BAESSLER-ARCHIV
BEITRÄGE ZUR VÖLKERKUNDE
HERAUSGEGEBEN AUS MITTELN DES B AE S SLE R - INSTITUTS
UNTER MITWIRKUNG DER DIREKTOREN DER ETHNOLOGISCHEN
ABTEILUNGEN DES KÖNIGLICHEN MUSEUMS FÜR VÖLKERKUNDE
IN BERLIN REDIGIERT VON
P. EHRENREICH
BEIHEFT VI
EIN BEITRAG
ZUR ETHNOLOGIE VON BOUGAINVILLE UND BUKA
MIT SPEZIELLER BERÜCKSICHTIGUNG DER NASIOI
VON
ERNST FRIZZI-MÜNCHEN
LEIPZIG UND BERLIN
DRUCK UND VERLAG VON B.G.TEUBNER
1914
DAS BAESSLER-ARCHIV FÜR VÖLKERKUNDE
erscheint in zwanglosen Heften, von denen 6 einen Band von ca. 36 Druckbogen
zum Preise von 20 Mark bilden. Einzeln sind die Hefte zu einem je nach dem
Umfang bemessenen, etwas erhöhten Preise käuflich.
Das Baessler-Archiv ist bestimmt für Arbeiten aus allen Gebieten der Völ
kerkunde mit Ausnahme der reinen Linguistik und physischen Anthropologie.
Seine Hauptaufgabe ist die wissenschaftliche Beschreibung und Verwertung
des in den deutschen Museen aufgespeicherten Materials nach seiner kultur
geschichtlichen und technologischen Bedeutung, doch werden auch soziolo
gische, mythologische, kunst- und religionsgeschichtliche Themata berücksichtigt,
soweit sie zur Erklärung von Museumssammlungen beizutragen geeignet sind.
Dementsprechend ist eine reichliche Ausstattung mit Abbildungen vorgesehen.
Das Honorar beträgt 80 Mk. für den Bogen von 8 Seiten;
außerdem erhalten die Mitarbeiter 50 Sonderabzüge.
Redaktionelle Sendungen, Zuschriften und Anfragen sind zu richten an den Redakteur
Professor Dr. Alfred Maafr, Berlin W, Tiergartenstraße 18 c
Für umfangreichere wichtige Arbeiten werden nach Bedarf
BEIHEFTE
ausgegeben, die besonderen Vereinbarungen unterliegen, und
den Abonnenten zu einem Vorzugspreise geliefert werden.
I. BEIHEFT:
SPRICHWÖRTER UND LIEDER
AUS DER GEGEND VON TURFAN
Mit einer dort aufgenommenen Wörterliste von
ALBERT VON LE COQ
Mi* 1 Tafel. [100 S.] 1911. Geheftet M. 9.—,
für Abonnenten M. 6.75
HL BEIHEFT:
DIE GOLDGEWICHTE VON
ASANTE (WESTAFRIKA)
Eine ethnologische Studie von
RUDOLF ZELLER
Mit 21 Tafeln. [IV u. 77 S.] 1912. Geh. M. 12.-,
für Abonnenten M. 9.-
II. BEIHEFT:
DIE WAGOGO
Ethnograph. Skizze eines ostafrik. Bantustamme*
von HEINRICH CLAUS
Stabsarzt im lnfantcria-Regiment Nr. 48,
früher i. d. Kaiserlichen Schutztruppe för Deutsch-Ostafrika.
Mit 103 Abbild. [IV ti. 72 S.] 1911. Geh. M.8.—,
für Abonnenten M. 6.—
IV. BEIHEFT:
MITTEILUNGEN
OBER DIE BESIEDELUNG
DES KILIMANDSCHARO DURCH
DIE DSCHAQGA UND DEREN
GESCHICHTE
VON JOH. SCHANZ
[IV u. 56 S.] 1912. Geh. M. 8.-, für Abonn. M. 6.-
V. BEIHEFT:
ORIGINAL ODZIBWE-TEXTS
With English Translation, Notes and Vocabulary collected and published by
J. P. B. De JOSSELIN DE JONO
Conservator at the Stale Museum of Ethnography, Leiden.
(IV u. 54 S.] 1912. Geh. M. 6.-, für Abonnenten M. 4.50
BAESSLER-ARCHIV
BEITRÄGE ZUR VÖLKERKUNDE
HERAUSGEGEBEN AUS MITTELN DES BAESSLER-INSTITUTS
UNTER MITWIRKUNG DER DIREKTOREN DER ETHNOLOGISCHEN
ABTEILUNGEN DES KÖNIGLICHEN MUSEUMS FÜR VÖLKERKUNDE
IN BERLIN REDIGIERT VON
P. EHRENREICH
BEIHEFT VI
EIN BEITRAG
ZUR ETHNOLOGIE VON BOUGAINVILLE UND BUKA
MIT SPEZIELLER BERÜCKSICHTIGUNG DER NASIOI
VON
ERNST FRIZZI-MÜNCHEN
2 y.
LEIPZIG UND BERLIN
DRUCK UND VERLAG VON B. G. TEUBNER
1914
■Kgl-UiiivJibl,
Berlin
ALLE RECHTE, EINSCHLIESSLICH DES ÜBERSETZUNGSRECHTS, VORBEHALTEN.
EINLEITUNG.
Im Jahre 1911/12 habe ich eine Studienreise unternommen, die mich über Ägypten, Indien,
China und Japan schließlich in das deutsche Schutzgebiet der Südsee führte, von wo aus ich
über Australien wieder nach Europa zurückgekehrt bin.
Die folgenden Blätter enthalten kurze ethnographische Aufzeichnungen aus Bougainville
und Buka, wo ich mich von Anfang Juli bis Ende Dezember 1911 aufgehalten habe.
Mit ihrer Herausgabe hoffe ich demjenigen Forscher, der ebenfalls das von mir bereiste
Gebiet besuchen will, mancherlei Anhaltspunkte geben zu können. Ein Museumssammler, dem
darangelegen ist, viele Kisten, möglichst mit musealen Prunkstücken zu füllen, wird in Bougain
ville nicht mehr auf seine Kosten kommen. Diese Zeiten sind vorüber. Hingegen wird man von
einer rasch dahinschwindenden geistigen und materiellen Kultur noch manches retten können, was
bei der großen Abgeschlossenheit der dortigen Eingeborenen sich stets sehr lohnen wird. Die
die Küsten bewohnenden Volksstämme sind bereits einigermaßen bekannt, das zum größten
Teil noch völlig unbekannte und sehr gebirgige Innere des Landes sollte schon im Interesse
der Erschließung der Inseln für die Kolonisation eingehend nach allen Richtungen hin er
forscht und untersucht werden.
Bei meiner Reise haben mir die gütigst ausgestellten Empfehlungsbriefe der königlich
bayerischen Akademie der Wissenschaften und des K. Reichskolonialamtes in Berlin überall in
dankenswerter Weise die Wege geebnet. Die stets wohlwollendste Interessennahme meines
hochverehrten Lehrers, Herrn Geheimrat Prof. Dr. J. Ranke, hat meine Reise ganz besonders ge
fördert. In der Südsee habe ich dem kaiserlichen Gouverneur Sr. Exzellenz Herrn Dr. Hahl
in Rabaul, sowie dem kaiserlichen Stationsleiter Herrn Doellinger in Kieta für deren vielfachen
Ratschläge und Unterstützungen in erster Linie meinen besten Dank auszusprechen. Die katho
lischen Missionäre der Societas Mariae haben sich meiner auf der ganzen Insel freundlichst
angenommen. Insbesondere haben mir Herr Pater J. Rausch in Koromira und Herr Pater
J. Grisward in Buin während des größten Teiles meines Aufenthaltes in liebenswürdiger Weise
Gastfreundschaft gewährt, wofür ich beiden Herrn recht herzlich danke. Schließlich möchte
ich nicht verfehlen, auch der Direktion des Norddeutschen Lloyd für Ermäßigung der Passage
auf meinen Reisen und Frachtsätze zu danken.
Der Kürze meines Aufenthalts entsprechend, kann ich über dieses Inselgebiet nur in
ganz fragmentarischer Form referieren. Auch war ich ganz allein auf mich angewiesen und
habe mich in der Hauptsache auf anthropologische Beobachtungen konzentrieren müssen. Zur
Beschaffung meiner ethnographischen Sammlungen standen mir nur ganz bescheidene private
Mittel zur Verfügung. Trotzdem Ethnographika nur nebenbei gesammelt werden konnten, glaube
ich doch alles Wesentliche, was heute noch im Gebrauche steht und von den Eingeborenen
angefertigt wird, erworben zu haben. Auf Unbekanntes bin ich nicht gestoßen. Meine kurz
beschreibenden Besprechungen der gesammelten Ethnographika sind gewissermaßen als eine
Ergänzung und Bestätigung der Arbeit von Fritz Krause (Zur Ethnographie der Insel Nissan,
Jahrbuch des städtischen Museums für Völkerkunde zu Leipzig, Bd. I, S. 44-159, 1906), aufzu
fassen. Was Krause darüber von der Insel Nissan schreibt, die geographisch noch zu dem
Gebiete der Salomo-Inselgruppe zu rechnen ist, findet sich fast durchweg alles auch auf Bou
gainville und Buka.
1*
Mein Plan, möglichst auch in
das Innere des Landes einzudringen,
konnte nur teilweise durchgeführt
werden. So gelang es mir als erstem
Europäer, in das Hinterland der Telei
bis zu den Oiai, im Hinterlande der
Nasioi bis zu den Kongara, vorzu
dringen. Diese Reiseroute habe ich
beschrieben in meinen „Reiseein
drücken aus Buka und Bougainville“.
(Mittheilungen der geographischen
Gesellschaft in München, VIII. Bd. 4.
Heft S. 484—490, 1913). Das Innere
von Bougainville ist fast vollkommen
unbekannt. Ich sehe von der Durch
querung Bougainville’s von Osten
nach Westen, welche G. Friederici
und K. Sapper (Eine Durchquerung
von Bougainville. Mitteilungen aus
den deutschen Schutzgebieten. 23. Bd.
S. 206-217, 1910), beschreiben, ab,
da diese Expedition nicht die Er
forschung der Inlandstämme zum
Zwecke hatte. Auf eine Tour im
Nasioigebiet zu den Mangota mußte
ich wegen eines achttägigen fast
ununterbrochenen Regens verzichten.
Ein Vordringen zu den Gebirgs-
stämmen im Gebiete der Numa-Numa mußte ich wegen der feindlichen Haltung der dortigen Eingebo
renen unterlassen. Meine Routen sind in schwach ausgezogenen Linien in der Karte (Fig. 1) eingetra
gen. Ebenso habe ich darin versucht, die einzelnen Stämme gegeneinander, natürlich nur ganz sche
matisch, abzugrenzen. Das Terrain ist derart, daß meist direkt von der Küste aus, zu mindesten aber
wenige Stunden von derselben aus schon die Steigungen beginnen, was durch die zwei großen
Gebirgsstöcke, welche die Insel der Länge nach durchziehen, dem Kronprinzengebirge im Süden
und dem Kaisergebirge im Norden von Bougainville, seine Erklärung findet. Ein ewiges Bergab
und Bergauf erschwert derartige Touren ungemein. Bevölkert scheint das Gebirge aber trotz
dem recht gut zu sein. Ich habe wenigstens im Gebiet der Oiai und Kongara niemals weiter
auseinander liegende Dörfer gefunden, als höchstens 5-6 Wegestunden. Die Dörfer selbst
waren stets ziemlich dicht bevölkert. Das Kongaradorf Uidana, 1020 m höher als Koromira
gelegen, war der höchste Ort im Gebirge, den ich von Menschen besiedelt gefunden habe.
Schätzungsweise kann man wohl annehmen, daß auf Bougainville, dieser Insel von annähernd
10000 qkm Fläche, mehr als 50000 Eingeborene leben.
Die klimatischen Verhältnisse halte ich für recht gut. Eine eigentliche Regenzeit gibt es
nicht. Nach den Mitteilungen aus den deutschen Schutzgebieten betrug die Regenmenge, die
in Kieta gemessen wurde, im Jahre 1908 in Summa 3042 mm, im Jahre 1909 4392 mm, im
Maximum in 24 Stunden im Jahre 1908 1.12 mm, im Jahre 1909 166 mm. Disse Zahlen legen
Zeugnis von den großen Schwankungen der Regenmengen in den einzelnen Jahren einerseits
und von der Stärke der Niederschläge andererseits ab. Die Temperaturen sind ziemlich konstant.
Beobachtungen, die ich in Koromira in einem Blätterhaus, das mir als Wohnraum diente,
Fig. 1.
EIN BEITRAG ZUR ETHNOLOGIE VON BOUGAINVILLE UND BUKA 3
zur Zeit meines Aufenthalts täglich gemacht habe, ergeben: Schwankungen um 6 Uhr morgens
von 22° C. bis 26° C., um 12 Uhr mittag von 26° C. bis 35° C., um 6 Uhr nachmittag von 24° C.
bis 32° C. und um 9 Uhr abends von 23° C. bis 28° C. Die Wärme wird kaum als unangenehm
empfunden. Die mit Feuchtigkeit gesättigte Luft hingegen, wirkt, besonders zu Zeiten voll
kommener Windstille, ziemlich erschlaffend.
Die Insel wird von sechs Volksstämmen bewohnt (Fig. 1); von den Telei, Nasioi, Numa-Numa,
Upi, Buka, zu denen sich an einzelnen Küstenpunkten noch die von den englischen Salomo
inseln eingewanderten Alu hinzugesellen. Die fünf erstgenannten Stämme zerfallen in Küsten-,
Vorgebirgs- und reine Gebirgsstämme. Zu den reinen Küstenbewohnern gehören nur die Alu,
zum Teile die Numa-Num, Upi und Buka (vgl. Frizzi, E., Kurze Vorbemerkungen über meine
Reise in Bougainville und Buka, Korr.-Blatt der deutschen Gesellschaft für Anthropologie,
E. und M., XLIII. Jahrg. Nr. 7/12, 1911. Die Nasioi und Telei haben sich fast ausnahmslos in
die Vorgebirge zurückgezogen, sind aber in wirtschaftlicher Beziehung noch auf das Meer
angewiesen. Unter den reinen Gebirgsvölkern, von denen ich die Oiai und Kongara bereits
erwähnt habe, gehört es meist zur Ausnahme, daß einzelne Mitglieder davon das Meer über
haupt je in ihrem Leben zu sehen bekommen. Jede der sechs Hauptstämme sprechen eine
andere Sprache, die zu den Hauptstämmen gehörigen Gebirgsstämme einen besonderen Dialekt.
Die Nasioi und Telei gehören sprachlich dem reinen papuanischen Sprachstamme an. Die
Buka bedienen sich eines melanesischen Idioms. Die Alusprache, die der Upi und Numa-Numa
scheint ein Gemisch von beiden zu sein, doch läßt sich unschwer erkennen, daß das melane-
sische Element die Grundlage dieser Sprache bildet. Ich fuße hierin ausschließlich auf den
diesbezüglichen Studienergebnissen von P. W. Schmidt. (Neuentdeckte Papuasprache von den
Salomonsinseln. (Bougainville) Globus, Bd. XCV, S. 206-207, 1909,). Eingehender studiert ist
nur die Sprache der Telei und Nasioi. Die der Nasioi von P. J. Rausch (Die Sprache von
Südost-Bougainville, deutsche Salomon-Insel, Anthropos, Bd. VII, S. 105-133, 585-616 und
964—994, 1912) und die Teleisprache von P. J. Grisward (Note grammaticale sur la Langue
de Telei Bougainville lies Salomones, Anthropos, Bd. V, S. 82—84 und 383-406, 1910). Eine
Grammatik der Teleisprache von R. Thurnwald ist im Druck. Auf das ausgezeichnete, drei
Bände umfassende Werk von R. Thurnwald („Forschungen auf den Salomo-Inseln und dem
Bismarck-Archipel, Verlag von D. Reimer, Berlin 1912), das erschienen ist, als ich diese Arbeit
bereits abgeschlossen hatte, möchte ich hinweisen. In demselben werden die Bewohner von
Süd-Bougainville besonders eingehend behandelt. Der 2. Band befaßt sich mit der Sprache.
Aus diesen kurzen Andeutungen geht hervor, daß es erst wenige Bruchstücke sind, die wir
über Bougainville in den Händen haben. Es ist daher unmöglich, jetzt schon ein zusammen
fassendes Bild von dieser Insel geben zu können. Wenn die Verhältnisse in Bougainville
und Buka später einmal durch jahrelange und vielseitige Erforschung genügend geklärt sein
werden, werden diese Zeilen, hoffe ich, als eine willkommene Ergänzung in das Ganze
eingefügt werden können. Alle folgenden Mitteilungen und insbesondere die jeweilen hinzuge
fügten Bezeichnungen in der Eingeborenensprache beziehen sich ausschließlich auf die Nasioi.
In allen anderen Fällen wird auf die Provenienz besonders aufmerksam gemacht.
SAGEN.
ÜBER DIE ENTSTEHUNG DER KOKOSPALME.
Ein Mann mit Namen Memetu fing immer viele Fische im Meere, während die andern
Burschen von seinem Orte im Gebiete der Numa-Numa nicht von demselben Glück begünstigt
waren. Eines Tages verirrte Memetu sich im Walde und kam auf Geisterwege, wo er von
zwei Geistern (Paro) angesprochen wurde. Diese äußerten ihm gegenüber den Wunsch
auch Fische fangen zu wollen. Memetu antwortete ihnen darauf: Vor einiger Zeit hätten die
Fische das Wasser verlassen, und er selbst könne jetzt auch keine fangen. Die Geister glaubten
aber seinen Worten nicht, wollten sich hingegen selbst davon überzeugen, und da sie des
4 ERNST FRIZZI
Fischens unkundig waren, ertranken sie im Meere. Vögel (Koki)} welche die beiden Geister
beobachtet hatten, bekamen Mitleid mit denselben und flogen heran und stachen ihnen mit
ihrem Schnabel den Bauch auf. Sogleich konnte das Wasser ablaufen und die beiden sich wie
der heimbegeben. Nun wußten sie aber, daß es viele Fische im Meere gäbe und Memetu sie be
logen hatte. Sie wollten ihn daher töten und nachher aufessen. Als sie in dieser Absicht zu
ihm kamen, erkannte Memetu sofort die Gefahr und suchte durch eine List sich zu retten. Als
die Geister sich ihm näherten, kochte er gerade ein Schwein in seinem Topfe und er lud die
beiden Geister ein, an seiner Mahlzeit teilzunehmen. Sie ließen sich diese gut schmecken.
Doch wußten sie ebensowenig Schweine wie Fische zu fangen. Sie frugen daher Memetu, wie
er es denn anstelle, wenn er ein Schwein fangen wolle. Er gab ihnen zur Antwort, man muß
auf einen Baum steigen und warten bis ein Schwein unten vorbeikomme. Von oben herab
könne man es ganz gut fangen. Die Paros befolgten diese Weisungen, fielen dabei aber vom
Baume. Sie sahen sich abermals belogen und wollten daher die schon vorher geplante Rache
nehmen. Als sie zu Memetu abermals in dieser Absicht kamen, hatte sich dieser mit einem
schönen Hute geschmückt und sein Gesicht war mit Farbe reich bemalt. Das gefiel den Gei
stern sehr und sie wollten wissen, woher er das habe und wozu es diene. Memetu, darauf
vorbereitet, antwortete: Das sei auch zum Schweine fangen nötig. Er entschuldigte sich, dies
vorher zu sagen vergessen zu haben. Die Geister glaubten wieder sofort seinen Worten und
nun holte Memetu zu einer ganz großen Lüge aus, um sich der Geister endgültig zu entledigen.
Es muß hinzugefügt werden, daß die beiden Geister ihn bei sich festhielten und er, solange
dieselben am Leben blieben, wenig Aussicht hatte, sein heimatliches Dorf wiederzusehen, da
ihm der Weg in dasselbe zurück nicht bekannt war. Nur wenn er die Geister belehrt hätte,
wie man Fische und Schweine fängt, würden ihn dieselben den Weg in seine Heimat gewiesen
haben. Er wollte aber sein Geheimnis nicht preisgeben und zog es daher vor, dieselben
aus dem Leben zu schaffen. Er sprach zu ihnen: Ihr seht hier den großen Topf über dem
Feuer hängen, in dem ich eben mein Schwein gekocht habe. Aus diesem Topf habe ich aber die
Sachen, die euch so gut gefallen, kurze Zeit vorher erst herausgeholt. Wenn ihr nun auch diese
Dinge wollt, müßt auch ihr in den Topf steigen und wenn ihr drinnen seid, will ich euch das Weitere
angeben. Kaum waren die Geister in dem Topf, so schürte Memetu das Feuer mächtig an. Den
Geistern wurde es gewaltig heiß und sie schrieen laut. Memetu sprach: Sucht Hut und Farbe
und schmückt euch damit. Er verschnürte den Topf mit Palmenblättern und die Geister ver
brannten in demselben. Memetu stieg nun auf einen hohen Baum. Da sah er viele Orte rings
umher, und auf diese Weise fand er sich wieder zurecht und gelangte glücklich nach seinem
heimatlichen Dorf. Seine Frau Tubuani, welche ihn schon für tot gehalten hatte, da er so lange
von Hause fortgewesen ist, war hocherfreut ihn wieder zu sehen. — Nachdem Memetu fünf Monate
zu Hause geblieben war, wollte er wieder den Ort sehen, wo er die Geister verbrannt hatte.
Groß war aber sein Erstaunen, dort nun zwei ihm völlig unbekannte Gebilde, zwei kleine Ko
kospalmen, vorzufinden. Als er ungefähr ein Jahr darauf diesem Ort abermals einen Besuch
abstattete, waren es bereits stattliche Bäume und viele Nüsse lagen auf der Erde umher. Dazu
muß ich bemerken, daß die Geschichte hier sehr kurze Zeiträume annimmt; denn von der
Pflanzung der Kokosnuß bis zu deren Ertrag verstreichen mindestens 5 Jahre. Memetus Hund,
den er diesmal mitgenommen hatte, bellte die ihm ebenfalls unbekannten Nüsse an, weshalb
sie von den Eingeborenen Mau genannt werden. Der Hund fraß von der Nuß. Memetu ver
suchte ebenfalls davon und brachte auch seiner Frau einige Kokosnüsse mit nach Hause. Auf
diese Weise verbreitete sich der Genuß der Kokosnuß auf der ganzen Insel. Nur wenige Plätze
im Inneren des Landes sind davon ausgenommen. Es scheinen diejenigen Orte zu sein, wo
den Palmen in der Luft der nötige Salzgehalt fehlt.
Über die Entstehung der Kokospalme geht unter den Eingeborenen noch eine andere Sage.
Dieselbe weicht teilweise von der von mir aufgenommenen ab. Deshalb möchte ich dieselbe
EIN BEITRAG ZUR ETHNOLOGIE VON BOUGAINVILLE UND BUKA 5
wiedergeben, wie sie in der Missions
zeitschrift „Kreuz und Charitas“ (Mep
pen 17. Jahrgang, Nr. 1, S. 7 1908) ab
gedruckt ist. „Eine Mutter mit Namen
Sikouna weigerte sich eines Tages ihren
beiden Söhnen Komarara und Koma-
kiki das Essen zu bereiten. Darob ge
rieten die Söhne in heftigen Zorn und
töteten ihre Mutter. Als sie den Leich
nam verbrennen wollten, hörten sie die
Stimme der Mutter, welche sagte: Ver
brennet meinen Leib; mein Herz nehmet
aber vorher heraus und leget es in die
Erde, und um die Stelle, der ihr es an
vertraut, errichtet einen Zaun. Die Söhne
taten wie ihnen die Mutter befohlen
hatte. Und siehe ein Baum, wie sie noch
keinen gesehen, entsproß dem Herzen ihrer Mutter. Sie versuchten die Blätter, aber sie waren un
genießbar. Der Baum fing an zu blühen, sie versuchten die Blüten, aber auch sie waren nicht
genießbar. An Stelle der Blüten traten kleine Nüsse. - Wir wollen sie lassen, sagten sie,
bis sie größer geworden sind. Als sie die Dicke eines Kinderkopfes erreichten, pflückten sie
eine, brachen sie auf und fanden das Innere mit einer Flüssigkeit angefüllt. Sie tranken von
derselben und fanden sie sehr wohlschmeckend und sie freuten sich sehr. Die übrigen Nüsse
ließen sie hängen, bis sie gänzlich reif herunterfielen. Wieder brachen sie eine auf und fanden
in ihr einen wohlschmeckenden Kern. Sie verbargen nun die Nüsse im Walde, wußten aber
nicht, wie sie dieselben nennen sollten. Da kam ein Hund vorbei. Er sah die Nüsse und
sagte: Wie gerne wollte ich diese Kokosnüsse fressen, wenn ich sie nur aufbrechen könnte.
Jetzt war ihnen der Name bekannt. Es sind Kokosnüsse, Kokosnüsse! wiederholten sie. Die
Nüsse wuchsen zu Bäumen und trugen Früchte, die man nach allen Ortschaften der Insel brachte.“
Eine weitere Sage habe ich über den Ursprung der Kalipnuß erfragen können.
Kiara heiratete die Damurei, die Tochter der Barabatsia, eines weiblichen Geistes, gegen
den Willen der Mutter, Damurei, welche ihren Mann sehr liebte, warnte ihn vor ihrer Mutter,
da dieselbe Männer zu töten verstehe. Sie sprach zu ihm: Wenn meine Mutter kommen will,
um dich zu töten, graben wir ein Loch, in das sie hineinfällt. Wenige Tage darauf, als sie
das Loch gegraben hatten, kam die Barabatsia und schrie schon von weitem nach ihrer Tochter,
die sie wieder zurückhaben wollte. Da diese aber nicht freiwillig kam, blieb ihr nichts an
deres übrig, als sich in das Haus ihres Schwiegersohnes zu begeben. Vermittels einer Leiter
wollte sie in dessen Wohnung gelangen. Die Leiter war aber nur mit einem dünnen
Strick an dem Hause befestigt. SO brach und Barabatsia fiel in die darunter befindliche
große Grube, aus der sie nicht mehr herauskonnte. Nun kamen alle Männer aus der Umgebung
und erschlugen das böse Weib. Aus ihrem Auge, so berichtet die Sage, wuchs der Kalipbaum.
Zwei Geschichten, wie das Sing-sing entstanden ist, möchte ich so, wie mir dieselben er
zählt wurden, wiedergeben. Unter sing-sing versteht man eine Art lokales Volksfest, bei dem
viel gegessen und getanzt wird (Fig. 2). Die Nasioibezeichnung für den Tanz, den die Männer auf
führen, ist Kobi. Wenn derselbe ausschließlich von Frauen ausgeführt wird, wird derselbe Kena
genannt. Ich werde in einem anderen Zusammenhänge noch darauf zu sprechen kommen.
I.
Einem Kinde starb die Mutter und der Vater. Es kam zu bösen Pflegeeltern, wo es schlecht
behandelt wurde. In seiner Not begab sich das Kind nach dem Tutueu, dem Aufenthalt der
Fig. 2. Festlich geschmücktes Haus zur Feier eines sing-sing. Der Schmuck,
bestehend aus Kokosnüssen, Bananen, Taro usw. Diese Früchte und einige
Schweine + werden nach Beendigung des Festes unter die Mitwirkenden verteilt.
