Verlag von Georg Reimer in Berlin W. 35
Geschichte der
preußischen Universitätsverwaltung
bis 1810
Von Conrad Bornhak
Preis geheftet 3 Mark
Die
Rechtsverhältnisse der Hochschullehrer
in Preußen
Zum praktischen Gebrauche dargestellt
von Conrad Bornhak
Preis geheftet 2.40 Mark
Geschichte
der Königlich Preußischen Akademie
der Wissenschaften zu Berlin
Im Auftrage der Akademie bearbeitet
von Adolf Harnack
Drei Bände in vier Teilen broschiert
150 Bogen Lexikon-Oktav mit acht Porträts
Preis 60 Mark
Geschichte der Königlichen
Universitäts-Bibliothek
zu Berlin
Von
Dr. Karl Friese
Oberbibliothekar
Berlin 1910
Druck und Verlag von Georg Reimer
Der Königlichen Friedrich-Wilhelms-Universitat
zu Berlin
aus Anlaß
ihrerIahrhundertfeier
gewidmet
von der Königlichen Universitäts-Bibliothek
Ao 800ZZS
/1953. 3<rf0
Vorwort
ie folgende Darstellung beruht wesentlich auf dem vorhandenen
Aktenmaterial und der zu feiner Erläuterung herangezogenen
gedruckten Literatur. Als Vorarbeiten über die Geschichte der Biblio-
thek standen nur einige kürzere Berichte in Zeitschriften und Sammel-
werken zur Verfügung, unter denen der Konersche Aufsatz im An-
hange (S. 288 — 91) der von Rudolf Köpke 1860 veröffentlichten
Gründungsgeschichte der Berliner Universität Erwähnung verdient.
In eingehender Behandlung ist die Arbeit bis zum Ausgang
der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts fortgeführt, während
aus der Neuzeit, zumal da seit 1889/90 gedruckte Jahresberichte vor-
liegeu, nur die wichtigsten Entwickelungsmomente hervorgehoben find.
Zunächst wurde der Aktenbestand der Universitäts-Bibliothek
benutzt, der abgesehen von den letzten Jahrzehnten allerdings nur
sehr lückenhaft ist. Zur Ergänzung des Materials war deshalb eine
Durchsicht der die Bibliothek betreffenden Schriftstücke in den Regi-
straturen des vorgesetzten Ministeriums, der Universität und der
Königlichen Bibliothek erforderlich, die von dem Herrn Minister,
dem Herrn Rektor und dem Herrn Generaldirektor der Königlichen
Bibliothek bereitwilligst erlaubt wurde, wofür ich hierdurch meinen
gehorsamsten Dank ausspreche.
Besonderen Dank schulde ich dem Direktor der Universitäts-
Bibliothek, Herrn Dr. I. Franke, der mich bei der Abfassung der
Arbeit durch sachkundigen Rat unterstützt hat.
Inhalt
Seite
1. Vorgeschichte................................................... 1— 9
2. Die Gründung....................................................10— 28
3. Die Anfänge: In der Königlichen Bibliothek (1831—39) .... 29— 62
4. Von der Übersiedelung in den Adlerschen Saal bis zu den Per-
sonalveränderungen des Jahres 1850 .......................... 63— 99
5. Theodor Mündts Bibliothekariat (1850 — 58) und die Reorgani-
sation der Bibliothek (1858—62).............................. 100—122
6. Die weitere Entwickelung bis zum Tode Koners (1887) .... 123—152
7. Die Neuzeit.....................................................153—160
L Vorgeschichte.
Die Berliner Universität ist in den Zeiten schwerster Not des preu-
ßischen Vaterlandes gegründet worden, als es nach dem Worte König
Friedrich Wilhelms III. für den Staat galt, durch geistige Kräfte zu
ersetzen, was er an physischen verloren hatte.
In dem zu Tilsit geschlossenen demütigenden Frieden hatte Preußen
mit den Gebieter links der Elbe auch Halle an Napoleon abtreten
müssen und mit der dortigen Universität seine wichtigste und vollkommenste
allgemeine Lehranstalt eingebüßt. Die Ausfüllung dieser Lticke wurde
von den maßgebenden Männern als eine der ersten Aufgaben bei der
Reorganisation des Staates angesehen. Da die der Monarchie ver-
bliebenen beiden Universitäten als Ersatz nicht in Betracht kommen
konnten, die eine, in Königsberg, weil sie zu entlegen war, die andere,
in Frankfurt a. O., weil sie fast aller Hilfsmittel entbehrte und sich
auch nicht eines besonderen Ansehens erfreute, so wurde die Gründung
einer neuen Universität und zwar in Berlin beschlossen.*) Wohl wurden
von verschiedenen Seiten gewichtige Stimmen laut, die sich gegen die
Wahl Berlins aussprachen, da eine so große Stadt keinen guten Boden
für eine Universität abgeben könne, doch waren die für die Hauptstadt
sprechenden Gründe so überzeugend, daß alle Bedenken zurücktreten
mußten. Während es — selbst mit Aufwendung viel größerer Mittel,
als sie bei den unglücklichen finanziellen Verhältnissen der Zeit zur
Verfügung standen — kaum möglich gewesen wäre, an irgendeinem
anderen Orte des Landes die für eine Universität notwendigen Hilfs-
mittel zu schaffen, bot Berlin in seinen vielen wissenschaftlichen Insti-
tuten und Sammlungen, die sich schon in vortrefflicher Verfassung
befanden oder nur ausgebaut und ergänzt zu werden brauchten, nahezu
alle erforderlichen Einrichtungen dar.
*) Die ausführliche Geschichte ihrer Stiftung gibt Rudolf Köpke in seinem
Werke „Die Gründung der Königlichen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin",
das bei der fünfzigjährigen Jubelfeier der Universität im Jahre 1860 erschien.
Friese, Univ.-Bibl. Berlin.
1
Durch Kabinettsorder vom 16. August 1809 genehmigte Friedrich
Wilhelm III. von Königsberg aus die Errichtung einer Universität in
Berlin und ihre Verbindung mit der Akademie der Wissenschaften
sowohl als der Künste und mit den hier schon vorhandenen wissenschaft-
lichen Anstalten, von denen die Königliche Bibliothek an erster Stelle
genannt wird. Die Universität, die beiden Akademien und die Institute
und Sammlungen sollten unter der alleinigen Leitung der Sektion des
öffentlichen Unterrichts, die bei der Neuregelung der Verfassung der
obersten Staatsbehörden dem Ministerium des Innern zugeteilt war,
e i n organisches Ganzes bilden, die einzelnen Teile eine angemessene
Selbständigkeit erhalten, doch gemeinschaftlich mit den andern zum all-
gemeinen Zwecke mitwirken.
Das wichtigste — weil in seiner Wirksamkeit allgemeinste — der
wissenschaftlichen Institute, die in nähere Verbindung mit der Univer-
sität gebracht wurden, war die Königliche Bibliothek. Ihr fiel die Auf-
gabe zu, auf allen Gebieten der sich immer weiter verzweigenden Wissen-
schaften die literarischen Hilfsmittel für Forschung und Lehre darzu-
bieten und somit in gleicher Weise den Bedürfnissen der Professoren
und der Studierenden zu dienen. Daß sie zu ihren Obliegenheiten als
große öffentliche Bibliothek auch noch die einer Universitäts-Bibliothek
zu übernehmen habe, ist augenscheinlich in allen Stadien der Verhand-
lungen über die Gründung der Universität als selbstverständlich be-
trachtet worden; denn nirgends ist von einem Plane zur Errichtung
einer besonderen Bibliothek für die Universität neben der Königlichen
die Rede.
Sowohl das von dem Departement des Kultus und öffentlichen
Unterrichts am 24. November 1810 erlassene „Vorläufige Reglement
für die Universität zu Berlin" als die vom Könige am 31. Oktober 1816
genehmigten und am 26. April 1817 feierlich verkündeten definitiven
„Statuten der Universität zu Berlin" setzen die Verbindung der Uni-
versität mit den beiden Akademien und den wissenschaftlichen Anstalten
fest. In Abschnitt VII der Statuten, der von den Instituten und Samm-
lungen handelt, lautet § 1: „Alle öffentliche in Unserer Residenz be-
findliche und mit Unseren Akademien der Wissenschaften und der Künste
und Unserer Universität verbundene wissenschaftliche Institute und
Sammlungen sind zugleich zur Belehrung der Studierenden und zur
Beförderung der Wissenschaften bei der Universität bestimmt". § 2 zählt
unter Voranstellung der Königlichen Bibliothek die stattliche Reihe dieser
3
Institute auf. Nach § 11 des VI. Abschnitts, der sich mit den Studierenden
befaßt, bekommen diese durch die Immatrikulation das Recht, sowohl
die Institute der Universität als „Unsere Bibliothek" Zu benutzen, so-
weit es deren Reglement verstattet. In § 8 desselben Abschnitts wird
der Bibliothek ein Anteil an den Jmmatrikulationsgebtihren überwiesen:
„An Jmmatrikulationsgebtihren zahlt der Aufzunehmende: 1. Für die
Matrikel vier Thaler. 2Fürdie Bibliothek einen Thaler.
Wenn er schon auf einer andern Universität studiert hat, bezahlt er die
Hälfte".
Die Königliche Bibliothek gehörte zur Zeit der Gründung der
Universität zwar ihrem Umfange nach schon zu den bedeutendsten
Bibliotheken Deutschlands, litt aber an schweren Mängeln in der Zu-
sammensetzung, Aufstellung und Verzeichnung ihres Bücherbestandes,
in den Etats- und Personalverhältnissen und in den ihre Verwaltung
und Benutzung regelnden Bestimmungen.*) Bei der umfassenden Re-
organisation der Bibliothek, die von Wilhelm von Humboldt, dem die
Sektion des öffentlichen Unterrichts von Anfang 1809 bis Mitte 1810
unterstand, mit Nachdruck in die Wege geleitet wurde und eine Periode
kräftigsten Aufschwungs herbeiführte, gab vor allem die Rücksicht
auf die Bedürfnisse der Universität den Ausschlag. Lehrte doch
das Beispiel von Göttingen, worauf bei den Verhandlungen über
die Verbesserung der Königlichen Bibliothek auch wiederholt aus-
drücklich hingewiesen wurde, welche Bedeutung für das wissen-
schaftliche Leben und die Entwickelung einer Universität der guten
Ausstattung und Einrichtung ihrer Bibliothek zukommt. Es verbietet
sich hier näher auf die Mitwirkung einzugehen, zu der die Universität
bei der Umgestaltung der Königlichen Bibliothek von dem vorgesetzten
Ministerinn: zu verschiedenen Malen herangezogen wurde, und den
Einfluß zu beleuchten, den Rektor und Senat auch in der Folgezeit
auf die Verhältnisse der Bibliothek ausübte: es ist nur darzulegen,
in welcher Weise die Königliche Bibliothek als Ersatz für die noch fehlende
Universitäts-Bibliothek den Angehörigen der Universität nutzbar ge-
macht wurde.
Bei der Eröffnmrg der Universität galt noch das völlig unbrauchbare
„Regulativ über die öffentliche Benutzung der Königlichen Bibliothek"
*) Vgl. Friedr. Willen, Geschichte der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Berlin
1828 und Adalb. Hortzschansky, Die Königliche Bibliothek zu Berlin. Ihre Geschichte
und ihre Organisation. Berlin 1908.
1
4
vom 4. März 1790. Danach war die Bibliothek nur an drei Tagen der
Woche vormittags von 10 bis 12 und nachmittags von 2 bis 4 Uhr offen
und in diefen Stunden das Lefen oder Nachschlagen der Biicher auf dem
Lesezimmer gestattet. Nach Haufe sollten Bücher ohne spezielle Erlaubnis
nur an Prinzen des Königlichen Hauses, an Geheime Staatsminister
und an königliche Generale verliehen werden; alle übrigen Personen
hatten die Erlaubnis dazu bei dem Staatsminister, der Chef der Bibliothek
war, schriftlich nachzusuchen.
Die schon im Jahre 1809 begonnenen Verhandlungen über die
Abfassung eines neuen Reglements zogen sich so in die Länge, daß
nach Eröffnung der Universität die Benutzung der Bibliothek durch
provisorische Bestimmungen geregelt werden mußte. Erst am 30. April
1813 trat das „Reglement für die Königliche Bibliothek" in Kraft, das
einen erheblichen Fortschritt darstellte und von den Zeitgenossen als
mustergültig anerkannt wurde.*) Wenn es den Angehörigen der Uni-
versität aber auch ein nach den damaligen Anschauungen großes Maß
von Freiheit in dem Gebrauch der Bibliothek gewährte, so enthielt es
doch namentlich betreffs der Bürgschaften noch manche Vorschriften,
die uns heute als überflüssig erscheinen und die von den Beteiligten
auch bald als lästig empfunden wurden. Die wichtigsten Bestimmungen,
die nunmehr für Professoren und Studierende galten, waren unter
Berücksichtigung einiger in den folgenden Jahren erlassenen zusätzlichen
Verfügungen folgende.
Zum Lesen und Nachschlagen von Büchern in dem Lesezimmer
waren die Nachmittagsstunden der Wochentage bestimmt, im Sommer
von 2 bis 5, im Winter von 2 bis 4 Uhr, zum Abholen und Wiederbringen
der entliehenen Werke die Vormittagsstunden des Dienstags und des Frei-
tags jeder Woche von 9 bis 12 Uhr. Die Bestellzettel mußten wenigstens
tags zuvor, also am Montag und Donnerstag, und zwar bis um 11 Uhr
vormittags in den dazu aufgestellten Kasten gelegt werden. Romane,
Schauspiele, Gedichte und andere zur schönen Literatur gehörige Schriften
sollten in der Regel nicht ausgegeben und nur dann verabfolgt werden,
wenn ein literarischer Zweck nachgewiesen wurde. Das Recht, Bücher
innerhalb der Stadt Berlin und ihres Polizeibezirks ohne besondere
Erlaubnis oder Bürgschaft nach Hause zu entleihen, stand sieben Klassen
*) Vgl. z. B. Christian Molbech, Ueber Bibliothekswissenschaft. Nach der
2. Ausg. des dänischen Originals übers, von H. Ratjen. Leipzig 1833. S. 222 f.
5
„vorzüglich berechtigter" Personen zu, deren eine die ordentlichen und
außerordentlichen Professoren der Universität bildeten. Die Privat-
dozenten, obwohl doch ebenfalls als autorisierte Universitätslehrer
betrachtet, erhielten dagegen Bücher nur unter der Bürgschaft eines
Professors. Die Leihfrist betrug vier Wochen, ihre Verlängerung wurde
aber zugestanden, falls das Buch nicht von anderer Seite verlangt war.
Wie die anderen vorzüglich berechtigten Benutzer konnten die Pro-
fessoren die von ihnen entliehenen Werke in der Regel bis zu der halb-
jährlichen allgemeinen Rücklieferung behalten, waren aber nach Ablauf
der vierwöchigen Leihfrist ebenfalls zur Rückgabe verpflichtet, wenn
die Aufforderung dazu von den Bibliothekaren an sie erging.
Die Studenten bedurften zum Entleiher in die Behausung für
jedes einzelne Werk der Spezialkaution einer der bevorrechteten Per-
sonen.*) Der Kavent, der im Laufe eines Halbjahrs nur in besonderen
Fällen von den Studenten gewechselt werden durfte, hatte also auf
jedem einzelnen Empfangsschein sein „Cavet“ mit seiner Namensunter-
schrift zu vermerken und nach einem Ministerial-Erlaß vom 14. Juni 1824
auch eigenhändig die Person desjenigen, für den er kavierte, mit Vor-
und Zunamen anzugeben und das Datum hinzuzufügen, an dem er die
Bürgschaft leistete. Wegen der Dauer dieser Spezialkautionen ergaben
sich manche Weiterungen. Da die Professoren annahmen, daß ihre
Bürgschaft nur vier Wochen hindurch, nach dem auf den Leihzetteln
vermerkten Datum, als gültig anzusehen sei, mußten die Studenten,
die ihre Scheine erst nach Ablauf dieser Frist vorlegten, von der Bi-
bliothek zurückgewiesen werden, um eine neue Bürgschaft beizubringen.
Zur Erleichterung der Kaventen wie zur größeren Sicherstellung der
Bibliothek verfügte das Ministerium am 19. Juli 1825, daß die von
Professoren für die Studierenden auf den Empfangsscheinen geleisteten
Bürgschaften jedesmal vom Schlüsse eines Universitäts-Semesters bis
zum Schluffe des nächstfolgenden, also die Ferien einbegriffen, in Kraft
bleiben sollten. Machte ein Student durch Nichterfüllung der Vor-
schriften den Regreß an seinen Bürgen notwendig, so wurde er des
Rechts, Bücher zu erhalten, für das laufende und das nächstfolgende
*) Gemäß einer Ministenal-Verfügung waren vom 1. Febrnar 1830 an znr
Erteilnng der Bürgschaft für Stndierende anßer den Mitgliedern des Ministeriums
der geistlichen Angelegenheiten nur die Professoren der hiesigen Universität nnd der
hiesige Universitätsrichter berechtigt.
6
Halbjahr verlustig, mußte aber gerichtliche Hilfe angerufen werden, so
verlor er dieses Recht für immer.*)
De:: Mitgliedern des theologischen und des philologischen Seminars
bei der Universität hatte das Departement für den Kultus und öffent-
lichen Unterricht durch Verfügung vom 25. Juni 1812 die „besondere Ver-
günstigung als Ausnahme von der Regel" gewährt, daß ihnen Bücher
ohne Bürgschaft einzelner Professoren verabfolgt würden, insofern
sie durch einen am Anfang jedes Universitäts-Semesters den Biblio-
thekaren einzureichenden Schein ihre wirkliche Mitgliedschaft nachwiesen.
„Um aber allen, ans solchen Vergünstigungen leicht entfteí>enben, für
die Königliche Bibliothek nachteiligen Unordnungen vorzubeugen",
wurde zugleich bestimmt, daß diese Bescheinigung ans einem ganzen
Bogen auszufertigen sei, damit der Seminarist auf demselben Bogen
die Titel der Bücher, deren er bedürfe, jedesmal selbst aufzeichne und
dabei auch das Datum des Empfangs vermerke. Am Ende des Semesters
wurden die Scheine nach Ablieferung der entliehenen Bücher den
Seminarmitgliedern von der Bibliothek zurückgegeben. Um sich von
dem zweckmäßigen Gebrauch zu überzeugen, den die Seminaristen
von der Königlichen Bibliothek gemacht hatten, waren die Direktoren
der Seminare verpflichtet, die Scheine von ihnen zurückzufordern.
Diese Vergünstigung für die Seminarmitglieder wurde auch in
das Reglement von 1813 aufgenommen, wo aber nicht mehr nur von
dem theologischen und dem philologischen, sondern von den mit der
Universität verbundenen Seminaren schlechthin die Rede ist.
Ost geäußerten Wünschen kam die Königliche Bibliothek entgegen
durch die Errichtung einer zum Lesen gelehrter Zeitschriften bestimmten
Anstalt, die ihren Platz in den: rechten Pavillon des Bibliotheksgebäudes
fand und am 3. Januar 1820 eröffnet wurde. Dieses allerdings nur
der: bevorrechtete!: Benutzern zugängliche Journalzimmer war fünfmal
in der Woche nachmittags offen, im Sommer von 2 bis 5 und im Winter
von 2 bis 4 Uhr, seit dem Sommer-Semester 1823 ständig in den Stunden
von 11 Uhr vormittags bis 2 Uhr nachmittags. Die voi: der Bibliothek
angeschafften Zeitschriften wurden dort während eines Monats ausgelegt,
auch die nenerworbenen Bücher, bei denen es ohne Schaden geschehen
*) Ein Auszug aus dem Reglement, der die Bestimmungen über die Be-
nutzung der Königlichen Bibliothek durch die Studierenden enthielt, wurde mit Er-
laubnis des Ministeriums im Juli 1818 gedruckt und seitdem jedem Studenten bei
der Immatrikulation eingehändigt.
7
konnte, mit Ausnahme der in Auktionen gekauften, acht Tage lang zur
Ansicht aufgestellt. Von den Universitätslehrern waren nach dem Regle-
ment der Anstalt nur die ordentlichen und außerordentlichen Professoren
zum Besuch berechtigt, doch gestattete das Ministerium auf den Antrag
der Privatdozenten der medizinischen Fakultät schon am 27. März 1820
auch den Privatdozenten aller Fakultäten den Zutritt.*)
Da es der Universität noch an einer eigenen Bibliothek gebrach,
übergab sie in der ersten Zeit die bei ihr als Geschenke eingegangenen
Bücher der Königlichen Bibliothek zur vorläufigen Aufbewahrung.
Die Bücher wurden zur Benutzung in die Bibliothek eingestellt, ver-
blieben aber, weil die Universität sich ihre Rechte daran vorbehielt, deren
*) Es sei hier auch eines privaten Unternehmens gedacht, das bei der Er-
öffnung der Universität ins Leben gerufen wurde, um ben Univerfitätsangehörigen
die Bekanntschaft mit den Neuerscheinungen der wissenschaftlichen Literatur durch
Selbstansicht zu vermitteln. Am 15. Oktober 1810 errichtete Jul. Ed. Hitzig in Ver-
bindung mit der von ihm zu Anfang des Jahres 1808 gegründeten Buchhandlung
in der Charlottenstraße 32 ein „Lesezimmer für die Universität", das täglich, mit
Ausschluß des Sonntags, von morgens 9, später 8 Uhr bis zur Dunkelheit geöffnet war.
Außer sämtlichen Kompendien der Wissenschaften, über die auf der Universität gelesen
wurde, fanden sich dort von Posttag zu Posttag alle in Deutschland erschienenen wissen-
schaftlichen Neuigkeiten auf vier Tischen nach den vier Fakultäten, dazu die neuesten
Bücherverzeichnisse, Anzeigen künftig erscheinender Werke, kurz alles Erforderliche,
um den Gang der neuesten wissenschaftlichen Literatur beständig zu verfolgen. An
einem besonderen großen Tische konnten die zur Durchsicht ausgewählten Bücher
gelesen und exzerpiert werden. Professoren hatten vierteljährlich 3 Taler, Studierende
1 Taler 12 Gr. Kurant als Beitrag zu den Erhaltungskosten im voraus zu bezahlen,
doch wurden die Quittungen über diese Beiträge als bare Zahlungen für alle Bücher,
die in der Hitzigschen Buchhandlung gekauft wurden, wieder angenommen. Gegen
eine besondere Gebühr von 1 Taler jährlich konnten die Mitglieder des Lesezimmers
auch Teilnehmer der damit verbundenen Journalgesellschaft werden, in der post-
täglich die neuesten gelehrten Zeitungen und wissenschaftlichen Zeitschriften aus-
gelegt wurden. Im Januar 1812 erfolgte auch noch die Einrichtung eines Journal-
lesezirkels sowie eines ambulanten Bücherlesezirkels. In den letztern wurden halb-
jährlich 26 Teilnehmer aufgenommen, von denen jeder als Beitrag ein neues wichtiges
Buch kaufte, das er sechs Monate lang bei den übrigen Mitgliedern zirkulieren ließ
und dann zurückerhielt.
Das Hitzigsche Institut erfreute sich lebhaften Zuspruchs seitens der Universitäts-
kreise: im ersten Jahre seines Bestehens betrug die Zahl der Teilnehmer über 150.
(I. E. Hitzig, Kurze Nachricht von der neuen Einrichtung des Lesezimmers für
die Universität. 2. veränd. Ausl. Berlin 1811, wieder abgedruckt in dem von Hitzig
herausgegebenen Berliner Universitäts-Kalender auf d. Schaltjahr 1812. Berlin
(1811). S. 26—29. Weitere Mitteilung über das Lesezimmer in dem folgenden
Jahrgang des Kalenders S. 37.)
8
Eigentum. Als das wertvolle Werk Gail et Spurzheim, anatomie et
physiologie du système nerveux, das der König der Universität ge-
schenkt und diese zur einstweiligen Verwahrung au die Königliche Bi-
bliothek abgegeben hatte, im Jahre 1821 auf ministerielle Anweisung
für einige Zeit der Bibliothek der Medizinal-Abteilung des Ministeriums
geliehen wurde, geschah das „unter Vorbehalt des Eigentums der
Universität" und der Minister gab Rektor und Senat von der Entleihung
Kenntnis „in der Voraussetzung, daß die Universität dagegen kein
Bedenken habe".
Am 6. April 1826 wandte sich die Bibliotheksverwaltung zur Be-
seitigung einiger Zweifel, die betreffs der ihr zur Aufbewahrung anver-
trauten Bücher entstanden waren, an das Ministerium:
„Wenn nun von solchen Büchern zugleich ein der Bibliothek
zuständiges Exemplar vorhanden ist, so wäre dabei weiter kein Be-
denken, als daß die Königliche Bibliothek bei dem Ministerium an-
fragen zu müssen glaubt, ob sie zu solcher Asservierung befugt ist.
Wenn aber ein solches Buch nicht in unserer Sammlung vorhanden
ist, die Königliche Bibliothek es also zum Behuf des öffentlichen
Gebrauchs aufstellen muß, so entstehen mehrere Fragen, namentlich
ob ein solches Buch wirklich fortdauernd nur als ein fremdes Depo- -
situm zu betrachten sei und wenn dies der Fall sein sollte, wem die
Kosten des Einbandes zur Last fallen."
Der Minister teilte daraufhin am 29. April 1826 der Universität mit,
daß die Königliche Bibliothek teils aus Mangel au Raum, teils wegen
der Kosten des Einbandes die Aufbewahrung in der bisherigen Weise
nicht mehr übernehmen könne, und bemerkte dazu:
„Es ist auch nicht erforderlich, Bücher, welche der Universität
zukommen, in dieser Art der Königlichen Bibliothek zu übergeben,
sondern diejenigen Bücher, welche für die einzelnen Institute und
Sammlungen der Universität gehören, sind an diese abzugeben, so
wie an dieselben auch die voir den Verlegern an die Universität ab-
gelieferten Freiexemplare vertheilt werden;*) die übrigen aber können
umso mehr der Königlichen Bibliothek als Eigenthum abgetreten
werden, als dasselbe auch von der Kgl. Akademie der Wissenschaften
mit dem bei weitem größten Theile der ihr zugesandten Schriften
geschieht, und als die Königliche Bibliothek von dem Universitäts-
*) Wie im folgenden Kapitel auseinandergesetzt wird, fand die beabsichtigte
Verteilung der Freiexemplare an die einzelnen Institute nicht statt.
9
Personale sehr ausgedehnt benutzt wird. Allenfalls können die an
dieselbe abgegebenen Bücher flir mögliche Fälle mit dem Stempel
der Universität bezeichnet werden."
Auf Grund dieser Verfügung ordnete Rektor und Senat an, daß für
die Folge der Königlichen Bibliothek nur solche Bücher übersandt würden,
die zuvor mit dem Stempel der Universität versehen wären. Indem
Rektor und Senat am 7. Juni 1826 die Bibliothekare davon benach-
richtigte, gab er dem Wunsche Ausdruck, daß die Bibliothek diese Werke
in ein besonderes Verzeichnis eintragen lassen möge. Dagegen könnten
die Bücher ganz als Eigentum der Königlichen Bibliothek betrachtet
und unter ihre übrigen Bücher eingeordnet werden.
2. Die Gründung.
Über die kühnsten Erwartungen hinaus entwickelte sich die Ber-
liner Universität und rückte in wenigen Lustren an wissenschaftlicher
Bedeutung und äußerem Umfange in die erste Stelle aller Hochschulen
auf dem Gebiete des heutigen Deutschen Reichs. Die Zahl der Lehrer
verdreifachte sich beinahe in zwanzig Jahren (sie betrug im ersten Se-
mester: 46, im Winter-Semester 1830/31:121) und die Zahl der imma-
trikülierten Studenten stieg in den zehn Jahren vom Winter 1817/18
bis zum Winter 1827/28 fast auf das Doppelte (von 942 auf 1712).*)
Mit diesen: kräftigen Wachstum der Universität und der Ausdehnung
und Vertiefung der auf ihr gelehrten Wissenschaften steigerten sich
selbstverständlich auch von Jahr zu Jahr ihre Ansprüche an die König-
liche Bibliothek. Die Universität stellte nicht nur eine sich stetig ver-
größernde Zahl von Benutzern, sondern infolge der Änderung der
Lehrweise, die sich in jener Periode vollzog, erfuhren auch die Bedürf-
nisse dieser Benutzer eine erhebliche Erweiterung namentlich auf dem
historischen und dem sprachlichen Gebiete.
Dabei wuchs auch beständig die Zahl der sonstigen Bibliotheks-
benutzer. In der nach den Befreiungskriegen schnell aufblühenden
Hauptstadt — ihre Einwohnerzahl ging in den Jahren 1815 bis 1840
von 191 000 auf 331 000 hinauf — herrschte eine lebhafte wissenschaft-
liche Tätigkeit auch außerhalb der Universitätskreise. Im Ausgang des
Jahres 1827 betrug nach Willen die Zahl der Personen, die zu gleicher
Zeit Bücher der Königlichen Bibliothek in ihren Wohnungen benutzten,
selten weniger als siebenhundert oder achthundert. Da oft auch aus-
wärtigen Gelehrten Bücher mitgeteilt wurden und außerdem das
*) Für die ersten Semester bis zum Sommer 1817 läßt sich nur die Zahl der in
den einzelnen Halbjahren vollzogenen Immatrikulationen, nicht aber die Gesamt-
zahl der eingeschriebenen Studenten feststellen. Vgl. (Heinr. Dernburg:) Die Königl.
Friedrich-Wilhelms-Itniversität Berlin in ihren: Personalbestände seit ihrer Er-
richtung Michaelis 1810 bis Michaelis 1885. Berlin 1885.
11
Lesezimmer „gewöhnlich von einer übergroßen Zahl bou Lesern" besucht
wurde, war Willen zu der Behauptung berechtigt, daß „wenige andere
öffentliche Bibliotheken einer so ausgedehnten Benutzung sich erfreuen,
als die hiesige".*)
Unter diesen Umständen ist es begreiflich, daß der starke Andrang
der Studenten zur Königlichen Bibliothek, so erfreulich er sonst war,
von der Bibliotheksverwaltung nicht selten als eine Störung in der
Erfüllung ihrer übrigen Aufgaben empfunden wurde und daß auch die
nichtstudentischen Benutzer über die Konkurrenz der Studierenden,
die die gangbare wissenschaftliche Literatur mit Beschlag belegten,
Klage zu führen begannen. Oft ließen sich die Studenten bei der Be-
nutzung der Bibliothek auch Unregelmäßigkeiten zu Schulden kommen;
so wurde es nach einer Beschwerde des Oberbibliothekars vom Jahre
1821 unter ihnen sehr gebräuchlich, die mit ihrer Namensunterschrift
versehenen und auf Grund dieser Unterschrift von ihren Kaventen
unterzeichneten Leihzettel einander zu zedieren. Die deshalb nötige
strenge Kontrolle der Studierenden nahm das Personal der Bibliothek,
das im Verhältnis zur Größe und Benutzung der Anstalt viel zu gering
war, ungebührlich in Anspruch.
Wurde so auf der einen Seite eine Entlastung der Königlichen Bi-
bliothek wünschenswert, so bedurfter! auf der anderen Seite die Stu-
dierenden einer ausgiebigeren literarischen Unterstützung, als sie die
Königliche Bibliothek ihnen zu gewähren imstande war. Als große
öffentliche Bibliothek, die alle Wissensgebiete gleichmäßig zu berück-
sichtigen hatte, konnte sie bei ihren Anschaffungen auf die Bedürfnisse
des Universitäts Unterrichts keine besondere Rücksicht nehmen.
So mehrten sich die Klagen der Studierenden, daß sie nur wenige der
verlangten Bücher erhielten. Es fehlten nicht nur manche der bei dem
Studium notwendig gebrauchten Werke, weil ihre Erwerbung eben dem
Zwecke der Bibliothek nicht entsprach, sondern auch die vorhandenen
Bücher — selbst die gangbarsten, wie Hand- und Lehrbücher und
Textausgaben — waren stets nur in einem Exemplar vorrätig, während
doch als Hilfsmittel zur Ergänzung der Vorlesungen, für die Seminar-
übungen usw. eine größere Anzahl dringend gebraucht wurde. Ferner
konnten sich die Beamten der Königlichen Bibliothek nicht damit be-
fassen, den Studierenden durch literarische Nachweisungen und Vor-
') Willen a. a. O., Vorrede S. VI.
12
schlüge diejenige Hilfe zu leisten, die namentlich den Angehörigen der
ersten Semester sonst auf Bibliotheken, welche ausschließlich oder vor-
zugsweise für die Universitätsinteressen bestimmt sind, zuteil wird.
Auch hierin durfte die Königliche Bibliothek als öffentliche Zentral-
bibliothek dem studentischen Teile ihrer Benutzer keine Sonderstellung
einräumen.
Aus allen diesen Gründen tauchte gewiß schon früh der Gedanke
auf, wie in Wien neben der großen allgemeinen Bibliothek eine sie er-
gänzende und entlastende kleinere für die besonderen Zwecke der Uni-
versität zu errichten. Offiziell beschäftigte sich die Universität mit der
Ausführung dieses Gedankens zuerst im Herbst des Jahres 1828 und
zwar aus äußerer Veranlassung, indem der Senat den Pflichtexemplaren,
die seit dem Jahre 1825 bei der Universität von den Verlegern der
Provinz Brandenburg eingegangen waren, eine geeignete Verwendung
zu geben wünschte.
Durch die Kabinettsorder vom 28. Dezember 1824, die das Pflicht-
exemplarwesen in Preußen neu regelte, war festgesetzt worden, daß vom
1. Januar 1825 an jeder Verleger wiederum schuldig sei, zwei Exemplare
jedes seiner Verlagsartikel, und zwar eins an die Königliche Bibliothek
in Berlin, das andere aber an die Bibliothek der Universität derjenigen:
Provinz, in der der Verleger wohne, „unentgeldlich" einzusenden.
Außerdem blieb die Verpflichtung zur Abgabe eines Exemplars an den
Zensor bestehen.*) Gemäß einer Ausführungsverordnung, die am
26. Januar 1825 vom Kultusministerium an sämtliche Oberprüsidien
ergangen war, traf der Oberpräsident der Provinz Brandenburg über
die Ablieferung der Freiexemplare in der Provinz am 31. Januar 1825
nähere Bestimmungen.**) Danach hatten sämtliche Verleger von Gegen-
ständen, die der Zensur unterworfen waren, das eine der beiden schul-
digen Exemplare ihrer Verlagsartikel an die Königliche Bibliothek
unmittelbar einzusenden und das andere an die Universität Berlin unter
der Adresse des außerordentlichen Regierungs-Bevollmächtigten Ge-
heimen Ober-Regierungsrats Beckedorfs abzuliefern.***) Nötigen Falles
*) Das Nähere über diese Kabinettsorder und ihren Fortbestand bei Joh. Franke,
Die Abgabe der Pflichtexemplare von Druckerzeugnissen. Berlin 1889. (Samm-
lung bibliothekswiss. Arbeiten. H. 3.) S. 123 ff.
**) Amts-Blatt der Kgl. Regierung zu Potsdam und der Stadt Berlin. Jg.
1825. S. 25.
***) An die Stelle der Kuratoren bei den einzelnen Universitäten traten im
Jahre 1819 infolge der Karlsbader Beschlüsse außerordentliche Regierungs-Bevoll-
13
sollten die Verleger zur Erfüllung dieser Obliegenheit angehalten
werden.
Wegen der Verwendung der für die Universität eingehenden Pflicht-
exemplare erhielt Beckedorfs vom Ministerium am 26. Januar 1825
besondere Anweisung. Zunächst sollte er den Büchern ein geeignetes
Aufbewahrungslokal im Universitätsgebäude anweisen, sodann das
Verzeichnis derselben von Zeit zu Zeit den Vorstehern der mit der
Universität verbundenen oder an sie geknüpften Institute und Samm-
lungen, die Spezialbibliotheken besäßen, zur Auswahl mitteilen. Über
den nach Abgabe der gewünschten Werke verbleibenden Rest behielt
sich der Minister die weitere Verfügung vor.
Um die Abgabe der Pflichtexemplare an die Königliche Bibliothek
zu einer regelmäßigen Ausführung zu bringen, teilte der Minister am
1. März 1826 sämtlichen Oberpräsidenten nähere Instruktionen mit,
auf die hier nicht eingegangen zu werden braucht. Gleichzeitig trug
er ihnen auf, zur Unterstützung der Königlichen Bibliothek bei der Kon-
trolle der Verleger am Schlüsse jedes Jahres ein Verzeichnis der in den
betreffenden Provinzen gedruckten Schriften, einschließlich der periodisch
erschienenen, der Königlichen Bibliothek unter Angabe der Verleger
zu übersenden, „welches um so leichter möglich sein wird, da alljährlich
von jedem Censor ein Verzeichniß der von ihm censirten Schriften
dem Oberpräsidio feiner Provinz eingereicht werden muß". Zugleich
wurde den Oberpräsidenten überlassen, ähnliche Bestimmungen auch
wegen der Ablieferung der den Universitäten zustehenden zweiten
Exemplare der Verlagsartikel zu treffen.*)
Der Oberpräsident der Provinz Brandenburg brachte die An-
ordnungen: des Ministers am 3. April 1826 zur allgemeinen Kenntnis
und setzte dabei über die der Berliner Universität einzusendenden Frei-
exemplare folgendes fest:
„Alles was vorstehend wegen: Ablieferung der der hiesigen:
großen: Königl. Bibliothek gebührenden: Verlags-Exemplare an-
geordnet ist, finndet auch auf Ablieferung des der hiesigen: Universitäts-
Bibliothek gebührenden 2ten Exemplars... mit der Einschränkung
Anwendung, daß a) alle zu Berlin erscheinende Zeitschriften quarta-
mächtigte, die zur besseren Überwachung der Universitäten mit weitgehenden Be-
fugnissen ausgestattet wurden. In Berlin waren die Kuratorialgeschäfte bis dahin
von dem vorgesetzten Ministerium unmittelbar wahrgenommen worden.
*) Franke a. a. O. S. 127. 219 f.
14
liter, am 1. Januar, 1. April, 1. Juli und 1. Oktober unter Adresse
des Herrn ic. Beckedorfs abgeliefert werden; b) von allen außerhalb
Berlin erscheinenden Zeitschriften aber bis ans weitere Bestimmung
kein Exemplar an die hiesige Universitäts-Bibliothek eingesandt
werden darf".*)
Beckedorfs übergab die eingelieferten Pflichtexemplare der Uni-
versitätsquästur zur einstweiligen Aufbewahrung. Dort sammelte sich
nun allmählich eine größere Anzahl von Werken an, deren Verwertung
den akademischen Senat mehrfach beschäftigte; denn die Institute der
Universität besaßen damals noch keine besonderen Bibliotheken, an die
die dazu geeigneten Schriften nach der Bestimmung des Ministers
hätten abgegeben werden können, und unter den angesammelten Bü-
chern befanden sich auch nur wenige, die zur Bildung solcher Biblio-
theken brauchbar waren. So machte der Rektor Böckh im Aufträge
des Senats am 7. Juni 1826 dem außerordentlichen Regierungs-
Bevollmächtigten den Vorschlag, diese Bücher, mit Ausnahme derer,
welchen etwa eine besondere Bestimmung zu geben wäre, nach einem
noch festzusetzenden Zeitraum verauktionieren und den daraus zu
ziehenden Erlös einem siir milde Zwecke der Universität bestimmten
Fonds überweisen zu lassen. Eine Antwort Beckedorffs findet sich
nicht bei den Akten, doch zeigen die späteren Verhandlungen, daß auf
den Vorschlag nicht eingegangen wurde. Im Sommer-Semester 1828
beauftragte nämlich der Senat den Dekan der juristischen Fakultät Klenze,
das Verzeichnis der Schriften, die nunmehr auf der Quästur geordnet
werden sollten, durchzusehen und Vorschläge -darüber zu machen, in-
wieweit sie bei der Universität aufbewahrt oder als weniger brauchbar
verkauft werden könnten. Bevor aber eine Entscheidung deswegen
möglich war, erhielt der Senat Kenntnis von der Absicht des Ministeriums,
die Bücher — mit Ausnahme derer, die sich für die Zwecke der Berliner
Universitätsinstitute eigneten — der Universität Königsberg zu über-
weisen. Es wurde demgemäß in der Senatssitzung vom 15. Oktober
1828 beschlossen, zunächst bei den Seminaren und dem Universitäts-
gericht anzufragen, ob sie einige der Schriften zu haben wünschten,
sodann die übrigen nach Königsberg zu senden. Dieser Beschluß wurde
jedoch nicht ausgeführt. Schon in der nächsten Sitzung des Senats
am 5. November 1828 machte Klenze, der zum Rektor für das Universi-
*) Amts-Blatt der Kgl. Regierung zu Potsdam und der Stadt Berlin. Jg.
1826. S. 99—101.
15
tätsjahr 1828/29 gewählt worden war, die Mitteilung, daß nach einer
Rücksprache mit dem Oberbibliothekar Willen es vielleicht möglich sein
bürste, mit diesen Schriften eine kleine Bibliothek
für die Universität zu bilden. Der nötige Raum könnte
wahrscheinlich von der Königlichen Bibliothek hergegeben werden, die
auch für die Beaufsichtigung der Sammlung sorgen würde.
Der Senat erklärte sich mit der Absicht des Rektors, die Angelegen-
heit dem Minister von Altenstein vorzutragen, einverstanden. Uber den
Erfolg seiner Audienz berichtete Klenze in der Senatssitzung vom 26. No-
vember 1828: Altenstein hatte den Vorschlag genehmigt und den Rektor
beauftragt, gemeinschaftlich mit den: Oberbibliothekar Statuten für
die zu bildende kleinere Universitäts-Bibliothek auszuarbeiten und zur
Genehmigung einzureichen.
Das Ergebnis der nun folgenden Verhandlungen des Senats mit
dem Oberbibliothekar ist in ihrem am 25. Februar 1829 gemeinsam an
das Ministerium gerichteten Schreiben niedergelegt, worin der „nicht
minder auf den Vortheil der hiesigen Friedrich-Wilhelms-Universität
als auf das Beste der großen Königlichen Bibliothek berechnete Vor-
schlag" und die Bitte vorgetragen wird, die Errichtung einer eigenen
Universitäts-Bibliothek zu genehmigen. In diesem ersten amtlichen
Schriftstück, das sich mit einer Universitäts-Bibliothek für Berlin be-
schäftigt — es ist unterzeichnet von Klenze als Rektor, Marheineke,
Schmalz, Bartels und Bopp als Dekanen und Wilken als Oberbibliothekar
der Königlichen Bibliothek — wird zur Begründung des Antrages
folgendes ausgeführt:
„Daß dem Bedürfnisse der Universität durch die bisherige Ein-
richtung der Königl. Bibliothek in vieler Beziehung nicht genügt
werden kann und auch in Zukunft nicht genügt werden könnte, wenn
dieselbe nicht ganz ihre eigentliche Bestimmung verlieren soll, ist eine
mehrjährige um so unangenehmere Erfahrung, als dabei die Königl.
Bibliothek einen Zndrang hat, der ohne Erfolg haben zu können die
Administration derselben erschwert. Von der einen Seite nämlich
ist es natürlich, daß eine gewisse nicht übergroße Anzahl currenter
Bücher unzählige Mal verlangt wird, ohne daß sie mehr als Einmal
verabfolgt werden können. Die Hauptbestimmung der Königl. Bi-
bliothek, die Bücher in die Wohnungen zu verabfolgen, kann nicht
um und für eine äußerlich gar nicht näher anzugebende Anzahl Bücher
geändert werden, und wenn es geschehen könnte, so wären sofort
16
eine weit größere Anzahl öffentlicher Lefestunden nöthig als die
übrige Einrichtung gestattet. Von der andern Seite haben die speciellen
Bedürfnisse mancher Institute der Universität, die Seminarien,
manche Privatissima bis jetzt ihre Befriedigung bei der Königl. Bi-
bliothek nicht finden können und nichts desto weniger derselben großen
Schaden zugefügt. Es kann nicht fehlen, daß wenn in einem Senrinar
ein Kirchenvater oder auch nur in einem Privatissimum ein Schrift-
steller gelesen wird, von dem man den jungen Leuten nicht zumuthen
kann sich auch nur die ganzen Handausgaben der sämmtlichen Werke
eines solchen anzuschaffen, so müssen natürlich alle Exemplare, die
kostbaren nicht ausgeschlossen, der verschiedenem: Ausgaben, die die
Königl. Bibliothek besitzt, den jungen Leuten zum Handgebrauch
verabfolgt werden, und so wird dann ein Theil der doch eigentlich
zum Aufbewahren gesammelten und gehaltenen Werke in wenigen
Jahren zerstört, und die Bedürfnisse der Universität sind doch lange
nicht befriedigt, indem auch so nicht die gehörige Anzahl von Exem-
plaren in den Händen der Studierenden ist. Dieses nun, so wie daß
schon längst aus den regelmäßig außer der Königl. Bibliothek auch
an die Universität von den Verlagshandlnngen gelieferten Exemplaren
ein Bestand vom: etwa 4—500 großenteils dem ersten Zwecke ent-
sprechenden Werken vorhanden ist, hat den ... unterzeichneten Rektor
und Senat veranlaßt, Einem Hohen Ministerio den Antrag zur Er-
richtung einer eigenem: Universitäts-Bibliothek ... vorzulegem:, wo-
durch den genanntem: Bedürfnissen abgeholfen um:d der Administration
der Königl. Bibliothek eine große Erleichterumrg verschafft werden
könnte, ohne daß irgem:d ein Studieremmder vom: den: Gebrauche der
Königl. Bibliothek mehr als bisher ausgeschlossen würde."
Nachdem dam:n ans den beigefügten Statutenentwurf him:gewiesen
ist, heißt es zum Schlüsse:
„Das Wichtigste dabei wäre freilich, 1) daß Ein Hohes Mi-
nisterium die Erhaltung eines eigenen Custos zu bewilligen geneigt
wäre um:d etwa eim:emn jünger:: Manne, der bei der Königl. Bibliothek
schom: geübt wäre, ein eigenes Gehalt dafür auszuwerfen geruhen
möchte; so wie auch ein Diener wenigstens für einige Stunden zum
Wegschaffen der Bücher ummd zur Aussicht im Lesezimmer während
der anderweitigen Beschäftigung des Custos erforderlich seyn dürfte;
2) daß Ein Hohes Ministerium ein Lokal sowol zumm: Aufbewahren
der Bücher als auch zum Lesen ein kleineres heizbares Zimmer der
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Universitäts-Bibliothek einräumen ließe. Leider ist das Universitäts-
Gebäude schon so sehr in Anspruch genommen, daß in diesem kein
Raum disponibel gemacht werden kann. Vielleicht würde aber im
Gebäude der Königl. Bibliothek in den untern Räumen ein an-
gemessenes Lokal eingeräumt und so das Gebäude immer mehr seiner
eigentlichen Bestimmung wiedergegeben werden können."
Nach diesen Vorschlägen sollte also der Charakter der Königlichen
Bibliothek als einer Ausleihebibliothek gewahrt, die zu gründende
Universitäts-Bibliothek aber in der Hauptsache als P r ü s e n z b i b l i o -
t h e k eingerichtet werden. Noch deutlicher kommt das in dem Ent-
wurf der Statuten, der zwölf Paragraphen umfaßt, zum Ausdruck.
Nachdem {in § 1) die Universitäts-Bibliothek als eine zum ausschließ-
lichen Gebrauch der Dozenten und der Studierenden der Friedrich-
Wilhelms-Universität bestimmte Sammlung gedruckter Bücher de-
finiert worden ist, heißt es von ihrer Bestimmung sin § 2): „Der Zweck
dieser Sammlung ist nicht sowohl Vollständigkeit der älteren und neueren
litterarischen Erscheinungen, als vielmehr 1) theils die currentesten
Bücher zum Nachschlagen stets vorräthig zu haben, 2) theils für be-
sondere Bedürfnisse der Universität, also namentlich ihrer Institute,
Seminarien, specielle Vorlesungen u. s. w. eine Anzahl Handausgaben
zu halten." Für den ersten Zweck wird eine nach den damaligen An-
schauungen sehr reichlich bemessene Öffnungszeit der Bibliothek vor-
gesehen: die zum Lesen und Nachschlagen bestimmten Bücher sollen
im Lokale der Bibliothek täglich vormittags von 9 bis 12 und nach-
mittags im Winter von 2 bis 4 und im Sommer von 2 bis 5 Uhr ein-
gesehen und gelesen werden können (§ 3). Die Bibliothek hat demnach
die Hauptbestimmung, als Handbibliothek zu dienen. Daneben wird
das Verleihen von Büchern auf ganz bestimmte Fälle beschränkt (§ 8):
„Für den andern Zweck werden auch Bücher in die Wohnung ver-
abfolgt, jedoch nur so, daß der Professor, der dem Institute vorsteht,
oder die Bücher zu einer Vorlesung für seine Zuhörer wünscht, von
dem Bedürfnisse wenigstens zwei Monate vorläufig Anzeige macht,
damit sie in gehöriger Anzahl von Exemplaren angeschafft werden
können, und dann, wenn deren Anschaffung keinen Anstand gefunden,
oder wenn sie vorher schon vorhanden waren, das eingetretene Be-
dürfniß bescheinigt und die Studirenden einzeln von ihm oder einem
andern Professor eine solche Caution beibringen, wie es das Reglement
der großen Königlichen Bibliothek vorschreibt." Als Fonds der Uni-
Friese, Univ.-Bibl. Berlin.
2
versitäts-Bibliothek wird (nach § 10) betrachtet: erstens der Anteil,
den an den Jmmatrikulationsgebühren bisher die Königliche Bibliothek
bezogen hat, zweitens „alle gelieferten Exemplare der Verlagsartikel
der inländischen Buchhändler". Die beiden letzten Paragraphen des
Entwurfs zeigen das Bestreben des Senats, sich auf die Verwaltung
der Bibliothek Einfluß zu sichern: „§ 11. Die Oberaufsicht der Uni-
versitäts-Bibliothek steht dem jedesmaligen Ober-Bibliothekar der
Königlichen Bibliothek zu, wenn dieser zugleich Professor an der Friedrich-
Wilhelms-Universität ist; ist das nicht der Fall, so wird von Rector und
Senat ein Vorschlag an das Hohe vorgesetzte Ministerium gemacht.
Unter dem Ober-Bibliothekar hat die tägliche Aufsicht und Ordnung
ein eigens angestellter Custos. § 12. Die Anschaffung neuer Bücher
wird vorbereitet: 1., durch die von den Benutzenden angezeigten Wünsche,
wozu ein Buch im Lokale geöffnet liegt, in welches der Custos auf Ver-
langen der Studirenden die Titel der Desideraten einträgt; 2., durch
schriftliche Anzeigen der Professoren der Friedrich-Wilhelms-Universität.
Die Anschaffung selbst aber wird bewirkt durch Entscheidung des Ober-
Bibliothekars, der außer laufenden geringen Bedürfnissen bei größeren
Ankäufen die jedesmaligen vier Decane der Fakultäten zu Rathe zieht,
auch mit diesen gemeinschaftlich die ad 1. und 2. bemerkten desideria
prüft und mit ihnen am Schluß des Jahres die Rechnungen Einem
Hohe:: Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medicinal-An-
gelegenheiten vorlegt."
Das Ministeriunr erklärte sich am 10. April 1829 geneigt, auf den
Antrag einzugehen, und forderte Willen zur gutachtlichen Äußerung
darüber auf, ob die Königliche Bibliothek beu Anteil an den Jmma-
trikulationsgebühren, den sie bisher statutenmäßig bezogen habe, in
Zukunft werde entbehren können. Ferner sollte der Oberbibliothekar
berichten, ob es möglich sei, den erforderlichen Raum für die zu gründende
Bibliothek in dem Gebäude der Königlichen Bibliothek zu beschaffen.
Sollten in diesen oder in anderen Beziehungen erhebliche Hindernisse
sich ergeben, so sehe das Ministerium einem Gutachten darüber ent-
gegen, „ob der beabsichtigte Zweck, der hauptsächlich darin besteht, für
die Studirenden eine möglichst große Anzahl der nothwendigsten Bücher
bereit zu halten, nicht dadurch erreicht werden könne, daß diese Bücher
aus den für die eigene Universitäts-Bibliothek in Antrag gebrachten
Fonds von der Königlichen großen Bibliothek angeschafft und auf der-
selben aufbewahrt und von ihr an Studirende ausgeliehn werden".
19
In seinen Berichten von: 10. September und 13. Oktober 1829
legte Willen dar, daß ein genügender Raum zur Aufstellung und Be-
nutzung der neuen Sammlung sich zurzeit in dem Bibliotheksgebäude
nicht ermitteln lasse. Da es aber sehr wünschenswert sei, auf das baldigste
zur Ausführung des Planes zu schreiten, machte er den Vorschlag, ad
interim in dem Gebäude der Universität zwei oder drei geräumige und
zusammenhängende Zimmer einzurichten, von denen eins als Lese-
zimmer, die beiden anderen zur Aufstellung der Bücher benutzt werden
könnten. In dem großen Raume des Universitätsgebäudes fünden
sich gewiß die passenden Zimmer, und der Zweck, dem sie dienen sollten,
sei so wichtig, daß eine Unbequemlichkeit oder Beschränkung, die dadurch
eine andere Anstalt oder Sammlung der Universität erleiden würde,
nicht als ein erhebliches Hindernis in Anschlag gebracht werden dürfe. *)
Wegen der Verwendung des Anteils an den Jmmatrikulationsgebühren
bemerkte Willen, daß die Königliche Bibliothek bei ihren großen und
steigenden Bedürfnissen dieses erheblichen Zuschusses zu ihren Geld-
mitteln nicht entraten könne, falls der Verlust nicht auf andere Weise
sich ersetzen lasse. Auch scheine es ihm nicht dem Interesse der Uni-
versität gemäß zu sein, daß sie durch Entziehung dieses Beitrages ihren
Ansprüchen an die Königliche Bibliothek entsage. Er schlug deshalb
vor, von den Beiträgen der Studierenden zu den Kosten der Erleuchtung
und Heizung der Auditorien, die beträchtlich mehr eintrugen als zur
Bestreitung jener Kosten erfordert wurde, jährlich vierhundert Taler
zur Vermehrung der Universitäts-Bibliothek zu verwenden. Mit dieser
Summe würden sich gewiß die Bedürfnisse der Bibliothek, die kostbare
Werke nicht berücksichtigen solle, befriedigen lassen. Für den Fall
der Billigung seiner Anträge brachte er als künftigen Aufseher der
Sammlung den Privatdozenten Dr. Benary oder den damals an der
Königlichen Bibliothek arbeitenden Kandidaten Förstemann in Vor-
schlag und beantragte für den Aufseher eine jährliche Remuneration
- von 120 Talern.
Die Entscheidung des Ministers auf die Wilkenschen Vorschläge
erfolgte am 28. Februar 1830, nachdem die bereits am 19. Oktober
*) In dem Universitätsgebäude befanden sich damals noch mehrere wissenschaft-
liche und Kunstsammlungen — das anatomische, das zoologische und das mineralogische
Museum, das Kabinett mit chirurgischen Instrumenten und Bandagen, die Samm-
lungen von physikalischen Apparaten, von Gipsabgüssen, Gemälden, Antiken und
Münzen — sowie die Amtswohnungen der Direktoren des mineralogischen und
zoologischen Museums.
2*
20
1829 dem Geheimen Regierungsrat Dieterici übertragene Untersuchung
der Räume des Universitätsgebäudes die Möglichkeit ergeben hatte,
sür die Zwecke der Universitäts-Bibliothek zwei im dritten Stockwerk
belegene Zimmer ohne bedeutende Kosten einzurichten. Der Minister
bestimmte nach dem Antrage zur Unterhaltung und Vermehrung der
Bibliothek vorläufig jährlich vierhundert Taler aus den Überschüssen
der von den Studierenden zu zahlenden Licht- und Holzgelder, forderte
Wilken auf, sich der oberen Leitung der Anstalt zu unterziehen und er-
klärte es für rätlich, die Aufsicht über die Universitäts-Bibliothek einem
der bei der Königlichen Bibliothek bereits angestellten Kustoden, etwa dem
vr. Pinder, (imNebenamte) gegen eine jährliche Remuneration von achtzig
bis hundert Talern zu übertragen. Aus dem Verzeichnis der für die Uni-
versität eingegangenen Pflichtexemplare sollte Wilken die für die Uni-
versitäts-Bibliothek geeigneten Werke auswählen und den Verkauf der
übrigbleibenden zum Besten der Bibliothek verwüchsen. Endlich ver-
langte der Minister ein Gutachten des Oberbibliothekars darüber, ob
es ratsam und tunlich sei, zur Vermehrung der Fonds der Universitüts-
Bibliothek von allen Benutzern des Journalzimmers in der Königlichen
Bibliothek jährlich einen angemessenen Beitrag zu verlangen *). Gleich-
zeitig wurde auch Rektor und Senat von diesen Verfügungen in Kennt-
nis gesetzt und zu gutachtlichen Vorschlägen aufgefordert, wie die Mittel
der Bibliothek noch durch anderweitige Beiträge, z. B. von seiten der
zu promovierenden Kandidaten oder der sich habilitierenden Privat-
dozenten oder der als außerordentliche Professoren bei der Universität
in Zukunft anzustellenden Dozenten erhöht werden könnten.
Der Senat erstattete am 3. April 1830 einen eingehenden Bericht
über seine Stellung zu der beabsichtigten Universitäts-Bibliothek. Zu-
nächst bittet er um den bisher vor: der Königlichen Bibliothek bezogenen
Anteil an den Jmmatrikulationsgebühren:
„In dieser Beziehung hat uns beigehen müssen, daß nach der:
Universitäts-Statuten, Abschn. VI. 8 8. jeder Studirende bei der
Immatrikulation an Gebühren für die Bibliothek Einen
Thaler zu entrichten hat; wenn zwar dieser Ausdruck allgemein
gefaßt ist, so haben, in Rücksicht, daß eine solche Gebühr für die Be-
nutzung einer Bibliothek den Studirenden der Universität aus-
schließlich vor allen Individuen jeden Standes auferlegt worden,
) Vgl. oben S. 6 f.
21
die Unterzeichneten nur annehmen zu können geglaubt, daß die
Statuten bereits eine separate Universitäts-Bibliothek vor Augen
gehabt, und insofern es zu der Errichtung einer solchen komme, der
Ertrag der besagten Gebühr von selbst hierin seine nähere Bestimmung
finde. Wenn zwar die Studirenden auch nach Eröffnung einer für
sie bestimmten besonderen Veranstaltung nicht von der Wohlthat
der Benutzung der großen Königlichen Bibliothek ausgeschlossen
bleiben, so erscheinen sie in dieser Rücksicht nur auf gleicher Linie mit
allen denjenigen andern Personen, denen solche Benutzung wie ihnen
zwar nicht unmittelbar, sondern nur gegen Caution eines dazu be-
rechtigten Individuums verstattet ist, und welche keiner Art von
Abgabe dafür unterworfen sind. In dieser Betrachtung... halten
wir es für unsere Pflicht,... darauf anzutragen, den Ertrag der
besagten Gebühr von eurem Thaler, die öcm Jmmatrikulanden ent-
richtet wird, der Bestimmung zuzuwenden, welche, insofern eine
separate Universitäts-Bibliothek errichtet wird, für die ursprüngliche
und eigenthümliche anzunehmen zu seyn scheint."
