Die Denkmalpflege
in Deutschland, mit besonderer Berücksichtigung
der Rechtsverhältnisse
Von Dr. A. Kneer, Trier
A.Gladbach 1915, Volksvereins-Verlag GmbH.
Die Denkmalpflege
in Deutschland, mit besonderer
Berücksichtigung der Rechtsverhältnisse
Von Dr. phil. Aug.Kneer, Rechtsanwaltin Trier
M.Gladbach 1915, Volksvereins-Berlag GmbH.
Vorwort
Die vorliegende Arbeit — der teilweise eia in der „Ge-
sellschaft für nützliche Forschungen" zu Trier gehaltener Vor-
trag zugrunde liegt — ist als eine Ergänzung zu dem igiz im
gleichen Verlage und in derselben Serie erschienenen Büch-
lein: „Natur und Heimat", eine praktische Einführung in die
Natur- und Heimatpflege, von Dr. Clemens Wagener, ge-
dacht, das noch jüngst als „eine der besten zusammenfassende»
Darstellungen all der Fragen, die der Heimatschutz umfaßt",
bezeichnet worden ist. Wie eng Heimatschutz und Denkmal-
pflege zusammengehören, ist bekannt und ist auf den nach-
folgenden Blättern noch im einzelnen dargelegt. Mir lag
natürlich die rechtliche Seite des Stoffes besonders nahe.
Aber die Rechtsverhältnisse sind nicht verständlich ohne einige
Vertrautheit mit dem übrigen Stoff. Es wäre nur ein Skelett
ohne Fleisch und Blut. So ist denn, natürlich unter Zurück-
stellen des Technischen^), ein Bild der Denkmalpflege im ganzeu
gegeben, wenn auch nur in Umrissen: der Werdegang und der
Rechtszustand. Der Versuch, auf diesem „Kulturgebiet, das
zurzeit immer größere Bedeutung gewinnt, in möglichst an-
regender und anschaulicher Übersicht eine knappe Zusammen-
fassung des Wichtigsten zu geben, dürfte wohl nicht überflüssig
erscheinen, zumal es uns trotz der ausgedehnten Literatur a»
einer kurzen Orientierung für jedermann fehlt; die meisten
*) Während der Drucklegung erschien: Die Pflege der kirchlichen
Kunst, Winke für ihre Beutteilung und Behandlung, von Dr.
O. Doerivg (Regensburg 1914). Ich bttrachte das gleichzeitige Er-
scheinen als einen glücklichen Zufall. Während im vorliegenden
Büchlein hauptsächlich die geschichtliche und die rechtliche Seite der
Denkmalpflege eröttert wird, erfährt der technische Tell, wenigstens
hinsichtlich der wichtigen kirchlichen Denkmäler, in dem Werke von
Doering seine Darstellung, und zwar aus einer hierzu in besonderm
Maße berufenen Feder.
8 Vorwort
Schriften über Denkmalpflege wenden sich lediglich an den
engern Kreis der Fachleute. Daß die Beispiele vorwiegend
den rheinischen und im besondern den trierischen Verhält-
nissen entnommen sind, bedarf um so weniger einer Recht-
fertigung, als das Rheinland, und hier wieder der Trierer
Bezirk, unter den denkmalreichen Kulturgegenden unseres
Vaterlandes in erster Reihe steht. Mein Bestreben war, trotz
des engen Rahmens möglichst viel Stoffliches zu bieten. Im
Anhang sind die dem Gebiete des eigentlichen Denkmalschutzes
angehörenden gesetzlichen Vorschriften wiedergegeben, von der
Heimatschutzgesetzgebung außerdem der Verdeutlichung wegen
das oldenburgische und das sächsische Verunstaltungsgesetz.
Dieses Büchlein macht keinen Anspruch darauf, einen
Leitfaden oder gar ein Handbuch zu ersetzen; dafür entbehrt
es schon zu sehr systematischer Vollständigkeit. Es möchte nur
ein Wegweiser sein an einer Straße, die in ein Land voll
Erinnerung und Schönheit führt. Und sein Zweck ist erreicht,
wenn es an seinem bescheidenen Teil der Ausbreitung einer
Kulturbewegung dienlich ist, deren Grundzüge keinem Ge-
bildeten fremd sein sollten.
Trier, im Sommer 1914.
Der Verfasser
Inhalt
Vorwort............................................... 7
Literatur.............................................12
Erstes Kapitel. Einleitung
I. Geschichtliches................................ 17
II. Ausland...........................................zi
Zweites Kapitel. Denkmalpflege und Heimatschutz
Begriffe und System...................................35
1. Denkmal (35), 2. Naturdenknral (39), 3. Denkmalpflege (39),
4. Denkmalpflege und Heimatschutz (43), 5. Landschaftspfiege
(51), 6. Naturpfiege, Naturschutz (51), 7. Pflege und Schutz,
Vandalismus (53), 8. Verunstaltungsgesetze (54). 9. Schema-
tische Darstellung (55).
Drittes Kapitel. Die deutsche Denkmalpflege im
allgemeinen
I. Amtliche Einrichtungen und Maßnahmen...................56
1. Die Organisationen in den Einzelstaaten................57
a) Preußen........................................... 57
b) Die übrigen Staaten.................................66
2. Denkmalarchive.........................................74
3. Inventarisationen......................................76
II. Private Bestrebungen....................................
1. Der Lag für Denkmalpflege. Dehios Handbuch der deutschen 77
Kunsidenkmäler. Die Zeitschrift „Die Denknralpfiege". Der
Plan der Monumenta artis Germamae ....... 77
2. Der Bund Heimatschuß und verwandte Vereinigungen . 82
III. Museen und Sammlungen; Museumskurse.......................94
IV. Propaganda in Wort und Bild..............................98
Viertes Kapitel. Staat und Kirche
I. Kirchliche Denkmäler......................................105
1. Bedeutung der kirchlichen Denkmäler und ihrer Pflege . 106
2. Verluste und Gefahren.................................109
IO Inhalt
II. Der Staat und die Erhaltung der kirchlichen Denkmäler . u/
1. Vorbemerkung.................................... . . 117
2. Die Denkmäler im Besitze der Kirche...............118
a) Preußen.........................................118
b) Die übrigen Staaten.............................12S
III. Die Denkmalpflege der katholischen Kirche und ihr Verhältnis
zur staatlichen Denkmalpflege.........................131
IV. Die evangelische Kirche............................. 150
V. Die jüdischen Religionsgemeinschaften.................15*
Fünftes Kapitel. DieSpezialgesetzgebung des 20. Jahr-
hunderts
I. Vorbemerkung .........................................153
II. Das hessische Denkmalschutzgesetz von 1902............156
III. Die preußischen Verunstaltuvgsgesetze von 1902 und 1907
und das Ausgrabungsgesetz von 1914.........................161
IV. Die übrigen Staaten, insbesondere Oldenburg und Württem-
berg .................................................Ijri
V. Grundsätzliches; Entschädigung und Enteignung.........18®
VI. Schluß................................................184
Sechstes Kapitel. Die Naturdenkmalpflege 18,
Nachwort...................................................203
Anhang
I. Hessen
1. Gesetz, den Denkmalschutz betreffend, vom 16. Juli 1902 . . 205
II. Preußen
2. Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten (1794),
Teil I Titel 8 8 33—38, 65—67, 71, 78 .................216
3. Zusiändigkeitsgesetz vom 1. August 1883, § 16 und § 30 . . 217
4. a) Gesetz über die Vermögensverwaltung in den katholischen
Kirchengemeinden vom 20. Juni 1875, 8 50.................217
b) Gesetz über die Aufsichtsrechte des Staates bei der Ver-
mögensverwaltung in den katholischen Diözesen vom
7. Juni 1876, 82..........................................217
c) Gesetz, betreffend die evangelische Kirchenverfassung in den
acht ältern Provinzen der Monarchie, vom 3. Juni 1876,
Art. 24...................................................218
5. Gesetz gegen die Verunstaltung landschaftlich hervorragender
Gegenden vom 2. Juni 1902 ...............................218
6. Gesetz gegen die Verunstaltung von Ortschaften und landschaftlich
hervorragenden Gegenden vom 15. Juli 1907 218
II
Inhalt
7. Ortsgesetz der Stadt Trier vom 17. Juni 1908............220
8. Grundsätze für die Wirksamkeit der Staatlichen Stelle für Natur-
denkmalpfiege in Preußen vom 22. Oktober 1906...........222
9. Ausgrabungsgesetz vom 26. März 1914 ....................223
III. Bayern
10. Gemeindeordnung für die Landesteile diesseits des Rheines
vom 29. April 1869, Art. 159, und Gemeindeordnung für
die Pfalz vom gleichen Tage, Art. 91, je in der Fassung von
Art. i des Gesetzes vom 6. Juli 1908 ................228
11. Polizeiftrafgesetzbuch vom 26. Dezember 1871, in der Fassung
von Art. 2 des Gesetzes vom 6. Juli 1908, Art. 22 b Abs. 1 228
12. Allerhöchste Verordnung, die Ausgrabungen und Funde von
prähistorischen oder historisch merkwürdigen Gegenständen be-
treffend, vom 6. September 1908......................228
IV. Sachsen
13. Gesetz gegen die Verunstaltung von Stadt und Land vom
10. März 1909..............................................229
V. Oldenburg
14. Gesetz gegen die Verunstaltung von Ortschaften und land-
schaftlich hervorragenden Gegenden vom 11. Januar 1910 231
15. Denkmalschutzgesetz vom 18. Mai 1911......................232
VI. Baden
16. Polizeistrafgesetzbuch, § 130 nach dem Gesetz vom 25. Juli
1914 und 8 143 Ziff. 3 nach dem Gesetz vom 22. Juli 1912 238
VII. Württemberg
17. Gesetz, betreffend den vorläufigen Schutz von Denkmalen
Eigentum bürgerlicher oder kirchlicher Gemeinden sowie
öffentlicher Stiftungen, vom 14. März 1914.....................239
18. Entwurf eines Gesetzes, betreffend den Denkmalschutz, vom
11. März 1914..................................................2Z9
Register ............................................................244
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Heidenhetm und Dr. Hans Christ. Bücherei des Bundes für Heimat-
schutz in Württemberg und Hohenzollern. II. Stuttgart 1914.
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der Gegenwart. 2 Bände. Berlin 1885.
Mitteilungen der k. k. Zentralkommission für Denkmalpflege. Wien.
Weiterhin die Materialien zu den verschiedenen Gesetzen, die Publi-
kationen der verschiedenen Vereinigungen usw.
Erstes Kapitel
Einleitung
I. Geschichtliches
Die Vergangenheit und die Erinnerung
haben eine unendliche Kraft.