6 ERNST FRIZZI
Verstorbenen, um seine Eltern zu suchen. Es kam zu dem Flusse Oropera und konnte nun
nicht hinüber. Auf der anderen Seite des Flusses sah es eine Menge der verstorbenen Seelen.
Seine Eltern konnte es nicht entdecken. Es wurde aber von seiner Mutter erblickt, welche
erfreut, ihr Kind zu sehen, über den Fluß kam. Doch die Mutter hatte große Angst für das
selbe, denn wenn es die bösen Geister sehen, würden sie es töten. Sie sprach daher zu ihrem
Kinde: Warte bis es Nacht geworden ist, dann will ich dich mit mir nach Hause nehmen. Denn
bei Tag darf ich das nicht tun, die bösen Geister würden dich töten, wenn sie merken, daß
du nicht gestorben bist. Als die Mutter nachts ihr Kind zu sich ins Haus brachte, kamen alle
Geister in große Aufregung, denn sie vermuteten sofort, das ein lebendes Kind auf Besuch
seiner toten Eltern sich in deren Hause befinden muß. Die Geister umstellten das Haus und
sprachen: tsimate? (es starb?). Vater und Mutter aber sprachen: matesiu (es starb nicht).
Große Angst erfüllte nun die Eltern, die Mamari, eine Art böser Geister, würden das Kind
lebend verzehren. Sie sorgten daher dafür, daß das Kind wieder zurückkehre. Sie gaben ihm
eine Bambusflöte, welche damals noch nicht bekannt war und lehrten dem Kinde auch das
Spiel auf dieser. Sie schärften demselben ein, unterwegs darauf keinen Lärm zu machen,
sonst würde es dadurch die Geister anlocken und sich auf diese Weiss der Gefahr aussetzen,
von denselben getötet zu werden. Erst wenn du zu Hause bist, sagten sie, darfst du auf der
Flöte spielen. Das Kind befolgte aber diesen Ratschlag nicht und probierte die Flöte schon
vorher. Die Geister kamen und nahmen dem Kinde das Instrument weg. Dem Kinde selbst
taten sie aber nichts zu leide. So wäre jedenfalls das Flötenspiel auf der Erde nicht bekannt
geworden, ohne dasselbe ist das sing-sing jetzt undenkbar, wenn nicht eine andere Begeben
heit, von der die zweite Geschichte berichtet, sich zugetragen hätte.
II.
Baitsinani und seine Frau Bari suchten nach Fischen im Meere. Da kam der Bruder des
Baitsinani namens Tebu hinzu und entbrannte in heißer Liebe zu seiner Schwägerin. Baitsinani
sah dies und wurde darüber sehr traurig. Er dachte aber dabei an nichts Schlimmes. Die
beiden anderen hielten sich im Wasser versteckt und begingen einen Ehebruch. Als die Frau
zu ihrem Manne zurückkehrte, sah er Blut an ihrem Körper und auf seine Frage legte ihm
Bari ein Geständnis ab. Baitsinani beschloß nun, sich an seinem treulosen Bruder zu rächen.
Er bat seinen Bruder, ihn zu diesem Zwecke auf einer Kahnfahrt zu begleiten. Derselbe wil
ligte ein, und sie fuhren hinaus auf das offene Meer. Als sie soweit waren, nahm Baitsinani
eine Kokosnus, um sich zu erfrischen. Er spaltete sie mit einem Messer und ließ eine Hälfte
davon, wie aus Versehen, in das Wasser fallen. Daraufhin sprang Tebu ins Wasser, um
wieder herauszuholen. Diesen Augenblick benützte der betrogene Ehemann, um eilends davon
zu rudern. Doch zu Tebu kam ein Fisch geschwommen und sprach zu ihm: Wenn du mir
ein Stück von deiner Kokosnuß gibst, will ich dir helfen, daß du unversehrt an die Küste
zurückkommst. Das geschah. Als der erste Fisch ermüdet war, wurde derselbe von einem
zweiten Fisch abgelöst, dem Tebu für seine Hilfeleistung ebenfalls ein Stückchen von seiner
Nuß zu essen gab. Auch eine Schildkröte nahm sich des Tebu an. So wechselten oftmals die
Tiere des Meeres, und Tebu gelangte glücklich wieder ans Land. Er ging zu seiner Mutter
Murauna, die aus Freude über die glückliche Rettung ihres Sohnes den Fischen zu Ehren ein
großes Festessen veranstaltete. Viele Schweine wurden geschlachtet und den Fischen vorge
setzt. Nachdem die Fische sich so reichlich bewirtet fanden, ergriffen sie zum Erstaunen der
Eingeborenen ihre Bambusflöten und begannen zu diesem eigenartigen Flötenspiel einen nicht
minder wunderlichen Tanz aufzuführen. So lernten die Eingebornen das Flötenspiel und den
Tanz kennen, und so erklärt man sich auch das dabei eigenartige Wippen und Nicken, welches
diesen Tanz auszeichnet.
EIN BEITRAG ZUR ETHNOLOGIE VON BOUGAINVILLE UND BUKA 7
WIE DER BETELBAUM, DIE KALKBÜCHSE
UND DAS BETELKAUEN ZUSTANDE KAM.
Murato erschlug seine Frau Namuentsi.
Darauf verbrannte Murato ihren Leichnam. In
der übrig gebliebenen Asche fanden sich Be
telnüsse und eine Kalkbüchse vor. Murato, der
ein Diener des Bakokora war, frug seinen
Herrn, was das zu bedeuten habe. Bakokora
hieß ihn Muscheln und Korallen aus dem Meere
holen, sie zerreiben und in die Kalkbüchse tun.
Daraufhin begann der Bakokora, den Men
schen das Betelkauen zu lehren. Er fügte aber
hinzu, es beiße gewaltig im Munde und warnte die Menschheit auch vor übermäßigem Genuß.
WIE DER HUND ENTSTAND.
Zwei Opossums wollten sich gegenseitig schön machen. Das eine kämmte und kräuselte
das Haar des anderen. Dieses nun wollte aber nicht, daß noch ein zweites Tier ebenso schön
sei. Unter dem Vorwand, das andere aber noch schöner machen zu wollen, zog es nun dessen
Nase, Ohren, Füße und Schwanz mächtig in die Länge. Als es fertig war, sprach es: Besieh
Dich doch im Wasserspiegel, wie schön Du nun bist. Wohlweislich floh es aber vorher auf
einen Baum. So kam der Hund zustande.
RELIGIÖSE VORSTELLUNGEN.
Es läßt sich unter keinen Umständen in Abrede stellen, daß die Nasioi sehr weitgehende
religiöse Vorstellungen haben. Wenn man sich zwecks ihrer Aufnahme an primitive Völker
wendet, die bereits mit Missionen in Berührung gekommen sind, muß man dabei immer große
Vorsicht üben. Diese muß umso größer sein, je länger bereits die Berührung zurückgeht und
je größer der ursprüngliche Vorstellungskreis gewesen war. In Bougainville haben sich zuerst
vor neun Jahren die Missionäre in Kieta niedergelassen und jedes neue Jahr bringt uns dort
auch eine neue Missionsstation. Sehr schnell gewinnt der Missionär daher dort an Einfluß,
der umso größer ist, als er ja täglich mehr und mehr in Kontakt mit den Eingeborenen tritt.
Für die Kulturarbeit, die da zu leisten ist, kann man diese Tatsache nur mit Freuden begrüßen.
Für den Forscher aber ist dies nur mit gewisser Einschränkung der Fall. Pflicht und Beruf
des Missionäres ist es, in seinem Geiste die Eingeborenen heranzuziehen. Wie weit sich unsere
Hoffnungen, daß Missionäre, wenn sie die alten religiösen Vorstellungen verdrängen, diese Vor
stellungen der Wissenschaft zu erhalten, sich verpflichtet fühlen sollten, erfüllen werden, ent
zieht sich meinem Urteil. Die Anregung ist gegeben, deren Erfüllung wird hoffentlich kein
frommer Wunsch bleiben.
Die oberste Gottheit bei den Nasioi heißt Kumponi. Sein Sohn ist der Bakokora und dessen
Mutter die Tanutanu. Nach der Frage, woher diese und alle Gottheiten, deren es eine Unzahl
gibt, stammen, bekam ich zur Antwort, aus der Erde, die auch Kumponi erschaffen hat.
Viele Geister, gute und böse, Manari und Paro, männlichen und weiblichen Geschlechtes
sind bekannt. Ein Tempel, Lontoro genannt (Fig. 3), nichts weiter als ein kleines niederes Blätter
häuschen wurde mir gezeigt. Wenn mir nicht auch der Priester Kanoko und die Priesterin
namens Lekau bekannt wären, würde ich dieser in diesem Gebiete bisher völlig unbekannten
Tatsache keinen Glauben beimessen können. Im Innern des Tempels konnte ich nichts weiter
als ein paar Kokosnüsse, einige vertrocknete Bananen und Taro, die auf der Erde herumlagen
und offenbar als die Reste einer Opfergabe (pareka) aufzufassen sind, bemerken. Auch
Fische und das Opossum werden als Opfer dargebracht. Die Opferdarreichung scheint vor-
Baessler-Archiv, Beiheft vi: E. Frizzi, Ein Beitrag zur Ethnologie von Bougainville u. Buka. 2
Fig. 3. Tempel (Lontoro).
8 ERNST FRIZZI
nehmlich an die Vollmondzeit gebunden zu sein. Alle diese Dinge werden streng geheim
gehalten, und ich konnte nichts Bestimmteres darüber erfahren. Der Priester und die Priesterin
gehören merkwürdigerweise zu den eifrigsten sonntäglichen Kirchenbesuchern in der katho
lischen Missionsstation zu Koromira. Sehr oft kommt gerade von dieser Seite die heftigste
Abwehr bei Missionsneugründungen, da den Heidenpriestern naturgemäß von dieser Seite zu
meist gewissermaßen der Lebensfaden und damit ihr Ansehen und ihre ganze Existenz abge
schnitten zu werden droht. Dies dürfte auch dort wohl stets zutreffen, wo derartige Stellungen
sozial höher bewertet und auch mit besonderen Einnahmen verknüpft hind. Doch der Priester
und die Priesterin hier leben ausschließlich von den Erträgen ihrer Pflanzungen. Beide haben
sich mir gegenüber dahin ausgesprochen, daß Kumponi und der Gott der Christen wohl ein
und dieselbe Person sind, nur anders bezeichnet werden. Kumponi lebt teilweise unter, teil
weise auf der Erde, niemals aber wird sein Wohnsitz in den Himmel verlegt gedacht. Aus
diesen und folgenden Bemerkungen läßt sich allerdings die Vermutung nicht ganz von der
Hand weisen, ob die Eingeborenen nicht schon früher einmal, wenn auch nur ganz flüchtig
und vorübergehend, mit der christlichen Lehre irgendwie vertraut worden sein könnten. Die
Frage nach dem Ursprung Kumponis wurde mir dahin beantwortet, daß er als das, von Ewig
keit her bestehende höchste Wesen verehrt wird. Obwohl Kumponi, wie man mir jetzt sagt,
- was unzweifelhaft auf moderne Beeinflussung hinweist - sich überall aufhält, war sein
Wohnsitz vor Zeiten an ganz bestimmte Lokalitäten gebunden. Der ursprüngliche Wohnsitz
Kumponis war in Denai auf dem Berge Tsiorai etwa zwei Stunden westlich landeinwärts von
Koromira aus gelegen. Große überhängende Felsblöcke, die noch heute zu sehen sind, sollen
zu dessen Aufenthalt gedient haben. Der größere wird Pavarobe (Pava = Haus) der kleinere
Pavnava genannt. Kumponi fertigte aus Steinen verschiedene Modelle an, die mir auch gezeigt
wurden. So möchte ich besonders ein Bootsmodell erwähnen, welches die Eingeborenen Piru-
novua dekapu mora benennen und was übersetzt etwa heißt „für das Meer ausgehauen er
hat“. Ferner wurden mir gezeigt drei kleine abgerundete Steine (Tsi para), die eine Feuerstelle
darstellen sollen, ein vierter etwas größerer Stein in unmittelbarer Nähe soll ein umgestülpter
Topf (otau) sein, dem die drei vorher benannten Steine als Feuerstelle dienen. Ein weiteres
Steinmodell ist das Muster für den bei den Eingeborenen sehr beliebten Armring (bananka).
Angeblich sollen auch die aus Taro hergestellten Speisen vorher von Kumponi in Stein model
liert worden sein. Jedenfalls hat man mich auch zu einigen zylindrisch geformten Steinen,
die besonders durch ihre gelbliche Färbung auffallen, geführt und mir gesagt, das ist das
Dobe, unsere Lieblingsspeise. Im Walde versteckt wurde mir eine Felsplatte gezeigt, in der
ein Fußabdruck zu sehen war, man konnte tatsächlich ganz gut einen Fuß und fünf Zehen
unterscheiden. Der Fußabdruck soll von Kumponi herrühren. Derselbe führt den Namen Ka-
kapura, das heißt der Zahnlose in der Nasioi-Sprache. Man trifft in dem ganzen Gebiete auf
weitere Steine, die alle ihren Namen haben und von den Eingeborenen in irgendwelche Be
ziehungen zu ihrer ursprünglichen Religion gesetzt sind. So sah ich einen kleinen Stein Poro
opiaudiman, durch welchen von Kumponi aus dafür gesorgt sein soll, daß die Schweine stets
genügend Futter finden, was bei der großen Beliebtheit, deren sich diese Tiere bei den Ein
geborenen erfreuen, nicht verwunderlich ist, besonders wenn man bedenkt, daß den Schweinen
kein Futter verabreicht wird, dieselben nur allein auf das angewiesen sind, was sie selbst im
Busch finden. Kakiatu, ein durch zwei Steine gebildeter Bogen, durch den das Wasser eines
kleinen Flüßchens durchrauscht, ist auch ein besonderes Heiligtum. Das ist der Kopikope,
wurde mir plötzlich ein am Wege liegender Stein vorgestellt, ohne mir aber dessen nähere
Bedeutung zu verraten. Ein sehr großer Steinblock Kikiravanare ist dem Mond geweiht. Be
stimmten Geistern wird auf diesem Steine geopfert, wozu die bekannten Früchte Taro, Bananen,
Kokosnüsse, Kalip u. dgl. verwendet werden. Auch Kumponi selbst, in Stein gehauen, krönt
die Spitze eines Berggipfels. Dieser Stein heißt Tsidonanai. In dessen Nachbarschaft befindet
EIN BEITRAG ZUR ETHNOLOGIE VON BOUGAINVILLE UND BUKA 9
sich auch seine Frau, der Name dieses Steines ist Tedeomen; Steine, deren Kinder, rechts und
links davon, sind der Dorobinai und der Kampuani. Der Grundton des bisher Gesagten deutet
darauf hin, daß der Steinkultus, welcher noch immer sehr verbreitet ist, früher wohl noch
mehr vorherrschend gewesen sein dürfte.
Über die Erschaffung des ersten Menschen habe ich folgendes aufgenommen:
Kumponi erschuf Menschen, um Arbeiter für die Bearbeitung des Bodens zu haben. Die
ersten Menschen formte er aus der Erde. Toraunare ist der Name des ersten Mannes, Tam-
biuenare der des ersten Weibes. Kinder derselben sind der Reihenfolge ihrer Geburt nach
zuerst ein Mädchen Muntu, dann ein Knabe Natenu, ein Mädchen Natsieinu und schließlich
zwei Knaben Kuikuipa und Toreva.
Um die Menschen mit Nahrung zu versorgen, nahm Kumponi einen Topf, bedeckte den
selben mit Blättern und stellte diesen sodann auf das Feuer. Eine Zeit nachher öffnete er den
Topf, und es kam ein Schwein zum Vorschein, das auch schon einen Strick um den Hals
hatte, damit es festgebunden werden konnte, weil es sonst in den Busch gelaufen wäre. Das
Schwein ist aber jedenfalls erst nach Bougainville importiert worden, als die Eingeborenen
schon dort lebten. Mag sein, daß den jetzt lebenden Generationen für größere Zeiträume das
richtige Verständnis abgeht. Jedenfalls ist für diese Mitteilung die primitive Vorstellung cha
rakteristisch, wie sich die Menschen die verschiedenen Entstehungsgeschichten zurechtgelegt
haben. Denn aus demselben Topf und auf die gleiche Weise hat Kumponi auch alle anderen
Tiere und Früchte, die als Nahrungsmittel angesehen werden, hervorgebracht.
Wegen eines Streites um eines Schweines willen wurde ein gewisser Tatakai erschlagen,
angeblich von seinem Bruder. Das ist der älteste Todschlag, der bekannt ist.
Auch eine Art Sintflut, wobei allerdings an Stelle des Wassers der Wind tritt, soll es
hier einst gegeben haben. Der Wind tötete viele Eingeborene. Es kommen allerdings hier zu
Lande sehr heftige Zyklone vor, worauf möglicherweise diese Erzählung zurückzuführen ist.
Nur ein Mann Tsikowa und seine Frau Kiwi blieben im Orte Taurua am Leben. Ein Stein
Krainai, der mir auch gezeigt wurde, gewährte diesen zwei Menschen genügend Schutz gegen
den heftigen Wind. Und so war es möglich, daß die Menschheit damals nicht ausstarb. Vor
allem wird betont, daß der Wind sehr stark war, denn alle Feuer seien erloschen. Als
Ursache dieses Unwetters wird angegeben, der Vollmond Katsiei habe diesen Sturm her
vorgerufen, da er böse war, daß ihm schon lange Zeit nicht mehr geopfert wurde. Wie ich
schon vorher darauf hingedeutet habe, werden die religiösen Zeremonien von dem Priester
und der Priesterin hauptsächlich zur Vollmondszeit abgehalten. Es wurde mir auch zugegeben,
daß auch jetzt noch dem Monde geopfert wird. Daß diese Erzählung aber nur als eine lokale
Katastrophe aufzufassen ist, beweist allein der Umstand schon, daß zwei Mädchen, die diese
beiden vom Sturme verschont gebliebenen Menschen Tsikowa und Kiwi nachher erzeugten, von
Männern aus Rorovana, einem ungefähr zwei Tagereisen von Koromira entfernten Orte, gehei
ratet wurden.
Kumponi und seine Frau Tanutanu lebten, wie bereits gesagt wurde, ursprünglich auf
dem Berge Tsiruai in Steinhäusern, heute haben beide die Gegend von Koromira verlassen,
durch eine Begebenheit veranlaßt, die ich im folgenden mitteile. Nur zu gewissen Zeiten
kommt Kumponi zurück. Die Ursache der Veränderung ihres Wohnsitzes ist darin zu suchen,
daß die Götter den Kindern der Eingeborenen stets zu viel zu essen gaben, gegen den Willen
der Eltern, und die Eltern deshalb bei den Gottheiten Beschwerden einlegten. Dadurch ge
kränkt beschlossen die Götter auszuwandern. Sie stiegen den Berg herab gegen die Meeres
küste zu. Als sie der Küste entlang gingen, kam ein kleiner Fisch mit Namen Kapate ge
schwommen und sprach die Götter an. Der Fisch sagte, er könne es ganz begreiflich fin
den, daß sie diesen Ort, wo man auch ihm nachstellt, verlassen. Die Tanutanu veranlaßte der
Fisch, sich beim Flusse Arania niederzulassen, Kumponi etwas weiter südlich bei dem Dara-
2*
10 ERNST FRIZZI
fluß bei Lavelei, welcher Ort ungefähr an der südöstlichen Spitze von Bougainville gelegen
ist. Als sich Kumponi nun zurückgezogen hatte aus der Gegend von Koromira, übertrug er
alle Macht seinem Sohne, Bakokara. Die Zeremonien in diesem Tempel, von dem ich eingangs
dieses Kapitels gesprochen habe, werden hauptsächlich zu Ehren des Bakokara veranstaltet,
sowie zu Ehren seiner Frau Mirirava und seinen Kindern Nateono und Kakate, seinen zwei
Söhnen, Tankaban, Mirekaosi und Mirirava, seinen drei Töchtern. Alle zusammen wohnen im
Busch. Im Tempel müssen aber immer Opfergaben bereit liegen, damit, wenn die Gottheiten
kämen, stets für sie etwas Nahrung vorbereitet ist. Auch Bakokara hat Menschen erschaffen.
Tsikenai und sein Weib Muturowe war das erste Paar. Dieselben bekamen zehn Kinder, zur
Hälfte Knaben und Mädchen.
Interessant war mir zu hören, unter welchen Umständen der Priester und die Priesterin
mit den Gottheiten in direkte Berührung treten. Beide müssen sich bei diesen priesterlichen
Funktionen in einen rauschartigen Zustand versetzen, was durch reichliches Kauen der hier
zu Lande üblichen Betelnuß geschieht. Zehn Betelnüsse kaut jeder von ihnen, gewürzt mit
den nötigen Pfeffer- und Kalkmengen. Dazu werden angeblich zehn Kokosnüsse getrunken,
eine Menge Bananen, aber nur von zwei bestimmten Sorten Kobui und Kia, werden dazu ver
zehrt. Die Priesterin scheint durch ihre Gesänge eine größere Macht zu haben, die Götter an
zurufen. Ihr allein erscheint auch Kumponi. Die Visionen, welche die beiden Priester nach
dem reichlichen Mahl, dessen Bestandteile ich soeben aufgezählt habe, und dem darauf folgen
den Gesang haben, sind kaum anders zu beurteilen, als Reaktionserscheinungen ermüdeter
Nerven und einer Überladung des Magens.
Der Priesterstand ist erblich. Die beiden jetzigen Vertreter sind Bruder und Schwester.
Als Nachfolger wurde mir der jetzige Sohn der Priesterin bezeichnet.
Über das Aussehen der Götter habe ich mich bemüht, einiges zu erfahren. Jedenfalls
denkt man sich das ganze Pantheon möglichst fürchterlich. Bakokara hat einen langen Bart,
riesengroße Hände und Füße. Seine Frau Mirirawa ist durch übergroße Brüste ausgezeichnet.
Sie kann dieselben weit über ihre Schultern zurückwerfen, was jedesmal von einem donner
ähnlichen Knall begleitet sein soll. Gewiß mehr als hundert Geister könnte man feststellen.
Alles und jedes wird auf dieselben zurückgeführt. Zweifellos haben dieselben nur immer ganz
lokale Bedeutung und ein ganz bestimmtes Amt. Sie sind zumeist Diener der Götter, selten
ganz selbständig. Manche zeichnen sich durch einen ungemein kleinen Kopf und ungeheuer
lich große Augen aus. Ihr ständiger Aufenthalt ist der Busch. Nicht selten sitzt ein Geist auf
einem Baume. Dadurch könnte man auf den Gedanken kommen, ob diese sogenannten Geister
nicht hie und da Tiere sind, die nur sehr selten zu sehen sind; Geister mit langen Hörnern und
ebensolchen Haaren, oder langen, hervorstehenden Eckzähnen, wurden gesehen. Allen gemeinsam
sind große Hände und Füße. Im Rang und den zu verrichtenden Aufgaben sind dieselben nicht
gleich gestellt. Murato scheint speziell dem Bakokara untergeordnet zu sein. Lanto und seine
Frau Karandari ist einer der gefürchtetsten. Er verursacht plötzlichen Tod, wenn man krank ist.
Maramoi und seine Frau Kakaratu verursachen ebenfalls plötzlichen Tod ohne vorhergegangene
Krankheit. Der Geist Mamakare tötet Kranke, die ohne Aufsicht bleiben. Weitere Totengeister
und deren Frauen sind Bantsimuai und seine beiden Frauen: Butangotango und Nturuna, Kakauaka
und dessen Frau Bubantotsi. Die Frauen scheinen aber oft in einer anderen Bedeutung ihren Einfluß
geltend zu machen, so zerstört die Butangotango junge Bäumchen. Ongrai und Ninibiron essen
viele Fische. Die Frau des Lanto, Karandari Krebse. Niaka und Kirei beschützen die Kokosnüsse.
Bubangotsi und ihr Mann Kakaaka und der Geist Tsirine vertilgen Schlangen. Kopoi ist ein Geist
in Gestalt einer Schlange, der Schweine tötet. Ihm werden lebende Opossume geopfert. War
dies schon längere Zeit nicht der Fall, so gibt Kopoi seinen Unwillen über diese Vernach
lässigung des nachts durch lautes Pfeifen kund. Opauko entführt Kinder in den Busch, wo er
sie mit Schlangen ernährt. Er behält dieselben ungefähr einen Monat bei sich und schickt
EIN BEITRAG ZUR ETHNOLOGIE VON BOUGAINVILLE UND BUKA 11
sie nachher wieder heim. Sein Aufenthalt ist
völlig unbekannt. Einem Jungen namens Tsi-
bonani vom Orte Tsirunani geschah dies vor
nicht langer Zeit. Leider ist derselbe gestor
ben, so daß ich ihn nicht persönlich über seinen
Aufenthalt beim Geiste Opauko verhören konnte.
Poliwei ist ein Teleigeist. Derselbe wird
auch in Holz geschnitzt und auf Kokospalmen
gesetzt zur Bewachung derselben. Weiter habe
ich wertvolle Mitteilungen über die Totenwan
derung in Erfahrung gebracht. Die Seele eines
Verstorbenen versucht zuerst in den Körper
eines Lebenden einzudringen, um denselben zu
veranlassen, ihm in den Tod nachzufolgen. Die abgeschiedene Seele würde versuchen, unter
den gräßlichsten Schmerzen einem Lebenden die Eingeweide herauszureißen. Jede Seele,
gleichgültig, ob die eines Mannes, Weibes oder Kindes, versucht das. Die Männer, für die
allein unter den Lebenden die Gefahr besteht, wissen dies aber zu verhindern. Sie nehmen
Tsitisba, ein Stück Bambus, füllen das mit Wasser und begeben sich zu dem Ort, wo die
Leiche verbrannt wurde und schütten das Tsitisba an dieser Stelle auf die Erde. So kann
die Seele des Verstorbenen für sie keine Gewalt mehr ausüben. Die Eingeborenen unter
scheiden zwei Arten von Seelen. Die eine ist die Tanua. Dieselbe ist einfach die Wieder
gabe des menschlichen Körpers, wenn man sich im Wasser oder im Spiegel besieht. Ich
nenne sie deshalb Spiegelseele. Die andere, Manna, ist unser Schattenbild, die Schatten
seele. Nur die Spiegelseele kommt in die Unterwelt, in das Tutueu. Der Aufenthaltsort für
die Verstorbenen wird in das Innere des Berges Bagana verlegt. Die Schattenseele wohnt
im Geisterhäuschen, das ich lieber Seelenhäuschen nennen möchte, dem Dopo (Fig. 4), das
die Eingeborenen dem Andenken der Verstorbenen unmittelbar bei dessen Haus, das er zu
Lebenszeit bewohnt hat, errichten Das Häuschen steht auf einem Pfahl, auf dem ein kleiner
ungefähr ein Quadratmeter großer Tisch befestigt ist, welcher mit einem Blätterdach überdeckt
wird. In demselben werden Opfergaben, wie Taro u. dgl. niedergelegt. Der Auffassung meines
Freundes, Herrn Pater Rausch, zufolge denken sich die Eingeborenen nur eine Seele, welche
solange im Geisterhäuschen verbleibt, als ihr geopfert wird. Ist dies nicht mehr der Fall und
wird das Häuschen abgetragen, dann begibt sich die Seele zum Bagana. Meine Auffassung
geht aber doch mehr dahin, daß die Eingeborenen es für nötig finden, der Spiegelseele so
lange zu opfern, als der Verwesungsprozeß für die Zerstörung des Körpers in Betracht kommt.