Der Senat hofft, daß die vorläufige Bewilligung vor: vierhundert
Talern aus bcn Überschüssen der Auditoriengelder seinem Antrage
keinen Abbruch tun werde, wenn auch bei der Verwendung beider
Sununen auf eine Bibliothek die Studierenden gewissermaßen eine
doppelte Abgabe für diesen Zweck zu entrichten schienen. Diese Hoffnung
sei um so mehr berechtigt, als die Verwaltungskosten der Bibliothek einen
großen oder leicht den größeren Teil der bereits bewilligten vierhundert
Taler absorbieren möchten. Was die Vorschlüge angeht, die das Mini-
sterium wegen Erhöhung des Fonds durch anderweitige Beiträge ein-
gefordert hat, so spricht der Senat sein Bedenken aus, sowohl die mit
den Promotionen und Habilitationen bereits verbundenen namhaften
Kosten, worüber auch schon bei dem Ministerium zuweilen Klagen vor-
gebracht worden wären, zu vermehren, als auch den neu angestellten
Professoren, die ebenfalls durch Gebühren bereits bedeuterrd belastet
feien, eine neue Abgabe aufzuerlegen. Dagegen könne ohne Zweifel
darauf gerechnet werden, daß überhaupt die bei der Universität ange-
stellten Professoren durch freiwillige Beiträge aus ihren Bibliotheken
zur Gründung und Vermehrung einer für den Nutzen der Studierenden
bestimmten Büchersammlung beitragen würden.
Das im Universitätsgebäude für die Bibliothek in Aussicht ge-
nommene Lokal gibt dem Senat zu folgenden Ausführungen Anlaß:
22
„Wenn die Beschränktheit dieses Lokals mit der Beschränktheit
der darin aufzustellenden Büchersammlung in Proportion steht, so
konnte dagegen der Contrast dem... Rektor und Senat nicht ent-
gehen, der sich zwischen einer unbedeutenden Bücherzahl, auf welche
die nächste Aussicht sich beschränkt und zwischen der Vorstellung und
dem Namen einer Universitäts-Bibliothek, einer Bibliothek der Königl.
Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin, so wie zwischen dem realen
Zwecke einer solchen sich darbietet.
Wenn wir die Benutzung einer Bibliothek für 1800 Studirende
aus den vier Fakultäten, einem Umfange, welche den größten Theil
und den bedeutendsten der Wissenschaften befaßt, als das Bedürfniß
vorauszusetzen haben, so ergiebt sich, daß auch eine nur nothdürftige
Ausrüstung, welche dieses Bedürfniß vor Augen hätte, einen sehr
bedeutenden Apparat erforderte. Ein Vorrath, der nur den wenigsten
Nachfragen der Studirenden Genüge leisten könnte, müßte sie des
Umwegs, zuerst bei der Universitäts-Bibliothek anzufragen, bald
überdrüssig machen und würde für sie mehr Erschwerung als eine
zugleich für die Königl. Bibliothek gemeinschaftlich beabsichtigte Er-
leichterung zur Folge haben. Die Herstellung einer dem Namen
einer Universitäts-Bibliothek in der: Augen der Studirenden und
des Publikums und dem Zweck entsprechenden Sammlung aber
würde sogleich für den Anfang eine so namhafte Summe in Anspruch
nehmen, daß wir uns bei dem unbeschränkten Vertrauen in die allent-
halben erprobte hochgeneigte Vorsorge für das Wohl der hiesigen
Universität, doch der Hoffnung zu einer solchen und einem dahin
zielenden ... Antrage enthalten zu müssen glauben."
Ferner bittet der Senat, den aus den Pflichtexemplaren zu bildenden
Grundstock der Universitäts-Bibliothek durch die dazu geeigneten Du-
bletten der Königlichen Bibliothek zu vermehren. Die Möglichkeit und
Billigkeit der Überweisung dieser Dubletten findet er in der künftigen
Geschäftserleichterung der Königlichen Bibliothek, in der Schonung
ihrer Bücher, in dem Rechte der Studierenden zu ihrer Benutzung,
„wodurch sie eine Universitäts-Bibliothek nach einem Theile vertritt,
der durch die vorsehende Stiftung nur von ihr separirt wird"und endlich
in den von der Universität der Königlichen Bibliothek seit so vielen
Jahren zugute gekommenen Jmmatrikulationsgebühren.
Am Schlüsse des Berichts wird der Vorschlag gemacht, bei der
Unzulänglichkeit des vorhandenen und zu erwartenden Büchervorrats
23
statt einer für alle Fakultäten bestimmten Universitäts-Bibliothek zu-
nächst eine Büchersannnlung für einzelne Fakultäten anzulegen:
„Wenn nun auch von dieser Seite eine Vermehrung des Stocks
zu erwarten steht, so dürste jedoch das Ergebniß sich von dem alle
Fakultäten umfassenden Zwecke einer Universitäts-Bibliothek noch
immer sehr entfernt zeigen. Die ... Unterzeichneten erlauben sich
in dieser Hinsicht den unvorgreiflichen Gedanken zu äußern, daß es
dem esfectiven und zu erwartenden Vorrathe am entsprechendsten
seyn könnte, wenn der Zweck für den Anfang auf einzelne Fakultäten
beschränkt würde, was mit einer dem Vernehmen nach früher statt-
gefundenen Absicht, eine Büchersammlung für den Zweck der mit
der Universität verbundenen Seminarien zu veranstalten, ungefähr
zusammenfiele. Eine solche Beschränkung böte sich als zweckmäßig
dafür an, der Zersplitterung der Fonds, der nothwendigen allzugroßen
Unvollständigkeit und Unzureichenheit, die für das Bedürfniß, wenn
das Absehen aus alle Fakultäten gerichtet würde, stattfinden müßte,
vorzubeugen."
Aus diesen Vorschlägen und Ausführungen geht hervor, daß das In-
teresse, welches im Vorjahre der Senat und besonders der Rektor Klenze
für die beabsichtigte Gründung einer eigenen Universitäts-Bibliothek
gezeigt hatten, einer weniger günstigen Gesinnung gewichen war. Wäh-
rend in dem Antrage vom 25. Februar 1829 die Errichtung einer Uni-
versitäts-Bibliothek auch von bescheidenstem lUnfange für nützlich und
wünschenswert erklärt worden war, wurde jetzt eine nicht von vornherein
mit reichlicheren Mitteln ausgestattete Bibliothek als unzweckmäßig
und der Bedeutung und dem Ansehen derFriedrich-Wilhelms-Universität
nicht entsprechend abgelehnt. Der Umschwung erklärt sich daraus,
daß in dem neuen Senat mehr die Anschauungen des Teils der Pro-
fessoren vertreten waren, der sich von der Einrichtung einer eigenen
Universitäts-Bibliothek keine besonderen Vorteile für die Universität
versprach, vielmehr — wie z. B. Böckh — Bedenken hatte, ob nicht
dadurch die freie Benutzung der Königlichen Bibliothek für die Mit-
glieder der Universität beeinträchtigt werden könnte. *)
Der Minister teilte Wilken am 2. Mai 1830 den Bericht des Rektors
und des Senats mit und beauftragte ihn, ein Gutachten über die darin
enthaltenen Anträge zu erstatten. In der Antwort auf die beiden Ver-
*) C. Varrentrapp, Johannes Schulze u. das höhere preußische Unterrichts-
wesen in seiner Zeit. Leipzig 1889. S. 503.
24
fügungen vom 28. Februar und 2. Mai erklärt Willen sich am 26. Mai
bereit, die obere Leitung der Universitäts-Bibliothek zu übernehmen,
und meldet auch die Bereitwilligkeit Pinders zur Annahme der ihm
zugedachten Stelle eines Aufsehers der Sammlung. Den Vorschlag
des Senats, daß der Beitrag, den die Studierenden bei ihrer Imma-
trikulation für die Bibliothek entrichten, zugleich mit den vom Ministerium
aus den Überschüssen der Holz-,und Lichtgelder bestimmten vierhundert
Talern zur Vermehrung der Bibliothek verwandt werde, findet Willen
„nach wiederholter Erwägung" sehr zweckmäßig; „und es ist schwerlich
unter den gegenwärtigen Umständen ein anderes sicheres Mittel vor-
handen, den Fonds der Universitäts-Bibliothek zu einem solchen Be-
trage zu erhöhen, daß damit dem Bedürfnisse einer solchen Anstalt
genügt werden könne. Wenn auch die Anschaffungen für die neue
Universitäts-Bibliothek noch so sehr beschränkt werden, so sind gleichwohl
die Fächer der Kirchenväter und klassischen Autoren, auf welche zunächst
jedoch ohne Vernachlässigung der übrigen wissenschaftlichen Zweige
vorzüglich Rücksicht zu nehmen sein würde, gerade so kostbare Fächer,
daß Tausend Thaler jährlich in den ersten zehnJahren noch nicht zu einen:
beträchtlichen Reichthum führen werden". Da es aber für die Königliche
Bibliothek von sehr nachteiligen Folgen sein würde, wenn der zu ihrer
Unterhaltung und Vermehrung bestimmte Fonds irgendeine Ver-
minderung erlitte, bittet der Oberbibliothekar, falls der Antrag des
Senats genehmigt werden sollte, das jährliche Etatsquantum der König-
lichen Bibliothek in seinem bisherigen Betrage ungeschmälert bestehen
zu lassen. Die Einforderung eines Beitrages zur Unterhaltung der
Universitäts-Bibliothek von den Benutzern des Journalzimmers hält
er aus mehreren Gründen nicht für rätlich, dagegen scheint es ihm
keineswegs unzweckmäßig, von den neu kreierten Doktoren bei ihrer
Promotion, von den Privatdozenten bei ihrer Habilitation und von
den neu ernannten Professoren bei ihrer Anstellung einen Beitrag
von etwa fünf Talern für den Fonds der Universitäts-Bibliothek künftig
einzufordern, was zusammengenommen eine nicht unerhebliche jährliche
Summe ergeben würde. Wenn auch einzelne Beschwerden über den
hohen Betrag der Promotionskosten eingegangen sein mögen, so dürfe
doch nicht unbemerkt bleiben, daß diese Kosten auf den meisten anderen
deutschen Universitäten weit beträchtlicher seien als auf der hiesigen.
Es würde nunmehr, da sich durch die mehrjährigen Pflichtlieferungen
an die Universität schon ein Vorrat nützlicher Bücher angesammelt habe,
25
der baldigen Eröffnung der Universitäts-Bibliothek nichts mehr im
Wege stehen, wenn nur ein Lokal vorhanden wäre. Das im Universitäts-
gebäude von dem Geheimen Regierungsrat Dieterici und ihm gemein-
schaftlich ausgewählte Lokal Hütte zur vorläufigen Aushilfe vollkommen
ausgereicht, da es zur Aufstellung von wenigstens 6000 bis 8000 Bänden
genüge und ein Lesezimmer für etwa dreißig Leser darbiete, „und
der Kontrast der Beschränktheit jenes Lokals und der darin aufzustellenden
Büchersammlung an der Einen Seite und der Vorstellung und dem
Namen einer Universitäts-Bibliothek, einer Bibliothek derKgl.Friedrich-
Wilhelms-Universitüt an der andern Seite, welche der Rektor und
Senat in ihrem Berichte bemerklich machen, ist leicht aus dem Wege
zu räumen durch die Bemerkung, daß die berühmtesten und zahlreichsten
Bibliotheken mit einem kleinen Raume und einer geringen Bücherzahl
ihren Anfang genommen haben". Allerdings trete die Schwierigkeit
ein, daß die Bibliothek bald in dem Gebrauche des gewählten Lokals
gestört werden würde, da der Flügel des Universitätsgebäudes, worin
es sich befinde, einer sehr baldigen durchgreifenden Reparatur bedürfe.
Wie aus den bisherigen Verhandlungen hervorgehe, würde sich ein
anderer geeigneter Raum aber in dem Universitätsgebäude nicht aus-
mitteln lassen. Unter diesen Umständen bittet Wilken um die Erlaubnis,
in dem zur Aufbewahrung der Dubletten bestimmten, zurzeit fast
gänzlich leeren Zimmer des Kgl. Bibliotheksgebändes, einige Repo-
sitorien zur vorläufigen Aufstellung der Bücher der Universitäts-Bi-
bliothek einrichten zu lassen. Weiter beantragt er, daß das Ministerium
1. ihn ermächtige, die eingelieferten Pflichtexemplare, denen eine
längere Aufbewahrung im rohen Zustande sehr schädlich sein würde—
mit Ausnahme der belletristischen und Kinderschriften, die zum
Vorteile des Fonds der Universitäts-Bibliothek in einer Berliner
Bücherauktion zu verkaufen wären — auf eine zweckmäßige und
dauerhafte Art einbinden und mit einem passenden Stempel,
etwa mit der Inschrift: Ex Bibliotheca Universitatis Frid. Guil.
Berolin. versehen zu lassen;
2. die vorläufig bewilligten vierhundert Taler zur Verfügung stelle
und den Br. Pinder zum Antritt seiner Funktionen bei der Kata-
logisierung und der Aufsicht der Universitäts-Bibliothek mit dem
1. Juni d. I. anweise;
3. erlaube, daß die Bücher der Universitäts-Bibliothek, sobald sie
gebunden sein würden, an Professoren und Studierende der hiesigen
26
Universität unter derselben Bedingung, wie die Bücher der König-
lichen Bibliothek, ausgeliehen würden;
4. die Professoren und Dozenten der Universität und vornehmlich
die Vorsteher der Seminare veranlasse, ein Verzeichnis derjenigen
Bücher, deren Anschaffung ihnen für die wissenschaftlichen Be-
dürfnisse der Studierenden wichtig erscheine, dem Oberbibliothekar
mitzuteilen, zugleich die Bücher namhaft zu machen, die etwa
in mehreren Exemplaren anzuschaffen sein möchten, und auch mit
diesen Mitteilungen von Halbjahr zu Halbjahr fortzufahren;
5. den Oberpräsidenten der Provinz Brandenburg veranlasse, die
Buchhändler der Provinz, besonders die noch mit der Lieferung
ihrer Pflichtexemplare im Rückstände befindlichen, zur schleunigen
und fortgesetzten Erfüllung ihrer Verbindlichkeit gegen die nun-
mehr wirklich vorhandene Universitäts-Bibliothek anzuhalten und
die Ortspolizeibehörden in Fällen der Weigerung zu exekutorischen
Maßregeln zu autorisieren.
Die endgültige Entscheidung über die Antrüge des Senats und des
Oberbibliothekars erfolgte erst im Anfange des nächsten Jahres, nachdem
im Ministerium — wo besonders der vortragende Rat Johannes Schulze
feinen Einfluß für die Errichtung einer eigenen Universitäts-Bibliothek
geltend machte *) — noch längere Verhandlungen namentlich über die
zu bewilligenden Geldmittel geführt worden waren. Am 19. Januar
1831 erbat der Minister von Altenstein die königliche Genehmigung
zur Gründung und Eröffnung einer ausschließlich für die Dozenten
und Studierenden der Universität bestimmten Universitäts-Bibliothek,
deren beschränkte Aufgabe es nach dem Antrage des Senats sein sollte,
teils die gangbarsten Bücher zum Nachschlagen stets vorrätig zu haben,
teils für besondere Bedürfnisse der Universität eine Anzahl Handausgaben
zu halten. Der von Joh. Schulze verfaßte Jmmediatbericht wiederholt
die Gründe, die der Senat und Willen für die Errichtung der Bibliothek
vorgebracht hatten, und betont dabei besonders, daß durch die Gründung
nicht nur der bereits au die Universität abgelieferte Vorrat von Pflicht-
exemplaren die in der Kabinettsorder vom 28. Dezember 1824 schon
vorgesehene Verwendung finden, sondern auch den Verlegern, die bis
jetzt die Ablieferung verweigert hätten, der letzte Vorwand genommen
werden würde, sich ihren Verpflichtungen zu entziehen. Der beschränkte
’■) Varrentrapp a. a. O. S. 503.
27
Zweck der Anstalt würde sich, zumal da sie durch die Pflichtexemplare
einen bedeutenden Beitrag unentgeltlich erhielte, mit einem jährlichen
Kostenaufwand von etwa 500 Talern wohl erreichen lassen. Diese
Summe wäre leicht zu beschaffen, wenn der eine Taler, den jeder Student
bei der Immatrikulation für die Bibliothek zahlen müsse und den bisher
die Königliche Bibliothek erhalten habe, künftig der Universitäts-Bi-
bliothek zuflösse. Da die Königliche Bibliothek aber diesen Beitrag so
lange nicht entbehren könne, als es nicht möglich sein würde, ihr den
Abgang auf andere Weise zu ersetzen, sei auf die Ausmittelung ander-
weitiger Fonds für die Universitäts-Bibliothek Bedacht zu nehmen.
Der Minister bittet deshalb, die erforderlichen Mittel teils aus den
Überschüssen der von den Studierenden für die Heizung und Erleuchtung
der Auditorien zu entrichtenden Gelder, teils dadurch beschaffen gu
dürfen, daß künftig die auf der Universität neu kreierten Doktoren
bei ihrer Promotion, die Privatdozenten bei ihrer Habilitation und die
neu ernannten Professoren bei ihrer Anstellung oder Beförderung einen
Beitrag von fünf Talern für den Fonds der Universitäts-Bibliothek
bezahlen. Sollte sich wider Erwarten auf diese Weise noch nicht die zur
Unterhaltung und Vermehrung der Bibliothek erforderliche Summe
von 500 Talern jährlich ergeben, so hoffe das Ministerium das dann noch
Fehlende aus anderweitigen disponiblen Fonds decken zu können.
Friedrich Wilhelm III. genehmigte zwar durch Kabinettsorder
vom 20. Februar 1831 die Anträge Altensteins, erklärte aber dabei,
daß die vom Minister angeführten Gründe die Anlegung einer besonderen
Universitäts-Bibliothek als notwendig nicht zu motivieren schienen. Die
Stiftungsurkunde der Bibliothek lautet:
„Die in Ihrem Berichte vom 19**" v. M. angeführten Gründe
scheinen zwar die Anlegung einer besondern Universitäts-Bibliothek
bei der Benutzung der großen Bibliothek als nothwendig nicht zu
motiviren, wenn sie indeß ohne besondre Jnconvenienzien und ohne
Belästigung der Staats-Fonds eingerichtet werden kann, so will
Ich solche nach Ihrem Vorschlage mit der ausschließlichen Bestimmung
zum Gebrauche der Dozenten und Studirenden dahin genehmigen,
daß der zur Unterhaltung und Vermehrung derselben erforderliche
auf 500 Thlr. jährlich von Ihnen ermessene Fonds bis auf Weiteres
aus den Überschüssen des von den Studirenden bei der hiesigen
Universität zu entrichtenden Holz- und Lichtgeldes gedeckt werde.
Hiernächst bewillige Ich, daß zur Beschaffung eines besondern
28
Fonds künftig von jedem auf der hiesigen Universität neu creirten
Doctor bei der Promotion, von jedem Privatdocenten bei der Habili-
tation und von jedem neu ernannten Professor bei der Anstellung
oder Beförderung, ein Beitrag von Fünf Thalern für die Universi-
täts-Bibliothek entrichtet werde. Ich überlasse Ihnen hiernach
die weitern Einleitungen.
Berlin den 20**" Februar 1831.
Friedrich Wilhelm.
An den Staats-Minister Freiherrn von Altenstein."
3. Die Anfänge: In der Aöniglichen Bibliothek
(mi—39).'
Der Minister traf die näheren Anordnungen über die Einrichtung
der Bibliothek am 7. März 1831. Die obere Leitung der Anstalt wurde
dem Oberbibliothekar der Königlichen Bibliothek übertragen *) und ihm
die Genehmigung zur Ausführung der in: Mai des vorhergehenden
Jahres beantragten einleitellden Maßnahmen erteilt. **) Mit der
Herrichtung einiger Repositorien inr Dublettenzimmer der Königlichen
Bibliothek — es lag in dem südlichen Pavillon an der Ecke der Behren-
straße über dem Expeditionszimmer — erklärte sich der Minister eben-
falls einverstanden und ermächtigte Wilken, bei den Beratungen, die er
mit dem Oberbaudirektor Schinkel über den vom Könige damals bereits
genehmigten Ausbau des mlteren Geschosses des Gebäudes halten
würde, auch auf die Errichtung eines passendell Lokals zur Aufstellmlg
und Benutzmlg der Universitäts-Bibliothek Bedacht zu nehmen mid
dem Oberbaudirektor die nötigen Vorschläge zu machen. Aus Raum-
mangel verzichtete man also zunächst auf die Herstellung eines besonderen
Lesezimmers, während es doch bei den Vorverhandlungen über die
Gründung der Bibliothek, namentlich in dem freilich niemals genehmigten
Statutenentwurf vom Jahre 1829, als die Hauptaufgabe einer besonderen
Universitäts-Bibliothek bezeichnet worden war, die kurrentesten Bücher
zum Lesen und Nachschlagen stets vorrätig zu haben. Zur Errichtung
eines Lesezimmers kam es aber überhaupt nicht, solange die Universitäts-
Bibliothek sich in dem Gebäude der Königlichen Bibliothek befand;
denn der beabsichtigte Umbau des Gebäudes erfolgte erst in den Jahren
1840—42 nach der Übersiedelung der Universitäts-Bibliothek in den
Unter den Linden belegenen Adlerschen Saal.***)
*) Die Leitung der Universitäts-Bibliothek wurde von Willen und seinem
Nachfolger Pertz unentgeltlich besorgt.
**) S. oben S. 24—26.
***) Erst im Jahre 1840 wurde das ganze untere Stockwerk des Gebäudes, das
bis dahin in der Hauptsache zur Aufbewahrung von Dekorationen der Königlichen
Oper gedient hatte, der Königlichen Bibliothek überwiesen.
30
Die von Rektor und Senat beantragte Überweisung von D u -
bketten derKöniglichenBibliothek an die Universitäts-
Bibliothek erklärte der Minister für billig, zumal da jene durch die Er-
richtung einer besonderen. Bibliothek für die Universität wesentlich
erleichtert würde; er forderte deshalb Wilken zur näheren Prüfung
auf, ob und inwieweit es tunlich sein würde, von jetzt an der Uni-
versitäts-Bibliothek die für sie brauchbaren Dubletten der Königlichen
Bibliothek einzuverleiben. Wilken ließ nun alle einigermaßen geeigneten
Werke, wofür in der Ende Juni 1831 abgehaltenen Dublettenauktion
der Königlichen Bibliothek keine annehmbaren Preise geboten wurden,
zurücknehmen, so daß diese Bücher der Universitäts-Bibliothek über-
lassen werden konnten. Er beantragte dann am 9. Juli beim Ministerium
ihre Überweisung an die Universitäts-Bibliothek und stellte zugleich
einen weiteren Antrag zur Regelung der künftigen Abgabe der Dubletten.
Danach sollten fernerhin alle Dubletten der Königlichen Bibliothek,
welche durch die von der Akademie der Wissenschaften abgegebenen
Bücher *) oder durch Schenkungen oder überhaupt durch Erwerbungen
entständen, deren Kosten nicht aus den Fonds der Königlichen Bibliothek
bestritten würden, ohne Unterschied der Universitäts-Bibliothek über-
lassen werden, falls sie in ihr noch fehlten oder der Besitz mehrerer
Exemplare nützlich sein könnte, und sollten nur, wenn keiner dieser beiden
Fälle vorliege, nach dem Ermessen des Oberbibliothekars zum Vorteile
des Fonds der Königlichen Bibliothek verkauft werden dürfen.
Diese Anträge wurden am 18. August 1831 genehmigt, und damit
wurden der Universitäts-Bibliothek für die Zukunft wichtige Zugänge
gesichert.
Die Katalogisierung und Beaufsichtigung der Bibliothek wurde
dem Kustos an der Königlichen Bibliothek P i n d e r **) in Rücksicht
*) Nach den Statuten vom Jahre 1812 und 1838 behielt die Akademie nur
die Denkschriften gelehrter Gesellschaften, Zeitschriften, enzyklopädische Werke und
Wörterbücher. Alle anderen ihr durch Schenkung oder sonst zukommenden Werke
sollten erst eine Zeitlang zum Gebrauch der Mitglieder ausliegen und dann in der
Regel an die Königliche Bibliothek abgegeben werden, nachdem sie mit einem
Stempel versehen worden, der ihren Ursprung von der Akademie nachweist. Vgl.
Ad. Harnach Geschichte der Kgl. Preuß. Akademie der Wissenschaften zu Berlin.
Berlin 1900. Bd 1, Hälfte 2. S. 607; Bd 2. S. 374 u. 452.
**) Moritz Pinder, geb. 22. März 1807 zu Naumburg a. S., studierte von 1824
bis 1827 in Berlin und Bonn Philologie und Philosophie. Seinen künstlerischen Nei-
gungen entsprechend arbeitete er während seiner Studentenzeit auch in Schadows
31
auf seine „bisherige beifallswerte Wirksamkeit" übertragen und die ihm
dafür vom 1. April 1831 an in Quartalsraten aus dem Fonds der Anstalt
zu zahlende Remuneration auf hundert Taler jährlich festgesetzt. Die
für Pinder als Aufseher erforderliche besondere Instruktion sollte der
Oberbibliothekar entwerfen und zur Bestätigung einreichen.
Von diesen Verfügungen machte das Ministerium gleichzeitig den
Stellvertretern des außerordentlichen Regierungs-Bevollmächtigten bei
der Universität *) Mitteilung und beauftragte sie, Rektor und Senat
davon in Kenntnis zu setzen, wegen Einziehung der für die Universitäts-
Bibliothek festgesetzten Beiträge das Nötige anzuordnen und die Pro-
fessoren, namentlich die Vorsteher der Seminare, zur Angabe der von
ihnen für die Bibliothek gewiinschten Werke zu veranlassen. Das Mini-
sterium gab dabei der Hoffnung Ausdruck, daß die Professoren der aus-
schließlich zum Gebrauch der Dozenten und zun: Nutzen der Studierenden
bestimmten Bibliothek ihre Fürsorge zuwenden und durch freiwillige
Beiträge aus ihren Bibliotheken das Wachstum der Anstalt befördern
würden. Besonders wünschenswert erscheine es, daß sämtliche jetzigen
und künftigen Dozenten der Universität ein Exemplar ihrer Schriften
an die Universitäts-Bibliothek abgäben und daß die einzelnen Fakultäten
sich zu einem entsprechenden Beschlusse vereinigten. Seinerseits werde
Maleratelier und erlernte die Kupferstecherkunst. Im Jahre 1827 war er im Auf-
träge Niebuhrs mehrere Monate hindurch in Paris mit der Vergleichung von Hand-
schriften für die von Niebuhr angeregte neue Ausgabe der byzantinischen Geschichts-
schreiber beschäftigt. Nach seiner Rückkehr nahm ihn Willen am 1. Dezember 1827
als Assistenten auf der Königlichen Bibliothek an, wo er 1829 — in welchem Jahre
er auch promoviert wurde — zum dritten Kustos aufrückte. Pinder verband mit
gründlichstem Wissen (besonders werden seine Kenntnisse in der griechischen und
lateinischen sowie in mehreren neueren Sprachen gerühmt) und großem Fleiß auch
praktische Geschicklichkeit und erfreute sich überall der größten Beliebtheit. Im Jahre
1831 heiratete er Willens älteste Tochter. (Vgl. über ihn Deutscher Reichs-Anzeiger
u. Kgl. Preuß. Staats-Anzeiger. Besondere Beilage Nr. 19 vom 9. September 1871.
S. 7 f.; Allgemeine Deutsche Biographie Bd. 26. Leipzig 1888. S. 149 und Ad.
Stoll, Der Geschichtschreiber Friedrich Willen. Cassel 1896. S. 173 f. 185. 190. 224.)
*) Der Minister ordnete im Jahre 1827 nach dem Abgänge des vortragenden
Rates im Kultusministerium, Geh. Oberregierungsrats Beckedorfs, der auch die
Stellung eines außerordentlichen Regierungs-Bevollmächtigten bei der Universität
bekleidet hatte, an, daß bis auf weiteres die Geschäfte des Bevollmächtigten ver-
tretungsweise von dem jedesmaligen Rektor und dem Universitätsrichter gemein-
schaftlich besorgt werden sollten. Diese Stellvertretung dauerte bis zum Jahre 1841.
(Vgl. P. Daude, Die Königliche Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin. Berlin
1887. S. 202.)
32
das Ministerium darauf Bedacht nehmen, die Universitäts-Bibliothek
angemessen zu vervollständigen und ihr auch von Zeit zu Zeit durch
außerordentliche Bewilligungen zu Hilfe zu kommen.
Auch der Oberpräsident der Provinz Brandenburg wurde von dem
Minister benachrichtigt, daß die Errichtung einer besonderen Universitäts-
Bibliothek durch Kabinettsorder genehmigt sei, und wurde nach Willens
Antrag ersucht, die Buchhändler der Provinz zur fortgesetzten Erfüllung
ihrer Verbindlichkeit gegen die Bibliothek anzuhalten und in Weigerungs-
fällen die Ortspolizeibehörden zu exekutorischen Maßregeln zu bevoll-
mächtigen.
Die Bekanntmachungen des Oberpräsidiums vom 31. Januar 1825
und 3. April 1826 wegen Abgabe der Pflichtexemplare an die
Universitäts-Bibliothek *) hatten nicht durchweg den gewünschten Erfolg
gehabt. Auf Grund einer Anzeige der stellvertretenden Regierungs-
Bevollmächtigten, daß das der Universitäts-Bibliothek gebührende Frei-
exemplar von einem beträchtlichen Teile der in den Jahren 1826 und
1827 erschienenen Schriften noch nicht abgeliefert worden sei, erneuerte
deshalb der Oberpräsident am 2. Juli 1828 seine Aufforderung an die
Verleger und Drucker zur baldigen Einreichung. **) Die Bücher sollten
danach unter der Adresse der stellvertretenden Regierungs-Bevoll-
mächtigten in deren Bureau im Universitätsgebäude an den Universitäts-
kanzleisekretär Seip abgegeben werden, dem die Listenführung, das
Einmahnen, die Ausstellung der von den Bevollmächtigten zu unter-
zeichnenden Empfangsbescheinigungen und die Aufbewahrung der ein-
gegangenen Werke übertragen war. ***) Während die Kontrollierung
der Verleger in den ersten Jahren lediglich nach den vom Ober-
präsidium jährlich eingeschickten Zensurlisten erfolgte, ermächtigte das
Ministerium am 28. Februar 1830 die Stellvertreter des Regierungs-
Bevollmächtigten, künftig alle Verlagsartikel sogleich nach ihrer An-
klindigung in den öffentlichen Blättern durch den Sekretär Seip ein-
fordern zu lassen. In mehreren Fällen mußte die Ablieferung aber erst
durch das Polizeipräsidium veranlaßt werden, da verschiedene Ber-
*) S. oben S. 12 f. 13 f.
**) Amts-Blatt der Kgl. Regierung zu Potsdam und der Stadt Berlin. Jg.
1828. S. 159.
***) Es wurde ihm für seine Mühewaltung bei der Herbeischaffung der Pflicht-
exemplare von dem Ministerium am 28. Februar 1830 eine Remuneration von
40 Talern bewilligt.
33
leger auch trotz wiederholter Mahnung die Abgabe verweigerten. Als
Grund der Weigerung wurde meist angegeben, daß in Berlin noch keine
Universitäts-Bibliothek existiere und daß Freiexemplare nur der König-
lichen Bibliothek zustanden; eine größere Verlagshandlung lieferte
die (nach ihrer Ansicht!) für die Universitäts-Bibliothek brauchbaren
Werke, erklärte aber zur Abgabe von Journalen, Kochbüchern, Romanen
und Schauspielen nicht verpflichtet zu sein.
Willen übernahm einen Teil der Pflichtexemplare, die sich auf der
Universität angesammelt hatten, bereits im Frühjahr 1830 und den
Rest im März 1831. Die seit der Einführung der Stellvertretung der
Regierungs-Bevollmächtigten eingegangenen Bücher befanden sich
sämtlich in tadellosem Zustande, dagegen war ein beträchtlicher Teil
der von den Verlegern vor dem Abgänge Beckedorffs eingelieferten
Schriften, die zunächst auf der Qnüstur aufbewahrt worden waren,
seit dem Sommer-Semester 1828 aber in einem feuchten Nebenzimmer
der Registratur gelegen hatten, verstockt oder vermodert und dadurch
für die Bibliothek unbrauchbar, so daß später mehrere dieser Werke
durch Ankauf nochmals beschafft werden mußten.
Entsprechend dem Wunsche der Universitätsbehörden wie dem der
Bibliotheksverwaltung wurde die Einziehung der Pflichtexemplare von
dieser Zeit an durch die Universitäts-Bibliothek selbst bewirkt. Die
Bibliothek forderte die Bücher von den Buchhändlern, Buchdruckern und
Selbstverlegern nicht generell ein, sondern die Einmahnung geschah in
der etwas umständlichen Weise, daß den Lieferungspflichtigen genaue,
aus den halbjährlichen Meßkatalogen und den Zensurlisten zusammen-
gestellte Verzeichnisse der schuldigen Verlagsartikel übersandt wurden.
Auf die gemäß der Bestimmung der Bibliothek von der Aufnahme aus-
geschlossenen Romane, Gedichtsammlungen, Erbauungsschriften, Schul-
bücher und Kinderschriften, die einen nicht unbeträchtlichen Teil des
Berliner Verlages ausmachten, wurde dabei aber nicht, wie es heute
allgemein geschieht, verzichtet, sondern sie wurden eingezogen und zum
Vorteile des Bibliotheksfonds anderweitig verwertet. Verkäufe solcher
Schriften fanden sowohl in den von der Königlichen Bibliothek ver-
anstalteten Dublettenauktionen (1831,1836, 1839) wie auch freihändig
an einzelne Buchhändler statt.
Über die Maßregeln, die Wilken zur Einrichtung der Bibliothek
getroffen hatte, erstattete er dem Ministerium am 9. Juli 1831 Bericht
und schloß daran eine Reihe von Vorschlägen über die weitere Re-
Friese, Univ.-Bibl. Berlin. Z
34
gulierung der Angelegenheiten der Anstalt. Aus dem Verkaufe der
ungeeigneten Pflichtexemplare in der Dublettenversteigerung der König-
lichen Bibliothek waren nach Abzug der Auktionsgebühren 66 Taler
gelöst worden, die zur Deckung der Kosten für die Anschaffung der
Stempel und des Katalogpapieres ausreichten. Außer dem vom Minister
genehmigten Stempel mit der in einem Doppelkreise befindlichen
Inschrift Ex Biblioth. Universitatis Frider. Guil. Berolin., der zur
Bezeichnung der Rückseite der Titelblätter diente, hatte Wilken, um die
Bücher auch äußerlich als Eigentum der Universitäts-Bibliothek zu
kennzeichnen, noch einen zweiten Stempel mit den von einer Ver-
zierung umgebenen Buchstaben U. F. G. B. zum Aufdruck auf den vorderen
Deckel anfertigen lassen. *) Die ungebundenen Pflichtexemplare waren
dem Buchbinder Köcker zum Einbinden übergeben worden; die von
ihm gelieferten Bände fielen zur vollen Zufriedenheit Willens aus
und machen auch heute noch wegen ihrer soliden und sauberen Arbeit
einen guten Eindruck. **)
Mit der Eintragung der für die Bibliothek geeigneten Pflicht-
exemplare und der von der Königlichen Bibliothek abgegebenen Bücher
in den Akzefsionskatalog hatte Pinder bereits am 1. Juni
1830 begonnen, als die Verhandlungen über die Gründung der Bi-
bliothek noch nicht abgeschlossen waren. Das von ihm nach dem Muster
der Königlichen Bibliothek sorgfältig angelegte und weitergeführte Zu-
*) Der erstgenannte Stempel ist erst in neuester Zeit durch einen erheblich
kleineren mit der deutschen Inschrift UöinAliohe Universitäts Bibliothek Berlin er-
setzt worden, während der andere nur wenige Jahre hindurch benutzt worden zü sein
scheint. An seine Stelle trat später der noch heute gebrauchte Stempel, der in einem
Kreise das preußische Wappen mit der Umschrift Ex Bibi. Univers. Fr. Guil. Berolin.
zeigt. Für die zu verkaufenden Bücher wurde ferner im Jahre 1838 ein Stempel
mit der Inschrift Vend. ex Biblioth. Univers. Berol. angeschafft.
**) Die Buchbinderkosten erforderten einen erheblichen Teil der verfügbaren
Mittel. Besonders war das der Fall in den beiden ersten Jahren, in denen die Ein-
bände der zum größten Teile ungebunden in die Bibliothek gelangten Pflichtexem-
plare zu bezahlen waren. Köcker, neben dem auch noch der Buchbinder Knauth für
die Bibliothek arbeitete, erhielt 1831: 264 y 22 Sgr. 6 H und 1832: 167 ^ 3 Sgr.
6 H. Die von ihm berechneten Preise, die Wilken als sehr billig bezeichnet, mögen
zur Vergleichung mit den heutigen Buchbinderpreisen hier angegeben werden. Es
kostete der Halbfranzband in Folio 10—20 Sgr., itt Quarto 10—15 Sgr., in Oktav
7x/2—8Sgr., in Duodez 6% Sgr.; der Halbjuftenband in Folio 20 Sgr. bis 1 n/f/
in Quarto 17^/2 Sgr., in Oktav 10 Sgr.; der Pappband in Oktav mit Titel 4—5 Sgr.,
mit Schild 21 * * * * 6 7/2 Sgr. (Kalikoeinbände gab es damals noch nicht; sie wurden zuerst
um 1836 in London hergestellt).
35
gangsverzeichnis enthält bei den käuflich erworbenen Werken leider
keine Angabe des Preises, dessen Beifügung auch durch die für den Auf-
seher am 18. August 1831 erlassene Instruktion nicht vorgeschrieben
wurde. Zu bedauern ist es ebenso, daß es unterlassen wurde, die Ak-
zessionsnummern in die Bücher einzuschreiben. Da nämlich auch in
dem alphabetischen Katalog, entgegen der Instruktion, in der ersten Zeit
die Akzessionsnummern den Titeln meist nicht beigesetzt wurden, ist die
Geschichte der Erwerbung vieler Werke nur mit Mühe festzustellen.
Über den Bestand der Bibliothek fertigte Pinder ebenfalls nach
dem Muster der Königlichen Bibliothek, die ihrerseits darin dem Göt-
tinger Vorbilde gefolgt war, *) einen alphabetischen Band-
k a t a l o g in dem noch heute gebrauchten Foliosormat an. Der Grund-
satz, jedem Verfasser ein besonderes Blatt zuzuweisen, wurde aber nur
in beschränktem Maße durchgeführt. Um einer Raumverschwendung
von vornherein vorzubeugen, vereinigte man, soweit es sich nicht um
sehr fruchtbare Schriftsteller handelte, mehrere gleichnamige oder im
Alphabet unmittelbar aufeinanderfolgende Autoren aus einem Blatte.
Wie auf der Königlichen Bibliothek und auch aus anderen Bibliotheken**)
wurden die Eintragungen in den alphabetischen Katalog damals nicht
nach den Büchern selbst gemacht, sondern die Weiterführung des Katalogs
geschah — sehr zum Schaden seiner Genauigkeit — dadurch, daß die
Titel von Zeit zu Zeit aus dem Akzessionskatalog übertragen wurden.
Mit der raschen Vermehrung des Bücherbestandes wuchs auch der Um-
fang des Katalogs schnell an: die Zahl der Bände betrug im Juni 1832
nur 4, im Januar 1839 dagegen schon 24.
Am 18. August 1831 erteilte das Ministerium auch seine Zustimmung
zu den Vorschlägen, die Willen über die Regulierung der finan-
ziellen Angelegenheiten der Bibliothek gemacht hatte. Die
Generalkasse des Ministeriums wurde demgemäß angewiesen, von der
Quästurkasse der Universität die dort für die Universitäts-Bibliothek
eingegangenen Beitrüge der neu angestellten Professoren und die Ge-
bühren der promovierten Doktoren und habilitierten Privatdozenten
halbjährlich einzuziehen und die Rechnungen über Bücher, deren Ein-
bände und andere Bedürfnisse der Bibliothek, soweit ihr Fonds die
*) Über den alphabetischen Bandkatalog der Königlichen Bibliothek vgl.
Hortzschansky a. a. O. S. 57—60.
**) Vgl. Fritz Milkau, Die Bibliotheken. In: Die Kultur der Gegenwart. Teil 1,
Abt. 1. Berlin u. Leipzig 1906. S. 563.
3*
36
Mittel darbiete, auf Grund der Anweisungen des Oberbibliothekars
zu berichtigen. Die Generalkasse führte übrigens keine besondere Rech-
nung über den Fonds der Bibliothek, sondern verrechnete die Ein-
nahmen und Ausgaben mit bei dem Universitäts-Etat. Um Wilken
einen Überblick über den Zustand des Fonds zu verschaffen, war die
Generalkasse schon am 27. Juni 1831 beauftragt worden, ihm jährlich
einen Finalabschluß zur Kenntnisnahme und demnüchstigen Mitteilung
an den Senat vorzulegen.
Die in der Kabinettsorder vom 20. Februar 1831 über die Fnndation
der Universitäts-Bibliothek enthaltenen Bestimmungen schienen eine
doppelte Auslegung zuzulassen. Es erhoben sich Zweifel darüber, ob
außer den eingehenden Promotions- und Habilitationsgebühren noch
jährlich 500 Taler aus den Überschüssen der Holz- und Lichtgelder für
die Bibliothek verwandt werden könnten oder ob aus diesen Auditorien-
geldern nur so viel gegeben werden sollte, als erforderlich war, um
m i t den erstgenannten Gebühren einen jährlichen Fonds von 500 Talern
zu bilden. Der Senat, dem Wilken die Angelegenheit zur Beachtung
und Verrnittelung empfahl, beschäftigte sich eingehend damit und erbat
am 10. August 1832 die Entscheidung des Ministeriums, indem er für
die Richtigkeit der ersten Auffassung nachdrücklich eintrat und die Un-
möglichkeit auseinandersetzte, mit einem Fonds von insgesamt nur
500 Talern eine der Würde der Universität angemessene Bibliothek zu
gründen und zu erhalten:
„Der Senat hat diese Angelegenheit um so mehr in reifliche
Erwägung genonrmen, als er von Anfang an Bedenken gehabt hat,
ob mit so geringen Mitteln wie diejenigen, aus die man rechnen
könne, eine Anstalt möchte gegründet werden können, die,.um nicht
von der Ehre der Universität zu reden, auch nur den billigsten For-
derungen entsprechen werde. Diese Besorgniß wurde auch schon
dadurch gerechtfertigt, daß, nachdem schon mehrere Jahre daran
gesammelt worden, doch nur die geringe Zahl von 1668 Bünden
zusammengekommen. Sollte etwa nun vollends die Vermehrung
nur mit jährlichen500Thalern bewirkt werden, so ist leicht einzusehen,
daß die Universitäts-Bibliothek in einer langen Reihe von Jahren
höchstens zu der Größe der Bibliothek eines nicht zu unbedeutenden
Provinzialgymnasiums gedeihen könne."
Der Senat schloß mit dem Antrage, den Zuschuß von 500 Talern
aus den Auditoriengeldern neben den Einnahmen ans den anderen
37
Gebühren bestehen zu lassen, da sonst „die Universitäts-Bibliothek eine
höchst geringfügige Anstalt sein wlirde, um deretwillen die Doktoren
und die Mitglieder der Universität mit Abgaben zu belasten nicht der
Mühe wert sein dürfte."
Das Ministerium beantwortete die Eingabe des Senats am 1. Fe-
bruar 1833 dahin, daß die vom Könige zur Unterhaltung der Bibliothek
bewilligte Summe von 500 Talern jährlich aus den Promotions- und
Habilitationsgebühren beschafft und nur, falls diese Gebühren nicht
ausreichten, der noch fehlende Betrag aus den Überschüssen der von den
Studierenden zu entrichtenden Holz- und Lichtgelder gedeckt werden
sollte. Dem ganz beschränkten Zwecke, den das Ministerium bei der Er-
richtung der Bibliothek im Auge gehabt, sei der für sie ausgesetzte Fonds
von 500 Talern zwar nicht unangemessen, das Ministerium werde aber,
wie schon mit dem Ankauf der Schmalzischen Bibliothek geschehen sei,
auch ferner durch außerordentliche Bewilligungen auf eine den Be-
dürfnissen entsprechende Vermehrung der Universitäts-Bibliothek Be-
dacht nehmen. Hierzu würde sich bald wieder eine günstige Gelegenheit
bei dem in Anregung gebrachten Ankauf der Rndolphischen Bibliothek
darbieten *).
Über den Betrag von 500 Talern durfte der Oberbibliothekar
nach den Vorschriften des Kassen- und Rechnungswesens nicht im An-
fange des Jahres auf einmal, sondern nur vierteljährlich mit 125 Talern
verfügen. Gingen mehr als 500 Taler an Promotionsgebühren ein —
und das war seit 1833 regelmäßig der Fall **) — so konnte der Mehr-
betrag im Laufe des folgenden Jahres verwandt werden. Zur gehörigen
Abmessung der Ausgaben war es dabei für den Bibliotheksvorstand
von Wichtigkeit, jederzeit von der Höhe der eingegangenen Beiträge
Kenntnis zu haben und besonders am Schlüsse eines jeden Jahres zu
wissen, ob mehr als 500 Taler eingekommen waren. Auf den Antrag
Wilkens wurde der Quästor der Universität deshalb im Jahre 1836 an-
gewiesen, ihm am Schlüsse eines jeden Semesters von dem Betrage
*) Die Erwerbung der Schmalzischen und Rudolphischen Bibliothek s. unten
S. 48—50 u. 54 f.
**) Zur Erreichung der etatsmäßigen 500 Taler waren nur in den beiden
ersten Jahren Zuschüsse aus den von den Studierenden gezahlten Holz- und Licht-
geldern erforderlich. Seit 1833 ergaben die für die Universitäts-Bibliothek bei den
Promotionen und Habilitationen erhobenen Gebühren einen Uberschuß, der sogar
meist recht beträchtlich war: 1833 595, 1834 540, 1835 830, 1836 630, 1837 885,
1838 735 und 1839 710 Taler.
38
der im Laufe desselben eingezahlten Gebühren und dem Termine
ihrer Ablieferung an die Generalkaffe, die in der Regel vom vorher-
gehenden Winter-Semester im Mai und im Sommer-Semester im
November erfolgte, Mitteilung zu machen und ihm außerdem spätestens
im November eines jeden Jahres eine Nachweisnng für das abgelaufene
Universitätsjahr vorzulegen.
Der von Willen zur Prüfung eingereichte Entwurf einer Dienst-
anweisung für Pinder wurde vom Minister als „in allen Beziehungen
zweckmäßig" am 18. August 1831 vollzogen. Nach dieser, für ihre Zeit
vortrefflichen „Instruktion für den Aufseher der Uni-
versitäts-Bibliothek zu Berlin"*) find feine Geschäfte
dreifacher Art, sofern sie sich 1. auf die Erwerbung der Bücher, 2. auf
ihre Erhaltung und 3. auf ihre Benutzung beziehen.
Die Erwerbung geschieht teils durch die Übernahme von Pflicht-
exemplaren und Geschenken, teils durch den Ankauf solcher Werke, die
nach der Bestimmung des Oberbibliothekars der Königlichen Bibliothek
anzuschaffen find. Der Aufseher hat sich von sämtlichen in der Provinz
Brandenburg neuerschienenen Büchern Kenntnis zu verschaffen, um
das ihm obliegende Einmahnen der Pflichtexemplare mit Erfolg durch-
führen zu können. Zur Berücksichtigung bei der Vermehrung der Bi-
bliothek ist von ihm ein Verzeichnis der von den Studierenden und Do-
zenten am meisten begehrten Bücher anzufertigen und fortzuführen.
Ferner ist es seine Aufgabe, aus den ihm zukommenden Auktions-
katalogen die für die Universitäts-Bibliothek nötigen Bücher auszu-
zeichnen und, wenn der Oberbibliothekar ihre Erwerbung bewilligt,
nach dessen Rat das Maximum des Preises festzusetzen. Die Entscheidung
darüber, welche Werke durch Ankauf zu erwerben sind, hat nach diesen
Bestimmungen also lediglich der Oberbibliothekar, dem auch die von
dem Aufseher auszufertigenden Empfangsbescheinigungen über Ge-
schenke, Pflichtexemplare und akademische Schriften auswärtiger Uni-
versitäten zur Unterschrift vorgelegt werden sollen.
Der Aufseher ist weiter verpflichtet, alle eingegangenen Bücher
mit Bemerkung sowohl des Tages als der Art und Weise ihrer Erwerbung
unter fortlaufender (also nicht mit jedem Jahre neu beginnender) Nu-
merierung in einen Akzessionskatalog einzutragen, über die dem Buch-
*) Sie ist abgedruckt bei I. F. W. Koch, Die Preußischen Universitäten Bd. 2,
Abt. 2. Berlin 1840. S. 615 f. und im Intelligenz-Blatt zum Serapeum. Jg. 10.
1849. Nr. 18. S. 137—139.
39
Linder zu übergebenden ungebundenen Werke ein kurzes Verzeichnis
mit Angabe des Titels und des Einbandes zu führen und sämtliche der
Bibliothek gehörigen Bücher mit dem Stempel der Anstalt auf der
Rückseite des Titels versehen zu lassen. Über den gesamten Bestand
der Bibliothek ist ein alphabetischer Katalog anzulegen und fortzuführen,
worin durch eine dem vollständigen Titel eines jeden Buches beigesetzte
Nummer auf den Akzessionskatalog, durch eine hinzugefügte Rubrik
aber auf einen der Realkataloge hingewiesen wird. Diese sind nach
Art der in der Königlichen Bibliothek vorhandenen anzufertigen und
fortzuführen und ihre Rubriken: aus der inneren Seite des Hinteren
Banddeckels der Bücher selbst mit Bleistift zu bemerken. Die Bücher
werden in einer dem Realkatalog entsprechenden Ordnung ausgestellt
und durch wiederholte Durchsicht in dieser Ordnung erhalten. *) Die
unter den Pflichtexemplaren befindlichen wertlosen Romane, Kinder-
schriften u. dgl. mehr, die für die Universitäts-Bibliothek durchaus
unnütz sind, sind zu dem Zwecke der Versteigerung besonders zu ver-
zeichnen.
Hinsichtlich der Benutzung der Bibliothek enthält die Instruktion,
da ein Leseraum nicht vorhanden war, nur Bestimmungen über das
Entleihen der Bücher, nicht aber über ihren Gebrauch an Ort und Stelle.
Der Aufseher hat vorläufig und bis der allmählich erweiterte Umfang
der Bibliothek andere Bestimmungen nötig gemacht haben wird, den
Dozenten und Studierenden die von ihnen zum Entleihen in die Wohnung
verlangten Bücher, sofern sie in der Königlichen Bibliothek entweder
verliehen, oder nicht vorhanden sind, oder, vornehmlich wegen des häu-
figen Gebrauchs in den Nachmittagsstunden, nicht entbehrt werden
können, ganz in derselben Weise zu verabfolgen, wie es in der König-
lichen Bibliothek geschieht. Über die verliehenen Bücher ist ein alpha-
betisches Verzeichnis zu führen und für die geordnete Aufbewahrung
der üoit den Entleihern ausgestellten Empfangsscheine sowie für die
richtige Zurücklieferung der entliehenen Bücher und für die Wieder-
einstellung in die gehörigen Fächer zu sorgen.
Das Verhält nisvonWilkenzuRektorundSenat
war, zumal in den ersten Jahren des Bestehens der Universitäts-Bi-
bliothek, nicht frei von gegenseitigen Mißstimmungen. Wilken machte
der Universität mangelndes Interesse für ihre neugegründete Bibliothek
*) Es ist somit die Einrichtung der Göttinger Bibliothek vollkommen über-
nommen. Vgl. Milkau a. a. O. S. 563.
40
zum Vorwurf, gab aber selbst dem Senat zu wiederholten Ausstellungen
Anlaß durch Nichtbeobachtung des von ihm mit den Universitätsbehörden
vereinbarten Geschäftsganges. Der Senat hatte nämlich trotz seiner
zunächst nur sehr geringen Meinung von der Nützlichkeit der Bibliothek
doch gesucht, in ein engeres Verhältnis zu dem Bibliotheksvorstande zu
kommen und sich die dauernde Einsicht in den Gang der Verwaltung
sowie die Berücksichtigung seiner Wünsche zu sichern. Bei den Ver-
handlungen, die der Rektor im Aufträge des Senats darüber mit Wilken
führte, zeigte sich dieser durchaus entgegenkommend. Am 21. April
1831 wurde eine Übereinkunft zwischen Böckh, der das Amt des Rektors
damals zum zweiten Male bekleidete, und dem Oberbibliothekar ge-
troffen und von beiden unterschrieben, wodurch das Verhältnis der
Bibliotheksleitung zu der Universität im Sinne der Universität ge-
regelt wurde. Diese Vereinbarung, die der Senat am 26. April ge-
nehmigte, erfolgte nach den Worten eines späteren. Berichts „in Be-
tracht, daß eine Konkurrenz des Senats bei den Angelegenheiten der
Universitäts-Bibliothek von wesentlicher Wichtigkeit sei, und daß diese
Anstalt ganz als eine Anstalt der Universität betrachtet werden müsse,
welche letztere ja auch die regelmäßigen Einkünfte der Bibliothek durch
ihre Organe bloß von Mitgliedern und von Akten der Universität er-
hebt." Die Abmachungen waren folgende:
Die Berichte der Bibliothek werden dem Minister erstattet, von dem
Bibliothekariat aber zunächst brevi manu dem Senat eingesandt und von
diesem durch das Offizium der Bevollmächtigten an den Minister weiter-
gereicht. Dieses Verfahren wird namentlich beobachtet betreffs des
Jahresberichts, der die Vermehrungen und die Verwaltung der Bi-
bliothek, besonders aber die Berücksichtigung der von den Professoren
gemachten Vorschläge zum Gegenstände hat, und betreffs der Jahres-
rechnung. Die vom Minister in Angelegenheiten der Universitäts-
Bibliothek an das Bibliothekariat ergehenden Reskripte werden von dem
Bibliothekariat ebenfalls dem jedesmaligen Rektor mitgeteilt; gelangen
solche Verfügungen an den Senat, so werden sie von diesem im Original
oder in Abschrift an den Vorstand der Bibliothek befördert. Die Wünsche
und Desiderate des Senats werden dem Vorstand der Bibliothek zur
Berücksichtigung mitgeteilt und im Falle, daß darüber kein Einverständnis
erfolge, dem Ministerium vom Senat zur Entscheidung vorgelegt.
Die Vorbereitungen zur Eröffnung der Bibliothek zogen sich noch
längere Zeit hin. Erst am 27. Juni 1832 konnte Wilken dem Rektor
41
und Senat anzeigen, daß die Einrichtung der Universitäts-Bibliothek
vorläufig, soweit es hätte geschehen können, vollendet worden sei und
daß sie nunnrehr durch die Professoren und Studierenden benutzt werden
könnte. *) Er stellte es dabei dem Senat anheim, deshalb eine Be-
kanntmachung zu erlassen.
Am 29. Juni 1833 verlangte das Ministerium von Wilken nun
einen Bericht darüber, ob die Universitäts-Bibliothek den Professoren
und Studierenden schon zur Benutzung geöffnet worden sei. Infolge der
Mitteilung Willens, daß Rektor und Senat ihm auf die vor einem
Jahre erstattete Anzeige von der Eröffnung der Bibliothek keine Ant-
wort erteilt und auch seines Wissens die von ihm vorgeschlagene Be-
kanntmachung an die Dozenten und Studierenden nicht erlassen habe,
forderte der Minister Rektor und Senat zur Äußerung darüber auf.
Der Senat benutzte die Gelegenheit, um seinen Ansichten über die
Universitäts - Bibliothek, die er schon in dem Berichte vom 10. August
1832 bei Erörterung der finanziellen Verhältnisse der Anstalt so unzwei-
deutig dargelegt hatte, von neuem klaren Ausdruck zu geben. In seiner
Antwort an das Ministerium vom 20. November 1833 heißt es:
„Die von dem Oberbibliothekar dem Senat nach ihrer Stellung
zueinander anheimgegebene Bekanntmachung der Eröffnung der
Universitäts-Bibliothek ist durch eine ausführliche Debatte fim Senats
beseitigt worden, nach welcher sie teils unpassend, teils über-
flüssig schien. Unpassend wurde es wesentlich gefunden, eine
Sammlung von 1668 Bänden, die nach der zufälligen Weise, wie
sie zusammengekommen, zum Teil nicht einmal bedeutende Werke
sein können, den Professoren und Studierenden der hiesigen, mit
Recht auf ihr Ansehn stolzen Universität ... als ihre Universitäts-
Bibliothek anzukündigen ... Jedenfalls war dem Senat klar, daß
eine solche Bekanntmachung nur einen unangenehmer: Eindruck hervor-
bringen konnte; sie mußte also, wenn sie nicht aus wichtigen Gründen
erforderlich war, unterbleiben und einer Zeit vorbehalten werden,
wo sie, rrachdem die Bibliothek würde ansehnlicher geworden sein,
mit größerem Anstand gemacht werden konnte."
*) Zum ersten Male wird die Universitäts-Bibliothek in dem „Amtlichen Ver-
zeichnis des Personals und der Studierenden" der Universität im Sommer-Se-
mester 1832 aufgeführt. Wilken, der als Leiter der Königlichen Bibliothek die Amts-
bezeichnung „Oberbibliothekar" hatte, erscheint hier als „Direktor" der Universitäts-
Bibliothek und behielt diesen Titel auch in der Folgezeit bei.
42
Weit entfernt, daß diese Bekanntmachung erforderlich gewesen
wäre, habe sie sich nach der eigenen dankenswerten Anordnung Willens
— wonach die in der Universitäts-Bibliothek befindlichen Bücher den
Professoren und Studenten, von denen sie in der Königlichen Bibliothek
verlangt würden, verabfolgt werden sollten, auch ohne eine Hinweisung
auf die Universitäts-Bibliothek abzuwarten — auch als ganz überflüssig
herausgestellt.
Sodaun wird das Verhältnis Willens zur Universität behandelt.
Der Senat hätte erwartet, daß der Oberbibliothekar, wenn er eine
Antwort erforderlich fand, selber den Senat daran erinnerte
„und zwar um so mehr, als nach einer bestehenden schriftlichen Über-
einkunft das Universitätsbibliothekariat sich in ein engeres Verhältniß
zu den akademischen Behörden gesetzt hat, vermöge dessen gehofft
werden konnte, dasselbe werde sich zunächst an den Senat wenden...
Diese Übereinkunft ist zwar bis jetzt, auch nachdem bereits am 14. Juli
1831 daran erinnert worden, nicht ins Leben getreten; jedoch über-
läßt sich der Senat der Hoffnung, daß der Oberbibliothekar für die
Zukunft durch Berücksichtigung derselben das Band zwischen dem
Senat und der Universitäts-Bibliothek befestigen und den Senat in
den Stand setzen werde, seine Theilnahme an dieser Anstalt fort-
während zu bethätigen."
Von dieser Zeit an übersandte Willen denn auch seine Berichte
jedesmal zunächst denr Senat, der sie nach Kenntnisnahme an den
Minister weitergab. Regelmäßige Jahresberichte wurden in den nächsten
Jahren aber noch nicht erstattet. Aus das am 9. April 1834 ausgesprochene
Ersuchen des Senats, ihm am Ende eines jeden Jahres die für die Uni-
versitäts-Bibliothek angekauften Werke namhaft zu machen, legte Willen
in den beiden nächsten Jahren eine Übersicht der Erwerbungen vor,
ließ dann aber, da der Druck eines den gesamten Bestand umfassenden
Katalogs vorbereitet wurde, eine mehrjährige Pause eintreten. Der
Senat ersuchte deshalb am 30. November 1838 nochmals um jährliche
Mitteilung des Zuganges.
Hinsichtlich der Benutzung galten für die Universitäts-Bibliothek,
solange sie im Gebäude der Königlichen Bibliothek untergebracht war,
die gleichen Bestimmungen wie für diese. Die Ausgabe von Büchern
erfolgte auf Grund der tags zuvor eingereichten Bestellungen nur an
zwei Tagen der Woche (Dienstag und Freitag) und zwar, wie schon
43
erwähnt ist, in der Art, daß die vorhandenen Werke — auch ohne eine
Hinweisung der Besteller auf die Universitäts-Bibliothek — zur Aus-
hilfe bei der Erledigung der von den Professoren und den Studierenden
an die Königliche Bibliothek gerichteten Wünsche verwandt wurden.
