande wachsenden Astragalus arenarius und die höchst
wohlriechende Linaria odora. Der kleine Ort liegt auf der Ostseite der Nehrung,
in einer jener kleinen Oasen, deren Sicherheit durch die fortschreitende Bepflanzung
der Dünen mit der seit einigen Decennien aus Dänemark eingeführten Pinus
montana (iniops) schon eine gewisse Stärke erlangt hat. Südlich vom Dorfe, wo
die neue Kirche‘) erbaut ist, steht ein älterer Wald, der trotz seiner geringen
Ausdehnung als ein Asyl für Elche dient, deren Wanderlust sie von dem jenseitigen
Ufer, aus dem Forst Ibenhorst, ihrem eigentlichen Gehege, zuweilen hierher (ge-
legentlich auch bis nach Schwarzort und Memel) führt. Die Dorfoase hat eine
halbmondfórmige Gestalt. Sie ist, abgesehen von der Nordseite, rings umgeben
von dem herabgewehten Dünensande, der an vielen Stellen bis in das Dorf selbst
eingedrungen ist. Seit den Tagen, wo ich mit Schliemann eine Woche in dem
nubischen Dorfe Ballanyi zubrachte, hatte ich den Kampf des Menschen mit dem
Wüstensande nicht so nahe gesehen, als hier. Schon durch die Fahrt über das
Kurische Haff, wo immer neue Bilder die Erinnerung an die gelbe libysche Wüste
wachgerufen hatten, war ich auf die Aehnlichkeit der Nehrung mit den Ufern des
oberen Nils hingewiesen worden; in Nidden aber, wo ich unmittelbar vor die
Sandwälle gestellt war, welche der Südwestwind gegen die Wohnungen und Gärten
der Menschen aufgethürmt hatte, erreichte die Illusion ihre grösste Höhe. Ich
verweise auf ein Bild bei Bezzenberger (Die Kurische Nehrung S. 55).
Die Dorfanlage ist, wie in unseren nordischen Stranddörfern so häufig, ganz
den Verhältnissen des Bodens angepasst. Die Dorfstrasse zieht sich, dem Ufer
parallel, in allerlei Krümmungen durch das unebene Terrain hin, bald schmal, bald
zu breiten, marktähnlichen Plätzen erweitert, vielfach gegabelt. An ihr stehen die
Häuser, theils mit der Giebelfront, theils mit der Langseite gegen die Strasse ge-
richtet, einzeln oder in kleinen Gruppen, gewöhnlich auf niedrigen Anhöhen, häufig
umgeben oder wenigstens anstossend an kleine Gärten, deren Lattenzäune sich
längs der Strasse hinziehen. Es sind mässig-grosse, rechteckige Blockhäuser, ein-
stöckig, verhältnissmässig tief, mit hohem Rohrdach und breiten Giebeln, über
denen weit vortretende, geschnitzte Latten sich er-
heben. Dieser Giebelschmuck drängt sich so stark
in die Anschauung des Fremden, dass unsere Auf-
merksamkeit sich ihm zuerst zuwendete.
Am häufigsten sind es Pferdeköpfe mit nach
aussen gewendeten Stirnen, aber von ungewöhn-
licher Grösse und von phantastischer Ausgestaltung.
Die gebräuchlichste Form (Fig. 3, nach einer Zeichnung
des Hrn. Ed. Krause) besteht darin, dass die an
Yon dem steilen Giebel sich kreuzenden Seitenlatten in
einen langen Hals übergehen, der sich am Ende in
1) Von dem Pfarrer erzählt man dort, er bekomme die Krähen aus dem Walde als
Braten.
(79%)
einen stark gesenkten, schmalen Kopf umbiegt. Von dem Maul lüuft eine ketten-
Arlige, aber feste Verbindung, gleichsam ein herabhüngender Zaum, zu der Brust-
Segend herab. Auf dem Kopfe sitzt ein Busch mit mehreren Vorsprüngen, wie
ui Haarschopf oder ein künstlicher Aufsatz. Unter der Giebelspitze bemerkt man
Ws und da eine dreieckige vertiefte Stelle, ganz dem ,Ulenloch* des süchsischen
auses entsprechend, aber gewöhnlich durch Bretter geschlossen.
A Andere Giebel tragen ein senkrecht aufsteigendes, aufgenageltes Brett, nach
" des Pfahles, den wir aus der Altmark und Niedersachsen kennen, aber ge-
Pluton ebenfalls geschnitzt. Oefters sind die Ränder dieser Giebellatten säge-
9rmig ausgeschnitten und auf ihrer Spitze sitzt ein Vogel, wie es Fig. 4 (nach
?Iner Photographie des Hrn. Bartels) zeigt. Aber zuweilen sind auch beide Arten
Figur 4.
des Giebelschmucks mit einander combinirt, in der Art, dass der Pfahl in der
Mitte aufsteigt und zu jeder Seite desselben ein Pferdekopf hinaussteht, wie in
Fig. 5 (gleichfalls nach einer Photographie des Hrn. Bartels), — eine Erscheinung,
Figur o.
Tie sich übrigens auch im Spreewalde findet (Verhandl. 1880, Taf. I, Fig. 63 u. 67).
n der Regel sind beide Giebel geschmückt.
we ua mag hier erwühnt werden, dass die Neigung der Kuren, künstliche Schnitz-
rke aus Holz zu fertigen und an hervorragenden Stellen anzubringen, noch in
(792)
einer andern Richtung sehr auffällig hervortritt, nehmlich in dem Schmuck der
Mastspitzen ihrer Segelboote. Es ist mir gelungen, von einem in voller
Fahrt begriffenen Boote eine Moment-Auf-
nahme zu machen (Fig. 6), welche ein gutes
Bild dieses Aufputzes gewährt. Da, wo
sonst ein einfacher Wimpel flattert, ist ein
längliches Brett angebracht, das auf seiner
Fläche mit bunten Feldern bemalt, zuweilen
auch durchbrochen ist; an dem Ende dieses
Brettes sitzt der Wimpel. Aber auf dem
oberen Rande des Breites steht eine Reihe
von zierlich durchbrochenen Figuren, die an
Kirchenornamente erinnern. Es ist mir nicht
gelungen, zu ermitteln, ob dieser Schmuck,
der im Einzelnen grosse Mannichfaltigkeit
zeigt, besondere Familien- oder Dorf-Merk-
male darstellt. Man sieht ihn auf den Haff-
booten aller Nehrungsdörfer.
Was die sonstige Einrichtung der Häuser
betrifft, so liegt die Hausthür stets in der
-lgur 6. Mitte der Langseite (Fig. 7), Durch die-
selbe tritt man in einen grossen Flur, man
könnte vielleicht besser sagen, eine Halle, welche quer durch das Haus reicht
und háufig an der hinteren Langseite eine zweite Thür, gerade gegenüber der
Hausthür, hat. Diese Halle ist so geräumig, dass sie einen grossen Theil. des
Figur 7.
Hauses einnimmt; sie enthält jedoch die Küche oder vielmehr den Kochplatz, der
meist die linke hintere Ecke füllt. Hier steht ein regelrecht aufgemauerter Feuer-
heerd (HM, in der Skizze zu gross gezeichnet), durch eine niedrige Mauer von
der Halle geschieden. Der Rauch geht von dem Heerde in eine Art von Kamin,
von da aber sofort wieder in die Halle und in den dariiber gelegenen Bodenraum.
Natürlich sind alle diese Flächen von glänzendem Russ bedeckt. In einer Ecke
des Heerdplatzes hängt ein eiserner Kesselhaken, der aber nur noch beim Kaffeebrennen
benutzt wird. Zuweilen steht an der rechten Wand, dem Heerde gegenüber, ein ge-
mauerter Rahmen, unter dem der Kochheerd des Altsitzers angebracht ist. Indess
ist die Küche nicht der Hauptzweck der Halle; diese dient vielmehr als Arbeits-
platz für den Fischer. Hier werden die Netze gestrickt, getrocknet und aus-
gebessert, worauf täglich die grösste Sorgfalt verwendet wird. Dann kommen sie
mit dem Segeltuch und den anderen Geweben, die beim Fischfang benutzt werden,
auf den Boden, wo sie, ausgebreitet und aufgehängt, den Wirkungen des Rauches
ausgesetzt sind. Diese geräucherten, stark gebräunten Netze widerstehen den Ein-
wirkungen des Wassers längere Zeit.
(792)
Das ist der wahre Zweck der Halle und des mächtigen Bodens, der sonst fast
gar nichts enthält. Der Nehringer hält weder an Heu, noch an Stroh nennens-
Werthe Vorräthe, da er keinen Ackerbau treibt; die kleinen Bestände, die er zum
Theil von weither einholt, bringt er in besonderen Schuppen ausserhalb des Hauses
Unter, Auch Ställe sind in das Haus gewöhnlich nicht aufgenommen. Der ganze
Rest des Hauses wird vielmehr von Wohn- und Schlafstuben der Menschen ein-
genommen, links gewöhnlich für die Familie des Besitzers, rechts für den Altsitzer
Oder die Miether. Auch giebt es keine grösseren Höfe: die kleinen Schuppen und
Ställe liegen unregelmässig zerstreut in der Nähe. Gerade dieser Umstand unter-
Scheidet das Nehringer Haus von dem galindischen Hofe, den ich vorher be-
Schrieb, während die innere Einrichtung ‚im Grunde dasselbe Schema zeigt, nur
dass die geräumige Halle des kurischen Fischers durch den kleineren Flur des
Allensteiner Ackerbauern ersetzt ist.
Ueber das Alter des Dorfes ist wenig bekannt. Nidden (kurisch Nida) er-
Scheint urkundlich erst im 15. Jahrhundert, ist aber jedenfalls älter. Da es jedoch
im Jahre 1809 bis auf ein Paar Häuser abbrannte, so liegt es auf der Hand,
dass von den jetzt vorhandenen 66 Wohnhäusern (mit 686 Einwohnern) fast alle neu
errichtet sind. Der Grundriss (Fig. 7) ist von einem der alten Häuser entnommen. —
Anders liegen die Verhältnisse in Schwarzort, obwohl dieses Dorf allem
Anschein nach erst in der Mitte des 17. Jahrhunderts gegründet ist (Bezzen-
berger S. 61). Immerhin gab es schon 1697 6 Fischerhäuser daselbst; bis auf
diese Zeit dürfen wir auch wohl das Alter einzelner der noch vorhandenen Häuser
Zurückdatiren, wenngleich es mir nicht gelungen ist, irgend eine Jahreszahl an
ihnen zu entdecken. Noch jünger dürfte der südliche Vorort von Schwarzort,
Karweiten, sein, welches die nächste Dünenbucht jenseits der Kirche und des
Pfarrthals einnimmt. Seine Bewohner scheinen erst am Ende des 18. Jahrhunderts
hierhergezogen zu sein, als ihr altes Dorf durch Versandung zu Grunde ging.
Schon jetzt sehen aber die Karweitener Häuser so alterthümlich aus, als ob sie
Jahrhunderte gestanden hätten.
Wenn man von den neueren Anlagen absieht, welche die Entwickelung von
Schwarzort zu einem Seebade mit sich gebracht hat, so besteht das Dorf eigent-
lich aus einer einzigen langen Reihe von Gehüften an der Dorfstrasse, welche sich
Unmittelbar längs des Haffufers hinzieht. Ueppige Rohrkämpe begleiten das Ufer,
Vor jedem Hause durch eine kleine offene Bucht unterbrochen, welche als Privat-
hafen für die Fahrzeuge des Besitzers dient. Der Ausblick durch diese Buchten
auf das weite Binnengewüsser, welches fast immer durch Fischerboote, Dampf-
Schiffe und grössere Handelsfahrzeuge belebt ist, bis auf die gegenüberliegende
litauische Küste mit ihren Dörfern und Waldbeständen ist ungemein malerisch.
Vor den Häusern liegen überall kleine, mit sorgfiltig gehegten Blumen bestandene
Vorgärten. Hinter und neben den Häusern schliessen sich Kartoffel- und Gemüse-
felder an, freilich sehr kleine, denn der fruchtbare Boden erstreckt sich nur eine
te Strecke über das halbmoorige Vorland, das alsbald von hohen bewaldeten
vo dbergen begrenzt wird. Die Grosse der einzelnen Besitzungen ist in steter
erminderung, da immer neue Häuser und selbst Dörfer der übrigen Nehrung ver-
dan und die Bewohner zur Auswanderung gezwungen werden. Von Nidden bis
pemel ist Schwarzort der einzige, noch gerettete Platz; alles Andere ist ,todie
der 4 geworden. Hier aber sind die Hóhen noch mit dichtem Walde bestanden,
ind urch die Staatsregierung sorgsam gehegt und erweitert wird. Mächtige Eichen
Stehen den mehr geschützten Stellen noch zahlreich vorhanden, hie und da
auch uralte Linden und hochstämmige Birken, besonders am Ufersaum;
>.
(794)
sonst besteht der Wald durchweg aus hochstämmigen, dunkelbelaubten Fichten
(Pinus picea), denen die moderne Forstcultur in den Niederungen zwischen den
Sandbergen gut gedeihende Tannen (P. abies) beigemischt hat. Die Buche fehlt
vollständig: die nördliche Grenze ihres Verbreitungsbezirkes liegt schon in der
Gegend von Königsberg. Der Boden ist im Walde durchweg grün durch üppigen
Pflanzenwuchs, der hauptsächlich aus Erd-, Heidel- und Preisselbeeren besteht; an
tieferen Plätzen wachsen kräftige Farne und Himbeeren. Einzelne Stellen tragen
seltnere Pflanzen: Pyrola, Empetrum, Linaria odora (auf dem Sande der Seeseite)
und die gerade zu unserer Zeit in herrlichster Blüthe befindliche Linnaea borealis.
Gelegentlich trifft man auf dem Waldwege eine Blindschleiche; ein einziges Mal
fing ich einen Melolontha fullo, der, wie es scheint, nur noch an dieser Stelle der
Nehrung zu finden ist.
Der Hochwald bedeckt ausschliesslich die Haffseite der Berge. Die Seeseite
ist erst neuerlich durch Anpflanzungen bestockt worden, mit Ausnahme einiger
tiefer, wasserreicher Stellen, welche mit jungem Laubholz bestanden sind. Immer-
hin ist es verständlich, wie dieser Platz zu dem Namen Schwarzort gekommen ist.
Von Weitem erscheint er auf der blendend weissen oder gelbweissen Neh-
rung wie ein dicker schwarzer Fleck. Nach Norden schliesst die Baumvegetation
in einer fast geraden Linie, an der Haffseite mit einer tiefen Moorschlucht, dem
Grikín, ab. Dann beginnt die todte Düne, die sich ununterbrochen bis zur Nord-
spitze der Nehrung am Sandkruge gegenüber von Memel erstreckt, Hie und da’
steht noch in einer Bucht am Haff ein kleiner Baumbestand, so das Hirschwäldchen
in der Nühe des Nordendes. Aber die heilende Arbeit der Forstverwaltung ist
hier in stetem Forischreiten: seit 6 Jahren hat sie ein neues System der „Be-
stockung“ eingeführt und jedes Jahr schreitet diese in der Richtung vom Sand-
kruge nach Süden um 1 km vorwärts. So dürfte der Zeitpunkt zu berechnen sein,
wo die 97 km lange Nehrung wieder bewaldet sein wird, wie sie es früher gewesen
ist. Für letzteres sprechen nicht nur die zahlreichen Stämme alter Bäume, die
yon Zeit zu Zeit beim Abwehen der Dünen zu Tage treten, sondern auch prä-
historische Funde und historische Zeugnisse (Bezzenberger S. 67). Dieser alte
Wald ist also zu einem grossen Theile sicherlich durch Versandung zu Grunde ge-
gangen, indess dürfte diese Erklürung kaum allein genügen. Man wird wohl den
Menschen als Mitschuldigen an der Waldverniehtung betrachten dürfen, um so
mehr, als die Nehrung von jeher die Durchzugsstrasse für streifende und maro-
dirende Schaaren der östlichen Völker gebildet hat.
Gleichviel wie sich das zugetragen hat, gegenwärtig sind. die Schwarzorter ge-
zwungen, sich von der Fischerei zu ernähren. Natürlich essen sie auch Brod und
gelegentlich Fleisch, aber sie müssen es kaufen; Milch ist nur spärlich vor-
handen und Gerstenmehlsuppe (litauisch pütrus, ähnlich dem schottischen porridge)
dient als Ersatz. Aber der Gelderwerb beruht ausschliesslich (abgesehen von dem
in neuerer Zeit eingeführten Vermiethen an Badegäste) auf der Fischerei, die
gerade hier sehr lohnend ist. Zuweilen fischt man auf der See (Lachs, Flundern
und Steinbutten), in der Regel jedoch auf dem Haff, welches namentlich schöne Aale
in grosser Zahl liefert. Darauf ist die ganze Lebenshaltung und Beschäftigung, die
Kleidung und auch die Wohnung eingerichtet.
Was die letztere betrifft, so passt das vorher gegebene Niddener Schema auch
hier. Das lange Rechteck des Wohnhauses steht mit der Langseite gegen die
Strasse und hat in der Mitte derselben die Hausthür; hinter dieser folgt un-
mittelbar die Halle mit der Hinterthür; darin die Küche. Ich führe ein Paar Beispiele
(nach Photographien von mir) an: In dem Hause von Michel Peleikis (S. 778), welches
(735)
Sich durch seine alterthümliche Beschaffenheit vor allen auszeichnet (Fig. 8, die Hinter-
Seite), gab es zwei Feuerstellen in der Halle: die eine, ältere, links an der Wand (nicht
' der Ecke), bestehend aus dem wandständigen Heerde und einer niedrigen Vor-
Mauer, für den Besitzer; die andere, neuere, ihr gegenüber an der rechten Wand,
Mit einem gemauerten Heerde. Dem entsprechend befanden sich links und rechts
leben der Halle Wohnstuben. — Ganz ähnlich ist das Haus der Wittwe Lautsening in
Karweiten (S. 118), einer viel geprüften Frau. Ihr Mann ist vor 4 Jahren beim Lachs-
lang in der See in einem Schneesturm verschollen; das leere Boot trieb bei Kuren
In Samlande an. Seitdem fischt sie selbst mit ihrem jetzt 15jährigen Sohne. Das
Haus sieht sehr alt aus, hat aber keine Jahreszahl. In der grossen durchgehenden
Halle mit niedriger Vorder- und Hinterthür steht auf der Seite der Miethswohnung
léchis ein kleiner Heerd an der Wand; an der Seite der Besiizerin links befindet
Sich ein ummauerter Raum mit einem Heerde und an der anstossenden Wand ein
Yorspringender Rahmen, vor welchem auf dem Boden ein offenes Feuer brennt;
kein Kesselhaken, sondern ein Grapen mit Füssen. Die Stube war ungewühnlich
. Ace & eh
A
Figur 8.
Siüber gehalten, was gegenüber der unsauberen und vielfach unordentlichen Be-
"Chaffenheit anderer Haushaltungen sehr wohlthátig auffiel.
Ausser dem Wohnhause, welches, wie ersichtlich, vorwiegend zu Fischerei-
“Wecken bestimmt ist, haben die Schwarzorter gewöhnlich noch einige Neben-
SCbhäude, die zuweilen sehr unregelmässig gestellt, manchmal dagegen fast hofartig
ANgeordnet sind. Da eine Scheune unnôthig ist, so sind es vornehmlich Ställe
(für Kühe, Schafe, gelegentlich Pferde und Schweine). Ein besonderes Gebäude,
die Klete, enthält die Vorräthe an Wäsche, Kleidern, Nahrungsmitteln u. s. W.
Es ist ein kleines Blockhaus mit einer Art von Laube davor, die unter demselben
Dach befindlich, nach aussen offen und durch eine Reihe hölzerner Ständer und
e niedrige Brüstung abgeschlossen ist, also sehr ühnlich dem norwegischen
g abur, dem bayerischen Feldkasten und dem schweizerischen Stadel (Verh. 1890,
: 918), nur nicht so hoch gestellt, wenngleich häufig durch einige Stufen zu-
ganglich, und mehr langgestreckt.
R Das einstóckige Wohnhaus hat sehr niedrige Wünde, dagegen ein hohes, mit
a gedecktes Dach. Von dem Niddener unterscheidet sich das Dach haupt-
1 ich durch zwei Eigenschaften: einerseits ist die First mit einer dickeren Rohr-
âge bekleidet und diese an gut gehaltenen Häusern durch kurze, breite, am Ende
Como UT
na
Ans De
(796)
zugespitzte Latten befestigt, die über die First schräg herüberragen: andererseits
ist der Giebel, der in Nidden ganz senkrecht abfällt (S. 791, Fig. 4 und 5), mit einem
Walmdach versehen, welches über die Giebelfront vorragt{(Fig. 8). Dieses Walmdach
beginnt etwas unter der Spitze und schiebt sich etwa bis auf !/, oder '/; der Giebelfront
herab; oben ist es durch die, von mir wiederholt besprochenen 3 Wiepen be-
festigt. Unter dem Walmdach, in dem Winkel der Giebelspitze, liegt das
Ulenloch, das hier jedoch nicht diesen Namen trägt (Fig. 9, das letzte Haus vor
avn SU
WE
Fra
Figur 10.
dem Kirchthale). Gelegentlich sind alle diese Theile schr entwickelt: dann ist
das Ulenloch durch Bretter geschlossen (Fig. 10). Dass dies, wie überall, das ur-
sprüngliche Rauchloch war, darf nicht bezweifelt werden; in Karweiten traf ich
noch eine offene „Luke“, Das Walmdach, welches in Nidden verschwunden ist
und auch in Schwarzort an neueren Häusern fehlt, darf wohl als eine alterthüm-
liche Reminiscenz betrachtet werden.
Was endlich den Giebelschmuck betrifft, so gilt von ihm dasselbe, was ich
von Nidden berichtet habe. Auch in Schwarzort sind es entweder Pferdekäpfe,
nach aussen gewendet, oder Pfähle, und zwar beide in zum Theil sonderbaren
Umgestaltungen und mehr oder weniger durch Schnitzereien verziert. Die Pferde-
kópfe haben hier meist Aufsütze und unter dem Maul zaumartige Gehünge; ge-
legentlich ist an der Rückenseite des Halses noch oin lànglicher Schlitz an-
a
(797)
Sebracht (Fig. 10). Manchmal ist der Kopf so stark herabgebogen, dass das Maul
Nahe am Halse liegt, und das Ganze mehr wie eine grosse Schleife aussieht.
Auch kommt es vor, dass der Zaum eine gewundene Leine bildet. — Die andere
Art, die Pfähle, ist gleichfalls mit seitlichen Sprossen oder Zinken und mit darauf
Slizenden Vógelchen ausgestattet.
. Besonders ausgeprügt ist dies in Karweiten. Hier waren an einem verhältniss-
Mässig dünnen Pfahle sehr starke seitliche Zacken und am Ende eine eifürmige
Anschwellung; auf letzterer und auf den beiden nächstfolgenden Zacken sassen
Vögelchen mit nach aussen gerichteten Köpfen. Wo sich Pferdeköpfe finden, da
Sind. sie gross und abenteuerlich. An einem Hause erschienen sie, wie schon er-
Wähnt, wie Henkel. Auf dem Kopfe haben die Pferde Ohren oder Schöpfe, ähnlich
denen, welche bei lebenden Pferden durch kurzes Abschneiden der vordersten
Mähnenhaare entstehen. Obwohl Karweiten erst im vorigen Jahrhundert angelegt
Ist (S, 793), so handelt es sich hier doch um eine alterthümliche Sitte, die sicherlich
?Us der alten, versandeten Heimath mitgebracht ist. Ob sie ursprünglich lettisch
War, erscheint mir diskutabel. So ausgebildete und verzierte Pferdekópfe scheinen
auf ein Reitervolk hinzudeuten, wie es die Litauer waren. Ich werde darauf so-
8leich zurückkommen. Hier möchte ich auf die ausgeprägte Neigung zur Ver-
“erung durch Holzschnitzerei hinweisen, welche allen seefahrenden Völkern eigen
st. Sie zeigt sich auf der Nehrung nicht nur in dem Giebelschmuck, sondern
ch in der weitergehenden Gewohnheit, andere Theile des äusseren Hauses in
ähnlicher. Weise zu zieren. So habe ich in Schwarzor ein bei der Pfarre
Selegenes Haus notirt, bei dem auch die mediale Seite der Giebellatten, sowie die
Querbalken des Giebels sehr regelmässig ausgeschnitten waren.
. Es schliesst sich das sehr eng an die zierlichen Muster an, welche die
Litauerinnen in ibren Schürzenbündern nachbilden. Wir trafen diese auch in
Nidden an. Häufig sind diesen Mustern Verse eingefügt, welche den poetischen
Gefühlen der Künstlerin Ausdruck geben. Von solchen Künsten war freilich in
Schwarzort wenig zu sehen. Das einzige eigenthümliche Kleidungsstück, das ich
bemerkte, war eine dicke, filzartige Regenjacke der Fischer aus weisser Wolle,
Mit dunkelbraunen Flecken oder Winkeln besetzt. Der Stoff wird nur aus der
Wolle der hochbeinigen Schafe hergestellt, welche an den Beinen lange Haare,
aber keine Wolle tragen und kurze Schwänze besitzen.
Zum Schlusse noch eine Bemerkung, die vielleicht für die Frage von der
Entstehung des Bernsteins einigen Werth hat. In dem Walde von Schwarzort
Blebt es so viele Spechte, dass man sie fast auf jedem Spaziergange hümmern
hórt Sie machen nicht selien ganz grosse Spalülücher in die Rinde der Fichten
Und aus diesen quillt dann das Harz in so grossen Massen hervor, dass es zuweilen
faustgrosse Klumpen bildet. So dürfte wohl auch das Bernsteinharz hervor-
Sequollen sein, — Nach der Angabe des Lehrers Pollmann in Sehwarzort heisst
for Bernstein kurisch dzintar, litauisch gintars. (Für Gold kannte er nur das
lauische Wort auksas.) —
à Es erübrigen jetzt noch die litauischen Hauser. Vorweg erwühne ich,
Ws nach einer aus dem 17. Jahrhundert stammenden Beschreibung von Erhard
eher (A. Rogge, Der preuss. Litauer des 16. und 17. Jabrh, L, 1886, S. 13)
le Litauer ihre Häuser für sich uud das Vieh unter einem Strohdach erbauten,
er Rauch hat keinen anderen Ausgang, als durch die Thür. Sie merken den-
ber) kaum in Folge: langer Gewohnheit“. In einer Beschreibung von Hennen-
si ger (ebend. S. 6) aus dem 16. Jahrhundert wird gesagt: „Das Haus, darinnen
€ alle essen, heisst das Schwarzhaus und ist in der Wahrheit vom Rauche
(798)
und Russ schwarz genug. Daneben hat ein jegliches Paar Ehegatten ein sonder”
liches Häuslein, das heisst man eine Kleidt (Klete), ist von rundem Holz gesetzt
unten hat's wie ein niedriges Kellerlein, oben darauf wie eine Kammer ohne
Fenster, nur eine Thür, da sie hineingehen; darinnen haben sie ihre Kleiderche?:
die gar schlecht und gering und alle einerlei Farben und Form sind, und was Si
Sonderliches haben.") Sonsten haben sie auch viele kleine Hiuserchen, denn ZU
jeglicher Arbeit haben sie ein sonderliches kleines Hüuslein, als eins, da man daß
Getreide mahlt, eins darinnen man backet, eins zu brauen, eins Kleider zu waschet:
eins zur Badstube u. s. w., die alle sind mit Brettern bedeckt, haben keine Scheune»
sondern wie hohe Ricke, da legen sie die Aehrenenden einwärts und ebenso auf
einander.“ Vieles von dieser Beschreibung gilt noch heute. Die ersten solcher
Häuser sah ich, als wir von Schwarzort aus einen Besuch auf dem jenseitige?
Ufer des Haffs machten. Hr. Bezzenberger führte uns auf einem kleinen R€
gierungsdampfer nach Russ.
Ich muss es mir versagen, diese merkwürdige Gegend eingehend zu be
schreiben. Die Memel ergiesst sich hinter der Windenburger Ecke mit mehrere?
Armen in das Haff. Das Land umher ist niedrig, den Ueberschwemmungen aus
gesetzt und moorig. Das Wasser des mächtigen Stromes ist so braun, wie das
der Spree. Wir liefen durch den nôrdlichen Ausfluss des Russ-Stromes, den sog
Atmatt-Strom ein, der fast die Breite des Rheins bei Zevenar hat, und sahen uns
plötzlich in einer Landschaft, die mit Holland die grösste Aehnlichkeit bot. Ueberall
längs der Ufer lagen die aus Russland kommenden Holzflösse. Nachdem wir i?
Russ eine Anzahl wohlwollender Freunde aufgenommen hatten, bogen wir in den
zwellgrüssten Ausfluss, den Skirwieth-Strom, ein und begaben: uns nach einer ab-
gelegenen Stelle des Waldes, wo uns Elche gezeigt wurden. Am nächsten Tage,
am 14. August, fuhren wir dann zu Wagen von Russ nach Heydekrug. Auf dem Weg?
trafen wir die ersten. litauischen Häuser. Sie hatten fast überall Pferdeköpfe, hie
und da Pfähle, und zugleich Vorlauben. Hr. Bezzenberger erinnerte daran,
dass diese Vorbauten an jüdischen Häusern in Russland sehr gebräuchlich seien.
Der Hauptplatz für meine Studien über litauische Häuser war aber in der
Gegend südlich von Memel, in dem Ufergebiet der Minge. Wir waren hier der
russischen Grenze so nahe, dass wir einen weiten Ausblick über das jenseitig®
langsam ansteigende Stück von Kurland hatten. Das diesseitige Land erwies sich
als sehr flach, voll von Mooren, Wiesen und Büchen, aber sehr anmuthig durch
kleine Wüldchen, namentlich dureh Birkengruppen, geschmiickt. Fast überall
Binzelgehôfte. Ich besuchte mehrere derselben, will mich aber darauf beschränken,
ein alles Haus in Ilgenjàn kurz zu beschreiben.
Dasselbe (Fig. 11, W I7) stand in der Mitte eines geschlossenen Hofes, dessen
Seiten von den Wirthschaftsgebäuden eingenommen wurden. — Unter diesen nenne
ich die Klete (Fig. 11, a KT), den Stall (St), die Scheune (Sch). Man gelangte
auf den Hof durch eine hohe, fest geschlossene Thür, Wartas genannt (Wa).
Das Wohnhaus selbst (Fig. 11, 4) bildete ein längliches Rechteck. Die Hausthür in
der Langseite, dahinter ein schmaler durchgehender Flur (F). Neben demselben rechts
das Wohnzimmer (Z,), und das Webezimmer (Z), beide durch einen grossen
Ofen (0) geheizt, der durch die Wand bis in die nach hinten gelegene Küche (K)
reichte. Rechts ein für uns verschlossener Raum, so viel ich verstehen konnie:
1) Der Name Klet, Klát, findet sich durch Russland bis zur Wolga. Hr. Heikel (Die Ge-
báude der Ceremissen, Mordwinen, Esten und Finnen. 8.99, 108) sieht darin, nicht blos hinsicht-
lich des Namens (vgl. Kleti in Gotland), sondern auch wegen ihrer Form, germanischen Einfluss:
(799)
Prischeningke genannt und für das weibliche Gesinde bestimmt. Das Haus hatte
ein Walmdach, aber zugleich einen Schornstein. Die Klete (Fig. 11 c) war ein
länglicher Bau mit einer grossen offenen Vorlaube, zu der einige Stufen führten.
Hinter der Laube 4 kleinere Räume, wie Badezimmer, in denen Kleidungsstücke
und allerlei Hausrath aufgestapelt waren. In der Mitte eine Treppe zu dem
Bodenraum, der jetzt leer war, sonst zum Aufbewahren von Getreide dient.
— 4 7 c
ER
WA
Figur 11.
Hier haben wir also, gegenüber dem Fischerhause der Kuren, den Hof des
litauischen Ackerbauers und Viehzüchters. Eine Beziehung zu germanischen Typen
1st nur schwer aufzufinden, jedenfalls erst in Süddeutschland. Dagegen darf vielleicht
An das preussische (galindische) Haus von Alt-Wartenberg erinnert werden. Ein
P'ineipieller Gegensatz gegen das kurische Haus scheint mir nicht vorzuliegen.
Die Bildung des geschlossenen Hofes und die stärkere Ausgestaltung der Wohn-
Le
et
;
‘
(800)
räume entspricht dem Bedürfnisse des Agrariers, aber der Grundplan des Hauses
bewahrt eine unverkennbare Aehnlichkeit mit dem des kurischen Hauses, dessen
Einfachheit uns nicht in Erstaunen setzen darf, —
Mögen diese Bemerkungen Einiges dazu beitragen, das Verständniss des
äussersten Ostens unseres Vaterlandes den Landsleuten in Innerdeutschland einiger-
maassen zu erschliessen, und mógen sie den Sachkundigen in Preussen nicht zu
viel Gelegenheit zu kritischen Einwünden bieten! —
I. Messungen an Helensern. _
mEEEM ‘ 2, 3 a. b.
Daniel Gottlieb | Daniel | Karl | Heinrich
Lebende Helenser Kunkel Walkows (aline Zuch Walkows
32 Jahre , 40 Fabre 88 Âhre 40 fahre | 34 Fahre
A Maasse.
Grösste horizontale Länge des Kopfes 199 195 : 191 190 —
, Breite . . . . e. 156 155 162 152 —
Ohrhóhe . . . . .. e. 4 117 117 110 | 117 -
Stirnbreite . . . . . | | | 113 | 106 114 | 112 --
Basilare Länge . . , , , , , , — — — | — -
Kopfumfang . . 2.211 2 1, 575 570 | 560 550 —
Gesichtshóhe A , , , , , | | | 199 188 187 188 -—
» B........ 125 188 133 117 --
Gesichtsbreite a . . . . . . . . ! 148 145 148 148 —
» b......2.5. 82 86 92 92 —
» Co wv vv Wo. 113 106 117 106 -—
Orbita, Hóhe. . |. . . . . . 31 35 36 —. 31 -
s Brie ........ 94 | 95 94 | 93 :
Nase, Hohe . . . . . . . . . 58 59 57 | 54
» Tänge .. 2112210 56 51° 5 | 8
» Breite . . , . . . 1 . . 33 33 | 35 | 37 —
» Elevation . . . . . . . 23 26 22 | 99 _—
Kórperhóhe . .. 2. 21 2 © 1678 | 1138 | 1647 | 1702 ! 188
B. Indices.
Lángenbreitenmdex. . . . . . . 78,4 79,5 | 848 800 | —
Ohrhóhenindex . . . . . . , 58,8 60,0 57,5 | 61,6 --
Gesichtsindex. . . . . . . ., 87,4 91,6 / 89,8 | 190 |^ —
Nasenindex . . 0. 568 62, 61,4 68,5 u
II. Messungen in Palmnicken.
EE | L| 2 | 301 Da a
Lebende Litauer TOTUM m c
Litauer Samländer
ur .$ | $ | 8 | $8 $
Samldnder 25 Jahre | 56 Jahre 45 Jahre | 44 Jahre |21 Jahre
A. Maasse.
Grüsste horizontale Lànge . . . . 181 | 189 194 187 | 186
» Breite . . |. .... 144 p. | 156 p. 156 p. 155 p. | 150 p.
(801)
%
% & ç &
Lebende Litauer Bodo 9. & LI 20 —
und 0 Litauer NN Samländer
Samländer 25 HEN sius aie 21 Jane
Horizontal Umfang. . . - - - 596 ^ 565 570 . 569 545
Sümbreite. . . . ee 111 | 111 121 113 111
Basilare Linge . . 1... 122 125 198 1930 ^ 114
Gesichtshohe A . . . . - - - 1 156 188 182 ^| 191 118
> B....... 102 122 118 126 | 112
Gesichtsbreite . . . - - - 138 137 150 149 135
» b. n | 82 74 o40 | 83 | 75
» c e. 121 | 102 | 110 — 1406 , 92
Orbita, Hohe. . + e | 56 | 36 39 38 | 35
» Breite . . . . . .. 92 | 91 ! 98 | 87 | 94
Nase, Hohe . . . 2.2.0 51 58 58 | 56 57
» Lünge. . + + + + ++ 50 | 62(59) 54 55 52
Breite. Mt. ar 36 39 40 37 | 35
» Elevation. . . . . « 20 | 22 95 $1 ' 21
———— cu 1598 1700 | 1645 | 169
B. Indices.
Längenbreitenindex . . . + 19,5 82,5 80,4 82,9 80,6
Sesichtsindex. . . « « - . 13,9 | 89,0 | 18,6 | 84,5 | 82,9
Nasenindex . . . . . . - 05 | e | 689 | 660 61,4
IH. Messungen in Nidden.
Lebende Kuren . - .
uM 60 Jahre 46 Jahre | 46 Jahre | 67 Jahre
A. Maasse.
Grôsste horizontale Länge . . 198 190 183 187
» Breite . . . . . . © 168 p. | 157 p. | 149 p. | 151 p.
Obthghe , . . . . . ... 193 | 116 | 108 130
Horizontal Umfang EM 588 —' 565 559 560
Stirnbreite. | |. | 10 113 105 108 110
Basilare Linge . . . . 136 128 14 ^ —199
Gesichtshóhe A . EM 195 188 174 185
» B. Cn 134 122 104 127
Gesichtsbreite a. . . . . . . 163 147 144 188
» ba 79 89 78 81
UN €... ll. 112 108 113 106
ita, Hohe . . . . . , 35 B | 33 38
» Breite . . . . . 93 90 92 93
Verhandl. der Berl. Anthrop. Gesellschaft 1891, t
(802)
^ 2 a 2
3
Lebende Kuren + 5
60 Jahre | 46 Jahre 46 Jahre 61 J abre
Nase, Hohe . . . . . LL. 62 61 58 56
» Lánge. . . . . . . . 60 59 54 58
» Breite. . . . . . | | 38 36 38 35
» Elevation. . . . . . , 24 24 19 22
Kôärperhôhe .. 2. 2: 1787 1768 1565 1581
B. Indices.
Léngenbreitenindex . . . . . 84,8 82,6 | 81,4 80,7
Ohrhéhenindex . . . . . . . 62,1 61,0 59,0 69,5
Gesichtsindex. . . . . . . . 82,2 82,9 75,2 92,0
Nasenindex . . . . , . ., 61,2 59,0 56,8 62,5
IV. Messungen in Schwarzort.
eu 9 3. a. b. 6. 8.
yLauze- Tochter Schwest.| Michel Laure. Anna | Anna
Lebende nin [Sa Lame. | Y |Peleiis "n8 Peto Pit
Kuren me | ning | Saküt Pietsch, schuss
5 | 6| 9 81 3 9' 9 p
71 J. | 48 J. |50 Jahre 46 Jahre 67 Jahre:39 Jahre 32 Jahre] 17 Jahre
A. Maasse.
Gr. horizont. Lànge ! 183 ! 192' 188 | 183 | 190 188 183 174
, Brite, . . . e 158 | 155 — 147 | 148 155 | 144 158
Ohróhe . . . . 117, 114! 118 | 111 ^ 111 112 107 119
Stirnbreite. . . .¢ 539 | 560 560 | 549 | 850 | 560 | 587 | 545
Basilare Länge . . | 109 | 103 100 106 108 ' 109 105 | 106
Kopfumfang . . . 128. 190: 117 109 120 | 111 114 110
Gesichtshôhe A . .1 188! 191) 179 164 195 181 | 158 | 183
, B. . 128 i 119 102 115 119 | 105 118
Gesichtsbreite a. .' 147 154: 185 186 148 | 14 185 | 187
> b. .! 77 88! 475 75 85 . 82 18 | 81
, c. . 115) 18 | 00 | s 110 111 | 98 102
Orbita Hóhe. . .| 33! 87 30 38 37 | 85 33 | 8
, Breite . | 98! 95 8b | 8 95 939 | 89 90
Nase, Hóhe . . .| 59] 53° 4 47 54 49 | 48 48
, Linge. . .! 56] B 53 43 55 52 | 46 45
» Breite. . . 87! 36 35 36 41 | 8 38 ! 81
» Elevation, .i 22| 93 20 | 2 8 99 | 20 16
Kórperhóhe . lier | 1774 1520 | 1482 1661 | 1647 | 1595 1559
(803)
3. ; b. 6. 8.
.Laure- Tochter Schwest. Michel "m Anna | Anna
Lebende von von nin Pikt-
| ning ! Lauze- | ,, | Peleikis E ’ Peleikis |
Kuren ning Saküt P tech schuss
1 #5 1 84,2 3. 5 ? 2 | 2
LL 71 J. 48 J. ‚50 Jahre | 46 Jahre 67 Jahre 89 Jahre 82 Jahre 17 Jahre
^. Indices.
Lingenbreitenindex | 84.1 | 796 8 80,3 778 82,4 , 186 | 819
Ohrhôhenindex . .| € © 6: &6 58,4 59,5 594 | 68,3
Gesichtsindex . .| 81.0, 8- ) SSH 86,1
Nasenindex . . .| 627 i59 6h 3 65." 64,5
V. Messungen in Löbarten.
. 2. e D. 6. 8.
Krist. | Ilsze 4 Ilsze Ilsze
. | e. Marin Mare , Jurgis Szernís, | Alksnis
Lebende Lauk- ! Janéi- , . | . , Behwest. . eb ,
Litauer stins | pig Orausdis Skrandís! Szernís von Schulkís | T Es
ó | 9 6$ | Q 5 Q 2 , 8
NEM 59 J. | 17 J. 27 Jahre 19 Jahre | 33 Jahre 28 Jahre 29 Jahre 46 Jahre
A. Maasse.
Gr. horizont. Lánge ! 183 | 1287 | 180 181 194 172 75
, Breite. . . . 1b |! Llp 149 138 112 143 io. 150
Ohrhôhe . . . . 118' 110 | 1 112 | 109 107 | liz 118
Stimbreite. . . . 110 119 108 | 95 100 97 101 102
Basilare Lünge . .' 114 94 118 111 192 115 111 110
Kopfumfang . . ., 5451 560 | 540 — 590 ^ 544 ! 520 610? 585
Gesichtshôhe A . ., 184 | 181 | 174 : 172 | 180 174 , 18 | 160
CE qm) dp! de | nro geb | gH 120 | 109
Gesichtsbreite a. .| 148 | 199 140 | 138 ^ 141 130 138 138
; b. | 92 | 88 coisg' s' 8 8 T9
, c. . 114) 102 ‘ 117 | 109 | 111 | 97 | 112 101
Orbita, Hóhe. . . 35 | 33 38 32 38 31 36 ' 31
» Breite . . 93 87 | 94 88 | 94 92 94 | 93
Nase, Hohe . . .1 60] 56 58 ' 51 52 47 | 56 52
» Linge. . . 681 64 55 48 51 47 53 | 852
» Breite. . .| 341 30 34 | 81 33 34 | 37 31
» Elevation. .! 25 | 21 ! 21 19 26 | 20 99 ; 20
Kórperhóhe 4 “ 1704 | 4616 1664 1604 1613 lvil | 1548 | 1585
B. Indices.
Längenbreitenindex | 84,7 | 82,4 82,8 16,2 73,2 8 i © 79,7 85,7
Ohrhühenindex . . 645 | 388 | 689 | 618 ! «48 wi 638 | 646
Gesichtsindex . ., 878 87,9 | 85,0 80,4 81,9 | dev 86,9 78,9
Nasenindex . . | 56,6 | 53,5 58,6 60,7 | 61,5 dtl 06,0 59,6
51*
/ A
VI. Messungen im Forst von Szernen.
1. | 2. 3.
Johns Martin Adam
Lebende Litauer Salomons | Lieliszkis ^ Baldruschat
5 6 ©
67 Jahre | 71 Jahre 56 Jahre —
A. Maasse.
Grüsste horizontale Lünge des Kopfes. . . . 172 178 186
» Breite. . . . 4 142 155 155
Ohrhóhe. . ... Zn vr eee 105 117 105
Stirnbreite . . . Cee ee REN 101 96 105
Basilare Linge . . . . . . . . . . |. 111 116 115
Kopfumfang . . . . . . . . . . . 509 530 540
Gesichtshèhe A . . . . ... . . . . . . 180 . 174 187
, B... ls. 118 117 116
Gesichtsbreite a. . . 1 21 11 1 0 2 135 143 140
» b... lll Vu! 87 87 86
» 6. . ter ee ee 99 106 110
Oma He. En 38 35 35
» Brit. .., , ,.,.,.,.,,.,.,. | 86 . | 93 94
Nase, Hôhe LL. 2211210111 1 1 1 54 52 52
, Lànge.......,.,.,.,.,2,., 51 54 55
» Brite......,.,.,.,.,.,.,. 94 a 36
» Elevation. . . . . . | 8... s. ! 16 24. 25
Kórperhóhe . . .....,.,.,.,. mittel gross . gross
B. Indices.
Léngenbreitenindex. . . . . Cee. 82,6 87,1 83,8
Ohrhôhenindex . . . . . . . . . . . . 58,9 65,7 56,4
Gesichtsindex . . . . . . . . . 874 818 82,8
Nasenindex . . .:, , ..,.,.., |. 62,9 1 69,2
VII. Litauer Schidel.
Schädel Kinten Windenburg
Ligon 1. | 2. 8. 4. 5. | 6. | . | 1. 2. | 3, 4.
sel stl | e | 5 'Kma|Kmdl| 5 | 5 | 9 19
. Maasse.
Capacitàát ..... T = ^. |M60 |—
Gr. horizont. Linge | E i. ^ (162
» Breite..... .. 1 Clue a P «0 | 1354. lon
Gerade Hóhe . .. . 150 - 1 128 | 121 04 | 125 | —
Ohrhôhe....... 1 e 4 101 s nó — . .108 [107
Hinterhauptslünge . b. 53 |. 48 bl | 50
Basilare Linge. .. 1: - ; 4 96 14.14 | ve AJ. | 104 106
Gesichtshóhe A .. - - =a - 98 ' — I 17 "107 | 94 lor?
(804^
f PU
Schädel Kinten _ Windenburg
Yon 1 | 2 | 8 | 4 | 5. 6. 7 I 1 | 2] 8] a
Litauern $? | $? | Q | Q | 5 |Kni|Kmd| 8 | $8 | 9 | $
Gesichtsbreite a.. - = c — | -— — . 136 | 134
o» b.. — | — C= = = sm | -
» e... — l- M" 99 | 95 | & 867
Orhita, Hôhe ....1305 | 0 | 88 — - 7 85 | 88 | 32 28?
» Breite .. .| 40 | 4 58 - 3 43 | 39 b 37
Nase, Hohe . .... 54 52 m | 55 50 | 48 48?
» Breite .... 25 28? 7 ?8 225 | 29? —
Gaumen, Lànge .. 60 58 - : 55
» Breite .. 39 36 - —
Pi | guet zahnlos.| EE Io
dent, Leichte fürbung. Gr. temp. emn.
Progen. Impress. Synost, a hum
intersq. rechts
in der
Lamb-
danaht
4. Ind.ces.
lüngenbreitenindex —. : EL
Längenhöhenindex . |
Ohrhóhenindex . . . No
Hinterhauptsindex 0 ë 5
Gesichtsindex . . . . -
Orbitalindex. .... 7 Ti)?
Nasenindex . .... & -
Gaumenindez .... 63 | 2.5 —
(34). Eingegangene Schriften.
1. Andree, R., Geographische Wanderungen. Dresden 1859. (2 Thle. i. 1 Bd.)
2. Aretini, Leonardi, de bello lialico adversus Gothos gesto historia, nunc
| primum edita. Parisiis 1534.
3. Barrius, Gabr, De antiquitate et situ Calabriae libri V. Romae 1737. Fol.
4. Brentano, E., Zur Lösung der Trojanischen Frage. Heilbronn 1881.
9. Bresciani, Ant, Dei costumi dell isola di Sardegna comparati cogli anti-
chissimi popoli orientali. Napoli 1850, 2 tom: 1 vol.
6. Brühl, Gust, Die Culturvolker Alt-Amerikas. Cincinnati 1875—87.
7. Brunner, Sebast, Ein eigenes Volk. Aus dem Venediger- und Longo-
bardenland. Wien 1859.
8. de Bussière, Th, L’empire mexicain. Histoire des Toltèques, des Chichi-
mèques, des Aztéques et de la conquête espagnole. Paris 1863.
9. Campomanes, Pedro Rodriguez, Antigüedad maritima de la republica de
10. on Cartago, con el periplo de su general Hannon. Madrid 1756.
. affanjon, J., L'Orénoque et le Caura. Paris 1889.
(803)
che
11. Charnay, Désiré, Le Mexique. Souvenirs et impressions de voyage.
Paris 1863.
12. Curiosités philologiques, géographiques et ethnologiques. Paris 1855. |
13. v. Czoernig, Carl Das Land Górz und Gradisca (Mit Einschluss von
Aquileja). Wien 1873.
14. Dall, W. H., Tribes of the extreme Northwest. Washington 1876, 4°,
15. Ely, Talfourd, Manual of archaelogy. London 1890.
16. N. Federmann's und H. Stade's Reisen in Südamerica 1599— 1555. Heraus-
gegeben v. Dr. R. Klüpfel Stuttgart, Lit. Verein, 1859.
17. Gaffarel, P., Les explorations françaises depuis 1870. Paris 1882.
18. de Goeje, M. J., Hadhramaut. (Sep.-Abdr. Revue int. coloniale).
19. Grotefend, G. F., Zur Geographie u. Geschichte v. Alt-Italien. L Aelteste
Kunde v. Italien bis zur Rômerherrschaft. Hannover 1840. 4°,
20. Hakluyt, Rich, The discovery of Muscovy with the voyages of Ohthere and
Wulfstan from king Alfred's Orosius. London 1889.
21. Hampel, Jos., Magyarhoni régészeti leletek repertoriuma. o. O. u. J., 4°,
22. Haven, Sam, F, Archaeology of the United States, or sketches, historical
and bibliographical, of the progress of information and opinion respecting
vestiges of antiquity in the United States. Washington 1856, 4°. (Extr.
Smiths. Contr.).
23. Kennan, G., Sibirien. Halle, o. J. 2 Thle. i. 1 Bde.
24. Koster, H., Voyages dans la partie septentrionale du Brésil, depuis 1809—-1815.
Trad. d. l'angl. p. A. Jay. Paris 1818, 2 vols.
25. Lindenschmit, L., Die vaterlindischen Alterthiimer der Fürstlich Hohen-
zollerschen Sammlungen zu Sigmaringen. Mainz 1860, 4°,
26. Lippert, Jul, Der Seelencult in seinen Beziehungen zur althebräischen
Religion. Berlin 1881.
27. Lyell, Ch, Reisen in Nordamerika mit Beobachtungen über die geognostischen
Verhältnisse der Vereinigten Staaten, von Canada und Neu-Schottland.
Deutsch v. E. Th. Wolff. Halle 1846.
28. Markham, Clements R., A life of John Davis, the navigator, 1550 — 1605,
discoverer of Davis straits. London 1889.
29. Mayer, Brantz, Observations on mexican history and archaeology, with a
special notice of Zapotec remains, as delineated in Mr. J. G. Sawkinss
drawings of Mitla. Philadelphia 1856, 4°. (Extr. Smiths. Contr.)
30. Monnier, Marcel, Des Andes au Para. Équateur, Pérou, Amazone. Paris
1890, 4°,
31. Müller, F. Max, Ueber die Resultate der Spraehwissenschaít, ^ Strass-
burg 1872,
32. Niclutsch, Fr., Amerikanische Nachrichten von Quito und den wilden
Indianern in Maragnon. o. O., 1781.
33. Oppel, Alw., Der Tabak in dem Wirthschaftsleben und der Sittengeschichte
der Völker. Bremen 1890. — Der Reis. Bremen 1890.
34. Oppert, Gust, Der Presbyter Johannes in Sage und Geschichte. II. Aufl.
Berlin 1870.
35. de la Pefia y Fernandez, Man. Manual de arqueologia prehistérica.
Sevilla 1890.
Nr. 1—35 Gesch. von Herrn C. Künne.
o
Sitzung vom 21. November 1891.
Vorsitzender Hr. Virchow.
(1) Hr. G. Fritsch hat sich durch Ueberhäufung mit anderweiten Geschäften
Senüthigt gesehen, aus dem Ausschusse zu scheiden.
_ Der Vorsitzende spricht Hrn. Fritsch warmen Dank aus für die viel-
Jährigen, der Gesellschaft geleisteten Dienste und bedauert lebhaft, dass es nicht
Selungen ist, diesen Verlust abzuwenden.
. Der Ausschuss hai an seine Stelle Hrn. Olshausen cooptirt. Derselbe hat
die Wahl angenommen.
. . (2) Als neues Mitglied wird gemeldet Hr. Maler Professor Woldemar Friedrich
M Berlin.
(3) Das Mitglied der Pflegerschaft für das Märkische Provinzialmuseum, Hr.
Pastor emerit. Ragotzky, ein um die prähistorische Erforschung der Priegnitz
Verdienter Mann, ist am 18. Juli gestorben.
(4) Fräulein Elisabeth Lemke kündigt unter dem 9. Oktober ihre glückliche
Ankunft in New York an.
(5) Hr. F. Jagor hat vom Bord des Schiffes Carpenter zwischen Batavia und
Soerabaya unter dem 1l. September Hrn. W. Timm geschrieben, dass er von
Batavia aus 55 Photographieen als Geburtstagsgeschenk für Hın. Virchow ab-
gesendet habe. Dieselben sind noch nicht eingetroffen.
Nach einem späteren Briefe aus Soerabaya vom 25. September berichtet Hr.
Jag or, dass er im Auftrage des Dr. Pleitner in Fort de Kock 3 Schädel (je einen
Batak, Javanesen und Maduresen) für Hrn. Virchow abgesandt habe. In der-
Selben- Kiste befinde sich eine von Hrn. Oberingenieur Yzerman in Padang
aufgenommene Photographie buddhistischer Ruinen, die er in Sumatra entdeckt
hat, Zwei, in dem Archiv von Batavia aufbewahrte ,Aktenstücke der Termiten“,
Welche Hr. van der Chijs dem Vorsitzenden zur Verfügung stellt, sollen
Später nachfolgen. „Morgen“, schreibt Dr. Jagor, „fahre ich nach Makassar“;
Vielleicht werde er von da nach den Molucken gehen. Jedenfalls gedenke er den
Beginn der kühleren Jahreszeit noch im Archipel abzuwarten.
(6) Hr. Friedrich Hirth, z. Z. kaiserlich chinesischer Zollinspektor auf
Formosa, übersendet, mit einem Briefe an den Vorsitzenden aus Tamsui, 10. Sep-
lember, einen schon vom 27. März datirten Bericht über
Alte chinesische Metallspiegel.
So eben habe ich mit grossem Interesse Ihren Bericht über Grüberfunde am
Nordabhang des Kaukasus gelesen. Ich bedauere ausserordentlich, dass ich mir
dieselben. nicht vor meiner Abreise angesehen habe; denn, wenn auch der grösste
Theil. dieser Sachen einer meinem Fache gänzlich fremden Cultursphäre angehört,
so besteht doch zwischen den historischen (im Gegensatz zu den prähistorischen)
Bewohnern gerade jener Gegend und China ein sich über viele Jahrhunderte er-
streckendes Verhältniss, wie es sich für wenige Völker Westasiens oder gar
Europas im Alterthum oder frühen Mittelalter nachweisen lässt. Was mich unter
Ihren Funden auf den ersten Blick fesselte, ist der Metallspiegel, Figur 57 auf
S. 449 der Verhandlungen (Sitzung vom 19. Juli 1890). Ich bin sehr geneigt,
dieses Stück auf die blosse Beschreibung und Ihre Abbildung hin als ein Product
chinesischen Kunstfleisses in Anspruch zu nehmen. Ich habe selbst zahlreiche
derartige Metallspiegel gesehen, auf deren Rückseite die einfachsten, sowie die
kunstvollsten Muster vertreten waren (vgl. einige Abbildungen berühmter Muster
des Alterthums in Bd. I meiner » Chines. Studien). Ich habe in meiner Wohnung
einige kleinere Stücke dieser Art zurückgelassen, sowie einen Spiegel grüsseren
Durchmessers, der s. Z. als Wandschmuck in meinem Esszimmer diente, Wenn
ich nicht irre, habe ich auch im Museum für Völkerkunde einige kleinere Exem-
plare gesehen. Ihre Beschreibung auf S. 449 ist für die chinesischen Spiegel
sehr charakteristisch, die ausnahmslos auf der Rückseite den an der Basis durch-
bohrten Knopf (letzterer in den besseren Stücken oft ornamental verwendet)
zeigen. Durch den Knopf wird eine seidene Schnur gezogen, die bei.den chine-
sischen Spiegeln als Handhabe diente, während sonst Metallspiegel (z. B. die
japanischen) mit einem besonderen. Griff versehen sind. Auch Figur 72 auf S. 456
hat einen besonderen Griff, eine Form, die ich in China nie gesehen habe, weshalb
ich gern wissen móchte, ob die Zusammensetzung, ‚Art der Bearbeitung, Uu. S. W.,
nicht auf einen verschiedenen Ursprung deuten. Metallspiegel sind in China
uralten Datums, doch scheint kunstvollere Bearbeitung erst aus den Zeiten der
Dynastie Han (etwa zwei Jahrhunderte vor und nach Chr.) zu stammen. Die
gesammte Literatur über diesen Gegenstand findet sich in der grossen Encyklo-
pädie T‘u-shu-chi-ch‘êng Zusammengestellt, wovon aus meiner Sammlung ein
vollständiges Exemplar in den Besitz der Königlichen Bibliothek übergegangen ist,
und zwar in den Kapiteln 225298 der 39. Abtheilung, wo Sie zahlreiche Ab-
bildungen aus der Dynastie Han und T'ang (d. i. bis in's 10. Jahrh, nach Chr.)
finden. Besonders gute Illustrationen finden sich in dem alten Druckwerke vom
Jahre 1312, das ich s. Z. ebenfalls der Königlichen Bibliothek hinterlassen habe.
Spiegel wurden schon im Alterthum aus Kupfer, Blei und Zinn (d. i, Bronze),
sowie aus Eisen verfertigt. Ueber die Verhältnisse der Bronze habe ich nichts
finden können, ausser an einer Stelle, wo von Kupfer und Zinn zu gleichen
Theilen die Rede ist. Für das Alter lässt sich wohl aus dem Aeusseren Ihrer
Figur 57 nichts feststellen; man müsste denn aus der Beschaffenheit der Spiegel-
fläche einen vielleicht etwas gewagten Schluss ziehen. Es findet sich nämlich im
Mêng-ch'i-pi-t'an, einem Werke des 11. Jahrhunderts, in dessen Aechtheit ich das
grösste Vertrauen setze, eine Stelle, wonach die Spiegelfláche bei kleinen Spiegeln
convex, bei grossen flach war, und zwar aus dem Grunde, dass der Spiegel dazu
bestimmt war, nicht mehr und nicht weniger als ein menschliches Gesicht in sich
aufzunehmen, was bei kleineren Gerüthen nur durch den convexen Schliff er-
reicht werden konnte. Der Autor des 11. Jahrhunderts sagt jedoch ausdrücklich,
dass dies die Kunst der Alten gewesen sei, und betrachtet den kunstvollen Schliff
"808)
(809)
als einen Beweis für hohes Alter. Es geht aus dieser Stelle deutlich genug
hervor, dass das Geheimniss des Convex-Schleifens im 11. Jahrhundert verloren
8egangen war"); ob es aber seitdem nicht wieder entdeckt worden ist, kann ich
der jetzt vorliegenden Literatur nicht entnehmen. Da Ihr Spiegel (Fig. 57) zu den
Kleineren gehört, so wäre es immerhin interessant die Form der Fläche fest-
Zustellen.
Dass sich chinesische Geráthe unter Ihren Grabfunden befinden, isb — wie
Schon angedeutet — nicht zu verwundern. Die Alanen, die zum Theil den Nord-
abhang des Kaukasus bewohnten, waren frühzeitig mit den Chinesen bekannt ge-
Worden. Sie werden zuerst in den Annalen der älteren Han-Dynastie, Han-shu
(206 vor Chr. bis 9 nach Chr.) erwähnt und beschrieben, und zwar als im Nord-
Osten von K‘ang-chü (Sogdiana) wohnend, eine Armee von 100 000 Bogenschützen
besitzend, im Uebrigen den Sogdianern gleichend. Das an dieser Stelle An-
tai genannte Volk wohnt an den Ufern des ta-tsé, d. h. „grossen See's^. Es ist
Zweifelhaft, ob damit der Aral-See oder das Kaspische Meer gemeint ist; da es
im Texte heisst: „der grosse See hat keine Ufer (oder Grenzen) und bedeckt das
Nördliche Meer“, so dürfte an das letztere zu denken sein. Ich habe (China and
the Roman Orient, p. 139, Anm.) das chinesische An-ts‘ai, auf linguistische
Analogien gestützt, mit den Aorsi des Strabo in Zusammenhang gebracht?) In
den Annalen der späteren Han-Dynastie (Hou-han-shu), die sich auf die ersten
Jahrhunderte nach Chr. beziehen, findet sich folgender Passus: „Das Land
An-ts‘ai, nach verindertem Namen A-lan-na, ist ein bewohntes Land mit Städten,
Zu K‘ang-chü (Sogdiana) gehörig, mit warmem Klima, vielen Chéng- (Ligustrum?)
und Sung- (Pinus) Bäumen und Pai-tsao (Weidegrab? Steppen?).“
Auf die Mitte des 3. Jahrhunderts bezieht- sich eine Stelle, die sich im Com-
Mentar der Annalen des Staates Wei, eines der „drei Staaten“, in die zu jener
Zeit China getheilt wurde, beziehen: „Das Land An-isai, auch A-lan genannt,
Bleicht K'ang-chü (Sogdiana), was Sitten und Gebräuche anbelangt; es grenzt im
Westen an Ta-tsin (die römischen Ostprovinzen), im Osten und Süden an K'ang-
Chü, Das Land besitzt viel namhafte Zobel; seine Heerden werden auf die Weide
Seirieben (d. h. es wird von Nomaden bewohnt); es liegt an den Ufern des
„Grossen See’s (ta-tsé), weshalb es früher zu K'ang-chü gehörte; jetzt gehört es
Nicht mehr dazu”)“. —
Der Vorsitzende spricht seine grosse. Freude über die in hohem Maasse
Wichtige Mittheilung aus und erinnert daran, dass‘ über dieselben Spiegel Hr.
Kad Schumacher (Zeitschr. f. Ethnologie 1891 S. 81) eine Abhandlung publicirt
hat, in welcher er aus ganz anderen Gründen in Europa gefundene und der Tene-
Cultur angehörige Geräthe vom Schwarzen Meere herleitet. Es wird jetzt eine
Aufgabe der weiteren Forschung sein müssen, zu ermitteln, ob hier in der That
eine Anknüpfung an alichinesische Einflüsse angenommen werden darf. —
In seinem Briefe vom 10. September schreibt Hr. Hirth über seine persón-
lichen Verhältnisse:
1) Vgl. meine ,Chines. Studien“, Bd. I, S. 278.
2) v, Gutschmid, Geschichte Irans, S. 69, ist unabhángig, wenn auch: drei Jahre
"ach mir, vom rómisch-griechischen Standpunkte zu demselben Resultate gekommen.
Cat Ueber die Alanen im Mittelalter und ihre intimen Beziehungen zu China, s. Jule,
ay and the way thither (passim, s. Index).
Yeo
(810)
»Ich arbeite täglich an meiner Uebersetzung und Erklärung des Chao Ja-kua,
eines Schriftstellers, der, obgleich bisher vôllig unbekannt, über die Handelsver-
hältnisse seiner Zeit (etwa 1210 nach Chr.) ungemein viel mehr Licht verbreitet,
als z. B. Marco Polo. Leider bin ich hier auf die wenigen Bücher angewiesen,
die man bei solchem Wanderleben, wie das meinige ist, mit sich führen kann,
und in Tamsui lebt keine Seele, mit der ein Gedankenaustausch über diesen
Gegenstand möglich wäre. Im Uebrigen befinde ich mich wohl. Vom Fieber bin
ich seit letztem October verschont geblieben. Ich habe seitdem mancherlei zur
Verbesserung des Gesundheitszustandes hier gethan. Das Schlafen in einstóckigen
Häusern schien mir ein Hauptgrund der vielen Fieberanfälle unter unseren Be-
amten zu sein; ich habe daher, da das Erbauen einer Anzahl hoher Häuser zu viel
Capital verschlingen würde, hinter jeder Wohnung einen auf 13 Fuss hohen Pfeilern
stehenden Schlafraum bauen lassen, der von allen Seiten dem Luftzuge aus-
gesetzt ist und von unten nicht den geringsten Zusammenhang mit dem Erdboden
hat, somit die beste Schlafstelle bietet, die man sich in einer mit Malaria be-
hafteten Gegend wünschen kann. Sodann habe ich den Gouverneur veranlasst,
mir ein fünf Acker grosses Reisfeld zu überlassen, das mit seinem stagnirenden
Gewüsser und der scheusslichen chinesischen Düngermethode unserem Frieden
sehr im Wege war. Dies und eine Anzahl anderer hygieinischer Verbesserungen
scheinen schon in diesem Sommer eine günstige Wirkung ausgeübt zu haben.
Doch weiss man in solchen Füllen nie, wie viel man dem Himmel schuldig ist.
Immerhin aber glaube ich, dass selbst in den ungesundesten Lündern sehr viel
von der Beschaffenheit der allernüchsten Umgebung abhängt. Viel werth ist es
auch, dass wir in diesem Sommer Eis hatten und ein russischer Schlüchter uns
ab und zu ein Rindvieh schlachtete. Mancher wird hier krank, weil er die Lust
am Essen verliert. Vier Monate jeden Tag ein gewöhnliches Haushuhn, nicht
einmal perdrix, ist geradezu Gift, und ein gelegentliches Beefsteak Medicin.“
»Die Wilden von Formosa sind ein liebenswürdiges Naturvolk, nur den
Chinesen, ihren Verfolgern, gram, durchaus nicht uns Europäern. Viel züher, als
andere wilde Stümme, müssen sie schon sein; sonst hätten sie den Kampf mit den
Chinesischen Culturelementen nicht mehrere Jahrhunderte aushalten können. Sie
halten zähe an ihren hergebrachten Sitten fest. Während in der Nähe von Tamsui,
wie an der ganzen Westküste der Insel bis auf 20 bis 30 Meilen in’s Innere, das
Leben der Bevölkerung sich kaum von dem der Chinesen des Continenis unter-
scheidet, lebt der Wilde wenige Meilen hinter der Verkehrsgrenze noch genau,
wie er vor 200 Jahren lebte; ja fast noch weniger von der Cultur ergriffen, als
damals, da ich aus alten Schilderungen schliesse, dass die Ureinwohner sich im
Anfange des 17. Jahrhunderts von den Holländern, die damals in Formosa ansüssig
waren, mehr beeinflussen liessen, als Jetzt von den Chinesen. Freilich wirkte dort
Ueberredung, hier Gewalt.“ —
() Der Druck der Sitzungsberichte hat durch den Selzer-Strike eine
vollständige, höchst unliebsame Unterbrechung erlitten.
(8 Hr. W. Joest wird sich wührend des Winters nach Aegypten begeben
und gedenkt bis zu den zweiten Katarakten vorzudringen.
(9) Hr. W. Belek ist nach einer Mittheilung an den Vorsitzenden aus Kars,
7. Novbr., glücklich aus der Türkei, von den Umgebungen des Wan-Sees, zurück-
(811)
y cet, wo er 15—20 neue Keilinschriften aufgefanden hat. Er hoffe gegen
eihnachten in Berlin einzutreffen.
à (10) Das correspondirende Mitglied, Hr. v. Ihering berichtet in einem Briefe
in den Vorsitzenden aus Rio Grande do Sul vom 13. October über seine
,' rikanistischen Studien, die sich neuerlich auch über die Nachbargebiete,
amentlich nach La Plata, erstreckt haben. Er hält es für môglich, dass die
Stossen Ruinenstüdte im Nordwesten von Argentinien nicht von Calehaquis stammen,
Vern von einem ihnen vorausgehenden Culturelement. Was den prühistorischen
*nschen der Pampas betrifft, so bemerkt Hr. v. Ihering, dass die Pampas nicht,
Wie man bisher angenommen hat, pleisthocän sind, sondern als pliocän betrachtet
werden müssen, da in Nordamerica zahlreiche Süugethiere der Pampasformation
8 unzweifelhaft pliocänen und von oberpliocänem marinem Sande überlagerten
Chichten nachgewiesen sind. Nirgends aber seien so zahlreiche Spuren des plio-
Cinen Menschen aufgefunden, als in Argentinien. Die Annahme des Hrn. Ameghino,
dass solche Spuren (Heerdreste) auch miocän vorkämen, hält er für zweifelhaft.
Schliesslich schreibt er Folgendes über
präcolumbisches Tabakrauchen und Caximbos.
. »Die schwierigste Frage für Rio Grande sind die Pfeifenköpfe. Wurde schon
Präcolumbisch geraucht? und was? Ein Indianerwort für Tabak haben die Tupi-
Guarani-Sprachen (pytym), auch für Schnupftabak, aber vergebens suche ich nach
"inem solchen für Pfeifenkopf, denn caximbo, das übliche Wort, ist portugiesisch.