Das geht in den Tropen ziemlich rasch, und nachher hätte eine weitere Opferung keinen Wert
mehr. Die Seelen frisch Gestorbener werden immer von denen ihnen bereits im Tode voraus
gegangenen Verwandten oder Freunden abgeholt. Sie erhalten Kunde durch Schmerzen, die
sie in ihrem Leibe verspüren. Bevor die Toten aber in das Schattenbereich eingehen können,
müssen sie sich reinigen von dem Ruße und der Schwärze, welchen sie durch die hier allge
mein übliche Verbrennung ausgesetzt waren und um das in der Seele noch lodernde Feuer zu
erlöschen. Bei gewaltsamem Tod wird zuerst eine Waschung im Flusse Nagari bei Numanuma
gedacht, der sich dadurch auszeichnet, daß sein Flußbett von einem roten Lateritgestein durch
setzt ist, woraus die Eingeborenen auch ihre Farbe gewinnen, die sie zur Gesichts- und Haar
bemalung verwenden. Die Rötung des Gesteines erklären sich die Eingeborenen aus dem vielen
Blute der Seelen, die darin baden müssen. Im Fluß Oropera bei Rorowana müssen sich alle
Seelen waschen. Im Jenseits selbst werden diejenigen, die eines gewaltsamen Todes gestorben
sind, auch wieder abgesondert gedacht. Es gilt geradezu für schimpflich, wenn jemand ge
waltsam stirbt, sei es, daß er im Kampfe gestorben oder sonstwie verunglückt ist. In dieser
12 ERNST FRIZZ1
Hinsicht scheinen besonders bei den Telei noch mehr hervortretende Ansichten zu bestehen.
Man denkt sich das Tutueu, das Jenseits eigentlich nicht viel anders, wie den Aufenthalt auf
Erden. Nur reicldiches Essen sei dort stets vorhanden. Alte Leute würden dort vollkommen
verjüngt ihre Arbeit verrichten. Denn für seine Bedürfnisse müsse man auch hier selbst Sorge
tragen. Das erste was man in Tutueu essen muß, ist eine Bananensorte Tsiaku. Daß unge
heure Mengen von Schweinen und Taro in der Unterwelt gekocht werden, kann man aus dem
Rauche ersehen, welchen der Bagana, der bekanntlich ein Vesuv ist, ausströmt.
Daß die Seelen oft auf Erden umherirren, wird geglaubt. Ich war eines abends in einem
Dorfe, da mag wohl irgend ein Tierchen einen allerdings ungemein feinen Laut von sich ge
geben haben. Erschreckt, wie ich die Leute sonst selten gesehen habe, fuhren sie zusammen und
machten sich sich sofort von Hütte zu Hütte leise flüsternd von dieser Beobachtung Mitteilung.
In diesem Zusammenhänge berichte ich noch über die Leichenverbrennungszeremonien
(Kawe). Ich hatte zweimal Gelegenheit, solchen beizuwohnen. Die Eingeborenen lieben
es aber nicht, wenn Europäer zugegen sind und halten diese Zeremonien möglichst ge
heim. Wohl aus Scheu vor den Missionären, die dieser altheidnischen Sitte entgegenarbeiten.
Man erfährt daher zumeist von Leichenfeiern immer erst im Nachhinein. Nur auf der Insel
Buka selbst scheint wenigstens von den Küstenbewohnern die Leiche am Meeresstrand ein
gegraben zu werden. In Bougainville und im Inneren von Buka ist die Verbrennung allgemein
üblich. Bei den Koromiraleuten wird jeder angesehene Eingeborene verbrannt. So unglaub
lich es scheinen mag, auch diese Menschen wissen von den Grenzen, die durch den Reichtum
gezogen sind, wenn derselbe auch in nichts weiter als einem Schwein, einem Beil, ein paar Glas
perlen oder sonst einer Kleinigkeit besteht. Denn völlig unbemittelte Personen werden entweder
einfach in das Meer geworfen oder, wie ich gelegentlich auch gesehen habe, in die Erde be
graben. Beide Male, als ich unterwegs war, der Trauerfeier beizuwohnen (es geschieht dies
bei den Nasioivölkern zwischen neun bis elf Uhr vormittags, bei den Telei um Mitternacht
herum), begegnete ich vielen Frauen, deren Körper vom Gesicht bis zu den Zehen mit einem
rötlich gelben Lehm vollständig bestrichen waren. Dies waren die Ehefrauen und nächsten
Anverwandten des Verstorbenen. Andere Frauen und auch Männer und Kinder hatten bloß das
Gesicht, entweder mit derselben Farbe oder mit Kalk weiß beschmiert. Es sind dies die
Freunde und Fernerstehenden. Diese Trauerbemalung bleibt ungefähr acht Tage bis sechs
Wochen bestehen, das heißt, sie wird fast täglich frisch erneuert. Irgendwelche Abwaschungen,
Bäder oder sonstige Reinlichkeiten sind hierzulande unbekannt. Daher auch die vielen Wunden
und Hautkrankheiten aller Art. Die Witwen trauern oft in dieser vorerwähnten Schmutzkruste
jahrelang. Trauerschnüre (Badiko und Kuciro) um Arme, Beine, Brust oder Lenden zählt man
auch noch, und zwar hauptsächlich bei den Frauen, zu den äußerlich allgemein üblichen
Trauerabzeichen. Von Freunden und weiter entfernten Verwandten wird oft ein Stück Holz
zum Zeichen des Beileides um den Hals gehängt. Ich sprach vorher von meiner Begegnung
mit den Weibern. Dieselben gingen oder kamen zu oder von den Tarofeldern. Taropflanzen
werden nämlich massenhaft um den Scheiterhaufen, auf welchem die Leiche verbrannt werden
soll, gestreut. Bei diesen Gelegenheiten werden oft ganz bedeutende Taro- und auch Bananen
bestände vernichtet. Selbst ganze Kokospalmen wurden früher oft umgeschlagen, was aber,
soweit der Einfluß der Regierung geht, von derselben heute untersagt wird. Alles dient natür
lich nur dazu, um der entfliehenden Seele Nahrung mit auf den Weg zu geben und dieselbe
nicht durch irgendwelche Vernachlässigungen zu erzürnen. Kommt man nun früh genug in
das Dorf, wo die Verbrennungszeremonien stattfinden sollen, so sieht man vorher noch müßig
umhersitzende Männer, die wie gewöhnlich ihre Pfeife schmauchen. Allmählich kommen die
ersten Trauergäste aus den benachbarten Dörfern. Nun entschließen sich drei oder vier Männer
zur Herstellung des Scheiterhaufens (pampa). Er ist schnell gemacht. Zuerst werden rechts
und links je zwei saftig grüne Baumstämme, da dieselben als Stütze für den ganzen Scheiter-
EIN BEITRAG ZUR ETHNOLOGIE VON BOUGAINVILLE UND BUKA 13
häufen dem Feuer möglichst lange
widerstehen müssen, im spitzen Winkel
nach unten zu schräg in die Erde ein
getrieben. Zwischen diesen kommen
sieben weitere Holzprügel. Einer zu
unterst, je drei rechts und links. Der
von unten nach oben sich keilförmig
erweiternde Holzstoß ist sodann fertig
zur Aufnahme des Verstorbenen. Es
wird aber erst auf die Rückkehr der
Weiber gewartet, wenn dies noch nicht
der Fall sein sollte. Die Eheweiber,
die Eingeborenen haben deren bis fünf
und mehr, meistens aber nur eine, zwei
oder höchstens drei, nähern sich jetzt
dem Scheiterhaufen unter großen Wehklagen, legen Taropflanzen darauf und wälzen sich
nun rings um denselben auf der Erde herum (Fig. 5). Oft werden die Arme und der Blick
gegen den Himmel erhoben. Sie besteigen den Scheiterhaufen und kriechen durch den
selben, immer ihre Gestikulationen wiederholend. Allmählich kommen auch die nächsten
weiblichen Anverwandten und schließen sich diesen eigenartigen Trauerkundgebungen an. Das
dauert etwa eine Viertelstunde. Viele Trauergäste haben sich einstweilen im Hintergründe an
gesammelt. Das Holz, das zum Anzünden des Scheiterhaufens bestimmt ist und abseits von
demselben fertiggestellt wurde, brennt bereits lichterloh. Da zieht sich die zuerst bezeichnete
Gruppe von Weibern in das Haus des Verstorbenen zurück. Aus demselben ertönt bald dar
auf furchtbares Klagegeheul. Unterdessen hat sich eine andere Gruppe Frauen, die von weit
her aus dem Busch kommen, dem Holzstoß genähert. Diesem ganz nahe gekommen, schreien
sie laut auf, etwa wie hui, hui, und führen in schnellem Tempo, ihren Körper abwechselnd rechts
und links in den Hüften drehend, unter fortgesetztem Geschrei äußerst groteske Tänze auf.
Der Scheiterhaufen wird nun in Brand gesteckt. Der vollkommen in Palmenblättern einge
wickelte Leichnam, auf einer aus Holzstäben gefertigten primitiven Tragbahre (kave) ruhend,
wird nun von einigen Männern herbeigebracht und schnell auf das Feuer gelegt. In der Missions
zeitschrift Kreuz und Charitas (Juni 1908, S. 130) wird davon gesprochen, daß die Leichen vorher
geschmückt und mit Kokosöl gesalbt werden, wovon mir nichts bekannt wurde. Männer und
hauptsächlich die Frauen erheben jetzt alle zusammen ein wüstes Geschrei. Die weibliche Ver
wandtschaft kriecht auf Händen und Füßen rings um den Scheiterhaufen herum. Männer sollen
zum Zeichen des Schmerzes beim Verluste ihrer Frau schon oft ihre Ohrmuschel abgeschnitten
und die selbe in das Feuer, welches ihre Frau verzehrte, geworfen haben. Arme werden gegen
den Himmel gehoben, Augen verdreht, alles viel zu sehr Schema, um vom wahrhaft echten,
liebenden Schmerz nicht unterschieden werden zu können. Kinder, die in diesen Dingen noch
weniger Übung haben, schauen stumpfsinnig in die Flammen, die ihre Eltern oder nächsten
Verwandten verzehren. Die Weiber hört man, oft jahrelang sogar, ihre Klagelieder singen, was
sich besonders des Nachts recht wehmütig anhört. Es soll aber auch Weiber gegeben haben,
die schon am nächsten Tage nach der Verbrennung ihres Mannes wieder verheiratet waren.
Von der verbrannten Leiche wird der Unterkiefer vor der Zerstörung durch das Feuer bewahrt.
Man trennt denselben rechtzeitig vom Schädel. Derselbe wird in der Hütte des Verstorbenen
an einem Biwi, einem Aufhängehaken aus Holz, aufgehängt. Mehrere Wochen lang wird in
einer demselben untergestellten Schale geopfert. Ist diese Zeit verstrichen, so wird der Unter
kiefer und die sorglich gesammelte Asche und etwa vorhandenen Knochen, die nicht gänzlich
verbrannt sind, alles zusammen in einem Korbe verpackt und von den Männern in das Meer
Fig- 5. Scheiterhaufen (pampa).
14 ERNST FRIZZI
versenkt. Vier Tage nach der Verbrennung werden an eben derselben Stelle, wo der Scheiter
haufen stand, in einem 1 qm Umfang umfassenden Zwischenraum vier Baumstämme von bei
läufig 2 m Höhe eingeschlagen und durch einen Zaun miteinander verbunden. Dieses so
eingezäunte Viereck wird hauptsächlich mit Yam bepflanzt. Dieses zum Andenken an den
Toten errichtete Denkmal heißt Kate. Wenn in der Folge Schweine zum Andenken an den
Toten verzehrt werden, so wird das Kate mit den Unterkiefern dieser Tiere behängt, und man
hat dadurch, je nachdem man an einem Kate mehr oder weniger Unterkiefer aufgehängt sieht,
gewissermaßen einen Maßstab für den Grad der Achtung und Liebe, den man einem Verstor
benen auch nach seinem Tode entgegenbringt. Über das Geisterhäuschen (Dopo) habe ich
schon berichtet. In Buka sollen nach einem Berichte aus Kreuz und Charitas (Juni 1908,
Seite 130) noch an den fünf auf die Verbrennung folgenden Tagen größere Feierlichkeiten zu
Ehren des Verstorbenen stattfinden, welche durch große Festessen am zehnten Tage ihren
endgültigen Abschluß finden.
Eßverbote nach Todesfällen, speziell für die Frauen, sind bei den Nasioi ganz allgemein.
Es kommt hauptsächlich Taro in Frage. Gelegentlich eines Festes wird die betreffende Frau
davon wieder in feierlicher Weise entbunden. Es geschieht dies, indem zumeist der Häupt
ling ihres Stammes, wie ich gesehen habe, eine Taropflanze mehrere Male kreisförmig um
deren Kopf schwingt.
ln diesem Zusammenhang möchte ich noch
Die Witwe singt:
Inunye bei baie nina amua?
O mein Mann ist gegangen, wer ein anderer
mir wird sein?
Mae baie minto nkomemua71)
O mein Mann wer Arbeit machen für mich er
wird?
Inunge baie maing nkamemua?
O mein Mann wer Nüsse nehmen für mich er
wird?
Die Kinder klagen:
Bakamae baie amua?
Selbst Vater (mein eigener, leiblicher) wer mir
wird sein?
Mae baie baumua?2)
O mein Vater wer ernähren er mich wird?
Bakamae baie tawi amua?
Mein eigener Vater wer Fische mir geben wird?
Die älteren Geschwister:
Baka mari (nunge) baie amua?
Mein eigener Bruder (Schwester) wer mir wird
sein?
Baka mari (nunge) baroro amua?
Mein eigener Bruder (Schwester) mit Nahrung
beschenken mir wird geben?
einige Klagelieder mitteilen:
Die jüngeren Geschwister:
Baka tata (naramamu) baningkanaupiewa?
Mein Leibesbruder mit wem werde ich gehen
(mich anschließen)?
Eratsimei aremong dororarwa?
Heute hast du mich verlassen, wann wirst du
zurückkehren?
Totem Mitglieder; Freunde und die entfernten
Verwandten singen:
Eratsima da kidari bakanora.
Heute hast du mich verlassen, du bist wegge
gangen mein eigener Schwager (Schwieger
vater, Sohn).
Der Witwer:
Bakanange baie baumua?
Meine Frau wer ernähren mich wird?
Erambakerari bakanange!
Heute ist dir genug, es ist aus mit dir. O meine
Frau!
Kinder betrauern ihre Mutter:
Bakankoe baie baumaa?
O meine Mutter, wer ernähren mich wird?
Bakankoe tsimei darang (daring).
O meine Mutter verlassen mich du hast deine
Tochter (Sohn).
Zauberei und Aberglaube, sowie Gift, spielt hierzulande natürlich eine große Rolle. Ein
eigener Hexenmeister, Bunaka nennen ihn die Koromiraleute, nankai die Nasioi im allgemeinen,
1) Nko = Mutter, Nkoansi = Muttern = machen.
2) Bau = Taro, Bauansi — Taron = ernähren, wohl deshalb, weil Taro das Hauptnahrungsmittel darstellt.
EIN BEITRAG ZUR ETHNOLOGIE VON BOUGA1NVILLE UND BUKA 15
steht in großem Ansehen. Sein Amt ist erblich. Ist jemand krank, so geht er zum Zauberer.
Einen todkranken Jungen (es handelte sich um eine schwere Pneumonie), hatte ich unter
meinen Leuten, der, statt ruhig in der Hütte liegen zu bleiben, sich mühsam in größtem Fieber
zum Hexenmeister schleppte. Wie kuriert nun der Medizinmann? Er versteht durch Pressen
des Bauches mit der Hand den bösen Stein (Potsi), welcher jede Art von Krankheit verur
sacht, aus dem Leibe des Kranken zu entfernen. Dem Kranken wird auch tatsächlich nach
der Behandlung ein Stein vorgezeigt. Es herrscht scheinbar unter den Eingeborenen die An
sicht, daß der Hexenmeister mit überirdischen Kräften ausgestattet ist, denn nicht durch ihn
persönlich auf Grund seiner Geschicklichkeit, sondern durch geheime Kräfte seiner Seele voll
führt er das Kunststück. Dem Schwindler bringt, nebenbei bemerkt, sein Beruf viel ein.
Ebenso wie man auf diese Weise sein Leben in die Hände des Hexenmeisters gibt, so spielt
bei der Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten der Zauberer eine große Rolle. Ich führe hier
zwei Wege an, die mir bekannt wurden, welche von den Eingeborenen eingeschlagen werden,
um bei einem Mord den Täter festzustellen.
I.
Nachdem sich die Eingeborenen versammelt haben, legt der Zauberer einen Stab in ein
hierfür besonders zurechtgemachtes Feuer. Ununterbrochen beobachtet der Zauberer seinen
Stab. Plötzlich scheint Leben in denselben zu kommen. Derselbe fängt an, selbständige Be-
wegungen zu machen; dies ist der erwartete Moment. Rasch ergreift ihn der mächtige Mann
und geht mit demselben in der Hand an der im Kreise umhersitzenden Versammlung herum
und berührt nun die einzelnen Mitglieder derselben mit dem Stab. Das Zauberinstrument zeigt
keine Bewegung. Plötzlich hat er aber den Schuldigen herausgefunden, was er durch lebhafte
Bewegung in der Hand seines Meisters zu erkennen gibt. Der Mörder ist entdeckt. Rettet
sich derselbe nun nicht durch schleunige Flucht, so wurde derselbe früher wenigstens, erbar
mungslos ergriffen und als Schuldiger getötet. Heute wird ein auf diese Weise bezeichneter
Mörder bei den Nasioi wohl nicht mehr getötet, doch kann es auf Grund eines derartigen
Rechtsspruches noch Vorkommen, daß dessen Haus und ganzes Eigentum zerstört und ver
nichtet wird.
II.
Grüne Bananen werden in einem Topf gekocht. Etwa nach einer halben Stunde fangen
die am Boden des Topfes, dem Feuer näherliegenden Bananen an, weich zu werden, erst um
vieles später die daraufliegenden. Es hängt dies zum großen Teile von der Qualität und dem
Reifestadium der Bananen, dem Wasserzusatz und von der Stärke des Feuers ab. Rings um
den Topf haben die Eingeborenen sich vollzählig zu versammeln. Der Zauberer bestimmt von
Zeit zu Zeit einen Mann der Versammlung, aus dem Topfe eine Banane herauszuholen. Er
muß tief mit der Hand in den heißen und kochenden Topf fahren, denn obenauf liegen die
noch nicht gar gekochten Früchte. Erwischt nun der betreffende Mann eine solche, so ist er
der Mörder. Entzieht er sich dem Resultate dieses Kochorakels nicht durch schleunige Flucht,
so sind die Folgen die gleichen, wie beim ersten Falle beschrieben.
Der Diebstahl von Zuckerrohr wird böse bestraft. Der Dieb wird ergriffen und ihm die
Zähne ausgebrannt, schließlich wird er in einen Sumpf geworfen, von wo er sehen mag, wie
er wieder herauskommt.
Gift spielt eine große Rolle. Natürlichen Todes stirbt fast niemand. Es soll bestimmte £
Männer geben, die Gift herzustellen verstehen. Das Verfahren wird vollkommen geheim ge
halten. Jedenfalls sind plötzliche Todesfälle auch bei ganz jungen Leuten nichts Seltenes,
wovon ich mich selbst einige Male überzeugen konnte. Es scheint mir daher sehr wahr
scheinlich, daß in diesen Fällen die Leute tatsächlich vergiftet wurden. Wenn auch alle Fragen,
um Giftproben zu bekommen, oder wenigstens nähere Angaben über die Herstellung desselben
bejaht werden, so sind die diesbezüglichen Auskünfte doch sehr ungenau.
Baessler-Archiv, Beiheft vi: E. Frizzi, Ein Beitrag- zur Ethnologie von Bougainville u. Buka. 3
16 ERNST FRIZZI
Die Eingeborenen leiden an den verschiedensten Krankheiten. Fieber und Kopfweh sind
sehr häufig und zumeist auf Malaria zurückzuführen. Die Leute legen sich an das Feuer, wobei
sie sich denken, daß die Wärme die Krankheit aus ihrem Körper zieht. Krankheiten der Respi
rationsorgane sind sehr verbreitet. Herzleiden schon bei ganz jungen Kindern sind gar nicht
selten. Das intensive Betelkauen, von meist erst in einem Alter von ungefähr 15 Jahren stehenden
Knaben und das fortgesetzte Pfeifenrauchen schon ganz kleiner Kinder, die kaum auf ihren Füßen
stehen können, muß wohl in erster Linie dafür verantwortlich gemacht werden. Dazu ist zu
bemerken, daß der Tabak, den die Eingeborenen pflanzen, noch am unschädlichsten wäre.
Doch können sie nicht genug von dem schweren amerikanischen Stangentabak, welchen man
in Tausch gibt, bekommen. Schließlich begnügen sie sich auch mit Holzkohle, wovon sie
stets ein glimmendes Stück mit sich führen, mit welchen sie jeden Augenblick, um den Brand
in ihrer Pfeife zu erhalten, ein Stück in dieselbe hineinpressen. Beinwunden, anfangs klein
und unbeachtet, nehmen stets durch Schmutz, Fliegen und alle möglichen sonstigen Verun
reinigungen immer größere Dimensionen ein. Ich habe Fälle gesehen, wo sämtliche Zehen
weggefressen oder die ganze Wadenmuskulatur bis auf den Knochen zerstört waren. Syphilis
ist mehr im Norden und da auch nur an der Küste zu beobachten. Ich erinnere mich an einen
kurzen Besuch auf der Insel Luf in den Hermiten. Die letzten Menschen der einstigen dortigen
Bevölkerung, etwa noch 30 Individuen, haben fast alle kein Nasenseptum mehr und machen
einen ungemein traurigen Eindruck. Der Ringwurm, eine Art Psoriasis, bedeckt oft den ganzen
Körper. Schlecht verheilte Knochenbrüche sind häufig zu sehen. Blinde, Taube oder Stumme
gehören zu den Seltenheiten. Weitere Krankheiten sind mir nicht bekannt geworden.
Neben der bereits vorher besprochenen Krankheitsbehandlung durch den Hexenmeister
werden auch Medizinen angewendet, die ihrer Hauptsache nach aus Pflanzen bereitet werden.
Auf die Abtreibemittel komme ich noch in einem anderen Zusammenhänge zu sprechen. Die
selben scheinen durch Abkochen einiger von Puccinia befallenen Graminaeen gewonnen zu
werden. Bankini, eine Pflanze, die man im Busche findet, wird in getrocknetem Zustande zer
stoßen und nachher mit Kokosnußmilch verrührt und gekocht. Der Kranke ritzt mit einem
Bambussplitter seine Haut und vermischt das Ganze mit dem herausträufelnden Blute und
trinkt sodann diese Medizin. Bankini wird in erster Linie zur Heilung des Elephantiasis heran
gezogen. Elephantiasis habe ich nur bei den Telei in einigen leichteren Formen gesehen.
Karanabin ist ebenfalls eine auf ähnliche Art hergestellte Medizin. Manna ist eine Art Salbe
und wird durch Abschaben der menschlichen Haut oder eines Steines gewonnen. In Bambus
rohren gefüllt, wird es nachher gekocht. Nachdem das Zeug erkaltet ist, wird es in einen
Korb geschüttet und je nach Bedarf auf die Haut geschmiert. Es hat eine grüne Farbe und ist von
gelatinöser Konsistenz. Manna heilt Wunden und schützt vor dem Tod. Ähnlich wirken Ko-
tsiduene duri und Bonoba. Wird man in böser Absicht von den vier letztgenannten Medizinen
berührt, so stirbt man. Kampu wird der aus einer Baumrinde, durch Zerreiben derselben er
zeugte Mull genannt. Dieser Baum kommt selten und scheinbar nur in erhöhter Lage vor.
Der Mull wird auf die Stirn gestrichen und soll besonders gegen Kopfleiden nützlich sein.
Der Aberglaube ist besonders stark ausgeprägt. Nur einige Beispiele davon. Nuaku ist
ein Kraut. Wenn man mit demselben ein Fischnetz berührt, fängt man mit demselben keine
Fische mehr, Hunde, die zum Schweinefang gehalten werden, keine Schweine.
Beschmieren des Körpers mit bestimmten Pflanzenstoffen durch den Hexenmeister verleiht
der Haut im Falle der Gefahr Unverletzlichkeit gegen das Eindringen der Pfeilspitzen. In be
sonders günstigen Fällen verfehlt der feindliche Pfeil sogar sein Ziel.
Bei Anwerbung seiner Kinder reibt der um das Leben derselben besorgte Vater deren
Körper mit Blättern ab. Am Schlüsse dieser Prozedur zeigt er einen kleinen schwarzen Käfer
vor, der einen Geist vorstellen soll. Sodann kann man beruhigt darüber sein, daß dem Kinde
kein Unglück zustoßen wird.
EIN BEITRAG ZUR ETHNOLOGIE VON BOUGAINVILLE UND BUKA 17
Die Telei sollen es peinlichst vermeiden, einen Platz zu
betreten, welcher mit dem Blute eines Ermordeten getränkt ist,
aus Angst, es könnten ihnen sonst die Zähne ausfallen.
Der Schwangerschaft wird ein besonders großes Interesse
entgegengebracht. Um eine glückliche Geburt vorzusehen, wird
das sogenannte Toke gemacht. Die Ausführung des Toke liegt
in den Händen besonderer Sachverständiger. Man geht dabei
von dem Gedanken aus, ein schwangeres Weib könnte sterben.
Man nimmt vier Holzstäbe und bindet dieselben kreuzförmig
übereinander zusammen. Auf dieses Holzkreuz werden einige
Betelnüsse befestigt und nun wird dasselbe über ein Feuer
gehalten. In dem Feuer müssen Haare von einem Schwein und
einem Hund und etwas Biko (weiße Farbe) verbrannt werden.
Das so verzauberte Kreuz wird nun unter fortwährender Hin-
und Herbewegung fortgetragen. Bei der ersten Biwipflanze
werden einige Blätter abgepflückt und auf das Holzgestell ge
legt. Man begibt sich nun zur Hütte der schwangeren Frau.
In der Hütte werden die Biwiblätter aufgehängt, was eine glück
liche Geburt gewährleisten soll.