W. v. Humboldt.
Die Denkmälerwelt hat manchen Sturm erfahren,
und die Windsbraut der französischen Revolution, deren
Zersiörungsziele durch die drei Wörter: Königtum, Kirche,
Adel angedeutet sind, war nicht der letzte Sturm der
neuern Zeit. Über die kirchlichen Denkmäler im Süden
und Westen unseres Vaterlandes ist noch zu Anfang des
iy. Jahrhunderts eine Sturmflut hereingebrochen, der
zahllose unersetzliche Gegenstände der Geschichte und der
Kunst zum Opfer gefallen sind. Und der Wind, der
diesen Sturm entfacht hatte, war ein Gesetz: der das
Werk der Säkularisation bekrönende Reichs-
deputationshauptschluß vom 25. Februar 1803, allerdings
ein Gesetz, von dem unbefangene Geschichtsschreiber
urteilen, daß man bei dieser Verwandlung des kirch-
lichen Gutes in weltliches nach Rechtsgründen vergeblich
forsche. Die gesetzliche Bestimmung, die den von amtlichen
Stellen wie von Privatpersonen verübten Vandalismus
heraufbeschwor, war im besondern der Art. 35 des Reichs-
deputationshauptschlusses, der bestimmte: „Alle Güter
der fundierten Stifter, Abteien und Klöster, in den alten
sowohl als in den neuen Besitzungen, .... werden der
K n «e r, Denkmalpflege
2
18 Erstes Kapitel: Einleitung
freien und vollen Disposition der respektiven Landes-
herren sowohl zum Behufe des Aufwandes für Gottes-
dienst, Unterricht und andere gemeinnützige Anstalten,
als zur Erleichterung ihrer Finanzen überlassen............"
Dieser Artikel „sprach das Todesurteil über eine lange
Reihe ehrwürdiger Stätten der Religion und der Kultur
aus, und die neuen Besitzer beeilten sich, es zu vollstrecken".
Wenn es noch gegolten hätte, tote Schätze fruchtbar
zu machen einer kunstverständigen lebensvollen Gegen-
wart oder sie in den Dienst neuer wirtschaftlicher Ziele
zu stellen. Aber wie vollzog sich die Säkularisation in
Wirklichkeit? Es genügt, einige wenige Bilder vorzu-
führen.
Die Güter und Gebäulichkeiten der aufgehobenen Ab-
teien, bei denen mancherorts — wie wir bei v. Keppler,
Wanderung durch Württembergs letzte Klosterbauten
(Aus Kunst und Leben, Neue Folge. Freiburg i. Br.
iyo6, in f) dargelegt finden — gerade das letzte
Jahrhundert neue herrliche Blüten der Architektur ge-
zeitigt hatte, wurden vielfach an Privatpersonen veräußert
und dabei um einen Spottpreis verschleudert; den Er-
werbern aber waren sie nur ein Gegenstand schnöder
Gewinnsucht. Der Käufer von Benediktbeuren erlöste
allein aus dem kupfernen Dache eines der Gebäude
so viel, wie die ganze Kaufsumme betrug. Der erste Be-
sitzer von Tegernsee ließ den herrlichen Prälatenbau
abtragen, um aus den Quadern, dem Eisen, der Kupfer-
bedachung dieses einen Teiles so viel zu lösen, als er für
das Ganze gegeben hatte. Die Abteigebäude dienten
den neuen Besitzern in manchen Fällen als Lustschlösser,
sie wurden aber auch in Theater, Kasernen, Fabriken,
Irrenhäuser, Zuchthäuser u. dgl. umgewandelt. Die
Stifts- und Klosterkirchen wurden entweder niedergerissen
oder profaniert; vielfach mußten sie als Warenlager,
I. Geschichtliches 19
Ställe oder zu ähnlichen Zwecken dienen. Die Kirche
der berühmten Abtei Wessobrunn fiel von Regierungs
wegen der Zerstörung anheim. Der Dom von Freising
wurde als „baufällig" geschlossen und einem Metzger
für 500 Gulden zum Kauf zugesagt; glücklicherweise er-
hielt der Kronprinz Ludwig Kunde davon und rettete
dieses „geschichtliche, religiöse und bauliche Kleinod".
Die Kapelle des hl. Petrus in Freifing wurde zu einem
Gulden ausgeboten und, da niemand mehr bieten wollte,
auf Befehl der Regierung abgebrochen; die Glocken
wurden zu 42 Kreuzer für den Zentner verkauft. Die
St. Annakirche in Würzburg ward in ein Theater ver-
wandelt. Die im Jahre 174g durch Fürstbischof Friedrich
Karl v. Schönborn eingeweihte Abteikirche der Bene-
diktiner von Münster-Schwarzach unweit Würzburg, „eine
der vornehmsten Schöpfungen Balthasar Neumanns,
den wir heute zu den größten deutschen Baukünstlern
aller Zeiten rechnen, geschmückt mit Deckengemälden
Tiepolos" (Dehio, Denkmalschutz und Denkmalpflege
S. y), verschwand im Laufe der 20er Jahre als Opfer
der Säkularisation völlig vom Erdboden; sie wurde auf
den Abbruch versteigert, die Steine wurden zu Chaussee-
material zerklopft. Im vorigen Jahre haben die Bene-
diktiner von St. Ludwig das Klostergut käuflich erworben.
Neues Leben blüht aus den Ruinen. Aber das prächtige
Bauwerk bleibt der Kirche und der Kunst für immer ver-
loren. An der herrlichen Kirche der 1174 gegründeten
Zisterzienserabtei Arnsburg im Kreise Gießen, die 1803
dem Fürsten v. Solms zugefallen war, wurden die Ge-
wölbe eingeschlagen, die Kirche zerfiel und wurde als
Steinbruch benutzt, und es gewährt nur einen schwachen
Trost, daß „der architektonische Eindruck der Ruine, in
unverfälscht zisierziensischer Waldeinsamkeit, noch sehr
bedeutend" ist (Dehio IV 17). Einem ähnlichen Schicksal
20
Erstes Kapitel: Einleitung
verfiel ein anderer Zisterzienserbau, die Kirche der welt-
berühmten Abtei Heisterbach im Siebengebirge. Gebaut
in den Jahren 1202 bis 12Z7, ist sie unverändert geblieben
bis zur Schwelle des 19. Jahrhunderts; dann erfüllte
sich ihr Geschick: von 1809 ab erfolgte der Abbruch, und
nur die Chorapsis ist als offene Ruine erhalten — das
unrühmliche Ende eines Kunstdenkmals von „hoher bau-
geschichtlicher Bedeutung" (Dehio V 184).
Die heiligen Gefäße und Kirchenparamente wurden
auf die traurigste Art verschleudert; die kunstvollen goldenen
und silbernen Kelche, Monstranzen, Reliquiarien usw.
wurden ihrer Edelsteine beraubt und zerbrochen, von
den Meßbüchern die Beschläge abgerissen, Pluviale zu
Stuhlüberzügen zerschnitten, die Meßgewänder, nachdem
man die goldenen Borden abgeschnitten, zu profanen
Zwecken verwendet.
Und welches Schicksal hatten gar die sorgsam und müh-
sam über die Stürme der Jahrhunderte hinweg geretteten
und bewahrten Klosierbibliotheken und die in jeder Hin-
sicht unschätzbaren Klosterarchive? Allerdings bekamen
die Staatssammlungen, was man zu behalten für gut
befand; aber die geretteten Bände waren doch nur ein
verschwindend kleiner Bruchteil gegen das Verschleuderte.
Wie z. B. damals im Naffauischen mit den wertvollen
Büchersammlungen der zahlreichen aufgehobenen Klöster
(Sayn, Rommersdorf, Deutz, Eberbach, Notgottes, Ehren-
breitstein, Linz, Montabaur, Limburg, Bornhofen, Marien-
thal, Eibingen) verfahren worden ist, darüber macht
neuestens G. Zedler im Altnassauischen Kalender 1914
(S. 46 s) in einem Aufsatz über die nassauische Landes-
bibliothek recht unerbauliche Mitteilungen. Mögen jene
Klöster, so wird dort ausgeführt, auch schon vorher vieler
wertvoller Bücher und Handschriften beraubt worden sein,
so sind damals doch unersetzliche literarische Schätze für
21
I. Geschichtliches
immer verloren gegangen. Und zwar durchweg nur in-
folge der Verständnislosigkeit und Skrupellosigkeit der
betreffenden staatlichen Beamten. Auch anderwärts
wurde mit dem reichen Erbe früherer Kultur in der un-
glaublichsten Weise gewirtschaftet. Ganze Bibliotheken
wurden um wenige Gulden nach dem Gewicht an Käse-
händler und Krämer verkauft, von wo hier und da ein
Kenner das eine oder andere wieder rettete. Hundert-
tausende von Bänden wurden um Spottgelder nach Ruß-
land und Amerika geschleppt, aber mindestens ebenso viele
gingen zugrunde.
Vgl. zum Ganzen die auf reiches Quellenmaterial gegründeten
Darlegungen bei Heinrich Brück, Geschichte der katholischen Kirche im
19. Jahrhundert, I. Band (2. Ausl. 1902), 181 f und die dort an-
gegebene Literatur.
So hat denn „die Säkularisation des beginnenden
iy. Jahrhunderts eine Fülle von Kunstgegenständen, zum
Teil des frühesten Mittelalters, eine Fülle von Kirchen-
geräten, Bauten, Gemälden ohne jede Ahnung von ihrem
kunstgeschichtlichen und ästhetischen Werte teils verschleudert
und zerstreut, teils ganz vernichtet, so daß wir noch heute
die ganze Schwere des Verlustes kaum abzuschätzen
vermögen" (Paur, Heimatschutz 4).
Und wenn man beispielsweise durch ein altes Kultur-
land, wie die Eifel, wandert und sinnend der unend-
lichen Fülle dessen gedenkt, was hier allein seit dem
Ende des 18. Jahrhunderts an vielhundertjährigem, ja
tausendjährigem Kunstschaffen verloren gegangen, in
Trümmer gesunken, dann ist es einem wohl, als wenn
man über einen Denkmälerfriedhof wandelte. Sind doch
von rund 50 Kloster- und Stiftskirchen nur etwa
20 als Pfarrkirchen einigermaßen ihrem Zwecke erhalten
geblieben, während ein Teil zu Wirtschaftsgebäuden
herabgewürdigt, ein Teil aber zu Steinbrüchen ausgenutzt
worden ist, wobei „manche wertvolle Bauten so gründlich
22
Erstes Kapitel: Einleitung
genutzt worden sind, daß kein Stein mehr von ihnen Zeug-
nis gibt"; vor allem ist auch der bewegliche Kunsibesitz,
besonders derjenige kirchlicher Herkunft, diesen zerstörenden
Gewalten unbarmherzig ausgeliefert worden, so daß
Renard (dessen Aussatz über die Denkmalpflege in der
Eifel wir die vorstehenden Angaben entnehmen) dazu
bemerkt: „Welche unermeßlichen Werte damals in der
Eifel zugrunde gegangen sind, ist nicht zu übersehen."
Es ist begreiflich, daß nach solchen Gefährdungen und
Verheerungen, daß nach „Franzosenzeit" und Säkularisation
der Ruf nach Schutz und Erhaltung lauter wurde, und
auch die verantwortungsvollen amtlichen Stellen sich auf
ihre Pflicht besannen. Das 19. Jahrhundert hat, wenn
auch nur stückweise und allmählich, das einzuholen und
gutzumachen gesucht, was sein Beginn versäumt und ver-
tan. Und an der Schwelle des 20. Jahrhunderts sehen
wir bei uns in Deutschland aus der aufs höchste gestei-
gerten Schätzung der historischen und ästhetischen Werte
eine förmliche Denkmalschutzgesetzgebung sich entwickeln.
