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Prof. Wilhelm Foerster
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Prof. Wilhelm Foerster
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BERLIN
Dr. John Edelheim, Verlag
Von
1901
©
nter Weissagung soll hier nicht die wissenschaftliche Vorher-
sagung von Himmelsvorgängen, sondern die Verkündigung
künftiger Vorgänge im Menschenleben verstanden werden.
Von jeher hat der Mensch danach verlangt, in die Zukunft zu schauen;
von jeher war es für das ernste Nachdenken über vergangenes Ge-
schehen ein wesentlicher Antrieb, dafs man darin Anhaltspunkte zu
entdecken wünschte und vermochte, um aus der Vergangenheit auf
die Zukunft zu schliefsen.
Je gröfser die wirkliche oder eingebildete Abhängigkeit des
Menschen von äufseren Vorgängen in der Natur und im Gemeinschafts-
leben war, desto wichtiger erschien es ihm, auf das Eintreten der-
selben. einigermafsen gefafst zu sein. Schon bei Ereignissen von ge-
ringer Stárke des Eingriffs in des Menschen Vorstellungsleben und
Schicksal wurde es mit besonderem Frohgefühl empfunden, wenn der
áufsere Vorgang nicht vóllig unerwartet und unverstanden in das
Vorstellungsleben eindrang, sondern sofort eine mehr oder weniger
vorbereitete und geordnete Stellung im Bereiche der bereits vorhan-
denen wohlverbundenen Vorstellungen einnehmen konnte, gemüfs
einem Grundgesetze des Intellektes, welches auf eine unablàüssige,
möglichst unwandelbare und umfassende Harmonisierung der Erschei-
nungen in unserem Vorstellungsleben hindrängt.
Viel mächtiger waren natürlich entsprechende Gefühle in solchen
Fällen, in denen durch die äufseren Vorgänge bedrückende, schmerz-
liche, verletzende oder gar mit Zerstörung drohende Eingriffe in unser
Empfinden und unsere Lebensbedingungen bewirkt wurden. Ein auch
nur ungefähres Vorausahnen, geschweige. denn ein Vorherwissen von
dem Eintritte solcher Vorgänge verlieh die gröfstmögliche Klugheit,
Stärke und Zuversicht bei der Abwehr, und auch in solchen Fällen,
in denen man sich ohne Aussicht auf Abwehr dem Schicksal zu beu-
gen hatte, empfand die Seele gegenüber dem unerbittlichen Ver-
hängnis einen Trost in dem Gefühl, dafs in dem Verlaufe der Dinge
eine höhere Ordnung obwalte, durch deren auch nur teilweise Er-
kennbarkeit eine Art von Vorauswissen ermöglicht worden war.
Es ist einleuchtend, dafs Menschen, bei denen ein besonders
nachdenklicher, gedächtnisstarker und für weitreichende Vorstellungs-
verbindungen begabter Intellekt sich besonders oft in Schlufsfolge-
rungen von dem Vergangenen auf das Zukünftige erfolgreich bewährte,
ein ungewöhnlich hohes Ansehen erringen mufsten. Sie waren wohl
ursprünglich die eigentlichen Weltweisen, bei denen natürlich auch
die Fähigkeit zu weihevollem und ergreifendem Ausdruck ihrer Ge-
danken und Verkündigungen, also Redekunst und Dichtung, blühte,
so dafs der Weissagende und: der Dichter in alten Zeiten häufig in
derselben Person vereinigt waren.
Es ist auch klar, dafs der Eindruck aller Weissagungen von
Menschenschicksalen bedeutend erhóht und gesichert wurde, wenn der
Weissagende zugleich die Vorgünge der Natur und ihre Beziehungen
gum Menschenleben in das Gebiet seiner Verkündigungen aufnahm, und
wenn seine Vorhersagungen zugleich von der Natur bestätigt wurden.
Wenn dann auch oftmals die Bestátigung im Menschenleben unvoll-
kommen oder zweifelhaft war, so genügte es schon zur Erhaltung des
Glaubens an die Weissagung, wenn auch nur die Naturvorgänge eintrafen.
Das Erkennen einfacher gesetzlicher Beziehungen in vergangenen
Ereignissen und die Nutzbarmaehung dieser Erkenntnis für das Vor-
herwissen des Künftigen war aber im Bereiche mancher Naturvor-
günge im allgemeinen leichter und sicherer als im Gebiete des Schick-
sals der einzelnen Menschen und ihrer Gemeinschaften.
Die Annahme eines Zusammenhanges zwischen der Wiederkehr
gewisser Arten von Ereignissen in der Menschenwelt und der Wieder-
kehr gewisser Naturerscheinungen, mit denen jene in der Vergangen-
heit zusammengetroffen waren, erwies sich aber als eine geeignete
Grundlage der Weissagung auch dadurch, dafs die Erinnerung der
Menschen an jenes frühere Zusammentreffen nicht selten wenigstens
einen Teil der Stimmungen und Nebenumstinde wieder herbeifiihren
half, unter denen sich die bezüglichen Ereignisse früher vollzogen
hatten. Und auch hier kam die allgemeine Neigung, gesetzmäfsige
Zusammenhänge im Weltlaufe und im Leben zu entdecken und die-
selben zur Beruhigung und Sicherung des Lebens zu verwerten, oft-
mals dem Erfolge der Weissagung zu Hilfe; denn notwendig mufste
diese Neigung instinktiv dazu beitragen, die Bedingungen des Ein-
treffens zu verwirklichen, um so mehr, als zugleich die Autorität der
Weissagenden selber noch bewufster daran interessiert war, in der-
selben. Richtung mitzuwirken.
Ich werde weiterhin zu zeigen haben, wie aus Elementen dieser
Art die mächtige kulturgeschichtliche Erscheinung der astrologischen
Weissagung emporwuchs. Vorher möchte ich aber noch auf gewisse
Entartungen hinweisen, welche das Weissagen schon sehr früh in der
Gestalt des Glaubens an die sogenannten Vorzeichen. oder Omipa und.
die Orakel erlitt.
Neben derjenigen Weissagung, welche sich auf dem Grunde
echter Lebensweisheit bedeutender Männer und Frauen entwickelte
und durch deren Seelengrôfse meistens vor der Entartung in mystisch
eitle oder gar gewinnsüchtige Wahrsagerei bewahrt blieb, hatte sich
offenbar auch ein Wahrsagergewerbe entwickelt, wie es noch immer
existiert, nur mit dem Unterschiede, dafs in alter Zeit auch einige von
den grofsen Gemeinschaftsbildungen priesterlicher Art diesem Unfug
mit anheimfielen. Die Priesterschaften auf bahylonischem Baden und
in Agypten waren durch ihre konsequente wissenschaftliche Arbeit,
die ersteren überwiegend auf dem Gebiete der Himmelskunde, die
letzteren wohl noch mehr auf dem Gebiete der Heilkunde, vor der
Entartung in die gewissenloseste Wahrsagerei behütet geblieben, ob-
wohl die Verbindung der Weissagung mit dem astronomischen Vor-
herwissen von Himmelserscheinungen auch sie hart an die Übergänge
zu den niedrigsten Formen der macht- und gewinnsüchtigen Prophe-
zeiung führte.
Im alten Griechenland und Italien dagegen hatten sich die Priester-
schaften‘ (ich nenne nur die delphische, von welcher auch die alt-
römische einst entscheidende Traditionen empfing) fast ganz der
Wahrsagerei zugewandt, während der Betrieb der wissenschaftlichen
Forschung dort aus der uralten priesterlichen Organisationsform immer
mehr auf einzelne freie Denker und ihre mehr oder minder freien
Schulgemeinschaften überging. Der Besitz der wohlfeileren Macht-
mittel des Orakelwesens u. s. w. hatte z. B. in Delphi das Interesse an
astronomischem Wissen derartig verkümmert, dafs von dort aus das
griechische Kalenderwesen ohne jegliche tiefere Kenntnis dessen, was
schon. die Urvölker auf diesem Gebiete errungen hatten, in gänzlich
unzureichender Weise gestaltet und betrieben wurde, was auch die
ganze römische Zeitrechnung bis zu Caesar auf thörichte Bahnen
führte.- Bei den italischen Priesterschaften waren zudem die feineren
3
und geordneteren Formen der Weissagung, wie sie auch in Delphi
noch mit einem Hauche edler Weltweisheit geübt wurden, fast ganz
überwallt von denjenigen niedrigsten Formen orakelnden Aberglaubens,
wie sie in den kindlichsten Zeiten der Kultur entstehen (Vogelflug und
-ruf, Eingeweideschau der Opfertiere, Rauschen der Bäume im Winde).
In sehr eigentümlicher Weise haben diese niedrigen Formen der Vor-
aussagung ihren. Ursprung in Gedankenverbindungen, welche fast ent-
gegengesetzt sind zu den Grundlagen der gesetzmilsigen Formen des
Vorausdenkens. Gerade diejenigen Erscheinungen in der unbelebten
und belebten Natur, die keinerlei einfaches Gesetz erkennen oder
ahnen liefsen, wurden in besonderer Weise als Ausfliisse unmittel-
barer göttlicher Lenkung erachtet, ganz ebenso, wie überhaupt
die mythologische Auffassung den unerklärten, scheinbar ohne ein-
fache Gesetzlichkeit verlaufenden Naturerscheinungen als Urgrund die
freie Willkür einer göttlichen Persönlichkeit unterlegte, eine Will-
kür, die ihr vollständiges Abbild in der anscheinend ganz freien,
keiner weiteren Erklärung bedürftig erachteten Selbstbestimmung
menschlichen Thuns hatte.
Es schien alsdann nur darauf anzukommen, dafs heller blickende
und erfahrenere Menschen es verstanden oder glücklich errieten, welcher
Verlauf der Zukunft im allgemeinen oder auch nur für eine bestimmte
Gruppe von Ereignissen durch die göttlichen Fingerzeige angedeutet
war, die in jenem anscheinend ganz zufälligen Verlaufe gewisser Er-
scheinungen enthalten sein sollten. Es ist ja klar, dafs für diese Art
der Ausnutzung gerade solche Vorgänge oder Befunde sich am meisten
eigneten, bei denen die geringste Regelmäfsigkeit obwaltete, und bei
denen also der Auslegung der gröfste Spielraum blieb. Für den Er-
folg brauchten die Wahrsager nicht besorgt zu sein; denn je mysti-
scher die Ansage sich gestaltete, desto mehr trug sie dazu bei, den
vorausgesagten Verlauf herbeizuführen oder der Erinnerung an jedes
Eintreffen das bekannte Übergewicht über die entgegengesetzten
Erfahrungen zu geben.
Beispielsweise mufste ein zur linken Seite des Beobachters
wahrgenommener Vogelflug (man bemerkt sofort auch die órtliche
Unbestimmtheit dieses als ungünstig geltenden Vorzeichens) dazu bei-
tragen, auch in dem mit solchem üblen Vorzeichen beunruhigten
Menschen. die Bedingungen des jeweiligen Verlaufes seines Thuns
und Erlebens in ungünstigem Sinne zu beeinflussen u. s. w.
‚Ich will nun etwas näher betrachten, wie sich die Weissagung
im Anschlufs an die Himmelsbeobachtung. und an die allmáhliche
Erkenntnis der Gesetze der Wiederkehr gewisser Himmelserscheinungen
bis zu der Höhe einer grofsen Kulturmacht entwickelt hat. |
Die ersten Erfolge einfachster Himmelsbeobachtung im Sinne
eines Vorauswissens sind offenbar durch die Feststellung derjenigen
Anzahl von Tagen erlangt worden, welche zwischen der Aufeinander-
folge zweier übereinstimmenden Phasen der Lichtgestalt des Mondes
enthalten waren. Man vermerkte, etwa auf Holz oder Stein, wieviel
Mal der Untergang oder der Aufgang der Sonne wiedergekehrt war
bis zu der Wiederkehr z. B. des ersten Mondviertels oder des Voll-
mondes. Es ergab sieh sofort, dafs diese Zahl ungefáhr 29 betrug.