Der Ehemann kann diese Tokezeremonie auch umgehen
und die Sache zu demselben Zweck in einfacher Weise allein
durchführen. Nur muß er zu dem Hexenmeister gehen und
sich einen bestimmten Ort angeben lassen, wo er das Biwi zu pflücken hat. Bei beiden Arten
handelt es sich um eine Art Autosuggestion. Man glaubt, daß dem Biwi die Kraft innewohnt,
die Seele des zu erwartenden Kindes einzufangen, und es dadurch gewissermaßen glücklich
in das Leben herüberzuleiten.
Der Ehemann kann endlich auch durch das Toke einen Ehebruch entweder verhindern
oder entdecken. Er versteckt Biwiblätter unter seinem Haus. Tritt ein mit ehebrecherischen
Absichten sich tragender Mann darauf, so bekommt er die Elephantiasis.
Man erzählte mir ferner, ein schwangeres Weib sei ausgeglitten und habe sich den Fuß
gebrochen. Ein ihr feindlich gesinnter Mann hätte dies verursacht, dadurch, daß er seinen
Hund totschlug und ein Bein desselben genau an der Stelle vergraben hat, an der dem be
treffenden Weib der besagte Unfall zugestoßen ist.
Dem Bereiche des Aberglaubens ist auch der Liebeszauber mapunu zuzuzählen. Wohl
riechende Grasbüschel (Kono) hängen über Brust oder Rücken der Männer herab (Fig. 6). Man
steckt dieselben auch in die Armbänder. Es ist dies eigentlich eine sehr zarte Art der Liebes-
werbung. Der Geruch der Gräser soll das Weib anziehen. Diese Grasbüschel erfüllen aber
auch noch andere Zwecke. Je nachdem werden dieselben Baupo, Kamaroba, Tsitidi, Kopu-
kopu oder Jaru genannt. Rotgefärbte Grasbüschel werden im Kriege am Rücken gebunden,
um von Speeren oder Pfeilen nicht getötet, zum mindesten beim Ausweichen dieser Geschosse,
nicht verletzt zu werden. Hierin sollen die Eingeborenen eine unglaubliche Gewandtheit be
sitzen. Europäer behaupten sogar, daß die Eingeborenen durch ihre Behendigkeit und Seh
schärfe einer Flintenkugel durch rasche Drehung ihres Körpers auszuweichen imstande sein sollen.
Was ich über Totem Mu der Nasioi, Imon der Telei und totemistische Gebräuche erfahren
konnte, ist recht wenig. Das Kind erbt das Stammesabzeichen der Mutter. Die verheiratete
Frau behält ihr Totem bei. Zwei Leute mit dem gleichen Totem, wenn auch von ganz ver
schiedenen Stämmen, bezeichnen sich als Brüder resp. Schwestern. Wenn aus einer Familie
die älteste Schwester heiratet, so ist der Mann der Bruder zu allen Geschwistern seiner Frau.
Der Schwager wird er dann, wenn er sich mit einer jüngeren Schwester verheiratet. Heiraten
3*
18 ERNST FRIZZI
Fig. 7. Junge Upi mit ihrer charakteristischen Kopfbedeckung. Fig. 8. Oiai.
unter gleichem Totem sind ausgeschlossen. Hingegen steht der Heirat zwischen Vettern und
Basen nichts im Wege. Befrage ich jemanden nach dem Namen eines anderen, der zufällig
das gleiche Totem hat, so wird sich der Befragte stets an eine dritte Person wenden, denn
wenn er mir den Namen seines Totemangehörigen gesagt hätte, könnte ihm leicht ein Unfall
zustoßen. Gleiche Totem betreten gegenseitig nicht ihr Haus. Mit dem Blute eines Totem
angehörigen in Berührung zu kommen, gibt Geschwüre, aus derselben Pfeife zu rauchen, kann
eine Beule auf der Stirn hervorrufen. Auf ihren Wanderungen im Gebirge, die oft tagelang
dauern können, frug ich die Eingeborenen, wo sie denn da übernachten und von wem sie zu
essen bekämen. Für alles sorgen die gleichnamigen Totem. Wie erkennt ihr euch denn?
frug ich weiter. Wir sagen es uns, war die ausweichende Antwort. Allerdings gehen nur
sehr wenig Leute weite Strecken, wo sie unbekannt sind, und jedenfalls überhaupt nicht durch
Gebiete, die ihnen völlig neu sind. Schlangen, Vögel, Fledermäuse, Fische, Schweine, Opos-
sume, Heuschrecken, fast alle Tiere können Totemtiere sein. Zu den angesehensten Totem-
formen zählen bei den Nasioi drei Schlangenarten, die Bogiago, eine sehr große, die Kurura,
eine kleine, und die Eru, eine dicke Schlangenart. Das jeweilige Totemtier darf weder getötet
noch gegessen werden. Auch Pflanzen werden zum Stammesabzeichen gewählt. Für diese
gilt sodann das Eßverbot. Wenn jemand als Abzeichen z. B. eine Taro oder Banane führt, so
darf man aber dabei nicht vergessen, daß das Eßverbot sich keineswegs auf die ganze Gat
tung Taro oder Banane erstreckt, sondern nur auf die jeweilige Spezies, deren es eine Menge
gibt. Das Gleiche gilt für alle Tiere und Pflanzen.
Geheimbünde scheinen mir bei den Upi- und Bukaleuten ziemlich klar hervorzutreten. Die
Upi nehmen in denselben nur ganz junge Burschen von etwa 10-12 Jahren auf. Als äußeres
sichtbares Zeichen tragen sie eine ballonartige Kopfbedeckung, die sie mühevoll auf dem Kopfe
im Gleichgewichte erhalten (Fig. 7). Dieselbe ist sehr solide konstruiert und wird hauptsäch
lich durch die da hineinwachsenden Haare am Kopfe festgehalten. Die Haare sollen darin
oft eine Länge von mehr als 1 m erreichen. Ich sah einen Jungen, der mir eine solche
Kopfbedeckung verhandelte, dem die dichten schwarzen Haare bis zu den Hüften fielen.
Frauen dürfen die Männer niemals mit langen Haaren sehen, sonst müssen sie getötet
werden. Dieser Hut bleibt oft jahrelang die Kopfzier junger Leute. Derselbe wird oft er
neuert, da er durch Witterungsunbilden leidet. Er besteht aus einem sehr solide gebauten
Gerüst. Um dieses kommen viele Schichten Blätter gewickelt. Die vorletzte Schicht ist meist
rotgefärbt und zeigt verschiedene Muster. Ein unverziertes Blatt umgibt wohl mehr zum
Schutze das Verzierte. Drei Jahre, scheint es, werden die Hüte gewöhnlich getragen. Manche
ältere Jünglinge behaupten, dieselben solange beizubehalten, bis sie verheiratet sind. Jeden
falls bei Erwachsenen findet sich diese ausschließlich auf Männer begrenzte Sitte nicht mehr.
Diese Kopfbedeckung wird Uaschabu genannt. R. Parkinson (30 Jahre in der Südsee, S. 657)
EIN BEITRAG ZUR ETHNOLOGIE VON BOUGAINVILLE UND BUKA 19
nennt sie hassebou. Ähnliche, aber zuckerformartige Hüte sind bei den Telei und Oiai
(Fig. 8) sehr beliebt.
Von größter Wichtigkeit scheint mir das bei den Buka auf den verschiedensten Gebrauchs
gegenständen, hauptsächlich aber auf ihren Rudern, Kokosnußschabern und Keulen immer ähnlich
wiederkehrende, im Flachrelief rot,schwarz und weiß bemalteOrnament zu sein. Dasselbe beschränkt
sich meist nur auf die Darstellung einer monströsen Kopfform. Öfter ist derselben noch eine Art
Wirbelsäule angehängt oder dieselbe ist in Verbindung mit einem ganzen Menschenkörper gebracht.
Diese Figur wurde mir als uesch, auch uasch oder uosch bezeichnet. Ich komme darauf noch zurück.
Hier sollte nur angedeutet sein, daß dieser Figur wohl auch ein tieferer Sinn beizumessen sein dürfte.
Die Heiratszeremonien (tatana) bei den Nasioi bewegen sich scheinbar in sehr schlichten
Formen. Versprochen werden oft schon Kinder, was aber keineswegs als bindend zu be
trachten ist. Das erhellt schon aus der Tatsache der großen Selbständigkeit der Kinder. Kleine
Kinder, sobald sie auf ihren Füßen stehen und ihren Willen mündlich kundtun können, be
sitzen dieselbe bereits in vollstem Maße. Sie können sich ganz nach ihrem Belieben verkaufen.
Aluleute, welche als die vornehmsten im Lande gelten, kaufen gern Kinder, speziell Mädchen, da
sie selbst sich nur ungenügend fortpflanzen. Ein Junge, den ich oft sah, war auch eines j
Tages verschwunden. Aluleute hatten ihn gekauft. Seinem Vater wurden dafür Geschenke
gemacht, da das betreffende Dorf aber selbst nicht viel Kinder besaß, wurde beschlossen, den
Knaben wieder zurückzuholen. Die dem Vater geleisteten Geschenke wurden wieder zurück
erstattet und der Knabe anstandslos ausgeliefert. Mir gegenüber gebärdete sich der Knabe
nach seiner Rückkunft sehr entrüstet über diese Hinwegsetzung seines von ihm frei gefaßten
Entschlusses. Ebenso selbständig wirbt die Frau um einen Mann mit den Worten: Da piarnoi
minto nko ampa oder dapiamoi bau minto ampa, was übersetzt ungefähr heißt, ich will
für dich Arbeit machen, oder ich will für dich in den Tarofeldern arbeiten. Natürlich kann
diese Initiative auch vom Mann ergriffen werden. Eine einer Verlobung analoge Feierlichkeit
kommt nur bei noch nicht verheiratet gewesenen Frauen in Frage. Die Bande der Ehe sind
nicht immer sehr strenge. Außerehelicher Verkehr ist sehr häufig. Auch kann man eine Frau
einem anderen abkaufen, der sie nicht mehr will. Schwerer ist es schon, sich von einer Frau,
die man geheiratet hat, wieder zu trennen, wenn die Betreffende das nicht zugibt. Zwei Frauen
sind fast das Gewöhnliche, schon weil eine allein sich langweilt. Der Nachteil dieser Viel
weiberei liegt darin, daß es bei der beschränkten Anzahl von Frauen eine Unzahl von Jung
gesellen gibt. Wenn bereits zwei Frauen vorhanden sind, dulden dieselben zumeist eine dritte nicht.
Der betreffende Mann ist sodann gezwungen, für seine dritte Frau ein eigenes Haus einzu
richten, er muß aber trotzdem für den Unterhalt seiner zwei ersten Frauen auch Sorge tragen,
schon deshalb, um Streitigkeiten mit deren Familie zu vermeiden, und um der Gefahr, ver
giftet oder erschlagen zu werden, aus dem Wege zu gehen. Die Frauen arbeiten in den
Feldern des Mannes. Bei ähnlichen Streitigkeiten kann es Vorkommen, daß keine der drei
Frauen auf den Feldern arbeiten will, der Mann bekommt dann nichts zu essen, denn es
scheint unwürdig zu sein, wenn ein verheirateter Mann selbst seine Taro kochen würde.
Spezielle Werbungszeremonien sind wohl veraltet, jedenfalls nicht mehr allgemein üblich. So
viel ich erfahren konnte, soll es auch Vorkommen, daß der Bräutigam eine Zeitlang bei seinen
Schwiegereltern arbeiten muß, um ein näheres Bekanntwerden vorher zu ermöglichen. Nach
her begibt er sich nach Hause und bereitet ein großes Festessen vor, zu dem er seine
Schwiegereltern einladet. Dabei muß zuerst der Schwiegermutter das Essen vorgesetzt werden.
Davon, ob dieselbe das Essen annimmt oder nicht, hängt ihre Einwilligung zur Hochzeit ab.
Ein Kaufpreis muß in jedem Falle noch außerdem bezahlt werden. Bei den Nasioi ungefähr
im Werte von 10 Mark, bei den Buka bis zu 20 Mark. Als Kaufschilling für eine Braut
kommen in Betracht: Armringe, Perlen, Äxte, Messer oder Lendentücher, eventuell auch ein
Schwein und in neuerer Zeit bei den Küstenbevölkerungen auch Geld.
20 ERNST FR1ZZ1
Die Geburt wird bei den Nasioi im Hause
erwartet. Der Mann schläft zu dieser Zeit
in den Junggesellenhäusern. Bei den Telei
zieht sich die Frau in ein Häuschen in den
Busch zurück, wobei sie von einigen Weibern
begleitet wird. Die Nabelschnur wird mit einem
Bambussplitter abgeschnitten. Die Kinder
bekommen sehr lange die Brust, oft bis zum
vierten Jahre. Stirbt die Mutter, so nimmt
sich stets eine andere Frau ihrer als Amme
an. Taro sollen bald den Kleinen als Zugabe
gegeben werden.
Der Kindesmord, ein sehr wichtiges Ka
pitel, darf hier nicht unbesprochen bleiben.
Derselbe ist zum großen Teile für die rapide
Depopularisierung verantwortlich zu machen.
Zu Abtreibemitteln aller Art wird häufig ge
griffen. Das Hauptmittel heißt Bischira und
wird aus einer Pflanze Iritimo gewonnen. Ich
habe schon vorher einmal die Vermutung
ausgesprochen, daß es sich dabei um Extrakte handeln dürfte, die aus mit Rostkrankheiten be
fallenen Grasarten gewonnen werden. Alles Nähere hierüber wird ganz geheim gehalten. Bischira
soll mit Betel zusammengenommen werden. Jede Frau kennt diese Mittel und macht bestimmt
davon Gebrauch, sobald sie bereits ein oder zwei Kinder hat. Allgemein üblich ist auch der direkte
Kindesmord. Getötet werden selbst Erstgeborene, wenn die betreffende Frau zu faul ist, ihre
Kinder groß zu ziehen. Mädchen ereilt dieses Schicksal eher als Knaben. Ein Junge, namens
Kimbule in Buin, erzählte mir den bei den Telei üblichen Gang des Kindesmordes. Nach
jedesmaliger Geburt eines Kindes tritt eine Art Weiberrat zusammen, in deren Händen die
Entscheidung über Tod und Leben des neuen Weltbürgers liegt. Scheinbare Mißbildungen
bei der Geburt, die sich bekanntlich oft schon einige Tage nach der Geburt korrigieren
können, sind unbarmherzig dem Tode verfallen. Diese Fälle sind ja an sich nur selten zu
beobachten. Um so mehr sind dem Morde alle Kinder ganz der Laune des Weiberrates aus
gesetzt. Der Tod des Kindes wird nun durch Ersticken und den verschiedensten Brutali
täten in Szene gesetzt. Nase und Mund werden dem Kinde zugehalten. Das wehrlose Ge
schöpf wird auf den Boden gelegt, und mit Händen und Füßen wird es durch Schläge und
Tritte gegen Bauch, Brust und Gesicht allmählich getötet. Diese Tortur wird so lange fort
gesetzt, als das Kind Klagelaute ausstößt. Nun wird die derart schrecklich verstümmelte Leiche
vor das Haus geworfen, wo es an seinen gräßlichen Wunden zugrunde geht. Diesen Roheiten
steht man scheinbar noch ganz machtlos gegenüber. Trotzdem sind auch hierzulande die
rührendsten Beispiele von Mutterliebe bekannt. So z. B., daß eine Mutter, die vom Tode ihres
Sohnes hört, Selbstmord begeht, was meistens durch Erhängen geschieht.
Ich habe bereits in einem anderen Zusammenhänge darauf hingewiesen, daß soziale Titel
und Würden der Erbfolge unterworfen sind. So, daß die Kinder stets das Totem der Mutter
annehmen. Es wurde ebenso hervorgehoben, daß die priesterliche Würde, daß die Würde
eines Hexenmeisters und Zauberers sich immer strenge in der Familie fortvererbt, dasselbe
gilt auch für die Häuptlingswürde. Auch hier sind die Verhältnisse einigermaßen schwer zu
durchschauen. Es scheint der älteste Bruder immer der erste Erbberechtigte in der Häupt
lingsnachfolge zu sein. Sind weder Kinder noch Brüder des Häuptlings vorhanden, so haben,
wenn Kinder von den Geschwistern des Häuptlings am Leben sind, immer die Kinder der
EIN BEITRAG ZUR ETHNOLOGIE VON BOUGAINVILLE UND BUKA 21
Fig. 10. Kongara-Haus. Fig. 11. Oiai-Dorf.
Schwester den Vorzug. Es kommen auch Neuwahlen vor, bei denen diejenigen, die sich auf
irgendeine Weise zu bereichern verstanden haben, meist den Vorzug genießen. Es können
einzelne Dorfbewohner, die mit ihrem Häuptling unzufrieden sind, einfach auswandern und sich
ein neues Dorf gründen, wobei immer wieder ein neuer Häuptling gewählt wird.
Besonders hochgeachtet werden diejenigen Häuptlingsfamilien, deren Kinder sich nur inner
halb gleichgestellter Häuptlingsfamilien verheiraten.
Über das Erbrecht wurden mir nie genaue Angaben gemacht. Es dürften da aber sehr
komplizierte Verhältnisse vorliegen, nichts destoweniger, ja vielleicht gerade deshalb muß man
wohl annehmen, daß die Erbrechtsverhältnisse ganz besonders wohl ausgebildet sind. Nach
dem Tode der Eltern erbt das älteste unter den Geschwistern sämtliches Eigentum, gleich
gültig ob Tochter oder Sohn. Der betreffende Erbe ist aber verpflichtet, für den Lebensunter
halt der anderen Familienangehörigen Sorge zu tragen. Auch Stiefkinder sind von der Erb
folge nicht ausgeschlossen.
Es gibt Privat- und Gemeindebesitz. Der Privatbesitz ist erblich, die Erträge gehören dem
jeweiligen Besitzer. Im Gemeindebesitz kann scheinbar jedermann anbauen und anpflanzen,
wo es ihm beliebt, und gehören die daraus erwachsenden Erträge dem Betreffenden. Nach
seinem Tode scheinen diese Besitztümer dem Häuptling zuzufallen. Man unterscheidet ferner
strenge zwischen Eigentum der Frau und dem des Mannes. Die Haus- und Wirtschaftsgeräte
scheinen durchweg durch Heirat in den Besitz des Weibes überzugehen, Waffen, Boote, Fisch
fanggeräte sind ausschließlich Besitz der Männer.
Die Kopfjägerei wird hierzulande noch allgemein, besonders aber bei den Telei, geübt. Bei
allen möglichen Festlichkeiten ist es üblich, den Kopf eines erschlagenen Feindes zu dieser Gelegen
heit zu erwerben, diese Tiophäe findet dann in dem Versammlungshause an einem geeigneten
Platze Aufstellung. Um sich in den Besitz eines solchen Schädels zu bringen, wird, und zwar
unter dem Schutze der Dunkelheit der Nacht, das nächste Dorf, mit dem man gerade in Feindschaft
lebt, überfallen. Schnell werden einige Feinde erschlagen, und es genügt, wenn man einen der
Erschlagenen mit sich als Beute nimmt. Der Erschlagene bildet den Festbraten, sein Schädel
wird dann zu den anderen hinzugestellt. Ich muß hinzufügen, daß der gemeine Mord hierzu
lande unbekannt ist. Es sind dies alles uralte Sitten und Gebräuche, denen man Rechnung
tragen muß und welche stets der Kontrolle des Häuptlings unterliegen. Nur mit seiner Zu
stimmung ist es erlaubt, Feinde zu überfallen und zu töten. Der Häuptling ist in allen Fällen
die oberste Instanz.
Verheiratete Leute schlafen zusammen in den auf Pfählen errichteten Häusern (Pawa) (Fig.9,
10 und 11). Die Numa-Numa und Buka bauen ihre Hütten vielfach direkt auf die Erde (Fig. 12,
13 und 14). Für die unverheirateten Männer habe ich überall sogenannte Männerhäuser (Karobo)
angetroffen, die sehr oft auch als Versammlungshäuser benützt werden. Die Männerhäuser sind nicht
22 ERNST FRIZZI
Fig- 12. Numa-Numa-Dorf. Fig. 13. Buka-Dorf.
auf Pfählen, sondern direkt auf die Erde gebaut. Bei den Telei und Buka sind sie oft von ganz
gewaltiger Ausdehnung, oft bis zu 30 m lang. Hier, wo Schweine und Hunde jederzeit freien
Zutritt haben, und es oft von Ratten und Ungeziefer aller Art wimmelt, schlafen die Ein
geborenen entweder, wie in Buka, direkt auf der nackten Erde oder, wie bei den Nasioi, auf
Holzknüppeln (Tankuran), denen, wenn man sie besitzt, noch Schlafmatten untergebreitet
werden. Als Kopfkissen, dem Bedürfnis, dem Kopfe eine etwas erhöhtere Ruhelage zu ver
schaffen, wird unter den Nacken ein Holzklotz (Boraepatu) geschoben. Große Holzbrände
erfüllen die Hütten zur Nachtzeit mit einem Rauch, der die Augen sehr reizt, doch die Mücken
fernhält. Außerdem werden durch diese Feuerstellen (Tsibun) im Hause die Kühle der Nacht
und die des anbrechenden Morgens abgeschwächt; meist ist zwischen je zwei Schlafenden ein
solches Feuer, dem sie sich mit Vorliebe recht nahe legen1) (Fig. 15). Ist der Eingeborene
krank, so liegt er auf eben diesem Lager und entzündet ein womöglich noch kräftigeres Feuer,
das ihm seiner Ansicht nach die Krankheit aus dem Leibe ziehen soll.
Die Mädchen schlafen bei ihrer Mutter oder verheirateten Schwester.
Zur Konstruktion der bei den Nasoi auf hohen Pfählen (Tatakani) stehenden Häuser
übergehend (Fig. 16), muß ich zuerst hervorheben, daß dieselben nur noch bei den Telei in
reiner Form anzutreffen sind. Die Photographien illustrieren die bei allen übrigen Volks
stämmen in Bougainville üblichen anderen Häusertypen. Je mehr wir nach Norden kommen,
desto mehr wird die Giebeldachform durch die Runddachform verdrängt. Die Pfahlhäuser
ruhen auf je drei seitlichen und drei Mittelbalken. Der Grundriß des Hauses ist ein Rechteck,
etwa 8 m lang und 5 m breit. Die Höhe der Pfähle schwankt; im Durchschnitt werden sie
etwa 3 m über dem Boden abstehen. Vom Fußboden (Datag) bis zum Dach (Pupui) sind,
gemäß der Neigung des Daches, seitlich 2 m und in der Mitte etwa 3—4 m Abstand. Den
Fußboden bilden größere Holzbalken (Tsiro),
etwa drei bis vier. Zwischen diesen wird ge
spaltene Bambusrinde (Taten) gelegt. Quer
darüber liegen ebensolche Bambusrinden, die
aber jetzt Taran genannt werden. Die einzelnen
Pfosten und Balken werden nur durch Binden
mit Bast und Rindenschnüren untereinander
zusammengehalten.
Eine Stiege (Patang), die oft eine Leiter
mit Sprossen, oft nur ein mit ausgehackten
1) Das Feuer wird durch Reiben (impautsi) mit
einem kleinen harten Stück Holz (inu) auf einem weichen
Holz (baraki) erzeugt. Die Fig. 15 erläutert diesen Vor
gang zur Genüge.Fig. 14. Buka-Dorf.
EIN BEITRAG ZUR ETHNOLOGIE VON BOUGAINVILLE UND BUKA 23
Stufen versehener Baumstamm sein kann, ist stets
an das Haus angelehnt, um in dasselbe emporstei
gen zu können. Bevor man das Haus betritt, findet
sich zumeist eine kleine Veranda. Durch ein Loch,
dem auch eine Art Tür vorgehängt ist, betritt man
den Innenraum des Hauses. Derselbe besteht bei
den Nasioi nur aus einem einzigen Raum, in dessen
Mitte gegen die Hinterfront des Hauses man stets
die Feuerstelle (Tsiburi) antrifft. Rechts und links
davon sind die Schlafmatten aufgelegt. Bei den
Telei trifft man zunächst einen kleinen Vorraum an,
wo das Feuer gemacht wird, dem ein zweiter, etwas
größerer, der eigentliche Schlafraum folgt.
Zur Wand- und Dachverkleidung (Daunowa)
werden Blätter der Betelpalmen (Kato) verwendet.
Dieselben werden in größerer Anzahl an einem
Bambusstock aufgereiht und so nacheinander auf
gehängt. Sie schützen den Raum vor zu starker
Sonnenbestrahlung und sind vollkommen regen
dicht (Fig. 17). Fig. 15. Feuerreiben.
Im Walde trifft man oft auf Schutzdächer (Bare), die als Unterstandstelle bei plötzlich
eintretendem Regen dienen.
Längs der Küste haben sich die im Vorgebirge lebenden Stämme Bootshäuser (Botunawa)
gebaut. Dieselben werden auch, wenn die Leute gelegentlich des Fischfanges länger an der
Küste festgehalten werden, zum Übernachten benutzt.
Neuanlagen von Dörfern können darauf zurückgeführt werden, daß ein bereits bestehendes
Dorf zu viel Bewohner beherbergt. Dementsprechend unterscheiden wir in größeren Dörfern
zwischen Oberhäuptling und einem oder mehreren Unterhäuptlingen. Aber auch wenn ein ein
zelner Bewohner, worauf ich bereits früher hingewiesen habe, sich in seinem Dorfe in irgend
einer Weise zurückgesetzt oder aus irgendwelchen Gründen gekränkt fühlt, verläßt er seine
Heimat. Er nimmt Hab und
Gut, vor allem seine Frau
und Kinder mit, veranlaßt
vielleicht noch zwei oder
mehrere ihm befreundete
Familien, mit ihm zusammen
auszuwandern. Hat er einen
geeigneten Platz gefunden,
ergreift er, wenn derselbe
herrenlos ist, einfach davon
Besitz. Er rodet den Wald
ringsumher und ein paar
Hütten sind sodann schnell
gebaut.1) Auch werden oft
1) Das Roden mit den ur
alten Steinäxten (katsi) (Fig-, 18
und 19) muß eine mühsame und
langwierige Arbeit gewesen sein.
Heute werden wohl meist euro
päische Eisenbeile benutzt. Fig. iß Aufriß eines Nasioi-Hauses.
Baessler-Archiv, Beiheft vi: E. Frizzi, Ein Beitrag zur Ethnologie von Bougainville u. Buka. 4
24 ERNST FRIZZI
ganze Dörfer verlassen, was speziell in
Buka zutrifft und anderswohin verlegt
oder von einem größeren Dorf aufge
saugt. Ähnliches findet man bei den
Küstenbewohnern von Bougainville gar
nicht selten, insbesondere bei den Nasioi
habe ich längs der Küste mehrere, einst
besiedelte, jetzt aber verlassene Plätze
vorgefunden. Es mag sein, daß die
Leute wieder weggezogen sind, oder
was bei den Nasioi wohl eher zutrifft,
sie sich in die Vorberge zurückgezogen
haben. Vor allem sind sie in erhöhter
Lage weniger der Malaria ausgesetzt.1)
Fig. 17. Familienszene unter einem Nasioi-Hause. Die wirtschaftliche Tätigkeit ist zwi
schen den Geschlechtern genau verteilt. Die unverheiratete Frau beteiligt sich an den Frauen
arbeiten innerhalb ihrer Familie. Ist sie verheiratet, so kommt noch dazu, daß es ihr auch
obliegt, für ihren Mann zu kochen. Die schweren Arbeiten besorgt der Mann.