Denkmalpflege ist, wenn auch zunächst nur
aus praktischen Gründen, als Pflege der lebenden Kunst-
denkmäler, insbesondere der Bauwerke, zu allen Zeiten
geübt worden; ihr Begriff ist schließlich so alt wie jede
Kultur. Und auch die Seite der Denkmalpflege, die in
dem vorliegenden Büchlein eine besondere Berücksichti-
gung erfahren soll, die Denkmalpflege in ihrer Beziehung
zur Verwaltung und Gesetzgebung, das Recht der Denkmal-
pflege, ist keine Errungenschaft der Neuzeit oder gar un-
serer Tage. Schon im Römischen Rechte finden wir Vor-
schriften, die sich in der Richtung des heutigen Denkmal-
schutzes bewegen. Noch im ersten Heft des laufenden
Jahrganges der Zeitschrift „Die Denkmalpflege" hat Ober-
regierungsrat Dr. Julius Gröschel in München in einem
gehaltvollen Aussatz über Heimatschutzgedanken im
I. Geschichtliches 23
Römischen Recht an der Hand des Corpus Juris Civilis
dargetan, daß die Grundsätze der Denkmalpflege und des
Heimatschutzes den Alten nicht fremd waren, wenn auch
die Art, wie sich das Empfinden geltend machte, selbst-
verständlich durch die Eigenart der Verhältnisse bedingt
war, welche seine Äußerung veranlaßt haben. Freilich,
eine Denkmalpflege im modernen Sinne hat sich erst
in der italienischen Renaissance mit dem Erwachen des
historischen Interesses und dem Aufkommen einer bewußten
Wertschätzung der antiken Denkmale sowie der Aufstellung
von gesetzlichen Maßregeln zu ihrem Schutze angebahnt,
und auch dies zunächst in der Beschränkung auf die Antike.
Jedenfalls haben die Päpste der Renaissance wie der
spätern Zeit in mannigfachen Erlassen für den Denkmal-
schutz gewirkt.
Auch in Deutschland sind solche Gedanken,
gefördert von Männern wie Görres, Sulpice Boisseree,
Schinkel u. a., immer wieder zum Ausdruck gekommen.
Besonders in süddeutschen Staaten, wie Bayern, Baden
usw., begegnen wir schon im 18. Jahrhundert Verord-
nungen auf dem Gebiete der Denkmalpflege. Kein bloßer
Zufall ist es, wie wir bei Betrachtung der Säkularisation
erkannt haben, daß solche behördliche Maßnahmen in
größerer Zahl gerade in den Anfängen des 19. Jahrhunderts,
zumal in der begeisterungsfähigen Zeit der Freiheits-
kriege, zutage getreten sind. So in Bayern schon 1805
und 1808; vor allem ergingen unter der Regierung des
Königs Ludwig I. (1825—1848) zahlreiche Erlasse im
Sinne des Denkmalschutzes. Die Wahrung ästhetischer
Gesichtspunkte durch baupolizeiliche Mittel spricht aus
dem Baustatut, das am 11. Juni 1809 in der Stadt Frank-
furt erging. Auch aus dem Herzogtum Nassau und dem
Großherzogtum Berg sind ähnliche Vorschriften vom An-
fange des 19. Jahrhunderts vorhanden. In Baden ist
4 Erstes Kapitel: Einleitung
der Staat bereits 1812 durch einen Erlaß für alle profa-
nen Denkmäler schützend eingetreten.
Im Großherzogtum Hessen erging am 22. Januar
1818 eine Allerhöchste Verordnung, die Erhaltung der
vorhandenen Denkmäler der Baukunst betreffend, die
wegen ihres umfassenden Inhalts hier wiedergegeben
sei (abgedruckt bei Wagner z f):
Ludwig von Gottes Gnaden Großherzog von Hessen und bei
Rhein usw.
In Erwägung, daß die noch vorhandenen Denkmäler der Baukunst
zu den wichtigsten und interessantesten Urkunden der Geschichte gehören,
indem sich aus ihnen auf die frühern Sitten, Geistesbildung und den
bürgerlichen Zustand der Nation schließen läßt, und daher die Erhalt
tuna derselben höchst wünschenswert ist, verordnen wir folgendes:
1. Unser Ober-Baukolleg wird beauftragt, alle in dem Großherzog-
tum Hessen befindlichen Überreste alter Baukunst, welche in Hinsicht auf
Geschichte oder Kunst verdienen erhalten zu werden, in ein genaues
Verzeichnis bringen zu lassen, wobei der gegenwärtige Zustand zu
beschreiben und die in ihnen befindlichen alten Kunstwerke, als Ge-
mälde, Bildsäulen u. dgl., mit zu bemerken sind.
2. Wegen der Ausarbeitung des geschichtlichen Teiles in diesem
Verzeichnis hat das genannte Kolleg diejenigen Gelehrten, welchen
die Geschichte jeder Provinz am bekanntesten ist, zur Mitwirkung für
diesen patriotischen Zweck einzuladen, und sind ihnen bis zu dem Ende
aus den Archiven die nötigen Nachrichten mitzuteilen.
3. Die vorzüglichsten dieser Werke oder die am meisten baufälligen
sind nach und nach genau aufzunehmen und die Zeichnungen derselben
nebst der Beschreibung in unserm Museum zu deponieren.
4. Unter Ober-Baukolleg wird hierdurch beauftragt, Uns das Verzeich-
nis dieser der Erhaltung oder Abbildung wertgeachteten Gebäude zur
Genehmigung vorzulegen, sich wegen der Erhaltung und Ausbesserung
derselben mit den verschiedenen Behörden in Verbindung zu setzen
und Uns darüber die geeigneten Vorschläge zu machen.
5. Wenn es nötig scheinen sollte, mit einem oder dem andern dieser
Gebäude Veränderungen vorzunehmen oder dieselben ganz abzubrechen,
so soll dieses nur mit Vorwissen des erwähnten Kollegs geschehen und
nachdem dasselbe in den geeigneten Fällen Unsere höchste Genehmigung
eingeholt hat.
6. Wenn bei Nachgrabungen oder andern Veranlassungen Altertümer
I. Geschichtliches 25
aufgefunden werden, so haben Unsere Beamten dafür zu sorgen, daß
dieselben möglichst erhalten werden, und ist davon sogleich die Anzeige
an Unsern Ober-Baukolleg oder die Direktion Unsers Museums zu machen.
7. Den sämtlichen öffentlichen Behörden wird es zur Pflicht gemacht,
für die Erhaltung der in dem oben erwähnten Verzeichnisse bekannt-
gemachten Denkmäler möglichst zu sorgen, zu welchem Ende dasselbe
gedruckt und ihnen mitgeteilt werden soll. Ludwig.
Diese Verordnung, die in Hessen bis zum Erlaß des
Denkmalschutzgesetzes von 1902 die Grundlage der Vor-
schriften über die Denkmalpflege gebildet hat, umfaßt
die hauptsächlichsien Aufgaben, deren Erfüllung auch
heute noch von einem wirksamen Denkmalschutz verlangt
wird. Sie mußte jedoch zum Teil unwirksam bleiben,
weil nicht gleichzeitig wegen der für die Ausführung
erforderlichen Geldmittel Vorsorge getroffen war, und
weil es auch an der nötigen Organisation fehlte.
In Preußen, wo schon das Allgemeine Landrecht
von 1794 im 8. Titel des I. Teiles (abgedruckt im Anhang
unter Nr- 2) gesetzliche Grundlagen für staatliche Maß-
regeln auf dem Gebiete des Denkmalschutzes geschaffen
hatte, allerdings mehr unter dem Gesichtspunkte des öffent-
lichen Eigentums und der öffentlichen Ordnung als unter
dem der Erhaltung der für die Geschichte oder die Kunst
an sich wertvollen Altertümer (v. Wussow I 19), knüpft
die moderne Denkmalpflege an den Namen des genialen
Berliner Architekten Karl Friedrich Schinkel (f 1841)
an. Es ist Schinkels Verdienst, zuerst auf die Pflicht
des Staates zu Erhaltung der Denkmäler hingewiesen
zu haben, wobei er gerade auf beklagenswerte Fälle
aus dem Rheinlande (Verkauf gemalter Fenster aus dem
Kölner Dom, Beschädigung des berühmten Reliquien-
schreins der heiligen drei Könige daselbst und Zerstreuung
einzelner Stücke aus dem Grabe Karls des Großen im
Aachener Münster) hinweisen konnte. Schinkel verdanken
wir den ersten Plan, wie die Kenntnis der Denkmäler
26
Erstes Kapitel: Einleitung
gefördert und was zu ihrem Schutze von seiten des Staates
am besten getan werden könne. Schinkel, „der Vater der
staatlichen Denkmalpflege in Preußen," ist der Verfasser
der Eingabe der Baudeputation vom Jahre 1815, die
in selten klarer Form die Forderungen umschrieben
hat, die heute noch die Forderungen einer ordentlichen
Staatsfürsorge für die Denkmäler sind, die freilich auch
heute in Preußen nur erst zum Teil ihre Erfüllung ge-
funden haben (Renard, Eifelfestschrift 68). Die Be-
mühungen Schinkels, die ihn 1816 auch zu einer amt-
lichen Bereisung in die Rheinprovinz führten, fanden
ihre Anerkennung in der Allerhöchsten Kabinettsordre,
die König Friedrich Wilhelm am 4. Oktober 1815 zu Paris
erließ, die hier, da sie den Ausgangspunkt staatlicher
Denkmalpflege in Preußen darstellt, im Wortlaut wieder-
gegeben sei; sie ist gerichtet an den Staats- und Finanz-
minister Freiherrn v. Bülow und lautet:
„Auf Ihren Bericht vom 27. v. M. setze ich hiermit fest, daß bei jeder
wesentlichen Veränderung an öffentlichen Gebäuden oder Denkmälern
diejenige Staatsbehörde, welche solche vorzunehmen beabsichtigt, darüber
zuvor mit der Ober-Baudeputation kommunizieren, und wenn diese
nicht einwilligt, an den Staatskanzler Fürsten v. Hardenberg, zur
Einholung Meines Befehls, ob die Veränderung vorzunehmen, berichten
soll."