Auch Philippi wunderte sich, in Chile bei den Araucanern für Pfeifenkopf nur
Rs Wort caximbo anzutreffen. Wenn ich einmal etwas rascher mit einer gewagten
Jpothese bei der Hand sein dürfte, als es sonst meiner Neigung entspricht, so
Möchte ich sagen: Tabak ist in Südamerika präcolumbisch nicht geraucht worden,
x nigstons nicht im Süden. Erst die Portugiesen und Spanier verbreiteten von
Ordamerica u. s. w. her die Sitte und damit auch das Wort, Wo ist der Ursprung
fs Wortes caximbo? Dann wären die Pfeifenkôpfe als postcolumbische Leit-
Ossile enorm wichtig. Es ist mir in der That nicht eine einzige Notiz bekannt,
dass in alten Sambaquys ein Caximbo gefunden wäre. Könnten Sie nicht Jemand
leranlassen zu einem Vortrag über Alter und Verbreitung des Tabakgenusses und
deg Rauchens mit Abbildung der ältesten Formen von Caximbos der Portugiesen
ud Spanier, um der Urform des Caximbo und seiner "Herkunft auf die Spur zu
nen? Eine solche Arbeit würde uns hier in Südamerica eher in die Lage
"ingen, unsere Kenntnisse und Studien nutzbringend zu gestalten.“ —
" Hr. Bartels theilt mit, dass Heinrich Ploss in Leipzig eine umfassende
de, phische Monographie über den Tabak vorbereitet habe, dass er aber vor
sich Herausgabe von dem Tode ereilt sei. Dieses wichtige Material, welches
i in der Verwahrung des Verlagsbuchhändlers Hrn. C. Fernau in Leipzig be-
"det, harrt noch eines Bearbeiters und der Herausgabe. —
v. KD Bald nach der brasilianischen Revolution und nach dem Tode des Hrn.
wie oseritz ist die von ihm gegründete „Deutsche Zeitung für Rio Grande do Sul“,
Reda Nummer derselben vom 16. September aus Porto Alegre meldet, in die
Sinne lon des Hrn. Karl Bolle übergegangen. Derselbe verspricht, in gleichem
km , wie der Verstorbene, für die Interessen des Deutschthums in Brasilien zu
pfen.
(£:9)
(12) Zufolge einer dem Vorsitzenden eingesendeten Postkarte lebt zu Ag?
manza, 3800’ hoch im Thale von Orotava auf Tenerife, eine weibliche Mikro
cephale. Der Schreiber, Hr. Joh. Habel aus Berlin, berichtet darüber, sie sel
nachweislich 32 Jahre alt, gesund, doch zum Gehen nicht fähig. Kopfgrósse, We
die eines neugeborenen Kindes. Hinterkopf fehlt. Sie ass mit Hast die ihr gé-
gebenen Biscuits. Ehedem warf sie das Essen über die Schulter und musste ge
füttert werden. Gesammthabitus, wie der des Mikrocephalen, den er 1875 in Berlin
sah. Die Mutter stürzte im zweiten Monat der Sehwangerschaft in einen Barranco
erholie sich aber von ihrem Schreck. Eltern normal, desgl. die Geschwister.
(13) Zu Bremen wird ein neues Handelsmuseum mit grossen Privatmitteln
gegründet. Gleichzeitig gedenkt der Senat für die naturwissenschaftlichen und
ethnographischen Sammlungen des Staates ein Museum zu bauen und dieses mit
dem Handelsmuseum zu einem grossartigen Doppelmuseum zu verbinden.
(14) Hr. F. 4. Brockhaus in Leipzig übersendet mit Schreiben vom 19. Nov-
im Aufträge der Frau Schliemann die in seinem Verlage erschienene Biographie
von Heinrich Schliemann. Dieselbe enthüli die von dem Verstorbenen selbst
geschriebene und zuerst in seinem Ilios veröffentlichte Selbstbiographie, sowie einen
bis zu seinem Tode fortgeführten Nachtrag von Dr. Brückner, der ihm in de'
letzten Zeit näher getreten und auch noch bei den Ausgrabungen auf Hissarlik
anwesend war. Das an sich so interessante Lebensbild des merkwürdigen Mannes
stellt sich so als ein geschlossenes Ganzes dar. —
(15) Dr. Henry Appleton von London berichtet in folgendem Briefe an den
Vorsitzenden aus Constantinopel vom 3. November über eine
archaische Topfscherbe aus der zweiten trojanischen Stadt.
7 »I have been requested by Mr.
Calvert of Chanak Kalessi near
to Troy, to communicate to you the
discovery of a piece of pottery
found on the site of Troy, having
a drawing upon it of a warrior
slaying a lion. The pottery is
hand polished, and presumably
from the first and most ancient
city, it is apparently part of a plate,
for at the back of my sketch
you will see the flat circular
base upon its under surface: the
drawing being on the inside of
the plate.
» The specimen was unearthed
by myself and was covered with
burnt ash, buried in soil which
had not been disturbed during
the excavations, I did not dis-
£ cover any other portions of the
plate, partly because I did not
make a vigorous search, as the
‘is
(813)
ash obscured the marks, and I did not make out the whole drawing.
bis extremely difficult to determine the exact spot where the pottery was found
buried. T am inclined to think from my own observations at the time, and from
Teference to Dr. Schliemann’s plan of the city since, that the place was within
the walls of the city and not far from Priams palace.
The drawing I have enclosed is an exact copy of the original, with the
Exception of the lions paws which are rather too small.
»You are at liberty to make any use you like of this communication, and I
Should like to hear your opinion of this very ancient work of art. I may mention
that Mr. Calvert was much interested in the specimen, and considered that
Dr. Schliemann with all his excavations failed to discover anything approaching
to the workmanship of this drawing.“ —
. Hr Virchow: Der Fund des Dr. Appleton ist hochst merkwiirdig und ich
bin ihm sehr dankbar fiir seine Mittheilung. In der That ist meines Wissens an
keiner Stelle in Hissarlik ein ähnliches Stück gefunden worden. Die Zeichnung
hat in hohem Maasse den Charakter ‚einer archaischen Darstellung und zwar einer
'1 orientalischer Auffassung durchgeführten 1). Unter den bisher bekannten irojani-
Sehen Stücken von bemalten Thongefüssen sind eigentlich nur diejenigen heran-
Zuziehen, welche Sehliemann bei seiner letzten Ausgrabung auf Hissarlik zu
Tage forderte und geradezu als mykenische bezeichnete (Bericht über die Aus-
S'abungen in Troja im Jahre 1890. Leipzig 1891. S. 18, Taf. I u. II). Allein
diese Topfscherben fanden sich in der 4. Culturschicht, von oben her gerechnet
(Verhandl. 1890, S. 350 u. 468), und darunter rechnete er noch 3 prähistorische
Schichten, ehe man zu der ,gebrannten" oder zweiten Stadt, der eigentlichen Ilios,
kam, Die Annahme des Dr. Appleton, dass das Stück aus der ersten und ültesten
Stadt herstamme, würde damit ganz unvereinbar sein. Auch ist aus dieser Stadt
Nicht ein einziges Stück bekannt, welches auch nur entfernt mit dem vorliegenden
zu vergleichen wäre. Es ist daher ein Irrthum wohl um so mehr anzunehmen,
ls Mr, Appleton selbst in Verlegenheit war, die Lage des Platzes, wo er das
Stück fand, genau zu bestimmen. Wenn er geneigt ist, den Platz innerhalb der
Mauer der Stadt und nicht weit von dem Palast des Priamos zu suchen, so darf
Man wohl vermuthen, dass er die gebrannte Stadt als die älteste genommen hat.
Aber auch hier sind derartige Stücke bisher nicht zu Tage gekommen. In Mykenae
Slebt es freilich auch nicht viel direkt Vergleichbares. Ein einziges Bruchstück
es grösseren Gefässes (Mycenes. Paris 1879, p. 211, Fig. 213) zeigt eine Reihe
se Kriegern, welche dem Style nach vielleicht in Betracht kommen kónnen, aber
€ sind im vollen Waffenschmuck dargestellt und die Helme, die sie tragen, bieten
qct die mindeste Aehnlichkeit mit der einfachen Kappe des Mannes dar, welcher
Un Löwen angreift. Höchstens liesse sich das einfache, eng anliegende und ganz
poe Gewand mit der Bekleidung der mykenischen Krieger in Parallele stellen.
oon trojanischen Mann einen Krieger zu nennen, würde an sich sehr gewagt sein;
: enn man ihn als Herakles auffassen wollte, so liesse sich dafür Manches
Mo Indess Alles das geht weit hinaus über das, was die zweite Stadt an
" ere aufzuweisen hat, und jeder Versuch, das fragliche Stück hier einzureihen,
M unt mir hoffnungslos zu sein. So móchte ich mich allerdings dem Gedanken
w enden, dass das Stück einer weit höheren, also jüngeren Schicht angehörte, und
enn ich auch nicht daran zweifeln will, dass Mr. Appleton es aus einer noch
1) Vgl. Menant Rech. sur la glyptique orientale I. p. 67, 85. IL p. 76, Pl. IX. fig. 8 et 9.
CS
"v
= mit
(814)
ungerührten Schicht hervorgezogen hat, so erscheint es doch nicht ausgeschlossen
dass diese Schicht bei ihrer Bildung durch das Herabgleiten oder durch das Wes"
räumen einer höheren Schicht entstanden ist. Aber auch so bildet es einen sehr
werthvollen Zuwachs der írojanischen Alterthümer, der bei einer kritischen Sonde
rung der einzelnen Funde stets ein besonderes Interesse darbieten wird. —
(16) Hr. J. Szombathy übersendet in einem Briefe an den Vorsitzenden aus
Wien, 15. November, folgende Mittheilung über
Bronzeringe mit Knópfen und Thierküpfen aus Bóhmen und Ungarn.
»Sie waren so freundlich, mir in diesem Sommer gelegentlich meines Besuche
die Abbildungen des eigenthümlichen Ringes zu zeigen, welche Hr. v. Fellen-
berg Ihnen eingesendet hatte. Erlauben Sie mir, dass ich im Anschlusse an d!e
in der Junisitzung der Anthropologischen Gesellschaft von Ihnen namhaft g€*
machten Beispiele noch jene Stücke ühnlichen Charakters anführe, welche sich
im K. K. Hof-Museum in Wien befinden.
Unter den La Téne-Funden vom Hradischte bei Stradonitz in Böhmen;
von welchen wir eine der ansehnlichsten Sammlungen besitzen, befinden sich drei
einschlägige Ringe, deren naturgrosse Abbildungen ich mir beizulegen erlaube.
Der erste (Nr. 5011, Fig. 1) ist ganz fein gekerbt und trägt nur auf seiner
äusseren Peripherie Ansätze: 3 einfache Wärzchen und 3 Stierkópfe, deren Horn-
enden mit je 3 Knüpfchen verziert sind. Die Stierkôpfchen sind nicht so deutlich
ausgebildet, wie an dem Ringe vom Zihlkanal oder an jenen im Wiesbadener
und Mainzer Museum, sondern nur stumpf kegelfórmig, ohne Andeutung der Augen:
Auf Widderküpfe zurückgehend, aber sehr schleuderisch geformt sind die
Ansätze, welche an dem Bruchstücke des zweiten Ringes (Fig. 2, Nr. 5013) auf-
sitzen. Die in drei Reihen zwischen den grösseren Ansätzen angebrachten Warzen
sind nicht regelmässig ausgeführt, so dass sie an zwei Stellen den stielrunden
Ring ganz frei lassen. Uebrigens ist das Stück stark gequetscht worden.
Der dritte Ring (Fig. 3) ist blos mit drei dichten Reihen von Warzen beseizi
Er ist nicht ausgearbeitet und zeigt an seinem Innenrande noch einen grösseren
und drei unscheinbar kleine gusszapfenähnliche Ansätze.
Auch ein viertes Stück möchte ich nicht unterdrücken, das Bruchstück eines
ganz roh und blos halbseitig gegossenen Ringes mit zwei Ansätzen, deren einer
entfernt an ein Vogelfigürchen gemahnt (Fig. 4).
Da auf dem Stradonitzer Hradischte im Gegensatze zu den meisten anderen
Burgbergen Böhmens kaum nennenswerthe Spuren einer Besiedelung vor der
Mittel-La Tene-Stufe, hingegen eine so grosse Fülle von Funden aus der La Tene- und
der römischen Zeit zu Tage gefördert worden sind, so ist die Zutheilung dieser
Ringe zur La Téne-Periode kaum in Zweifel zu ziehen.
Einen fünften Ring, (Fig. 5), mit 8 Gruppen von je drei Warzen, haben wir
kürzlich mit einer Sammlung aus dem Trentschiner Comitat in Oberungarn, in
welcher sich auch mehrere Mittel- und Spüt-La Téne-Fibeln befanden, erworben.
In Bezug auf den von Ihnen festgehaltenen Gedanken, dass es sich um sid
liche Importe handelt, welche vorzugsweise der Hallstatizeit angehören, will ich
constatiren, dass Ringe von 2 bis 5 em Durchmesser, mit 3 bis 10 Warzen in
emer Reihe am Umfange, in den Grübern von Hallstatt, Watsch, St. Margarethen;
St. Lucia u. s. w., vorkommen, häufig mit einer schmalen Bronzeblechschleife am
Ende eines Riemens befestigt, zum Einhaken des am anderen Riemenende befestigten
Gürtelhakens. Von Hallstatt?) und von Prozor in Kroatien besitzt unsere Sammlung
1) v. Sacken, Grabfeld von Hallstatt, Taf. XVIII, 20.
CS
auch flach gegossene Ringe, welche durch die besondere Verlängerung der Warzen
ein sternähnliches Ansehen gewannen. Endlich besitzen wir von Hallstatt und
von Watsch solche Ringe mit grôsserem Durchmesser, an welchen statt der
Warzen kleine Oehre zum Einfädeln von Kettchen, Bändchen oder dgl. ange-
bracht sind. Aber immer beschränken sich diese Zuthaten auf die eine peri-
Pherische Reihe. Die Ringe, welche Sie (Verhandl. 1891, S. 491, Fig. 4 und
Fig. 6) abbilden, bin ich geneigi, der Hallstattperiode zuzuzählen, wenigstens
den kleineren, Fig. 4.
Figur Figur 2.
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Figur 5a. Figur 4.
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. Was die Ansätze von Thierkópfen und dgl. am Ringe anbelangt, so darf ich
m Ihrem Sinne wohl auf Hallstétter Vorkommnisse weisen, nehmlich auf jene
Zierringe, an welche heraldisch gepaarte Kópfe entweder festgegossen oder be-
Weglich aufgesetzt sind. Erstere Art (Sacken, Taf. XII, 11) ist durch 4, letztere
Sacken, XII, 12) durch 2 sehr gut erhaltene Stücke vertreten, von den durch
euersmacht unkenntlich gemachten zu schweigen. Aber auch diese Zuthaten
BES
Sie
F
(816)
sind nur in der Ebene des Ringes angebracht, niemals seitlich, ausserhalb der-
selben; meines, Wissens auch nicht mehr als ein Paar.
Es ist kein Zweifel, dass die Ansätze von Süerkopf-, Widderkopf- und Vogel-
Figürchen an den von Ihnen aufgezeigten Ringen ihre. Vorlüufer unter den be-
kannten Fündstücken der Hallstattperiode haben, sowie die meisten Typen der
La Tène-Arm- und Halsringe ihren wirklichen Ursprung in Typen der Hallstatt-
periode zu haben scheinen. Für diesen Aufpuiz mit Thierfigürchen, und besonders
mit den heraldisch gepaarten, liegt jedoch der Ursprung nicht in der Hallstait-
cultur, sondern sicher in den vielberufenen, orientalischen Einflüssen, deren Weg
nicht immer klar vor uns liegt. Zunächst pflegt ja unsere Hand da auf den
etruskischen Einfluss zu greifen, nicht immer mit vollem Recht, aber doch meist
mit dem Erfolge guter Belehrung.
Wenn wir nun auch aus italienischen und ausseritalischen Funden, welche im
Allgemeinen der Hallstatt-Zeit zuzurechnen sind, eine ganze Schaar von Anklängen
an den Ring aus dem Zihlkanal und seine nächsten Verwandten anführen können,
So stimmt doch bei keinem einzigen dieser älteren Beispiele die Totalität und —
wenn man so sagen darf — die Art, wie das Ornament auf dem Ringe aufsitzt,
genügend mit den Hauptstücken überein. .-
Wie sehr man bei diesen Vergleichungen, welche sich auf den Nachbar-
gebieten des ,Hallstattien* bewegen, auf die Einzelheii achten und sich vor einer
Verallgemeinerung derselben hüten muss, lässt sich sehr hübsch an der (Verhandl.
S. 498) mitgetheilten Bemerkung Tischlers, „derartige Kugeln, welche an den
Enden der Hörner des Porter Ringes sitzen, seien nur von Téne-Funden bekannt“,
zeigen. Diese Bemerküng darf — wenn wir ihr speciell in Bezug auf Kuh-
hörner achtungsvoll zustimmen — nicht auf Hörner oder Hörnchen überhaupt aus-
gedehnt werden, denn an verschiedenen Hallstättischen Fundgegenständen aus den
Ostalpen und aus Italien sind bekanntlich Hörnchen mit Endknópfen (besonders
zu 1, 2 und 3 Paaren an den Schlangenfibeln) sehr häufig,
Fasse ich das Totalbild des Porter Ringes ins Auge, so muss ich wohl auch
sagen, dass mir die vorliegende Anwendung von Warzen und Thiermotiven zur
Schmückung eines stielrunden Ringes aus früheren Perioden nicht bekannt ist und
mir nur in die La Téne-Periode zu passen scheint.
Ich meine, dass bei den fraglichen Ringen die thierförmigen Ansätze nur die
letzte Ausbildung in einer Reihe von Verzierungsmotiven darstellen, welche etwa
mit einigen Ringen aus dem Museum von Wiesbaden (Lindenschmit, Alterth.
uns. heidn. Vorzeit, Bd. I, IX, I, 2) und von Waldalgesheim (Lindenschmit,
IIL, I, TI, 2) beginnt und sich durch die Ringe vom Hradischte bei Stradonitz
(unsere Fig. 3), von Trentschin (unsere Fig. 5), von Gottersdorf (Museum
Landshut, Lindenschmit II, V, L 2 und 3), von Ilvesheim (Lindenschmit
Sohn, Das röm. germ. Central-Mus., XXXI, 12) fortsetzt. Dieses letztere Stück
hat mit seinen 3- bis d-theiligen Warzen (oder 3- bis ö-knöpfigen kurzen Antennen,
was dasselbe bedeutet) eigentlich schon alles, was zur Thierkopfbildung gehört,
vorbereitet. Wo einmal die Phantasie des Beschauers aufgerufen wird, Thier-
köpfchen zu ahnen, wird die Hand des Erzeugers leicht diesen Schritt der Phan-
tasie mitmachen. Sehen wir doch auch andere Ornamente des La Tene-Styles sich
leicht in Thierformen ausbilden. Selbstverständlich will ich mit der flüchtig zu-
sammengestellien Formenreihe keine zeitliche Folge oder dergleichen darstellen,
sondern nur den wahrscheinlichen inneren Zusammenhang dieser Formen andeuten.
Nicht ohne Belang für die Datirung der Bronzeringe ist wohl auch das Vor-
kommen von Warzen auf den charakteristischen Glas-Armbändern der La 'Téne-
(817)
Periode, von welchen ich einen aus Nassenfuss in Krain und ein Fragment vom
Stradonitzer Hradischte (beide im K. K. Hof-Museum) und Bonstetten, Recueil
Ü'antiquités Suisses, I. Supplément, V. 10, IL. Suppl. IX, 4, 5 zunächst anführen
Möchte. —
(17) Hr. B. Ornstein berichtet aus Athen, 14. November, über einen
wilden Menschen in Trikkala®).
. Angesichts der unzulänglichen wissenschaftlichen Hiilfsquellen, welche mir
hierorts zu Gebote stehen, entzieht es sich meiner Kenntniss, ob viele Fälle von
Sogenannten wilden Menschen in der anthropologischen Litteratur verzeichnet
Sind. Da mir jedoch wührend meines 56jáhrigen Aufenthalis in Griechenland zum
ersten Male ein derartiger Fall zu Ohren kommt, halte ich die Mittheilung des-
Selben um so mehr für geboten, als desfalls angestellte Erkundigungen die Richtig-
keit der Thaisache ausser Zweifel stellen. Die erste Nachricht über diese sonder-
bare Entdeckung brachte die „Ephemeris“ vom 14/26. Oktober d. J., welche
dieselbe dem Localblatte von Volo, ai Ilayasol*, entnommen hat. Aus der
»Ephemeris“, welche diese Zeilen begleitet, ging dieselbe als Sensationsobject
Nahezu in die ganze hauptstüdtische Presse über. Der einschlägige Artikel der
Senannten Zeitung trägt die Ueberschrift „Ein wilder Mensch auf dem Pindus“
"nd der Inhalt desselben ist in freier Uebersetzung der folgende:
. »Die Entdeckung dieses halb menschlichen, halb thierischen Wesens verdanken
Vir dem pensionirten Oberlieutenant Herrn Demetriades, dem Inspektor des dem
Könige gehôrigen Waldbezirks auf dem Pindus”). Von einer Jagd auf Rehe er-
Müdet, richtete der genannte Beamte seine Schritte nach einer Schafhürde, um
Seinen Durst mit einem Glase Milch zu löschen. Auf dem Wege dahin hörte er
Seitwärts im Gebüsche ein Geräusch, das seine Aufmerksamkeit erregte. Als er
Sich der Stelle näherte, bemerkte er zwischen den Sträuchen ein ihm unbekanntes
Thier, welches sich eilig in gleicher Richtung mit ihm fortbewegte. Hr. Deme-
triades war darauf und daran, einen Schuss auf dasselbe abzugeben, als er durch
Warnende Zurufe der in der Náhe befindlichen Hirten davon abgehalten wurde.
Er folgte darauf der Spur des merkwürdigen, bald aufrecht, bald vierfüssig sich
forthewegenden Geschöpfes und erreichte dasselbe in der Hürde, wo es sogleich
über ein mit Molken angefülltes hôlzernes Gefäss herfiel und gierig trank. Auf
Seine Nachfrage berichtete ihm der Oberschäfer (dpxy7om4v) Nachstehendes:
, Es ist der Sohn eines aus Rumänien stammenden Wallachen (Bldyos), der
Sich seiner Zeit in Kastania niedergelassen hatte. Dieser begab sich in seine
Heimat, um dort Arbeit zu finden, und verheirathete sich daselbst. Er blieb dort
Nur einige Jahre und kehrte vor 6—7 Jahren mit 4—5 Kindern nach Kastania
Zurück. Bald darauf starb er und liess seine Frau mit den Kindern im Elend
Zurück. Da die Arme sich und die Kinder nicht zu ernähren vermochte, so
1) die alte thessalische Toíxxm am Lethaeos.
G 2) ein auf den Abhüngen des Pindus zwischen Arta und Trikkala in wildromantischer
sind gelegener Fichtenwald, welcher nach der Einverleibung des epirotischen Land-
den m das Königreich Griechenland von der Gemeinde von Kastania Sr. Majestät
hots ünige Georg zum Geschenk gemacht wurde. Der Umkreis desselben soll 4 Stunden
tame Ÿ Seitdem hat dieser dichte, uncultivirte, grósstentheils aus hochstámmigen Roth-
in den ES und von Wild aller Art bevölkerte Wald aufgehört, dem Räubergesindel
renzdistrieten als schwer zugänglicher Schlupfwinkel zu dienen,
Verhandl. der Berl, Anthropol. Gesellschaft 1891.
59
(818)
brachte sie die letzteren bei mildthätigen Leuten unter und kehrte in ihr Vaterland
zurück, Der eine Knabe entlief seinem Pflegevater und treibt sich seit 4 Jahren
im: Walde umher. Er ist, wie Du siehst, nackt. Im Sommer nährt er sich von
Molken, wührend er sich den Winter hindurch in Höhlen aufhält und von Wurzeln
und Eicheln lebt. Er spricht nicht und hat keinen Namen.“
„Da der alte Hirtenpatriarch“, fährt die „Ephemeris“ fort, „mit der Lage des
unglücklichen Wesens Mitleid hatte und dasselbe nicht zu Grunde gehen lassen
wollte, so nahm er dasselbe an einer Leine mit sich ins Dorf und gab ihm Klei-
dung und menschliche Nahrung. Seitdem hat er den Waldmenschen nicht mehr
von sich gelassen und man sieht ihn jetzt in den Strassen von Trikkala allerlei
Arbeiten für seinen Wohlthäter und Ernährer verrichten, doch immer von einem
Andern beaufsichtigt, da er es noch nicht zur Wortbildung oder sprachlichen
Articulation gebracht hat. Die Laute der dortigen Thierwelt sind ibm geläufig und
er ahmt dieselben ausgezeichnet nach. Auch ist er ein tüchtiger Reiter. Sein
Taufname ist unbekannt. Sein Beschützer nennt ihn Skiron.“
Im Hinblick auf die knappe und lückenhafte Schilderung der Persönlichkeit
dieses Waldmenschen bin ich geneigt, diese Hemmung der Sprachentwickelung
in Ermangelung eines andern ursächlichen Moments: auf die einschlägigen
Hypothesen Caspari’s, Noiré’s und Jüger's über diesen Gegenstand zurückzu-
führen. —
Hr. Virchow: In einem, gleichzeitig übermittelten Blatt der Edyuepis, Athen,
14. October 1891, wird die Geschichte des Aypıavdpwmroc &ml rc Mhvdov ausführlich
geschildert. Sie enthält aber nichts, was Hr. Ornstein nicht schon mitgetheilt
hätte. Es kann also nur der Wunsch ausgesprochen werden, dass auch über die
weitere Entwickelung des Knaben Nachrichten gesammelt werden möchten. —
(18) Hr. Virchow bespricht eine neue Sammlung
Spandauer Schädel.
Hr. Vater hat mir schon vor längerer Zeit einen Schädel übergeben (Nr. 1),
der auf dem alten Kirchhofe um die Nicolai-Kirche ausgegraben ist. Neuerlich
hat er eine Reihe weiterer Schädel (Nr. 2—4) nebst mancherlei anderen Fund-
stücken überbracht, welche im Laufe des Sommers aus dem Moorboden, jedoch
innerhalb der alten Stadtgrenze, zu Tage gekommen sind. Obwohl sie zeitlich wohl
erheblich auseinanderliegen, so lassen sie sich doch zusammenfassend betrachten.
Die Messtabelle gebe ich natürlich getrennt.
Die Berichte des Hrn. Vater lauten folgendermassen:
„1. Der Schädel kam zu Tage ungefähr 2 m tief in einer Grube, die am
Rande der Potsdamer Strasse etwa 20 Schritte vor dem Hauptportal der Nicolai-
Kirche für die Fundamentirung des Joachims-Denkmals gegraben wurde. Es
scheint, dass dort der die ganze Kirche einst ümgebende Begräbnissplatz war,
denn es wurden noch viele Trümmer menschlicher Gebeine ausgegraben, die nach
Herstellung des Mauerwerks aber wieder in die Grube hineingeschüttet worden sind.
Es sammelte sich immer ein grosses Menschengedringe um dieselbe, von dem
auch hin und wieder Unfug mit den zu Tage kommenden Knochen getrieben
wurde. Die Polizei suchte daher jeden näheren Zutritt zu verhindern und es war
mir daher eine sorgfältige Untersuchung der Lage der Gebeine unmöglich. Von
(819)
den Arbeitern erfuhr ich nur, dass irgendwelche Beilagen von Holz, Metall oder
Scherben nicht aufgefunden wurden. Der einzige unverletzt und mit dem Unter-
kiefer aufgefundene Schädel wurde mir auf meinen Wunsch überbracht.“
„2. Der Moorfund umfasst folgende Stücke:
1. zwei ziemlich vollständige menschliche Schädel, dazu .ein Unterkiefer;
9. einen defecten menschlichen Schädel, Hinterhauptsbein und Unterkiefer;
3. einen ganzen und einen halben menschlichen Oberschenkel und einen
Oberarm;
4. zwei Bruchstücke thierischer Schüdel, eines davon vom Pferd;
5. Bruchstück einer Geweinstange vom Edelhirsch:
6. Hornzapfen und Schädelstück vom Rind;
7. eine Rippe von einem grösseren Thiere:
8. drei Knochen vom Schwan.
„Alles gefunden im Moorboden, eiwa 3 m tief und vielleicht 100 Fuss entfernt
Yom jetzigen rechten Ufer der Havel, gegen 20 Schritte einwärts von der alten,
Jetzt abgebrochenen Stadtmauer.
„Die Fundstelle ist ein bewohntes Grundstück zwischen Fischerstrasse und
Lindenufer. Meiner Vermuthung nach hat die Fischerstrasse einst, schon vor
erbanung der Mauer. die Uferstrasse gebildet und den Fischern zur Ansiedlung ge-
lent,
Die Ausgrabung des sumpfigen Bodens geschah zur Fundamentirung eines
grossen Neubaues und musste dazu eine grosse Anzahl schwarzer, zum Theil
vermoderter, zum Theil noch giemlich fester, regellos eingerammter Eichen- und
Kienholz-Pfähle ausgegraben werden. Dazwischen lagen noch viele Thierknochen,
die fortgeworfen waren, als ich Kunde von den Schüdeln erhielt. Von etwaigen
Fundstücken menschlicher Industrie, Scherben oder Metall-Gegenständen ist mir
Nichts zu Gesicht gekommen; auf meine dringlichsten Nachforschungen wurde
Versichert, dass absolut nichts davon gefunden sei. Unter den Thierknochen fand
ich noch einen Radius vom Pferde, der offenbar zu einem Schlittknochen ver-
arbeitet war, und einen beilartig geformten rothen Stein von 28 cm Länge, 9 cm
grosster Breite und 6 cm Dicke, von dem ich nicht behaupten will, dass er
Spuren menschlicher Bearbeitung zeige. Das Gestein ist sehr miirbe, auffallend
roth gefirbt und schwer.
„Die Ausgrabung fiel leider gerade in die Tage meiner Uebersiedelung von
Spandau nach Berlin und isi daher vielleicht manches werthvolle Fundstück bei
Seite geworfen.“
Hr. Virchow (fortfahrend). In Betreff des Moorfundes ist sehr zu bedauern,
dass kein zuverlässiger Beobachter bei der Ausgrabung anwesend gewesen ist und
dass weder aus der Art der Bestattung, noch aus den Beigaben ein bestimmter
Rückschluss auf die Bevölkerung gezogen werden kann.
.. . Dagegen sind die Schädel selbst von so charakteristischer Beschaffenheit, dass
Ich kein Bedenken trage, auch die Moorschädel der Bevölkerung, wie sie sich
Wahrscheinlich schon bald nach der Anlage der Stadt gestaltete, zuzuschreiben.
Glücklicherweise besitzen wir durch die Aufmerksamkeit des Hrn. Vater eine
Reihe ganz analoger Schädel, über welche ich im Laufe der Jahre berichtet habe
(Verhandl. 1885 S. 391; 1888 S. 251; 1889 S. 472). Mit diesen zeigt die vor-
liegende Reihe unverkennbare Verwandtschaft, wenngleich keine vôllige Ueber-
einstimmung. Am meisten ist dies bei den Schädeln von 1889 der Fall.
y
(8. :
Die 3 gut erhaltenen Schádel sind sümmtlich brachycephal. "Trotzdem
zeigen sie recht erhebliche Verschiedenheiten, schon in Bezug auf die Schädel-
indices. Während Nr. 1, der Schüdel vom Nicolai-Kirchhof, chamaebrachy-
cephal (L.-Br.-I. 80,0, L.-H.-L 69,4) ist, erweisen sich Nr. 2 und 3 als hypsi-
brachycephal (Nr. 2 87,5 und 81,5, Nr. 3 86,7 und 78,8. Dem entsprechend
zeigt Nr. 1 eine betrüchtliche Hinterhauptslünge (Index 32,2) wührend dieselbe
bei Nr. 2 (Index 22,6) und Nr. 3 (Index 25,4) ungewöhnlich gering ist. Dabei ist
zu berücksichtigen, dass Nr. 1 fast kephalonisch ist und eine Capacitüt von 1550
ccm besitzt, wührend Nr. 2 den mittleren Schüdelinhalt von 1465, Nr. 3 den sehr
kleinen von 1258 cem ergiebt. Sonderbarerweise stehen die sexuellen Charaktere
damit in keinem rechten Verhiltniss. — Nr. 2 bietet allerdings vorwiegend männ-
liche Merkmale, dagegen entspricht die Bildung von Nr. 1 und 3, die von ersterem
trotz der Stärke und Kráftigkeit der Schüdelknochen, mehr unseren Vorstellungen
von weiblichem Typus. Insbesondere sind die Niedrigkeit und die gerade Stellung
der Stirn, die schnelle Umbiegung zu der langgestreckten Scheiteleurve, die ver-
hältnissmässige Zierlichkeit der Gesichtsknochen, namentlich des Unterkiefers,
viel mehr weiblich.
Die sehr unregelmássige Bildung des Schüdeldaches macht eine genaue Be-
stimmung der einzelnen Abschnitte unmöglich. Bei Nr. 1 drängen sich 2 grosse
Epactalia zwischen Parietalia und Occipitale, Nr. 2 hat ein weit hinaufreichendes
Os apicis, bei Nr. 3 sind die Sagittalis und die oberen Theile der Lambdanaht im Ver-
wachsen begriffen. Selbst das defekte Schädeldach Nr. 4 zeigt eine Synostose der
hinteren Abschnitte der Pfeilnaht. Ausserdem ist die Schläfengegend bei Nr. 1
und 3 abweichend, beidemal sind die Alae schmal und die Schlüfenschuppen dem
Stirnbein genühert.
Das Gesicht ist in den beiden mit Unterkiefer versehenen Schüdeln chamae-
prosop, am meisten bei Nr. 1 (Index 75,9), weniger bei Nr. 2 (Index 83,9).
Die Bildung der Orbitae variirt stark: bei Nr. 2 chamaekonch (76,9), bei Nr. 3
und 1 mesokonch (80,4 und 85,3), bei Nr. 4 hypsikonch (89,1); trotzdem er-
scheint sie bei den 3 ersten überwiegend niedrig, gedrückt und verlängert, nach
slavischer Weise. Die Nase ist bei Nr. 2 mesorrhin (51,0), bei Nr. 3 und 1
platyrrhin (54,7 und 58,1), am schmalsten (48,8) bei Nr. 4, indess doch auch
hier mesorrhin. Kein einziger hat eine leptorrhine Bildung, — ein Umstand, der
sich mehr aus der Niedrigkeit, als aus der Breite der Nase erklärt. Die Nasen-
beine sind kurz, stark eingebogen, nur bei Nr. 2 länger, mehr gestreckt und der
Rücken im Ganzen vortretend, während bei den Weibern nur die Spitze stärker
vortritt. Der Gaumindex ist nur bei Nr. 3 mesostaphylin (81,8), sonst bei
allen leptostaphylin. Abgesehen von einem schwachen Ansatz bei Nr. 4, zeigt
sich ein Torus palalinus bei keinem. Die Kiefer sind durchweg zart, die Alveolar-
fortsätze niedrig und nur an den Rändern schwach vortretend, am meisten bei
Nr. 4, der auch sonst am Gesicht manches abweichende Merkmal hat. —
Aus dem Moorfunde sind ausserdem noch 3, offenbar zusammengehörige
Exiremitütenknochen von Menschen eingeliefert, alle drei schwer, dunkel, zum
Theil schwürzlich, von richtiger Moorfarbe, kantig und mit starken Muskel-
ansätzen. Es sind dies folgende:
l. das ganze rechte Os femoris, 445 mm hoch (vom Trochanter bis zum
Condylus int. 433 mm). Das Collum kurz, wenig aufgerichtet, unter
einem Winkel von 135? angesetzt;
2. das untere Stück des linken Os femoris;
: 20)
(8^*)
3. das rechte Os humeri, 332 mm hoch, mit sehr tiefem Suleus intertuberc.,
wenig gedreht, ohne Durchbohrung der Fossa olecrani.
Die Thierknochen (in dem Bericht des Hrn. Vater unter Nr. 4—8) zeigen
Wenig Spuren menschlicher Einwirkung, wenn man von dem Zerschlagen derselben
absieht. An dem Geweihstück vom Edelhirsch sind die Sprossen benagt. Die
Lage der Knochen muss eine verschiedene gewesen sein, da Nr. 5, 7, 8 und 9
eine helle, zum Theil sehr lichte Farbe haben, als wären sie in Sand eingebettet
gewesen, während Nr. 6 schwer und dunkel ist. Indess befinden sich unter der
ersten Gruppe ausser Knochen vom Edelhirsch und Schwan auch solche vom
Pferde, so dass Schlussfolgerungen aus den Lageverhältnissen wohl nur mit
Brosser Vorsicht gezogen werden könnten. Von den menschlichen Schádeln ist
Nr. 4 am dunkelsten.
Ob der Moorfund aus einer alien Begrübnissstelle herrührt, ist nicht zu er-
Sehen, Möglicherweise handelt es sich um alte Anschwemmungen. Jedenfalls ist
Nichts vorhanden, was darauf hindeutet, dass an dieser Stelle etwa eine prähistorische
Ansiedelung bestanden hat. Der Typus der Schädel weist, wie schon erwähnt,
auf eine Verwandtschaft mit der alten Stadtbevölkerung hin.
Für diese dürfte der Schädel Nr. 1 bezeichnend sein. Er schliesst sich am
Meisten den holländischen Typen des Mittelalters und der beginnenden neueren
Zeit an. Vielleicht weist er auf eine jener flämischen Familien, die in der Mark
S0 weit verbreitet waren.
Schädel von Spandau 9. 3. | 4.
__ 1891 : | 5 | 9? | $
I. Messungen.
Capacität . . . seres s. 1500 | 1465 — 1958 —
Grôsste horizontale Länge. - - + + << 180 168 165 -.
, Breite .. 220201018888 TI V" 148 adp.| 142pi
Gerade Hohe . . « . - + «+ +c. . | 12 137 180 —
Ohrhöhe . . . . oe 100 ' 115 109. —
Gerade Hinterhauptslànge . . . - 0. 58 38 42 —
Entfernung des Meat. audit. v. d. Nasenwurzel 105 | 105 98 —
» , For. magn. » » » 97 | 97 94 _
Stimbreite ot t t s 96 102 | 99 96
Horizontalumfang . os n 527 | 512 501 —
Sagittalumfang des Stirnbeins . + + + <= 119 | 101 117 ^ 181
» der Ffciinaht PA Var 112
» » Hinterhaupts-Schuppe . . 112? 109? j nii —
Ganzer Sagittalbogen.. „N x 868 353 / 344 —
Gesichtshôhe A. . . . o ot n n 98 — i| 96 ! —
» B... sett onn 5 ^ « | 56 | 6
Gesiehtsbreite a . 1... 1226222019 7 181 | 123 7 —
> bl leet rn 95 9% | 8 ' 86
0» € lere rots 9 | — ! 8 =
Orbita, Hohe. . . . . . . . . . . . . 35 30 33 38
» Brite LL. ,...,..25.2.^5- 41 39 | 41 37
i21
Schädel von Spandau
1891 9» | 5
Nase, Hohe . LL 1221111115 43 49 42 45
» Breite. . ,.,.,.,.,.,, 25 95 | 98 | 22
Gaumen, Linge . TN 50 52 43 48
> Breite . 2. 12111111 0 39 38 35 37
Gesichtswinkel ce Cee (59 LS 10? -—
Stenokrot. Os apie. Stenokrot. Synost.
Grosse Aelteres Synost. sagitt post
Epaetalia — Individ. sagitt. Alt
671 g schw
Jüngeres
Individ.
II. Berechnete Indices.
Làngenbreitenindex e. . 80.0 87.5 86.1
Làngenhóhenindex. . . . , | | (5,8 —
Ohrhóhenndex . . . . | | , , , 5: , 66 *
Hinterhauptsindex . . . , , , | | FA 4 . 95,
Gesiehtsindex . . , . , , , , , |. 15,9 —-
Orbitalindex . . . , , | 85,3 EI 80,4 89,1
Nasenindx . , , , , | . ac Gt 48,8
Gaumenindex . , , , ,., E , n : 77,0
(19) Hr. J. Naue in München berichtet unter dem 7. November über ein
Hügelgrab der älteren Bronzezeit bei Mühlthal (Oberbayern.)
Das Skelet lag in der Tiefe von 1,80 m und zwar in der Richtung von Nord-
Nord-West nach Ost. Auf dem, unter dem gewachsenen Boden hier anstossenden
Nagelfluhfelsen war eine 16 em starke feine Lehmschicht ausgebreitet und fesi-
gestampft worden und dann die Leiche im vollen Schmucke darauf gelegt. Hügel-
artig ist sie, abweichend von den bisher beobachteten Gebrüuchen, mit einer feinen
Lehmschicht von 95 c» Hühe in der Mitte bedeckt worden und darnach der
Steinbau ausgeführt; welcher sich an jenen, von Süd über West nach Nord laufenden
anschliesst.
Auf dem festgesiampften Lehm lag nun gerade gesireckt auf dem Rücken,
den Kopf ein wenig zur Seite geneigi, ein weibliches Skelet, dessen Armknochen
gerade gestreckt zu beiden Seiten herabgingen. Auch die Schenkel waren gerade
gestreckt, doch zeigie sich der linke Oberschenkel mehr nach innen gerichtet.
Dank den vielen Bronzebeigaben war der grösste Theil des Skelets erhalten.
Wo jedoch die Knochen mit Bronze nicht in Berührung gekommen waren, trafen
wir sie zermorscht an.
Beigaben: Dicht unter dem Kinn und um den Hals, in Abständen herum-
gehend, eine Halskette aus grösseren und kleineren Bronzespiralróhren, in
der Mitte eine Bernsteinperle von der Grösse einer Kirsche, welche jedoch
zerfiel. Neben den Spiralróhren lagen kleine weisse, kalkühnliche Steinchen (viel-
leicht von Perlen herrührend?).
Der starke vermoderie Faden, womit die Spiralrühren aufgeroiht waren, endete
(822)
(823)
Le je eine óhsenfórmig umgebogene kleine Bronzespiralscheibe. Eine derselben
ag hinter dem Hinterkopf, die andere unter dem Kinn, doch etwas weiter nach vorn.
Zwei Bronzenadeln mit aufgerollten Kópfen (einer derselben ist sehr breit
Schämmert) lagen über den Schlüsselbeinen. Die Spitzen waren nach aussen,
die aufgerollten Köpfe nach innen gekehrt. (Die Lage war SO, dass sich der Kopf
der oberen Nadel in der Mitte der unteren befand.) Die obere, geschlängelte
Nadel mit óhsenartig aufgerolliem Kopfe lag mit diesem an dem inneren Schlüssel-
beinende und ging mit diesem Knochen bis zum linken Oberarmkopf.
Die untere Nadel lag mit dem breit gehümmerten, aufgerollten Kopfe schräg
Unter jener, so dass ihre Spitze sich etwas über dem rechten Schlüsselbeine befand.
Beide Nadeln dienten wahrscheinlich dazu, einen Mantel oder ein Obergewand
festzuhalten.
, Auf der linken Achsel muss das Untergewand mit einer grossen tutulusartigen
Zierscheibe besetzt gewesen sein, denn eine solche lag, theilweise zerbrochen,
auf und unter dem linken Schlüsselbeine.
. Ohngeführ etwas unter der Mitte des rechten Unterarmknochens trug das
Skelet ein massiv gegossenes, offenes Armband von Bronze, mit kurzen Endstollen
und fein eingeschlagenen Ornamenten, während sich das zweite, fast gleiche Arm-
band (aber nicht aus derselben Form gegossen) mehr unten am linken Unterarm-
knochen vorfand.
Dicht neben und auch etwas unter dem rechten Armbande lagen, von oben nach
Unten zu, Bronzeknópfe (d. h. von der Brust zum Leibe gehend) in vierfacher
Anzahl dicht neben einander und setzten sich von hier, über den unteren Theil
der Brust gehend, nach dem linken Arme, ebenfalls einer dicht neben dem andern,
fort. Ihre Grösse ist 2,5 cm im Durchmesser, Diese Knöpfe wechseln mit anderen
Yon 2,8 cm im Durchmesser $0 ab, dass jedesmal nach zweien von 2,5 cm ein
Stósserer von 2,8 cm folgt. Die Mitte dagegen nehmen, von oben nach unten, 9
Srüssere tubulusfófmige Knüpfe — der grösste in der Mitte — ein.
An beiden Seiten lagen gróssere ovale Knópfe, von oben nach ‚unten gehend,
und in der Mitte ein grösserer tutulusförmiger Knopf. Die Länge dieses, allem
Anscheine nach, aus dünnem naturfarbigem Leder bestehenden, verzierten Gürtels
beträgt vorn etwa 22 cm. (Die Knópfe waren mit kleinen dünnen Lederriemen
auf dem Ledergürtel befestigt.) Auf der Rückseite war der Gürtel nur in hand-
breiten Abständen mit je einer Reihe von oben nach unten befestigter runder und
Ovaler Bronzeknöpfe verziert. Die Breite des Gürtels beträgt etwa 10 cm,
Zu beiden Seiten des Gürtels, bezw. neben und unter den Unterarmknochen
und den äusseren Beckenseiten, lagen dicht neben einander, von oben nach unten
Sehend, grössere und kleinere (diese unten) ovale Knöpfe, und an diese an-
Schliessend je 3 kegelförmige Hülsen aus Bronzeblech (auf der linken Seite nur
Zwei aus Blech, eine dagegen aus spiralartig aufgerolltem Bronzedraht) Die Hülsen
Auf der rechten Seite lagen mit den breiten, oberen Enden dicht neben einander
Und nach aussen, die Spitzen nach innen gekehrt und theilweise auf dem Becken-
Knochen. Die drei Hülsen der linken Seite hatten dagegen die oberen, breiten
Enden nach unten und die Spitzen nach oben gekehrt.
. Ueber dem Kreuzbein und dem Jinken Beckenrand fanden sich, schräg von
Jenem nach dem linken Oberschenkelkopfe gehend, ein kleiner Knopf, ein tutulus-
formiger Knopf, ein kleiner und ein tutulusfórmiger Knopf. oo
| Aller Wahrscheinlichkeit nach wurde der breite Gürtel unterhalb der Brust
= h. über dem Becken) getragen und hingen von diesem zur linken und rechten
eite schmale, mit grösseren und kleineren ovalen Knöpfen besetzte Streifen (auf
Per)
(824)
Jeder Seite einer) herab. Auch dürfte ein schräges, mit kleinen und tutulusformigen
grösseren Knöpfen besetztes Band links zur Hüfte herabgegangen sein. (Vielleicht
diente es dazu, eine Tasche oder dergl. zu befestigen.)
Die je drei kegelförmigen Bronzehülsen gehörten vermuthlich zu einem drei-
fach geflochtenen zweiten Gürtel, der vielleicht über dem Leibe getragen wurde
und an seinen Enden mit den Hülsen besetzt war. Bei der Bestattung wären
dann die beiden Enden des Gürtels zu den Beckenseiten angeordnet worden.
Unterhalb des Beckens bis etwas über den Knieen fanden sich, über beide
Oberschenkel herübergehend, viele kleinere und grössere Bronzeknöpfe dicht neben
einander; seitwärts dagegen kleinere tutulusförmige und in der Mitte grössere dieser
Gattung. Dieser Besatz des Oberkleides war etwa 18 cm breit und ging ganz um
den Oberkürper herum. Unten schloss der Besatz mit kleinen tutulusfürmigen
Knópfen ab.
Unter der rechten Handfläche lag ein vierspeichiges kleines rundes
Bronzeornament mit angegossenem kurzem, flachem und in eine Hülse umge-
bogenem Ende (dieses nach unten gekehrt).
An dem linken Fusse war eine, leider zerbrochene, kleine, schwarze, un-
verzierte Henkelschale beigestellt worden, die ich jedoch wieder zusammensetzen
konnte.
Durch diese Beigaben, welche für die ältere Bronzezeit als ausserordentlich
reiche und seltene bezeichnet werden müssen, erhält der Skeletfund eine wichtige
Bedeutung, denn er giebt uns, da sämmtliche Bronzen noch an Ort und Stelle
lagen, vortreffliche Aufschlüsse über die Ausschmückung sehr reicher hochstehender
Frauen.
Die runde, innen mit Kreuz versehene und durchbrochene gegossene Scheibe
war vermuthlich mit der Hülse auf einem kurzen Stabe, welcher bis zu den Füssen
gereicht haben dürfte, befestigt und diente wohl der Verstorbenen als ein Abzeichen
ihrer Würde.
Dass in dem Grabhügel, welcher allein am äussersten nördlichen Rande des
grossen Friedhofes liegt, eine ganz hervorragende Person bestattet worden ist, be-
weisen neben dem merkwürdigen Mittelsteinbau, welcher aus sehr grossen, 4 bis
6 Centner schweren Steinen errichtet war, die Opfer von drei Ebern (bisher von
mir noch nicht gefunden) und die Mitbestattung von zwei weiteren Leichen, welche
jedoch, ohne jede Beigabe, unter den untersten Steinlagen gefunden wurden.
Da sich in den obersten Schichten des Grabhügels einige Gefässscherben
der Hallstattzeit vorfanden, so liegt es nahe anzunehmen, dass noch in dieser Zeit an
oder auf dem Grabhügel jener hochgestellten Frau Opfer dargebracht worden sind. —
Hr. Virchow: Die mir zugegangenen Knochen befinden sich leider in einem
so defecten Zustande, dass nur einzelne, der Kupfereinwirkung stärker ausgesetzt
gewesene Abschnitte einigermaassen erhalten sind. Dahin gehören ein Theil der
Halswirbelsäule und Stücke der Beckenknochen, insbesondere auch die Dorn-
fortsätze und hinteren Bogenabschnitte der Lendenwirbel. Nur der Schädel ist
etwas vollständiger erhalten, so dass die allgemeine Form desselben aus den vielen
Bruchstücken sich, wenigstens annähernd hat reconstruiren lassen,
Die Knochen sind durchweg zart, und da nach dem Zustande der Zähne auf
ein vorgerücktes Alter der Person geschlossen werden muss, so darf wohl an-
genommen werden, dass es sich um eine ältere Frau handelt. Damit stimmt auch
die sonstige Beschaffenheit des Schädels.
Letzterer hat durchweg zarte und weiche Formen. Die Stirn ist fast ohne
Wulst, der Nasenfortsatz flach und schwach gerundet, die Tubera parietalia schwach,
am Hinterhaupt Muskel- und Sehnenansütze kaum erkennbar. Die verhältniss-
Mässig breite Stirn (100 mm in minimo) ist ziemlich gerade, aber niedrig; der
Uebergang zu der leicht gewülbien, aber mehr gestreckten Scheiteleurve ver-
hülinissmássig schnell, das Hinterhaupt schmal, vortretend und leicht gerundet.
Die Durchmesser sind natürlich nur annäherungsweise zu bestimmen und die
Indices unsicher; trotzdem werden die nachstehenden Angaben eine gewisse
Anschauung gewähren: |
Grösste horizontale Länge 178 mm
» Breite. . . . - = 132 ,
Gerade Hóhe . . . . - = 132 ,
Ohrhôhe . . . . . . 120
Gesichtshéhe . . . . . 110 ,
Malarbreite . . . . 90°? ,,
Danach berechnet sich ein
Längenbreiten-Index von . ‚74,2 mm
Lüngenhóhen- , »0 c1 4,2 ,
Ohrhôhen- ^ $255. 0674
Das würde einen dolichocephalen Schädelindex und einen ortho-, viel-
leicht sogar hypsi-, cephalen Höhenindex bedeuten. Da die Jochbogen zerstört
und das Gesicht sehr verdrückt ist, SO lassen sich faciale Indices überhaupt nicht
berechnen. Dem Augenschein nach waren das Gesicht eher schmal, die Augen-
höhlen hoch, die Nase schmal, der Gaumen eher breit. Die Kiefer ausgemacht
orthognath.
Der Oberkiefer besitzt einen kräftigen, fast 20 mm hohen Alveolarfortsatz, der
gerade heruntergeht. Die Zähne sind, soweit nicht die Kiefer verletzt sind, voll-
ständig, bis fast zur Hälfte des Schmelzes herab abgenutzt, aber ohne Krankheit.
Die Vorderzähne eher etwas rückwärts gerichtet. Zwischen den medialen Schneide-
zähnen ein grosses Trema. Der Unterkiefer zart, das Kinn vortretend, fein ge-
rundet, die Winkel etwas nach aussen ausgebogen, die Aeste niedrig und sehr
Schrüg angesetzt.
Zweifellos gehört der Schädel einer edlen Rasse an und zeigt ausserdem Merk-
male einer feinen, individuellen Ausbildung.
Von den Skeletknochen ist Folgendes zu bemerken:
1. Schulterblätter grossentheils zerstört, nur die oberen Theile erhalten.
Gelenkflächen klein und seicht, Proc. coracoides zart.
2. Von den Oberarmknochen sind nur Theile der Diaphysen vorhanden, die nicht
unkrüfüg erscheinen. Dagegen sind die Vorderarmknochen grossentheils
erhalten und stark bronzirt. Ulna und Radius stärker gebogen, fast
säbelförmig.
Schlüsselbeine sehr zart.
Rippen meist zerbrochen, zart.
Von den Beckenknochen nur einzelne Theile, die stark grün gefärbt sind,
noch im Zusammenhange, ohne dass jedoch an ihnen charakteristische
Einzelheiten zu erkennen sind.
Von den Oberschenkeln fehlen die unteren Theile, die übrigen sind gracil.
Der obere Theil der Diaphyse abgeplattet, ebenso die Reste des unteren
Endes, welche bronzirt sind. Am oberen Ende der Linea aspera eine
stüàrkere Anschwellung. 'Prochanteren klein, der Tr. minor leicht zugespitzt.
(825)
(826)
Collum kurz, 20 mm, unter 140° angesetzt. Kopf klein, an der Stelle
der Epiphysengrenze äusserlich eine schwache Rinne. —
(20) Hr. Custos F. Hôft am Berliner Trachten-Museum hat, in Folge einer
aufgeworfenen Streitfrage, unier dem 3. November folgendes Manuscript übergeben:
Bésemer oder Däsemer?
Schiller und Lübben (Mittelniederd. Wb.) geben folgende urkundliche An-
gaben über den Namen: I. S. 268 Besemer, Bisemer. Hôfer in den mär-
kischen Forschungen I, 155 nennt aus einem Priegnitzer Idiotikon Beesen. In
der Ukermark heisst diese Wage Düsmer, in Meklenburg hort man ebenfalls
Dismer. — Possunt etiam alia vendere cum pondere et besmere (zwischen
1203—1209. Lübecker Urk. I 90. Sie dürfen auch Anderes verkaufen mit Ge-
wicht und Besemer). — Que cum pondere vel cum bysmer aut cum aliis pon-
deribus vendi debent (1326 das. II 118, welche [Sachen] mit Gewicht oder
Bysmer oder mit anderen Gewichten verkauft werden sollen). — Cum pundare vel
cum bisemer (1328 das. 451, mit Gewicht oder mit Bisemer), — 1 holben
besemer (Invent. v. 1559 Dithm. R, Q. 310).
Frischbier (Preuss. Wb. L S. 15) schreibt: »Besemer, M., auch Desemer,
Desem, eine Handwage, bestehend aus einem hölzernen Stabe, der an- einem Ende
eine mii Blei ausgegossene Kolbe, an dem andern einen Haken zum Befestigen
der Last trägt. Messingstifte im Stabe markiren das Gewicht, das balancirend
an einem Handgriffe gesucht wird, din. bismer, schwed. besmann, lit. bézmenas,
pol. bezmian, przezmian*.
Schütze (Holst. Idiot. I. S. 94): ,Besemer, eine Art holsteinische Wage.
Dies unsichere Gewicht ist durch eine kónigl. (dán.) Verordnung zu gebrauchen,
verboten.“
Ein dünisches Verbot des Besemers für die Herzogthümer ist mir nicht be-
kannt, auch im Corp. Const, Holst. et Schlesw. nicht zu finden. — In der Schl.
holst. Landgerichtsordnung vom Jahre 1636 (IV. Tit. XXVIII § 12) heisst es:
„Es soll auch über das gantze Land einerley Gewichte gebrauchet werden, welche
der Lübischen Gewichte durchaus gleich sein soll, also dass 14 Schalenpfundt
(d. 1. Pfunde der Wagschale) ein Liszpfundt und 90 Liszpfundt ein Schippfundt
machen sollen und sollen die Marckpfunde (die Mark ursprünglich ein Gewicht),
Schalenpfunde und Besemerpfunde, ohne unterscheid und gleicher schwere
seyn.“ —
Der Besemer war zu meiner Jugendzeit noch allgemein in Holstein im Ge-
brauche und ist dort ohne Zweifel noch vielfach jetzt im Gebrauche. Ebenso
wird der Besemer, dort Düsemer genannt, noch jetzt in Pommern verwandt.
Schütze (Holst. Idiot. III S. 244) schreibt: ,Pünjer, auch Stieler genannt.
Insner schreibt: eiserne Stange (Stiel, daher Stieler) mit Haken zum Wiigen,
holsteinische Wage, die den Besemer verdrängt.“ Pfünder und Besemer unter-
scheiden sich dadurch, dass beim Pfünder der Unterstützungspunkt unverrückbar,
das Gewicht oder die Kraft verrückbar, dagegen beim Besemer der Unter-
stützungspunkt verrückbar ist und das Gewicht (der Kolben) festliegt. Der
Besemer ist fast immer aus Holz, der Pfünder dagegen fast immer aus Eisen ver-
fertigt.
In Meyer’s Convers. Lex. (II S. 811) liest man: »Besemer, eine Sehnellwage,
bestehend aus einem Stabe mit Scala, welcher an einem Ende einen Gewichts-
kolben, am andern Ende einen Haken zum Aufhängen des zu wiegenden (wügenden)
Gegenstandes besitzt, und in einer Hülse mit Zunge und Handhabe, die ver-
Schoben werden kann, bis bei Belastung Gleichgewicht eintritt.“ — Besemer mit
Hülse und Zunge sind mir gänzlich unbekannt, sind wohl auch selten in Gebrauch
Seweseu,
Ueber die Ableitung des Namens Besemer scheint noch kein Gelehrter einen
Nachweis, der sich Geltung zu verschaffen wusste, geführt zu haben. , Wenn im
Priegnitzer Idiotikon die Form Beesen bezeugt ist, so könnte man an den Besen
denken, denn der Besemer hat wirklich mit seinem Kolben die Gestalt eines
Besens mit Stiel. Man vergleiche Schiller und Lübben (8. 268) besem, Kehr-
besen. — Da die Form Düsemer, Desemer, durch Urkunden aus älterer Zeit
nieht nachgewiesen ist und auch die Nachbarvôlker nur die zur Form Besemer
passenden Bezeichnungen haben, so dürfte die Form Desemer in Meklenburg und
Pommern nur für eine verderbte zu halten sein.
Die Gewichtsbezeichnung des Besemers ist die siebentheilige. Auf allen
Besemer-Stielen findet man das 7, 14., 91. und 28. Pfund durch Messing-
Stifte markirt.
Die Gewichtseintheilung regi dazu am, auch die früber üblichen Gewichte in
Betracht zu ziehen. Ein Liespfund (LU) hai 14 Pfunde (#). Ein Liespfund ist
nach Heyse cin Livesches d. 1. Liefländisches Pfund, soll an Stellen auch 15,
16 W halten. Ein Centner miisste dem Namen nach 100 # schwer gewesen sein,
hatte aber 8 LH oder 112 #. Ein Schiffpfand (Sch#) hatie 20 LU oder 280 H.
Ein Quent, Quentchen, Quint, Quinilein, Quentin vom mittellat. quintellum und
dieses von quintus, a, um, sollte der fünfte "Theil cines höheren Gewichtes sein,
betrug aber ein viertel Loth.
Ein Quentin hatte wieder 4 Ort, wohl von Ort gleich Ecke abzuleiten. Die
Oertchen werden eckige Form gehabt haben.
Ein Quentin hatte an Stellen auch 4 Denare und 8 Heller, was wieder daran
erinnert, dass in frühester Zeit das Geld gewogen wurde.
Das Loth, die Hälfte einer Unze oder ‘/,2 H, ist nach dem schmelzbaren
Weta, besonders nach dem Blei benannt. Vgl. den Jügerausdruck Kraut und
oth. —
Unze vom lat. uncia, der zwülfte 'Theil eines Apothekerpfundes.
Das Pfund, lat. pondo Pfund, pondus Gewicht, vom pendere herabhiingen lassen,
Wügen, Der Name Pfund erinnert also an die Art des Wiigens durch Besemer
und Pfünder, bei welcher die Last herabhängt.
Ein Krümerpfund hatte 16 Unzen oder 32 Loth.
Ein Apothekerpfund hatte 12 , , 24 5
Beim Geld- und Silbergewicht hatte eine Mark 8 Unzen oder 16 Loth. —
(2N Der Wiener „Phoenix“ (1891, Oct.-Nov., Nr. 10, 11) enthält eine ge-
haue Beschreibung des neuen Crematorium in Hamburg. Mit Recht wird dieser
pam als einer der wichtigsten Merksteine des Fortschritts, den die Sache der
euerbestattung in Deutschland macht, gefeiert. —
(22) Der Hr. Unterrichtsminisier hat mit Erlass vom 31. October für die
Bibliothek der Gesellschaft Heft 2/3 des Prachtwerkes über hessische Holz-
bauten von Bickell übersandt. —
Der Vorsitzende spricht den ehrerbietigen Dank der Gesellschaft, aus.
(827)
(23) Hr. P. Ehrenreich hat in den Publicationen des Museums für Välker-
kunde einen gehaltreichen Artikel über brasilianische Indianer veröffentlicht.
Er übergiebt einen Abdruck für die Bibliothek der Gesellschaft. —
(24) Der bevollmächtigte Minister für Haiti, Hr. Delorme, übersendet Namens
des Verfassers, Dr. Dehoux zu Port-au-Prince, ein Werk Sur les institutions
hospitalières et médicales de la République d’Haiti, —
(25) Ein Comité, bestehend aus den HHrn. Graf J. Harrach, J. Otto und
Rich. Jahn, dem Generalsecretür Fr, A. Schubert, dem Schatzmeister J. Ort
und zwei Géranis, Niederle und Kovát, erlässt aus Prag, 28. October, einen fran-
zösischen Aufruf wegen einer 1893 daselbst zu eröffnenden ethnographischen
Ausstellung der tschechischen Nation. Die erste Section derselben ist der
Anthropologie und Ethnographie gewidmet. —
(26) Hr. Eduard Seler spricht über
Alterthümer aus Coban in Guatemala.
Vor einiger Zeit erhielt ich den Besuch des Hrn. Erwin P. Dieseldorf, eines
Jungen Hamburgers, der in der Nähe von Coban eine Kaffeeplantage besitzt. Der-
selbe zeigte mir einige Proben von Alterthümern aus der Gegend, die er jetzt nach
Europa herüber gebracht hatte. Er hat dieselben theils allein, theils in Gemein-
schaft mit Hrn. Dr. Karl Sapper ausgegraben, einem schon seit Jahren in Guate-
mala ansässigen deutschen Geologen, der in neuerer Zeit im Ausland ein Paar
interessante Berichte über seine archäologischen Studien und über eine Reise zu
den heidnischen Lacandones veröffentlicht hat. Gleich anderen Stücken, die das
königliche Museum schon seit Jahren durch Hrn. Consul Sarg aus der Gegend
von Coban erhalten hat, zeigten auch die Funde des Hrn. Dieseldorf deutlich,
dass wir es hier mit einer der Mayacultur in jeder Beziehung eng verwandten
Cultur zu thun haben. Der Styl der Figuren und die Hieroglyphen, die auf einigen
Scherben erkennbar sind, lassen darüber gar keinen Zweifel. Aber interessant ist,
dass unter den Stücken, die mir Hr. Dieseldorf vorwies, sich zwei verschiedene
Typen — ,Kulturgruppen“, um mich dieses von Hrn. Strebel eingeführten Aus-
druckes zu bedienen, — unterscheiden lassen, und dass, was die Fundorte betrifft,
diese verschiedenen Typen verschiedenen Stammesgebieten, — der eine dem der
Quekchí, der andere dem der Pokonchi — entsprechen. Ein besonders merk-
würdiges Stück hat sich Hr. Dieseldorf freundlichst bereit finden lassen, dem
königlichen Museum zu überlassen. Es ist das kleine Figurengefäss, das ich hier
vorweise. Dasselbe ist zusammen mit zwei anderen, ganz ähnlichen, bei Santa Cruz,
unweit von Coban, im Innern einer 3—4 m hohen, viereckigen Stufenpyramide
gefunden worden, die, innen aus Erdaufschüttung bestehend, aussen mit Steinen
verkleidet war. Solche Pyramiden kommen vielfach in den zu heidnischer Zeit
bewohnten Gebieten vor. Der einheimische Name tzak, den mir Hr. Dieseldorf
angiebt, erinnert an tzacualli, das mexikanische Wort für „Steinpyramide“, ab-
geleitet vom Zeitwort tzacu, welches „einschliessen, umfriedigen“ bedeutet. Die
HHr. Dieseldorf und Dr. Sapper haben bei Santa Cruz drei solcher Pyramiden
aufgegraben, die Hr. Dr. Sapper als nördlichen, mittleren und südlichen Grab-
hügel bezeichnet. Die Hauptfunde sind in dem südlichen Hügel gemacht worden,
und eben daher stammen auch die drei Figurengefässe. Dieselben stellen
kniende Figuren dar. Die Arme bilden den Henkel des Gefässes. Der mit einer
/828)
(£99)
'éichen Frisur bedeckte, augenscheinlich nach dem Vorbilde eines künstlich de-
lormirten Schädels modellirte Kopf bildet den Deckel des Gefässes. Von den
beiden, mit den Flächen den Seiten des Körpers angelegten Händen weist die rechte
die vollen fünf, die linke nur vier Finger auf. Im Innern des Gefüsses fand sich,
Deben etwas Erde und Aschenresten, ein Obsidianmesser und die Glieder eines
Rénschlichen Fingers — und zwar, wie Hr. Dr. v. Luschan freundlichst be-
Stimmte — des kleinen Fingers der linken Hand. Die beiden anderen Gefässe,
Welche als Beuteantheil Hrn. Dr. Sapper zufielen, zeigen genau die gleiche Form,
— wie an einer Photographie, die ich der Güte des Hrn. Dr. Sapper verdanke,
noeh deutlich zu erkennen ist. Und beide hatten den gleichen Inhalt, wie das
ste Gefäss. Jedes enthielt ein Obsidianmesser und die Glieder eines mensch-
lichen Fingers. Leider ist Hr. Dr. Sapper nicht mehr im Besitz der beiden
Stücke. Er sandte das eine an Hrn. Consul Sarg in Guatemala, in dessen Besitz
© sich, wie es scheint, noch befindet; das andere ist auf dem Transport dahin
Spurlos verschwunden, vermuthlich zerbrochen. Obsidianmesser und Fingerglieder
als Beigaben fanden sich übrigens nicht nur in diesen drei Figurengefässen. Hr.
Dr. Sapper besitzt, wie er mir brieflich mittheilt, noch ein Paar einfache glatte
Töpfe, die genau denselben Inhalt bergen.
Dass die Sitte des Fingerabschneidens bei Indianerstämmen des Nordens und
Südens vielfach bestand, ist eine bekannte Thatsache. Zu den Selbstpeinigungen,
lie sich bei den Mandan der junge Krieger auferlegen musste, um sich den Schutz
der Gottheit für seine Kriegerlaufbahn zu sichern, gehörte auch, dass er sich auf
einem Bisonschädel einen oder mehrere Finger der linken Hand abhacken liess.
Und bei den wilden Charrua und anderen Stämmen des Südens war das Finger-
abschneiden als Zeichen der Trauer, Z. B. bei dem Tode des Ehegemahls, stehender
Brauch. Von den alten Culturvölkern Centralamerica’s ist mir über einen solchen
Brauch noch nichts bekannt geworden. Der documentarische Beleg für das Be-
Stehen einer solchen Sitte, der durch den oben beschriebenen Fund geliefert wird,
ist daher von hervorragendem Interesse. —
(27) Hr. Grünwedel spricht, unter Vorlegung einer reichen Collection
hnographischer Gegenstände, über
die Reisen des Hrn. Vaughan Stevens in Malacca.
Hr. Hrolf Vaughan Stevens; durch seine Arbeiten über die Viddd’s auf
Ceylon als unerschrockener Reisender und vortrefflicher Beobachter bekannt, be-
findet sich im Auftrage der Rudolf Virchow-Stiftung und des Kónigl. Museums für
Völkerkunde auf einer Reise in Maläka, um von den Urbewohnern der Halbinsel
anthropologische und ethnologische Materialien zu beschaffen. Nach den bis jetzt
*"ingegangenen Berichten hat Hr. Vaughan Stevens seine Arbeiten, welche er mit
Sanz ausnehmender Energie und Umsicht geführt hat, noch nicht abgeschlossen;
Sein letzter Ausflug, über dessen Verlauf bis jetzt keine Nachricht eingegangen ist,
salt dem eigentlichen Brennpunkte der Frage: den sogenannten Negrito's der Halb-
sel. Doch sind umfangreiche Materialien bereits eingetroffen, aus welchen ich
“unächst die folgende Uebersicht zusammengestellt habe.
e Ich möchte mit den Nachrichten beginnen, welche Hr. V. Stevens über die
he Gliederung der wilden Stämme mitgetheilt hat und welche viel Neues
ich sn was er aber selbst noch weiter untersuchen und feststellen will. Bevor
er auf die Gliederung im Einzelnen eingehen kann, möchte ich ganz kurz
Sas
(830)
eine Reihe von Namen besprechen, unter welchen hauptsächlich durch Miklucho-
Maclay die Eingebornen in Europa bekannt geworden sind.
Es sind die Namen: ,
Orang ,Sakei*, richtiger: Sákei.
Orang ,Gargassi*, richtiger: Gargäsi.
Orang ,Ekko*, richtiger: Ékor.