Das Fischefangen im Meere mit den großen Netzen (Todau) besorgt der Mann. Es ist
dies eine mühsame und nicht sehr einträgliche Beschäftigung, wenn man die Männer in jeder
Hand ein Netz halten sieht, wie dieselben oft stundenlang im Wasser den noch zumeist recht
kleinen Fischchen auflauern. Haben sie einen Rudel Fische entdeckt, so umstellen sie den
selben, die Fische sind aber einstweilen wieder ausgerissen, und man ist zufrieden, wenn die
Ausbeute auch nur in einigen wenigen Tieren besteht, die von dem Netze nun in die für diesen
Zweck auf dem Rücken der Männer befestigte Blättertasche (beta) hineinwandert.
Noch mühsamer ist der Fischfang, dem die Weiber obliegen. Frühmorgens sieht man
dieselben, wenn das Wasser noch nicht zurückgetreten ist, längs des Strandes alle Steine um
wenden, und das sowieso nur selten gefundene Fischlein entschlüpft auch noch ihrer, wenn
auch für diese Art von Fischfang gewiß sehr geübten Hand. Fischfang mit großen Netzen in
Kanus wird zumeist von Männern betrieben. Die Männer bauen die Häuser, fertigen die Kanu
an. Bäume fällen und Pflanzungen roden und ausbrennen, sind ausschließlich männliche Tätig
keiten. Kokosnuß- und Bananenpflanzungen legen die Männer an, ebenso pflanzen sie den Yam an.
Die Hauptbeschäftigung der Weiber ist das Anlegen von Taropflanzungen und das Rein
halten dieser Kultur. Fast täglich arbeiten sie darin. Frühmorgens zwischen neun bis zehn
Uhr verlassen sie zu diesem Zwecke ihre Hütte, um nach
mittags gegen fünf Uhr wieder nach Hause zurückzukehren,
am Rücken stets ein Bündel von Taropflanzen mitschleppend.
Zu Hause angelangt, werden die Taro, das Brot der dortigen
Eingeborenen, auf alle möglichen Arten zubereitet. Dieselben
müssen immer frisch sein. Bei längerer Aufbewahrung ver
faulen sie. Die ganzen Früchte werden entweder auf einem
1) Vgl. Frizzi, E., Reiseeindrücke aus Buka und Bougainville,
Mitteilungen der geographischen Gesellschaft in München, Vlll. Bd.,
4. Heft, S. 483-490, 1913. Taroshimpfer.
Fig. 18. Äxte.Muschelaxtklinge. Fig. 19. Steinaxlklmge.
EIN BEITRAG ZUR ETHNOLOGIE VON BOUGAINVILLE UND BUKA 25
Holzfeuer gebacken oder in einem Topf
mit Wasser gekocht. Recht schmackhaft
sind verschiedene Arten von Tarokuchen.
Die Zubereitung erfolgt durch Zerstam
pfen der stärkereichen Taro zu einem
Brei in einem zylindrisch ausgehöhlten
Holzstück (Kanu) (Fig. 20), das unten
konisch zugespitzt ist, um in die Erde
gesteckt werden zu können (Fig. 21).
Die vorher gekochten Taro kommen in
das Kanu und werden dort mittels des
Taukini, eines ganz gewöhnlichen Holz
stößels, zerstampft. Vermischt mit der Kalipnuß, die auch im Kanu mit zerstampft wird,
bekommt man das sehr wohlschmeckende Towa, wird Taro mit Kokosmilch vermischt, einen
fettigen Teig, Kampa genannt, und endlich Taro mit dem am Kokosnußschaber (Kukui) zer
riebenen Fruchtfleisch der Kokosnüsse gibt ein Gericht, das Ikipau bezeichnet wird. Der Teig
wird entweder direkt gegessen oder auch in Palmenblätter eingewickelt und nochmals am
Feuer ein wenig gebacken. Die Zubereitung und speziell das Formen der Kuchen geht sehr
sachlich und verhältnismäßig reinlich vor sich.
Von der Kokosnuß wird das Fleisch gegessen und die Flüssigkeit getrunken. Das aus
gepreßte Öl spielt bei Zubereitung der verschiedensten Speisen eine große Rolle. Die ange
keimten Kokosnüsse sind ein von den Europäern sehr gesuchter Kaufartikel. Der Eingeborene
der deutschen Salomo-Insel pflanzt nur soviel Kokospalmen, als er für seinen eigenen Ge
brauch benötigt. Trotzdem würde ihm das Anpflanzen dieser Bäume in größerem Maßstabe
einen bedeutenden Gewinn abwerfen. Die Pflanzungen der Europäer basieren hier fast einzig
darauf; Kokosnußpflanzungen, bei genügenden und billigen Arbeitskräften vorausgesetzt, werfen
einen großen Gewinn ab. Das Kopra steigt stetig im Preise.
Bananen werden roh, in gekochtem Zustand und reif genossen.
Yams findet sich nur sehr vereinzelt vor, mag sein, daß er durch die erst in neuerer Zeit
eingeführten und jetzt massenhaft gepflanzten Süßkartoffeln verdrängt wurde.
Das Mark der Sagopalme ist ein kostbares Gericht.
Im November gedeihen die Brotfrüchte. Kalipnüsse wurden schon erwähnt. Eine Apfel
art, der sogenannte malaiische Apfel, kommt auch gelegentlich vor, ist sehr wasserreich und
durstlöschend. Von weiteren Vegetabilien sind die meisten eingeführt, wie Reis, Ananas, Kaffee,
Kakao usw.
Boden und Klima eignen sich jedenfalls sehr für den Anbau aller möglichen Pflanzen.
Parkinson (30 Jahre in der Südsee, S. 456) schreibt: „Man darf ohne Übertreibung behaupten,
daß auf der Insel Bougainville so ausgedehnte und kulturfähige Strecken Landes zu finden
sind, wie auf keiner Insel des Bismarckarchipels.“
Von Tieren muß das Schwein als
Idealnahrung bezeichnet werden. Dasselbe
ist verhältnismäßig später eingeführt wor
den. Die vorherrschende Rasse ist eine
dem Wildschwein verwandte Art. Man
trifft dasselbe gezähmt in Dörfern an, die
meisten leben aber wild im Busch. Man
fängt sie entweder in Fanglöchern (Dinku)
oder mit Netzen (Tou). Die übliche Zu
bereitung geschieht in folgender Weise: Fig. 22. Speiseschrank (Kunkura).
Fig. 21. Tarostampfer.
4
ERNST FRIZZI26
Zuerst wird dasTier durch
ein paar kräftige Stöße
gegen das Brustbein mit
einem derben Holzknüp
pel getötet. Sodann wer
den die Borsten mit bren
nenden Blättern abge
sengt. Hierauf wird das
Schwein zerlegt und in
Streifen zerschnitten. Die
Fleischstücke werden auf
ein Holzfeuer gelegt und
durch fortwährendes Um
wenden ein Anbrennen
derselben verhindert. So
bald das Fleisch ganz
durchgebraten ist, wird es
gegessen. Die schwarze,
rußige und trotz des Absengens noch mit vielen Borsten behaftete Haut gehört genau so
zu den Leckerbissen wie die Muskeln, welche je nach der Qualität, zumeist aber äußerst
kräftige Kauwerkzeuge voraussetzen. Durch die Vermehrung des Schweinebestandes wird
das Fleischbedürfnis der Eingeborenen mehr und mehr befriedigt. Aus diesem Bedürfnis
heraus erkläre ich mir auch zum Teil den Kannibalismus. Denn die Fauna ist gerade in diesem
Gebiete der Südsee eine sehr spärliche. Opossume und Fische sind eigentlich die einzigen
jagdbaren Tiere. Drei Arten von Opossume, Lage eine große, Kamaile und Inuato zwei kleinere
Arten sind bekannt und sollen, sobald sie erst einmal durch den Blick der Jäger eingefangen
sind, demselben nicht mehr entwischen können. Raupen, in verfaultem Holze lebend, die Onuhu
der Telei, ungefähr 10 cm lang und 2 cm dick, in Bambusrinde eingewickelt und gebraten,
sollen ganz besonders gut schmecken. Ameisen, Heuschrecken, Frösche, Kröten, Muscheln,
alles wird verzehrt Jedes Tier ist ebenso, wie jedes Kraut oder Baum, unter einem bestimmten
Namen bekannt. Diese Naturkenntnis muß ganz besonders hervorgehoben werden.
In diesem Zusammenhänge möchte ich noch auf den Speiseschrank (Kunkura) (Fig. 22),
den man in fast allen Hütten an der Decke des Hauses aufgehängt vorfindet, besonders auf
merksam machen. Der zumeist ungefähr 2 m breite, 2 m lange und etwa % m hohe Schrank
hängt auf Stricken befestigt etwa % m vom Boden entfernt über einer Feuerstelle. In das
Innere des Schrankes gelangt man
durch eine kleine Türe. Bereits
gebratene Opossume, Fische, Ka-
lipnüsse und andere Speisereste
werden darin aufbewahrt und da
durch oft bis zu einem Jahre
konserviert und vor Fäulnis be
wahrt, daß täglich unter dem
Schranke Feuer gemacht wird.
Von dem fortwährenden Ruße ist
dieser Räucherkasten vollkommen
geschwärzt.
Um Speisereste nur kurze Zeit
aufzubewahren, werden dieselbenFig. 24. Verziertes Tragband,
Fig. 23. Geflochtene Armbänder.
EIN BEITRAG ZUR ETHNOLOGIE VON BOUGAINVILLE UND BUKA 27
Fig. 25. Verschiedene Flechtwerke.
in schnell geflochtene Blätterkörbchen gelegt. Diese Körbchen werden auf irgendeinem haken
förmig gekrümmten Astteile (Kabaitsi), welcher von der Decke der Hütte herabhängt, aufge
hängt. Derselbe hängt ungefähr 2 m über dem Boden. Es handelt sich dabei hauptsächlich
darum, diese Dinge vor den Ratten, die oft massenhaft in den Hütten leben, zu sichern.
Das salzige Wasser des Meeres ist ein Tauschartikel. Dasselbe wird von den Küsten
stämmen nach befreundeten Gebirgsstämmen verhandelt. Es wird in langen, zu diesem Zwecke
angefertigten Bambusstämmen transportiert.
Eine große Fertigkeit besitzen die Eingeborenen der deutschen Salomo-Insel in der Her
stellung aller Arten von Flechtwerken. Dieselben zeichnen sich durch große Solidheit aus.
Man unterscheidet zwischen Flechtereien zum Zwecke der Verzierung, entweder in reiner
Form oder in Anlehnung an eine Art von Kultus, und zwischen solchen, die auf die Herstel
lung rein praktischer Gebrauchsgegenstände abzielen. Technisch unterscheide ich Band-, Korb-
und Mattenflechterei. Die mannigfaltigsten Bandmuster treten uns in den geflochtenen Arm
bändern (Takono) entgegen (Fig. 23). Die schmalen Formen sind charakteristisch für die Telei,
die breiten für die Numa. Umflochtene Waffen sind die sogenannten Königs-Speere, Bogen und
-Pfeile, und werden nur bei den Telei hergestellt. Die Nasioi beschränken sich dabei, und zwar
ausschließlich bei den Speeren, auf Verzierungen einzelner Abschnitte der Speerspitze. Das
Material ist Rotang. Die Hauptfarben sind gelb, rot und schwarz. Gelb ist die Naturfarbe,
schwarz wird durch Erdstoffe oder Ruß hervorgehoben. Die rote Farbe kommt durch Kochen
in einer Betelbrühe zustande. C. Rippe (Zwei Jahre unter den Kanibalen der Salomo-Insel,
S. 295, 1903) schreibt, daß der rote Farbstoff aus der Mangrovewurzel gewonnen wird. Um
flochten wird ferner aus rein praktischen Gründen das Mundstück der Tontabakspfeifen, der
Stöpsel der Kalkbüchsen usw. Ein gebrochenes Ruder kann durch eine straff angelegte Ban
dage aus Rotangfasern wieder vollkommen gebrauchsfähig gemacht werden. Ebenso ist der
Stein im Beil durch einfache Bindung mit Bastfasern befestigt. Auch Tragbänder, womit die
Fig. 26. Feine Bukaflechtwerke.
ERNST FRIZZI
Nasioiweiber ihre Lasten
am Rücken befestigen, kön
nen verziert sein (Fig. 24).
Von größter Kunstfertig
keit zeugen die verschie
denen Korbformen (Fig. 25
a, b, c und 26); die primi
tivste für schnellen und
vorübergehendenGebrauch
ist die Blättertasche aus
grünen Kokospalmenblät
tern (a). Die Nasioi und
Bukaleute haben zwei ganz
verschiedene Korbtypen.
Die der Nasioi sind starke
Rindenkörbe (b) aus der
Rinde der Lianen und Brot
fruchtbäume. Die leichtere
Bukaform (c) wird aus Sago
oder Kokospalmenblättern
oder auch aus Blättern von
Pandanaceen und anderem
Material gefertigt. Die verschiedenen Formen und Größen lassen sich aus den Illustrationen
ersehen. Dieser Kategorie von Flechtereien sind auch die Fischreusen zuzuzählen.
Schlafmatten und Regenmatten (Kariani) sind sehr gebräuchlich (Fig. 27). Die Brustfächer
(biluka) (Fig. 28) der Frauen gehören auch hierher. Der Rand der Matten und Fächer ist oft
mit bunt gefärbten Bastfäden (barara) verziert, die mittels einer Nadel durchgezogen werden.
Zu Nadeln (Kumeitsi) werden Fledermausknochen verarbeitet (Fig. 29). Ipa ist der Scham
schutz der Weiber, ein straffes Bündel Gras, das von jeher und auch jetzt noch ganz all
gemein unter den Lendentüchern getragen wird. In diese Technik fallen auch die Kopfbe
deckungen der Upi und Telei, abgesehen von dem inneren Gestell (Fig. 30). Ein verhältnis
mäßig grobes Produkt stellen die bei den Buka angefertigten, zur Kühlung benutzten Fächer
dar (Fig. 31).
In der Kunst des Webens sind die Eingeborenen sehr weit vorgeschritten, zwei kleine
primitive Webevorrichtungen zeigen die Abbildungen. Die erste dient ausschließlich zur An
fertigung von Armbändern, und ist von den Telei übernommen (Fig. 32), wird aber jetzt auch
vielfach bei den Nasioi benützt. Die zweite Vorrich
tung habe ich einem Bukamann aus den Händen ge
nommen, als er eben mit der Herstellung eines Fisch
netzes beschäftigt war (Fig. 33). Als Rohmaterial für
die Fäden dienen die verschiedenen Bastarten, haupt
sächlich die von der Liane, Kokospalme und Hibiskus
und dem Brotfruchtbaum. Die Fäden werden gedreht,
größere Stricke und die sehr starken Schweinenetze
werden geflochten. Die Flechtart der Netze ist als so
genanntes Filet bekannt. Die Dicke der Gewebe
schwankt von der Stärke eines Seidenfadens bis zu
der eines fingerdicken Taues. Die Netze dienen haupt
sächlich zum Fisch- und Schildkrötenfang. Die Länge
EIN BEITRAG ZUR ETHNOLOGIE VON BOUGA1NVILLE UND BUKA 29
Fig. 28. Brustfächer. Fig. 30. Kopfbedeckung der Upi (oben) und der Telei (unten).
desselben ist sehr verschieden, oft bis 30 m. Bei den Telei werden kleine, oft doppelte Netztäsch
chen benützt zur Aufbewahrung aller jener Sachen, die stets gebraucht werden: einer Kalkbüchse,
einiger Betelnüsse und Pfeffer, zumeist Dinge, die zum Betelkauen verwendet werden (Fig. 34).
Von Fischnetzen unterscheidet man Hand- und Senknetze. Die Frauen benützen ein kleines
Handnetz (Getsi). Die Männer benützen in jeder Hand ein größeres Netz (Todau) (Fig. 34 *). Die
Öffnung derartiger Handnetze wird durch einen runden, gebogenen Zweig dadurch dauernd er
halten, daß über denselben die obersten Schleifen des Netzes gezogen sind. Mit diesen Netzen
umstellen die Männer die Fische. Sie umkreisen einen einmal ins Auge gefaßte und sich
zufällig nahe beieinander befindliche größere Anzahl von Fischen immer enger und senken
auf ein gegebenes Zeichen ihre Netze gleichzeitig ins Meer. Davon wurde bereits gesprochen.
Die Senknetze werden durch angehängte Muscheln beschwert und hinter den Booten nach
gezogen. Die gewöhnlich 3-4 m
langen Netze heißen Kampe, die
großen Batobato und Sionu. Parkin
son schreibt (30 Jahre in der Süd
see, S. 510) von Senknetzen bis
300 m Länge.
In der Umgebung von Kieta
sieht man Gerüste ins Wasser ge
baut, zwischen denen Netze ge
spannt sind. Ein auf dem Gerüst
sitzender Eingeborener beobachtet
das Netz. Wenn eine größere An
zahl Fische über dasselbe hinweg
schwimmt, zieht er mit einem Fisch
stock (Niampe) das Netz rasch aus
dem Wasser. Stricke um Hals und
Lenden sind als sogenannte Trauer
schnüre gebräuchlich. Zum Zwecke
der Befestigung finden Fäden mehr
fache Verwendung. So z. B. wird
der Fischhaken (Agnats), der in
Buka sehr verbreitet ist, aus dem Fig. 31. Fächer der Buka. Fig. 32. Webevorrichtimg zur Anfer
tigung von Arnibändern bei denTelei.
30 ERNST FRIZZI
EIN BEITRAG ZUR ETHNOLOGIE VON BOUGAINVILLE UND BUKA 31
Fig. 37. Ruder der Buka.
Baessler-Archiv, Beiheft vi: E. Frizzi, Ein Beitrag zur Ethnologie von Bougainville u. Buka. 5
32 ERNST FRIZZI
Fig. 38. Hausplanken (Buka).
Fig. 39. Stevenverzierung (Alu).
eigentlichen Haken, wel
cher, aus Schildpatt roh
geschnitzt und durch nach-
heriges Reiben mit einem
Bimsstein geschärft wird,
an dem Muschelstück be
festigt. Die starke Verbin
dung im Gelenk geschieht
durch kreuzweises Um
binden mit einem Faden
(Fig. 35). Angelruten sind
mir nicht bekannt, sondern
es wird der Haken an einer Schnur befestigt und hinter dem Kanu im Wasser nachgezogen.
Von Holzgeräten, die in der Wirtschaft Verwendung finden, verdienen besonders die Holz
platten, Tarostampfer und Stößel, die Kokosnußschaber besonderes Interesse.
Unter den Kokosnußschabern (Fig. 36) unterscheide ich ihrer Ausführung nach drei Typen. Im
Prinzip gemeinsam ist allen ein einziges langes Holzstück, an deren einem Ende eine scharf
kantige Muschel befestigt ist. Die Muschel dient zum Schaben der vorher halbierten Kokos
nüsse. Die Befestigung der Muschel am Stiele wird durch Ankleben mit dem Brei der Nuß
Nasioi. Numa-Numa.
Fig. 40. Keulen.
Alu.
EIN BEITRAG ZUR ETHNOLOGIE VON BOUGAINVILLE UND BUKA 33
Parinarium laurinum be
wirkt. Der BukatypfKusc^
verbindet die Muschel mit
dem Stiel nur durch einen
Bast, wodurch die Haltbar
keit geringer, die Muschel
auch beweglicher,also nicht
so zweckentsprechend mit
dem Holzstücke in Verbin
dung gebracht ist. Bei der
Benützung dieses Instru
mentes setzt sich der Ar
beiter auf den Holzteil da
rauf, und an der Muschel
wird die halbierte Kokos
nuß ausgeschabt. Es ge
schieht dies dadurch, daß
die Nuß solange an der Muschel gerieben wird, als noch etwas von dem weißen Kern vorhanden
ist. An dem der Muschel entgegengesetzten Ende schnitzen die Telei eine menschliche Figur
(Igi). An Stelle dieser geschnitzten Figur kann auch eine einfache kreisförmige Schnitzerei
treten, von deren Zentrum strahlenförmig Ornamente ausgehen. Die Form der Holzplatte ist bei
den Telei länglich, bei dem Buka- und Nasioityp lanzettförmig. Nur in einem Falle habe ich ein
Nasioistück mit einer herzförmigen Holzplatte bekommen. Der Nasioitypus (Kukui) ist glatt, selten
durch ein Randornament verziert. Durch die Mitte zieht sich gelegentlich eine erhöhte Rippe.
Der Bukatyp zeigt am Blatt das charakteristische Uesch, jene menschliche Figur, die wir auch
in so vielen Varianten bei den Rudern antreffen. Das Blatt des Kokosschabers aus Buka wird
von dieser Figur fast ganz ausgefüllt.
Mit ganz besonderer Sorgfalt sieht man die Schaufel der Ruder (Fig. 37) (boe) der Bukaleute
verziert. Heule findet man auch schon viele unverzierte. Die Verzierung erstreckt sich meist auf
beide Seiten. Immer ist es die Stilisierung einer menschlichen Figur, die in rot, schwarz und
weiß ausgemalt wird. Bei diesen Schnitzereien wird auf die Ausführung des Kopfes das
Hauptgewicht gelegt. Derselbe wird en face oder im Profil dargestellt. Der Körper ist im
Verhältnis zum Kopf meist sehr klein, ebenso wie die Extremitäten gehalten. In einem ein
zelnen Falle habe ich ein stehendes Männchen gesammelt. Oft sind die Arme und Beine seit
lich aufgezogen, die Hände mit zumeist ausgespreizten Fingern nach oben gestreckt. Nicht
selten sehen wir auf einer Schaufel zwei Köpfe übereinander. Ein weiterer Übergang ist der
Kopf mit der Wirbelsäule, an welcher in einem Falle sogar die seitlichen Querfortsätze ausge
arbeitet sind. Zumeist beschränkt sich der Künstler allerdings darauf, die Wirbelsäule in einem
einfachen Strang zum Ausdruck zu bringen. Schließlich sind in einzelnen Fällen auch sehr
freie künstlerische Stilisierungen des Kopfes deutlich zu erkennen. Man sieht in der Mitte die
Nase, die etwas nach unten gerückten Augen, die seitlichen Ohren, ln ganz seltenen Fällen
tritt an Stelle dieser Figur die Nachbildung eines Krokodils oder Vogelkopfes.
Auf den Hausplanken und speziell Kanuschnabeln der Buka sind ähnliche Ornamente
bekannt (Fig. 38, 39).
Die schmalen Auslegerboote (bakasi) bei den Nasioi und Telei sind ausnahmslos ausge
höhlte Baumstämme, die man ursprünglich mit der primitiven Steinaxt (Nkebo) bearbeitet hat.
Der Stein der Axt zum Roden der Waldungen ist ein Nephrit ähnlicher Stein, die Axt wird Katsi
genannt. Zum Aushöhlen der Boote wird eine Muschel benutzt. Diese Axt ist Nkebo benannt. Meist
fassen diese Boote drei bis vier, seltener bis zu zehn Mann Besatzung. In Buka sind heute
5*
Fig. 41. Kalkbehälter (Telei).
34 ERNST FRIZZI
noch große Ruderboote
(mora) in Gebrauch, die 40
bis 50 Mann aufnehmen
können. Die Planken der
selben werden zusammen
genäht und hierauf mit dem
Harze des Parinarium lauri-
num verklebt. Stevenver
zierungen (Fig. 39) werden
immer seltener.
Keulen (tavaka) (Fig. 40)
sind aus Palmenholz an
gefertigt, deren Länge
schwankt zwischen 1 bis
1,50 m. Das Gewicht der
selben variiert sehr. Ihrem
Fig. 42. Kaikbehaiter (hauptsächlich Nasioi-Typus). äußeren Ansehen nach kann
ich unter meinen Sammlungen drei Typen unterscheiden. Die erste zeichnet sich durch ein breites
Schlagteil aus und stammt von den Alu. Auf diesem Exemplare sind auch einige Verzie
rungen angebracht. Der zweite Typ stammt von den Numa-Numa und ist durch die breite
Umflechtung des Handgriffes mit Rotang ausgezeichnet. Der zylindrische Handgriff verändert
sich zu einem lanzettförmigen Schlagteil. Auf einem Exemplar, das jedenfalls später durch
Tausch oder Kauf in den Besitz eines Bukamannes gekommen ist, sieht man eine Seite
mit einem kleinen Uesch verziert. Weitere Verzierungen scheinen nicht mehr in Gebrauch
zu sein. Längs der Mittellinie verläuft meist noch eine Rippe. Der dritte Typus ist einfach
und finden wir denselben bei den Nasioi. Hier trifft man oft nur schwache und roh bearbeitete
Keulen. Eine einzige Keule, die ich in Kieta erworben habe, besitzt einen runden Handgriff
und einen prismatischen Schlagteil. Da ich diese Form nirgends einreihen kann, und doch
nicht als einen eigenen Typus bezeichnen möchte, glaube ich, daß diese Form früher bei den
Nasioi üblich war, die heutigen rohen Formen Degenerations
erscheinungen darstellen.
Die Kalkbehälter (Makowe) sind aus Bambus (Fig. 41) oder
Kürbis (Fig. 42). Die Bambusdosen finden sich hauptsächlich
bei den Telei und zeichnen sich durch reichliche feine Orna-
mentierung rings um den ganzen zylindrischen Körper aus.
Die Ornamentierung der aus Kürbis gefertigten Dosen ist ver
schieden, beschränkt sich oft nur auf die Region, wo das Gefäß
seine Öffnung besitzt. Ein gut umflochtener Stöpsel (pipi)
schließt die Öffnung. In dem Stöpsel sitzt oft noch eine kleine
Spatel, welche dazu dient, die Kalkraenge (poa) aus der Büchse
herauszuholen. Der Kalk wird durch Pulverisieren der Korallen
gewonnen. Bekanntlich wird der Kalk immer in Verbindung
mit der Arecapalmennuß (moitsi) und der Betelpfefferfrucht
(kudon) oder deren fast ebenso beißend schmeckenden Blät
tern genossen und gekaut (Fig. 43).
Wasserflaschen werden aus Kürbisfrüchten ausgehöhlt und
habe ich dieselben nur bei den Alu angetroffen. Ein Bambus
stück als Hals wird durch Verschmierung mit der bekannten
Fig. 43. Bukamann, Betei kauend. Nuß in feste Verbindung mit dem Kürbis gebracht. Gewöhn-
Fig. 44. Kämme aus Bambus der Nasioi.
Fig. 46. Federschmuck der Nasioi.
lieh wird das Wasser nur in langen Bambusstämmen (petsi) aufbewahrt. In ebensolchen
wird das Meereswasser von der Küste in das Gebirge oft weit hineingetragen, wo es einen
gewissen Tauschwert besitzt.