Bei etwa zehnmaliger Wiederholung dieser Zühlungsoperation konnte
ja mufste man schon finden, dafs das Zeit-Intervall zwischen zwei
aufeinander folgenden gleichen Lichtgestalten des Mondes etwas grófser
als 99 war; denn die Anzahl der Tage zwischen dem Zeitpunkt der
zuerst beobachteten Phase und der Beobachtung ebenderselben nach
zehnmaliger Wiederkehr wurde um etwa 5 bis 6 Tage grófser ge-
funden als 10 mal 29; also war unter der Voraussetzung ganz regel-
müfsiger Wiederkehr jede einzelne Zwischenzeit zwischen zwei auf-
einander folgenden übereinstimmenden Lichtgestalten etwas grüófser
als 29!/, Tag.
Hieraus ergab sich sofort die kalendarische Einrichtung, dafs
man für die Dauer des Lichtmonats (mit welchem Namen wir jetzt
das bezügliche Zeit-Intervall bezeichnen) abwechselnd 29 und 30 Tage
annehmen und dadurch eine Zeitlang ziemliche Übereinstimmung zwi-
schen den kalendarischen Zählungen voller Tage und der Wiederkehr
derselben Erscheinung erreichen konnte.
Nach mehreren hundert Wiederholungen jener allmonatlichen
Tageszählungen ergab sich, dafs diese Anordnung auch noch nicht
hinreichend genau war, dafs man nämlich innerhalb der Zeitdauer von
je 360 Lichtmonaten nicht mit der 180mal alternierenden Aufein-
anderfolge von einem Monat zu 29 und einem Monat zu 30 Tagen
ausreichte, sondern vielmehr im ganzen 191 Monate zu 30 Tagen und
nur 169 Monate zu 29 Tagen anordnen mulste, also an elf bestimmten
Stellen statt der kleinen Monate zu 29 Tagen auch grofse Monate zu
30 Tagen einzusetzen hatte, um mit dem Verlaufe der Mond-Erschei-
nungen in Übereinstimmung zu bleiben.
Durch eine solche jetzt noch in den Ländern des Islam übliche
Anordnung einer Schaltperiode von 360 Monaten wurde aber diese
Übereinstimmung für mehrere tausend Monate bis auf die Genauigkeit
von Bruchteilen des Tages gesichert, so dafs. man auch für diesen
ganzen Zeitraum den Eintritt der für den Verkehr so wichtigen hellen
Mondnächte mit aller Sicherheit ansagen konnte. '
Zugleich konnte man aber durch längere, in ganzen Generations-
folgen regelmäfsig aufgezeichnete Beobachtungen dieser Art feststellen,
dafs die Erscheinungen selber, also hier die Lichtgestalten des Mondes,
mit einer sehr grofsen Beständigkeit und Regelmáfsigkeit nach obigen
Zühlungsgesetzen wiederkehrten. In der That betragen die Schwan-
kungen der wirklichen Dauer eines Lichtmonats im Durchschnitt nur
wenige Zehntel eines Tages.
‚Ich habe das obige, offenbar sehr früh von der Menschheit ge-
wonnene astronomische Ergebnis etwas ausführlicher erörtert, weil es
ein Beispiel für das entsprechende Verfahren bei der Lösung der an-
deren kalendarischen Aufgaben, überhaupt bei der fortschreitenden
Erkenntnis der einfachen Gesetzmälsigkeit der himmlischen Erschei-
nungen darbietet. ®
Zu solchen ordnungsmäfsigen, längere Zeit hindurch stetig fort-
gesetzten Zählungen und Aufzeichnungen wurden die Menschen nicht
etwa blofs durch die Wifsbegierde einzelner, besonders in dieser Rich-
tung begabter Individuen, sondern auch schon sehr früh durch erheb-
liche Interessen des Gemeinschaftslebens veranlafst. Ich habe oben
schon angedeutet, dafs die Wiederkehr der hellen Mondnächte, deren
Gipfelpunkt die Vollmondszeit bildet, guch von sozialer Bedeutung
war. Um die Zeit dieser hellsten Mondnächte wurden mit Vorliebe
grôfsere Wanderungen angesetzt, besonders in jenen Klimaten, in denen
die grofse Tageshitze anhaltende körperliche Bewegung erschwerte
oder gar untersagte. Abreden zu solchen Wanderungen mit gemein-
samen Zielen, z. B. zu Festversammlungen an gemeinsamen Heilig-
tümern oder zu gemeinsamen Kriegs- und Jagdzügen zu Lande und
zu Wasser, verlangten natürlich im voraus feste Bestimmungen, für
welche es einer um so gesicherteren Kenntnis des Zeitverlaufes der an
beliebig vielen Orten gemeinsam wahrzunehmenden Himmelserschei-
nungen bedurfte, auf je längere Zeit hinaus solche Abreden, über-
haupt irgend welche Terminbedingungen für Verkehr und Arbeit der
Menschen oder für Abmachungen im Gebiete von Leistungen oder
Verpflichtungen gelten sollten.
. In ühnlicher Weise wie die Monatsdauer wurde auch schon sehr
früh das Sonnenjahr dureh die Beobachtung der Wiederkehr bestimmter
Stellungen der Sonne zum Horizonte und zum Himmels-Pol in feste
Beziehungen zu einer vollen Anzahl von Tagen gebracht, wobei die
zuerst erkannten Gesetze für die Monatsdauer und die Zühlung der
A
Monate schon eine wesentliche Hilfe bildeten, ebenso wie der Mond
auch dazu half, die Wiederkehr einer und derselben Stellung der
Sonne zu den Sternbildern, die in der Nähe ihrer scheinbaren Bahn
am Himmel lagen, überhaupt ihre jeweilige Stellung am Himmel zu
erkennen. Noch bevor man aber lotrechte Schattensäulen errichtete
und die mittäglichen Schattenlängen in wagerechter Fläche mafs, hatte
man übrigens schon die Wiederkehr der ‚Zeitpunkte, in denen der
Aufgang oder der Untergang der Sonne an einer bestimmten, durch
sehr entfernte Gegenstände deutlich zu markierenden Stelle des Hori-
zontes erfolgte, ziemlich leicht mit der Genauigkeit von wenigen Zehn-
teln des Tages zu beobachten vermocht. Hierdurch aber konnte man
schon in wenigen Zehnern von Sonnenjahren die Länge des Jahres
bis auf noch kleinere Bruchteile einer Tageslänge ermitteln und zu-
gleich dieselbe Überzeugung, wie beim Monat, von der einfachen Ge-
setzmäfsigkeit und Stetigkeit auch dieses himmlischen Bewegungsvor-
ganges erlangen. Es darf uns deshälb gar nicht wundern, dafs wir
schon vor mehreren Jahrtausenden in Ostasien und wohl auch in
Babylon und Ägypten die Kenntnis der Jahreslänge von 365 1/, Tagen
vorfinden, welche noch zu Julius Caesars Zeit als die Grundlage
der vierjährigen Schalt-Einrichtung des ,julianischen“ Kalenders an-
genommen wurde. Nach der besten, damals schon bekannten Bestim-
mung der Länge des Sonnenjahres durch den griechischen Astronomen
Hipparch (140 v. Chr.) konnte der Fehler dieses Kalenders erst in
800 Jahren auf einen Tag anwachsen und zwar in dem Sinne, dafs
300 genaue Sonnenjahre hinter 300 julianischen Jahren zu je 3651/,
Tagen um einen Tag zuriickblieben, während in Wirklichkeit nach
unseren besten jetzigen Bestimmungen je 400 genaue Sonnenjahre
hinter je 400 julianischen Jahren um je 9 Tage zurückbleiben,
was jetzt durch die gregorianische Kalender- Reform vollstándig be-
seitigt ist.
Ich habe hiermit die beiden Grundformen der ‚astronomischen
Erkenntnis des Verlaufes der grofsen Himmelsersecheinungen und da-
mit zugleich die chronologischen Grundlagen aller anderen Voraus-
berechnungen und Verkündigungen von Himmelserscheinungen in
ihrer einfachen Entwickelung dargelegt. Zu diesen chronologischen
Grundlagen gehôrte auch der gleichzeitig geführte Nachweis der Be-
ständigkeit der Länge des Tages.
Es bedurfte zur Feststellung dieser Grundlagen keiner grofsen
Gelehrsamkeit und Technik, sondern nur einer gewissen Stetigkeit der
Intellekte und solcher Gemeinschäftseinrichtungen, welche die soziale
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und wissenschaftliche Verbindung und Verwertung der Arbeiten ganzer
Generationen hinreichend sicherten.
Die Frage, wann und wo zuerst jene beiden Grundlagen astro-
nomischer Erkenntnis und chronologischer Ordnung zum klaren Be-
wulstsein und zur mafsgebenden Anerkennung innerhalb leitender
Kreise der Menschenwelt gelangt sind, kann zur Zeit nur sozusagen
dichterisch, nämlich mit Legenden und Ahnungen beantwortet werden.
Weder Ägypten (das Ein-Strom-Land), noch das Zwei-Strom-
Land mit Babylon als Mittelpunkt, noch Indien (das Fünf- Strom-
Land), noch China können als die ältesten Stätten jener ersten
astronomisch-chronologischen Erkenntnis und Ordnung betrachtet wer-
den, am wenigsten Indien, wo die Menschenseelen mehr nach innen
als nach aufsen gewendet waren und daher Ethik, überhaupt Philo-
sophie, sowie Mathematik früher und reicher blühten als Naturerkennt-
nis. Ägypten, Babylon und China könnten, nach den uns bekannten
Überlieferungen, wohl jedes für sich jene erste Stufe erreicht haben;
indessen sind so viele Spuren uralter Zusammenhänge jener alten
Kulturstätten miteinander und so viele Hinweise auf noch ältere ge-
meinsame Quellen eines noch höheren astronomischen Wissens vor-
handen, dafs uns zur Zeit die gröfste Zurückhaltung des Urteils über
Prioritätsfragen und dergl. auf diesem Gebiete auferlegt ist. In den
Jahrtausenden bereits urkundlicher Geschichte und zumal in dem
hellen Tageslichte zur Zeit des Antrittes der astronomischen Erbschaft
der Urvólker von Seiten der griechischen Geistesarbeit steht Babylon
da als der Mittelpunkt und wirklich wie ein Gipfel oder „Turm“ der
kosmischen Erkenntnis-Arbeit des Ur-Altertums. Aber in Ostasien
(China), welches jedenfalls mit Babylon und den daselbst der astro-
nomischen Forschung stetig waltenden Priesterschaften in Verbindung
gestanden hat, sind doch die deutlichsten Spuren von einer dort schon
als uralt betrachteten und schon wie etwas Selbstverständliches ge-
sicherten sozialen Geltung einiger astronomischen Forschungsergeb-
nisse vorhanden, denen wir am Sehlusse der babylonischen Ent-
wickelung begegnen. Das spätere China selber hat dann dieser ,ur-
alten“ Erkenntnis gar nichts Wesentliches mehr hinzugefügt. Die
chinesische Kultur steht in Ehrfureht vor diesem Erbteil der Ver-
gangenheit da. mit pietätvoll rückwärts gewandtem Antlitz im „heiligen
Kultus der Vorfahren*.
" Diese Erbschaft aber hat noch erheblich mehr umfafst als die
oben erürterten Grundlagen der astronomisch-chronologischen Erkennt-
nis, nämlich einerseits die Entdeckung der für die alte Chronologie
i 1
überaus wertvollen, sogenannten goldenen Zahl 19, d.h. des 19 jährigen
Cyklus, nach welchem mit grofser Regelmäfsigkeit immer wieder die-
selben Lichtgestalten und Stellungen des Mondes in denselben Zeit-
punkten des Sonnenjahres wiederkehren, und andererseits die Ent-
deckung der für die astronomische Weissagung geradezu unschätz-
baren Periode von etwas mehr als 18 Jahren, genauer 6585 Tagen
1 Stunden, nach deren Ablauf die Mondfinsternisse stets genau in
derselben Reihenfolge und Grófse wiederkehren und auch für die An-
sage der Sonnenfinsternisse, besonders der sehr grofsen und eindrucks-
vollen, die. Wiederkehr gewisser zeitlicher und räumlicher Annähe-
rungen eintritt.