Orang ,Mowas*, richüger: Máwas.
Orang ,Ulu*, richtiger Hülu.
Orang Utan: Orang Hitan.
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Der Name O. ,Sakei“ soll nach Herrn V. Stevens ,Hund^ bedeuten und von
den Buginesen (Wügi) eingeführt worden sein. Das letztere mag richtig sein,
doch hat in keiner malaiischen Sprache „Sakei“ die Bedeutung „Hund“, Vielmehr
bedeutet Orang Sákei „die Leute der Gefolgschaft“ oder geradezu die „Freunde“,
da das mal. Wort Säkei sicher nur auf das Sanskrit- Wort Sakhi, „Freund“,
zurückgeht. Wie das Wort zum Spottnamen wurde, ist noch nicht fest-
gestellt: jedenfalls gebrauchen die Eingebornen, obwohl sie selbst von den Ma-
laien so bezeichnet werden, den Ausdruck, um eine Klasse mythischer Wesen da-
mit zu bezeichnen, welche bisweilen sich im Walde sehen lassen, dann aber sofort
wieder verschwinden sollen. Einen besonderen Stamm von Eingebornen dieses
Namens giebt es nicht; ebensowenig giebt es Stämme, welche die folgenden drei
Namen tragen: die Namen Orang Gargäsi („grausame Wesen“, „Dämonen‘“),
Orang Ekor („Schwanzmenschen“), Orang .„Mowas“ bezeichnen ebenfalls keine
wirklichen Menschen, sondern die in Europa Orang Utan genannte Affenart. Orang
(831)
Ulu, mal. O. Hülu: „Leute der Quellgegenden“ ist ein Name für alle Dschangel-
Bewohner ohne Stammesunterscheidung und verhältnissmässig jungen Datums.
Die Malaien führten ihn ein, als sie anfingen, feste Niederlassungen zu gründen
und von dem schiffbaren Theil der Flüsse Besitz zu nehmen. Als den bezeich-
Dendsien Namen für alle Dschangel-Bewohner erwühnt Hr. Vaughan Stevens das
Malaiische Orang Utan (0. Hitan). Freilich ist dieser Name in Europa miss-
bräuchlich für eine Affenart verwendet worden: die Anwendung des Wortes („Wald-
Menschen“ auf die Dschangel-Bewohner im Allgemeinen ist aber durchaus richtig
und einwandfreier, als die jedes anderen Namens. Hr. V. Stevens hat ihn daher
immer verwendet, wenn er alle Eingebornen zusammenfassen wollte. Er theilt
dieselben in vier Hauptstämme ein:
1. O0. „Tummeor“ (englische Orthographie dieses ganz neuen Namens: wohl
etwa: Tämiya zu sprechen).
2. O. ,Pangghan*.
3. O. ,Blandass*.
4. O. ,Benar-Benar*.
Vergleiche „die beigegebene Kartenskizze.
Orang „Blandass“ ist der bis jetzt in Europa unbekannte correcte alte Name
des Volkes, welches sich über einen so grossen Theil der Halbinsel ausgebreitet
hat und welches in den verschiedenen Theilen bekannt ist unter den Stammnamen:
Orang „Mantra“, O. „Mintra“.
Orang Kenäboi.
Orang Bérsisi.
Orang ,Sinnoi*.
o pau (richtiger Dijin) | ,Benar-Benar*.
. Béntia
Die ersten vier sind bestimmt ein Stamm. Der Stamm der Djákun und der
der Bénüa war Anfangs aller Wahrscheinlichkeit nach ein besonderer Stamm, ist
aber jetzt mit den Orang ,Blandass“ so verschmolzen, dass er thatsächlich mit
ihnen ein und dasselbe Volk bildet. Der Orang „Sinnoi“ genannte Stamm ist nur
der östliche: Ausläufer der Orang „Blandass“. Hr. V. Stevens berichtet bis jetzt
nur über die verschiedenen ,Blandass*-Stümme; die Orang ,Tummeor* und O.
Pangghan“ hat er sich für spätere Berichte aufgespart.
Die Negrito’s des Nordens — die ,Udai* der O. ,Blandass^ — hat er ent-
Weder noch nicht: gesehen, oder noch nicht als solche erkannt. Wenn es wirklich
Cine solche besondere, zwerghafte Rasse giebt, so sind auf der Halbinsel vier
Ürang Hütan:
1. die Negrito's, die „Zwerge“, die „Udai“ der O. „Blandass“,
2. die O. „Pangghan“, ,die Papuá's* mit krausem Haar*,
3. die O. ,Tummeor“, dunkelfarbig und tattuirt,
4. die O. ,Blandass* mit ihren obengenannten Unterabtheilungen.
id Ob die O. ,Pangghan* und O. „Tummeor“ mit den sogenannten Negrito’s
entisch sind oder von ihnen durch Blutmischung mit Malaien abgezweigt sind,
xd Hr. V. Stevens nicht entscheiden, bevor er nicht seine Expedition zu den
egrito’s durchgeführt hat. Die auf der Karte mit Schraffirung bezeichnete Stelle
vul vor dem Angriff der Kédah-Malaien (Pérak) allein durch Orang , Blandass*
and »Benar-Benar* besetzt. Die O. ,Blandass* einerseits und die Negrito's
die ererseits sind nun nach Hrn. V. Stevens? Ansicht der Hauptstock, von welchem
U stark markirten Unterschiede in den einzelnen Stämmen hervorgingen. Diese
nterschiede sind begründet in den verschiedenen und überall sehr ausgiebigen
(832)
Blutmischungen mit den malalischen Stämmen der Bügis, Jawanen, Däjak und Batak-
Die Batak werden als Menschenfresser und Leute mit lang herabhängendem
Ohrschmuck beschrieben und ihr Stamm genannt: Hr. Stevens schreibt ihn
, Puck-Puck*; es sind die Pak-Pak, ein Zweig der Dairi-Nation. Ausserdem rechnen
Blutmischungen mit anderen Völkern, besonders Siamesen („Sam-Sam“), stark mit.
Eine Ausnahme davon bilden die O. »Tummeor“ und O. „Pangghan“, welche aber
den anderen Stämmen Frauen haben geben müssen. Hr. V. Stevens erwähnt in
seinen Berichten wiederholt, dass die O. „Blandass“, wenn sie auch Frauen
anderen Stammes heirathen, doch noch ihre Kinder als volle O. ,Blandass“ be-
zeichnen. So kann wohl ein Mann von Negrito-Aussehen sich finden, welcher sich
selbst als reinen O. ,Blandass^ bekennt, da. sein Vater ein O. »Blandass“ war.
Ich darf nicht unerwühnt lassen, dass die oben dargestellten Grenzen heute allerseits
durch allophyle Einwanderung überfluthet sind. Auch erklürt Hr. V. Stevens
wiederholt, dass das letzte Wort — über die nordöstlichen Stämme besonders —
seinerseits noch nicht gesprochen sei. Sein Suchen nach den N egrito’s geht darauf
aus, die möglichste Klärung der ethnischen Verhältnisse anzubahnen.
In dem letzten, hier eingegangenen Briefe berichtet er ferner über aus-
gestorbene Höhlenbewohner der vormuhammadanischen Zeit der Halbinsel. Ich
habe oft — sagt er — von Malaien und Orang Hütan erzählen hören von einer
lange ausgestorbenen Rasse, welche in Höhlen wohnte. In der Gegend von
Pinang bis nach der „Krah“-Landenge nordwärts liegt eine Thalmulde, einst der
Boden eines seichten Sees. Dort liegen steil aufsteigende Kalksteinfelsen mit
zahlreichen und grossen Hóhlen. Eine dieser Hóhlen, welche der Reisende be-
suchte, als er die Nordgrenze der Orang Hitan feststellen wollte, war von den
Malaien ausgeräumt, welche die zerbrôckelten Tropfsteinstücke mit dem Guano
herausgeholt hatten, um ihre Reisfelder zu diingen. „Sieben Fuss von der Höhle
ist eine Lage von zerbrochenen Knochen und Seemuscheln.“ Manche von den
Knochen zeigten Spuren von Feuer, und in einer abgesplitterten Stalaktitenmasse
sah Hr. V. Stevens den Abdrück eines gewöhnlich gebildeten Schenkelknochens,
aber der Knochen selbst war herausgefallen und zerstort. Einige Knochen aber
hat er sammeln können, jedoch noch nicht eingesandt. Er kennt mehrere, noch un-
berührte Höhlen.
Von sonstigen prähistorischen Gegenständen kann ich 49 Bâtu Lintars vor-
legen. Diese Steinwerkzeuge gehen durch den ganzen indischen Archipel und
kehren in Hinterindien, Barma, Kambodscha u. s. w. wieder. Welche früheren
Stämme der Halbinsel sie fertigten oder gebrauchten, darüber kann Hr. V.Stevens
keine Auskunft geben. Weder die Malaien, noch die Orang Hütan wissen irgend
etwas Positives über ihren Ursprung oder Gebrauch. Die letzteren kümmern
sich nicht darum, wenn sie eines auf ihren Wanderungen sehen, aber die aber-
gläubischen Malaien glauben ?) dass es die Wurfgeschosse eines Djin oder Geistes
sind, und, wenn sie ein Stück finden, so verstecken sie es in ihren Häusern.
Von dem wirklichen Gebrauch der Sieinwerkzeuge haben sie keine Ueber-
lieferung. Dieselben werden in verschiedenen Tiefen in der Erde gefunden, sonst ist in
Maláka absolut nichts darüber bekannt. Die verschiedenen Orang Hütan-Stümme
sagen alle gleichmiissig aus, dass in alten Zeiten auf der Halbinsel Menschen ge-
lebt hätten, verschieden von ihnen und von den Malaien. Aber das ist eine zu
unbestimmte Ueberlieferung. .
Mit dem Mikroskop sind an den Steinen Kupfer- oder Eisentheilchen zu be-
1) Die darüber cursirenden Sagen zu wiederholen, würde hier zu weit führen.
A >)
Merken. Wo dies der Fall ist, ist der Stein von den Malaien dazu gebraucht
Worden, die Endspitze an dem Metallsporn ihres Kampfhahnes herzustellen, da. sie
die abergläubische Vorstellung hegen, eine so hergestellte Spitze könne nicht
Stumpf werden. Die Kinder der Malaien spielen bisweilen mit den Steinen und
Mögen sie wohl glatter reiben, als sie bei der Auffindung waren. Hr. V. Stevens
hat bis jetzt noch kein Stück in situ gefunden: die Sammlung enthält alle Stücke,
Welche er während eines Jahres zwischen Djóhor und Kélantan bei Malaien hat
Auftreiben kónnen. —
Aus der Masse der übrigen Notizen schliesse ich nunmehr einen Bericht an,
Welcher in übersichtlicher Form die Sitten der Orang Bénüa skizzirt. Ich gebe
diesen Bericht in worigetreuer Uebersetzung: /
„Die Orang Bénüa haben in der Regel nur eine Frau, aber der Häuptling des
Stammes hat bisweilen zwei. Ehebruch kommt unter ihnen selbst sehr selten vor.
lllegitime Kinder von reinem Bénfia-Blut sind. selten, häufiger aber, wo das
Malaiische Element hinzutritt. Das niedrigste heirathsfähige Alter ist das vier-
Zehnte bei der Frau, das sechzehnte beim Mann, aber der Orang Bénüa kennt in
der Hegel sein Alter überhaupt nicht, Eine besondere Ceremonie bei der Freiung
findet nicht statt, ausser dass der Freier mit dem Brautvater über die zu be-
Zahlende Quantität Pâdi einig wird und diesen Preis erlegt. Ein Fest wird an-
Sesagt und alle Orang Bénüa der Nachbarschaft werden eingeladen. Der Braut-
Vater liefert zum Schmause den Reis, der Bräutigam gewöhnlich die Fische, während
emige von den Güsten, welche andere Nahrungsmittel beisteuern. können, dieselben
Mitbringen. Am Hochzeitstage versammeln sich die Gäste kurz vor dem Dunkel-
Werden. Die Männer, unter ihnen der Bräutigam, sitzen in oder um die grösste
Hütte, rauchend und plaudernd, während die Weiber in der Hütte des Brautvaters
Kochen, Ist der Schmaus vorüber, so singen sie, rauchen und plaudern: jetzt
Männer und Frauen zusammen, bis etwa um 10 oder 11 Uhr Nachts. Da ver-
lässt einer nach dem andern die Gesellschaft, um nach Hause zu gehen. Sie ver-
abschieden sich nicht, sondern stehen still auf und. gehen geräuschlos weg, indem
Sie ihre Feuerstöcke mit sich nehmen. Zuerst steht der Mann auf, dann folgt die
Frau, Da sie es, wenn irgend möglich, gern vermeiden, bei der Nachtzeit zu
Wandern, so schlafen Gäste aus weiterer Entfernung in der Hütte irgend eines
Ihrer Bekannten. Haben Braut und Bräutigam nicht eine fertiggebaute Hütte, so
bleiben sie in einer Ecke der Hütte, manchmal, aber nicht immer, durch eine vor-
Sehüngte Matte geschieden, und diese Ecke behalien sie, bis sie eine eigene Hütte
besitzen. Ehescheidung kommt nicht vor. In seltenen Füllen schlug ein Orang
Bénüa seine Frau im Streit. Vettern und Basen diirfen sich heirathen, nähere
Verwandtschaft verbietet die Heirath. Wo zwei Frauen vorhanden sind, ist immer
die erste die Hauptfrau und hält die zweite zu harter Arbeit an. Halbblut von
Malaiischen oder Chinesischen Vätern ist völlig unbekannt unter den wilden
tämmen, wird aber geduldet, wenn auch nicht geliebt bei denjenigen Clanen,
Welche in naher Berührung mit den Malaien leben. Mischlinge aber von ge-
Sp tem Sákei (Bénüa)-Blut sieht man manchmal, aber nicht oft unter den wilden
v ammen; sie bleiben selten lange unter ihnen, da sie das weniger wilde Leben
a cher. Rings um die Ansiedelungen der Malaien findet man einen eigen-
Sa Sakei-Typus von jedem Stamm mit mehr oder weniger Charakter des Ur-
mmes, und dieser Typus ist es, welcher bei den Malaien Orang Djinak (Djinak
pram) heisst, aber selbst unter den Orang Bénüa ist ein Rest von reinem Blut,
elcher sich für besser und vornehmer hält, als die Orang Djinak.
Verhandi. der Berl. Anthropol. Gesellschaft 1891, 53
(855.
(834)
„Der Bénüa-Mann ist indolent, friedlich und harmlos, scheu und zuriickhaltend:
durehweg wahrheitsliebend und ehrlich; — anders sind die unabhängigen Stämm®
„Tummeor“ und »Pangghan“.
^,Die alte Verfassung der Orang Bénüa war sehr einfach. Jede Familie, jeder
Clan nahm Besiiz von einem Landstrich unter einer Form — wenigstens der Praxi
nach — des Communalsystems. Es gab mehr Land als Ansiedler; so entstand
kein Streit um den Boden. Jeder Clan wühlte sich seinen Hüupiling oder Bátim
dessen Stellung nicht erblich sein musste, und alle etwaigen Streitigkeiten wurde!
ihm zur Entscheidung übergeben. Der Bátin erhielt Nahrungsmittel und bei der
Ernte eine unbestimmte Quantität Pädi, aber er hatte kein Recht, es zu verlange?
Das einzig durchgehende Recht war das der Zurückerstattung durch die Instanz
des Bätin. Für Diebstahl musste das Doppelte gegeben werden. Für persönliche
Beschädigung war ‘der Bätin zugleich Richter und exekutive Behörde und ver
hängte dasselbe als Strafe, was der Beleidiger verübt hatte, an dessen Person mit
einem ähnlichen Object, einer ähnlichen Waffe u. s. w. Ein Gesetz gegen Ehe
bruch gab es nicht, ebensowenig gegen Lüge und Betrug. Ein grauhaariger Bénüa
Mann erklärte: Welch’ einen Zweck hat das Gerede; wo doch der Orang Bénûa
aufwächst, wie die Palme und sich nicht windet, wie der Rôtan! Zufällige Be-
schädigung wurde, wenn nicht durch die Gemeinde ‘geschlichtet, — denn der
Bénfia-Mann ist nicht rachsüchtig, — ausgeglichen durch den Bâtin meist mit einer
Ordnungssirafe, welche mit Pádi zu bezahlen war. Das alte Recht der Orang
Bénüa ist nur dem der Malaien gewichen; der Bátin wird heute unter dem Titel
Pénghülu von dem Malaien-Fürsten des Distrikts gewählt. An diesen müssen auch
alle ernsteren Fragen gebracht werden. Thaisüchlich ist dadurch das Macht-
bereich des Bátin stark verringert: er kann die kleinen Meinungsverschiedenheiten
seiner Stammesgenossen leicht in Frieden lösen; — anders ist es mit Konflikten
zwischen Orang Bénüa und Malaien.“
Der Nationalwaffe der Waldbewohner, dem Blasrohr (mal. Sumpîtan), hat
Hr. V. Stevens ganz besonders seine Aufmerksamkeit geschenkt. Er berichtet
darüber:
Auf der Malaiischen Halbinsel sind zwei Arten von Sumpitan’s im Gebrauch:
das „Rohr“- und das »Holz^-Sumpitan. Das von Holz wird verfertigt und ge-
braucht nur südlich von dem Flusse Pähang in dem Staate gleichen Namens. Im
Nordwesten dieses südlichen Distriktes ist der Gebrauch des Sumpitan’s nicht mehr
bekannt, aber auf der östlichen Seite, unter den sogenannten Orang Djäkun, ist es
noch vorhanden, wird aber selten verfertigt. Das „Rohr“-Sumpitan wird benutzt
vom Pähang-Flusse an bis zum Staate Pétáni im Norden: es ist die einzige Waffe
der wilden Stämme: „Tummeor“, „Pangghan“ und; wie ich sie vorläufig nennen
will, — der Sémang-Stümme.
Nur ein Clan oder eine Familie der Orang Djákun fertigte die Holz-Sum-
pitan's für den ganzen südlichen Distrikt, und im Norden lieferte nur ein kleiner
Distrikt, der „Mengiri“-Distrikt im Kélantan, die Rohr-Sumpítans, da Rohr in ge-
nügender Länge nur an dieser Stelle wächst. Von beiden Centren aus führten
die wandernden Orang Hütan als Handelswaare unter sich die fertigen oder halb-
fertigen Sumpitans weiter zu den entfernter wohnenden Stämmen.
Zunächst ein Paar Worte über das Holz-Sumpitan. Grosse Schwierigkeiten
machte es, festzustellen, wo sie in alten Zeiten verfertigt wurden. Die Leute im
Westen wussten nur, dass sie aus dem Osten kamen: die südöstlichen wussten e$
entweder überhaupt nicht oder sie wollten es nicht sagen. Callophyllum sp.
wächst nicht überall auf der Halbinsel: das Holz dieses Baumes hat die Eigen-
(835)
(hümlichkeit, dass es sich nicht wirft. Daher richtete Hr. V. Stevens sein Augen-
Merk auf diese Bäume: auf der Reise nach KZlantan machte er ausfindig, wo die
Stelle war. Das Holz-Sumpitan wird aus zwei Theilen verfertigt, in Jeden Theil
Wird eine Rinne eingeschnitten, dann wird Rötan „Segri“ darumgebunden und
darüber ein Bambufuteral gestreift. Das feste durchbohrte Sumpitan von Borneo
Ist auf der Halbinsel nicht bekannt, ausgenommen, wenn eine Anzahl Dájak, welche
Géttah Périja auf der Halbinsel suchen, deren mitgebracht hat. Das Rohr-Sumpitan
hat sehr verschiedene Verzierungen, je nach dem Landestheil; sie sind vom Pa-
hang-Flusse an bis Nord-Kélantan im Gebrauche, bei den Stimmen ,Sinnoi“ und
»lummeor*. Da aber diese beiden Vülkerschaften unter sich Zwischenhandel
treiben, so gelangen die Sumpitans von dem einen Besitzer zum. andern und jeder
fügt Verzierungen zu, wenn er Neigung dazu verspürt. Es ist demnach unmöglich,
Unterscheidungen zu treffen und irgend ein Sumpitan als iypisch für den Stamm,
Yon welchem Hr. V. Stevens es erhielt, zu erklären. Dasselbe muss von den
Kóchern für die Blasrohrpfeile gesagt werden. Sie gelangen von Besitzer zu Besiizer,
"nd obgleich sie so sehr verschieden von einander sind, so hängt dies lediglich von
Laune und Zufälligkeit ab. In der Regel giebt der Verfertiger das Sumpitan ohne
Jede Verzierung, oder doch nur mit wenigen Ausschmückungen versehen, aus der
Hand. Die Art und Weise, das Sumpitan zu halten, ist eigenthiimlich. Herr V.
Stevens hat in Ermangelung anderer Mittel ein ingenióses Modell aus einem Paar
Handschuhen hergestellt. Die Methode ist überall dieselbe auf der ganzen Halbinsel.
Die Bambuhütten über den Sumpitans werden ofi von dem Besitzer erneuert,
da Sie nicht so schwer zu beschaffen sind, wie das Rohr, aus welchem das Sum-
Plan besteht.
. Proben von Pfeilkóchern von einigen oder allen Spielarten kann man im
Besitz eines jeden beliebigen Trupps der Orang Hûtan zu sehen bekommen. Da
Se beständig vertauscht werden, so ist nicht die leiseste Beziehung zwischen
nem beliebigen Sumpitan und dem’ begleitenden Köcher herauszufinden. Die
Deckel des Köchers sind selten diejenigen, welche ursprünglich dafür gefertigt
Würden, und die Zeichnungen werden von Zeit zu Zeit, wie erwähnt, mannichfaltiger.
Wohl mag ursprünglich jeder Stamm seinen eigenen Styl gehabt haben, aber
Sicherlich ist das jetzt unter den Orang „Sinnoi“ und „Tummeor“ nicht mehr
der Fall.
Was die Blasrohrpfeile betrifft, so gebrauchen die Orang Benüa einen sehr
kurzen Pfeil, welcher aus dem äusseren Holz einer Palmenart (welcher?) gefertigt
St. Der Fussboden ihrer Häuser ist. gewöhnlich aus Streifen dieses Palmholzes
gemacht, und wenn ein frischer Vorrath von Pfeilen nothig ist, so werden einige
Streifen vom Fussboden losgerissen und verarbeitet. Auf diese Art hat der Orang
Hütan stets einen Vorrath trocknen Materials. Sonst werden die Streifen monatelang
über das Feuer gehängt, bevor sie zu Pfeilen geschnitzt werden, da ihr genaues
Fliegen davon abhängt, dass sie völlig getrocknet sind. Wenn ein Orang Hütan
Halt macht, so besteht seine erste Handlung nach dem Anzünden des Feuers darin,
Seinen Sumpitan-Köcher darüber aufzuhängen. Die dicken Enden (Flugpfropfen)
der Pfeile werden aus ,Jarentong^') - Mark hergestellt, da dieser Baum im Süden
frei wächst. Die Orang ,Sinnoi*, ,Tummeor*, ,Pangghan*, überhaupt jene
Stämme, welchen der Reisende bis jetzt begegnet isí, gebrauchen lüngere Pfeile,
als die Orang Bénüa, verfertigt aus der ,Bértam“-Palme?). Sie verwenden
1) Botanische Bezeichnung fehlt.
2) Wie zu 1). ;
53*
(85^)
übrigens die gleiche Sorgfalt darauf, trockenes Material zu haben, wie die Orang
Dénüa. Die Lünge scheint sowohl von der Lungenkraft des Einzelnen, als von d^
Länge des Sumpitan abzuhängen. Ein Mann wird die Pfeile eines andern nU
im Nothfall versuchen.
Der Durchschnitts-Orang Hétan pflegt in seiner trügen Weise, wenn er nicht
angetrieben wird, ungefähr dreissig Pfeile in einem Tage fertigzustellen. WI
weit die Pfeile fliegen, ist schwer festzustellen. Es giebt ja wenig offene Stelle?
im Dschangel, um ein Maass gebrauchen zu können. Wenn mit dem Sumpita?
in waagerechter Richtung geschossen wird, so sind 90— 30 » der Durchschnitt
Die tädtliche Genauigkeit des Schusses zeigt sich erst, wenn der Orang Hutal
aufwärts nach einem Baumwipfel auf einen Vogel oder Affen schiesst. Nach
oben hin zeigt sich sehr wenig Abweichung von der geraden Linie, aber bem
Schiessen in waagerechter Richtung ist eine betrüchtliche Flugbahn ersichtlich.
Wenn der Schuss fehl geht und der Pfeil nicht durch Zweige und Blätter auf
gehalten wird, so erhebt er sich noch 20— 30 m über die höchsten Bäum®
Trifft aber der Pfeil, so treibt ihn eine kräftige Lunge nicht selten bis zur
Flugpfropfen in den Leib des Thieres. Wenn der Pfeil gerade und regel
recht auf das Thier trifft, so bricht er nicht ab; wenn er aber schlecht verfertigh
ein wenig verbogen oder nicht gerade in seinem Fluge ist, so bricht er stets nach
dem Eindringen ab. Selten erhält man einen Pfeil zum nochmaligen Gebrauch
zurück: der getroffene Gegenstand zerbricht den Pfeil beim Fallen und beim Fehl-
Schuss sind die Pfeile im Dschangel nicht wieder aufzufinden. Als Schlusspfropf
hinter dem Flugpfropfen wird von allen Stämmen Zunder gebraucht, ausgenommen
die Orang Bénüa, welche das dicke Ende des Pflugpfropfens sorgfáltig der Bohrung
ihres Sumpitan anpassen. Im Kriege steckt sich der Orang Hütan das Haar mit
Pfeilen voll, und nachdem er auf die kleinen Zunderpfropfen gespuckt hat, beklebé
er sich damit Stirn, Gesicht und Brust, so dass er seine Geschosse zum raschen
Schiessen fertig zur Hand hat.
Von grosser Wichtigkeit für den Orang Hitan ist das Harz, genannt „Keeji“
Wie das Gift, wie das Material zum Sumpitan und wie der Zunder für die Pfeil-
pfropfen wird es nur an gewissen Plätzen in Fülle gefunden, und obgleich Bienen-
wachs und andere Harze und Gummi im Ermangelungsfalle gebraucht werden, 80
wird doch das ,Keeji von Kélantan fir das beste gehalten und bildet einen
Handelsartikel für diesen Staat. „Keeji“ hält nicht bloss den leichten Pfropfen
mit dem Pfeilstábchen Zusammen, sondern dient auch zum Einreiben des Stübchens
bis auf 1—2 englische Zoll von der Spitze an; es wirkt also als eine Art von Firniss
und hilt die Feuchtigkeit ab. Das Harz wird eingerieben, nachdem es an das Feuer
gehalten worden ist; der zu bestreichende Theil wird ebenfalls an das Feuer ge-
halten und der Firniss sanft eingerieben. Der Pfropfen wird mit Hülfe des Wald-
messers (Párang) geformt.
. So viel über das Sumpîtan und Zubehôr. Das Pfeilgift hat Hr. V. Stevens
von verschiedenen, Stämmen. zu erhalten gewusst und massenhaftes Material ein-
gesandi. Berichte darüber werden am besten erstattet. werden, wenn Alles aus-
reichend untersucht und bestimmt ist, —
Hr. Staudinger erwähnt, -dass der Name Orang-Utan auf Sumatra nur wenig
bekannt sei, dass man dagegen hier für den grossen Anthropoiden die Bezeich-
nung Marbas anzuwenden pflege. —
1) Englische Orthographie.
m
0
CU.
be: Hr. Virchow erinnert an das Vorkommen des Namens Orang-Utang schon
a Tulpius. Auf der Abbildung, die er von diesem Affen giebt, steht als Ueber-
Chrift: Homo sylvestris, Orang-Utang*). —
(28) Hr. Virchow spricht über
die wilden Eingebornen von Malacca.
Das besondere Interesse, welches die Anthropologen immer wieder auf die
Halbinse] Malacca und deren Bewohner führte, war hauptsächlich durch die An-
Saben der Reisenden über das Vorkommen wollhaariger schwarzer Stämme hervor-
Berufen, welche sich zwischen den mehr oder weniger malayischen Stimmen der
1 istengegenden in vereinzelten Gruppen, daher nur in dem schwer zugänglichen
Sn vorfinden sollten. Waitz (Anthropologie der Naturvôlker, 1865. V. 1.
t 86) hat die bis auf seine Zeit vorhandenen Berichte mit gewohnter Sorg-
l zusammengestellt, aber auch er blieb im Zweifel darüber, ob es hier wirk-
pn eine Art von Negritos gebe. Earl (The native races of the Indian Archipelago.
ans, London 1853. p. 150) dagegen betrachtete die Existenz einer wollhaarigen
asse auf der Malayischen Halbinsel, wo sie noch bis in die neuere Zeit einen
8rossen Theil des Innern eingenommen habe, als ausgemacht, aber eigentlich
Wusste er nur von einem einzigen Semang Zu erzählen, den Anderson als den Anda-
Manesen ähnlich beschrieben hatie und dessen Haar wollig und buschig (tufted) ge-
Wesen sein sollte. Dieses Zeugniss wurde dadurch sehr beeinträchtigt, dass ein anderer
Semang von Tringano eine ganz andere, ,Papua-Tamulische® Beschaffenheit zeigte:
»Sein Haar war spiralig, nicht wollig, und wuchs dick um den Kopf in Büscheln*.
N. v. Miklucho-Maclay hat das Verdienst, auf zwei Reisen durch die
Halbingel von Johor aus 1874— 9 etwas bestimmtere Nachrichten gesammelt zu
haben. Sein Bericht (Ethnologische Excursionen in der Malayischen Halbinsel.
Separ.-Abdr, mit Karte und Abbildungen. Vgl. Dlustr. Zeitschrift für Lünder-
"d Völkerkunde. 1880. Bd. 37. Nr. 1. Verhandl. unserer Gesellsch. 1876.
8. 226, 991) bezieht sich namentlich auf die Orang Sakai, die er an verschiedenen
Orten im Innern aniraf, wührend es ihm nicht gelang, mit den Orang Semang
direkte Fühlung zu gewinnen. Von den ersteren sagt er, dass „ihre Haare ganz
feine Ringelungen (2—4 mm im Durchmesser) zeigen und auf dem Kopfe eine
"Ompakte, wenig abstehende Haarmasse bilden. „Das Haar ist ein gutes Kenn-
Zeichen für die Reinheit der Abstammung," fügt er hinzu. Er kam schliesslich
"Zu der Ueberzeugung, ,dass die Orang Sakai und die Orang Semang Vólker-
haften desselben Stammes seien, dass sie in physischem Habitus und in sprach-
cher Beziehung einander sehr nahe stehen und eine reine, ungemischte Ab-
Weigung des melanesischen Stammes darstellen, deshalb von den Malaien anthro-
Pologisch absolut verschieden seien."
" Für eine solche Trennung sprechen auch ein Paar Photographien von Sakais
L S$ Perak, die Hr. Bro de Saini-Pol Lias aufgenommen hat (Quatrefages,
es Pygmees. Paris 1887. p. 53. Fig. 8).
Hal Es erschien mir deshalb von hóchster Bedeutung, die Vólker-Verhültnisse der
die binsel von Neuem durch eine erprobte Persönlichkeit studiren zu lassen. Zu
nonc Zwecke empfahl sich Mr. Hrolf Vaughan Stevens, ein Mann aus emer
tp Bischen, nach England übergewanderten Familie, der in Australien seme Be-
gung zum Verkehr mit den Wilden geniigend nachgewiesen und mit den
1) Nieolai Tulpii Observat. medicae, Amstelod. 1652. p. 284.
590
CU
Weddas von Ceylon lüngere Zeit unmittelbar zusammen gelebt hatte. Als er sich
zur Uebernahme einer wissenschaftlichen Mission in Malacca bereit erklärte,
schlug ich Hrn. Bastian vor, ihn dahin zu entsenden. Ieh stellte für diesen
Zweck eine, von Emil Riebeck meiner Stiftung vermachte Summe zur Verfügung:
Hr. Bastian ging auf den Vorschlag ein und fügte aus den Mitteln des Museums
für Vólkerkunde eine gleiche Summe hinzu. Go ausgerüstet, hat Mr. Stevens
die Reise angetreten und von Johor aus ausgedehnte und zum Theil gefahrvolle
Expeditionen, vorzugsweise an der Ostküste, ausgeführt.
Seine Ergebnisse sind bis jetzt in Bezug auf den anthropologisch wichtigsten
Punkt ohne ein abschliessendes Ergebniss gewesen. Er hat keine Negritos ge-
troffen. Aber er hat die Hoffnung nicht aufgegeben, und im Augenblick befindet
er sich auf einer neuen Expedition, von deren Verlaufe noch keine Nachricht ein-
getroffen ist. Was er auf den von ihm früher besuchten Gebieten gesehen hat,
ist vorher durch Hrn. Grünwedel übersichtlich dargestellt worden. Aus diesen
Gebieten, in welchen hauptsächlich Leute vom Stamme der Blandass wohnen, hat
er auch eine Reihe anthropologischer Notizen eingesendet. Diese sollen den In-
halt der nachfolgenden Mittheilungen bilden. Dabei ist von vorn herein hervor-
zuheben, dass Mr. Stevens von keinem der Stämme, die er kennen gelernt hat,
überzeugt ist, dass derselbe ganz reinen Blutes Sel, sowie dass seine Messungen,
wie er selbst sagt, zum Theil wegen des mangelhaften Zustandes seiner Instru-
mente, nicht als ganz sicher angesehen werden dürfen. Immerhin dürfen sie,
meiner Meinung nach, auch wenn sie nur approximative Werthe enthalten sollten,
als nicht zu verachtende Grundlagen für die Völkerkenntniss der malayischen Halb-
insel angesehen werden.
In einem Berichte, der im Juli 1891 hier einging, bemerkt er, es würde ihm
möglich gewesen sein, Schädel von Mantra oder Jakuns zu sammeln, aber er
habe es unterlassen, da er noch nicht ermittelt habe, was diese Leute eigentlich
seien. Auch die Blandass seien Mischlinge; alle hätten in variablen Verhältnissen
malayisches Blut. Sie wanderten hin und her, seien bald in Perak, bald in
Pahang, Selang oder sonstwo, und nähmen ein Weib von einem ihrer Waris. —
Bei dieser Gelegenheit giebt er eine Beschreibung der Lattah-Krankheit,
die sehr häufig unter ihnen vorkomme. Bei den Orang Utan litten hauptsächlich
die Weiber daran, wohl 12 pCt. in ausgesprochener Weise, und ausserdem noch
30 pCt. in verschiedenen Graden. ,Wenn ich ein Lattah-Weib ansehe,“ sagt er,
„und plötzlich eine sprungweise Bewegung (jump gesture), einen Schrei oder eine
Handlung vornehme, so wird sie das wiederholen, und nur eine wirkliche Ruhe-
pause wird ihr wieder die Herrschaft über ihre Nerven zurückgeben, Der Lattah-
Zustand wird durch eine einfache Berührung hervorgerufen. So ist es unmöglich,
die Symphysis pubis zu messen; bis zu dem Augenblick, wo die Frau den Druck
des untersuchenden Fingers empfindet, steht sie ganz still bei allen Vornahmen,
dann aber bricht auf einmal eine hysterische Verkrümmung (wriggling) aus. Die
Umstehenden lachen darüber, und das macht die Sache noch Schlimmer, denn
die Frau bricht gleichfalls in Lachen aus, ohne sich halten zu können (without
self control).“
„Als ich eines Tages mit einem Weibe über diesen Gegenstand sprach, fragte
ich sie: Wenn ich sie aufforderte, ihre Hand in das Feuer zu stecken, würde sie
es thun? Sie war bis dahin ganz ruhig, aber nun begann sie zu schreien, und
der alte Penglima, der bei mir sass, ergriff sofort eine Kokosnussschale mit
Wasser und schüttete es in das Feuer. Das Weib ergriff unmittelbar darauf mein
Gefüss mit Curry und Reis, welches zu meiner Mittagsmahlzeit bereit stand. und
838)
(839)
Schüttete es "über das Feuer, in, Nachahmung der gesehenen Handlung. Jetzt
Sprang die Frau des Penglima auf und lief in das Jungle, indem sie die Arme
liber den Kopf schwenkte. Das Weib ahmte ihr nach und rann hinter ihr her.
Der Penglima erklärte mir nun den Vorgang: das Weib hätte sicherlich ihre Hand
M das Feuer gesteckt, wenn er dasselbe nicht ausgelöscht hätte, und seine Frau
habe das Weib in das Jungle gelockt, wo sie wieder ruhig werden würde.“
. »Der Mann zeigte mir an seinem Ellbogen drei lange Narben, welche von
einer Verletzung in seiner Kindheit herrührten. Damals kam ein Mann zu seiner
Mutter, setzte sich ihr gegenüber, plauderte mit ihr und nahm fast gedankenlos
em Stück Zuckerrohr, das er mit seinem Parang spaltete, um davon zu essen. Im
Nächsten Augenblick ergriff die Mutter gleichfalls einen Parang und verwundete
damit das Kind, das sie hielt, einigemal, bevor der Mann es befreien konnte."
„Ich selbst habe Lattah- Weiber höchst auffällige Dinge thun sehen. Einmal
fehlte mir eine Notiz über das Haar an den Genitalien. Ich rief ein Lattah- Weib
in eine Hütte und veranlasste den Penglima, sein Sarong über den Kopf zu ziehen;
Sofort hob das Weib ihre Kleider auf und stand nackt da.“
. »Wegen des Lattah verbergen sich Weiber, die ein Kind an der Brust haben,
m der Hütte, sobald ein Fremder, namentlich ein Malaie, die Niederlassung be-
iri oder seinen Weg durch dieselbe nimmt. Oft genug sieht man auch eine
Gesellschaft von Blandass von einem Ort zu einem anderen ziehen, wobei einzelne
Münner Kinder tragen. Das ‚geschieht, wenn die Frau Lattah ist und in Besorgniss
Berüth, dass irgend ein ungewöhnlicher Gegenstand dem Kinde Schaden zufügen könne.“
„Das Lattah scheint nicht vor dem Eintritt der Menstruation vorzukommen.
Selten besteht es mehrere Jahre fort. Von den Kindern einer Lattah-Frau wird
Sines oder das andere von der Krankheit. ergriffen, die anderen nicht. Die Krank-
heit wird nicht durch geistige Erregung in dem dunklen, mysteriösen Walde her-
Vorgerufen, denn die wilderen Leute haben sie weniger, als diejenigen, welche an
Sonnigen, lichten Stellen unter Malayen leben. Fremden wird die Existenz einer
Lattah verheimlicht.“
. Man ersieht aus dieser Beschreibung, dass die Lattah-Krankheit eine Neurose
Ist, welche dem Hypnotismus mit Neigung zur Suggestion nahe verwandt
ist. Manches in den Schilderungen von Reisenden, welche das Leben der Ein-
Eebornen in ihren Hütten beobachtet haben, auch an anderen Orten, dürfte der-
Selben Kategorie angehören. —
. Mr.S$ievens klagt darüber, dass die Unsicherheit über das Verhüliniss der
einzelnen Stämme zu einander sehr gross sei, da jeder Stamm eine Stufen-
folge von Vermischungen darstelle. „Wenn ich finde, dass ein Tummeor ein
Blandass ist, oder dass er von einem uralten Ausbau eines Blandass-Zweiges her-
Stammt, der, gleich den Kenaboy und den Bersisi, nach dem neuen geographischen
Platze einen‘ anderen Namen angenommen hat, in Folge dessen der alte Name
Blandass im Laufe der Zeit vergessen ist, so gewinne ich freilich den ursprüng-
lichen Namen, aber gegenwärtig ist es eine schwierige Frage, ob der Stamm über-
haupt existirt, und ich frage mich, ob der mir ertheilte Auftrag dahin geht, halb-
Schlächtige Malayen zum Gegenstande der Untersuchung zu machen.“
„Die von mir unternommenen Messungen sind in Millimetern an- Fig. 1. Ys
Segeben. Die Länge und Breite des Kopfes, die Gesammthôhe des
Körpers und die des Nabels sind jedesmal dreimal in Zwischenräumen
Wiederholt, um correkt zu sein.
" »Die Nase hat durchweg Stammesbesonderheiten (is thoroughly
fibal) und sieht aus, als wenn dieselbe Gussform für alle verwendet
(840)
wäre. Ich habe nicht eine einzige Ausnahme oder Abweichung von dem Typus
angetroffen. Der beifolgende Umriss (Figur 1) zeigt die typische Form vo?
Figur 2, 1, 20 Männern; die Curve giebt die Verhältnisse von zwei Drittheilen
7 ç ziemlich genau’). Figur 2 zeigt den Querschnitt der Nasenspitze.
N P „Die Nägel an Händen und Füssen sind sehr kurz, schmal und
Co dünn, namentlich bei Frauen. Da sie leicht brechen, so verkürzen
sie sich stark. Hände und Füsse sind knorrig (knobbed) und nach auswärts ge
krümmt (splayed) in Folge der Einwirkungen ihrer Lebensverhältnisse. Bei Kindern
sind sie lang und mehr schmal, als breit. Die Fusssohle ist bei Kindern so weiss,
wie bei Europäern, oder wenigstens ebenso frei von dunkler Färbung, dagegen
zeigt der Körper keine gleichmässige Farbe. Dunklere Flecke finden sich an der
Brust, dem Rücken, den Ellbogen (aussen), den Knieen (aussen), der Analgegend
und den Unterschenkeln. Bei dem neugeborenen Kinde entspricht die Fusssohle
den Nummern 23— 24, die Haut 30—31, die Flecken 36, die Augen 2 der Broca-
schen Farbentafel.
Figur 8. „Die Augen sind bei allen Blandass ganz gleich. Ich habe auch
.. nicht eine Abweichung von den Schattirungen No. 1 oder 2 wahr-
genommen. Die Innenseite der Oberschenkel ist am hellsten ge-
fürbt, besonders bei Frauen, wo die Zahl 45 betrügt. Die einzigen
Schattirungen, welche ich bei Personen angetroffen habe, die von
Kindheit an malayische Kleidung trugen, waren 26, 33, 30, 37 und
43. Männer aus dem Jungle, die mit dem Chawat bekleidet .waren,
zeigten 29, 35, Frauen 37. Der dunkelste unter den Jakuns hatte
28. Der Grad der Beimischung von malayischem Blut bestimmt die
Farbe, wo nicht die Sonne Alles zu einer gleichmässigen, helleren
Nuance bronzirt (where the sun does not bronze to one uniform
tint, making it lighter).
„Die Zähne der Jakuns, nicht der Alveolarfortsatz, springen
häufig um 12—16 mm vor den Schneidezähnen des Unterkiefers
vor, welche fast senkrecht stehen. Caries kommt bei den Wald-
bewohnern selten vor, dagegen ófters bei denen, die unter den
Malayen leben. Bei den Blandass sind die oberen Schneidezühne
viel breiter, als die unteren. Die Lippen sind wohlgebildet, dünn
und die obere wohl gebogen.
Typisches Die Nase ist niemals durehbohrt, dagegen werden die Ohr-
Profil von 2. P7 . .
Chamai, einem lüppehen der Frauen stets zu einem Loche von 5 mm bis 5 em aus-
45jührigen . geweitet.
Bersisi-Weibe. „Der Vorderkopf ist stets voll und vorstehend (Fig. 3).
»Deifolgender Umriss (Fig. 4) zeigt die typisch gebildete Brust eines jungen
Mädchens unmittelbar vor ihrer Verheirathung. Bei den Weibern sind die beiden
Brüste ófters unsymmetrisch. Die Genitalien sind bei beiden Geschlechtern klein.
„Die gemessenen Männer behaupteten sümmtlich, sie seien reine Beispiele der
Stämme, deren Namen sie trugen. Ich habe kein Bedenken, zu Sagen, sie waren
es nicht. Lange Zeit wurde ich dadurch irregeführt, dass die Meinung allgemein
geglaubt wird, das Blut der Frau bringe kein champur (Mischung). Wenn ich
die Männer fragte, ob sie irgend eine Beimischung von malayischem Blut hätten,
1) Das eingeschickte Profil hat sehr grosse Aehnlichkeit mit den Profilen dreier Per-
sonen, einem indischen Ghond, einer Andamanesin und einer Aëta, bei Quatrefages
(l c. p. 63. Fig. 11.)
(841)
SO versicherten sie ganz bestimmt, dies sei nicht der Fall. Aber sie zeigten mir
andere Personen aus ihrem Siamme, die sie als Mischlinge anerkannten, selbst
Figur 4. '/,
Umriss der Brust von Owee, einem 12jährigen Mantra-Müdchen.
Wenn die Kreuzung schon vor vielen Generationen stattgefunden hatte. Auch als
ich ihre Auffassung kennen lernte, dass das Kind das banksa des Vaters allein
Sei, und ich dieselben Leute in einzelnen, mir bekannten Fällen fragte, ob ma-
layisches Blut nicht durch die Frau in die Familie eingebracht sei, blieben sie bei
Ihrem „Nein“; sie seien reine Blandass, da ihr Vater es gewesen sel.“
Mr. Stevens wirft hier ohne weitere Motivirung die Frage auf, ob nicht ein
Rückschlag zu reinem Blandass in der neunten nachfolgenden Zufuhr von Blandass-
blut nach einer einzigen früheren Kreuzung (the return to Blandass purity in the
hinth consecutive infusion of Blandass blood only after such original cross) zu-
lässig sel.
Seine Messungen hat Mr. Stevens in 2 grossen Tabellen zusammengestellt,
deren Anordnung kleine Abweichungen, auch in der Zahl der gemessenen Theile,
Zeigt. Die erste hat 50, die zweite nur 42 Maasse. Ueber die Art der Messung
giebt er ausführliche, jedoch nicht immer ganz klare Nachweise, aus denen her-
Vorgeht, dass er manche Maasse und noch mehr die Methode ihrer Ausführung
®rst ausgedacht hat. Da er selbst Bedenken in dieser Beziehung äussert, so ver-
Zichte ich vorläufig auf die vollständige Wiedergabe der Tabellen und beschränke
Mich auf die Besprechung einiger Hauptverhältnisse.
Was zunächst die gemessenen Leute betrifft, so gehörten sie sämmtlich zu
Blandass-Stämmen, und zwar in folgender Vertheilung, wobei die Kinder bis zu
15 Jahren gerechnet sind:
Liste I. Mantra Jakun Kenaboy Sinnoi Bérsisi
Männer: erwachsen .. 7 ; à 9 2:
10 _
Kinder . . . . 3) |. - 3 V. 1 — .
Frauen: erwachsen .. © s| + La 1 >| #
Kinder .. . - ;| —] — J —).
Liste II.
Minner: erwachsen . . il 3 — 1] 2),
. 1 | L 1 | 1 | 0. 9
F Kinder .... 1 g 9 ^ 1 207" UE 3, 17
rauen: erwachsen .. — + | Zl. vd I 2 2 |
Kinder . ... A |? ae m ij
20 13 iC 10
Das ergiebt im Ganzen:
Mantra Jakun Kenaboy Sinnoi Bérsisi Summa
Erwachsene & t 4 4 20 T
» ç 6 3 2 e 2 18 | 58
Kinder .. . 4 3 . 3 12 90 2
2... QQ 3 3 4
^
"
(842)
Betrachten wir nun einzelne der Hauptverhältnisse :
1. Die Körperhöhe, gemessen vom Erdboden bis zur Scheitelhöhe des
Kopfes, der in der „Stellung nach Camper“ festgehalten wurde. Mr. Stevens
bemerkt, dass er einen Kunstgriff angewendet habe, um gewisse Theile des Körpers
in der Art festzuhalten, dass die Windungen und ‘hysterischen Bewegungen des
Lattah keinen Einfluss ausübten und dass keine Bewegung des Rumpfes stattfinden
konnte. "Trotzdem ergeben sich recht grosse Differenzen innerhalb der einzelnen
Stämme, auch wenn man die Geschlechter getrennt betrachtet. So schwankte die
Körperhöhe bei den Mantra-Männern zwischen 1638 und 1471 mm, also um 167; bei
den Frauen zwischen 1488 und 1405, also um 83; zwischen dem grössten Mann
und der kleinsten Frau um 233 mm. Am grössten waren die Differenzen bei
den Sinnoi, wo freilich die ganz ungewöhnliche (wenn anders richtige) Kleinheit
einer 42jührigen Frau mit 1341 mm angegeben ist: hier beträgt die Differenz
der Münner 172 (1594— 1422), die der Frauen 128 (1469— 1341), die des gróssten
Mannes und der grössten Frau 253 mm (1594— 1841). Auch bei den Kenaboys ist
eine 28jährige Frau mit nur 1352 mm notirt. Man darf wohl annehmen, dass dies
Ausnahme- Verhältnisse waren, da bei den Mantra ein 12jähriges Mädchen mit
1422, ein l4jühriger Knabe sogar mit 1482 mm verzeichnet ist. Es kónnte
freilich auch umgekehrt geschlossen werden, wenn man findet, dass bei den Jakun
ein 12jähriges Mädchen nur 1219, ein ebenso alter Knabe 1254 mm hatten, und
dass bei den Bérsisi ein lljühriger Knabe mit 1248, ein 15jähriger mit nur
1262 mm erwähnt wird.
Jedenfalls besteht ein sehr erheblicher Grössenunterschied zwischen den Ge-
schlechtern. Unter sämmtlichen. gemessenen Blandass-Weibern, 19 an der Zahl,
fand sich nur ein einziges, eine Jakun, deren Wuchs über 1500 mm hinausging
(1523), während unter den Mantra-Männern zwei über 1600 mm maassen (1638
und 1608), und zwischen 1500 und 1600 noch ein dritter Mantra, 3 Jakun, 1 Ke-
naboy, 3 Sinnoi und 3 Bérsisi vorkamen. Der kleinste Mann war ein 32jähriger
Sinnoi mit 1422 mm; alle anderen Münner sümmtlicher Stümme maassen mehr als
1470 mm. Von den Weibern dagegen blieben 8 unter 1430 mm und mur 7 über-
schritten die Zahl 1450.
Aehnliche Zahlen hat Miklucho-Maclay erhalten. Er fand bei den Orang
Utan in 80 Messungen bei Männern 1390 bis 1560, bei Frauen 1305 bis 1430,
und bei den Orang Sakei in 23 Messungen bei Münnern 1460 bis 1620, bei Frauen
1400 bis 1480 mm.
2. Die Klafterweite, gemessen nach der Distanz der Spitzen beider Mittel-
finger bei rechtwinkliger Ausspannung der Arme hinter dem Rücken. (Dies
ist eine Abweichung von unserer Methode, wo die Messlinie vor der Brust liegt).
Das grósste Maass, 1755 mm, zeigie ein 35jühriger Mantra von 1538 mm Kórper-
höhe (also Differenz + 217 mm), das grösste unter den Frauen, 1545 mm, eine
2ljührige Jakun von 1598 mm Kórperhóhe (Differenz 4- 22 mm), das kleinste über-
haupt, 1370 mm, eine 22jührige Sinnoi mit 1424 mm Kórperhóhe (Differenz — 54),
umgekehrt wie eine 42jährige Sinnoi-Frau, die 1375 mm Klafterweite und 1341 mm
Körperhöhe (Differenz + 34) hatte. Im Allgemeinen war die Klafterweite grösser,
häufig erheblich grösser, als die Körperhöhe. Ausnahmen, ausser den schon ge-
nannten, finde ich bei einer 45jührigen Bérsisi-Frau: Klafterweite 1423, Kórper-
höhe 1440 (Differenz — 17), bei einer 23jührigen Sinnoi: 1468, 1469, Differenz
— 6, bei einer 45jührigen Mantra: 1451, 1488, Differenz — 37. Möglicherweise
entwickelt sich das typische Verhältniss erst spät. Ein 14jähriges Mantra-Mädchen
von 1412 mm Körperhöhe maass in der Klafterweite 1431 (Differenz +. 19); bei
(843)
einem 15jährigen Börsisi lauten die Zahlen 1262, 1274, Differenz + 12, dagegen
bei einem 3jährigen Mantra-Knaben 861, 843, Differenz — 18, bei einem 3 jährigen
Sinnoi 850, 810, Differenz — 40, bei einem 4jährigen Jakun 922, 895, Differenz
— 27, bei einem Tjährigen Mantra-Mädchen 1066, 1046, Differenz — 20. Be-
greiflicherweise kommt es am meisten auf die Breitenentwicklung der Brust an.
3. Der Kopfindex variirt innerhalb recht weiter Grenzen: zwischen 71,4 und
91,6, so jedoch dass beinahe die Hilfte der Leute mesocephal und von der
anderen Hälfte etwa zwei Dritttheile brachycephal befunden wurden.
Ob man jedoch den Einzelmessungen durchweg einen entscheidenden Werth bei-
legen darf, ist einigermaassen zweifelhaft, da namentlich in Bezug auf die Kinder
Angaben von sehr widerspruchsvollem Charakter vorkommen.
Ich gebe zum Vergleich einige Zahlen:
4jähriges männliches Jakun-Kind, Länge des Kopfes 171, Breite 129, Index 75,4
» weibliches » » » » » 163, , 129, , 94
0» münnliches Kenaboy-Kind, , » » 164, , 122, , "44
Mübiges — , — Sino 5 5 0» 0 DÀ 9 124 > 855
» » Mantra- , ? » » 163, » 124, , 76,1
Trotzdem möchte ich den Zahlen einen approximativen Werth nicht bestreiten,
da dieselben mit den Zahlen von Miklucho-Maclay nahe zusammentreffen.
Dieser giebt den Kopfindex der Mantra zwischen 74 und 89, den der Orang Utan
für die Männer zwischen 71 und 86, die Frauen 79 —91, die Kinder 714—80, endlich
den dor Orang Sakei für die Männer zwischen 74—82, die Frauen 15—84, die
Kinder 74—81 an. Von dem Schüdel der Sakai sagt er, derselbe sei mesocephal
Mit einer entschiedenen Neigung zur Brachycephalie, dagegen der Schüdel der
Ürang Utan ,dolichocephaler*.
Geht man von der These des Mr. Stevens aus, dass die von ihm gesehenen
Blandass durchweg Mischlinge, wenngleich vielleicht Abkümmlinge aus recht alter
Mischung, waren, und macht man die Voraussetzung, dass die einzelnen Stämme,
je nach ihren Sitzen und Verkehrsverhülinissen, in verschiedenen Graden der
Mischung unterlegen haben, SO wiirde es sich fragen, welche von ihnen am
Wenigsten malayisches Blut in sich tragen. Ich will zunächst eine Uebersicht dex
thatsächlichen Befunde geben. Es waren unter den
Erwachsene Kinder bis 15 Jahren
1. Mantra (20) Männer Frauen männliche weibliche Zusammen
dolichocephal . - 3 — 4
mesocephal . . - 2 10
brachycephal . . 6
2. Jakun (13)
doliehocephal . - - 7
mesocephal . . - - 7 ;
brachycephal . . . 2 2
9. Kenaboy (9)
dolichocephal . . . '
mesocephal . . . .
brachycephal . . . — à
4. Sinnoi (10)
dolichocephal . . . -- 1 - —
mesocephal . . . . 1 z
brachycephal 3 7
2
jt,
(844)
9. Bérsisi (10) Erwachsene Kinder bis 15 Jahren
Männer Frauen männliche weibliche Zusammen
mesocephal. . . . 2 — 2 1 D
brachycephal . . . 2 2 1 — o
Hier fällt sofort auf, dass bei den Mantra und Jakun die Mesocephalie, bei
den Sinnoi die Brachycephalie dominirt. Die Bérsisi, bei denen auch nicht ein
einziges dolichocephales Individuum gefunden ist, schliessen sich den Sinnoi an,
dagegen stehen die Kenaboy, die unter 5 überhaupt gemessenen Personen 2 doli-
chocephale und nur 1 brachycephale hatten, den Jakun am nächsten. Dabei ist
es bemerkenswerth, dass die einzige dolichocephale Person unter den Sinnoi eine
Frau, also wohl ein allophyles Element, war und dass auch bei den Mantra
auf einen dolichocephalen Mann 3 dolichocephale Frauen kamen. Hier wird wohl
kaum daran zu zweifeln sein, dass diese Frauen nicht den eigentlichen Blandass-
"Typus vertreten.
Das Gesammtverhältniss der Typen gestaltet sich folgendermaassen:
dolichocephal 4 $ 5 Ÿ, zusammen 9 = 15,5 pOt.
mesocephal 16 , 12 » 28 =48,2
brachycephal 12 , 9 » 21 =36,2
. Ein Ueberblick über die in der vorletzten Tabelle gegebenen Zahlen für die
einzelnen Stämme lehrt ferner, dass fast nur diejenigen Stämme, bei welchen die
Mesocephalie stärker hervortritt, also die Mantra, die Jakun und die Kenaboy,
dolichocephale Elemente enthalten, während bei den Sinnoi, wo Brachycephalie
so stark hervortritt, nur eine einzige dolichocephale Person, und zwar eine Frau,
bei den Bersisi nicht eine einzige, ermittelt wurde. Es erscheint daher fast als
nothwendig, anzunehmen, dass die ersteren die mehr gemischte, die letzteren beiden
die reineren Stümme reprüsentiren. Dazu kommt, dass bei den Sinnoi von den
2 Mesocephalen die Frau einen Index von 79,9, also eigentlich schon einen brachy-
cephalen Index besass, wührend der Mann einen solchen von 78,9 hatte, dass ferner
von den ausgemacht brachycephalen Individuen ein Mann 97,2, ein münnliches
Kind 84,3, die anderen beiden Männer 81,6 und 81,8, die 3 anderen Frauen
81,5—82,9— 83,7 ergaben; somit dürfte die Brachycephalie dieses Stammes ausser
allem Zweifel stehen. Bei den Bersisi, bei denen die Brachycephalen den Mesoce-
phalen eben nur das Gleichgewicht halten, sind die brachycephalen Indices durch-
weg etwas niedriger; nur eine Frau erreicht 81,9, sonst bewegt sich der Index
zwischen 80,0 und 80,8.
4. Das Haar. Die einzigen anthropologischen Original-Objekte, welche Mr.
Stevens bis jetzt eingeschickt hat, sind Proben von Kopfhaar, und zwar recht
ausgiebige. In der Beschreibung derselben bringt er zugleich einige dankenswerthe
Hinweise auf die Beschaffenheit des Haares. Ich gebe diese Beschreibung in einer
Uebersetzung:
„Nr. 39. Musterhaar, durch einen alten Batin (Häuptling) für mich aus-
gewählt, als gleichartig mit dem, was seit Menschengedenken als das ursprüng-
liche (early) Blandass-Haar galt. Die Blandass selbst erklären einmüthig, dass das
grobe, gestreckte (coarsé straight) Haar von malayischer Mischung herstamme: sie
nennen es ,Kaser*. Der alte Typus, auf den sie sehr stolz sind, heisst , Rambut
Aieer“ oder Wasser-Haar; es ist noch gelegentlich zu sehen und hat eine deutliche
Schattirung von Roth. Ueberdies pflegt es nicht weiss zu werden, während das
grobe Haar dies thut. Die Probe ist von einer 35 Jahre alten Blandass-Frau, und
zwar in der ganzen Länge abgeschnitten.“
a
,Nr. 40. Von einem 15 jührigen Blandass-Manne, dünn, gekrümmt (wizen,
bent) und greisenhaft.
„Nr. 41. Von einem 37 jährigen Blandass-Manne,
„Nr. 43. Von Kindern. Das kürzeste von einem 4 Monate alten Knaben; das
hüchstlange von einem 2jührigen Mädchen; das längste von einem 6jährigen
Knaben.
,Nr. 46. Das gesammte Haar eines reinen Benua-Mannes von etwa 30 Jahren,
das früher niemals beschnitten war. Das Charakteristische des Benua-Haares be-
Steht darin, dass es in Büscheln (tufts) hängt, wobei jedes Büschel sich am Ende
aufwärts wendet und in einen Halbring von ungefähr 27/ Zoll im Durchmesser
ausläuft. Diese Aufwärtswendung ist bei Mischlingen von Sakei nur schwach aus-
geprägt und sie verschwindet gänzlich in einer zweiten Mischung. Die Frauen
Verweigern entschieden das Abschneiden von Haar trotz aller Bemühungen und
Anerbietungen.“
Schon aus diesen Angaben, noch mehr aus der Anschauung der untersuchten
Haare selbst geht hervor, dass die Blandass mit Negritos oder Papuas eine nähere
Verwandtschaft nicht. haben können. Auch der Unterschied von den, durch
Miklucho-Maclay geschilderten Orang Sakai liegt klar zu Tage. Für diese Frage
Würden wir erst von der neuen Expedition in die nórdlicheren Bezirke der Halb-
insel, die Mr. Stevens vor einiger Zeit angeireten hat, genauere Anhaltspunkte
erwarten dürfen. Denn dass in diesen Gegenden noch Rückstände Negrito-ähn-
licher oder melanesischer Stämme existiren, erscheint nach den Angaben früherer
Reisenden sichergestellt.
In Bezug auf die erwähnten Haarproben habe ich Folgendes zu bemerken:
Sämmtliche Proben zeigen eine beträchtliche Länge. Das Haar der 35jáhrigen
Frau misst 59, das des 37jàhrigen Mannes 32, das des 75jührigen 26 cm in der
Lünge, und da jedenfalls noch ein Stück des unteren Haarendes sitzen geblieben
ist, so darf man sagen, dass das Kopfhaar der Blandass sich durch ungewöhnliche
Lünge auszeichnet. Dies erklürt sich wohl zum Theil aus der Gewohnheit der
Leute, das Kopfhaar überhaupt nieht zu scheeren. Man erkennt dies daran, dass
die Haarspitzen schon für das blosse Auge sehr fein erscheinen, und dass die
Enden bei der mikroskopischen Betrachtung zugespitzi und an den Seiten ab-
gerieben, zerbröckelt, zuweilen treppenförmig und wie angenagt aussehen. Auch
längs des eigentlichen Haarschafts ist die Cuticula sehr dünn, woraus sich das
etwas matte Aussehen der Haare erklärt.
Die Haarfarbe ist an den stärkeren Exemplaren durchweg eine sehr dunkle.
Für das blosse Auge gleicht sie dem Ebenholz und nur bei schräg auffallendem
Sonnenlicht bemerkt man einen leicht bräunlichen Schimmer. Allein bei den meisten
Proben zeigt sich eine sehr ungleiche Dicke der einzelnen Haarschäfte, und schon
Mit blossem Auge nimmt man wahr, dass die dünneren Exemplare jene hellere
Färbung besitzen, wodurch das von Mr. Stevens erwähnte „Wasserhaar“ entsteht.
Wenn dieser Beobachter geradezu von einer Schattirung in Roth spricht, so ist dies
für die Erwachsenen wohl etwas übertrieben, dagegen zeigt das Haar des 2jährigen
Mädchens in der That eine hellröthlich-braune Farbe.
Bei der mikroskopischen Betrachtung sehen die rein schwarzen Haare ganz
ündurchsichtig und gleichmässig schwarz aus, indess ist es nicht das so oft bläu-
liche Schwarz des Negerhaars, Sondern eine, an dünneren Stellen deutlich ins
Bräunliche ziehende Nuance. An den feineren Exemplaren erkennt man zuweilen
einen dünnen, schwarzen, ófters unterbrochenen Markstreifen. Die ganz dünnen
Exemplare zeigen in der Seitenansicht meist eine licht gelbe, schwach brüunliche
(545)
(846)
Farbe, in der ‚keinerlei Körner zu erkennen sind; vielmehr ist die Farbe
gleichmässig durch die ganze Substanz diffundirt. Hie und da finden sich auch
einzelne Haare, deren Substanz gleichmässig dunkelbraun mit einem Stich ins Gelb-
liche ist. Das bedingt also eine gewisse Annäherung an blondes Haar
Viele von diesen dünnen Exemplaren haben keine Spur von Mark; bei anderen
sieht man einen schwachen, centralen Markstreifen, der manchmal continuirlich
durchgeht, häufiger aber Unterbrechungen erleidet. Das Extrem dieser Unter-
brechungen stellt sich so dar, dass in gewissen Abständen von einander längliche,
spindelfórmige Aushohlungen mit einem schwaehkürnig aussehenden Inhalt übrig
bleiben. An ihnen ist die Marksubstanz ganz farblos. Besonders ausgezeichnet
treten diese Eigenschaften an dem Haar des 2jährigen Mädchens (Nr. 43) hervor,
indem einzelne sehr dünne Exemplare sogar ganz farblos sind.
Auf Querschnitten zeigen die dünnen Haare eine drehrunde, die stärkeren zu-
weilen eine leicht ovale Gestalt. Stärkere Abplattungen oder Eindrücke habe ich
nicht gesehen. In den dickeren schwarzen Haaren hat das Pigment bei stärkerer
Vergrösserung stets ein dunkelbraunes Aussehen und erscheint in grösseren und
feineren Körnern, die häufig eine leicht spindelformige, jedenfalls streifige An-
ordnung darbieten. Wo die feineren Körnchen vorwalten, entsteht ein mehr gelb-
licher Ton. Das körnige Pigment ist durch die ganze Marksubstanz vertheilt,
jedoch in den äusseren Abschnitten dichter, nach innen hin loser.
Besonders interessant ist das Haar des T5jührigen Mannes (Nr. 40). Schon
für das blosse Auge erscheint dasselbe melirt: zwischen grôberen, ganz schwarzen
Exemplaren sieht man dünne, gelbróthliche und ziemlich zahlreich graue oder
weisse Haare. Unter dem Mikroskop zeigt sich, dass die letzteren überhaupt
keine Markstreifen und auch keine Luftblüschen besitzen, so dass der Grund
des Ergrauens allein dem Mangel an Farbstoff, also einer Art von Leukopathie
(Albinismus), zuzuschreiben ist. Die gelblichen Exemplare sind auch hier ganz
gleichmässig gefärbt; sie enthalten einen schmalen, zuweilen unterbrochenen, in
der Regel farblosen Markstreifen, nur vereinzelt bemerkte ich im Verlaufe solcher
Markstreifen kürzere, schwarz erscheinende Absätze.
In keinem einzigen Falle, auch nicht bei dem verhältnissmässig kurzen Haar der
Kinder, tritt irgend eine Neigung zum Krausen oder gar zur Bildung von Spiral-
röllchen hervor. Im Gegentheil, alle eingelieferten Proben zeigen „geströcktes“
Haar. Aber an allen ist eine Neigung zum Welligen, bei einigen auch zu
Drehungen bemerkbar. Insbesondere, wie Mr. Stevens bemerkt, krümmen sich
die Spitzen in Halbkreisform. Meist setzt sich dies noch weiter auf den Schaft
fort, der dadurch ein lockiges Aussehen gewinnt. Darin liegt ein starker Unter-
schied von dem mongolischen und auch von dem rein malayischen Haar.
Offenbar ist derselbe zu einem grossen Theil bedingt durch die viel feinere,
dünnere Beschaffenheit der Haare, die freilich in der Regel sehr ungleichmässig
ausgebildet ist.
Die wiederholt gebrauchte Bezeichnung von ,tufis^ bezieht sich, wie es
scheint, auf die Eigenthümlichkeit, dass oft eine grössere Zahl von Haaren zu
Bündeln oder Strähnen zusammentritt, welche von den Nachbarsträhnen durch kleine
Zwischenräume getrennt sind. Am meisten tritt dies hervor an dem mächtigen
Haarschopf des Benua-Mannes (Nr. 46), der vielleicht nicht „das ganze Haar“ des
Mannes, sondern nur den grössten Theil desselben darstellt. Mr. Stevens hat in
diesem Falle das Vorhandensein vou tüfis besonders hervorgehoben. Aber diese
tufts haben mit den, am lingsten mit diesem Namen bezeichneten „Büscheln“
der Melanesier und der wahren Neger nicht die mindeste Aehnlichkeit, Wahr-
(847)
scheinlich verdanken sic ihre Existenz auch nicht einem gruppenweisen Hervor-
Wachsen der Haare, sondern einer natürlichen Neigung längerer Haare, sich zu
Stráhnen zusammenzulegen oder zusammenzudrehen.
Das Gesammtergebniss dieser Untersuchung führt auf eine ühnliche Be-
trachtung, wie ich sie zuletzt ausführlich in der Sitzung vom 16. Februar 1889
(Verh. S. 158) in Bezug auf die àlteren Bevälkerungen der südlichen und süd-
östlichen Inseln des malayischen Meeres dargelegt habe. Wie ich auf diesen
Inseln zwischen dem spiralgerollten Haar der Melanesier und dem straffen Haar
der Malayen eine breite Zone mit gewelltem Haar nachweisen konnte, so
Scheint auch auf Malacca zwischen den spiralhaarigen Negritos (Sakai) des Nordens
und den straffhaarigen Malayen des Südens und der meisten Küstengegenden sich
die gewellthaarige Nation der Blandass erhalten zu haben. Auf den Inseln habe
ich für diese Bevölkerung den alten, freilich viel gemissbrauchten Namen der
Alfuren wieder aufgenommen. Folgerichtig würde daher auch eine nähere Ver-
Wandtschaft der Blandass mit Alfuren zu erschliessen sein.
Von den Insel-Alfuren hatte ich bemerkt, dass sie sich ihrem Haarwuchse
nach einerseits den Australiern, andererseits den Weddas auf Ceylon anschliessen.
Vielleicht dürfte man bei den Wilden von Malacca auch an Dravidier denken.
Indess steht einer vôlligen Gleichsetzung der Umstand hinderlich enigegen, dass
die Blandass mehr brachycephal, die anderen Volker mehr dolichocephal sind.
Daraus ergeben sich neue Fragen, die erst an weiterem Material zu endgültigen
Sehlüssen geführt werden kónnen. Hoffen wir, dass es Mr. Stevens gelingen
Möge, dieses Material zu beschaffen. —
(29) Hr. Olshausen spricht über
im Norden gefundene vorgeschichtliche Trompeten.