Das Rohmaterial zur Herstellung von Kämmen liefert auf der ganzen Insel ebenfalls der
Bambus. Ein mehr oder minder gewölbtes Stück wird zu einem Kamm (Tsimpi) (Fig. 44) verarbeitet,
deren Länge schwankt. Durchschnittlich sind dieselben etwa 12-15 cm lang, wobei zwei Drittel
der Gesamtlänge auf den Zahnteil und ein Drittel ungefähr auf den Schildteil fallen. Der letztere
ist zumeist zart ornamentiert. Einer besonderen Abart von Kämmen bedienen sich die Telei (Fig. 45).
Dazu werden ungefähr 30 cm lange Bambusstücke von etwa 2 cm Durchmesser genommen,
10 cm der ganzen Länge werden zu 3-6 Zähnen gespalten. Sodann folgt ein Stück von etwa
10 cm, das durch Ausschneiden hergestellt wird, wobei einzig und allein ein- oder zweiseitige
Rindenstreifen stehen bleiben. Diese werden umgebogen und mit Rotang umflochten. Den
Rest des Stückes, der annähernd im rechten Winkel zu dem zahntragenden Teil steht, krönt
eine kleine wohlausgeschnitzte Figur oder auch nur ein Kopf. In den Kopf wird als Abschluß
ein Federschmuck hineingesteckt. Bei einer einfacheren Ausführung der eben beschriebenen
Kämme kann die Knickung auch durch einen geraden Verlauf ersetzt werden. Diese Kämme
werden nur von Männern getragen und stecken fast immer im Haare. Der Kamm spielt eine
große Rolle auf der ganzen Insel und wird fast jede müßige Minute zum Zerzupfen der Haare
verwendet.
Federbüsche (Fig.46) und einzelne Federn im Haar sind nur bei Tanzfestlichkeiten gebräuchlich.
Tanzschilder (Koka) (Fig.47) kommen ausschließlich bei den Telei vor. Ihre Form läßt sich viel
leicht auf den australischen Bumerang zurückführen. An Tanzschildern ist das Mittelstück meist
durchbrochen, um es fester in der Hand halten zu können. Die seitlichen Teile sind sehr ver
breitert und reich mit Kerbschnitzerei verziert. In seltenen Fällen wird nur ein Flügel benützt,
was vielleicht darauf zurückzuführen ist, daß bei der Fabrikation der ganze Schild auseinander
gebrochen ist. Die Ornamente werden durch Farbe rot, schwarz und weiß besonders hervor
gehoben. In die zumeist leere Mitte zwischen den beiden seitlichen Flügeln findet man hier
und da auch eine menschliche Figur hineingepaßt. Fast stets ist die Mitte der Flügel durch
ein sternartiges Ornament ausgezeichnet, um das sich weitere Ornamentierungen gruppieren.
Als reine Schmuckgegenstände müssen die aus der Tridakna-Muschel geschnitzten Nasen
stifte, Muschelscheiben, Brustschmuck und die Armringe angesprochen werden. Alle Schmuck
stücke werden fast ausnahmslos von Männern getragen.
Die Nasenstifte (Nabui) (Fig. 48) werden durch die durchbohrte Nasenscheidewand getragen.
Es sind dies aus Tridakna hergestellte, glatt polierte, an beiden Enden zugespitzte Stäbchen von
36 ERNST FRIZZI
Fig. 47. Tanzschilder der Telei. (ln der Ecke oben rechts (x) ist ein Hauspfosten.)
ungefähr % cm Durchmes
ser und 5-15 cm Länge.
Die Herstellung dieses Stif
tes ist eine langwierige
Prozedur, besonders der
längeren Formen. Deshalb
findet man schöne Exem
plare nur bei angesehenen
Eingeborenen, minder hoch
stehende begnügen sich
auch mit einem Stück Holz
u. dgl.
Als Brustschmuck dienen
die etwa 2-3 mm dicken,
kreisförmig zugeschnitte
nen Scheiben der Tridakna-
Muschel. Der Durchmesser
dieser Scheiben schwankt
von 2—8 cm. Auf diesel
ben aufgelegt wird eine
papierdünne Schildpatt
scheibe (Kurei), welch letz
tere verschiedentliche Or
namentierungen durch Aus
schneiden mit einem spitzen
Instrument aufweist. Dieser
Schmuck (Kabukabu) wird
von den Nasioi und Numa-
Numa getragen (Fig. 49).
Bei den Telei ist eine an
dere Art von Brustschmuck
im Gebrauche, der zwar
ebenfalls aus der Tridakna
geschnitzt wird, aber nur
aus diesem Material allein
besteht. Die verschieden
sten Formen zeigen die
Abbildungen. Der Schmuck
wird an einer Halskette
getragen. Er ist zu diesem
Zwecke in der Mitte der
Scheibe, wo dieselbe durch
löchert ist, befestigt. Die
Kette besteht ausschließlich
aus einer Reihe ganz kleiner
Muschelscheibchen. Auch
Halsketten aus Trochlus-
ringen (Fig. 50) kommen
Fig. 50. Halskette. vor.
EIN BEITRAG ZUR ETHNOLOGIE VON BOUGAINVILLE UND BUKA 37
Fig. 48. Nasenstifle.
Stelle durchlöchert ist.
Die Armringe (Fig. 51) sind auch aus Tridakna oder aus
Trochus Nilotikus geschnitten. Dieselben besitzen wohl durch
die große Mühe, die ihre Herstellung erfordert, einen verhältnis
mäßig sehr hohen Wert. Sie werden zumeist von den eng
lischen Inseln bezogen.
Die Teleimänner tragen auf ihrer Stirne noch eine oder
zwei Muscheln (Ovula Ovum) (Fig. 52). Dieselben sind befestigt
durch ein Band, zu welchem Zwecke die Muschel an einer
Gelegentlich trifft man auch verschiedene Muscheln, die an zierlichen Perlketten hängen,
zu einem Bündel zusammengebunden, was als Tanzschmuck getragen wird. Durch das Zu
sammenschlagen der einzelnen Muscheln ergibt sich ein glockenartiger Ton.
Die Muschel ist das ursprüngliche Messer der Eingeborenen (Fig. 53). Auch heute noch
werden zum Putzen und Schneiden der Taro scharfkantig gemachte Perlmuttermuschelschalen
(Kanu) benützt. Bei den Telei ist heute noch zum Ausschaben der Kokosnüsse ein gespaltener
Schweineknochen (Fig. 54) ganz allgemein im Gebrauch. Selbst zum Rasieren, worauf hier
zulande sehr viel Gewicht gelegt wird, benützt man Muscheln (Tango) (Fig. 55), wenn man
es nicht vorzieht, durch Zusammenklappen zweier kleiner Muscheln, die man in einer Hand
hält, die einzelnen Härchen zu erfassen und gleich ganz auszureißen. Auf die Bedeutung des
Muschelgeldes komme ich später noch zu sprechen.
Aus Ton werden Töpfe und Tabakpfeifen gefertigt. Das jetzt allgemein bei Kind, Mann
und Frau übliche Rauchen ist eine verhältnismäßig noch nicht sehr alte Sitte. Die Tabaks
kultur ist heute allerdings schon über die ganze Insel verbreitet. Man unterscheidet drei nach
Geschmack und Güte ganz verschiedene Tabaksorten. Außerdem läßt auch die Verpackung
die Provenienz erkennen. Die Telei machen Zöpfe, die Nasioi drehen ihren Tabak wurstförmig
zusammen, und die Buka beschränken sich darauf, die einzelnen getrockneten Blätter lose an
einem Faden zusammenzureihen. Der wohlschmeckendste Tabak kommt bei den Telei vor (Fig. 56).
Die Pfeifen (Fig. 57) zeichnen sich durch ihren langen dünnen Stiel aus. Derselbe kann bis
20 cm lang bei nur % cm Durchmesser sein. Nicht selten ist der Stiel mit Rotang umflochten.
Als Pfeifenfabrikanten sind vor allem die Numa-Numa bekannt. Der Pfeifenkopf kann dort oft
nicht groß genug gemacht werden, oder es werden zwei Köpfe, die entweder neben- oder
hintereinander stehen, mit einem Stiel
kombiniert.
Die Kochtöpfe (Fig. 58) werden
ausschließlich von den Frauen her
gestellt (Fig. 59). ln Buka ist eine
spitze konische Form üblich, deren
oberster Rand sehr oft mannigfache
Verzierungen aufweisen kann. In Bou-
gainville sind die Frauen der Alu die
Töpfer. Die Form dieser Töpfe ist
rund, mit einem seitlich ein wenig
ausgebogenen Rand. Die Größe der
Töpfe ist sehr verschieden. Ich habe
kleinere von 15 cm Öffnungsdurch
messer bis zu großen Formen mit
einer Öffnung von ungefähr % m
gesehen. Die Nasioi unterscheiden
drei Formen: die große nennen sie
Aroa, die mittlere Kodeu, die kleine Fig. 49. Brustschmuck. Telei.
38 ERNST FRIZZI
Fig. 51. Armringe. Fig. 53. Muschel als Messer gebraucht.
Fig. 56. Tabak,
a) Telei, b) Nasioi, c) Buka.
Fig. 57. Tabakspfeifen.
Form Kakazi. Topf im allgemeinen heißt Otau. Die Herstellung geschieht durch Aufeinander-
legen von Lehmwülsten, die dann durch fortwährendes Klopfen innen und außen entweder mit
der Hand oder mit einem Stück Holz auf diese Art fest zusammengefügt und geglättet werden.
Die fertig gebrannten Töpfe sind ein sehr gesuchter Handelsartikel.
Zu den gebräuchlichsten Waffen gehören der Speer (danko), Bogen (rnpa) und Pfeil (tum-
pari). Alle drei werden von den Gebirgsstämmen angefertigt. Vielleicht deshalb, weil die
Palmenart, aus deren Holz diese Waffen geschnitzt werden, nur hoch im Gebirge anzutreffen
ist. Durch Tausch kommen die Waffen in den Besitz der Küstenvölker, sowie überhaupt in
Umlauf, so daß man in einem Ort oft die Waffen der verschiedensten Stämme zu sehen be-
EIN BEITRAG ZUR ETHNOLOGIE VON BOUGAINVILLE UND BUKA 39
kommt, was leicht zu Verwechslungen
führen kann. — Um die Herkunft von
Speeren und Pfeilen stets sicher be
stimmen zu können, müssen wir neben
der Spitze noch den verschiedenartig
sten Ornamenten, die am Schaft ein
graviert sind, was speziell für die Pfeile
zu sagen ist und worauf ich noch zu
rückkommen werde, unser ganz beson
deres Augenmerk zuwenden.
Die Spitzen der Pfeile bestehen
aus Palmenholz, die Schäfte aus Bam
bus (Fig. 60). Die Spitzen sind in den
Schaft eingesteckt. Dieselben sind etwa
30-40 cm lang, auf beiden Seiten zu
gespitzt, und die in den Schaft eingesetzte Spitze etwa 5 cm lang. Um an der Einstecköffnung
eine Zersplitterung des Rohres zu verhindern, wird dasselbe an dieser Stelle mit Bastfasern
streng umwickelt. In eben derselben Weise und zu demselben Zwecke wird die endständige
Kerbe des Pfeiles, die zur Aufnahme der Sehne des Bogens dient, fest mit Bast umflochten.
Zur stärkeren Verbindung zwischen Schaft und Einsteckspitze wird auch noch an der Verbin
dungsstelle durch Harz ein festerer Verschluß herbeigeführt. Die Länge des ganzen Pfeiles
schwankt von 1 m bis 1,50 m. Ungefähr 1,20 m ist die übliche Länge. 1 cm ist die gewöhn
liche Stärke des Rohres. Die Spitzen sind entweder glatt oder verziert. Der Querschnitt
derselben ist ein runder. Dann ist ihre Form konisch und verjüngt sich gegen die Schuß
spitze zu. In seltenen Fällen ist die glatte Spitze in der Mitte knopfartig verdickt. Dieser ver
dickte Teil der Spitze, in der Länge von nur einigen Zentimetern, hat einen annähernd qua
dratischen Querschnitt. Pfeile mit glatter, unverzierter Spitze sind die häufigsten und allge
mein verbreitet. Bei Pfeilen mit Widerhaken unterscheidet man zwischen solchen, deren
Widerhaken aus dem Holze selbst herausgearbeitet sind und solchen, deren Widerhaken
sekundär durch Befestigung mit dem Harze der Nuß Parinarium laurinum und einer nach
träglich vollständigen Umwickelung mit Bast an der Spitze angebracht werden. Zu Wider
haken werden Gräten, zugespitzte Fledermausknochen, Holz, Dornen u. dgl. benützt. Man
unterscheidet bei den Pfeilspitzen, deren Widerhaken direkt aus dem Holze gearbeitet sind,
zwischen herzförmigen Widerhaken, welche nur an dem Ende der Spitze sitzen (Numa-Numa),
und solchen mit dachziegelartig übereinander gelagerten Widerhaken und deren Varianten
(Buka). Der herzförmige Widerhaken der Numa-Numa-Pfeile kommt zumeist nur in einem
Widerhaken, der sehr breit ist, seltener in zwei, die übereinander sitzen, vor. Variationen
dieser herzförmigen Haken, wie sie in verkleinerter und stilisierter Form, in gerader oder
schiefer, fortlaufender oder unterbrochener Reihenfolge auf den Pfeilspitzen zu sehen sind,
illustrieren meine Abbildungen am besten. Bei der Numa-Numa-Form konnte ich nur ein ein
ziges Mal an dem, dem Schafte zugekehrten Ende der Spitze eine Verzierung mit Bemalung
mit weißer Farbe beobachten. Den Bukatyp hingegen kennzeichnet geradezu die Bemalung
der Widerhaken mit roter, schwarzer oder weißer Farbe. Ebenso ist der Abschluß gegen den
Schaft zumeist noch besonders ornamentiert. Die Pfeilspitzen der Nasioi sind durch die an
geklebten Widerhaken ausgezeichnet. Die Anordnung der Widerhaken selbst ist sehr ver
schieden. Zwei, drei oder auch vier Widerhaken, entweder gegenüber oder sonst in irgend
einer quirlförmigen Anordnung, gruppieren sich rings um die Spitze. Die Spitze weist auch
stets reichliche Bemalung in rot und weiß auf. Eine besondere Variante der Nasioipfeile sind
die gefensterten Typen. Derartige Fensterungen kommen bei den anderen Pfeiltypen gelegent-
Baessler-Archiv, Beiheft vi: E. Frizzi, Ein Beitrag zur Ethnologie von Bougainville u. Buka. 6
Fig. 59. Frauen mit der Herstellung von Kochtöpfen beschäftigt.
40 ERNST FR1ZZI
Fig. 60. Pfeilspitzen.
lieh auch vor, doch sind sie da bei weitem seltener und nicht in dieser Ausdehnung von bis
etwa 15 cm Länge und 2 cm Breite anzutreffen. Pfeile mit mehreren Zinken, meist mit vier,
die aus Holz bestehen, benützen die Numa-Numa zum Fischfang. Pfeile, wo an Stelle der
Spitze ein Knochen befestigt ist, benützen ebenfalls die Numa-Numa zum Vogelschießen; der
Pfeil soll durch das Anprallen des Knochens gegen das Brustbein des Vogels tödlich wirken.
Das Pfeilmaterial, mit dem die jungen Knaben ihre Schießübungen beginnen, sind zumeist
zugespitzte Blattrippen der Kokospalmen.
Eine besondere Aufmerksamkeit muß man den Verzierungen des Schaftes zuwenden (Fig.61).
Derselbe ist in den seltensten Fällen unverziert, zumeist nur bei denjenigen Pfeilen, deren Spitzen
die glatte, am Ende einfach zugespitzte Form aufweisen. Demnach sind die meisten verziert.
Dort, wo die Verzierung noch sehr primitive Ornamente zeigt, ist dieselbe zumeist auf das,
der Kerbe zugewendete Endteil des Pfeiles beschränkt. Je komplizierter die Ornamentik wird,
desto mehr Knotenabschnitte umgreift sie. Die Verzierung selbst ist immer unmittelbar an
den Knoten gebunden, in ihrer reichsten Art können sechs Knotenabschnitte verziert sein. Die
letzten zwei sind fast niemals verziert. Die einzelnen Knoten liegen etwa 10 cm auseinander.
EIN BEITRAG ZUR ETHNOLOGIE VON BOUGAINVILLE UND BUKA 41
Die Verzierung ist 2-3 cm
lang. Die Ornamentierung
wird von dem Künstler mit
einer geschärften Muschel
spitze oder einem Bambus
splitter, heute mit dem euro
päischen Messer in die Bam
busrinde in feinen, nur ganz
oberflächlichen Figuren ein
geritzt. Diese Einkerbungen
werden nachher der grö
ßeren Deutlichkeit wegen
durch Einreiben mit einer
schwarzen Farbe von ihrer
Unterlage besser hervor
gehoben. Die Deutung die
ser verschiedenen Muster
ist jedenfalls schwierig.
Parkinson (30 Jahre in der
Südsee, S. 506) schreibt
darüber, daß die eingeritzte
Zeichnung „kein einfaches
Ornament, sondern eine Art
von Handelsmarke“ ist, wo
mit der betreffende Fabri
kant seine Ware bezeich
nen will. Es trifft gewiß
zu, daß ebenso wie nach
der verschiedenartigen Aus
führung der Spitze auch
nach der jeweiligen Orna- Fig. 61. Pfeilschaftverzierungen.
mentik die Provenienz der Pfeile unzweifelhaft festgestelllt werden kann. Doch selbst wenn die
Bedeutung der Ornamente nur eine Fabriksmarke des Herstellers zum Ausdruck bringen soll, so
kann doch nicht angenommen werden, daß die Arbeiten planlos und ohne tieferen Sinn hergestellt
wurden. Frägt man die Eingeborenen selbst darnach, so erhält man darüber
Fig. 62.
stets ausweichende oder ungenügende Auskünfte. Die Nasioi bezeichnen
diese Erkennungszeichen als Dari. Meiner Ansicht nach sind drei Grund
motive immer wiederkehrend: 1. Das Blattornament, 2. Fühler von Käfern,
3. Hütten (Fig. 62). Diese drei Grundornamente werden in der verschiedensten Weise stili
siert und variiert.
Der Bogen (mpa) ist ebenfalls aus Palmenholz. Er ist ungefähr 2 m lang, in der Mitte
an seiner breitesten Stelle etwa 3-4 cm breit und 1 cm stark, von flach konvexem Quer
schnitt. Die aus Pflanzenfasern zusammengedrehte Sehne (mera) ist zumeist mit dem aus der
Kokosnuß gepreßten Öle eingefettet. Die verknotete Befestigung der Sehne am Bogen ist
öfter an dem einen Ende durch Verschmierung mit der Parinarium laurinum unveränderlich
fixiert, während das andere Ende nur leicht verknotet ist, um eine eventuelle Nachspannung
der Sehne zu erlauben.
Die Bögen, welche die Knaben, um sich erst im Schießen zu üben, benützen, sind viel
schwächer und ungefähr nur 1 m lang.
6*
42 ERNST FRIZZI
Der Armschutz, welcher die Pulsgegend gegen das zu starke Anprallen der Sehne beim
Zurückschnellen zu schützen hat, wird aus der Rinde der Liane gefertigt. Diese Rinde ist
spiralig gedreht, in etwa zehn Windungen, wodurch eine größere Stelle des Vorderarmes, oft
bis zum Ellbogengelenk, geschützt werden kann (Fig. 63).
Von Speeren kommen hauptsächlich die Nasioi-Typen, deren Fabrikanten die Kongara im
Gebirge sind, in Betracht. Die Länge der Speere schwankt zwischen 3 m und 3,50 m. Ihr
größter Durchmesser ist 3-4 cm. Derselbe verjüngt sich nach dem der Flugrichtung abge
kehrten Ende bis auf V2 cm. Auf die Spitze entfallen etwa 50-70 cm. Die Spitze ist bei den
Speeren nicht eingesetzt, sondern wird aus dem ganzen Speerholz herausgeschnitzt. Sie ist
niemals glatt, sondern stets verziert. Die Nasioi-Speere, deren ich eine Serie abgebildet habe
(Fig. 64), sind durchweg mit zumeist aus Fledermausknochen oder Schildpatt hergestellten
Widerhaken versehen. Die ersteren sind lang und dünn. Sie umgeben in quirlförmiger Anord
nung die Speerspitze. Wenn die Widerhaken aus Schildpatt hergestellt sind, stehen sich ent
weder bloß je zwei Widerhaken seitlich in einer oder zwei Reihen übereinander in breiter,
herzförmiger Form an der Spitze des Speeres gegenüber, oder es können auch nur ein oder
zwei, aber sehr lange Schildpatthaken, in einem größeren Abstand voneinander
entfernt, Vorkommen.
Die Spitze dieser Nasioi-Speere möchte ich noch etwas näher beschreiben. Die,
die Widerhaken tragende, oberste Spitze ist etwa 30 cm lang. Hierauf folgt ein mit
Rotang umflochtener, ungefähr 10 cm langer Abschnitt, Oritai. Diesem folgt ein ge
schnitzter Abschnitt, der niemals fehlt. Die Schnitzerei stellt stets eine kleine Figur, ent-
rig. uo.
Armschutz. weder deutlich oder sehr stilisiert dargestellt, vor. Diese Figur soll ein Geist sein. Die
Länge dieses Abschnittes überschreitet 10 cm wohl niemals. Die Schnitzerei wird durch schwarze
und weiße Farbe besonders markant hervorgehoben. F. v. Luschan (Beiträge zur Völkerkunde
der deutschen Schutzgebiete, 1897) beschreibt diese Figuren auf Seite 82 und bringt auch in
der 38. Tafel dieser Abhandlung Abrollungen derselben von verschiedenen Speeren. Stets folgt
dieser Figur noch ein sehr starker, knopfförmiger Abschluß. In den meisten Fällen schließt
sich abermals ein etwa 10 cm langer, mit Rotang umflochtener Streif (Oritai) an, welcher
sodann als Übergang der Spitze in den Speerschaft (Danko) zu betrachten ist.
Mehrzinkige Speere habe ich niemals gesehen. Auf drei, nicht als Waffe, sondern aus
schließlich bei Tanzfestlichkeiten benutzte Speere, welche nur etwa 2 m lang sind, muß noch
besonders hingewiesen werden. Der Schaft derselben ist gegen das Ende zu verdickt. Bei
zwei dieser Speere sind die Widerhaken direkt aus dem Holze herausgeschnitzt und stehen
dachziegelartig übereinander, ebenso wie die bei den Bukapfeilen beschriebenen Formen. Der
dritte, der am Übergange der Spitze in den Schaft eine Ornamentierung aufweist und dessen
Widerhaken kräftige Holzdornen sind, scheint aus Nissan zu stammen.
Eine Serie von Speeren, deren Schaft der ganzen Länge nach mit Rotang umflochten
ist, muß noch ganz speziell hervorgehoben werden. Es sind dies die sogenannten Königsspeere.
Gelbe, rote und hier und da auch schwarze Rotangfasern umschlingen fest, zierliche, abwechs
lungsreiche Muster bildend, den ganzen Schaft. Die Telei nennen sie die Kuku Turu-getu
(Speere alles geflochten).
In ebensolcher Weise vollständig umflochtene Bogen (Boalla Turugetu) und Pfeile (Ma-
karabi Turugetu) werden ausschließlich von den Telei angefertigt. Diese Königswaffen, die,
wie gesagt, ausschließliches Besitztum der Telei sind, werden nur in beschränkter Anzahl und
nur von einzelnen Künstlern angefertigt.
Ziernarben. Die meist elliptischen, bohnengroß hervorstehenden Tunu, pustelförmige Gewebs-
verdickungen, bedecken in regelmäßigen Figuren Brust und Rücken, und werden den heran
reifenden Knaben von Männern zugefügt. Die Anfertigung derselben ist sehr schmerzhaft. Es
wird ein Baststück (Antsia) in die Haut eingesteckt, das Loch hierauf mit dem salzigen
EIN BEITRAG ZUR ETHNOLOGIE VON BOUGAINVILLE UND BUKA 43
44 ERNST FRIZZI
Meereswasser gewaschen und dadurch vergrößert, sodann mit
einer Kokosblattrippe ausgebrannt. Es entstehen große eiterige
Wunden (Toa), die später in die vorher erwähnten bohnenför
migen Narbenbildungen übergehen (Fig. 65).
Die Ohren werden durchlöchert. Bei den Telei wird diese
Öffnung oft sehr bedeutend, bis auf 5 cm und mehr erweitert
dadurch, daß in dasselbe Bambusstreifen hineingerollt werden.
Die Nasioi begnügen sich zumeist mit der Durchlöcherung des
Ohrläppchens. Das Loch heißt Tubu.
Das Nasenseptum wird auch durchstochen und ein Nasen
pflock (Mabui) getragen. Derselbe ist zumeist ein, an beiden
Enden zugespitztes, konisches, glattes, abgeschliffenes Stück
Muschel von verschiedener Länge und wird Keni genannt. Diese
Durchlöcherungen von Ohren und Nase machen die Eltern bei
etwa zehnjährigen Knaben und Mädchen.
Ziernarben am Bauch und an der Stirn (Dari) finden sich
vor allem beim weiblichen Geschlecht vor, letztere vereinzelt
auch bei Männern. Kleine Schnitte im Gesicht sollen als Mittel
gegen Kopfweh nützen. Sie werden von Verwandten mit spitzen
Bambussplittern eingeritzt, wofür sie von den Eltern bewirtet
werden. Die Bauch- und Brustverzierung ist oft sehr kunst
voll und kann sich bis auf die Oberschenkel erstrecken. Täto
wierung mit Farbstoffen gibt es hier nicht.
Sehr häufig ist die Bemalung. Es scheint diese Sitte von den Aluleuten übernommen zu
sein. Dieselbe findet sich besonders bei den Numa-Numa vor. Die Bemalung bei Todesfällen
habe ich schon besprochen. Rote und weiße Farbe ist vorherrschend. Bemalt werden die
ganze Ohrmuschel und Punkte in der Nähe der äußeren Augenwinkel und in der Jochbogen
gegend. Entweder sind es nur ein großer Punkt oder ein kleiner Punkt in der Mitte, um den
sich mehrere kleine Punkte herumgruppieren. Die Stirn wird oft ganz mit Farbe beschmiert,
in künstlerischen Fällen nur längs der ganzen Haargrenze ein zirka V2 cm breiter Streifen ge
zogen. Die Haare werden hier und da förmlich gepudert mit diesen Farben, und nach vorn
zu einzelne Punkte besonders stark aufgetragen. Allgemein üblich bei den Numa-Numa speziell
ist ein Beschmieren der Haare mit roter oder schwarzer Farbe, die vorher mit Kokosnußöl
angemacht wurde. Das soll schön sein, ist aber gleichzeitig ein sehr zweckmäßiges Vernich
tungsmittel gegen die Kopfläuse, deren die Eingeborenen sehr viele besitzen.
Ntava ist eine schwarze Erde, die vermutlich viel Gerbsäure enthält. Mit derselben werden
die Zähne im Alter von etwa 15 Jahren bei Knaben und Mädchen präpariert, wodurch eine
dauernde und fast vollständige Schwarzfärbung der Zähne erzielt wird.