Eine direkte Inanspruchnahme der Bibliothek durch die Studenten
fand in den ersten Jahren überhaupt noch nicht statt, da das ihnen von
den Professoren erteilte Kavet sich nur auf die Königliche Bibliothek
bezog. Erst im Oktober 1834 beschäftigte sich der Senat auf Anregung
Pinders mit der Bürgschaftsleistung auch für die Universitäts-Bibliothek
und beschloß, daß die den Studenten von den Universitätslehrern zur
Benutzung der Königlichen Bibliothek ausgestellte Bürgschaft fortan
sich auch jedesmal auf die Universitäts-Bibliothek erstrecken solle. Die
Benutzung der Bibliothek blieb lange Zeit recht gering: nach einem
Bericht Willens vom Januar 1835 betrug die Zahl der Bücher, die an
jedem der für das Ausleihen bestimmten Tage ausgegeben wurden,
20 bis 30.
Die Vermehrung durch Ankäufe aus eigenen
Mitteln konnte bei dem geringen Fonds, aus dem auch noch die
Remuneration für Pinder, die Buchbinderkosten und die sonstigen säch-
lichen Ausgaben zu bestreiten waren, selbstverständlich nur unbedeutend
sein. Da die in Aussicht gestellten Anschaffungsvorschläge der Fakul-
täten in den ersten Jahren nicht eingingen und auch nur sehr vereinzelt
von den Professoren Wünsche für ihre Zuhörer geäußert wurden,
dienten bei den Ankäufen als Grundlage lediglich die Erfahrungen,
die im Laufe der Jahre auf der Königlichen Bibliothek mit den literari-
schen Bedürfnissen der Studierenden gemacht worden waren. Sobald
der Gedanke an die Errichtung einer besonderen Universitäts-Bibliothek
aufgetaucht war, hatte Willen, um mit den Bedürfnissen der Stu-
dierenden bekannt zu bleiben, die Kustoden der Königlichen Bibliothek
veranlaßt, die von den Studenten am häufigsten begehrten Bücher zu
notieren und ihm die Verzeichnisse von Zeit zu Zeit vorzulegen. Nach
diesen Listen wurden dann hauptsächlich Hand- und Lehrbücher der ver-
schiedenen Wissenschaften, größere Nachschlagewerke und die wichtigsten
Handausgaben der gebrauchteren Kirchenväter und klassischen Autoren
angeschafft.
Infolge der Beschwerden des Oberbibliothekars über die geringe
Teilnahme der Dozenten an der Entwicklung der Universitäts-Bibliothek
wurden einem Senatsbeschlusse gemäß von 1833 an die Professoren
44
regelmäßig am Ende des Jahres durch die Dekane zu Vorschlägen für
die Anschaffungen aufgefordert. Diese jährlichen Umfragen blieben
nicht ohne Erfolg: wiederholt reichten die Fakultäten Desideraten-
listen und zwar zum Teil von erheblichem Umfange ein, deren Berück-
sichtigung der Bibliotheksverwaltnng bei den beschränkten Mitteln
freilich nicht immer sofort und in dem gewünschten Maße möglich war.
Der Ankauf der Bücher geschah entweder bei den regelmäßigen
Lieferanten der Bibliothek *) oder auf Auktionen. Von den Auktionen
seien erwähnt die Jacobische in Halle (1831), wo für 97 Taler etwa
50 Bände — besonders Ausgaben von Kirchenvätern und klassischen
Schriftstellern — erstanden wurden und die zu Berlin (1835) ab-
gehaltene Versteigerung der Bücher des Konsistorialrates K. D. Ilgen,
auf der die Bibliothek rund 100 Bünde aus der Theologie uud klassischen
Philologie zum Preise von 175 Talern erwarb.
Wenn nun die Bibliothek trotz der ungünstigen finanziellen Ver-
hältnisse über Erwarten schnell wuchs, so verdankte sie das den Ge-
schenken einheimischer und auswärtiger Behörden und Privatpersonen,
den Dubletten der Königlichen Bibliothek, den Pflichtexemplaren und
den im akademischen Tauschverkehr gelieferten Schriften.
In erster Linie wandte das vorgesetzte Ministerium unausgesetzt
der Anstalt seine Fürsorge zu. So überwies es ihr nicht nur nach und
nach eine bedeutende Anzahl amtlicher Veröffentlichungen oder aus
Zentralfonds angeschaffter Werke, die zum Teil sehr wertvoll waren **),
sondern erwirkte für sie (worauf noch im folgenden näher einzugehen
sein wird) auch den Ankauf ganzer Bibliotheken.
Bei der Bedeutung, die Berlin als Verlagsort schon in den dreißiger
Jahren des vorigen Jahrhunderts hatte,***) waren die Pflichtexemplare
von besonderer Wichtigkeit für die Entwicklung der Bibliothek. Aller-
*) Die Hauptlieferanten waren in der ersten Zeit G. Fincke und G. Sichler
und seit 1837 Sichlers Nachfolger Wilhelm Besser. Daneben erhielten Aufträge
A. Asher, Dümmler, Duncker und Humblot (seit 1837 Alexander Duncker), Georg
Reimer u. a.
**) Z. B. die Heidelbergischen Jahrbücher der Literatur, die Publikationen des
archäologischen Instituts zu Rom, das Corpus Reformatorum ed. Bretschneider,
Freytags Lexicon Arabico-Latinum und für die Zwecke des theologischen Seminars
fünfzehn Exemplars der Werke des Origenes von Delarue-Lommatzsch.
***) Die in der Provinz Brandenburg gedruckten Werke machten nach einer
Berechnung Pinders vom Jahre 1840 meist gegen die Hälfte, mindestens immer
weit über ein Drittel der überhaupt im preußischen Staate erschienenen Bücher aus.
45
dings konnte ihre Einziehung bei der Überlastung Pinders trotz der
Hilfe, die ihm der Sekretär der Königlichen Bibliothek Kießling leistete,*)
nicht immer mit dem erforderlichen Nachdruck betrieben werden, so daß
manches damals in Berlin erschienene Werk auf der Bibliothek nicht
zu finden ist.
Unter den Geschenken von Privatpersonen nahmen die Zuwen-
dungen der Berliner Universitätsprofessoren eine nur bescheidene Stelle
ein.**) Am 9. Mürz 1835 wiederholte deshalb das Ministerium den
gleich nach der Gründung der Bibliothek ausgesprochenen Wunsch, daß
der Senat die Professoren und Privatdozenten zur unentgeltlichen
Abgabe eines Exemplars der von ihnen verfaßten oder herausgegebenen
Schriften veranlassen möchte. Es war der Wunsch des Ministeriums,
daß die Universitäts-Bibliothek eine vollständige Sammlung aller
Schriften enthalte, die vmr den Dozenten der Universität seit ihrer
Gründung veröffentlicht waren, und daß die Sammlung auch in Zu-
kunft durch freiwillige Beiträge der Universitätslehrer vermehrt würde.
Bon den auf diese Weise an die Bibliothek abgegebenen Büchern sollte
ein besonderes Verzeichnis angelegt werden, das später einen nicht
unerheblichen Beitrag zur Geschichte der Universität liefern könnte. Es
ist zu bedauern, daß die Sammlung dieser Schriften nicht über die An-
fänge hinauskam, da auch die erneuerte Aufforderung an die Dozenten
ohne nennenswerten Erfolg blieb.
Die bei der Universität durch den „akademischen Tauschverein" ein-
gegangenen in- und ausländischen Universitätsschristen sowie die
— allerdings oft nur unvollständig — eingesandten Schulschriften der
preußischen Gymnasien wurden der Universitäts-Bibliothek seit ihrer
Gründung regelmäßig überwiesen. Die Abgabe der Berliner
Universitätsschriften erfolgte aber erst vom Sommer-Semester 1832
an infolge einer nachdrücklichen Vorstellung Willens beim Senat. Aus
*) Kießling besorgte die Sekretariatsgeschäfte für die Universitäts-Bibliothek
seit 1831 unentgeltlich. Die Botengeschäfte verrichtete der Bibliotheksdiener Bennecke,
gleichfalls seit der Errichtung der Bibliothek ohne eine Entschädigung dafür zu erhalten.
**) Erheblichere Geschenke eigener oder fremder Werke überwiesen in den dreißiger
Jahren nur die Professoren Lachmann, der eine größere Anzahl philologischer Werke
stiftete, Osann, Froriep, Twesten und Heinr. Ritter. Ferner schenkte die Land-
rätin Hufeland eine Reihe chemischer und technologischer Werke ihres Baters,
des Professors Hermbstädt (1 1833), die als seine Handexemplare gedient hatten
und von ihm mit vielen handschriftlichen Bemerkungen versehen worden waren; sie
befinden sich seit 1893 in der Handschriften-Abteilung der Königlichen Bibliothek.
46
Mangel an verfügbaren Exemplaren fand eine Nachlieferung der vor
1832 erschienenen Schriften nicht statt und da viele dieser Abhandlungen
auch später trotz wiederholten Versuchen anderweitig nicht zu beschaffen
waren, weist die sonst so sorgfältig ausgebaute Sammlung von Uni-
versitätsschriften auf unserer Bibliothek auch heute noch gerade bei den
(Schriften der eigenen Universität in den beiden ersten Jahrzehnten
empfindliche Lücken auf und steht für diese Zeit an Vollständigkeit weit
hinter den Beständen der Königlichen Bibliothek zurück.
Auf den Antrag des Oberbibliothekars erließ der Minister am
9. Juni 1838 neue Bestimmungerr über die Einsendung der in Preußerr
erschienener: Schul- und Universitätsschriften für die Königliche Biblio-
thek und ordnete auf Wilkens Wunsch auch zugleich die regelmäßige
Abgabe eines Exemplars dieser Schriften an die Berliner Universitäts-
Bibliothek an. Die durch ältere Verfügungen den Provinzial-Schul-
kollegien und den Universitäten auferlegte Einsendung von zwei Exem-
plaren der Schulschriften, Programme, Dissertationen urrd Gelegen-
heitsschriften an die Körrigliche Bibliothek war zwar im allgemeiner:
regelmäßig geschehen, doch wurde es von der Bibliotheksverwaltung
als ein Übelstand empfnnderr, daß sich die Vollständigkeit der Sendungen
nicht kontrollieren ließ. Zur Beseitigurrg dieses Mangels urrd zur Ver-
einfachung des Geschäftsgarrges beauftragte der Minister die Provin-
zial-Schulkollegien, vom Jahre 1838 einschließlich an für die Körrigliche
Bibliothek zwei Exemplare und für die Universitäts-Bibliothek in Berlin
eirr Exemplar der Schulschrifterr einzusenden urrd diese drei Exemplare
den Exemplaren der Schulschriften beizufügen, die regelmäßig jährlich
arr das Ministerium zur Verteilung einzuliefern waren. Ferrrer wurde,:
die Universitäten angewiesen, alljährlich der Königlichen Bibliothek
zwei Exemplare und auch der Universitäts-Bibliothek ein Exemplar
aller Universitätsschriften direkt zu übersenden und jeder Sendung ein
Verzeichnis beizulegen, unter dem der betreffende Regierungs-Bevoll-
mächtigte oder dessen Stellvertreter zu bescheinigen hatte, daß im
Laufe des Jahres nicht mehr als die übersandten Schriften erschienen
wären. *)
Die Universitäts- und Schulschriften wurden von der Gründung der
Bibliothek bis in den Anfang der 1840er Jahre hinein in Sammelbünden
*) Die beiden Verfügungen sind abgedruckt bei I. F. W. Koch, Die Preußischen
Universitäten. Bd. 2, Abt. 2. Berlin 1840. S. 616 f.
47
vereinigt, die Dissertationen nach Universitäten und die Programme
nach Provinzen geordnet.*)
Durch die Einverleibung ganzer Büchersammlungen oder erheb-
licher Teile solcher erhielt die Universitäts-Bibliothek schon in dem ersten
Abschnitt ihrer Entwicklung wertvolle Bereicherungen. Die erste der-
artige Erwerbung bestand aus einer Reihe älterer Werke theologischen,
juristischen und historischen Inhalts, die im Mai 1832 aus der vom
Herzog Christian zu Sachsen-Weißenfels gesammelten Bibliothek
der ehemaligen Schloßkapelle in Sangerhausen
überwiesen wurden. Der Minister hatte im Februar 1831 auf könig-
lichen Befehl dem Oberbibliothekar den von dem Sangerhüuser Superin-
tendenten Johann Gottfried Olearius im Jahre 1730 angelegten,
übrigens sehr mangelhaften Katalog dieser Sammlung übersandt mit
dem Auftrage, daraus die für die Königliche Bibliothek und die „zu
errichtende Universitäts-Bibliothek" wünschenswerten Werke auszu-
wählen. Nachdem Wilken eine Auswahl für beide Bibliotheken getroffen
hatte, wurde ihm am 6. Juni 1831 der weitere Befehl erteilt, sich selbst
nach Sangerhausen zu begeben, um an Ort und Stelle zu entscheiden,
welche Bücher zur Überführung nach Berlin geeignet seien. In Sanger-
hausen, wohin ihn mit ministerieller Genehmigung der Bibliotheks-
sekretär Kießling begleitet hatte, mußte Wilken einen beträchtlichen Teil
der in einem äußerst ungeeigneten Raume aufbewahrten Sammlung,
der bereits vermodert oder von Mäusen zerfressen war, sofort aus-
scheiden; der der Zerstörung entgangene Rest enthielt aber noch eine
große Anzahl wertvoller und zum Teil seltener Werke in meist sehr
schönen Exemplaren. Das Ministerium wünschte nun aus der Sänger-
häuser Bibliothek auch der Universitäts-Bibliothek zu Halle eine Zu-
wendung zu machen und forderte deshalb Wilken nach seiner Rückkehr
zur Anzeige auf, ob die nach der Auswahl für die Königliche Bibliothek
und die Berliner Universitäts-Bibliothek noch verfügbaren Bücher zur
Überweisung nach Halle wertvoll genug wären. Wilken hatte indes
nicht nur die in Berlin noch fehlenden, sondern auch alle übrigen brauch-
baren Werke, soweit sie gut erhalten waren, ausgesucht, so daß nur
noch uui)e£)eutertbe Gebetbücher und andere asketische Schriften und
*) In den dann folgenden Jahrzehnten unterblieb aus Mangel an Mitteln
das Einbinden der Universitäts- und Schulschriften vollständig und wurde erst,
nachdem der Direktor Erman die Leitung der Bibliothek übernommen hatte, mit
Hilfe eines vom Ministerium bewilligten außerordentlichen Zuschusses nachgeholt.
48
die wegen ihrer schlechten Beschaffenheit ausgeschiedenen Bücher übrig
waren. Er beantragte deshalb, der Königlichen Bibliothek die ihr noch
fehlenden Bücher einzuverleiben, bei den schon vorhandenen die besseren
und vollständigen Sangerhäuser Exemplare gegen die minder guten
Berliner einzutauschen und ein Verzeichnis aller der Königlichen Bi-
bliothek entbehrlichen Werke der Universitäts-Bibliothek in Halle zur
Auswahl zu übersenden; denn da von den meisten Büchern dieser Er-
werbung ein Exemplar in Berlin genüge, scheine es allerdings billig
zu sein, das Bedürfnis der Hallischen Universitäts-Bibliothek zu berück-
sichtigen und der neu errichteten Berliner Universitäts-Bibliothek nur
diejenigen Bücher zuzuweisen, die bereits in Halle vorhanden seien.
Nach Genehmigung dieses Antrages wurden die von dem Oberbiblio-
thekar Professor Voigtel in Halle ausgewählten Bücher dorthin gesandt
und die dann noch verbliebenen Werke —166 Bände — durch Ministerial-
Verfügung vom 4. Mai 1832 der Berliner Universitäts-Bibliothek
überwiesen.*)
Einen erheblich größeren und ihrem Zwecke auch vorzüglich ent-
sprechenden Zuwachs erhielt die Bibliothek im Anfang des Jahres 1833
durch den Ankauf der Büchersammlung, die der am 20. Mai 1831 ver-
storbene Professor und Geheime Justizrat Dr. Theodor Anton Heinrich
Schmalz hinterlassen hatte.**) Die SchmalzischeBibliothek,
die 903 Werke in ungefähr 1200 Bänden zählte, wies freilich nur sehr
wenige größere und wertvollere Werke auf, bot aber eine treffliche
Auswahl aus der in den letzten 30 bis 40 Jahren erschienenen gang-
baren juristischen und staatswissenschaftlichen Literatur und enthielt
auch aus anderen Wissensgebieten, besonders der Philosophie, Geschichte
und Statistik, eine beträchtliche Anzahl nützlicher Schriften. Durch ihre
Erwerbung wurden mehrere Hauptabteilungen des juristischen Faches,
namentlich das Natur- und Völkerrecht, das römische Recht, das deutsche
Staatsrecht und das deutsche Privatrecht sowie die Abteilung Politik
eigentlich erst geschaffen; jetzt erst verfügte die Bibliothek über die
*) Die Königliche Bibliothek erhielt aus Sangerhausen 930 Bände, unter
denen sich sehr viele Sammelbände befanden.
**) Schmalz, durch königliches Vertrauen zunr ersten Rektor der mit auf seine
Anregung gegründeten Berliner ltniversität ernannt, hatte bis zu seinem Tode der
juristischen Fakultät als Ordinarius angehört. Er ist hauptsächlich bekannt geworden
durch die heftige literarische Fehde, die sich an seine Verdächtigungen des Tugend-
bundes knüpfte.
49
meisten der Bücher, die von den Studierenden der Jurisprudenz am
häufigsten verlangt wurden.
Schon im Juli 1831 hatte der Professor Jarcke im Auftrage der
Familie Schmalz dem Oberbibliothekar ein Verzeichnis der Bücher
übergeben mit der Bitte, beim Ministerium auf den Ankauf im ganzen
für eine staatliche Lehranstalt anzutragen. Da die Erwerbung für die
Königliche Bibliothek, in der nur sehr wenige der angebotenen Werke
fehlten, nicht in Betracht kam, empfahl Wilken mit Nachdruck, die Samm-
lung für die Universitäts-Bibliothek zu gewinnen, wo sie eine sehr
wünschenswerte Grundlage der juristischen Abteilung bilden wtirde.
Den verlangten Preis von 700 Talern erklärte er zwar für keineswegs
übertrieben, hielt feine Ermäßigung auf 500 Taler aber für angemessen,
da die meisten der bändereichen Werke unvollständig wären und etwa
zwei Drittel der Bücher nur Pappbände von geringer Haltbarkeit hätten.
Aus Mangel an geeigneten Fonds sah sich das Ministerium damals aber
außerstande, dem Antrage Wilkens zu entsprechen.
Am Ende des Jahres 1832 richtete dann der Senat der Universität,
indem er der Bitte der Geheimrätin Schmalz um Befürwortung nach-
kam, an das Ministerium das Gesuch, beim Könige die außerordentliche
Bewilligung der Kaufsumme zu beantragen. Er berief sich dabei auf
das einstimmig abgegebene Gutachten der juristischen Fakultät, das den
Ankauf zum Besten der Universitäts-Bibliothek für unbedingt wünschens-
wert erklärt hatte. Da auch der Oberbibliothekar, vom Ministerium
infolge einer Immediateingabe der Geheimrätin Schmalz zu einem
weiteren Gutachten über den Kaufpreis aufgefordert, feine vorjährigen
Erklärungen wiederholte, erbat nun der Minister vom Könige die Ge-
nehmigung des Ankaufs zu dem von der Besitzerin geforderten Preise
und die Bewilligung der Kauffumme aus der General-Staatskaffe.
Friedrich Wilhelm III. erteilte hierauf durch Kabinettsorder vom 11.
Januar 1833 feine Genehmigung unter der Bedingung, daß die Witwe
Schmalz mit der die Abschätzung Wilkens um 100 Taler übersteigenden
Summe von 600 Talern zufrieden wäre. Nachdem diese sich am 25.
Januar damit einverstanden erklärt und bald darauf die Sammlung
an die Bibliothek abgeliefert hatte, erhielt Wilken am 25. März auf
seinen Antrag vom Ministerium die Erlaubnis, zur Unterstützung Pinders
bei der Ordnung und Katalogisierung der Bücher eine dazu geeignete
Hilfskraft anzunehmen. Diese fand sich in der Person des in der juristischen
Friese, Univ.-Bibl. Berlin. 4
50
Literatur bewanderten Berliner Privatgelehrten Schmidt *), der die
Eintragung in den alphabetischen Katalog bis zum Anfang des Juli zur
Zufriedenheit beendigte und dafür eine Remuneration von 25 Talern
aus dem Fonds der Bibliothek erhielt.
Die Bemühungen der Universität, auch die Bibliothek
S ch l e i e r m a ch e r's für die Universitäts-Bibliothek zu gewinnen,
führten leider nicht zum Ziele. Die aus 3565 Bünden bestehende Samm-
lung war sowohl in der Theologie als auch in der Philologie und Philo-
sophie ausgezeichnet und würde für diese Fächer eine noch bessere Grund-
lage abgegeben haben, als es für die Jurisprudenz mit der Schmalzischen
Bibliothek der Fall gewesen war. Da das Ministerium über die Mittel
zum Ankauf der Bibliothek, deren Geldwert auf mindestens 3000 Taler
angeschlagen wurde, nicht verfügte, gab es nach längeren Verhandlungen
mit dem Senat der theologischen Fakultät anheim, sich deswegen mit
einer Jmmediatvorstellung an den König zu wenden. Das infolgedessen
von der Fakultät am 5. April 1835 eingereichte Immediatgesuch fand
aber keine Berücksichtigung.
Im Februar 1835 erhielt die Bibliothek 115 Werke in etwa 160
Bänden aus der Büchersammlung des Zisterzienser-
k l o st e r s N e u z e l l e bei Guben in der Niederlausitz, das im Jahre
1817 nach fast 600jährigem Bestehen aufgehoben worden war.
Die Stünde des Markgraftums Niederlausitz hatten die Über-
lassung einer Anzahl geschichtlicher Werke aus der noch in Neuzelle
befindlichen Klosterbibliothek für ihre im Jahre 1810 zu Lübben ge-
gründete Bibliothek nachgesucht. In Ausführung der deswegen am
24. Mai 1833 ergangenen Kabinettsorder wurde das Verzeichnis der
von den Stünden gewünschten Bücher vom Ministerium zunächst der
Königlichen Bibliothek zur Auswahl des für sie etwa davon Brauchbaren
übersandt. Die von der Königlichen Bibliothek bezeichneten Werke
wurden ihr darauf unentgeltlich überwiesen, wie auch die Verabfolgung
des Restes an die Stände ohne Entschädigung geschah. Bei dieser Ge-
legenheit hatte Wilken den Katalog der Stiftsbibliothek zur Einsicht
erhalten und daraus sowohl die Werke ausgezogen, die die Königliche
Bibliothek noch nicht besaß, als auch die, deren Besitz ihm für die Uni-
versitäts-Bibliothek wichtig und nützlich erschien. In der sicheren Vor-
aussetzung, daß die Abgabe wiederum unentgeltlich erfolgen würde,
:) Näheres über ihn hat sich nicht feststellen lassen.
51
beantragte er am 2. Mai 1834 beim Ministerium die Überweisung der
von ihm für beide Anstalten ausgewählten Bücher. Dieser Antrag
wurde am 4. August 1834 genehmigt und der Kustos der Königlichen
Bibliothek I. Sybel nach Neuzelle geschickt, um die Werke in Empfang
zu nehmen und ihre Beförderung nach Berlin in die Wege zu leiten.
Allein kaum waren (Ende Januar 1835) die Bücher in Berlin einge-
troffen, so machte die Regierung zu Frankfurt an der Oder beim Minister
für ihre Abgabe Ansprüche auf eine Entschädigung geltend, da das Kloster
bei feiner Aufhebung in eine milde Stiftung umgewandelt worden sei
und die Bibliothek einen Teil des Stiftsvermögens ausmache. Das
Ministerium forderte deshalb Wilkeu am 26. März 1835 auf, die über-
lassenen Bücher zu taxieren, den Betrag des Taxwertes anzuzeigen
und sich zugleich gutachtlich zu äußern, ob und wie weit die Königliche
Bibliothek imstande fein würde, Entschädigung in bar oder durch Über-
weisung von Dubletten zu gewähren. Wie der Oberbibliothekar
darauf berichtete, betrug die Zahl der aus Neuzelle nach Berlin gesandten
Werke mit Einschluß einer Handschrift überhaupt 169 und ihr Wert
nach einer in der Königlichen Bibliothek mit jedem einzelnen Buche
vorgenommenen angemessenen Abschätzung zusammen 239 Taler und
11 Sgr. Die Königliche Bibliothek erhielt hiervon die Handschrift und
63 Werke, die auf 56 Taler 16 Sgr. abgeschätzt wurden, die Universitäts-
Bibliothek aber 115 Werke, deren Wert auf 182 Taler 25 Sgr. angegeben
wurde. Hinsichtlich der der Universitäts-Bibliothek einverleibten Bücher
hob Wilken besonders hervor, daß sie zwar zum größeren Teile wertvoll
seien, gleichwohl aber nicht eigentlichen Bedürfnissen dieser Anstalt
abhülfen und es daher nicht zweckmäßig sein würde, von den
geringen Geldmitteln der Bibliothek einen so beträchtlichen Teil auf
jene vorerst im allgemeinen noch entbehrliche Erwerbung zu verwenden
und dadurch die Befriedigung dringenderer Bedürfnisse zu beeinträchtigen.
Das Ministerium, das den von der Frankfurter Regierung angeführten
Grund für eine Schadloshaltung der Neuzeller Stiftung als berechtigt
anerkannte, ordnete nun aber, da eine Vergütung durch Dubletten
der Königlichen Bibliothek in Frankfurt abgelehnt wurde, am 29. Ok-
tober 1835 die volle Bezahlung der von Wilken angegebenen Beträge
aus den Fonds der Königlichen Bibliothek und der Universitäts-Bi-
bliothek am Zu der aus den Mitteln der Universitäts-Bibliothek zu
erstattenden Summe wurde nach Wilkens Antrage noch der für die
Verpackung und den Transport der Bücher nach Berlin verausgabte
4*
52
Betrag tio:: 15 Talern 26 Sgr. hinzugerechnet, da die Königliche Bi-
bliothek, der doch der bei weiten: geringere Teil der Bücher zugefallen
war, die Kosten der Reise Sybels in Höhe von 30 Talern allein ge-
tragen hatte.
Von dieser für die Universitäts-Bibliothek wenig erfreulichen
Sachlage setzte der Oberbibliothekar an: 16. November 1835 Rektor
und Senat in Kenntnis mit den: Anheimstellen, bei den: Ministerinn:
die Überweisung der beiden, zusammen 198 Taler 21 Sgr. betragenden
Summen auf einen anderen Fonds zu beantragen. Der Senat erhob
darauf mit dem Ausdruck des Bedauerns, von der Neuzeller Erwerbung
bisher gar keine Notiz erhalten zu haben, beim Minister Einspruch
dagegen, daß aus den sehr beschränkten Mitteln der Universitäts-
Bibliothek ein so erheblicher Betrag für meist entbehrliche Bücher gezahlt
würde, während für die einzelnen Lehrfächer noch die wichtigsten Werke
fehlten. Er stellte deshalb den Antrag, die Summe auf einen anderen
Fonds anweisen zu lassen oder, wenn dies nicht zulässig sein sollte, die
Rücksendung der Bücher nach Frankfurt anzuordnen. Der Minister
teilte Wilken diesen Widerspruch zur gutachtlichen Berichterstattung
mit, wobei er ihm eröffnete, daß es ebensowenig tunlich sei, die auf
den Fonds der Universitäts-Bibliothek angewiesenen Kosten auf einen
anderen Fonds zu übernehmen als die Bücher wieder zurückzusenden.
Sollten die Werke für die Universitäts-Bibliothek wirklich entbehrlich
sein, wie Rektor und Senat behaupte, und auch für die Königliche
Bibliothek sich nicht eignen, so scheine kein anderer Ausweg übrig zu
bleiben, als sie öffentlich zum Besten der Universitäts-Bibliothek ver-
steigern zu lassen. Wilken wies in seiner Antwort darauf hin, daß,
wenn auch die Anschaffung der Bücher nicht gerade ein dringendes
Bedürfnis gewesen wäre, sich doch darunter eine bedeutende Anzahl
von wichtigen Werken befände, die in der Königlichen Bibliothek häufig
gefordert würden und deren Besitz deshalb für die Universitäts-Bibliothek
zur Aushilfe sehr wünschenswert sei, z. B. die guten Ausgaben der Werke
des Johami68 Damascenus, S. Hilarius, S. Agobardus, Petrus Blesensis
und S. Bernardus, ferner Bona res liturgicae, Gibert corpus juris
canonici, Mabillon annales ordinis 8. Benedicti, Buxtorfii lexicon
chaldaicum talmudicum et rabbinicum und andere von gleichen:
Werte. Erhalte es deshalb um so weniger für zweckmäßig, sich des Be-
sitzes dieser Werke wieder zu entäußern, als die dafür bestimmten Preise,
da die Schätzung dem Bibliotheksvorstande überlassen gewesen, keines-
53
Wegs die Höhe der auf Auktionen geforderten Preise erreichten. Das
Ministerium erklärte sich nun unter Mitteilung des Wilkenschen Berichtes
Rektor und Senat gegenüber bereit, den Verkauf der Bücher zu ver-
fügen, wenn Rektor und Senat die Anficht habe, daß diese Maßregel
im Interesse der Universität liege. Bei der Ungewißheit des Ertrags
einer Versteigerung ließ der Senat nunmehr seinen Einspruch gegen
die Erwerbung fallen, beantragte aber am 14. März 1836, daß er künftig,
wenn die Überweisung einer Büchersammlung in Aussicht genommen
sei, davon in Kenntnis gesetzt würde, um prüfen zu können, ob die zu
überweisenden Bücher auch dem Bedürfnisse der Universitäts-Bibliothek
entsprächen. Der Minister verfügte darauf am 29. März, daß in der
Folge bei der Einverleibung von Büchersammlungen, deren Erwerbung
Kosten verursache, der Oberbibliothekar nach dem Antrage von Rektor
und Senat zu verfahren hätte.
Einen zwar nicht sehr umfangreichen, aber durchweg aus wert-
vollen, zum Teil seltenen Werken bestehenden Zuwachs erhielt die Uni-
versitäts-Bibliothek sodann aus dem Vermächtnis Wilhelms
v o n H u m b o l d t. In seinem am 26. Januar 1832 zu Tegel er-
richteten Testamente hatte Humboldt bestimmt, daß seine Manuskripte
und alle in seiner Büchersammlung befindlichen Werke, die sich auf
Sprachkunde bezögen, nach seinem Tode in den Besitz der Königlichen
Bibliothek übergehen sollten. Wie Alexander von Humboldt bei der an:
27. Juni 1835 erfolgten Übergabe des Legats dem Oberbibliothekar
mitteilte, war es nun der Wunsch der Familie des Testators, daß keines
der Bücher, die durch dieses Vermächtnis an die Königliche Bibliothek
gelangten, aus Berlin entfernt oder veräußert, vielmehr die Universitäts-
Bibliothek durch diejenigen Bücher, wovon die Königliche Bibliothek
bereits Exemplare besäße, bereichert würde. Als selbstverständlich wurde
es dabei bezeichnet, daß der Königlichen Bibliothek die besseren Exemplare
zu verbleiben hätten. Wilken beantragte deshalb beim Ministerium,
ihn zur Erfüllung dieses Wunsches zu bevollmächtigen, wobei er die
Wichtigkeit betonte, so seltene Werke in doppelten Exemplaren in Berlin
zu besitzen, und darauf hinwies, daß ein Teil der vermachten Bücher,
insbesondere die Wörterbücher und Grammatiken der asiatischen Sprachen,
den Zwecken der neugestifteten Universitäts-Bibliothek unmittelbar
entspräche. Nachdem der Antrag Wilkens am 4. August 1835 genehmigt
worden war, erfolgte die Übergabe von 239 vorzüglich sprachwissen-
schaftlichen Werken an die Universitäts-Bibliothek. Um die Erinnerung
54
an dieses bedeutende Geschenk wachzuhalten, wurden sowohl die auf
der Königlichen Bibliothek verbliebenen wie die an die Universitäts-
Bibliothek abgegebenen Humboldtschen Bücher durch eingeklebte Zettel
mit der gedruckten Inschrift „Ex libris a Guilelmo L. B. de Humboldt
legatis“ kenntlich gemacht.
Wie aus dem Humboldtschen Legat so wurden in demselben Jahre
auch aus der Büchersammlung, die der in Berlin am 2. November 1834
verstorbene preußische Finanzminister Karl Georg Maaßen*) der
Königlichen Bibliothek vermacht hatte, die dort schon vorhandenen
Schriften der Universitäts-Bibliothek als Geschenk übergeben. Der so
gewonnene Zuwachs bestand aus 73 Werken juristischen, staatswissen-
schaftlichen und historischen Inhalts, unter denen eine Anzahl von
Quellenwerken, namentlich zur deutschen Geschichte, als Hilfsmittel für
das Studium besonders willkommen war.
Ebenso wie die juristische Abteilung der Bibliothek im Jahre 1833
durch die Schmalzischen Bücher eine gute Grundlage erhalten hatte,
wurden im Anfange des Jahres 1836 die bis dahin noch sehr dürftig
ausgestatteten Fächer der Medizin und der Naturwissenschaften vervoll-
kommnet und für das Studium erst brauchbar gemacht durch die Zu-
weisung eines beträchtlichen Teiles der Dubletten, die in der Königlichen
Bibliothek infolge des Ankaufs der Rudolphischen Bücher-
s a m m l u n g entstanden waren. Der Geheime Medizinalrat und
Professor Karl Asmund Rudolphi, der an der Berliner Universität
22 Jahre hindurch mit großem Erfolge als Lehrer der Anatomie und
Physiologie tätig gewesen war, hatte bei seinem am 29. November 1832
erfolgten Tode außer einer bedeutenden Entozoensammlung und einer
Sammlung von Medaillen auf berühmte Gelehrte eine mit unermüd-
licher Sorgfalt und großen Kosten zusammengebrachte Bibliothek hinter-
lassen, die aus mehr als 14 OOO Bünden und aus einigen tausend Disser-
tationen bestand. **) Diese bei den Zeitgenossen berühmte, viele Selten-
heiten umfassende Bibliothek zeichnete sich durch Vollständigkeit aus
auf dem Gebiete der Anatomie und Physiologie und durch Reichhaltig-
keit in den übrigen medizinischen Disziplinen und in der Zoologie und
wies auch eine große Zahl wichtiger und kostbarer Werke in den Fächern
*) Vgl. über ihn Allgemeine Deutsche Biographie Bd. 20. Leipzig 1884. S. 2—4.
**) Nach einer Mitteilung seines Sohnes, des Or. Karl Eduard Rudolphi, an
den Minister von Altenstein hatte Rudolphi bereits im Jahre 1825 auf seine Bi-
bliothek 18 000 Taler verwandt.
55
der Botanik, der Mineralogie, der Reisebeschreibungen und der neueren
Münzkunde auf. Nachdem König Friedrich Wilhelm III. durch Kabinetts-
order vom 17. November 1833 den Ankauf der Rudolphischen Samm-
lungen für die Summe von 25 000 Talern genehmigt hatte, wurde die
Büchersammlung der Königlichen Bibliothek überwiesen mit der Be-
stimmung, daß alle die Werke, die sich noch nicht in ihrem Besitze be-
fänden, mit ihr vereinigt würden. Von den sich ergebenden Dubletten
sollte der Teil, der für die Berliner Universitäts-Bibliothek ihrer be-
schränkten Aufgabe gemäß brauchbar wäre, an diese, der Rest an das
medizinisch-chirurgische Friedrich-Wilhelms-Jnstitut und die anderen
Landes-Universitäten abgegeben werden.
Erst im Februar 1836 — so lange hatte sich die Vergleichung des
Rudolphischen Blicherbestandes mit dem der Königlichen Bibliothek
und die Aussonderung der Dubletten hingezogen — erhielt die Uni-
versitäts-Bibliothek den für sie bestimmten Teil der Dubletten, der von
Wilken unter genauer Berücksichtigung der literarischen Wünsche der
Dozenten und Studierenden ausgesucht worden war. In der Haupt-
sache enthielt dieser Zuwachs anatomische, physiologische und natur-
wissenschaftliche Werke, die für das medizinische Studium dringend
notwendig waren, darunter viele bändereiche und kostbare Werke und
wichtige Zeitschriftenreihen. Die Einverleibung und Katalogisierung
der aus 542 Werken in rund 1300 Bänden bestehenden Erwerbung
wurde sofort in Angriff genommen und schon im Juni zu Ende ge-
bracht. *')
Einen weiteren umfangreichen und auch inhaltlich wertvollen
Zuwachs erhielt die Universitäts-Bibliothek in den Jahren 1836 bis 39
durch die Überweisung eines Teiles der B ü ch e r s a m m l u n g e n
der in den Provinzen Preußen und Posen aufge-
hobenen Klöster.
Da Wilken erfahren hatte, daß sich noch in verschiedenen preußischen
Provinzen Bibliotheken ehemaliger Klöster befanden, über die noch
*) Von den übrigen Dubletten der Rudolphischen Büchersammlung wurde
ein großer Teil im März 1836 dem medizinisch-chirurgischen Friedrich-Wilhelms-
Jnstitut überwiesen, weitere Teile erhielten die Königliche und Universitäts-Bi-
bliothek zu Königsberg im Oktober 1836 und die Universitäts-Bibliothek zu Halle im
Februar 1837. Den dann noch vorhandenen, sowohl an Wert als an Bändezahl nur
unbedeutenden Rest überließ das Ministerium im Juli 1837 der Königlichen Bi-
bliothek zur Veräußerung in der nächsten Dublettenauktion.
56
nicht verfügt war, bat er am 2. Mai 1834 das Ministerium, der König-
lichen Bibliothek bei vorkommenden Gelegenheiten die Verzeichnisse
dieser Bibliotheken zur Durchsicht und eventuellen Auswahl zustellen
zu lassen. Unzweifelhaft würden sich dort manche Werke und wohl auch
Handschriften vorfinden, die in der Königlichen Bibliothek noch nicht
vorhanden seien und deren Besitz für sie ebenso wünschenswert und
wichtig als für die Lehranstalten der Provinzen entbehrlich sein dürfte.
Im Anfange des Jahres 1836 übersandte das Ministerium darauf
Wilken die Kataloge einer Anzahl Don Klosterbibliotheken der Provinzen
Preußen und Posen zur Auswahl passender Werke für die Königliche
Bibliothek und die Berliner Universitäts-Bibliothek. Weil sich bei den
sehr mangelhaften Angaben dieser Verzeichnisse — es fehlten auch die
Bemerkungen über die Beschaffenheit und Vollständigkeit der Exemplare
ganz — eine zweckmäßige Auswahl nicht mit einiger Sicherheit treffen
ließ, weil aber doch zu erkennen war, daß jene Bibliotheken viel Wich-
tiges enthielten, stellte Wilken am 2. April 1836 den Antrag, durch
Pinder die Auswahl der für die Königliche Bibliothek und die Universi-
täts-Bibliothek geeigneten Bücher an Ort und Stelle vornehmen zu
lassen. Am 19. Mai erteilte das Ministerium die Genehmigung zu der
Reise Pinders mrd bewilligte auch die Zahlung eines Vorschusses von
300 Talern an ihn zur BestreiUmg der Reisekosten und der Ausgaben,
die die Verpackung und Versendung der ausgewählten Werke verur-
sachen würde. Pinder trat die Reise, auf der ihn der Bibliotheksdiener
Bennecke zur Unterstützung bei den Verpackungs- und Verseudungs-
arbeiten begleitete, am 25. Juli an und kehrte am 13. September wieder
nach Berlin zurück. Er durchforschte in dieser Zeit seinem Auftrage
gemäß 20 Klosterbibliotheken mit einem Bestände von mehr als 36 000
Bänden und wählte für die beiden Berliner Bibliotheken 3000 Bünde
aus, die sogleich verpackt und in 36 großen Kisten nach Berlin abgesandt
wurden.
Die Königliche Bibliothek, der etwa zwei Drittel der ausgewählten
Werke zufielen, wurde in den Fächern der Theologie, des Kirchenrechts
und namentlich der Geschichte und Verfassung Polens in willkommenster
Weise ergänzt. Sie erhielt auch eine bedeutende Anzahl wertvoller
Inkunabeln, viele seltene und bibliographisch interessante alte Drucke
aus den Druckereien der kleinen Städte und Klöster Polens und Preu-
ßens und eine Reihe theologischer und historischer Handschriften. Unter
den der Universitäts-Bibliothek zugeteilten Büchern — vielfach Exem-
57
plaren der Königlichen Bibliothek, die gegen bessere Exemplare der
Klosterbibliotheken umgetauscht worden waren — befanden sich zahl-
reiche größere Werke, namentlich Bullarien, Konziliensammlungen und
meist aus posenschen Zisterzienserklöstern stammende lateinische und
griechische Kirchenväter.
Der Minister bewilligte Pinder nach dem Antrage Willens für die
umsichtige und sorgfältige Erledigung seines Auftrages eine außerordent-
liche Gratifikation von 150 Talern und dem Diener Bennecke für die
von ihm geleistete Hilfe 40 Taler. Mit diesen Gratifikationen beliefen
sich im Januar 1838 die Kosten für Auswahl und Transport der Bücher
auf die sehr bedeutende Summe von 778 Talern 26 Sgr. Von dieser
Summe entfiel auf die Universitäts-Bibliothek ein Drittel, also 259 Taler
18 Sgr. 8 Pf., wovon der größere Teil (188 Taler 26 Sgr.) im Jahre
1837 und der Rest im folgenden Jahre aus dem Fonds der Anstalt
gezahlt wurde.
In der nächsten Zeit wurden noch aus einigen anderen Kloster-
bibliotheken, auf die sich Pinders Auftrag nicht erstreckt hatte, auf die
er aber während seiner Reise aufmerksam geworden war, nach den ein-
gesandten Verzeichnissen Bücher für die Königliche Bibliothek und die
Universitäts-Bibliothek ausgewählt. So trafen im Juli 1838 aus der
ansehnlichen Bibliothek des Klosters Lubin, der einzigen Benediktiner-
niederlassung der Provinz Posen, mehrere hundert Bände ein, von
denen die Universitäts-Bibliothek wiederum etwa den dritten Teil
erhielt.
Endlich ist zu erwähnen, daß der sogenannte Koppsche diplo-
matische Apparat, der 1821 der Königlichen Bibliothek
zur vorläufigen Aufbewahrung für die Universität übergeben worden
war, im Jahre 1835 der Universitäts-Bibliothek einverleibt wurde.
Der Apparat war in einer langen Reihe von Jahren mit großer
Mühe und erheblichen Kosten von dem ehemaligen kurfürstlich hessischen
Geheimen Kabinettsrat Ulrich Friedrich Kopp in Mannheim *) zu dem
Zwecke gesammelt worden, das für das Studium der Paläographie und
Diplomatik erforderliche Material zu vereinigen. Um diesen seinen
Lieblingswissenschaften, in denen er selbst literarisch mit Erfolg tätig
gewesen ist, eine dauernde Vertretung zu schaffen, bot Kopp die in ihrer
Art damals einzige Sammlung dem Könige Friedrich Wilhelm III.
für die Berliner Universität unter der Bedingung an, daß für ewige
*) Vgl. Allgemeine Deutsche Biographie. Bd. 16. Leipzig 1882. (3,690—92.
58
Zeiten ein Lehrstuhl der Diplomatik gegründet würde. Der König nahm
durch Kabinettsorder vom 7. August 1820 das Anerbieten an und ver-
ordnete, daß auf der Universität unausgesetzt über Diplomatik mit
beständiger Benutzung des Apparats gelesen und bei jeder Eröffnung
dieser Vorlesungen der Schenkung rühmlichst Erwähnung getan werde.
Die Universität gab ihrem Danke für die verdienstvolle Stiftung dadurch
Ausdruck, daß die philosophische Fakultät am 4. November 1821 Kopp
die Doktorwürde üonoris eausa erteilte.
Die Sammlung bestand aus 69 von Kopp selbst sehr sorgfältig
gestochenen Kupferplatten, die Proben der Schriftarten aus den ver-
schiedenen Jahrhunderten und 111 Siegel von der Zeit Karls des Großen
bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts enthielten, sowie aus 23 auf Per-
gament geschriebenen Originalurkunden und 34 meist sehr merkwürdigen
Originalsiegeln in Wachs. Zu diesem Grundstock wurde später weiteres
Material teils aus den Mitteln, die das Ministerium besonders bewilligte,
teils aus dem Fonds der Universitäts-Bibliothek erworben. Wilken und
Pertz wandten dem Apparat, den sie auch bei den eigenen Vorlesungen
benutzten, besonderes Interesse zu. Wilken ließ zwei Kupferplatten
mit Urkunden und neun Platten mit griechischen Schriftmustern stechen
und Pertz erwarb mit verhältnismäßig geringen Kosten eine Reihe
wertvoller Originalurkunden. Dazu überwiesen beide eine große Anzahl
einzelner Pergament- und Papierblätter, die in alten Büchern der
Königlichen Bibliothek als Umschläge oder Vorsatzblätter gedient hatten,
und Proben alter Schriften enthielten. Ebenso wurden die für Unter-
richtszwecke geeigneten paläographischen und diplomatischen Werke
in mehreren Exemplaren angeschafft. Die Koppschen Schriftproben
wurden dann noch vervollständigt durch die von dem Lehrer August
Varges in Nordhausen angefertigte Sammlung von Schriftproben aus
dem 14. bis 16. Jahrhundert. Das Ministerium kaufte die 234 Blätter
enthaltende Sammlung im Jahre 1840 für 15 Friedrichsdor an und
überwies sie der Universitäts-Bibliothek zur Vereinigung mit dem di-
plomatischen Apparat *).
*) Die Abdrücke der Kupferplatten wurden, soweit sie nicht zum Gebrauche
bei den Vorlesungen bestimmt waren, von der Universitäts-Bibliothek verkauft. Mit
Genehmigung des Ministeriums erfolgte im Jahre 1892 die Überführung des diploma-
tischen Apparats in das historische Seminar. Die Universitäts-Bibliothek behielt
außer sämtlichen Kupferplatten eine Anzahl von Abdrücken der Koppschen Tafeln,
die zur Verfügung des Ministeriums bleiben, und die zum weiteren Verkaufe be-
stimmten Exemplare der Wilkenschen griechischen Schrifttafeln.
59
Je mehr die Bibliothek anwuchs, desto wünschenswerter wurde es,
den Benutzern durch die (auch iu der Instruktion für den Aufseher vor-
geschriebene) Herstellung eines Realkatalogs eine nach Wissen-
schaften geordnete Übersicht über den Bücherbestand zu verschaffen.
Als das Ministerium im Jahre 1835 bestimmte, daß für die Königliche
Bibliothek nach dem Vorgang der Bodleiana jährliche Zugangsverzeich-
nisse in wissenschaftlicher Anordnung gedruckt wtirden *), regte Wilken
die Herausgabe eines solchen Zugangsverzeichnisses auch für die Berliner
Universitäts-Bibliothek an. Er erwartete nicht nur einen günstigen
Einfluß auf die Benutzung, sondern hoffte auch dadurch für die Anstalt
bei der Universität eine regere Teilnahme zu erwecken, als ihr bisher
bewiesen war. Aus diesem Grunde hielt er es auch für zweckmäßig,
iu das Verzeichnis nicht allein die Titel der im Jahre 1835 erworbenen,
sondern sämtlicher vorhandenen Bücher in wissenschaftlicher und ihrer
Aufstellung **) entsprechender Ordnung aufzunehmen, um so einen
vollständigen Katalog des Bestandes zu schaffen, dem sich die nach-
folgenden jährlichen Akzessionsverzeichuisse als Supplemente anschließen
könnten. Den Umfang des Katalogs berechnete er einschließlich eines
alphabetischen Registers auf 15 bis 16 Druckbogen und die Kosten für
eine Auflage von 1000 Exemplaren auf 240 bis 260 Taler. Ein bedeuten-
der Teil der Kosten ließe sich nach seinen: Anschlage durch den Verkauf
des Verzeichnisses an die Studierenden zum Preise von etwa 15 Sgr.
für das Exemplar nach und nach decken.
So beantragte er am 27. März 1836 beim Ministerium, den
Druck eines systematischen, mit alphabetischem Register versehenen
vollständigen Verzeichnisses der in der Universitäts-Bibliothek befind-
lichen Bücher anzuordnen und, da der beschränkte Fonds der Anstalt
*) Der erste derartige Katalog wurde im Februar 1836 für die Erwerbungen
des Jahres 1835 veröffentlicht. Auf Verfügung des Ministeriums, das die Absicht
hatte, so eine Art preußischen Gesamtkatalogs herzustellen, begannen auch die größeren
Universitäts-Bibliotheken mit dem Druck ihrer Akzessionen. Das Unternehmen
scheiterte aber an der Teilnahmslosigkeit des Publikums, für das es bestimmt war.
Die Königliche Bibliothek druckte die Verzeichnisse nur für die Jahre 1835 bis 1839 und
auch die Bibliotheken zu Bonn, Greifswald, Halle und Königsberg hörten bald damit
auf. Am längsten (bis 1863) setzte die Breslauer Bibliothek den Druck fort. Vgl.
auch K. Dziatzko, Entwickelung u. gegenwärt. Stand d. wissenschaftl. Bibliotheken
Deutschlands. Leipzig 1893. (Sammlung bibliothekswiss. Arbeiten. H. 5.) S. 19 f.
**) Die Bücher waren von Anfang an im allgemeinen nach Wissenschaften
gesondert aufgestellt worden.
60
die Kosten nicht zu übernehmen vermöge, ihre größtenteils nur als
Vorschuß zu leistende Bezahlung aus einem anderen geeigneten Fonds
zu verfügen. Dieser Antrag Willens wurde vom Minister bereits am
2. April 1836 genehmigt, doch zogen sich die Vorarbeiten für den Druck
so in die Länge, daß der Katalog erst im Jahre 1839 herausgegeben
werden konnte.
Mit dem Umfange der Bibliothek wuchsen auch die Anforderungen
an die Arbeitskraft Pinders, der die mit der Verwaltung und Benutzung
der Sammlung verbundenen Geschäfte allein zu besorgen hatte *).
Das Bedürfnis nach der Annahme eines Assistenten machte sich immer
dringender geltend und so kam es sehr gelegen, daß im Mürz 1837 ein
gut empfohlener junger Gelehrter, Dr. Theodor Bruns, sich bei
einem Besuche in Berlin auf Anregung des Dr. Brandes um diese
Stelle bewarb **). Er wurde von Pinder mit Einwilligung Willens
angenommen und trat seinen Dienst am 1. Dezember 1837 an. Seine
Tätigkeit, für die er eine Entschädigung nicht erhielt, bestand in dem
Verkehr mit den Studenten und dem Heraussuchen und Wegstellen der
verlangten Werke, während Pinder die mit der Erwerbung und Kata-
logisierung der Bücher verknüpften Geschäfte behielt.
Das zur vorläufigen Aufnahme der Universitäts-Bibliothek im
Gebäude der Königlichen Bibliothek eingerichtete Zimmer genügte schon
nach wenigen Jahren nicht mehr. Die Zahl der Bücher war bereits
1836 so bedeutend angewachsen, daß sich eine zweckmäßige Aufstellung
in dem beengten Raume nicht mehr ermöglichen ließ und es notwendig
*) Die Stellung als erster Kustos der Königlichen Bibliothek nahm Pinder in den
letzten Lebensjahren seines Schwiegervaters (1 24. Dezember 1840) außerordentlich in
Anspruch. Er vertrat Willen nach außen hin immer mehr, „so daß er dem Publikum
fast mehr denn dieser als der Leiter des Instituts erscheinen konnte". (Stoll a. a. O.
S. 223 f.) Seit dem Jahre 1836 war er auch als Direktorial-Assistent beim Anti-
quarium des Königlichen Museums tätig, wo er der Abteilung der Münzen vorstand.
**) Hermann Theodor Bruns, geb. 8. Oktober 1813 zu Helmstedt (auf der
ehemaligen Universität daselbst war sein Großvater Paul Jakob B. letzter Bibliothekar,
sein Vater Karl Georg B. letzter Dr. juris gewesen), studierte von 1832—1836 Theo-
logie in Tübingen und Jena, wo er zum Dr. phil. promoviert wurde. Seinen Plan,
ganz der Wissenschaft zu leben und die Dozentenlaufbahn einzuschlagen, vereitelte
der frühzeitige Tod seines Vaters (im Jahre 1835). In Berlin erfreute er sich der Pro-
tektion verschiedener Gelehrter, besonders A. Neanders, mit dessen Unterstützung er
1839 eine Sammlung der ältesten Konzilienbeschlüsse in 2 Bänden herausgab. Seine
Lebensgeschichte verfaßte sein Neffe Ivo Bruns, Professor der klassischen Philologie
zu Kiel: „Theodor Bruns. Ein Lebensbild. (Als Mskr. gedr. Leipzig 1888.)"
61
wurde, nach einem geräumigeren Lokale Umschau zu halten. Dazu
kam noch, daß die Königliche Bibliothek, die selbst sehr empfindlich unter
Raummangel litt, das nur einstweilen abgegebene Zimmer dringend
brauchte, da es der einzige Raum war, der zur Entlastung einiger be-
sonders überfüllter Abteilungen benutzt werden konnte.
Schon im Mai 1836 regte Wilken deshalb au, bei dem beabsichtigten
Ausbau des Universitätsgebäudes auf die Unterbringung der Uni-
versitäts-Bibliothek Bedacht zu nehmen. Der Senat war auch von der
Zweckmäßigkeit des Vorschlages vollkommen überzeugt, da aber der
nötige Platz im Uuiversitätsgebäude nicht ermittelt werden konnte,
blieben die längere Zeit geführten Verhandlungen erfolglos. Im Januar
1838 stellte Wilken dann beim Ministerium den dringenden Antrag auf
baldige Entfernung der Universitäts-Bibliothek aus dem Bibliotheks-
gebäude. Am 9. Dezember 1838 brachte er die Angelegenheit, weil eine
Entscheidung inzwischen nicht erfolgt war, von neuem in Anregung
und konnte seinen Antrag diesmal in wirksamster Weise unterstützen
durch die Darlegung des gefährlichen baulichen Zustandes eines Teiles
der Königlichen Bibliothek.
Bei einer kurz vorher von dem Bauinspektor Schramm vorgenom-
menen Revision des Kupferdaches der Bibliothek hatte sich nämlich er-
geben, daß in den beiden Pavillons die Balkenlage sich so erheblich
gesenkt hatte, daß der Zusammenbruch mehrerer Decken zu befürchten
war. Besondere Gefahr bestand für die Beamten und Besucher in dem
Pavillon an der Ecke der Behrenstraße, wo der Einsturz der Universitäts-
Bibliothek in das darunter gelegene Expeditionszimmer drohte. Bei
dieser Sachlage war die schleunige anderweitige Unterbringung der Uni-
versitäts-Bibliothek um so uuabweislicher, als sich die Einreihung der
aus den Klosterbibliotheken für sie ausgewählten, an Gewicht meist sehr-
schweren Werke *) nicht länger aufschieben ließ, da die Aufbewahrung
dieser Bücher an einem anderen Orte des Gebäudes wegen Überfüllung
aller Räume unmöglich war. So bat Wilken das Ministerium, die un-
entgeltliche Aufstellung der Universitäts-Bibliothek in irgendeinem
anderen öffentlichen Gebäude zu veranlassen oder, wenn das nicht
tunlich sei, ihn zur Ausmittelung eines geeigneten Lokals zu bevoll-
mächtigen, in dem gegen einen angemessenen Mietspreis die Bi-
bliothek bis auf weiteres aufgestellt werden könnte. In letzterem Falle
*) Ihr Gewicht wird auf mindestens 200 Zentner angegeben.
62
müßte bei der größeren Feuersgefahr in einem Privathanse der Wert
der Sammlung bei einer Assekuranz-Gesellschaft versichert werden.
Der Minister bestimmte am 31. Dezember 1838 zur einstweiligen
Unterbringung der Bibliothek das Haus Packhofsstraße Nr. 4, das aus
Staatsmitteln von dem Hofzimmermeister Glatz für das Königliche
Museum angekauft worden war, damals aber noch nicht zu Museums-
zwecken benutzt wurde. Die Arbeiten zur Einrichtung des für die Auf-
stellung der Bücher ausgewählten dritten Stockwerks wurden sofort in
Angriff genommen; sie waren auch schon bedeutend vorgeschritten, als
eine Ministerial-Versügung vom 19. Januar 1839 eingetretener Hinder-
nisse wegen ihre Einstellung anordnete. *) Da mit der Aufnahme in
ein anderes öffentliches Gebäude für die nächste Zeit nicht zu rechueu
war, begann Wilken die Nachforschungen nach einem geeigneten Privat-
hause. Als nach Lage und Raumverhältnissen besonders günstig er-
mittelte er den Unter den Linden 76 belegenen sogenmmten Adlerschen
Saal, der nach einer von dem Baubeamten vorgenommenen Unter-
suchung auch in baulicher Hinsicht den Anforderungen vollkommen
genügte. **) Da auch die Mietsbedingungen des Hausbesitzers, des
ehemaligen Kaufmanns Sanmel Friedrich Schultze, vorteilhaft waren,
ermächtigte der Minister den Oberbibliothekar am 11. Februar 1839
zum Abschluß des Vertrages und gab ihm auf, für die Übersiedelung
der Bibliothek so schleunig als möglich Sorge zu tragen. Am 19. Fe-
bruar 1839 schloß Wilken als Vertreter der Universitäts-Bibliothek mit
dem Eigentümer den Mietsvertrag ab, wonach an Miete vierteljährlich
150 Taler zu entrichten waren und dem Mieter vierteljährliche, dem
Vermieter dagegen nur jährliche Kündigung freistand. Nachdem der
König auf den Jmmediatbericht des Ministers von Altenstein durch
Kabinettsorder vom 10. März 1839 die einstweilige Unterbringung
der Bibliothek im Adlerschen Saale und die Bezahlung des Miets-
preises aus deu allgemeinen Verwaltungsfonds des Ministeriums ge-
nehmigt hatte, erfolgte der Umzug im April 1839.
*) Die über 100 Taler betragenden Kosten für die begonnenen banlichen Ver-
änderungen wurden vom Ministerium bezahlt.
**) Der Adlersche Saal war schon 1836 von dem Besitzer der Universität §ur
Abhaltung von Vorlesungen während des Umbaues des Universitätsgebüudes an-
geboten worden.
4. Von der Übersiedelung Ln den Adlerschen Saal
bis zu den personalveränderungen des Jahres J850*
Das Haus Unter den Linden 76, in dem die Bibliothek
ihr Unterkommen gefunden hatte, war nach Schinkels Entwurf erbaut
worden.*) In dem oberen Gefchosfe — über der auf zwölf dorischen
Säulen ruhenden Durchfahrt nach der neu angelegten Neuen Wilhelms-
straße — befand sich der nach dem Erbauer, dem Maurermeister Adler,
benannte Saal.**) Der Saal und die Räume in den nach der Neuen
Wilhelmsftraße zu belegenen Seitenflügeln des Gebäudes waren von
vornherein zur öffentlichen Benutzung eingerichtet.***)
*) Als Jahr der Erbauung wird in dem 1834 erschienenen „Neusten Conver-
sations-Handbuch für Berlin und Potsdam" 1821 angegeben, in dem Werke Mus
Schinkels Nachlaß" Bd. 4, Berlin 1864, S. 302 dagegen 1819.