Im September 1890 übersandie mir Hr. Director W. Fischer in Bernburg den
neben abgebildeten Gegenstand zur Begutachtung (Fig. 1). Der wesentlichste Theil
desselben ist ein kurzes, Figur 1
bronzenes Rohr oder eine 2 7
Tülle B mit allmählich
nach aussen umbiegen-
demoberem Rande, einem
„Lichtknecht“ ähnlich. In
der oberen Oeffnung liegt
em an der Rohrwandung
haftender, etwas unregel-
Mässig gestalteter Ring U
aus brauner Masse, Ur-
Nenharz, wie ich fand.
Von diesem Harz haften auch geringe Mengen am unteren, äusseren Rande des
Rohres. Die Tülle hat 3 Nagellöcher, in deren einem ein vollständiges Pflöckchen
aus Holz steckt, nach innen hervorragend, welches mach aussen Zu, offenbar
dureh Daraufschlagen, etwas zerklüftet ist und dadurch in dem Loche festsitzt;
ein zweites Loch zeigt ebensolches Pflöckchen, dessen Spitze aber abgebrochen
ist. Das dritte Loch ist leer. — An der Innenwandung der Tülle, unterhalb des
Harzringes, sind Spuren einer Substanz HM erhalten, die mit ihrer feinen, vertical
aufenden Streifung durchaus an den Hornbelag vieler Griffplatten an Bronze-
Schwertern erinnert: in der That ist es offenbar der Rest eines Rinderhornes,
(848)
das in der Tülle durch 3 Holzpflócke fesigehalten wurde und durch den Harzring
nach oben hin, durch das Harz am üusseren Tüllenrande nach unten hin lufi-
dicht mit der Bronze verbunden war. Nur solchem Zwecke kann das Harz ge€
dient haben, nicht aber dem, die Bronze auf dem Horn festzukitten; denn zwischen
Horn und Bronze fehlt dasselbe. Ich halte das Ganze für das Mundstück eines
Blaseinstrumentes.
Das interessante Object stammt aus einem mächtigen Grabhügel, ,dem spitzen
Hoch* oder ,Spitzhoch^ (nicht Hock) bei Latdorf, östl. Bernburg, auf dem
rechten Ufer der Saale. Derselbe wurde 1880 von Prof. Klopfleisch in Jena
für den Alterthumsverein zu Bernburg geöffnet. Der verabredete genaue Bericht
über die Grabung ist noch ausgeblieben; gelegentliche kurze Erwühnungen der-
selben finden sich im Correspbl. d. deuisch. anthropol. Ges. 1881, 139—40 von
Klopfleisch; Verhandl. d. Berliner anthropol. Ges. 1884, 402 von Virchow. Ein
neolithisches Gefäss (,Amphore“) aus dem Hügel bildete Klopfleisch ab in
»Vorgeschichtliche Alterthümer d. Provinz Sachsen und angrenzender Gebiete“,
Abth. I, Heft 2, Halle a. S., 1884, S. 90, Fig. 78; vergl. A. Gotze, Gefissformen
und Ornamente der neolith. schnurverz. Keramik im Flussgeb. d. Saale, Jena 1891,
S. 33 u. Taf 1, 4. Ein wenig ausführlicher berichtete Fränkel in » Miitheilungen
des Vereins f. Anhaltische Geschichte u. Alterthumsk.“, II., Dessau 1880, S. 759.
Aus diesen Nachrichten, sowie einigen privaten, durch Hrn. Director Fischer in
Bernburg und namentlich durch Hrn. Dr. Alfred Gótze in Berlin mir zugegangenen,
lisst sich das folgende, allerdings immer noch recht lückenhafte Bild der Ein-
richtung und des Inhaltes des Hügels entwerfen.
Der spitze Hoch barg in verschiedenen Hóhenlagen eine ganze Reihe von
Grübern ungleichen Alters. Es lassen sich 5 Gruppen unterscheiden. I., zu unterst,
ziemlich in der Mitte des Hügels, fanden sich liegende Hocker in Kisten aus
kleinen Steinen; Beigaben: die oben erwähnte Amphore, ein schnurverzierter
Becher vom Typus Götze, Taf. I, Fig. 16, und ein glatter Becher, Flintspähne,
geschliffene Flintkeile, Doppelknöpfe aus Muscheln (diese in einem Thonnäpfchen
gelegen). — IL, seitlich, in einem spüter angeschütteten Theile des Hiigels, 2 Ro-
tunden, bestehend aus schrig gelehnten Steinplatten, mit Eingangsüffnung; darin
Brandspuren und sehr viele Gefüsse, einer Uebergangsepoche von Stein- zur
Bronzezeit angehürig, und von Formen, wie sie Augustin, Alterthümer in Halber-
stadi, Wernigerode 1872, Taf, V und VI, und Kruse, Deutsche Alterthümer IL,
Heft 2 u. 3, Halle 1827, Taf. 4, in vielen Exemplaren vorführen. Klopfleisch
meint, die Verbrennung sei hier unter Luftabschluss, nach Art der „Meiler-
verbrennung“, vor sich gegangen. Ob dieser Gruppe einige noch in Bernburg
aufbewahrte Zeugreste, sowie Perlen (nach Fraas aus Gagat) und durchbohrte
Zähne, aber auch zwei kleine Bronzeperlen angehörten, kann ich nicht sicher
ermitteln. Klopfleisch spricht im Corresp. d. deutsch. anthrop. Ges., S. 140 von
neolithischen Zeugresten. — III., in einer nächsthöheren Schicht des Hügels
traf man 4 gedeckte Steinkisten aus grossen Platten, von Steinschüttungen
umgeben, darin Bronzen und Thongefässe, z. Th. ähnlich der schlechten Ab-
bildung in Alberti, Variscia L, Greiz 1829, Taf. II, 1 (von Collis bei Gera),
mit charakterisüschen, als Cannelüren ausgeführten Verzierungen. Hr. Director
Fischer sandte mir 4 Zeichnungen von verschiedenen Gefässen, z. Th. mit fa-
cettirien Rándern, die alle aus Kiste Nr. 1 stammen und zu Bronzen gehören
sollen. — Gruppe IV und V, einander etwa gleichalterig, bilden die oberen
Schichten des Ganzen; es wird von starkem Brand, geschmolzenen Bronzen und
f
Thongefässen berichtet. Endlich spricht Dr. Götze von einem einzelnen Skelet
Mit Bronzen in dem unteren Theile des Hügels. —
Wie nun die jetzt in Bernburg vorhandenen Bronzen auf diese einzelnen Be-
gräbnisse zu vertheilen sind, kann ich nicht feststellen; wenn sie alle der Kiste
Nr. 1 angehören, so fehlen die des Skelets und der. Gruppen IV und V. — Hr.
Fischer nahm ferner nach Angabe des Hrn. Klopfleisch an, dass alle Bronzen
Mm Feuer gewesen seien, was natürlich für unser ,Mundstügk^ mit seinen Resten
8üs organischem Material nicht zutrifft; immerhin kann es zu einem Brandgrabe
gehôren. —
An Fundstücken aus dem spitzen Hoch erwähnt Virchow noch bearbeitete
Und ornamentirte Hirschgeweihstücke (aus dem steinzeitl. Schichten) und. Fránkel
»Muschelgeld* (die Doppelknópfe?), Holzrinde und ein Flacon aus Leder. Hr.
Dr. Götze meint, dies „Flacon“, von dem auch Prof. Klopfleisch in seinem
Colleg gesprochen, habe das Mundstück gehabt, das ich einem Blasehorne zu-
Schreibe, und vermuthet jetzt, das ,Leder“ sei eben nichts anderes, als das braune
Urnenharz, welches ich nachgewiesen habe. —
Figur 2. Figur 3.
.. Von den Bronzen übersandte mir Hr. Fischer ausser dem Mundstück noch
ne kleine Auswahl; es sind eben nur noch einzelne Sticke als Theile von
Ringen, Nadeln und dergl. erkennbar und erscheint es als ein wahres Wunder,
dass das Mundstück der allgemeinen Auflösung entging. Unter den mir vor-
liegenden Bronzen kann ich folgende unterscheiden: 1. ein massives Stück mit
grossem, etwas conischem Loch, aussen mit 9 stark vorspringenden Rippen ver-
Sehen, das Ende mit der kleineren Oeffnung noch ziemlich intact, das andere stark
beschädigt, so dass die ursprüngliche Länge des Ganzen nicht mehr sicher fest-
Zustellen ist (Fig. 2), aber wahrscheinlich fehlt nicht viel. Das Stück macht den
Eindruck eines Keulenknaufs; vergl den steinernen von Eggenburg, Nieder-
Oesterreich, Much, prähist. Atlas, Wien 1889, S. 35, Fig. 8, mit 7 Rippen. Freilich
Muss man auch beachten, dass zahllose Perlen und Spinnwirtel aus Stein und
anderem Material ähnliche Rippen zeigen und unser Stück für einen Keulenknauf
etwas leicht erscheint. Aber man kann auch einen Geisselknopf vor sich haben;
Vgl. Lindenschmit, Heidn. Vorzeit I., 8., Taf. 2 und Sammlungen zu Sigmaringen,
Taf. 41, 7 und 9—12, bronzene sog. Stachelknôpfe (Keulenkäpfe und Geisselknôpfe),
Ton denen verschiedene noch kleiner und leichter sind, als unserer. Ob die Zeit
Bota in vielen Sammlungen vorhandenen Stachelknöpfe bestimmbar ist, weiss ich
t; viele von ihnen stammen aus Italien und vermuthlich sind. sie jünger als
Unser Stück. Dagegen sei hier erwähnt ein bronzener Keulenkopf aus der
Verhandl. der Berl. Anthrop. Gesellschaft 1891. 54
(849)
(850)
Warnicker Forst, Samland, wie es scheint ein Einzelfund, aber von Tischler:
Phys.-ókon. Berichte 1889, S. 25 der ältesten Bronzezeit zugeschrieben (Provinzial-
museum zu Königsberg, Nr. 3935), den ich hier nach einer von Hrn. Prof
Jentzsch gütigst übersandten Zeichnung wiedergebe (Fig. 3). Das Loch ist schwach
conisch; beide Durchmesser weichen um etwa 1mm von einander ab. Gewicht
des Stückes 166,1 9. Keulenköpfe aus Stein, zum Theil von ganz ähnlicher
Form, kommen namentlich in Ostpreussen!) relativ häufig vor. Tischler setzt
sie an’s Ende der Steinzeit (Phys.-ökon. Abhandl. 24, S. 106, Fig. 7). Gräber-
funde dieser Art sind sehr selten; doppeltes Interesse beansprucht deshalb ein
ziemlich grosses, ellipsoidisches Stück aus weissem, polirtem Marmor, gefunden
nebst einem Armring aus Knochen und einem Thongefäss mit 4 warzenförmigen
Ansätzen bei einem Skelet in dem grossen spät-neolithischen Gräberfelde zu
Rossen bei Merseburg, also ebenfalls im Saalegebiet (Konigl. Mus. f. Volker
kunde z. Berlin. In demselben Grabfelde auch ein scheibenfsrmiger Keulen-
kopf aus dunklem Gestein, ebenda I. g. 105).
Ein merkwürdiges bronzenos Stück aus einem Moorfunde von Babbin bei
Pyritz, Pommern, Stettiner Museum, Nr. 1484, Balt. Stud. 29, 308, 10 k, Photogr-
Album, Berlin 1880, IL 21, dürfte aber wohl nicht hierher gehóren. Von dem
unieren Rande einer kurzen Tülle gehen 4 Klauen aus, deren Spitzen einen Durch-
messer von 7 cm für das ganze Stück ergeben. Die Tüllenwandung hat nach gef.
Mittheilung des Hrn. A. Stubenrauch unten 0,8 em Dicke, die obere Kante ist
haarscharf. Das cylindrische (nieht conische) Loch hat 1,9—1,4 em Durchmesser.
Das Gewicht des Stückes beträgt nur 26 g. Seine Bestimmung ist mir unklar. —
2. Bruchstücke eines glatten Ringes (?). — 3. Stück eines tordirten Ringes (?).
— 4. Stücke grosser, scheibenfórmiger Nadelkópfe (?), ähnlich den ungarischen,
Hampel, Alterthümer der Bronzezeit, Budapest 1887, Taf. 53, 1012, — 5, ein
kleines Spiralróhrchen aus einfachem Draht. — 6. Bruchstück eines Messers mil
Thierkopfgriff(?), wie Montelius Tidsbestámning inom Bronsáldern, Stockholm 1885,
Fig. 54, Periode III. — 7. eine Messerscheidenzwinge(?) aus Draht, ühnlich Naue,
Hügelgrüber zwischen Ammer- und Staffelsee, Stuttgart 1887, Taf. 16, 2 auf S. 101,
dem Ende der Bronzezeit (vor der Hallstattzeit) angehôrig, aber aus Goldblech-
An derartiges wenigstens erinnert unser Stück, doch ist es kleiner, Oeffnung 18 auf
7—8 mm. Wenn diese Deutung richtig ist, so kann 8. ein kleines Blech, einen
weiteren Beschlag der Scheide gebildet haben. —
Lichtknechtähnliche Bronzen, der Latdorfer gleichend, sind nicht selten,
aber der Rand biegt oft plötzlicher um und aus den Fundumständen erhellt meist,
dass sie Zwingen oder Endbeschläge an hölzernen Griffen von Metallgeräthen,
sog. Schaftschuhe, waren. Bei dem Stück Hampel, Alterthümer der Bronzezeit
in Ungarn, Budapest 1887, Taf. 80, 2 (im Züricher Museum) fehlt es allerdings
hierfür an Anhalt (auf der Zeichnung ist nicht mit Sicherheit erkennbar, ob die
Tülle Nagellöcher hat; auf Anfrage schreibt mir Hr. Heierli, dass in der That
2 vorhanden sind). Dagegen ist Much, prühist. Atlas, S. 93 Fig. 6 wahrscheinlich
Zwinge eines Messerheftes. — Im Stralsunder Museum befindet sich ferner unter
Nr. 1019 der v. Hagenow'schen Sammlung ein Stück, das nach gef. Mitth. des
Herrn Dr. Baier im Verein mit einer ungarischen Bronzeaxt vom Typus Hampel,
. . 1) Hier muss man unwillkürlich der Stelle bei Tacitus, Germania 45, gedenken, wo
es von den Aestiern des Bernsteinlandes heisst: »rarus ferri, frequens fustium usus,*
wonach also Stócke oder Keulen noch in späterer Zeit die gewöhnliche Waffe der Be-
wohner dieser Gegend bildeten. —
EU.
(851)
Taf, 29 y. 30, 5 u. 6 a. b, sowie mit einer Anzahl kleiner Bronzeringe von der Weite
nes Fingers (welche leider verloren gingen) in einer Kiesgrube zu Pitzervitz,
Kr. Soldin, Prov. Brandenburg, gefunden wurde. Die Tülle hat keine Löcher, aber
ine senkrechte Nuthe an der inneren Wandung, offenbar zur Aufnahme eines
Stiftes, um die Zwinge auf den Schaft festzukeilen. Sie kann am Fussende des
Schaftes gesessen und die Ringe mögen zum Schmuck des letzteren gedient haben,
Wie es wohl auch an 2 „Kommandostäben“ von Schmöckwitz, Kr. Teltow,
K. Mu. f Volkerk. Berl, I f. 159 u, 160, der Fall war; bier sind indess die
Schaftschuhe nach unten geschlossen und im Querschnitt oval. — 4 Zwingen mit
"undem Querschnitt lieferte, ebenfalls neben 10 Klingen von Kommandoäxten, der
Depótfund von Gross-Schwechten, NNW. Stendal (Mus. Salzwedel) Sie wurden
Schon Jahresbericht 14 des altmärkischen Vereins, Salzwedel 1864, S. 5, ohne Ziweifel
"ichtig, als Endbeschläge der hölzernen Griffe bezeichnet; 3 unter einander etwas
Verschiedene sind daselbst abgebildet, Taf., Fig. 7—9, 2, auch im Berliner photogr.
Album VI, 12. — Das Museum zu Salzwedel enthält endlich noch 2 solcher Schaft-
Schuhe aus anderen Funden und von etwas abweichender Form, mit nahezu
"hombischem Querschnitt. —
Die Deutung des Laidorfer Objects als Mundstück eines Blasehorns halie ich
für ganz sicher; denn wozu die sorgfältige Dichtung durch Harz, falls man nicht
das Entweichen von Flüssigkeit oder Gas verhindern wollte? Flüssigkeit kommt
hier aber nicht in Betracht, da das Stück niemals an einer Seite geschlossen war.
Allerdings gab es im Alterthum auch beiderseits offene Trinkhörner, wie ich
A. Rich, Illustrirtes Wörterbuch der röm. Alterthümer, Paris und Leipzig 1862,
€nthehme, wo es unter cornu 4 heisst: „Beim "Trinken hielt man das Horn über
den Kopf und liess die Flüssigkeit durch ein kleines Loch am spitzen Ende in
den Mund fliessen, wie man auf der Abbildung nach einem Gemälde zu Pompeji
Sicht.“ Vergl. auch den am spitzen Ende wie ein Pferd gestalteten hornf. Becher
(ein sog. Pferderhyton) bei Panofka, Griech. Trinkhorner, Berlin 1851, Taf. L, 1
(und danach Weiss, Kostümkunde, 2. Aufl. L, Fig. 262), wo ein Pferdefuss die
“usserste Spitze bildet und ihm der Sirahl entsirómt. Sicherlich aber war dies nicht
die gewöhnliche Form der Trinkhôrner und die Oeffnung unseres Objectes wäre für
Solchen Zweck viel zu gross. Die cylindrische, nicht conische Form unseres Mund-
Stücks war allerdings für ein Blaseinstrument vielleicht unzweckmässig. Während
Jedoch die dänischen Lurer Mundstücke mit conischer Oeffnung zu haben scheinen
(Madsen, Bronceald. I, Taf. 19, 5 = Sophus Müller, Ordning af Danmarks Old-
Sager, II, Kjôbenhavn 1891, 368), sind, wie Hr. Beltz mir schreibt, die in Schwerin
Yorhandenen Mundstücke von Wismar und Teterow cylindrisch gelocht. Die
Naehtheile einer zu weiten Oeffnung unseres Exemplars aber kónnen bei einem
Blaseinstrument durch eine engere Oeffnung der Hornspitze selbst aufgehoben
Sewesen sein; in der That lässt auch die bedeutende Länge der Holzpinnen auf
eine erhebliche Stürke der Hornwandung schliessen, so dass die Oeffnung im Horn
Selbst viel enger war, als die des Mundstücks. Vielleicht war die massive Spitze
des Horns nur mit einer kleinen Bohrung versehen. — In der Vorausseizung, dass
Meine Ansicht richtig ist, mögen noch die folgenden Bemerkungen Platz finden.
Die Trompete von Latdorf ist nach mehr als einer Richtung hin von Be-
deutung. Man hat im Norden aus der Bronze-, Hallstatt- und Tènezeit Trompeten
auf 3 verschiedenen Gebieten, in Norddeutschland, Seandinavien und auf den
britischen Inseln, gefunden. Dieselben bestehen aber überwiegend ganz aus Bronze,
Weit seltener aus einem Horn (sel es vom Rind, sei es aus Holz) mit metallenem
Beschlage, doch sind viele der ersteren unzweifelhaft nur Nachbildungen der
54*
(822)
Rinderhórner, wie daraus folgt, dass die beiden Exemplare eines Paares bisweilen
nach entgegengesetzten Seiten gewunden sind (Madsen, Bronceald. I, S. 29
Note 2; Aarbüger f. n. O. 1890, 243, Note). Unsere Trompete zeigt also entschiede?
einen älteren Charakter, wie überhaupt die älteren Trompeten aus Deutschland
Hörner mit Metallbeschlägen waren (Bochin, Wismar, Teterow; siehe unten die
Statistik). — Weiter ist zu bemerken, dass diese Blaseinstrumente nur äusserst
selten in Gräbern vorkommen; in der That kann ich ausser Latdorf nur nach-
weisen: 2 bronzene „Lurer“, angeblich aus einem ,Grabhügel^ zu Borreby:
Schweden (gehürten sie aber zum Grabinventar? — Siehe S. 855) und vielleicht
einige Hórner aus einem Hügel zu Carrickfergus, Irland. Ganz sicher ist aber
nur Latdorf und dies ist zugleich das südlichste und seinem Beschlüge nach ur-
sprünglichste mir bekannte Stück. Wir finden hier also eine auch schon sonst
beobachtete Erscheinung wieder, dass Geräthe, die in närdlicheren Gegenden nicht
zum Grabinventar gehören, weiter (südlich in Gräbern vorkommen (vergl. diese
Verhandl. 1890, S. 291, die goldenen Gefüsse der Hallstattzeit) — Sonst handelt es
sich in Deutschland ófters um Erdfunde (z. Th. vielleicht aus zerstörten Gräbern?)
und um Moorfunde, in Dänemark und wohl auch in Schweden ausschliesslich um
Moorfunde (S. Müller, Ordning a. O. II, 368), auf den britischen Inseln häufig um
Funde aus Mooren, einmal aus einem Fluss.
Die Bronzelurer sind'in Scandinavien fast stets paarweise gefunden; nach
Müller kommt in Dänemark auf 11 Paare nur ein einzelnes Stück. Er
nimmt an, dass diese Blasehörner auch paarweise gebraucht seien als Kriegs-
geräthe oder zu heiligen Zwecken, und Henry Petersen sucht solchen paar-
weisen Gebrauch aus der Nachbildung eines Paares Rinderhürner zu erklären
(Aarbóger 1890, 243 Note). — In Deutschland weist der Fund von Lübzin ein
Paar auf, vielleicht auch der einer späteren Zeit angehörige von Hannover. Auch
die dem 5. oder 6. Jahrh. nach Chr. zugeschriebenen goldenen Hörner von
Gallehuus in Schleswig, welche man als Tempelgeräthe ansieht, haben vermuth-
lich zusammengehört. — Wenn es sich für Dünemark nach S, Müller um wirk-
liche, nach Form und Ornamentik zusammengehürige Paare handelt, so bemerkt
dagegen Wilde, Catalogue R. Irish Acad. I, Dublin 1863, p, 634. bezüglich
Irlands: ,fast stets werden mehrere Trompeten zusammengefunden, gewühnlich
von 2 verschiedenen Gattungen“.
Harz findet sich an einem eisenzeitlichen Blasinstrument aus Kuhhorn mit
Bronzebeschlag und Nägeln mit silbernen Köpfen von Södermanland, und zwar
in Verbindung mit Bast, ebenfalls zur Dichtung der Uebergangsstelle vom Mund-
stück auf das eigentliche Horn verwendet (Stockholmer Mánadsblad 1881, 148.49,
wo allerdings nur an eine Reparatur gedacht und vermuthet wird, das Horn habe
an der betreffenden Stelle einen Riss bekommen. Aber vielleicht ist es nicht
nöthig, eine solche Annahme zu machen). —
Die Verwendung von Stiften aus Holz oder anderem, leicht vergänglichem
Material (Horn, Knochen) an Bronzegeräthen wird natürlich nur überaus selten
direkt beobachtet; Evans erwähnt Bronze Implements; London 1881, p. 326
einen Holzstifi an einem Dolch; vermuthet kónnen derartige Befestigungsmittel
aber ófters werden: ebenda; ferner p. 221 an einem knóchernen Knauf eines Dolch-
griffes, 244 zur Befestigung eines hülzernen, 252 eines hórnernen Griffs an die
bronzene Klinge.
Fundstatistik.
A. Mitteldeutschland: Latdorf.
B. Norddeutschland. Fast das ganze Material liegt im Schweriner Museum.
za
(853)
i Dr. Beltz ordnet die dort befindlichen Stücke dem Alter nach so, wie es in
gender Zusammenstellung, mit dem ältesten beginnend, geschieht:
Sch l. Provinz Brandenburg, Kr. Wesipriegnitz, Bochin: bronzener, gegossener
all alltrichter, Friderico-Francisceum, Leipzig 1837, Taf. 12, 1 zu S. 121, wo er
rio ings als ,Gefüss^ beschrieben ist, was aber Meklenb. Jahrbücher 91, 239
tie tig gestellt wurde. Der ,Henkel*, d. h. die Oehse zum Durchziehen von Trag-
Men oder -Kette, ist nicht „angelöthet“, sondern, wie Dr. Beltz mir schreibt,
Les Bossen, Hr. B. setzt das Stück etwa in Montelius' Periode II, „schwerlich
er“, Es gehört dem ältesten Bestande des Schweriner Museums an; die Fund-
pp. Mande sind nicht bekannt und vielleicht überhaupt nicht mehr zu ermitteln.
a B. sagt: die Patina ühnelt sehr der einiger ,Depotfunde aus feuchtem Boden*,
lht der der Grabfunde.
. 2. Meklenburg-Sehwerin. a) Wismar: Mundstück mit einer Oehse daran,
pilerer Tragring und Schalltrichter, alles aus Bronze gegossen, reich verzieri, das
1 Chlige eines Instrumentes aus Horn oder vielleicht auch Holz, abgebildet Mekl.
hres, 3 zu S. 67 und Lindenschmit, Heidn. Vorzeit IV T. 33, 3; vergl. Mekl.
prb. 24, 274. Moorfund. Hr. Beltz schreibt das Horn dem Ende von Montelius
°F. III zu. Eines der Ornamente auf dem Schallirichter nennt Lisch 8. 72
»fächerförmige Zeichnungen, wie Strahlen“, Lindenschmit macht daraus „Leichen
mt ausgestreckten Armen“; Hr. Beltz giebt aber ersterer Beschreibung ent-
Schieden den Vorzug. — b) Teterow: 30,5 cm langes, gegossenes, bronzenes
Mundstück, Mekl. Jahrb. 13, 377 und Heidn. Vorzeit IV T. 33, 4, dem Wismarer
Sehr nahe stehend. Lindenschmit fasst es als vollständiges Instrument auf,
über Lisch sagt: „die Schallmündung ist aus natürlichem Horn oder Metall an-
Sesetzt gewesen, wie die Nietlócher am Ende (nach der Schallóffnung zu) be-
Weisen“. Diese Nietlöcher sind freilich bei Lindenschmit nicht gezeichnet,
Laden sich aber ebenso an den Wismarer Beschlägen, und zwar bei dem Schall-
Tichter am inneren Rande. Auch dass nur ein Tragring vorhanden, spricht
ich für Unvollständigkeit des Teterower Horns, wenngleich diese Eigen-
ümlichkeit auch bei vollstündigen Trompeten vorzukommen scheint (Battle in
Uiglan), Moorfund. — c) Lübzin bei Sternberg: ein Instrument ganz aus
lonze, schmales Rohr, stark gekrümmt, mit rechtwinklig zu seiner Längsachse
Stehender verzierter Blechscheibe um die Schallmündung, wie wir dies später
vi mentlich an den dänischen Trompeten kennen lernen werden. Ausgepflügt zu-
y amen mit einem zweiten Exemplar, das früher wenigstens sich in Privat-
"i zu Lübzin befand. Das Schweriner trägt eine Kette. Frider. Franc.
A 118; Meklenb. Jahresbericht 1, 14— 15; 20, 293. — d) Hofzumfelde,
T Grevismühlen, Frider. Franc. S. 117 und Taf. 9, 3, wie das vorige, ge-
Posen, aber jetzt wenigstens ohne das‘ Blech an der Mündung; letztere ist jedoch
a Schädiet, wie mir Hr. Beltz schreibt. Auch das eigentliche Mundstück fehlt
Ah Lisch. Erdfund. —
An diesen Bestand des Museums zu Schwerin schliesst sich
R 3. aus der Provinz Hannover: die Trompete von Garlstorf, Kr. Osterholz,
°8.-Bez. Stade (Mus. zu Hannover). Heidn. Vorzeit IV, T. 33, 2, aber mit un-
Va Fundortsangabe. Nach gef. Mittheilung des Hrn. Director Reimers ge-
ih en „unter einem kleinen Haidehügel“. Das Exemplar ist sehr defect, aber
. nlich dem von Hofzumfelde. Das Mundstück war in den Haupttheil hinein-
> sehoben und an diesen durch einen jetzt verlorenen Stift befestigt, welcher einen
M unteren Theil des Mundstiicks vortretenden Ring und einen ebensolchen am
(854)
oberen Ende des Haupttheils durchsetzte, vermuthlich wie an einer Trompete aus
dem Lommelevmoor auf Falster, Atlas f. nord. Oldkynd., 1857, Taf. B. VII, 3b.
Die vorstehend genannten, auf deutschem Boden gefundenen Exemplare zeige?
die vollständige Entwickelung des Gerüths vom Kuhhorn mit dem einfachsten P€
schlige, durch solche mit mannichfaltigeren und theilweise schon verzierten D€
schlägen, bis zu ganz aus Metall hergestellten, stark gewundenen und mit End-
scheibe versehenen Hüórnern.
Eine zweite Trompete, angeblich von Hannover, jetzt in der Sammlung
Blell-Grosslichterfelde bei Berlin, ist in vielen Beziehungen so abweichend, das$
ich sie hier nicht einreihen móchte, sondern lieber anhangsweise am Schluss®
dieses Aufsatzes bespreche.
C. Scandinavien. 1. Dänemark: Nach Müller, Ordning II 368 sind zur
Zeit 10 Funde mit 23 mehr oder minder vollständigen Trompeten (Lurer, sing
Luur) bekannt, alle aus Mooren. Ein Fund (Dramsirup) enthielt Fragmente nu!
einer Trompete (gef. briefl. Mitth. des Hrn. Mus.-Dir. Dr. Müller), Brudevaelte
dagegen lieferte 3X2 Stück, alle übrigen Funde je 2, und zwar handelt es sich
hier nach Form und Ornamentik stets um zusammengehórende Paare, Die
sümmilichen Funde, den von Dramstrup ausgenommen, nahm S. Müller in seine"
Arbeit ,Ordning af Bronzealderens Fund*, Aarbüger 1891, in die Tabelle 24
»Votivfunde (der jüngeren Bronzezeit)“ auf, da sie nicht allein stets mehrere
Exemplare, sondern auch keine anderen Sachen daneben enthielten, was zusammen
nach Müller für die Votivfunde charakteristisch sein soll. Nur die Lurer von
Lommelev sind vielleicht mit anderen Bronzen zugleich niedergelegt worden. —
. Blosse Beschläge von Kuhhörnern kamen nicht vor; alle Lurer sind ganz
aus Bronze, und zwar gegossen, aber aus mehreren Stücken zusammengesetzt, wie
die Garlstorfer "Trompete. Alle, die vollständig erhalten, sind stark gekrümmt;
wo nur Fragmente vorliegen (Lommelev, Dramstrup) könnte es zweifelhaft sein,
ob sie vielleicht in einem Theile ihres Verlaufs gerade waren. Die Schall-
öffnung ist stets von einer rechtwinklig zur Achse des Rohres stehenden runden
Scheibe eingerahmt. — Die Mundstücke scheinen eine konische, nicht
cylindrische Oeffnung zu haben, so wohl sicher das von Maltbaek, Madsen
Broncea. I. T. 19, 5. — Ketten verschiedener Art, an denen die Lurer getragen
worden, sind zum Theil noch erhalten (Madsen, Tal. 18 und 19; Worsaae
N. O. 200).
Für die Zeitstellung gewähren die Ornamente der Scheiben an der Schall-
öffnung und bei einigen angehängte Klapperbleche (Brudevaelte, vielleicht auch
Huusby) Anhalt. Montelius setzte Mänadsblad 1881, S. 38 Note 1, die Lurer
von Lommelev und Maltbaek in den Uebergang von der älteren zur jüngeren
Bronzezeit, d. h. in die 4. Periode (vergl. Ornamente der Hángegefüsse, Tids-
bestimning Taf. 4, 93). Brudevaelte móchte er, laut gef. briefl. Mitth., in den
Beginn der Periode 5 setzen (vergl. Ornament der goldnen Schalen, Tidsbest.
Taf. 5, 120). S. Müller unterscheidet ebenfalls Lurer mit Ornamenten des älteren
und mit solchen des jüngeren Styls der jüngeren Bronzezeit und bemerkt, dass
die eingehängten Bleche (nach ihm metallene Nachahmungen von Zeugquasten)
sich an den Geräthen mit jüngeren Ornamenten finden. — Zu beachten sind noch
die Vogelfiguren an der Tragkette von Maltbaek (Madsen, Taf. 19, 9:
S. Müller 368, Mànadsblad 1881, S.48 zu Fig. 78) —
. Nach miindlicher Mittheilung des Hrn. Müller lassen sich die Lurer vor"
trefflich blasen und umfassen eine keineswegs kleine Tonreihe. Hr. Müller
hatte auch die Güte, für mich die Bestimmung des Gewichts einiger dieser
(855)
Instrumente vorzunehmen; es wiegt das schwerste (Nr. 8115, von Brudevaelte)
3107 g, das leichteste (Nr. 22302, von Folvisdam) 1498 g. — Lisch gab Meklb.
Jahrb, 90, 293 die Art an, wie er sich das Horn von Lübzin getragen dachte.
Aber nicht für alle die ähnlich geformten dänischen Lurer scheint mir die gleiche
Art anwendbar; wenigstens konnte ich die Nachbildung einer solchen Lure (von
Brudevaelte, im Konigl. Mus. f. Volkerk, Berlin) nach dieser Anweisung nicht
?weckmiüssig handhaben. Vielmehr scheint es bei dieser am natürlichsten, mit der
linken Hand die Mundstückróhre zu fassen, den sich daran anschliessenden Bogen
Nach unten zu richten und mit der Rechten den aufsteigenden Hauptarm dieses
Bogens zu halten, so dass die Schallöffnung nach vorne, aber etwas höher, als der
Kopf des Trägers, zu liegen kommt.
a) Lommelev auf Falster (Maribo-Amt): Bruchstücke eines Paares, Koph.
Mus, Nr. 9434; Worsaae N. O. 200; Madsen Broncealderen I, Taf. 18, 3; Atlas f.
nord, Oldkynd. Taf. B. VII, 3, 4; Antiqu. Tidsskrift 1846—1848, 20; Annaler f.
n. O. 1856, 364. Eine Analyse ergab: 10,61 pCt. Zinn, 88,90 Kupfer, 0,49 Nickel
u. Eisen = 100, Annaler 1852, 252. — b) Moor Brudevaelte bei Lynge, Frede-
Mksborg A., Seeland: 3 Paare, Mus. Nr. 8114 (bei Madsen 8117); Worsaae
N. 0. 199; Madsen T. 19, 4; Atlas B. VII, 1; Antiq. Tidsskr. 1843—45, 113;
Annaler 1856, 362—63. Von diesen 6 Trompeten befindet sich eine in Sarskoe-
Selo, Russland (A. Rockstuhl u. F. Gille, Musée de Tzarskoe-Selo, St. Peters-
burg u. Carlsruhe, 1835—53, pl. 162, 1), eine andere, wie es scheint, in Paris.
Eine Nachbildung in Metall besitzt das Königl. Mus. f. Völkerkunde, Berlin
(IV. 117): dieselbe lüsst sich sehr gut blasen. — c) Smidsirup, Frederiksborg
A. im nordóstlichsten Seeland, in Kónig Freder. VII Sammlung; ein Paar, ähnlich
Atlas B, VII, 2; Antiq. Tidsskr. 1858—60, 8. 6—7. — d) Dramstrup, Holbaek
A, nordwestl. Seeland, Fragmente einer Lure, Mus. Nr. 11136. e) Boeslunde,
Sorö A., südwestl. Seeland: ein Paar, Nr. 4711, zerbrochen. — f) Rórlykkemoor
bei Tryggelev auf Langeland (Svendborg-Amt), Nr. B. 3671, etwas abweichend
Von den übrigen dänischen, die Endscheibe nur mittelgross; Aarböger f. n. O.
1886, 235 u 236 Fig. 9. — g) Huusby, Odense Amt, westliches Fünen: ein
Paar, Nr. 318; Worsaae N. O. 201; Madsen, T. 18, 1; Atlas B. VII, 2; Annaler
1856, 363 —4 ; Weiss, Kostümk., 2. Aufl. I, Fig. 179, — h) Veile, Veille A.,
Südostjütland: ein Paar, Nr. B. 936, zerbrochen. — i) Folvisdammoor,
Aarhus A., Jütland: ein Paar, Nr. 22302; Madsen T. 18, 2. — j) Maltbaek,
Ribe A. südwestl. Jütland: ein Paar, Nr. 21 246, Madsen T. 19, 5; S. Müller
368. — Hiernach sind die Lurer so ziemlich über das ganze dänische Land, mit
Ausnahme des nördlichen Jütland, verbreitet.
2. Norwegen. Nichts Hierhergehöriges aus der Bronzezeit ist Hrn. Dr. Undset
bekannt.
3. Schweden. Hier sind 7 oder 8 Stück gefunden, deren Kenntniss ich
Publicationen und brieflichen Mittheilungen des Hrn. Montelius verdanke.
. a) Schonen: Näfvitshögs Socken, ein Exemplar, Montelius, Antiq. Suéd.
178, dem Langelander ähnlich, aber mit noch kleinerer Endscheibe; Tragkette er-
halten; im Moor bei einem Pferdeskelet gefunden; Mus. zu Lund 4372. — Eines aus
der Sammlung ,Gerber*, jetzt ebenfalls in Lunds Mus. — Borreby, ein Paar
„aus einem Grabhiigel®, Montel. National histor. Mus. 1887, p. 24, g, Mus.
Nr. 5531. Meine schon S. 852 geüusserten Bedenken, hinsichtlich der Zugehórig-
keit zum Grabinventar, theilt Hr. Montelius jetzt; er schreibt pir sogar, dass
die Patina auf einen Moorfund schliessen lasse. — Ein fünfies grosses Exemplar,
Yon Montelius Congrés Stockholm 1874, p. 510 mitgezühlt, ist durch. den Schall-
vo,
(856)
irichter mit breitem Rand und einer grossen Oehse nahe der Mündung in der
Sammlung des Grafen Thure Bielke zu Sturefors in Oestergütland vertreten;
unsicher, wenngleich wahrscheinlich, ist es aber, dass es der Bronzezeit an-
gehört. — b) Blekinge: Asarums Socken, ein Stück der Sammlung Holst,
Stockholm; Congrés Stockholm p. 510. — c) Insel Oeland: Lànglót Norre-
gàrd, 2 Exemplare, mit 2 Ketten, wie Montelius Nat. hist. Mus. Fig. 55, gefunden
1891 unter einer Torfschicht, beschützt durch einen Kalkstein, in einem jetzt trocken
gelegten Wasserloch oder kleinen Teich, wie es scheint, auf dem Teichboden-
(Nach Dr. Svend Sóderberg's Bericht an Montelius.)
Alle vorstehend aufgeführten Trompeten sind gegossen, nicht aus ge
hámmertem Blech, aber aus mehreren Stücken zusammengesetzt. Diese älteren
Trompeten scheinen nur im südlichsten Theile des Landes vorzukommen. Zum
Vergleich sei hier dagegen verwiesen auf das schon S. 852 erwähnte Horn „der
älteren Eisenzeit“ von Södermanland, also weiter nordöstlich.
D. Die britischen Inseln. Hier kommt fast nur Irland in Betracht,
welches zahlreiche bronzene Trompeten geliefert hat, deren Formen indess von
denen der vorher besprochenen oft wesentlich abweichen. Man hat gegossene
und aus Blech genietete; letztere gehören z. Th. sicher der Téneperiode (late
celtic) an, wie aus der Ornamentik folgt, so Wilde, Catalogue I, Fig. 527 und
931, zu vergleichen mit bronzenen Schildbeschlägen ebenda Fig. 533, und mit
Kemble, Horae ferales, London 1863, T. 14—16. (Die senkrechte Endscheibe
erinnert übrigens an die dän. Lurer). Auch von den gegossenen scheinen viele
der älteren Eisen-, vielleicht der Hallstattzeit anzugehören, doch enthielt ein
grosses Depot zu Dowris neben Trompeten viele Bronzen, Tüllencelte u. dergl.,
so dass einzelne der Blaseinstrumente in die Jüngere Bronzezeit hinaufreichen
mögen (cf. Evans, Bronze Impl. p. 357 ff.).
Abbildungen gegossener irischer Trompeten bei Wilde, Figg. 524—26,
529-30; Kemble T. 13, 1 und 3—10; Evans, Figg. 438—41, 443—44. Als
besondere Eigenthiimlichkeit vieler dieser Stücke ist zu bemerken, dass die
Oeffnung zum Ansetzen des Mundes nicht am Ende, sondern nahe demselben an
der Seite sitzt. Da aber nach Wilde derartige Instrumente sich nicht blasen
lassen, nimmt man an, sie seien Sprachrohre (Wilde p. 628; Evans p. 360).
Die eigentlichen Mundstücke der Blasehörner fehlen übrigens häufig, —
. . Die meisten irischen Trompeten sind in Mooren oder in der Erde gefunden,
einige jedoch in einem Hügel zu Carrickfergus, allerdings, wie es heisst, ,in
die Erde gegraben*, so dass man zweifelhaft sein kann, ob es sich hier um Grab-
beigaben handelt (Wilde p. 623—24; Evans p. 958).
Aus Schottland kennt Evans nur das eine gegossene Exemplar Fig. 445,
von Caprington, Ayrshire, dessen Metall auf 90 pCt. Kupfer fast 10 Zinn enthält.
Er vergleicht es mit dem Meklenburger von Hofzumfelde, doch ist die Aehnlichkeit
mit diesem, übrigens auch an beiden Enden beschädigten und vielleicht unvollstän-
digen Exemplar nicht sehr gross.
. In England wurden 2 Trompeten gefunden: eine im Flusse Witham bei
Tattershall, Lincolnshire, aus 3 Stücken gehämmerter Bronze zusammengesetzt
und mit weissem Metall gelôthet; trotz der Zusammensetzung der Bronze (88 Kupfer,
12 Zinn) nach Kemble und Evans verhältnissmässig jung, der Zeit um die römische
Invasion angehôrig (Kemble Taf. 13, 2; Evans p. 363). In der That vergleicht
Rich, Wörterbuch, dieselbe sehr passend mit dem lituus auf einem römischen
Inschriftsteine des M. Julius Victor, über den unten S. 858 das Nähere. Seine Ab-
bildung und die gleiche bei Lübker, Reallexicon des class. Alterthums, 4. Aufl.,
(e 7,
Leipzig 1874, ist indess viel kleiner und wohl nicht so genau, wie die bei Kemble,
auch seine Längenangabe („etwas über 4 Fuss“) wahrscheinlich falsch (Kemble
Scheint der Zeichnung nach richtig 2 Fuss 4 Zoll = rund 70 cm anzugeben).
Kemble’s Zeichnung lässt als interessantes Detail an der Unterseite des geraden
Rohres einen vorspringenden Thierkopf erkennen und im Anschluss daran, sich
bis an den Schalltrichter hinziehend, einen eigenthümlichen vorspringenden Kamm
Oder eine Mähne, für die sich wohl aus anderen Darstellungen eine Erklärung
Schöpfen lässt (unten S. 859). Bezüglich des Thierkopfes sei auf die Fibeln der
Früh-Latönezeit hingewiesen (Lindens chmit, Heidn. Vorzeit I, 4, Taf. 3),
Namentlich aber macht mich Hr. Director Dr. Voss auf eine cylindrische weit ge-
Mppte Ciste aus einem Tumulus von Magny-Lambert, Cöte d’or, aufmerksam, mit
Gehängen, die durch ganz ebensolche vorspringende Thierköpfe verziert sind
(Chantre, Premier âge du fer, Nécropoles et Tumulus, Paris-Lyon 1880, PI. 45,
4; Fig. 3 ein ebensolches Gehänge).
Eine zweite Trompete, von Battle, Sussex, bildet ab: Francis Grose,
Ancient Armour and Weapons, London 1786, pl. XIII. Sie wurde gefunden beim
Brunnengraben, ist aus 3 Stücken gegossener Bronze (brass) zusammengesetzt, mit
Jur einem Tragring am mittleren. Im Schwung der Biegung ähnlich denen aus
Schonen (Antiq. Suéd. 178) und Langeland, wenngleich die Partie am Mundstück
erheblich weniger sich zurückbiegt; sonst auch zu vergleichen mit Hofzumfelde
Und Garlstorf.
Anhang.
Die S. 854 erwühnte bronzene Trompete von Hannover (Sammlung Blell,
Waffenkatalog Nr. 115) wurde angeblich um 1857 beim Bau der Eisenbahn
Hannover - Lüneburg, nahe der Stadt H. gefunden, von den Arbeitern zerbrochen
und durch den Buchhändler Hahn, der die 3 wesentlichsten Bruchstücke erwarb,
Unter Ergänzung wiederhergestell. Hahn verkaufte sie später an den Händler
Meyer am Zeughause in Berlin, von dem sie Hr. Blell 1875 erstand. Mit dieser
Trompete soll noch eine zweite an derselben Stelle gefunden sein. Die Richtig-
keit dieser Angaben durch Nachforschungen in Hannover zu bestätigen, gelang mir
Nicht, Dagegen erwies sich die weitere Mittheilung des Meyer, dass ein ähnliches
Horn in Köslin, Pommern, von einem Nachtwächter benutzt sei, als richtig. Es
Ist dies das von Noack veroffentlichte Horn, diese Verhandl. 1872, S. 217 mit
Abbildung. Hr. Blell giebt nun von seiner Trompete nachstehende Zeichnung und
Beschreibung:
Der Lituus ist in gerader Richtung gemessen 992 mm lang (d. h. jetzt, wo
der Schalltrichter durch Eindrücken einer Wandung etwas verkürzt ist). Quer-
durchmesser der Schallôffaung 107 mm, Lüngsdurchmesser ursprünglich 125 mm,
Gewicht 2kg 950g. Das Schallende, der mitilere und der obere Theil sind aus
"Othlicher Bronze, die Fassung des Mundstücks ist aus Blei gegossen. Die
Wandung ist am Schallende 4 mm stark, nach dem Rande zu 3 mm. Alle diese
Theile sind original; die beiden Mitteltheile @ und b mit je 2 ,Biinden® und je 1
beweglichen Tragringe waren dagegen abhanden gekommen und sollen gleich
Bach der Auffindung der Originaltheile ergänzt sein, — wie der Augenschein zeigt,
ps Messing. Die Ergänzung wird nach einer Beschreibung der abhanden ge-
ommenen Theile oder nach dem zweiten, mit dem vorliegenden Lituus zusammen
Sefundenen Exemplare ausgeführt sein.
m Offenbar ist der vorliegende Lituus sehr lange im Gebrauch gewesen und durch
dass on auf die Erde das untere Ende der Schallóffnung so dünn abgeschliffen,
adurch der Rand einen 3 cm langen Bruch erlitten hat, wodurch wiederum
LAD
(858)
die so entstandenen Lappen sich dermaassen eingebogen haben, dass die Schall-
öffnung die in Fig. c mit voller Lige angegebene jetzige Form erhalten hat
während die punktirte Linie die ursprüngliche Form erkennen lässt. Darnach
besteht dieselbe aus zwei sich schneidenden Kreisabschnitten. Im Anschluss 2n
diese Form bilden die beiden Seitenflüchen längs der inneren und üusseren Biegung
des Lituus zwei, bis zum obersten Theile reichende und daselbsi in die Rundung
des eigentlichen, mit Blei gefassien Mundstücks auslaufende Grate, so dass
das Rohr an jeder Stelle einen dem Schallstück ühnlichen Querdurchschnitt zeigt
Nur bei den ergünzten Theilen « und ^ ist diese Eigenthümlichkeit übersehen
worden und sind sie schon daraus als Ergänzung kenntlich. — Fig. d zeigt den
oberen Theil des Lituus in natürlicher Grüsse. Darnach hat man sich also das
Mundstück in seinem Kern aus Bronzeguss, und zwar mit dem Róhrentheil aus
einem Stück zu denken, nur dass es da, wo es beginnt, etwas „abgesetzt“ ist, be-
hufs Aufnahme der Umbleiung. Zur besseren Befestigung dieser letzteren scheint
der äusserste Bronzerand etwas umgelegt zu sein. — Soweit Hr. Blell. Seiner
Fieur 4
Deutung ,lituus^, sofern sie sich auf die Form erstreckt, wird man zustimmen
müssen. Scheiden wir unter den rómischen Blaseinstrumenten bei unserer Be-
irachtung die ,bucina^ aus, welche mehr durch ihre schneckenfürmige Windung,
als durch eine Krümmung der Lüngsaxe charakterisirt erscheint, so war jedenfalls
,Cornu* das am meisten, selbst bis nahe zum vollen Kreise gekrümmte, Eine der
ültesten bildlichen Darstellungen desselben dürfte sich auf dem Deckel einer
bronzenen Urne, gefunden 1883 zu Capua, befinden (Berliner Antiquarium 7872),
die dem 6. Jahrh. v. Chr. angehórt und in plastischer Wiedergabe einen Cornubläser
inmitten dreier Pferde zeigt. Das Horn bildet hier reichlich einen Halbkreis. —
Nüchst dem ,cornu* küme der ,lituus^ und schliesslich die gerade ,tuba*.
Beweisend für die Form des Lituus ist die Abbildung auf einem in Rom ge-
fundenen Steine, der zugleich ein Horn (cornu) zeigte und die Inschrift trug:
M. Iulius Victor ex collegio liticinum cornicinum; Casp. Bartholinus, De tibiis
veterum, Romae 1677, p. 228 u. tab. III, fig. 4. Die Abbildung ist sehr klein, aber
Fabretti, Columna Traiani, 2. Aufl, Rom 1690, p. 204, und nach ihm Montfaucon,
E =
L’antiquité expliquée, Tome 4, Paris 1719, Taf. 35, 8 zu p. 96 geben eine grössere
Zeichnung, vermuthlich von Fabretti nach dem Original angefertigt und ziemlich
Zuverlässig. (Vergl. auch Weiss, Kostümkunde I, Fig. 392 c). Der Stein ist jetzt
Verloren und die Inschrift fehlt im Corpus inseript. latin.; Mommsen hält aber
das Relief für unzweifelhaft ächt (Römisches Staatsrecht III, 1, Leipzig 1887,
P. 287, Anm. 3). Dieser Lituus ist fast in seinem ganzen Verlauf gerade und
dünn, erst unmittelbar vor der Schallóffnung erweitert er sich und biegt dann,
Wenigstens nach Fabretti’s Zeichnung, soweit um, dass man allenfalls von der
Bildung eines kurzen Hakens sprechen kann. Hiernach würde, wenn der Lituus
öfters ausdrücklich als gekrümmt bezeichnet wird, dies wohl nur im Gegensatz zur
Sanz geraden Tuba geschehen sein können. Indess mag er bisweilen, wenigstens
am Ende mehr gekrümmt gewesen sein, als die Abbildung auf jenem Stein
9$ zeigte, Unter den über den Lituus handelnden, mir bekannten Stellen alter
Schriftsteller käme allerdings nur in Betracht L. Annaeus Seneca, Oedipus 732—34
(ed. F, Leo, Berlin 1879), wo dem ,reflexo cornu* der lituus ,adunco aere“
(uncus = Haken) gegenübergestellt wird. Fragliche Form der Blasinstrumente soll
aber eine etrurische Erfindung sein und auch der etrurische Augurenstab wurde
bekanntlich „Jituus‘“ benannt. Rich, Illustr. Wörterbuch, sagt darüber: „ein kurzer
Stock, dessen Ende wie ein Bischofsstab gebogen war, als dessen Vorbild man den
lituus ansieht. Er verdankt seinen Namen einer gewissen Aehnlichkeit mit
dem militärischen Instrument; allein auf Kunstwerken ist das Ende des Auguren-
Stabes nicht bloss leicht gekrümmt, wie der Lituus, sondern ist immer in der Form
einer Spirale gewunden* (Vergl. Weiss, Kostümk. L, Fig. 408). Es kann also
Vielleicht auch. die Trompete ursprünglich am Ende stärker gekrümmt gewesen
Sein. Ob übrigens der Krummstab des Augur nach der Trompete benannt ist,
oder umgekehrt, erscheint ganz ungewiss; was Aulus Gellius (2. saec. p. Ohr),
Noctium Atticarum lib. V, 8, diesbezüglich sagt, ist werthlos. —
Ein wenig deutlicher hakenformig ist ein Blasehorn unter den Waffen des von
einem Romer niedergeworfenen Feindes auf einer getriebenen Silberplatte (Stück
eines Cohortenzeichens) aus dem rômischen Castell von Niederbiber (W.Dorow,
Römische Alterthümer in und um Neuwied am Rhein, Berlin 1827, Taf. 15 zu
8. 67 = Lindenschmit, Heidn. Vorzeit I, 7, Taf. 5, 1). — Vollends zum Haken
gebogen ist cine Trompete von Vulei (jetzt in Rom), Musei eirusci Gregoriani
monimenta I, Vatican 1842, Taf. 21, 8, die Dennis, The cities and cemeteries of
Etruria, revised ed., vol. II, London 1878, p. 416 ebenfalls abbildet und zu der er
bemerkt: ,ein Lituus, das einzige Exemplar dieses Instruments, das gesehen zu
haben ich mich erinnere, obgleich es specifisch eiruskisch war; es ist ungeführ
4 Fuss lang^. Des weiteren das hóchst merkwürdige Geräth bei Weiss, Kostümk. 1
Fig. 149 h, daselbst als Trompete der Sarmaten in Ungarn u. s. w. aufgefasst. Ziwar
Wird es bei Hope, Costume of the ancients, vol. I, London 1841, maf. 17, 5 als
dacische Standarte bezeichnet, aber Weiss’ Deutung „Trompete“ ist gewiss
richtig. Die Zeichnung ist nehmlich offenbar nach den Darstellungen auf der
Traj ans-Süule in Rom angefertigt, wo am Sockel unter den. Trophaeen neben
den bekannten Drachenstandarten viele solche Trompeten mit verschiedenen Graden
der Rückbiegung vorkommen (P. S. Bartoli, Colonna Traiana, 2 Tafeln ,iWofei*
ohne Nummer; vergl. auch Taf. 119, trofei di Traiano, aber nicht an der Säule).
Bartoli sieht hierin Darstellungen dacis cher Waffen. Der Haken hat hier die
Gestalt eines Thieres angenommen, dessen Rücken, die Aussenkante der Krümmung
bildend, meist mit einer Art Mähne besetzt ist, durch welche auch das oben er-
Wühnte ornamentale Beiwerk am Lituus von Tattershall, England, z. Th. erklürt
(859)
SG
wird. In einen Thierkopf, dessen geöffneter Rachen die Schallmündung bildet,
endigen auch viele Trompeten auf dem Triumphbogen von Orange, dem alten
Arausio (Montfaucon, Tome IV, 1, Paris 1719, pl. 108 zu p.169). Montfaucon
sagt dazu zwar ebenfalls »dragons qui servaient pour enseignes militaires“ und
Details sind leider nicht sichtbar, aber dass es sich hier um Trompeten, öfters
mit ziemlich stark gebogenem Rohr, handelt, ist meines Erachtens nicht zweifelhaft.
Diese Auffassung wird aber vollends bestätigt durch die Darstellung auf einer der
Platten jenes hochinteressanten silbernen Gefässes, das, vor Kurzem erst aufgefunden,
sich im Museum zu Kopenhagen befindet und demnächst in Nordiske Fortidsminder II
publicirt werden soll. Hier werden mehrere Trompeten mit weitgeöffnetem Maul
und mit Mähne geblasen. Für die Deutung jenes sarmatischen oder dacischen
Stückes als „Trompete“ spricht auch der dem Maule des Thieres angefügte
trichterfürmige Ansatz, welcher offenbar den eigentlichen Schalltrichter bildet.
Endlich sei hingewiesen auf die Stierkopftrompete am Relief von Pergamon (Alter-
thiimer v. P., von Bohn und Hans Droysen, Bd. II, Berlin 1885, Taf. 46, 2).
Droysen sagt darüber S. 113: „Von dem geöffneten Maule, als einem Schallloch
ausgehend, könnte man das Ganze für eine Trompete ansehen. ... Das Original,
das unserem Relief zu Grunde liegt, war wohl aus Metall, hohl gegossen oder
getrieben.“
Dem Blell’schen Exemplar am nächsten kommt die Trompete von Tatters-
hall (S. 856), insofern bei ihr der Schalltrichter am wenigsten sich zurückbiegt.
Der Lituus gilt als Trompete der Reiter; sofern indess dieser Auffassung
die angebliche Stelle bei Pomponius Porphyrio, ad Hor. Od. I, 1, 23 (3. saec.
p. Chr) zu Grunde liegen sollte, würde darauf kein Gewicht zu legen sein; denn
Hr. Prof. E. Hübner belehrt mich, dass diese Stelle apokryph und deswegen in
den neueren Ausgaben dieses Schriftstellers forigelassen sei.
Das Horn von Kóslin, jetzt in Verwahrung des Magistrats daselbst, liegt
mir durch die Güte des Bürgermeisters, Hrn. Sachse, in neuer Zeichnung mit
Erläuterungen vor. Danach sind entschieden mehrere Theile desselben ganz
modern, so das Ende des Schalltrichters (bei Noack a-d), mindestens ein Theil
des graden Rohres und wohl auch das Mundstück. Andere Theile des. Rohres
und der Beginn des Schalltrichters (bei Noack c-c) können dagegen alt sein,
und wenn man annimmt, dass dieser alte Theil des Schalltrichters früher das
Ende des. Horns überhaupt bildete, so tritt die Uebereinstimmung mit dem
Blell’schen Horn deutlich hervor. Auch ist es, wie dieses, gegossen, sein
Gewicht im jetzigen Zustand knapp 2,70 kg, die Wandstärke bei c-c etwa 4 mm.
(Hiernach sind die Angaben Noacks, Gewicht. gegen 5 kg, Wandstärke 14 mm,
zu verbessern). Jeizige Lünge 89 cm. — Nach einem alten Bericht, den Noack
wiedergiebt, soll es, mindestens schon im 17. Jahrhundert, in einem „Hünenberg“
bei Köslin gefunden sein, der auch ein Schwert des späten Mittelalters lieferte.
Nach Hrn. Sachse wäre der Gollenberg der Fundort. —
Auffallend bleibt mir an dem Blell'schen Lituus, dass er gegossen ist; sein
grosses Gewicht erschwert Handhabung sowohl, wie Blasen, obgleich ihm durch
einen Sachkundigen, wie den Königl. Sammlungsaufseher, Hrn. Golm, ganz an-
nehmbare Töne entlockt werden können und die dänischen Lurer zum Theil noch
schwerer sind. — Da das angebliche hannoversche Instrument so ganz aus dem
Rahmen der sonst aus Deutschland bekannten alien Trompeten heraustritt und dem
Händler Meyer das Küsliner Horn bekannt war, so künnte man an eine Nach-
bildung des letzteren denken. Indess ergiebt die Betrachtung des Blell'schen
Instrumentes für sich allein hierfür keinen Anhalt und das Küsliner habe ich im
760)
(861)
Original noch nicht gesehen. Erwiinscht aber wire eine Analyse der Bronzen
beider Hörner, um festzustellen, ob sie vielleicht doch in die Bronzezeit hinauf-
Teichen; auch das weissliche Metall des Mundstücks an Blell’s Exemplar verdient
ême Untersuchung. —
(30) Hr. Architekt Max J unghaendel, welcher im Auftrage des deutschen
Palästina-Vereins im folgenden Jahre nach Syrien gehen wird, spricht, unter Vor-
lage von Original-Photographien, über
Rillen an aegyptischen Tempeln.
. Nach den Beobachtungen des Hrn. Junghaendel kommen die Rillen haupt-
Sichlich an den Eingängen zu denjenigen Tempelräumen vor, die nachweislich
vom frühen Mittelalter ab den Christen als Culträume dienten, Fast jeder grössere
Tempel hat solche Räume aufzuweisen. Die aegyptischen Rillen übertreffen an
Grösse und Häufigkeit die an den nordischen Kirchenbauten vorhandenen. Es
finden sich solche bis zu 5 cm Tiefe und 40 cm Länge. Sie sind augenscheinlich
Nicht durch Wetzen und Schlagen mit scharfen Instrumenten, Sehwertern u. dergl.
entstanden. Ihre wenig scharfen Contouren deuten eher auf ein, durch lange Zeit
an einer und derselben Stelle fortgesetztes Reiben, Schaben (Fummeln) mit ge-
F'undeten Gegenständen, Steinen und dergl. hin. Bemerkenswerth ist das zahl-
Teichere Auftreten der Rillen auf der rechten Seite der Eingänge. Von besonderer
Wichtigkeit erscheint ihr Vorkommen unterhalb griechischer Kreuze, wie es in
den Thoren des ersten und des zweiten Pylons des Isistempels zu Philae nachzu-
Figur 1.
Weisen ist. Des Weiteren kann beobachtet werden, dass oberhalb der Stellen,
vo Rillen in besonderer Häufigkeit auftreten (z. B. im Tempel zu Edfu) sich zu-
Dost auch viereckige Locher finden, in denen allem Anschein nach, ehemals
übel zur Befestigung geheiligter Gegenstände, Darstellungen u. s. W. eingelassen
Waren. Das gemeinsame Auftreten von Kreuzen und Rillen lässt die letzteren
rem Ursprunge nach nicht als das Produkt müssiger Spielerei erscheinen, wie
ze anzunehmen geneigt sind. Im Gegentheil, es legt den Gedanken an einen
pi menhang der Rillen mit einer kirchlichen Ceremonie ausserordentlich nahe.
le Bedeutung dieser Ceremonie ist vorläufig noch nicht klar erkennbar. Dass
C 7
es sich hierbei um eine Ceremonie handelt, deren Ursprung in die vorchristliche
Zeit zurückreicht, kónnte cine Rille beweisen, die sich auf der 12. Süule (v0?
Süden gerechnet) des westlichen Porticus am Dromos des Isistempels zu Philae vor
findet. Die Inschriften auf dieser Säule ber
ziehen sich auf Kaiser Tiberius, welcher m
der üblichen hieratischen Stellung der Götlin
Anouqit zwei Schalen mit Bier (hqr) dar
bringt. Unterhalb der vorgestreckten Arme des
Kaisers befinden sich zwei Hieroglyphenreihen,
von welchen die rechte, (nach der Aufnahme
von George Bénédite) in ihrem mittleren Theil
sich in der wohlausgebildeten, etwa 2 cm ticfen
Rille foriseizi. Jedenfalls muss also die Rille
vor Anbringung der Inschrift, mithin in vor-
liberischer Zeit entstanden sein. :
Im Anschluss hieran stellt der Voriragende
folgende Hypothese auf: Die Rillen verdanken
ihre Entstehung vielleicht einer ähnlichen Cere-
monie, wie die noch heute in der griechisch-
und rómisch-katholisehen Kirche bestehende
Feiung und Weihung durch das Weihwasser-
besprengen. Diese letztere Ceremonie wurde
bereits bei den Aegyptern, Assyrern, Indern,
CL a Persern, Juden, Griechen und Römern geübt.
/ Figur 9, In frühchristlicher Zeit wurden die Kirchen-
besucher beim Eintritt vom Priester mit Weih-
wasser besprengt; vom 9. Jahrhundert ab tritt der Gebrauch des Sichselbst-
besprengens hervor. Das durch die Geistlichkeit feierlich geweihte Wasser be-
findet sich an den Eingängen in eingemauerten oder freistehenden Becken, in
welche die Eintretenden und Weggehenden die Weihwedel (aspergillum), später
nur die Finger eintauchen, um sich dann in Kreuzesform zu besprengen. Seit
frühester, auch in vorchristlicher Zeit, wird das Weihwasser durch einen Zusatz
von Salz (salis conspersio) in seiner Reinigungs- und Heilskraft erhöht.
Es fragt sich nun, ob dem, durch das Reiben der Rillen gewonnenen Pulver
eine ähnliche Bedeutung zugeschrieben wurde. Diese Frage ist nicht ohne Weiteres
abzuweisen, da noch heute und nicht bloss im Orient Gebräuche beobachtet
werden können, die zweifellos diese Bedeutung bestätigen. In der Kaläun-Moschee
in Cairo werden an Donnerstagen, namentlich Nachmittags, häufig Frauen an-
getroffen, die in einer Nische, seitlich vom Grabe des Khalifen, auf einem grossen,
dunklen, jedenfalls eisenhaltigen Steine grüne Citronen auspressen und dann mit
einem kleinen Steine so lange in der Saftlache reiben, bis durch das gewonnene
mineralische Pulver die Flüssigkeit sich mennigroth färbt. Diese lassen sie
dann von ihren, noch nicht des Sprechens kundigen Kindern aufsaugen, um ihnen
„die Zunge zu lösen“, was wohl mehr durch den bitteren Geschmack des Saftes
in ausgiebigster Weise erreicht wird; denn die Kinder schreien gewöhnlich zur
Freude ihrer Mütter aus vollem Halse. In verschiedenen Moscheen werden den
dunklen Sáulen der Kiblen (Gebetsnischen) ühnliche Heilswirkungen zugeschrieben.
Diejenigen in der Kaláun-Moschee sollen, in einer der vorbeschriebenen ühnlichen
Weise behandelt, jungen Frauen die ersehnte männliche Nachkommenschaft sichern.
Die Sáulen der Kiblen sind daher in ihren mittleren und unteren Theilen meist
362
(863)
8latt gerieben. In der Moschee von Cordoba befindet sich nahe dem Eingange
8leichfalls eine schwarze Säule, die ob ihrer geheimnissvollen Kräfte von je be-
Sondere Verehrung genoss. Noch jetzt wird an dieser Säule gerieben, die in Folge
dessen mit rillenartigen Vertiefungen überdeckt ist. Ferner kann man in Ober-
Aegypten des Oefteren noch Eingeborene beobachten, die an den Tempeln von
Neuem Rillen reiben, um Pulver zu gewinnen, das in ihrer Quacksalberei eine
Brosse Rolle spielt, und zwar von Alters her, wie Mr. Bouriant auf Grund einer
von ihm aufgefundenen alt-koptischen Medicin- Vorschrift versicherte. Der Vor-
tragende schliesst seine Mittheilungen mit dem Wunsche, dass es der Anthrop. Ges.
Selingen môge, die von ihr angeregie ,Rillen*-Frage zu einer endgülügen Lósung
Zu bringen. -—
Hr. Virchow verweist auf seine Mittheilungen über Rillen und Näpfchen
9^ alt-àgyptischen Bauwerken (Verhandl. 1888, S. 214, Fig. 1 und 2), in denen
€ sich für eine Entstehung derselben in christlicher Zeit ausgesprochen hat.
Indess hat er auch ein Beispiel von Rillen am Tempel von Edfu beigebracht,
Welches anscheinend älter ist, und Hr. W. Reiss (Verhandl. 1889, 8. 701) hat
?Inen Steinblock mit Näpfchen in der Pyramide von Meidum entdeckt, der wohl
Nicht anders gedeutet werden kann, als dass die Näpfchen schon vor oder
Wenigstens bei Errichtung der Pyramide eingerieben sind. Was übrigens die
Grösse der Rillen anbetrifft, so lassen manche deutsche Kirchen in dieser Be-
Ziehung nichts zu wünschen (vergl. Verhandl. 1883, S. 209); ein vorzügliches Bei-
Spiel liefert die Kirche von Hagenau im Elsass. —
(31) Eingegangene Schriften.
l. Plath, J. H., Die Vôlker der Mandschurey. Gôttingen 1830, 2 Thle. i. 1 Bde.
2. v. Prschewalski, N, Reisen in der Mongolei, im Gebiet der Tanguien und
den Wiisten Nordtibets in den Jahren 1870/73. IL Aufl. Jena 1881.
3. Derselbe, Reisen in Tibet und am oberen Lauf des gelben Flusses in den
Jahren 1879/80. Jena 1884.
4. Puchstein, O., Bericht über eine Reise in Kurdistan. Berlin 1882. (Akademie).
b. Radde, G., Die Chewsuren und ihr Land. Cassel 1878.
6. Ramon de la Sagra, Histoire physique, politique et naturelle de l'ile de
Cuba. Trad. par S. Berthelot. Paris 1843, 2 vols u. Atlas in fol.
^. Rathgeber, G., Grossgriechenland und Pythagoras. Gotha 1866. 4°.
8. Reichardt, C., Landeskunde von Skythien nach Herodot. Halle a. S.
1889. (Diss.).
9. Robin, C. C, Reisen nach dem Innern von Louisiana, dem westlichen
Florida und auf die Inseln Martinique und St. Domingo in den Jahren
1802/6. A. d. Franz. von K. L. M. Müller. Wien 1811. 2 Thle. in
1 Bd.
10. Rohlf s, Gerh, Kufra. Reife von Tripolis nach der Oase Kufra. Leipzig 1881.
ll. Rosko schny, Herm., Afghanistan und seine Nachbarländer. Leipzig, o. J.
. 2 Bde. 4°.
12, Rüppell, Ed., Reisen in Nubien, Kordofan und dem peträischen Arabien.
13 Frankfurt a. M. 1829.
. Sayce, A. H., Assyria, its princes, priests and people. London 1889.
M Derselbe, The Hittites. The story of a forgotten empire. II ed. London 1890.
: Sehulze, G., u. Friedr. Baade, Heimathskunde des Kreises Ruppin. Neu-
Ruppin 1890.
(864)
16. v. Schweiger-Lerchenfeld, Amand., Unter dem Halbmonde. Ein Bild des
ottomanischen Reiches u. s. Vólker. Jena 1876. — Armenien. Ein Bild
seiner Natur u, seiner Bewohner. Jena 1878.
17. Shaw, Th., Reisen oder Anmerkungen, verschiedene Theile der Barbarey und
der Levante betreffend. Leipzig 1765. 4°
18. Spiess, Gust., Die Preussische Expedition nach Ostasien während der Jahre
1860—1862. Reise-Skizzen aus Japan, China, Siam und der indischen
Inselwelt. Leipzig 1864.