Auf jene vier ersten Hauptergebnisse der astronomisch-chrono-
logischen Erkenntnisarbeit (die Monatslünge, die Jahreslünge, die 19-
jüáhrige Periode des Zusammentreffens einer vollen Anzahl von Mo-
naten und von Jahren, und die Finsternis-Periode von 6585 Tagen
7 Stunden) ist im alten China offenbar schon viele Jahrtausende
v. Chr. ein staatlich geordneter chronologischer Dienst und zugleich
eine konsequente Voraussagung der Finsternisse begründet worden;
denn schon für die Zeit um 2300 v. Chr. finden wir die Kunde von
Vorgängen, welche erkennen lassen, dafs die Voraussagung der
Finsternisse bereits als ein wesentlicher Teil der öffentlichen Ordnung
und der soliden Wirksamkeit des Staatswesens angesehen wurde. Es
wurden um jene Zeit zwei Astronomen hingerichtet, welche in jenem
Dienste ihre Schuldigkeit nieht gethan hatten.
Insbesondere zu der Entdeckung der Finsternis-Periode hatte aber
zweifellos eine Dauer stetiger astronomischer und chronologisch-
statistischer Arbeit, wenn auch von einfachster intellektueller Art, ge-
hórt, welche wir, von ihren elementaren Anfángen beginnend; auf viele,
viele Jahrtausende schützen müssen. Zugleich aber hatten zur Er-
haltung der Stetigkeit jener Arbeit, wenigstens in ihren Anfängen, wo
sie noch keine Macht war, soziale und staatliche Zustände gehört, für
welche in jenen Zeiten weder Ostasien noch das Zwei-Strom-Land als
ein möglicher Schauplatz gelten kann.
Ich will diese Rätselfragen hiermit verlassen und jetzt die grofse
Macht und Bedeutung zu schildern versuchen, welche die Anwendung
jener Finsternis-Periode im Sinne des Vorauswissens dieser ergreifen-
den Himmelserscheinungen den Wissenden einbrachte.
Diese Machtstellung wurde natürlich auch zu einer wesentlichen
Förderung der astronomischen Erkenntnisarbeit. Wir werden aber
sehen, wie sie zugleich durch die Entwickelung der astrologischen
12
Weissagungskunst, zu der sie fast mit Notwendigkeit hinführte, eine
Ursache schmerzlichster Verdüsterungen der Kultur-Entwickelung
wurde,
Nicht blofs die Menschheit der frühesten Entwickelungsstufen,
sondern auch noch ‘bei den Kulturvölkern bis fast zur Gegenwart
wurde die grofse Menge der Unkundigen und Abergläubischen jedes-
mal aufs neue beunruhigt und erschreckt durch die Verfinsterung
unserer himmlischen Tagesleuchte und unserer himmlischen Nacht-
leuchte.
Schon die blofse Unterbrechung der gewohnten Stetigkeit in dem
Verlaufe der Erscheinungen da oben in der Himmelswelt erregte den
Gedanken an eine tiefe Stórung der Gesetzmáfsigkeit der Natur, an
eine gewissermafsen diabolische Auflehnung gegen die regierenden
Mächte jener erhabenen Welt. Die Deutung, dafs ein Drache den
Mond verschlingen wolle, oder ühnliche phantastische Vorstellungen
hatten anfangs allgemeine Geltung und warfen die Menschen Hilfe er-
flehend auf ihre Kniee nieder. Es ist bekannt, dafs eine Mond- oder
Sonnen-Finsternis, die in ein Schlachtgetiimmel oder in sonstige starke
Bewegungen von'Volksmassen hineintraf, nicht selten eine Wendung
zu Gunsten derjenigen Seite herbeiführte, die in geringerem Grade von
jenem Schrecken betroffen wurde, und zweifellos kam es allmählich
dahin, dafs diese Seite diejenige war, deren leitende Köpfe bereits eine
mehr oder minder zuversichtliche Erwartung von dem Ereignisse
hatten. Erklárlicherweise wurden aber die Voraussagungen, sogar
nachdem sie in den Kreisen der Wissenden einen hohen Sicherheits-
grad erlangt hatten, doch als eine Geheimlehre behandelt und mit einer
gewissen Zurückhaltung der grofsen Menge gegenüber verkündet;
denn zunächst konnten die höchsten Wirkungen auf die Gemüter im
Sinne der augenblicklichen Lenkung der Menge eben nur dadurch
erzielt werden, dafs es zugleich Wissende und Nichtwissende gab.
Weiterhin wurde die Verkündigung mehr zum Gemeingut, aber
auch dann nötigte die (im Vergleich mit dem Vorauswissen der Mond-
finsternisse) viel geringere Sicherheit, mit welcher die Kenntnis der
Periode von 6585 Tagen die Sonnenfinsternisse anzusagen gestattete,
zur Vorsicht und sogar zu besonderen Auslegungen der prophetischen
Veranstaltungen im Interesse der Erhaltung der Autorität der Wissenden.
Hatte man allmählich von seiten der wissenden Priesterschaften
oder Staatsinstitutionen, wie z. B. in China, die Einrichtung eingeführt,
dafs Gebete oder Beschwörungen und dergleichen an monumentalen
Stellen angeordnet wurden in allen denjenigen Zeitpunkten, in denen
13
der Eintritt einer Mondfinsternis oder einer totalen Sonnenfinsternis
auf Grund des erkannten Gesetzes der periodischen Wiederkehr er-
wartet werden konnte, so war jedenfalls, wenn die Finsternis um
die Zeit jener Veranstaltungen nun wirklich kam, der Schrecken in
den Bevölkerungen bedeutend gemildert. Die rechtzeitige Anordnung
der Besehwürungen beruhigte die Gemüter, und das Vorauswissen
liefs eine gewisse Überlegenheit über die feindlichen verfinsternden
Mächte ahnen.
\ Wenn nun aber eine Sonnenfinsternis, für deren Eintritt trotz
der geringeren Sicherheit des Vorherwissens dieselben Vorbereitungen
getroffen waren, nicht kam, so war die Wirkung eigentlich noch viel
gröfser; denn dann konnte man von den frommen Veranstaltungen
sogar behaupten, dafs sie die Gefahr und Not gänzlich abgewandt
hätten. Nicht selten kam es in solchen Fällen auch vor, dafs die be-
treffende totale Verfinsterung der Sonne in entfernteren Nachbar-
ländern wirklich eingetreten war, wie man späterhin erkundete. Dann
war es erst recht klar, welchen Schutz das Vorherwissen und die
prophetischen Anordnungen dem eigenen Land und Volke gewährt
hatten. Kurzum, die Kenntnis der Finsternis-Periode erwies sich als
ein Machtmittel von sehr hohem Werte.
Nun kamen auch noch andere Veränderungen am Himmel vor,
die unter Umständen die Blicke der Menge fesselten und Empfindun-
gen einer gewissen Bedrängnis hervorriefen, als ob dort oben unge-
wóhnliehe Dinge im Werke seien. Das waren z. B. die Zusammen-
künfte der helleren Planeten. Wenn zwei oder gar drei derselben
sich bis auf eine Vollmondsbreite oder auf noch kleinere Distanz ein-
ander oder auch hellen Fixsternen nüherten, dann gab es ungewóhn-
liche Lichtwirkungen, die selbst blöden Augen auffielen.
Durch anhaltende Beobachtungen und Aufzeichnungen solcher
Erscheinungen und überhaupt der Ortsveränderungen der einzelnen
Planeten am Himmelsgewölbe und in ihrer jeweiligen Stellung zur
Sonne und zum Monde lernte man allmählich ihre Umlaufszeiten am
Himmel und gewisse Perioden der Wiederkehr ihrer Stellungen er-
kennen, ganz nach demselben Verfahren, welchem bereits die Kennt-
nis der Mond- und Sonnen- und der Finsternis-Perioden entstammte.
Es scheint hauptsächlich Babylon gewesen zu sein, wo vieltausend-
jährige wissenschaftliche Arbeiten dieser Art von einem hochange-
sehenen Priester- und Seher-Stamm in merkwürdiger Stetigkeit mitten
in den gewaltigsten Välkerbewegungen und Herrschafts-Anderungen
bis in die Zeit der makedonisch-griechischen Herrschaft ausgeführt
1%
wurden. Die Ergebnisse dieser Arbeiten und ihre noch freiere hoch-
wissenschaftliche Fortführung gingen alsdann in die Hände der Griechen
über, die in Alexandria, zugleich in naher Verbindung mit dem Erbe
altägyptischer Geistesarbeit, einen glänzenden Mittelpunkt des Wissens
und Forschens begründeten.
Als in jenen Jahrtausenden Babylon die Technik der Voraus-
berechnungen auch für die Konstellationen der Planeten zu einander,
zu den Fixsternen, sowie zu Sonne und Mond mit einer für die
grofsen Züge der Erscheinungen völlig ausreichenden Sicherheit be-
gründete, mufste es schon sehr nahe liegen, dieses Wissen in ähnlicher
Weise, wie die Voraussagung der Finsternisse, als Machtmittel zur
Lenkung der Stimmungen und Bewegungen der grofsen Menge inner-
halb des: einzelnen Gemeinwesens oder der verschiedenen Volker
gegeneinander auszunutzen.
Die Voraussagung, dafs eine bestimmte auffallende Konstellation
in einem gewissen Zeitpunkte eintreten würde, verband sich in der
That ziemlich leicht mit der Weissagung von solchen Ereignissen im
Vólkerleben, wie sie fast unablässig innerhalb des grófseren oder
kleineren Gesiechtskreises gewisser Vólker- und Lünder-Gruppen vor-
kamen. Anfánglich mügen solche Weissagungen wohl ziemlich un-
bestimmt gewesen sein, etwa. in der Form, dafs z. B. die verkündete
Zusammenkunft zweier hellen Planeten in einem bestimmten Stern-
bilde überhaupt auf den Eintritt ungewöhnlicher Umstände und er-
greifender Vorgänge in der Welt gedeutet wurde. Und es ist auch
vollkommen erklärlich, dafs selbst eine solche unbestimmte Weis-
sagung ihre Wirkung im Sinne einer Steigerung der fast stets vor-
handenen Spannungen im Vólkerleben selten verfehlte; denn die Au-
torität der Voraussagenden wurde, wie ich schon in der Einleitung
hervorgehoben habe, durch die Sicherheit des Eintreffens des einen
Teiles der Voraussagung, nämlich der Himmels-Erscheinung, immer
und immer wieder erneuert und verstärkt, selbst dann, wenn ihre
Schicksalsweissagungen sich nur unvollkommen erfüllt hatten. |
Dafs aber jene Steigerung der Spannungen sehr leicht zur Aus-
lösung gewaltiger Bewegungen und Aktionen in der Menschen-
welt führen mufste, liegt auf der Hand. Dafs dann die Konstellatio-
nen gewisser Planeten zu einander, zu Sonne und Mond und zu ge-
wissen hellen Sternen und Sternbildern allmählich eigenartige
Bedeutungen im Sinne der Weissagungen bekamen, ergab sich als
eine fast notwendige Folge, sobald sie einmal oder gar mehrmals mit
bestimmten Arten von Ereignissen, etwa mit überwiegend unheil-
L5
vollen oder mit glänzenden und segensreichen züsammengetroffen
waren. /
Hierzu kam aufserdem der Umstand, dafs auch die Anknüpfung
des Verlaufes der Jahreszeiten an die Stellungen der Sonne zu ge-
wissen Fixsternen und Sternbildern dazu beitragen mufste, die Vor-
stellung von einem besonderen Einflusse der Gestirne auf das Erden-
leben im Volke zu verstärken.