Es schien mir anfangs als ob jedwede Höflichkeits- oder Herzlichkeitsbezeigungen, wie Grüßen
oder Küssen, vollständig fehlen. Doch bin ich auf einige Ansätze, die eventuell einen Gruß
bedeuten könnten, gestoßen, so z. B. wird man beim Empfang durch ein Hochheben des
Kopfes, oder ein Augenzwinkern oder ein Lächeln begrüßt. Ein einziges Mal sah ich auf
meinen Touren im Innern des Landes, wie eine Frau auf einen meiner Träger freundlich
lachend zueilte, die linke Hand um seinen Hals legte und beide etwa 5 Sekunden Wange an
Wange stehenblieben. Es gibt einen Ausdruck für Umarmung bei den Nasioi: bokoantsi. Es
waren das Bruder und Schwester, die sich mehrere Jahre nicht gesehen hatten. Hierauf
wechselten sie einige Worte, kümmerten sich aber nachher gar nicht mehr umeinander und
gingen auch ohne Abschied auseinander.
Sehr gute Freunde, die sich nach jahrelanger Trennung Wiedersehen, begrüßen sich auf
Fig. 65. Nasioimann mit Ziernarben an Brust
und Armen.
EIN BEITRAG ZUR ETHNOLOGIE VON BOUGAINVILLE UND BUKA 45
folgende Art: Mit dem Zeigefinger der rechten Hand wird
das untere rechte Augenlied herabgezogen (utakereantsi).
Manche Leute behaupten, dies geschehe nur zum Spott,
hingegen soll das Zungeherausstrecken (manamberoantsi)
eine gebräuchliche Grußform darstellen.
Verblüffend mag es wirken, man hört es aber sehr oft,
wenn man zum Abschied ein naniai (geh weg) nachgerufen
bekommt. Ein ebenso höfliches etoko (du bleibst) wird
dann zur Antwort gegeben. Das Handgeben (batuantsi) ist
von den Europäern übernommen.
Erwachsene Leute scheinen sich niemals, wenigstens
nicht öffentlich, zu küssen. Ein einziges Mal habe ich ge
sehen, wie ein ungefähr zehnjähriges Mädchen ihren etwa v, Jahre alten Bruder geküßt hat. Es wird jedenfalls das
Küssen auch ausgeübt werden, nachdem es sogar ein Wort
uaantsi dafür gibt.
Der Eingeborene bedankt sich selten. Ebenso sagt er,
wenn er etwas verlangt, immer nur kurz amewa (gib her).
Dankbarkeit ist hierzulande auch nicht allzu viel zu erwar
ten. Der Eingeborene schmeichelt gern.
In Ausnahmefällen, zum Zeichen seiner großen Achtung,
spricht der Eingeborene vor dem Europäer oder auch vor
seinem Häuptling, indem er ihm den Rücken zukehrt und zur Erde sieht. Frauen, denen
man zufällig begegnet, bleiben keineswegs, wie man erwarten sollte, stehen und schauen sich
den hierzulande so gut wie unbekannten weißen Mann etwas an, sondern, wenn sie nicht direkt
die Flucht ergreifen, treten sie etwas abseits aus dem Wege, wobei sie sich ebenfalls umdrehen.
Für alles, was die Telei ein- oder verkaufen, ist ein bestimmter Geldwert im Gebrauch,
auf den ich auch noch kurz eingehen möchte. Vorausschicken muß ich, daß auch wirkliches
Geld im Gebrauch ist, das Muschelgeld (makutu). Man unterscheidet zwischen Onu, bei den Alu
Mimisi genannt, welches sehr wertvoll ist und nur ungern aus der Hand gegeben wird, oft sieht
man es auch als Schmuck um Hals und Brust getragen, und dem weniger wertvollen
Abuta (Fig. 66). Auch Armringe (Gorau), die von Choiseul, einer der englischen Salomo-Inseln,
stammen, dienen als Wertmesser. Diese Armringe sind bekanntlich aus der Tridakna-Muschel
geschnitzt. Auch alle anderen Gegenstände, auf die man trifft, besitzen selbstverständlich einen
gewissen Tauschwert. Von Interesse ist nun die Einteilung beider vorhergenannten Muschel
geldwertmesser, Onu und Aputa, nach ganz genauen Maßen, welche an bestimmten Abschnitten,
an der Länge des Armes, festgelegt sind. Es ist dies ein unzweifelhaft praktischer Wertmesser,
den man stets bei sich hat; auch unsere europäischen Maße sind vielfach aus den gleichen
primitiven Erwägungen heraus entstanden. Alles, was man nun kauft, sei es ein Topf, sei es
ein Lendentuch, kurz, für alles ist die Länge des zu bezahlenden Muschelgeldes festgelegt, und
ohne wesentliche Unterhandlungen wickeln sich die Geschäfte der Eingeborenen auf Grund der
festgelegten Maßverhältnisse ab.
Eine Tabelle wird diese Verhältnisse besser illustrieren. Dieselbe habe ich in Buin zu
sammengestellt.
. , Wert in
Bezeichnung Länge des zu zahlenden Muschelgeldes Stangen
Tabak
Nkaronke Mittelfingerlänge.................................................................................... y4
Ubokoko von der Spitze des Mittelfingers bis Handtellermitte...................yf
Akubirikanu „ „ „ M „ „ Processus styloideus ... 1
46 ERNST FRIZZI
Bezeichnung
Kameidebum
Ungutoia
Toboku
Tsibatarigo
Ugurato
Magunei
Kuimora
Tutsinobio
Tutsikoratsi
Baratatsi
Mugagiemuto
Luritatsi
Tobokucibo
Ongotoia (Toina)
Notoma
Akubirituona
Kakatakitai
Babature
Lagarobi
Länge des zu zahlenden Muschelgeldes
von der Spitze des Mittelfingers bis Mitte des Vorderarms
„ „ Armbeuge ....
1. Drittel des Oberarms
Mitte des Biceps.
Achselhöhle . .■
Acromion . . .
Mitte der Clavicula
Mitte des Sternum1)
Mitte der Clavicula
Acromion . . .
Achselhöhle . .
Mitte des Biceps .
1. Drittel des Oberarms
Armbeuge ....
Mitte des Vorderarms
Processus styloideus
Handtellermitte . .
distales Ende der 3. Phalange
Spitze des Mittelfingers . .
Werl in Stan
gen Tabak
l1/*
1%
2
3
V/ ö 2
4
4 V2
5
s1/0 / 2
6
61/*
7
8
8%
874
9
9Vs
974
10
Das größte Maß ist nach dieser Tabelle das Lagarobi, ein Klafter, das bei ausgestreckten
Armen von der Spitze des Mittelfingers der rechten bis zu jener der linken Hand gerechnet
wird. Selbstverständlich kann die Klafteranzahl eine beliebige sein, ein Klafter entspricht un
gefähr einer Mark Geldwert. Die verschiedene Anzahl von Klafterlängen wird auch mit ver
schiedenen Worten ausgedrückt. Ich führe die Bezeichnungen von einer bis zehn Klafter
längen in einer tabellarischen Übersicht an:
Klafter Bezeichnung in Muschelgeld Klafter
Bezeichnung in
Muschelgeld Klafter
Bezeichnung in
Muschelgeld Klafter
Bezeichnung in
Muschelgeld
1 lagarobi 4 korimakui 7 abunatoi 9 kamburoi
2 kebitone 5 ubumakui 8 kßbitonotoi 10 kiburoi
3 abuna 6 tukimakui
Bei weiteren Zusammensetzungen werden als Grundzahl 10 kiburoi mit den entsprechenden
Einheiten in der Weise kombiniert, daß 11 entweder 10 eines mehr kiburoi lagarobi lugo
bumoi oder eines nach 10 lagarobi kiburoi heißt.
Die Bezeichnung der einzelnen Monate ist keineswegs allen Eingeborenen geläufig. Nach
ihrem Alter oder nach bestimmten Ereignissen befragt, geben sie zur Antwort: Seit der Zeit
habe ich zwei- oder dreimal, ebensoviele Jahre als dieses Ereignis zurückliegt, Kalipnüsse
gegessen. Tageszeitbestimmungen werden durch den jeweiligen Sonnenstand ausgedrückt. Die
Koromiraleute sind die einzigen, die für die 12 Monate entsprechende Bezeichnungen zu haben
scheinen. Sie heißen der Reihenfolge nach:
Mankombono
Darakou (Hustenzeit)
Dekoreko
Deto
Nkokore
Kumponi (die Zeit, wo Kum-
poni seinerzeit die Gegend
verlassen hat)
Katsiei (Nußzeit)
Darakatsimba
Toranabanebane (die Zeit der
Tanzfestlichkeiten, bei wel
cher Kumponi zu Besuch
anwesend sein soll)
Maiminma
Karunau (Zeit der Opossume)
Tanau
1) Nun werden zu den Maßen des wagrecht ausgestreckten Armes der einen Körperhälfte die entsprechend
fortlaufenden an der anderen Körperhälfte weiter hinzugezählt.
EIN BEITRAG ZUR ETHNOLOGIE VON BOUGA1NVILLE UND BUKA
Ferner unterscheidet man zwei Jahres
zeiten zu je sechs Monaten. Die erste
wird durch die Reife der Kalipnüsse, die
zweite durch die einer maisähnlichen Frucht
(Tsiore) eingeleitet. Oder die Eingeborenen
sagen: Die ersten 6 Monate bläst der Wind
von Norden, die anderen 6 Monate von Süden.
Auch in der Sternkunde stößt man
bei den Eingeborenen auf große Kennt
nisse. Korokorobarorom wird der große
oder Abendstern genannt. Gegen Mitter
nacht wird der Boroio sichtbar. Wenn der
Moitunsi im Westen erscheint, soll, wie
das Wort sagt, kein Beischlaf mehr aus
geführt werden. Bau ist der Morgenstern,
Munu ein aus zehn Sternen zusammenge
setztes Sternbild im Osten. Matara ein eben-
solches.aus vier Sternen gebildetes Sternbild.
Der Mond, in der Nasioisprache Kara,
in Koromira itau genannt, spielt eine be
sondere Bedeutung bei den religiösen Vor
stellungen und wird auch die Lampe des
Kumponi genannt. Der zunehmende Mond
heißt Baroko, ihm folgt der Komunawe.
Komupui ist der Vollmond, Kamora akaui
der abnehmende Mond. Bobui heißt er,
wenn er von den Wolken versteckt wird.
Kapitaubetsibetsi biribiria wird die Mor
genröte, Muta nambui die Finsternis genannt.
Am letzten Tage meines Aufenthaltes in
Koromira verdanke ich es einem Zufall, noch
Nr. 3. Krabbe.
Fig. 67. Fadenspiele (Moka).
festgestellt zu haben, daß auch hier die Fadenspiele ganz allgemein bekannt sind, obwohl ich
niemals etwas davon bemerkt habe. Ich hatte zufällig die Arbeit von P. Raymund (Die Faden-
und Abnehmespiele auf Palau, Anthropos 1911, Bd. 6, S. 40-61) in der Hand, und ein Junge,
der diese Abbildungen sah, sagte zu mir: das können wir auch. Sofort fanden sich eine An
zahl von Schwarzen, die mir fast alle Figuren, die in der eben zitierten Arbeit abgebildet sind,
vormachten. Bei den schwierigeren Figuren verwiesen sie mich auf die alten Männer, die
hierin mehr Erfahrung haben, sowie auch bei einzelnen auf die Weiber. Mangels an Zeit
konnte ich der Sache leider nicht weiter nachgehen. Ich begnüge mich daher mit der Fest
stellung der Tatsache, daß die Fadenspiele auch auf den Salomo-Inseln ganz genau bekannt
sind. Das Fadenspiel nennt man hier Moka, wenn es von einer Person gemacht wird, Topike
baketsi, wenn hierzu zwei Personen nötig sind. Jede einzelne Figur hat ihren bestimmten
Namen und ihre ebenso bestimmte Bedeutung. Die Fäden werden zumeist mit den Händen
abgenommen, bei manchen Figuren müssen aber auch die Füße zu Hilfe genommen werden.
Letzteres ist z. B. bei den von mir abgebildeten Fig. 67, Nr. 1 u. 2 notwendig. Es ist dies die Dar
stellung einer Fledermaus (Ura) in fliegender und schlafender Stellung. Abgebildet ist in Fig. 67,
Nr. 3 eine Krabbe, Kakku oder Arampa, die über dem Oberschenkel gemacht wird. Fig. 67, Nr. 4
wobei der Strick über den Hals geschlungen ist, wurde mir als die Treppe der Geister
(Parokana Kantoro) bezeichnet.
Baessler-Archiv, Beiheft vi : E. Frizzi, Ein Beitrag zur Ethnologie von Bougainville u. Buka. 7
48 ERNST FRIZZI
f
Frösche
Korea
(Krokodil)
Tun uo
Koru-Koru
(schlafend)
Fische
Tauaine
Baja Bakutu Bakutu
nach vor
dem Essen
Kokos
nuß
palme
Baritu
Banane Kaura
(Buschbau ni)
Geist
(Paro)
Ziege
Fig. 68.
EIN BEITRAG ZUR ETHNOLOGIE VON BOUGAINVILLE UND BUKA 49
utu (kai)
(Mast)
Kotama
(Strick)
Tancimang
(Ausleger) Kuihu
(Verzierung)
Bakasi (Auslegerboot) (Nasioi)
Koue (Vogelfeder)
Obuna fNuma-Numa)
Piko
(Gras
büschel)
P 9 JÜW }■ ß- y y Kobitsi
(Sitze)
Mora (Buka)
Kato
(Blätter
verkleidung)
Daunowa
(Dach)
Peunpe
(Regen- \
abtluß)
Patang
(Stiege)
Tatan
(Fuß
boden)
i M I
Tatakani (Pfähle)
Haus
Fig. 68.
Auch andere Spiele, die unseren Jugendspielen gleichkommen, sind den Nasioi wohlbe
kannt. Unser Ringelreiher belustigt dieselben sehr. Zuletzt möchte ich noch ein etwas eigen
artigeres Spiel, was die dortige Jugend macht, beschreiben. Es wird Namaru genannt. Bei
diesem Spiele legt sich ein Junge, ohne sich zu rühren, mit ausgespreizten Armen und Beinen
und ebensolchen Fingern flach auf die Erde. Die anderen Jungen zeichnen seine Körperkon
turen, indem sie weiße Holzasche ringsherum ausstreuen. Nachher heben sie den gezeichneten
Jungen von der Erde ab, und es bleibt am Boden das Bild des Betreffenden, wie er dagelegen
ist, was eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Frosch hat.
Proben zeichnerischen Talentes sind in Fig. 68 niedergelegt. Dieselben wurden von meinem
schwarzen Freunde Moko (derselbe ist in Fig. 15 und 69 abgebildet) gezeichnet.
Eine große Rolle spielen die Signaltrommeln (toiomu) (Fig. 69). Dieselben besitzen allerdings
7*
50 ERNST FRIZZI
weniger musikalisches Interesse. Sie
dienen ausschließlich zu Verständi
gungszwecken der einzelnen Stämme
untereinander. Sie werden durch Aus
höhlung von Baumstämmen hergestellt,
deren Öffnung ein nicht allzu breiter
Spalt bildet. Ihr Aufbewahrungsort ist
fast stets das Versammlungshaus, wo
man deren meist mehrere, je nach der
Größe des Stammes, vorfinden kann.
Mit einem Holzknüppel oder oft mit
einem aus vielen dünnen Stäbchen be
stehenden Holzbündel wird auf diese
Holztrommeln geklopft. Der Ton trägt
weithin, und aus der Reihenfolge der
aufeinander folgenden Stöße, vielleicht auch aus der Stärke und der Intensität derselben, läßt
sich jede beliebige Nachricht schnell und weithin vernehmbar verbreiten.
Von Musikinstrumenten trifft man noch gelegentlich auf die aus Bambus gefertigte Maultrommel
(Fig. 70). Dieselbe hat eine länglich dreieckige Form und ist etwa 25 cm lang. Durch die Mitte der
selben ist eine Zunge herausgeschnitten. An der Breitseite des Instrumentes ist eine Schnur befestigt.
Dieselbe wird an dem spitzen Ende der Maultrommel mit der Hand fest angelegt, und durch ab
wechselndes Anziehen und wieder Zurückschnellen der Schnur und gleichzeitiges Daraufblasen
gegen die Zunge wird ein feiner, allerdings immer sich gleichbleibender Ton hervorgerufen.
Von größter musikalischer Bedeutung sind die aus Bambus hergestellten sogenannten Pan-
pfeifen. In höchster Ausbildung trifft man dieselben in Buka selbst an. In verschiedener
Größe findet man dort oft drei Sätze von Panpfeifen, die sich durch ihre verschiedenartige
Größe auszeichnen, zusammengestimmt. Die Größe der längsten Pfeifen ist etwa 1,30 m,
die der mittleren 70 cm und die der kleinsten ungefähr 30 cm. Der Ton ist entsprechend der
Länge immer um eine Oktave tiefer. Die Anfertigung der kleinen Pfeifen, die bei den Nasioi
auch sehr gebräuchlich sind, ist sehr einfach. Es werden durch Abmessen der Längen und
Durchmesser die einzelnen Abschnitte aus dem Bambus zugeschnitten und durch fortwähren
des Hineinblasen die Töne gegeneinander verglichen. Etwaige Tondifferenzen werden durch
Zuschneiden der Längen korrigiert. Hierauf werden die einzelnen Pfeifenrohre zusammen
gebunden. Um denselben einen entsprechenden Halt zu verleihen, werden als Stütze eine An
zahl stummer Röhren von der gleichen Länge wie die Pfeifen selbst zu einem Bündel zu
sammengebunden. Die Buka nennen die großen Panpfeifen Kauria, die kleinen Ahoi. Die
allgemeine Bezeichnung für diese Instrumente ist Naha. Von Abbildungen der Panpfeifen, sowie
vieler anderer Gegenstände, mußte teils unter der Voraussetzung, daß vielerlei Dinge allgemein be
kannt sind, teils um diese Abhandlung nicht zu sehr mit Illustrationen zu belasten, abgesehen werden.
Viele Lieder habe ich phonographisch aufgenommen. Die Walzen habe ich dem Phono-
gramm-Archiv des psychologischen Institutes der Universität in Berlin überlassen. Herr Dr.
E. v. Hornbostel hatte die Liebenswürdigkeit, einen großen Teil meines Materiales in der bereits
zitierten Arbeit von R. Thurnwald, in dem dort von ihm behandelten Kapitel über die Musik
mitzuverarbeiten, sowie auch im Anhänge zu
dieser Arbeit die Freundlichkeit, noch einige
weitere Ausführungen hinzuzufügen. Die Über
setzungen der in der Nasioi-Sprache gehaltenen
Lieder und die Bestimmung der Provenienz
einzelner zweifelhafter Texte verdankeich zumFig. 70- Maultrommel.
EIN BEITRAG ZUR ETHNOLOGIE VON BOUGAINVILLE UND BUKA 51
größten Teil dem Herrn Pater J. Rausch. Es ist auf fallend, daß unter allen Liedern, die
ich fast durchweg in Koromira aufgenommen habe, so viele nicht bodenständig, sondern
von den Kongara, Oiai und Alu übernommen sind, deren Übersetzungen angeblich selbst dem
Eingeborenen fremd sein sollen. Es ist wohl anzunehmen, daß sich die Eingeborenen wegen
deren zum größten Teile äußerst obszönen Inhalts, worauf auch R. Thurnwald (Im Bismarck-
Archipel und auf den Salomo-Inseln 1906-1909, Zeitschrift für Ethnologie Bd. 42, S. 98-147)
besonders hinweist, wohl nur weigern, diese Lieder zu übersetzen. Die Sprache der Kongara
und Oiai ist noch nicht studiert, so daß eine Übersetzung dieser Lieder vorläufig noch nicht
zu erwarten ist. Während meines Aufenthaltes bei den Nasioi habe ich immer nur wenige Lieder
zu hören bekommen. Der Liederreichtum bei den Telei, wo R. Thurnwald 145 Lieder auf
genommen hat, muß dementsprechend ein bedeutend größerer sein. Zum Schlüsse füge ich noch
eine kleine Auslese derjenigen Lieder bei, die man speziell bei den Nasioi häufig zu hören bekommt.
NASIOI-LIEDER.
Einige Jungen eines Ansiedlers bei Koromira, der sich bereits 30 Jahre in der Südsee aufhält,
den der Volksmund Pita getauft hat, gingen in ein Dorf, ohne dessen vorherige Erlaubnis ein
geholt zu haben, zu einem Sing-Sing. Die Frauen im Dorf waren sehr erfreut, so hübsche
Burschen zu sehen. Pita aber, der das erfuhr, schlug ihnen Nase und Zähne ein. Daraufhin
ging Pita noch außerdem zum Richter, um sich zu beklagen. Die Jungen verteidigten sich aber
und wurden auch freigesprochen. Nun wollte Pita dieselben nicht mehr als Arbeiter haben und
schickte sie deshalb fort. Die darüber betrübten Frauen machten nun folgendes Trauerlied:
Baka Tobereke nigda piamoi dei dae
Ich wünsche Tobereke du würdest mich geheiratet haben
namekoi bemapoieraruna kiawei1) oantsi birauma enoa
du bist gegangen (über etwas, auf der anderen Seite) schauend, ich bin weinend.
Bunaka (der Hexenmeister) sagt, jemand starb, und da ihm nicht geopfert wurde, beklagt sich die
Seele des Verstorbenen bei ihm, daß sie nichts weiter als Würmer zu essen hätte, woraufhin er den
Leuten zu opfern befiehlt. Die so zum Opfern Gezwungenen stimmen nun folgendes Lied an:
Baka nkaninge barakeroe neiroe, bakitsi
Du selbst, meine eigenen Nüsse ißt du,
meiroe ena orenkampu denaru.
Du ißt meine eigenen Taro, heute bin ich ein armer Tropf geworden.
Aluleute aus dem Dorfe Toberei bei Kieta waren in ein anderes Dorf zu einem Fest auf
Besuch gekommen. In der Nacht kam ein Weib zu ihnen, welches sang:
Tampirani nkeira, Tampirani niare
Streichhölzer (etwas Gutes) nimm deine, die Streichhölzer viele.
Bakameie bema boenaruna Teniai2) oantsi
Mein eigener Freund, er geht, er rudert hier in Teniai, ich sehe ihn.
birauma enoa
ich bin hier weinend.
Zwei Leute, Mauta und Kuruke, wurden erschlagen bei der Mündung des Flusses Taba-
taba und dann in den Fluß geworfen. Daraufhin gingen deren Nichten zum Fluß und sangen:
Baka papa e kankog eta donkoniko
Mein eigener Onkel aus der Tiefe richte dich auf
Kankon tsirudadu
schlage (tritt) aus der Tiefe mit den Füßen
Kankon kiabau
Die Tiefe ist gerötet von deinem Blut.
Zwei Missionsschüler kamen zu einem Fest in ein Dorf. Da beschmutzte sie ein Mann und sang:
Manuke kama nuke ia tanke tankeroni donina mankeroni otsiei batsiei.
_______ Den Unrat riechen, das Essen riechen, hier an diesem Ort werdet ihr es sehen.
1) Kiawei (Name eines Felsen). 2) Teniai (Name eines Berges).
V52 ERNST FRIZZI: EIN BEITRAG ZUR ETHNOLOGIE VON BOUGAINVILLE UND BUKA
Ein Mann starb, da sagt die Witwe zum Bruder ihres verstorbenen Mannes:
Mari damaripura (doton anta meei toboa)l)
Jetzt nimm du mich zur Frau und befruchte du mich
onaampei dotonanta meko da mari makuko
und dann wenn du mich befruchtet hast, ersetze ihn, du Ersatz deines Bruders.
KONGARA-LIEDER.
Ein Mann hängt sich auf, weil er des ewigen Ärgers mit seiner Frau überdrüssig ist;
daraus wurde, wie die Nasioi sich ausdrücken, ein Gesang gedreht (toroantsi). Die Familien
freunde des Verstorbenen stimmen darauf folgendes Lied an, worin sie sich darüber be
schweren, daß sich jemand in ihrer Familie aufgehängt hat:
Tekereto keniaru takanoko okorawake remuru tsimotaki, tamotaki deduneta
nkano ntumorin poma bero meko edu manko dedun dedun tunan dedu.
dakano okorawa peiberuduko. Mapupu
Eine Krähe (kaukau) frißt die Früchte eines Baumes, worauf das Lied gesungen wird:
Jarana kekerana kotsiropene kaukauke tenkiterenke noianoi
biteroni bateroni denki derenki.
Ein Vogel Kuru (eine Eule), welcher am Tage schläft, schreit in der Nacht:
Kuru Kuru beitei antamen. tsiokama morarani toiomaroma kaukauke bowi bowi
bokukama batutu batutu karamani to nuei, nake nakena baronin dekaia ebu
Die Großmutter besingt ihre Tochter, deren kleines Kind laut schreit: Du hast immer
heiraten wollen und jetzt willst du nicht auf dein Kind sehen:
Tsirikima deiema kabarore ame amerore uawana bokute bonete kontarago kako
tsime tsimerore are riki dade kako erebena erebena o, e, o, e, tsibumatu.
Ein Liebeslied.
Kampei kampei kampanua
nua nua doneatsi atsi atsi
atsi anao dito dito ditokokohe.
Ein Mann begehrt, angesichts ihres toten Kindes, eine Frau zu seinem Weibe zu machen.
Sie verweigert sich ihm, solange sie für ihr Kind trauert:
Banki banki meruko nurin
birompampei omeruko birompampei.
Ein Mann wird getötet und seine Leute singen:
Kaubauki tsikonane nanoke kukute tokeko tobe tobe
akarukiri.
OIAI-LIEDER.
Liebeslied eines Weibes nach ihrem Mann:
Ebutunaiko mamatsiri neiko ebutuneiko
babaine dabarerebatone baine baine
dakoma dakorakoma dakobidere.
Liebeslied einer Frau, deren Mann von ihr nichts wissen will:
Bi bintonkowane karebinke tonkemeie da damerotsina.
LIEDER DER ALU (Uruawe).
Einem Vogel, Biribankon, auch Bibinako genannt, der sich am Meeresufer aufhält, und
dort immer viel schreit, gilt folgendes Lied:
Tsirobu irobere auako bakutona bakanara
birompari bibinako kabambotu konui duako.
Frauen gehen in der Nacht herum und sehen nach Männern aus. Der Geist Bakuto sieht
sie und singt:
Tsirere munanu ko tsireri auako amekona nanidibio bakanara auako emiuko
batakito amekona auko batakito kerei nuanua auako bakutona bakanara.
1) Kongaradialekt.
ANHANG.
BEMERKUNGEN OBER EINIGE LIEDER AUS BOUGAINVILLE.
VON
ERICH M. v. HORNBOSTEL.
(AUS DEM PHONOGRAMM-ARCHIV DES PSYCHOLOGISCHEN INSTITUTS DER UNIVERSITÄT BERLIN.)