19. Squier, E. G., Aboriginal monuments of the state of New-York. Comprising
the results of original surveys and explorations. (Washington 1851, 4°.
Exir. Smiths. Contr.).
20. Stoll, O., Guatemala, Reisen und Schilderungen aus den Jahren 1878—1882-
Leipzig 1886.
21. Stübel, Alf., Carta sobre sus viajes a las montañas Chimborazo, Altar eic.
y en especial sobre sus ascensiones al Tunguragua y Cotopaxi. Quito 1873-
22. Thomson, Jos., Expedition nach den Seen von Central-Africa i. d. Jahren
1878—80. II. Aufl. Jena 1886.
23. Derselbe, Mungo Park and the Niger. London 1890.
24. Thurneisser, Leonh., eÿmooadm\woic, das ist ein gnügsame uberflussig und
ausfierliche erklerunge oder erleuterunge und verstandt der Archidoxen,
darin mancherley dieffsinniger explicationes und eräôffnungen vieler streit-
tiger sachen von Güttern, Englen, Teuffeln, Menschen, Tieren, Caracteren,
Siglen, Zaubreyen, Gespensten, Kreutteren, Metallen, Mineren und Ge-
steinen eröffnet. Berlin 1575. Fol.
25. Derselbe, Archidoxa, dorin der recht war Motus, Lauff und Gang, auch heim-
ligkeit, Wirckung und Krafft der Planeten, Gstirns und gantzen Firmaments
Mutierung und ausziechung aller Subtiliteten und das Fünffte wesen auss
den Metallen u. s. w. Berlin 1575. Fol.
26. Derselbe, Historia sive descriptio plantarum omnium tam domesticarum quan
exoticarum etc. Berlin 1578. Fol.
21. Voyage d'exploration d'un missionnaire dominicain chez les tribus sauvages
de l'Équateur. Avec une préface du T. R. P. Magalli. Paris 1889.
28. Wappäus, J., E., Untersuchungen über die geographischen Entdeckungen der
Portugiesen unter Heinrich dem Seefahrer. Ein Beitrag zur Geschichte
des Seehandels und. der Geographie im Mittelalter. l. Th. Góttingen 1842.
29. Wood, J. T., Modern discoveries on the site of ancient Ephesus. London 1890.
30. Zolling, Th., Alexanders des Grossen Feldzug in Central-Asien, II. Aufl.
Leipzig 1875.
Nr. 1—30 Gesch. d. Hrn. C. Künne.
Berichtigungen.
Seite 160, Zeile 15 von unten recht statt nicht.
» 161, , 17 hineingerieben statt hineingetrieben.
» 161, , 24 G. M. statt G. U.
Figur a ist durch ein Versehen umgekehrt worden. Was links unten ist, sollte
rechts oben sein.
Sitzung vom 19. December 1891.
Vorsitzender Hr. Virchow.
(1) Am 5. December hat ein schneller Tod unser langjühriges Ehren-Mitglied,
Dom Pedro IL. d'Alcantara, früheren Kaiser von Brasilien, im Exil zu Paris
dahingerafft. Mehrere von ums haben ihn noch bei dem letzten Amerikanisten-
Congress als Präsidenten begrüsst und als solchen thätig in die Verhandlungen
greifen gesehen. Schon 1831, in Folge einer Revolution und des Verzichtes
Selnes Vaters Dom Pedro IL, in frühester Jugend (er war geboren zu Rio de
Janeiro am 2. December 1825), zur Regierug gelangt, hat er viele Jahre hindurch
das Staatsschiff mit Sicherheit und pflichigetreuer Hingebung zu lenken gewusst.
Unsere; Gesellschaft gehörte er seit dem 19. Juni 1875 an. Nachdem er seine
Beziehungen zu derselben durch ein hóchst wohlwollendes Handschreiben vom
15, März desselben Jahres und durch ein reiches Geschenk anthropologischer
Gegenstände eröffnet hatte (Verhandl. 1875, S. 116), beehrte er uns in einer ausser-
Ordentlichen Sitzung am 7. April 1877 (Verhandl. S. 143) persönlich mit seinem
Besuche. Seitdem hat er uns wiederholt seine Anerkennung zu erkennen gegeben,
Ihsbesondere unseren reisenden Mitgliedern stets bereitwillige Hülfe gewährt.
Unsere Sympathien sind ihm geblieben, als eine neue Revolution auch ihn
(16, November 1889) des Thrones beraubte und er genothigt war, die bitteren
Tage der Verbannung zu kosten. Die Gesellschaft wird ihn, den hochsinnigen
F Orderer der Lünder- und Volkerkunde America’s, welcher die abendländischen
Cultarbestrebungen in seinem halbwilden Lande einzuführen und zu pflegen be-
Strebt war, in dankbarer Erinnerung behalten. —
(2) Am 11. d. M. ist unser bestündiges Mitglied und einer der Stifter unserer
a selischaft, Julius Wilh. Ewald, 81 Jahre alt, gestorben. Seine Verdienste um
le geologische Erforschung des norddeutschen Bodens werden unvergessen bleiben.
_ Wenige Tage nachher, am 14. December, verloren wir einen anderen der be-
Br testen Geologen, Ferdinand Römer in Breslau, 73 Jahre alt, am Herzschlage.
"d unseren Bestrebungen durch seine treff lichen Untersuchungen der Knochen-
len im Quellgebiete der Weichsel besonders nahe getreten.
a Am 92. December starb ein altes und treues Mitglied der Gesellschaft,
ul Liman, Geh. Med.- Rath und Professor der gerichilichen Medicin an
dd Universität, gleichfalls 73 Jahre alt, der noch vor Kurzem unsere Sitzungen
Esucht hatte.
81 , Das correspondirende Mitglied, Paul Hunfalvy ist am 30. November,
MT ATO alt, plôtzlich in Budapest dahingeschieden, nachdem er noch am Tage
seh a in der ungarischen Akademie die festliche Feier seiner 20jührigen Mitglied-
alt in scheinbar voller Frische erlebt hatte.
Verhandl, der Berl. Anthropol, Gesellschaft 1891.
55
(866)
(8) Vorstand und Ausschuss haben als correspondirendes Mitglied gewählt
Hrn. Jimenez de la Espada zu Madrid. —
(4) Der Ober-Kammerherr Baron v. Alten wird am nüchsten 8. Januar seine?
70. Geburtstag begehen. Vorstand und Ausschuss glauben die sympathischen Ge
fühle der Gesellschaft für den erprobten Archäologen dadurch ausdrücken ZW
sollen, dass sie ihm die Ehren-Mitgliedschaft antragen. —
(5) Der Vorsitzende erstattet den
Verwaltungsbericht für das Jahr 1891.
Wie das Jahr 1890, so hat auch das eben zu Ende gehende Jahr einen grosse?
Wechsel in dem Personalbestande unserer Gesellschaft gebracht. Der Tod hat
reiche Lese gehalten: mehr und mehr lichten sich die Reihen derjenigen Generation
welche die Gesellschaft gegründet und gross gemacht hat. Von den 14 Unter
zeichnern des Aufrufes vom 28. October 1869, welcher die Einladung zu der Com
sütuirung der Gesellschaft enthielt (Verhandl. 1889, S. 649), sind nur noch 7 am
Leben; von ihnen gehóren noch 5 (Virchow, Weizstein, Hartmann, Beyricb
und Bastian) zu unseren Mitgliedern. Indess jedes neue Jahr führt uns neue
Mitarbeiter zu und der Geist der Gesellschaft erhält sich in stetiger, immer weiter
ausgreifender Thiitigkeit.
Von den 6 Ehrenmitgliedern, deren wir uns vor einem Jahre erfreutens
sind die beiden, welche am längsten der Gesellschaft angehürten, dahingeschieden:
Heinrich Schliemann und Dom Pedro IL d'Alcantara. Als der letzte Ver
waltungsbericht erstattet wurde, konnte noch ein mit freudigen Hoffnungen erfüllte!
Brief Schliemann's erwühnt werden, geschrieben in Paris, auf der Rückreise von
der schweren Operation, der er sich in Halle unterzogen hatte. Wenige Tage
darauf brachte schon: der Telegraph aus Neapel die erschütternde Nachricht seines
trübseligen Todes. Welche sonderbare Fügung hatte die beiden Männer, deren
äusserer Lebensgang so grundverschieden war, zusammengeführt! Als Dom Pedro
seine erste grosse europäische Reise ausführte, trieb es ihn vor Allem nach
Hissarlik, um den grossen Forscher an der Stätte seines Wirkens zu sehen und
unter seiner Leitung die Trümmer der alten Veste kennen zu lernen. Der Ruhm
des homerischen Ilios begeisterte den amerikanischen Kaiser nicht minder, wie den
meklenburgischen Pfarrerssohn. Aber, wie verschieden urtheilen schon die Zeit
genossen über die Beiden! Der Kaiser ist nach einer 60jührigen milden und vom
edelsten Geiste erfüllen Regierung in schnüdem Undank verstossen worden, aber
der Stern unseres Landsmannes, der den reichen Gewinn einer langen sorgenvollen
kaufmännischen Thätigkeit in uneigennützigster Weise in den Dienst der Wissen-
schaft gestellt hatte, hebt sich höher und reiner hervor, um niemals wieder zu er-
löschen. Wir haben seinen Lebensgang und seine Siege in einer grossen Festfeier
entrollt, und die Stadt Berlin ist eben damit beschäftigt, die Marmorbüste ihres
einstmaligen Ehrenbürgers in ihrem Rathhause zur Aufstellung zu bringen. Unsere
Gesellschaft aber, der er in einem reichen Legat den Dank für ihre friihzeitige
Anerkennung und ihr treues Festhalten ausgesprochen hat, wird es als ihre heilige
Pflicht erachten, in seinen Wegen weiter zu arbeiten.
Die neuen Wahlen haben die Reihe unserer Ehrenmitglieder wieder auf die
alie Zahl ergänzt. Fräulein Johanna Mestorf, jetzt Direktor der Alterthum®-
sammlung in Kiel, unter den lebenden Frauen diejenige, welche durch active
Leistungen am meisten zu dem Fortschritte der prähistorischen Archäologie ber
A
(867)
Setragen hat, wird hoffentlich noch lange in der wichtigen Stellung, welche sie zur
Ehre ihres Geschlechts errungen hat, die Bande der Freundschaft, welche uns
Mit ihr verknüpfen, durch treue Mitarbeit festigen. Ihr ist so eben in Baron
*. Alten, dem unermüdlichen Erforscher des oldenburgischen Landes und des
davor gelegenen Wattenmeeres, eine verwandte Kraft an die Seite gestellt worden.
Correspondirende Mitglieder zählten wir am Schlusse des letzten Jahres
112, Wir haben den grossen Schmerz gehabt, von ihnen 4 zu verlieren: Rich.
Schomburgk (Adelaide), Wilken (Leiden), Kopernicki (Krakau) und Hunfalvy
(Budapest). Dafür sind neu erwühlt worden die Herren Petiafiel (Mexico), Brizio
(Bologna), Sergi und Zampa (Rom), Espada (Madrid). Mögen sie viele Jahre
'h früchtbarem Verkehr mit der Gesellschaft bleiben! Von den nunmehr 113 Cor-
Yespondenten hat ein grosser Theil uns auch im verflossenen Jahr in gewohnter
Weise durch wichtige Mittheilungen in unserem Wissen gefordert. Mit besonderer
Anerkennung gedenke ich heute unscres ireuen, leider schwer kranken Freundes
Ingvald Undset (Christiania), der HHrn. Hirth (Formosa), Marchesetti (Triest),
Orsi (Syracus), v. Fellenberg (Bern), Heierli (Zürich), Ornstein (Athen),
Baron p. Müller (Melbourne), P hilippi (Santiago), v. Ihering (Rio Grande do Sul).
Die Liste unserer ordentlichen Mitglieder umfasste am Schlusse . des
Jahres 1890 572, einschliesslich 4 lebenslängliche. Von den letzteren ist Hr.
Sokoloski, der nach langen Arbeiten in Peru in seine Heimath Wreschen zurück-
Bekehrt war, gestorben; dafür ist neu hinzugetreten Hr. Corning (Morillon bei
Genf). Von den zahlenden Mitgliedern haben wir 13 verloren: die HHrn.
Budezies, Bujack, Ewald, Goltdammer, G. Hahn, Lilienfeld, Liman,
Louis Mayer, Louis Müller, Niendorff, Quedenfeldt, Raschkow und den
"el beklagten und schwer vermissten Tischler. Ausgetreten sind 17, in die
Zahl der lebenslänglichen übergetreten 1, neu aufgenommen 28, so dass wir im
Augenblick 566 zahlende und 4 lebenslängliche, im Ganzen 570 Mitglieder be-
Sitzen, 2 weniger als im Vorjahre.
Auch aus den Kreisen der sonstigen Mitarbeiter, die der Gesellschaft nicht
Unmittelbar angehörten, haben wir traurige Verluste zu melden: Handelmann
(Kiel), Escher-Züblin (Zürich), Römer (Breslau), Dieffenbach (Friedeberg
L Weit.), Schwatka (Nord-America), Reinwald (Paris).
In unseren eigenen Reihen hat die Zähigkeit der älteren Generation uns eine
Anzahl von Jubiläen gebracht, bei denen die Träger am meisten desshalb be-
Slückwünscht werden konnten, weil das Alter ihnen nicht die Arbeitskraft geraubt
hat. Die HHrn. Beyrich, W. Schwartz und Hauchecorne sehen wir als
Wahre Muster unverwüstlicher Thätigkeit vor uns. Mir selbst hat die Gesellschaft
Me besondere Ehrenstellung zugesprochen , welche anzunehmen mir um so
Schwerer geworden ist, als ich es vorgezogen hätte, als einfacher Arbeiter unter
den Collegen im Dienst zu bleiben. Aber ich müsste ganz unempfindlich geworden
i wenn ich so viel Freundschaft nicht mit warmem Herzen aufgenommen. hätte.
leleicht wird es mir vergónnt sein, auch als Ehrenpräsident meine Pflicht in ge-
Vohnter Weise zu üben und meinen Dank durch erneuten Eifer zu beweisen.
h Wenn ich jetzt, nachdem ich wiederum drei Jahre lang die Geschäfte geleitet
pave, nach unserer statutenmissigen Vorschrift von dem Vorsitze zuriicktrete, so
abe ich die grosse Genugthuung, diese Stellung in einem Augenblick in frische
Hände zu geben, wo wir eines der fleissigsten und erfolgreichsten Arbeitsjahre hinter
is gelegt haben. Wegen der übergrossen Fülle des Materials waren wir schon
Mm Januar und Februar genöthigt, je eine ausserordentliche Sitzung ein-
Züschieben; diese und die 10 ordentlichen Sitzungen haben so umfassende
BB
(868)
Berichte geliefert, dass unsere „Verhandlungen“ voraussichtlich einen Umfang
erreichen werden, wie ihn nur die fruchtbarsten Jahre gebracht haben. Sind schon
sonst durch diese Publikationen unsere Mittel in einem Maasse, das sich nur
schwer mit unseren Einnahmen vertrug, in Anspruch genommen worden, so wird
dieses Jahr eine starke Ebbe in unserer Kasse herbeiführen. Der nachher zu er*
stattende Bericht unseres Hrn. Schatzmeisters wird freilich ein für den Augenblick
recht befriedigendes Bild unserer Finanzen ergeben, aber wir dürfen nicht ver“
gessen, dass wir in jedem Jahre unsere Buchhündler-Rechnung als schwebende
Schuld in das neue Jahr hinübernehmen und dass deren Tilgung fast den ganzen
Ueberschuss des Vorjahres, einschliesslich des Staatszuschusses, zu verzehre!
pflegt.
Dazu kommt die Rechnung für die ,Nachrichten über deutsche Alter-
thumsfunde*, welche den uns bewilligten Beitrag des Hrn. Unterrichtsministers
im letzten Jahre gleichfalls überschritten hat.
Wenn wir unsere Publikationen stets unter finanziellen Sorgen hinausgehen
sehen, so dürfen wir um so mehr mit einem gewissen Stolze auf den materiellen
Inhalt derselben blicken. Es hat lange gedauert, ehe unsere Arbeiten in der
gelehrien Welt eine gróssere Anerkennung gefunden, ja auch nur allgemein bekannt
geworden sind. Allmühlich hat sich das Urtheil befestigt, dass sowohl der Text
unserer Zeitschrift, als die Verhandlungen, Fundgruben der ergiebigsten Art sind.
Hoffentlich wird das bald zu erwartende Generalregister über die ersten
20 Bände den günstigen Eindruck verstärken und die, bis jetzt allerdings sehr
erschwerte Zugänglichkeit unserer Schriften grösseren Kreisen eröffnen. Der
Anfang der mühseligen Arbeit, bei der die HHrn. Adolf Meyer, Franz Görke und
Theodor Liebe mit einer nicht genug anzuerkennenden Hingebung eingetreten
sind, befindet sich in der Druckerei und wir würden vielleicht schon nahe an die
Vollendung gerückt sein, wenn nicht der harinückige Buchdrucker-Strike uns um
volle zwei Monate zurückgehalten hätte. Das Generalregister wird nicht nur uns
selbst in Erinnerung bringen, was wir in recht harter Arbeit in zwei Decennien
an thatsächlichem Stoff für das Studium der Anthropologie, der Ethnologie und der
Urgeschichte angehäuft haben, sondern es wird auch den fremden Gelehrten
zeigen, dass wir die schwere Concurrenz mit den Schwestergesellschaften im Aus-
lande mit Ehren durchgeführt haben. Die Hindernisse, welche die Unkenntniss
unserer Sprache für ein volles Verständniss unserer Resultate selbst bei den Ge-
lehrten Europas, noch mehr bei denen anderer Welttheile mit sich bringt,
werden freilich während unseres Lebens schwerlich ganz überwunden werden-
Die weite Verbreitung der französischen und englischen Sprache wird uns
immer in Nachtheil bringen gegenüber den anderen Nationen, welche vor uns
den Weltverkehr zu beherrschen verstanden haben, und wir müssen uns darin
finden, dass unter den Citaten der fremden Literatur die unserigen entweder ganZ
fehlen, oder doch nur ausnahmsweise erscheinen. Hat es doch lange genug ge-
daueri, ehe auch nur unsere Stammesgenossen in Süd- und Wesideutschland die
norddeutsche Archáologie und Anthropologie als einen Gegenstand der Aufmerk-
samkeit zu würdigen angefangen haben. Unsere „Nachrichten“ sind aus diesem
Grunde. noch immer lückenhaft und fern davon, ein volles Bild von der Gesammt-
forschung im deutschen Vaterlande zu gewähren. Aber wir kommen allmählich
vorwärts und am Ende werden wir unsere Resultate doch nicht vorzugsweise nach
der Schätzung der Anderen, sondern nach dem Werthe beurtheilen müssen, den
sie für uns selbst in der fortschreitenden Erkenntniss der menschlichen Ent-
wickelung besitzen.
(869)
. Nur beilàufig mag daran erinnert werden, wie schwer es uns geworden ist,
die Gegensätze im eigenen Lande zu überwinden, welche unsere junge Wissen-
Schaft in den Jahrtausende alten und mit den reichsten Hülfsmitteln ausge-
Statteten historischen Disciplinen gefunden hat. Die Prähistoriker erschienen eben
als Parvenus auf dem Boden, den die klassischen Archäologen, die orientalischen
Forscher, die Geschichtsvereine seit langer Zeit occupirt hatten, und recht lang-
Sam und nur unter Aufwendung sehr energischer Thitigkeit ist es moglich ge-
Worden, der Ueberzeugung Bahn zu brechen, dass auch diese Zweige der Forschung
lhre Vervollständigung erst durch umfassende Kenntnisse auf dem Gebiete der
Vor. und Urgeschichte und der Völkerkunde finden können. Jetzt erst schliessen
Sich die Lücken, welche so fühlbare Hemmnisse des Verständnisses für den Gang
der allgemeinen Culturentwickelung gebildet haben. Und doch müssen wir sagen,
dass der Mensch selbst noch eigentlich nicht ein Gegenstand der allgemeinen
Aufmerksamkeit geworden ist; doch müssen wir bei dem Aufdecken der Gräber
Immer darauf gefasst sein, dass die menschlichen Ueberreste zerschlagen und ver-
Worfen werden, wie unsere Reisenden noch immer am. wenigsten von der physischen
"hd psychischen Beschaffenheit der Menschen zu berichten wissen, denen sie be-
Segneten.
Glücklichesweise bringen die erweiterten Verkehrsverhältnisse uns immer
'éichlicher Vertreter der verschiedensten fremden Völker, namentlich
auch der Naturvölker, zur Anschauung und Untersuchung. Noch kein früheres
Jahr hat uns eine solche Fülle exotischer und absonderlicher Menschen zugeführt,
Wie das ablaufende. Wir haben hier in der Gesellschaft Dualla von Kamerun
und Neger von der Westküste Africa's (Dahome nannten. sie sich), Melanesier und
Tagalen, Lappen und „Azteken“ gesehen. Die wunderbarsten Monstrositäten sind
Vor uns aufgetreten: ein heterardelpher Inder, xiphodyme Italiener, eine bärtige
Dame aus Nordamerica, ein frühreifes Mädchen aus Berlin, — kurz, jedes unserer
Mitglieder war in der Lage, gleichsam zu Hause, seine anthropologischen An-
Schauungen mit selbsterlebten Erinnerungen zu füllen. Der Degenschlucker, der
Hautmensch, l'homme Protée, die Handstand-Künstlerin liessen nach einander er-
kennen, was auch der Culturmensch an sich selbst durch Uebung und Lokalisation
Seiner Fühigkeit zu errimgen vermag.
Nicht wenige unserer Mitglieder haben auf neuen, zum Theil sehr weiten
Reisen ihre ethnologischen Beobachtungen erweitert. Hr. Bastian ist zu unserer
Freude nach langer Abwesenheit im Osten wieder unter uns. Die HHrn. v.
Luschan, Ohnefalsch-Richter, Bracht sind aus dem Orient, Hr. Belck aus
Transkaukasien und Armenien heimgekehrt. Hr. Jagor hat zuletzt aus Singapore
Seschrieben, von wo aus er weiter gen Osten ziehen wird. Hr. Büssler hat eine
Neue Reise in das malayische Meer angetreten. Hr. Hirth weilt auf Formosa.
Hr. Schweinfurth ist von Neapel aus nach Massaua und Keren, zu einem er-
"eutem Besuche der erythrüischen Colonie Italiens, aufgebrochen. Hr. J oest weilt
IN Aegypten. In Africa sind von den uns näher stehenden Forschern die
HHrn. Zintgraff, Stuhlmann, der jetzige Begleiter Emin-Pascha’s, und
Merensky thätig; in America die HHrn. Boas, Kunert, v. Ihering, und seit
Kurzem auch Friulein Elisabeth Lemke, die nach New-York übergesiedelt ist.
Ueber die Erforschung der Halbinsel Malacca, welche Mr. Vaughan
Stevens auf Kosten des Kónigl. Museums und der Rudolf Virchow-Stiftung be-
Sonnen hat, ist erst in der letzten Sitzung Bericht erstattet worden (S. 829). Von
der umfassenden anthropologischen Aufnahme in Bengalen ist eben die erste
Srössere Veröffentlichung durch Mr. Risley eingegangen. So rückt ein Land,
Le
(870)
ein Volk nach dem anderen in das hellere Licht beglaubigter Kenntniss. Unsere
Colonial-Gesellschaften, vor. allem die Neu-Guinea- Compagnie und die deutsche
Colonial-Gesellschaft, fórdern mehr und mehr die wissenschaftliche Erforschung det
für Deutschland gewonnenen Gebiete, und der Chef der Colonial-Abtheilung de$
Auswärtigen Amtes, Hr. Kayser, hat sich in entgegenkommender Weise erboten,
unsere Wünsche innerhalb der Grenzen des Möglichen zu fördern. Wir verdanken
ihm die Zusendung einer reichen Sammlung photographischer Aufnahmen, die Hr.
Zintgraff im Hinterlande von Kamerun veranstaltet hat. Indem ich ihm. hier
den Dank der Gesellschaft abstatte, will ich zugleich des schönen Zuwachses ge-
denken, welchen unsere Bibliothek durch das Geschenk des Gazellen-Werkes seitens
des Kaiserlichen Marine-Amtes erfahren hat.
Lassen Sie uns bei der Erwáhnung unserer Colonien auch des Mannes ge
denken, dessen Name mit der ersten Entfaltung. der deutschen Flagge an der
west-africanischen Küste ‘stets verbunden bleiben wird, unseres braven, unver-
gesslichen Nachtigal. Wie oft hat er uns noch bis kurz vor seiner Abreise
unmittelbar unterstützt in unseren Arbeiten! wie schwer wurde uns allen, der
Abschied selbst, obgleich wir noch nicht wussten, welchem Schicksal er ent-
gegengeführt wurde! Jetzt ruhen seine Gebeine in der Colonie Kamerun, die ihm
den Todeskeim eingepflanzt hat, und seine Freunde daheim künnen nur darin
einen Trost finden, dass iiberall im Vaterlande des Mannes, der im Handeln und
im Leiden gleich stark war, mit herzlicher Verehrung gedacht wird. Wir sahen
es, als wir im Sommer in seine Heimath kamen, um die Büste enthüllen zu
helfen, die ihm in Stendal errichtet ist, und. wir werden es in Kurzem wieder er-
leben, wenn die grosse Marmorbüste enthüllt werden wird, welche, aus freiwilligen
Gaben hergestellt, im Museum für Völkerkunde selbst, mitten zwischen den
Schränken, die seine afrikanischen Ehrenkleider und seine Sammlungen aus dem
Sudan bergen, aufgestellt werden soll.
Die Altmark hat so für uns eine neue Anziehung gewonnen. In sie führte
uns auch die erste grössere anthropologische Sommer-Exkursion, die unsere
Gesellschaft wieder unternommen hat. Es war vorzugsweise das Gebiet der
megalithischen Denkmäler, dieser gewaltigsten Reste einer vorgeschichtlichen Be-
völkerung, deren Erforschung wir nur sehr langsam, aber doch in merkbarem Fort-
schritt uns nähern.
Allein unser Interesse culminirte dieses Jahr in den vielen und überraschenden
Aufschliissen, welche uns der üusserste Osten unseres Vaterlandes gewührte. Die
deutsche anthropologische Gesellschaft hatte. Königsberg zum Sitz ihrer
diesjährigen Generalversammlung erwählt. Wir hatten gehofft, die reichen dor-
tigen Sammlungen unter der Leitung desjenigen Mannes zu mustern, der am
meisten dazu gethan hat, eine chronologische Ordnung der Alterthiimer dieser
fernen Provinz herzustellen. Tischler selbst sah in unserem Besuch den Lohn
fir seine aufopfernde Thitigkeit; er war voll von der Hoffnung, uns in einem
ilustririen Führer ein Musterbuch für prühistorische Sammlungen überreichen zu
kónnen. Das Geschick wollte es anders. Wie einst die deutsche Naturforscher-
versammlung, als sie ihre Jahresversammlung in der Hauptstadt des Ostens er-
öffnen wollte, ihren ersten Geschäftsführer, Rathke, zu begraben hatte, so konnten
auch wir nichts anderes thun, als unseren Klagen in dem verwaisten Hause und
in den verlassenen Sammlungsrüumen Ausdruck zu geben, wo noch wenige Wochen
vorher Tischler gewirkt hatte. Der Congress selbst fand in Danzig statt. Ueber
ihn und über die weitere Reise, die uns bis am die russische Grenze führte, habe
U.
(871)
Ich neulich (S. 746) ausführlich berichtet, Voll von unvergesslichen Erinnerungen
nd wir zurückgekehrt.
Das nächste Jahr wird die Generalversammlung tief im Süden Deutschlands,
der Donau, sehen. In Ulm ist man mit den Vorbereitungen dazu beschäftigt.
Eine gänzlich verschiedene Cultur erwartet uns: mögen die Mitglieder recht zahl-
"eich auf dem Platze sein, um unsere schwäbischen Brüder zu begrüssen, an deren
herzlichen Empfang in den ersten Zeiten unserer Gesellschaft wir immer noch mit
Rührung zurückdenken. Dann folgen die grossen internationalen Con-
S'esse, zuerst der prähistorische in Moskau im August, dann der ame-
'icanistische in Huelva, im üussersten Südwesten Spaniens, dieser zugleich
als ein Erinnerungsfest für Columbus, der von dort aus vor 400 Jahren seine
Erste Entdeckungsreise nach America unternahm. Hoffen wir, dass auch die deut-
Schen Gelehrten die seltene Gelegenheit, welche sich an beiden Orten darbietet,
IN grässerer Zahl benutzen werden.
In Schwaben können wir dem Werke unsere Aufmerksamkeit zuwenden,
Welches nunmehr auch. von dem Deutschen Reiche als ein Gegenstand. ge-
lehrter Uniersuchung anerkannt werden wird. Die, Erforschung des Limes
lOmanus ist auf die Tagesordnung des Reichstages gestellt und wir dürfen er-
Waren, dass diesmal ausgiebige Mittel werden bewilligt werden, um eine Aufgabe,
an der schon so viele Generationen und so tüchtige Forscher sich versucht haben,
Zu. einem endgültigen Ende zu führen. Die genaue Feststellung des gewaltigen
Römerwerkes wird nicht bloss dazu führen, eine höchst dunkle Episode der Kämpfe
Zwischen den. römischen Kaisern und den freien Stämmen Germaniens zu er-
hellen, sondern sie wird auch der prähistorischen Forschung neue Handhaben für
die Aufklärung jener grossen Bewegung bieten, welche die Verschiebung der
alemannischen Volker und das Nachriicken der Stimme des Nordens, sowie das
Eindringen der südlichen Cultur unter die Barbaren ermöglicht hat.
Seit vielen Jahren ist die Thätigkeit unserer anthropologischen Gesellschaften
darauf gerichtet. gewesen, die Urzeit des deutschen Voikes und das Ent-
Slehen und Vergehen immer neuer Siümme und Vólkerbünde auf natur-
Wissenschaftliche Weise aufzuklären. Die grosse Schulerhebung hat uns gestattet,
Von der Gegenwart aus die Vertheilung der blonden und der brünetten Rasse
IN yperwarteter Deutlichkeit zeigen zu könnnen. Untersuchungen über die
Sonstigen physischen Merkmale der Stämme sind in ausgedehntester Weise in An-
griff genommen: die Verhältnisse des Körpers, die Gestalt des Kopfes, die
Charaktere des Gesichts sind Gegenstand der Messung und der zahlenmässigen
Fixirung geworden. Neuerdings habe ich mit lohnendem Erfolge die Auf-
Merksamkeit auf die Wohnung gerichtet. Vortreffliche Vorarbeiten über das
deutsche Haus erleichterten die Aufgabe, und doch hat sich gezeigt, dass eine end-
lose Fülle localer Feststellungen nöthig ist, um aus dem Gewirr der architektoni-
Sehen Erscheinungen die ursprünglichen Typen herauszuschülen. Noch sind wir
Mitten in der Arbeit, noch werfen sich zu unserer eigenen Ueberraschung immer
neue Fragen auf. Welche Mannichfaltigkeit der Erscheinungen, gleichviel ob wir
Von Nord nach Süd, oder von West nach Ost die Hausformen verfolgen! Auch
hier, wie bei den Untersuchungen über die physischen Merkmale der Stämme, zeigt
Sich, dass ein abschliessendes Urtheil auf deutschem Boden allein nicht gewonnen
Werden kann. Ueberall gegen die Grenzen hin stossen wir auf andere Probleme:
hier auf das celtische, dort auf das dänische, hier auf das Jettische, dort auf das
Slavische und italische Haus. Aber die Methode der Forschung ist mehr und mehr
geklärt, und wenngleich auch auf diesem Gebiete der Dilettantismus noch immer
re
(872)
Störungen verursacht, so eröffnet sich dem Auge doch immer freier der Ueberblick
über die Zusammenhänge.
Ein neues Mittel der Erkenntniss ist gewonnen worden, seitdem wir unser
Trachten-Museum eröffnet haben. In schneller Folge haben überall die
Provinzen und die einzelnen Länder unser Beispiel befolgt, und die Geringfüg18”
keit der Mittel, die uns zu Gebote stehen, macht die Concurrenz sehr schwer-
Trotzdem dürfen wir uns sehen lassen. Schon jetzt zeigt unser Museum lehr-
reiche Sammlungen aus fast allen denjenigen Theilen des Vaterlandes, in denen
noch das Alte in einiger Vollständigkeit erhalten ist. Die Tracht, der Schmuck;
das Hausgerüth, die Gewebe, die Erzeugnisse der Kleinkunst, — sie häufen sich
in unseren Schränken zu Gesammtbildern einer vergangenen Cultur. Freilich is!
diese Cultur nicht so ali, wie man sie häufig schätzt; überschreitet sie doch kaum
das 15. Jahrhundert. Indess mit den Häusern ist es auch nicht anders. Fast
kein einziges deutsches Haus reicht über den Anfang des 16. Jahrhunderts hinaus-
Und doch ist hier ein grosser Unterschied. Während der Hausbau durch Jahr-
hunderte hindurch sich beständig in gleichen Gewohnheiten fortgesetzt hat, nur
von Zeit zu Zeit durch neue Muster beeinflusst, ist die Tracht mit allem, was
dazu gehört, von jeher der Mode ausgesetzt gewesen, und nur besondere Umstände
haben es mit sich gebracht, dass an einzelnen Orten oder in einzelnen Gegenden,
fast inselartig, die „altfränkische“ Tracht der Mode Widerstand geleistet hat. Für
die Charakteristik der Stämme aber dürfen Kleidung und Hausgeräth nur mit
grösster Vorsicht verwendet werden; sie sind nur Hiilfsmittel der Erkenntniss,
an und fiir sich sind sie leider unzureichend zu einer Sonderung der Stammes-
eigenthümlichkeiten.
Darum sind sie verhältnissmässig untergeordnet gegenüber den Ueber-
lieferungen der Volksseele, welche die ethnische Psychologie zu sammeln
hat. Hier stossen wir auf jene überraschende Zühigkeit im Festhalten derselben
Empfindungen und Deutungen, wie sie nur der Glaube und der Aberglaube
erzeugen. Was die ersten Eindrücke der zarten Kindesseele einprägt, was die
Mutter und die Grossmutter erzählen, was die tägliche Unterhaltung erneuert und
das Geheimniss der vertraulichen Mittheilung erweitert, — das pflanzt sich von
Geschlecht zu Geschlecht fort, unmerklich, fast verborgen, und das muss mit Ge-
duld und Scharfsinn erforscht und mühsam wieder an die Oeffentlichkeit gebracht
werden. Das Märchen, die Sage, der Mythus zeugen mehr für die Wege der
ältesten Cultur, als irgend ein Bestandtheil des äusseren Wesens, Unsere Gesell-
schaft hat die Spalten ihrer Organe stets offen gehalten für Arbeiten in dieser
Richtung; sie hat gern in ihren Sitzungen aus berufenem Munde die verborgenen
Wege der Psyche sich erklären lassen. Aber dieses Gebiet ist so gross und so
vieldeutig, wie das der Linguistik, deren Bedeutung wir nie verkannt und deren
Lehren wir uns nie verschlossen haben. Trotzdem haben wir zu unserem Be-
dauern unsere eigene Thitigkeit anf diesem Gebiete einschrünken miissen, und wir
freuen uns, dass gerade aus unserem Schoosse heraus, durch einen Theil unserer
eigenen Mitglieder, die uns deswegen nicht verloren gegangen sind, ein besonderer
Verein fiir Volkskunde entstanden ist. Möge es demselben gelingen, die zer-
streuten Elemente der heimlichen Veberlieferung von überall her zu sammeln und
zum Besten der allgemeinen Wissenschaft zu geordneter Mitwirkung zu bringen!
Es würde eine grosse Fürderung sein auf dem Wege zur Vereinigung aller
der Bestrebungen, welche in unserer Gesellschaft hervorgetreien sind und welche
wir gern haben gewühren lassen, soweit sie aus individueller Initiative hervor-
gingen, wenn ein Gedanke verwirklicht werden könnte, den wir vor einiger Zeit
(873)
m einer Eingabe an den damaligen Unterrichtsminister, Hrn. v. Gossler, ent-
Wiekelt haben, nehmlich wenn ein grosses deutsches National-Museum ge-
Sründet würde, in welchem nicht nur die prühistorische und historische Archäo-
logie, sondern auch die physische Anthropologie, die nationale Costümkunde und
die provinziellen Besonderheiten des deutschen Landes zur Anschauung gebracht
Werden könnten. Hr. v. Gossler hat uns darauf, im Augenblick seines Scheidens,
in freundlichster Weise geantwortet, aber wir müssen jetzt wohl darauf verzichten,
mehr zu thun, als den Gedanken in Erinnerung zu bringen, und ihn einer späteren
Zeit überantworten.
| Es ziemt sich aber, des eben genannten Ministers, der uns in seiner neuen
Eigenschaft als Oberprásident von Westpreussen in Danzig mit herzlicher Be-
Srüssung empfing, dankbar zu gedenken und ihm nochmals unsere Erkenntlich-
keit auszusprechen für die vielen Beweise seiner verständnissvollen Theilnahme an
den Bestrebungen unserer Gesellschaft und an den Zielen unserer Arbeiten. Unter
Seiner wohlwollenden Hülfe ist das Museum für Völkerkunde gross geworden;
"hier seiner stets erneuten Ansprache sind die Forschungen in den Provinzen aus-
Siebiger gestaltet worden, haben sich auch die Provinzialsammlungen gefüllt und
hat sich der an sich geneigte Sinn der Bevölkerungen für die Erforschung der Vor-
Zeit mehr und mehr erschlossen. Ihm verdanken wir noch zuletzt die Anregung
Zu der Herausgabe der „Nachrichten über deutsche Alterthumsfunde“.
Sein Nachfolger, Graf v. Zedlitz-Trützschler, hat in gleich wohlwollender
Weise von unseren Bestrebungen Kenntniss genommen und seinen Beistand in
Aussicht gestellt. So dürfen wir wohl darauf rechnen, dass auch künftig unserer
Gesellschaft der Schutz der Staatsregierung gesichert sein wird, zumal da an der
Spitze der Museumsverwaltung derselbe Mann wirkt, der uns von Anfang an mit
Rath und That zur Seite gestanden hat, der Generaldirector Hr. Schöne. Seinem
Entgegenkommen haben wir es zu danken, dass wir in dem Gebäude des Museums
für Völkerkunde eine Heimstätte gefunden haben und an würdigem Platze unsere
Sammlungen aufstellen konnten. Auf seinen Vorschlag hat Se. Majestät der Kaiser
"nd Kónig genehmigt, dass sämmtliche Stellen in der Sachverstándigen-Commission
dieses Museums mit Mitgliedern unserer Gesellschaft besetzt wurden.
Ich hüite nunmehr die vielen einzelnen Personen zu nennen; welche uns
durch Mittheilungen der verschiedensten Art unterstützt und gefördert haben. In-
dess ihre Zahl ist so gross, dass es nicht wohl möglich wäre, jedem sein
besonderes Verdienst nachzurühmen. So mögen sie denn ganz allgemein ver-
Sichert sein, dass wir herzlich erfreut gewesen sind über so zahlreiche und so
Nützliche Mitarbeiter. Mögen sie zugleich aus der Lectüre unserer Verhandlungen
éntnehmen, wie sorgsam Wir die Schätze an Wissen zu bewahren und zu verwerthen
bemüht sind, die sie uns zuführen.
Statutengemäss ist noch zu berichten über unsere Sammlungen:
1. Unsere Bibliothek ist wiederum sehr namhaft vergrüssert worden. Sie
hat im Laufe des Jahres 429 Werke und 431 Bände erhalten. Da wir nur geringe
Mittel auf den Ankauf verwenden können, so entstammen diese Werke fast ganz
dem Tauschverkehr und den Geschenken von Fachgenossen und Freunden. Wie
früher, so haben auch in diesem Jahre Hr. C. Künne und Frau Sanitätsrath
Schlemm uns auf das Reichste beschenkt. 127 Bände Zeitschriften sind gebunden
und der Bibliothek einverleibt worden. Die Ausdehnung der Bibliothek ist dadurch
So gross geworden, dass wir die Bitte um einen neuen, grossen Bücherschrank an
die Museumsverwaltung haben richten müssen.
2, Die Sammlung der Photographien hat sich, gleichfalls fast ausschliess-
(874)
lich durch Geschenke, um 163 Stück vermehrt. Immerhin wäre es sehr er-
wünscht, wenn unsere Mitglieder auf ihren Reisen sich hüufiger daran erinner®
wollten, dass manches Blatt, das an Ort und Stelle leicht zu erwerben ist, hier
ganz unbekannt und doch oft recht werthvoll ist.
Das Album der Mitglieder ist trotz aller Mahnungen noch sehr mangel-
haft gefüllt. Insbesondere möge an die auswärtigen Mitglieder das erneute Ersuchen
ergehen, uns durch Zusendung ihrer Bildnisse zu erfreuen. Aber auch die ordent-
lichen Mitglieder werden hierdurch gemahnt, unserer Bitte nachzukommen.
.9. Ueber die neuen Erwerbungen der anthropologischen Sammlung ist
in den Sitzungen Mittheilung gemacht, auch zum Theil ausführlich berichtet
worden, Auch hier fehlt es, wie schon im vorigen Jahre angeführt, für weitere
Skelette an. Platz; vorläufig werden dieselben, wie früher, im Pathologischen Iu-
sütut aufbewahrt. Die freilich nicht zahlreichen Spiritusprüparate, deren Auf-
nahme die.Museums-Verwaltung verweigert, befinden sich ebendaselbst. Die in
Aussicht genommene Abzweigung einer Schausammlung für das grosse Publikum
hat noch nicht bewirkt werden können, weil es dafür an einem geeigneten
Raume fehlt. —
(6) Der Schatzmeister Hr. W. Ritter erstattet den
Rechenschaftsbericht für das Jahr 1891.
Bestand aus dem Jahre 18980. . . . . . 2.2.4 2 888 Mk. 93 Pfg-
Einnahmen:
Jahres-Beiträge der Mitglieder . . . . . . . 11274 Mk.
Staatszuschuss . . . 121 20 . 1800 ,
Zuschuss des Unterrichts-Ministers für die Nach-
richten über deutsche Alterthumsfunde . . 1000 ,
Kapitalzinsen . . . Co 346
, Ausserordenitliche Einnahmen:
a) Einzahlung eines lebenslünglichen Mitgliedes 300
b) Legat von 10000 Francs von Schliemann
(unter Vorbehalt Allerhöchst. Genehmigung) 8025 ,
LLL 22145 , — ,
Summa 25633 Mk. 93 Pfg.
Ausgaben:
Mieths-Entschädigung an das Museum für Vôlkerkunde. . . 600 Mk. — Pfg.
Mitglieder-Beitrüge an die deutsche anthropol. Gesellschaft . 1590 , — ,.
Ankauf von Exemplaren der Zeitschrift für die Mitglieder. . 2883 , — ,
Nachrichten über deutsche Alterthumsfunde (Jahrgang 1890),
einschl. der Remuneration für die Bibliographie. . . . 1048 , 40 ,
Einladungen zu den Sitzungen. . . . . M 301 , 65 ,
Porti und Frachten. . . . . . . . . . . . , ,. , 1193 , 99
Bibliothek (Buchbinder w.s.w.) . . . . . . . . . | | 049 , 25 ,
Schreibmaterialien . . . . . . . . . A 80 , 50 ,
Remuneraionen. . . . . . . |. ... . 0. 149 , 84 ,
Ankauf wissenschaftlicher Gegenstánde. . . . . 1283 , 70 ,
An die Verlagshandlung Asher & Co. für überzählige Bogen
und Abbildungen für die Verhandlungen 1890 . . . 3684 , 90 ,
Angekaufte Werthpapiere . . . . 0 ns 5 1 8045 , 55 ,
. Summa 21410 Mk. 38 Pfg.
Bleibt Bestand für 1892 4923 Mk. 55 Pfg.
(£75)
Der Reservefond besieht aus: E
Preussischen 3!/,procenügen Consols. . . - 8 000 Mk.
^ 4 procentigen Consols . . . . 600
Berliner 3!/;procentigen Stadt-Obligationen. . 8000 ,
Preussischen 4 procent. Consols (Lebensl.Mitgl). 1 200 ,
“ Summa 17 800 Mk.
Der Vorsitzende theilt mit, dass der Ausschuss durch die HHrn. Friedel
und Olshansen die Rechnung hat prüfen lassen und dass derselbe dem Vor-
Sande in Betreff der Verwaltung Decharge ertheilt hat (8 36 der Statuten). |...
Er spricht Namens der Gesellschaft dem Schatzmeister den Dank aus für die
Mühsame und sorgfältige Führung der Geldgeschüfte. —
(7) Herr Virchow erstattet Bericht über die
Reehnung der Rudolf Virchow-Stiftung für das Jahr 1891.
Nach dem Bericht am Schlusse des Jahres 1890 (Verhand. S. 594) beirug
das bei der Reichsbank deponirte Kapital der Stiftung
an 4procentigen Consols . «5 90 0 0 077 87 000 Mk.
an 3procentigen Consols . . . 21.2... 9000,
Zusammen nominell 90000 Mk.
Das Legat des Hrn. Emil Riebeck im Betrage von 2000 Mk. war, wie da-
Mals auseinandergesetzt, vorschussweise verwandt worden, um Mr. Hrolf C. Vaughan
Stevens in Gemeinschaft mit dem Königlichen Museum für Völkerkunde die
Mittel zu einer Erforschung der malayischen Halbinsel zu gewähren. Ueber die
Ergebnisse dieser Expedition ist in der Sitzung vom 21. November (S. 829) be-
tichtet worden. Die finanzielle Auseinandersetzung mit dem Museum, welchem die
Ergebnisse überantwortet worden sind, wird "demnächst stattfinden.
In Betreff der kaukasischen Ausgrabungen, über ‚welche gleichfalls schon im
Vorjahre Mittheilung gemacht ist, hat eine Einigung mit dem Museum für Völker-
kunde noch nicht stattgefunden, da zunächst die Vorfrage erledigt werden soll,
N die kaukasischen Alterthümer der prähistorischen “oder der ethnologischen Ab-
theilung einzuverleiben seien. Die finanzielle Ausgleichung muss daher gleichfalls
in das kommende Jahr verschoben werden.
s Inzwischen ist eine neue grosse Einnahme für den Kapitalbestand der Süftung
Pingegangen. Bei Gelegenheit meines 70jährigen Geburtstages am 13. October
dieses Jahres wurde mir mit der Ueberreichung der grossen, für mich geprägten
edaille zugleich die überraschende Mittheilung gemacht, dass der zu diesem
Ww eck gebildete Ausschuss, bestehend aus den Herren Waldeyer, Adolf Meyer,
Ve Reiss, M. Bartels, B. Frinkel und P. Langerhans, einen beträchtlichen
eberschuss in Hinden habe, der mir zur freien Verfügung gestellt werde. Auf
Seschehene Anfrage bat ich um die Ermächtigung, die Summe dem Kapitalstock
er Rudolf Virchow-Stiftung zuschlagen zu dürfen. . Der Ausschuss erklärte sich
Anter dem 11. December damit vollkommen einverstanden und überlieferte mir
Bleichzeitig in 8procentigen Consols die Summe von nominell 20000 Mk. Es
og mir gestattet sein, an dieser Stelle dem Ausschuss für seine grosse Mühe-
nung und die mir erwiesene Freundschaft und grosse Ehre, zugleich aber auch
Th Beitragenden für diesen überwültigenden Beweis einer weithin reichenden
sei, nahme meinen wirmsten Dank abzustatten. Es wird mir eine heilige Pflicht
; die grosse Schenkung nützlich zu verwalten.
Sle
(27°)
Eine andere, nicht minder rührende Gabe wurde mir bei derselben Gelegenheit
bescheert. Meine früheren und jetzigen Assistenten hatten sich vereinigt, um I0
in einem grossen Bande eine besondere Festschrift, bestehend aus lauter Original-
Arbeiten, zu widmen. Sie waren gleichzeiüg übereingekommen, auf das ihnen ZW
stehende Honorar zu Gunsten der Rudolf Virchow-Stifiung zu verzichten. Der
Herausgeber, Hr. O. Israel und die Verlagsbuchhandlung Hirschwald haben mir
im Namen der Mitarbeiter den Betrag mit 3550 Mk. überreicht. Daraus sind 4pr0”
centige Consols im Nominalbetrage von 3000 Mk. erworben worden. Zu der grossen
Freude, welche mir die inhaltsreiche Festschrift gewährt, haben meine jüngeren
Mitarbeiter auch noch diesen Akt der persönlichen Hingebung hinzugefügt
Herzlichsten Dank ihnen Allen!
Es sind ausserdem im Laufe des Jahres 1891 aus flüssigen Mitteln der Stiftung
erworben worden
8%fyprocentige Consols . . . . . . . - . 1600 Mk
3 » » s s. . 1500
zusammen 3 100 Mk.
Der angelegte Kapitalstock der Stiftung ist somit am Schlusse des Jahres 1891
angewachsen auf
4 procentige Consols . . . . . . . . . 90500 Mk.
3, . » er e s s s s. . d600 ,
3 ^ eor s s s n. s. . 24500 ,
zusammen 116 600 Mk.
Der flüssige Bestand am Schlusse des Vorjahres betrug . . 8667 Mk. 40 Pf.
Dazu sind getreten an laufenden Zinsen. . . 0.5. 3642 , 5,
Das Festgeschenk meiner Assistenten. . . . 000 9990 , — ,
zusammen 10859 Mk. 45 Pf.
Án Ausgaben wurden geleistet:
a) für Ausgrabungen in Transkaukasien . . 787 Mk. 50 Pf.
b) fir 2 Aleutenskelette! an Dr. Hertz . . 400 ” aa
c) für 3 Neu-Caledonierschüdel an Rolle . 100 507.
d) für thüringische Gräberschädel an Nagel 65 , — ,
e) für ein nordamerikanischesSkeletanJahn 160 "E
f) für Frachten vom Kaukasus . . . . . 960 , 9,
g) fir 6 Skeletstinder . . . . . . . | g§ »
h) für Montirung von 7 Skeletten. . . . 1. »
1) für Depotgebühren . . . . 2 . | £o. — »
zusammen 2013 Mk. 10 Pf.
k) für Ankauf von Effekten . . . . . . 6547 EEN
in Summa 8560 Mk. 10 Pf.
bleibt flüssiger Bestand am Ende 1891 2299 Mk. 35 Pf
(8) Als neue Mitglieder werden angemeldet:
Hr. Dr. med. Handtmann, Charlottenburg
„ Rechtsanwalt Dr. Eisenmann, Berlin.
(9) Es folgt die
Wahl des Vorstandes für das Jahr 1892.
Der Vorsitzende zeigt an, dass Hr. W. Reiss seine Stelle als Vorsitzender
370
(E.7)
ler Gesellschaft für Erdkunde niedergelegt hat und bei seinem bevorstehenden Ab-
Sange von Berlin auf jede Wiederwahl von vornherein verzichtet. —
Hr. Maass beantragt, Hrn. Waldeyer zum Vorsitzenden, die HHrn. Virchow
a Beyrich zu Stellvertretern desselben durch Acclamation zu wählen, ebenso
ie HHrn. Hartmann, Voss und Bartels zu Schriftfithrern, Hrn. W. Ritter
“um Schatzmeister.
Es erhebt sich gegen diese Vorschläge kein Widerspruch. Sämmiliche ge-
Nannte Herren nehmen die auf sie gefallene Wahl dankend an.
Der Vorstand für 1892 besteht demnach aus
Hm. Waldeyer als Vorsitzenden,
HHrn. Virchow und Beyrich als Stellvertretern,
, Hartmann, Voss und Bartels als Schriftführern,
Hrn. Ritter als Schatzmeister.
t (10) Hr. J. Szombathy übersendet aus Wien, 6. December, folgende Mit-
heilung des Hrn. Wenzel Schulz, Custos am Museum des Königreichs Böhmen
^ Prag, über
Bronzeringe mit angesetzten Warzen in den Sammlungen des Prager
Museums.
1. Elbeteinitz: Ein Bronzering (Fig. 1a) mit hellgrüner Patina und kreis-
"undem Durchschnitt von 9 "m hat einen lichten Durchmesser von 22 mm. Auf
dem üusseren Umfange hat er in regelmässigen Abständen 3 kugelförmige, 6—7 mm
dicke Warzen angesetzt, zwischen welchen in gleichen Abständen drei in der Mitte
elwas eingebogene Stäbchen (Fig. 1b) sich befinden; zwei von ihnen sind 31 mm,
das dritte nur 27 mm lang. Aus ihrer, mit 2 Paar schrägen Furchen verzierten
Mitte läuft auf der linken Seite ein 6 mm langer Ansatz aus, der an einem Ende
Figur 1.
j 24) .
. I
Com
eben zwei ‘eingeritzte schräge Furchen hat. Mit diesem Ansatze sind die
pbehen an deu Ring befestigt, SO dass derselbe so zu sagen auf drei Füssen steht.
Mi Stäbchen haben einen fast runden Durchschnitt von 4 mm, sind aber in der
» und an beiden Enden etwas massiver. Die Enden haben die Form von
Mn sedrückten Kügelchen von 6—1 mm Durchmesser und sind durch drei, aus der
pe ausgehende Furchen getheilt, wodurch sie bohnenformig geworden sind.
as Ganze ist gegossen und unbeschädigt. (Es sind also 3, etwa 30 mm lange
QA.
a ;
(878)
Stäbchen, welche mit ihren aus der Mitie herauslaufenden Ansätzen an einem mil
drei Warzen versehenen Ringe angesetzt sind). Der Ring wurde gefunden „pod
Kolem“, östlich von der Ruine bei Elbeteinitz, und wurde den Sammlungen ge
schenkt 1882 (Kat. Nr. 1308). |
2. Hradiste von Stradonic: Massiver Bronzering (Fig. 2a) mit kreisrundem
Durchschnitt von 5,5mm und lichtem Durchmesser von 19 mm, ist an einem Theile
. stark abgenützt und (durch Feuer?)
Figur 2, beschädigt. Derselbe hat auf seine!
¢ äusseren Oberfläche. drei Gruppe?
von Warzen je in 3 Reihen zu 3 (im
2 Ganzen 21) angesetzt (Fig. 9b). Dass
eine 4. Gruppe vorhanden gewesen
—e«w-— ^ würe, ist ausgeschlossen, denn von
@ 6 ID . .
—e e. derselben findet sich gar keine Spur.
Die Warzen sind unregelmässige
Kügelchen, welche durch Abnützung
des Ringes und die graugrünliche
Patina noch unregelmässiger ge
worden sind. Eine Reihe von drei Warzen ist 21 mm lang; ihre Hóhe variirt
von 2—3 mm. Der Ring wurde 1887 auf dem Hradiste bei Feldarbeit gefunden
Gn den Sammlungen Nr. 1775).
3. Svárov bei Unhoët: Massiver Bronzering (Fig. 3a) mit einem kreis-
fórmigen Durchschnitt von 7—8 mm und einem lichten Durchmesser von 16 mm,
hat auf der Aussenseite 4 kugelförmige, nicht gleiche, 4—7 mm grosse Kügelchen
angesetzt, welche im Centrum eines unregelmässig kreisförmigen, massiven Kranzes
von 8—18 mm im liehten Durchmesser und etwa 2mm Dicke und Breite stehen.
Zwischen diesen Krünzen in regelmüssigen Abstünden finden sich vier Gruppen
Figur 3.
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OG
zu je drei Warzen (Fig. 3b), von denen die mittlere (im grosstem Umfange des
Ringes) etwas massiver ist, als die obere und untere. Alle haben die Form von
plattgedrückten unregelmässigen Kügelchen. Die Patina ist graulich-grün; die Ober-
fläche an manchen Stellen, hauptsächlich innerhalb der Kränze, rauh. Der Ring
wurde bei Svarov unweit von Unhost gefunden und 1889 geschenkt (in den
Sammlungen Nr. 1993).
. 4. Herrschaft Piin (Pteni) in Mähren: Massiver Ring (Nr. 4) mit grau-
grüner glänzender Oberfläche, hat einen kreisfórmigen Durchschnitt von 6—7 mm
und einen lichten Durchmesser von 93 mm. Derselbe hatte auf dem grössten Um-
fange 3 halbkuglige, auf einem 2,5 mm langen und 4,5 mm dicken Stiele sitzende.
A
C7
6 mm dicke Warzen, von denen aber nur eine unversehrt erhalten ist; die zweite wurde
Schon früher abgeschliffen, denn die Bruchstelle hat dieselbe Patina, wie das Ganze;
die dritte wurde von den Findern abgeschliffen, die Bruchfläche ist messinggelb.
Zwischen diesen einzelnen Warzen finden sich 3 Gruppen von je 3 Warzen, die
80 gestellt sind, dass eine Warze im grössten äusseren Umfange des Ringes, die
ZWeite auf seiner Oberfläche und die dritte auf seiner Unterfläche angesetzt ist.
Sie sind den früheren ühnlich, unregelmüssig (durch Abnützung des Ringes) und
Nicht ganz gleich. Eine Warze auf dem grössten Umfange wurde schon früher abge-
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brochen; Bruchflüche patinirt. Es sassen ursprünglich also im Ganzen 6 Warzen
auf dem grössten Umfange, 3 auf der Ober- und 3 auf der Unterfläche des Ringes;
die Innenseite ist ganz glatt. Dieser Ring wurde beim Ausroden von Bäumen im
Walde zwischen Se& und Suchdol auf der Herrschaft Ptin (Pteni) des Grafen de
Saint-Genois 1869 gefunden und den Sammlungen geschenkt (Nr. 964). Mii
demselben in derselben Schicht in kleinem Umkreise wurden folgende Stücke
gefunden:
a) ein massiver Bronzering mit griiner Patina, kreisrundem Durchschnitt von 6mm
und lichtem Durchmesser von 18 mm; er hat 4 grosse Warzen, welche die Form
ATG
(880)
einer halben kreisfórmigen, 13 mm hohen und 5 mm dicken Scheibe haben; sie
überragen also den Ring auf beiden Seiten und haben den üusseren (gebogenen)
Rand schräg und dicht‘ gefurcht. Zwischen diesen Warzen stehen 4 andere,
20—22 mm hohe, cylinderförmige (Nr. 4a), welche so aussehen, als wären sie aus
einem dicken Bronzedraht gewunden, welcher in der Mitte in einen 10—12 mm
langen Hacken ausläuft; zwei und zwei Hacken stehen sich gegenüber.
b) ein Bronzering mit kreisrundem Durchschnitt von 4 mm und lichtem Durch-
messer von 25 mm; er ist an der ganzen äusseren Oberfläche mit sehr kleinen
kugligen, 2 mm dicken Warzen in 3 Reihen (aussen, oben und unten) bedeckt.
Jede Reihe zählt ihrer 21, im Ganzen also 63.
c) Kleiner Ring mit kreisrundem Durchschnitt von 3mm und lichtem Durchmesser
von 18,5 mm; er hat auf der Aussenfläche 3 kleine und eine grosse (Zapfen aus der
Gussform?) Warze; zwischen diesen standen 4 andere, aus 3 grösseren Kügelchen
(aussen, oben und unten) bestehende, die aber bis auf eine schon seit lange sehr
beschádigt sind.
d) Dünner Ring mit lichtem Durchmesser von 17 mm, hat auf der Aussen-
fläche 17 (18) kleine Warzen und auf der Oberfläche 4; die Unter- und Innen-
fläche ist glatt.
e) Bronzering (Fig. 40), 2,9 mm dick, mit lichtem Durchmesser von 26 mm, ist
auf beiden Seiten gekerbt. Sein Inneres füllt eine Figur mit langen Beinen aus,
die aus dem Ringe herausragen und so zwei fast kuglige Warzen bilden; ihr Leib
ist kurz, der Kopf gross und platt, das Gesicht nicht markirt (abgeschliffen?) und
nur die Haare sind durch 4—5 senkrechte kurze Striche angedeutet; die Hände
sind kurz und verlaufen in zwei Bogen (Flügel?)
f) Kugelfórmige Bronzeanhüngsel.
g) Vier scheibenfórmige Bernsteinkorallen und Zwei kleine Glasperlen, blau
und gelbgrün, mit ganz kleinen Warzen dicht besetzt.
h) Bruchstücke eines Eisenringes und eines Eisenstäbchens mit 2 Spitzen.
Die chemische Analyse dieses Fundes ergab nach Professor Stolba’s Unter-
suchung 73,34 pCt. Kupfer, 16,32 pCt. Zink, 9,70 pCt. Blei und 0,64 pCt. Eisen
(Pamätky archæologické VIII 309,891). ;
Die Zeichnungen sind in natürlicher Grösse gemacht. —
Nachträglich (1. December) hat Hr. W. Schulz noch folgende Bemerkungen
eingesendet:
^ ,Die Ringe Nr. 1—3 müssen, soweit mir bekannt ist, als Gelegenheitsfunde
betrachtet werden, die bei Feldarbeiten gemacht sind; mit ihnen wurde meines
Wissens gar nichts gefunden. Nr. 4 wurde mit a bis h zusammen in einer Erd-
schicht gefunden; von Scherben u. A. keine Spur. Das Bronzeanhängsel f hat die Form
eines 10 mm dicken Kügelchens, welches in einem, auf der äusseren Seite mit drei
Warzen versehenen Ringe steckt; das Oehrchen mit 5—6 mm lichtem Durchmesser
hat auch eine grössere Warze und ist mit dem Kügelchen durch ein kurzes Band,
welches wieder zwei Warzen trägt, verbunden. Das Ganze ist 24 mm lang. Es
hat von weitem die Gestalt eines plumpen Thieres (Schweinchens??), aber nur von
sehr weitem. —
Hr. Szombathy hebt in seinem Schreiben hervor, dass die, von dem Ver-
fasser selbst als nicht geschickt bezeichneten Abbildungen, namentlich Fig. 1 u. 4,
wenigstens erkennen lassen, dass die Ringe mit Thierkópfen verziert waren.
Namentlich Nr. 4 dürfte sich an das mehrfach (S. 329, vgl. S. 490) erwähnte Schweizer
Fundstück annühern. —
(881)
b (1) Hr. Bartels legt zwei Photographien vor, welche von Hrn. Professor
‘ezzenberger (Känigsberg 1. Pr.) aufgenommen sind. Die eine stellt ein
litauisches Bauerngehüft in Minge am kurischen Haff dar, wo die charak-
leristische Giebelverzierung (zwei Pferdekópfe mit Kopfputz und dazwischen vier
Vügel) deutlich zu sehen ist. Die zweite Photographie zeigt die Th eilnehmer
des diesjührigen Anthropologen-Congresses auf der Dampfschifffahrt nach
der kurischen Nehrung-
(12) Hr. Bartels legt Photographien vor von
Matebelen
aus der Gegend von Malakong in Nord-Transvaal (Mapela’s-Land), welche ihm
Hr. Missionsinspector Kratzenstein freundlichst überlassen hat. Es sind Musiker
und Tänzer des Häuptlings Massebe, der sich vor etwas über Jahresfrist durch
einen Revolverschuss tödtete, sowie die Bilder seiner beiden Söhne, der jetzt
tegierenden Häuptlinge Bakeberg Massebe und Hans Massebe, und eines benach-
barten Häuptlings, Namens Karl Kekane aus Wallmannsthal. Es ist dem Einflusse
des Missionars Schloemann in Malakong zu danken, dass die beiden Brüder
gemeinsam herrschen, und dass sie nicht dem gewöhnlichen Gebrauche gemäss
einen blutigen Erbfolgekrieg gegen einander führen. Der Häuptling Bakeberg
Massebe ist mit seiner Gemahlin photographirt. Man sieht, dass beide bereits dem
Einflusse der europüischen Kleidung verfallen sind. Der Mann wurde während der
Verbannung seines Vaters auf der Hermannsburger Missionsstation Bakeberg geboren
und führt daher seinen Namen. Sein Vater hatte ihn zum alleinigen Herrscher
bestimmt; jetzt ist er hauptsächlich der Häuptling der dort wohnenden Mate-
belen, während sein älterer und vornehmer geborener Bruder Hans Massebe be-
Sonders der Häuptling der unter diesen Matebelen lebenden Bassutho ist. —
(13) Fri. E. Lemke berichtet aus New-York, 30. November, über
durchlochte Nadeln aus Californien.
Die prähistorische Abtheilung des American Museum of Natural History in
New-York befindet sich noch zu cinem sehr grossen Theil in untergeordnetem Zu-
Stande, und es wird — wie mir Hr. James Terry daselbst sagte — noch lange
dauern, bis man zur wissenschaftlichen Bearbeitung einer oder der anderen Samm-
lung schreiten könne. Allein die Fundstücke, welche Hr. Terry persönlich her-
beigeschafft hat, würden ein Museum für sich bilden; sie reichen in die Zeıt der
Sculptured anthropoid ape heads (Columbia valley) zurück, andererseits bis
Zur jüngeren Vorgeschichte, Z. B. Californiens. Ueber die Sculpt. ape heads hat
Hr, Terry kürzlich eine mit vorzüglichen Illustrationen versehene Schrift heraus-
Segeben, die er u. A. an die Berliner anthropol. Gesellschaft sandte.
. Hr. Terry hatte die grosse Güte, mir seine, noch in Arbeitsräumen befind-
lichen Sammlungen vorzuführen und mir die Erlaubniss zu geben, über einige
durchlochte Nadeln — von denen ich Zeichnnngen entnehmen durfte — zu be-
tichten. Auf die Frage nach dem Alter dieser, in Gräbern gefundenen Nadeln,
die sämmtlich aus Knochen gearbeitet sind, wollte Hr. Terry keine ihn bindende
Antwort geben; er sagte, dass gerade über diese Funde noch sehr wider-
Sprechende Meinungen geäussert würden; selbst auf die Bemerkung: es sollte
auf ein Paar Jahrhunderte nicht ankommen, mochte er sich nicht entschliessen,
Verhandl, der Berl. Anthrop. Gesellschaft 1891, E^
ys
(882)
seme Ansichten anzugeben. Ir sagte nur immer wieder: die Nadeln seien seht
alt, freilich bedeutend jünger, als die Sculpt. ape heads; und er setzte hinzu
dass, falls die Berliner anthropol. Gesellschaft diese Notizen aufnühme, dieselben
die erste Veröffentlichung darüber sein würden. Letzteres ist recht bedauerlich,
da ich nun nichts Näheres über die Gegenstände melden kann, von denen ich an-
nehme, dass sie drüben ihre Freunde finden werden.
Natürliche Grösse,
Die Nadel Fig. 1 wurde einem Grabe bei San Luis Obispo, Californien
(südlich von San Francisco) entnommen. Sie ist gut geglättet, ziemlich flach und
fein zugespitzt.
Die Nummern 2—7 stammen aus Gräbern auf San Nicholas Island, Cali-
fornien (Santa Barbara County).
Fig. 2 ist rippenartig gebogen und gut geglättet; in der Nähe der unteren
Spitze ist eine kleine Absplitterung. Die Durchlochung reicht nur bis zur Mitte
und mündet dort in eine zweite (zu ihr im rechten Winkel stehende) Durch-
lochung; der Faden musste, wie angegeben, geführt werden. (Collection Terry,
18 274.)
Die gutgeglittete Nadel Fig. 3 ist theils von linglich runder Form im Quer-
Schnitte, theils flach. (C. T., 18 275.)
(883)
Bei Fig. 4 sind die Flächen rauh gehalten; die breite obere Spitze ist drei-
tekig goformt. (C. T., 13 277.)
i Fig. 5 ist gut geglättet und sehr fein zugespitzt; dabei ganz flach. (C. T.,
3 279).
Die glatte, etwas ungleich im Querschnitte geformte Nadel Fig. 6 hat doppelte
Durchlochung, wie Fig. 2, und zeigt an der unteren Spitze eine Absplitterung.
(C. T. 13 280.)
In Fig. 7 sehen wir die feinste der Nadeln; sie ist sehr glatt und spitz und
hat nur. eine winzige Durchlochung, neben der ein kleines Stück abgesplittert ist.
©. 1, 13 282.)
. Im Anschluss an diese Nadeln sei die ungeheure Menge von Pfriemen erwühnt,
die aus denselben Grübern stammen; sie sind sowohl aus Knochen, wie aus Horn
hergestellt und zeigen verschiedehe Bearbeitung. Ein Theil dieser Pfriemen kónnte
Zu den Nadeln gerechnet werden: denn nahe der breiten oberen Spitze hat ein solches
Geräth cine Einschnürung, die einen umgeknüpften Faden oder eine Schnur am
Abgleiten verhindern würde. Sehr viele Stücke erinnern an unsere prähistorischen,
Wie auch an die noch jetzt bei unserem Landvolk u. s. w. in Gebrauch befindlichen
Pfriemen, Lóser u. dgl. m. —
(14) Hr. Nehring berichtet über ein
diluviales Pflanzenlager in der Gegend von Klinge bei Cottbus.
Unter Bezugnahme auf eine Abhandlung „über eine besondere Riesenhitsch-
Rasse aus der Gegend von Cottbus, sowie über die Fundverhältnisse der betr.
Reste“ 1), welche ich vor Kurzem an die Bibliothek unserer anthropol. Gesellschaft
eingesandt habe, erlaube ich mir hier noch einige Mittheilungen über die mäch-
ügen Ablagerungen von Pflanzenresten, welche an der Fundstütte des dort beschrie-
benen Riesenhirsch-Geweihs und in der nächsten Nachbarschaft derselben vor-
handen und aufgeschlossen sind.