Wenn das erste Erscheinen eines bestimmten hellen Sternes
in der Morgendämmerung für wichtige irdische Vorgänge, für Wetter
und Wind, für den Eintritt von Wasserflut oder Trockenheit u. s. w.
als mafsgebend erachtet wurde, so konnte es gar nicht anders sein,
als dafs diese blofs chronologische Bedeutung des Sternes im Volks-
glauben zu einer ursächlichen wurde und jenem ersten Erscheinen
des Sternes, wie überhaupt seiner Stellung am Himmel eine Fülle von
Bedeutungen und Einflüssen verlieh.
In den Benennungen derjenigen Sternbilder, durch welche sich
die scheinbare Sonnenbahn am Himmel hindurchzog, wurden bekannt-
lich auch die Charaktere der Jahreszeiten und der in jenen Klimaten
an bestimmte Jahreszeiten gebundenen Arbeiten, Beschäftigungen und
Zustände des menschlichen Wirtschaftslebens mehr oder minder deutlich
zum Ausdruck gebracht.
Von der hierbei hervortretenden symbolischen Verwendung ge-
wisser Tiergestalten erhielt ja diese Sonnenbahn auch den Namen
Tierkreis. Die symbolischen Gestalten dieses Tierkreises erteilten dann
auch dem Verweilen des Mondes und der Planeten in den verschie-
denen Sternbildern oder Häusern des Tierkreises verschiedene charak-
teristische Bedeutungen.
Schwerer ist es zu verstehen, in welcher Weise man dazu ge-
langte, jedem der fünf hellen Planeten eine gewisse göttliche Persön-
lichkeit von ganz bestimmtem Charakter zu verleihen. Allerdings gab
es gewisse Unterschiede in der Art des Erscheinens dieser verschie-
denen Planeten. Merkur erfuhr die schnellsten Veränderungen seiner
Stellung. Bald auf der einen, bald auf der anderen Seite der Sonne
war er jedesmal nur sehr kurze Zeit deutlich sichtbar, aufserdem
stets in der Nähe des Horizontes und damit besonders stark funkelnd
und feurig gefärbt. Venus veränderte ihre Stellungen am Himmel und
zur Sonne langsamer und in einer einfacheren Gesetzmäfsigkeit, war
oft lange in der Abenddämmerung und in der Morgendämmerung mit
einem entzückend hellen Glanze sichtbar, dessen Wirkung noch durch
die Farben der Dämmerungs-Erscheinungen gehoben wurde. Mars
16
hatte infolge der Eigenschaften seiner Atmosphäre einen besonderen
rótlichen Schein; aufserdem war er infolge der Schnelligkeit und Viel-
artigkeit der Veränderungen seiner Stellung am Himmel das schwie-
rigste, gewissermafsen widersetzlichste Objekt für die Vorausberechnung
der Bewegungen. Jupiter bewegte sich langsam und anscheinend
mit einer einfacheren Gesetzmüfsigkeit, sodafs sein Erscheinen und
seine Bewegungen in Verbindung mit seiner gewaltigen Helligkeit
den Eindruck einer besonderen Hoheit und Grófse machten. Saturn
mit viel matterem Lichte und noch langsameren Bewegungen erschien
als das Symbol einer gewissen trügen Nachhaltigkeit, verbunden mit
einer seinem untergeordneten Glanze entsprechenden Art von ge-
ringerer Vornehmheit. Obwohl nun jene Besonderheiten der Erschei-
nungen und Bewegungen der Planeten in der eben angedeuteten Weise
einige Anhaltspunkte für ihre mythologischen Personifikationen gaben,
sind doch die ganz bestimmten Charaktere, mit denen späterhin die
Planeten in den Weissagungen auftraten, nur dadurch erklärlich, dafs
in einer gewissen Reihe von Fällen mit besonderen Stellungen der
einzelnen Planeten besondere Ereignisse zusammengetroffen waren,
aus denen man nachträglich die eigentümlichen Charakterzüge ihrer
Einwirkung, in bekannter Weise ungenau und absiehtsvoll verall-
gemeinernd, abgeleitet hatte.
. So galt allmühlich immer allgemeiner der Planet Saturn oder
Kronos für zerstórend und unheilvoll wie der alles verzehrende
Zeitgott, dessen Namen er trug; der Planet Jupiter dagegen bedeutete
im allgemeinen Glück, Hoheit und Schónheit. Der Planet Mars ver-
trat bei den Vorbedeutungen das Element des Geführlichen und blutig
Gewaltsamen, Venus des Weichen und Angenehmen, Merkur des
Zweideutigen und Triigerischen. Jeder dieser Planeten hatte aber
etwas veründerte Bedeutungen, je nach der Stellung, die. er gerade
im Tierkreise einnahm, sowie nach seiner Stellung zum Horizonte bei
Tage oder bei Nacht. Von den zwülf Zeichen oder Háusern des
Tierkreises gehorten der Sonne und dem Monde je eines, nämlich
der Sonne der Löwe, dem Monde der Krebs, dagegen den fünf Pla-
neten je zwei, und die Wirkungen jedes dieser Himmelslichter galten
als gesteigerte, wenn dasselbe sich gerade in einem ihm zugehörigen
Hause des Tierkreises oder an besonderen für ihn kritischen Punkten
anderer Häuser des Himmels befand.
Schliefslich empfing die Bedeutung und Vorbedeutung der je-
weiligen Gesamtlage der Himmelserscheinungen den entscheidenden
Charakter durch die Wirkungen eines oder mehrerer der glücklichen
Lf
oder unglücklichen Planeten, welche gerade an Stellen ihres gesteiger-
ten Einflusses standen.
Das sogenannte Horoskop aber und die daraus für das ganze
Leben eines Neugeborenen gezogene Vorbedeutung wurde abgeleitet
aus demjenigen Punkte des Tierkreises oder der Ekliptik, welcher in
der Stuude der Geburt im Aufgang begriffen war. Nicht nur war der
Planet, zu dessen Hause diese Stelle des Tierkreises gehürte, der be-
stimmende Gebieter des Lebens, sondern die einzelnen Teile des
Tierkreises hatten auch allmählich an sich durch die Zugehörigkeit
zu den einzelnen Planeten reichere Spezialbedeutungen gewonnen,
welche den in der Geburtsstunde aufgehenden Punkten des Tierkreises
einen selbständigen Anteil an der Vorbedeutung verschafften. Der
Einflufs des gebietenden Planeten des Horoskops wurde wieder
wesentlich bedingt durch die Stellung, die der Gebieter selbst zur
Geburtszeit am Himmel einnahm, und auch die anderen Planeten
sprachen nach ihren verschiedenen Stellungen am Himmel ein ge-
wichtiges Wörtchen mit.
Die grofsen Astronomen des Altertums und des Mittelalters, die
sich den Kanon dieser Vorbedeutungen und dieser Weissagungen ge-
fallen liefsen und danach auch ihrerseits Schicksalsprophezeiungen
aufstellten, suchten natürlich auch nach wissenschaftlichen Gesichts-
punkten zur Erklárung der ihnen überlieferten Zusammenhänge
zwischen den Stellungen der Gestirne und den Menschenschicksalen.
Die Sonne war ja mit ihren Licht- und Wárme-Wirkungen eine
entscheidende Macht für das ganze Erdenleben. Diese waren aber so
umfassende und allgemeine, dabei eigentlich in so einfacher Gesetz-
máfsigkeit verlaufende und wiederkehrende Einwirkungen, dafs es
kaum möglich erschien, denselben irgend einen Spezial-Einflufs auf
besondere menschliche Lebensentwickelungen abzugewinnen. Erst
jetzt, seitdem man die im Sonnenkórper und in seiner nüchsten Um-
gebung vorgehenden gewaltigen und mitunter sehr schnellen Ver-
ánderungen immer deutlicher erkündet, und seitdem man mit immer
grófserer Sicherheit zu ergründen beginnt, welche Fülle von ver-
schiedenartigen Einflüssen auf das Erdenleben in Gestalt der zweifel-
losen Mannigfaltigkeit der Sonnenstrahlungen mit jenen Veründe-
rungen zusammenhängt, erst jetzt beginnt man, tiefer zu verstehen, in
welcher Weise die Sonne unablüssig in die Lebens- und Schicksals-
bedingungen der Erdenwelt einzugreifen vermag, und zwar in einer
noch unerkannten, aber jedenfalls viel verwickelteren Gesetzmäfsig-
keit, als in ihren gewöhnlichen Licht- und Wärme-Wirkungen waltet.
LB
Hiervon hatte das Altertum noch keine Ahnung.
Hingegen der Mond beeinflufste offenbar sehr eigenartig. und
auch, entsprechend seiner kürzeren Umlaufszeit, in sehr veränder-
licher Weise das Erdenleben. Uralt war die Wahrnehmung, dafs die
Ebbe und Flut der Meere von seiner jeweiligen Stellung zum Hori-
zonte und zur Sonne ganz wesentlich abhing. Sein nächtliches Licht
schien den Schlafzustand reizbarer Organismen zu irritieren, auch in
der Pflanzenwelt und. der Tierwelt Wachstum und Entwickelung ab-
sonderlich anzuregen. Und der Dauer eines Lichtmonats entsprach
ungefähr die Dauer der weiblichen Periode, welche eine so nahe Be-
ziehung zur Empfängnis und somit auch zur Geburt hat.
Dies alles schien auch den bedeutendsten Astronomen jener Zeit
sehr erhebliche Gesichtspunkte zur Rechtfertigung des Glaubens an
die Einflüsse der Gestirne auf die Lebensentwickelung und die Schick-
sale der Menschen zu enthalten. Dazu kam die fast allgemeine
Überzeugung von der zentralen Stellung der Erde im Weltgebäude
und die aus der Fallrichtung der Körper gezogene Auffassung, dafs
überall im Weltenraume gewisse Kräfte, wie diejenigen der Schwere,
nach der Erde hin gerichtet seien.
Indessen beruhigte man sich in den Kreisen der Wissenden und
der organisierten astrologischen Prophezeiung durchaus nicht leicht-
fertig bei solchen doch ziemlich unbestimmten Analogien, sondern
man hat von früher Zeit an bis in die Tage Kep plers, des letzten
bedeutenden Astrologen, redlich nach echt induktiver statistischer Me-
thode daran gearbeitet, die Schicksalseinflüsse der verschiedenen Kon-
Stellationen auch unmittelbar erfahrungsmäfsig zu ergründen, wie ich
oben schon angedeutet habe.
Man hatte grofse Register von vergangenen Ereignissen im
Leben der einzelnen Menschen und in der Geschichte der Völker auf-
gestellt und zur Vergleichung alle wesentlich in Frage kommenden
gleichzeitigen Konstellationen der Gestirne eingefügt. Man hatte von
bedeutenderen Menschen, deren Lebensumstände vollständiger bekannt
waren, biographische Tabellen entworfen, in denen der Lebensgang
nicht nur mit dem begleitenden Einflusse der Gestirne, sondern
auch mit dem ganzen Lebensbilde, welches sich gemäfs dem Horoskop
aus den Konstellationen bei der Geburtsstunde ergab, sorgfältig zu-
sammengestellt war. Es existierten statistische Arbeiten dieser Art
offenbar schon in den uralten Anfüngen der Astrologie, gewisser-
maísen Archive der prophetisehen Wissenschaft und Kunst. Manches
dieser Art ist erhalten geblieben. So besitzen wir höchst merk-
19
würdige Aufzeichnungen soleher Vergleichungen von Lebensgängen
mit dem Gange der Gestirne und ihren Ansagen bei der Geburt u. a. aus
dem Nachlasse Kepplers.
Angesichts dieser hóchst mühevollen und — wenigstens der
Form nach — echt wissenschaftlichen Arbeiten vieler sehr ernster
und wahrheitsliebender Mánner liegt der Einwurf nahe: Aber wie
könnt Ihr denn die Stirn haben, alle diese Weisheit, alle diese Über-
zeugungen 80 zu sagen in die Rumpelkammer alten Aberglaubens zu
werfen?