**) Gewöhnlich wurde das ganze Gebäude als Adlerscher Saal bezeichnet.
***) An die Seitenflügel schlossen sich zwei Reihen von Kaufläden mit kleinen
Wohnungen darüber an und bildeten so die Neue Wilhelmsstraße. Unsere Abbildung
(vor dem Titelblatt) dürfte nicht ohne kunsthistorisches Interesse sein. Sie ist nach
einer Aufnahme des Photographen G. Schucht in Berlin, die sich in der Bibliothek
des Architektenvereins befindet, mit gütiger Erlaubnis des Vereinsvorstandes in
verkleinertem Maßstabe angefertigt und zeigt die gefälligen Formen, die Schinkel
der gegen die Linden gerichteten Fassade gab. Vgl. auch Schinkel, Sammlung archi-
tektonischer Entwürfe. H. 3. Berlin 1823.
Da die Neue Wilhelmsstraße ein stark benutzter Verbindungsweg zwischen den
Linden und der Friedrich-Wilhelmsstadt wurde, genügte die Durchfahrt, die in der
Breite nur für ein Fuhrwerk Raum bot, bald nicht mehr und gab später, als noch
der Weg von den Potsdamer und Anhalter nach den Stettiner und Hamburger Bahn-
höfen hier hindurchführte, zu vielen Verkehrsstörungen und manchen Unglücksfällen
Anlaß. Die Stadt Berlin sah sich deshalb genötigt, das Gebäude für eine bedeutende
Summe anzukaufen und den Mittelbau zur vollständigen Freilegung der Durch-
fahrt im Herbst 1867 abzubrechen. Die stehengebliebenen schmalen Seitenteile
erhielten die Nummern Unter den Linden 76 und 76 a. Der östliche Teil (76) mit
dem dazugehörigen Seitenflügel in der Neuen Wilhelmsstraße wurde später zur
Verbreiterung dieser Straße niedergelegt, und die Nummer 76 auf das Nachbar-
grundstück 75 übertragen. Der westliche Teil (76a) mit den dahinter liegenden
Kaufläden ist in veränderter Form noch heute vorhanden.
Die Bibliothek gewann in dem Adlerschen Saale, der acht Fenster
Front hatte, über 70 Fuß lang und über 40 Fuß breit war und die Höhe
von zwei Stockwerken einnahm, eine schöne, luftige, helle und völlig
abgeschlossene Räumlichkeit, die zur Aufnahme und Benutzung des
damaligen Bücherbestandes vollkommen ausreichte. An den beiden
Frontwänden nach den Linden und der Neuen Wilhelmsstraße zu
konnten wegen der schmalen Pfeiler nur wenige Repositorien angebracht
werden, dagegen boten die beiden Scheidewandseiten reichlicheren Platz.
Auch ließen sich ohne Belastung der Balken vier Reihen doppelter Re-
positorien durch die ganze Tiefe des Saales aufstellen, von denen zwei
auf den Säulen der Durchfahrt, die beiden anderen auf den Scheide-
wänden des unteren Gefchoffes standen. Da die Tragfähigkeit der Balken
durch die frühere Benutzung des Saales zu Bällen, Vorstellungen und
anderen öffentlichen Lustbarkeiten hinlänglich geprüft schien, wurde in
den folgenden Jahren, als der Bücherbestand erheblich anwuchs, außer-
dem noch eine größere Anzahl freistehender Repositorien aufgestellt.
Wenn die Universitäts-Bibliothek sich nun auch nicht mehr in so
unmittelbarer Nähe der Universität befand wie früher, so war ihre
Lage doch insofern sehr günstig, als sie von der Mittel-, Dorotheen-
und Luisenstraße und den angrenzenden Straßen, die damals von
vielen Studenten bewohnt wurden, leicht zu erreichen war.
Zu dem gemieteten Saale gehörten zwei Logen und ein unmittelbar
an den Saal anstoßendes kleines einfenstriges Zimmer, deren Benutzung
als Wohnung für den Aufseher der Sammlung Willen sich in dem
Mietsverträge vorbehalten hatte. Den Aufgang zur Bibliothek ver-
mittelten zwei rechts und links der Neuen Wilhelmsstraße belegene
Treppen. Bei der abgesonderten Lage der neuen Bibliotheksrüume
war es notwendig, daß ein zuverlässiger Mann darin seine Wohnung
erhielt, um das Bibliothekseigentum fortwährend zu beaufsichtigen,
bei dringendeil Veranlassungen gegenwärtig zu sein und die eingehenden
Sendungen und Bestellungen in Empfang zu nehmen. Da Bruns
sich bereit erklärte, die Beaufsichtigung der Bibliothek gegen freie Woh-
nung zu übernehmen, stellte Willen am 12. März 1839 beiin Ministerium
ben Antrag, Bruns die an den Saal stoßende Stube und die darüber
befindliche Loge als Wohnung bis auf weiteres unentgeltlich zu überlassen,
womit der Minister sich am 21. April einverstanden erklärte. Der
Mietswert der Bruns überlassenen beiden äußerst beschränkten Räume
wurde auf 36 Taler jährlich angeschlagen. Es darf wohl als eigenartig
65
und für preußische Verhältnisse ungewöhnlich bezeichnet werden, daß
einem unvereidigten und unbesoldeten Hilfsarbeiter die alleinige Auf-
sicht über das Lokal und das Inventar einer staatlichen Sammlung
anvertraut wurde.*)
Am 16. Mai 1839 meldete Willen den: Minister, daß der Umzug
der Universitäts-Bibliothek nach dem neuen Gebäude und ihre Auf-
stellung daselbst nunmehr beendigt sei. Während die Ausgabe für den
Transport der Bücher nur gering war — der Möbelhändler Löwel
erhielt 187 Taler — mußten für die Einrichtung des Saales, besonders
die Anfertigung neuer Repositorien, 930 Taler an den Tischlermeister
Bidtel bezahlt werden. Jur ganzen betrugen die von: Ministerium
übernommenen Kosten für die Verlegung der Bibliothek fast 1400 Taler.
Die mit der Übersiedelung verbundenen Arbeiten hatten sowohl
an Pinder wie an den Sekretär Kießling uitb den Diener Bennecke
besondere Anforderungen gestellt. Da Pinder für die mühsame und
zeitraubende Verwaltung der Universitäts-Bibliothek nur sehr gering
remuneriert wurde, Kießling und Bennecke für ihre während eines
Zeitraumes von fast zehn Jahren geleisteten Dienste aber überhaupt
noch keine Entschädigung erhalten hatten, beantragte Wilken, ihnen
bei dieser Gelegenheit Gratifikationen in Höhe von 150, 100 und 30
Talern zu gewähren. Der Minister lehnte den Antrag zunächst ab,
suchte dann aber, als Wilken am Ende des Jahres sein Gesuch erneuerte,
beim Könige die Bewilligung der Gratifikationen und ihre Anweisung
ans den Dispositionsfonds des Ministeriums nach, womit Friedrich
Wilhelm III. sich durch Kabinettsorder vom 5. Februar 1840 ein-
verstanden erklärte.
*) In dieser Wohnung brachte Bruns, der übrigens ein anerkannter Künstler
auf dem Cello war und in dem Berliner Musikleben eine hervorragende Rolle spielte,
zwölf Jahre zu; hier gingen die Mitglieder der kleinen, aber geistig hochstehenden
Gemeinde, die sich mit dem Beginn der 1840er Jahre um ihn als Mittelpunkt ge-
bildet hatte, aus und ein. Die Loge über dein Zimmer diente Bruns als Schlaf-
raum. „Wenn ich da im Bett liege", so schreibt er, „und in den Saal hinuntersehe,
komme ich mir vor wie der Ritter in der Goetheschen Ballade von der Zwergen-
hochzeit." Von dem nach den Linden zu gelegenen Balkon des Büchersaales konnte
er manchen historischen Vorgang beobachten. „Von dort hat er zur Nachtzeit die
Leiche Friedrich Wilhelms III. bei Fackelschein nach Charlottenburg fahren sehen,
er hat die Fenster seines Saales illuminiert, am Tage da der Nachfolger einzog. Er
saß aber auch als treuer Wächter der ihm anvertrauten Schatze auf dem Posten in
der Nacht, als sie vor dem Hause das Pflaster aufrissen, um Barrikaden zu bauen."
(Ivo Bruns a. a. O. S. 33.)
Friese, Univ.-Bibl. Berlin.
5
66
Die Versicherung der Bibliothek gegen Feuersgefahr erfolgte am
1. Juli 1839 bei der Berlinischen Feuer-Versicherungs-Anstalt. Die
Versicherungssumme betrug 15 000 Taler, wobei als Geldwert der Bücher
und Kataloge 13 500, der Utensilien 1500 Taler angenommen war.
Willens Absicht, die Versicherungssumme bei dem fortwährenden An-
wachsen des Bücherbestandes von Jahr zu Jahr um 1000 Taler er-
höhen zu lassen, wurde aber nur im nächstfolgenden Jahre ausgeführt.
Eine weitere Erhöhung unterblieb, da die Mittel der Bibliothek die
Zahlung hoher Prämien nicht gestatteten. *)
Die Überführung der Bibliothek in den Adlerschen Saal machte
eine durchgreifende Änderung in der Art ihrer Benutzung und ihrer
Beaufsichtigung notwendig. Auf die neuen Verhältnisse paßten nicht
mehr die auch als provisorisch bezeichneten Benutzungsbestinrmungen
der „Instruktion für den Aufseher" vom 18. August 1831.
Solange die Universitäts-Bibliothek im Gebäude der Königlichen
Bibliothek untergebracht war, hatte ihr der zum direkten Verkehr mit
den Benutzern erforderliche Raum nicht zur Verfügung gestanden.
Auch fehlte bis zum Eintritt von Bruns ein Beamter, der sich den mit
der Benutzung verbundenen Geschäften in ausreichender Weise hätte
widmen können. Da aus diesen Gründen der Bücherbestand lediglich
zur Aushilfe bei der Befriedigung der von den Professoren und den
Studenten auf der Königlichen Bibliothek geäußerten Wünsche ver-
wandt wurde, ist es begreiflich, daß der mit der Gründung der Bi-
bliothek beabsichtigte Zweck zunächst nur in sehr bescheidenem Maße
erreicht worden war. Es ist auch nicht verwunderlich, daß der Samm-
lung, die doch nur als ein unbedeutendes Anhängsel der größeren Bi-
bliothek erschien, von den Studierenden fast gar keine Beachtung ge-
schenkt wurde. Für den inneren Ausbau der Universitäts-Bibliothek
war freilich gerade in ihrer ersten Entwickelungsperiode der enge Zu-
sammenhang mit der Königlichen Bibliothek von dem größten Vor-
teile gewesen, da deren bewährte Einrichtungen ohne langes Versuchen
*) Noch in den 1860er Jahren war die Bibliothek zu dem alten Betrage von
16 000 Talern versichert! Da eine so geringe Versicherung fast nutzlos erschien, die
Bibliothek auch in einem fiskalischen Gebäude eine gesicherte Aufnahme gefunden
hatte und die Besorgnis eines größeren Brandschadens bei den vervollkommneten
Berliner Löscheinrichtungen nur noch gering war, genehmigte der Minister am
11. Juli 1865 auf den Antrag von Pertz, daß von der weiteren Versicherung Abstand
genommen würde.
67
übernommen werden konnten. Auch bei der Vermehrung kam der
Bibliothek die gemeinsame Leitung sehr zustatten, weil Wilken die zahl-
reichen Verbindungen der Königlichen Bibliothek mit Buchhändlern und
Antiquaren des In- und Auslandes zu günstigen Ankäufen auch für die
Universitäts-Bibliothek benutzte, so daß mit verhältnismäßig geringen
Mitteln bedeutende Erwerbungen gemacht wurden. Die Bibliothek
bestand zur Zeit ihrer Verlegung aus rund 10 000 Bünden, wovon
allerdings nur etwa der siebente Teil planmäßigen Ankäufen, alles
übrige den zahlreichen Pflichtexemplaren und Geschenken zu verdanken
war.*) Wenn die Anstalt deshalb auch viele für ihre Zwecke weuiger
geeignete Werke enthielt, so war der Büchervorrat doch schon be-
deutend genug, um nach Beseitigung der Hemmungen, die aus der
räumlichen Vereinigung mit der Königlichen Bibliothek erwachsen waren,
und nach Veränderung der Benutzungsbestimmungen den Studierenden
wirksame Unterstützung zu gewähren.
Die neuen Anordnungen über die Benutzung wurden den Be-
dürfnissen der Studierenden nach Möglichkeit angepaßt. Während auf
der Königlichen Bibliothek nur an zwei Tagen der Woche vormittags
von 11 bis 12 Uhr Bücher ausgeliehen wurden und die Bestellungen, von
Ausnahmefällen abgesehen, tags zuvor erfolgen mußten, **) war die
*) Pinder gibt in dem am 15. Januar 1839 eingereichten Jahresberichte den
Bestand aus ungefähr 7000 Werke oder 20 000 Bände an. Die Bibliothek zählte
damals aber, wie aus späteren Berichten hervorgeht, nur etwa 10 000 Bände. Diese
Zahl ergibt sich auch annähernd, wenn die bis zum 15. Januar 1839 in den Akzessions-
katalog eingetragenen 6426 Nummern nach dem von P. Schwenke im Adreßbuch
der Deutschen Bibliotheken, Leipzig 1893, S. 384 vorgeschlagenen Verhältnis (2
Nummern = 3 Bände) in Bände umgerechnet werden. Selbst bei Einzelzählung
der Universitäts- und Schulschriften hätte sich zu jener Zeit noch nicht ein Bestand
von 20 000 Bänden ergeben.
**) Die Benutzung der Königlichen Bibliothek wurde allerdings auch bald erheb-
licb erleichtert. Gemäß der Bibliotheksordnung vom 15. März 1844 war das Lesezimmer
vormittags von 9 bis 1 und nachmittags von 2 bis 4 Uhr mit Ausnahme des Sonn-
abends und Sonntags geöffnet. Wer ein Buch nach dem Lesezimmer wünschte,
hatte dem dort anwesenden Bibliotheksdiener einen Bestellzettel zu übergeben. Ge-
schah die Bestellung bis 12 Uhr vormittags, so konnten die verlangten Bücher um
2 Uhr in Empfang genommen werden. Zum Abholen der nach Hause zu entleihenden
und zum Zurückliefern der entliehenen Bücher waren an allen Tagen, an denen
die Königliche Bibliothek überhaupt geöffnet war, die Vormittagsstunden von 9 bis
12 Uhr bestimmt. Bis 9 Uhr bestellte Bücher wurden noch an demselben Vormittage
um 11 Uhr ausgegeben, spätere Bestellungen bis 12 Uhr aber erst am folgenden Vor-
mittage berücksichtigt. Schon im Jahre 1846 folgte dann die weitere Vergünstigung
68
Universitäts-Bibliothek nunmehr an den vier Tagen Montag, Dienstag,
Donnerstag und Freitag in den (meist von Vorlesungen freien) Nach-
mittagsstunden von 2 bis 4 Uhr geöffnet. In dieser Zeit wurden die
zurückgebrachten Bücher in Empfang genommen und die gewünschten
verabfolgt, wobei es eine besondere Erleichterung für die Studierenden
war, daß die verlangten Werke ohne vorherige Bestellung ausgegeben
wurden. Der ohne weiteres zugängliche alphabetische Katalog und be-
sonders das in mehreren Exemplaren ausgelegte systematische Ver-
zeichnis setzten die Benutzer instand, sich über das Vorhandene selbst zu
unterrichten und, wenn die ausgesuchten Werke verliehen waren, an
ihrer Stelle andere über denselben Gegenstand auszuwählen, Auch das
Herbeiholen der genau nach dem gedruckten Katalog numerierten und
ausgestellten Bücher verursachte nur geringen Aufenthalt, so daß selbst
bei größerem Andränge die Wünsche der Einzelnen schnell zu be-
friedigen warem
Der Wert dieser bequemen Einrichtungen wurde dadurch noch
bedeutend erhöht, daß den Studierenden in Bruns ein Berater zur Ver-
fügung stand, der mit besonderer Freude am Helfen eine umfassende
Literaturkenntnis verband. Nach den wiederholten Berichten von
Pinder und Pertz hat Bruns nie eine Klage, sondern nur Äußerungen
der Dankbarkeit und Anerkennung hervorgerufen, und es war seiner
Persönlichkeit ein großer Anteil daran zuzuschreiben, daß die Bibliothek
im Verhältnis zu ihrem Umfange einen reichen und stets wachsenden
Nutzen stiftete. Die Zahl der Studenten, die die Bibliothek gleichzeitig
benutzten, betrug im Jahre 1839 ungefähr 300, im Jahre 1840 etwa
400 und zu Beginn des Jahres 1850 rund 500; sie wird damals wohl
kaum bei einer anderen preußischen Universitäts-Bibliothek höher ge-
wesen sein. Da die meisten dieser Benutzer in der Regel eine größere
Anzahl bon Werken entliehen, ging der für die Studierenden wichtigere
Teil des Bücherbestandes fast ununterbrochen von Hand zu Hand. Für
die Jähre 1840 und 1841 gibt Pinder die Zahl der zu gleicher Zeit aus-
geliehenen Bücher aus 1500 bis 2000 an und er berichtet im März 1846,
daß gewöhnlich an einem Nachmittage 60, 80 und auch 100 Werke
abgeholt und znrückgeliefert würden.*)
für die Benutzer, daß das Lesezimmer Montags bis Freitags bon 9 bis 4 und Sonn-
abends von 9 bis 1 Uhr geöffnet wurde.
*) Eine Zählung der Entleiher und der entliehenen Werke scheint in jener
Zeit niemals stattgefunden zu haben. Die immer nur schätzungsweise angegebenen
Zahlen für die Benutzung sind daher auch mit einiger Borsicht aufzunehmen.
69
Die Absonderung der Universitäts-Bibliothek bot den Studierenden
den weiteren Vorteil, daß sie jetzt auch in der Zeit Bücher erhalten
konnten, wo auf der Königlichen Bibliothek der jährlichen Reinigung
oder der allgemeinen Rücklieferung wegen keine Verleihungen statt-
fanden. Auch manchen Gelehrten, die nicht zur Universität gehörten,
erwies sich die Universitäts-Bibliothek zur Aushilfe für die Königliche
Bibliothek damals schon nützlich, indem ihnen Pinder, soweit es sich
ohne Beeinträchtigung der ursprünglich Berechtigten tun ließ, gelegent-
lich die Benutzung gestattete. Namentlich geschah das während mehrerer
Monate des Jahres 1841, in denen die Königliche Bibliothek des Baues
wegen geschlossen war.
Die Maßnahmen der Königlichen Bibliothek zur Kontrolle der
Studierenden galten auch für die Universitäts-Bibliothek. Jeder Student,
der die Königliche Bibliothek benutzen wollte, hatte sich dort zunächst
unter Vorzeigung seiner Erkennungskarte persönlich zu melden und eilten
Revers zu unterschreiben, worin er sich zu gewissenhafter und sorg-
fältiger Behandlung der ihm anvertrauten Bücher und zu genauer
Beobachtung der Benutzungsvorschriften der Bibliothek verpflichtete.
Wurde nicht bloß die Benutzung des Lesezimmers, sondern auch Ent-
leihung von Büchern nach der Wohnung gewünscht, so mußte bei der
Unterzeichnung des Reverses zugleich die schriftliche Kaution eines
Professors oder des Universitätsrichters beigebracht werden. Darauf
erhielt der Student eine von ihm zu unterschreibende Legitimations-
karte, deren jedesmalige Vorzeigung bei dem Empfang von Büchern
erforderlich war.*) Diese Karte berechtigte auch zur Benutzung der
Universitäts-Bibliothek.
Im Jahre 1840 ordnete das Ministerium auf Veranlassung Willens
an, daß den Studierenden das Abgangszeugnis erst ausgehändigt
würde, wenn sie eine Bescheinigung der Königlichen Bibliothek über
die richtige Zurücklieferung der von ihnen entliehenen Bücher oder
*) Dieses ganze Verfahren war für die Bibliotheksbeamten und die Stu-
dierenden recht weitläufig, so daß zahlreiche Klagen und Wünsche nach Vereinfachung
des Geschäftsganges laut wurden. Es verdient Beachtung, daß schon im Juni 1841
in den Konferenzen der Beamten der Königlichen Bibliothek der Vorschlag gemacht und
erwogen wurde, die angeführten Formalitäten und Einrichtungen aufzuheben und
einem jeden Studierenden ohne weiteres nur gegen Vorzeigung seiner Erkennungs-
karte Bücher aus der Königlichen Bibliothek zu verabfolgen und den Zutritt zum Lese-
zimmer zu gestatten. Zu einer solchen Abkürzung des Verfahrens kam es damals
freilich noch nicht.
70
über die Nichtbenutzung der Bibliothek beigebracht hätten. Diese Maß-
regel, gegen die der Senat zunächst Einwendungen erhob, da er ihre
Ausführbarkeit bezweifelte, wurde 1859 auch auf die Universitäts-
Bibliothek ausgedehnt.
Die vom Ministerium im Jahre 1836 genehmigte Drucklegung
des wissenschaftlich geordneten Kataloges der Universitäts-
Bibliothek *) wurde erst im Oktober 1839 beendigt, da die Bearbeitung
des Verzeichnisses, die Pinder neben seinen vielen anderen Arbeiten
allein oblag, längere Zeit erforderte, als veranschlagt worden war.**)
Der Katalog, der mit größter Sorgfalt und Genauigkeit angefertigt
ist und sich auch äußerlich durch guten Druck und gutes Papier empfiehlt,
erschien unter dem Titel: „OataloAus lidrorum gut in bibliotheca
universitatis litterariae Fridericae Guilelmae Berolinensis adservantur.
Berolini 1839“ und umfaßt VIII und 219 Seiten in 4 °. In der Vor-
rede gibt Pinder einen kurzen Bericht über den Zustand der Bibliothek
und zählt die Anstalten und Personen auf, die durch Geschenke zu ihrer
Vermehrung beigetragen hatten. Auf die Vorrede folgt eine Über-
sicht über die zwölf Hauptabteilungen des gewählten Systems und ihre
Unterabteilungen. Die durch alle Abteilungen fortlaufende Nume-
rierung der vorhandenen Werke (die Dissertationen und Schulprogramme
sind nicht einzeln aufgeführt und gezählt) schließt mit der Zahl 6218.
Die Bücher wurden, abgesehen von der Trennung nach Formaten,
der systematischen Anordnung des Katalogs genau entsprechend auf-
gestellt und erhielten als Signaturen die Nummern, unter denen sie
im Kataloge verzeichnet waren.***) Die Herkunft der nicht ans den
Fonds der Bibliothek angeschafften Werke ist in ähnlicher Weise wie in
den von der Königlichen Bibliothek damals veröffentlichten Zugangs-
verzeichriissen durch beigesetzte Zeichen und Buchstaben kenntlich ge-
macht. Den als Geschenke eingegangenen Werken, wozu auch die von
*) S. oben S. 59 f.
**) Der Druck wurde auch dadurch verzögert, daß die einzelnen Druckbogen
der Zensur vorzulegen waren. Für die darin enthaltenen Werke, die noch keine
„Debits-Erlaubnis" hatten — es war das namentlich der Fall bei einer ganzen Reihe
von Schriften, die außerhalb des Deutschen Bundes erschienen waren — mußte diese
Erlaubnis dann jedesmal unter Vorlegung der Bücher beim Königlichen Ober-Zensur-
Kollegium, dem Willen übrigens selbst angehörte, nachgesucht werden.
***) Die Signaturen für den späteren Zuwachs wurden dadurch gebildet, daß
den vergebenen Ziffern zunächst kleine lateinische Buchstaben, dann auch große Buch-
staben und Verbindungen von großen und kleinen hinzugefügt wurden.
71
der Königlichen Bibliothek abgegebenen Dubletten gehören, ist ein
Sternchen, den von den Buchhändlern gelieferten Pflichtexemplaren ein
Kreuz hinzugefügt; ein 8 bezeichnet die Herkunft aus der Schmalzischen,
ein R aus der Rudolphifchen Bücherfammlung und ein M steht bei den
Titeln der Bücher, die von dem Ministerium aus aufgehobenen Bi-
bliotheken überwiesen worden waren.
Der Katalog gibt ein deutliches Bild von der Art, wie die Uni-
versitäts-Bibliothek sich im ersten Jahrzehnt ihres Bestehens vermehrt
hatte. Bei der Menge der mehr zufälligen Erwerbungen ist darin so
manches Werk verzeichnet, das man in einer erst seit wenigen Jahren
bestehenden Universitäts-Bibliothek mit eng umgrenzter Aufgabe wohl
schwerlich suchen würde, während die Unzulänglichkeit der verfügbaren
Mittel die planmäßige Anschaffung vieler dringend erwünschter Schriften
verhindert hatte. Wenn die Einverleibung des den eigentlichen Zwecken
der Anstalt weniger Entsprechenden die Lücken in dem Notwendigen
auch um so schärfer hervortreten ließ und leicht den Eindruck der Plan-
losigkeit oder doch der Abkehr von den bei der Gründung festgelegten
Grundsätzen machen konnte, so wird man doch der Bibliotheksleitung
zustimmen dürfen, die von dem kostenlos Dargebotenen nur das völlig
Unbrauchbare zurückwies und in allen Zweifelssällen sich für die Auf-
nahme entschied. *)
Die Kosten der 1010 Exemplare des Katalogs, von denen Wilken
und Pinder gemeinsam je eines dem Könige Friedrich Wilhelm III.
und dem Kronprinzen übersandten, betrugen 473 Taler 11 Sgr. 9 Pf.,
die von der Generalkasse des Ministeriums als Vorschuß gezahlt wurden.
Diese hohe Überschreitung des Wilkenschen Anschlages ist hauptsächlich
daraus zu erklären, daß der Bestand der Bibliothek sich während der
mehrjährigen Vorarbeiten für den Druck verdoppelt hatte. Die Hoff-
nung, durch den Verkauf des Kataloges an die Studierenden die Kosten
*) Pinder bringt den Standpunkt, den die Verwaltung hierin einnahm, in
der Vorrede des Katalogs folgendermaßen zum Ausdruck: „tzuodsi optimus notus
non omniu sunt neque semper ad huius bibliothecae institutum proprie pertinent
quae vel dono a fautoribus vel ex lege ab huius provinciae librariis offeruntur, reiicere
tamen ea ac repudiare socordis potius bibliothecarii esset quam diligentis ac reli-
giosi. Nihil enim tam parvum est tamque abstrusum quod non aliquam possit
aliquando in re litteraria utilitatem habere“ und weiter „Variam hanc et multi-
plicem voluminum in unum iam corpus congestorum originem qui reputaverit,
is, si qua utilibus futilia viderit admixta esse, necessitatem, spero, culpabit, non
cuiusquam temeritatem et incuriam“.
72
nach und nach zu decken, erfüllte sich nur zum kleinen Teile. Der Preis
für das Exemplar war zunächst auf 15 Sgr. festgesetzt worden. Da aber
zu diesem schmr geringen Preise nur wenige Exemplare verkauft wurden,
erklärte sich das Ministerium bereits im Januar 1840 aus den Antrag
Willens damit einverstanden, daß im Interesse der Verbreitung des
Katalogs das Exemplar in der Universitäts-Bibliothek für 10 Sgr.,
also niedriger, als es zur vollständigen Deckung der Kosten erforderlich
gewesen wäre, verkauft und zu dem gleichen Preise eine Anzahl von
Exemplaren einem Berliner Buchhändler in Kommission gegeben würde,
der sie dann für 15 Sgr. verkaufen könnte.
Bei dem schnellen Anwachsen der Bibliothek wurde der Katalog
bald so unvollständig, daß seine Ergänzung durch einen Nachtrag not-
wendig war, wenn der mit der Veröffentlichung beabsichtigte Zweck
erreicht werden sollte. Pinder beantragte daher am 15. Februar 1842
den Druck eines Supplements für die 2000 Werke, um die die Bi-
bliothek sich seit demErscheinen desKatalogs vermehrt hatte. Nach den
bisherigen Erfahrungen hielt er 310 Exemplare für ausreichend und einen
Preis von je 5 Sgr. für angemessen. Der Minister erteilte seine Zu-
stimmung am 17. März 1842, worauf der schon vorbereitete Druck sofort
begonnen wurde. Das Supplement erschien Ende Oktober unter dem
Titel „Catalogi librorum qui in bibliotheca universitatis litterariae
Fridericae Guilelmae Berolinensis adservantur supplementum. Bero-
lini 1842“ in gleicher Anordnung und Ausstattung wie der Katalog selbst;
es umfaßt 84 Seiten. Besonders in die Augen springend ist die Ver-
mehrung der medizinischen Abteilung durch die aus der Osannschen
Bibliothek stammenden, fast ausschließlich balneologischen Werke, die
durch ein beigesetztes 0 kenntlich gemacht sind.*) Auch das Supplement,
wovon Pertz unb Pinder gemeinsam dem Könige Friedrich Wilhelm IV.
und dem Prinzen von Preußen je ein Exemplar einreichten, ist von
Pinder verfaßt.
Weitere Nachträge erschienen nicht, wenn auch noch eine Reihe von
Jahren hindurch an der Absicht festgehalten wurde, den Katalog von
Zeit zu Zeit zu ergänzen. Je schneller die Bibliothek sich in der folgenden
Zeit vermehrte, desto einleuchtender wurde es, daß die Kosten, deren
Deckung einen erheblichen Teil des Bibliotheksfonds erfordert hätte,
nicht mehr im richtigen Verhältnis zum Nutzen stehen würden. Die
1 Vgl. auch S. 85.
73
mit dem Verkauf des Katalogs gemachten Erfahrungen waren auch
nicht derart, daß sie zur Fortsetzung des Unternehmens ermunterten. *)
Die schnelle Vermehrung der Bibliothek**) und die starke Zunahme
ihrer Benutzung machte eine Erhöhung des E t a t s unabweisbar. Mit
der Verlegung in ein besonderes Gebäude begann der in der Folgezeit
eigentlich nie unterbrochene Kampf der Bibliotheksleitung, um die
unzulänglichen Mittel der Anstalt auf eine ihrer Bedeutung entsprechende
Höhe zu bringen.
Am 19. April 1839 beantragte Wilken beim Minister, den Fonds
durch Überweisung des A n t e i l s an d en I m m a t r i k ul a t i o n s-
gebühren zu vermehren, der bis dahin der Königlichen Bibliothek
zugeflossen war. Die jährlich zur Verfügung stehenden etatsmüßigen
500 Taler, so führt der Oberbibliothekar in diesem Antrage aus, sind
bisher schon durch die Besoldung des Aufsehers auf 400 Taler ver-
mindert worden; und aus dieser Summe müssen von nun an auch
die Kosten für einen Diener, für die Instandhaltung des Lokals, die
Feuerversicherung und die sonstigen sächlichen Ausgaben bestritten
werden. Gering veranschlagt dürften hierzu 150 Taler jährlich er-
forderlich sein, also nur noch 250 Taler zur Anschaffung von Büchern
und für den Buchbinderlohn übrig bleiben. Der Buchbinderlohn allein
beträgt jährlich gegen 200 Taler und wird zum größten Teile für den
Einband der Pflichtexemplare, der Universitäts- und Schulschriften und
der Dubletten der Königlichen Bibliothek verwandt. „Nach Bestreitung
dieser sämtlichen Ausgaben bleibt nur eine so geringe Summe zu zweck-
mäßigen Bücheranschaffungen disponibel, daß es ferner gar nicht
möglich sein wird, die Universitäts-Bibliothek ihrer Bestimmung auch
*) Über den Verkauf des Katalogs und seines Supplements mußte dem
Ministerium jährlich berichtet werden. Der Direktor Erman erhielt 1891, da seit vielen
Jahren ein Verkauf des für die Benutzer ganz wertlos gewordenen Verzeichnisses
nicht mehr stattgefunden hatte, ans seinen Antrag die Erlaubnis, die noch vorhandenen
Exemplare (684 des Katalogs, 128 des Supplements) bis auf einige wenige, die
aufbewahrt werden sollten, als Makulatur zu verkaufen.
**) Der jährliche Zugang betrug durchschnittlich etwa 1000 Nummern. Die
Berliner Universitäts-Bibliothek nahm demnach ebenso wie in der Benutzung so
auch in der Vermehrung schon damals unter den preußischen Universitäts-Bibliotheken
eine beachtenswerte Stelle ein. Im Jahre 1835, in dein sie sich um 783 Nummern
vermehrte, betrug uach beu gedruckten Akzessionskatalogen der Zugang in Bonn 1928,
Breslau 1390, Königsberg 534, Halle (wo allerdings nur die gekauften Werke auf-
geführt sind) 446 und Greifswald 244 Nummern.
74
nur einigermaßen näher zu bringen. Es ist daher dringend notwendig,
daß ans die Vermehrung des Fonds Bedacht genommen werde, und es
dürfte die Überweisung des Anteils an den Jmnratriknlationsgebühren,
welcher gegenwärtig an den Fonds der Königlichen Bibliothek gezahlt
wird, an den Fonds der Universitäts-Bibliothek nicht allein hierzu die
geeignetsten und genügenden Mittel darbieten, sondern es scheint mir
selbst in der Billigkeit zu beruhen, jetzt, nachdem für die Universität
eine besondere derselben angehörige Bibliothek errichtet ist, für letztere
anch diejenigen Geldmittel zu verwenden, welche von der Universität
zur Anschaffung von Büchern ausgebracht werden." Natürlich müßte
der Königlichen Bibliothek für den ihr entgehenden Anteil an den Jm-
matriknlationsgebühren, der jährlich 600 bis 700 Taler betrage, die
erforderliche Entschädigung zuteil werden.
Der Senat, von Wilken um Unterstützung dieses Gesnches an-
gegangen, erkannte in seinem Berichte an den Minister die Notwendigkeit
einer Vermehrnng des Fonds vollkommen an, erklärte aber, bei reif-
licher Erwägung des Interesses der Universität nicht damit einverstanden
zu sein, daß die Vermehrung durch Überweisung des Anteils an den
Jmnratriknlationsgebühren erzielt werde.
Bei der gänzlich unzureichenden Dotierung der Universitäts-
Bibliothek war es dem Senat nicht zu verdenken, daß er über die weitere
Entwickelung der Anstalt trotz ihren bisherigen Erfolgen doch nur sehr
pessimistisch dachte und es vorzog, im näheren Zusammenhange mit
der Königlichen Bibliothek zu bleiben:
„Der engere Verband der Universität mit der Königlichen Bi-
bliothek ist ersterer, und ganz besonders für das Interesse der Stn-
direnden von der höchsten Wichtigkeit, und bei dem dermaligen
Zustand der Universitäts-Bibliothek ungleich wichtiger als die letztere
selbst, da aus dem Berichte des Oberbibliothekars Über den Zustand
und die Mittel der Universitäts-Bibliothek hinreichend hervorgeht, daß
dieselbe niemals für das Bedürfniß der Stndirenden genügende
Aushilfe und Ersatz wird gewähren können."
Der Minister lehnte den Antrag Wilkens ab, da die erforderlichen
Mittel nicht zur Verfügung ständen, um die Königliche Bibliothek für
den Verlust der Jmmatrikulationsgebühren zu entschädigen.
Wie ans die Verbessernng der finanziellen Verhältnisse, so mußte
Wilken auch auf die Entlastung Pinders und seines Gehilfen Bruns
infolge der Übersiedelnng Bedacht nehmen, da die Obliegenheiten
75
beider durch die Neuordnung der Dinge erheblich vermehrt wurden.
Um den ohnehin: so beschränkten Fonds dafür nicht in Anspruch nehmen
zu müssen, schlug er Ende März 1839 dem Minister vor, daß bei der
Verleihung von Stipendien vier Studierenden die Verpflichtung auf-
erlegt würde, an zwei Nachmittagen jeder Woche in der Universitäts-
Bibliothek bei der Erledigung der Geschäfte Hilfe zu leisten. Da aber
eine solche Verpflichtung mit den Satzungen der bestehenden Stipendien
nicht wohl vereinbar war, machte der Senat seinerseits den Vorschlag,
für jenen Zweck vier neue Stipendien, von je fünfzig Reichstalern
jährlich, zu gründen. Aus Mangel an geeigneten Fonds konnte der
Minister dieser Anregung des Senats aber keine Folge geben.
Die umfangreichen Geschäfte der Universitäts-Bibliothek wurden
also weiter besorgt von einem Aufseher, der mit 100 Talern jährlich
belohnt wurde, und einem Gehilfen, der außer einer freien Wohnung
von bescheidenstem Umfange keinerlei Entschädigung erhielt. Die er-
forderlichen Botengänge und die Reinigung des Lokals — außer der
jährlichen Hauptreinigung, die besonders bezahlt wurde — besorgte
eine Aufwärterin für eine Remuneration von monatlich zwei Talern.
Da aber häufiger Besorgungen, z. B. bei Buchhändlern, zu machen
waren, die von der Aufwärterin nicht geleistet werden konnten, mußte
Pinder sich diesen Besorgungen nicht selten selbst unterziehen oder sie
von seinen eigenen Dienstboten ausführen lassen. Daß diese Zustände
unhaltbar waren und die Bibliothek, wenn sie überhaupt weiterbestehen
sollte, ebenso wie die anderen Universitäts-Bibliotheken besoldeter Be-
amten bedurfte, lag auf der Hand.
Noch wenige Wochen vor seinem Tode machte Wilken einen neuen
Versuch zur Besserung der Verhältnisse, indem er am 6. Dezember 1840
bei den Etatsanmeldungen für 1841 beantragte, daß der Senat sich für
die Bildung eines Gehaltsfonds und die Erhöhung des Anschaffungs-
fonds der Universitäts-Bibliothek verwenden möge. Auf Grund eines
von Pinder an ihn erstatteten Berichts über den Zustand und die Be-
dürfnisse der Bibliothek schlug er an Gehältern und Remunerationen
vor für den Aufseher 300 Taler, den Gehilfen 200 Taler und 100 Taler
für einen Diener, dessen Anstellung, wenn auch nicht für den ganzen
Tag, dringend notwendig fei. Zum Ankauf von Büchern und für Buch-
binderarbeiten sollten 1000 Taler, zu verschiedenen Ausgaben 100 Taler
verwandt werden, so daß die Ausgaben, ohne die aus anderem Fonds
bestrittene Miete von 600 Talern, insgesamt 1700 Taler betragen würden.
76
Da die Einnahmen ans den Habilitations- und Promotionsgebühren
sich in jener Zeit im Durchschnitt auf mehr als 700 Taler jährlich be-
liefen, war die von Willen angestrebte Aufbesserung des Fonds durch
einen jährlichen Zuschuß von 1000 Talern zu erreichen.
Die wiederholten Berichte der Bibliotheksleitung über den finan-
ziellen Notstand der Anstalt hatten den Erfolg, daß auf deu Antrag des
Ministers am Ausgang des Jahres 1841 vom Könige für die Universitäts-
Bibliothek ein jährlicherDotationszuschußvon 600 Ta-
lern bewilligt wurde, wodurch der fehlende Gehaltsfonds gebildet und
der Anschaffungsfonds, freilich nicht in dem gewünschten Maße, ver-
größert werden konnte. Wie das Ministerium dem Bibliothekar Spiker,
der nach Willens Tode die Geschäfte des Oberbibliothekars inter-
imistisch führte,*) am 20. Dezember 1841 mitteilte, sollten von dieser
Summe 200 Taler zur Verbesserung des Gehalts des Kustos, 200 Taler
zur Remunerierung des Gehilfen, 100 Taler zur Besoldung des neu
anzustellenden Bibliotheksdieners, der aus der Zahl der mit einem
Zivilversorgungsschein versehenen Militärinvaliden zu wählen sei, und
endlich 100 Taler zur Vermehrung der Bibliothek verwandt werden.
Die für Pinder und Bruns bewilligten Summen wurden von der
Generalkasse des Ministeriums schon für die Zeit vom 1. Januar 1841
an gezahlt, während die Beträge für den Diener und für die Vermehrung
der Bibliothek erst vom 1. Januar 1842 an dem Fonds der Universitäts-
Bibliothek überwiesen wurden.
Einen weiteren Zuschuß erhielt die Bibliothek dadurch, daß der
König auf den Vortrag des Ministers durch Kabinettsorder vom 15. März
1842 ihr aus dem Brandenburgisch -Märkischen Sti-
len d i e n f o n d s **) vom 1. April 1842 an jährlich 50 Taler zur
zweckmäßigen Verwendung bewilligte. Die Einnahmen betrugen nun-
mehr (nach dem Etatsentwurf für 1842—45) einschließlich der auf
766 Taler 20 Sgr. veranschlagten Beiträge aus den bei der Universität
eingehenden Gebühren und des besonderen Zuschusses für die Miete
*) Der Minister übertrug am 30. Dezember 1840 Spiker die interimistische
Verwaltung der Geschäfte Willens und ernannte außerdem am 12. Januar 1841 den
Geheimen Ober-Regierungsrat Kortüm zu seinem Kommissar bei der Königlichen Bi-
bliothek während der Erledigung der Stelle des Oberbibliothekars. Die Wiederbesetzung
des Postens erfolgte erst am 3. Mai 1842, an welchem Tage Pertz von Kortüm ver-
eidigt und in sein Amt eingeführt wurde.
**) Über das „Brandenburgische Märkische Stipendium" vgl. Daude a. a. O.
S. 573—75.
77
2016 Taler 20 Sgr., wovon für den Ankauf von Büchern und für Buch-
binderarbeiten 704 Taler 20 Sgr. bestimmt waren.
Da es Schwierigkeiten machte, einen für die Stelle des Dieners
geeigneten Militärinvaliden zu finden, schlug Pinder im Februar 1842
vor, die zur Besoldung der Stelle jährlich ausgesetzten 100 Taler einst-
weilen in anderer Weife zu verwenden. Die Reinhaltung des Lokals
und der Bücher sollte die Witwe Hartwig, die unmittelbar neben der
Bibliothek in demselben Gebäude wohnte, wie bisher für monatlich
zwei Taler besorgen. Nach Abzug von 12 Talern für die jährlich ein-
nral vorzunehmende allgemeine Reinigung blieben dann noch 64 Taler
übrig. Diese Summe würde ausreichen, um für einige Stunden des
Tages einen hinlänglich gebildeten und geschickten Mann zu gewinnen,
der die Botengänge zu besorgen und beim Herbeiholen und Wieder-
einordnen der Bücher, bei der Beaufsichtigung des Publikums und bei
den Schreiberarbeiten Hilfe zu leisten hätte. Mit diesem Vorschlage
erklärte sich der Minister, nachdem Pertz ein zustimmendes Gutachten
abgegeben hatte, am 20. September 1842 einverstanden.
Der im Etat für die Anschaffung von Büchern und für Buchbinder-
arbeiten bestimmte Fonds von 704 Talern wurde durch die Kosten
der Einbände der größtenteils unentgeltlich erworbenen Werke so sehr
in Anspruch genommen, daß für den Ankauf von Büchern in den nächsten
Jahren nur 400 bis 500 Taler verwendbar blieben. Mit dieser Summe
konnten aber weder die kostbareren Werke angeschafft werden, noch war es
möglich, die für das Studium unentbehrlichsten Werke in mehreren
Exemplaren zu erwerben, wie es im Interesse der Studierenden ge-
legen hätte und wie es auch bei der Gründung der Bibliothek beabsichtigt
worden war. In dem am 3. März 1846 für 1844 und 1845 erstatteten
Jahresbericht empfahl Pinder deshalb eine weitere Erhöhung dieses
Fonds, um so nrehr, als die mrentgeltlich erworbenen Bücher nur zum
Teile den eigentlichen Zwecken der Bibliothek entsprächen. Auch
der Senat wurde am 20. April 1846 zugunsterr der Universitäts-Bi-
bliothek beim Minister Eichhorrr vorstellig. Seine Ausführungen find
deshalb besonders bemerkenswert, weil hier zum ersten Male von der
Univerfitätsbehörde der Fortschritt der Bibliothek und ihre wachsende
Bedeutung sowohl für die Studenten wie für die Dozenten der Univer-
sität uneingeschränkt anerkannt werden:
„Der Inhalt jdes Pinderfchen Berichtes^ hat uns die Über-
zeugung von dem steigenden Gedeihen und der steigenden Nlitzlichkeit
78
der Universitäts-Bibliothek bestätigt, eine Überzeugung, welche wir
auch anderweitig und namentlich aus den Erzählurrgen der Studiren-
den gewonnen hatten. Die Universitäts-Bibliothek, erst vor fünfzehn
Jahren gegründet, hat nicht bloß an Umfang zugenommen, sondern
wird auch immer mehr benutzt und die Nothwendigkeit der Anstalt
wird immer einleuchtender. Zwar ist den Studirenden auch die
allgemeine Königliche Bibliothek zugänglich; sie dürfen dort Bücher
entleihen, und das ihnen in dem Lokal der Bibliothek freigebig ge-
öffnete Lesezimmer bietet ihnen große wissenschaftliche Vortheile.
Aber mit der in fast unglaublichem Verhältniß wachsenden Größe
der Stadt wächst auch der Zudrang zur Benutzung der Königlichen
Bibliothek. Die wichtigeren Bücher sind dort anderweitig begehrt
und verliehen und bei aller gefälligen Bereitwilligkeit seitens der
Königlichen Bibliothek wird es namentlich den Studirenden nicht
selten schwer, der gewünschten, aber anderweitig umlaufenden Bücher
habhaft zu werden. Bei dem großen Publikum, das in und außer
Berlin die Königliche Bibliothek wie eine Zentralanstalt in Anspruch
nimmt, kann es nicht anders sein. Daher sind den wissenschaftlichen
Instituten außer dem zu der Königlichen Bibliothek geöffneten Zugang
für ihre besonderen Zwecke eigene Büchersammlungen unentbehrlich,
wie ja auch die Königliche Kriegsschule, das Museum, die Gymnasien
usw. Bibliotheken besitzen, die zum Theil mit bedeutenden Fonds
ausgestattet sirrd. Die Universität mit ihren 1600 immatrikulirten
Studenten und mehr als 160 Docenter: hat in dieser Beziehung
ohne Frage ein größeres Bedürfniß als alle anderen und sie erkennt
dankbar, was für sie namentlich in den letzten Jahren zur Befriedigung
desselben geschehen ist.
Im allgemeinen wird die Universitäts-Bibliothek vorzugsweise
vor: den Studirenden benutzt, aber auch die Docerrten, namerrtlich
die jüngeren, denen nach ihrer ganzen Lage Beschaffurrg von Bücherrr
oft unmöglich ist, finden dort vielfach die Hilfsmittel, deren sie sonst
zum Nachtheil ihres Berufes entbehren würden. Die zuvorkommende
Gefälligkeit, mit der die Beamten der Universitäts-Bibliothek die
Benutzung erleichtern, wird aber allgemein anerkannt. Jnsbesorrdere
ist die Eirrrichtung rrützlich, daß Werke vor: hervorragendem wissen-
schaftlichen: Interesse, wenn es das Bedürfniß erfordert, auch irr
mehreren Exemplaren angeschafft werden. .. Aber gerade die An-
schaffung desselben bändereichen Werkes in mehreren Exemplaren,
wodurch allein eine verbreitetere Theilnahme an dem Großen und
Echten der wissenschaftlichen Literatur möglich wird, kostet mehr,
als die Fonds für jetzt gestatten, und ist nur in seltenen Fällen zulässig,
so lange noch das erste Exemplar wichtigerer Werke fehlt.
Nach dem eingangs erwähnten Berichte bleiben zum Ankauf
von Büchern alljährlich nur 300 bis 400 Thaler zu verwenden übrig,
eine Summe, die schon vergleichnngsweise sehr gering ist, wenn z.
B. dem nach die Bibliothek des Kgl. Joachimsthalischen
Gymnasiums zu gleichem Zwecke jährlich über 300 Thaler verfügt,
die Kgl. Kriegsschule in der Regel über 1000 Thaler."
Die Universität bringe aus ihrer Mitte durch Beitrüge bei der Er-
nennung von Professoren und bei Habilitationen und Promotionen
einen Teil der jährlichen Einnahmen der Universitäts-Bibliothek auf.
Es werde nicht möglich sein, diese im Etat auf 766 Taler veranschlagte
Summe zu steigern, wenn nicht andere Rücksichten darunter leiden
sollten. Unter diesen Umständen wende sich der Senat an die Fürsorge
des Ministers und stelle es seinen: Ermessen anheim, ob er für das dar-
gelegte wissenschaftliche Bedürfnis der Universitäts-Bibliothek die Gnade
des Königs ansprechen und namentlich zur Anschaffung der Bücher auf
eine Erweiterung der Fonds antragen wolle.
Eine Antwort des Ministers auf diese Vorstellung findet sich nicht
bei den Akten. Der Anschaffungsfonds wurde auch erst sehr viel später
aufgebessert.
Bei der Vermehrung der Bibliothek aus eigenen
Mitteln wandte auch Pertz seine besondere Aufmerksamkeit den An-
käufen auf Auktionen und aus Nachlässen zu. So wurden vorteilhafte
Erwerbungen gemacht im Jahre 1839 bei der Versteigerung der Bücher
des Greifswalder Philologen Walch, 1840 bei der Dublettenauktion
der Leipziger Universitäts-Bibliothek, 1841 bei der Wilkenschen und der
von Altensteinschen und 1844 bei der Niebuhrschen Auktion. Einen
besonders wichtigen Zuwachs erhielt das Fach der klassischen Philologie
im Jahre 1841 durch 144 zum Teil sehr bändereiche Werke, die aus dem
Nachlasse des Professors N a e k e in Bonn für ein Viertel der anti-
quarischen Schätzung erworben wurden. Aus der 1844 angekauften
Büchersammlung des verstorbenen Hofstaats-Sekretärs Langbecker
überließ ferner die Königliche Bibliothek der Universitäts-Bibliothek
74 Werke zum Preise von 30 Talern. Der größte und wertvollste Teil
der Langbeckerschen Sammlung bestand aus hymnologischen Werken,
80
die den in diesem Fache schon reichen Besitz der Königlichen Bibliothek
vervollständigten, während die zu anderen Wissenschaften gehörenden
Bücher säst sämtlich schon vorhanden waren und als Dubletten verkauft
wurden. Die umfangreichste Erwerbung aus den etatöTnäfjigen Mitteln
der Universitäts-Bibliothek war der Ankauf der Büchersammlung, die
der Professor Dr. Georg Friedrich Puchta hinterlassen hatte. *)
Nach Puchtas Tode (8. Januar 1846) war die Sanunlung in den Besitz
des Professors Homeyer übergegangen und wurde von diesem am
Ende des Jahres 1848 für 350 Taler an die Universitäts-Bibliothek
verkauft. Der Zuwachs bestand aus 773 fast ausschließlich juristischen
Werken, die sich für die Zwecke der Bibliothek vortrefflich eigneten.
In den 1840er Jahren bildeten die Geschenke einen noch
größeren Teil des Zuganges als in dem ersten Jahrzehnt des Bestehens
der Bibliothek. Die erfreuliche Teilnahme, die der Anstalt von vielen
Behörden, Gesellschaften und Privatpersonen des In- und Auslandes
schon in dieser Zeit zugewandt wurde, konnte mit Recht als eine An-
erkennung ihrer steigenden Nützlichkeit aufgefaßt werden.
König Friedrich Wilhelm IV. übersandte durch beit Kultusminister
mehrere wertvolle Werke, so die Publikationen der Aelfric Society zu
London, einige Bände der Nonnmenta Oermaniae und die Pracht-
ausgabe von L. Schneiders Geschichte der Oper in Berlin. Ebenso
wurde auf königlichen Befehl im Jahre 1843 in der Bibliothek ein hand-
schriftliches Verzeichnis sämtlicher Werke, die die Königliche und Uni-
versitäts-Bibliothek zu Breslau über märkisches Recht und märkische
Geschichte besaß, niedergelegt, um die Berliner Gelehrten auf jene
Schriften aufmerksam zu machen.**)
Das vorgesetzte Ministerin in fuhr nicht nur mit der
Überweisung solcher Werke fort, die ihm selbst als Geschenke zugegangen
waren oder auf die es zur Förderung der Wissenschaft subskribiert hatte,
*) Puchta hatte der Berliner Universität als Nachfolger Savignys seit dem
Winter-Semester 1842/43 angehört. Vgl. über ihn Mgemeine Deutsche Biographie.
Bd. 26. Leipzig 1888. S. 685—87.
**) Dem umfangreichen Verzeichnis, das sich seit 1893 in der Handschriften-
Abteilung der Königlichen Bibliothek befindet, ist auch eine Liste der auf der Breslauer
Universitäts-Bibliothek (namentlich in der Steinwehrschen Sammlung) vorhandenen
Handschriften zur brandenburgischen Geschichte und zum brandenburgischen Recht
sowie ein Verzeichnis der im Universitätsarchiv aufbewahrten Originalurkunden
beigefügt, die sich aus brandenburgische und pommersche Geschichte beziehen.
81
sondern es trat auch im Jahre 1843 aus der B ü ch e r s a m m l u n g
der Medizinal -Abteilung nicht weniger als 3281 Werke
an die Universitäts-Bibliothek ab. Wegen Raummangels imDiensthause
des Ministeriums war es nötig geworden, die durch Ankäufe und Zu-
wendungen erheblich angewachsene Bibliothek der Medizinal-Abteilung
auf die notwendigsten Bücher zu beschränken, und der Minister Eichhorn
verfügte deshalb am 28. April 1843 die Abgabe der entbehrlichen Werke
an die Universitäts-Bibliothek. Die Unterbringung dieses großen Zu-
wachses verursachte hier, da die vorhandenen Repositorien bereits gefüllt
waren, beträchtliche Schwierigkeiten. Das Ministerium hatte zwar den
größeren Teil der Schränke, die bisher zur Aufbewahrung der Bücher
gedient hatten, mit überwiesen, doch reichten diese Schränke, die zudenr
meist sehr reparaturbedürftig waren, zur ordnungsmäßigen Aufstellung
der Bücher nicht aus, konnten auch in dem bereits sehr angefüllten
Bibliothekssaal nicht mehr aufgestellt werden. Wohl aber war es möglich,
noch mehrere Repositorien von gleicher Art wie die schon vorhandenen
unterzubringen, da sie in der Breite und Tiefe einen bei weitem kleineren
Raum einnahmen als die Schränke, dabei aber bedeutend höher und
zweckmäßiger eingerichtet waren und so für eine verhältnismäßig größere
Zahl von Büchern Platz boten. Pertz erbat deshalb von: Ministerium
die Erlaubnis, die erforderlichen und noch gerade in dem Büchersaal
unterzubringenden 13 Repositorien anfertigen zu lassen. Durch Ver-
fügung vom 14. Juni 1843 genehmigte der Minister dieses Gesuch *)
und erklärte sich auch mit dem weiteren Antrage von Pertz einverstanden,
daß diejenigen unter den überwiesenen Büchern, die sich nrehr für die
Königliche Bibliothek als für die Universitäts-Bibliothek eigneten, an
jene abgegeben würden. **)
Zahlreich und wertvoll waren die vor: der Königlichen
Bibliothek abgetretenen Dubletten. Neben den durch
die Zuwendungen der Akademie der Wissenschaften entstandenen zweiten
Exemplaren sind davon namentlich zu erwährren eine Reihe seltener
Bücher zur orientalischen Geschichte mrd Sprachkunde, die aus den
*) Für die Anfertigung dieser insgesamt 52 laufende Fuß langen Repositorien,
deren Aufstellung im August erfolgte, wurde dem Tischlermeister Bidtel der Betrag
von 193 Talern 4 Sgr. 9 Pf. aus dem Baufonds der Berliner wissenschaftlichen An-
stalten gezahlt.
**) Die Königliche Bibliothek erhielt infolge dieses Erlasses eine größere
Anzahl medizinischer Werke, namentlich ältere Pharmakopöen und Monographien.
Friese, Univ.-Bibl. Berlin. 6
82
mehrmaligen Geschenken der englischen Ostindischen Kompagnie stamm-
ten, 32 meist historische Werke, die durch die Einverleibung eines großen
Teiles der von König Friedrich Wilhelm III. hinterlassenen Bibliothek
entbehrlich geworden waren, und die aus der Bledowschen und der
Liagnoschen Sammlung herrührenden Bücher.
Die von dem berühmten Schachspieler Ludwig B l e d o w , Lehrer
der Mathematik am Köllnischen Realgymnasium in Berlin, bei seinem
Tode (6. August 1846) hinterlassene Bibliothek über das Schachspiel,
wurde für 600 Taler, die der König außerordentlich bewilligt hatte,
zur Ergänzung des Bestandes der Königlichen Bibliothek angekauft.
Die Erwerbung der ht einer langen Reihe voit Jahrett mit Sachkenntnis
z tts atmn eng eb r a chten, annähernd vollständigen Sammlung bereicherte
die Königliche Bibliothek um mehr als 400 Werke. Der Universitäts-
Bibliothek wurden von den entstandenen Dubletten 31 Werke über-
wiesen.
Erheblicher war der Zuwachs aus der Sammlung des verstorbenen
Bibliothekars deLia gno,*) deren Ankauf der König aus dem Kron-
Fideikommiß-Fonds genehmigt hatte. Ent Teil der Liagnoschett Blicher
wurde der königlichen Privatbibliothek einverleibt und der Rest im Jahre
1849 zur Verteilung ent die Königliche Bibliothek uttd, soweit diese
davon keinen Gebrauch machen könnte, an die Universitäts-Bibliotheken
oder andere wissettschaftliche Anstalten bestimmt. Die Auswahl für
die Königliche Bibliothek betmtzte Pertz, um zugleich die Werke zu
bezeichnen, bereit Besitz ihm für die Berliner Universitäts-Bibliothek
erwünscht schien. Die Königliche Bibliothek erhielt 921, die Universitäts-
Bibliothek 173 Werke verschiedener Wissensgebiete.**)
Von ben ausländischen Behörden, die ihre Publikatiotten über-
wiesen, ist besonders das französische Unterrichtsministerium zu nennen,
das die einzeltten Teile der vott ihm herausgegebetten grossen Quellen-
sammlung „Collection de documents inédits sur Fhistoire de France“
regelmäßig gleich nach dem Erscheinen übersandte.
*) Alvar Augustin Chevalier de Liagno (Liaüo) war von 1810 bis 1822 Bi-
bliothekar der Kgl. Bibliothek. Er starb zu Neuwied.
**) Der Rest der Sammlung wurde vom Ministerium zunächst der Bibliothek
der Allgemeinen Kriegsschule, dann der Bibliothek desJoachimsthalschen und endlich
der des Friedrich-Wilhelms-Gymnasiums zur Auswahl übergeben. Die letztgenannte
Anstalt erhielt die Erlaubnis, die noch übrig gebliebenen und für sie nicht geeigneten
Bücher zum Besten ihrer Fonds zu veräußern.
83
Groß war die Zahl der Geschenke von Privatpersonen und Gesell-
schaften, wobei aber zu bemerken ist, daß unter den Professoren, von
denen doch in erster Linie Teilnahme für die Bibliothek ihrer Universität
zu erwarten gewesen wäre, nur wenige waren, die der Anregung des
Ministeriums, durch Zuwendungen namentlich der eigenen Werke zur
Vermehrung der Universitäts-Bibliothek beizutragen, entsprachen *).
Wie früher Wilken beklagte Pertz sich mit Recht über das mangelnde
Interesse der Dozenten, gab, was hier gleich angeführt sein mag, freilich
selbst durch Nichtbeachtung des vereinbarten Geschäftsganges dem Senat
noch mehr als sein Vorgänger zu Beschwerden Anlaß. Die Jahresberichte
für 1842 bis 1845 wurden: von ihm direkt den: Ministerium übersandt
und für die Jahre 1846 bis 1849 überhaupt keine Berichte erstattet.
Als Pertz im April 1849 der Universität von den auf seinen Antrag
erfolgten Ernennungen des Aufsehers zum Bibliothekar und des Gehilfen
zum Kustos erst nachträglich Mitteilung machte, drückte der Senat
von neuem schriftlich den Wunsch aus, daß die Bibliotheksleituug
ihrem Verfahren das Abkommen vom 21. April 1831 zugrunde legen
möge.
Die wichtigsten Zuwendungen von privater Seite waren folgende:
Im Jahre 1839 schenkte der Wirkliche Geheime Oberregierungsrat
vr. N i c o l o v i u s, vormals Direktor im Kultusministerium, 41 Werke
verschiedener: Inhalts.