Dieser Kabinettsordre ist im Laufe der Jahre eine
Reihe von weitern Ordres und ministeriellen Zirkular-
verfügungen gefolgt. Eine Zirkularverfügung vom
6. April 1819 brachte „die sorgfältige Erhaltung" zur
Sprache, „welche diejenigen als Denkmäler der Vorzeit
und Kunst ehrwürdigen alten Schloß-, Stifts- und Kloster-
gebäude verdienen, die nicht zu gottesdienstlichen Zwecken
beibehalten sind, um zu verhüten, daß solche nicht veräußert
und demnächst abgerissen werden oder sonst aus Mangel
an Aufsicht verfallen". Eine Zirkularverfügung vom
18. März 1824 erinnert unter Hinweis auf die Kabinetts-
I. Geschichtliches 27
ordre vom 4. Oktober 1815 daran, daß „kürzlich wieder
Fälle vorgekommen sind, daß Gebäude, welche als Denk-
mäler der Vorzeit einen hisiorischen Wert haben, teils
beschädigt, teils zu Zwecken verwendet werden, durch
welche sie ihren ganzen Charakter und frühern Wert ver-
lieren und zum Teile vernichtet werden". Was besonders
die Rheinlande anbelangt, so war schon im Jahre 1817
das Oberpräsidium in Coblenz angewiesen worden,
aus den säkularisierten Gütern einen Fonds sür die Unter-
haltung der noch im Gebrauch befindlichen Kirchen zu
schaffen, worauf das Oberpräsidium seinerseits auch die
Notwendigkeit der Erhaltung der nicht mehr benutzten
Kirchen betonte. Es wurde sogar die Anstellung eines
rheinischen Konservators in der Person des Bonner
Kunstfreundes und Gelehrten Bernhard Hundeshagen
angeregt (Renard, Eifelfesischrift 68). Eine Allerhöchste
Ordre vom 20. Juni 1830 verbot den Stadtgemeinden
die „willkürliche Abtragung ihrer Stadtmauern, Tore,
Türme, Wälle und anderer zum Verschluß sowohl als zur
Verteidigung der Städte bestimmten Anlagen". Es
folgen weitere Zirkularverfügungen aus den Jahren
1835, 1837, 1841, 1844, 1849, 1850 usw., die freilich
vielfach nur die alten Vorschriften in die Erinnerung
rufen. Besonders ergiebig ist die Regierungszeit König
Friedrich Wilhelms IV., des „Romantikers auf dem
Throne". Seine Vorliebe für die Rheinlande, für den
Rhein der Romantik, seine Burgen, Kirchen und alten
Städtchen ließ ihn den aus der Rheinprovinz kommenden
Wünschen auf Erhaltung der monumentalen Zeugnisse
der Vergangenheit, die gerade zum großen Teil den
Anstoß zu einer Organisation der staatlichen Denkmalpflege
in Preußen gegeben haben, ein besonders lebhaftes
Interesse zuwenden (Renard a. a. O.).
Aber was in den Tagen der Romantik, der nationalen
28 Erstes Kapitel: Einleitung
Erhebung, nach langen Jahren des Krieges und der Not,
nach den Erschütterungen und Verheerungen der Re-
volution und der Säkularisation verheißungsvoll begonnen,
fand den Boden nicht bereitet und kam nicht zur durch-
greifenden Ausführung. Das geschichtliche und künst-
lerische Gefühl verkümmerte, der Nützlichkeitssinn nahm
überhand. Die praktische Denkmalpflege erlebte
traurige Dinge. So hat noch im Jahre 1849 die Regierung
das Schloß Burg an der Wupper, die alte Residenz der
Herzöge von Berg, durch Entfernung des Daches und Ent-
nahme der Balken dem Verfall preisgegeben, um das
Steinmaterial bei dem Bau eines Landgerichts in Elber-
feld zu verwenden; in unsern Tagen haben dann für
die Geschichte und Kunst der Heimat begeisterte Männer
den Wiederaufbau durchgeführt, und die Bevölkerung
des Bergischen Landes hat die wahrhaft nicht kleinen Kosten
gern und freudig mit aufbringen helfen. Unter den Vor-
kommnissen, die in eine wesentlich spätere Zeit fallen, sei
insbesondere hingewiesen auf die unter Nichtachtung der
Allerhöchsten Kabinettsordre vom 20. Juni i8go betr. Er-
haltung von Stadtbefestigungen erfolgte rücksichtslose Be-
seitigung der alten Stadttore, die neben den berüchtigten
Freilegungen ein nicht eben rühmliches Kapitel in der
Geschichte der Denkmalpflege in der zweiten Hälfte des
19. Jahrhunderts darstellt. Selbst in einer Stadt
wie Trier, wo man für Denkmalwerte doch von jeher
ein anderes Empfinden hätte haben sollen, hat in dieser
Zeit bei der Stadtverwaltung der geschichtliche Sinn
versagt. In Trier stand neben der Porta nigra ein von
Erzbischof Franz Georg im Jahre 1746 errichtetes schönes
Rokokotor, das als Stadttor diente; es ist 1875 ver-
schwunden (vgl. H. v. Behr, Die Porta nigra in Trier
S. 80) und ebenso wie das 1877 abgebrochene stattliche
Neutor einer Verkehrspolitik zum Opfer gefallen, der
I. Geschichtliches 29
offenbar der Begriff Denkmalpflege eine unbekannte
Größe war. Und doch hätte sich manches geschichtlich und
künstlerisch wertvolle Stück leicht erhalten lassen, wie
denn in der spätern Zeit mit wachsender Erkenntnis
auch manches erhalten geblieben ist. Wie manches Portal
würde heute einen schönen Schmuck benachbarter Anlagen
abgeben.: Ja, der kommunale „Vandalismus" hat selbst
die Schwelle unseres Jahrhunderts noch überschritten: als
man den Wert der Tore und Türme schon würdigte,
hat man noch manchen Brunnen auf öffentlichen Plätzen
beseitigt — was brauchte man Brunnen, man hatte ja
Wasserleitung. In den vorerwähnten Fällen, die auf gut
Glück aus einer trostlos langen Reihe herausgegriffen
sind, handelt es sich wohlgemerkt um behördliche Maß-
nahmen. Was im Laufe des 19. Jahrhunderts aus Mangel
an Einsicht an Baudenkmälern in Privatbesitz unwider-
bringlich verloren gegangen ist, läßt sich schon gar nicht
erschöpfend schildern. Ein Hinweis nur: In Trier — das
auch heute noch eine reichhaltige Beispielsammlung zur
Geschichte des deutschen Wohnhauses aus allen Jahrhunder-
ten bietet — stellte August Reichensperger im Jahre
1846 (er war damals in Trier Landgerichtsrat) eine übri-
gens längst nicht vollständige Liste von alten, der Erhaltung
besonders werten Häusern auf, er nannte ihrer 34;
von ihnen stehen heute, zum Teil schon wieder mit Ver-
änderungen, nur noch 9. (Vgl. Dr. Kentenich in den
„Mitteilungen des Rheinischen Vereins" III 12g f.)
Es ist besonders für die zweite Hälfte des 19. Jahrhun-
derts bezeichnend, daß man zwar einige besonders hervor-
ragende mittelalterliche Baudenkmäler, große Dome und
einzelne bedeutende Burgen, beachtete und sie in oft
wenig glücklicher Weise „restaurierte", aber für den natio-
nalen und künstlerischen Wert der schlichten alten Bauten
in ihrer Gesamtheit, für die Kirchen und Kapellen in Stadt
30 Erstes Kapitel: Einleitung
und Land, die Rat- und Zunfthäuser, die Bürgerhäuser
und Wehrbauten, Brücken und Brunnen, keinen Blick
hatte. Erst als, insbesondere nach dem wirtschaftlichen
Aufschwünge der 70er Jahre, der moderne Verkehr mit
seinen Eisenbahnen und Straßenbahnen, die Technik
und die Industrie, in Verbindung mit einem allgemeinen
Tiefstand des künstlerischen Geschmackes Verheerungen
anrichtete, die nicht wieder gutzumachen waren, erst da
wurden für den Wert des geschichtlichen Gepräges einer
Stadt und für das gesamte künstlerische Erbgut, das ver-
gangene Jahrhunderte uns in Stadt und Land hinter-
lassen haben, die Augen geöffnet. So hat denn erst die
äußerste Not, die aus dem Boden des Industrialismus
und Materialismus des 19. Jahrhunderts erwuchs, einen
planmäßigen Denkmalschutz hervorgebracht. Erst um die
Wende unseres Jahrhunderts, als sich mit dem wachsenden
Wohlstände die Geschmacksbildung weiter Volkskreise hob,
trat eine Gegenströmung ein gegen alle Verschandelung
der Landschaft wie gegen eine Bautätigkeit, die geschicht-
lich und künstlerisch hervorragende Bauwerke dem Geschäfts-
sinn und der Geschmacksroheit zum Opfer fallen ließ,
wo Tore und Türme, stattliche Patrizier- und trauliche
Bürgerhäuser stürzen mußten, um bei dem schnellen
Anwachsen der Bevölkerung insbesondere in den großen
Städten die weitgehendste Ausnutzung zu Bauland
für Mietkasernen zu ermöglichen. Erst die Zeit um 1900,
die, wie für so viele Gebiete so auch im Gebiete des
Schönen einen Umschwung zum Bessern brachte, hat —
vorbereitet durch vereinzelte gesetzgeberische und mancher-
lei Verwaltungsmaßnahmen, vor allem durch eine plan-
mäßige Organisation wie auch durch das Erscheinen der
Kunstdenkmälerwerke — zu einem umfassenden Vorgehen
in der Denkmalpflege geführt.
Der Zeit gewaltsamer Zerstörung, der Gegen-
II. Ausland 3i
Wirkung der Romantik und der historischen Pflege der
„Altertümer", den Irrgängen der Restaurierungssucht,
der Dürre und dem Frost des Materialismus und des
Industrialismus, und wie immer man die Stufen
bezeichnen will, folgt die geordnete Denkmalpflege
unserer Tage als ein wichtiger, leben-
spendender Faktor neuzeitlicher Kultur.
II. Ausland
Zum Schluß unserer geschichtlichen Skizzierung noch
ein Hinweis auf das A u s l a n d.
In erster Linie ist da Frankreich zu nennen,
„die Wiege der systematischen staatlichen Denkmalpflege".
Wo 100 Jahre zuvor in den Schrecknissen der Revolution
Bau- und Bildwerke, kostbare Handschriften und Bücher
ohne Zahl zugrunde gegangen waren, wo allerdings
im iy. Jahrhundert, ausgehend von der Romantik
(Victor Hugo: Ouerre aux démolisseurs, und Graf
Montalembert: Vandalisme en Trance), am frühesten
die planmäßigen Bestrebungen zur Erhaltung der Denk-
mäler begonnen hatten (Commission des monuments
distoriques 1837), sehen wir heute „das klassische Land
der Denkmalpflege". Unterm 30. März 1887 erging
das auch technisch hervorragende französische Denkmal-
schutzgesetz (Loi du 30 Mars 1887» relative à la conser-
vation des monuments et objets d'art ayant un in-
térêt historique et artistique), welches Vorbild für die
ganze neuere Denkmalschutzgesetzgebung geworden ist.
Da Gesetz behandelt Immobilien und Mobilien. Der
Schutz beruht auf dem Klassierungsprinzip (classement),
der Einwertung: Aufnahme aller wertvollen unbeweglichen
und beweglichen Denkmäler in eine besondere Schutzliste.
Es unterscheidet die Denkmäler im öffentlichen und pri-
vaten Besitz; letztere können nur mit Einwilligung des
Z2 Erstes Kapitel: Einleitung
Eigentümers klassiert werden. Folge der Klassierung
ist Genehmigungspflicht für Veränderung und Beseiti-
gung. Bei unbeweglichen Denkmälern sowie bei Fund-
stätten im Privatbesitz ist ein Enteignungsrecht anerkannt.