Von radikaler Seite wird sofort entgegnet, es sei doch klar, dals
seit dem endgültigen Siege der Kopernikanischen Lehre, seitdem
also die Erde nicht mehr im Mittelpunkte der ganzen Welt stehend
angenommen werden kónne, die Astrologie total entwurzelt sei, weil
Sie nur aus der Illusion von dieser Stellung der Erde hervorge-
gangen sei.
Nach allem, was oben in Betreff der Entwickelung der Astro-
logie dargelegt worden, ist, wäre dies aber nicht zutreffend; denn die
Idee der zentralen Stellung der Erde ist hierbei sozusagen nur ein
Nebenquellflufs des grofsen Stromes der ganzen Entwickelung astro-
nomischen Vorherwissens und Voraussagens gewesen.
Wären die Ergebnisse der soeben erwähnten statistischen Arbeiten
über die Beziehungen zwischen den Konstellationen und den Lebens-
entwickelungen in der Menschenwelt wirklich kritisch haltbar, so
müfste. man eben den Schlufs ziehen, dafs jene himmlischen Ein-
flüsse wirklich existierten, gleichviel welche Stellung die Erde im
Weltenraum hat, und gleichviel ob sie grofs und klein ist im Ver-
hältnis zu den anderen Weltkórpern.
Wir werden auch sehen, dafs der Geistesheros Keppler, der
eigentliche siegreiche Vollbringer des grofsen Kopernikanischen
Durchbruches zum Lichte und zur Überwindung einer uralten Illu-
sion der Menschenkópfe, seine astrologischen Ansichten durch
die neuen Überzeugungen auch nicht im mindesten erschüttert
fühlte, dafs vielmehr seine allmühliche, immer vollständigere Abwen-
dung von der Astrologie einzig und allein auf der gesunden Kritik
beruhte, mit welcher er die Nichtigkeit jener ganzen statistisch-histo-
rischen Begründung des Glaubens an die Einflüsse der Gestirne auf
die Menschenschicksale erkannte.
Wenn man jene Begründung eindringlich untersucht, so schrumpft
in der That ihr ganzer Wert, ihre ganze anscheinende -Gröfse und
Solidität zu der immerhin interessanten, aber auf einem ganz anderen
20
Felde der Forschung liegenden Bedeutung eines Gewebes von Trug-
schlüssen und Urteilsfehlern zusammen, zu einem jener Hirngespinste,
mit denen der Wille zur äufseren Macht, diese gefährlichste Verirrung
vieler grofsen Intellekte, der wahre Diabolos dieser Erdenwelt, die
Menschheit belastet hat.
Den eingehenderen Nachweis jener Trugsehlüsse und Urteils-
fehler will ich sogleich unter Zuziehung von Kepplers eigenen Auf-
zeichnungen und von Mitteilungen aus seinem astrologischen Verkehr
mit Wallenstein und Kaiser Rudolph zu führen suchen. Vorher
möchte ich noch einige Worte sagen über die Stellung der Gewaltigen
der Erde, nämlich der Kriegshelden und Monarchen, zur Astrologie.
Sicherlich sind viele von ihnen, wie durch Orakelsprüche und
Augurien, so auch durch Horoskope und Prognostika astrologischen
Ursprungs in ihrem Thun beeinflufst worden, besonders wenn der
Astrologe ein feiler Ratgeber war und ihnen zum Munde redete, so
dafs sie nur den Segen der Gestirne zu denjenigen Entschlüssen em-
pfingen, die eigentlich schon in ihren jeweiligen Interessen und
Willensrichtungen wurzelten. Weissagungen, die diesen Entschlüssen
und den Eingebungen derjenigen inneren Stimme widersprachen,
welche die Gewaltigen meist ihren eigenen Gott nennen, werden
wohl schwerlieh erheblichen Einflufs gehabt haben. Somit wird man
wohl sagen künnen, dafs im allgemeinen die Verwirrung, welche die
astrologische Weissagung bei jenen grofsen Herren selber anrichtete,
relativ nicht grofs gewesen ist.
Offenbar sind sie von den Gestirnen öfter bedient worden, als
sie selber der Sterndeutung dienten. Solche Bedienung hat auch
offenbar darin bestanden — und das ist wohl mit die schädlichste
Wirkung der Astrologie gewesen —, dafs die vulgären Astrologen
dazu helfen mufsten und auch sehr leicht dazu helfen konnten, den
jeweiligen Konstellationen solche Deutungen abzugewinnen, welche
die Volksmenge für die augenblicklichen Absichten der Gewaltigen
empfänglich und willig machten.
Sehr merkwürdig ist es aber, zu sehen, wie hoch doch schliefs-
lich in Kepplers Zeit, kurz vor der gänzlichen Entthronung der
Astrologie von ihrer gebietenden Stellung als hôchste Weissagungskunst,
ihre Macht auch über die grofsen Herren emporgewachsen war, und
zwar in Verbindung mit der grauenvollen Steigerung fast jeder
Form des Aberglaubens in dem Jahrhundert nach der Reformation.
Kepplers Briefe und Aufzeichnungen werden uns jene Macht-
21
stellung der. Astrologie, aber auch die ganze Versteifung ihrer
Trugsehlüsse und Urteilsfehler recht klar vor die Augen bringen.
Ganz im Anfange der historisch-statistischen Untersuchungen der
Astronomen über die Art des Parallelismus zwischen den jeweiligen
Konstellationen und dem Gange der Ereignisse in der Menschenwelt
konnte dieser ganze Forschungsprozefs noch vôllig unbefangen ver-
laufen. Die Fragestellung war einfach die folgende: Entsprieht der
Wiederkehr einer bestimmten Konstellation in einer weit überwiegenden
Anzahl von Füllen auch die Wiederkehr einer ganz bestimmten Gruppe
oder Art von Vorgängen in dem Leben der einzelnen Menschen und
der Völker; giebt es wirklich ebensowohl unheilverkündende oder
gar unheilherbeiführende als auch glückverheifsende oder gar glück-
herbeiführende Konstellationen? Weitere Fragen konnten dahin ge-
richtet werden, ob die himmlischen Ansagen oder Einflüsse sich im
Leben der einzelnen in verschiedenem Grade oder in verschiedenem
Sinne als wirksam erwiesen, je nach der Beschaffenheit der Konstel-
lationen, welche zur Geburtszeit des in Frage stehenden einzelnen
stattgefunden hatten, und ob auch in den Beziehungen zwischen der
Geburts-Konstellation und den späteren Einflüssen beliebiger anderer
Konstellationen sich in einer überwiegenden Anzahl von Fällen feste
und gesetzmälsige Zusammenhänge erkennen liefsen.
Wenn diese ersten Stufen des astrologischen Forschungsprozesses
wirklich in voller Unbefangenheit und Gewissenhaftigkeit, ohne will-
kürliche Weglassungen und Zusätze und mit Benutzung eines möglichst
grofsen lebensgeschichtlichen und völkergeschichtlichen Materials durch-
geführt wurden, dann konnten sie, wie wir aus allen gegenwärtigen
soliden Wahrnehmungs-Ergebnissen schliefsen dürfen und müssen, nur
zu der Folgerung gelangen, dafs kein erlei gesetzmäfsige Beziehungen
zwischen den Menschenschicksalen und den himmlischen Konstellationen
obwalten, mit anderen Worten, dafs die Gestirne in ihrer jeweiligen
Stellung weder eine Verkündigung solcher bestimmter Vorgänge in
der Menschenwelt darbieten, welche etwa durch andere Willensmächte
oder Kráfte verursacht würen, noch auch selber Kraftáufserungen aus-
senden, welche solche Vorgänge auf Erden veranlassen kóünnten. .
Es ist aber den Menschen, bis zu den hóchsten Intellekten und
den weisesten Gemeinschaften hinauf, von jeher sehr schwer geworden
und wird ihnen auch jetzt noch sehr schwer, bei der Erforschung
von solchen Zusammenhängen, die für die tiefsten Gefühle und Über-
zeugungen bedeutsam sind, durchaus unbefangene Kritik und strenge
Genauigkeitszucht des Urteils walten zu lassen. Es brauchten in dem
99
für jene Forschung vorliegenden biographisechen und historischen
Material nur einige zufállige Gruppenbildungen von auffallendem
Zusammentreffen der fraglichen Art hervorzutreten, um sofort eine
Anzahl von Intellekten für die Annahme gesetzmäfsiger Zusammen-
hänge auf diesem Gebiete zu erwärmen. Sie unterlagen hierbei nur
der im Eingange dieser meiner Darlegungen erôrterten fundamentalen
Neigung des menschlichen Vorstellungslebens. Alle anderen Fälle, in
denen die Zusammenhänge nur undeutlich waren oder in denen sie gar
entgegengesetzt zu jenen dem ersten Blick auffallenden Gruppierungen
verlaufen waren, erschienen dann dem Urteil als relativ unerheblich
oder als Ausnahmen, für die sich sehr leicht beliebige Erklärungen
mancher Art beibringen liefsen.
Als man nun aber auf der Grundlage jener ersten anscheinenden
Bestütigungen von Beziehungen zwischen dem Schicksal und den Ge-
stirnen (Stern oder Unstern) angefangen hatte, astrologische Schicksals-
prophezeiungen zu wagen, da wurde die Lage sofort noch viel un-
günstiger für die Ergründung des wahren Sachverhalts. Denn von
nun an (wie ich auch schon im Eingange dieser Betrachtungen allgemein
angedeutet habe) waren grofse Menschengruppen, und zwar die ein-
flufsreichsten, an der Erfüllung der Voraussagungen innerlich und
immer mehr auch àáufserlich interessiert. Aber auch in den Gemütern
der einzelnen oder der Gemeinschaften, für die jene Voraussagungen
gegeben wurden, wirkte nun die stille Macht der Hoffnung oder der
Befürchtung in der Richtung der Erfüllung mit. Die vorsichtige und
mehrdeutige Fassung vieler solcher Weissagungen kam überdies hinzu,
um in vielen Fällen eine der Autorität der Propheten günstige Deu-
tung des wirklichen Geschehens zu ermöglichen.
So mufste denn fast mit Notwendigkeit der Eindruck ent-
stehen, dafs der Einflufs der Gestirne und ihrer Konstellationen auf
alles Geschehen in der Erdenwelt von hoher Bedeutung, oftmals sogar
der entscheidende sei, und dafs daher die astronomische Wissenschaft
und Kunst der Vorausbestimmung der Konstellationen auch für
das Weissagen künftiger Schicksale eine wesentliche Grundlage
bilde. Wie sich hieraus im Laufe der Jahrtausende eine raffinierte
und von bewufsten und unbewufsten Unwahrhaftigkeiten strotzende
Wahrsagekunst entwickelte, kann man am deutlichsten aus folgender
Art des Verfahrens ersehen, welches uns ausdrücklich durch Kepplers
Mitteilungen überliefert ist.
Ein vornehmer Herr, der einen Blick in die Zukunft seiner
Lebensentwickelung, insoweit sie von der Gunst oder Ungunst der
2d
Stellungen der Gestirne bedingt würde, erlangen wollte, der mit
kurzem Wort ein „Horoskop“ begehrte, wandte sich durch einen
Mittelsmann, der ihm das Anonymbleiben (wir werden sogleich sehen
zu welchem Zweck) ermöglichte, an einen namhaften Astrologen, indem
er lediglich den Zeitpunkt seiner Geburt angab und daraus ein Lebens-
bild, sowohl für die schon vergangene als für die künftige
Lebenszeit, nach dem Stande der Gestirne bei der Geburt und für
alle Lebensjahre von der Geburt bis zum Tode zu entwerfen bat.