Von den phonographierten Melodien zu den hier mitgeteilten Texten sind im Anhang zu
R. Thurnwalds Werk „Forschungen auf den Salomo-Inseln und dem Bismarck-Archipel“ Bd. I.
die folgenden bereits abgedruckt und musikwissenschaftlich besprochen: Nasioi: „Bakatobereke“,
„Tampirani„Banki banki“; Kongara: „Jarana„Kaubauki“; Oiai: „Bi bintokowane“. Die
beiden Alulieder sind nicht phonographiert. Der Kongaratext „Mari damaripura“ (Phonogr. 23)
wurde zu einer Nasioimelodie gesungen, deren zweistimmige Form dem Nasioilied „Banki
banki“ sehr ähnlich ist; es war leider unmöglich, Text und Weise in Übereinstimmung zu bringen.
Auch bei den übrigen Liedern war dies recht schwierig. Für den Sänger bilden Text und
Weise eine nie gelöste und meist auch unlösbare Einheit. Auch werden die Lieder bei ver
schiedenen Wiedergaben mehr oder weniger verändert, selbst vom selben Sänger. Die vom
Reisenden notierten Texte sind daher mit den phonographierten fast nie identisch. Dazu kommt
die klangliche Veränderung der Sprachlaute durch den Gesang und durch den Phonographen.
Nur durch die ungewöhnliche Klarheit der Frizzischen Phonogramme war es möglich, die ge
sungenen Texte an Hand der geschriebenen mit verhältnismäßig großer Sicherheit festzustellen.
Dennoch wird man eine Menge von Umstellungen, Auslassungen, Einschaltungen und anderen
Diskrepanzen finden. Ich habe mich so genau wie möglich an Dr. Frizzis Umschrift gehalten,
nur schreibe ich den meist zweisilbig gesungenen Diphthong a-i statt ei, und, da die Zu
sammengehörigkeit der Silben durchaus zweifelhaft ist, jede Silbe getrennt für sich.
Da ich eine musikalische Charakteristik der Bougainvillegesänge bereits gegeben habe,
kann ich mich hier auf einige Bemerkungen über die Form der Gedichte und ihren Zusammen
hang mit der melodischen Struktur beschränken.
Nasioi. Charakteristisch für die Nasioi-Gesänge sind die textlosen langatmigen Legato
motive (Jodler), die jeder Textzeile vorausgehen (Nr. 1) oder folgen (Nr. 2). Melodisch wiederholt
die Textzeile entweder den ganzen Jodler (B = A in Nr. 1) oder einen Teil (a = c in Nr. 2);
ist die Verszeile des Gedichtes zu kurz, so wird sie durch Jodeln ergänzt (2. und 4. Vers in
Nr. 1). Der Text erscheint also dem Melos untergeordnet. Dies zeigt sich auch in der
wechselnden Metrik desselben Worts, z. B. nairoe, nairoe, nairöe, und der Verwendung von
Wiederholungen als Füllsel: ’kitsi bakitsi (in Nr. 1). Die Zeilen sind fünftaktig, mit Verlänge
rungen der Vor- und Schlußtakte (4/4 zu 5/4 in Nr. 1; 4/4 zu % in Nr. 3; % zu % in Nr. 2). Der
Schlußvers der (in Nr. 1 fünf-, in Nr. 2 dreizeiligen) Strophe ist textlos (Jodler). Nr. 3 ist
durch die starke Prominenz der Quarte den andern Nasioigesängen musikalisch verwandt, durch
das Fehlen des Jodlers aber atypisch (modernes Gelegenheitslied!) und zeigt in der Form und
der ausgiebigen Verwendung des Reims Ähnlichkeit mit den Kongaraliedern.
Kongara. Die Gedichte der Kongara zeichnen sich durch ungewöhnliche Häufung von
Reimen, Wiederholungen und Reduplikationen aus, die den Text oft durch ein anscheinend
bedeutungsloses Silbenspiel der Melodie anpassen, selbst ohne die Worteinheit zu schonen
(besonders in Nr. 6). Eine eigenartige poetische Form findet sich in Nr. 6 angedeutet und in
Nr. 7 (Vers 1 bis 5) durchgeführt: die Vorausnahme von Worten oder Silben des folgenden
Verses am Versschluß. Der Strophenbau nähert sich regelmäßigen vierteiligen Formen, zeigt
54 ERICH M. v. HORNBOSTEL
aber im Einzelnen manche Abweichungen. Die melodisch-rhythmische Struktur, der die text
liche zu folgen scheint, läßt sich schematisch veranschaulichen, indem die Motive (Takte) durch
Kennbuchstaben bezeichnet werden:
4. a'a1 b'b1 a'b1 a2b2 5. a'b1 b'b1 c' 6. - a1 b1 c1 7. ab cb cb cb
c c b*b3 b2b' a'a1 a'b1 d c2 c1 b'b1 a2 b2 cd dd -d eb
a2b2 b:ib3 e d'd1 d1 c2
b3b3 b3 d2 e
Man beachte in Nr. 6 die Verkürzung des ersten Taktes und die Motivverengerung in b3;
die Erweiterung am Schluß der Strophe in Nr. 5 und 6 und die Verlängerungen der Zeilen
auf fünf Takte durch ein Abschlußmotiv in Nr. 5.
Oiai. Den Kongaraliedern (besonders dem bei Thurnwald abgedruckten „Kaubauki“) sehr
ähnlich ist der Gesang der Oiai (Nr. 8). Der Aufbau zeigt ein ähnliches Schema wie der von Nr. 4.
aa b'b2 c
b'b3 dd
Das Motiv b erscheint als eine Verkürzung von a und wird in b:! dem monotonen Schluß
motiv d angeglichen. Das Abschlußmotiv c verlängert wieder die erste Zeile (Halbstrophe)
auf fünf Takte.
Phonogramm 31 . = 104. 1. NASIOI.
l|:j * .l».. ,1 . J?
ra ke ro’ n ka nin ge na i
ka nin ge ba ra ke ro e
i ro (e) ’ki tsi ba — ki tsi
na (o) ren kam pu de — na ru
na i
e —
4—s- (J-J)m B. J . :ll
ro
^^ '—
e----------- 2. ba ka n
na i ro e----------- 3. na
e e---------------------- 4. e
6. e
Phonogramm 34. „ = 104. 2. NASIOI.
A.
kan kog e ta don ko ni ko kan kon tsi ru da du
ka pa pa e
Phonogramm 1. J = 96. 3. NASIOI.
ma nu ke (ka) ka ma nu ke
man
BEMERKUNGEN ÜBER EINIGE LIEDER AUS BOUGAINVILLE 55
Phonogramm 7. m = 126.
a1 a1
4. KONGARA.
b1
te ke re to ke ni a ru (na ri ko ko ti ma a ri ko ti ma ti ma a ri ko)
a* b1 a* h2
_h _ _h—l—-fr—jt==h—Fpzgz_______jZg_ >_«—«I. jL_ h\ J J ^c^cd): :!s=it i^EpPi
da ka no o ko ra wa pai be ru du ko n ka no n tu mo rin po ma be ro me[ko]
c bs bs bs
£=±=
+
ma pu pu re mu re mu
«S
tsi mo ta ki ta mo ta ki (tsi mo ta ki ta mo)
(ta ki ta ki ta mo ta) \d\e du ne ta e du man ko de dun de dun de dun.
Phonogramm 5. j = 112 rit. bis 84. 5. KONGARA.
a1 b1 b1
L w s
b1 c1
V- > T:
* * • • • ♦ *
1 1:
ku ru ku ru bai tai an ta (ru) men ba ro nin de kai kaia e bu (bu) (n)e bu (n)e bu
ba tu tu ba tu tu ka ra ma ni mo ra ra ni to i o ma ro ma kau kau ke kau kau ke (bu)
bo wi bo wi bo wi bo wi to (o) nua i na ke na ke na ba ke na ro ni na tsiokama bokukama e bu.
Phonogramm 36. s = 120 rit. bis 92.
A.
a1
6. KONGARA.
3
^ * 4c r±r
m
tsi ri ki tsi ri ki tsi ri ki ma da i e ma ka ba ro re
b1
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a me a me ro re tsi me tsi me ro re a re ri ki a re ri ki da de da de
C.
d' d1 d1 cs
tu • — m(Ra ra ma n de bwa de bwa) u a wa na bo ku te bo ne ta kon ta ra go ka ko e re be na
D1.
1. v. b3 bs bs
tsi bu e re be na (ka ko e ta) kon ta ra go ko e re be
Baessler-Archiv, Beiheft vi: E. Frizzi, Ein Beitrag zur Ethnologie von Bougainville u. Buka. 8
na
56 ERICH M. v. HORNBOSTEL: BEMERKUNGEN ÜBER EINIGE LIEDER AUS BOUGAINVILLE
raF~l=tj): j .1.“ f -Ml p ^ J
1. Kam pai kam pai kam pa nu a
\ -LJ f r 2 7 j>-:
2. nu a nu a nu a do ne 5. (di ri ai di ri ai)
3. do ne do ne do ne (d)i to
4. di to di to di to (diri ai)
4 mal e b
£
5. (riai) ko ko he (le e da) (wa li ku bi a li ge ta pai tan ko wa li).
6. nao ko ko he (le e da)
(o ko ra to pan ga ra to)
7. (ti ki ri ki pa i wa la)
Phonogramm 12, 56, 57. J = 120, 100, 96. 8. OIAI.
ba i ne ba i ne da ko ma da ko ra ko ma da ko bi de re bi de re.
Verlag von B. G. Teubner in Leipzig und Berlin
Geographische Abhandlungen
Herausgegeben von Professor Dr. Albrecht Penck in Berlin
ln zwanglosen Heften. Mit vielen Abbildungen, Karten und Plänen, gr. 8. Geheftet
Die „Geographischen Abhandlungen“ bilden eine Serie wissenschaftlicher Untersuchungen aus dem Gesamtgebiete der Geographie,
gewissermaßen eine Sammlung von Monographien, welche sonst selbständig erschienen wären. Ihr Gegenstand ist sowohl dem
Bereiche der allgemeinen Erdkunde wie auch dem der Länderkunde, dann und wann dem der Geschichte der geographischen Wissen
schaft entnommen. Ihre Herausgabe wurde von der Absicht geleitet, durch ihr Erscheinen namentlich bestimmte fühlbar gewordene
Lücken auszufüllen. Es tragen daher die „Geographischen Abhandlungen“ zielbewußt zu einem systematischen Ausbau der Geographie
bei. Die einzelnen Abhandlungen werden zwanglos in Heften herausgegeben; Hefte verwandten Inhalts werden zu Bänden vereinigt.
Jährlich wird mindestens ein Heft und nicht mehr als ein Band erscheinen.
1. Band. 1. Heft. Brückner: Die Vergletscherung des
Salzachgebietes................... ... JC 9.—
1. — 2. — Neumann: Orometrie d. Schwarzwaldes ff 3.—
1. — 3. — Böhm: Einteilung der Ostalpen. . . . ff 8.—
1. — komplett..................................................... ff 20.—
2. l.Heft. Geiger: Die Pamir-Gebiete............... ... ff 8.—
2. — 2. — Hann: Die Verteilung des Luftdruckes
über Mittel- und Südeuropa............... ff 12.-
2. — 3. — Soyka: Die Schwankungen des Grund-
wassers.................................................. ff 3.—
2. — komplett............................................. ................... ff 23.—
3. — l.Heft. Slevers: Die Cordillere vonMerida. . f| 12.-
3. — 2. — Günther: Joh. Kepler und der tellurisch-
kosmische Magnetismus ....... ff 3.—
3. — 3. — Woelkof: Der Einfluß einer Schneedecke
auf Boden, Klima und Wetter .... ff 6.—
3. — komplett................................................................. ff 21.-
4. — 1. Heft. Kretschmer: Die physische Erdkunde im
Mittelalter.............................................. 5.—
4. — 2. — Brückner: Klimaschwankungen seit 1700 ff 15.—
4. — komplett. ............................................................. ff 20.—
5. — 1. Heft: Arbeiten des geographischen Institutes
der k. k. Universität Wien................... fl 5.—
Sonderdrucke aus Band V, Heft 1:
Kelderich: Die mittleren Erhebungsver-
hältnisse der Erdoberfläche............... ff 2.—
Kurowski: Die Höhe der Schneegrenze ff 1.80
Swarowsky: Die Eisverhältnisse d. Donau ff 2.-
5. — 2. Heft. Partsch: Philipp Clüver....................... ff 2.-
5. — 3. — Cvijiö: Das Karstphänomen. ..... ff 4.-
5. — 4. — Förster: Die Temperatur fließender Ge-
wässer Mitteleuropas........................... ff 4.—
5. 1— 5. — Ruvarac: Die Abfluß- u. Niederschlags-
Verhältnisse von Böhmen, nebst Penck:
Untersuchungen über Verdunstung und
Abfluß von größeren Landflächen . . ff 5.—
5. — komplett................................................................. ff 20.—
6. — Atlas der österreichischen Alpenseen.
1. Lieferung. Müllner: Die Seen des Salzkammer-
gutes..................................................................... ff 8.50
2. Lieferung. Richter: Seen von Kärnten, Krain
und Südtirol.........................................................
6. Band. 1. Heft. Müllner: Die Seen d. Salzkammergutes
und die Österr. Traun............... ...
6. — 2. — Richter: Seenstudien...........................
6. — 3. — Penck: Friedrich Simony.....................
6. — komplett (ohne Atlas) .......................................
7. — 1. Heft. Müllner: D. Seen a. Reschen-Scheideck
7. — 2. — Müllner: Die Vereisung der Österreich.
Alpenseen in den Wintern 1894/95 bis
1900/01 ...................................... ...
7. —» 3. — Grund: Die Karsthydrographie. Studien
aus Westbosnien..................................
7. — 4. — Vujevlö: Die Theiß. Eine potamo-
logische Studie.............................. .
7. — komplett.............................................................
8. — .l.Heft. Grund: Die Veränderungen der Topo
graphie im Wiener Walde und Wiener
Becken ..................................................
8- — 2. — Krebs: Die nördlichen Alpen zwischen
Enns, Traisen und Mürz...................
8. — 3. — Hassinger.-Geomorphologische Studien
aus dem inneralpinen Wiener Becken
und seinem Randgebirge...................
8. — komplett......................................
9. — 1. Heft. Götzinger: Beiträge zur Entstehung der
Bergrückenformen...............................
9. — 2. — Krebs: Die Halbinsel Istrien. Landes
kundliche Studie...................................
9. — 3. — Grund: Beiträge zur Morphologie des
Dinarischen Gebirges...........................
9. — komplett.............................................................
10. — 1. Heft. Gröber: Der südliche Tiön-Schan .
10. — 2. — Berg: Das Problem der Klimaänderung
in geschichtlicher Zeit............... .
Neue Folge. 1. Heft. Lautensach: Die Übertiefung des
Tessingebietes...............................
— 2. — v. Reinhard: Beiträge zur Kenntnis
der Eiszeit im Kaukasus ....
Die Sammlung wird fortgesetzt.
JC. 8.50
„ 6.50
„ 4.20
„ 12 -
„ 22.70
„ 3. —-
„ 2.40
„ 6.80
„ 4.-
„ 16.20
»»
ff
8.—
22.—
ff
ff
ff
ff
II
6.-
6.—
8.—
20.—
10.—
Das europäische Rußland
Eine Studie zur Geographie des Menschen
Von Dr. A. Hettner,
Professor an der Universität Heidelberg
Mit 21 Textkarten. (VIII u. 221 S.] gr. 8. 1905. Geh. M. 4.—, in
Leinwand geb. M. 4.60.
„Eine treffliche Schrift, die gerade gegenwärtig weitere Kreise
interessieren wird. Sie will nicht nur Tatsachen über Rußland und
die Russen beibringen, vielmehr das, was uns Ethnologen, Histo
riker, Nationalökonomen usw. mitgeteilt und von ihrem Standpunkte
aus beleuchtet haben, unter geographischen Gesichtspunkten zu
sammenfassen. Die Eigenart des russischen Volkes, des russischen
Staates, der russischen Kultur tritt so in ihrer geographischen Be
dingtheit klar hervor, und eine gerechte Würdigung wird ermög
licht, die nicht preist und verdammt, sondern zu verstehen lehrt.
Im einzelnen sind in 9 Abschnitten behandelt: Natur, geschichtliche
Entwicklung, die Völker, Religionen, Staat, Bevölkerung, Verkehr,
Volkswirtschaft, materielle und geistige Kultur.“ (LIt. Zentralblatt.)
Geographische Zeitschrift
Herausgegeben von Professor Dr. A. Hettner
XX. Jahrgang. 1914. Jährlich 12 Hefte. Halbjährlich M. 10.—
Die „Geographische Zeitschrift“ stellt sich die Aufgabe, die Fort
schritte des geographischen Wissens und die Veränderungen der
geographischen Zustände in übersichtlicher Weise zusammen
zufassen und zu allgemeiner Kenntnis zu bringen. Sie wendet
sich daher keineswegs nur an den Geographen von Beruf, sondern
an alle, die an geographischen Dingen Anteil nehmen, an die
Lehrer der Geographie, an die Vertreter der Naturwissenschaften,
an die gebildeten Laien. Sie bringt also keine Spezialarbeiten,
die nur vom Fachmann verstanden werden und nur für ihn Inter
esse haben, sondern behandelt nur Gegenstände von allgemeinem
Interesse in allgemeinverständlicher und dabei möglichst reiner
und fließender Sprache. Aber sie ruht dabei doch auf durchaus
wissenschaftlicher Grundlage, alle Artikel sind von tüchtigen Fach
männern verfaßt, und sie zählt d,ie hervorragendsten Geographen
zu ihren Mitarbeitern.
DIE KULTUR DER GEGENWART
IHRE ENTWICKLUNG UND IHRE ZIELE
HERAUSGEGEBEN VON PROFESSOR PAUL HINNEBERG
Allgemeine Biologie
Redaktion: fC.Chun und W.Johannsen. Unter Mitwirkung von A. Günthart. [Erscheint im Herbst 1914.]
Mit vielen Abbildungen, [ca. 700 S.] Lex.-8. Preis ca. M. 22.-
Inhalt: Zur Geschichte der Biologie von Linnä bis Darwin. Von E. Rädl. — Die Forschungsrichtungen der Biologie und die zoo
logischen Untersuchungsmethoden. Von A. Fi sc hei. — Die Untersuchungsmethoden des Botanikers. Von O. Rosenberg. — Zur
Geschichte und Kritik des Begriffes der Homologie. Von H. Spemann. — Die Zweckmäßigkeit. Von O. zurStraße n. — Die
allgemeinen Kennzeichen der organischen Substanz. Von W. Ostwald. — Das Wesen des Lebens. Von W. Roux. — Lebenslauf,
Alter und Tod des Individuums. Von W. Schleip. — Protoplasma; Zellulärer Bau; Elementarstruktur; Urzeugung. Von fB. Lidforss.
— Durch Licht verursachte Bewegungen der Chromatophoren. Von G. Senn. — Mikrobiologie. Von M. Hartmann. — Entwicklungs
mechanik der Tiergestalten. Von E.Laqueur. — Regeneration der Tiere. Von H. Przibram. — Regeneration im Pflanzenreich. Von
E. Baur. — Die Fortpflanzung der Tiere. Von E. Godlewski. — Periodizität im Leben der Pflanze. Von P. Claußen. — Periodizität.
Von W.Johannsen. — Pflanze und Tier. Die Wechselbeziehungen zwischen Pflanzen und Tieren. Von O. Porsch. — Methoden
und Ergebnisse der Hydrobiologie. Von P. Boysen-Jensen. — Experimentelle Grundlagen der Deszendenzlehre, Vererbung, Varia
bilität, Kreuzung, Mutation. Von W. Johannsen.
Der erste Band der Abteilung „Organische Naturwissenschaften“
gibt zunächst eine historisch-methodologische Obersicht und handelt
dann von den Grundfragen der „Allgemeinen Biologie“, von den
charakteristischsten Eigenschaften der organisierten Substanz, von
dem Wesen des Lebens und dem Problem der Urzeugung (mit
einem Ausblick auf die moderne Protozoenkunde und die Errungen
schaften der Bakteriologie und Serumforschung), dann folgen die
Probleme der Fortpflanzung und Vererbung. Die natürliche Ver
wandtschaft und die Abstammungslehre werden in ihren Grundlagen,
und zwar sowohl formal (Organisationshöhe, Homologie) als real
experimentell, behandelt. Den sozialen Erscheinungen im Tierreich
sind drei Artikel gewidmet und besonders eingehend wird namentlich
das Grundproblem der Biologie, die Zweckmäßigkeitslehre, darge
stellt. Es wird stets besonderer Nachdruck auf die experimentellen Me
thoden gelegt, aber es kommen sowohl mechanistische wie vitalistische
Anschauungen, lamarckistische wie darwinistische Auffassungen zu
Worte. So wird das Buch für alle Zeit ein wertvolles Dokument der
gegenwärtig in der Biologie herrschenden Anschauungen bleiben.
Abstammungslehre, Systematik, Paläontologie, Biogeographie
Unter Redaktion von R. Hertwlg-München und R. v. Wettstein-Wien
Mit 112 Abbildungen. [X u. 612 S.) Lex.-8. 1913. Geh. M.20.—, in Leinwand geb. M. 22.—, in Halbfranz geb. M. 24.—
Inhalt: Die Abstammungslehre: R. Hertwig. — Prinzipien der Systematik mit besonderer Berücksichtigung des Systems der Tiere:
L. Plate. — Das System der Pflanzen: R. v. Wettstein. — Biogeographie: A. Brauer. — Pflanzengeographie: A. Engler. -r- Tier
geographie: A. Brauer. — Paläontologie und Paläozoologie: O. Abel. — Paläobotanik: W. J. Jongmans. — Phylogenie der
Pflanzen: R. v. Wett stein. — Phylogenie der Wirbellosen: K. Hei der. — Phylogenie der Wirbeltiere: J. E. V. Boas.
Die Abstammungslehre ist die bedeutsamste Theorie, welche je
mals auf dem Gebiet der Biologie aufgestellt worden ist. Ihre
Darstellung ist an den Anfang des Bandes gestellt worden, teils
weil sie in ihrer Begründung auf den Tatsachen der vergleichen
den Anatomie, Entwicklungsgeschichte und Physiologie fußt, welche
in den ersten Bänden behandelt worden sind, teils weil sie der
Systematik, Biogeographie und Paläontologie, welche lange Zeit
vorwiegend als Hilfswissenschaften betrieben wurden, neue eigfene
und bedeutsame Ziele der Forschung gesetzt hat.
Die Systematik hat eine doppelte Aufgabe. Sie bringt die ver
wandtschaftlichen Beziehungen, welche zwischen den einzelnen
Tier- und Pflanzenformen bestehen und durch vergleichend ana
tomische und entwicklungsgeschichtliche Forschungen festgestellt
worden sind, zum kurzen Ausdruck. Hieran reiht sich die weitere
Aufgabe, die Bestimmung der Arten zu ermöglichen und ihre
Zugehörigkeit zu den großen Hauptgruppen des Tier- und Pflan
zenreichs festzustellen, indem die unterscheidenden Merkmale in
kurzen Diagnosen hervorgehoben werden. Bei der Darstellung
dieses Forschungsgebietes kann ein zusammenfassendes Werk,
wie es die Kultur der Gegenwart ist, selbstverständlich nicht auf
Einzelheiten eingehen, sondern muß sich darauf beschränken, die
großen Grundzüge der Einteilung zu geben und die Prinzipien
des systematischen Verfahrens zu erläutern. Da letztere für Zoo
logie und Botanik die gleichen sind, ist es nicht angängig, in der
Weise, wie es im zweiten Band für die Morphologie geschehen ist,
eine getrennte Besprechung von Zoologie u. Botanik durchzuführen.
Ähnliches gilt für die zwei folgenden Kapitel, welche sich mit
der räumlichen und zeitlichen Verbreitung der Organismen be
schäftigen und die Gebiete der Biogeographie und Paläontologie
umfassen. Auch hier ist es nötig, mit einer für beide Reiche
geltenden, die allgemeinen Prinzipien darstellenden Einleitung zu
beginnen und an dieselbe die getrennte Darstellung der wichtigsten
Resultate, zu denen Zoologie und Botanik gelangt ist, anzuschließen.
Den Abschluß des Bandes bildet die spezielle Abstammungs
geschichte des Tier- und Pflanzenreichs, ln den beiden sie be
handelnden Kapiteln soll der Versuch gemacht werden, den Leser
über die wichtigsten Vorstellungen zu orientieren, zu denen die
Biologie auf Grund ihrer gesamten Forschungsergebnisse bezüg
lich der allmählichen Entwicklung der Organismenwelt gelangt ist.
Anthropologie, einschlieftl. naturwissenschaftl. Ethnographie
Unter Redaktion von G. Schwalbe. [Unter der Presse.]
Inhalt: Einleitung, Begriff, Abgrenzung usw.: E. Fischer. — Technik und Methoden: Th. Mollison. — Physische Anthropologie:
E. Fischer. — Die Abstammung des Menschen und die ältesten Menschenformen: G. Schwalbe. Prähistorische Archäologie:
M. Hoernes. — Ethnologie: F. Graebner. — Sozial-Anthropologie: A. Ploetz.
Die Anthropologie, die so viele Fäden mit anderen Wissensgebieten
verbindet, im Sinne der K. d. G. darzustellen, war eine besonders
dankenswerte Aufgabe. Bei der Auswahl der Mitarbeiter wurde
namentlich darauf geachtet, den naturwissenschaftlichen wie den
geisteswissenschaftlichen Fundamenten in gleicher Weise gerecht
zu werden. — Einer kurzen Einleitung folgt eine Darstellung der
Methodik. Es wurde hier ausnahmsweise auch die eigentliche
Forschungstechnik dargestellt, denn diese bietet ein besonders lehr
reiches Beispiel moderner naturwissenschaftlicher Untersuchungs
methoden überhaupt, und sie ist untrennbar mit den prinzipiellen
Ergebnissen der anthropologischen Forschung verbunden. Einer
Darstellung der allgemeinen physischen Anthropologie folgt so
dann eine Obersicht über die physische Anthropologie der ein
zelnen Rassen und ein Artikel über unser Wissen von der Ab
stammung des Menschen. Praehistorische Anthropologie und
Völkerkunde schließen sich an, in welchen in steigendem Maße
die geistige Entwicklung des Menschen in den Vordergrund tritt.
Den Abschluß bildet eine Darstellung der modernsten anthropo
logischen Disziplin, der Sozialanthropologie.
BAESSLER-ARC
BEITRÄGE ZUR VÖLKERKUNDE
HERAUSGBGEBEN AUS MITTELN DES BAESSLER-IN
UNTER MITWIRKUNG DER DIREKTOREN DER ETHNOLO
ABTEILUNGEN DES KÖNIGLICHEN MUSEUMS FÜR VOLKE
IN BERLIN REDIGIERT VON
P. EHRENREICH
BEIHEFT VI
EIN BEITRAG
ZUR ETHNOLOGIE VON BOUGAINVILLE UNI]
MIT SPEZIELLER BERÜCKSICHTIGUNG DER
ERNST FRIZZI-MÜNCHEN
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ERLAG VON B. G. TEUBNER