Namentlich die Klassierung hat in vielen Gesetzen Nach-
ahmung gefunden. Die Erfahrungen, die mit dem Classe-
ment gemacht worden find, werden als gute bezeichnet.
Der größte Fehler des französischen Systems liegt in der
geringen Zahl der geschützten Objekte: in ganz Frankreich
sind nur wenig über 2000 Denkmäler klassiert, was für
dieses alte Kulturland außerordentlich wenig ist. Das
Hauptverdienst Frankreichs liegt darin, daß es zuerst in
umfassender Weise unter neuzeitlichen Verhältnissen den
Stoff gesetzgeberisch geregelt hat.
Vgl. dazu u. a.: P. Clemen, Die Denkmalpflege in Frankreich;
Wieland 7 f; dann aber auch die Arbeiten von Prof. F. Wolff über
die staatliche Denkmalpflege in Elsaß-Lothringen, die auf dem Unterbau
der französischen errichtet ist.
Die Stellung freilich, die das Frankreich der Gegen-
wart zur Kirche einnimmt, bedeutet für die kirchlichen
Denkmäler, die nicht amtlich geschützt sind, eine Zeit schwer-
ster Bedrängnis und Gefährdung, so daß sogar im Gesetzes-
wege die Schaffung einer Abteilung des Bautenministeri-
ums zur Erhaltung der geschichtlich und künstlerisch wert-
vollen Bauten, die in dem Gesetze vom 30. März 1887
nicht als Nationaldenkmäler klassifiziert sind, angestrebt
wird. Die Kasse der neuen Abteilung wird allerdings
auf Geschenke, Legate und Sammlungen angewiesen
sein; der Staat wird nichts dazu beitragen.
„1-68 longs Souvenirs fönt les grands peuples?“ —
Außer in Frankreich gibt es Denkmalschutzgesetze in
den meisten Kulturstaaten, so in England,
Indien, Ägypten (wo vor allem die wertvollen Denkmäler
des Altertums durch heimliche Ausgrabungen bedroht
II. Ausland 33
sind), Dänemark, Schweden, Portugal, Rumänien, Grie-
chenland usw. In der Schweiz gibt es vereinzelt Denkmal-
schutzgesetze (so im Kanton Bern) und verschiedentlich
Heimatschutzgesetze. Theoretisch am weitesten hat es im
Denkmalschutz die Türkei gebracht.
Im Königreich Italien, dessen Denkmäler nicht
nur für das Land selbst, sondern zugleich auch für die ganze
gebildete Welt von der hervorragendsten Wichtigkeit
sind (v. Wuffow I 186), ist die in ihren materiellen An-
fängen Jahrhunderte weit zurückreichende Denkmalschutz-
gesetzgebung gekrönt worden durch das Gesetz vom 22.
Juli 1902. (In deutscher Übertragung wiedergegeben
bei Bredt, Die Denkmalpflege und ihre Gestaltung in
Preußen 55 f.) Bemerkenswert sind die Ausfuhr-
beschränkungen für alle privaten und öffentlichen Denk-
mäler, eine „ästhetische Schutzzollpolitik", wie man es
wohl genannt hat. (Näheres bei Wieland 5 f.)
Was Österreich-Ungarn anbelangt, so hat
Ungarn bereits am 24. Mai 1881 ein Gesetz betreffend
die Erhaltung der Kunstdenkmäler erlassen. Dagegen ist
es in der andern Reichshälfte den vielfachen Bemühungen
der leitenden Kreise bisher nicht gelungen, den Erlaß
eines Denkmalschutzgesetzes zum Abschluß zu bringen.
Einer Allerhöchsten Entschließung vom 31. Dezember
1850 verdankt die k. k. Zentralkommission für Erforschung
und Erhaltung der Baudenkmale ihre Entstehung, die
aber erst 1853 ihre Organisation erhielt. Ursprünglich
dem Handelsministerium zugeteilt, wurde sie später dem
Ministerium für Kultus und Unterricht unterstellt.
Die Erweiterung der Aufgaben brachte die Umgestaltung
zur k. k. Zentralkommission zur Erforschung und Er-
haltung der Kunst- und historischen Denkmale. Die
Zentralkommission ist der Mittelpunkt der Denkmal-
pflegebestrebungen der Monarchie, über deren Tätigkeit
Kneer, Denkmalpflege
3
34 Erstes Kapitel: Einleitung
die jetzt im iz. Bande erscheinenden Mitteilungen (Kunst-
verlag Anton Schroll & Co., G. m. b. H., Wien) be-
richten. Ihre wechselvolle Entwicklung ist die Geschichte
der österreichischen Denkmalpflege, die sich, ausgehend
von bureaukratischer Zentralisation, den Strebungen der
Dezentralisierung nicht zu entziehen vermocht hat, und
die ungeachtet des Fehlens eines gesetzlichen Zwanges
und der vielen nationalen und kulturellen Schwierig-
keiten bis heute schon ganz Bedeutendes geleistet hat.
Auch in Österreich verdankt die Denkmalpflege viel der
segensreichen Mitarbeit hervorragender und uneigen-
nütziger Männer. Wenn von österreichischer Denkmalpflege
die Rede ist, muß an erster Stelle der Name des Freiherrn
Alexander v. Helfert genannt werden. Es verdient auch
bemerkt zu werden, daß der jüngst einem politischen
Meuchelmorde zum Opfer gefallene Erzherzog Franz
Ferdinand stets mit der größten Sachkenntnis und Tatkraft
sein Machtwort in die Wagschale legte, wo es sich darum
handelte, den Forderungen der österreichischen Denkmal-
pflege Geltung zu verschaffen (Prof. Dr. Dvorak, Wien,
auf der Salzburger Tagung igii, 64 s).
Die Naturdenkmalpflege bzw. Naturpflege ist Gegen-
stand gesetzlicher Regelung in einer Reihe von auslän-
dischen Staaten.
Zum Ganzen vgl. C. A. Wieland, Der Denkmal-- und Heimat-
schutz in der Gesetzgebung der Gegenwart, 1905; auch die Schriften von
v. Helfert, Weber, Clemen u. a. Das grundlegende, heute
naturgemäß in vielen Beziehungen überholte Werk ist das ausgezeichnete
Buch von v. W u sso w, Die Erhaltung der Denkmäler in den Kultur-
staaten der Gegenwart, das 1885 im Aufträge des preußischen Kultus-
ministeriums erschien; es stellt zum erstenmal von universellem Stand-
punkte aus die Denkmalpflege als eine Bestrebung der modernen Kultur-
völker dar.
Zweites Kapitel
Denkmalpflege und Heimatschutz
Begriffe und System
i. Denkmal, 2. Naturdenkmal, 3. Denkmalpflege, 4. Denkmalpflege
und Heimatschutz, 5. Landschaftspflege, 6. Naturpflege, Naturschutz,
7. Pflege und Schutz, Vandalismus, 8. Verunstaltungsgesetze, 9. Sche,
matische Darstellung.
i. Das nicht eben glücklich gewählte Wort „D e n U
m a l" ist dem lateinischen monumentum und franzö-
sischen monument nachgebildet. Es bedarf keiner Er-
örterung und ergibt sich aus dem in der Einleitung Ge-
sagten auch von selbst, daß der Begriff Denkmal im Sinne
unserer Betrachtung nicht übereinstimmt mit dem, was
wir sonst als „Denkmal" ansehen, d. h. ein Werk von
Menschenhand, errichtet zu dem Zwecke, einzelne mensch-
liche Taten oder Geschicke im Bewußtsein der nachlebenden
Generation gegenwärtig zu erhalten, also z. B.die Statuen
und Brunnen auf unsern Plätzen und Märkten, die
irgendwelchen Personen oder Ereignissen der Geschichte
oder der Sage gewidmet sind. Diese können in den
Bereich der Denkmalpflege fallen, brauchen es aber nicht;
man denke an manche unserer Kriegerdenkmäler, die
wohl patriotische Bedeutung haben, aber keinen Denkmal-
pflegewert zu haben brauchen. Anderseits geht der hier
fragliche Begriff weit darüber hinaus. Zu den Denk-
mälern im Sinne der Denkmalpflege können gehören
alle die Reste der Vorzeit, der alten, mittelalterlichen und
3*
36 Zweites Kapitel: Denkmalpflege und Heimatschutz
neuern Geschichte, der Kunstgeschichte, alle die tausende
beweglichen und unbeweglichen Gegenstände in öffent-
lichem oder in Privatbesitz, der Bestand der öffentlichen
und privaten Sammlungen; sie alle, vom zierlichen
Goldreif und der schlichten Urkunde bis zum gewaltigen
Dom, von der Ruine des Kaiserpalasies bis zum charak-
teristischen Namen einer Altstadtgaffe, können als Denk-
mäler in Betracht kommen.
An einer allseits anerkannten Bestimmung des Begriffes
Denkmal fehlt es. Wie so oft in solchen Dingen, kann man
auch hier (mit Heyer 22) sagen, daß nur das eine
feststeht, daß der Begriff überhaupt nicht feststeht. Den
meisten Anklang hat noch die Definition des badischen
Denkmalschutzgesetzentwurfs von 1884 gefunden, die be-
sagt: „Alle unbeweglichen und beweglichen Gegenstände,
welche aus einer abgelaufenen Kulturperiode herstammen
und als charakteristische Wahrzeichen ihrer Entsiehungs-
zeit für das Verständnis der Kunst und Kunstindusirie und
ihrer geschichtlichen Entwicklung, für die Kenntnis des
Altertums und für die geschichtliche Forschung überhaupt,
sowie für die Erhaltung der Erinnerung an Vorgänge
von hervorragendem historischen Interesse eine be-
sondere Bedeutung haben, sind Denkmäler im Sinne dieses
Gesetzes." Man kann es kürzer so ausdrücken: daß der
Begriff des Denkmals, den die Denkmalpflege im Auge
hat, alles umfaßt, was man mit dem heute schon etwas
unmodern anmutenden Doppelnamen „Kunst und Alter-
tum" zu bezeichnen pflegt, ein menschliches Erzeugnis,
das von der Geschichte, Kultur, Kunst, dem Geistes- und
Gemütsleben irgendeiner Zeit Zeugnis gibt. Die Be-
deutung des Denkmals kann also eine geschichtliche, ins-
besondere eine kulturgeschichtliche oder kunsigeschichtliche,
oder eine künstlerische sein; bald wird der eine, bald
der andere Gesichtspunkt leitend sein.