Die Anonymität hatte den Zweck, die Unbefangenheit des Astro-
logen zu wahren, damit dieser nicht seine horoskopische Konstruktion
der Ereignisse des bereits vergangenen Lebensabschnittes den
wirklichen Erlebnissen anpassen kónne. Unter der Annahme, dafs
der Astrologe von diesen letzteren gar nichts wisse und dieselben
auch nicht etwa aus der Geburtszeit oder aus sonstigen Kombinationen
erraten gekonnt habe, zu denen ihm unabsichtlich oder in unlauterer
Weise der Mittelsmann die Handhaben geboten hátte, also unter der
Voraussetzung der vollen Redliehkeit und Unbefangenheit des Astro-
logen bildete alsdann der Grad der Übereinstimmung, welcher sich
zwischen der astrologischen Charakterisierung des bereits
vergangenen Lebensabscehnittes und den wirklichen Erlebnissen
ergab, die Grundlage und das Maís des Vertrauens, mit welchem nun
der Empfänger des Horoskopes die astrologischen Ansagen für die
Zukunft betrachtete und berücksichtigen zu müssen glaubte.
Wurde das bereits vergangene Leben in dem, anscheinend
ohne Kenntnis desselben, nach astrologischen Gesichtspunkten und
„Erfahrungen“ entworfenen Lebensbilde wenigstens nach seinem wesent-
lichen Verlaufe und nach den Zeitpunkten besonders wichtiger und
eingreifender Vorgänge einigermafsen zutreffend wiedergegeben, so
erschien natürlich der Glaube an den auf diezu k ünftige Entwickelung
desselben Lebens bezüglichen Teil des Horoskopes stark und sicher
begründet.
Oftmals aber scheint nun die Verhandlung zwischen dem anfangs
anonymen Interessenten und dem Astrologen weiter gegangen zu sein,
und zwar jetzt direkt und offen. Wenn nämlich das bereits ver-
gangene Leben die astrologische Biographie nicht hinreichend be-
stitigte, so war die Folge davon nicht die Abwendung des Inter-
essenten von dem Glauben an die Gestirne. Nein, dieser Glaube
hatte sehr bald schon so tiefe Wurzeln in dem Bewufstsein. der
Menschheit getrieben, dafs man durch eine solche Enttäuschung nicht
davon loskam. Der Astrologe konnte sich ja geirrt haben in der
24
Anwendung der allgemeinen Prinzipien des Horóskopstellens, oder er
konnte sich auch verrechnet haben, oder es konnte auch ein Fehler
in der Angabe von Tag und Stunde der Geburt vorgekommen sein.
Man konnte nun zunächst direkt dem Astrologen die Frage
stellen, ob auch kein Irrtum bei ihm vorgekommen sei, wofür gewisse
Differenzen zwischen dem Horoskop und den bereits erlebten Vor-
gängen Anzeichen böten. Eine Verneinung dieser Frage konnte zu
dem Entschlusse führen, noch andere Astrologen mit Anwendung der
üblichen Vorsichtsmafsregeln um das Horoskop anzugehen. Ergab
sich hierbei Übereinstimmung der Horoskope, so wandte sich der
Zweifel zu der Zeitangabe der Geburt, obwohl nachträgliche Unter-
suchungen hierüber meistens aussichtslos waren. Ein besonders
schlauer Astrologe mufs dann einmal auf den mathematisch höchst
eleganten Gedanken gekommen sein, den wahren Geburtszeitpunkt
aus den Differenzen zwischen den Zeitpunkten gewisser wirklicher
Erlebnisse und den für dieselbe Lebensentwickelung aus der von
dem Interessenten angegebenen Geburtszeit folgenden Horoskop-
Angaben rechnerisch zu erschliefsen. Das erscheint nun als der
Gipfelpunkt des Raffinements und der Unwahrhaftigkeit auf der Seite
der Astrologen. Und doch ist es zweifellos vorgekommen, ja sogar
eine Art von Usance geworden, wie wir deutlich. aus Kepplers
Mitteilungen über seinen. astrologischen Verkehr mit Wallenstein
ersehen können. Dafs der Interessent, nachdem das Horoskop nun
auf solche Weise durch eine Korrektur des Geburts-Zeitpunktes seinen
bisherigen Erlebnissen einigermalsen angepalst worden war, sich ganz
befriedigt fühlte und fortan an die Zukunftsansagen dieses ,ver-
besserten“ Horoskopes glaubte, ist allerdings auch der Gipfel der
Leichtgläubigkeit gewesen. Wir werden weiter unten sehen, dafs
Wallenstein ein solcher Leichtgläubiger war, obwohl ihm Keppler,
fir den der Unsinn dieses » Verbesserungsverfahrens“ sonnenklar
wurde, aufs krüftigste vor solehem Kóhlerglauben an die ,Sterne«
warnte. |
Es muís doch angesichts jener Absurditüten deutlich gesagt
werden, dafs die Verbindung der Astronomie mit einer solchen, auch
von Keppler aufs hárteste verurteilten Art des Betriebes der astro-
logischen Weissagung, durch welche auch der Betrügerei fórmlich
Vorschub geleistet wurde, schliefslich ein schwerer Vorwurf für die
Wissenschaft geworden war.
"Noch mehr! Die andauernde Sanktionierung dieser ganzen Art
der Wahrsagerei durch die Wissenschaft und der Nimbus, mit
95
welchem sich auf Grund dieser Sanktion selbst die niedrigsten Formen
gewinnsüchtigen und unwahrhaftigen Betriebes der Astrologie um-
geben konnten, war natürlich eine Hauptstütze aller anderen, den
Einflufs dunkler, dámonischer Gewalten auf das Erdenleben voraus-
setzenden Illusionen, mit denen sich das Menschengeschlecht von der
Urzeit an belastet hatte. Der unheilvolle Saturn, der grausame Mars
und der lügenhafte Merkur waren doch sehr nahe Verwandte der
anderen Personifikationen des Bôsen, von denen die Einbildungskraft
der Menschen sich berücken liefs. Vornehmer und hóher standen
ja allerdings die Einwirkungen der Gestirne da. Ihr Einflufs vollzog
sich langsamer und gesetzmäfsiger. Sie mischten sich nicht so all-
gegenwärtig und vielgestaltig in das tägliche Leben ein, wie die an-
deren Vorspiegelungen von Dämonengewalten. Immerhin aber gab
der astrologische Aberglaube für die Volksmenge ein verhängnisvolles
Beispiel dadurch, dals auch eine grofse Zahl der intelligentesten
Menschen sich in das Reich klaren Denkens und ernsten Wollens
durch den Glauben an Schieksalsmáchte hineinpfuschen liefsen, welche
in dem unabwendbaren Gange ihrer Einwirkungen, wenn sie auch
zur Gottheit in Himmelshöhen anders zu stehen schienen als die zum
Teil dem Göttlichen feindlich gedachte Dämonenwelt, dennoch in
keiner Weise als Trüger weiser und liebevoller Weltlenkung be-
trachtet werden konnten.
So wurden die Reflexe und Quellen der Weisheit und Liebe in
der Mensehenseele, denen eine so entscheidende Mitwirkung an der
Entwiekelung der Schicksale des Erdenlebens zugewiesen ist, vielfach
getrübt und nicht selten durch das Gefühl jener fatalistischen Ab-
hüngigkeit daran gehindert, ihre mächtigsten idealen Wirkungen im
Leben zu entfalten, welche die grófste Realitàt auf Erden sind.
Man darf also geradezu behaupten, dafs der von der Wissen-
schaft zugelassene und vielfach unterstützte astrologische Aberglauben,
dessen Macht und Einflufs auch wieder die Entwickelung der Wissen-
schaft dureh das Interesse an ihren Vorausberechnungs-Problemen
forderte, keinesfalls ohne Anteil an den grauenvollen Steigerungen
war, welche der Schicksalsaberglaube und das Dämonen- und Teufels-
Unwesen gegen Ende des Mittelalters in Europa erfuhren.
Als dann in dem Jahrhundert der Reformation der Teufelsglaube
und die Hexenverfolgungen sich zu einer furchtbaren Volkskrankheit
entwickelt hatten, suchten, mehr oder minder bewufst, einzelne be-
deutende Geister eine Art von Milderung dieses Paroxysmus in einer
besonders eifrigen Pflege des Glaubens an die Schicksalsmächte im
26
göttlichen Reiche der Gestirne. Vielleicht trug dies auch zu der
Verstärkung des letzteren Glaubens in den Kreisen der Fürsten und
Kriegsmänner bei, welcher wir in der ersten Hälfte des Jahrhunderts 16,
u. à. bei Kaiser Rudolph und bei Wallenstein, begegnen.
Keppler hatte sich schon im Beginne seiner wissenschaftlichen
Laufbahn, welche ihm in seiner amtlichen Stellung die Beschäftigung
mit dem Kalender sowie mit der Wetter- und Schicksals-Prophe-
zeiung auferlegte, einen besonderen Namen als erfolgreicher Astrologe
erworben.
Als Tycho Brahe, der in den skandinavischen Ländern und
zuletzt am kaiserlichen Hofe zu Prag der prophetischen Kunst auch
mit besonderem Eifer und Erfolge gedient hatte, gestorben war, wurde
unserem Keppler die Aufgabe zu teil, als kaiserlicher Mathematikus
in der Umgebung von Kaiser Rudolph II. ebenfalls das Organ der
himmlischen Schicksalsverkündigungen zu sein.
In dieser Zeit schrieb er an einen ihm befreundeten einflufs-
reichen Mann in der Umgebung des Kaisers einen lateinischen Brief,
von dessen Hauptinhalte ich die folgende Übersetzung mitteilen will,
welche sehr deutlich erkennen läfst, wie bereits zwei Seelen in der
Brust des Astrologen Keppler wohnten, und wie ablehnend er sich
wenigstens zu den Übertreibungen des Glaubens an die Gestirne schon
zu verhalten begann.
. Zugleich läfst dieser Brief erkennen, welche einflufsreiche Stellung
einem namhaften Astronomen und Astrologen damals in den politischen
Aktionen eingeräumt wurde:
(Ostern 1611.)
„Ich stehe in des Kaisers Diensten. Von den Böhmen und
den Österreichern bin ich nicht abhängig, und von dem Verkehr
mit ihnen halte ich mich nach der einen oder anderen Begeg-
nung absichtlich fern. An Dich, der Du ein Kaiserlicher bist,
schreibe ich um so freimütiger, weil nicht nur Dein Ruf, son-
dern meine Augen und Ohren zu Deinen Gunsten sprechen.
Unter anderem habe ich bei der gestrigen Unterredung mit
kurzen Worten gesagt, dafs die Astrologie den Monarchen un-
geheuren Schaden bringe, wenn irgend ein astrologischer
Pfuscher mit der Leichtgläubigkeit der Menschen spielen wolle.
Dafs dies unserem Kaiser nicht geschehe, glaube ich verhindern
helfen zu müssen. Der Kaiser ist leichtgläubig. Wenn er von
dem Prognostikum jenes Franzosen gehürt hat, SO wird er
grofsen Wert darauf legen. Deine Sache ist es also, als Rat-
27
geber des Kaisers, genau zuzusehen, ob dies dem Kaiser von
Nutzen sein würde. Denn, wie ich meine, wirst Du einsehen,
dafs, wenn die Grundvoraussetzungen für eine gute Führung der
Angelegenheiten fehlen sollten, alles blofse Vertrauen eitel und
verderblich ist. Ich halte es aber fast für gewifs, dafs die
Kunde von jenem Prognostihum dem Kaiser zu Ohren ge-
kommen ist.
Die gewöhnliche Astrologie, glaube mir, ist etwas auf
zweierlei Art zu gebrauchendes; sie kann mit leichter Mühe so
gewendet werden, dafs sie für beide Parteien Wohlgefälliges
aussagt. Ich meine aber, dafs nicht nur diese gewöhnliche
Astrologie, sondern auch jene Astrologie, welche ich als mit
den natürlichen Vorgängen in Einklang stehend erfasse, gänz-
lich fern zu halten ist von entscheidenden Erwägungen so
schwieriger Art. Und zwar spreche ich diese Mahnung nicht
aus, als ob sie für Dich bei den feierlichen Beratungen selber
notwendig sei. Ich weils vielmehr sehr wohl, dafs bei solchen
überhaupt nichts unmittelbar nach Gesichtspunkten dieser Art
erörtert wird. Aber jenes Füchslein lauert viel heimlicher auf:
zu Hause auf dem Ruhebett, im Lager, drinnen in der Seele.