In demselben Jahre wurde die Bibliothek vor: dem gelehrter:
Eigentümer der Nicolaischen Buchharrdlung, vr. Gustav Parthey,
durch eine erhebliche Zahl wichtiger Bücher bereichert. Die von ihm
geschenkter: 46 Werke (rund 700 Bände) sind fast sämtlich Sammelwerke,
Zeitschriften oder Monographien größeren Umfar:ges. Es befinde:: sich
darunter: Commentarii, Novi Commentarii und Commentationes
societatis regiae scientiarum Gottingensis, Deutsche Acta Eruditorum
Th. 1—228, Neue Bibliothek der schönen Wissenschaften und der freien
Künste Bd 1—72, Göttingische gelehrte Anzeigen 1776—99, das
Zedlersche Universal-Lexikon, Schroeckh Christliche Kirchengeschichte
*) Geschenke gingen ein von den Professoren I. Bekker, Böckh, Froriep,
Otto Goeschen, der auch noch nach seiner Versetzung von Halle aus verschiedene Werke
überwies, Heydemann, Homeyer, Horkel, Lachmann, der 70 Werke aus der klassischen
und germanischen Philologie stiftete, von Lancizolle, Osann, Poggendorff, dem die
Bibliothek 50 Bände der Annalen der Pharmazie und ihrer Fortsetzung der Annalen
der Chemie und Pharmazie verdankt, Karl Ritter, Stuhr und Trendelenburg.
6*
84
Th. 1—85, ©trübe Bibliotheca historica ed. Meusel Vol. 1—11,
Büschings Magazin für die neue Historie und Geographie Th. 1—23,
Göttingisches historisches Magazin 1—6 und ähnliche Werke. Viele
der von Parthey überwiesenen Bücher stammen ans der umfangreichen
und wertvollen Bibliothek seines Großvaters Friedrich Nicolai; sie
enthalten meist noch das Nicolaische Exlibris und sind äußerlich leicht
an den nüchternen gelben Pappbänden zu erkennen, die Nicolai für seine
sämtlichen Bücher verwandte.*) Um das Andenken an die große Gabe
Partheys wach zn erhalten, wurden in die von ihm gestifteten Bände
Geschenkzettel mit der gedruckten Aufschrift „Donum Gustavi Parthey“
eingeklebt.**)
Dem Hamburger Rechtsgelehrten und Bibliographen Dr. Friedrich
Lorenz Hossmann verdankt die Universitäts-Bibliothek 44 Werke
meist geschichtlichen Inhalts, die ihr in den Jahren 1840, 1845 und 1849
zugingen.***)
Das Jahr 1842 brachte eine sehr mrsehnliche Vermehrung durch
zwei medizinische Büchersammlungen.
Erstens übergab die Witwe des Geheimen Medizinalrates und
Professors an der Berliner Universität Dr. Emil O s a n n am 14. März
die von ihrem Manne hinterlassene balneologische Biblio-
thek. Osann, der als Begründer der wissenschaftlichen Bäderkunde
angesehen wird, hatte in seinem Testamente vom 4. Juni 1836 be-
stimmt, daß seine Sammlung von Schriften über Mineralbrunnen —
wohl die vollständigste, die damals in Deutschland existierte — nach
*) Vgl. G. Parthey, Jugenderinnerungen. Teil 1. Berlin 1907. S. 182.
Die Bibliothek Nicolais bestand bei seinen: Tode ans mehr als 16 000 Bänden und
war damals wohl die größte Privatbibliothek in Berlin.
**) Wie sein Großvater Nicolai verschiedenen staatlichen und städtischen Bücher-
sammlungen in Berlin (z.B. der Königlichen Bibliothek und demGymnasium zunr grauen
Kloster) reiche Zuwendungen machte, so hat auch Parthey mit nicht gewöhnlicher
Freigebigkeit außer der Berliner Universitäts-Bibliothek eine Reihe anderer Anstalten
mit wertvollen Büchergeschenken bedacht: die Königliche Bibliothek, das Geheime
Staatsarchiv und das Gymnasium zum grauen Kloster in Berlin, die Universitäts-
Bibliothek zu Athen, die Bibliothek des Gymnasiums in Flensburg, die Universitäts-
Bibliothek zu Straßburg und das Archäologische Institut zu Rom. Vgl. auch All-
gemeine Deutsche Biographie. Bd. 25. Leipzig 1887. S. 190.
***) Hossmann besaß selbst eine treffliche Bibliothek von etwa 5000 Bänden,
die nach seinem Tode in den Besitz der Hamburger Stadtbibliothek überging. Vgl.
I. Petzholdt, Handbuch Deutscher Bibliotheken. Halle 1853. S. 177 und Zeitschrift
des Vereins für Hamburgische Geschichte. Bd. 8. Hamburg 1889. S. 73.
85
seinem Tode der Universitäts-Bibliothek zufiele.*) Die eigenartige
Sammlung zählte bei der Übergabe einschließlich der meist zu Sammel-
bänden vereinigten zahlreichen Broschüren 1155 Nummern; sie brachte
der medizinischen Abteilung der Bibliothek eine Bereicherung um rund
1000 Schriften. Die Einverleibung der Osannschen Bücher, deren
Herkunft durch eingeklebte Zettel mit dem Aufdruck „Ex legato Aemilii
Osanni 1842“ kenntlich gemacht wurde, konnte schon im Anfang des
folgenden Mouats beendigt und dieser Zuwachs noch in das Sup-
plement des Kataloges der Bibliothek aufgenommen werden, dessen
Drucklegung damals gerade vomMüüsterium genehmigt worden war.**)
So wertvoll dieses Legat nun auch an und für sich war, so hatte
es für die Zwecke der Universitäts-Bibliothek doch nicht die Bedeutung,
wie die zweite größere Erwerbung desselben Jahres, die B ü ch e r-
samnrlung der Hnfelandischeu Gesellschaft. Die
von Hufeland 1810 gegründete „Medizinisch-chirurgische Gesellschaft",
der bei Gelegenheit des 50jährigen Doktor-Jubiläums ihres Stifters
im Jahre 1833 auf ihr Ansuchen durch königliche Kabinettsorder der
Name „Hufelandische Gesellschaft" und Korporationsrechte verliehen
worden waren, faßte am 18. Mürz 1842 den Beschluß, ihre Bibliothek
die sich im Laufe der Jahre durch zahlreiche Geschenke und vornehmlich
durch das Halten der wichtigsten in- und ausländischen medizinischen
Zeitschriften angesammelt hatte, aufzugeben. ***) Wie der Medizinalrat
und Hofmedikus vr. Busse als derzeitiger Direktor am 19. Oktober
Pertz mitteilte, war weiter beschlossen worden, die Bibliothek derFriedrich-
Wilhelms-Universität als Geschenk zu überlassen und auch in Zukunft
*) Osann, geb. 25. Mai 1787 in Weimar, wurde 1810 in Berlin Assistenzarzt
an der von seinem Onkel und späteren Schwiegervater Hufeland errichteten Poli-
klinik, 1815 Privatdozent, 1818 außerordentlicher, 1826 ordentlicher Professor für
Heilmittellehre an der Universität, 1833 Direktor des poliklinischen Instituts; er starb
am 11. Januar 1842. Vgl. Allgemeine Deutsche Biographie. Bd. 24. Leipzig
1887. S. 458 f.
**) In dem Supplement sind die aus dem Vermächtnis stammenden Schriften
über Bäder alphabetisch nach den Namen der Badeorte geordnet auf S. 16 bis 37
aufgeführt und alle ehemals Osann gehörigen Werke durch ein den Titeln beigesetztes
0 bezeichnet. Vgl. auch S. 72.
***) Zur Geschichte der Gesellschaft vgl. „Geschichtliche Darstellung der Hufelandi-
schen Gesellschaft zu Berlin. Berlin 1833" und „Geschichtliche Darstellung der Arbeiten
und Leistungen der Hufelandischen Gesellschaft seit dem Jahre 1833. Zur Feier des
50 jährigen Bestehens der Gesellschaft bearbeitet. Hrsg, von der Ges. Berlin
1860."
86
die eingehenden Bücher und die von der Gesellschaft gehaltenen Journale
von Zeit zu Zeit an die Universitäts-Bibliothek einzusenden mit den:
Vorbehalt, daß diese Zusage jederzeit wieder zurückgenommen werden
könne. Es wurde dabei von der Gesellschaft nur die Bedingung gestellt,
daß es ihren ordentlichen in Berlin wohnenden Mitgliedern gestattet
werde, gegen bloßen Empfangsschein ohne Beibringung einer Bürg-
schaft Bücher aus der Königlichen Bibliotheken entleihen. Da bei der
Zusammensetzung der Huselandischen Gesellschaft, deren Mitgliedern
auch schon bisher meistens ohne Kaution Bücher verabfolgt worden
waren, keine Bedenken vorlagen, hierauf einzugehen, erbat Pertz vom
Minister die Ermächtigung zur Annahme der Schenkung, die am 4. No-
vember 1842 erteilt wurde. *)
Die Universitäts-Bibliothek erhielt durch diese Büchersammlung
eine aus ungefähr 1000 Bänden bestehende sehr willkommene und
wichtige Bereicherung. Die übergebenen Werke, zumal die zahlreichen
periodischen Veröffentlichungen, unter denen sich die hervorragendsten
medizinischen Zeitschriften in deutscher, französischer und englischer
Sprache befanden, waren entweder noch gar nicht oder doch nur sehr
liickenhaft vorhanden und auch an eine spätere Anschaffung wäre bei
dem geringen Fonds der Anstalt nicht zu denken gewesen. Die Huselan-
dische Gesellschaft überwies ihrem Versprechen gemäß die bei ihr ein-
gegangenen literarischen Geschenke und die von ihr gehaltenen Zeit-
schriften nach Umlauf bei den Mitgliedern von da an regelmäßig bis zum
Eingehen ihres Journalzirkels im Jahre 1885.
Seit dem Jahre 1844 besitzt die Universitäts-Bibliothek auch eine
kleine ungarische B ü ch e r s a m m l u n g. Am 19. März 1844
bot Johann Gäspär im Namen sämtlicher damals in Berlin studierender
Ungarn dem Oberbibliothekar Pertz zur dauernden Aufbewahrung
in der Universitäts-Bibliothek etwa 250 Bände solcher Werke an, die
entweder in magyarischer Sprache geschrieben waren oder in anderen
Sprachen abgefaßt ungarische Angelegenheiten behandelten. Die von
den ungarischen Studenten im Jahre 1842 angelegte Sammlung sollte
nach der Absicht der Stifter ihren in Berlin zunr Studium sich aufhalten-
*) Wenn auch das Recht der freien Benutzung seitens der Mitglieder der Gesell-
schaft damals ausdrücklich nur für die Königliche Bibliothek ausbedungen war, so
wurde es doch als auch für die Universitäts-Bibliothek geltend betrachtet und auch
diese wurde, wie die Jahresberichte verschiedentlich erwähnen, in der Folgezeit
von den Mitgliedern der Gesellschaft fleißig benutzt.
87
den Landsleuten Gelegenheit zu magyarischer Lektüre bieten und ihnen
auch das Material an die Hand geben, um aufklärend über die Ver-
hältnisse ihres Vaterlandes zu wirken. Da die kleine Bibliothek namentlich
durch Beiträge ungarischer Schriftsteller sich über Erwarten schnell
vergrößerte und die Gefahr vorlag, daß sie späterhin in unrichtige Hände
übergehen und somit ihr Zweck vereitelt werden könnte, wurde von den
durch die Satzungen der Stiftung dazu berechtigten Letzten der Gründer
beschlossen, sie der Universitäts-Bibliothek für immer zu überweisen.
Pertz nahm das Anerbieten unter der Bedingung an, daß alle reglements-
mäßigen Bestimmungen über die Universitäts-Bibliothek sich auch auf
die zur ungarischen Sammlung gehörenden Bücher erstreckten. Um
den Ursprung der Werke, die schon sämtlich mit dem Stempel Berlini
Magyar Könyvtäre versehen waren, nach dem Wunsche der Geschenk-
geber noch besonders kenntlich zu machen, ließ er in alle Bände Zettel
mit der gedruckten Inschrift Ex bibliotheca ab Hungaris universitatis
reg. Fr. W. Berolin. civibus condita einkleben. Mit der kostenfreien
Übergabe der später für die Sammlung eingehenden Geschenke sollte
von den in Berlin studierenden Ungarn stets ein Vertrauensmann be-
auftragt werden, der auch auf der Universitäts-Bibliothek beim Über-
setzen der Titel in das Deutsche behilflich sein sollte. *)
Besonders infolge der Einverleibung größerer geschlossener Bücher-
sammlungen hatte sich auf der Universitäts-Bibliothek in beit wenigen
Jahren ihres Bestehens schon ein beträchtlicher Dublette nbe st and
angesammelt. Auf Anordnung des Ministeriums wurden daraus im
Herbst 1842 und im Anfange des folgenden Jahres von Pertz diejenigen
Werke ausgewählt, die zur Einverleibung in die neugestiftete Uni-
versitäts-Bibliothek zu Athen geeignet schienen.
Unter den Ländern, die der im Mai 1837 nach deutschem Muster
gegründeten athenischen Universität und ihrer Bibliothek lebhaftes
Interesse entgegenbrachten und ihr reichliche Geschenke zuwandten,
stand Deutschland wohl an erster Stelle. Viele Verlagsbuchhändler,
*) Im Sommer 1856 überwies der obengenannte Johann Gäspur, nunmehr
Professor am reformierten Kollegium in Straßburg (Nagy-Enyed) in Siebenbürgen,
der ungarischen Bibliothek 80 Bände hauptsächlich historischen Inhalts und benutzte
zugleich einen längeren Aufenthalt in Berlin, um einen Katalog der Sammlung
anzufertigen und sie danach aufzustellen. Die Bibliothek wuchs bis zum Jahre 1867,
in dem die letzte Zuwendung erfolgte, auf fast 600. Bände an. Sie ist noch heute
nach dem GLspLrschen Kataloge besonders aufgestellt.
88
besonders in Leipzig, überwiesen bei der Gründung der Universität
und in den ersten Jahren ihres Bestehens die von ihnen verlegten,
zum Teil recht wertvollen Werke ohne Entgelt, und verschiedene Re-
gierungen gaben Dubletten der staatlichen Bibliotheken her. *) Der
Kaiser von Österreich verfügte die Abgabe sämtlicher Dubletten der
Wiener Hofbibliothek, und der König von Preußen bestimmte durch
Kabinettsorder vom 24. Mürz 1845, daß die in der Königlichen Bi-
bliothek zu Berlin und in den Universitäts-Bibliotheken zu Berlin, Bonn,
Breslau, Greifswald, Halle und Königsberg von den Bibliotheks-
Vorständen zu diesem Zwecke ausgesuchten Dubletten als ein Zeichen
seines Interesses überwiesen würden. Die 3ufammenfteílimg der von
den einzelnen Bibliotheken geschickten Dubletten und die Aussonderung
des doppelt Eingegangenen besorgte die Königliche Bibliothek, der
auch die Absendung nach Athen oblag. Im ganzen wurden von den
genannten preußischen Bibliotheken 1425 Werke in 2596 Bänden ab-
geschickt. Der auf 1045 Taler 2 Sgr. 6 Pf. angegebene Gesamtwert
dieser Dubletten, der mit Rücksicht auf den beabsichtigten Zweck sehr
gering angesetzt war, sollte den beteiligten Bibliotheken allmählich nach
Maßgabe des Bedürfnisses aus dem Dispositionsfonds des Kultus-
ministeriums als Entschädigung gezahlt werden. Die Königliche Bi-
bliothek erhielt die ihr zustehende Summe von 214 Talern und 8 Sgr.
durch Reskript voni 5. Juni 1847, während die Erstattung des auf
215 Taler 25 Sgr. 6 Pf. abgeschützten Betrages für die Berliner Univer-
sitäts-Bibliothek, die also einen verhältnismäßig großen Teil der nach
Athen abgegebenen Werke beigesteuert hatte, **) erst am 26. Mai 1849
vom Minister auf das Ansuchen der Bibliotheksleitung angeordnet
wurde.
Wenn die Universitäts-Bibliothek bei den oben geschilderten finan-
ziellen Verhältnissen sich auch nur in bescheidenem Maße durch Ankäufe
aus eigenen Fonds hatte vermehren können, so war der Büchervorrat
infolge der vielen Geschenke und Vermächtnisse und durch die zahlreichen
Pflichtexemplare doch gerade in den 1840er Jahren außerordentlich
*) Vgl. Verhandlungen der 5. Versammlung deutscher Philologen und Schul-
männer in Ulm 1842. Ulm 1843. S. 177 s. Serapeum Jg. 6. 1845. S. 383 und
Jg. 7. 1846. S. 271. Anzeiger der Bibliothekwissenschaft. Hrsg, von I. Petzholdt.
Jg. 1845. S. 85 und Jg. 1846. S. 58.
**) Bonn berechnete die abgegebenen Dubletten mit 239 Talern 15 Sgr.,
Breslau mit 140 Talern 21 Sgr. und Greifswald mit 140 Talern 4 Sgr.
89
schnell gewachsen. Von ihrer Aufstellung im Adlerschen Saale bis zum
Ende des Jahres 1848, also in weniger als einem Jahrzehnt, war die
Bändezahl von etwa 10 000 auf mehr als 30 000 hinaufgegangen.
Dieser schon recht ansehnliche Bestand ermöglichte es, die meisten litera-
rischen Bedürfnisse der Studierenden zu befriedigen. Die nützliche
Wirksamkeit der Anstalt hatte auch den Erfolg, daß die Wichtigkeit und
Notwendigkeit einer abgesonderten Universitäts-Bibliothek, namentlich
in den Universitätskreisen, immer rückhaltloser anerkannt wurde. Um
so mehr überraschte es, daß das Finanzministerium, nachdem die Uni-
versitäts-Bibliothek fast achtzehn Jahre mit stets wachsenden Erfolgen
bestanden hatte, ihre Bereinigung mit der Königlichen Bibliothek glaubte
empfehlen zu müssen. Der Finanzminister änderte nämlich den ihm
vorgelegten Etat der Bibliothek für 1849—51 dahin ab, daß er nur
für das Jahr 1849 galt. Seine Gründe legte er den: Kultusminister am
6. November 1848 dar:
„Die Gültigkeit des Etats auf einen längeren Zeitraum aus-
zudehnen, habe ich um deswillen Anstand genommen, weil überhaupt
das Fortbestehen der Universitäts-Bibliothek, als besondere Anstalt
und getrennt von der Königlichen Bibliothek, in Frage zu stellen
sein wird. Da bei keiner anderen Universität der Monarchie eine
eigene Bibliothek für die Mitglieder und Angehörigen derselben in
dem Umfange wie hier besteht, so möchte man annehmen, daß sie
für die Universität am hiesigen Orte um so eher entbehrt werden
könne, als hier durch die Königliche Bibliothek ausreichende Hilfsmittel
für jeden Studienzweig zu Gebote stehen."
Das Kultusministerium wurde ersucht, die Angelegenheit einer näheren
Prüfung zu unterwerfen. Wenn es Bedenken haben sollte, die Uni-
versitäts-Bibliothek sogleich oder tiberhaupt der Königlichen Bibliothek
einzuverleiben, so sei doch mit Rücksicht auf die gefallenen Mietspreise
in Berlin auf eine Verminderung der Ausgabe für das Lokal hinzu-
wirken.
Zur gründlichen Widerlegung der Bemerkungen des Finanz-
ministers beauftragte der Kultusminister von Ladenberg den Ober-
bibliothekar Pertz am 10. Februar 1849, sowohl über die Entstehung
der Universitäts-Bibliothek als auch über die Gründe, die ihre Ber-
bindung mit der Königlichen Bibliothek unzulässig machten, ein voll-
ständiges Pronremoria auszuarbeiten. Gleichzeitig wurde Pertz zu dem
Versuche aufgefordert, den Hausbesitzer Schultze zur Ermäßigung
90
der Miete für die von der Bibliothek benutzten Räume zu be-
stimmen.
Das von Pertz dem Minister am 12. Mai 1849 überreichte „P r o
memoria, bie Bibliothek der Königlichen Fried-
r i ch-W ilhelms-Universität zu Berlin betreffend"
gibt in seinem ersten Abschnitte eine kurze Geschichte der Gründung
und Dotierung der Anstalt und behandelt dann die Art und Weise ihrer
Vermehrung, wobei der erhebliche Anteil der von vielen Seiten zuge-
flossenen Geschenke und Vermächtnisse an dem Emporblühen der Bi-
bliothek auseinandergesetzt wird. Nach Aufzählung der wichtigsten und
umfangreichsten Geschenke, die in den letzten Jahren eingegangen waren,
heißt es:
„Diese und zahlreiche andere Geschenke würden der Universitäts-
Bibliothek nicht zu Theil geworden sein, wenn sie nicht durch völlige
Absonderung von der Königlichen Bibliothek und eine nur dadurch
mögliche selbständige und nützliche Wirksamkeit als eine wirklich vor-
handene und für sich selbst bestehende wichtige Anstalt sich Geltung
und wohlwollende Theilnahme verschafft Hütte."
Im zweiten Abschnitt der Denkschrift zeigt Pertz, wie der große Nutzen,
den die Universitäts-Bibliothek stifte, ihr Fortbestehen rechtfertige.
Im folgenden Abschnitt begründet er die Notwendigkeit ihrer völligen
Absonderung von der Königlichen Bibliothek. Vor allem ständen der
vom Finanzminister vorgeschlagenen Maßregel Rücksichten auf die Rechte
der Universität entgegen. Sämtliche Bücherankäufe und die Kosten
für die Buchbinderarbeiten seien aus den Mitteln bestritten worden,
die die Universität selbst aufgebracht habe und die unter der unbedingten
Voraussetzung des von der Königlichen Bibliothek abgesonderten Be-
stehens einer Universitäts-Bibliothek eingezogen und entrichtet würden.
Eine Bereinigung beider Bibliotheken erscheine auch in pekuniärer
Hinsicht nicht vorteilhaft, da sie keine Ersparnis, wohl aber höchstwahr-
scheinlich eine bedeutende Mehrausgabe überslüssigerweise verursachen
würde. In dem Gebäude der Königlichen Bibliothek, dessen Ausbau
1840—42 dem damaligen Raumbedürfnis nur für zehn Jahre abzu-
helfen bestimmt gewesen sei, da nach diesem Zeitraum ein neues zweck-
mäßiges Bibliotheksgebäude überwiesen werden solle, seien sämtliche
Räume schon für die Zwecke der Königlichen Bibliothek in Anspruch
genommen. Es könne dort weder die abgesonderte Aufstellung der
Universitäts-Bibliothek bewirkt werden, noch sei ihre Einordnung in
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die größtenteils schon überfüllten einzelnen Fächer der Königlichen
Bibliothek ausführbar. Durch Hinzunahme des in dem Treppenflur
des Haupteinganges befindlichen oberen leeren Raumes, der die Höhe
von zwei Stockwerken einnehme, ließe sich allerdings die Aufnahme
der Universitäts-Bibliothek bewerkstelligen, nach fünf bis sechs Jahren
müßte sie jedoch wieder entfernt werden, da der neugewonnene Raum
von der Königlichen Bibliothek nicht länger entbehrt werden könnte.
Die erforderliche bauliche Einrichtung würde auch mit einem Kosten-
aufwand von mindestens 20 000 Talern verbünde:: sein. Das Aufhören
der Absonderung oder gar des Bestehens der Universitäts-Bibliothek
wiirde aber noch andere Nachteile haben. Der Wegfall der Vermächtnisse
und Geschenke sei, wenn die betreffenden Bücher auch schon in der
Königlichen Bibliothek vorhanden wären, doch insofern nachteilig,
als dadurch eine Erleichterung wissenschaftlicher Arbeit beseitigt würde,
die sonst vorhanden wäre: ein Nachteil, der in einer so großen Stadt
wie Berlin jedenfalls in Betracht komme. Bei dem gänzlichen Eingehen
der Bibliothek und ihrer Vereinigung mit der Königlichen Bibliothek
würde auch die Abgabe der Pflichtexemplare an sie fortfallen. Da nun
der Geldwert der an die Universitäts-Bibliothek gelangenden Geschenke
und Pflichtexemplare bedeutend mehr betrage als die mit Einschluß
des Beitrags für die Feuerversicherung auf jährlich 632 Taler sich be-
laufende Miete, so sei auch aus diesem Grunde die Vereinigung mit der
Königlichen Bibliothek nachteilig und deshalb unzulässig, ihr abgesondertes
Fortbestehen dagegen notwendig.
Zu der Bemerkung des Finanzministers, daß bei keiner anderen
Universität der Monarchie eine eigene Bibliothek für ihre Mitglieder
und Angehörigen in dem Umfange wie in Berlin bestehe und deshalb
anzunehmen sei, daß sie für die hiesige Universität um so eher entbehrt
werden könne, als durch die Königliche Bibliothek ausreichende Hilfs-
mittel zu Gebote ständen, äußert sich Pertz folgendermaßen:
„Hierauf kann nur bemerkt werden, daß bekanntlich jede Uni-
versität der preußischen Monarchie eine besondere Bibliothek besitzt,
welche entweder ausschließlich oder doch vorzugsweise für die Mit-
glieder und Angehörigen der Universität bestimmt ist, und daß diese
Universitäts-Bibliotheken sämmtlich weit höher dotirt sind als die
hiesige Universitäts-Bibliothek. Die Zweckmäßigkeit des von der
Königlichen Bibliothek abgesonderten Bestehens einer solchen Bi-
bliothek auch hier in Berlin erhellt aus der Verschiedenheit der Zwecke,
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welche eine große Central-Bibliothek wie die hiesige Königliche zu
verfolgen hat, von denen einer Universitäts-Bibliothek; jene muß für
den ganzen Umfang der Wissenschaften aller Zeiten für die Gegen-
wart urrd für die Nachwelt sammeln und bewahren, während mau
in einer Universitäts-Bibliothek vorzugsweise die Werke sucht, welche
den Studirenden und deren Lehrern ,für die Gegenwart nützlich
sind, und welche daher infolge häufigen und fortwährenden Gebrauchs
auch völlig aufgebraucht werden mögen. Die Königliche Bibliothek
soll Werke erwerben, welche für immer wichtig bleiben, die Uni-
versitäts-Bibliothek vorzugsweise solche kaufen, die nur für das jetzige
Bedürfniß von Werth sind und in einiger Zeit vielleicht längst durch
bessere ersetzt und überflüssig gemacht sein werden, woraus dann auch
für die Benutzung folgt, daß solche bei der Königlichen Bibliothek
vorzugsweise im Lokal der Anstalt selbst, bei der Universitäts-Bi-
bliothek mittelst Verleihens der Bücher in die Wohnungen der Leser
und Studirenden stattfindet oder doch stattfinden sollte. Aus dieser
Verschiedenheit der Zwecke und der Benutzungsart erklärt sich natürlich
das Nebeneinanderbestehen von großen öffentlichen und Universitäts-
Bibliotheken neben einander irr jeder Hauptstadt Europas, wo sich
eine Urriversität befinbet, indem die erstgedachten Bibliotheken ohne
Nachtheil für ihre allgemeinen urrd namentlich auch auf eirre späte
Zukunft berechneten wichtigen Zwecke die speziellen Jrrteressen der
Studirenden nicht in dem Maaße und mit der Sorgfalt wahrnehnren
können, als es bei eurer eigens für die Universität eingerichteterr
Bibliothek geschehen kann urrd in der Regel auch geschieht. Es darf
irr dieser Hinsicht nur arr Wien, Mürrcherr, Kopenhagen, Paris er-
innert werden. Aus dieser: Grürrden erscheint mir auch für die Zu-
kunft eirre getrennte Verwaltung der Körriglichen Bibliothek urrd der
Universitäts-Bibliothek, so weit sie bereits stattfindet, zweckmäßig."
Zum Schlüsse berichtet Pertz über die Versuche, eirre Herabsetzung
des Mietspreises für die Universitäts-Bibliothek zu erlangen. Der
Besitzer des Hauses, mit dem deswegen wiederholt verhandelt worderr,
sei zu einer Ermäßigung der Miete keineswegs bereit, würrsche viel-
mehr, daß noch einer der arr die Bibliothek airgrenzenden beiden Seiten-
flügel für jährlich 150 Taler zugemietet werde, indem er die schon vor
mehreren Jahren von dem Baubeamten ausgesprochene Meirrurrg teile,
daß der Saal zu sehr belastet sei. Da rrurr allerdings rricht allein die
übergroße Belastung des Saales, sondern auch feine Überfüllurrg größere
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Räumlichkeiten binnen kurzem notwendig machen werde, *) stehe nicht
eine Ermäßigung, sondern eine Vermehmng des Mietszinses in naher
Aussicht. „Sollte daher die Fortgewährung des jetzigen Miethsbetrages,
namentlich aber die nahe bevorstehende Erhöhung desselben ernsten
Schwierigkeiten unterliegen, so würde, da das Fortbestehen der Uni-
versitäts-Bibliothek eine unabweisbare Nothwendigkeit ist, auf die möglichst
baldige Unterbringung derselben in einem den: Staate angehörigen
Gebäude, wo möglich in der Universität selbst, Bedacht zu nehmen sein;
denn ein anderweites für die Universitäts-Bibliothek passendes Lokal
in einer geeigneten Gegend der Stadt dürfte zu einem geringeren als
dem jetzigen Miethsbetrag wohl nicht auf längere Dauer zu haben sein."
Die überzeugenden Darlegungen der Pertzischen Denkschrift ver-
anlaßten denn auch den Finanzminister, seine Einwendungen gegen das
abgesonderte Fortbestehen der Universitäts-Bibliothek fallen zn lassen
und den Etat für 1850/51 zu vollziehen.
In den amtlichen Verhältnissen des Personals der Bibliothek
traten im Jahre 1849 folgende Veränderungen ein. Am 4. Januar
legte der Minister dem Kustos Pinder in Anerkennung seiner bisherigen
verdienstlichen Wirksamkeit das Prädikat Bibliothekar bei. Die zweite
Veränderung betraf Bruns. **) Dieser befand sich in einer wenig
*) Infolge der raschen Vermehrung der Bibliothek hatten sich die bei der Ein-
richtung des Adlerschen Saales angeschafften Repositorien bald gefüllt. Es wurden
deshalb schon im Jahre 1843 insgesamt 27 neue Repositorien aufgestellt, die den
noch verfügbaren Raum des Saales in Anspruch nahmen. So erklärt es sich, daß
bereits in der Mitte der 1840er Jahre die Gewinnung eines geräumigeren Lokals
ins Auge gefaßt wurde. Freilich waren damals geeignetere Räume nicht zu er-
mitteln. Das 1844 von dem Professor Lindes gemachte Anerbieten, der Bibliothek
eine Etage seines Hauses Georgenstraße 43 zu vermieten, mußte als nicht zweckmäßig
abgelehnt werden. Im Universitätsgebäude, wo die Unterbringung der Universitäts-
Bibliothek von vielen Seiten gewünscht wurde, fehlte der erforderliche Platz und auch
auf das Gebäude der Königlichen Bibliothek, wohin die Rückverlegung der Universitäts-
Bibliothek noch während des Umbaues beabsichtigt war, konnte wegen des Raum-
bedürfnisses der Königlichen Bibliothek nicht mehr gerechnet werden. Auf Verlangen des
Hausbesitzers Schultze wurde der Mietskontrakt im September 1845 dahin abgeändert,
daß vom 1. Oktober 1846 an beide Kontrahenten zur Jnnehaltung einer gleichmäßigen
und zwar halbjährigen Kündigungsfrist (zum 1. Oktober und 1. April) verpflichtet
waren. Der Antrag Schutzes, sein Hans aus Staatsfonds anzukaufen, fand keine
Berücksichtigung.
**) Es sei hier auch erwähnt, daß die Marburger theologische Fakultät Bruns
im Jahre 1843 zum Lizentiaten bonoris causa ernannt hatte.
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erfreulichen pekuniären Lage, da er auf die ihm seit 1841 gezahlte
Renmneration von jährlich 200 Talern angewiesen war. Im Jahre
1845, also nach achtjähriger Tätigkeit an der Universitäts-Bibliothek,
hatte er ein Gesuch um feste Anstellung mit entsprechendem Gehalt
eingereicht. Pertz beantragte auch unter Hervorhebung der von Bruns
geleisteten trefflichen Dienste, ihm das Prädikat eines Kustos zu ver-
leihen und an Stelle seiner Remuneration ein festes Gehalt von 300
Talern zu gewähren. Der Antrag wurde abgelehnt, doch bewilligte
der Minister im November 1845 aus seinen Unterstützungsfonds Bruns
zur Verbesserung seiner persönlichen Lage einstweilen eine außer-
ordentliche Zulage von jährlich 200 Talern. Diese Bewilligung wurde
aber ans finanziellen Gründen am 1. Oktober 1848 nicht wieder er-
neuert, so daß Bruns nach elfjähriger Dienstzeit abermals ans die Re-
muneration von 200 Talern beschränkt war. So sah er sich genötigt,
in: Dezember 1848 vor: neuem beim Ministerium wegen fester An-
stellung oder, wenn diese auch jetzt noch sollte verschoben werden müssen,
wegen Verbesserung oder Erleichterung seiner Lage vorstellig zu werden.
Pertz befürwortete auch dieses Gesuch nachdrücklich und beantragte zu-
gleich, Bruns für das verflossene Jahr eine Gratifikation von 50 Talern
aus den dem Minister zur Verfügung stehenden Fonds zu bewilligen.
Der Minister erteilte nunmehr am 20. Februar 1849 Bruns das Prä-
dikat eines Kustos der Universitäts-Bibliothek und genehmigte seine
Vereidigung, die am 3. März von Pertz vorgenommen wurde. Die
beantragte Gratifikation wurde ebenfalls bewilligt, die Gewährung
eines festen Gehaltes aber abgelehnt, da unter den gegenwärtigen
finanziellen Verhältnissen des Staates eine Erhöhung der Dotation
der Universitäts-Bibliothek nicht zu bewirken sei. Der einzige pekuniäre
Vorteil, der für Bruns mit seiner Ernennung zum Kustos verbunden
war, bestand darin, daß auf seinen Antrag die Generalkasse des Mi-
nisteriums angewiesen wurde, ihm seine etatsmäßige Remuneration
von jährlich 200 Talern in vierteljährlichen Raten pränumerando statt
wie bisher postnumerando zu zahlen.
Mit Genehmigung des M inisteriums erfolgte die Aufführung der
Beamten der Bibliothek in den offiziellen Handbüchern und Personal-
verzeichnissen voll da an in folgender Art:
Direktor: Pertz,
Bibliothekar: Pinder,
Kustos: Bruns.
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Die Sekretariatsgeschäfte wurden weiter von dem Sekretär der König-
lichen Bibliothek Kießling besorgt. Da Kießling seit der im Februar
1840 gewährten Remuneration keine Entschädigung erhalten hatte,
wurde ihm am 20. April 1849 auf den Antrag des Oberbibliothekars
für die in den letzten zehn Jahren geleisteten Dienste eine außerordent-
liche Remuneration von 100 Talern bewilligt. Die Geschäfte eines
Dieners versah seit 1842 Georg Hartwig, der Sohn der langjährigen
Aufwärterin der Bibliothek, gegen die geringe Belohnung von monat-
lich 4 Talern, die sich 1849, als die Bibliothek auch des Mittwochs ge-
öffnet wurde, auf 5 Taler erhöhte.
Da Bruns nunmehr in ein festes Verhältnis zur Universitäts-
Bibliothek getreten war, entwarf Pertz eine Instruktion für ihn, die er
dem Ministerium zur Prüfung einreichte. Die Genehmigung der In-
struktion erfolgte am 13. Juni 1849 mit der Abänderung, daß Bruns
darin nicht schlechthin als „Kustos der Universitäts-Bibliothek" sondern
als „Gehilfe der Universitäts-Bibliothek Kustos Bruns" bezeichnet
wurde. Arr demselben Tage wurden auch die Patente für Pinder und
Bruns ausgestellt. Die von Pertz beantragte Ausfertigung von Be-
stallnngen für beide hielt das Ministerium nicht für angemessen, da sie
ihre etatsmäßigen Stellen als Kustos und Gehilfe bei der Universitäts-
Bibliothek nach wie vor bekleideten urrd ihnen nur die Prädikate Bi-
bliothekar und Kustos beigelegt worden seien.
Die „Dienstinstruktion für den Gehilfen der
Universitäts-Bibliothek K u st o s Dr. Hermann
Theodor Bruns" setzt seine Obliegenheiten in acht Paragraphen
fest, deren Inhalt kurz folgender ist. Er hat .
1. dem Bibliothekar, dem die Sorge für die planmäßige Ver-
mehrung der Bibliothek durch Ankäufe zunächst obliegt, Vorschläge über
Bücheranschaffungen zu machen und dabei hauptsächlich die bei der
Benutzung der Anstalt sich ergebenden Bedürfnisse zu berücksichtigen;
2. den alphabetischen Katalog zu führen;
3. sämtliche Arbeiten zu besorgen, die der Verkehr mit dem Buch-
binder verursacht;
4. dem Bibliothekar bei Anfertigung der Fortsetzung des gedruckten
Kataloges*) und bei dem Einziehen der Pflichtexemplare Hilfe zu
leisten;
1 Vgl. hierzu S. 72.
96
5. die verlangten Blicher herbeizuholen, auszuleihen, einzuziehen
und wieder einzuordnen, wobei es ihm gestattet ist, sich von dem hierzu
verpflichteten Diener der Bibliothek Hilfe leisten zu lassen;
6. ben Benutzern, namentlich den jüngeren Studenten, in ihren
wissenschaftlichen Bedürfnissen mit Rat und Tat an die Hand zu gehen,
ihnen über die neu angeschafften Werke Auskunft zu geben, über Hilfs-
mittel und Quellen Rat zu erteilen und die Literatur ihres Faches
nachzuweisen;
7. das Lokal und das Inventarium zu beaufsichtigen, die Auf-
stellung der Bücher und ihre Ordnung zu besorgen und von jetzt all an
allen Wochentagen, mit Ausschluß des Sonnabends, von 2—4 Uhr die
Bücher auszugeben und einzunehmen *) urrd die wöchentliche Reinigung
des Lokals sowie die jährliche der Bücher (und zwar während der Urri-
versitätsferien nach der Wiedereröffnung der Königlichen Bibliothek,
also in der Zeit von Mitte September bis Mitte Oktober) zu veran-
lassen und zu überwachen;
8. den Bibliothekar in seiner Abweserrheit oder irr Behirrderurrgs-
fällen zu vertreten, ihm in vorkonrmerrderr außergewöhnlichen Ge-
schäften für die Urriversitäts-Bibliothek Hilfe zu leisten urrd in allen
rricht ausdrücklich in der Instruktion gerrarrnten oder zweifelhaften
dienstlichen Veranlassungen rrötigerrfalls seirre Anweisung eirrzuholen
urrd seiner Entscheidung nachzukommen. Es blieb danach also das frühere
dienstliche Verhältnis bestehen, daß Pinder der nächste Vorgesetzte vorr
Bruns war. Wie § 8 hinzufügt, sollte irr weiterer Instanz sowie auch
über außerordentliche zeitweilige Schließung der Bibliothek und Urlaubs-
erteilnng zunächst der Direktor der Urriversitäts-Bibliothek entscheiden.
Im Arrfange des Jahres 1850 erneuerte Bruns das Gesuch, seine
Stellung bei der Urriversitäts-Bibliothek irr dauernder Weise oder durch
außerordentliche Bewilligurrg zu verbessern. Mit Recht korrnte er darauf
Hinweisen, daß sich bei keiner der übrigen preußischen Urriversitäts-
Bibliothekerr oder sonst eirr ährrliches Verhältrris der Geschäfte zu dem
Gehalt des Bearrrten sirrde, dem die Aufsicht über die Bibliothek, die
Ordrrurrg, Aufstellurrg urrd Katalogisierung der Bücher urrd rramerrtlich
särrrtliche rrrit der Berrutzurrg des Instituts verburrderre Geschäfte an-
vertraut seien. Pertz trat wiederum warm für Bruns ein urrd be-
*) Wie schon angegeben ist, war die Bibliothek bis dahirr außer des Sonn-
abends auch des Mittwochs geschlossen gewesen.
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antragte am 21. April 1850, ihm die schon seit Jahren erbetene Ge-
haltszulage von 100 Talern zu bewilligen.
Der Minister erwirkte nunmehr auch durch Jmmediatvorstellung
beim Könige die Verbesserung der Stelle. Eine Kabinettsorder vom
26. August 1850 bestimmte, daß die Besoldung des Kustos der Universitäts-
Bibliothek von 200 Taler auf 500 Taler jährlich vom 1. Oktober 1850
an erhöht und der hierzu erforderliche Betrag von 300 Talern aus
dem Titel „Insgemein" des Etats der Universität entnommen werde.
An diese Erhöhung des Kustodengehalts knüpfte der Minister von
Ladenberg aber eine vollkommene Umgestaltung der Personalverhältnisse
der Universitäts-Bibliothek. Durch Erlaß vom 4. Oktober 1850 ordnete
er folgende Veränderungen an:
Der Bibliothekar P i n d e r wurde von seiner bisherigen Tätigkeit
bei der Universitäts-Bibliothek vom 1. Oktober an entbunden, wobei
ihm wegen seiner vieljährigen verdienstlichen Verwaltung der Anstalt
die vollkommene Zufriedenheit des Ministeriums ausgesprochen wurde.
Statt seines bisherigen Gehalts bei dieser Bibliothek von 300 Talern,
das er zunächst weiterzubeziehen hatte, sollte ihm eine Gehaltszulage
von gleichem Betrage bei der Königlichen Bibliothek gewährt werden,
sobald der projektierte Etat der Königlichen Bibliothek für 1851 die Zu-
stimmung der Kammern erhalten habe:: würde.*)
Die Stelle eines Bibliothekars an der Universitäts-Bibliothek
übertrug der Minister den: außerordentlichen Professor an der Universität
in Breslau Dr. Theodor Mundt mit den: für die Kustodenstelle aus-
gesetzten Jahresgehalt von 500 Talern. **)
*) Pinder, der 1851 zun: Mitglied der Akademie der Wissenschaften ernannt
wurde, gehörte der Königlichen Bibliothek bis zum Jahre 1858 an. Dann erfolgte seine
Ernennung zum Geheimen Regierungsrat und vortragenden Rat im Kultusministerium,
wo er Franz Kuglers Dezernat erhielt. Er starb als Geheimer Oberregierungsrat
am 30. August 1871.
**) Mundt, geb. 19. September 1808 zu Potsdam, studierte in Berlin vom
W.-S. 1825/26 bis S.-S. 1828 zunächst kurze Zeit Rechtswissenschaft, dann Philo-
sophie und Philologie. Er bestand das Examen pro facultate docendi und wurde
1830 in Erlangen zum vr. phil. promoviert. Seine Bemühungen, in die akademische
Laufbahn zu gelangen, blieben lange vergeblich, bis er endlich 1842 von der Berliner
philosophischen Fakultät als Privatdozent zugelassen wurde. 1848 erhielt er eine
außerordentliche Professur für allgemeine Literaturgeschichte in Breslau. Als Schrift-
steller hat ihn hauptsächlich seine Zugehörigkeit zum „Jungen Deutschland" bekannt
gemacht. ^Jm Jahre 1839 verheiratete er sich mit Klara Müller, die unter dem Namen
Luise Mühlbach 276 Bände Romane verfaßte. Vor seiner Ernennung zum Bibliothekar
Friese, Univ.-Bibl. Berlin. 7
98
Der Kustos Bruns wurde in gleicher Eigenschaft an die König-
liche Bibliothek versetzt. Da es nicht wohl anging, diesen erprobten
und dabei bisher nur unzulänglich besoldeten Beamten in dem Augen-
blicke, wo die von ihm so lange Jahre bekleidete Stelle mit 500 Talern
dotiert wurde, mit weniger als 500 Talern zu versetzen, wurde ihm die
durch die Pensionierung des Hofrats Ulrici auf der Königlichen Bi-
bliothek erledigte Besoldung von 500 Talern jährlich bewilligt. Der
Minister erklärte sich übrigens damit einverstanden, daß Bruns feilte
bisherige Wohnung in der Universitäts-Bibliothek auch ferner wider-
ruflich gegen die Verpflichtung überlassen würde, die an die Bibliothek
außerhalb der Dienststunden gelangenden Sendungen in Empfang zu
nehmen und die allgemeine Aufsicht in Abwesenheit der Bibliotheks-
beamten zu behalten. *)
Die provisorische Verwaltung der Funktionen des Kustos der
Universitäts-Bibliothek wurde dem Assistenten bei der Königlichen
Bibliothek vr. Wilhelm Koner übertragen. **) Der Minister behielt
sich dabei vor, ihm zu der Remuneration von 200 Talern jährlich, die
er bis auf weiteres aus dem Allerhöchsten Dispositionsfonds beziehen
sollte, noch eine besondere Belohnung für seine Dienste zu bewilligen.
Für Koner sollte die am 13. Juni 1849 Bruns erteilte Dienst-
instruktion maßgebend sein, für Mundt dagegen eine besondere In-
struktion von Pertz entworfen und zur Genehmigung eingereicht werden.
Bei dieser Neugestaltung der Verhältnisse war wohl in erster Linie
die Rücksicht auf Mundt bestimmend, der von Breslau nach Berlin
versetzt zu werden wünschte. Von der Umwandlung der bisher von
in Berlin scheint Mundt an keiner Bibliothek tätig gewesen zu sein. Aus der Literatur
über ihn sei hervorgehoben die als Nr. 10 der „Beiträge zur deutschen Literatur-
wissenschaft" 1909 in Marburg erschienene Schrift Otto Draegers „Theodor Mundt
und seine Beziehungen zum Jungen Deutschland". Es wird hier im Anschluß an
die Darstellung der Entwicklung Mündts während seiner jungdeutschen Periode eine
gute Charakteristik seiner ganzen Persönlichkeit gegeben, in der auch mancher Finger-
zeig zur psychologischen Erklärung des Verhältnisses enthalten ist, das sich während
der Bibliothekarszeit Mündts zwischen ihm und seinem Vorgesetzten Pertz heraus-
bildete.
*) Auf der Königlichen Bibliothek hat sich Bruns, der am 30. Dezember
1867 das Prädikat Bibliothekar erhielt, durch die Anfertigung des Fachkataloges
über die gesamte Theologie ein dauerndes Denkmal gesetzt. Er starb am 26. April
1886 in Rom.
**) Koner, geb. 6. Juli 1817 zu Berlin, studierte hier Philologie und Philosophie;
er wurde 1843 Dr. phil. und im Januar 1844 Assistent an der Königlichen Bibliothek.
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Pinder verwalteten Kustodenstelle in eine Bibliothekarstelle ist nicht
ausdrücklich die Rede, sie geht aber daraus hervor, daß Mundt im Gegen-
satz zu Pinder, dem der SJftmftei im Jahre 1849 nur das Prädikat
Bibliothekar beigelegt hatte, die Bestallung als Bibliothekar der Uni-
versitäts-Bibliothek erhielt.
Gegen die Veränderung der Personalverhältnisse erhob Pertz Be-
denken, die sich in der Folge auch als nicht unberechtigt herausstellten.
Er war der Ansicht, daß die Universitäts-Bibliothek durch das Aus-
scheiden von Bruns, der eine gründliche wissenschastliche und biblio-
thekarische Ausbildung besaß und mit den Bedürfnissen der Anstalt und
ihrer Benutzer vollkommen vertraut war, wenigstens für die nächsten
Jahre einen entschiedenen Verlust erleide. Ob dagegen von Mundt
bei seinem bisherigen Bildungsgänge besondere Neigung und Fähigkeit
zu bibliothekarischen Geschäften zu erwarten sei, konnte zweifelhaft
erscheinen.
?♦ Theodor Mündts BibILothekarLat (1850—58)
und die Reorganisation der Bibliothek (1858—62)*
Bei der Übernahme der Geschäfte wurde Mundt von Pinder und
besonders von Bruns unterstützt, der der: im Oktober 1850 für längere
Zeit beurlaubten provisorischen Kustos Koner auf der Universitäts-
Bibliothek vertrat.*) Die Obliegenheiten Mündts setzte die für ihn
von Pertz entworfene und vom Minister am 26. Oktober genehmigte
Instruktion fest.
Der „ D: e :: st i n st r u k t: o u für den Bibliothekar
der Bibliothek der Königlichen Friedrich-Wil-
helms-Universität zu Berlin Herrn Professor Dr.
M undt" liegt im wesentlichen die „Instruktion für den Aufseher"
von: 18. August 1831 zugrunde, deren Bestimmungen zun: Teil wörtlich
übernommen sind. Der Bibliothekar hat täglich in der Bibliothek zu
erscheinen und solange es der Dienst erfordert, wenigstens aber die
beiden für die Ausgabe und Zurücknahme der Bücher bestimmten Nach-
mittagsstunden von 2 bis 4 Uhr, anwesend zu sein. (§ 1.) Die Be-
stimmung der anzuschaffenden Bücher steht nach wie vor dem Direktor
zu.» Bei den Ankäufen hat der Bibliothekar auf die richtige Berechnung
eines angemessenen Rabatts zu sehen.**) (§ 2, 3.) Die Empfangs-
bescheinigungen über alle Zugänge sind aber nicht mehr von den: Di-
rektor, sondern von den: Bibliothekar auszustellen. (§ 3, 5, 6.) Hin-
sichtlich der Benutzung der Bibliothek hat der Bibliothekar für die
ordnungsmäßige Ausführung der dem Kustos überwiesenen Geschäfte
*) Koner hielt sich bis zum Schluß des Jahres in London auf, wo er eine wert-
volle Sammlung klassischer Altertümer, die sich im Besitze eines Herrn Herz befand,
katalogisierte.
**) Im allgemeinen erhielt die Universitäts-Bibliothek, ebenso wie die Königliche
Bibliothek, bei sämtlichen Artikeln des deutschen Buchhandels, die den Sortiments-
buchhandlungen mit 25% Rabatt berechnet wurden, einen Abzug von 10%. Bei
ausländischen Werken wurde der Frank zu 8 Sgr. in Rechnung gestellt.
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Sorge zu tragen und nötigenfalls, besonders bei Verhinderung des
Kustos, an dessen Arbeiten selbst teilzunehmen.
Neu sind die Bestimmungen des § 13, die dem Direktor zu jeder
Zeit eine klare Übersicht über das Rechnungswesen der Anstalt er-
möglichen sollen: „Der Bibliothekar hat alle bei der Universitäts-
Bibliothek eingehenden Rechnungen sorgfältigst zu prüfen, wenn er sie
richtig befunden, ihre Richtigkeit zu attestieren und sie dem Direktor
vorzulegen. Er führt ein nach den Etats-Titeln eingeteiltes fortlaufendes
Verzeichnis der sämtlichen bei der Anstalt vorkommenden Ausgaben und
hat selbiges dem Direktor am 1. jedes Monats zu dessen Berücksichtigung
hinsichtlich der zu machenden Ankäufe vorzulegen." Nach § 14 hat der
Bibliothekar am Schlüsse jedes Jahres einen sorgfältig ausgearbeiteten
Bericht über die im Laufe des Jahres vorgekommenen Veränderungen,
die Erwerbungen und die Benutzung nebst etwaigen Vorschlägen zu
weiteren Verbesserungen und Einrichtungen dem Direktor in zwei
gleichen Exemplaren vorzulegen. Diese Berichte werden aber nicht
mehr, wie es der Oberbibliothekar mit dem Rektor am 21. April 1831
vereinbart hatte, durch Vermittelung des Senates dem Ministerium
eingereicht, sondern von dem Direktor den: Minister sowie dem Rektor
und Senat übersandt.
Die ebenfalls am-26. Oktober 1850 vom Minister von Ladenberg
vollzogene Instruktion für den Kustos stimmt bis auf einige redak-
tionelle Änderungen mit der Bruns am 13. Juni 1849 erteilten Dienst-
anweisung überein.
Auf Befürwortung des Ministeriums genehmigte Friedrich Wilhelm
IV. durch Kabinettsorder vom 17. Juli 1851 die Vorschläge des Ober-
bibliothekars über die Neuregelung der Gehalts- und Personalver-
hültnisse auf der Königlichen und der Universitäts-Bibliothek. Zufolge
der Verfügung, die der Minister in Ausführung der königlichen Order
am 30. August 1851 erließ, erhielt der Bibliothekar Pinder vom 1. Ok-
tober 1851 an statt seines bisherigen Gehalts von 300 Talern bei der
Universitäts-Bibliothek eine Gehaltszulage von gleichem Betrage bei
der Königlichen Bibliothek. Koner wurde definitiv zum Kustos ernannt
mit einen: Gehalt von 300 Talern, wogegen die ihn: bis dahin aus dem
Allerhöchsten Dispositionsfonds gewährte Remuneration von 200 Talern
fortfiel. Zur Deckung der zusammen 800 Taler betragenden Besol-
dungen Mündts und Koners standen das freigewordene Pindersche Ge-
halt und das 1850 auf 500 Taler erhöhte Kustodengehalt zur Verfügung.
102
Zwischen Mundt und dem ihm vorgesetzten Direktor der Bibliothek
bestand von Anfang an ein gespanntes Verhältnis, das sich von Jahr
zu Jahr noch verschlechterte. Mundt ging an die ihm übertragene Auf-
gabe mit Eifer heran, besaß aber bei allen sonstigen Vorzügen nicht
die Eigenschaften, die von einem tüchtigen Bibliothekar verlangt werden
müssen. Da ihm überdies jede Erfahrung im Bibliothekswesen -fehlte,
ist es begreiflich, daß viele seiner Maßnahinen nicht zrl billigen waren
und von Pertz abfällig kritisiert wurden. Auf der anderen Seite ist
aber nicht zu übersehen, daß zur Verschärfung des persönlichen Gegen-
satzes auch das Verhalten von Pertz beitrug, der sich von Antipathien
beherrschen ließ und das auch nicht zu verbergen pflegte.*) Seine
unfreundliche und nicht selten geringschätzige Art ries den Widerspruch
Mündts hervor, der ein ausgeprägtes Selbstgefühl hatte und als be-
kannter Schriftsteller und vormaliger Universitätsprofessor auf eine ge-
wisse Rücksichtnahme Anspruch erhob.
Das wichtigste Ereignis während der Mundtschen Amtszeit war
die Verlegung der Bibliothek. Die schon erwähnten Übel-
stände, die sich aus der Unzulänglichkeit des Adlerschen Saales ergaben,
waren von Jahr zu Jahr ärger geworden. Die Notwendigkeit der
Entfernung der Bibliothek ergab sich aber nicht nur aus der Über-
füllung und Überlastung des Saales, sondern auch aus den sonst im
Gebäude herrschenden Zuständen, die die Sicherheit des Bibliotheks-
eigentums ernstlich bedrohten. Im unteren Geschosse befand sich seit
mehreren Jahren eine stark besuchte Bierstube und Speisewirtschaft,
deren Küche eine ständige Feuersgefahr bildete. Das Haus selbst wurde
von den: Besitzer vollkommen vernachlässigt. Sowohl das Dach als
auch die Saaldecke waren so schadhaft geworden, daß es wiederholt
durchregnete und dabei mehrere Repositorien ganz unter Wasser gesetzt
wurden. Überdies schlossen die Balkontüren und Fenster nicht, so daß
auch von den Seiten Schnee und Regen in den Bibliothekssaal ein-
dringen konnten. Die Reparaturen, zu denen sich der Eigentümer ver-
stand, waren immer nur unbedeutend und schafften nur für kurze Zeit
Abhilfe.
Dazu kam noch, daß das Bedürfnis nach der Einrichtung eines
Lesezimmers sich immer lebhafter geltend machte. Wohl wurde ein-
*) Daß mit Pertz nicht immer leicht umzugehen war, ist bekannt. Vgl. z. B.
W. v. Giesebrechts Nekrolog auf ihn in den Sitzungsberichten der philos.-philol. u.
histor. Klasse der k. b. Akademie d. Miss, zu München. Jg. 1877. S. 71 f.
103
zelnen Studierenden, namentlich den Mitgliedern der Seminare, an
einem für sie im Saale eigens hergerichteten kleinen Lesetische die Be-
nutzung mancher Werke, besonders aus der damals schon reichen Uni-
versitätsschriftensammlung, gestattet, doch konnten die Benutzer von
dieser Erlaubnis nur iu den Sommermonaten Gebrauch machen; ein
längerer Aufenthalt zum Lesen war in dem nicht heizbaren Saale,
wo übrigens die Beamten das ganze Jahr hindurch die Ausgabe der
Bücher besorgen mußten, während der kälteren Jahreszeit ausge-
schlossen. Da Mundt.für die Verwaltungsgeschäfte einen besonderen,
heizbaren Raum mit Recht beanspruchte, hatte Bruns das ihn: zunächst
noch belassene Nebenzimmer nach kurzer Zeit wieder abtreten müssen.
Die Nachforschungen des Oberbibliothekars nach einer geeigneteren
Unterkunft für die Bibliothek hatten im Frühjahr 1853 Erfolg. Unter
der Bedingung, daß die bisher für den Adlerschen Saal gezahlte Miete
erspart und vom Etat abgesetzt würde, erklärte der Finanzminister sich
bereit, in dem seinem Ministerium gehörenden, nahe dem Gendarmen-
markt belegenen Hause Tauben st raße 29 *) der Bibliothek vom
1. April 1854 an die Räume zu überlassen, die damals noch die Haupt-
verwaltung der Staatsschulden innehatte. Nachdem eine Verständigung
des Kultusministers mit dem Finanzminister erzielt war, wurde dem
Besitzer des Adlerschen Saales gekündigt. Die Hauptverwaltung der
Staatsschulden siedelte schon im Anfange des März 1854 iu das für
sie in der Oranienstraße erbaute Dienstgebäude über, so daß die Uni-
versitäts-Bibliothek die nötige Zeit gewann für die innere Einrichtung
der neuen Räume und für den Umzug, der anr 31. März beendigt sein
mußte.
Der Transport der Bücher (etwa 40 000 Bände) und der Uten-
silien, für den zwei große Möbelwagen verwandt wurden, begann
am 16. März und wurde in elf Tagen beendigt. Das Auf- und Ab-
laden besorgten acht Arbeiter, die auch beim Herausnehmen und Wieder-
einstellen der Bücher Hilfe leisteten. Zu ihrer Beaufsichtigung und zur
Begleitung der Wagen war ein Student angenommen, der mit einem
Taler für den Tag entschädigt wurde. **)
*) Das Gebäude, du einfacher Backsteinrohbau, stammt aus dem Jahre 1840
und ist vielleicht noch von Schinkel entworfen worden.
**) Zur Vergleichung mit den heutigen Preisen sei erwähnt, daß jeder der beiden
zweispännigen und verdeckten Möbelwagen täglich 5 Taler kostete und daß die Träger
nach verschiedenen Lohnsätzen 15 bis 20 Sgr. erhielten.
104
Die Kosten des Umzugs, die vom Ministerium durch einen außer-
ordentlichen Zuschuß gedeckt wurden, beliefen sich einschließlich der
Reparaturen und der Tischlerarbeiten in den neuen Räumen auf etwas
mehr als 350 Taler. Aus dem Baufonds der wissenschaftlichen An-
stalten wurden ferner 617 Taler für die Anfertigung von 34 treuen
Repositorien bezahlt, die zur bequemeren Aufstellung der vorhandenen
Werke und zur Unterbringung des in den nächsten Jahren zu erwartenden
Zuwachses erforderlich waren. Die Wiederausgabe der Biicher er-
folgte bereits mit dem Beginn des Sommer-Sernesters 1854.