Begriffe und System 37
Eine — die Begriffsbestimmung freilich auch nicht
sonderlich fördernde — Umschreibung gibt der preußische
Ministerialerlaß vom 6. Mai 1904, der besagt:
„Da der Begriff ,Denkmal' nicht immer feststeht, und auch nicht
alle wichtigern, namentlich nicht alle aus jüngerer Zeit stammenden
Denkmäler in den von den Provinjialverwaltungen herausgegebenen
Denkmalverzeichnissen aufgeführt sind, so ist zu beachten, daß zu den
Denkmälern alle Reste vergangener Kunstperioden gehören, wenn
sie entweder rein geschichtlich (wie z. B. Jnschrifttafeln) oder zum Ver-
ständnis der Kultur und der Kunstauffassung vergangener Zeitläufte
wichtig sind (vorgeschichtliche Gräber, Waffen u. dgl.), ebenso auch, wenn
sie von malerischer Bedeutung sind für das Bild eines Ortes oder einer
Landschaft (Türme, Tore usw.) oder wenn sie für das Schaffen der Ge-
genwart auf dem Gebiete der bildenden Kunst, der Technik und des
Handwerks vorbildlich erscheinen. Der Wert eines Denkmals liegt nicht
immer in seiner Bedeutung für die Kunst oder die Geschichte des ganzen
Landes, sondern nicht selten in der Bedeutung für einen enger begrenzten
Landesteil oder für den Ort, an dem es errichtet ist (Mauern, Wälle
usw.)."
Die jüngste gesetzgeberische Erscheinung, der württem-
bergische Entwurf vom n. März 1914 (vgl. V. Kapitel),
bestimmt den Begriff im Art. 1 so:
„Denkmale im Sinne des vorliegenden Gesetzes sind solche Gegen-
stände der Kunst oder des Altertums, deren Erhaltung vermöge ihres
künstlerischen oder wissenschaftlichen Wertes oder vermöge der sich an
sie knüpfenden Erinnerungen im öffentlichen Interesse gelegen ist.
Eingeschlossen sind insbesondere auch vorgeschichtliche Gegenstände, alte
Münzen, Bücher sowie Urkunden und ältere, geschichtlich wertvolle
Akten."
Die Begründung bemerkt dazu, daß sich diese Fassung
mit der Begriffsbestimmung in andern Denkmalschutz-
gesetzen berühre. „Daß sie eine gewisse Weite hat, liegt
in der Natur der Sache und ist für die Praxis unent-
behrlich."
Man kann, besonders mit Rücksicht auf die Verschieden-
heit der rechtlichen Behandlung, die Denkmäler in folgen-
der Weise gruppieren:
z8 Zweites Kapitel: Denkmalpflege und Heimatschutz
3) Unbewegliche Denkmäler, vorzugsweise Baulich-
keiten; aber auch die zugehörigen Gärten.
b) Bewegliche Denkmäler, wozu auch Urkunden
(alte Schriften) gehören.
c) Ausgrabungen und Funde (Bodenaltertümer).
6) Orts-, Straßen- und Flurnamen.
Wichtig ist auch die Unterscheidung in Hinsicht der
Eigentumsverhältnisse, insbesondere die Frage, ob ihr
Eigentümer eine juristische Person oder eine Privat-
person ist; die erstere kann dem öffentlichen Rechte an-
gehören, z. B. der Staat, die Kirche, größere oder kleinere
Verbände innerhalb des Staates, Korporationen, Stif-
tungen usw.; hat aber die juristische Person, z. B. eine
Familienstiftung, nur einen privatrechtlichen Charakter,
so wird sie für die hier in Betracht kommenden Verhält-
nisse in der Regel nicht anders als Privatpersonen zu
behandeln sein. Denkmäler können auch in niemandes
Eigentum stehen, z. B. Fundstücke.
Vielfach ist eine zeitliche Begrenzung vorgesehen,
so z. B. in Preußen im allgemeinen das Jahr 1870.
Der württembergische Gesetzentwurf von 1914 dagegen
vermeidet es, Gegenstände aus neuerer Zeit vom Denk-
malcharakter anszunehmen, etwa durch die Vorschrift,
daß Werke Lebender oder solche, die jeweils innerhalb
der letzten 30 Jahre entstanden sind, nicht unter das
Gesetz fallen; im allgemeinen sollen Werke dieser Art
nicht einbezogen werden, für besondere Fälle soll jedoch
freier Spielraum sein.
Nach der heutigen Auffassung der Denkmalpflege
gibt es für die Sorge um ein Denkmal keinen Unterschied
in Baustil oder in der Zeit.
Als „lebende" Denkmäler werden solche bezeichnet,
die noch im Gebrauche stehen, sei es im ursprünglichen
39
Begriffe und System
oder einem andern, im Gegensatz zu den „toten" Denk-
mälern (monuments vivants ; monuments morts).
2. Eine Erweiterung erfährt der Begriff Denkmal
durch die Gruppe der Naturdenkmäler, mit
denen wir uns noch im VI. Kapitel beschäftigen werden.
Sie bilden den Gegenstand der Naturdenkmalpflege.
In Betracht kommen besonders charakteristische Gebilde
der heimatlichen Natur, seien es Teile der Landschaft
oder Gestaltungen des Erdbodens oder Reste der Pfianzen-
und Tierwelt, und zwar im strengern Sinne nur jung-
fräuliche Gelände, sowie Pflanzen und Tiere, die ohne
Mitwirkung des Menschen an ihren Standort gelangten.
Wie ein bemerkenswertes Naturdenkmal aus grauer Vorzeit im
Laufe der Jahrhunderte zu einem hochinteressanten Kulturdenkmal
werden kann, zeigt die sogenannte Genovevahöhle bei Trier, auf welche
in der Zeitschrift „Die Denkmalpflege" (XIV 77 f) neuerdings Prof.
W. Deuser in Trier die allgemeine Aufmerksamkeit gelenkt hat.
3. Was das Wort Denkmalpflege anbelangt, so
handelt es sich hier um eine neuzeitliche Prägung. Das
Wort, das heute ein feststehender Terminus technicus
unserer Verwaltungs- und Gesetzessprache wie auch der
Wissenschaft ist, ist wohl erst wenige Jahrzehnte alt; es
dürfte erst nach 1870 entstanden sein.
Zu den Aufgaben der Denkmalpflege gehört:
a) Die Erforschung der Denkmäler und ihre Auf-
zeichnung in Wort, Maß und Bild.
b) Die Sicherung und Erhaltung der Denkmäler:
sie möglichst in ihrem ursprünglichen Zustande
zu erhalten, sie vor Schäden zu bewahren und vor-
handene Schäden abzustellen. Als Schädigungen
im Sinne der Denkmalpflege kommen — abgesehen
natürlich von den elementaren Einwirkungen, wie
Brand, Feuchtigkeit usw. — in Frage: i. Zer-
störung: Beseitigung und Vernichtung, ebenso
wie Beschädigung; 2. Veräußerung durch Ver-
4o Zweites Kapitel: Denkmalpflege und Heimatschutz
kaufen, Verschenken usw.; 3. entstellende Ver-
änderung bei Instandsetzungen, Ergänzungen, Ver-
änderungen des Standortes, Beeinträchtigung durch
Aufführen von Bauten in der Umgebung usw.
Hinsichtlich des Denkmalschutzes im Wege gesetzlichen
Zwanges gibt die Verschiedenheit der Ziele, welche die
Denkmalpflege bei unbeweglichen und beweglichen Denk-
mälern verfolgt, unterschiedliche Gesichtspunkte: fällt
bei jenen das Hauptgewicht auf den Schutz gegen Ver-
fall, Zerstörung und Verunstaltung, so droht hier vor
allem die Gefahr der Verschleppung durch Verkauf usw.;
deshalb überwiegen bei Immobilien Beschränkungen
in der tatsächlichen Verfügung, bei Mobilien solche der
rechtlichen Verfügung (vgl. Wieland 29).
Was die praktische Denkmalpflege anbelangt, so ist
davon auszugehen, daß das Hauptziel aller Denkmal-
pflege die Erhaltung des Denkmals ist. Über die Bedeu-
tung des Wortes „erhalten" herrscht aber keineswegs
Einigkeit. Die moderne Denkmalpflege strenger Obser-
vanz verzichtet grundsätzlich auf alles Restaurieren, d. h.
Erneuern. Nach ihren Grundsätzen soll ein Altertums-
denkmal überhaupt nicht wiederhergestellt werden, weder
positiv durch Ergänzung des Fehlenden, noch negativ
durch Entfernung der spätern Zusätze. Sie kennt nur
das Konservieren. Leider — so bemerkt Hertel, Über
Denkmalpflege („Kölnische Volkszeitung" vom 1. April
1910) mit Recht —ist bis heute noch kein Weg gefunden, wie
eine derartige Denkmalpflege bei einem lebenden Bau-
werke oder selbst auch bei einem toten praktisch ausgeübt
werden soll. „Wenn nach diesem Rezept verfahren werden
sollte, so würde die Mehrzahl unserer alten Baudenk-
mäler in kurzer Zeit überhaupt keiner Denkmalpflege
mehr bedürfen; denn sie würden bald den vielen schon
vorhandenen Ruinen beigezählt werden können, die
Begriffe und System 41
vielleicht eine Spanne Zeit durch ihren malerischen Reiz
noch die Gegenwart erfreuen, für die Nachwelt aber
unbedingt verloren sind." Die andere Richtung, die das
Restaurieren nicht grundsätzlich verwirft und davon aus-
geht, daß ohne Erneuerung und Ergänzung, unter
Umständen selbst ohne Anbauten und Vergrößerungen
eine praktische Denkmalpflege bei Bauwerken überhaupt
nicht denkbar ist, ist sich freilich über den einzuschlagenden
Weg nicht einig. Es trennen sich hier die Anhänger der
modernen Richtung von denen der historischen Schule.
Über den Widerstreit der Anschauungen — die hier
nur angedeutet werden können — ist in der Literatur
und namentlich in den Berichten des Tages für Denk-
malpflege ein stattliches Material enthalten. Der berühm-
teste Streitfall ist der des Heidelberger Schlosses. Doch
sei auch an die Auseinandersetzungen wegen der Restau-
rierung des Aachener Münsters und an die Erörterungen
erinnert, die sich an das Projekt des Wiederaufbaues
des Kaiserpalastes in Trier geknüpft haben. Wie schon
bemerkt, machen sich die Schwierigkeiten besonders bei
„lebenden" Denkmälern geltend, wo das Leben mit
seinen Notwendigkeiten oft aller Theorien spottet.
Schließlich gilt auch heute noch das Wort August
Reichenspergers (Fingerzeige): „Eine jede Restauration
sei so konservativ wie möglich."
Dem Kompromiß gehört auch hier oft genug die Welt.
Den positiven Inhalt des Begriffs Erhaltung im
Sinne der Denkmalpflege hat Wolff (Einrichtungen 39)
dahin zusammengefaßt: „Der Gegenstand der Denkmal-
pflege ist ein aus vielseitigen Faktoren zusammengesetztes
Ganzes, deren einzelne Werte — Denkmalwerte —
gegeneinander abzuwägen, Sache des prüfenden Urteils
sein muß. Die geschichtlichen Ereignisse mehrerer Jahr-
hunderte, von denen das Denkmal Zeuge gewesen ist,
42 Zweites Kapitel: Denkmalpflege und Heimatschutz
die Formensprache verschiedener Bauzeiten, die dem Bau-
werk eine Stelle in der Kunstgeschichte anweisen, der
Stolz und die Freude der Ortsbevölkerung am Denkmal,
die die Liebe zum Geburtsorte erhöhen, der Altertums-
und der Gegenwartswert, endlich die malerische Lage
in der umgebenden Natur, dies alles sind Werte, die zu-
sammen das Gesamtbild geben, die Stimmung schaffen,
in die der Beschauer beim Betrachten versetzt wird, in
einem Worte: ,Die Situation des Denkmals'; und diese
hat die Denkmalpflege zu erhalten. ... Die Erhaltung
des Baukörpers ist Sache des Architekten, die Erhaltung
der Situation ist Aufgabe des Denkmalpflegers."