Es handelt sich um drei grosse Thongruben, die nicht weit von dem Bahnhof
Klinge, zwischen Cottbus und Forst, im Süden der Provinz Brandenburg, gelegen
Sind und zum Zweck der Backsteinfabrikation ausgebeutet werden. Dieselben sind
am 10. September d. J. von mir in Begleitung des Hin. Stadtrath H. Ruff aus
Cottbus besucht worden, und zwar in Folge einer Zusendung, welche letzterer
kurz vorher an mich hatte gelangen lassen. Der Inhalt der Sendung bestand aus
einem hóchst interessanten Riesenhirsch-Geweih, aus Resten eines jüngeren, mánn-
lichen Elehs, u.s. w., über welche ich in der oben citirien Abhandlung Näheres
(unter Abbildung des Riesenhirsch-Geweihs) angegeben habe.
In den brieflichen Mittheilungen, die Hr. Ruff mir in Bezug auf die genannten
Thierreste zugehen liess, wurde eine , Kohlenschicht^ erwühnt, welche zahl-
Teiche wohlerhaltene Pflanzenreste enthalte und in den erwühnten Thongruben ein
bestimmtes Niveau markire. Diese ,Kohlenschicht* war es besonders, welche mich
Zu einer Reise nach Klinge veranlasste, um die Ablagerungsverhältnisse an Ort
und Stelle zu betrachten. Bei meinem Besuche der Thongruben, welchen ich am
10. Sept. d. J., begünstigt vom herrlichsten Wetter, ausführte, erkannte ich bald,
dass es sich hier um sehr interessante Ablagerungen handelt, und dass namentlich
1) Sitzungsbericht der Gesellsch. naturf. Freunde zu Berlin, 1891, S. 151—162.
56*
(884)
die oben erwähnte „Kohlenschicht“ eine höchst beachtenswerthe Fundstätte
einer vorzeitlichen Flora darstellt. .
Nach meinem Urtheile gehört dieses Pflanzenlager der Diluvialzeit an; ob s1€
interglacial oder postglacial (jungdiluvial) zu nennen ist, lasse ich vorlüufig dahin-
gestellt sein und begnüge mich hier damit, nur ganz kurz einige Angaben über
die Profilverhältnisse zu machen. Diese sind mir am genauesten aus der Schulz-
schen Thongrube bekannt geworden, welche unter der Verwaltung des Hrn. Ziegel-
meisters A. Kayser steht. Letzterer hat sowohl bei meinem Besuche mir das
freundlichste Entgegenkommen erwiesen, als auch nachträglich durch ausführliche
Mittheilungen über die Mächtigkeit der einzelnen Schichten und durch Ueber-
sendung reichlicher Proben aus denselben meine Studien in anerkennenswerther
Weise gefördert, wofür ich ihm auch an dieser Stelle meinen besten Dank sag?
In der Schulz’schen Thongrube sind nach Auffassung des Hrn. Kayser?)
folgende Schichten von oben nach unten zu erkennen:
1. Humoser Sand, etwa '/, m.
2. Geschichteter, gelblicher Sand, 2 m.
3. Kohlig-thonige Schicht, etwa 1 m.
4. OGraugelber, plastischer, feiner, kalkreicher Thon, 2 m.
^ "Thon mit kohlig-torfigen Streifen, !/, m.
6. Kohlig-torfige Schicht mit zahlreichen, sehr wohlerhaltenen, meist
horizontal gelagerten Pflanzenresten, 2 m.
7. Harte, scherbig-blätterige, eisenschüssige Thonschicht C, Lebertorf*), etwa 1/, m.
. 8. Grünlich-grauer, plastischer, sehr feiner Thon, kalkreich, im trockenen Zu-
stande hellgrau aussehend, 2—4 m.
In der Thongrube der Dominialziegelei, welche unter der Verwaltung des
Hrn. Otto Schmidt steht und in der die oben erwühnten Reste vom Riesenhirsch
und vom Elch gefunden wurden, sind die Profilverhültnisse ganz entsprechend,
wenngleich etwa mit kleinen Modificationen in der Mächtigkeit der einzelnen
Schichten. Auch in der etwas entfernter gelegenen grossen Thongrube einer
dritten Ziegelei, welche unter der Verwaltung des Hrn. Ziegeleibesitzers Zweig steht,
ist die Schichtenfolge sehr ähnlich; doch bemerkte ich hier innerhalb der kohlig-
torfigen Schicht (6) einige Einlagerungen groben Sandes.
Die Gründe, welche mich veranlassen, diese kohlig-torfige Schicht als diluvial
anzusehen, sind folgende:
1. Der Umstand, dass dieselbe von einer Anzahl relativ mächtig entwickelter
Schichten überlagert wird, und zwar in einem Terrain, das heute von keinem
Flusse berührt wird, sondern als ein kiefernbewachsenes, flaches Plateau er-
scheint?) spricht dafür, dass die Ablagerung der betr. Pflanzenschicht in eine weit
entlegene Vorzeit fällt.
2. Nach ‚der bestimmten Angabe des Hrn. Ziegeleiverwalters O. Schmidt
werden in der oberen Sandschicht (Schicht 1 u. 9 des oben angegebenen Profils)
sehr häufig grosse und kleine, rundliche Steine gefunden. Es ist nicht unwahr-
scheinlich, dass diese Steine als erratisches Material an Ort und Stelle gekommen
1) Ich bemerke, dass ich in meiner oben citirten Abhandlung nur 5 Schichten unter-
schieden habe, indem die von Hrn. Kayser besonders bezeichneten Uebergangschichten
1, 5 und 7 von mir nicht als besondere Schichten angegeben worden sind.
2) Der Bahnhof Klinge, welcher mit den genannten Ziegeleien ungefähr in gleichem
Niveau liegt, hat eine Meereshöhe von 84,5 m; der Spiegel der Spree bei Cottbus liegt
68,8 m über dem Meere. Die Ziegeleien von Klinge liegen also etwa 16m (= 50 Fuss)
über dem heutigen Spreespiegel bei Cottbus.
C
Sind; jedoch bedarf es erst noch genauerer Untersuchungen, um dieses mit Be-
Stimmtheit festzustellen.
3. Die beiden Thonschichten, welche die Pflanzenschicht (6) einschliessen,
Machen durchaus den Eindruck diluvialer Ablagerungen. Beide Thone sind kalk-
haltig: zuweilen (wenngleich selten) werden in ihnen rundliche Steine von der
Grösse eines Kindskopfes gefunden. Dass der untere Thon von diluvialem Alter
ist, wird ausserdem durch seine organischen Einschlüsse bewiesen; er lieferte das
oben erwühnte Riesenhirsch-Geweih, eine Anzahl Rhinoceros-Knochen, zwei Unter-
kiefer von einer kleinen Fuchsspecies, welche vielleicht dem Eisfuchs an-
Sehôren, u. s. w. In Bezug auf das Biesenhirsch-Geweih war mir ursprünglich die
Mittheilung gemacht worden, dass dasselbe in dem oberen Thone der Dominial-
Ziegeleigrube gefunden sei, und so habe ich es auch in meiner oben citirten Ab-
handlung angegeben. Kürzlich ist jedoch durch ein genaues Verhör, welches
Hr. Schmidt mit den Arbeitern der ihm unterstellten Grube vorgenommen hat,
festgestellt worden, dass jenes Geweih thatsächlich in dem unteren Thone zum
Vorschein gekommen ist, also unterhalb der kohlig-torfigen Schicht (6) und der
Lebertorf-Schicht (7). -
Obiges Riesenhirsch-Geweih gehört, wie ich a. a. O. nachgewiesen Zu haben
Blaube, einer besonderen Rasse, oder vielleicht richüger: Art an, welche ieh als
Cervus megaceros var. Ruffii, bezw. als Megaceros Ruffii bezeichnet habe. In der
Meinung von der Artselbständigkeit dieser Form bin ich durch einen mir kürzlich
bekannt gewordenen neuen Fund eines Riesenhirsch-Geweihs bestärkt worden; und
Zwar handelt es sich um einen Schädel mit Geweih, welcher am 5. März 1891 bei
Worms von Fischern aus dem Rheine herausgezogen ist. Dieser zeigt die eigen-
Ühümliehen Charaktere der von mir unterschiedenen neuen Riesenhirsch-Form in
Solcher Ausprägung und weicht in Bezug auf die Stellung der beiden Geweih-
Stangen zu einander und zum Schädel!) derart von dem typischen Riesenhirsche ab,
dass ich jetzt kein Bedenken trage, den Megaceros Ruffii als besondere Art
anzusehen. Und zwar erkenne ich darin eine alterthümliche Form, welche in
vieler Hinsicht zwischen den Gattungen Megaceros und Dama vermitteli. Dieselbe
gehärt unzweifelhaft dem Diluvium an, und zwar vermuthe ich, dass sie nicht
Jungdiluvial, sondern mitteldiluvial (wahrscheinlich interglacial) ist.
4. Die Pflanzenschicht (6) enthält eine ausgestorbene Nymphaeacee oder
Vielmehr die wohlerhalienen Samen einer solchen. Hr. Dr. C. Weber, Lehrer an
der Ackerbauschule zu Hohenwestedt in Schleswig-Holstein, hat diese Samen in
den Torfstücken, welche ich ihm zur Untersuchung geschickt habe, zuerst ent-
deckt und festgestellt, dass sie Zu der von ihm aufgestellten Gattung Gratopleura
gehôren. Nachtrüglich habe ich selbst noch etwa 80 Samen derselben Form auf-
gefunden. Zwei derselben sind von meinem Collegen, Hrn. Geh. Regierungsrath
Prof. Dr, Wittmack, anatomisch untersucht worden, wobei es sich herausstellte,
dass manche auffallende Aehnlichkeiten jener fossilen Form mit den Samen der
heutigen Brasenia peltata Pursh aus Nordamerica?) vorhanden sind. Nach Weber
Stimmen die Samen von Klinge mehr mit denen von Cratopleura helvetica
C. Weber?), als mit denen von Cratopleura holsatica C. Weber überein. Jeden-
1) Ich habe zwei vorzügliche Photographien des Wormser Fundes in Händen, nebst
Zahlreichen Messungen, welche ich der Güte des Hr». Fritz Ernst in Worms verdanke.
|. 9) Brasenia peltata kommt auch in Japan. Ostindien, Nordost-Australien (Queensland)
Und in West-Africa vor.
9) Cratopleura helvetica stammt aus der interglacialen Schieferkohle von Dürnten in
der Schweiz,
585)
(886)
falls ist es eine höchst interessante Thatsache, dass in der kohlig-torfigen Schicht (6)
der Thongruben von Klinge die Gattung Cratopleura, eine ausgestorbene Nym-
phaeacee, durch zahlreiche Samen vertreten ist.
Eine zweite Art von Samen oder Früchten, welche freilich eine ganz andere
Form haben, rührt wahrscheinlich auch von einer ausgestorbenen oder wenigstens
aus Deutschland verdrängten Pflanze her. Diese Samen sind gestreckt-wurstformig
gestaltet, etwa 8 mn lang und 2 mm dick; ihre Oberflüche zeigt eine feine Punktirung-
Bisher konnten sie nicht bestimmt werden, obgleich eine Anzahl namhafter Bo-
taniker sie in Augenschein genommen und genau untersucht hat D.
Die übrigen Pflanzen, welche bisher aus der betr. Schicht festgestellt sind,
Scheinen von der heutigen Flora Deutschlands wenig oder gar nicht abzuweichen;
doch dürften eingehende Vergleichungen noch manche interessante Resultate
liefern. Nach den Probestücken, welche ich theils selbst an Ort und Stelle ge
sammelt, theils und hauptsächlich von Hrn. Ziegelmeister A. Kayser zugesandt
erhalten habe, konnte schon eine ansehnliche Zahl von Pflanzen bestimmt werden.
Hr. Prof. Dr. Wittmack stellte folgende Pflanzenarten fest:
l. Die Fichte (Picea excelsa DO.), nach einem Zapfen mit wohlerhaltenen
Samen und nach zahlreichen, wohlerhalienen Stücken von Stümmen und Aesten.
2. Die Kiefer (Pinus silvestris L.), nach einigen wohlerhaltenen Stamm- und
Aststiicken.
3. Die Hainbuche (Carpinus Betulus), vertreten durch sehr zahlreiche Früchte.
4. Eine Birke (Betula Sp.) nach Stamm- und Wurzelresten, welche noch mit
der Rinde überzogen sind.
9. Ceratophyllum demersum,
6. » submersum, zwei Horn blatt-Arten, welche durch eine An-
zahl wohlerhaltener Früchte vertreten sind.
Hr. C. Warnstorf, der bekannte Mooskenner in Neu-Ruppin, bestimmte:
Hypnum aduncum, Hypnum fluitans und Sphagnum eymbifolium.
Hr. Dr. C. Weber in Hohenwestedt, der sich schon um die Untersuchung
mehrerer anscheinend interglacialer Torflager in Holstein sehr verdient gemacht 7)
und sich der vorliegenden Untersuchung mit lebhaftestem Interesse angenommen
hat, bestimmte folgende Arten:
l. Fichte, Picea excelsa DC., zahlreiche Holzstücke von Stämmen, Aesten,
Wurzeln, ausserdem Samen, Samenflügel, Pollen.
2. Hainbuche, Carpinus Betulus L., zahlreiche Früchte.
9. Birke, Betula verrucosa Ehrh., zahlreiche Holzstücke mit der Rinde,
Blätter, Früchte, Pollen.
Ferner 4 Weiden-Arten, und zwar:
4. Salix aurita L., zahlreiche Blätter, Frucht (2).
2 . sp (Caprea?), Fragmente von Blättern,
6. , sp. (cinerea?), 2 Blüiter. Vielleicht eine Zwischenform zwischen
L. aurita und L. cinerea.
7. Salix repens L. Blattfragment.
9. Espe, Populus tremula (?) Blattfragment, kleine Zweigsticke, Pollen (?).
9. Stechpalme, Ilex aquifolium, eine Steinfrucht.
1) Hr. Prof. Nobbe in Tharandt meint, es könnten möglicherweise Gallen sein ; doch
spricht Manches gegen diese Ansicht.
2) „Ueber zwei Torflager im Bette des Nordostsee-Canales bei Grünenthal,“ im N.
Jahrb. f. Mineral, u. s. w. 1891, Bd. II, S. 62 ff.
(887)
10. Weisse Teichrose, Nymphaea alba L. f. microsperma, Samen.
11. Gelbe Seeroso, Nuphar luteum L., Samen.
12. Cratopleura sp., die oben besprochene, ausgestorbene Nymphaeacee,
nahestehend der Crat. helvetica Weber. (Vergl. C. Weber, Cratopleura holsatica,
fine interglaciale Nymphaeacee und ihre Beziehungen zu Holopleura Victoria Casp.,
Sowie zu recenten Nymphaeaceen. Neues Jahrb. f. Mineral, 1892, Bd. Dj.
13. Ceratophyllum submersum, einige Früchte.
14. ^ demersum, eine Frucht.
15. Galium (palustre?). Einige Früchte.
16. Echinodorus ranunculoides (?). Eine Frucht.
17. Najas sp.?, fragmentarische Frucht.
18. Scirpus lacustris. Einige Friichte.
19, Carex sp. (C. Goodenoughii?), Friichte.
20. , sp. (C. panicea?), Früchte.
21. , sp (C vesicaria?), eine Frucht.
Ausserdem zahlreiche Blätter und Rhizome von Carex, welche wahrscheinlich
den vorigen Arten angehören.
22. Polystichum Thelypteris. Zahlreiche Sporen und Sporenkapseln.
23. Hypnum div. sp. Stämmchen und Sporen, sehr zahlreich.
24. Sphagnum sp., Blattreste und Sporen.
Dazu füge ich nach vier wohlerhaltenen Nüssen, die ich besitze,
25. den Haselnuss-Strauch, Corylus avellana, und
96. die bisher unbekannte Pflanze mit den oben (S. 886) erwähnten, wurst-
lórmigen Samen oder Früchten.
Unter den oben aufgezihlten Baumarten ist die Fichte durch besonders zahl-
Teiche Stamm- und Aststiicke vertreten, welche meistens So wohlerhalten sind,
dass Jemand, der ihre Herkunft nicht kennt, ihnen kaum ein diluviales Alter zu-
Schreiben würde. So lange das Holz noch feucht ist, lassen sich die zartesten
Querschnitte einfach mit dem Hobel aus demselben herstellen "). Beim Trocknen
Werden die Stücke allerdings meist sehr rissig; manche zerfallen gradezu, wenn
Man sie nicht mit einer geeigneten Lösung tränkt. Die Mehrzahl der Fichten-
Stämme lässt ein sehr langsames, kümmerliches Wachsthum erkennen; es sind
Stämmehen darunter, welche vei einem Alter von 20 und mehr Jahren kaum die
Dicke eines kräftigen Daumens besitzen. Weber schlägt in einem an mich ge-
tichteten Briefe vor, sie als ,Moorfichte* zu bezeichnen, und zwar nach Analogie
der sog. „Moorkiefer“ Vaupell's.
Neben jenen kümmerlich gewachsenen Exemplaren kommen übrigens auch
Solche Fichten vor, deren Jahresringe ein bedeutend flotteres Wachsthum an-
deuten, Ob die betr. Stücke etwa einem anderen Niveau der oben besprochenen
Schicht (6) eninommen sind, kann ich nicht angeben, wie denn überhaupt vorläufig
Nicht festgestellt worden ist, ob innerhalb jener 2 m mächtigen Schicht irgend.
Welche floristische Unterschiede in vertikaler Richtung zu beobachten sind. Im
Nächsten Frühjahr werden die Untersuchungen auch hierauf gelenkt werden; vor-
läufig muss ich mich damit begnügen, die in der betr, Schicht überhaupt vor-
kommenden Species anzugeben und einige bezügliche Beobachtungen hinzuzufügen.
Was die Birkenreste anbetrifft, so_sind sie unter den mir vorliegenden Holz-
\ 1) Hr. Michel, der Tischler der Konigl. Landwirthschaftl. Hochschule, hat mir eine
Anzahl der schönsten Querschnitte auf seiner Hobelbank hergestellt.
(888)
stücken weniger zahlreich, als die der Fichte; manche sind vorzüglich erhalten;
manche sehr platt gedrückt.
Die Hainbuche ist bisher nur durch ihre Früchte vertreten; diese sind aber
sehr zahlreich und wohlerhalten. Manchen Torfstücken, welche ein dichtes Gefüge
und eine sehr dunkle Farbe zeigten, konnte ich zahlreiche Früchte der Hainbuche
entnehmen; in denselben Stücken fand ich Exemplare der oben erwähnten wurst-
ähnlichen Früchte, sowie einige Samen der Cratopleura sp. Unter den Hainbuchen-
Früchten befinden sich viele, die von auffallend kleiner und unregelmässiger Ge-
stalt sind; nähere Untersuchungen werden ergeben, ob die fossile Hainbuche von
Klinge vielleicht einige Differenzen gegenüber unserer heutigen Hainbuche er-
kennen lässt.
In denselben Torfstücken, welche Hainbuchen-Früchte enthielten, fand ich auch
zahlreiche Weidenblätter. Andere Stücke bestehen fast ausschliesslich aus Hypnum-
Resten, noch andere aus Sphagnum-Resten.
Die Lagerung der Pflanzenreste ist durchweg eine horizontale, und es lassen
sich die Torfstücke mit leichter Mühe in dünne Platten zerspalten. Nur die
Wurzel- und Stammstücke der Bäume findet man meistens in einer Lage, welche
von der horizontalen abweicht, d. h. also aufrecht oder schräg aufrecht stehend.
In gewissen Torfstücken kommen zahlreiche Käferreste vor, welche, so
lange sie frisch und feucht sind, eine prachtvolle Erhaltung zeigen. Nach den
Bestimmungen meines Assistenten, des Hrn. Dr. E. Schäff, gehören dieselben
verschiedenen. Gattungen an; namentlich sind die Gattungen Donacia und Hydro-
philus vertreten. Von der Gattung Donacia kommen etwa 3—4 Arten vor, welche
theils durch die Grosse und Form, theils durch die eigenthiimliche Punktirung der
Flügeldecken von einander verschieden sind. Wie es scheint, sind ausgestorbene
Arten‘) darunter. Bei der einen (grósseren) Donacia-Art hat Hr. Custos Kolbe,
der bekannte Entomologe yom hiesigen Museum für Naturkunde, sich vergeblich
bemühi, eine genau entsprechende recente Species ausfindig zu machen.
Mollusken-Reste sind vorläufig nicht beobachtet worden; ebensowenig solche
von Fischen, Amphibien, Reptilien, Vögeln. Säugethier-Reste hat man früher stellen-
weise in grosser Menge gefunden, angeblich meistens in ganzen Skeletten. Vergl.
meine Angaben a. a. O., S. 159 f. Leider sind die betreffenden Knochen ehemals
eniweder bei Seite geworfen, oder an den Knochenhündler verkauft worden, bis
auf die relativ wenigen Stücke, welche Hr. Stadtrath Ruff in Cottbus erworben
und demnächst mir für unser Museum überlassen hat. Im letzten halben Jahre
haben die Arbeiter, obgleich sie jetzt gut aufpassen, von Skeletresten noch nichts
wieder entdeckt. Die Knochenfunde kommen in den Thongruben von Klinge
offenbar ziemlich selten vor; angeblich ist das untere Thonlager die Hauptfund-
schicht für Knochen.
Von Spuren menschlicher Existenz kann ich bisher nichts Sicheres melden.
Ein Stück von einem Fichten-Bäumchen, dessen Rinde sauber abgeschält und
dessen Zweige scharf abgeschnitten sind, war mir von Hrn. A. Kayser als mit
Schnitten aus alter Zeit versehen übersandt worden. Dasselbe stammt auch aus
der Pflanzenschicht (6) und ist ausserordentlich wohlerhalten. Ich selbst war eine
Zeit lang geneigt, die deutlich erkennbaren Schnitte auf die Thitigkeit eines
Menschen zurückzuführen: doch bin ich nachträglich zu der Ansicht gekommen,
1) Vielleicht ist es richtiger, anzunehmen, dass jene Arten sich seit der Diluvialzeit
in gewissen Punkten verändert haben,
Cc
dass es sich wohl nur um einen sogenannten Biberstock handelt ?. Dass wührend
der Zeit in welcher die Pflanzenschicht der Thongruben bei Klinge abgelagert
Wurde, dort Biber hausten, ist sehr wahrscheinlich, wenngleich bisher keine Biber-
knochen dort nachgewiesen sind.
Was die geologische Altersbestimmung der mehrfach erwähnten kohlig-
tor figen Pflanzenschicht (6) anbetrifft, so sprechen viele Umstände dafür, dass
Sie der Diluvial-Periode angehort. Als ich am 10. September 1891 die Thongruben
von Klinge besuchte, gelangte ich bei Betrachtung der Profilverhältnisse zu den
Vermuthung, dass jene Schicht während der sogenannten. Interglacialzeit ent-
Sanden sei 2), Nachdem nun die Pflanzenreste bis zu einer gewissen Vollständigkeit
bestimmt worden sind, drängt sich offenbar ein Vergleich mit der Flora der inter-
8lacialen Schieferkohlen der Schweiz auf. Siehe O. Heer, die Urwelt der Schweiz,
2 Aufl, S. 513—534. Ausserdem bin ich in meiner Vermuthung durch folgende
Neuere Publicationen bestärkt worden: Krischtafowitsch, „Anzeichen einer inter-
Blaciüren Epoche in Central-Russland*, im Bull Soc. Nat. Moscou, 1890, Heft 4,
Erschienen 1891; R. v. Fischer-Benzon, ,Die Moore der Provinz Schleswig-
Holstein“, Sonderabdruck aus Bd. XI, Heft 3 d. Abh. d. Naturw. Ver. in Hamburg
1891; 0. w eber, ,Ueber zwei Torflager im Bette des Nordostsee-Canales bei Grünen-
thal“, im N. Jahrb. f. Mineral. 1891, Bd. IL S. 62 ff.
Es wird zwar die Existenz einer Interglacialzeit von manchen Forschern ge-
leugnet, und es scheint in der That grosse Gebiete zu geben, wo die Spuren der-
Selben fehlen; aber in der östlichen Hälfte von Norddeutschland, in der Schweiz,
' Oesterreich, und, wie es scheint, auch in einem grossem Theile von Russland
finden sich so viele Beweise fiir die Annahme zweier Eiszeiten und einer
"Wischen ihnen liegenden Interglacial-Epoche, dass man sich denselben kaum ver-
Schliessen kann.
Jedenfalls ist ein genaues Studium der Thongruben von Klinge geeignet,
Werthvolle Beiträge zur Kenntniss der diluvialen Flora und Fauna Deutschlands
ZU liefern und hierdurch auch der Urgeschichte des Menschen eine gewisse
Vörderung angedeihen zu lassen. Unser verehrter Hr. Vorsitzender hat bereits in
der Sitzung vom 18. October 1884 unter Bezugnahme auf die Untersuchungen von
Jap. Steenstrup darauf hingewiesen, wie wichtig es sei, die diluviale und alt-
alluviale Flora Deutschlands genauer zu studiren und namentlich die etwaige „Auf-
“Manderfolge verschiedener, nacharktischer Baumvegetationen“ festzustellen. Zum
Studium der Diluvialflora bieten die Thongruben von Klinge reichliche Gelegenheit.
. follte sich meine Vermuthung bestätigen, dass die Pflanzenschicht von Klinge
Interglacial ist, so würde noch zu erörtern sein, wie sich die dort beobachtete
Flora zu der diluvialen Steppenflora verhält, welche wahrscheinlich auch
Während der Interglacialzeit sich von Osten und Südosten her nach Mitteleuropa
Yorgeschoben hat. Ich will vorläufig darauf hinweisen, dass beide Floren, falls
Me wirklich gleichzeitig in Mitteleuropa existirt haben, in keinem Widerspruche
pt einander stehen; es kann bei Klinge, ebenso wie bei Lauenburg und an vielen
unkten Schleswig-Holsteins, eine Sumpf- und Waldflora vorhanden gewesen sein,
Während zu gleicher Zeit grosse Areale der heutigen Provinz Sachsen (z. B.
Sch 1 Siehe Japetus Steenstrup: ,Hat man in den interglaciären Ablagerungen in der
f nidi wirkliche Spuren von Menschen gefunden oder nur Spuren von Bibern?* im Arch.
hthrop. 1876, briefliche Mittheilung an A. Ecker.
90 à Siehe meine bezüglichen Bemerkungen im Sitzungsb. Ges. naturf. Freunde, vom
*** October 1891, S. 169.
389)
(890)
zwischen Halle und Nordhausen, zwischen Quedlinburg und Magdeburg) von eine!
charakteristischen Steppenflora occupirt waren.
Die Beobachtungen von Mod. Bogdanow in den Wolga-Gegenden?) und die
umfassenden Ermittelungen Koeppen's über die Holzgewüchse Russlands?) übel"
haupt beweisen aufs Deutlichste, dass Wälder und Steppen vielfach in einander
greifen, und dass namentlich in früheren Zeiten (vor den Zeiten der schonungs
losen Vernichtung der Wälder) die Waldvegetation in Form von Waldinseln:
Uferwäldern, Waldzungen weit in die Steppen-Landschaften Russlands und Sibiriens
hineingeragt hat. Auch Sümpfe und Morüste sind den russischen und west
sibirischen Steppen keineswegs fremd.
Der Nachweis von interglacialen, bezw. postglacialen Torfablagerungen M
Deutschland mit Ueberresten einer Sumpf- und Waldvegetation kann durchaus
keinen iriftigen Einwurf gegen die von mir schon oft vertheidigte Annahme einer
interglacialen, bezw. postglacialen, keineswegs extremen Steppenzeit bilden. Eine
Steppenzeit von der Art, wie ich sie in meinen früheren Publicationen mehrfach
skizzirt habe, schliesst die Existenz von Wäldern und Sümpfen an geeigneten
Orten keineswegs aus. Vergl. diese Verhandlungen, 1882, S. 176, sowie mein
Buch über Tundren und Steppen, Berlin 1890, S. 59 ff. —
(15) Hr. Ehrenreich zeigt Photographien von der nach der Alt-
mark unternommenen Sommer-Excursion (S. 679).
(16) Hr. Maass stellt zwei Tütto wirte, den Engländer. Hr. van Burg und
seine aus Chicago gebürtige Frau, vor. -
Beide zeigen Tättowirungen von ungewöhnlicher Sauberkeit und Feinheit der
Zeichnung über den ganzen Körper, wie sie von einzelnen Japanern bekannt sind.
Das Ehepaar wird in dem Passage-Panopticum gezeigt, dessen Director, Hr.
Neumann, in gewohnter Bereitwilligkeit ihre Vorfiihrung in der Gesellschaft ge
stattet hat.
(17) Hr. Paul Ascherson übersendet folgende
Nachträgliche Mittheilungen über Mandragoras.
Hr. J. G. Wetzstein hat in Bezug auf die Mittheilungen der HHrn Felix
v. Luschan, R. Beyer und P. Ascherson (S. 726 — 146) ein Schreiben an de?
letzigenannten gerichtet, aus dem Folgendes entnommen wird:
,Ein Hauptfundort des Alrauns in Syrien ist der Krater des Eruptionskegels
Tell el-gumü in Haurän; man kann dort in der ersten Hälfte des Mai leicht
einen Scheffelsack seiner goldgelben, duftenden Früchte sammeln. Eine Karte seiner
Umgebung befindet sich in meiner Abhandlung über das Hiobskloster, welche dem
Delitzsch'schen Kommentare zum Buche Hiob, Leipzig 1876 angehüngt ist.
Der heutige Name des Alrauns ist in Syrien gerábüh (el >), was mog-
licher Weise eine absichtliche Entstellung des schriftarabischen Namens jabrüh
e 542) ist, welcher keine dem Volke zusagende Deutung gestattet, während büh
1) Vergl. meine bezügliche Abhandlung in der Berliner Zeitschr. f. Erdk,, 1891, Heft 4,
S. 904 ff.
2) Die geographische Verbreitung d. Holzgewüchse im europ. Russland, St. Peters-
burg 1888/89,
(891^
e) die Endsilbe von Gerâbüh, den Geschlechtstrieb bedeutet, dem Worte
S0 die Bedeutung Aphrodisiacum geben mag, was ja die Aepfel des Alrauns
(nach Genesis 30, 14) waren und wohl noch sind.
W ,Nach der Mittheilung des Hrn. v. Luschan (S. 128) leitete man ihm das
m. Jabrüh von der Wurzel barah ,fliehen“ ab. Ich halte das Wort jabrüh
ent ein urspriinglich arisches, das sich die Semiten mundrecht gemacht, d. h.
vo Stellt haben. Der Glaube von den Wunderkräften des Alrauns ist ohne Zweifel
Ge. den Persern zuerst zu ihren Nachbarn, den Aramäern, gekommen (auch
goss 30, 14—16 spielt im Lande der Aramáüer) und von diesen zu den übrigen
y tenstämmen. Wenn nicht nur die Semiten, sondern auch, nach Grimm, die
deutschen erzählen, dass die Alraun-Wurzel nur durch einen Hund ausgezogen
s den könne, so heisst diese Pflanze bei den Persern geradezu die ,Hund-
Usgezogene“ (segken). Die Araber haben unsicher an dem Worte jabrüh herum-
Setastet, Das botanisch-zoologische Lexicon Maläjesa (Kónigl. Bibliothek in Berl.
ect. Wetzst. IL Nr. 1170, fol. 237a) sagt, ‘der Name bedeute je üzuh rüh
(s sx), „es braucht (die Pflanze nur noch) Leben“, da ihre Wurzel alle
Menschlichen Glieder besitzt. Hiernach wäre jabrüh eine Zusammenziehung aus
Jabi rûh (ev ert = IN alt m ny). Aehnlich üussert sich das botanische
Lexicon des Dá'üd el-Antáki. Das franz.-arab. Lexicon des Kopten Bocthor
y nat neben jabrüh noch abü rüh, ,die mit Leben begabie Pflanze“, und in
ann Sren'S Dictionnaire steht abrûh, wohl als spätere Zusammenziehung von
v À rûh. Der arabische Kämüs hat beirüh, was wohl ein Schreibfehler des
, CHassers isí, und der türkische Kämüs erwähnt zwei Namen: !. Jabrüh es-
Sam, ,der Gótzen-Alraun*, 2. abd es-Salám, ,der Knecht des Allheiligen^,
i abergläubische Entstellung des richtigen Abü-s-seläm, „der Heilbringende“,
(hs antiphrastisch „der Unheilbringende^, denn der Semit liebt es nicht, das
Psische und moralische Uebel bei seinem wahren Namen zu nennen (vergleiche
x ,Huld Gottes*, d. h. die schwere Krankheit, mebrük ,gesegnet“, d. h. un-
Kaci, sâlim „unversehrt“, d.h. von einer giftigen Schlange gebissen). Der
P genannte Name ,Knecht des heiligen Gottes“ will sagen, dass alle Ge-
an ble verpflichtet sind, ihrem Schüpfer zu gehorchen und kein Unheil auf Erden
PA urichten; der Name ist also zugleich eine Formula averruncans der gefährlichen
anze gegenüber.
e Richardson $ Persischem Lexicon heisst es unter astereng (ein per-
fa er Name des Alraun): “The Persians call the mandrake also abrewi zanam
Tes. of an idol“ and merdum-giah „the man plant“ on account of the strong
lance of the root to the human figure. The Arabians call it sirüg-Kotrub
adi candle“ on account of its shining appearance in the night from the
Aeli re of glowworms, which cover the leaves”. [Offenbar eine Erinnerung an
ans dyhad¢uri. P. Ascherson.]
in Aus dem persischen Abrewi, oder vielmehr aus der Form, die dieses Wort
Pere früheren Stadium der persischen Sprache hatte, wird das arabische
Heide: A entstanden sein. Janam hiess der Stammgótze zur Zeit des arabischen
rosso ums: Jetzt, wo die Stämme keine Götzen mehr haben, ist Sanam der
a eines Nomadenstammes (also das Palladium des Stammes). Aus dem
ine, ten merdum-giah „die Menschen ähnliche Pflanze“, oder vielmehr aus
einhoi, teren Form dieses Wortes, wird das griechische Mavdparydpas, das kein
misches Etymon hat, entstanden sein.“
era
(892)
Hr. P. Ascherson hat dem noch Folgendes hinzuzufügen: Eine gewisse Vel"
mengung der Angaben über Mandragoras mit denen über die Arum - Wurzel [viel
leicht veranlasst durch die Namensähnlichkeit von luffah (8.737, Fussn. 3) und
lf (S. 731, Fussnote)], scheint auch bei den heutigen Orientalen vorzukommeP"
Dies scheint mir aus der folgenden Anmerkung des kürzlich verstorbene?
General-Consuls Rosen zu Seetzen IV. S. 284 hervorzugehen, auf die mich Freund
Wetzstein aufmerksam macht: ,Abd-es Selám heisst in Jerusalem der Arons
wurz [sic], dessen eigentlicher Name làf (qu) ist. Die Mandragora heisst
Jerusalem nur Sn eu tuffah el-megánin (Tollapfel)*. Letzterer Name
ist offenbar identisch mit dem oben (S. 736) aus Algerien angeführten tuff âh-el-
djinn, der mir authentischer scheint. Die Etymologie des arabischen (wie wi"
S. 728 und 737 sahen, auch in Persien gebrüuchlichen) Wortes luffah anlangends
so findet sich in Richardson’s Lexicon das Adjectiv lefbán in der Bedeutung
giftig; es führt auf ein Zeitwort ex lafah giftig sein. Wäre das richtig (was
sich jedoch bezweifeln lässt), so bedeutet e luffáh den Giftapfel.
Ich verweise schliesslich auf die ausführlichen Mittheilungen des Hrn. W etz-
stein über den Dudaim, welche in Delitzsch's ,Biblischem Commentar zu de?
poetischen Büchern des Alten Testaments, IV. Band, Hoheslied und Koheleth,“
Leipzig 1875, S. 439— 445 abgedruckt sind, und denen die obigen Angaben grössten”
theils entnommen sind. Der oben genannte DXüd kennt ebenfalls, wie die M@
läjesa, den Volksglauben, wonach die Alraunwurzel die Gestalt „zweier sich um”
armender Liebenden“ hat, weiss auch, dass sie nur (mit Lebensgefahr) durch einen
Hund ausgezogen werden kann, und berichtet ihre Anwendung als Aphrodisiacum
und sonstiges Arznei- und Zaubermittel. Interessant, weil mit dem oben (S. 741)
von Hrn. Perrin mitgetheilten deutschen Folklore übereinstimmend, ist seine An-
gabe, dass gegen Krankheiten eines Mannes das entsprechende Glied vom weib-
lichen Theile der Wurzel helfe, wogegen einer Frau der entsprechende Theil des
in der Wurzel dargestellten Mannes heilsam sei. —
(18) Eingegangene Schriften:
1. Kollmann, J., Die Kraniometrie und ihre jüngsten Reformatoren. München
1891. (Sep.-Abdr. Corresp. deutsch. anthrop. Ges.) Gesch. d. Verf.
2. Henner, Th., Jahres-Bericht des Historischen Vereins von Unterfranken und
Aschaffenburg für 1889/90. "Würzburg 1890/91. Gesch. des Histor. Vereins:
9. Bezzenberger. Ethnographisches aus dem Kreise Pillkallen. Pillkallen 1889.
(Sep.-Abdr. aus Dr. Schnaubert's Statist. Beschr. d. Kr. Pillkallen-)
Gesch. d. Verf.
4. Ploss, H., Das Weib in der Natur- und Völkerkunde. 3. Aufl Herausg:
von M. Bartels. Leipzig 1891. (VIIL—X. Lieferung.) Gesch. d. Hrn-
Sanitütsrath Bartels.
9. Lissauer, A. Die Prähistorischen Denkmäler der Provinz Westpreussen und
der angrenzenden Gebiete. Leipzig 1887.
6. Anger, S., Das Grüberfeld zu Rondsen. Graudenz 1890. (Abh. z. Landesk-
d. Provinz Westpreussen. Heft I.)
7. Lissauer, A., Alterthümer der Bronzezeit. Danzig 1891. (Abh. z. Landesk-
d. Provinz Westpreussen. Heft IL.)
Nr. 5— 7 Gesch. der Provinzial-Commission z. Verwalt. d. Westpr-
Provinzial-Museums.
6 7)
8. Objets du dernier âge du bronze et du premier âge du fer découverts en
Berry. Bourges 1891. Gesch. der Soc. d. Antiq. du Centre.
9 v. d. Schulenburg, Graf A. C. Grammatik der Sprache von Murray Island.
* Berlin 1891. Gesch. d. Verf.
10. du Bois-Reymond, Bericht über dic Wirksamkeit der Humboldt-Stiftung
für Naturforschung und Reisen. Berlin 1884. Gesch. d. Hrn. R.
Virchow.
ny acob, G., Welche Handelsartikel bezogen die Araber des Mittelalters aus den
nordisch-baltischen Ländern? Berlin 1891. (IL. Auflage.) Gesch. d. Verf.
3. y, Tschudi, J. J., Culturhistorische und sprachliche Beitráge zur Kenntniss des
alten Perû. Wien 1891. (Denkschriften K. Akad. d. Wissensch. Bd.
XXXIX. L) Gesch. d. Hrn. Dr. v. Tschudi. .
l3. Schneid er, J, Uebersicht der Lokalforsehungen in Westdeutschland bis zur
u Elbe. Düsseldorf 1891. Gesch. d. Verf.
: van der Chijs, J. A, Nederlandsch-Indisch Plakatboek, 1602 — 1811. Batavia
1891. Bd. VIII. (1765—1775.) Gesch. d. Datav. Gesellschaft.
l5. Sergi, Giuseppe, Crani Africani e crani Americani. Roma 1891. (Estr. Arch.
. anirop. einologia.) Gesch. d. Verf.
16. Treichel, A., Das Lied vom Krambambuli. Kónigsberg i. Pr. 1891.
(S.-A. Altpr. Monatschr.)
U. Derselbe, Das Alphabet in preussischen Redensarten. Kónigsberg i. Pr. 1891.
(S.-A. Altpr. Monatschr.)
Nr. 16 u. 17 Gesch. d. Verf.
l8. Krause, E., Die Anthropologen-Fahrt nach Salzwedel. (Aus der Post.
19 Juli 1891.)
» Derselbe, Dr. Otto Tischler T. S-A. ,Ausland" 1891.
- Derselbe, Altgermanischer Frauenschmuck. Der Bazar. Nr. 32. Berlin 1891.
9 Nr. 18—20 Gesch. d. Verf.
+ Reprints of three editorials regarding the priority in demonstrating the toxic
effect of matter accompanying the tubercle bacillus and its nidus. o. O. 1891.
39 Gesch. d. Bacteriological Laboratory Ac. Nat. Sc. Philadelphia.
+ Burgess, J., Mapping and place-names of India. (Extr. Se. Geogr. Mag.
93 1891.) Gesch. d. Verf.
9% Bonaparte, Roland, Assemblées démocratiques en Suisse. Paris 1890.
a, Derselbe, Démocratie Suisse. Paris 1890.
*9. Derselbe, Une excursion en Corse. Paris 1891.
% Nr. 23—25 Gesch. d. Verf.
. Steinbrecht, C., Schloss Marienburg in Preussen. Berlin 1891.
97 Gesch. v. Anthropologen-Tag in Danzig.
+ Klebs, Richard, Aufstellung und Katalog des Bernstein - Museums von
Stantien & Becker, Königsberg i. Pr. Nebst einer kurzen Gesch. des Bern-
98 steins. Königsberg 1889. Gesch. d. Verf,
' Sommerfeld, Erläuterungen Zur Bernsteinsammlung. Königsberg, 0. J.
99 Gesch d. Verf.
^^ Morselli, E., Sulla fossetta vermiana nei primati. Genova 1890. (Atti. Soc.
30 m. Ligust. Sc. nat.) Gesch. d. Verf.
: Rink, H., The Eskimo tribes. (Supplement) Copenhagen 1891. (vol. L
3. p u. IL) 188:—91. Gesch. d. Verf.
+ Baumann, Oscar, Usambara und seine Nachbargebiete. Berlin 1891.
Gesch. d. Verf.
#93
(894)
32. de Baye, J., Sépulture gauloise de Saint-Jean-sur-tourbe (Marne.) Paris 1891.
33. Derselbe, Rapport sur le Congrès archéologique et historique de Bruxelle*
Paris 1891. Nr. 32 u. 33 Gesch. d. Verf.
24. Hartmann, Herm. Ueber Hünenbetten im Osnabrück'schen. o. O. u. 4
(Aus Deutsche Culturgeschichte.) Gesch. d. Verf.
39. West, M., Growth of the face. New-York 1891. (Science.)
36. Hoernes, M. Die Urgeschichte des Menschen nach dem heutigen Stande
der Wissenschaft. Wien 1892. (Lieferung 6—20.)
37. Derselbe, Referat über »Szombathy, Josef. Die Tumuli von Gemoinlebar?-
Ausgegraben von Dr. Adalbert Dungel, Wien 1890.“
Nr. 36 u. 37 Gesch. d. Verf.
38. Gütze, A., Die Gefüssformen und Ornamente der neolithischen schnurverzirte?
Keramik im Flussgebiete der Saale. Jena 1891. Gesch. d. Verf.
39. North, A. J., Descriptive catalogue of the nests and eggs of birds found
breeding in Australia and Tasmania. Sydney 1889. Gesch. v. Museu
40. Philippi, R. A. Descripcion de algunos ídolos Peruanos del Museo Nacional.
Santiago de Chile 1891. Gesch. d. Verf.
41. Nicolucci, G. I Celü e la formazione delle odierne nazionalita francese
spagnuola ed inglese. Saggio storico-antropologico. Napoli 1891. (Esir.
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42. Derselbe, Sguardo sull' etnologia dell Egitto. Napoli 1891. (Estr. Atlı
R. Accad. Sc.)
43. Derselbe, Il Darwinismo secondo i piü recenti studi. Napoli 1886. (Esir-
Rendic. R. Accad. Sc.)
44. Derselbe, L'uomo e le scimmie. Napoli 1891. (Esír. Atii Accad. Pontaniana.)
45. Derselbe, Un periodo preistorico. L'età del ferro. Napoli 1891. (Estr. Ati
Accad. Pontaniana.)
46. Derselbe, Gli Aryi e le origini Europee. Napoli 1891. (Estr. Atti Accad-
Pontaniana.)
47. Derselbe, I Semiti, quel che furono e quel che oggi sono. Napoli 1890.
(Estr. Atti Accad. Pontaniana.)
Nr. 41—47 Gesch. d. Verf.
48. Brower, J. V., The source of the Mississippi river. St. Paul 1891. Gesch
d. Verf. |
49. Radloff, W., Das Kudatku bilik des Jusuf Chass-Hadschib aus Bälasagun
St. Petersburg 1891. Gesch. d. Verf.
90. Kern, H., George Alexander Wilken. Braunschweig 1891. (S.-A. Globus.)
ol. Derselbe, Ter nagedachtenis van G. A. Wilken. Leiden 1891.
Nr. 50 u. 51 Gesch. d. Verf.
32. Sehmeltz, J. D. E., Nachruf an Wilken. (S.-A. a. Am Urquell II. 12.) (1891.)
Gesch. d. Verf.
53. Wilken, G. A., Néerologie. 0. O. u. J. Gesch. d. Verf.
24. Weber, E. Eine Wohnstüite aus der Jüngeren Steinzeit in Südost-Bayern-
München, o. J. (S.-A. Beitrüge z. Anthr. u. Urgesch. Bayerns.)
99. Derselbe, Bericht über neue vorgeschichtliche Funde in Bayern. München 1888:
Nr. 54 u. 55 Gesch. d. Verf.
06. Virchow, Rud., Der Stand der Cellularpathologie. Berlin 1891. (S.-À-
Arch. f. pathol. Anat. u. Physiol) Gesch. d. Verf.
91. Nehring, Die Rassen des Schweines. Berlin 1891. (Sep.-Abdr. aus Rohde'$
Schweinezucht.)
(80%)
08, Nehring, Ueber cine besondere Riesenhirsch-Rasse aus der Gegend von
Cottbus, sowie über die Fundverhältnisse der betr. Reste. Berlin 1891.
(S.-A. Siiz.-Ber. d. Ges. nai. Freunde Nr. 8.)
: Nr. 51 und 58 Gesch. d. Verf.
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0. Dergelbe, Sopra un teschio del primo periodo dell età della pietra. Napoli
1891.
81, Derselbe, Persistenza della forma cranica. Siena 1891. (S.-A. Riv. lt.
69 Sc. Nat.)
- Derselbe, Un sepolero dell’ età del bronzo in provincia di Benevento.
63 Siena 1891. (S.-A. Riv. It. Sc. Nat.)
- Derselbe, Intorno ad un altro cranio archeolitico rinvenuto nel comune
d'Arpino. Siena 1891. (S.-A. Rıv. It. Sc. Nat.)
64 Nr. 59.—68 Gesch. d. Verf.
. Cobo, P. Bern., Historia del Nuevo Mundo. Tomo IL. Sevilla 1891.
65 Gesch. von Don Jiménez de la Espada.
- Sehótensack, H. A., Ueber die Thraker, als Stammväter der Gothen, und
die verschiedenen Verzweigungen des gothischen Vólkerstammes. Stendal
66 1861. Gesch. d. Verf. /
- Festschrift zum fünfzigjährigen Jubiläum des Vereins von Alterthums-
freunden im Rheinlande am 1. October 1891. Bonn 1891. Gesch.
67 des Vereins.
. Buschan, G., Phônizische Grabstätten. Münster 1891. (S.-A. ,Natur und
68 Offenbarung*.)
- Derselbe, Referat über W. Splieth, eine wendische Ansiedelung am Schar-
See (bei Preetz). Braunschweig 1891. (S.-A. Arch. f. Anthr.)
69 Nr. 67 und 68 Gesch. d. Verf.
: Radde, G. K., Gesch. der Entwickelung des Kaukasischen Museums.
70 Tiflis 1891. Gesch. d. Verf.
"n Topinard, P., L'homme dans la nature. Paris 1891. Gesch. d. Verf.
- Hellmann, G., Meteorologische Volksbücher. Berlin 1891. Gesch. d. Ver-
79 legers.
- Schliemann, Sophie (Dr. Brückner), Heinrich Schliemann's Selbstbiographie.
Bis zu seinem Tode vervollstindigt. Leipzig 1892. Gesch. d. Heraus-
on geberin.
- Biekell, L., Hessische Holzbauten. Marburg 1891. Heft 2—3. 4°
74 Gesch. d. Hrn. Unterrichtsministers.
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15 Jacmel 1891. Gesch. d. Verf.
: Hoffmann, W.J., Folk-lore of the Pennsylvania Germans. Washington 1891.
16 (S.-A. Jour. of Amer. folk-lore.) Gesch. d. Verf.
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77. p vereins. 2 LL, | ul
: Politos, N. G., Lógós eisitérios eis to mathémates Héllénites Archaiólógias.
78 Athënais 1891. Gesch. d. Verf.
© V. Wiislocki, H., Märchen und Sagen der Bukowinaer und Siebenbürger
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“23e
(896)
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Herausgebers. .
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d. Statutenfrage. Leipzig v. J. Gesch. d. Hrn. Virchow.
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Mission des Arztes in China. Jena 1890. Gesch. d. Hrn. Virchow.
94. Pector, D., Apercu par ordre géographique des questions anthropologiques
/ et ethnographiques. Paris 1890. (S.-A. Congr. Int. Am.) Gesch. 4
Verf.
Chronologisches Inhaltsverzeiehniss
der
Verhandlungen der Berliner Gesellschaft
für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte. 1891.
Verzeichniss der Mitglieder des Vorstandes und des Ausschusses, der Ehren- und
correspondirenden Mitglieder S. 3, Verzeichniss der ordentlichen Mitglieder,
zunüchst der immerwührenden 8. 6.
Uebersicht der im Tausch oder als Geschenk zugehenden Zeitschriften S. 15.
Ausserordentliche Sitzung vom 10. Januar 1891. Heinrich Schliemann T 8.21. —
Trojanische Aegis- Urne. A. v. Heyden, R. Virchow S. 22. — Internationaler
geographischer Congress in Bern S. 23. — Internationaler Congress für Anthro-
pologie, prühistorische Archüologie und Zoologie in Moskau 8. 28. — Jahr-
buch der Gesellschaft für bildende Kunst und vaterländische Alterthümer zu
Emden. Unterrichtsminister S. 23. — Verzeichniss der von der anthropologischen
Gesellschaft an das Museum für Völkerkunde abgegebenen prühistorischen
Gegenstände S. 25. — Commission für die einheitliche Erforschung des ró-
mischen Grenzwalles in Deutschland 8. 23. — Altpreussische Wirthschafts-
geschichte. Nehring S. 23; R. Virchow S. 24. — Begräbnisse der jetzt lebenden
Eingebornen in Brasilien. C. Rath S. 24. — Fruchtkuchen (Patai) aus Salta,
Argentinien. R. Virehow 5. 30. — Distomum haematobium (Bilharzia) aus Süd-
africa. R. Virehow S. 30. — Ausgrabungen im Litorale und in Istrien, Urnen-
harz in S. Lucia und Caporetto. Marchesetti. Salkowski S. 31. — Dreikópfige
Figur in Brixen. Vater S. 32; W. Sehwartz, R. Virchow S. 33. — Photographien
aus Java. A. Büssler S. 33. — Parallelen in den Gebrüuchen der alten und der
jetzigen Bevölkerung von Cypern (26 Zinkogr.). M. Ohnefalsch-Richter S. 34. —
Zur Anthropologie der Westafricaner, besonders der Togo-Stimme. L. Wolf,
R. Virchow S. 44. — Amazonen des Konigs von Dahome. . Rob. Hartmann S. 64. —
Die Steinzeit der Lausitz und ihre Beziehungen zu der Steinzeit anderer
Länder Europas, insbesondere die hornfórmigen durchbohrten Henkel und das
Lochornament (7 Zinkogr.). A. Voss 8.71. — Haarzopf aus einem römischen
Bleisarkophag von Cöln. Voss S. 79. — Bronzefund von Tangendorf, West-
Priegniiz. Voss S. (9. — Bronzenachgüsse aus den Müncheberger Gussformen.
Voss S. 80. — Werk des Hrn. Munro über die Seebauten in Europa. Voss
8 8. 80. — Eingegangene Schriften 8. 80.
Sitzung vom 17. Januar 1891. Wahl des Ausschusses S. 81. — Mitglieder S. 81. —
Gedächtnissfeier für Schliemann S. 81. — Verzierter Nephrit-Ring von
Erbil, Mesopotamien (3 Zinkogr.). Blas, R. Virchow S. 81; Bartels, Ehren-
reich, G. Fritsch, H. Weiss S. 82. — Förderung der ethnologischen Unter-
suchungen in Indien. Risley S. 83; R. Virchow S. 85. — Ansiedelung der
Steinzeit im Gebiete der Stadt Werschetz, Ungarn (41 Zinkogr.). F. Millecker
S. 85. — Alte Ansiedelung in der Flur Ludosch bei Werschetz (4 Zinkogr-).
F. Millecker S. 94. — Zur Vorgeschichte der Obstarten der alien Welt. 6. Buschan
S. 97. — Algorrobe-Kuchen von Salta, Argentinien. F. Kramer, R. Virchow
S. 109. — Javanische Photographien. A. Bássler S. 110. — Diskussion über
die Amazonen von Dahome: Hóhenzahl des Kärpergewichts der ,Amazonen*
und Krieger. Mies S. 110. Herkunft der ,Amazonen*. R. Virchow, L. Fischer,
Verhandl, der Berl, Anthropol. Gesellschaft 1891.
57
(898)
G. Fritsch S. 113. — Sechsfingrige Hand eines Antillen-Negers, R. VirchoW
S. 114. — Altmexikanischer Federschmuck und militärische Rangabzeichen
(96 Zinkogr). E. Seler S. 114. Deutung des in Wien verwahrten alimexi
kanischen Federschmucks (6 Zinkogr.) M. Uhle S. 144; E, Séler S. 155. —
Zur mexikanischen Ohronologie mit besonderer Berücksichtigung des zapote
kanischen Kalenders. E. Seler S. 156. — Eingegangene Schriften S. 156.
Ausserordentliche Sitzung vom 14. Februar 1891. Correspondirende und ordentliche
Mitglieder S. 157. — Fr. Schwatka T 8.157. — 18. Jahresbericht des west
fálischen Provincialvereins für Wissenschaft und Kunst. Unterrichtsminister S. 157.
— Ausgrabungen und Untersuchungen bei Ehestorf, Kr. Zeven, und bei Andet-
lingen, Kr. Bremervirde, Hannover. F. Tewes S. 157. — Photographische Auf-
nahmen der megalithischen Monumente der Altmark. Unterrichtsminister S. 159
— IX. Internationaler Orientalisten - Congress zu London S. 158. — V. Inter-
nationaler Geologen-Congress zu Washington S. 158. — Ethnologische Reise
an die pacifische Küste von Nordamerica. F. Boas S. 158. — Felsenzeichnung
von Vancouver Island (Zinkogr.). F. Boas S. 160. — Sagen der Kootenay
F. Boas S. 161. — Aleuten-Skelette 0. Herz S. 172. — Ethnologisches aus Ma
lacca. Vaughan Stevens S. 172. — Zur Aechtheit der mährischen Diluvialfunde
Maska S. 178. — Westpreussische Sehlossberge und Burgwülle: | Rathsdorf
(2 Situationsskizzen) S. 178; Borkau-Grabau S. 181; Lippusch Pápiermühle
S. 183; Sobiensitz (Zarnowitz) S. 184. A. Treichel. — Ornamentirte Urnen von
Hochstüblau, Kr. Pr.-Stargardt (3 Zinkogr.). A. Treichel S. 186. — Wosi-
preussische Häuser und Giebelverzierungen (42 Zinkogr.). A. Treichel S. 187-
— Die Handstand-Kiinstlerin Eugenie Petrescu (14 Zinkogr.). Hans Virchow
5. 189. — Kriegskeule eines Caraya-Hüuptlings, Brasilien. P. Ehrenrelch S. 219-
— Radsporen auf Siegehi, im Grabe Bernhart’s von Italien und auf einem
Relief am Dom zu Monza. Olshausen S. 219. — Römische Münzen aus der
Zeit vor Augustus im Küstengebiet der Ostsee. Olshausen S. 223. — Bevölkerung
der Haussa-Lünder. Staudinger S. 228. — Bororó, Brasilien. Ehrenreich S. 231.
— Photographien von Sumatra. A. Büssler S. 237. — Münzsammlung in
Barenau. Schierenberg S. 237. — Vorgeschichtliche Kartenzeichnungen in der
Schweiz (9 Zinkogr.). Fr. Rüdiger S. 237 ; RB. Virehow S. 242. — Grabelôffel
(2 Zinkogr.). A. Voss S. 242. — Bärtige Dame, Miss Jones (Autotypie)-
M. Bartels 5. 243. — Xiphodyme Gebrüder Tocci. R. Virchow S. 245. —° Ein-
gegangene Schriften S. 246. — Büchergeschenk der Frau Schlemm S. 246.
Sitzung vom 21. Februar 1891. Wahl des Ausschuss-Obmanns S. 247. — Ge-
dáchtnissfeier für H. Schliemann S. 247. — Reise des Hrn. Quedenfeldt
S. 247. — Coca und Kartoffeln. R. A. Philipi S. 247; R. Hartmann S. 248. —
Ausgrabungen auf der Wittekindsburg bei Rulle, Hannover. Unterrichts-
minister, Schuchhardt, R. Virchow S. 249. — Sport des Handlaufs und Depot
funde auf Island. W. Schwartz S. 250. — Zur Landkartenstein-Theorie (Taf. 1
und 3 Zinkogr.). K. Taubner S. 251; R. Virchow S. 258. — Museum für Volker-
kunde in Budapest. A. Hermann S. 258. — Das Weib. M. Bartels S. 258.
Durchlässigkeit vorgeschichtlicher Thongefüsse und deren hauswirthschaftliche
Verwendbarkeit. R. Buchholz S. 259; R. Virehow S. 261. — Mann (Büllersbach)
mit Riesenbart (Zinkogr.). R. Virchow S. 261. — Hügelgräber bei Kehrberg
Ostpriegnitz (35 Zinkogr.). Ed. Krause S. 262. — Griberfeld und Hiigelgrab
bei Milow, Westpriegnitz (Zinkogr.). Ed. Krause S. 276. — Die sog. Azteken-
M. Bartels, R. Hartmann S. 278; R. Virchow S. 279. _— Dualla-Knabe von
Kamerun (2 Autotypien). R. Virchow S. 280. — Papua-Knaben von Neu-
Britannien (Autotypie). R. Virchow S. 283; Graf Pfeil S. 284; Neuhauss S. 286-
— Der alte Bernsteinhandel und die Goldfunde (2 Holzschn.). Olshausen S. 286.
— Die Wenden der Niederlausitz (Taf. IL). Müschner, A. Schwartz S. 319;
R. Virchow, A. v. Heyden, R. Hartmann S. 394. — Büchergeschenk der Frau
Schlemm 8. 324.
Sitzung vom 21. März 1891. Gedächtnissfeier für H. Schliemann S. 325. —
Budezies, Bujack + S. 325. — Neue Mitglieder S. 325. — Reinwald T
S. 325. — Jubilium von Hauchecorne 8.325. — Reise des Hrn. F. Jagor
S. 325; — Einladung der Naturforschenden Gesellschaft zu Danzig zu einem
anthropologischen Vorcongress S. 395, — Versammlung der Fédération archéo-
(899)
logique et historique de Belgique zu Brüssel S. 326. — Petition um Gründung
eines deuischen National-Museums in Berlin S. 326. Antwort des Unterrichts-
ministers S. 329. Vorsitzender S. 329. — Vorlagen des Unterrichtsministers
8.399. — Neue Funde vom Zihleanal, Schweiz, namentlich Bronzering mii
Knópfen und Thierfiguren (1 Zinkogr. und 4 Autotypien). E. v. Fellenberg
S. 329; R. Virchow, A. Voss S. 333. — Bronzefibel einfachster Form von Gla-
sinac, Bosnien (25 Zinkogr.). M. Hoernes S. 334. — Das sächsische Haus um
Lübeck. Lenz S. 338. — Alter der Steinwaffen im Gebiete des Rio Cahy und
Forromecco, Brasilien (25 Zinkogr.) Kunert 5. 339. — Neue Funde im Bodensee.
Strass S. 345. — Silberfarbiges Haar in Griechenland. B. Ornstein S. 346. —
Photographien von Hissarlik. P. Ehrenreich S. 348. — Photographien von
Sulu, den Philippinen und Molucken. A. Bässler S. 348. — Ruinen von Zim-
babye, Südafrica. M. Bartels S. 348. — Schädel aus dem slavischen Grüber-
felde von Blossin, Kr. Beeskow-Storkow. R. Buchholz, R. Virchow S. 349. —
Tagalen-Knabe von Manila. Kuttner S. 350. — Reizsteine des Penis auf Su-
matra. Staudinger S. 351. — Neue Knochenfunde in den Hóhlen bei Rübe-
land im Harz. W. Blasius, Nehring S. 351. — Zeichnungen weiblicher Kopf-
trachten des 16. und 17. Jahrhunderts. A. v. Heyden S. 354. — Analysen kau-
kasischer und assyrischer Bronzen. R. Virchow S. 354; Vater S. 359. — Schädel
und Skelettheile aus Hügelgräbern der Hallstatt- und Tènezeit in der Ober-
pfalz (2 Zinkogr.). Naue, R. Virchow S. 359. — Xiphodymie (2 Autotypien).
R. Virchow S. 366. — Die sogen. Azteken und die Chua. BR. Virchow S. 370;
R. Hartmann S. 377. — Zimbäoe. R. Hartmann 8.377. — Spuren vom Einfluss
Indiens auf die africanische Vôlkerwelt. Merensky 8. 377; R. Virchow S. 380.
— "Zürich und das schweizerische Landesmuseum. Heierli S. 380. — Skelette
und Schüdel aus schweizer Grübern (2 Zinkogr.). Heierli S. 380; R. Virchow
S. 3889. — Geheimbünde der Küstenbewohner Nordwest-America's (8 Auto-
typien). J. Adr. Jacobsen S. 383. — Das Kochen der Indianer an der Nord-
westkiiste America’s und die Abnutzung ihrer Zähne. Ph. Jacobsen S. 395;
R. Virehow S. 396. — Eingegangene Schriften S. 396.
Sitzung vom 18. April 1891. Rückkehr des Hrn. v. LuschanS.397. — L.Müller T,
Dr. Golidammer T, S. 397. — Neue ordentliche und correspondirende Mitglieder
8.397. — Gustav Dieffenbach T 8.397.— Deutscher anthropologischer (Kónigs-
berg-Danzig), internationaler prühistorischer und zoologischer (Moskau) und
Americanisten- (Huelva) Congress S. 397. — Freie photographische Vereinigung.
K Bock S. 398. — Goldbrakteat von Rosenthal. Olshansen S. 898. — Bear-
beitete Knochen und Geweihstücke aus Grimme, Kr. Prenzlau. R. Buchholz,
Nehring, R. Virchow S. 399. — Kostbare Perlen der Basutho in Transvaal
(15 Zinkogr. M. Bartels S. 399. — Degenschlucker Heinicke (Benidelli).
Hans Virchow S. 401. — Bronzeschmuck von Alt-Storckow, Kr. Stargard,
Pommern (3 Zinkogr.). Schumann 8.405, — Ueberlebsel aus früheren Zeiten
[Pferdeschmuck, Adlerstein u. S. w.]. (2 Zinkogr.) v. Chlingensperg-Berg S. 407.
— Städtische Geldbewilligung für das "Trachten-Museum. R. Virchow S. 409.
— Geschenk des Alterthumsvereins zu Mannheim S. 409. — Aehnlichkeit der
schleswigschen Bauernhôfe mit Gebäuden der mitileren und älteren Zeit,
Mejborg S. 409. — Volksbibliothek in Wels, Oesterreich. Laurencak S. 410. —
Archaische Gräber bei Syracus mit eigenthümlichem Geräth von trojanischem
Muster und Schädel von Megara Hyblaea. (Autotypie mit 7 Figuren und
3 Holzschnitte.) P. Orsi S. 410; R. Virchow S. 411. — Principien der metro-
logischen Forschung und das ptolemäische System. C. F. Lehmann S. 414. —
Verhandlungen des VIII. russischen. Archüologen-Congresses in Moskau 1890.
Grempler S. 414. — Abguss eines Elchhorn-Instruments mit gezühnter Schneide
aus Osswitz, Breslau. Grempler S. 425; E. Krause, Olshausen S. 496. — Goldfund
aus Schlesien (Zinkogr.) Grempler S. 426. — Burgwall von Heidevorwerk, Kr.
Wohlau. Grempler S. 427, — Schädel aus schlesischen Grüberfeldern. Grempler,
R. Virehow S. 427. — Heteradelpher Inder Laloo. R. Virchow 8.428. — Ein-
, Segangene Schriften S. 431.
Sitzung vom 30. Mai 1891. Richard Schomburgk, Niendorf, Sokolowski,
Handelmann + S.433. — Tischler's Erkrankung. Verlegung des anthro-
pologischen Congresses nach Danzig S. 433. — Jubilàum von Beyrich S. 433. —
ror
^
(900)
Rückkehr des Hrn. Bastian S. 433. — Reise des Hrn. Jagor S. 433. —
Neues Mitglied und Gäste S. 433. — Sachverständigen-Commissionen des
Museums für Völkerkunde S. 434. .— Congresse S. 434. — Geographische
Section der Gesellschaft der Freunde der Naturwissenschaften zu Moskau
S. 434. — Americanistische Ausstellung zu Madrid S. 434. — Geschenk des
Werkes über die Forschungsreise der Gazelle S. 434. — Sendungen des Uníer-
richtsministers S. 434. — Die ostpreussischen Lippowaner. E. Lemke S. 434. —
Bandweben in Ostpreussen. E. Lemke S. 435. — Weihnachtsbäume. E, Krause
S. 435. — Eingeborne der Philippinen. Blumentritt S. 436. — Kopfmessungen
an Tungusen. 0. Hertz S. 436. — Wiederauffindung des Rómercastells
(Munitium) im Lande der Chauken. v. Stoltzenberg S. 438. — Välksthümliches
aus Rügen. W. Schwartz S. 445. — Prühistorische Funde aus Ketzin, Ost-
Havelland (4 Zinkogr.). W. Schwartz S. 457, R. Virchow S. 459. Zeusbild
aus Ilium (6 Zinkogr.). Krause-Gleiwitz S. 463. — Das früheste Vorkommen
arabischer Zahlenzeichen in Deutschland (2 Schriftproben). Mehlis S. 464,
R. Virehow S. 465. — Neue Slavengrüber bei Sobrigau, Konigr. Sachsen. Theile
S. 465; R. Virchow S. 466. — Freiliegende neolithische Skeletgräber von Glasow
bei Löcknitz, . Pommern (1 Zinkogr.). Schumann S. 467. — Blutstein von
Reichenhall (2 Zinkogr.). v. Chlingensperg-Berg S. 469. — Nachtigal's Büste
in Stendal. W. Reiss S. 469. — Photographische Aufnahmen in Hissarlik.
Ehrenreich S. 469. — Frühreifes Müdchen aus Berlin. R. Virchow S. 469. —
Urnenfeld bei Münchehofe, Berlin. Giebeler S. 470. — Fetisteissbildung beim
Menschen und gewissen Säugethieren, Fettbuckel der Zebu und Kamoele.
R. Hartmann S. 470. — Neue Feuersteingeräthe aus Aegypten und Mr. Flinders
Petrie's neueste Forschungen (hierzu Taf. VII— X). W. Reiss S. 474; R.
Virchow S. 478, — Lappen. R. Virehow S. 478. — Eingegangene Schriften
S. 480.
Sitzung vom 20. Juni 1891. Otto Tischler 1 8.488. — Berufung des anthropo-
logischen Congresses nach Danzig S. 484. — Raschkow t, Escher-Züblin T
S. 484. — Neue correspondirende Mitglieder S. 484. — Nachtigal-Denkmal in
Stendal S. 484. — Excursion nach der Alimark S. 485, — Jahresversammlung
der Niederlausitzer Gesellschaft S. 485, — Geographischer Congress in Bern
S. 485. — Ethnologische africanische Ausstellung S. 485. — Reise des
Dr. Steinbach S. 485. — Altmexicanischer Federschild in Ambras. Frau
Zelia Nuttall S. 485. — Silberring zum Bogenspannen (2 Zinkogr,). R. Virchow
S. 486. — Pommersche Skeletgrüber der Steinzeit von Casekow und Oberfier.
Schumann S. 487. — Reise nach dem Negeb. Bracht S. 490. — Ausgrabungen
von Sendschirli v. Luschan, Koldewey S. 490. — Zeitschrift „Süd- Amerika“
S. 490. — Geknöpfte und mit Thierfiguren besetzte Bronzeringe (6 Autotypien
und Holzschn.) ^R. Virchow S. 490. — Das dänische Haus in Deutschland
(10 Zinkogr. und 3 Holzschn.) M. Uhle S. 493. — Metrologische Studien im
British Museum (26 Zinkogr.). C. F. Lehmann S. 515. — Wiügungen orien-
talischer Fundstücke aus Gold (2 Zinkogr.). C. F. Lehmann S. 530. — Sagen
aus British Columbien (Shushwap, Ntlakyapamuq, Sagen vom unteren Fraser
River). F. Boas S, 532. — Eingegangene Schriften S. 576.
Sitzung vom 18. Juli 1891. Erwählung des Hrn. Virchow zum Ehren-Präsidenten
der Gesellschaft S. 577. — Gäste und Mitglieder S. 577. — Nachtigal-Denkmal
in Stendal S, 577. — Anthropologische Generalversammlung in Danzig und
weiteres Programm 8. 577, — Colonial-Nachrichten. Zintgraff, Kayser S. 571.