Durch die Verlegung nach der Taubenstraße gewann die Biblio-
thek helle und für ihre nächsten Bedürfnisse ausreichende Räum-
lichkeiten in einem ganz gewölbten, feuerfesten und stets unter Auf-
sicht gehaltenen Hause, das auch der Universität näher lag als der Adler-
sche Saal. Diesen Vorteilen standen aber erhebliche Nachteile gegen-
über. Die der Bibliothek angewiesenen Zimmer lagen für die Ver-
waltung recht ungünstig, da die zum Ressort des Finanzministeriums
gehörende allgemeine Witwenverpflegungsanstalt, die schon mit der
Hauptverwaltung der Staatsschulden zusammen in dem Hause unter-
gebracht gewesen war, den größeren. Teil des Erdgeschosses sowie den
ganzen Mittelstock innehatte. Die Universitäts-Bibliothek erhielt im
Erdgeschoß links vonr Vorderflur du größeres Zimmer, in devr die von
den Benutzern seltener in Anspruch genommenen Abteilungen auf-
gestellt wurden, und zwei kleinere Räume, von denen das eine die
Kataloge aufnahm und den Arbeitsplatz des Bibliothekars enthielt,
während in dem anderen der Koppsche diplomatische Apparat und
einige Dublettenschränke untergebracht wurden. Der rechts vonr Flur
gelegene Teil des Erdgeschosses war von einem Unterbeamten der
Witwenverpflegungsanstalt bewohnt, der das Gebäude, in dem sich
eine bedeutende Kasse befand, zu bewachen hatte. Die Hauptmasse
der Bücher stand in dem der Bibliothek ganz überwiesenen obersten
Stockwerk, wo auch ein kleines Expeditionszimmer uu5 das freilich nur
für zwölf Benutzer Platz bietende Lesezimmer eingerichtet war. Die
Aufstellung der Bticher iu zwei nicht zusammenhängenden Stockwerken
erschwerte bei dem geringen Beamtenpersonal den Betrieb nicht wenig.
Auch war es ein empfindlicher Übelstand, daß kein Beamter der Bi-
bliothek in dem Hause wohnte, und für die Abnahme der Sendungen,
die nicht in den Dienststunden eingingen, auf die freiwilligen Dienst-
leistungen des eurer fremden Verwaltung unterstehenden Hauswarts
105
gerechnet werden mußte. Da auch die verfügbaren Raume nach da-
maliger Schätzung nur für die Bedürfniffe von etwa zehn Jahren ge-
nügten, betrachtete Pertz die Unterbringung der Bibliothek in der Tauben-
straße mit Recht nur als ein Provisorium. In Übereinstimmung mit
dem vorgesetzten Ministerium und dem Senat der Universität hielt
er daran fest, daß die Universitäts-Bibliothek, um vollen Nutzen zu
stiften, in das Universitätsgebäude selbst oder doch ganz in seine Nähe
verlegt werden müsse.
Bei diesen ungünstigen räumlichen Verhältnissen ließ sich die von
Pertz schon seit Jahren angestrebte feste Anstellung eines angemessen
besoldeten und vereidigten Dieners nicht länger aufschieben. Hart-
wig, der die Dienergeschäfte für 60 Taler und nach dem Tode seiner
Mutter auch die Reinigung der Bibliothek für 40 Taler jährlich be-
sorgte *) und sich durch Brauchbarkeit beim Verkehr mit den Benutzern
und bei den Kanzleiarbeiten sowie durch Geschicklichkeit in leichteren
Buchbinderarbeiten nützlich erwies, besaß nicht die für die Stelle vor-
geschriebene Versorgungsberechtigung. Da es aber im Interesse der
Anstalt lag, den vielseitig brauchbaren Mann zu behalten, wurde die
dazu erforderliche königliche Genehmigung nachgesucht, die durch Order
vom 9. Oktober 1854 erteilt wurde. Am 7. November 1855 genehmigte
dann ein zweiter Allerhöchster Erlaß, daß das Gehalt des Dieners Dom
1. Oktober 1855 an aus dem Fonds der Bibliothek von 100 auf 180 Täler
jährlich erhöht und Hartwig definitiv angestellt würde. Der Bibliotheks-
sonds wurde dadurch nicht stärker als bisher in Anspruch genommen,
da Hartwig aus dem für sächliche Ausgaben bestimmten Etatstitel,
der voll nun an zu seiner Besoldung 80 Taler zuschießen nmßte, schon
seit einer Reihe von Jahren 50 bis 80 Taler für außerordentliche Arbeiten
erhalten hatte, bei seiner Anstellung aber die Verpflichtung übernahm,
diese Arbeiten in Zukunft ohne besondere Entschädigung auszuführen.
Der Gegensatz zwischen Mundt und Pertz verschärfte sich haupt-
sächlich dadurch immer mehr, daß Mnndt eine größere Selbständigkeit,
als Pertz sie ihm gewähren konnte, in Anspruch nahm und in vielen
Fällen eigenmächtig handelte. Zum offenen Zerwürfnis kam es im
Jahre 1856. Pertz hatte Mundt, den er nicht wie seinen Vorgänger
Pinder täglich auf der Königlichen Bibliothek sprechen konnte, bei der
Übergabe der Geschäfte angewiesen, ihm am ersten Mittwoch jedes
*) Außerdem erhielt er für die Besorgung eines jeden Mahnbriefes 5 Sgr.
Gebühren.
106
Monats mündlich über den Gang der Verwaltung Vortrag zu halten
und die erforderlichen Anweisungen entgegenzunehmen. Schon 1852
weigerte sich Mundt, zu den Konferenzen zu erscheinen, da sie im Ver-
waltungszimmer der Königlichen Bibliothek in Gegenwart von Beamten
dieser Anstalt stattfänden, er fügte sich jedoch wieder, als Pertz ein be-
sonderes Zimmer für die Zusammenkünfte bestimmte. Im Jahre 1856
stellte er dann sein Erscheinen gänzlich ein und blieb auch trotz dem be-
stimmten Befehl von Pertz bei seiner Weigerung, indem er jetzt jede
Verpflichtung in Abrede stellte, sich zu dem erwähnten Zwecke in eine
fremde Räumlichkeit zu begeben, die außerhalb der ihm lediglich an-
gewiesenen Diensträume der Universitäts-Bibliothek lüge. Ferner
reichte Mundt im August 1856, während Pertz auf Urlaub war, dem
Ministerium eine Beschwerdeschrist ein, die gegen die Amtsführung
des Direktors eine Reihe von Beschuldigungen erhob. Pertz, dem es ein
leichtes war, die gänzliche Haltlosigkeit der Anklageschrift — die übrigens
den bibliothekarischen und besonders den bibliographischen Kenntnissen
ihres Verfassers ein recht schlechtes Zeugnis ausstellte — nachzuweisen,
beantragte nunmehr im Oktober 1856, im Interesse der Universitäts-
Bibliothek Mundt von seiner Stellung zu entheben und ihm ein anderes,
für seine persönlichen Fähigkeiten geeignetes Amt zu übertragen.
Die Entscheidung auf diesen Antrag und auf die Anklage Mündts
erfolgte aber erst ein Jahr später, da der vom Ministerium beabsichtigten
Neuregelung der Verhältnisse auf der Bibliothek sich verschiedene
Schwierigkeiten, namentlich finanzieller Art, entgegenstellten. In-
zwischen befand die Universitäts-Bibliothek sich in dem Zustande der
Anarchie. Eine wirksame Leitung und Oberaufsicht war Pertz nicht
mehr möglich, da Mmrdt jede persönliche Zusammenkunft mit ihm
ablehnte und sich nur auf eine schriftliche Erledigung der Geschäfte einließ.
Dazu kam noch, daß Mundt sich auch mit Koner, der bei Pertz in be-
sonderem Ansehen staub, vollständig überworfen hatte. Koner fühlte
sich durch das Benehmen Mündts so verletzt, daß er schließlich, auch in
amtlichen Dingen, jede persönliche Berührung mit ihm vermied. So
sah weder der Kustos, der im zweiten Stockwerk seinen Arbeitsplatz
hatte, den Bibliothekar, der im Erdgeschoß arbeitete, noch ließ dieser
sich im zweiten Stockwerk sehen, wo der größere Teil der Bibliothek
aufgestellt war und der ganze Verkehr mit den Benutzern stattfand.
Von einem Zusammenarbeiten der doch auf gegenseitige Unterstützung
dringend angewiesenen wenigen Beamten der Anstalt war also nicht mehr
107
die Rede. Diesen unerträglichen Zuständen, die weit über den Kreis der
Benutzer hinaus bekannt wurden, bereitete ein vom Prinzen von Preußen
unterzeichneter Allerhöchster Erlaß vom 24. Oktober 1857 ein Ende.
Der Minister von Raumer wurde dadurch seinem Jmmediatantrage
gemäß ermächtigt, die Stelle des Bibliothekars bei der Universitäts-
Bibliothek einzuziehen, ihren zeitigen Inhaber Mundt mit einem aus
dem Gehalt der Stelle zu zahlenden Wartegelde von 367 Talern einst-
weilen in den Ruhestand zu versetzen und den disponiblen Betrag des
Gehaltes anderweit für die Bibliothek zu verwenden. Auf Grund
dieser Kabinettsorder erfolgte die Reorganisation der Bibliothek, nach-
dem Mundt im Laufe des März 1858 die Geschäfte an Koner abgegeben
hatte, in der Hauptsache nach den Vorschlägen des Oberbibliothekars.
Koner, jetzt der einzige wissenschaftliche Beamte der Bibliothek,
übernahm auch die bisher von dem Bibliothekar besorgten Geschäfte
und war dem Direktor für den gesamten inneren Betrieb der Anstalt
verantwortlich. Da die bedeutende Vermehrung seiner Arbeit ihn
zwang, sich auch in den Vormittagsstunden der Universitäts-Bibliothek
zu widmen und seine Assistentenstelle bei der Königlichen Bibliothek
aufzugeben, mußte an eine angemessene Erhöhung seines Einkommens
gedacht werden. Von den 500 Talern, die Mundt erhalten hatte, blieben
aber nach Abzug seines Wartegeldes und des Pensionsbeitrages nur
125 Täler 15 Sgr. übrig, so daß zunächst nur diese Summe Koner als
jährliche Remuneration zu seinem Gehalte bewilligt werden konnte.
Die unzulängliche Besoldung des Dieners Hartwig, der ebenfalls mit
seiner ganzen Arbeitskraft der Bibliothek zur Verfügung stehen mußte,
wurde um jährlich 50 Taler erhöht.
Da die finanziellen Verhältnisse der Bibliothek es nicht erlaubten,
zur Unterstützung Koners und für die in Aussicht genommene Anfertigung
neuer Fachkataloge eine bezahlte Hilfskraft anzunehmen, kam es sehr-
erwünscht, daß sich ein bibliothekarisch schon vorgebildeter junger Ge-
lehrter, Heinrich Eduard B o n n e l l, in der Hoffnung auf eine spätere
Anstellung zur unentgeltlichen Tätigkeit cmf der Universitäts-Bibliothek
bereit erklärte.*) Bonnell wurde am 1. April 1858 als Assistent ange*
*) Bonnell, geb. 1829, Sohn des bekannten Berliner Gymnasialdirektors B.,
hatte Rechtswissenschaft studiert und auch schon als Auskultator am Berliner Stadt-
gericht gearbeitet, wandte sich 1853 aber ausschließlich historischen Studien zu und war
als Historiker auch mit Erfolg literarisch tätig. Seit 1853 beteiligte er sich auch auf
der Königlichen Bibliothek an den Vorarbeiten für die neue Katalogisierung. Zum
Dr. phil. wurde er 1858 in Berlin promoviert.
108
nommen und erwarb sich durch Fleiß und Tüchtigkeit bald die Zufrieden-
heit Koners; er besorgte iu den nächsten Jahren hauptsächlich den
Verkehr mit ben Benutzern. Als freiwilliger Hilfsarbeiter trat dann
am 17. Oktober 1859 noch Dr. Ferdinand Ascherson*) ein, dem
die seit einer Reihe von Jahren unterlassene Ordnung und Katalogi-
sierung der Universitüts- und Schnlschriften übertragen wurde, der
aber bei dem Mangel an Arbeitskräften bald zu den laufenden Ge-
schäften herangezogen werden mußte. Auch Ascherson erwies sich als
brauchbar und zuverlässig; ihm kam ein erstaunliches Gedächtnis zustatten,
das ihm auch im höheren Lebensalter treu blieb und oft die Bewunderung
seiner Kollegen erregte.
Am Ende des Jahres 1859 konnte das Gehalt Koners erhöht und
dem Assistenten Bonnell eine feste Remuneration bewilligt werden.
Bei der damaligen allgemeinen Aufbesserung der Beamtengehälter
wurden für die Beiben etatsmäßigen Stellen der Universitäts-Bibliothek
700 und 500 Taler ausgeworfen, wovon (nach Abzug des an Mundt
zu zahlenden Betrages) Koner 600 und Bonnell 224 Taler erhielt.
Die endgültige Regelung der Personalverhältnisse erfolgte erst,
als durch den Tod Mündts (30. November 1861) das ihm bewilligte
Wartegeld frei geworden war. Durch Ministerial-Verfügung vom
21. Mai 1862 wurde Koner — dessen geschickte Amtsführung sowohl
bei Pertz als bei Rektor und Senat volle Anerkennung gefunden hatte
und dem am 29. Januar 1862 das Prädikat Professor beigelegt worden
war — mit dem vollen etatsmäßigen Gehalt zum ersten Kustos ernannt
und Bonnell als zweiter Kustos fest angestellt. Bon der Verleihung
des Bibliothekartitels, der übrigens auch auf der Königlichen Bibliothek
damals nur sehr selten erteilt wurde, an den ersten Kustos wurde Abstand
genommen, so daß auch äußerlich die Abhängigkeit von dem als Direktor
der Universitäts-Bibliothek fungierenden Oberbibliothekar der König-
lichen Bibliothek erkennbar blieb. Dem von Kotier lebhaft befürworteten
Gesuch Aschersons um Anstellung als besoldeter Assistent konnte aus
finanziellen Gründen nicht stattgegeben werden, doch erhielt Ascherson
*) Ascherson, geb. 10. Dezember 1832 in Berlin, studierte klassische Philologie.
Bon seiner Abhandlung über den tragischen Chor der Griechen, die 1855 von der
Berliner philosophischen Fakultät mit einem Preise gekrönt wurde, erschien ein Teil
1856 als Dissertation. Sein Lehrer Böckh, dem er zum 50jährigen Doktorjubilüum
(1857) eine eigene Schrift widmete, übertrug ihn: die Herausgabe seiner gesammelten
kleinen Schriften.
109
für die Jahre 1860 und 1861 außerordentliche Remunerationen von je
100 Talern.
Die Aufbesserung der Kustodengehälter bedeutete einen erfreu-
lichen Fortschritt in der Entwicklung der Anstalt. Während früher bei
der kärglichen Entschädigung keine zu hohen Ansprüche gestellt werden
durften, konnte jetzt von den Beamten, die eine ausreichend besoldete
Lebensstellung innehatten, die Einsetzung ihrer vollen Kraft und Zeit
verlangt werden.
Die Instruktionen für den ersten und den zweiten Kustos von:
21. Mai 1862 stimmen bis aus geringe Abweichungen mit denen überein,
die 1850 Mnndt und 1849 Bruns erteilt worden waren, so daß, von
den veränderten Amtsbezeichnungen abgesehen, das dienstliche Ver-
hältnis der beiden Beamten zueinander und zum Direktor der Bibliothek
das alte blieb. Hinzugefügt ist nur die Bestimmung, daß Urlaubs-
gesuche des zweiten Kustos dem Direktor durch Vermittlung des ersten
Kustos einzureichen sind. Beide Kustoden haben von jetzt an an allen
Wochentagen und zwar so lange als es der Dienst erfordert, wenigstens
aber während der Stunden von 9 bis 12 vormittags und mit Ausnahme
des Sonnabends von 2 bis 4 Uhr nachmittags, in der Bibliothek an-
wesend zu sein.
Die Mnndtsche Amtsführung gab den Anlaß zur Herstellung einer
engeren Verbindung zwischen der Universität und der Universitäts-
Bibliothek. Die offenkundigen Mißstände ans der Bibliothek ließen
es dem Senat wünschenswert erscheinen, der Universität in Zukunft
einen größeren Einfluß ans die Verwaltung ihrer Bibliothek zu sichern.
Zwar bestand die Vereinbarung vom 21. April 1831, die das Verhältnis
zwischen dem Oberbibliothekar und dem Senat regeln sollte, noch
fort, doch fehlte bisher das geeignete Organ, „um das Einflußrecht des
Senats bei Entscheidung wichtiger, die Bibliothek betreffender Fragen,
namentlich bei Anschaffung neuer Werke, Erwerbung von Bücher-
sammlnngen und Besetzung von Beamtenstellen in einer den Bedürf-
nissen des akademischen Unterrichts und des organischen Zusammen-
hangs der Universität und der Universitäts-Bibliothek entsprechenden
Weise geltend zu machen". Das geeignete Mittel, die Beaufsichtigung
der Bibliothek einer festeren und einheitlicheren Leitung zu unterwerfen
und eine dauernde, mehr persönliche Verbindung zwischen dem Lehr-
körper der Universität und der Bibliotheksverwaltung herzustellen.
110
erblickte der Senat in der Einsetzung einer ständigen Aufsichtskommission,
für die an: 4. Juni 1858 dem Minister Statuten zur Genehmigung ein-
gereicht wurden.
Die am 9. Oktober 1858 vom Minister von Raumer vollzogene
„Instruktion über die Beaufsichtigung der Uni-
versitäts-Bibliothek" bestimmt in dem ersten ihrer 11 Para-
graphen, daß zur Beaufsichtigung der Bibliothek im Interesse des
öffentlichen Unterrichts seitens der akademischen Behörde eine Kommission
von fünf Mitgliedern eingesetzt wird, und legt in § 2 bis 8 das bei der
Wahl der Mitglieder und des Vorstandes zu beobachtende Verfahren
fest. Danach wird in der Kommission jede Fakultät durch ein Mitglied,
die philosophische durch zwei Mitglieder — eins für die historisch-
philologische, das andere für die mathematisch-uaturwissenschaftliche
Seite — vertreten. Wählbar sind alle ordentlichen Professoren, doch
kann von der Fakultät, wenn sie es nötig findet, ausnahmsweise ein
außerordentlicher Professor mit seiner Bewilligung gewählt werden,
der damr die Rechte eines ordentlichen Mitgliedes erhält. Die Kommission
erneuert sich in je vier Jahren dergestalt, daß alljährlich je eine der
Fakultäten und zwar nach der Ordnung der Fakultäten, eine Neuwahl
vornimmt, wobei die ausgeschiedenen Mitglieder wiedergewählt werden
können. Eine außerordentliche Neuwahl erfolgt, wenn im Laufe der
vierjährigen Periode ein Mitglied durch den Tod oder motivierten
Rücktritt ausscheidet. Die Kommission wählt spätestens im Januar
jedes Jahres eins ihrer Mitglieder durch Stimmenmehrheit zum Vor-
stand auf ein Jahr. § 9 lautete in der vom Senat vorgeschlagenen
Fassung: „Der erwählte Vorstand beruft die Kommission im Mai und
November jedes Jahres, um über die für den Universitätsunterricht
in dem betreffenden Semester wünschenswerten Erwerbungen zu be-
raten. Das Ergebnis wird durch den Senat dem Direktor der Bibliothek
mitgeteilt"; auf den Antrag von Pertz wurden am Schlüsse die Worte
hinzugefügt: „welcher dasselbe nach Maßgabe der ihm zu Gebote
stehenden Mittel berücksichtigt". Nach § 10 prüft die Kommission den
von dem Bibliothekar zu erstattenden Jahresbericht und legt ihre Be-
merkungen über ihn dem Senat binnen vier Woche:: zur Entscheidung
vor. Durch den § 11 wird der Vorstand ermächtigt, nach seinem Ermessen
außerordentliche Versammlungen zu berufen, die durch ungewöhnliche
Erwerbungen, Veränderungen des Bibliothekspersonals und dergleichen
notwendig werden.
111
Die Befugnisse der Kommission sind durch diese Statuten in
richtiger Weise beschränkt: sie ist eine nur beratende Körperschaft,
die für die Anschaffungen und bei den im § 11 genannten besondere::
Verhältnissen dem Bibliothekar wohl Vorschläge machen und Anregungen
geben kann, der aber ein direktes Eingreifen in den Gang der Verwaltung
nicht zusteht.
Der mit der Einsetzung der Kommission beabsichtigte Zweck wurde
aber erst dann erreicht, als die Abhängigkeit der Universitäts-Bibliothek
von der Verwaltung der Königlichen Bibliothek aufgehoben war. Die
eigentümliche Stellung, die die Universitäts-Bibliothek zur Universität
einnahm, solange sie von dem zu den Universitätsbehörden in keinem
amtlichen Verhältnis stehenden Oberbibliothekar der Königlichen
Bibliothek geleitet wurde, legte der Kommission große Zurückhaltung
auf und erschwerte ihre Wirksamkeit und zwar um so mehr, als Pertz
eine nicht immer entgegenkommende Persönlichkeit war. In die sonst
häufig vorgebrachten Klagen über die Bibliothekskommissionen kann
nach den Berliner Erfahrungen nicht eingestimmt werden: während
auf der einen Seite die Satzungen der Kommission (die auch durch die
Reglements für die Bibliothek von 1877 und 1890 nicht wesentlich
verändert wurden) eine Beschränkung der notwendigen Selbständigkeit
des Bibliothekars ausschließen und seinem pflichtmäßigen Ermessen
die Berücksichtigung der ihm gemachten Vorschläge überlassen bleibt,
sind ans der anderen Seite die auf den Nutzen der Bibliothek gerichteten
Anträge Koners und seiner Nachfolger von der Kommission oft in wirk-
samer Weise unterstützt worden.*)
Fortwährende Schwierigkeiten bereiteten der Bibliotheksverwaltung
die gänzlich unzulänglichen Mittel für die Bücheranschaffungen. Unter-
allen deutschen Universitäts-Bibliotheken war die Berliner damals die
*) Bei der ersten Wahl im Januar 1859 wurden die Professoren Steinmeyer,
Richter, Ehrenberg, Haupt und Braun gewählt; erster Vorsitzender war Haupt. Die
Kommissionsmitglieder haben der Bibliothek von Anfang an lebhaftes Interesse
entgegengebracht. Fast alle gehörten der Kommission mehrere Wahlperioden hindurch
an, so Steinmeyer und Ehrenberg (beide bis S.-S. 73), Braun (bis W.-S. 76/77),
Bruns (von S.-S. 67 bis W.-S. 80/81), Hübner (30 Jahre hindurch, davon 29 als
Vorstand), Hirsch (W.-S. 73/74 bis W.-S. 93/94), Hübler (S.-S. 81 bis W.-S. 1906/07)
und Harnack (seit W.-S. 88/89, ausgeschieden infolge seiner Ernennung zum General-
direktor der Königlichen Bibliothek). Die gegenwärtigen Mitglieder sind Hirsch-
feld (seit S.-S. 1901) Präses, Rubner (seit W.-S. 94/95), Frobenius (seit S.-S.
1902), Graf von Baudissin und Seckel.
112
einzige, der es — abgesehen von den Beamtenbesoldungen, die aus
den allgemeinen Universitätsfonds bestritten wurden — an einer festen
Dotation fehlte. Für die eigentlichen Bibliothekszwecke konnten nur
die auf der Universität erhobenen Gebühren verwandt werden, deren
Höhe aber in gar keinem Verhältnis zu den Bedürfnissen stand. Nach
Abzug der Buchbinderkosten blieben für die Anschaffungen meist nur
300 Taler jährlich übrig, so daß jedesmal, wenn eine besonders günstige
Gelegenheit Pertz zu einem Ankaufe größerer: Umfanges veranlaßte
(wie es bei den Erwerbungen aus der: Bibliotheken Mejan 1851, Meuse-
bach 1855 und Lejemre-Dirichlet 1859 der Fall war), die finanziellen
Verhältnisse der Anstalt auf Jahre hinaus in Verwirrung gerieten. *)
So war nicht allein eine Ausfüllung der Lücken, die die Bibliothek
seit ihrer Anlage aufwies und die von Jahr zu Jahr größer wurden,
mit den laufenden Mitteln ausgeschlossen, sondern auch die Anschaffung
vieler vor: der: Studierenden verlarrgter: Neuerscheinungen unmöglich.
Der Bücherbestar:d war in der: meisten Hauptabteilungen, namentlich
dort, wo die Wissenschaft neue Richtungen eingeschlager: hatte, so un-
vollständig urrd ungleichartig, daß eine systematische Ergürrzung unab-
weisbar wurde, wenn die Urriversitüts-Bibliothek nicht gänzlich auf
die Erfüllung ihrer Aufgabe verzichten wollte. Aus diesen Gründen
bewilligte der Minister, da die irr Anregung gebrachte Erhöhung des
Etats rricht möglich war, am 29. Mai 1854 zun: Ankauf der vor: der:
Benutzen: häufiger verlarrgter: ur:d rwch fehlender: Werke eir:en außer-
o r d e r: t l i ch e n Z u s ch u ß v o rr 500 Talern, wobei er bestimmte,
daß diese Summe besorrders zur Anschaffung der für die Studenten
wichtigen allgemeir:en und Hauptwerke, namentlich der Quellenschrift-
steller, verwandt werde. Der Mirrister schloß sich der Ansicht vor: Rektor
urrd Serrat an, daß der Ankauf vor: Schrifter: für mehr ins einzelne
geherrde wissenschaftliche Forschungen, solange der wesentliche Zweck
der Universitäts-Bibliothek noch nicht erreicht sei, so viel als möglich
zu unterbleibe: habe urrd der Königlichen Bibliothek zu überlassen sei.
Werrr: die bewilligte Summe irr: Verhältnis zu der: Wünschen der
Bibliotheksleitung auch rrur bescheider: war (Pertz hatte 2000 Taler
beantragt), so konnte doch damit zur Ausfüllung der empfindlichsten
*) Der Anschaffungsfonds der Universitäts-Bibliothek stand hinter dem der
Bibliotheken der Akademie der Künste, der Bauakademie, des Oberbergamts und
anderer Fachbibliotheken, die doch nur auf einem beschränkten Gebiet die Literatur
zu berücksichtigen hatten und nur wenig benutzt wurden, erheblich zurück.
113
Lücken ein guter Schritt vorwärts getan werden. Durch vorteilhafte
Ankäufe, hauptsächlich bei auswärtigen Antiquaren, wurden namentlich
historische Quellenwerke erworben.
Durch die schon genannten größeren Ankäufe aus eigenen Mitteln
erhielt die Bibliothek zu sehr geringen Preisen eine große Zahl wert-
voller Werke. Auf der Auktion der Dubletten, die in der Königlichen
Bibliothek durch die Überweisung der Mesa n s ch e n Sammlung
entstanden waren, wurden für 312 Taler 200 wichtige Werke allgemeinen,
philologischen und besonders historischen Inhalts in schönen Exemplaren
erworben. Wenn sich unter diesen Büchern auch einige befanden, deren
Anschaffung vielleicht einer späteren Zeit Hütte vorbehalten: werden
können, so ordnete Pertz doch ihre Erwerbung an, da ein späterer Ankauf
zu gleich billigen Preisen unter keinen Umständen zu erwarten war. *)
Genau so lagen die Verhältnisse bei der Auktion der Meusebachschen
Dubletten im Jahre 1855. Pertz ließ auch hier die für die Universitäts-
Bibliothek geeigneten Bücher, auf die keine preiswürdigen Gebote
gemacht wurden, zurückkaufen. Die Bibliothek gelangte so für 172% Taler
in den Besitz von rund 300 Schriften aus den Fächern der Theologie,
der Philologie, der Rechtswissenschaft und der bis dahin so gut wie gar
nicht vertretenen älteren deutschen Literatur.
Aus dem Fonds der Anstalt wurde sodann im Jahre 1859 der
wertvollere Teil der ausgezeichneten mathematischen und astronomischen
Büchersammlung angekauft, die der Göttinger Professor Peter Gustav
L e j e u n e - D i r i ch l e t hinterlassen hatte.**) Unter den 217Werken,
die für den sehr mäßigen Preis von 350 Talern aus dem Nachlasse er-
worben wurden, befanden sich die Hauptschriften der hervorragendsten
Mathematiker und Astronomen, so daß viele Lücken der mathematischen
Abteilung, einer der schwächsten der Bibliothek, ausgefüllt wurden.
*) Für die Mehrzahl der Dubletten, durch deren Verkauf ein Teil der für die
Mejanfche Sammlung vom Staate gezahlten Summe gedeckt werden sollte, blieb
das Ergebnis der Auktion weit hinter den Erwartungen zurück. Es ist daher um so
mehr zu bedauern, daß Pertz mit dem beim Ankaufe der Bibliothek gemachten Vor-
schlage, die Dubletten unter die preußischen Universitäts-Bibliotheken zu verteilen,
nicht durchgedrungen war.
**) L.-D., geb. 13. Februar 1805 in Düren, gest. 5. Mai 1859 in Göttingen,
wohin er im Herbst 1855 als Nachfolger von Gauß berufen worden war, hatte der
Berliner Universität 26 Jahre als Lehrer angehört, seit dem S.-S. 1829 als Privat-
Dozent, seit 1831 als außerordentlicher und von 1839 bis 1855 als ordentlicher Pro-
fessor. Vgl. Allgemeine Deutsche Biographie Bd. 5. Leipzig 1877. S. 251 f.
Friese, Univ.-Bibl. Berlin. 8
114
Da durch diesen Llnkauf die Mittel der Bibliothek für 1860 vollkommen
erschöpft waren, suchte der Senat auf Veranlassung der Bibliotheks-
kommission beim Ministerium die Bewilligung eines außerordent-
lichen Zuschusses von 350 Talern nach, doch wurde dieser Antrag ab-
gelehnt.*)
Die recht ansehnliche Vermehrung der Bibliothek in der Zeit voll
1850 bis 1862 — sie betrug im Jahresdurchschnitt etwa 1200 Nummern —
war zum größten Teil beu Pflichtlieferungen und Geschenken zu ver-
dallkell.
Tie Zmlahme der Berliner Verlagstätigkeit **) machte sich in der
Zahl der eingehenden Pflichtexemplare deutlich bemerkbar:
im Jahre 1858 entfielen von beu 1665 in das Zugangsverzeichnis eiu-
getragenen Nummerlr 792 auf Pflichtlieferungen, mW im folgenden
Jahre stellte sich das Verhältllis auf 1200 zu 701. Unter den Buch-
händlerli, die damals hauptsächlich für die Zwecke des Universitäts-
unterrichts brauchbare Werke verlegten, sind besonders zu ueuiten
Besser, Guttentag (seit 1858), Hirschwald, Nieolai und Georg Reimer.
Aus den Pflichtexemplaren habell sich nach und nach manche Abteilungen
der Bibliothek gebildet, die ihrer Aufgabe weniger entsprechen mid die
bei beu geringen Mitteln der Anstalt auch nicht berücksichtigt werden
konnten, so die Technologie, die Landwirtschaft, die Kriegswissenschafteu
und die neuere deutsche Belletristik.
Unter den Geschenken dieses Zeitraumes sind zunächst zwei
Zuwendungen voir Mitgliedern des königlichen Hauses anzuführen.
Prinz Adalbert überwies im Dezember 1855 zusammen mit seinen
Schwestern der Universität ein Exemplar des Prachtwerkes über die
Reise seines verstorbenen Bruders, des Prinzen Waldemar, nach Indien
und Prinz Friedrich Wilhelm schenkte im Jahre 1859 der Universitüts-
*) Es sei hier der bedeutenden, auf 3000 Taler geschätzten Büchersammlung
Neanders gedacht, deren Erwerbung für die Universitäts-Bibliothek die theo-
logische Fakultät im Dezember 1850 beim Minister angeregt hatte, die dann aber,
da die erforderlichen Mittel dem Ministerium nicht zur Verfügung standen, nach
Amerika (an die Universität Rochester, N. I.) verkauft wurde. Die Lage der Staats-
sinanzen verhinderte auch im Jahre 1861 den von Pertz beantragten Ankauf der aus
wertvollen juristischen und philologischen Werken bestehenden Bibliothek des Ge-
heimen Justizrats und Professors vr. von K e l l e r für die Königliche und die Uni-
versitäts-Bibliothek.
**) Koner gibt die Zahl der brandenburgischen (d. h. fast ausschließlich Berliner)
Buchhändler für 1859 auf 113 und für 1860 auf 121 an.
115
Bibliothek 54 Werke aus der Büchersammlung König Friedrich Wil-
helms III.
Auf Veranlassung des Ministers von Raumer wurde die Bibliothek
sodann durch die Übergabe eines Teiles der Büchersammlung bereichert,
die der an: 4. März 1853 in Berlin verstorbene Kammerherr Leopold
von Buch, der bedeutendste Geologe seiner Zeit, hinterlassen hatte.
Der König genehmigte im Dezember 1853 den Ankauf der Buchschen
Sammlungen von Mineralien, Versteinerungen, Gesteinsarten, Karten
und Büchern für das Mineralien-Kabinett der Berliner Universität um
den Gesamtpreis von 15 000 Talern mit der Bestimmung, daß die in
der Bibliothek Buchs befindlichen Werke, die sich nicht für das Mine-
ralien-Kabinett eignen sollten, an die Bibliothek der Universität ab-
gegeben würden. Dieser Bestimmung zufolge überwies der Direktor
der Mineralien-Sammlung, Professor Weiß, der Universitäts-Bibliothek
im Dezember 1854 und in den ersten Monaten des folgenden Jahres
761 größere Werke und Broschüren, die hauptsächlich den bis dahin
nur sehr mangelhaft ausgestatteten Abteilungen Geologie, Mineralogie,
Botanik und Reisebeschreibungen zugute kamen und in der Mehrzahl
wissenschaftlichen Wert besaßen.
Von den Geschenken des vorgesetzten Ministeriums war das wert-
vollste die „Allgemeine Enzyklopädie der Wissenschaften und Künste"
von Ersch und Gruber, von welcher iit der Ministerialbibliothek nach Aus-
hebung der besonderen Büchersammlung der Medizinal-Abteilung zwei
Exemplare vorhanden waren, während ans der Universitäts-Bibliothek
die Anschaffung dieses wichtigen Nachschlagewerkes nur mit Rücksicht
auf den hohen Preis unterblieben war. Im November 1850 wurden
die bis dahin erschienenen 100 Bände überwiesen, wobei die Universitäts-
Bibliothek sich aber verpflichten mußte, die Fortsetzungen aus eigenen
Mitteln anzukaufen.
Ein bedeutender Zuwachs wurde der Bibliothek wiederum durch
die unentgeltliche Abgabe von Dubletten der Königlichen Bibliothek
zuteil. In den Jahren 1850 bis 1856 betrug nach einer von Pertz ver-
anlaßten Zusammenstellung die Zahl der überlassenen Werke 353,
wofür als Gegengabe, freilich von sehr viel geringerem Werte, eine Anzahl
balneographischer Schriften, die die Königliche Bibliothek noch nicht besaß,
abgetreten werden konnte.
Unter den zahlreichen Zuwendungen von Privatpersonen sind
folgende hervorzuheben.
8*
116
Im September 1851 wurde der Bibliothek das Vermächtnis des
Professors Dr. Peter Feddersen Stuhr übergeben *). Durch Kodizill
vom 10. Mai 1848 war von Stuhr, der die Entwicklung der Anstalt
seit Jahren mit besonderer Teilnahme verfolgt hatte, bestimmt worden,
daß seine hauptsächlich der historischen Literatur angehörende Bibliothek
sowie seine Vorlesungshefte und sonstigen Manuskripte der Universitäts-
Bibliothek zufielen. Das gerichtlich auf 212 Taler 12 Groschen abge-
schätzte Legat umfaßte 213 Werke, die sich sämtlich für Studienzwecke
eigneten; besonders willkommen war darunter die „Geschichte der
europäischen Staaten, Hrsg, von Heeren und Ukert" in 47 Bänden. **)
In demselben Jahre machte die Witwe des am 22. März 1850
zu Anklam verstorbenen Privatdozenten Julius Franz Lauer den
handschriftlichen Nachlaß ihres Mannes zum Geschenk, der aus seinen
Vorlesnngsheften sowie einer Reihe von eigenen Aufzeichnungen und
Kollektaneen zur homerischen Frage bestand ***).
75 Werke, hauptsächlich aus der älteren juristischen Literatur,
schenkte 1852 der Berliner Stadtrat Dr. jur. Jacobson.
Eine sehr wertvolle Vermehrung wurde der Bibliothek dann Anfang
Mai 1856 durch das Vermächtnis des Geheimen Ober-Medizinalrates
und Professors Dr. Stephan Friedrich B arez zuteil.f) Durch diese
Zuwendung, die die srtcheren Geschenke an Bedeutung weit übertraf,
wurde der besondere Wert, den die medizinische Abteilung der Bibliothek
durch die vorhergegangenen Erwerbungen (Medizinal-Bibliothek des
*) Stuhr, geb. 28. Mai 1787 in Flensburg, habilitierte sich 1821 in Berlin
für Geschichte und Mythologie und wurde 1826 außerordentlicher Professor; in
dieser Stellung wirkte er bis zu seinem Tode (13. März 1851). Vgl. Allgemeine
Deutsche Biographie Bd. 36. Leipzig 1893. S. 738—41.
**) Die Stuhrschen Manuskripte wurden 1893 an die Handschriften-Abteilung
der Königlichen Bibliothek abgegeben.
***) Lauer, geb. 25. Juli 1819 zu Anklam, wurde 1843 Or. phil. in Berlin
und habilitierte sich hier April 1846 als Privatdozent für griechische Literatur und
Mythologie. Sein Nachlaß befindet sich ebenfalls seit 1893 in der Handschriften-
Abteilung der Königlichen Bibliothek.
4) Barez, geb. 30. August 1790 in Berlin als Sohn eines zur französischen
Kolonie gehörenden Kaufmanns, gestorben ebenda 12. Januar 1856, erwarb sich
in verschiedenen amtlichen Stellungen, zuletzt (seit 1841) als Vortragender Rat in
der Medizinal-Abteilung des Kultusministeriums große Verdienste, wirkte daneben
als außerordentlicher Professor an der Universität und übte auch bis zu seinem Tode
als gesuchter Arzt eine umfangreiche Praxis aus. Vgl. Biographisches Lexikon der
hervorragenden Ärzte aller Zeiten und Völker. Bd. 1. Wien u. Leipzig 1884. S. 291.
117
Ministeriums, Sammlung Osann, Abgaben der Hufelandischen Gesell-
schaft und die Pflichtexemplare des Hirschwaldschen Verlages) schon
besaß, noch wesentlich erhöht.
Barez hatte im Jahre 1853 dem damaligen Rektor der Universität
Encke mündlich von seiner Absicht Kenntnis gegeben, einen Teil seiner
Büchersammlung der Universitäts-Bibliothek zu hinterlassen, und später
sich auch noch schriftlich dahin geäußert, daß er seinem Testamente ein
Kodizill hinzufügen würde, wonach die Universitäts-Bibliothek den
medizinischen Teil seiner Bibliothek erhalten sollte. Nun enthielt aber,
wie sich bei der Eröffnung zeigte, weder das Testament eine entsprechende
Bestimmung, noch konnte das in Aussicht gestellte Kodizill aufgefunden
werden. Obwohl also jeder eigentliche Rechtstitel für einen Anspruch
der Universitäts-Bibliothek fehlte, hielt es die Adoptivtochter und
Universalerbin des Erblassers, Fräulein Auguste von Rhaden-Barez,
die aus mündlichen Äußerungen ihres Pflegevaters feine Absicht betreffs
dieser Schenkung kannte, doch für ihre Pflicht, den Willen des Ver-
storbenen auszuführen. Sie überwies der Bibliothek nicht nur den
medizinischen Teil der Sammlung, sondern auch eine Anzahl zu Studien-
zwecken geeigneter Werke aus anderen Wissensgebieten, ferner fünf
sehr große, schöne und mit Glastüren versehene Mahagonischränke,
die im Lesezimmer der Bibliothek ihren Platz fanden.
Durch dieses Geschenk, das einschließlich der kleinen Schriften
1468 Werke in 3800 größtenteils wohlerhaltenen und gut gebundenen
Bänden umfaßte, erhielt das medizinische Fach der Bibliothek einen
Zuwachs von mehr als 3000 Bänden, der besonders dadurch wertvoll
war, daß er die neueren Hauptwerke in der Pathologie und Therapie
der einzelnen Krankheiten sowie die bedeutendsten medizinischen Zeit-
schriften in vollständigen Bändereihen bot. Die Mehrzahl der sich er-
gebenden Dubletten wurde in die Bibliothek eingereiht, da es sich fast
durchweg um vielverlangte Werke handelte, bei denen der Besitz
zweiter Exemplare erwünscht war. Der Geldwert der Bücher wurde
auf 1600 Taler, der der Schränke auf 200 Taler abgeschätzt; die deshalb
zur Annahme des Geschenkes erforderliche landesherrliche Genehmigung
wurde durch Kabinettsorder vom 9. Juli 1856 erteilt. Die Einverleibung
der Barezschen Bücher, deren Herkunft durch besondere Etiketten kenntlich
gemacht wurde, konnte noch im Laufe des Sommers so weit beendigt
werden, daß die ganze Erwerbung bis auf eine Anzahl kleinerer Schriften
mit Beginn des Winter-Semesters zur Benutzung bereit stand. Erhebliche
118
Schwierigkeiten verursachte dabei die Beschränktheit des zu Gebote
stehenden Raumes, da der Platz für den neuen Zuwachs erst durch die
Umstellung eines großen Teiles der Bibliothek gewonnen werden
mußte.
Im Jahre 1856 überwies der Professor Martin O h m 94 in Leder
gebundene Bände der ältesten Memoiren der Pariser Académie àes
86Î6N668. Die Bände waren ehemals das Handexemplar des Präsidenten
der Berliner Akademie der Wissenschaften Manpertuis gewesen, dessen
Monogramm auf der Vorderseite eines jeden Banddeckels in Gold
eingedruckt ist.
Aus der Bibliothek des verstorbenen Numismatikers B. Fried-
l ä n d e r in Berlin schenkten 1858 seine Erben 85 Werke in 138 Bänden,
hauptsächlich ältere Ausgaben griechischer und römischer Autoren,
die die Universitäts-Bibliothek mit wenigen Ausnahmen noch nicht
besaß.
Ans Anlaß des bevorstehenden fünfzigjährigen Jubiläums der
Breslauer Universität übersandte der dortige Buchhändler F. Hirt
der Berliner Universität 30 Werke seines Verlages in 54 Bänden behufs
Begründung einer Handbibliothek für die Studierenden. Die vom
Senat an die Universitäts-Bibliothek abgegebenen Werke waren, bis auf
zwei, hier noch nicht vorhanden.
Von den Geschenken, die aus den: Ausland eingingen, sind die
Schriften der englischen Reformatoren bemerkenswert, die 1854 in
31 Bänden von der Herausgeberin, der Londoner Parker Society,
überwiesen wurden.
Zn Anfang des Jahres 1860 traf Koner mit dem damals von
mehreren Professoren gegründeten akademischen Lesezirkel
eine Vereinbarung, nach der die Universitäts-Bibliothek dem Leseverein
leihweise eine Reihe von Zeitschriften zum Umlauf bei den Mitgliedern
überließ und dafür die vorn Zirkel gehaltenen Journale nach erfolgter
Benutzung als Geschenk erhielt.*)
Mit dem Anwachsen des Bücherbestandes stieg auch die Be-
nutzung der Bibliothek. Im Ausgang der 1850er Jahre wird die
Zahl der Benutzer — etwa 50 nichtstudentische Entleiher mitgerechnet —
*) Die Verbindung mit dem Lesezirkel besteht heute noch fort und zwar in der
Weise, daß die Bibliothek die im Sprechzimmer der Universität ausliegenden wissen-
schaftlichen Zeitschriften liefert und dafür einen Beitrag zu den Abonnementskosten
erhält, dessen Höhe von der Zahl der teilnehmenden Dozenten abhängt.
119
(schätzungsweise) auf 600 jährlich angegeben, so daß mindestens ein
Drittel der immatrikulierten Studenten die Bibliothek benutzt hat.
Die erste genaue Angabe über die Zahl der entliehenen Werke findet
sich für das Jahr 1857; danach waren 7178 Werke in das Verleihbnch
eingetragen, wobei die Prolongationen, die bei den gangbarsten Werken
immer nur auf acht Tage gewährt wurden, nicht mitgezählt sind. Von
den Universitätslehrern benutzten die Bibliothek im Jahre 1857:12,
1858: 14.
Um den Studierenden die Benutzung gu erleichtern, ließ Pertz
im W.-S. 1856/57 in der Bibliothek und mit Genehmigung des Senats
auch im Universitätsgebäude einen Zettelkasten anbringen. Nunmehr
wurden die Bücher, für die bis 1 Uhr nachmittags Zettel in die Kasten
gelegt waren, von 2 Uhr an in dem Ausgabezimmer der Bibliothek
ohne Zeitverlust verabfolgt, während die Benutzer bisher ihre Be-
stellungen nur persönlich abgaben und deshalb, namentlich bei größeren:
Andränge, längere Zeit auf die Erledigung warten mußten. Die Methode
der sofortigen Erledigung aller Wünsche war bei der Anlage und in
der ersten Entwicklungszeit der Bibliothek sehr zweckmäßig gewesen,
entsprach aber jetzt, wo die ursprünglich kleine Büchersammlung zu
einer größeren Bibliothek herangewachsen war, weder den: Interesse
der Anstalt noch dem ihrer Benutzer, die übrigens auch nach Einrichtung
der Zettelkasten noch ii: der alten Weise zu bestellen berechtigt blieben.
Die nichtstudentischen Benutzer waren in der Hauptsache Examens-
kandidaten, dann aber auch auswärtige Gelehrte. Die Verleihung von
Büchern der Königlichen Bibliothek nach außerhalb wurde damals
möglichst beschränkt, während die Universitäts-Bibliothek mehr und
mehr als öffentliche Provinzialbibliothek angesehen wurde. In vielen
Fällen lehnte das Ministerium die Gesuche Auswärtiger um Benutzung
der Königlichen Bibliothek ab, gestattete den Antragstellern aber für
längere oder kürzere Zeit Entleihungen aus der Universitäts-Bibliothek.
Es entsprach das nicht der Bestimmung der Universitäts-Bibliothek,
doch ergaben sich daraus für die Studierenden keine Übelstünde, da
vielverlangte Werke gar nicht oder nur auf kurze Zeit nach außerhalb
verliehen wurden und die Bibliothek infolge ihrer eigenartigen Zu-
sammensetzung auch liber einen großen Büchervorrat verfiigte, der für
die studentischen Benutzer kaum in Frage kam.
Einen empfindlichen Verlust erlitt die Bibliothek in: Winter-Semester
1859/60 dadurch, daß eine bedeutende Anzahl medizinischer Bücher
120
von einem Benutzer mit wohl beispielloser Dreistigkeit beschädigt wurde.
Es dürste von Interesse sein, Näheres über den Verlauf dieser An-
gelegenheit zu erfahren, deren Folgen sich noch Jahre hindurch bemerk-
bar machten.
Im Februar 1860 entdeckte Koner zufällig, daß irr zwei Bünden
einer medizinischen Zeitschrift mehrere Blattlagen herausgerissen warerr.
Die sofort mit Hilfe des Verleihbuches angestellte Nachforschung nach
dem Täter blieb erfolglos, da die Bünde nicht ausgeliehen geweserr
waren. Als nun bald darauf auch noch einige Anzeigen von Errtleiherrr
über Verstümmelungerr anderer Bücher eingingen, wurde vorr derr
Bibliotheksbeamten eine große Zahl medizinischer Werke auf ihre Voll-
ständigkeit untersucht. Dabei stellte sich heraus, daß in vielen, zum Teil
sehr wertvollen Werken ganze Abhandlungen mit den zugehörigen
Tafeln fehlten, so daß es dem Täter augenscheinlich nicht um eine planlose
Zerstörung, sondern um die rechtswidrige Aneignung dieser bestimmte
Gegenstände behandelnden Aufsätze zu tun gewesen war. Nach und nach
wurde ermittelt, daß nicht weniger als 82 Bände unbrauchbar gemacht
waren, deren Wert mindestens 200 Taler betrug. Da die Mehrzahl dieser
Bücher längere Zeit nicht verliehen gewesen war, mußte angenommen
werden, daß die Beschädigungen in den Räumen der Bibliothek selbst
und zwar zu Zeiten stattgefunden hatten, in denen die wissenschaftlichen
Beamten nicht anwesend waren. Der deshalb ins Verhör genommene
Diener Hartwig gestand auch ein, einem Dr. R., der sich in jenem Winter
zur Ablegung des medizinischen Staatsexamens in Berlin: aufhielt,
auf seine Bitten nicht nur wiederholt Bücher itcicE) Hause mitgegeben,
sondern ihn auch häufig des Vormittags zu stundenlangem Aufenthalt
in die Büchersäle eingelassen zu haben. Die Empfangsscheine des R.,
der gar keine Erlaubniskarte zur Benutzung der Bibliothek befaß, hatte
Hartwig im Bewußtsein der Ungesetzlichkeit seiner Handlung zur Ein-
tragung in das Verleihbuch nicht vorgelegt. Aus den noch bei Hartwig
vorgefundenen Empfangsscheinen ergab sich in der Tat, daß R. im
Besitze der meisten geplünderten Werke gewesen war. Bei einer Durch-
suchung der R.fchen Wohnung wurden mehrere Blätter und Abbildungen
von gleicher Beschaffenheit wie die entwendeten und sogar noch ein
Teil eines Buches mit dem Bibliotheksstempel gefunden, auch ergab
eine Vergleichung der unter Klausur ausgeführten Examensarbeiten
des R. in vielen Sätzen eine wörtliche Übereinstimmung mit Stellen
der ansgerisfenen Abhandlungen. Aus diesen Gründen wurde R. des
121
Diebstahls angeklagt und außerdem der Beamtenbestechung beschuldigt,
da sich bei der Untersuchung herausstellte, daß er dem Hartwig nach
und nach zwei Taler gegeben hatte, um seine Wünsche zu erreichen. Die
gerichtliche Untersuchung zog sich außerordentlich in die Länge. Nachdem
R. über ein halbes Jahr in Untersuchungshaft gesessen hatte, wurde er
vorläufig aus der Haft entlassen; als dann auf Beschwerde der Staats-
auwaltschaft seine Wiederverhaftung erfolgen sollte, war er nicht mehr
aufzufinden.
Hartwig wurde in: Mai 1860 durch Verfügung des Ministeriums
von seinem Amte suspendiert und auf die Hälfte seines Diensteinkommens
gesetzt; er wurde auch wegen wiederholter Amtsvergehen angeklagt
und verhaftet, seine Haft aber bald wieder aufgehoben. Im Dezember
1861, also fast zwei Jahre nach der Entdeckung der Tat, erging das
gerichtliche Urteil gegen Dr R. und Hartwig. R. wurde im Kontumazial-
verfahren von den Richtern wegen wiederholten Diebstahls und wieder-
holter Beamtenbestechung zu einem Jahr Gefängnis verurteilt, Hartwig
bagegen von den Geschworenen freigesprochen, aber zur Herausgabe der
empfangenem: zwei Taler verurteilt. *)
Nach der Suspension Hartwigs, der sich infolge seiner langjährigen
Beschäftigung auf der Bibliothek mit den Standorten der gangbarsten
Werke vertraut gemacht hatte und deshalb im Ausleihedienste gute Hilfe
leistete, mußten die schon vorher überlasteten wissenschaftlichen Beamten
das Herbeiholen und Wiedereinstellen der Bücher für längere Zeit allein
besorgen. Die einstweilige Wahrnehmung der Dienergeschäfte übertrug
Pertz dem versorgungsberechtigten Wachtmeister Rothe, der für seine
Tätigkeit vom 1. Juni 1860 an eine monatliche Renmneration von
19 Talern erhielt. Nach den: unerwarteten Freispruch Hartwigs wurde
von einer Disziplinaruntersuchung gegen ihn abgesehen und seine Amts-
suspension aufgehoben. Er wurde aber vom Ministerium der König-
lichen Bibliothek zur Beschäftigung überwiesen, da sein Wiedereintritt
in die einzige Dienerstelle der Universitäts-Bibliothek, die einen durchaus
vertrauenswürdigen Mann erforderte, durch sein pflichtwidriges Ver-
halten unmöglich gemacht war. Erst nach Hartwigs an: 1. Oktober 1863
erfolgter Pensionierung sonnte den: Wachtmeister Rothe, der sich durch-
*) Über die Beraubung der Bibliothek, die großes Aufsehen erregte, brachten
die Berliner Zeitungen ausführliche Berichte. Die Darstellung des „Publizisten"
ist abgedruckt im „Neuen Anzeiger f. Bibliographie u. Bibliothekwissenschaft. Hrsg,
von I. Petzholdt." Jg. 1862. Dresden 1862. S. 28—30.
122
aus bewahrt hatte, die fast vier Jahre interimistisch verwaltete Stelle
definitiv libertragen werden. Durch Erlaß vom 7. November genehmigte
der Minister seine Anstellung mit einem aus 300 Taler jährlich erhöhten
Gehalt, das dem Minimalsatz der Dienerbesoldungen auf der König-
lichen Bibliothek entsprach. Die amtlichen Obliegenheiten Rothes
wurden in einer für ihn besonders erlassener: Dienstinstruktion
festgelegt.
6. Die weitere Entwickelung bis zum Tode
Aoners (1887).
Auch in den folgenden Jahren blieb die Bibliothek für die Bücher-
anfchaffungen lediglich auf die von den Promovenden gezahlten Ge-
bühren angewiesen. Diese Einnahmen (600 bis 700 Taler jährlich)
entsprachen aber so wenig den Bedlirfnissen der Anstalt, daß Koner
sich nicht nur bei den Ankäufen die größten Beschränkungen auferlegen
mußte, sondern auch notwendige Buchbinderarbeiten nicht ausführen
lassen konnte. Als Pertz im Jahre 1863, durch billiges Angebot ver-
müaßt, ohne Anhörung Koners und der Bibliothekskommission gleich-
zeitig Bouquets Loriptores rerum gallicamm für 600 Taler und die
Mignesche Uatrologia graeea et latina für 535 Taler angekauft hatte,
hörten die Anschaffungen in den Jahren 1864 bis 1866 wegen gänz-
licher Erschöpfung des Fonds fast vollständig auf.
Eine erhebliche Besserung der finanziellen Verhältnisse brachte erst
das Jahr 1870, indem der Universitäts-Bibliothek, wie es von der Uni-
versität oft beantragt worden war, durch den Staatshaushaltsetat die
bei den Immatrikulationen „für die Bibliothek" erhobenen Gebühren un-
verkürzt überwiesen wurden. Der Fonds der Bibliothek wurde dadurch
um durchschnittlich 900 Taler jährlich erhöht, von denen der Minister nach
dem Antrage des Oberbibliothekars 750 zum Ankäufe von Büchern und zu
Bnchbinderarbeiten und 150 für materielle Verwaltungskosten be-
stimmte.*) Freilich blieb die Unsicherheit der Finanzlage bestehen, da
die Einnahmen sich nach der schwankenden Zahl der Promotionen und
Immatrikulationen richteten. Die Fixierung des Bibliotheksetats
erfolgte erst durch einen Ministerialerlaß vom 20. März 1879.
Infolge der von Jahr zu Jahr gestiegenen Benutzung der Bibliothek
wurde es immer schwieriger, mit dem geringen Beamtenpersonal die
laufenden Geschäfte zu erledigen. Keine der preußischen Universitüts-
*) Die Königliche Bibliothek wurde für den ihr entzogenen Anteil an den
Jmmatrikulationsgebühren durch Erhöhung des Staatszuschusses um 900 Taler
entschädigt.
124
Bibliotheken war in der Zahl der Beamten so schlecht gestellt wie die
Berliner, die doch zu den am meisten benutzten gehörte. Ohne die Hilfe
Aschersons, dessen sich jährlich wiederholende Gesuche um feste Anstellung
oder wenigstens diätarische Beschäftigung aus Mangel an Fonds stets
abgelehnt wurden,*) hätte der Betrieb überhaupt nicht aufrecht-
erhalten werden können. Wenn einer der beiden Kustoden krank war,
so blieben selbst bringeube Arbeiten liegen, und wenn der einzige Diener
zur Winterszeit fehlte, so mußten die wissenschaftlichen Beamte:: außer
den anderen Dienergeschäften auch das Heizen der Zimmer übernehmen.
Mit Rücksicht auf diese Verhältnisse wurde die Dienerstelle, als Rothe
im November 1866 ausschied, um als Inspektor und Kastellan zum
Anatomischen Institut überzutreten, nicht einen: erst anzulernenden
Manne, sondern dem Diener der Königlichen Bibliothek Saebisch über-
tragen, der schon 1852 in den Bibliotheksdienst getreten war und sich
als gelernter Buchbinder besonders brauchbar erwiesen hatte. Im
November 1868 erkrankte Bonnell, dessen körperliches Befinden schon
seit Jahren viel zu wünschen übrig gelassen hatte, ernstlich und fehlte
von da an mit kurzen Unterbrechungen bis zu seinem Tode, der ihn
an: 12. Juli 1870 im Bade Kreuth ereilte.**) Für ihn wurde am 10. No-
vember1870Ascherson, der nunmehr fast elf Jahre an der Bibliothek tätig
war, zun: zweiten Kustos ernannt. Bei den Unzuträglichkeiten, die das
lange Fehlen Bonnells verursachte, kan: in: April 1869 das Anerbieten
des Kandidaten Wilhelm Dabis, als freiwilliger Hilfsarbeiter ein-
zutreten, sehr gelegen, zumal da Dabis bereits an der Greifswalder
Universitäts-Bibliothek tätig gewesen war und von dort empfohlen
wurde. Bis zum 1. Januar 1873, wo ihn das Kaiserliche Statistische
Amt übernahm, leistete Dabis der Bibliothek wesentliche Dienste, für
die er besonders gewährte jährliche Remunerationen (für 1872:
300 Taler) erhielt. Auf den Antrag von Pertz wurde dann dem an:
23. November 1871 als Hilfsarbeiter eingetretenen Or. Emil Wille ***)
die zuletzt von Dabis bezogene Remuneration bewilligt.
*) Ascherson erhielt für die einzelnen Jahre ans Grund besonderer Anträge
außerordentliche Remunerationen, die nach und nach bis auf 300 Taler erhöht wurden.
**) Bonnell bekleidete auch die Bibliothekarstelle an den Königlichen Museen.
Über seine literarische Tätigkeit vgl. Allgemeine Deutsche Biographie. Bd. 3. Leipzig
1876. S. 131.
***) Wille, geb. 12. Dezember 1840 zu Berlin, studierte Philosophie und Philo-
logie; er wurde 1867 zum Doktor promoviert und bestand 1868 das Oberlehrer-
examen, worauf er sein Probejahr an der Ritterakademie zu Brandenburg ablegte.
125
Die räumlichen Schwierigkeiten, die sich aus der schnellen Ver-
mehrung der Bibliothek ergaben, veranlaßten neue Erwägungen, ob
nicht eine Beschränkung des Bücherbestandes möglich und zweckmäßig
wäre. Die der Bibliothek im Hause Taubenstraße 29 überwiesenen
Räume waren bereits im Anfang der sechziger Jahre so gefüllt, daß die
Unterbringung des Zuwachses Schwierigkeiten bereitete. Der Minister
erkannte in einem an Pertz und an den Senat gerichteten Erlasse vom
23. November 1863 den ihm wiederholt dargelegten Notstand an, stellte
aber, da die Beschaffung ausreichender Räumlichkeiten bei den örtlichen
Verhältnissen in Berlin und bei der Höhe der erforderlichen Geldmittel
sehr schwierig sei, die Frage nach Einschränkung der Bibliothek zur
Erwägung; es sei zu prüfen, ob nicht die Universitäts-Bibliothek eine
Ausdehnung gewonnen habe und täglich mehr gewinne, die über das
richtige Maß hinausgehe, und ob nicht eine Beschränkung ihres Be-
standes und ihres Zuwachses ohne Beeinträchtigung ihrer Bestimmung
und des wirklichen Bedürfnisses zulässig und ausführbar sei. „Wie weit
sich das Institut in der Ausführung von dem Gedanken entfernt hat,
der bei feiner Errichtung zugrunde lag, ist bei einem Blicke auf den
gegenwärtigen Umfang der Sammlung einleuchtend. Die Vermehrung
derselben hat entweder nach einem durchaus veränderten, oder auch,
wie es wohl den Anschein haben kann, überhaupt ohne jeden festen
Plan stattgefunden. Es ist deshalb unvermeidlich, bevor hinsichtlich
des Lokals gehörigen Orts erfolgreiche Schritte getan werden können,
über das wirkliche Bedürfnis der Universitäts-Bibliothek ins Klare zu
kommen und für ihre Vermehrung einen Plan festzustellen, der mit
Konsequenz durchzuführen ist." Über diese Punkte sollten Pertz und
die Kommission zur Beaufsichtigung der Bibliothek, nachdem sie unter
Zuziehung Koners gemeinsam beraten hätten, sich gutachtlich äußern.