Und was Einer, verwirrt von jenem Füchslein, dann in der
Sitzung vorbringt, ohne den Urheber zu nennen, das dringt auch
iropfenweise ein.
Als ich von den Parteien, welche ich als dem Kaiser feind-
lich kenne, über die Ratschlige der Gestirne befragt wurde,
habe ich nicht dasjenige geantwortet, was ich an und für sich
als einigerma(sen erheblich ansehen konnte, sondern dasjenige,
was die Leichtgläubigen verzagt machen konnte, nümlich langes
Leben des Kaisers, Fehlen aller üblen Konstellationen, zwar un-
heilvolle Wendungen und Verfinsterungen, aber diese schon in
der Vergangenheit zwei bis drei Jahre zuriickliegend.
Dagegen fiir Matthias (den Bruder des Kaisers) drohende
Tumulte, weil Saturn sich der Sonne nähert, und weil eine grofse
Opposition des Saturn mit dem Jupiter in der Nähe der Sonne
selber bevorsteht. Das sagte ich den Feinden des Kaisers, weil,
wenn es ihnen keine Schranken auferlegt, doch ihre Zuversicht
dadurch nichts weniger als eine Stärkung erfährt. Dem Kaiser
selber möchte ich solches aber nicht sagen, weil es nicht von
so grofser Bedeutung ist, dafs man darauf sein Vertrauen setzen
dürfte. Ich fürchte vielmehr, dafs dadurch der Kaiser über Gebühr
28
darin bestärkt werden könnte, dafs er jene gewöhnlicheren Hilfs-
mittel. vernachlässigt, welche ihm die Dazwischenkünfte der ihm
getreuen Fürsten vielleicht bieten könnten. Auf solche Weise
aber würde die Astrologie ihn in ‚viel gröfsere Nöte ver-
stricken, als ihm jetzt schon bereitet sind.
, Andrerseits will ich Dir, weil Du dem Kaiser treu bist,
ungescheut folgendes sagen, was ich dem Matthias und den
Bóhmen niemals sagen werde, da es mir in Betreff der Mitwir-
kung der Gestirne bei diesen Wirren in vollem Ernst als der
vernünftigen Astrologie gemüfs erscheint, obwohl ich indessen
auch nieht müchte, dafs irgend Jemand sich darauf mit Hinten-
ansetzung der nächstwichtigen Sachlage und der An-
zeichen des Erdenlebens ganz verlasse.“
Hier folgt nun in dem Briefe Kepplers eine nähere
Darlegung der für die damalige Lage zu beachtenden Konstel-
lationen und Anzeichen. Der Brief schliefst dann mit folgenden
Aulserungen :
: » Wenn das alles ein beliebiger Astrologe sähe und in Er-
wägung zôge, und wenn es ihm selber zugleich anheimgegeben
wäre, dem einen von beiden Rat zu erteilen, dann würde er wohl
den Matthias hôchst zuversichtlich, den Kaiser aber angstvoll
machen.
Ich, wie gesagt, glaube nichts weiter anfügen zu sollen. Ich
habe aber dies alles geschrieben und geprüft, damit Du daraus
eine Schätzung entnehmest, welcher Wert dem Prognostikum des
Franzosen zuzuschreiben sei, nämlich in Wahrheit gar keiner.
In Kürze ist es meine Meinung, dafs die Astrologie nicht
blofs aus dem »Senate« verwiesen werden müsse, sondern auch
sogar aus den Seelen derjenigen, welche gegenwärtig dem
Kaiser den besten Rat erteilen wollen, und dafs sie geradezu
von dem Gesichtskreise des Kaisers gänzlich fern gehalten werden
müsse.“
Dieser Brief ist offenbar ein sehr merkwürdiges Beweisstück für
den Geist der Zeit, aber auch für den Geisteszustand, in welchem sich
Keppler selber hinsichtlich des Glaubens an die Gestirne und hin-
sichtlich seiner Pflichten bei der Deutung der Konstellationen befand.
Die Stelle in dem Briefe, in welcher er davon spricht, dafs er dem
Feinden des Kaisers gegenüber die: Ratschliisse der Gestirne nicht
vollkommen sachlich, sondern zu Ungunsten dieser Feinde ansgelegt,
nämlich dasjenige hervorgehoben habe, was die Zuversicht der Geren-
20
partei dämpfen könne, läfst doch erkennen, dafs selbst bei einem so
hervorragenden Manne die strenge Wahrhaftigkeit durch das Pro-
phetentum und durch das damit verbundene Machtgefühl empfindlichen
Schaden genommen. hatte.
Dieser Eindruck kann durch den ganzen sonstigen Wahrheits-
ernst des Briefes nicht verwischt werden.
Est ist bekannt, dafs dem grofsen Astronomen die schwere
Drangsal bereitet wurde, dafs er seine Mutter in Schwaben, die als
eine ungewöhnlich begabte und lebhafte Frau in der damals ge-
bräuchlichen Weise der Hexerei angeklagt worden war und mit Folter
und Tod bedroht wurde, in dieser Not verteidigen mufste, und dafs
es ihm mit Mühe gelang, noch rechtzeitig den schlimmsten Ausgang
des Prozesses zu verhüten. Er wird sich damals in tiefster Seele
nicht verschwiegen haben, welche Mitschuld an jenen gráulichen Ver-
irrungen auch der ,thôrichten Tochter der Astronomie“, wie er später
selber die Astrologie nannte, zur Last fiel, und wie doch auch sein
eigenes Gewissen infolge des Umstandes, dafs das astrologische
Handwerk die Astronomie und auch ihn selber ernühren helfen mufste,
nicht völlig rein geblieben war von gefährlichen Halbheiten und von
unklaren Zugeständnissen an ein Gedankensystem, das sich schliefslich
zu einer grofsen Lüge zuspitzte.
Es sollte ihm noch Gelegenheit gegeben werden, in der Ent-
wickelung seines astrologischen Verkehrs mit Wallenstein die
&ufsersten Thorheiten selber kennen zu lernen, zu denen der Glaube
an jene Illusionen und zu denen die gefállige Wahrsagekunst selber
ganz in dem Sinne meiner obigen allgemeinen Darlegungen geführt
hatte. Man darf wohl sagen, dafs er durch die hierbei gemachten
Erfahrungen doch so vollstándig bekehrt wurde, dafs sein Urteil über
dieses Unwesen gegen Ende seines Lebens an Ernst und Konsequenz
nur wenig zu wünschen übrig lies.
Nur noch leise Vorbehalte blieben schliefslich in diesem Urteil
erkennbar und zwar zu Gunsten der Annahme gewisser, zwischen der
Erdenwelt und den Himmelsbewegungen obwaltender harmonistischer
Beziehungen von überwiegend zahlenmäfsigem und an den Gedanken
von der Harmonie der Spháren* anknüpfendem Charakter. Es gelang
aber Keppler nicht, Wallensteins Überzeugungen entsprechend
zu beeinflussen und denselben hierdurch insbesondere vor den ver-
hängnisvollen Wirkungen einer. astrologischen Ansage zu bewahren,
die in Kepplers Horoskop für Wallenstein enthalten gewesen war.
Da wir den astrologischen Briefwechsel zwischen den beiden
30
Männern und Kepplers Aufzeichnungen zu demselben besitzen, können
wir die merkwürdige Entwickelung dieses Verkehrs fast in allen
seinen Stufen verfolgen. Es würde zu weit führen, auf Einzelheiten
dieser Dokumente einzugehen, doch will ich den wesentlichen Verlauf
dieser Beziehungen in aller Kürze darlegen.
. Wallenstein hatte schon im Jahre 1608 unter Angabe seiner
Geburtszeit in der oben erlüuterten anonymen. Weise ein Horoskop
bei Keppler begehrt, worauf Keppler dem damals 25jihrigen eine
ziemlich vollstándige Charakterisierung seiner bisherigen Erlebnisse,
seiner persónlichen Eigenschaften und seiner zukünftigen Lebens-
Entwiekelung durch denselben Vermittler eingesandt hatte.
Aus gewissen Eintragungen in den darüber noch vorhandenen
Originalberechnungen Kepplers láfst sich als sehr wahrscheinlich
erweisen, dafs auch in diesem Falle die Vorkehrungen zur Wahrung
der Anonymität nicht ausgereicht hatten, sondern dafs Keppler den
Mann, um den es sich handelte, sehr wohl erkannte, wenngleich er
von den Einzelheiten seines bisherigen Lebens vermutlich nur eine
ungefüáhre Kenntnis haben konnte. Jedenfalls hat Wallenstein da-
mals seine Persónlichkeit und seine bisherige Lebens-Entwickelung
in dem Horoskop nahezu der Wahrheit entsprechend dargestellt ge-
funden und von da ab den weiteren Verlauf seines Lebens mit den
Vorhersagungen des Horoskops sorgíáltig verglichen.
Nach 17 weiteren Jahren sandte er dann das Horoskop mit
seinen Bemerkungen hinsichtlich des Eintreffens und Nichteintreffens
an Keppler zurück mit der Bitte, den Versuch zu machen, ob nicht
durch eine „Verbesserung“ der Geburtszeit die beobachteten Fälle
des Nicht-Eintreffens oder nicht genauen Eintreffens vermindert werden
könnten, ohne zugleich die Fälle des Eintreffens zu vermindern. So
hatte nämlich jenes erste Horoskop eine sehr gefährliche Erkrankung
auf das 21. Lebensjahr angesetzt, während dieselbe erst im 22. Jahre
wirklich eingetreten war. Ferner war in dem Horoskop die Heirat
mit einer Wittib, reich an Geld und Gütern, wenn auch nicht schön,
auf das 33. Jahr angesetzt worden, während die Heirat schon im
26. Jahre stattfand. Da aber die Beschreibung der Wittib in dem
Horoskop, wie Wallenstein an den Rand schreibt, zum Sprechen
ähnlich gewesen und damals als eine besonders glänzende Leistung
des Propheten erschienen war, so betrachtete Wallenstein die Ver-
frühung des Zeitpunktes des sonst so zutreffend vorausgesagten Er-
eignisses als ein besonderes Anzeichen, daís vielleicht das Horoskop
durch eine Veründerung der Geburtsstunde den wirklichen Erlebnissen
31
doch noch besser angepafst werden könne. Er meinte, dafs alsdann
die Folgerungen des verbesserten Horoskops auch für die Zukunft
gesichertere Geltung haben würden.:
Eine ühnliche Verschiedenheit, wie bei der vorerwühnten ersten
Erkrankung, hatte sich zwischen dem wirklichen Zeitpunkte einer
späteren sehr ernsten Erkrankung im 37. Jahre und der horoskopischen
Ansage derselben auf das 39. Jahr herausgestellt.