— Schädel aus dem Negeb (Situationsskizze). Bracht S. 578, R. Virchow S. 580.
—- Vorslavische Funde aus der Niederlausitz (Niemaschkleba, Christianstadt,
Friedland, Ossig, Reichersdorf) [14 Zinkogr.]. H. lentsch S. 583. — Slavisches
Griberfeld mit Skeletten und Leichenbrand auf dem Silberberge bei Wollin,
Pommern (1 Zinkogr.). Schumann S. 589. — Zwei neue Bronzesporen von
Obliwitz und Lübgust, Hinterpommern (7 Zinkogr.). Schumann S. 593; Ols-
hausen S. 595. — Spornähnliche Gegenstände. Olshausen S. 596. — Nephritbeil
aus der Gegend von Ohlau, Schlesien (3 Zinkogr.). Schoetensack S. 596. —
Jadeitbeilehen vom Ebersberg, Braunschweig. Kloos, R. Virchow S. 601. —
Tempelbild aus den Konigsgribern von Mykenae. (3 Zinkogr.). Krause S. 602.
— Das Palladium in der mykenischen und tirynthischen Darstellung (4 Zinkogr.)
SE
EVA
(901)
Krause S. 603. — Die Roggenkorngemmen des frühchristlichen Kirchengéráthes
(21 Zinkogr.). H. Sükeland S. 606; R. Virchow S. 628. — Sagen aus British-
Oolumbien (Cowitehin, Snanaimuo, S'kgômic, Lku'hgen) [Forts.]. F. Boas
S. 6298. — Combinirte Porträt-Photographien nach Bowdich. Franz Schmitt
S. 645. — Acten des IL. internationalen Congresses der Criminal-Anthropologie.
Magitot S. 645. — Das dünische Haus in Deutschland (Forts.). U. Jahn 8. 645;
Uhle, R. Virchow S. 648. — Aegyptens auswürtige Beziehungen hinsichtlich der
Culturgewächse. 6. Schweinfurth S. 649; R. Hartmann S. 669. — Nachbildung
der Berner Elfenbeinkanne. F. v. Luschan S. 669. — Bogenspannen (12 Auto-
typien und Zinkogr.). V. Luschan S. 670. — Bohnen der Canavalia von den
Chinhill’s in Hinter-Índien zur Dereitung von Schiesspulver. Nütling, R. Virchow
S. 678. — Excursion nach Salzwedel und in das megalithische Gebiet der
Altmark (Autotypie). R. Virchow 5. 679; E. Krause S.682. — Der moderne
Proteus und der Hautmensch. R. Virchow S. 689. — Eingegangene Schriften 5. 684.
Sitzung vom 17. October 1891. Ehren-Prüsident S. 687. — Legat von H. Schlie-
mann S. 687. — Staatsbeihülfe für die Gesellschaft S. 687. — Fräulein
J. Mestorf S. 687. — Todesfälle (Kopernicki, Wilken, Hahn, Queden-
feldt, Voigtel, Rackwitz, Fabri) S. 688. — Neue Mitglieder S. 688. —
Jubiläum von W. Schwartz & 688. — Dr. F. Jagor S. 689. — 50jähriges
Jubiläum des Vereins von Alterthumsfreunden im Rheinlande $8. 689. —
Hauptversammlung der Oberlausitzer Gesellschaft für Anthropologie und Ur-
geschichte S. 689. — Russisches Institut zur ethnographischen und archäo-
logischen Erforschung des Orients in Constantinopel S. 689. — Papuanische
Gesichismasken. Schellong, Castan S. 689. — Expedition nach den central-
africanischen Seen. Borchert, Graf Schweinitz S. 690. — Prühistorischer
sicilianischer Bernstein. P. Orsi S. 690. — Ausgrabungen zu S. Lucia im Litorale
und archaische Bronzefibel (Zinkogr.). Marchesetti S. 691. — Nephritgruben
von Schachidula und Schleiferei von Chotan (Situationsplan). Conradt S. 692;
R. Virchow S. 693. — Usambara, Ost-Africa. Conradt S. 693. — Prühistorische
Steinwaffen in Ober-Birma (2 Holzschn.) Nütling S. 694; R. Virchow S. 695. —
Caximbos in Siid-Brasilien (22 Zinkogr.). Kunert S. 695. — Darstellungen aus
der mykenischen Gotterwelt (2 Zinkogr.). Krause S. 699; R. Virchow S. 701. —
Steinzeitliche Ornamente aus Pommern (12 Zinkogr.). Schumann S. 102. —
Slavische Schädel vom Galgenberg und Silberberg bei Wollin, Pommern.
Schumann S. 704. — Gräberfeld auf dem Galgenberge und slavische Grabfunde
bei Wollin (12 Zinkogr.). Walter 9. 708. — Steinmulden im Fichtelgebirge
(5 Zinkogr.). L. Zapf S. 717. — Erläuterungen und beweisende Vergleiche zur
Steinkarten- Theorie (12 Zinkogr.). F. Rüdiger S. 719. — Wohnhäuser ohne
Schornstein in Hinterpommern. E. Lemke S. 725. — Schwanzbildung beim
Menschen auf Sumatra. Bartels S. 725. — Hôlzernes Thürschloss von Barbis
im Harz (2 Zinkogr.). v. Alten S. 725; R. Virchow 5. 726. — Photographien
der ältesten ägyptischen Bronzen des Berliner Museums. €. Günther S. 726. —
Erwerbungen des Märkischen Provinzial-Museums. Buchholz S. 726. — Man-
dragora-Wurzeln (6 Autotypien). v. Luschan S. (26; P. Aseherson S. 729; R.
Beyer S. (38. — Photographien der Benong Ahong, Nhongeh. Rosset S. 146.
Generalversammlung der deutschen archäologischen Gesellschaft und Stand
der archäologischen Forschung in West- und Ostpreussen. R. Virchow S. 746.
— Die altpreussische Bevölkerung, namentlich Letten und Litauer, sowie deren
Hiuser (11 Zinkogr.). R. Virchow S. 767. — Eingegangene Schriften S. 805.
Sitzung vom 21. November 1891. Ausschuss 8. 807. — Neues Mitglied. S. 807. —
Ragotzky T 9.807. — Früulein E. Lemke S. 807. — F. Jagor S. 807. —
Alte chinesische Metallspiegel. Fr. Hirth 5. 807; R. Virchow S. 809. — Bericht
aus Formosa. Hirth S. 810. — Setzerstrike S. 810. — Reise des Dr. Joest
S. 810. — Rückkehr des Dr. Belck S. 810. — Americanistische Studien prä-
columbisches Tabakrauchen und Caximbos. V. Ihering, Bartels S. 811. —
Deutsche Zeitung für Rio Grande do Sul. 9. 811. — Mikrocephale wbn Oro-
tava. Habel S. 812. — Handelsmuseum in Bremen 8. 812. — Biographie von
H. Schliemann 8. 812. — Archaische Topfscherbe, angeblich aus der zweiten
trojanischen Stadt (Zinkogr.). Appleton S. 812; R. Virchow S. 813. — Bronzeringe
mit Knöpfen und Thierköpfen aus Böhmen und Ungarn (7 Zinkogr.). Szombathy
(902)
8.814. — Wilder Mensch von Trikkala in Thessalien. Ornstein S. 817; R.
Virchow S. 818. — Spandauer Schädel. Vater, R. Virchow S. 818, — Hügelgrab
der älteren Bronzezeit von Mühlthal, Ober-Bayern. Naue S, 822: Schädel und
Skelet. R. Virchow S. 824. — Bêsemer oder Däsemer? Höft S. 826. — Crema-
torium in Hamburg S. 827. — Hessische Holzbauten. Bickell, Unterrichtsminister
S. 827. — Brasilianische Indianer. P. Ehrenreich S. 828. — Ethnographische
Ausstellung in Prag 1893, S. 828. — Alterthümer aus Coban in Guatemala
insbesondere abgeschnittene Finger. E. Seler S. 828. — Reisen von Vaughan
Stevens in Malacca (Kartenskizze). Grünwedel S. 829; Staudinger S, 836; R.
Virchow S. 837. — Die wilden Eingeborenen von Malacca (4 Zeichnungen).
R. Virchow S. 837. — Im Norden gefundene vorgeschichtliche Trompeten
(4 Holzschn.). Olshausen S. 847. — Rillen an dgyptischen Tempeln (2 Auto-
qpien). lunghándel S. 861; R. Virchow GS. 863. — Eingegangene Schriften
. 868.
Sitzung vom 19. December 1892. Dom Pedro IL d'Aleantara + S. 865. —
Ewald, Römer, Liman, Hunfalvy + 8.865. — Neues correspondirendes
und Ehrenmitglied S. 866, — Verwaltungsbericht für 1891. R. Virchow S. 866. —
Rechenschafisbericht fiir 1891. W. Ritter S. 374. Decharge S. 875. — Rechnung
der Rudolf Virchow-Stiftung für 1891, S. 875. — Neue Mitglieder S. 876. —
Wahl des Vorstandes für 1892, S. 876. — Dronzeringe mit angesetzien Warzen
in den Sammlungen des Prager Museums (14 Zinkogr.). W. Schulz S. 877;
Szombathy S. 880. — Photographie eines litauischen Bauerngehôfts in Minge
und photographische Aufnahme der Congress-Mitglieder. Bezzenberger S. 881.
— Photographien von Matebelen. Bartels &. 881. — Durchlochte Nadeln aus
californischen Griibern (7 Zinkogr.). E. Lemke S. 881. — Diluviales Pflanzen-
lager von Klinge bei Cottbus. Nehring S. 883. — Photographien von der alt-
mürkischen Excursion. Ehrenreieh S. 890, — Mandragoras. P. Ascherson, Wetz-
stein S. 890. — Eingegangene Schriften S. 899.
Autoren - Verzeichniss.
v. Alten, Baron 725, 866. Blumentritt, F. 436.
André, R. 24, 258. Boas, Fr. 158, 160, 532, 628,
Anger 329, Bock, K. 398.
Appleton, Henry 812. Borchert, O. 690.
Ascherson, Paul 729, 890. Bracht, Eugen 490, 578.
Rässler, Arth. 33, 110, 237, 348. Brackebusch, Ludw. 30, 248.
Bagalej, J. 417. Brockhaus, F. A. 819,
Bapst 29. Buchholz, R. 259, 349, 726.
Bartels, M. 82, 243, 258, 278, 348, 690, 725, Budezies (f) 325.
791, 811, 881. Bujack (+) 825.
Bastian, A. 258, 433. Buschan, G. 97.
de Baye, Baron J. 425. Cartailhac, E. 494,
Becker (Lindau) 75. Castan, G. 66.
Behla 71. —, L. 110, 219, 310, 478, 689,
Belek, W. 810. Chainowsky, J. 420.
Beyer, R.4738. v. Chlingensperg-Berg 407, 469,
Beyrich, 577, 867. Cohn, H. 22.
Blas, O. 81. Conradi, Leop. 692, 693.
Blasius, W. 352. Ehreureich, P. 82, 219, 237, 348, 469, 828, 890.
Blumentha! 118. Engler, A. 678,
(903)
^ F'ellenberg, Edm. 329. | Laurentak 410.
Pischer, Louis 113. Lehmann, C. F. 858, 414, 515.
de Fleury, L. 423. Lehmann-Filhés, Frl. M. 250.
Morschütz 491. Lemke, Frl. E., 434, 435, 725, 801, 881.
Friedel, E. 118. Lenz, H. 338.
Fritsch, G. 82, 119. v. Luschan, F. 397, 490, 669, 670, T26.
Germelmann 98. Maass 877, 890.
Élebeler, C. 470. Magitot 645.
Gôrke, F. 65. de Marchesetti 31, 691.
Srempler 414, 425, 426, 421. Maske, J. 178.
Y. Grombtschewsky 692. Mehlis, C. 464.
Sross, v. 22. Mejborg 409.
Örotrian, H. 352. Merensky 377, 399.
rinwedel 83, 829. Mestorf, Frl. J. 687, 866.
Sinther, Carl 278, 280, 726. Mies 110.
Suttmann, S. 245. Milchhöfer 22.
Nabel, Joh. 812. Milleker, Felix 85, 94.
Hartmann, R. 64, 237, 248, 278, 324, 377, 470, Moraes, L. 219.
669. Morgen, Kurt 280, 675.
Hartwich 158. Müschner 319.
Wauchecorne 895. Munro 80.
Heger, F. 414, 424. Naue, J. 359, 822.
Heierli, J. 350. Nehring, A. 28, 851, 399, 883.
Hein, 0. 23, Netto, L. 157.
Herrmann, Anton 258. Neuhauss, R. 286.
Hertz, Otto 172, 436. Neumann, R. 428.
Heyden, A. v. 22, 219, 324, 354, 407. Nitling, F. 618, 694.
Hirschfeld, G. 22. Nuttall, Zelia 191, 485.
Hirth, py. 807, 809. Ohnefalsch-Richter 34.
Hoernes, M. 334. Olshausen, O. 16, 219, 29, 261, 286, 398, 405,
Mift ¥. 96. 595, 841.
Jacobsen, J. Adr. 383. Ornstein, B. 346, SIT.
>, Phil. 395. Orsi, Paolo 410, 690.
Jadrincew, N. M. 421. Pedro H., Dom, d'Aleantara, Kaiser von Bra-
Jagor, F. 225, 438, 689, 807. silien (+) 865, 866.
Jahn, U. 645. Petrie Flinders 475.
Jentsch, H. 583. Pfeil, Graf Joachim 51, 284.
*. lhering 698, 811. Philipp, R. A. 241, 695.
Jost, W. 114, 810. Plath, H. 854, 358.
Junghaendel, M. S61. Poliwanow, W. N. 420.
Iwanowskij, A. A. 422. Posselt, Wilh. 848.
Kayser B. Quedenfeldt, M. 247.
Kling, Hauptm. 52, 55. Ranke, Joh. 325.
Kloos, J. H. 352. Rath, C. (S. Paulo +) 24.
Koldewey 490. Reinach, S. 173, 116.
Kramer, Fernando 109. Reiss, W. 469, 474.
Krause, Ed. 258, 262, 412, 426, 484, 485, 679. Rimbach, E. 35^.
682, 787, 790. Risley, H. H. 83.
—, Ernst H. L. 485. Ritter, W. 874.
— (Gleiwitz) 22, 468, 602, 603, 699. Rittinger, Ed. 486.
Khi 173, Rüdiger, Fr. 297, 257, 719.
Krüger (Lieberose) 485. Salkowski 31, 856, 679.
Kunert, A. 339, 695. Samokwassow, J. 417.
Kuttner 350. Schadt, B. 351.
Landolt 254. Schellong 689.
(904)
Schierenberg, G. A. R. 237. Tewes 157.
Schlemm, Frau 946, 394, 396, 576. Theile, Fr. 465.
Schliemann, Heinrich (+) 21, 247, 325. Tischler, O. (+) 73, 483.
—, Sophie 812, Treichel, A. 178, 186, 187.
Schmidt (Lagos) 118. Truhelka 336.
Schmitt, Franz 645. Uhle, M. 144, 493, 648.
Schoetensack, O. 596. Unterrichtsminister 23, 157, 158, 249, 329, 434,
Sehuchhardt 249. 687, 827.
Schultz 745. Vater 32, 359, 818. :
Schulz, Wenzel 877. Virchow, Hans 189, 401.
Schumann (Löcknitz) 405, 467, 487, 589, 593, —, Rud. 22, 24, 80, 33, 44, 81, 85, 109, 113,
702, 704. 114, 172, 242, 245, 247, 249, 261, 27%
Schwartz, Albert 22, 319. 280, 283, 286, 324, 329, 333, 349, 354
—, W. 38, 250, 278, 445, 457. 359, 866, 870, 382, 899, 409, 411, 427,
Schweinfurth, G. 649, 669. 428, 459, 465, 466, 469, 478, 486, 490,
Schweinitz, Graf 690. 571, 580, 601, 628, 648, 678, 679, 68%
Seler, Ed. 114, 156, 828. 687, 689, 691, 698, 701, 146, 161, 801,
Siehe 485. 809, 813, 818, 824, 837, 868, 865, 866;
Sizow, W. J. 493. 815.
Smirnow, J. N. 425. Voss, A. 71, 79, 80, 242, 249, 333.
Sókeland, H. 606. Walter (Stettin) 708.
Staudinger 228, 351, 836. Weiss, Herm. 82,
Steinbach 485. Wendland 30.
Stevens, Vaughan 172, 695, 838. Wetzstein, J. G. 890,
v. Stoltzenberg, Frhr. R. 249, 438, Wolf, Ludw. 44.
Strass, G. 345. Zapf, L. 717.
Szombathy 176, 814, 877, 880. Zintgraff 51, 281, 577,
Taubner, Kurt 251.
Sach - Register.
A. 475, 476, Hausthiere 656, Heimath von
Abbeokuta, Hauptstadt der Yoruba 69, Knochengeräthen in Tlios und Sicilien
Abendländische Alraune 738. — 412, Photographien ältester Bronzen 726,
Aberglàubische Curen durch Steingerüthe 478. Reise nach 810, Rillen an Tempeln 861.
Aberglaube 872, der Guaycurus 25, auf Rügen Aegyptens auswärtige Beziehungen hinsichtlich
457, der Westafricaner 45. der Culturgewüchse 649.
Abome (A’ghome), Hauptstadt von Dahome 66. Aeltere Steinzeit in Russland 419,
Abstammung der holsteinschen Inselbewohner Aelteste Hausform 410.
499. — Periode der Besiedelung Ostpreussens 758.
Abzeichen der Indianer-Geheimbünde 389. lepfel in Alt-Aegypten 98, ihr Alter 99, in
Acardiacus acephalus heteradelphus 481. Pfahlbauten 99.
Ackerbau der Haussa 236. Aestengräber in Ostpreussen 773.
Acolhua, Mexico 135. Aestler (Esten) - Galinder- Sudiner- Pruzzen 769.
Adamaua, Haussabevälkerung 228. Affenmenschen 243,
Adeli-Neger, Togo, Messungen 45. Africa s. Adamaua, Adeli, Aegypten, Asbins,
Adlerstein, Amulet, als Arzenei 408. Aschanti, Bali, Basutho, Binué, Dahome,
Adorf, sog. Dom-Reliquiarium 611. Distomum, Dualla, Haar, Haussa, Haut-
Acgis 605. farbe, Kartenzeichnung, Klein Popo, Mata-
Aegis-Urne, trojanische 22. belen - Photographien, Mikrocephale auf
Aegypten, Bernstein 294, Feuersteinmesser Tenerifa, Perlen, Usambara. Zimhabye.
‘ C]
Albinistischer Zustand der Augen bei Litauern ' pasken, Azteken, Bacahiri, Bella Coola,
782. Bolivia, Bororó, Botocudos, Britisch Co-
Album der Mitglieder 874. lumbia, Cafusos, Californien, Caraya,
Altmannisches Grab, Zürich 382. Caximbos, Chile, Chinook, Chinos,
Alemannische Hausanlagen in der Altmark 682. Chuñu, Coca, Coroados, Cowitchin,
Aleuten-Skelette 172. Deutsche Zeitung in Rio Grande, Ge-
Vtorrobe- Kuchen in Argentinien 30, 100. heimbiinde an der Nordwestkiiste, Guate-
Alisy, róm, Fort, an der Lippe 439. mala, Kartoffeln, Kochen, Kooteney,
Alknicken, Ostpreussen, Hügelgräber 759. Kriegskeule, Landkartenstein, pliocäner
Allenstein, Alterthümer und Bauernhäuser im Mensch, Mexico, Peru, Sagen, Tabak-
Kreise 766, 788. rauchen, Zähne.
Allerhühnchen (Alraun) 143. Americanisten-Congress in La Rabida 397.
Allermannsharnisch 140. Americanistische Studien 811.
Alling, Victorialis im Aberglauben 740. Amulet und Arzenei, Blutstein 469.
ie in Aegypten 657. — aus Bronze 331.
range 726, abendländische 738, aus Bernstein Analyse kaukasischer und assyrischer Bronzen
143, Herstellung 739, zu Curen 745. 354, von schlesischem Nephrit 598. s.
Alsengemmen 618. Bronzen.
Alichristliche Kirchen in S’baita 578. Anderlingen, Hannover, Ausgrabungen 157,
Alte Ausiedelung in der Flur Ludosch der Ge- Urnenfriedhof 158.
markung der Stadt Werschetz, Ungarn 94. Anhalt, Altenburg, Doppelaxt 460, Trompeten-
Alte chinesische Metallspiegel 808. Mundstück von Latdorf 848.
Alten, Baron von, 70. Geburtstag 866, Ehren- Anna, St, Reliquienarm, Gemmen 606, 611.
Mitglied 867. Anomalien im Knochenbau eines Wei-Negers 54.
Altenburg, Anhalt, Doppelaxt 460. Ansiedelung der Steinzeit bei Werschetz, Ungarn
Alter, hohes, der Botocudos 26, der geknöpften 85, 94.
Bronzeringe 492, der Caximbos in Bra- Ansiedelungsplätze in Bosnien 387.
silien 695, geringes der Pruzzen - Grä- Anthropologen-Congress in Preussen 746, Photo-
ber 769, der Mongolengräber 421, der am graphie 881.
Rio Cahy und Forromecco gefundenen Anthropologie der Togo-Stämme und der West
Steinwaffen 339, 698, der Roggenkorn- Africaner 44.
A gemmen 608, 616. Anthropologische Sammlung der Gésellschaft 874.
llersbestimmung der Pflanzenfunde von Klinge Anthropophagie in Neu-Britannien 284, bei den
889. Botocudos 26, 28, auf Sumatra 351, in
Alterthümer der Bronzezeit in Westpreussen der Volkspoesie der Wotjaken 425.
141, aus Coban in Guatemala 828, im Antike (assyrische und babylonische) Gewichte
Gouvernement Charkow, Russland 417, 515.
russische 415, vorgeschichtliche, Mos- Antillen-Neger, Gfingerige Hand 114, Hautfarbe
kau 416. 114.
Alterthumsverein zu Mannheim 409. Antimon-Bronze 357.
Altfränkisches Skeletgrab mit Namen der Be- Aphrodisiacum, Alraune als 728.
Aly statteten 397. Aposso-Neger, Togo, Messungen 45.
ji Rulsches Gebiet in Ostpreussen 714. Aprikose in Aegypten 659.
Mark, Ausgrabung 682, Excursion 489, 679, Araber in Haussaländern 236.
fränkische Höfe und Giebelschmuck 682, Arabische Zahlzeichen, früheste 464.
Megalithische Gräber 485, 679, Photo- Araquis-Indianer, Brasilien 28.
graphien 158, 890, römische Funde s. Archäologen-Congress, Moskau 414.
Al Brietz, Rundlingsdórfer 682. Archaische Bronzefibel von Koban-Form in
Preussische Bevölkerung, namentlich Letten S. Lucia 691, Gräber von Syracus 410,
und Litauer, sowie deren Häuser 767, Topfscherbe, angeblich aus der zweiten
Ag Wirthschaftsgerithe 23. trojanischen Stadt 812.
Án torckow, Pommern, Bronzeschmuck 405. Archäologische Ausstellung, Moskau 416.
An en des Kónige von Dahome 64. — Funde in Emden 25.
\ ras, Schloss, Federschild 485. Argentinien, Ruinenstädte und pliocäner Mensch
Aerlea s. Alenten, Ambras, Argentinien, Atta- 811, Fruchtkuchen 30, 109.
(905^
(906)
Arkona, Sagen 455. Babbin, Pommern, Brozefunde 850.
Arm der Handstand-Artistin 195. Babylonien, El Hibba, Goldringe 531.
Armband, Nord-Kaukasus, Analyse 855. Bacahirls (Dacairis), Brasilien 98.
Armbrustfibeln von Westheeren, Altmark 680. Balawat, Bronzethor, Analyse 358.
Armring, Bronze, Kehrberg 266. Banane in Aegypten 660.
Armringe der Bronzezeit 823, Tangendorf, West- Bandweben in Ostpreussen 435,
Priegnitz 79. Banibas, Brasilien 28.
Arnstein im Fichtelgebirge 717. Banner in Altmexiko 121.
Arsenikbronze 749, im Kaukasus 255, 356. Barenau, Münzsammlung 237.
Arsinoë, Feuersteinmesser 477, Bart, Riesen- 261, der Frauen 943.
Asbins, Bergvôlker im Haussaland 236. Bärtige Dame 243, 869.
Aschanti 113. Baseler Kreuz, Gemme 608.
Asche mit Coca, Genussmittel 947. Bastian, Rückkehr von der Reise 4383.
Asien s. Battaker, Beduinen, Birma, Bronze- Basutho, Perlen 399.
Analysen, China, Chins, Chotan, Chua, Battaker 351,
Cypern, Dayak, El Hibba, Erbil, Formosa, Bauchmuskeln, willkürliche Bewegung bei dem
Hissarlik, Jagor, Landkarten, Kam- Proteus-Manne 683.
bodja, Nephritbrüche, Philippinen, Reisen Baudenkmäler, russische 415.
in Malacca, Reizsteine, Sendschirli, Stein- Bau der Häuser auf Cypern 45.
geräthe von Malacca, Sumatra, Tagalen- — der Kurgane von Aksitienec, Russl. 418.
knabe, Troja bemalte Topfscherbe, Vor- Bauerngehôft, litauisches 797, Photographie 881-
kehrung gegen die Malaria Bauernhäuser in West- und Ostpreussen T86-
Askanier-Burg, alte, in Salzwedel 680. Bauernhôfe, schleswigsche 409.
Assyrien, Bronze-Analysen 354, Balawat, Bronze- Baumannshôble, Harz, Knochenfunde 351.
thor 858, Gewichte 515. Bayern, s. Blutstein, Bernstein 309, Hügelgrab
Astragalus arenarius 790. der Bronzezeit 822, Staufersbach 362.
Atas von Süd-Luzon 436. Becher, geschweifte, der Steinzeit 79.
Attapasken in Oregon 159. Beckerit, Ostseebernstein 287.
Auerechsen-Schádel mit Feuerstein-Speerspitze Beduinen im Lande Negeb 578, Schädel 581.
in Ostpreussen 755. Befestigungen, von Twistringen 443, Wittekinds-
Augen, grosse, des Dualla-Knaben 281. burg 249.
— der Litauer 781. Begraben und Verbrennen gleichzeitig 422.
Augenheilkunde, altes Lehrbuch über 408. Begrübuissarten in Ostpreussen 769.
Augustus, Münzen aus der Zeit vor Kaiser Begribnisse der Botocudos 21, der Eingeborne?
Augustus im Norden 223. von Brasilien 24, der Steinzeit 93,
Ausgrabungen in Aegypten 475, bei Ehestorf, Ungarn.
Kreis Zeven, und bei Anderlingen, Kreis Begräbnissplatz, alter, und Befestigung iM
Bremervärde, Hannover, 157, bei Leetze, Gouvernement Simbirsk, Russl. 420.
Altmark 682, in St. Lucia und Istrien Begräbnissstätten der Steinzeit, Ungarn 85.
91, 691, von Sendschirli 490, bei Syracus Behaarung, abnorme, eines frühreifen Mädchens
410, auf der Wittekindsburg bei Rulle 949. 410, heterogene 943.
Ausgrabungs-Instrument von Voss 242. Behausteine in Ungarn 90.
Ausschuss der Gesellschaft 3, 81, 247, 807. Beigaben für Todte in Brasilien 80.
Ausstellung, amerikanistische in Madrid 484, Bella Coola, Anthropologie 159.
archáologische in Moskau 416, ethnolo- Bemalte Skelette 418, 419.
gische afrikanische 485. Bergvülker bei Haussa 236.
Axt (?) aus Elehhorn von Willenberg, Westpr. Bergziegen, Sage 548.
426. Berlin, Deutsches National-Museum 326.
Azteken, angebliche 278, 370, 869. Bern, Geographen-Congress 93.
Bernhart von Italien, Grab 919. .
b. Bernstein, in Aegypten 294, in Bayern 309, m
Babas, Steinfiguren in West- und Ostpreussen Böhmen 307, fehlt auf Cypern 295, in
747, 764, in Sibirien und der Mongolei Griechenland. 296, bei Griechen und Ita
421, ihre Verbreitung 499, aus Lehm und likern 297, in Italien 989, in kanaank
Stein 422. tischen Gräbern 295. in Mähren 808, m
>
(907)
Mittelmeerländern 296, muthmaassliche ‘ Blondes Haar, Annährung an, bei Eingebornen
Entstehung 797, der Name und seine Malaccas 846.
Berechtigung 981, prühistorischer aus Si- Blonder Typus der Litauer 180, in Preussen
cilien 690, in Preussen 310, in Sta. Lucia 775.
691, in Schweizer Pfahlbauten 302, in plossin, Kx. Beeskow-Storkow, Slavengräber 349.
Syrien 295, in Troja 295, verarbeiteter, Bintstein, Amulet und Arzenei 469.
in südlichen Ländern 293, in Westfalen Bodensee, neue Funde 345.
B 908, Böhmen, Bernstein 307 Bronzeringe mit Knöpfen
D Steinartefacte von Schwarzort 756. und Thierkôpfe 814, Flbeteinitz, Bronze-
y, stelnfigur als Alraun 743. ring 877, Svárov, Bronzering 818, Strado-
y, Stelnfrage und Chemie 281. nie, Bronzering 818.
p, Stein Handel und Goldfunde 286. Bom, de, Theil des Hausbodens 497.
“Msteinperlen aus der Bronzezeit 822, von Sta. Bogenspannen 670, Silberring zum 486.
à Lucia 691, von Ptin, Mähren 880. Bogenspanner aus Nephrit 81.
de teinsammlungen in Kónigsberg 757 ff. Bogen-Ornament 703.
p, Steinsiure 288. Bohnen der Canavalia in den Chinhills in Hinter-
p, steinschmuck der Steinzeit 756. indien zur Bereitung von Schiesspulver
po Reliquiar, Gemme 609. 678.
"isl Orang B., Eingeborene von Malacca Bohren des Nephrits 698, der Steine im Mittel-
Ni 831, 841. alter 619.
he ner oder Däsemer? 826. Bobrloch in Róhrenknochen 399.
"ledelung , lteste, Ostpreussens 753, der Bohrzapfen von der Kurischen Nehrung 755.
2 kurischen Nehrung 771. Bolivien, Kartoffeln 247.
Sstattung der Kirgisen 423, in Kurganen des Borkau-Grabau, Westpreussen, Burgwall 181.
à Gouv. Cherson 419, des Gouv. Kiew 418. Borneo s, Dayak.
*Sattungsweise gemischte 715, im Negeb Bornsen, Altmark, Hünenbett 680.
a 918. Bororó-Indianer, Brasilien 287.
"ülkerang der Haussa-Lünder 228, Mittel- und Bosnien, Glasinac, Bronzefibel 384, Reise in
de Osteuropas zur Steinzeit 78. 691.
n Vàffnung der afrikanischen Amazonen 69. Bes prieus in Ungarn 86.
irit 50jähriges Dienstjubiläum 433. BOTE, Korn in Aegypten 654. 2.
m in Indianersagen 168. Botocudos 24, Anthropophagie 26, Begräbnisse
Ri letle der Gesellschaft 879. 91, Rache an Todten 2, Stámme der 25.
nell Hessische Holzbauten 827. Brachycephalie der Blandass, Malacca 843, der
or Dib (Harz) 351. Kuren 777, der Lappen 479, litauischer
wi von deformirten Kopfen 377. Köpfe 116, bei Wei-Negern Di, fehlt an
By ärzia s. Distomum. der Guinea-Küste 57.
By Senkrautwurzeln als Alraun 745. Brande auf schleswigschen Häusern 409.
Fuss 299. Brandenburg (Prov.), Blossin Slavengräber 349,
Pie Schliemanns 812. Bochin, Bronzener Schalltrichter 853,
Bi prähistorische Steinwaffen 694. Christianstadt, Scheibennadel 584, Gold-
Ne, Alter und Verbreitung 100, in Pfahl- bracteat 398, Kehrberg 262, bronzene Pfeil-
hl bauten 100. spitzen 265, Hügelgrüber 262, Funde von
Big, 55 Eingeborene von Malacca 891, 898, Ketzin 457, Klinge, diluviales Pilanzen-
Bl 36 Auswüchse bei Distomum 91. lager 888, Knochen 399, Milow 276
“Schörner, britische Inseln 856, aus Skandi- Münchehofe, Urnenfeld 470, Niederlau-
Ras povien 854, sitzer Funde 588, Ossig Eisennachbil-
Berri von Cóslin 857, 860. dungen von Dronzetypen 880 Pire,
Blas obr in Malacca 834. Schaftzwingen , osen à y
Bi, LP. St, Herme, Gemme 610. Schmôckwitz 851, Schaftzwingen 51,
Ben Erde 288. Stopseldeckel von Friedland 584, Urnen-
bd von Rebenstorf 679. feld von Niemaschkleba 588. .
à nr Kophag, römischer 79. Brandgräber slavische 715, 716, in Ungarn 99.
b ? und Donner als Gütter 58. Brandplätze in Brasilien 939 ff.
"khünser 789. Brandschicht in Hügelgrab 264.
(908)
Brasilien, Begräbnisse 24, Caximbos in Süd-' Budapest, Museum für Völkerkunde 258.
695, Thongefässe 698, Thongeschirre 389» Büchergesehenk des Herrn C. Künne 805, 863.
Steinwaffen 339, Steinzeitperioden 349. der Frau San.-Rath Schlemm 246, 324,
Brasilianisehe Indianer 24, 219, 828. 396, 516.
Braunschweig, Jadeitbeile 601. Büffel in Indianersage 166.
Bremen, Gründung eines Handelsmuseums 812, Bügelringe aus Ostpreussen 760.
Hexen in der Umgegend 740. Büllersbach J. Mann mit Riesenbart 261.
Brietz, Altmark, rômische Funde 679. Bunsoh, Kirchspl. Albersdorf, Holstein, Schalen-
Brillenspiralen aus Bronze 406. und Näpfchenstein 251.
Britisch Columbien 159, 532, 628. Burgen, Gorodischtsches 423.
British Museum, metrologische Studien im 515. Burgwälle bei Lockwitz 467, in Westpreussen
Britische Inseln, Blasehörner 856. 178, 751.
Brixen, Dreikópfige Figur und Lauben 82. Burgwal von Borkau-Grabau 181, bei Burg
Brombeeren in Pfahlbauten 104. Elsdorf, Hannover 158, von Haidevorwerk
Bronze, Analysen 354, Antimon 357, Arsenik 355, im Kreise Wohlau 427, bei Lenzen, West-
356, 359, stahlfarbene 356, Zink 357, 751. preussen 751, von Sobiensitz 184.
Armring, Kehrberg 266, Armringe, Gürtel, Byzantinische Alterthümer 415.
Knöpfe, Nadeln, Spiralrollen und -Schei-
ben, Tutulus u. A. aus bayr. Hiigelgrab Ce
823, Fibel einfachster Form von Gla- Cafusos, amerikanische Mischlinge 279.
sinac, Bosnien 334, Fragment 265, Funde Californien, durchlochte Nadeln aus Gräbern
von Babbin, Pommern 850, Ehestorf 157, 681.
von Tangendorf, W. Priegnitz 19, Ungarn (analasition der Stadt Emden, Funde 93.
92, 97. Gefüsse von S. Lucia 691, Gürtel Canavalla-Bohne, Hinterindien, zur Bereitung
von Klein-Wieblitz 680, Helm 838, Kanne von Schiesspulver 618.
in Bosnien 338, Kessel, Schweiz 330, (annibalismus s. Anthropophagie.
Nachgüsse von Müncheberg 80, Nadel in Caporetto (Karfreit) Istrien Ausgrabungen 31.
Hügelgrab 274, Nadel, Niemaschkleba Caraya-Keule 219.
588, Ohrbommeli von Milow 277, Opfer- Casekow, Pommern, Skeletgrab 487.
wagen 398, Pfeilspitzen 265, aus der Castel dei Britti, Italien, Steinzeitscherben 76.
Niederlausitz 588, Plattennadeln, Kau- (astellieri in Bosnien und Dalmatien 691.
kasus 354. Castelluccio bei Syracus, Ausgrabungen 410.
hinge mit Knópfen und Thierkópfen aus Caximbos in Siid-Brasilien 695, 811.
Bóhmen und Ungarn 814, mit Knöpfen Cervus elaphus in der Steinzeit 86.
und Thierfiguren 399, mit menschlicher Chamaeprosopen, Haussa 50, Kebu 47, Mandingo
Figur 879, 880, mit angesetzten Warzen, 49, Yoruba 56, Wei 51.
im Prager Museum 877. Chauken, Rôm. Castell im Lande der 438, in
Schwert aus Hügelgrab 277, Schmuck Schleswig-Holstein 648.
von Alt-Storckow, Pommern 405, Spiral- Chemie und Bernsteinfrage 287,
rôhren und -Scheiben aus bayrischem — s. Analyse.
Hügelgrab von Mühlthal 822, Sporen, Cherson, Bestattungen 419.
zwei neuc aus Pommern 591, von Syrakus Chile, Caximbos 695.
410, Thor von Balawat 358, Typen in Chimalli Stein von Cuernavaca 135, 136.
Eisennachbildungen 585, Wagen, lausitzer Chinesischer Einfluss auf Formosa 810.
492. Chinook, der letzte in Oregon 189.
Bronzezeit-Alterthümer in Westpreussen 747, Chines, amerikanische Mischlinge 279.
749, Gräber bei Wollin 711, und Hall- Chin’s, Schiesspulver der 618.
stätter Zeit gemischt 335, Hügelgrab 822, Chloromelanit-Beil vom Ebersberg in Braun-
in Ostpreussen 759, Schädel 824. schweig 601.
Bronzen, alte ägyptische 726, von der kurischen Chotan, Naphritschleifereien 692,
Nehrung 759, Schweiz 380. Christianstadt, Kr Sorau, Scheibenadel 584.
Bruder und Schwester, Indianersage 568. Chromatologie der Letten, Litauer und Preussen
Brünetter Typus in Preussen 775. 115.
Brunnen, alte, im. Negeb 518. Chronologie der Grabhügelfunde in Russland
Bryonia als Alraun 739, 744. 417, der goldnen Schalen, Fid- und Finger-
(909)
ringe 315, mexikanische 156, des preussi- Däsemer 826.
schen Bernsteinhandels 313. Dahome, Amazonen 64, sogen. in Berlin 869,
Chua in Indien 370. ethnographische Ausstellung 66, Korper-
Chuñu, Peru, aus Kartoffeln 248. gewicht 110, Leute in Berlin 113.
Cichorie in Acgypten 662. Dalmatien, Reise in 691.
Cissus rotundifolius 658. Danzig, Anthropologen-Congress in 746, Fin-
Citrone (Citrus media) in Aegypten 660, 661. ladung 325, Generalversammlung 511.
Coban in Guatemala, Alterthümer 828. Darstellungen aus der mykenischen Gôtterwelt
Coca, Peru 241. 699.
Côlleda, Sachsen, Doppelaxt 460. Dattelpalme, ihr Alter 107, in Aegypten 656.
Cöln a. Rh, Bleisarkophag 79, Glasbecher Dayakstàmme auf Borneo; Durchbohrung der
rôm. 19. Eichel 351.
Cüslin, Pommern, Blasehorn 857, 860. Deckel für Gefässe von Cypern 37, mit Lôchern
Colonial- Gesellschaften 870. 77,186, aus Thon, Ungarn 88, Kehrberg 216.
Combinirte Portrait-Photographien 645. Deckelstein für eine Urne in Steinkiste 268. |
Commission für Erforschung des rom Grenz- Deformation des Kopfes, künstliche bei Mela-
walles 23. nesiern und Polynesiern 284, in alt-
Congrès international des sciences géographiques mexicanischen Bildwerken 371, 877.
de Bernc 485. Degenschlucker Heinicke 401, 869.
Congress der Amerikanisten 897, deutscher Dehnbarkeit der Haut und Unterhaut 684.
anthropologischer in Danzig 484, Gesell- Denkmäler, prähistorische in Westpreussen 748,
schaft deutscher Naturforscher und Aerzte AMénas duquavnekior 581.
zu Halle 434, internationale 871, IT. inter- Depotfunde von Culm 749, von Island 250.
uationaler für Folk-lore in London 484, Deschanfalva, Ungarn, Kupferfunde 91.
in Moskau 23, 397, Société helvétique des Deutsche in Ostpreussen 767.
sciences naturelles zu Freiburg 434. Deutsche Zeitung in Rio Grande do Sul 811.
Constantinopel, russ. Institut zur Erforschung Deutschland, das dänische Haus in 493,645, Limes
des Orients 689. romanus 23, 871.
Copal der Ostsee 287. Deutschordensmiinze 187.
Cornelkirsche (Cornus mas.) in Pfahlbauten 103. Dialekte, kurische 771.
Coroades, Brasilien 30. | Diamantstaub beim Steinschleifen 620.
Coronaria synostotisch, an einem Yoruba- Diluviales Pflanzenlager in der Gegend von
Schädel 55. Klinge bei Cottbus 888.
Cottbuser Kreis, Wenden im 322. Diluviale Thiere in den Hôhlen des Harzes 951.
Couixco, Mexico, Gott der 134. Diluvialfund (?) von Grimme, Kr. Prenzlau 899.
Cowttehin-Indianer, Sagen 628, Sprache auf Van- Diluvialfunde, mährische 173.
couver Inseln 160. Dipygus parasiticus (Heteradelphus) 431.
C0 Y0, Weizen in Aegypten 655. Dirwangen, Ostpreussen, Hirschhornharpunen
Coyote, Sage aus Britisch Columbien 536, 548, 755.
Crematorium in Hamburg 827. Discus, Brasilien 89.
Cuernavaca, Chimalli Stein 135, 136. Distomum haematobium, african. Parasit 30.
Culm, Westpreussen, Depotfund 749, slavische Dolch und Bogenspanner vom Benué 616.
Funde 751. Dolche der Babas 422.
Culmisches Recht in Ostpreussen 788. Dolichocephalen s. Kebu, Mandingo.
Culturgewichse in Aegypten 649. Dolichocephaler Schädel von Mellin 680, neo-
Culturperieden der Pflanzen in Aegypten 668. lithischer aus Schlesien 427, Steinzeit-
Cundimau, philippinischer Nationaltanz 496. schüdel aus Ostpreussen 754.
Cypern, Bernstein fehlt 295, Gebrüuche der Dolmen, Verbreitung 424.
alten und der neuen Bevölkerung 34. Donner und Blitz als Gótter 58.
Donnerkeil in Birma 694, in Brasilien 698.
p. Donnerpriester 58.
Dänemark, Becher der Steinzeit 79, Blasehörner Donnervogel, Indianersage 165.
854, voraugustinische Münzen 227. Doppeläxte aus Bronze und Kupfer 457, 460.
Dänisches Haus, das alte 409. in Deutschland Herkunft 461.
498, 645. Doppelbeil als Symbol des Zeus 700.
(910)
Doppelconische Urnen 761. Elfenbeingerithe von Predmost, Mähren 174.
Doppelgefässe, Ungarn 87. Eleusine coracana in Aegypten 660.
Doppelköpfiger Knabe (Xyphodymus) 245. El Hibba, Babylonien, goldene Ohrringe 531.
Doppeltgebohrter Steinhammer, Ungarn. 90. Elsdorf, Hannover, Burgwall 158.
Drachen und Greifen, Herkunft 425. Eltern von Microcephalen 375.
Drachenfels, Pfalz, Inschrift und Zahlzeichen 464. Emmer in Aegypten 654.
Dräk, der, auf Rügen 448, 454, Empetrum auf der kurischen Nehrung 794.
Drebenstedt, Altmark, Hünenbett 680. England, s. Becher, Steinzeit.
Drechslerarbeiten von Cypern 39. Entstehung, des Feuers; Indianersage 636, des
Drehbank im Mittelalter 619. Tageslichtes, Indianersage 637.
Dreifussgefäss von Cypern 36. Epicanthus bei Eingeborenen von N.-Columbien
Dreiköpfige Figur in Brixen 32. 160.
Drudenfels im Fichtelgebirge 717. Erbil, Mesopotamien, Nephritring 81.
Dualla-Kuabe aus dem Oberlande von Kamerun Erdbeeren in Pfahlbauten 104.
280, 869. Eretische Eigenschaften d. Mandragora 184.
Düne, todte auf der kurischen Nehrung 798. Erphokreuz, Gemmen 609.
Dulgassen, Verfertiger von Babas 429, Ertmánneken (Alraun) 741.
Durcbbohrung der Eichel 351. Esau-Lady, Ms. Annie Jones 243.
Durchlässigkeit vorgeschichtlicher Thongefässe Esel, das Lastthier der alten Aegypter 651.
und deren hauswirthschaftliche Verwend- Eselsfeige (Sykomore) 107.
barkeit 259. Etagengefässe, Ungarn ST.
Durchlochte Nadeln aus Californien 881. Ethnographische Ausstellung aus Dahome 66,
der tschechischen Nation 828,
E. Ethnologische ^ africanische Ausstellung 485,
Eberesche in Pfahlbauten 104. Gegenstände, Malacca 172, Untersuch-
Edelsteine, Schleifen der, im Mittelalter 619. ungen in Indien 83.
Egba-Neger (Yoruba) 69. Euphorbia mauritanica 658.
Ehestorf, Hannover, Ausgrabungen 157. Excursion, anthropologische, nach Salzwedel
Ehrenmitglieder 3, 577, 865, 866. und den megalithischen Gräbern der Alt-
Ehren-Präsident 577. mark 485, 679, 870.
Eingeborne der Philippinen 436, wilde von Explosivität der Canavalia-Bohne 678, 679.
Malacca 837. Extremitäten, kurze in Brit. Columbien 159.
Einfluss des Geschlechts und der Rasse auf Eyvindur, isländische Sage 251.
die Hóhenzahl 58.
— der Gothen in Ostpreussen und Nord-Russ- F.
land 425, 778. Fälschungen von Bronzen 80.
Einheimische Bezeichnungen für Haustheile 500. Färberei bei den Haussa 233,
Einrichtung der Häuser auf Cypern 42, Fahnen, Kriegerschmuck in Altmexico 121.
Einzelgehöfte hei Memel 798. Fanö, Frauentracht auf 499.
Eisenbearbeitung, Ursprung 424. Farben, den Himmelsrichtungen entsprechend,
Eisenkraut (Verbena) im Aberglauben 744. in Altmexico 116.
Eisenmesser im Hügelgrabe 274, Schweiz 381. Farbensinn der Kebu 48, der Wei 51,
Eisennachbildungen von Bronzetypen 585. Farnsamen als Zaubermittel 788.
Eisennadeln mit Bronzekopf 277. Fédération archéologique et historique de Bel-
Eiserne Waffen in Gräbern der Mongolenzeit 420, gique 326.
Eiszeit, der Mensch vor der, in Russland 494. Federfahnen in Altmexico 199.
Elbeteinitz, Bóhmen, Bronzering mit Warzen 877. Federkronen in Mexico 119.
Elbing, Anthropolog. - Congress 746, römische Federmosaik, Altmexico 122, 127.
Funde 751. Federschild, altmexicanischer, in Ambras 485.
Elche 746, in der Ibenhorster Forst 798, auf Federschmuck, altmexican. 114, in Wien 144,
der kurischen Nehrung 790. Federwams, Altmexico 127.
Elchhorninstrument mit gezähnter Schneide 424, Fehler bei Messungen 46.
Elchknochen und Geweihe 399. Feige in Aegypten 657, ihr Alter 108.
Elchreste bei Klinge 884, Felsengebirge, seine Entstehung in Indianersage
Elenthier in Indianersagen 161. 165.
(911)
Felsenkirsehe in Pfahlbauten 102. Eränkische Colonisation und Haustypen in West-
Felsenkopfbild im Thüringerwald 728. preussen 788, Hôfe der Altmark 682.
Felsenzeichnungen 251 ff., von Vancouver Insel 160. Fragaria vesca s. Erdbeere.
Fenstergitter, geschnitzte, auf Cypern 42. Fraser River, Sagen 159, 549. |
Fenstergriber 410. Frau, die, und die Fische, Indianersage 640,
Fensterurne von Rebenstorf 679. die todte, Indianersage 572.
Festschrift zur Virchow-Feicr 876. — bei den Haussa 236.
Fetische der Dahome 69, aus Menscheneinge- Frauen, die, der Sterne, Indianersage 644.
weiden 55. Frauentracht auf Fand 499.
Fettschwanzsehaf, Fettsteissschaf 412. Freiwalde, Xr. Luckau, Steinzeitfunde 71.
Fetisteissbildung beim Menschen und gewissen Fremde Völker, Vertreter in Europa 869.
Säugethieren, sowie Fettbuckel der Zebu Fresdorf, Kr. Luckau, Steinzeitfand 71.
und Kameele 470. Frendenthaler Höhle, Schweiz, Kartenzeichnung
Feuerstätte in der Sipka-Höhle 178. 238.
Feuersteingeräthe aus Aegypten und Herrn Freunde der Naturwissenschaften, Moskau, Ein-
Flinders Petrie's neueste Forschungen ladung zum Congress 25.
474, Messer von Kahun 476, aus Mähren Friedensau, Westpreussen, Urne mit Hals-
114, neolithische 467, Spähne im Hügel- schmuck 747.
grab 270, Speerspitze in einem Aucrochsen- Priedolsheim, Pfalz, Doppelaxt 460.
schádel 755, Speerspitze, Hannover 158, Friesische Sprache 511.
Splitter mit Schlagmarken aus Hügelgrab Fritzen, Ostpreussen, Hügelgrüber 759.
976, Werkstätten bei Golssen 71, Zähne Fruchtbarkeit bärtiger Frauen 245.
an Hirschhornharpunen 755. Fruchtkuchen | (Pata), Algorrobekuchen aus
Feuerstellen, altc, Ungarn 85. Salta, Argentinien 30, gegen Syphilis 100.
Fibel, archaische Bronze-, von Sta. Lucia mit Frühestes Vorkommen arabischer Zahlzeichen
Ringen, Pincette und Klapperkugeln 691, in Deutschland 464.
einfachste Form aus Bronze von Glasinae Frühreifes Mädchen, Berlin 469, 860.
384, römische 277, 679. l'ulbe-Stamm, Afrika 281.
Fichtelgebirge, Opferaltar 721, Steinmulden 717. Funde im Bodensee 345. von Ossig, Kreis
Fieus carica (Feige) 108. Guben, niederlausitzer Eisennachbildungen
Ficus sycomorus (Sykomore) 101, 651. von Bronzetypen 585, neue, am Zihlkanal
Fieber bei den Haussa 285. 899, |
Figurengeldss von Coban, Guatemala, mit Fundorte von Nephrit 692.
menschl Finger 128. Fundstücke, orientalische, aus Gold; Wägungen
Filipponen in Ostpreussen 435. 580.
Finger der Handstandartistin 196. Fuss, menschlicher, nachgebildet 89.
Fingerabschneiden, Sitte des 829.
Fischangel aus Horn 946. G.
Fische in einer Felsenzeichnung von Vancouver Galgenmánnehen (Alraun) 144.
161. Galindae, Volksstamm in Ostpreussen 168.
Fische und Frau, Indianersage 640. Gandu, Haussabevólkerung 228.
Flacheelt von Ketzin 499. Gausfiguren als Gewichte 521.
Flachgräber der Steinzeit, Russland 418. Garlstorf, Meklenburg, Blasehorn 853.
Flaschenkürbis als Nutzgefäss und Gefässmuster Gazelle S. M. S. Forschungsreise 434.
auf Cypern 34. Gebäck in Âgypten 655.
Flechtarbeiten von Cypern 38, Nachbildungen Gedächtnissfeier für Schliemann 81, 247, 325.
aus Thon 38. Gedanit (Bernstein) 237.
— der Haussa 234. Gedrehte Thongefässe der La Tène-Zeit 381.
Flonheim, Rheinhessen, Doppelaxt 460. Gefässe der Babas, Zweck 422.
Fluth, Indianersage 689. Geheimbünde der Küstenbewohner Nordwest-
Flügelfórmige Bronzeschmuckstücke 406. Americas 383.
Elügelbaube und Kopftuch 320, 324. Geister der Todten 21.
Föhr, Haus 500. Geknôpfie und mit Thierfiguren besetzte Ringe
Formosa, Leben der Wilden 810. 490.
Forromesco, Brasilien, Steinwaffen 339. Gelbe Augen der Litauer 776, 779,
(912)
Gelbe opake Perlen 400, Gewohnheiten, religiöse, Westafrika 58.
Geldbrennen bei Arkona 455, Gezeichneter Stöpseldeckel von Friedland, Kr.
Gemischte Bestattung bei Indianern Brasiliens Lübben 584.
24, 30. Giebelschmuck litauischer Häuser 798, der
— Bestattungsformen bei Wollin 589, 715, schwarzorter Häuser 796, fehlt an Häusern
Gemmen, frühchristliche 606. mit Vorlauben 787.
Generalregister über die ersten 20 Bände dieser Giebelverzierungen 409, der Altmark 682, in
Verhandlungen 868, Westpreussen 188,
Generalversammlung der deutschen anthropolo- Giebelzier kurischer Häuser 790.
gischen Gesellschaft in Danzig 325, 997, Glasarmring, Schweiz 880.
483, 577, 746, 870, des Gesammtvereins der Glasbecher, róm., von Cóln 79.
deutschen Geschichts- und Alterthums- Glasgefásse und -Perlen in Sta. Lucia 81, 691.
vereine 259. Glasinae, Bronzefibel 334, Funde von 691.
Genussmittel, Coca 247, der Haussa 923. Glasindustrie der Fulbe 235, in Indien 401.
Geographische Section der Gesellschaft in Moskau Glasproben von Milow 277.
484. Glasstücke in Bodenseefunden 946.
Geographen-Congress, internationaler, Bern 23, Glaube der Guaycurus, Süd-America 25,
485. Gleichzeitiges Vorkommen des Begrabens und
Geographische Ausstellung, Bern 923. Verbrennens bei westmongolischen Tor-
Geologen-Congress, Washington 158. guten 499,
Gepiden 772, Glessit, fossiles Harz, Ostsee 987.
Geräth, eigenthümliches, von trojanischem Muster Glückswurzel 745.
in Sicilien 410. Götter und Dämonen der Indianer 383.
Gerdauen, Gräber der Pruzzi 769. Góttersymbole 699.
Gerippe eines Wei-Negers 59. Gôtterwelt des Togo-Gebietes 58.
—, eines Xiphodymen 866. Gogdaja, Grüberfeld von, Kaukasus, geknôpfter
Germanen in Ostpreussen 767. Bronzering 409.
Gerste bei den alten Ágyptern 652, 655. Goldene Schalen 815.
Geschenk, Forschungsreise S. M. S. Gazelle 434 Goldfunde 315, in Italien und der Schweiz
des Herrn C. Künne 868, von Photo- 317, orientalische, Wägungen 530, prä-
graphien 348, d. Frau San.-Rath § chlemm historische 286,
324. Goldperle aus Schlesien 496.
Gesellschaft, archäologische, Moskau 414, Goldringe 315, aus Schlesien 426, Ungarn 91.
deutsche anthropologische, Generalver- Goldspeiende Figur, Sage in Brixen 33.
sammlung 746, Kaiserliche, der Freunde Golssen, Kr. Luckau, Feuersteinwerkstätten 71.
der Naturwissenschaften, Anthropologie Goor, Rügen, Steine 456,
und Ethnographie in Moskau 454, natur- Gorodischtsche von Djakowo bei Moskau und
forschende, Danzig 325, niederlausitzer deren Verháltniss zu den Grabhügeln 423.
485. — am linken Weichselufer 493.
Gesichtsindex bei Westafrikanern 51, bei Wei 50, Gothen in Nordrussland 425, östlich der Weichsel
Gesichtsmasken aus Gold 530. 112.
—, papuanische 689, Gothisches Gräberfeld von Rondsen 773.
Gesichtsmaasse von Westafrikanern 45. Gottheiten der americanischen Indianer 160.
Gesichtstypus, weiblicher der Westafricaner 58. Grabalterthümer der kurischen Nehrung 771.
Gesichtsurnen 749, im westpreussischen Provin- Grabeelsen von Voss 942.
zial-Museum 747. Grabfiguren s. Babas.
Gestrecktes und gewelltes Haar von Malacca 846. Grabfund von Sackrau 425.
Gewerbe der Haussa 233. Grabhügel alte und neue der Botocudos 27, 28,
Gewicht, altes 826, in Thiergestalt 591. mit Graben 98, viereckige 28, Ursprung
Gewichte, antike 515, mit Legenden und Nor- ihrer Grösse 27, 28.
malbezeichnung 516. — in Bosnien 886, der Steinzeit, Russland
Gewichtsstücke , assyrische u. a. mit Thierdar- 418.
stellungen 593. Grabhügelfunde, Russland 417.
Gewichtsverdächtige Gegenstände ohne Bezeich- Grabkammern, mehrere in einem Hügel 418.
nung 519. Graboviza, Litorale, Höhlen der Steinzeit 31.
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Grabstein, tatarischer 421. Haff, kurisches 770, Besuch der Anthropologen
Grab-Urnen der Botocudos 27, aus Ungarn 95. 146.
Gräber der Bronzezeit in Ostpreussen 160, me- Hahnenfedrige Hühner 243.
galithische der Altmark 485, 679, der Haidevorwerk, Schlesien, Burgwall mit Gräbern
Pruzzen 769, der römischen Zeit in Ost- 427.
preussen 780. Hakenplatte aus Bronze von Alt-Storckow,
Gräberfeld von Hedingen, Schweiz 380, — und Pommern 406.
Hügelgrab von Milow, Westpriegnitz 276, Halbblutindianer in Nordw.- America, Körper-
von Weestheeren 680, auf dem Galgen- messungen 159.
berge und slavische Grabfunde bei Wollin Hallstatizeit, Skeletfunde in der Oberpfalz 359.
589, 708. —, Steinkistengrüber in Westpreussen 149.
Gräberfelder im Kreise Kulm 329, derLa Téne- —, Urnen mit Steingerüthen im Norden 418.
Periode in Westpreussen 747, von St. Lucia Halsschmuck aus Bronze von Milow 277.
81, 691, Istrien 81, St. Veitsberg 31, Ost- Hamburg, Crematorium 827.
preussen 760. Hametzen, Geheimbund der Indianer in Nordw.-
Gräberfunde, slavische von Sobrigau, Kônigr. America 386.
Sachsen 465. Hamiten in Aegypten 652.
Gräberstätte, germanische in Lockwitz, Kônigr. Hanai Tepeh, Troas, Steinzeitscherben 76.
Sachsen 466. Handelsmuseum, Gründung eines, zu Bremen 812.
Granatapfel in Aegypten 108, 658. Handelsverkehr in der Steinzeit 79, 98.
Grapen in kurischen Häusern 795. Handelswaaren der Haussa 236.
Greifen und Drachen, Herkunft 425. Handlauf, Sport des sog. 250.
Grenzwall (Limes), der rómische, in Deutschland Handsehutz beim Bogenspannen 612.
23, 871. Handspindel von Cypern 41.
Griechen, Bernstein bei 297, Doppeläxte 461. Handstand-Künstlerin Petrescu 189, 869.
Griechenland, wilder Mensch von Trikkala 817. Hannover, Anderlingen 157, Blasehorn 853,
Griechische Gefüsse in russischen Grübern 419. Burgwall 158, Ehestorf 157, Elsdorf 158,
Gross-Schwechten, Altmark, Schaftzwingen aus Garlstorf, Niendorf 158, Urnenfriedhof
Bronze 851. 158, Wittekindsburg 439.
Grosse Sitte, Opferfest in Dahome 69. Harpunen aus Horn, Ketzin 458, 459, in Ost-
Grubenornament 73, 702. preussen, mit Feuersteinzähnen 755.
Gnatemala, Alterthümer 828. Harz (Gebirge), Kartensteine 723, Knochenfunde
Guaycurus, Eingeborne Von Brasilien, Be- in Höhlen bei Rübeland 351, hôlzernes
gräbnisse der 24. Thiirschloss 725.
Gürtel aus Bronze 893, von Klein-Wieblitz 680. Harzproben aus Urnen von S. Lucia und Kar-
Giirtelhaken aus Bronze und Eisen von Milow 211, freit 91.
Gumr, Berg, angeblich Nilquelle 252. Hase, Indianersage 161.
Gurob, Aegypten, Feuersteingerüthe 416. Haus, auf Cypern 42.
— der Haussa 232.
H. —, das altsüchsische 399, das alte dänische
Haar der Azteken 279, 374, eines Dualla-Knaben 409, das dänische in Deutschland 498,
981, der Eingebornen von Malacca 844, 645, auf Föhr 500.
silberfarbiges in Griechenland 346, der —, das litauische 797, altes von Tlgenjan bei
Wei 50. Memel 798.
— s. Hypertrichosis. —, das ostpreussische (67, 186, im Kr. Allen-
Haarfarbe der Litauer 781. stein 788, der kurischen Fischer auf der
Haarmenschen 243. Nehrung 190, in Nidden 792, in Schwarzort
Haarzopf aus einem rômischen Bleisarkophag in 794.
Cöln 79. —, das westpreussische 786, in Werbelin 187.
Haberstein im Fichtelgebirge, Kartenstein 722. — form, älteste auf Alsen 410.
Hacksilberfunde in Westpreussen 751. — formen, deutsche 871.
Hüllristningar 258. — theile, einheimische Bezeichnungen 500.
Haematurle 30. . — typen in Schleswig-Holstein 648.
Häuptlingsabzeichen bei brasil. Indianern 29. Haussa, ihre Heimath 229, verwandte Stämme
Häuptlingszeichen in Mexico 116, 117. 231.
Verhandl, der Berl Anthropol Gesellschaft i391.
313)
58
(914)
Haussa-Länder, Bevölkerung 298, geographische Himmel, Thiere im, Nordw.-Americ. Indianer-
Beschaffenheit 229. sage 165.
— -Neger, Messung 44, 50. Himmelsrichtungen durch verschiedene Farben
Hausthiere in Aegypten 656, der Haussa 986. bezeichnet in Alt-Mexico 116.
Hautfarbe, Africaner 48, 49, eines Antillen- Hirschfeld bei Elbing, Westpreussen, Hirsch-
Negers 114, der Blandass 840, eines Dualla- hornhammer 749.
Knaben 280, der Litauer 781, der Man- Hirschhorn-,Axi“ von Ketzin 459.
dingo 49, der Papua 284, der Wei 50, Hirschhornharpunen mit Feuersteinzähnen in
der Westafricaner 52. Ostpreussen T55.
Haut-, Haar- und Augenfarbe in Ost- und Hirschreste in Steinzeitansiedung 86.
Westpreussen 774. Hirschsprossen als moderne Pferdegeschirr-
Hautmensch, der 684, 869. verzierung 407.
Hautverschiebung einer Handstandartistin 199. Hissarlik, ägyptische Knochengerüthe 412,
Heckmännchen (Alraun) 749. archaische Topfscherbe 81 2, Photographien
Hedingen, Schweiz, Gräberfeld 380. 384, 469, Stürzdeckel Ut, 8. Troja.
Heidelbeere in Pfahlbauten 104. Hochäcker in Ostpreussen 790,
Heiden in den Haussalündern 235, 936. Hochstäblau Westpreussen, Urnen 186.
Heilbuch des Paracelsus 408. Hochzeitsgebräuche der Orang Benua 838, der
Heilkunst der Haussa 285. Guaycurus 25.
Heirathen s. Hochzeitsgebräuche. —, ilocanische (Philippinen) 436.
Hela, Westpr., die Anthropologen in 746, Korper- Hocker, liegende, in Ostpreussen 155, in Ungarn
beschaffenheit der Bewohner 175, 800. 93, 97.
Helm, griechischer, in Bosnien 338. Hofanlage auf der kurischen N ehrung 798,
Helme mit Federn und goldenen Augen, Alt- litauische 799.
mexico 125. Hôhenzahl des Kórpergewichtes der Amazonen
Henkel, horizontal durchbohrte 18, hornfórmige und Krieger von Dahome 110.
71, hornférmige vom Hanai Tepeh 76, Höhle bei der Rosstrappe 728.
mehrfach durchlochte in Ostpreussen 760, Hóhlen von Grabovizza und von St. Canzian im
senkrecht durchbohrte 77, von Steinzeit- Litorale 31, im Harz, Knochenfunde 351,
gefässen in Pommern 7083. mit Kartenzeichnungen 288, von San Se-
Henkelschale aus Bronze von Mühlthal, Ober- stian, Venezuela 253.
bayern 824. Hihlenbewohner, prähistorische, in Malacca 839,
Henna in Aeygpten 658. Héhlenfunde von Kostelik 174, Krakan 175.
Hera-Cult 333. Hoblcelt aus Bronze von Milow 277, mit Oehr
Herkunft der ägyptischen Culturpflanzen 651, von Ketzin 457.
africanischer Glasperlen 401, der Doppel- Hölzernes Thürschloss von Cypern 43, aus dem
äxte 461, des Nephrits 599, eines Papua- Harze 725.
Knaben 284. Holstein, Näpfchen- und Schalenstein 251,
Hermannshôhle im Harz, Thierreste 352. Bunsoh 252, Rauchhäuser 494,
Hermelin in Preussen 24. Holzarbeiten von Cypern 39, der Haussa 234.
Herrgoitsstein im Fichtelgebirge 718. Holzboote in Begräbnissen Russlands 419.
Heruler 773. Holzgriff an Bronzemesser 158.
Herzthätigkeit, unterdrückte bei dem Proteus- Holzsichel mit Feuersteinzähnen von Kahun,
menschen 683. Aegypten 476.
Hesseló im Kattegat, Steinfunde 74. Homme Macabre, Protée, Statue ete. 682.
Hessen, Flonheim und Mainz, Doppeläxte 460, Wopetschisa'th-Indianer, Vancouver 160.
Hessische Holzbauten 827. Horuarüige Ansütze an Gefüssen 748.
Heteradelpher Inder Laloo 428, 869. Hornfórmige durchbohrte Henkel 71.
Heterogenie der Behaarung 243. Horn- und Knochengeräthe, Bodensee 345.
Hexen in der Gegend von Bremen 140, auf — s, Harpune, Hirsch, Ketzin.
Rügen 448, 450. Horodyseze, s. Gorodischtsche.
Hill, de, Theil des Hausbodens 494. Hottentotten- Weiber, Fettsteisse der 410.
Himbeere in Pfahlbauten 104. Hradiste von Stradonie, Böhmen, Bronzering
Himeranthus runcinatus zu magischen Zwecken mit Warzen.
737. Hügelgrab zu Milow 276, der älteren Bronzezeit
(5. E
bei Mühlthal, Oberbayern 822, der Stein- Iris (Auge) der Litauer 776.
zeit bei Wiskiauten, Ostpreussen 758. — florentina in Aegypten 658.
ohne Urne 268. Ischiopagie 369.
Hügelgräber bei Ehestorf 157, Kehrberg, Ost- Island, Depotfunde 251, Handlauf, Todten-
priegnitz 262, Leetze, Altmark 682, in Ost- bestattung 250.
preussen 759, bei Wollin, Pommern 709. Italien, Bernstein 289, 297, prühistorischer
— der Botocudos 27, in Istrien 31. Bernstein in Sicilien 690, Gold 317, Siegel,
Hühner, hahnenfedrige 243. Radsporen, Monza 219.
Hüllech, Grotte im Thüringer Walde 724.
Hünenbetten der Altmark 680. de
Hunde, von Hametzen gebissen 391. Jadëit in der Nekropole von Plemmirio, Si-
Hundemenschen 243. cilien 410.
Hydrographisches Amt, kaiserliches. Werk über — beile aus Braunschweig 601.
die Forschungsreise der Gazelle 434. Jagor, F., Brief aus Rangun 433, Reisebericht
Hyperchamaeprosopie eines Dualla-Knaben 281. 325, 801.
Hypertrichosis, partielle bei Inoianern 160, uni- Jahresbericht des Westfál. Vereins 151.
versalis 243. Jahreszahl in arabischen Zahlzeichen an einem
Hyphaene thebaïca, Dumpalme 107. schweizer Bauernhaus 465, im Drachenfels,
Hypnotismus mit Neigung zur Suggestion bei Rheinpfalz 464.
der Lattahkrankheit, Malacca 859. Jakun (Djakun), Malacca 831, 840 ff.
Hypsibrachycephale Schädel von Staufersbach, Java, Photographien 33, 110.
Oberpfalz 964, von Sillmenau, Schlesien Jöll, de, Theil des Hausbodens 491.
427, von Winterthur, Schweiz 382. Johannisbrotbaum in Aegypten 651.
Hypsibrachycephalie eines Dualla-Knaben 281. Jones, Annie, bärtige Dame 243.
Hypsidolicephaler Slavenschädel von Blossin 349. 72 T, Gerste im alten Acgypten 655.
Hypsikonchie der Wei 53. Jubiläen 867, des Alterthumsvereins der Rhein-
Hypsimesocephaler Schädel von Ketzin 462. lande, Bonn 689, Beyrich 493, Hauche-
corne 325, W. Schwartz 867, R. Virchow
I. 867, 875.
Iburg bei Driburg, Befestigung 249. Jubiläum derrussischen archäol. Gesellschaft 415.
Ilgenjan bei Mernel, altes litauisches Haus 798.
[lios s. Hissarlik, Troja. K.
llocanischer Hochzeitsgebrauch, Philippinen 436. Kahnsdorf, Kr. Luckau, Steinzeitfund 71.
Implantation, äussere, eines in seinen Haupt- Kahun, Aegypten, Feuersteingeräthe 476.
theilen defecten parasitären Zwillings 429. Kaiser von Brasilien + 865.
Inder Laloo, Heteradelph 428. Kalender, zapotekischer 156.
Indianer im nórdl Columbien, Aehnlichkeit und Kalk beim Coca-Kauen 248.