Sowohl der Bericht des Oberbibliothekars von: 15. Dezember 1863
als das von dem Senat am 12. Februar 1864 dem Minister eingereichte
ausführliche Gutachten der Bibliothekskommission erklären es mit aller
Entschiedenheit für untunlich, die Bibliothek einzuschränken und zu dem
bei ihrer Gründung festgelegten Plan zurückzukehren. „Es ist sehr er-
klärlich", so führt die Bibliothekskommisfion aus, „daß man den Zweck
der Bibliothek, als sie noch in den dürftigen Dimensionen des Anfangs
war, in entsprechender Weise bescheiden und nicht mit der Rücksicht,
daß derselbe Plan auch noch nach einem Menschenalter gelten, ja für
immer normativ bleiben solle, gefaßt hat. Und so konnte es geschehen,
126
daß man das Rechte zu treffen glaubte, wenn man das neu zu schaffende
Institut ungefähr nach Art einer Gymnasial-, ja Schülerbibliothek für
die Universität sich dachte." Diesen ursprünglichen Plan habe man
ändern müssen. Ans der einen Seite sei die Bibliothek durch beöeutenöe
Schenkungen und durch die Pflichtexemplare über Erwarten schnell
gewachsen, ans der andern Seite sei sie der ihr bei der Gründung auf-
erlegten Verpflichtung, die in den Instituten und Seminaren der Uni-
versität nötigen Bücher in mehreren Exemplaren bereit zu haben, mehr
und mehr enthoben worden, da verschiedenen Universitütsinstituten
eine jährliche Summe zu Bücheranschaffungen bewilligt wäre. Wie
in den vielen Zuwendungen an die Bibliothek schon eine allgemeine
Anerkennung ihres Wertes liege, so beweise der Umfang ihrer Benutzung
in geradezu überraschendem Maße ihre Notwendigkeit. Wenn die Zahl
der jährlichen Benutzer auf der Königlichen Bibliothek 2300, ans der
Universitäts-Bibliothek schon 800 und die Zahl der ansgeliehenen Werke
auf der Königlichen Bibliothek 20 000, auf der Universitäts-Bibliothek
schon 8000 betrage, so zeige dieser Vergleich, wie viel die Universitäts-
Bibliothek leiste mit Mitteln und einem Personal, die mit den Fonds
und der Zahl der Beamten ans der Königlichen Bibliothek gar nicht zu
vergleichen seien.
Der für die Universitäts-Bibliothek allerdings nötige neue Plan
scheine sich ans dem Gesichtspunkt der Herstellung einer zweiten öffent-
lichen Bibliothek zu ergeben, die fiir das Berliner wissenschaftliche Leben
ein dringendes Bedürfnis sei.*) Während die Königliche Bibliothek
ans die vollständige Erwerbung der bedeutenden literarischen Erschei-
nungen zu sehen habe, würden bei dieser zweiten öffentlichen Bibliothek
stir die Anschaffungen aus eigenen Mitteln allein die wissenschaftlichen
Studien der Universität maßgebend sein. Um das höchst erfreuliche,
aber nicht eben planmäßige Wachstum der Universitäts-Bibliothek
zu regulieren, müßten freilich die Mittel für die Anschaffungen beträcht-
lich erhöht werden. Zur Erfüllung ihrer Aufgabe sei für die Bibliothek
*) Schon bei der damaligen Beratung mit Pertz bemerkte Droysen, der Vor-
sitzende der Bibliothekskommission, daß eigentlich danach gestrebt werden müßte,
das Ausleihen von Büchern aus der Königlichen Bibliothek ganz aufzuheben, dagegen
aber die Universitäts-Bibliothek mit Mitteln zu versehen, um in dieser Hinsicht den:
Bedürfnis der Universitätsangehörigen zu genügen. Pertz hielt Droysens Ansicht
für sehr richtig, meinte aber, daß die Mehrzahl der Berliner Professoren sie als eine
arge Ketzerei betrachten würde.
127
neben der Aufbesserung ihrer Fonds ein angemessen größerer Raum,
wenn irgend möglich -in einem eigenen bleibenden Gebäude, durchaus
erforderlich.
Die Bibliothekskommission, die schon im Frühjahr 1863 sich für die
formelle Absonderung der Direktion der Universitäts-Bibliothek von
der der Königlichen Bibliothek ausgesprochen hatte, brachte in ihrem
Gutachten auch das Verhältnis des Kustos zum Oberbibliothekar wieder
zur Sprache: „Es liegt in der Natur der Sache, daß nur die Bi-
bliotheksverwaltung selbst über das Bedürfnis, das sie mit ihren dis-
poniblen Fonds zu befriedigen hat, orientiert sein kann. Es ist eine der
unglücklichsten Einrichtungen, daß jetzt tatsächlich der Kustos unserer
Bibliothek die neuen Anschaffungen besorgt, während der ihm vorge-
setzte Oberbibliothekar nicht bloß nominell über dieselben allein zu ver-
fügen hat, sondern auch dann und wann und ohne weitere Rücksicht
auf die Bedürfnisse und die Mittel unserer Anstalt in nur zu störender
Weise eingreift." Verlangt die Kommission demnach Unabhängigkeit
der Bibliotheksverwaltung von dem Oberbibliothekar, so gesteht sie in
durchaus richtiger Weise ihr auch sonst Bewegungsfreiheit zu: „Un-
zweifelhaft muß die Bibliotheksverwaltung diejenige Freiheit der Be-
wegung haben, durch welche allein sie nützlich wirken kann; und es würde
nichts weniger dem Zweck entsprechen, als wenn etwa eine Kommission
in betreff der Anschaffungen usw. eine nmßgebende Stimme oder gar
die alleinige Entscheidung Hütte. Es wird genügen, wenn als Regel
feststeht, daß die jährliche Ausgabe unter keiner Bedingung die jährliche
Einnahme überschreiten darf. Die jährlich einzureichenden Berichte,
welche namentlich auch die Preise der aus den Fonds der Bibliothek
angeschafften Werke enthalten müssen, werden Gelegenheit geben, über
die Zweckmäßigkeit der Anschaffungen die etwa nötigen Monita zu
machen."
Die Überfüllung der Bibliothek drohte allmählich den ganzen
Geschäftsbetrieb lahm zu legen. Große Bücherabteilungen waren in
halbhellen Räumen, die durch die gedrängte Aufstellung der Reposi-
torien noch dunkler wurden, untergebracht oder standen neben einem
fremden Trockenraum auf dem Boden, wo zur Winterszeit in den
Nachmittagsstunden fast vollständige Finsternis herrschte. Häufig mußten
die Beamten deswegen schon vor 3 Uhr das Heraussuchen der Bücher
einstellen und die Benutzer auf den nächsten Tag vertrösten. Die viel-
fachen Klagen der Studenten darüber waren mit ein Grund dafür, daß
128
Koner im Anfang des Jahres 1867 beantragte, die Dienststunden der
Beamten, die bis dahin von 9 bis 12 und von 2 bis 4 Uhr lagen, auf die
Zeit von 9 bis 2 (Sonnabends wie bisher von 9 bis 12) Uhr zu verlegen..
Durch Erlaß vom 17. April 1867 erklärte sich der Minister mit der Ände-
rung einverstanden. Die Bücherausgabe wurde nunmehr von 12 bis 2
(statt von 2 bis 4) Uhr und das Lesezimmer von 9 bis 2 (Sonnabends
von 9 bis 12) Uhr geöffnet. Diese Verlegung entsprach nicht nur dem
dienstlichen Interesse, sondern bedeutete bei den Berliner Verhältnissen
auch eine große Erleichterung für die Beamten. Das schon so beschränkte
Lesezimmer mußte mehr und mehr zu dienstlichen Zwecken benutzt
werden, so daß nicht mehr als 6 Leser darin Platz fanden. Wenn Atlanten
und Foliobände benutzt wurden, wurde die Zahl der Leser sogar auf
2 bis 3 beschränkt. Die unwürdigen räumlichen Verhältnisse, die nicht
gerade zur Benutzung der Bibliothek ermunterten, wurden nicht bloß
in den öffentlichen Blättern gerügt, sondern auch im Abgeordnetenhause
zur Sprache gebracht, das im Januar 1868 den Beschluß faßte, die
Staatsregierung zur Beschaffung eines ausreichenden Lokals für die
Universitäts-Bibliothek aufzufordern.
Inzwischen war aber das Ministerium schon der Frage eines Neu-
baues für die Bibliothek näher getreten. Als Bauplatz stand ein Teil
des in unmittelbarer Nähe der Universität belegenen Grundstücks
Dorotheen st raße 9 zur Verfügung, das im Jahre 1864 von:
Staate zur Erbauung des neuen chemischen Laboratoriums angekauft,
aber zu diesem Zwecke nur teilweise gebraucht worden war. Der Minister
von Mühler ernannte, nachdem er sich mit dem Finanzminister ver-
ständigt hatte, durch Verfügung vom 30. März 1869 eine Kommission
zur Beratung der Vorfragen über den Neubau und zur Begutachtung
der Baupläne. Zu dieser Kommission gehörten der Geheime Ober-
regierungsrat Knerk als Vorsitzender, Professor Trendelenburg als
Vertreter des Senats, Pertz, Koner und ein Baubeamter. Nachdem einer
der Pläne, die-der Bauinspektor Spieker entworfen hatte, von der
Kommission für gut befunden und vom Minister genehmigt worden
war, wurde im Mai 1871 mit dem Abbruch der auf dem Grundstück
befindlichen alten Baulichkeiten und im August mit der Fundierung
des neuen Gebäudes begonnen. Der Bau wurde unter der Leitung
Spiekers in den Jahren 1871 bis 1873 vollendet. Die Kosten betrugen
für den eigentlichen Neubau rund 274 000 Mark und für die innere
Einrichtung rund 101000 Mark. Der Umzug, für den 2100 Mark aus-
129
geworfen waren, nahm im Oktober 1873 seinen Anfang. Da die innere
Einrichtung des neuen Hauses aber noch nicht vollendet war, erfolgte
die Übersiedelung nicht auf einmal, sondern zog sich infolge der allmäh-
lichen Überführung der einzelnen Abteilungen fast sechs Monate hin.
Wiedereröffnet wurde die Bibliothek am 7. Mai 1874.
Wenn man berücksichtigt, daß das Grundstück nur etwa 850 Quadrat-
meter groß und auf drei Seiten von Nachbarhäusern eingeschlossen war,
also für einen Bibliotheksbau sehr ungünstige Verhältnisse aufwies,
so wird mau anerkennen müssen, daß der Architekt seine Aufgabe geschickt
gelöst hat. Das durch eine ansprechende Fassade *) geschmückte, durch-
gängig gewölbte Gebäude enthält ein Erdgeschoß und zwei obere Stock-
werke und besteht aus Vorderhaus, Seitenflügel und Quergebäude.
In dem ersten und zweiten Stock dient außer dem Seitenflügel eine
bedeckte eiserne Galerie zur Verbindung von Vorder- und Hinterhaus.
Das im Vordergebäude belegene Treppenhaus wird — in seinem unteren
Teile freilich nur ungenügend — durch Oberlicht erhellt. Seine oberen
Wände erhielten im Jahre 1885 eine Ausschmückung von hervorragend
künstlerischem Werte durch vier große auf Leinwand gemalte Fries-
gemälde des Historienmalers Professors Otto Knille.**) Die vordere
Hälfte des zweiten Stockwerks (des Hauptgeschosses) nimmt der mit
einer Galerie versehene Lesesaal ein, der im Lichten 7 m hoch ist und
für 72 Sitzplätze eingerichtet war. In den sechs Lünetten seiner den
*) Vgl. die gegenüberstehende Abbildung. Sie ist mit freundlicher Erlaubnis
des Herrn Photographen Wald. Titzenthaler in Berlin nach einer Aufnahme an-
gefertigt, die er im Jahre 1901 gemacht hat.
**) Die Bibliothek erfreute sich allerdings nur kurze Zeit dieses wertvollen
Besitzes. Professor Knille stellte die Gemälde, an denen er mit Unterbrechungen
fast neun Jahre gearbeitet hatte, 1886 in der Berliner Jubiläums-Kunstausstellung
aus, wo sie ihm die große goldene Medaille einbrachten. Der Minister verfügte
darauf, daß die Bilder nicht in die Universitäts-Bibliothek zurückgebracht, sondern
vorläufig der Nationalgalerie überwiesen würden. Statt der farbenreichen Originale
erhielt die Bibliothek im Jahre 1888 grau in grau ausgeführte Kopien. Die Bilder
stellen vier der bedeutendsten Lehr- und Kulturstätten durch Gruppen berühmter
Männer dar: Athen (griechische Jugenderziehung), Paris (das scholastische Zeitalter
in seiner Blüte), Wittenberg (die Humanisten und Reformatoren) und Weimar (Goethe
und seine Zeitgenossen). Eine ausführliche Beschreibung der Gemälde gab Dr. M.
Meyer in der Sonntagsbeilage Nr. 13 zu Nr. 213 der Nationalzeitung vom Jahre
1885. Vgl. auch den Artikel von L. v. Donop in „Der Kunstfreund. Hrsg, von
H. Thode". (Jg.) 1885. Berlin 1885. Sp. 101 f. Von den Originalen befinden
sich jetzt zwei im Kultusministerium, eins im Gebäude des Evangelischen Ober-
kirchenrates und eins im Römermuseum zu Hildesheim.
Friese, Univ.-Bibl. Berlin-
9
130
Fenstern gegenüberliegenden Langwand befinden sich Gemälde des
Geschichtsmalers Ludwig Burger mit je zwei Medaillons berühmter
Gelehrter. Die Verteilung der übrigen Räume war in den ersten Jahren
folgende: Im Erdgeschoß lag die Bücherausgabe und im ersten Stock
nach vornheraus der für 25 Zuhörer Platz bietende Hörsaal, namentlich
für Vorlesungen über Paläographie, Diplomatik, Epigraphik und
Archäologie, und mit dem Hörsaal verbunden ein gleich großer soge-
nannter Apparatensaal, in dem die Hilfsmittel für die genannten Wissen-
schaften aufgestellt waren. Im zweiten Stock hinter dem Lesesaal be-
fanden sich die Beamtenräume, in denen auch die Kataloge standen.
Im Keller und Erdgeschoß des Hinterhauses war für den Kastellan eine
kleine Wohnung hergerichtet. Alle sonstigen Räume der drei Stockwerke
dienten zur Aufnahme der in hölzemen Repositorien untergebrachten
Bücher.*) Bon der Einrichtung eines Journallesezimmers, das von
den Universitätsangehörigen lebhaft gewünscht wurde, nmßte aus
Raummangel abgesehen werden.
Gleich nach der Beendigung des Umzuges zeigte es sich, daß die
meisten Büchersäle mit dem damaligen Bestände bereits gefüllt waren.
Auch durch das Einschieben von Repositorienreihen, das bei der Anlage
des Gebäudes vorgesehen war, ließ sich nach Koners Berechnung höchstens
für den Zugang von zehn Jahren Platz gewinnen. Der Senat lenkte
deshalb schon im Dezember 1873 die Aufmerksamkeit des Ministeriums
auf diesen Übelstand und empfahl den Ankauf des Nachbargrundstücks
Dorotheenstraße 8. Der Antrag wurde aber damals und bei seiner
späteren Wiederholung vom Minister abgelehnt. Die Schwierigkeit,
die neuen Erwerbungen unterzubringen, trat bei der starken Vermehrung
der Bibliothek noch schneller ein, als Koner es erwartet hatte. In den
folgenden Jahren wurden nicht nur überall da, wo es die Tragkraft
der Gewölbe gestattete, doppelte Repositorienreihen aufgestellt, sondern
es wurden auch alle nur irgendwie verwendbaren Räume mit Büchern
besetzt, wenn sie auch nicht für diesen Zweck bestimmt waren.
Der Senat hatte sich während des Neubaues lebhaft mit der Re-
organisation der Bibliothek beschäftigt. Er hielt die Übersiedelung der
Anstalt in das eigene Gebäude für beu gegebenen Zeitpunkt, um sie
*) Vgl. das vom Architektenverein zu Berlin herausgegebene Werk „Berlin
und seine Bauten". Berlin 1877. T. 1. S. 148 f. und die Neubearbeitung von 1896
T. 2. S. 260 f. Beide Ausgaben bringen die Ansicht der Front und den Grundriß
des Hauptgeschosses.
131
bort der Königlichen Bibliothek unabhängig zu machen. Am 25. Juli
1872 sprach er in eurem Bericht an den Minister die Überzeugung aus,
daß es dringend notwendig sei, die Universitäts-Bibliothek nach Auf-
heburrg ihrer Unterordnung unter den Oberbibliothekar der Königlichen
Bibliothek in das richtige Verhältnis zur Universität zu setzen. Zur
Begründung heißt es: „Die Urübersitüts-Bibliothek als eine Anstalt
der Universität kanrr ihre Bestimmurrg rrur darrn erfüllen, wertn ihre
Beaufsichtigung Gelehrten anvertraut ist, welche der Universität artge-
hören und die Bedürfnisse des Unterrichts urrd der Studien zu ermessen
vermögerr und berufen sind. Die Übelstärrde der bisherigen Einrichtung,
die früher zur Vermischung der Interessen zweier verschiedener An-
stalten führte, in der neuesten Zeit die Universitäts-Bibliothek fast ohrte
Aufsicht läßt, sirtd grell urrd durch vieljährige Erfahrurrg außer Zweifel
gestellt, wogegen die sachgemäßen Einrichtungen der Bibliotheken anderer
Universitäten sich bewährt haben. Es scheint von der Sache selbst ge-
boten, daß die Universitäts-Bibliothek der Aufsicht des Serrats unter-
geben werde. Der Senat Hütte dann für eine Kommission zu sorgerr,
welche zunächst die Verwaltung und Vermehrung der Universitäts-
Bibliothek beaufsichtigte, in wichtigeren Fällen aber seine Entscheidurrg
veranlaßte. Die Bedeutung der jetzt bestehenden Kommission ist eine
ganz illusorische."
Auch Koner reichte dem Minister am 12. Dezember 1872 aus freien
Stücken eine Denkschrift ein, in der er auf Grund 22jähriger Erfahrung
als Kustos seine Vorschläge über die notwendige Neugestaltuttg der Bi-
bliothek machte. Die Universitäts-Bibliothek habe mehr und mehr
neben der Königlichen Bibliothek als der allgemeinen Landesbibliothek
den Charakter einer öffentlichen Provinzialbibliothek angenommen.
Er halte es deshalb für geboten, daß sie in der Zukunft ihren exklusiven
Charakter als Universitäts-Bibliothek aufgebe und gleichzeitig statuten-
mäßig den einer Provinzialbibliothek annehme, jedoch uttter der Be-
schränkung, daß sie stets in erster Reihe den Zwecken der Universität
zu dienen habe. Ebenso wie der Settat spricht sich Kotter dafür aus, daß
die Verwaltung der Bibliothek von der der Königlichen Bibliothek
getrennt und die Leitung der Anstalt unter die direkte Aufsicht des
Senats oder der Bibliothekskommission gestellt werde. Bei seinen
Bestrebungen für das Wohl der Anstalt hätte ihm unter den bisherigen
Verhältnissen jede hinreichende Unterstützuttg gefehlt: „Zwischen zwei
nicht miteinander harmonierende Faktoren, die Universität und den
9*
132
Direktor der Anstalt, ist die Verwaltung hingestellt, zweien Herren soll
sie dienen, denen beiden das gehörige Interesse abgeht: der Universität,
welcher die Oberaufsicht über eine von ihr ressortierende Anstalt nach
den alten Bestimmungen nicht unbedingt zusteht, und den: Direktor,
welchem nach den alten Bestimmungen die Oberleitung allein zusteht,
der aber naturgemäß neben seinem Amte als Oberbibliothekar der
Königlichen Bibliothek die unbesoldete Direktorstelle der Universitäts-
Bibliothek, wenn überhaupt, doch nur ganz nebensächlich versehen kann".
Im Anfang des Jahres 1873 trat Pertz in den Ruhestand. Während
die Leitung der Königlichen Bibliothek dem bekannten Ägyptologen
Professor Lepsius tibertragen wurde, beauftragte der Minister Falk
am 22. April 1873 Koner, die Verwaltung der Universitäts-Bibliothek
bis auf weiteres unter eigener Verantwortlichkeit zu führen. Da so
das bisherige Verhältnis der Universitäts-Bibliothek zur Königlichen
Bibliothek als gelöst zu betrachten war, glaubte der Senat sich nunmehr
den angestrebten Einfluß auf die Verwaltung der Bibliothek sichern
zu können. Zur näheren Erörterung der Angelegenheit ernannte er
eine aus dem Rektor Gneist und den Professoren Beseler und Haupt
bestehende Subkommission, die sich mit der Bibliothekskommission be-
raten und dann ihre Vorschläge machen sollte. Außerdem wurde Koner
aufgefordert, unter Festhaltung des Prinzips der gänzlichen Trennung
von der Königlichen Bibliothek ein Reglement für die Universitäts-
Bibliothek zu entwerfen und der Kommission zur Prüfung vorzulegen.
Um eine Grundlage für die Behandlung der mehr ins einzelne gehenden
Fragen hinsichtlich der künftigen Verwaltung und Benutzung der Biblio-
thek zu gewinnen, beantragte der Senat dann am 16. Dezember 1873
beim Minister 1) die faktisch bereits erfolgte völlige Lostrennung der
Universitäts-Bibliothek von der Königlichen Bibliothek förmlich auszu-
sprechen; 2) die Universitäts-Bibliothek als ein Universitätsinstitut der
Oberaufsicht des Senats in der Art unterzuordnen, daß er in allen auf
die Verwaltung, Vermehrung und Benutzung der Bibliothek bezüglichen
Fragen entweder unmittelbar oder durch das Organ der schon bestehenden
Bibliothekskommission, deren Befugnisse neu festzustellen sein würden,
eine entscheidende Stimme habe und 3) dem Senat das Recht zuzu-
erkennen, daß er auch bei der Anstellung der Beamten der Bibliothek in
angemessener Weise mitwirke. In seiner Antwort erklärte der Minister
am 17. Januar 1874, daß es auch seine Absicht sei, die definitive Trennung
der Verwaltung der Universitäts-Bibliothek von der Königlichen Biblio-
133
thek herbeizuführen und der Universitäts-Bibliothek die Stellung eines
selbständigen Universitütsinstituts zu verleihen, daß er dagegen Bedenken
tragen müsse, sie der Oberaufsicht des Senats in der von diesem ge-
wünschten Weise zu unterstellen. Vielmehr müsse die Universitäts-
Bibliothek wie die übrigen Universitätsinstitute seiner unmittelbaren
Aufsicht unterstellt bleiben und auch die Anstellung der Beamten seiner
selbständigen Entscheidung vorbehalten werden. Wie es schon früher
geschehen sei, würde der Senat aber mit seinen Ratschlägen und Gut-
achten in allen geeigneten Füllen, namentlich bei der Besetzung der
Beamtenstellen, gehört werden.
Die zur selbständigen Organisation der Bibliothek nötigen Mittel
wurden durch den Staatshaushaltsetat für 1874 bewilligt. Erheblich
war die Vermehrung der Beamtenzahl. Für einen Bibliothekar wurden
2000 Taler, für zwei Kustoden zusammen 2600, für einen Sekretär 1000
und zur Remunerierung wissenschaftlicher Hilfsarbeiter weitere 1000 Taler
jährlich bereitgestellt. Für zwei Bibliotheksdiener bestimmte der Etat
zusammen 720 Taler und für die Anstellung eines Hausdieners 310 Taler.
Die zur Vermehrung des Bücherbestandes ausgeworfene Summe
(3500 Taler) blieb allerdings hinter den Anträgen Koners und des
Senats erheblich zurück und auch der Betrag für materielle Verwaltungs-
kosten (1450 Taler) zeigte sich bald als unzureichend.
In Übereinstimmung mit dem Antrage von Rektor und Senat
ernannte der Minister am 11. April 1874 Koner zum Bibliothekar und
beförderte den bisherigen zweiten Kustos Ascherson zum ersten Kustos.
Die zweite Kustodenstelle erhielt durch Verfügung vom 6. Mai 1874
der Hilfsarbeiter Wille, die Stelle als Sekretär und dritter Kustos wurde
dem Hilfsarbeiter Wilhelm Seelmann an demselben Tage interimistisch
und am 19. Juli 1875 definitiv übertragen. Der nunmehrige erste
Diener Saebisch bezog die Kastellanwohnung in dem neuen Bibliotheks-
gebäude; zweiter Diener wurde der Militäranwärter Hartmann und
Hausdiener der Militäranwärter Rosperich. Die im Etat vorgesehenen
beiden Stellen für wissenschaftliche Hilfsarbeiter wurden dem Dr.
Moritz Meyer und dem Kandidaten der Theologie Karl Gerhard ver-
liehen *).
*) Nach Gerhards Beförderung zum Kustos an der Bonner Universitäts-Bi-
bliothek (am 1. Mgi 1876) rückte der am 31. Dezember 1875 eingetretene Or. Theodor
Gleiniger in die zweite Hilfsarbeiterstelle, die er bis zu seinem Übertritte an die
Königliche Bibliothek am 1. Dezember 1878 innehatte. Sein Nachfolger wurde der
134
Das von Koner entworfene Reglement war von der Bibliotheks-
kommission und der Subkommission des Senats eingehend beraten
worden. Der Entwurf wurde, nachdem ihn nach das Plenum des
Senats besprochen und einstimmig angenommen hatte, dem Minister
am 15. März 1874 zur Prüfung eingereicht. Es folgten aber noch
längere Verhandlungen, die erst im Jahre 1877 ihren Abschluß fanden.
Das Reglement vom 21. Juni 1877 enthält in den ersten
zehn Paragraphen die allgemeinen Bestimmungen. Nach § 1 bildet
die Universitäts-Bibliothek ein selbständiges Universitätsinstitut unter der
unmittelbaren Aufsicht des Ministers. Der Senat ist nach § 2 berechtigt
und verpflichtet, darüber zu wachen, daß die Bibliothek ihrer Be-
stimmung entsprechend verwaltet werde. (Worin diese Bestimmung
besteht, wird nicht gesagt.) Die folgenden Paragraphen beschäftigen
sich mit der als Organ des Senats eingesetzten Bibliothekskommission,
deren Befugnisse gegen die Instruktion von 1858 keine Erweiterung
erfahren haben. Als Aufgabe der Kommission wird bezeichnet „eine
dauernde Verbindung zwischen dem Lehrkörper der Universität und der
Verwaltung der Bibliothek herzustellen und auf Einrichtungen und
zweckmäßige Vermehrung der letzteren einen angemessenen Einfluß
zu üben". Neu ist die Bestimmung, daß jeder außerordentliche Professor
wählbar ist und daß der Bibliothekar der Universitäts-Bibliothek zu allen
Sitzungen der Kommission, jedoch nur mit beratender Stimme, zuge-
zogen werden kann.
Der zweite Abschnitt (§ 11 bis 41) handelt von der Anstellung der
Beamten und setzt ihre Funktionen genau fest. Leiter der Bibliothek
ist der Bibliothekar, dessen Anstellung durch königliche Ernennung er-
frühere Gynmasialoberlehrer Dr. Gustav Becker, der bereits zwei Jahre auf der
Paulinischen Bibliothek in Münster gearbeitet hatte. Becker erhielt am 1. Januar
1881 die zweite Sekretärstelle an der Landesbibliothek zu Wiesbaden; für ihn wurde
etatsmäßiger Hilfsarbeiter Dr. Heinrich Krause (eingetreten im April 1879), der
die Stelle bis zu seinem Übergang an die Königliche Bibliothek im Mai 1886 be-
kleidete. Durch den Staatshaushaltsetat für 1883/84 wurden zur Vermehrung der
wissenschaftlichen Hilfskräfte jährlich 1500 Mark bewilligt, so daß eine dritte Assistenten-
stelle geschaffen werden konnte, die dem am 1. März 1881 eingetretenen Dr. R.
Focke übertragen wurde. Als am 1. August 1885 Dr. M. Meyer ausschied, erhielt
seinen Posten Dr. A. Wolfstieg (Volontär seit 10. August 1882). Als Assistenten
waren in den achtziger Jahren noch tätig: Dr. G. Kossinna (vom 13. Juli bis
31. Dezember 1886), Dr. H. Runge (Volontär 19. Oktober 1885, Assistent 1. Januar
1887) und Dr. E. Fromm (vom 1. Januar 1887 bis 30. Juni 1889).
135
folgt, *) nachdem vorher der Senat über die in Aussicht genommene
Persönlichkeit gehört worden ist. Die übrigen Beamtem: ernennt der
Minister, die wissenschaftlichen Hilfsarbeiter werden von dem Bibliothekar
angenommen und entlassen.
Im dritten Abschnitt (§ 42 bis 66) werden die Bestimmungen über
die Benutzung der Bibliothek gegeben. Nach § 43 und § 52 sind zur
Benutzung des Lesesaals **) und zum Entleihen von Büchern ohne
weiteres berechtigt die Lehrer und Beamten der Universität und die
Mitglieder der Akademie der Wissenschaften und des Senats der Aka-
demie der Künste. Den Studierenden der Universität und den zum
Hören von Vorlesungen au ihr Berechtigten steht die Benutzung der
Bücher im Lesesaal gegen Vorzeigung der Erkennungs- und Legiti-
mationskarte zu; zum Entleihen der Bücher nach Hause bedürfen sie
einer Kaution. Soweit es mit der: allgemeinen Unterrichtszwecken und
den besonderen Interessen der Universitätsangehörigen vereinbar er-
scheint, kam: der Bibliothekar auch anderen Personen auf ihr Ersuchen
die Benutzung des Lesesaals und gegen Kaution das Entleihen von
Büchern gestatten. Auswärtige Benutzer erhalten Bücher gleichfalls
gegen Kaution auf eine tu jedem einzelnen Falle vom Bibliothekar zu
bestimmende Zeitdauer.
Weit mehr noch als früher traten seit den sechziger Jahren die
Erwerbungen aus eigenen Mitteln an Zahl und Geldeswert hinter die
Pflichtexemplare und Geschenke zurück.
Nach einer Schätzung Koners vom Dezember 1872 betrug der
Wert der seit der Gründung der Bibliothek eingelieferten Pflicht-
exemplare mindestens 70 000 Taler.***) Eine sorgfältige Listen-
führung und ein darauf fußendes regelmäßiges Einfordern scheint aber
weder unter Mundt noch unter Koner stattgefunden zu haben, da in
*) Für Koner, der 1874 durch Ministerialerlaß zum Bibliothekar ernannt worden
war, suchte der Minister die nachträgliche Erteilung einer königlichen Bestallung nach.
Das Patent wurde vom Könige am 11. Juni 1877 vollzogen.
**) Nachdem die Bibliothek im Jahre 1875 Gasbeleuchtung erhalten hatte,
U'urdc der Lesesaal Anfang 1876 täglich von 9 Uhr morgens bis 7 Uhr abends (Sonn-
abends von 9 bis 1 Uhr) geöffnet. (Im Oktober 1891 wurde für den Lesesaal
und die Handbibliothek elektrische Beleuchtung eingerichtet.)
***) Wie Koner im Dezember 1863 berechnet hatte, waren bis dahin als Pflicht-
exemplare etwa 30 000 und als Geschenke gegen 27 000 Bände eingegangen, während
nur 10 000 Bände aus eigenen Mitteln angekauft oder durch Dublettentausch er-
worben waren.
136
der Bibliothek viele wichtige Werke des Berliner Verlages selbst noch
aus den achtziger Jahren fehlen.
Zu dem schnellen Anwachsen der Bibliothek in dieser Periode
trugen ganz besonders bei die Überweisungen von Büchersammlungen,
die aus Staatsmitteln angekauft waren, und die zahlreichen Geschenke
von Privatpersonen. Dabei ist freilich zu berücksichtigen, daß auf diesem
Wege (ebenso wie durch die Pflichtlieferungen) eine beträchtliche Anzahl
von Werken in die Bibliothek gelangte, die ihren eigentlichen Zwecken
nur sehr wenig entsprachen.
Nach seiner Amtsniederlegung im Frühjahr 1862 schenkte der bis-
herige Kultusminister Dl. Moritz August vonBethmann-Holl-
w e g 508 Werke verschiedener Wissensgebiete, wovon die Bibliothek
den größten Teil noch nicht besaß.
Das Jahr 1865 brachte durch den Ankauf dervon den Brüdern
Wilhelm und Jakob Grimmhinterlassenen Biblio-
thek einen Zuwachs namentlich auf dem Gebiete der germanischen
Philologie, der an Wichtigkeit alle früheren Erwerbungen weit übertraf.
In der planmäßig angelegten Sammlung war besonders wertvoll die
Literatur zur Kunde deutscher und nordischer volkstümlicher Über-
lieferungen, da die beiden Grimm die Schriften über germanische
Sagen und Märchen, Volkslieder, Sprichwörter, religiöse und recht-
liche Bräuche in einer Vollständigkeit zusammengebracht hatten, wie
sie wohl nicht wieder zu finden war. Zahlreiche Heine Monographien,
die gerade auf diesen Gebieten oft so wichtig sind, aber vielfach gar
nicht oder doch nur in wenigen Exemplaren in den Buchhandel gelangen,
waren hier vereinigt, ebenso — meist als Geschenke ihrer Verfasser —
viele int Auslande gedruckte seltene Bücher.
Ein erheblicher Teil der Werke verdient auch noch gmiz besotidere
Beachtung wegen der darür enthaltenen zahlreichen handschriftlichen
Anmerkungen der Brüder Grimm. Wilhelm und mehr noch Jakob
hattet: bei ihren Arbeiten die Gewohnheit, auf den Vorsatzblättern
und den Rändern der Druckseiten Notizen zu machen oder Zettel mit
solchen lose in die Bücher zu legen, so daß namentlich die von ihnen
häufiger benutzten Werke einen deutlichen Einblick in ihre Arbeitsweise
gewähren. So wenig willkommen es im allgemeinen sonst wohl öffent-
lichen Bibliotheken ist, daß die von ihnen erworbenen Werke Be-
merkungen früherer Besitzer enthalten, so stolz kann die Berliner
Universitäts-Bibliothek darauf sein, in den Grimmschen Büchern mit
137
ihren vielen handschriftlichen Anmerkungen bibliographischer, sprachlicher
und kritischer Art einen Schatz von bleibendem Wert zu besitzen. Auch
spätere Generationen noch werden sich sicher an den klaren, festen und
ungemein sauberen Schriftzügen Jakobs erfreuen und in den von den
Brüdern Grimm mit Zusätzen versehenen Werken ein wertvolles Denk-
mal der Tätigkeit beider um das deutsche Volk so verdienten Männer
erblicken.*)
Die erste Anregung zur Erwerbung der Grimmschen Bibliothek
ging von Moritz Haupt aus, der seit 1853 Lachmanns Lehrstuhl inne-
hatte. Am 17. Oktober 1863, also bald nach Jakob Grimms Tode,
wies er „von keiner Seite und durch nichts anderes als durch den Wunsch,
*) Dem einzigartigen Verhältnis der beiden Grimm zueinander und zu ihrer
gemeinschaftlichen üieben' Bibliothek, für die sie schon als Studenten sammelten, hat
Jakob in der Gedächtnisrede auf seinen Bruder (Hrsg, von Herman Grimm. Berlin
1863. S. 9 f.) ein schönes Denkmal gesetzt: „So nahm uns denn in den langsam
schleichenden schuljahren ein bett auf und ein stübchen, da saßen wir an einem und
demselben tisch arbeitend, hernach in der stndentenzeit standen zwei bette und zwei
tische in derselben stube, im späteren leben noch immer zwei arbeitstische in dem
nemlichen zimmer, endlich bis zuletzt in zwei zimmern nebeneinander, immer unter
einem dach in gänzlicher unangefochten und ungestört beibehaltener gemeinschaft
unsrer habe und bücher, mit ausnahme weniger, die jedem gleich zur Hand liegen
musten und darum doppelt gekauft wurden." Die Bibliothek stand, wie Herman
Grimm (a. a. O. S. 33 f.) dazu berichtet, unter Jakobs besonderer Obhut. Er liebte
seine Bücher mit Zärtlichkeit und ließ die Werke nach eigener Angabe verschieden-
artig einbinden, indem er die gute oder bessere Meinung, die er von dem Werte eines
Buches hegte, durch mehr oder weniger kostbaren Einband andeutete. Er, der selbst
lange Jahre Bibliothekar gewesen war, betrachtete seine Bibliothek als eine Art
Persönlichkeit, „mit Wohlgefallen ging er oft die aufgestellten reihen entlang, nahm
auch wohl diesen oder jenen band heraus, besah ihn, schlug ihn auf und stellte ihn
wieder anseinen ort. es machte ihm freude aufzuspringen und das buch selbst zu geben
wenn man es bei ihn: suchte und nicht gleich finden konnte, nach meines Vaters tode,
als er dessen stube mit zur bibliothek einrichtete, ordnete er die bücher nach einem
neuen plan und besorgte die Umstellung ganz allein, er konnte im dunkeln jedes buch
ergreifen ohne irrthum.---------er hat auch mir einmal davon geredet, wie nach
seinem und meines Vaters tode die bücher zerstreut werden würden und so der plan,
nach dem sie sie gesammelt, niemandem als ihnen bewust gewesen wäre, allein, wenn
ihm bei solchen gelegenheiten widersprochen ward, ließ er das gelten, mehrfach
haben meine geschwister und ich ihn: versichert es würden die bücher nicht anseinander-
gerissen und versteigert werden, und noch in den letzten stunden, als seine äugen
zeigten, daß er verstand was man sagte, und als wir uns bemühten auszusprechen,
was ihn erfreuen und beruhigen könnte, winde ihm die Versicherung gegeben, daß
die bibliothek in würdiger weise erhalten bleiben würde."
138
daß unserer Universität eine wichtige Bereicherung ihrer Lehrmittel
möge zugewendet werden, veranlaßt" in einem Schreiben an den
Rektor Trendelenburg darauf hin, daß die Büchersammlnng beider
Brüder durch das Hinscheiden Jakobs der Gefahr der Zersplitterung
oder doch der Wegführung von Berlin ausgesetzt sei und daß es ihn:
eine Ehrensache zu sein scheine, sie davor zu behüten. Er schilderte den
besonderen Wert der Sammlung und legte in überzeugender Weise
dar, wie wünschenswert es sei, daß dieser Schatz der Universitäts-
Bibliothek und nicht der Königlichen Bibliothek zuteil werde. Das
Studium der deutschen Philologie sei in den letzten Jahren auf der
Berliner Universität in zunehmendem Gedeihen gewesen, die Univer-
sitäts-Bibliothek aber in aller dahin gehörigen Literatur lächerlich oder
schimpflich arm. Hier biete sich nun Gelegenheit, die Lücken auf diesem
Gebiete auf einmal so zu füllen, daß hinfort das Nachschaffen des Neu-
erscheinenden genügen würde. Die Erwerbung der Sammlung für die
Königliche Bibliothek, die in der deutschen Literatur schon über reiche
Bestände verfüge, würde sofort die Entäußerung einer großen Zahl
von Dubletten zur Folge haben, und es sei doch ein Notstand, daß in
dieser großen Stadt voll literarischer Tätigkeit von den wichtigsten
Biichern immer nur ein Exemplar von einer öffentlichen Anstalt zu
entleihen sei oder meistens eben darum, weil es nur einmal vorhanden,
nicht zu entleihen.
Die Bibliothekskommission, die vom Rektor zur gutachtlichen
Äußerung aufgefordert wurde, begrüßte die Anregung Haupts mit der
lebhaftesten Zustimmung, worauf der Senat mit den Grimmschen
Erben in Verbindung trat. Diese erklärten sich zum Verkauf an die
Universitäts-Bibliothek bereit, knüpften aber im Sinne der beiden
verstorbenen Eigentümer daran die Bedingung, daß die ganze Bibliothek
ungeteilt einverleibt und der Verkauf von Dubletten für alle Zeit aus-
geschlossen würde. Für die auf 10000 und einige hundert Bünde ge-
schätzte Sammlung — einschließlich einer ansehnlichen Reihe von Ab-
schriften altdeutscher Handschriften, die meist von den Brüdern Grimm
mit großer Sauberkeit und Zuverlässigkeit angefertigt waren, aber ohne
die Handausgaben der Grimmschen eigenen Werke, die für etwaige
spätere Auflagen zurückbehalten werden sollten — verlangten sie den
Preis von 10 000 Talern.
Am 30. November 1863 richtete nun Rektor und Senat an den
Minister von Mühler die ausführlich begründete Bitte, die Munifizenz
139
des Königs anzurufen, damit die Grimmsche Sammlung der Universitäts-
Bibliothek zugewandt würde. Der Zeitpunkt für dieses Gesuch, das eine
so erhebliche Vermehrung der Anstalt anstrebte, schien allerdings wenig
günstig, da das Ministeriunr erst kurz vorher eine Untersuchung über
die Möglichkeit einer Beschränkung der Universitäts-Bibliothek ange-
ordnet hatte.*) Rektor und Senat erklärten aber, weil eine gefährliche
Konkurrenz wahrscheinlich wäre, fürchten zu müssen, eine nicht wieder-
kehrende Gelegenheit zu versäumen, wenn dieser Wunsch der Universität
bis zur Entscheidung jener Frage verschoben würde. Bei dem Nach-
ruhm, den die Brüder Grimm in der dankbaren deutschen Nation und
weit darüber hinaus genössen, würde eine Versteigerung den Erben
wahrscheinlich viel mehr als ben jetzt geforderten Preis einbringen,
aber freilich die Schätze, auf deren bleibende Vereinigung sie Wert
legten, nach allen Seiten zerstreuen.
Der Minister erklärte sich in seiner Antwort am 4. Januar 1864
nicht abgeneigt, die erforderlichen Schritte zu tun, um die Erwerbung
für die Universitäts-Bibliothek zu ermöglichen; da der von den Erben
geforderte Preis verhältnismäßig hoch sei, bedürfe es aber zuvor einer
näheren Prüfung und Abschätzung des Wertes der Sammlung. Er
gab daher anheim, eine solche durch Koner oder eine andere geeignete
Persönlichkeit ausführen zu lassen. Mit dieser Aufgabe wurde vom
Rektor Koner beauftragt, der auf Grund des unter der Leitung Herman
Grimms angefertigten Katalogs der Sammlung ihren Wert auf 8300
Taler berechnete mrd feststellte, daß in der Universitäts-Bibliothek etwa
zwei Drittel der Grimmschen Bücher fehlten. Er schlug vor, daß für
die Summe von 8300 Talern, falls die Erben sich auf dieses Gebot
einließen, die Bibliothek vollständig abzutreten sei, daß es aber den Erben
freistehen solle, unter den von der Universitäts-Bibliothek ausgesonderten
Büchern eine beliebige Auswahl zu treffen und die ausgewählten Werke
für einen mäßigen Preis zurückzukaufen. Aus diesem Rückkauf sowie
aus dem Verkauf der auf der Universitäts-Bibliothek entstehenden
Dubletten dürfte sich wohl eine nicht ganz unbedeutende Summe er-
geben, die an die Staatskasse zurückzuzahlen sein würde.
Rektor und Senat beantragte nun am 14. April 1864, die Summe
von 8300 Talern zur Erwerbung der Grimmschen Sammlung für die
Universitäts-Bibliothek zu erwirken. Der Finanzminister, mit dem der
:) Vgl. oben S. 125.
140
Minister von Mühler deswegen in Verbindung trat, erhob indes gegen
den Ankauf unter den vorgeschlagenen Bedingungen verschiedene Be-
denken. Diese richteten sich besonders gegen die das Verfügungsrecht
für alle Folgezeit beschränkende Bestimmung, daß keine Bücher aus der
Sammlung verkauft werden sollten, sowie gegen den Ankauf auch der
etwa den dritten Teil der Grimmschen Bibliothek ausmachenden Werke,
die schon in der Universitäts-Bibliothek vorhanden waren. Außerdem
erklärte der Finanzminister, daß nach seiner Ansicht mit der Erwerbung
der ganzen Sammlung auch weit tiber das Bedürfnis einer Vermehrung
und Vervollständigung der Universitäts-Bibliothek hinausgegangen
werden würde.
Der Universität wurde nun am 30. Juni von dem vorgesetzten
Minister, der der Angelegenheit ein ganz besonderes Interesse ent-
gegenbrachte, eine weitere Verhandlung mit den Grimmschen Erben
nach Anleitung der Gesichtspunkte des Finanzministeriums aufgetragen,
um ihr Einverständnis mit dem Schätzungspreise Koners und eine
entsprechende Abänderung ihrer sonstigen Verkaufsbedingungen zu er-
langen. Die Verfügung empfahl dabei in Betracht zu ziehen, daß manche
Seltenheiten der Sammlung sich mehr dazu eigneten, die Schätze der
Königlichen Bibliothek zu vervollständigen, als zur gewöhnlichen Be-
nutzung in der Universitäts-Bibliothek zu dienen, und daß in dieser
Rücksicht die Abtrennung einzelner Bestandteile der Bibliothek auch
im Interesse der Grimmschen Familie liegen dürfte.
Als Erfolg dieser Verhandlung konnte Rektor und Senat am
6. November 1864 berichten, daß Hermán Grimm, der Vertreter der
Erben, mehrere Zugeständnisse gemacht habe, wodurch die vom Finanz-
ministerium ausgesprochenen Bedenken gehoben oder doch erheblich
abgeschwächt würden. Während früher die Einverleibung der un-
geteilten Büchersammlung in die Univepsitüts-Bibliothek ausbedungen
wurde, war er jetzt damit einverstanden, daß ein Teil an die Königliche
Bibliothek komme. Während früher für alle Zeiten von den Büchern
der Gebrüder Grimm keins sollte verkauft werdeu dürfen, machte er
jetzt den Verkauf uur von seiner Einwilligung abhängig und äußerte,
daß er nichts dagegen haben würde, wenn Bücher, die keine besondere
Beziehung zu den Besitzern gehabt und mehr zufällig in die Sammlung
gekommen seien, wieder verkauft würden. Er rechnete die Werke, die
er zurückzubehalten wünschte, mit 300 Talern ab und erklärte sich nach
diesem Abzüge mit dem Preise von 8000 Talern ellwerstanden. Air
141
diesen Bericht knüpfte Rektor und Senat den Wunsch, daß, wenn ein
Teil der Bücher der Königlichen Bibliothek zugewiesen werden sollte,
dies nur so geschehen möge, daß in erster Linie die Zwecke der Universitäts-
Bibliothek Berücksichtigung fänden. Er bitte, über eine solche Teilung
nicht einseitig entscheiden zu lassen, sondern namentlich die Kommission
der Universitäts-Bibliothek zu hören.
Der Kultusminister setzte sich nunmehr mit den Erben in Ver-
bindung und erneuerte auch die Verhandlungen mit dem Finanz-
minister. Diese gelangten im Februar des folgenden Jahres zum Ab-
schluß, da die Hauptschwierigkeiten durch die Erklärung der Erben be-
seitigt wurden, sich weder der Übergabe gewisser Teile der Sammlung
an die Königliche Bibliothek noch dem Verkaufe entstehender Dubletten
oder sonst entbehrlicher Bücher widersetzen zu wollen. Am 2. März
1865 berichteten beide Minister an den König über die Bedeutung der
Erwerbung für die Universitäts-Bibliothek und auch für die Königliche
Bibliothek und baten, weil die Mittel aus den Fonds der beiden Bi-
bliotheken und durch den Verkauf der Dubletten sich nur zum kleineren
Teile beschaffen ließen, zu dem Ankauf einen Beitrag von 5333 Talern
10 Sgr. aus dem königlichen Dispositionsfonds zu bewilligen. Dieser
Bitte wurde durch Kabinettsorder vom 4. März entsprochen, und am
31. März wurde der Kaufvertrag zwischen den Erben*) und dem
Minister von Mlihler als dem Vertreter des Fiskus abgeschlossen.
Der Vertrag gibt den Bestand der Bibliothek nach dem Zettel-
katalog auf 7821 Nummern sowie 41 ihr später einverleibte Werke an
und ihren Preis auf 8300 Taler, wovon für die von den Erben zurück-
behaltenen Bücher 300 Taler abgerechnet wurden. Er enthält keine
Bestimmung, durch welche die freie Verfügung des Käufers über die
erworbenen Werke irgendwie beschränkt worden wäre.
Über die Verwendung der noch im März in die Universitäts-
Bibliothek libergeführten Sammlung traf der Minister am 16. Juni
folgende nähere Bestimmungen: Die Grimmsche Bibliothek ist vorzugs-
weise dazu bestimmt, die Universitäts-Bibliothek in den Fächern der
Sprachwissenschaft und der germanischen, sowie der übrigen neueren
Literatur zu ergänzen. Der Königlichen Bibliothek sollen jedoch die
*) Die Erben waren die verwitwete Frau Professor Dorothea Grimm als
fiduziarische Erbin ihres Ehemannes Wilhelm und ihre drei Kinder, 1. der Schrift-
steller Herman, 2. der Regierungsassessor Rudolf und 3. das Fräulein Auguste Grimm
als Testamentserben ihres Oheims Jakob.
\
142
Handschriften und alle diejenigen gedruckten Werke zufallen, die durch
umfassende schriftliche Bemerkungen der Gebrüder Grimm den Wert
von Handschriften erlangt haben, sowie solche Werke, die sich für die
Universitäts-Bibliothek nicht eignen, für die Königliche Bibliothek aber
von Wert sind. Da die zur Deckung des Kaufpreises erforderlichere
Mittel durch außerordentliche Bewilligung nicht ganz haben beschafft
werden können, ist von der Königlichen Bibliothek für die ihr zufallenden
Handschriften und Bücher ein angemessener Beitrag zu der noch un-
gedeckten Summe zu leisten. Die Dubletten, die der Universitäts-
Bibliothek durch Erwerbung der Sammlung erwachsen, sollen, wem:
auch nicht ohne alle Ausnahmen, so doch mit möglichst wenigen Be-
schränkungen, ausgesondert und verkauft werden, um die Mittel zur
Deckung des übrigbleibenden Teiles der Kaufsumme zu gewinnen.
Die in diesem Erlaß Koner übertragene Bearbeitung der Grimmschen
Bibliothek schritt — obwohl er sich ihr nach dem wiederholten Zeugnis
von Pertz mit unermüdlichem Fleiße widmete — bei den ungünstigen
Personal- und Raumverhältnissen der Universitäts-Bibliothek nur
langsam vorwärts. Größere Unterstützung leistete ihm dabei nur der
zweite Kustos Bonnell durch das Eintragen der erworbenen Bücher in
den alphabetischen Katalog. Im librigen mußte Koner die große Arbeit
der Prüfung und Aussonderung der Sammlung sowie der Einverleibung
des der Universitäts-Bibliothek zufallenden Teiles fast ausschließlich
allein erledigen. In die Bibliothek eingereiht wurden im Jahre 1865
die zu den historischen Fächern und der Jurisprudenz gehörenden Werke.
Die Bearbeitung der sprachwissenschaftlichen Abteilungen konnte erst
im folgenden Jahre nach Neuaufnahme ihres alten Bestandes, der von
den entsprechenden Teilen der Grimmschen Bibliothek an Zahl der
Bände etwa um das dreifache übertroffen wurde, in Angriff genommell
und erst im Anfang des Jahres 1868 beendigt werden. Der Gesamt-
zuwachs der Universitäts-Bibliothek betrug 6273 Nummern in mehr
als 9000 Bänden.*)
Die Königliche Bibliothek erhielt mit Genehmigung der Bibliotheks-
kommission, der die Entscheidung über die endgültige Abgabe der aus-
gesonderten Handschriften und Druckwerke vorbehalten war, folgende
Werke: 1) 124 Handschriften nebst einer Reihe von lose in den Büchern
*) Die nach Koners Schätzung zu Beginn des Jahres 1867 ohne Universitäts-
und Schulschriften über 80 000 Bände zählende Bibliothek erfuhr demnach durch
die Grimmsche Sammlung eine Vermehrung um reichlich 10 Prozent.
143
gefundenen Briefen verschiedener Gelehrter und eine beträchtliche
Anzahl von Zetteln und Blättern größtenteils von Jakob Grimms
Hand, 2) 20 Werke, die mit Randbemerkungen von den Gebrüdern
Grimm derartig versehen waren, daß sie den Wert von Handschriften
erlangt hatten, 3) 8 ältere und seltene Drucke und 4) 49 Werke aus den
Dubletten. Die 20 Werke mit Randbemerkungen überwies der Minister
ohne Entgelt, für die übrigen Druckwerke und die Handschriften be-
zahlte die Königliche Bibliothek nach der Abschätzung Koners 120 Taler
25 Sgr.*).
Das Verzeichnis der für die Universitäts-Bibliothek entbehrlichen
und auch von der Königlichen Bibliothek nicht gewünschten Dubletten
(über 1500 Nummern), deren Wert Koner auf 600 Taler berechnete,
wurde mehreren Berliner Antiquaren zur Abgabe eines Angebots vor-
gelegt. Da die Ashersche Buchhandlung mit dem Höchstgebot von
550 Talern der Konerschen Schätzung am nächsten kam, erteilte der Mi-
nister am 30. April 1869 die Genehmigung zum Verkauf an sie.**)
*) Der Zuwachs der Königlichen Bibliothek aus der Grimmschen Sammlung
entsprach also keineswegs den Erwartungen. Dagegen wurde ihr der wertvolle
schriftliche Nachlaß von Jakob und Wilhelm Grimm (vor allem ihr umfangreicher
Briefwechsel), um ihn vor Zersplitterung zu bewahren, zusammen mit den Hand-
exemplaren der von den Brüdern verfaßten Werke zur dauernden Aufbewahrung
von Herman Grimm und seinen Geschwistern übergeben. Zur Aufnahme der Manu-
skripte ließen die Erben 1867 auf ihre Kosten einen des Inhalts würdigen eichenen
Schrank anfertigen und machten zu Beginn des Jahres 1901, da inzwischen viel neues
handschriftliches Material hinzugekommen war, der Königlichen Bibliothek noch
einen zweiten „Grimm-Schrank" zum Geschenk.
**) Unter den verkauften Dubletten befanden sich manche Werke mit gelegent-
lichen Notizen der beiden Grimm. Die deshalb von Herman Grimm (im Schluß-
wort zu Bd. 5 der Kleineren Schriften von Jak. Grimm, Berlin 1871, S. 503, in
direkter Beschwerde beim Minister sowie in der Speuerschen Zeitung vom 14. Oktober
1872, Abendausgabe) gegen die Verwaltung der Universitäts-Bibliothek erhobenen
Vorwürfe konnte Koner mit Recht als unbegründet zurückweisen. War er doch bei
der Aussonderung der Dubletten, die ihm die Ministerial-Verfügung vom 16. Juni
1865 „wenn auch nicht ohne alle Ausnahme, so doch mit möglichst weniger Be-
schränkung" zur Pflicht gemacht hatte, und bei ihrer Veräußerung mit der den Brüdern
Grimm schuldigen Pietät verfahren. In allen Fällen, wo die Exemplare der Grimm-
schen Bibliothek bessere Erhaltung zeigten oder der handschriftlichen Zusätze wegen
besondere Beachtung verdienten, waren sie in die Bibliothek eingereiht und die Exem-
plare des alten Bestandes als Dubletten ausgeschieden worden. Die Beschwerde
wegen des Verkaufs des Grimmschen Handexemplars von Beneckes Wörterbuch war
gegenstandslos, da die Universitäts-Bibliothek dieses Exemplar gar nicht erhalten hatte.
144
Das Seitenstück zur Grimmschen Bibliothek bildete die im Jahre
1867 geschenkte Büchersammlung des am 3. August 1867 zu Berlin
verstorbenen Meisters der Altertumsforschung August B ö ck h. *) Da
Böckh die äußerst wertvolle, aus etwa 12000 Bänden bestehende Samm-
lung der Universitäts-Bibliothek zugedacht hatte, hielten sich die Erben,
obwohl in dem Testament eine Bestimmung über diese Bücher fehlte,
für verpflichtet, in seinem Sinne zu handeln, und erkannten am 6. August,
dem Begräbnistage Böckhs, durch gemeinsame Erklärung die Sammlung
als Vermächtnis für die Universitäts-Bibliothek an. Ein königlicher
Erlaß vom 14. November 1867 erteilte der Universität die Erlaubnis
zur Annahme der Bibliothek, die das Fach der klassischen Philologie
in ebenso ausgezeichneter Weise ergänzte wie die Grimmsche Bibliothek
die Abteilung der germanischen Philologie. Da der gänzliche Mangel
an Raum es nicht erlaubte, auch nur einen Teil der Böckhschen Samm-
lung in der Universitäts-Bibliothek unterzubringen, blieben die Bücher
zunächst in der Wohnung des Professors Gneist, des Schwiegersohnes
Böckhs, und wurden dann im Juni 1868 auf Anordnung des'Ministers
einstweilen im Gebäude des Kultusministeriums aufgestellt. Die Un-
möglichkeit, die bedeutende Sammlung der Universitäts-Bibliothek
einzuverleiben und damit der Benutzung zugänglich zu machen, gab den
unmittelbaren Anlaß zur Beschleunigung des Bibliotheksneubaues. Bis
zu dem Umzuge im Jahre 1874 konnten nur einige der am meisten
verlangten Werke in die Abteilungen eingereiht werden.
Manche Lücken auf rechtswissenschaftlichem Gebiete wurden durch
die Schenkungen der I u r i st i s ch e n Gesellschaft zu Berlin
ausgefüllt. Nachdem der Minister auf das Ansuchen der Gesellschaft
ihren Mitgliedern im Mai 1866 die Erlaubnis erteilt hatte, ohne Kau-
tionsleistung Bücher aus der Königlichen Bibliothek und aus der
Universitäts-Bibliothek zu entleihen, beschloß die Gesellschaft am
9. Juni 1866 die in ihren: Lesezirkel gehaltenen Zeitschriften künftig
der Universitäts-Bibliothek zun: Eigentum zu überlassen. Infolge eines
weiteren Beschlusses der Gesellschaft von: 9. November 1867 wurde
auch ihre aus 323 Werken (in etwa 500 Bünden) bestehende Bücher-
sammlung der Universitäts-Bibliothek unter der Bedingung tibergeben,
daß die Bücher durch eingeklebte Etiketten als Stiftung der Gesellschaft
*) Böckh, durch lange Jahre eine Zierde der Berliner Universität, ist fünfmal
Rektor gewesen; er bekleidete das Rektorat im Jahre des 25 jährigen und in dem
des 50jährigen Universitätsjubiläums.
145
bezeichnet und nicht veräußert würden. Die Gesellschaft überwies auch
in den folgenden Jahren die ihr geschenkter:, zum Teil wertvollen Werke
und bis zum Eingehen ihres Lesezirkels im Jahre 1886 die von ihr
gehaltenen Zeitschriften.
Im Jahre 1869 übergab die Witwe des außerordentlichen Pro-
fessors in der juristischen Fakultät vr. Friedrich Julius K ti h n s, der
am 12. März 1869 noch vor Vollendung seines 39. Lebensjahres ge-
storben war, die vor: ihrem Manne hinterlassene Bibliothek. Die
Sammlung zählte 450 juristische und historische Werke in etwa
750 Bänden, darunter die neuesten Erscheinungen auf dem Gebiete
des Handels-, Wechsels- und Zivilrechts.