Nun, Keppler empfing das erste Horoskop mit diesen Rand-
bemerkungen und that, natürlich kopfschüttelnd, sein Bestes, um die-
jenigen Verbesserungen der Geburtszeit herauszurechnen, durch welche
die Übereinstimmungen seiner ersten Rechnung mit den Erlebnissen
thunlichst aufrecht erhalten und die Nichtübereinstimmungen ver-
mindert werden könnten. Er fand durch sorgfältige Rechnung, dafs
die Geburtszeit nur um 6!/, Minute später anzusetzen sei, um alles
leidlich in Ordnung zu bringen; aber hierbei hat ihn doch das Ge-
wissen geschlagen, und die Erläuterungen, die er zu diesem Ver-
besserungskalkül und der neuen entsprechenden Fassung des Horo-
skopes hinzuthut, enthalten in der That die schärfsten Verurteilungen
des Unsinns und der Unwahrhaftigkeit eines solchen Anpassungsver-
fahrens. Wiederholt warnt er in diesen Erläuterungen den Wallen-
stein davor, nun an die Einzelheiten dieses neuen Horoskops zu
glauben. „Die >Partikularitäten« des Lebens seien nicht aus dem
Himmel vorherzusagen; sondern alle irdischen Ereignisse náhmen
»ihre Form und Gestalt« aus irdischen Ursachen,“ und er fügt hinzu:
„Diese Art, das Thema (die Geburtszeit) zu korrigieren, sei blofs
gerade so richtig und gerecht, als die Rechnung richtig sei“ (das
heifst also, sie habe keine andere als rechnerische Realität). Er
fühlt sich geradezu gedemütigt dadurch, dafs man ihm eine solche
Verbesserungsrechnung zumute, indem er sagt, es seien der jungen
Astrologen viele, die Lust und Glauben zu einem solchen Spiele
hätten, und wer gern mit sehenden Augen wolle betrogen werden, der
möge ihrer Mühe und Kurzweil sich bedienen. Die Philosophie. —
und also auch die wahre Astrologie — sei ein Zeugnis von Gottes
Wirken und also ein heilig, und gar nit ein leichtfertig Ding, das er
seines Teiles nicht verunehren wolle. Wer überhaupt Antwort auf
solche Fragen (nämlich was.der Himmel über günstige politische und
kriegerische. Umstände aussage) begehre, der habe das Licht der Ver-
nunft, das ihm Gott angezündet, noch nicht recht geputzet. Er seines
Teiles sage Gott Dank, dafs er die Astrologie so viel studiert, ,dafs er
nunmehr vor diesen »Fantaseyen«, welche man in den astrologischen
Büchern häufig finde, gesichert sei.“
39
. Sehr merkwürdig Ætder Gesamteindruck dieser, Erläuterungen
durch "die Art, in welcher "die Kräftigsten Abmahnungen” von dem
Glauben wieder mit zahlreichen astrologischen Details gemischt werden,
die doch immer noch erkennen lassen, wie fest das Spiel mit allge-
meinen Schicksalsdeutungen aus den Konstellationen der Gestirne noch
in der Seele des Astrologen Keppler wurzelt, und wie nur der
grofse Denker und Astronom sich immer wieder dagegen auflehnt.
| Trotz aller Warnungen Kepplers hat das verbesserte Horoskop
offenbar grofsen Eindruck auf Wallenstein gemacht. Am Schlusse
dieses Horoskops wird auf den Mirz 1634 eine Planetenkonstellation
angesagt, in welcher Saturn und Mars eine bedeutsame Rolle spielen.
Keppler selber bringt diese Konstellation, trotz aller seiner voran-
gegangenen Abmahnungen von dem Glauben an solche Dinge, mit
„schröcklichen Landverwirrungen“ in Verbindung und fügt nur hinzu,
dafs wohl zur Zeit (1625) eine soweit hinausreichende Ansage keine
sonderliche Bewegung des Gemütes verursachen werde, Aber nach-
dem Keppler schon gestorben war, hat höchstwahrscheinlich diese
Ansage einen nicht geringen Anteil an gewissen Zögerungen gehabt,
mit denen Wallenstein im Anfang des Jahres 1634 die gefährlichen
Schachzüge seiner ränkevollen Politik betrieb. Wie es scheint, hat
er geschwankt zwischen der Entschliefsung, ob er noch vor dem Ein-
tritte jener „schröcklichen“ Konstellation energisch vorgehen oder
lieber den Vorübergang derselben abwarten solle, und so ereilte ihn
denn am 25. Februar 1634 sein Schicksal. Auch hier hatte die Vor-
aussagung der unheilbringenden Konstellation das Ihrige dazu beige-
tragen, das Unheil herbeizuführen.
Als Schiller die Gestalt des Wallenstein dichterisch erschuf,
waren leider die Quellen noch nicht eröffnet, welche wir jetzt aus
Kepplers Nachlafs zur Beurteilung des Einflusses der Astrologie
auf Wallensteins Gedanken und Entschlüsse besitzen. Nach unserer
jetzigen náheren Kenntnis der übergrofsen Neigung W allensteins,
sich von dem Orakelwesen bestimmen zu lassen, kónnen wir be-
haupten, dafs das Bild, welches Schiller von diesem ungewöhnlichen
Manne gestaltet hat, doch noch stürker idealisiert ist, als man bisher
schon angenommen ‚hatte. Die herrliche Dichtung an sich verliert
dadurch nichts von ihrem Werte; vielleicht aber hätte Schiller,
wenn ihm jenes urkundliche Material bekannt geworden wire, die
Tragik jenes Lebens auch in ihrer zeitgeschichtlichen Bedingt-
heit noch lebendiger und eindrucksvoller erfalst, In Schillers
Braut von Messina sind zwar die tragischen Folgen der Abhängig-
38
keit von dem Orakelwesen die eigentlichen Schicksalsmächte, aber
für den Fluch desselben werden, zum Schaden der Wirkung dieser
Dichtung auf einfache Gemüter, keine ernsten Worte gefunden.
Wir besitzen aber ein anderes dichterisches Meisterwerk, in welchem
dieselbe Tragik, nämlich die übermälsige Abhängigkeit der Menschen
vom Schicksals- und Dämonen-Aberglauben, wie sie für jene Zeit so
charakteristisch ist, in den ergreifendsten Tönen geschildert wird.
Wenn man nämlich Shakespeares Macbeth ganz unbefangen, nicht
moralisch, sondern psychologisch auf sich wirken läfst, so kann gar
kein Zweifel daran sein, dafs Shakespeare in den Gestalten von
Macbeth und Lady Macbeth in grofsen Zügen die furchtbaren Seelen-
nóte geschildert hat, in welche selbst bedeutende und hochgesinnte,
an sich nicht grausame Menschen jener Zeit durch verführerische
Schicksalsprophezeiungen gestürzt wurden. Wenn man beim Lichte
dieser Gesichtspunkte die ganze Entwickelung der Macht- und Mord-
gedanken in dieser Tragódie verfolgt, so erkennt man deutliMh, da/s
Shakespeare jene Tragik vor Augen gehabt hat. —
. Die Weissagungen, die Macbeth ins Verbrechen treiben, sind'
ja keine astrologischen, aber sie gehören doch zu dem ganzen
Trofs dieser Weissagungstechnik; und wenn Lady Macbeth von dem
goldenen Reif spricht, ,mit welchem offenbar das Schicksal und des
Himmels Wunderhilfe Macbeth bekrónen wollen*, so ist diese Wun-
derhilfe nicht auf Gott, der ja mit jenen wahrsagenden Hexen nichts
zu thun hatte, sondern auf die himmlischen Schioksalsmáchte zu
deuten; spricht doch auch Macbeths Brief an seine Gemahlin von
dem mehr als sterblichen Wissen jener Schicksalskünderinnen.
Kaum drei Jahrhunderte trennen uns von der Zeit Shake-
speares und Kepplers. Die Sonne von Kepplers, Galileis und
Newtons.astronomischen und physikalischen Entdeckungen und die
herrliche Aufklàrungszeit des Jahrhunderts 17 haben den Hexenspuk
und den astrologischen Aberglauben aus den leitenden Köpfen der
Kulturvölker gründlich weggefegt, während im Volke, sogar in den
Kulturländern, die Hinneigung zu dem Glauben an Wahrsagerei und
sogar an den ins Menschenleben eingreifenden Einflufs der Gestirne
noch immer weiter glimmte. Bis ans Ende des Jahrhunderts 17 ent-
hielten selbst die offiziellen Kalender noch allerhand Astrologisches,
z. B. die Angaben, wann nach dem Stande des Mondes und seinem
Aufenthalt in den verschiedenen Tierkreiszeichen gut Sehrüpfen und
gut Aderlassen sei und auch jetzt noch giebt es in manchen Lündern
34
Europas Kalender, die solche Angaben enthalten. Auf den Jahr-
märkten werden noch sogenannte Planetenbüchlein verkäuft, welche
in einem gewissen astrologischen Jargon ’abgefalst sind. Bis in die
Voraussagung des Wetters und sonstiger Naturkatastrophen erstreckt
sich auch immer noch die Neigung, dem Monde, als dem Bringer der
Ebbe und Flut, einen übermäfsigen Einflufs zuzuschreiben. Möglicher-
weise werden von dem Monde aufser den Ebbe- und Flut-Wirkungen
in den Ozeanen und denjenigen genau bekannten Störungswirkungen
auf die Lage der Erdachse im Raume, die er mit der Sonne
zusammen hervorbringt, noch kleine Einwirkungen auf das Erden-
leben verursacht, z. B. auf den magnetischen und elektrischen Zu-
stand der Erde, die noch nicht alle deutlich erkannt sind. Eine
irgend merkliche Ebbe und Flut der Atmosphäre bringt er durchaus
nicht hervor. Sein Einflufs auf das Wetter wird also jedenfalls höchst
nebensächlicher Art sein. Aber abgesehen von der Mond-Astrologie,
die selbst in der Wissenschaft hinsichtlich des Wetters noch eine ge-
wisse Rolle spielt, erfährt in den letzten Jahrzehnten in merkwürdiger
Weise gerade in den obersten Schichten der Kulturländer, besonders
der angelsächsischen, der astrologische Schicksalsglaube eine erneute
Belebung, was durch die Verbreitung von hunderttausenden astrolo-
gisoher Schicksalsbücher sowie dureh die kuriosesten Anfragen er-
wiesen wird, die an manche astronomische Stellen gelangen.
Die arme Menschheit schwankt, soweit sie nicht zu ruhiger
Selbstbescheidung in stiller, einfacher Pflichterfüllung und Menschen-
liebe oder auf der Grundlage schlichten und soliden Wissens und
entsprechenden stetigen Thuns zu gelangen vermag, zwischen solchen
mehr oder minder düsteren Träumen hin und her. Man wird dabei
an den schmerzlichen Ausruf erinnert, den Faust, die grofse Ver-
kórperung des bisherigen Schicksals der‘ Menschheit, gegen Ende
seines Lebens thut:
„Könnt’ ich Magie von meinem Pfad entfernen!“
Und wie treffend schildern dann die auf diesen Ausruf folgen-
den Verse die Not jener vergangenen Zeiten:
Nun ist die Luft von solchem Spuk so voll,
Dafs niemand weils, wie er ihn meiden soll.
Wenn auch ein Tag so klar vernünftig lachí
In Traumgespinst verwickelt uns die Nacht;
Wir kehren froh von junger Flur zurück,
Ein Vogel krächzt; was krächzt er? Mifsgeschick.
Zwar ist die Rückkehr solcher Zeiten für die Hóhen der Mensch-
heit, das heifst für die geistig leitenden Menschen, gewils nicht zu
35
befürchten. Immerhin aber bleibt es eine Aufgabe der Menschen-
freunde, in allen Kreisen der Bevölkerung gegen die Trübungen des
Intellektes, wie sie in der Form aller möglichen Urteilsfehler unter
dem Drange der Interessen, Leiden und Leidenschaften noch immer
das ganze Leben der Einzelnen und der Gemeinschaften durchdringen,
mit unablässigem Ernste in allen Stufen der Erziehung zu wirken.
Hierbei kann obiger Rückblick auf die Vergangenheit der ver-
hängnisvollen Verbindung der Himmelskunde mit der Weissagung ge-
wils förderlich wirken. Auch der Pflege einer feineren Gewissen-
haftigkeit innerhalb der Wissenschaft kann ein solcher Rückblick
dienlieh sein. Leichtfertige und tief mifsverständliche Folgerungen
aus der biologisch-wissenschaftlichen Lehre vom Kampfe ums Dasein
liefern z. B. gegenwärtig‘ vielfach das Rüstzeug für die schnüdesten
und kulturfeindlichsten Sophismen im Kampfe der Nationen und
Rassen, gerade wie der grobe Materialismus einer gewissen Epoche
der naturwissenschaftlichen Forschung eine Zeitlang die Ethik der
Heilkunde bedenklich verkümmerte. Sei diesen Verirrungen die einst-
malige Konnivenz der Astronomie gegen den astrologischen Wahn ein
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