16ERNST FRIZZI
Die Eingeborenen leiden an den verschiedensten Krankheiten. Fieber und Kopfweh sind
sehr häufig und zumeist auf Malaria zurückzuführen. Die Leute legen sich an das Feuer, wobei
sie sich denken, daß die Wärme die Krankheit aus ihrem Körper zieht. Krankheiten der Respi
rationsorgane sind sehr verbreitet. Herzleiden schon bei ganz jungen Kindern sind gar nicht
selten. Das intensive Betelkauen, von meist erst in einem Alter von ungefähr 15 Jahren stehenden
Knaben und das fortgesetzte Pfeifenrauchen schon ganz kleiner Kinder, die kaum auf ihren Füßen
stehen können, muß wohl in erster Linie dafür verantwortlich gemacht werden. Dazu ist zu
bemerken, daß der Tabak, den die Eingeborenen pflanzen, noch am unschädlichsten wäre.
Doch können sie nicht genug von dem schweren amerikanischen Stangentabak, welchen man
in Tausch gibt, bekommen. Schließlich begnügen sie sich auch mit Holzkohle, wovon sie
stets ein glimmendes Stück mit sich führen, mit welchen sie jeden Augenblick, um den Brand
in ihrer Pfeife zu erhalten, ein Stück in dieselbe hineinpressen. Beinwunden, anfangs klein
und unbeachtet, nehmen stets durch Schmutz, Fliegen und alle möglichen sonstigen Verun
reinigungen immer größere Dimensionen ein. Ich habe Fälle gesehen, wo sämtliche Zehen
weggefressen oder die ganze Wadenmuskulatur bis auf den Knochen zerstört waren. Syphilis
ist mehr im Norden und da auch nur an der Küste zu beobachten. Ich erinnere mich an einen
kurzen Besuch auf der Insel Luf in den Hermiten. Die letzten Menschen der einstigen dortigen
Bevölkerung, etwa noch 30 Individuen, haben fast alle kein Nasenseptum mehr und machen
einen ungemein traurigen Eindruck. Der Ringwurm, eine Art Psoriasis, bedeckt oft den ganzen
Körper. Schlecht verheilte Knochenbrüche sind häufig zu sehen. Blinde, Taube oder Stumme
gehören zu den Seltenheiten. Weitere Krankheiten sind mir nicht bekannt geworden.
Neben der bereits vorher besprochenen Krankheitsbehandlung durch den Hexenmeister
werden auch Medizinen angewendet, die ihrer Hauptsache nach aus Pflanzen bereitet werden.
Auf die Abtreibemittel komme ich noch in einem anderen Zusammenhänge zu sprechen. Die
selben scheinen durch Abkochen einiger von Puccinia befallenen Graminaeen gewonnen zu
werden. Bankini, eine Pflanze, die man im Busche findet, wird in getrocknetem Zustande zer
stoßen und nachher mit Kokosnußmilch verrührt und gekocht. Der Kranke ritzt mit einem
Bambussplitter seine Haut und vermischt das Ganze mit dem herausträufelnden Blute und
trinkt sodann diese Medizin. Bankini wird in erster Linie zur Heilung des Elephantiasis heran
gezogen. Elephantiasis habe ich nur bei den Telei in einigen leichteren Formen gesehen.
Karanabin ist ebenfalls eine auf ähnliche Art hergestellte Medizin. Manna ist eine Art Salbe
und wird durch Abschaben der menschlichen Haut oder eines Steines gewonnen. In Bambus
rohren gefüllt, wird es nachher gekocht. Nachdem das Zeug erkaltet ist, wird es in einen
Korb geschüttet und je nach Bedarf auf die Haut geschmiert. Es hat eine grüne Farbe und ist von
gelatinöser Konsistenz. Manna heilt Wunden und schützt vor dem Tod. Ähnlich wirken Ko-
tsiduene duri und Bonoba. Wird man in böser Absicht von den vier letztgenannten Medizinen
berührt, so stirbt man. Kampu wird der aus einer Baumrinde, durch Zerreiben derselben er
zeugte Mull genannt. Dieser Baum kommt selten und scheinbar nur in erhöhter Lage vor.
Der Mull wird auf die Stirn gestrichen und soll besonders gegen Kopfleiden nützlich sein.
Der Aberglaube ist besonders stark ausgeprägt. Nur einige Beispiele davon. Nuaku ist
ein Kraut. Wenn man mit demselben ein Fischnetz berührt, fängt man mit demselben keine
Fische mehr, Hunde, die zum Schweinefang gehalten werden, keine Schweine.
Beschmieren des Körpers mit bestimmten Pflanzenstoffen durch den Hexenmeister verleiht
der Haut im Falle der Gefahr Unverletzlichkeit gegen das Eindringen der Pfeilspitzen. In be
sonders günstigen Fällen verfehlt der feindliche Pfeil sogar sein Ziel.
Bei Anwerbung seiner Kinder reibt der um das Leben derselben besorgte Vater deren
Körper mit Blättern ab. Am Schlüsse dieser Prozedur zeigt er einen kleinen schwarzen Käfer
vor, der einen Geist vorstellen soll. Sodann kann man beruhigt darüber sein, daß dem Kinde
kein Unglück zustoßen wird.