Daß auch die Denkmalpflegelehre voll streitiger Fragen
ist, ist schließlich kein Unglück und liegt in der Natur der
Sache. Denn die Denkmalpflege ist keine Mumie, sondern
quellend Leben, sie soll nicht stagnierendem Wasser,
sondern dem Strome gleichen, der belebt und befruchtet.
Rücksichten auf die notwendigen Bedürfnisse der Men-
schen können natürlich auch die Nichterhaltung eines Denk-
mals erfordern, z. B. sonst nicht zu befriedigende Anfor-
derungen des Verkehrs, der Hygiene oder dgl., oder
wenn durch die natürliche Auflösung eines Denkmals,
etwa eines mit dem Umfallen drohenden Turmes, Leib
und Leben von Menschen gefährdet sind. „Denn die
Rücksicht auf den Wert des leiblichen Wohles überwiegt
schließlich ohne Zweifel jede mögliche Rücksicht auf das
ideale Bedürfnis des Alterswertes" (Riegel, Denkmal-
kultur 42). Natürlich ist in solchen Fällen durch getreue
Aufnahmen wenigstens das Abbild zu erhalten.
Welche Wunden der Krieg der Denkmälerwelt schlägt,
das müssen wir in unsern Tagen mit schmerzlicher
Erschütterung wahrnehmen. Zeit der Not, Not der
Zeit. Auf dieses unerfreuliche Kapitel mag später ein-
mal eingegangen werden. Für heute sei nur gesagt:
Begriffe und System 4z
Wenn die Stunde der Abrechnung kommt, dann wird
der deutsche „Barbar" auch hier mit allen Ehren bestehen.
Auf die technischen Grundsätze der Denkmalpflege kann hier nicht
näher eingegangen werden; sie finden sich u. a. in aller Kürze klar und
übersichtlich dargestellt in der Schrift von Landeskonservator Prof.
Dr. G r a d m a n n, Anweisungen zur Denkmalpflege, Stuttgart 1912.
4. Das Wort Denkmalpflege erscheint meist nicht
allein, sondern in Begleitung des Wortes Heimat-
schutz, eines Wortes, das zwei im Jahre 1897 in den
„Grenzboten" erschienenen Aufsätzen von Ernst Rudorff
seine Entstehung verdankt.
Was ist Heimatschutz, und was will er im Verhältnis
zur Denkmalpflege?
Es liegt im Worte. Während sich die Denkmalpflege
die Erhaltung der Denkmäler, d. h. bestimmter indivi-
dueller Gegenstände der Kunst und des Altertums zur
Aufgabe gesetzt hat, wie wir das im vorstehenden kennen
gelernt haben, will der Heimatschutz der Erhaltung alles
dessen dienen, was wir unter dem Begriffe Heimat —
einem Begriffe, der sich leichter empfinden als erklären
läßt — zusammenfassen. Aufgabe des Heimatschutzes
ist es — so hat es Heyer (S. 19) treffend umschrieben —,
den Inbegriff dessen, was man als Heimat bezeichnet,
zu schützen vor einseitig wirtschaftlich ausbeutender
Umgestaltung und Entstellung; nicht alles im alten Zu-
stande zu erhalten unter allen Umständen, sondern dahin
zu wirken, daß bei der Weiterentwicklung an den Geist
des Alten, an die lokale Tradition organisch angeknüpft
wird, und überhaupt die ästhetischen Gesichtspunkte ge-
nügend berücksichtigt werden; daß es eine echte, solide,
innerlich wertvolle Kultur ist, die das äußere Angesicht
der Heimat hervorbringt und umgestaltet. Der Heimat-
schutz arbeitet daher besonders der allgemeinen Nivellie-
rung entgegen, will den guten alten Charakter und die
44 Zweites Kapitel: Denkmalpflege und Heimatschutz
Bauweise der ländlichen Ortschaften, der kleinen und auch
der größten Städte, ein jedes in seiner Art, nicht unnötig
aufgegeben wissen; er will das Landschaftsbild in seinen
Grundzügen erhalten und wendet sich vor allem gegen
dessen Verunstaltung durch Reklame oder geschmacklose
Bauten. Er will Pflanzen- und Tiergattungen vor Aus-
rottung schützen; er will alte Trachten, Sitten und Gebräuche
nach Möglichkeit erhalten wissen und erstrebt auch Echtheit
und Schönheit der Gebrauchsgegensiände. Kurz, er
will ganz allgemein die erfreuende Mannigfaltigkeit,
den edlen Reichtum, die Eigenart und die sei es auch
schlichte Schönheit von Natur und Kultur schützen vor
Gleichmacherei, Verarmung und Verhäßlichung.
Der Heimatschutz zieht natürlich auch die Pflege
der Denkmäler in seinen Bereich; es ist das sogar eine
der wichtigsten Aufgaben des Heimatschutzes. Damit
geht aber die Denkmalpflege noch nicht in dem Heimatschutz
auf, die Denkmalpflege ist nicht eine bloße Unterabtei-
lung des Heimatschutzes. Denn einmal gibt es Denkmäler,
die nicht als heimatliche Werte in Frage kommen und
nicht Gegenstand des Heimatschutzes sind. Man denke
nur an manche Stücke unserer Museen, Domschatzkammern
usw. Und wird man beispielsweise die 1855 erbaute
Griechische Kapelle in Wiesbaden, die selbstverständlich
in den „Bau- und Kunstdenkmälern des Regierungsbezirks
Wiesbaden" (1914, V. 203) inventarisiert ist, als ein
Objekt des Heimatschutzes ansehen wollen? Dann ist
aber auch die Aufgabe der Denkmalpflege der Natur
der Sache nach eine andere als die des Heimatschutzes:
bei der Denkmalpflege mehr eine wissenschaftliche Be-
tätigung mit Vorwiegen des Historisch-Ästhetischen, beim
Heimatschutz eine ethische Bewegung mit dem Streben,
weiteste Volkskreise zu erfassen. Auf der andern Seite hat
der Heimatschutz nicht nur ein anderes Arbeitsziel und
Begriffe und System 45
eine andere Arbeitsweise, sondern auch stofflich ein erheblich
weiteres Arbeitsgebiet als die Denkmalpflege, wie schon
ein Blick auf die Übersicht am Schluffe dieses Kapitels
ergibt und im Laufe unserer Darstellung des öftern
zutage tritt.
Man soll daher die beiden Begriffe wohl ausein-
anderhalten. Vielfach wird aber, wenn beides in Frage
kommt, zur Bezeichnung des gemeinschaftlichen Ober-
begriffes einfach das Wort Heimatschutz gewählt. Besser
ist es schon, wie es z. B. der Rheinische Verein für Denkmal-
pflege und Heimatschutz tut, in Ermangelung eines
Wortes, das beides umfaßt, die beiden Begriffe neben-
einander zu verwenden.
Eine gewisse Unsicherheit wird vor allem dadurch her-
vorgerufen, daß eine und dieselbe Sache Gegenstand
des einen wie des andern Betrachtungskreises, auch
wohl Gegenstand beider zugleich sein kann.
Einige Beispiele mögen das erläutern:
Bei den Kanalisationsarbeiten in der Stadt Trier wird eine Sta-
tuette aus römischer Zeit gefunden; sie wandert ins Provinzialmuseum.
Wir sehen in ihr lediglich ein Objekt der Denkmalpflege. Auf dem Trierer
Hauptmarkt steht das Marktkreuz, auf römischer Granitsäule ein roma-
nisches Kreuz. Unzweifelhaft ein Gegenstand der Denkmalpflege. Aber,
da das Kreuz für das Marktbild charakteristisch und bedeutungsvoll ist,
auch ein Gegenstand des Heimatschutzes. Ein drittes Bild: Auf einer
Wanderung durch die Eifel fällt unser Blick an einer Wegkrümmung
auf ein schmuckloses altes Kreuz aus Basaltlava, das hoch in einem Kranze
von Bäumen sieht. Es ist stark verwittert, die Inschrift nicht mehr
zu entziffern. Die Denkmalpflege zieht es wohl kaum in ihren Bereich.
Aber wenn wir im Weiterwandern nach etlicher Zeit rückwärts schauen
und sehen, wie sich die einsame, ernste Gruppe stimmungsvoll von dem
grauen Himmel abhebt, an dem die Regenwolken stürmisch dahinziehen,
dann fühlen wir, daß der Heimatschutz an solchem Kreuz nicht achtlos
vorübergehen darf. Und noch ein Bild: An dem gleichen Wege hat viel-
leicht vor wenigen Jahren ein Ehepaar aus dem benachbarten Dorfe
aus irgendwelchem frommen Anlaß ein Kreuzbild aufrichten lassen. Mehr
guter Wille als Kunst. Weder Denkmalpflege noch Heimatschutz haben
46 Zweites Kapitel: Denkmalpflege und Heimatschutz
daran ein Interesse. Cs ist lediglich ein Gegenstand der Pietät, und nur
der Schutz des Strafgesetzbuches, das dem rohen Zerstörer Strafe an-
droht, kommt öffentlichrechtlich hier in Frage.
Auf dem Dorfplatze zu Schimsheim in Rheinhessen breitet eine ur-
alte Ulme — man sagt, sie sei mehr als 1000 Jahre alt — ihre starken
Äste aus. Unter ihrer riesenhaften Krone versammeln sich im Sommer
die Väter des Dorfes, um über das Wohl und Wehe der Gemeinde zu
beraten. Oie Ulme heißt daher auch im Volksmunde das Schimsheimer
Rathaus. Der Baum ist neuerdings unter Denkmalschutz gestellt. Daß
auch der Heimatschutz in ihm ein würdiges Objekt zu sehen hat, bedarf
keiner Erörterung: das Marktbild nicht nur, das ganze Ortsblld wäre
gestört, wenn dieser Baum gefällt würde. Anderseits die Femlinde
in Dortmund. Der altersschwache Baum hatte schließlich in der Gegend,
wo er stand, nur noch Eisenbahngleise zu Nachbarn; er war ganz in
das Getriebe des Bahnhofs hineingeraten. Dem tzeimatschutz war er
längst entrückt; die Umgebung, das lokale Bild verlor nichts, wenn er
verschwand. Ein Naturdenkmal war er nie gewesen. Nur die Denk-
malpflege, deren Gegenstand er geworden war als lebensvolle Erinne-
rung an die Zeit der westfälischen Feme, suchte zu retten, was an
diesem Kulturdenkmal von rechtsgeschichtlicher Bedeutung zu retten war.