Unterschiede von ostasiat. Vóolkern 160, Ka'lkale-itl, Nordw.-Americ. Indianersage 640.
Kootenay 161, -Sagen 582. Kambodja, Photographien 746.
— Bacahiris, Banihao, Parasis, Puris 28, KAMH, altes Gebáck in Aegypten 655.
Coroados 30, brasilianische 828. Kameele, Fettbuckel der 470, 473.
Indianische Kriegskeule eines Caraya, Brasilien Kamerun, Dualla-Knabe 280.
219. Kanaanitische Gräber, Bernstein 295.
Indices von Negerschädeln 57, von Spandauer Kaninchen, Sage 542.
Schädeln 822, von Letten und Litauern Karfreit (Caporetto), Litorale, Gräberfeld mit
782, von Westafricanern 47, 56, von Blan- Urnenharz 31.
dass 843. Kartenblätichen aus der Thaynger Hôhle 719.
Indien, Ost-, ethnologische Untersuchungen 83. Kartenzeichnungen, vorgeschichtliche 237.
Perlen aus, in Africa 401. Kartoffeln in Bolivien und Peru 247. ;
Indigo in Aegypten 660. Karweiten, kurische Nehrung 798.
Indische Naturkarte von Ava 720. Katakombenartige Gräber, Russland 420.
Industrie der Haussa 288. Katarrhine Bildung bei einem Yoruba 56.
Influenza in Birma 695. Kaukasus, Bronzeanalysen 354, Doppeläxte 461,
Ingraegnungs = Botocudos 25. Funde in Moskau 415, Gogdaja, Grüber-
Internationaler pràh. Congress in Moskau 397. feld von 499, von Koban 490.
B8*
915)
e 7
Kaukasus, Grüberfelder und deren Beziehungen Knechenbau, Anomalien an einem Wei-Skelet
zum Westen 494. 53.
Kautschuk-Artistin 189. Knochenfunde in den Hóhlen bei Rübeland im
Kebu-Neger, Togo, Messungen 45, 4T. Harz 351.
Kehrberg, Ostpriegnitz, Hügelgräber 262. Knochengeräthe, ägyptische, aus alten Gräbern
Keilinschriften vom Van-See 810. von Syracus 410.
Kelch (Kylix), apulischer, von Santa Lucia 691. Knochenplättchen mit Karten 720.
Kelle, gezahnte, zur Wandverzierung 426. Knochen- und Hirschhorngeräthe in der stein-
Kenaboy, Malacca 831, 841. zeitlichen Ansiedelung von Werschetz 90.
Kephalonie eines Gräberschädels von Hohen- Koban, Gräberfeld, Kaukasus 498.
büchel, Oberpfalz 363, Kochen der Indianer an der Nordwestküste
Keramik von Mykenae 410. Americas 395.
Keramische Sammlung von der Kurischen Neh- Kocköfen aus Thon, Troas 76.
rung 755. Königliche Kunstsammlungen, amtliche Berichte
Kereksuren, Steingräber in der Mongolei und 23.
Sibirien 421. Kónigsaue bei Aschersleben, Steinzeitfunde 75.
Kesselgráber von. Werschetz, Ungarn 93, 94. Kónigsberg, Anthropologen-Congress 146, Museen
Kesselhaken in kurischen Häusern 799, 152.
Kettengehänge, La Tène-Zeit 330. Kónigskrone, mexicanische 190.
Ketten- und Bindfadenornament 748. Kópfe, práparirte, Botocudos 97.
Ketzin, Brandenburg, prühistor. Funde 457. Kärperbeschaffenheit einer Handstandartistin 190.
Keule eines Caraya-Häuptlings 219. Kürpereigenschaften der Botocudos 25.
Keulenkópfe aus Stein von Rüssen 850. Kürpergrüsse (Hóhe) der Litauer und Kuren
Keulenknepf oder Geisselknopf aus Bronze von 182, der Eingebornen von Malacca 842,
Latdorf 349. der Wei 58, von Westafricanern 45.
Kidonen und Uiguren, Verfertiger der Babas Kürpermaasse der Bewohner von Hela 775, 800,
499. von Arbeitern in Palmnicken 800, der
Kiew, Kurgane 418. Lappen 479, eines Samländers 776, von
Kinderspielzeug aus Torgau 278. Bewohnern der pacifischen Küste 159.
Kirch-Borchen, Befestigung 249. Körpertheile als Fetische 55.
Kirchengeräth, frühchristliches, Roggenkorn- Kohle in Hügelgräbern 264, 276.
gemmen 606. Kolanuss als Genussmittel 933.
Kirchheim a. Eck, Rheinpfalz, Sturzdeckel 77. Kolakasia in Aegypten 657.
Kirgisen, Bestattungssitte 423. Kootenay, Sagen der 161.
Kirsche in Pfahlbauten 100. Kopfindex s. Indices.
Kistengráber, Casekow, Pommern 487. Kopftrachten, weibliche 354.
Klafterweite der Eingebornen von Malacca 842, Kopftuch 320, 324.
von Westafrikanern 45. Korbgeflecht als Sarg 578.
Klasseneintheilung der Guaycurus 95. Korn in Aegypten 654.
Klee in Aegypten 666. Korro-Neger der Haussaländer 236.
Kleidung der Haussa 236. Kostelik, Mähren, Hôhlenfunde 174.
Klein-Popo, Neger in Berlin 118, Seelen- Krakau, Hôhlenfunde 175.
wanderung 59. Krans- und Gez-Stämme der Botocudos 25.
Klein Wieblitz, Altmark, Bronzegürtel 680. Kranzit = Bernstein 287.
Klemmen, Kr. Cammin, Steinzeitfund 71. Kranznaht, synostotisch 56.
Klete, kurisches Vorrathshaus 795, 197, 798. — Kreuz als Giebelzier 188.
Klima, Empfindlichkeit von Pflanzeu gegen 248. Krleg, der, mit dem Himmel, Sage 548.
Klinge, Brandenburg, diluviales Pflanzenlager Kriegerkleidung, altmexicanische 115.
853. Kriegsgefangene der Botocudos 27.
Klówe im Dànischen Haus 409. Kriegskeule, indianische 219.
Knabe, der, und die Sonne, Sage 548, der ver- Kriegstracht der Könige, Altmexico 125, 126,
lassene, Indianersage Nordw.-America 534. 182.
Knaben, die, und der Wal, Indianersage 633. Kroomen 65.
Knochen, bearbeitete, und Geweihstücke aus Küchenabfälle in Hesseló 74, in Ungarn 85,
Grimme, Kreis Prenzlau 399. Kümmel in Aegypten 662.
(916)
(917)
Kürbisgefässe aus Thon nachgebildet, Cypern 34, Lausitz, Steinzeit 71.
36. Leder an Bronze 158.
Küstengebiet der Ostsee, Münzen aus der Zeit Lederindustrie der Haussa 234.
vor Kaiser Augustus 223. Legenden auf Gewichten 516.
Kulm, Gräberfelder im Kreise 329. Lehmbettung von Steinkistenbôden 264, 267,
Kulna, Hôhlenfunde 175. 268, 272.
Kulturen, asiatische, in russischen Alterthümern Lehmfigur, Teufel im Togogebiet 59.
422. Lehmumhüllung einer Leiche im Negeb 578.
Kunstfertigkeit der Dahome 66. Leichenbrand in hannôv. Gräbern 158.
Kunstgewerbe-Museum, Berlin. Baseler Krug, Leichenbrandgraber, slavische bei Wollin 589.
Gemmen 608, Kusstafel, Gemme 611. Leichenreden der brasilian. Indianer 29.
Wien, Herme des heiligen Blasius, Gemme Lein in Aegypten 654.
610. Lengyel, Ungarn, Sturzdeckel 77.
Kupfer beim Steinschleifen 619, 621. Lenzen, Westpreussen, Burgwall 751, Vor-
Kupfer-Doppeläxte 460. laubenhäuser 787.
Kupferfunde, Kaukasus 856, Ungarn 91, 92. Leptoprosopie der Wei 51, 58.
Kuren, abergläubische 409. Letten, Kuren und Liven 770.
Kuren, Letten und Liven 770, Kórpermaasse — und Litauer, Verwandte der Acstier 169.
777, 801. Lettische Gräber in Ostpreussen 768. .
Kurgane, ihr Bau 418. Lichtknechtähnliche Bronzen 847.
Kurische Nehrung, keramische Sammlung 755. Liegende Hocker, Ostpreussen 754, in Ungarn
— Sprache 771. 93, 97.
Kurisches Haff s. Haff. Ligerz, Schweiz, Höhle mit Kartenzeichnung
Kurnah, Aegypten, horizontal durchbohrte 940.
Henkel 78. Limes romanus 23, 871.
Kusstafel Gemme 611. Limone in Aegypten 660.
Linaria odora auf der Kurischen Nehrung 190,
dus 794.
Lacondones, centralamerikanische Indianer 828. Linguistik 872.
Lachsfischer, nordw. american. Sage 544. Linnaea borealis in Schwarzort 194.
Lake Dwellings of Europe 80. Linse in Aegypten 658.
Lamboing, Schweiz, Kartenstein 240. Lippowaner, Die ostpreussischen 434.
Langenau, Schlesien, dolichocephaler neoli- Lippusch Papiermühle, Schlossberg, West-
thischer Schädel 427. preussen 183.
Landkarte, hinterindische 720, der Tupajas 720, Litauer in Ostpreussen 767, blonder Typus 780,
von Thayngen 719. Gebiet der 769, Iris 776, Körpermaasse
Landkartenstein von S. Sebastian, Venezuela 803.
259. Litauische Häuser 797.
Landkartenstein-Theorie, 251. Litorale s. Karfreit, Santa Lucia.
Landkartensteine, ihre Bedeutung 255, Little Popo-Leute in Berlin 113.
Lanzenspitzen aus Eisen, La Téne-Zeit 930. Lituus, Blasehorn aus Bronze von Hannover 851.
Lappen, Vorstellung in Berlin 418, 869. Livland, voraugusteische Münzen 224.
Latdorf, Anhalt, Trompetenmundstück 848. LkuügEn, Sagen der 643.
La Tène-Funde von Milow 277, von Port am Lochornament 71, 73, 708.
Zihlkanal, Schweiz 380, 360. Lockwitz, Kgr. Sachsen, Burgwälle 467, ger-
— Gräberfeld bei Rondsen 778. manische Gräberstätte 466.
— Periode, Bronzeringe mit Knópfen 814, aus Lübarten, Korpermaasse von Litauern 803.
Böhmen und Ungern 877. Löwen und Statuen in Süd-Russland 421.
— — in Westpreussen 747, 773. Löwendarstellung auf trojanischer Topfscherbe
— — in Ostpreussen 760, Skeletfunde 359. 812.
Lattah-Krankheit in Malacca 888. Löwenkopf als Gewicht 521.
Lattich in Aegypten 662. Löwenthor von Mykenae 701.
Lauben in Brixen 32, an kurischen Vorraths- Luchs, der, und das Mädchen, Sage 540.
häusern 795, s. Vorlauben. Lucia s. Santa Lucia.
Laubengänge in Marienburg 786. Lübgust, Pommern, Bronzesporn 594.
e
Lübzin, Meklenburg, Blasehorn aus Bronze 853. Matebelen, Photographien 881.
Lumme, die, Sage 546. Maulbeerbaum in Aegypten 660.
Luzerne in Aegypten 658. Maus, Indianersage 576.
Luzon, Atas 436, Hochzeitsbrauch 486. Mbam-Fluss, Kamerun 280.
Megalithische Gräber der Altmark 158, 485,
M. 679, in Polen 749.
Maassbücher, anthropologische, praktische 44. Megalithisches Denkmal mit Nüpfchenstein bei
Maasse, der Azteken 912, bayrischer Schüdel Bunsoh 252.
365, eines Dualla - Knaben 281, einer -— Gebiet der westlichen Altmark 680.
Handstandartistin 196, von Lappen 479, von Megara Hyblaea, Sicilien, Schádel 413.
Negeb-Schädeln582, neolithischer Schädel Mehlbeere (Pyrus aria) in Pfahlbauten 100.
468, schlesischer Schädel 427, slavischer Meilen, Schweiz, Steinzeitfunde 75.
Schädel von Wollin 591, 705, Steinzeit- Meissel aus Stein, Ungarn 90.
schädel von Oberfier 489. Meklenburg, Lübzin, Blasehorn 853, Teterow,
Mäanderurnen von Rebenstorf 679. Blasehorn 853, Wismar, Bronzebeschläge
Mädchen, frühreifes, von Berlin 469. eines Blasehorns 853.
Méhgerithe auf Fano 499. —, voraugusteische Münzen 297.
Mähren, Becher der Steinzeit 79, Bernstein 908, Melanesier in Berlin 869.
Diluvialfunde 153, senkrecht durchbohrter Melilli boi Syracus, Ausgrabungen 410.
Henkel 77, Höhlenfunde 174, Kostelik 174, Mellenau, Depotfunde 251.
Predmost 174, Ptin, Bernsteinperlen 880, Mende-Neger, Messungen 45.
Bronzeringe 818, Renthiergeweih 174, Menmä”ntauk-, Indianersagen 648.
Sipka-Hôhle 177. Mensch, wilder, in Trikkala, Thessalien S17.
Mahlstein als Schlussstein 'einer Steinkiste 268, Menschenfleischschmaus 984.
961. Menschenfresser bei Herodot 425, s. Anthropo-
Mainz, Doppelaxt 460. phagie.
Malaeca, wilde Eingeborene 837, ethnologische Menschenopfer in Bronzezeitgrab (?) von Mühl-
Gegenstánde 172, Lattah-Krankheit 888, thal, Oberbayern 824, in Dahome 61, bei
Messungen an Eingeborenen 889, Reisen den Wotjaken 425.
des Herrn Vaughan Stevens 829, Sitten Menschenspuren in Harzhôhlen 354.
der Orang Bénüa $33, Steingerüthe 695. Menschliche Figuren, Zeichnungen auf ost-
Malaria im Haussalande 935, in Formosa 810. preussischen Urnen 761.
Malxe, Gebiet der Wenden 321. Menschlicher Finger in einem Gefäss von Coban,
Mammuthrippen, verzierte, von Predmost 175, Guatemala 829,
Mandingo-Neger, Messungen 45, 49, Mentha in Aegypten 666.
Mandragoras, 726, nachträgliche Mittheilungen Merkmale zur chronologischen Unterscheidung
890. der Thongefässe 78.
Mann mit Riesenbart 961. Merseburg, hornfórmiger Henkel 77.
—, der, und der Wal, nordwest-american. In- Mesocephaler Schädel, Bayern 968, Schweiz 382.
dianersage 687. Mesocephalie bei Adeli und Aposso, 48, in British
Mannheim, Alterthumsverein 409. Columbien 159, bei West-Africanern 51.
Mantra (Mintra), Malacea 831, 841. Mesodolichocephaler Schädel aus dem Negeb 580.
Mär, der, auf Rügen 448, Mesokonchie der Yoruba 56. /
Mährriden auf Rügen 458. Mesorrhinie der Wei 53.
Marbas = Orang Utan 886. Messungen an Eingeborenen von Malacca 839,
Marienburg, Anthropologen - Congress in 746, an West-Africanern 45, von Dr. L. Wolf 58,
— Laubengänge 786. s. Maasse.
Marshall-Inseln 485. Metallspiegel, alte chinesische 808, aus dem
Masken der Nordw.-Amer. Indianer 384. Kaukasus 808.
— goldene, in Assyrien und Troja 531. Metrologische Forschung 414.
Massengrab der Hallstattzeit in Kehrberg 270. — Studien im British Museum 515,
Massengrüber der Steinzeit, Russland 418, Mexicanische Chronologie mit besonderer Be-
Mastspitzenschinuck kurischer Segelboote 792, rücksichtigune des zapotekischen Ka-
Masuren 762, Baba 764, Pfahlbauten 24, 764. lenders 156.
318)
C
Mexico, Kriegerkleidung 115, Rangabzeichen Münster, Westfalen. Mauritzkirche, Erphokreuz,
114, Tributlisten 116, s. Federschmuck, Gemme 609.
Sonnenstein. Münze im Munde eines Slavenschädels 349.
Microcephale weibliche, auf Tenerifa 812, s 350.
Azteken Münzen aus der Zeit der Antonine in russischen
Microcephalie bei einem Negerknaben 373. Burgbergen 423, aus der Zeit vor Kaiser
Mikroskopische Untersuchung, von Distomum Augustus 223, brandenburg. und Deutsch-
haematobium 30, Nephrit 598. ordens- in Miradau 187, in Kurganen 424,
Milow, Westpriegnitz, Gräberfeld und Hügel- tatarische in Mongolengrábern 421.
grab 216. Münzsammlung in Barenau 297.
Mimusops in Aegypten 657. Mützendeckel 750.
Minden, Dom zu, Gemmen 606, 611. Mützenurnen 750.
Miradau, Westpreussen, Münzen 187. . Muluba-Neger, Maasse 44. —
Mischlinge verschiedener Vólkerstàmme in Ma- Munitium. Rómisches Castell in Hannover 438. ,
lacca 838. Murowana-Goslin, Posen, Bronzeschmuck 407.
Mischung verschiedener ethnischer Elemente in Museo archeologico nazionale in Syracus 410.
Ost- und Westpreussen 774. Museu nacionale in Rio de Janeiro 151.
Mitglieder der Gesellschaft, correspondirende 9, Museum, Britisches, metrologische Studien 515.
151, 397, 484, 577, 865, 866, 867. Danzig 747, Elbing 749, Handels-, zu
—, Ehren- 577, 865, 866. Bremen 812, historisches in Moskau 415,
—, lebenslängliche 577. Königsberg 747, 752, in Serajewo
—, letztverstorbene 688, 867. 691, Thorn 767, für Völkerkunde, Berlin
—, neue 81, 157, 325, 89T, 433, 511, 688, 807, vorgeschichtliche Abtheilung 28, für
. 876. Völkerkunde, Budapest 258, Wiesbaden
—, ordentliche 9, 6, 861. 490.
Mittelalter, Drehbank 619, Schleifen und Bohren Muskau, Wenden um 399.
' der Edelsteine 619. Muskel-Künsiler 684.
Mitteldeutschland, Becher der Steinzeit 79. Muskelstarre 683.
Mittelmeerländer, Bernstein 296. Muskulatur der Handstandartistin 191.
Mohn in Aegypten 665. Mykenae, Darstellungen aus der Götterwelt
Mobrhirse in Acgypten 654. 699, Keramik und Ornament 410, Kónigs-
Mehirübe in Aegypten 662. gräber 602, Palladium 608, Tempelbild
Molucken, Photographien 848. 602.
Mongolenzeit, Gräber der 420.
Mond, der, in Indianersage 165, 546, und N.
Sonne, Indianersage 559. Nachbildung der Berner Elfenbeinkanne 669.
Monstrosititen, in Berlin zur Schau gestellt 869. Nachbildungen des menschlichen Fusses, Stein-
Montenegro, Reise in 691. zeit 89, thönerne, von Kürbisgefässen 34,
Monza, Dom, Relief mit Radsporen 219. 36.
Moor bei Brüssow, Pommern, neolithisches Nachrichten über deutsche Alterthumskunde 808.
Grab 467. Nachtigal, Dr., Denkmäler des 484, 870, in
Moorfund menschlicher Gebeine, von Spandau Stendal 469.
818. Nachtjiger, der, auf Rügen 450.
Moschusratte, Sage 542. Nadel, eiserne mit Bronzeknopf von Milow 211.
Moskau, Archäologen-Congress 414, Gesellschaft Nadeln, durchlochte aus Californien 881.
der Freunde des Naturwissenschaften 434, Näpfchen auf einem Hünendeckstein von Stóck-
historisches Museum 415, Internationaler heim, Altmark 680.
Congress für Anthropologie, präh. Archäo- Näpfchenstein in Holstein 251.
logie und Zoologie 1892, 23, 397, kaiserl Nabrung der Guaycurus 24.
archäolog. Gesellschaft 689, Kaukasus- Nahrungsmittel der Haussa 236, auf Reisen 30.
funde 415, vorgeschichtliche Alterthümer Nannoephalie 371.
416. Nase der Blandass 840, eines Dualla-Knaben 281.
Motecuhçoma als Xipe 135, 136. Nasenindex der Kuren und Litauer 183.
Mühlthal, Bayern, Hügelgrab 822. Nasenmaasse von Westafrikanern 45.
Münchehofe, Kreis Nieder-Barnim, Urnenfeld470. National-Museum, deutsches, zu Berlin 326, 873.
919?
(97 '.
Nationaltanz, philippinischer 436, Oberpfalz, Hügelgrüber 359.
Naturvülker, Vertreter in Europa 869. Obliwitz, Pommern, Bronzesporn 593,
Naualock (Nawalock), Geistertanz, Nordwest- Obmann des Ausschusses 947.
America 885. Obstarten der alten Welt 97, ihre Heimath 98,
Negeb, südl. v. Palästina, Beduinen 578, Reise ihr Alter 98, Züchtung 109.
nach dem 490, 578, Schädel 490, 578. Or (Oxalis) 248.
Neger von der Westküste Africas 869. Oelbaum, Alter des 105.
Negritos auf Luzon 436, in Malacca 829, nicht Ohlau, Schlesien, Nephritheil 596.
angetroffen von V. Stevens in Malacca 888. Ohrbommeln, Bronze, von Milow 277.
Nehrung s. kurische. Ohren- und Mützenurnen 750.
Nekropolen, sicilische 690, Ohrhôhenindex bei Westafricanern 51.
Nelumbium speciosum in Aegypten 659. Ohrringe, goldene von El Hibha und Warka 581.
Neolithische Gefüsse aus Hügelgräbern 759, Zeit Olbia, Wappen von, auf Ziegeln 490,
in Westpreussen 748. Opferallar 718, am Girgelstein 721.
— freiliegende Skeletgrüber von Glasow bei Opfermulden im Fichtelgebirge 717.
Löcknitz, Pommern 467. Opferwagen, Bronze, in Bosnien 398.
Neolithischer Schädel von Langenau, Schlesien Orang Benüa, Sitten der, in Malacca 833.
427. — Utan (Affe), 831 Alter des Namens 837.
Neolithisches Grab, Moor bei Brüssow, Pommern — Utan (Hutan), Eingeborne von Malacca
461. 831, 884.
Nephrit 410, -Artefacte, Herkunft 999, seine Orange in Aegypten 660.
Bearbeitung 699, Beil aus der Gegend Oregon 119.
von Ohlau (Schlesien) 506, Geräthe, Ver- Orient, Erscheinen des Bernsteins im 298.
breitung 424, Brüche von Schachidula — Comité 490,
und Schleifereien von Chotan 692, Ring Orientalischer Einfluss in der Thierdecoration
zum Bogenspannen, Mesopotamien 81. bei Germanen 495.
Nerz, der, nordwest-amerie. Indianersage 170, Orientalisten-Congress, internat. zu London 158,
575. Ornamente in Mykenae 410, neolithische in West-
Neu-Britanuien, Papua-Knaben 989. preussen 747, steinzeitliche 71, 702.
Neu-Guinea Compagnie 870. Ornamentirte Urnen von Hochstüblau 186.
Neu-Lobitz, Pommern, Bronzeschmuck 407. Orthobrachycephaler Schädel von Hohenbüchel,
Neustadt, Wenden um 393. Oberpfalz, Bayern 363.
Nickelsdorf, Kr. Allenstein, Altherthümer 766, 788. Orthodolichocephalie der Haussa 50, der Wei 58.
Nidden, kurische N ehrung, Häuser 790. — Alemannenschädel vom Geissberg, Zürich
— Körpermaasse von Kuren 801. 982.
Niederlausitz, vors]avische Funde 588, Wenden Orthomesocephaler Schädel von Muttenhofen
in der 319, s. Klinge, Lausitz. Bayern 364.
Niederlausitzer Gesellschaft für Anthropologie 6s Incae tripartitum vom Geisberg, Zürich 389.
und Urgeschichte 485, — iriquetrum 360,
Memaschkleba, Nied.-Lausitz. Urnenfeld 583. Osnabrück, Dom, Capitelkreuz, Gemme 609, Re-
Niendorf, Hannover, Hügelgrab 158. liquiarium, sog. ,Adort“-Gemme 611.
Nieps, Altmark, Hünenbett 680. Ossig, Kr. Guben, Eisennachbildungen von
Niger-Fluss 229, Bronzetypen 585.
Nilkarle, africanische 959. Osswitz b. Breslau, Elchhorninstrument 425.
Nootka-Indianer auf Vancouver-Insel 160. Ostpreussen, áülteste Periode der Besiedelung
Nupe-Staum, Africa 931, 753, Aestier 769, Alraun 745, alt-
litauisches Gebiet 774, archäologische
9. Forschung 746, Bandweben 435, Bauern-
Obelisk mit Runen in Russland 421. häuser 788, Bernsteinartefacte 156, Be.
Oberarmknohen, verletzter aus einem Hiigelgrabe vôlkerung, altpreussische 767 , Bronze-
von Parsberg, Oberpfalz 860. keulenkopf von Warnicken 850, Bronzezeit
Oberfier, Pommern, Skeletgräber 488. 159, Bügelringe 760, Dirwangen, Hirsch-
Oberlausitzer Gesellschaft für Anthropologie hornharpunen 155, Gerdauen, Pruzzen-
und Urgeschichte, Hauptversammlung in gräber 769, Gräberfelder 760, Häuser,
Gôrlitz 689, altpreussische 767, Hügelgräber T59,
: 20)
( . . 1 )
Königsberger Museum 752, Kurische Pfeilgift aus Malacca 836.
Nehrung, keramische Funde 755, La Pfeilschäfte, Schleifsteine für, in Brasilien 344,698.
Tène-Zeit 760, Letten und Littaner 767, Pfeilspitzen aus Stein, Brasilien 844.
lettische Gräber 768, liegende Hocker Pferd: in einem Grabe von S. Lucia 691, in
154, Lippowaner, 494, Lochverzierungen Steinzeitansiedlung 86.
74, Palmnicken, Bernsteingrüberei 757, Pferde, wilde, der Diluvialzeit 24.
Pfahl als Giebelschmuck 789, Pfahl- Pferdegebisse, La Téne-Zeit 330.
bauten 764, Póppeln, Auerochsenschädel Pferdekiefer von Ketzin 458.
mit Feuersteinspeer 755, Rossitten, Stein- Pferdeknochen in Begräbnissen Russlands 419,
zeit 754, 783, slavische Funde 751, 762, 420.
slavisches Gebiet 774, Urnenfund von Pferdeköpfe als Giebelzier an kurischen Häusern
Nickelsdorf 789, voraugusteische Münze 190, litauischer Giebelschmuck 198.
225, Wikinger-Anklänge 763, Pfahlbauten Pferdekummet 407.
14, alte Rechtsverháltnisse 188, Wis- Pfirsich in Aegypten 659, nicht in Pfahlbauten
kiauten, Steinzeitfunde 754. 102.
Ostsee-Gebiet, voraugusteische Münzen 228. Pflanzen in Aegypten 649, in Bodenseefunden
Oxhôft, Westpreussen, neolithische Funde 748. 346.
—, auf der kurischen Nehrung 790, 798.
P. —, ihre Empfindlichkeit gegen Klima 248.
Pacifische Nordw.-Küste, Anthropologie 198. ^ —, s. Mandragora, Obst.
Pack Pack, Sumatra, Anthropophagen 351. Pflanzenarten, diluviale, v. Klinge, Niederlausitz
Pagodenurnen 761. 883.
Palladium, das, in der mykenischen und tiryu- Pflaumen in Pfahlbauten 101.
thischen Darstellung 603, in Mykenae 699. Pfriemen mit Thierkopf, Ketzin 459.
Paläolithische Fnnde in Ungarn 92. Phallus (?) an Bronzering 333, 384.
Palästina s. Negeb 578. Philippinen, Eingeborne 436, Photographien 348.
Palmano am Orinoco, Landkartenstein 255. Phönicier, Niederlassungen auf Sicilien 412.
— in Aegypten 107. Phoenix dactylifera, Dattelpalme 107.
Palinnicken, Ostpreussen, Bernsteingräberei 746, Photographien von Papua-Knaben aus Neu-Bri-
151, Kórpermessungen 775, 800. tanien 288, von West-Africanern (Dahome)
Pampas, der pliocäne Mensch der 811. 65, Album vom Anthropologen-Congress
Papuanische Gesichtsmasken 689. 746, 881, der ältesten ägyptischen Bronzen
Papua-Knaben von Neu-Britannien 283. 726, aus Bali-Land 577, der Benong Ahong,
Parallelen in den Gebräuchen der alten und Nhongeh 746, der anthropologischen Ge-
der jetzigen Bevölkerung von Cypern 34. sellschaft 873, eines Degenschluckers 401,
Parasis, Indianer, Brasilien 28. eines Dualla-Knaben 980, von der Excur-
Parasit, africanischer, Distomum 30. sion in die Altmark 890, Haus mit Vor-
Parsberg, Oberpfalz, Bayern, Gräber 359. laube von Lenzen bei Elbing 787, des
Parsi, indischer 428. Heteradelphen Laloo 428, von Hissarlik
Patai s. Fruchtkuchen. 348, 469, von Hottentottenweibern 470,
Pedro Il, Dom, d’Alcantara + 865. aus Java 99, 110, kurischer Häuser 791,
Penis, Reizsteine des 351. eines litauischen Bauerngehóftes 881, von
Perioden der Steinzeit in Brasilien 342. Matebelen881, von megalithischen Gräbern
Perlen, kostbare, der Basutho, Transvaal 399. der Altmark 158, von Microcephalen 278,
Perwer, Altmark, römische Funde 679. Portrait-, combinirte 645, aus Südasien
Petrescu, Handstandkiinstlerin 189. 807, von Sumatra 237, von Sulu, Phi-
Petroglyphen 258. lippinen und Molucken 348, von Schwarz-
Pfahl als Giebelzier in Westpreussen 188, bei orter Häusern 794.
Allenstein 789, litauischer Giebelschmuck Photographische Vereinigung, freie 398.
798, kurischer 790, 796, mit Stern an alt- Pinus montana (iniops) 790.
märkischen Häusern 682. Pirus aria in Pfahlbauten 100.
Pfahlbauten im kurischen Haff(?) 758, masurische Pisel, der, in Bauernhäusern 501.
24, 14, 164, der Schweiz 15, Bernstein 302. Pissel im dänischen Hause 409.
Pfal;, Doppelaxt von Friedolsheim 460, s, Pistervitz, Brandenburg, Schaftzwinge aus
Drachenfels. Bronze 851.
‚321
(922)
Pithekoides Aussehen Microcephaler 374. Ptin, Mähren, Bronzeringe mit Warzen u. s. w.
Plagiocephaler Schädel eines Yoruba 55, von 878.
Staufersbach, Oberpfalz, Bayern 364. Ptolemäisches System 414.
Plantagen in Ost-Africa, ihre Zukunft 694. Pik, der, auf Riigen 450.
Platysma, willkiirliche Contraction 683. Punica granatum, Granatapfel 108.
Platyrrhinie, extreme, eines Dualla 981, bei Puris, Indianer, Brasilien 28.
Haussa 50, Mandingo 49. Pulverhorn von Cypern 25.
Plemmirio bei Syracus, Ausgrabung 410. Pyrola auf der kurischen Nehrung 794.
Pliocäner Mensch der Pampas 811.
Páppelu, Ostpreussen, Auerochsenschädel mit 0.
P Fenersteinsp osrsp Ve 155. Qa'is, Nordw.-Amer. Indianersage 639.
olen, megalithische Grüber 749. . . "
— in Ostpreussen 767, 14, 718. Qils, Nordw.-Amer. Indianersage 550, 628.
? > . .
Polirstein von Niendorf, Hannover 158. Quögtik où, Sage 941.
Poltowa, Kurgane 418. : Quakjult-Indianer 386.
5 ga ~ .
Pomeranze in Aeevpten 660. Quefiua-Ásche beim Coca-Kauen 248,
SYP . Querfahne in Altmexico 122
Pommern, Alt-Storkow 405, Babbin, Bropze- ‚44 : x
funde 850, Blasehorn von Cóslin 857, goo, Vite in Aegypten 659.
Bronzesporen 591, Bronzeschmuck 405,
Glasow, neolithische Gräber 467, Gräber- R.
feld u.s. w. bei Wollin 708, Moor, neo- Rabe, der, Nordw.-Amer. Indianersage 639.
lithisches Grab 467, Neu-Lobitz 407, Rache an Todten bei Botocudos 97.
Skeletgrüber der Steinzeit 487, Slavische Radornament à Bronze, Mühlthal, Oberbayern 824.
Schädel 704, Steinzeitliche Ornamente Radsporen auf Siegeln, im Grabe Bernharts von
702, Volksthümliches aus Rügen 445, vor- Italien und auf einem Relief am Dom zù
augusteische Münzen 227, Wohnhäuser Monza 219.
ohne Schornstein in Hinterpommern 725, Räuchergefäss von Ossig, Kr. Guben 585.
Wollin, slavisches Gräberfeld mit ge- Rajpute Laloo, Heteradelph 428.
mischter Bestattung 589, Zuchen 407. Rakhameh im Negeb, Schädel 578.
Port, Schweiz, Funde 330. Ramsnasen der sog. Azteken 279.
Porto novo, Westafrica, Leute in Berlin 113. Rangabzeichen, altmexicanische 114.
Posen, Bronzeschmuck von Murowana-Goslin, Rantau, Ostpreussen, Bronzefunde 759, 761.
Kr. Obornik 407. Rasse von Cannstatt 420, von Microcephalen
Pote’'mten, Indianersage 511. (Chua) 375.
Pricolumbisches Tabakrauchen und Caximbos Rasselu der Hametzen 390.
811. Rathsdorf, Westpreussen, Schlossberg 178.
Prihistorischer Bernstein aus Sicilien690, Mensch Rauchen bei den Fulbe 285, bei den Haussa
der Pampas 811. 285, in Südamerica 811.
Prähistorisches aus dem Museum für Vôlker- Rauchhäuser in Holstein 494, auf der kurischen
kunde, Berlin 23. Nehrung 792, der Litauer 797, fehlen in
— s, Ketzin, Ober-Birma, Westpreussen. Schleswig 494.
Práriewolf und Sonne, Nordw.-Amer., Indianer- Rauchhaus in Pommern 725.
sage 165. Rauchloch an kurischen Háusern 796. s. Ulenloch.
Predmost, Mähren, Renthiergeweih 174, Ravenin bei Sassnitz 456.
Preisselbeere, nicht in Pfahlbauten 104. Rebenstorf, Hannover, Fensterurne und Máander-
Priester im Togo-Gebiet 58. urnen 619.
Prognathie der Wei 58, der sogenannten Azteken Rechenschafisberichi des Schatzmeisters 874.
279, Rechispflege der Batin, Malacca 834.
Proteus, der moderne 682, Rechtsverhältnisse der Haussa 232.
Provinzial-Museum, Märkisches, Erwerbungen 726. Refugiés in Ostpreussen 767.
—, Westpreussen 329. Reichersdorf, Nieder-Lausitz, Stein- und Bronze-
Prunus s. Obstarten. funde 587.
Prussia, Sammlung dor, in Kónigsberg 753. Reifeneimer von Santa Lucia 691.
Pruzzen in Ostpreussen 768. Reis in Aegypten 659.
—, Grüberfeld der 769. Reise in Malacca 829, nach dem Negeb 490,
(v. 7
an die pacifische Küste 158, nach Pa- Rundhaus von Alsen 410.
lüstina 518, in die Türkei 247. Rundlingsdórfer der Altmark 682.
Reisen, Nahrung auf 90. Runen auf Steinbabas 421.
Reizsteine des Penis auf Sumatra 351. Runeninschrifi am Drachenfels, Rheinpfalz 465.
Religion in Alt-Acgypten 653, der Haussa 232, Runenobelisk 421.
der Westafrikaner 45, 58. Russische Alterthümer 415.
Religionsverhältnisse in Ostpreussen 168. — Prühistorie, Bedeutung für den Occident 424.
Reliquien, altmexicanische, in Schloss Ambras Russischer Archäologen-Congress 414.
485. Russisches Institut zur ethnologischen und
Reliquienarm der heiligen Anna 606, 611. archäologischen Erforschung des Orients
Renthiergeweih von Predmost, Mähr. 174. in Constantinopel 689.
Rhein, Bronzefunde im 490. Russland, Charkow, Alterthümer 411, Eiszeit
BRhinoceros-Resie bei Klinge, N.-Laus. 885. 494, Flachgräber 418, Gesellschaft
Riebeck, Legat 875. Moskau 434, Gothen in 425, Grabhügel-
Riemenverzierungen, Bronze von Milow 277. funde, Chronologie 411, griechische Ge-
Riese, der, in nordw.-amer. Indianersagen 111. fásse 419, Kannibalismus 425, Mon-
Riesenbett bei Klemmen 72. golengráber 420, Runenobelisk 421, sey-
Riesenhirschreste bei Klinge 884. thische Epoche 418, Skeletgrüber 419,
Rillen an ägyptischen Tempeln 861. slavische Epoche 410, Steinzeit 418,
Rind in Steinzeitansiedelung 86. Völkerwanderungsfunde 416, Wohnstätte
Rindergestalt als Gewicht 528. 419.
Ring, kaukasischer, Bronze, Analyse 355. S.
Ringe zum Bogenspannen 81, 486, 610. Sachsen, s. Altmark, Cólleda, Gross-Schwechten,
— mit Knôpfen und Thierfiguren 490, 814, 877. Harz, Lockwitz, Róssen, Sobrigau, Stass-
Ringgeld (?) von Werschetz, Ungarn 92. furt, Stendal, Torgau.
Ringhalskragen in Westpreussen 747. Sachverständigen-Commission des Museums für
Ringwall in Bosnien 336. Völkerkunde 434.
Rio Cahy, Brasilien, Steinwaffen 339. Sackrau, Schlesien, Grabfund 425.
— de Janeiro, Museu Nacional 157. Säbel, von cinem Degenschlucker benutzt 402.
Rohenbausen, Schweiz, Steinzeitfunde 16. Sächsische Häuser, Altmark 681.
Rocken von Cypern 40, 41, aus Bronze 42. Säule als Gôttersymbol in Mykenae 701.
Rimercastell bei Rulle, Hannover 438. Sagen aus Britisch - Columbien 532, 628, vom
Rimerschanze bei Werschetz, Ungarn 85. untern Fraser River 549, der Indianer in
Römische Funde im Museum zu Salzwedel 679, Nordw.-America, ihre Verbreitung 172, der
(Provinzial)-Funde von Milow 277, Münzen Kootenay-Indianer 161, der Ntlakyapamug
in Deutschland 237. 546, auf Rügen 449, der Shushwap 532.
— Zeit, Feuersteinmesser in Aegypten 417, Sakai (Orang Sakai) Malacca 887, 845.
Grüber in Ostpreussen 780, in West- Salta, Argentinien, Algorrobekuchen 30, 109.
preussen 750. Salzburger in Ostpreussen 767.
Rüssen, Prov. Sachsen, Keulenkôpfe aus Stein850. Salzwedel, Excursion 485, 679, Museum 679.
Roggenkiruer an babylonischen Gewichten 628. Sambi (Sembi, Sami), Bewohmer des Sam-
Roggenkorngemmen des frühchristlichen Kirchen- landes 710.
gerüthes 606. Samlünder, Kórpermaasse 776.
Rohrarbeiten von Cypern 40. Santa Lucia, Litorale, Ausgrabungen 691.
Rendsen, Westpr., Gothisches Gräberfeld 778. Sarg aus Thon bei Botocudos 28.
Rosaceen s. Obstarten. S'baita, Negeb, Ruinen 578.
Rose in Aegypten 663. Schachidula, Nephritbrüche 692.
Rossitten, Ostpr, Steinzeitfund 754, Schädel 785, Schädel von Beduinen 581, von Casekow, Stein-
Rosstrappe am Brocken 723. zeit 487, deformirter von Staufersbach,
Rothzefärbie Skelette 420. Oberpfalz 362, und Skelettheile aus Hügel-
Rubus fruticosus, Brombeere 104, idaeus, Him- gräbern der Hallstatt- und Tènezeit in
beere 104. der Oberpfalz 359, von Ketzin 457, aus
Rügen, Volksthümliches 445. einem megalithischen Grabe von Mellin,
Rüstungen in Altmexico 116ff. von Mühlthal, Oberbayern, Bronzezeit 824,
Rulle, Westfalen, Rómercastel 249. . Altmark 680, von Megara. Hyblaea 413.
5983
(37^)
aus dem Negeb 490, 578, 580, neolithischer ' Schmucksachen in russischen Grübern 419.
von Moor, Pommern 467, von Oberfier, Schneiden des Nephrits in Chotan 693.
Steinzeit 488, aus schlesischen Grüber- Sehnurornament 78, 703, Schweiz 75.
feldern 427, aus dem slavischen Gräber- Schnur- und Stichornament, neolithisches,
feld von Blossin 849, slavische von Wol- Westpr. 748.
lin 590, 704, von Spandau 818, von Sumatra Schnurverzierung 71.
807, von Wilkowitz, Schlesien 427, von Schotten in Ostpreussen 767.
Winterthur, Schweiz 381, von Yoruba 55. Schrift in Aegypten 650, 653.
Schädelcapacität eines Yoruba 55, eines Wei- Schriftzeichen auf Babas 421.
Negers 58. Schwanzbildung beim Menschen 795.
Schädelmaasse, Ketzin 461, neolithischer Schädel Schwarzort, Häuser 794, Kôrpermasse von Kuren
von Moor 468, Spandauer Schädel 821, 802, Bernsteinschmuek der Steinzeit 750.
Tungusen 436, Oberfier, Steinzeit 489, von Schweden, Blaschôrner 855, voraugusteische
Westafrikanern 56. Münzen 227.
Schädeltrophäen bei Botocudos 27. Schwedenschanze von Osswitz, Schlesien, Grab-
Schaf zur Steinzeit in Ungarn 86. funde 495.
Schafscheere, eiserne von Rebenstorf, Hannover Schwein aus Serpentin als Gewicht, Babylonien
619. 528.
Schalen, goldene, und Bernstein 815. Schweiz, alemannisches Grab auf dem Geisberg,
Sehalenstein von Meldorf in Holstein 252. Zürieh 382, Funde vom Zihlkanal 399,
Schatzgräberei. Zauberformel für 408. Gold 817, Hedingen, Grüberfeld 380, Jahres-
Scheibennadel von Christianstadt, Kr. Sorau 584, zahlan Bauernhaus 465, Kartenzeichnungen
von Fritzen 759. 237, Pfahlbauten, Bernstein 302, Schädel
Scherben, als solche beigesetzt in Kehrberg 263. 383, Skelet 381, Volkerstrasse 838.
Schiesspulver aus Canavalia-Bohnen in den Chin- Sehwelzer in Ostpreussen 767.
hills 678. Schwert der Haussa mit Kreuzgriff 287.
Schildkrôtengestalt als Gewicht in Babylonien 523. Schwerter der La Tène-Zeit aus demZihlkanal 330.
Schläfenringe in Westpreussen 751. Schwertlilie als Alraun in Ostpreussen 745.
Sehlafinachende Wirkung der Alraune 732. Schutzvorrichtungen beim Bogenspannen 610.
Schlehen in Pfahlbauten 101. Scopolia carniolica als Arznei- und Zauber-
Schleife, Wenden um 322. pflanze 737.
Schleifen der Edelsteine im Mittelalter 619, Seythische Epoche in Russland 418.
des Nephrits 698, Sechsfingrige Hand eines Antillen-Negers 114.
Sehleifsteine in Ungarn 90, 99, für Pfeilschäfte Sectionen des russischen Archälogen-Congresses
in Brasilien 344, 415.
Schlesien, Burgwall v. Haidevorwerk 427, Elch- Seehausen, Altmark, römische Funde 679.
horninstrument von Osswitz 495, Goldfund Seekarte d. Polynesier 721.
426, Ohlau, Nephritbeil 596, Sackrau, Seelenwanderung in Klein Popo 59.
Grabfund 425. Selbstmorde der Lippowaner 435.
Schleswig, Bauernhöfe 409. Semang (Orang Semang) Malaeca 837.
Schleswig - Holstein, Haustypen 648, vorau- Semiten in Aegyten 652.
gusteische Miinzen 227. Sendschirli, Ausgrabungen 490.
Schliemann + 21, Biographie 812, Deutungen Sé'nótlké, Nordw.-Amer. Indianersage 642.
Mykenischer Funde 701, Gedächtnisfeier Serajewo, Museum 691.
22, 81, 247, 825, Porträt 22, Testament 687. Sesamum in Aegypten 659.
Schlässer an Thüren auf Cypern 42, im Harz 725. Sexualität, Einfluss auf Körpermaasse 58.
Schlossberg bei Lippusch Papiermühle, West- Shouldered Celts in Birma 649.
preussen 183, von Rathsdorf 178. Shushwap, Sagen der 532.
Schlossherge in Westpreussen 178. Sia'latsa, Indianersage 629.
Schmiedekunst der Haussa 284. Sichel aus Holz mit Feuersteinzähnen von
Schmöckwitz, Brandenburg, Schaftzwingen aus Kahun, Aegypten 476.
Bronze 851. Sicheln in Island 250,
Schmuck der Haussa 236, der Mastspitzen Sicilien, Becher der Steinzeit 79, Megara Hyblaea,
kurischer Segelboote 792. Schädel 413, prähistorische Bernsteinfunde
Schmuckphanzen in Aegypten 667. 690, Syracus, archaische Grüber 410.
Der
E
(925)
Siegwurz (Allium Victorialis) 740. Spandauer Schädel 818.
Silberfarbiges Haar in Griechenland 346. Spanien s. Americanisten, Ausstellung.
Silberne Banner in Altmexiko 121. Spannringe zum Bogenschiessen 610.
Silberring zum Bogenspannen 485, von West- Specht und Adler, Nordw.-amer. Indianer
heeren, Altmark 680. sage 561.
Siletz, der letzte, in Oregon 159. Spelt in Aegypten 654.
Sillmenau, Schlesien, Schädel 427. Spiegelnadel von Fritzen 759.
Simbirsk, Begräbnissplatz und Befestigung 420. Spieler, der, Sage 545.
Sinnoi (Orang Sinnoi) Malacca 831, 841. Spindein von Cypern 40, aus Bronze 40.
Sipka-Hôhle, Mähren, Feuerstätte 178, Unter- Spinnwirtel, Ungarn, Steinzeit 89.
kiefer 177. Spiralröllchen aus Bronze von Alt-Storkow,
Sitte, die grosse, Opferfest in Dahome 69. Pommern 406.
Situla von Santa Lucia 691. Spitze Hoch bei Bernburg, Massengrab 848.
Sitzungsberichte, verspäteter Druck der 810, Spornähnliche Gegenstände 396.
Skandinavische Formen in preussischen Grab- Sport des sogenannten Handlaufs in Island 250.
funden 771. Sprache, friesische, in Holstein 511.
Skarabaeoiden, Gewichte (?), Babylonien 528. Sprachliches aus Rügen 446.
Skelet der Bronzezeit von Mühlthal, Ober- Spreewald, Wenden im 820.
bayern 822, von Zürich 281. Sprossenfibeln, Pommern 593.
Skeletgrab, altfrink. mit Namen 397. Spuk auf Riigen 449.
Skeletgrüber, in Bootform, Russland 420, bei — der, in Spyker 456.
Casekow, Pommern 481, neolithische, von Spuren asiatischer Kulturen in den südrussi-
Glasow, Pommern 467, von Oberfier, schen und scythischen Alterthümern 422,
Steinzeit 488, slavische bei Wollin 589, des Einflusses der Gothen in Nordruss-
704, russische 419. land 425, vom Einfluss Indiens auf die
Skelette, Aleuten 172, bemalte (rothgefärbte) afrikanische Welt 377, des Kannibalismus
in Kurganen 418, 419, von Indianern der in der wotjakischen Volkspoesie 425.
Nordwest- Küste America's 160, neo- Squelette vivant 682.
lithische, Pommern 467. Squoë'të&, Indianersage 636.
Sklavenjagden des Kónigs von Dahome 66. Stimme der Botocudos 25.
Sklaverei bei den Haussa 232. Stahlfarbene Bronze 356.
Sk-qomic, Sagen der 639. Stammbaum einer Indianerfamilie in Brit.-Co-
Slaven in Ostpreussen 767, in Westpreussen 118. lumbien 160.
Slavisehe Epoche in Russland 419. Stammessagen vom untern Fraser River 655.
— Funde in Ostpreussen 751, 762, in West- Stampfkeulen, Brasilien 345.
preussen 751. Stangenwalde, Ostpreussen, lettische Grüber 163.
_ (Gefässe 704, Gräber bei Blossin 349, bei Stantien und Becker, Bernsteingewinnung 757.
Sobrigau 465, Gräberfeld mit Skeletten Stantienit, Ostseebernstein 287.
und Leichenbrand auf dem Silberberg Stassfurt, Thondeckel mit Lôchern 77.
bei Wollin (Pommern) 589, Schädel vom Staufersbach, deformirter Schädel 362.
Galgenberg und Silberberg bei Wollin St. Canzian, Hohlen der Steinzeit 31.
704, 713, Thongefässe von da 714. Steatopygie 471.
Slavisches Gebiet in Ostpreussen 774. Steinbabas s. Babas.
Slavo-lettische Pfahlbauten 75, 77, 164. Steinbelle, Ungarn 89.
Sleten, de, Theil des Hausbodens 497. Steinbilder im westpreussischen Provinzial-
Snanaimuq, Sagen der 636. museum 747, in Ostpreussen 164.
Soblensitz, Westpreussen, Burgwall 184. Steine, Bohren der 619. :
Sobrigau, Sachsen, Slavengriber 465. —, die, bei Goor, Rügen 456.
Sobunar, Bosnien, Ansiedelung 337. Steingeräthe zu abergläubischen Kuren 418.
Sokoto, Haussabevälkerung 228. — im Bodensee 845, in Hallstatt-Urnen 478,
Sonne, die, in Nordw.-amer. Indianersagen 164, aus der Lausitz T1, aus Malacca 695, aus
167, 546. Ungarn 89.
— goldene, als Kriegerschmuck, Mexico 181. Steinhämmer, doppelt gebohrt, Ungarn 90,
Sonnenstein, Mexico 126. durchbohrte, Ungarn 89, Hannover 158, von
Sorbus, Eberesche 104. Ketzin 459.
BLM
"n
Ay
CE
Steinhammer und Metallbeigaben zusammen Synchondrosis spheno-occipetalis offen 55.
156. Synergie bei der Handstandartistin 210, von
Steinkisten mit Sand ausgefüllt, Kehrberg 263. Muskelleistungen 402.
Steinkistengräber, Hochstüblau 186, Kehrberg262, Synostose der Coronaria 55, 56, der Pfeilnaht
in Westpreussen 749. bei Mikrocephalen 373, 375.
Steinkranz, Bedeutung 422, um Hügelgrab 270, Syphilis, Mittel gegen, der Indianer 109. .
274, 275. Syracus, archaische Gräber 410, Museo Archeo-
Steinmesser aus Aegypten 474. logico 410.
Steinmulden im Fichtelgebirge 717. Syrien, Alraune 890, Bernstein 295.
Steinsetzungen in Westpreussen 749. Syrische Pflanzen in Aegypten 664.
Steinwaffen, prühistorische, in Birma 694, in Szernen, Kórpermaasse von Litauern 804.
Botocuden-Grab 28, in Brasilien, Alter
. 889, 698. T.
Steinwerkzeuge, in Malacca 832. Tabak, Monographie über den 811, Kauen bei
Steinzeit, Bevôlkerung zur 78, der Lausitz und den Haussa 235, Rauchen, präcolumbisches
ihre Beziehungen zu der Steinzeit anderer 811.
Länder 71, in Russland 418, 419. Tabayos s. Botocudos 25.
Steinzeitfunde aus Höhlen des Küstenlandes 31. Tänze der amer. Indianer an der Nordwest-
Steinzeitliche Ornamente aus Pommern 702, Küste 385.
Steinzeitperioden in Brasilien 349, : Tättowirte Engländer 880.
Stendal, Nachtigal-Denkmal 469, 484. Tättowirung der Kebu 48, von Westafrikanern
Steppenflora, diluviale 889. 113.
Sterne, die, der Frauen, Indiarersage 644. Tagalen-Knabe in Berlin 350, 869.
Stevens, Vanghan, Reisen in Malacca 829, 869. Tageslicht, die Entstehung des, Indianersage
Stichornament in Westpreussen 748. 637.
Stierkopf mit Doppelbeil, Symbol des Zeus 700. Talismane, Alraune als 728.
Stimme, tiefe, eines frühreifen Mädchens 470. Tangendorf, W. Priegnitz, Bronzefund 79.
Stinkthier, das, Indianersage 575. Tanzdecke der Hametzen 390.
Stirnblude der mexikanischen Könige 120. Tanzkostüme, Altmexico 123.
Stirnbinden, goldene, in der Mixteca 120. Tapes (Coroados), Indianer, Brasilien 30.
Stôckheim, Altmark, Hiinenbett 680. Tataren in Ostpreussen 767.
Stipseldeckel 750, 761, gezeichneter 584. Teichmuschel in Küchenresten, Werschetz 86.
Stonehenge (England) 242. Telkwitz, Westpreussen, Ringkragenschloss 747.
Stradonitz, Böhmen, Bronzeringe mit Knöpfen, Tempelbild aus den Königsgräbern von My-
Warzen 814, 878. kenae 602.
Strohteller von Cypern 39. Tenerifa, weibliche Microcephale von Orotava 812.
Stürzdeckel 77. Terra sigillata von Seehausen, Altmark 679.
St. Veitsberg, Istrien, Grüberfeld der Hallstatt- Terramaren-Cultur in Bosnien 336.
zeit 31. Teterow, Blasehornmundstück 853.
Succinit, Bernsteinart 288, im Siiden 293. Teufel im Togogebiet 59.
Sudiner (Pruzzen), Volkstamm in Ostpreussen 768. Teufelssteine, Teufelstisch 717.
»Süd-Amerika* Zeitschrift 490. Thaynger Höhle, Kartenblättchen 239, 719.
Suevische Hausform 648. Thierdarstellungen auf babylonischen Gewichten
Sulu, Photographien 348. 523.
Sumatra Anthropophagen 351, Photographien Thiere im Himmel, Indianersage 165.
237, Reizsteine 351. Thierfabeln der Nordw.-amer. Indianer 161.
Sumpitan, Blaserohr in Malacca 834. Thierfiguren 329, an Bronzeringen 490, als
Sutura frontalis persistens 363, 382, 706. Giebelverzierung 682.
Svárev bei Unhost, Bóhmen, Bronzering mit Thiergestalten der abendländischen Kunst 425.
Warzen 878. Thierkôpfe an Bronzeringen 814.
Sykomore in Aegypten 107, 637. Thierkopf, Pfriemen mit, Ketzin 459. -
Symbelische Darstellungen der Waage und des Thierleben bei Schwarzort 194.
Gewichts 528. : Thieropfer in Bronzezeitgrab von Mühlthal,
Symmetrie, Abweichungen von der, am Rumpfe Oberbayern 824, in Dahome 67,
der Handstandartistin 192, Thierreste in Bodenseefunden 346.
926)
(927)
Thon als Zusatz zu Coca 247, 248. Tropaeolum tuberosum 248.
Thonfiguren, phantastische, mit Thierküpfen, von Tschechische Ausstellung in Prag 828.
Torgau 218. Ts'éscha'ath-Indiauer 160.
Thongeräth, neolithisches in Westpreussen 748. Türkismesalk, zu Schmucksachen in Altmexico
Thongefásse, in Bosnien 336, in Brasilien 339, 698, 120.
von Cypern 34ff, Durchlässigkeit 259, Tungusen, Schüdelmessungen 436.
gedrehte, der La Tène-Zeit 381, aus Tupaias, Karte 726.
Hügelgräbern 267, 268, 270, 275, 276, Tupfenornament, neolithisches 77.
slavische 704, 714, Ungarn 86, Verwend- Twaun, Schweiz, Hôhle mit Kartenzeichnung
barkeit 259. 240.
Thonkugeln, gebrannte, von Werschetz 88. Twistringen, Hannover, rom Befestigungen 443.
Thonperlen, Ungarn 88. Typen, westafricanische 114.
Thorn, Museum und Weichselfahrt 161. U.
> ärkischer Hô 2.
e ions. holz J Hote 952 Ueber re aus fritheren Zeiten in Oberbayern
To Bild aud den Mexiko 116 neo 126. Uiguren, Verfertiger der Babas 422.
Tiryns das Palladium 608. ’ Ulenloch an Nehrungshäusern 791, 796.
Tischler, Otto + 483, 159. Ungarn, Becher der Steinzeit 79, Bronzefunde
Tischlerarbeiten von Cypern 39. 92, Bronzeringe mit Knöpfen und Thier-
Tobasee auf Sumatra 351. kôpfen 814, Ringgeld 92, Steinzeitfunde
Tocci, xiphodyme Gebrüder 245. von Werschetz 8b.
Todte Frau, die, Indianersage 572. Yubstuier in Acgy pt en 662.
1 oF Unterirdische auf Riigen 448.
Todtenbestattang in Island 250. . x. © _-
Todiengesánge bei brasilian Indianern 29. nterkiefer- rue der Siprs- Hohe 177.
Todtenopfer, prähistorischer in Südrussland 422. form der Fibein von lasinac 934.
Todtenreden der brasilian. Indianer 29. Urheimath des Menschen in Sibirien 424.
Todtenschmaus bei brasilian. Indianern 29. Urne mit Halsschmuck von Jablau, Wost-
Todtenschmuck brasilian. Indianer 26, 29. preussen 748, der Botocudos 27, doppel-
Todtenstarre, künstliche 683. conische 761, mit mehrfach durchlochten
Todtentinze bei Indianern 29, 30. Henkeln 760, in brasilischen Höhlen 28,
Todienwaschung bei brasilian, Indianern 28. von Hochstüblau 186, von Ketzin 459,
Tüpferel der Haussa 235. s. Fensterurnen, Gesichtsurnen, Pagoden-
Tünsberg bei Oerlingshausen, Befestigung 249. urnen.
Togostáume, Anthropologie 44, Religion 58. Urnendeckel mit Loch 156. 2X .
Tolkemit, Westpreussen, Steinzeitfunde 73, neo- Urnenfel bei Münchehofe, Kr. Nieder-Barnim
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me umen der Ponte 344. Urnenfriedhof, Anderlingen, Hannover 158, in
Topfstützen, Ungarn 88. Ur nn. dort. Ostor -
Tophaide (Erica tetralix) in der Altmark 619. rien Pih 1 Ü | on stpreussen 789.
Tordos, Siebenbürgen, Grubenornament 76. Uruengra or m ngam 9.
Steinzeitfunde 71. Urnenharz in einem Hügelgrabe der Hallstatt-
Torgau, Kinderspielzeug 218. seit 211, 216, an Trompetenmundstück
Torguten, Verbrennen und Begraben bei den 422, sat, - > +. Lucia, von Karfreit 9l.
Trachten in Altmexico 117, in Rügen 446. Ursprung der Lachse und des F Cuers nn Volks-
Trachten-Musenm 409, 872. glauben der NW. Indianer 918.
Transvadl, Basuthoperlen 399. Urzeit des deutschen Volkes und das Ent-
Traubenkirsche in Pfahlbauten 102. sehen an Vorgehen der Stämme und
Tributliste, Altmexiko 124, 180. U " d » © . 6
Triglav in den julischen Apen 33. sat ara, . " D BIT 93. .
Trikkala, Thessalien, wilder Mensch in 817. Utrecht, Erz ischôfl. Bibliothek, Evangeliar des
Triquetrum, Os 360. heiligen Bernulf, Gemme 609.
Troja, Bernstein in 295. v.
Trojanisches Muster eines archaischen Gerüthes Vaccinium myrtillus, Heidelbeere 104, vitis
410 idaea, Preisselbeere 104.
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Vampyre im wotjakischen Aberglauben 495. 'Vordiele 497.
Yan-See, Keilinschriften 810. Vorgeschichtliche Alterthümer in Moskau 416.
Vancouver-Insel, Felsenzeichnung 160. — Kartenzeichnungen in der Schweiz 937,
Vasen von Cypern 35. — Trompeten, im Norden gefundene 847.
Yerbena officinalis im Aberglauben 744. Vorgeschichte der Obstarten der alten Welt 97.
Verbreitung der Babas 422, der Steingräber in Vorlauben 786, an einer litauischen Klete 799,
der Mongolei und Sibirien (die sogen. an litauischen Häusern 798.
Kereksuren) 421. Vorlaubenhäuser, westpreussische 786.
Verbrennen und Begraben gleichzeitig, bei Tor- Vorrathshaus s. Klete.
guten 422. Vorslavisehe Funde aus der Nieder- Lausitz
Verdickung der Articulatio phalangea prima bei 588.
einer Handstand-Artistin 190. Vorstand, 3, Neuwahl für das Jahr 1892 816.
Veredelung der Obstarten 109.
Verein von Alterthumsfreunden im Rheinlande, W.
Bonn, 50jáhriges Jubilium 689. Waage und Gewicht, symbolisch dargestellt 598.
— für Lübeckische Geschichte und Alter- Waden, gute, bei Westafricanern 48.
thumskunde 338. Wady Asludj im Negeb, Schädel 578.
— für Volkskunde 872. Wägungen orientalischer Fundstücke aus Gold
Vereinigung, freie photographische 898. 530.
Verhandlungen des VIIT. russischen Archáologen- Wille und Wallgraben in Ostpreussen 789.
Congresses in Moskau 1890, 414. Waflen der La Téne-Zeit 330, der Waldbewohner
Verletzung an einem práühistorischen Oberarm- in Malaeca 884.
knochen von Mühlthal 860. Wakussu-Neger, Maasse 44.
Versandete Bäume auf der kurischen Nehrung Wal, der, und die Knaben; Indianersage 633.
794, Dörfer der kurischen Nehrung Walluf, Rhein, Ring mit Knépfen und Thier-
798. kopfen 490.
Vertreter fremder Volker in Berlin 869. Walmdach eines litauischen Hauses 799.
Verwaltungsbericht fiir das Jahr 1891 866. — der schwarzorter Häuser 796.
Verwitterung, nápfchenartige, an Steinen 721. Waltersdorf, Kr. Teltow, Steinzeitfunde 72.
— des Bernsteins 291. Wandbewurf altgermanischer Hiitten 466.
Victoria, Venezuela, Landkartenstein 254. Wangen am Bodensee, Steinzeitfunde 76.
Viehzucht der Haussa 236. Warka (Orchoë), Assyrien, Goldring 581.
Vigna sinensis in Aegypten 660. Warnicker Forst, Ostpreussen, Keulenknopf aus
Vilui-Tungusen, Schädelmessungen 437. Bronze 850.
Virchow, R., Ernennung zum Ehrenpräsidenten ,Wasserhaar“ der Eingebornen von Malacca
BIT. 845.
— -Medaille, Ueberschuss 875. Weberei der Haussa 233, in Ostpreussen 435.
— Stiftung 875. Wechselbälge auf Rügen 448.
Vocabular aus Westafrica 45. Weiber, die weissen, auf Rügen 453.
— aus Togo 59. Weichselfahrt bei Thorn 767.
Vilkerstimme Malaccas 829. Weihnachtsbaum 435.
Vólkerstrasse durch die Schweiz 333. Weihrauch in Aegypten 656.
Völkerwanderung, Funde in Russland 416. Wei-Neger, Messungen 45, 65, Skelet 52.
Vogelfiguren aus Bronze 332, 334. Weisse Frau, auf Rügen 454. |
Volksglauben auf Rügen 447. — Haare eines Eingebornen von Malacca
Volkskunde, National-Museum 326. 846.
Volkslieder, philippinische 436. Weizen in Aegypten 651, 655. -
Volksmedicin 407. Wellenornament in dem Burgberg von Djakowo
Volkspoesie, wotjakische 425, bei Moskau 423.
Volkssagen, isländische 250. Wellenlinien auf einem Diluvialfund von Pfed-
Volkstrachten, ihr Alter 394. most 175.
Volksthümliches aus Rügen 445. Welthandel des Bernsteins, alter 298, Wege
Vorderarm, kurz bei Westafrikanern 55. 299.
Vorderasien, Doppeläxte 461. Wenden in der Niederlausitz 319.
Vorderdiele 409, Werbelin, Westpreussen, Haus 187.
328)
(
Werschetz, Ungarn, Ansiedelung 94, Steinzeit- Wohnhäuser der Botocudos 27.
funde 85. Wohnplatz bei Lockwitz 466.
Westafricaner, Anthropologie 44, Körpergewicht Wohn- und Werkstätte am Dnjepr 419.
der Dahome 110, Leute in Berlin 113, Wohnungen der deutschen Völkerstämme 871.
Tattowirung 118, Typen 65, 114. Wolfszahn-Ornament auf neolithischen Knochen-
Westeregeln, Doppelaxt 460. platten 753.
Westfalen Ausgrabungen 249, Bernstein 208. Wollin, Pommern, Gräberfeld u. s. w. 589, 708,
Westfilischer Provinzial - Verein für Wissen- slavische Schädel 104.
schaft und Kunst, Jahresber. 151. Wotjaken, Kannibalismus bei den 425.
Westfrankreich, Becher, Steinzeit 79. Wurfbrett auf dem Stein Tiçoc’s 127.
Westheeren, Altmark, Silberfunde 680. Wurzelmännchen zum Schatzsuchen u. s. w. 128.
Westpreussen , archäologische Forschung 746,
Bronzezeit in 747, Burgwälle 178, 751, X.
prühistorische Denkmäler 748, Depotfund Xipe, Gott der Mexicaner 185.
749, Friedensau 141, Gesichtsurnen 747, Xiphedyme Gebrüder Tocci 245, 869.
Giebelverzierungen 188, Hacksilberfunde Xiphodymie 366, bei Thieren 370.
751, Hauser 187, Hallstattzeit 749, Hirsch-
feld, Hirschhornhammer 749, La Tène- Y.
Gräberfelder 747, Lenzen, Burgwall 751, Yopi, Mexico, Gott der 184.
Münzen 18i, neolithische Zeit (48, Ox- Yoruba, Westafrica, 65, 69, 231.
hôft, Steinzeit 748, römische Zeit 750, — -Schädel 55.
Schläfenringe 751, Schlossberge 178, sla-
vische Funde 751, Steinbilder 747, Telk- Z.
witz, Ringkragen 747, Tolkemit, Stein- Zähne, Abnutzung der, in Alaska 395.
zeit 748, Urnen 186, voraugusteische — vorspringende der Jakun, Malacca 840.
Münzen 229, Vorlaubenhäuser 786, Willen- Zahlzeichen, arabische, früheste 464.
berg, AxtausElchhorn 496, Wohnhaus ohne Tahnstand der Artistin Petrescu 189.
Schornstein in der Weichsel-Niederung Zambos, americanische Mischlinge 279.
725. Tapotekischer Kalender 156.
Westpreussisches Provinzial-Museum 329. Tarnowitz (W.-Preussen), Burgwall 184, Kloster
Widdergestalt als Gewicht 522. 185.
Widder-Küpfe aus Bronze 3383, 334. Zauberei 407, mit Alraunen 731.
Wie die Thiere den Himmel erstiegen, In- Zauberer der Guaycurus 25.
dianersage 165. Tauberformel für Schatzgräberei 408.
Wien, altmexikanischer Federschmuck 144. Taunrübe (Bryonia) als Alraun 189.
Wiesbaden Museum 490. Tebu, Fettbuckel der 470.
Wikinger-Anklänge in Ostpreussen 763. Leichensteine und Beckensteine 723.
Wilde Eingeborne von Malacca 837. Zeichnungen weiblicher Kopftrachten 354.
— Pferde. 24. Zeit der Gorodischtsches 423, der Mongolen-
Wilder Mensch in Trikkala, Thessalien 817. grüber 421.
Wildschwein zur Steinzeit 86. Zelteinthellung der alten Aegypter 652.
Willenseinfluss, Wirkung auf Muskeln 683. Zeitschrift für deutsch-südamerican. Interessen
Willkühnen, Ostpreussen, Bronzefunde 760. „Süd-America“ 490.
Winkel-Ornament, neolithisch, Pommern 70. Teitstellung der Bronzesporen 596.
Wintherthur, Schädel 381. Zeus, Bild aus Ilium 468, Symbole des 700.
Wirtel von Cypern 40, riesige 41, hölzerner Ziege zur Steinzeit 86.
49. Zierpflanzen in Aegypten 660.
— Steinzeit, Ungarn 89. Tihlkanal, Schweiz, Funde 329.
Wisklauten, Ostpreussen, Hügelgrab der Stein- Timbabye (Zimbâoe), Süd- Africa, Ruinen 348,
zeit 158. 877.
Wismar, Bronzebeschläge für ein Blasehorn Zinnbronze, Kaukasus 355.
853. Tinkbronze 351, 751.
Wissenschaftliche Weisungen an Reisende 578, Zlatiste, Bosnien, Ansiedelung 387.
Wittekindsburg bei Rulle. Ausgrabungen 249, Zuchen, Pommern, Bronzeschmuck 407.
439. Zuckerrohr in Aegypten 660.
Verhandl. der Berl. Anthropol. Gesellschaft 1891. too rk
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Zürich und das schweizerische Landesmuseum Zwiebelgewächse in Aegypten 666.
380, Skelet 381. Lwilling, defecter, parasitärer 429.
Lusammenvorkommen von Steinhämmern mit Zwillinge, xiphodyme 366.
Metallbeigaben in Gräbern 150. Zwölften, die, auf Rügen 449.
Lwerge von Arkona, Sage 455. Ed. Krause.
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Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.
Redactions- Commission:
A. Bastian, R. Hartmann, R. Virchow, A. Voss.
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