Von geringerem Werte und auch den Zwecken der Bibliothek nur
wenig entsprechend war die Sammlung, die der Sanitätsrat und Privat-
dozent für Balneologie an der Berllner Universität vr. Hermann Ludwig
Halfst durch letztwillige Verfügung vom 27. November 1866 ver-
macht hatte. Das nach dem Tode Helffts (er starb am 17. Juni 1869)
übergebene Legat bestand aus 514 Nummern und umfaßte, von wenigen
neueren medizinischen Lehr- und Handbüchern abgesehen, ausschließlich
balneologische Schriften. Die Helfftsche Sammlung bildete die Er-
gänzung zu der im Jahre 1842 durch das Osannsche Vermächtnis zu-
gefallenen sehr reichhaltigen Bibliothek über Mineralbrunnen; *) die
Universitäts-Bibliothek besaß nunmehr eine aus 1980 Nummern be-
stehende, mithin so vollständige Sammlung von Schriften über Heil-
bäder, wie sie wohl kaum eine andere deutsche Bibliothek aufweisen
konnte.
Der am 3. April 1870 verstorbene Professor vr. Philipp Jaffa**)
hatte in seinem am 22. März 1870 errichteten Testament der Universitäts-
Bibliothek seine Sammlung gedruckter Bücher sowie drei Ftinftel seines
in Wertpapieren angelegten Kapitalvermögens vermacht. In der aus
etwa 1500 Bänden bestehenden und auf 750 Taler abgeschätzten Jäffe-
schen Bibliothek waren die zahlreichen historischen Quellenwerke be-
sonders wertvoll; sie wurden, soweit sie schon vorhanden waren, als
zweite Exemplare übernommen. Der auf die Universitäts-Bibliothek
*) Vgl. oben S. 84 f.
**) Jaffe hatte die Entwickelung der Universitäts-Bibliothek mit lebhaftem
Anteil verfolgt und schon wiederholt kleinere Zuwendungen gemacht. Sein be-
sonderes Interesse widmete er dem diplomatischen Apparat, dessen Urkunden und
Handschriftenbruchstücke er im Laufe des Jahres 1856 untersuchte und bestimmte.
Friese, Univ.-Bibl. Berlin. 10
146
fallende Vermögensanteil, dessen Zinsen seither zu Bücheranschaffungen
verwandt werden, betrug in Wertpapieren nach dem damaligen Kurse
1225 Taler 25 Sgr. und in bar 14 Taler 10 Sgr. Zur Annahme des
Legats wurde die landesherrliche Genehmigung am 22. August 1870
vom Hauptquartier in ?ont á Mousson aus erteilt.
Im April 1872 übergaben die Erben des am 24. Januar desselben
Jahres zu Berlin verstorbenen Professors Dr. Friedrich Adolf T r e n -
delenbnrg dem Wunsche des Erblassers entsprechend den größten
und wertvollsten, nämlich die philosophischen Schriften enthaltenden
Teil der von ihm hinterlassenen Bibliothek. Die Sammlung bestand
aus 720 Werken in 910 Bänden und außerdem aus einer großen An-
zahl von Dissertationen, Programmen und sonstigen kleinerer: Ab-
handlungen.
Der Oberkonsistorialrat Professor vr. August T w e st e n teilte
Koner im September 1872 mit, daß er die Universitäts-Bibliothek in
seinem Testamente als Erbin seiner theologischen, namentlich an dog-
matischen und exegetischen Werken reichen Bibliothek einzusetzen be-
absichtige und ihr schon jetzt alle die Bücher übergeben wolle, die er zu
seinem eigenen Studium nicht unumgänglich gebrauche und die sich als
für die Universitäts-Bibliothek geeignet erwiesen. Die darauf von
Koner ausgewählten Werke, etwa 3000 Bände, wurden einstweilen in
den Räumen des Ministeriums untergebracht, in denen bereits die
Böckhsche Bibliothek aufgestellt war. Nach dem Tode Twestens (8. Ja-
nuar 1876) erhielt die Universitäts-Bibliothek noch ungefähr ebenso
viele Bände, die von seinen Erben, dem Professor Heinrici in Marburg
und dessen Gattin, einer Enkelin Twestens, überwiesen wurden, obwohl
in dem Twestenschen Testanrente sich keine Bestimmung über die hinter-
lassene Bibliothek vorfand.
Als Vermächtnis des Geheimen Sanitätsrates Or. Heimann Wolfs
Verend wurde im Jahre 1873 seine Sammlung orthopädischer
Bücher (ungefähr 250 Bände) Eigentum der Bibliothek.
Aus dem Nachlasse ihres Mannes überwies in demselben Jahre
die Witwe des Geheimen Justizrates Friedlünder etwa 600 Bände
juristischen und historischen Inhalts.
Am 6. Januar 1873 schenkte der Professor vr. Karl Gustav Ho-
me y e r der Bibliothek seine in 74 Bünde und Konvolute verteilte
Sammlung von Schriftstücken über die deutschen mittelalterlichen
Rechtsbücher. Nach seinem Tode (20. Oktober 1874) überwiesen die
147
Erben im April 1875 eine weitere Anzahl von Handschriften zur deutschen
Rechtsgeschichte und im Juni 1875 über 2000 Bände aus der von ihm
hinterlassenen wertvollen Bibliothek, deren Annahme durch königliche
Order vom 16. Dezember 1875 erlaubt wurde. Als Ergänzung dieser
Schenkungen erhielt die Universitäts-Bibliothek dann inr Februar 1884
noch Homeyers Vorarbeiten und die Materialien zu seinem Werke
über die Haus- und Hofmarken.*)
Wichtige physiologische Werke enthielt die medizinische Bibliothek
des Geheimen Medizinalrates und Professors Dr. Moritz Heinrich
Romberg, die seinem Wunsche gemäß von der Witwe im Juli 1873
übergeben wurde und die Universitäts-Bibliothek um 574 Werke ver-
mehrte.
Die Abteilung der orientalischen Philologie erhielt 1878 einen
Zuwachs von etwa 300 Bänden, die aus den: Nachlasse des im Mai
1877 auf Ceylon verstorbenen Sprachforschers Dr. Paul Gold-
s ch m i d t stammten und von seinem Vater, dem Geheimen Kommer-
zienrat Laser Goldschmidt in Danzig (einem Bruder des Berliner Pro-
fessors Levin Goldschmidt) geschenkt wurden. Die überwiesenen Werke
gehörten fast ausschließlich der indischen Sprachwissenschaft an.
Ungefähr 600 Werke, vorzugsweise naturwissenschaftlichen Inhalts,
erhielt die Bibliothek im Jahre 1879 aus dem Nachlasse des Rentiers
Splitgerber in Berlin.
Aus den Dubletten der Königlichen Museen wurden in
demselben Jahre 771 von Koner ausgesuchte Werke verschiedener Wissens-
gebiete übernommen.
Infolge letztwilliger Verfügung des am 25. Dezember 1880 zu
Danzig gestorbenen Sagenforschers Dr .Wilhelm M a n n h a r d t **)
gelangte die Bibliothek im Juni 1881 in den Besitz seines wertvollen
handschriftlichen Nachlasses. Mannhardt hatte bestimmt, daß außer
seinen anderen Manuskripten seine große, in ihrer Art einzig dastehende
Sammlung von Nachrichten über europäische Agrargebräuche der
*) Die Horneyerschen Manuskripte befinden sich seit 1893 in der Handschriften-
Abteitung der Königlichen Bibliothek.
**) M. war von 1858 bis 1862 Privatdozent für deutsche Mythologie an der
Berliner Universität, zog sich dann aber aus Gesundheitsrücksichten und da sich ihm
in Berlin keine sichere Aussicht auf eine Anstellung eröffnete, nach Danzig zurück,
wo er von 1863 bis 1873 als Bibliothekar an der Stadtbibliothek tätig war. Vgl.
Scherer in der Allgemeinen Deutschen Biographie. Bd.20. Leipzig 1884. S. 203—205.
10*
148
Berliner Universitäts-Bibliothek zugewandt würde. Professor Müllen-
hoff, dem die Sammlung zur Durchsicht übergeben war, ordnete sie und
ließ zu ihrer übersichtlichen Aufbewahrung einen Schrank mit 51 Mappen
anfertigen, dessen Kosten von dem Ministerium durch einen außer-
ordentlichen Zuschuß gedeckt wurden. Um den Inhalt des Schrankes,
der in dem Apparatensaal der Bibliothek seinen Platz fand, gegen die
Ansprüche Unberufener zu sichern, verftigte der Minister auf den Antrag
Müllenhoffs am 23. Juni 1881, daß die Benutzung nur solchen Personen
zu gestatten sei, die sich auf dem Spezialgebiete des vr. Mannhardt
schon durch wissenschaftliche Leistungen bewährt hätten oder von be-
rufenen Männern des Fachs besonders empfohlen würden. *)
Die von Mannhardt hinterlassene Büchersammlung, die fast aus-
schließlich dem Gebiete der germanischen Volkskunde und Mythologie
angehörte, wurde, da sie eine Ergänzung zu dem handschriftlichen Nach-
lasse bildete, der Universitäts-Bibliothek zum Kauf angeboten. Obwohl
hier die genannten Spezialfächer durch die Erwerbung der Grimmschen
Bibliothek bereits sehr gut vertreten waren, war doch mehr als die
Hälfte der angebotenen Bücher noch nicht vorhanden. Durch Müllen-
hofss Vermittelung wurden die noch fehlenden und zur Anschaffung
geeigneten Werke (es waren 670 Nummern) für 770 Mark von Mann-
hardts Vater angekauft. Unter den so erworbenen Schriften befand
sich eine Reihe sonst schwer erhältlicher Monographien.
Durch eine kostbare Büchersammlung wurde die Bibliothek im
Jahre 1882 bereichert. Der am 15. Juli 1881 in Dresden verstorbene
Königl. sächsische Regierungsrat a. D.vr. für. Karl Gustav Wenzel**)
hatte in seinem Testament vom 11. April 1879 seine Gattin, eine geborene
Gräfin von Hülsen, zur Universalerbin eingesetzt, ihr dabei aber die
*) Der Schrank mit dem Mannhardtschen Nachlaß wurde im Mai 1893 der
Handschriften-Abteilung der Königlichen Bibliothek übergeben.
**) Nach einem mir von Herrn Bibliothekar vr. Naetebus abschriftlich zur Ver-
fügung gestellten Nekrolog auf Wenzel im „Dresdner Anzeiger" vom 19. Juli 1881
war W. in Chemnitz am 7. Januar 1819 geboren und hatte in Leipzig und Jena
Jurisprudenz und Kameralia studiert. Er trat in den sächsischen Staatsdienst, zog
sich aber wegen Kränklichkeit frühzeitig in das Privatleben zurück, um ganz seinen
literarischen Neigungen und dem Wohltun zu leben. Als Festgabe zur 100jährigen
Geburtstagsfeier Schillers veröffentlichte er 1859 unter dem Titel „Aus Weimars
goldenen Tagen" eine Bibliographie über Goethe und Schiller. Sein mit vielen
handschriftlichen Zusätzen und Berichtigungen versehenes Handexemplar dieses Werkes
befindet sich in der Universitäts-Bibliothek.
;Eu£cAxr 1 ~-b
149
Verpflichtung auferlegt, seine gesamten Bücher der Universität zu
Berlin sofort als ein von ihm gestiftetes Legat auszuhändigen. Diese
seine „gesammelten Kinder" sollten der Universitäts-Bibliothek unter
dem Namen „Kaiser-Wilhelm-Stiftung" einverleibt, alle Dubletten aber
an die Königliche und Universitäts-Bibliothek zu Königsberg abgegeben
werden, wo einst Kant, der Hauslehrer des Großvaters seiner Frau,
gelehrt habe. Die über 8000 Bände zählende, den Fachgelehrten be-
kannte Wenzelsche Bibliothek war eine der bedeutendsten Spezial-
sammlungen der Lessing-, Goethe- und Schillerliteratur, die nicht nur
sämtliche Wenzel erreichbar gewesenen Ausgaben und Übersetzungen
der Werke der drei Dichter, sondern auch alle Erläuterungsschriften und
die zeitgenössische schönwissenschaftliche Literatur (ohne die Romane)
enthielt; sie wies viele Seltenheiten, namentlich Erstausgaben, auf, da
Wenzel einige dreißig Jahre mit unermiidlichem Eifer und unter Auf-
wendung bedeutender Mittel gesammelt hatte. Nachdem am 18. Januar
1882 die königliche Genehmigung zur Annahme der Schenkung erteilt
war, wurde die (230 Zentner wiegende) Sammlung im April 1882
nach Berlin übergeführt. Ihre Einverleibung konnte in den nächsten
Jahren aber neben den laufenden Geschäften nur wenig gefördert
werden, so daß zur Beendigung der Arbeit auf den Antrag Koners
1887 vom Minister ein besonderer Zuschuß zur Annahme eines Hilfs-
arbeiters bewilligt wurde. Die in die Universitäts-Bibliothek auf-
genommenen Werke (ihre Zahl betrug über 4300) erhielten Etiketten
mit der Bezeichnung „Kaiser-Wilhelm-Stiftung" und dem Hinweis
auf das Wenzelsche Vermächtnis. Obwohl die Bestimmung des Testa-
ments wegen der Dubletten auch so ausgelegt werden konnte, daß die
Königsberger Bibliothek nur die in der Wenzelschen Sammlung vor-
handenen (übrigens recht zahlreichen) zweiten Exemplare erhalten
sollte, wurden ihr mit Genehmigung des Ministeriums auch alle in der
Berliner Universitäts-Bibliothek durch die Wenzelsche Erwerbung ent-
standenen Dubletten übersandt.
Durch Ministerialerlaß vom 10. September 1883 wurde der Bi-
bliothek der aus der Hinterlassenschaft des Professors Buschmann stam-
mende handschriftliche Nachlaß Alexanders von Humboldt über-
wiesen. Es wurde dabei verfügt, daß der Nachlaß unter sicherem Ver-
schluß gesondert aufbewahrt und seine literarische Verwertung und
sonstige Benutzung ohne vorherige ministerielle Genehmigung nieman-
dem erlaubt würde. Mit den übrigen Manuskripten der Universitüts-
150
Bibliothek wurde der Humboldtsche Nachlaß im Jahre 1893 an die
Handschriften-Abteilung der Königlichen Bibliothek abgegeben.
Von besonderer Wichtigkeit für das Studium der orientalischen
Philologie an der Universität war die Erwerbung des größten Teiles
der von dem Geheimen Oberregierungsrat Dr. Justus O l s h a u s e n
hinterlassenen Bibliothek, deren Ankauf für die Universitäts-Bibliothek
Koner am 23. Februar 1883 beantragt und der Professor Sachau in
einen: ausführlichen Gutachten im März befürwortet hatte. Nachdem
durch Kabinettsorder vom 11. Juni 1883 die erforderliche Summe aus
dem königlichen Dispositionsfonds bewilligt war, wurde die aus 2670
wohlerhaltenen und gut gebundenen Bänden bestehende Sammlung
für 10 000 Mark angekauft und in die Universitäts-Bibliothek über-
geführt. Nach der Bestimmung des Ministers traf zunächst die König-
liche Bibliothek, der auch die Olshausenschen Handschriften zufielen,
eine Auswahl, sodann die Universitäts-Bibliothek, die 1476 Werke in
1911 Bänden übernahm. Der Rest der Sammlung (433 Bände) wurde
unter die übrigen Universitäts-Bibliotheken verteilt.
Die Witwe des 1863 verstorbenen Oberlehrers Dr. Theodor B e c -
c a r d schenkte im Jahre 1885 die aus 800 bis 900 Bänden bestehende
philologische Bibliothek ihres Mannes mit der Bestimmung, daß die
Dubletten an das philologische Seminar abgegeben würden. Durch diese
Zuwendung wurde die Universitäts-Bibliothek um 729 Bünde vermehrt.
Die mathematischen und physikalischen Abteilungen der Bibliothek
wurden in vollkommener Weise ergänzt durch einen Teil der Bücher-
sammlung, die aus dem Besitze des Mathematikers Dr. Karl Wilhelm
B o r ch a r d t (f 27. Juni 1880) stammte. Der Ankauf der Sammlung
war bereits im Jahre 1883 von Koner angeregt und von der Bibliotheks-
kommission lebhaft empfohlen worden, wurde aber erst 1887 vom
Ministerium genehmigt, nachdem die Erben den Kaufpreis von 18 000
auf 12 000 Mark ermäßigt hatten. Wie der Minister am 8. März 1887
verfügte, sollte die Borchardtsche Bibliothek, die die bedeutendsten
nmthematischen und physikalischen Zeitschriften in vollständigen Serien
enthielt, zur Ergänzung der Königlichen Bibliothek, der Berliner Uni-
versitäts-Bibliothek und der anderen Universitäts-Bibliotheken dienen.
Die Berliner Universitäts-Bibliothek erhielt 538 zum Teil sehr bünde-
reiche Werke.
Infolge des schnellen Anwachsens der Bibliothek war die Anfertigung
eines neuen Realkatalogs dringend notwendig geworden. Der
151
dem geringen Bücherbestände des Jahres 1839 angepaßte gedruckte
Katalog entbehrte wegen der vielen Einschaltungen jeder Übersicht-
lichkeit und war auch in seiner wissenschastlichen Anordnung vollkommen
veraltet. Koner begann deshalb 1865 mit der Herstellung eines Zettel-
kataloges als Grundlage sür die Anfertigung neuer wissenschaftlicher
Kataloge, doch blieb diese Arbeit ohne besonderen Erfolg, da die Kräfte
der Beamten kaum sür die lausenden Geschäfte ausreichten und die von
Koner schon seit 1858 erbetenen Mittel zur Annahme außerordentlicher
Hilfsarbeiter nicht gewährt wurden. Erst 1873 wurde für die Katalogi-
sierung der Betrag von 6000 Mark und 1885 nochmals die gleiche Summe
bewilligt, so daß nunmehr bis zum Jahre 1889 vou besonderen Hilfs-
kräften unter dem Beistände der Beamten der gesamte Bücherbestand
verzettelt werden konnte.
Ein deutliches Bild von der Zunahme der Bibliothek gab der
alphabetische Bandkatalog; er zählte im Jahre 1858 noch 18 Folio-
bände, 1868: 60, 1872: 80, 1875 bereits 154 und 1882: 210.
Die BenutzungderBibliothek,die schon in den sechziger
Jahren beträchtlich zugenommen hatte — 1863 waren (ohne die Prolon-
gationen) 8072 Verleihungen gebucht worden, 1872 bereits 13 538 —
verdoppelte sich nach der Übersiedelung in das eigene Gebäude in
wenigen Jahren. 1875 wurden 16 100 Werke in etwa 20 000 Bänden
nach Hause verliehen, 1880/81 schon 28 566 Werke in mehr als 40 000
Bänden und 1884/85 wurden in die Wohnung 47 235 Bünde mit-
gegeben und in den Lesesaal 6848 Bände verabfolgt. Im Jahre 1885/86
trat dann aber ein beträchtlicher Rückgang in der Benutzung ein, der eine
Reihe von Jahren hindurch anhielt. Die Hauptursache für diesen Rückgang
erblickte die Bibliothekskommission mit Recht darin, daß die Bibliothek
bei der gesteigerten Bücherproduktion die Bedürfnisse der Universitüts-
angehörigen mit ihrem geringen Anschaffungsfonds von Jahr zu Jahr
weniger befriedigen konnte. Die im Sommer-Semester 1887 auf An-
regung der Kommission zum ersten Male bearbeitete sogenmmte „negative
Statistik" (eine Zählung der mit dem Bescheide „nicht vorhanden" oder
„verliehen" versehenen Bestellzettel) zeigte deutlich, wie gering die
Aussichten der Studierenden waren, die gewünschten literarischen
Hilfsmittel in der Universitäts-Bibliothek zu erhalten. Vom Mai bis
zum Anfang des Augusts waren 14 151 Bestellungen eingegangen, von
denen nur 6836 durch Verleihung ins Haus und 959 durch Verleihung
in den Lesesaal erledigt werden konnten, während auf 2639 der Be-
152
scheid „nicht vorhanden" und auf 3179 der Bescheid „verliehen" er-
folgte.
Koner, am 10. Dezember 1884 durch die Verleihung des Cha-
rakters als Geheimer Regierungsrat ausgezeichnet, starb am 29. Sep-
tember 1887, nachdem er der Bibliothek 37 Jahre hindurch seine Kräfte
mit unermüdlichem Fleiße gewidmet hatte *). Durch Ministerialver-
fügung vom 7. Oktober 1887 wurde der Generaldirektor der König-
lichen Bibliothek Wilmanns, der Nachfolger von Lepsius, beauftragt,
die Leitung der Universitäts-Bibliothek bis auf weiteres mitzuüber-
nehmen. Unter ihm stand den laufenden Geschäften in dieser Übergangs-
zeit Ascherfon vor, dem am 7. November 1888 der Bibliothekartitel und
am'20. September 1889 das Prädikat Professor verliehen wurde **). Die
Verwaltung der Bibliothek wurde dann vom 1. Oktober 1889 an dem
Bibliothekar an der Königlichen Bibliothek Dr. W. Erma n vom
Minister kommissarisch und am 15. April 1890 durch königliche Er-
nennung zum Direktor definitiv übertragen.
*) Auch als Schriftsteller hat sich Koner hervorgetan. Sein bekanntestes Werk
ist das in Gemeinschaft mit E. Guhl verfaßte „Leben der Griechen und Römer", das
1893 in 6. Auflage erschien. Mehr als 25 Jahre hindurch war er der Herausgeber
der „Zeitschrift für allgemeine Erdkunde" und ihrer Fortsetzung der „Zeitschrift
der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin".
**) Afcherson erhielt im Dezember 1894 den Titel Oberbibliothekar und trat
nach 35jähriger Dienstzeit an der Bibliothek am 1. April 1895 in den Ruhestand.
Bon seiner Tätigkeit auf literarischem Gebiet sei noch erwähnt, daß er 1863 im amt-
lichen Auftrage die Urkunden zur Geschichte der 50jährigen Jubelfeier der Universität
veröffentlichte und daß er weiteren Kreisen durch die Herausgabe des Deutschen
Universitätskalenders (seit 1872) bekannt geworden ist. Er starb zu Berlin am
15. Januar 1904.
7. Die Neuzeit.
Die Entwickelung der Bibliothek in der Neuzeit beruht auf dem
am 27. Juni 1890 erlassenen neuenReglement. Das Reglement
vom 21. Juni 1877, das also nur 13 Jahre in Kraft gewesen ist, hatte
der Bestimmung der Bibliothek in der Hauptsache nicht genügend Rech-
nung getragen. Es darf als ein Mangel bezeichnet werden, daß erstens
eine Umgrenzung der Aufgabe der Anstalt fehlte und zweitens die
Satzungen, welche die Zulassung der nicht zur Universität gehörenden
Benutzer regelten, dem Ermessen der Verwaltung zu viel Spielraum
ließen. So war Koner, dem als Ziel die Ausgestaltung der Universitäts-
Bibliothek zu einer öffentlichen Provinzial-Bibliothek vorschwebte,*)
verleitet worden, den Kreis der nichtstudentischen Benutzer immer
mehr zu erweitern und damit die Interessen der ursprünglich und in
erster Linie Benutzungsberechtigten zu schädigen. Hierin Abhilfe zu
schaffen und die Bibliothek zur Erfüllung ihrer eigentlichen Aufgabe
zu befähigen, war der Zweck des neuen Reglements. Nach § 1 hat die
Universitäts-Bibliothek die Aufgabe, eine den Bedürfnissen des Univer-
sitäts-Unterrichts angemessene Auswahl der gedruckten Literatur zu
sammeln, unbedingte Vollständigkeit soll aber in der Sammlung der
Universitäts-Schriften angestrebt werden. Von den nicht zur Universität
gehörenden Personen sind zur Benutzung nur frühere Studierende der
Universität zugelassen, die sich auf Prüfungen vorbereiten. Eine Ver-
leihung von Büchern an Auswärtige findet überhaupt nicht mehr statt.
Für die so von einer empfindlichen Konkurrenz befreiten Studierenden
wurden die Benutzungsbedingungen zudem wesentlich verbessert und
erleichtert. Die bisher erforderlichen Bürgschaften seitens der Univer-
sitätslehrer sielen fort: es genügt jetzt die Vorzeigung der Erkennungs-
karte, die beim ersten Besuch der Bibliothek abzustempeln ist. Die Ge-
schäftszeit der Bücherausgabe wurde auf die Stunden von 9 bis 3
(während der Universitätsferien von 11 bis 2) Uhr ausgedehnt. Die
*) Vgl. oben S. 131.
154
Besteller erhielten durch die Einführung des Belegens zur Zeit ver-
liehener Werke die Möglichkeit, sich ihre demnächstige Benutzung zu
sichern. Von besonderer Wichtigkeit war die im Reglement vorgesehene
Neueinrichtung einer zur Ergänzung der Lesesaalbibliothek dienenden
Handbibliothek, deren Bücher gegen Abgabe von Bestellzetteln der
Regel nach binnen 15 Minuten zugänglich gemacht werden sollen.
Da es für notwendig erachtet wurde, den Biicherbestand durch
Ausscheidung entbehrlicher Werke zu entlasten, wurde ein besonderer
Paragraph in das Reglement aufgenommen, nach dem die Vorsteher
der Universitäts- und der Königlichen Bibliothek befugt sind, Bücher
der einen Anstalt an die andere abzugeben. Auf Grund dieser Be-
stimmung wurden in den Jahren 1892 bis 1897/98 16 869 Werke aus-
geschieden, wovon die Königliche Bibliothek 13 299 ihr noch fehlende
Werke übernahm,*) während der größte Teil des Restes mit Genehmi-
gung des Ministeriums im Austausch gegen Dubletten an die übriger!
preußischen Universitäts-Bibliotheken abgegeben wurde.
Die Wirkung der für die Studierenden so vorteilhaften Neuordnung
der Verhältnisse wäre mm freilich gering geblieben, wenn nicht das
Ministerium der Universitäts-Bibliothek seine besondere Fürsorge zu-
gewandt hätte. Der etatsrnäßige Fonds für Bücheranschaffungen, der
seit 1874 10 500 Mark betragen hatte, wurde 1894 auf 13 000, 1897
auf 15 000, 1899 auf 18 000 und 1900 auf 21 000 Mark gebracht und
der regelmäßige Fonds für die sonstigen sächlichen Ausgaben bis zum
Jahre 1900 auf 7800 Mark gesteigert. Außerdem wurden der Bibliothek
zu verschiedenen Zwecken mehrere außerordentliche Zuschüsse bewilligt,
unter denen die für die Vervollständigung der Lesesaalbibliothek be-
stimmten besonders hervorzuheben sind. Die Lesesaalbibliothek, die im
Januar 1882 etwa 1200 Bünde gezählt hatte, war am Ende des Rech-
nungsjahres 1889/90 auf 4200 Bände angewachsen; die ihr ange-
gliederte gut ausgestattete Handbibliothek wurde am 1. Oktober 1891
eröffnet. Das im Beginn des W.-S. 1891/92 ausgegebene gedruckte
Verzeichnis der Lesesaal- und Handbibliothek zählt bereits 1403 Werke
mit 10 639 Bünden auf, die im Juni 1894 erschienene 2. Ausgabe
1670 Werke mit 12 484 Bänden und die 3. Ausgabe von: Jahre 1898
1776 Werke mit 14 050 Bänden.
*) Wie schon erwähnt ist, erhielt die Handschriften-Abteilung der Königlichen
Bibliothek 1893 die sämtlichen Handschriften der Universitäts-Bibliothek sowie viele
mit handschriftlichen Zusätzen versehene Bücher.
155
Bei dem wachsenden Umfang der Geschäfte war eine Vermehrung
der unzulänglichen Beamtenzahl unabweisbar: 1891 wurde die 4. Kn-
stodenstelle, 1896 die 5. und 1899 die 6. Bibliothekarstelle *) gegründet,
1893 und 1896 je eine Expedientenstelle geschaffen und in den Jahren
1891 und 1900 durch den Etat die Mittel für die 4. und 5. Dienerstelle
bewilligt.
Dem Ausbau der U n i v e r s i t ü t s s ch r i f t e n s a m m l u n g
wurde in Ausführung des Reglements besondere Sorgfalt zugewandt.
Die Bibliothek übernahm 1893 den bisher von der Registratur der
Universität besorgten Schriftenaustausch, so daß seitdem der Eingang
der fremden Universitätsschriften schneller und wirksamer kontrolliert
werden kann. Die erst 1890 angelegte Sammlung älterer Universitäts-
schriften wuchs durch einzelne größere Geschenke, unter denen die Über-
weisung von 7156 Nummern aus den Dubletten der Greifswalder
Universitäts-Bibliothek im Jahre 1900 besonders beachtenswert ist,
und verschiedene Ankäufe schnell an. Die Verzettelung der Universitäts-
und der Schnlschriften erfolgt in zwei Exemplaren, von denen das eine
in den alphabetischen Katalog der Abteilung eingereiht, das andere für
einen später anzulegenden systematischen Katalog zurückgelegt wird.
Eine außerordentliche Bewilligung des Ministeriums ermöglichte es,
im Jahre 1899 ein Verzeichnis der Berliner Universitätsschriften heraus-
zugeben, das bis zu der Zeit reicht, wo die von der Königlichen Bibliothek
veröffentlichten Jahresverzeichnisse einsetzen.**)
Die Folgen der durchgreifenden Verbesserungen in allen Zweigen
der Verwaltung der Bibliothek machten sich bald in einem starken An-
wachsen der Benutzung bemerkbar, wofür einige charakteristische
Zahlen gegeben sein mögen. Während im Rechnungsjahr 1889/90
nur 14,30/, und im S.-S. 1890 nur 14,80/, a^er Studierenden die Biblio-
thek benutzten, betrug der Prozentsatz im W.-S. 1890/91 bereits 30,7,
im S.-S.'1891 33,6 und im W.-S. 1891/92 40 und stieg bis 52,7 im
W.-S. 1900/01. Die Zahl der abgegebenen Bestellzettel ging von
*) Durch königlichen Erlaß vom 14. Februar 1894 war den Kustoden der
Universitäts-Bibliotheken und denen der Königlichen Bibliothek die Amtsbezeichnung
„Bibliothekar" beigelegt worden.
**) Es erschien unter dem Titel: „Verzeichnis der Berliner Universitätsschriften
1810—1885. Nebst einem Anhang, enthaltend die außerordentlichen und Ehren-
Promotionen. Hrsg. von der Königlichen Universitäts-Bibliothek zu Berlin. Berlin,
Kommissions-Verlag von W. Weber 1899."
156
32 943 im Jahre 1889/90 auf 40 029 im Jahre 1893/94, auf 51 869
im Jahre 1897/98 und auf 64 689 im Jahre 1900 hinauf. 19 076 Werken
mit 28 559 Bänden, die im Jahre 1889/90 nach Hause verliehen wurden,
standen im Jahre 1900 29 921 Werke mit 38 384 Bänden gegenüber,
2907 Werken mit 5662 Bänden, die 1889/90 in den Lesesaal verabfolgt
wurden, 7456 Werke mit 13 375 Bänden im Jahre 1900. Den Lefesaal
besuchten 1889/90 15 657 und 1900 47 043 Leser.
Die vom Minister zum März 1890 für die staatlichen Bibliotheken
angeordnete Zählung der Buchbinderbünde ergab auf der Universitäts-
Bibliothek einen B e st a n d von 137 792 Bänden und außerdem 53 373
ungebundenen Universitätsschriften und etwa 3000 Schulprogrammen.
Eine neue Zählung am Schlüsse des Rechnungsjahres 1898/99 stellte
für den 31. März 1899 einen Bestand von 149 014 Buchbinderbänden
fest, während die Universitätsschriftensammlung 136 438 einzelne (zum
Teil in Sammelbänden vereinigte) Schriften und die Schulschriften-
sammlung 26400 einzelne (gleichfalls zum Teil zusammengebundene)
Schriften umfaßte.
Nachdem im Bibliotheksgebäude alle Möglichkeiten, Platz zu ge-
winnen, erschöpft waren, überwies der Minister 1897 zur Aufstellung
von Büchern einige Räume in dem der Universität gehörenden Hause
Dorotheenstraße 5. Eine größere Abhilfe der mit der Überfüllung
verbundenen Unznträglichkeiten brachte im Jahre 1900 die Erweiterung
der Bibliothek durch die Hinzunahme des Nachbarhauses D o ro-
th e en st r a ß e 10 *).
Am 1. Juli 1901 wurde der Direktor E r m a n an die Spitze der
Königlichen und Universitäts-Bibliothek zu Breslau gestellt. Nach einer
Zwischenzeit, in der die Führung der Geschäfte dem am 1. Dezember 1899
von Marburg nach Berlin versetzten Oberbibliothekar Dr. Robert
Münzet oblag, wurde die Leitung der Bibliothek dem bisherigen
Abteilungsdirektor an der Königlichen Bibliothek Dr. meä. Johannes
Franke übertragen. Als Münzel im März 1902 in Hamburgische
Staatsdienste trat, wurde der Oberbibliothekar an der Königlichen
Bibliothek Dr. August Blau an die Universitäts-Bibliothek versetzt
und zum Stellvertreter des Direktors ernannt.
*) Das Gebäude (es ist das kleinere Haus neben der Bibliothek; vgl. die Ab-
bildung vor S. 129) hatte vorher als Direktorwohnhaus des in der Georgenstraße
34—36 belegenen chemischen Instituts gedient. Seine Fassade ist mit den Medaillon-
büsten der Chemiker A. S. Marggraf und F. K. Achard geschmückt.
157
Erhebliche außerordentliche Zuschüsse ermöglichten in den folgenden
Jahren die planmäßige Verbesserung des Bücherbestandes. Von den
im Jahre 1900 zur Ausfüllung von Lücken in sämtlichen preußischen
Universitäts-Bibliotheken in den Etat eingestellten 150 000 Mark über-
wies der Minister am 15. Juni 1900 25 000 Mark. Weitere außerordent-
liche Fonds zur Ergänzung der Bestände wurden 1906 in Höhe von
8000 Mark und in den Jahren 1907 und 1908 in Höhe von je 20 000 Mark
bewilligt. Daneben wurde der etatsmäßige Anschaffungsfonds 1906
auf 23 000 und 1907 auf 29 000 Mark erhöht, doch genügte er trotz-
dem nicht annähernd, um eine den immer größeren Anforderungen
an die Bibliothek entsprechende Erweiterung des Bücherschatzes zu
bewirken.
Das Personal der Bibliothek erfuhr eine den Bedürfnissen
angemessene Vermehrung: 1901 wurde die 7. und 1904 die 8. Biblio-
thekarstelle und in den Jahren 1906, 1907, 1909 und 1910 zur Ent-
lastung der wissenschaftlichen Beamten von den mehr mechanischen
Arbeiten je eine Sekretärstelle gegründet. 1905 wurde der 6. Diener
eingestellt, und durch die Etats für 1909 und 1910 wurden mit Rücksicht
auf die in dem neuen Bibliotheksgebäude bevorstehende größere In-
anspruchnahme der Unterbeamten die Mittel für drei weitere Diener
bewilligt.
Die im Januar 1894 begonnene Erneuerung des Realkata-
log e s und die Neuaufstellung des Bücherbestandes mußte 1901 zu-
gunsten der Umarbeitung des alphabetischen Bandkataloges bis auf
weiteres eingestellt werden. Folgende Abteilungen waren bis dahin
bearbeitet worden: Enzyklopädie und Akademien, Buchwesen, Uni-
versitäten, Judentum, ein Teil der Staatswissenschaft, Mathematik,
Geodäsie, allgemeine Mechanik, Astronomie und fast die gesamte Sprach-
wissenschaft. Nach Beendigung der Umarbeitung des alphabetischen
Kataloges wurde dann im Herbst 1908 die Neukatalogisierung der
juristischen und historischen Fächer in Angriff genommen, denen neuer-
dings die Abteilungen Philosophie und Kunst gefolgt sind.
Der den Benutzern täglich von 11 bis 3 Uhr zugängliche alpha-
betische Bandkatalog umfaßt gegenwärtig 949 Foliobände,
wovon 771 zum Autorenkatalog und 178 zum Anonymeukatalog ge-
hören.
Mit der Verzettelung der älteren Universitätsschriften
aus der Zeit vor 1817 konnte infolge der Bewilligung besonderer
158
Mittel am 1. Oktober 1901 begonnen werden. *) Die Aufnahme der
Sammlung, die in den Jahren 1904 und 1905 durch 4652 von der
Universitäts-Bibliothek in Halle gegen Dubletten eingetauschte Nummern
vermehrt wurde, ist zum größeren Teile beendigt.
Voll den zur Bequemlichkeit der Benutzer getroffenen Einrichtungen
sei erwähnt, daß am 1. Oktober 1906 eine Auskunftsstelle
der Bibliothek gegründet wurde, in der namentlich Anfragen, die sich
auf die Benutzung der Bibliothekskataloge und des bibliographischen
Apparates beziehen, beantwortet werden sollen.
Die Öffnungszeit des L e s e s a a l s wurde im Juni 1906 auf die
Abendstunden von 7 bis 9 Uhr und im November 1909 zunächst probe-
weise auch auf die Morgenstunde von 8 bis 9 Uhr ausgedehnt. Die mit
Sorgfalt weitergepflegte Lefesaal- und Handbibliothek, die ohne Zweifel
zu den besten Spezialbibliotheken dieser Art in Deutschland gehört,
umfaßte bei der 4. Ausgabe des Verzeichnisses im April 1903 2155 Werke
mit 16 894 Bünden, bei der 5. Ausgabe im Juni 1906 2364 Werke mit
19 213 Bänden und an: 1. April 1910 2728 Werke mit 22 290 Bänden.
Am 31. März 1910 bestand die Bibliothek aus 227 778 Buchbinder-
bänden sowie 220 787 Universitätsschriften und 40 842 Schulfchriften.
An Pflichtexemplaren gingen von 1890/91 bis 1899 im Jahresdurchschnitt
2059 ein, von 1900 bis 1909 durchschnittlich 3275. Während die Bibliothek
in ihren früheren Entwicklungsperioden durch zahlreiche Überweisungen
wertvoller Privatsammlungen erheblich vermehrt worden war, hat sie
in der Neuzeit uur wenige derartige Geschenke erhalten. **) Zu er-
wähnen find die juristische, namentlich auf dem Gebiete des Handels-,
See- und Wechselrechts ausgezeichnete Bibliothek des Professors vr. L.
*) Die Universitätsschriften aus der Zeit nach 1817 und die Schulschriften
sind sämtlich verzettelt.
**) Es mag darauf hingewiesen werden, daß der Universitäts-Bibliothek in den
zahlreichen Instituts- und Seminarbibliotheken auch bezüglich der Geschenke und
Vermächtnisse eine Konkurrenz erwachsen ist, die vom Standpunkte des Universitäts-
bibliothekars aus, der das literarische Rüstzeug für alle Wissenschaften liefern soll,
nicht unbedenklich erscheint. So notwendig bei der Differenzierung der Wissenschaften
gut ausgestattete Handbibliotheken für die einzelnen Institute sind, so dringend wird
man wünschen müssen, daß alle Werke, die nicht der eng umgrenzten Aufgabe dieser
Bibliotheken entsprechen, der Universitäts-Bibliothek überwiesen und so zur all-
gemeinen Verfügung gehalten werden. Die Fortführung des seit 1892 angefertigten
alphabetischen Gesamtzettelkatalogs der hiesigen Jnstitntsbibliotheken wurde im
Jahre 1904 infolge ministerieller Anordnung bis auf weiteres eingestellt.
159
G o l d s ch m i d t, die im Jahre 1898 einen Zuwachs von 3516 Werken
in 6454 Bänden brachte, die 1088 Bünde umfassende strafrechtliche
Bibliothek des Professors Dr. Berner (1907), etwa 1500 vom Prinzen
Oskar von Preußen geschenkte Bände verschiedener Wissens-
gebiete aus der Büchersammlung des verstorbene:: Prinzen Alexan-
der von Preußen (1907) und rund 500 Bünde hauptsächlich
kirchen- und völkerrechtlichen Inhalts aus dem Besitze des Geheimen
Ober-Regierungsrates Professors Dr. Bernhard H n b l e r.
Die Benutzung der Bibliothek hat in dem letzten Jahrzehnt
in noch verstärktem Maße zugenommen. 1901 betrug die Zahl der
abgegebenen Bestellzettel 72 151 (gegen 64 689 im Vorjahre), 1902
80 076, 1903 92 870 und 1904 wurde das erste Hunderttausend der
Bestellungen überschritten; 1909 waren 123 567 Bestellzettel zu er-
ledigen. 1901 wurden 31 837 Werke mit 43 769 Bünden nach Hause
verliehen, 1909 56284 Werke mit 68 778 Bänden. 'Im Lesesaal wurden
benutzt 1901 7641 Werke mit 14106 Bänden, 1909 15 230 Werke mit
25 393 Bänden. 1901 wurden 52 171 Benutzer des Lesesaals gezählt,
1909 63 441. Besonders bemerkenswert und für die Benutzer und die
Bibliotheksverwaltung in gleicher Weise erfreulich ist (im Verhältnis
zur Gesamtsumme der Bestellungen) die Abnahme der mit dem Be-
scheide „nicht vorhanden" versehenen Bestellzettel seit dem Jahre 1905.
Für die Jahre 1905 bis 1909 ergaben sich folgende Prozentsätze: 15,6;
12,4; 10,9; 11,4 und 8,9, die wohl den Beweis dafür liefen:, daß die
Anschaffungen sich durchaus nach den Bedürfnissen der Benutzer ge-
richtet haben.
Die gewaltige Steigerung der Benutzung dürfte am besten die
Einwände widerlegen, die früher gegen die Notwendigkeit einer gut
dotierten Universitäts-Bibliothek neben der Königlichen Bibliothek
erhoben worden sind. Zun: Schaden der Universitäts-Bibliothek hatte
man bei der Bestimmung ihrer Aufgabe und demgemäß bei der Be-
rechnung der für sie erforderlichen Mittel das Augenmerk viel zu ein-
seitig auf die Entlastung der Königlichen Bibliothek gerichtet. Die
negative Aufgabe, die Königliche Bibliothek zu entlasten, ist aber bei
der rapiden Steigerung der Benutzung auf der Königlichen Bibliothek
und bei der glänzenden Entwicklung der Universität mehr und mehr
hinter die positive Aufgabe zurückgetreten, für die Universitätsange-
hörigen und zwar ebenso für die Dozenten wie für die Studiere,:den
das Material zu ihren wissenschaftlichen Arbeiten nach Möglichkeit
160
vollständig und nicht mehr in beschränkter „Auswahl" bereit zu
halten.
Mit dem Jahre 1910 hat für die Universitäts-Bibliothek eine neue
Ära begonnen. Durch die Übersiedelung in den Neubau auf dem so-
genannten Akademieviertel sind die räumlichen Schwierigkeiten,
unter denen die Bibliothek seit Jahrzehnten gelitten hatte, beseitigt
worden. Der Umzug fand vom 18. bis 25. April 1910 statt. Die
Wiedereröffnung der Bibliothek erfolgte bereits am 2. Mai. Während
der größte Teil der Bücher schon in den definitiven Magazinen unter-
gebracht ist, befinden sich der Lesesaal und die Verwaltungsabteilungen
in provisorischen Räumen. Der jetzige provisorische Lesesaal der
Königlichen Bibliothek (300 Sitzplätze) mit seiner künstlerisch bemerkens-
werten Ausstattung und ein Teil ihrer gegenwärtigen Verwaltungs-
räume fallen später, d. h. in etwa 2 bis 3 Jahren, der Universitäts-
Bibliothek zu. In Verbindung mit der Bücherausgabe ist eine so-
genannte „Ausleihezimmerbibliothek" eingerichtet, die zurzeit etwa
6000 Bände viel verlangter Werke enthält und weiter ausgebaut
werden soll. Im Lesesaal werden die wöchentlichen Auswahlsendungen
der Buchhändler in Glasschränken zur Kenntnisnahme ausgestellt;
aus Wunsch wird auch jedes Werk den Benutzern zur Einsicht und
Angabe von Wünschen betreffs Anschaffung vorgelegt. Ebenso stehen
den Benutzern Verlags-, Sortiments- und Auktionskataloge sowie
Buchhändlerprospekte zur Verfügung.
Durch die Einführung der Bibliotheksgebühr wird der An-
schaffungsfonds nach dem Anschlage für 1910 um 24 500 Mark vermehrt
und damit auch der finanziellen Notlage zum großen Teile abgeholfen
werden.
So dürfen wir den Beginn des neuen Entwicklungsabschnittes
der Universitäts-Bibliothek mit der Hoffnung begrüßen, daß die Biblio-
thek sich der Erfüllung ihrer Aufgabe immer mehr nähern und den
Bedürfnissen der ruhmvollen Friedrich-Wilhelms-Universität im zweiten
Jahrhundert ihres Bestehens in immer ausgedehnterem Maße gerecht
werden möge.
Sach und Personenregister.
A.
Abgabe entbehrlicher Werke 154.
Adalbert, Prinz 114.
Adlerscher Saal (Unter den Linden
76) 62. 63—65. 66. 89 f. 92 f. 98.
102 s.
Akademie der Wissenschaften,
Berliner 8. 30. 81.
Akademischer Lesezirkel 118.
Akzessionsjournal 34f. 38. 39.
Alexander, Prinz von Preußen 159.
Altenstein, von 15. 26—28. 62. 79.
Ascherson 108 f. 124. 133. 152.
Ash ersche Buchhandlung 143.
Athen, Universitäts-Bibliothek 87f.
Auktionen, Ankäufe aus 44. 79.
Anskunftsstelle der Bibliothek 158.
Ausleihezimmerbibliothek 160.
Auswärtige, Verleihung an 119.
135. 153.
B.
Bändezahl 1839: 67. 1848: 89.
1854: 103. 1890: 156. 1910: 158.
Barez, Vermächtnis 116—118.
Bartels 15.
Baudissin, Graf von 111 Anm.
Beccard, Bibliothek 150.
Beckedorfs 12f. 14. 31 Anm. 33.
Becker 134 Anm.
Bekker 83 Anm.
Benary 19.
Bennecke 45 Anm. 56. 57. 65.
Benutzung, Bestimmungen über die
39. 42 s. 66—68. 69 f. 119. 135. 153.
Friese, Univ.-Bibl. Berlin.
Statistisches 43. 68. 118 f. 126.151 f.
155 f. 159.
Verend, Vermächtnis 146.
Berlin, Universität, s. Universität
Berlin.
Berner, Bibliothek 159.
Beseler 132.
Besser, Buchhandlung 114.
Bethmann-Hollweg, von 136.
Bibliothek, Königliche 2—13. 15—
27. 29 f. 31 Anm. 33. 34. 35. 39.
42. 43. 46. 47 f. 49. 50—52. 53. 54.
55. 56 f. 58. 59. 60 f. 66—68. 69 f.
73. 74. 78. 79 f. 81. 82. 84 Anm.
86. 88. 89—92. 93 Anm. 96. 97.
98. 101. 106. 107. 108. 111. 112.
113. 114 Anm. 115. 119. 121. 122.
123 Anm. 126. 127. 131 f. 138. 140.
141—143. 144. 150. 154. 159. 160.
Dubletten 22.30. 44. 71. 81 f. 115.
Handschriftenabteilung 116 Anm.
147 Anm. 148 Anm. 150. 154 Anm.
Bibliothekskommission 109—111.
131. 132. 134. 138. 142. 150. 151.
Bidtel 65. 81 Anm.
Blau 156.
Bledow, Bibliothek 82.
Böckh 14. 23. 40. 83 Anm. 108 Anm.
Bibliothek 144. 146.
Bonn, Universitäts - Bibliothek 59
Anm. 73 Anm. 88.
Bonnell 107 f. 124. 142.
Bopp 15.
Borchardt, Bibliothek 150.
Br and en burgisch-Märkisch er
Stipendienfonds 76.
11
162
Vraun 111 Amn.
Breslau, Konigliche und Universitats-
Bibliothek 59 Anm. 73 Anm. 80. 88.
Bruns, Bibliothekar 60. 64f. 66. 68.
74 f. 76. 93 f. 95—97. 98. 99. 100.
103.
—, Professor 111 Anm.
Bnch, von, Bibliothek 115.
Buchbinderpreise 34 Anm.
Bürgschaft 4—6. 43. 69. 135. 153.
B urger 130.
Buschili ann 149.
Busse 85.
D.
Dabis 124.
Diebstahl W.-S. 1859/60: 119—121.
Dienerstellen 105. 133. 155. 157. .
Dieterici 20. 25.
Diploma tischer Apparat 57 f. 104.
145 Anm.
Dorotheenstrahe 5: 156.
Dorotheenstrahe 9: 128—130.
Dorotheenstrahe 10: 156.
Dotationszuschuh, jàhrlicher, von
600 Talern 1841 bewilligt 76.
Drop sen 126 Anm.
Dubletten, Abgabe an die Uni-
versitats-Bibliothek zu Athen 87 f.
E.
Ehrenberg 111 Anm.
Eichhorn 77. 81.
Encke 117.
Erman 47 Anm. 73 Anm. 152. 156.
Exp edientenstellen 155.
F.
Falk 132.
Feuerversicherung 66.
Finanzielles 35—38. 43. 73f. 75—
79. 105. 111 f. 123. 133. 154. 157.
F o ck e 134 Anm.
Forstemann 19.
Frante 156.
Frankfurt a. £>., Universitat 1.
Friedlànder, B. 118. Geh. Justiz-
rat 146.
Friedrich Wilhelm III. 27f. 57f.
65. 71. Bibliothek 82. 115.
Friedrich Wilhelm IV. 72. 80. 88.
101.
Friedrich Wilhelm, Prinz 114.
Friedrich - Wilhelms - Gymnasi-
um 82 Anm.
Friedrich - Wilhelms - Instituí,
medizinisch-chirurgisches 55.
Frobenius 111 Anm.
Fromm 134 Anm.
Froriep 45 Anm. 83 Anni.
G.
Gáspár 86. 87 Anm.
Gerhard 133.
Gleiniger 133 Anm.
Gneist 132. 144.
Goeschen 83 Anm.
Gottingen, Universitats-Bibliothek
3. 35.
Goldschmidt, Levin 147. Biblio-
thek 158 f.
—, Paul 147.
Greifswald, Universitats-Bibliothek
59 Anni. 73 Anm. 88. 124. 155.
Grimm, Herman 139. 140. 141
Anm. 143 Anm. Bibliothek der
Brnder Jakob und Wilhelm 136
—144. 148.
Guttentag, Buchhandlnng 114.
H.
Halle, Universitat 1. Universitats-
Bibliothek 47 f. 55 Anm. 59 Anm.
73 Anm. 88. 158.
Handschriften, Abgabe an die
Konigliche Bibliothek 116 Anm. 147
Anm. 148 Anm. 150, 154 Anni.
Harnack 111 Anm.
Hartmann 133.
Hartwig, Witwe 77. 95. 105. Die-
ner 95. 105. 107. 120f.
163
Haupt 111 Anni. 132. 137f.
Hauptverwaltung der Staats-
schulden 103. 104.
Heinrici 146.
Helfft, Vermächtnis 145.
Hermbstädt 45 Amu.
Heydemann 83 Anm.
Hirsch 111 Anm.
Hirschfeld 111 Anm.
Hirschwaldscher Verlag 114. 117.
Hirt, Buchhändler iu Breslau 118.
Hi st arisches Se m i n a r 58 Anm.
Hitzigsches Lesezimmer für die Uni-
versität 7 Anm.
Hoffmann 84.
Hamen er 80. 83 Anm. 146f.
Horkel 83 Anm.
H übler 111 Anm. 159.
Hübner 111 Anm.
Hufelandische Gesellschaft 85s.
117.
Humboldt, Alexander van 53.
handschriftlicher Nachlaß 149 f.
—, Wilh elm von 3. Vermächtnis 53 s.
K.
Kaiser-Wilhelm-Stiftung, Wen-
zelsche 148 f.
Kataloge: Alphabetischer Band-
katalog 35. 39. 68. 95. 151. 157. —
Realkatalog 39. 42. 59s. 68. 70—73.
85. 95. 150 f. 157.
Keller, Bibliothek 114 Anm.
Kießling 45. 47. 65. 95.
Klenze 14f. 23.
Klöster, Bibliotheken der in den
Provinzen Preußen und Posen auf-
gehobenen 55—57. 61. 71.
Knauth 34 Anm.
Knerk 128.
Knille 129.
Köcker 34.
Königliche Bibliothek s. Bi-
bliothek, Königliche.
Königsberg, Universität 1. 14.
Königliche und Universitäts - Bi-
bliothek 55 Anm. 59 Anm. 73 Anm.
88. 149.
Koner 98. 100. 101. 106. 107. 108.
111. 114 Anm. 118. 120. 123. 125.
Jacobson 116.
Jaffo, Vermächtnis 145f.
Jarcke 49.
Ilgen 44.
Jmmatriknlationsgebühren, Vi-
bliotheksanteil an den 3. 18. 19.
20 s. 22. 24. 27. 73 f. 123.
Instituts- und Seminarbiblio-
theken 158 Anm.
Instruktion für den Aufseher 1831:
35. 38 f. 59. 66. 100. für Bruns
1849: 95 f. 98. 101. 109. für Mnndt
1850: 100s. 109. Instruktionen für
den ersten und zweiten Kustos 1862:
109. Instruktion über die Beauf-
sichtigung der Universitäts-Biblio-
thek 1858: 110s. 134.
Joachimsthalisches Gymnasium
79. 82 Anm.
Juristische Gesellschaft 144s.
128. 130. 131. 132. 133. 134. 135.
139. 140. 142. 143. 146. 147. 149.
150. 151. 152. 153.
Koppscher diplomatischer'Appa-
rat 57f. 104. 145 Anm.
Kossinna 134 Anm.
Krause 134 Anm.
Kriegsschule 78. 79. 82 Anm.
Kuhns, Bibliothek 145.
L.
Lachmann 45 Anm. 83 Anm.
Lad en berg, von 89. 97. 101.
Lancizolle, von 83 Anm.
Langbeckersche Buchersammlnng79f.
Lauer, Nachlast 116.
Lejeune - Dirich let sche Bibliothek
112. 113 f.
Leipzig, Universitats-Bibliothek 79.
Lepsius 132. 152.
164
Lesezimmer (Lesesaal) 102f. 104.
117. 128. 129 f. 135. 151. 158. 159.
160. Lesesaal- und Handbibliothek
154. 158.
Lesezirkel, akademischer 118.
Li agno (Liano), de, Bibliothek 82.
Lieseranten in der ersten Zeit 44.
Lindes 93 Anm.
Löwel 65.
Lubin, Kloster 57.
M.
Maaßen, Vermächtnis 54.
Mannhardt, Nachlaß 147f.
Marheineke 15.
Maupertuis 118.
Medizinalabteilung des Kultus-
ministeriums, Bibliothek 81. 116 s.
Mejansche Bibliothek 112. 113.
Meusebachsche Bibliothek 112. 113.
Meyer 133. 134 Anm.
Mineralien-Kabinett der Univer-
sität 115.
Mähler, von 128. 138f. 140. 141.
Müllenhoff 148.
Münzel 156.
Mundt 97. 98f. lOOf. 102. 105-107.
108. 109. 135.
Museen, Kgl., Dubletten der 147.
N.
Naeke 79.
Neander, Bibliothek 114 Anm.
N e uz e l l e, Zisterzienserkloster, Vücher-
sammlung 50—53.
Nicolai,Friedrich84. Buchhandlung
114.
Nieolovius 83.
Niebuhr 79.
O.
Ohm 118.
Olshausen, Bibliothek 150.
Osann 45 Anm. 83 Anm. Bibliothek
72. 84 f. 117. 145.
Oskar, Prinz von Preußen 159.
Ostindische Kompagnie, englische
82.
P-
Packhofsstraße 4: 62.
Parthey 83f.
Pertz 29 Anm. 58. 66 Anm. 68. 72.
77. 79. 81. 82. 83. 85. 86. 87. 89
bis 93. 94. 95. 96 f. 98. 99. 100.
101. 102. 103. 105 f. 107. 108. 111.
112. 113. 115. 119. 123. 124. 125.
126 Anm. 128. 132. 142.
Pflichtexemplare 8. 12—15. 16.
18. 20. 22. 24. 25. 26. 27. 32 f. 34.
38. 39. 44 f. 67. 71. 73. 91. 114.
117. 135 f. 158.
Pin der 20. 24. 25. 30 s. 34 s. 38. 43.
44 Anm. 45. 49. 56. 57. 60. 65.
67 Anm. 68. 69. 70. 71. 72. 74 f.
76. 77. 93. 94. 95. 96. 97. 99. 100.
101.
Poggendorff 83 Anm.
Pro m e m o r i a, Pertzis ches, 1849 :
89—93.
Puchta, Büchersammlung 80.
R.
Rabatt 100.
Räumer, von 107. 110. 115.
Reglement 1877:111.132.134 f. 153.
1890: 111. 153 f.
Reimer, Georg, Verlag 114.
Rhaden-Varez, von 117.
Richter 111 Anm.
Ritter, Heinr. 45 Anm.
—, Karl 83 Anm.
Romberg, Bibliothek 147.
Rosperich 133.
Rothe 121 f. 124.
Rubner 111 Anm.
Rudolphische Bibliothek 37. 54f. 71.
Rnnge 134 Anm.
S.
Sach an 150.
Saebisch 124. 133.
165
Sangerhausen, Bibliothek der ehe-
maligen Schloßkapelle 47 f.
Schinkel 29. 63. 103 Amn.
Schleiermacher, Bibliothek 50.
Schmalz 15. Bibliothek 37. 48—50.
54. 71.
Schmidt 50.
Schramm 61.
Schulschriften 45—47.108.156.158.
Schnitze 62. 89. 92. 93 Amn.
Schulze 26.
Seckel 111 Anm.
Seelmann 133.
Seip 32.
Sekretärstellen 157.
Spieker 128.
Spiker 76.
Splitgerber 147.
Steinmey er 111 Anm.
Stempel 25. 34. 39.
Stuhr 83 Anm. Vermächtnis 116.
Sn bel 51. 52.
T.
Taubenstraße 29: 103. 104f. 125.
127 f.
Trendelenburg 83 Anm. 128.138.
Bibliothek 146.
Twesten 45 Anm. Bibliothek 146.
11.
Ui riet 98.
Umzug 1839:62. 65.1854: 102—105.
1873/74: 128 f. 1910: 160.
U n g arische Biichersa m m lung 86f.
Universität Berlin 1—28. 31. 33.
36 f. 39—42. 43 f. 45. 49. 5O. 52 f.
57 f. 59. 61. 64- 70. 74. 75. 76.
77—79. 83. 89. 90. 97. 101. 105.
109—111. 112. 118. 123. 125. 126.
130—133. 134. 135. 138—141. 155.
159. Universitätsgebäude 17. 19.
20. 21 f. 25. 61. 93. 105. 119.
Universitätsschriften 45—47.103.
108. 153. 155. 156. 157 f. 158.
Verzeichnis der Berliner 155.
Unter den Linden 76 s. Adlerscher
Saal.
B.
Varges 58.
Vermehrung 73 Anm. 1l4.
W.
Walch 79.
Weiß 115.
Wenzel, Kaiser - Wilhelm - Stiftung
148 f.
Wilken 10. 11. 15. 18—20. 23—26.
29. 30. 31 Anm. 32. 33 f. 35—38.
39—42. 43. 45. 46. 47 f. 49. 50—53.
55 f. 57. 58. 59 f. 61 f. 64. 65. 66.
67. 69. 70 Anm. 71. 72. 73—76.
79. 83.
Wille 124. 133.
Wilmanns 152.
Witwenverpflegungs ansia lt, all-
gemeine 104.
Wolf stieg 134 Anm.
Z.
Zettelkasten 119.
Zngangsverzeichnis 34f. 88. 39.
K
Friese, Univ.-Bibl. Berlin.
12
50mm
Ö .
? A
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