Und nehmen wir schließlich noch ein Stück der Landschaft als Bei-
spiel. Die Erhaltung der landschaftlichen Schönheit ist vor allem eine
Aufgabe des Heimatschutzes. Haben wir in einem Teile der Landschaft
ein „besonders charakteristisches Gebilde" der Natur vor uns, so tritt
die Naturdenkmalpflege in ihre Rechte. Eine Landschaft kann aber auch
als Kulturdenkmal in Frage kommen. Hierfür ein eigenartiger Beleg
aus jüngster Zeit: Im März 1914 ist in Belgien das Schlachtfeld von
Waterloo (Belle-Alliance) in einem eignen Gesetz unter Schutz gestellt
worden; das Gesetz hat zwecks Verhinderung von Bodenspekulationen
auf dem Schlachtfelde sowohl alle Anpflanzungen von größer» Baum-
gruppen wie auch den Bau oder die Anlage von Häusern und Höfen,
ferner die Ausnutzung von Steinbrüchen und die Vornahme von Erd-
arbeiten untersagt. Man könnte zweifelhaft sein, ob man hier, im engern
Sinne, ein Heimatschutz- oder ein Denkmalschutzgesetz vor sich hat. Es
ist doch wohl das letztere der Fall: es soll nicht die heimatliche Eigenart
des Landschaftsbildes geschützt werden, sondern eine „Gegend"
als individueller Gegenstand von weltgeschichtlicher Bedeutung:
ein kriegsgeschichtliches Denkmal. Dieser Auffassung im deutschrecht-
lichen Sinne entspricht auch die in dem belgischen Gesetze für die Regie-
rung vorgesehene Ermächtigung, den Grund und Boden des Schlachtfeldes
aufzukaufen und die Eigentümer, denen die Ausübung ihrer Eigentums-
Begriffe und System 47
rechte durch das neue Gesetz verboten ist, aus der Staatskasse zu entschä-
digen. Wir haben also ein Stück Landschaft als Gegenstand der Denkmal-
pflege, und zwar der Kulturdenkmalpflege.
Aus dem Gesagten ergibt sich: Nicht das Objekt an
sich, das Stoffliche, entscheidet, nicht darauf, ob wir ein
Baudenkmal oder ein Naturerzeugnis vor uns haben, kommt
es an, um die Frage zu beantworten: ob Denkmalpflege
oder Heimatschutz?, sondern auf die Art der Behandlung
kommt es an. Es kommt darauf an, inwiefern der Gegen-
stand gepflegt und geschützt werden soll: ob der i n d i-
v i d u e l l e Gegenstand für sich, oder der Gegenstand
als Teil seiner Umgebung, wegen seiner Bedeutung
für das Bild der Landschaft oder der Örtlichkeit, der
Eindruck im Rahmen des eigenartigen hei-
matlichen Bildes. Ersiernfalls Denkmal-
pflege, letzternfalls Heimatschutz.
In verwandtem Gedankengange bemerkt Bredt (Hei-
matschutzgesetzgebung 8), es sei auch zu beachten, „daß
für die Denkmalpflege feinere kunsthistorische Erwägungen
am Ende bestimmend bleiben, während den Heimatschutz
mehr allgemein ästhetische Rücksichten beherrschen. Das
wird am besten klar, wenn man sich einzelne Fälle vor
Augen führt. Die Gesetze gegen Verunstaltung der
meisten Staaten bezwecken unter anderm, einzelne Bau-
werke wegen ihrer künstlerischen oder geschichtlichen Be-
deutung zu erhalten. Dabei kommt es aber mehr auf
das Gebäude in seiner Gesamterscheinung, auf sein Äußeres
an, während die Denkmalpflege neben demselben Ziele
oft die Erhaltung des Innern nebst seinen Kunstschätzen
als die noch bedeutendere Aufgabe erachten muß. Des-
halb wird die Denkmalpflege nicht selten über die Kreise
des Heimatschutzes hinauswachsen, ebenso wie umgekehrt."
Dürfen wir also Denkmalpflege und Heimatschutz
bei weitem nicht als gleichbedeutend ansehen, so ist
48 Zweites Kapitel: Denkmalpflege und Heimatschutz
doch anderseits die enge Berührung und das vielfache In-
einandergreifen nicht zu verkennen. Das tritt noch stärker
zutage, wenn man berücksichtigt, daß es zum Wesen der
Denkmalpflege gehört, daß dem Denkmal auch seine
Umgebung erhalten bleibt. Die neuern Denkmalschutz-
gesetze führen denn auch die Umgebung als Gegenstand
des Schutzes besonders auf. Wie Gustav Wolf, Die
schöne deutsche Stadt (Norddeutschland 78), bei Betrach-
tung der Stadttore bemerkt: „Als Einzelwerke sind sie
bekannt, gepflegt, unter staatlichen Schutz gestellt. Die
räumliche Schönheit, von der sie nur ein Teil waren,
genießt keinen Schutz; ihr gegenüber versagte die staat-
liche Kunstpflege der letzten Jahrzehnte. Wir befinden
uns im Übergange zu einer andern Anschauung. Der
Einzelbau ist auch uns wertvoll als geschichtliches Zeugnis.
Der schöne Raum jedoch wirkt unmittelbar auf uns.
Wir leben in ihm. Dieser Lebenswert muß erhalten wer-
den, noch weit über den Untergang eines einzelnen Werkes
fort, bis zu vollständiger Neugestaltung." Daß vollends
ein Naturdenkmal nicht von seiner Umwelt losgelöst
werden darf, das hat in einer köstlichen Persiflage „Das
Naturdenkmal" Hermann Löns (Kalender De Kiepenkerl
1914, 7y f) anschaulich gemacht, wo ein spekulativer
Wirt ein solches gewerbsmäßig ausbeutet und schließlich
neben der Tür seines Kurhauses und Hotelrestaurants
„Zu den sieben Steinhäusern" eine Tafel aufstellen läßt:
„Das Naturdenkmal befindet sich im Hofe; Schlüssel
beim Portier."
Auch bei dem Worte Umgebung gilt es, die Begriffe
nicht zu vermengen. Wenn beispielsweise bei dem kur-
fürstlichen Schlosse in Mainz, einem der hervorragendsten
Denkmäler deutscher Renaissance, die Wiederherstellung
des Gartens im französischen Stile seiner Zeit vorgesehen
ist, so handelt es sich dabei nicht um die Umgebung des
Begriffe und System 49
Baudenkmals, sondern um einen Bestandteil des Denk-
mals selbst; der Garten mit seinen Naturerzeugnissen ist
ein Teil des Kulturdenkmals. Als Umgebung kommen
benachbarte Häuser, Straßenzüge usw. in Betracht.
Aus dem Gesagten ersehen wir das enge Verhältnis
beider Bewegungen: wie der Heimatschutz mannig-
fach im Dienste der Denkmalpflege arbeitet, so wie diese
vielfach jenem dient; wie aber auch Denkmalpflege und
Heimatschutz keineswegs zusammenfallen oder auch nur
zwei konzentrische Kreise bilden, die man beide zusammen
schlechthin als Heimatschutz bezeichnen könnte.
Eine andere Betrachtungsweise freilich geht beim
Begriffe Heimatschutz von einer Erweiterung des Be-
griffes Denkmal aus. „Unsere Zeit empfindet einen male-
rischen altertümlichen Marktplatz mit allem, was dazu
behört, als ein Denkmal, ja einen ganzen Straßenzug,
oder eine ganze Altstadt" (Adolph 17). Folgerichtig
muß man dann auch in einem Landschaftsbild ein Denk-
mal sehen und auch Sitten, Gebräuche usw. als Denkmal
bezeichnen. Auf diesem Wege der Dehnung des Denkmal-
gedankens kommen wir aber schließlich nur zu einer Ver-
wässerung des Begriffs Denkmal: von dem individuellen
Gegenstand zur Gruppe, zum Inbegriff, von dort zum
eigenartigen Bild; schließlich ist der Begriff Denkmal
zum bloßen „Wert" verflüchtigt. Solcher Gedankengang
verhindert aber eine klare Systembildung und entspricht
jedenfalls nicht der Entwicklung, die die Bestrebungen
bei uns vor allem in den Organisationen des Tages für
Denkmalpflege und des Bundes Heimatschutz genommen
haben.
Bei dem nahen Verhältnis, in dem Denkmalpflege
und Heimatschutz zueinander stehen, und der Schwierig-
keit, beide Gebiete gegeneinander abzugrenzen, nimmt es
nicht wunder, daß in der Literatur hinsichtlich der Begriffs-
Kneer, Denkmalpflege
4
50 Zweites Kapitel: Denkmalpflege und Heimatschutz
bestimmungen viel Verworrenheit zu finden ist. So
wenn man meint, die Naturdenkmäler seien lediglich
Gegenstand des Heimatschutzes, oder wenn man gar Natur-
denkmalpflege und Heimatschutz für eins hält; oder wenn
sich ein Schriftsteller dahin äußert, daß die Denkmalpflege
des Heimatschutzes eine Hälfte darstelle, während die andere
der Naturschutz sei; oder wenn ein anderer das ganze
Stoffgebiet in Naturschutz und Heimat pflege in dem
Sinne einteilt, daß der Naturschutz die Erhaltung und
Pflege der Naturgebilde, die Heimatpflege das von
Menschenhand und -Hirn Geschaffene umfasse.
Wenn wir das Erörterte zusammenfassen: Der Heimat-
schutz ist der umfassendere Begriff, ohne daß jedoch die
Denkmalpflege sich lediglich als ein Teil von ihm darstellt.
Der Heimatschutz umfaßt weitere Stoffgebiete als die
Denkmalpflege. Und der Heimatschutz will nicht nur,
wie die Denkmalpflege, das Bestehende erhalten, nicht
nur die Eigenart und Schönheit unserer heimatlichen
Kultur in ihrer geschichtlichen und natürlichen Entwick-
lung bewahren, sondern auch Neuentstehendes im Sinne
solcher Eigenart künstlerisch beeinflussen. Als ein Teil
der großen allgemeinen Bewegung, die auf eine har-
monische Kultur hinarbeitet, will der Heimatschutz durch
Erhalten des Gesamtbildes der Heimat, der Landschaft
wie des Volkstums, fördernd auf die Liebe zur Scholle,
auf die- staats erhalt ende Anhänglichkeit an Heimat und
Vaterland einwirken. So sind seine letzten Ziele ethischer
Natur. Liegt bei der Denkmalpflege der Nachdruck auf
dem Geschichtlichen, so stehen beim Heimatschutz die Gegen-
warts- und Zukunftswerte im Vordergrund.
Da es uns nur darauf ankommen kann, den Begriff Hei-
matschutz gegen die Denkmalpflege abzugrenzen, so können
wir seiner Abgrenzung im übrigen hier nicht nachgehen.
Nur sei bemerkt: Wenn Gradmann sagt, daß zum Heimat-
Begriffe und System 51
schütz auch die Gartenstadt und das Einfamilienhaus,
das Erbbaurecht und andere Forderungen der Bodenreform
gehören, so darf das nicht mißverstanden werden; mit
Fragen, die auf wirtschaftlichem Boden liegen und dem
Gebiete der Sozialpolitik angehören, hat der Heimat-
schutz im Sinne unserer Darstellung nur mittelbar zu tun.
Es sind benachbarte, aber doch räumlich getrennte Gebiete,
wenn wir von Denkmalpflege und Heimatschutz einer-
seits, von Wohlfahrtspflege anderseits sprechen, wie auch
Heimatpfiege und Heimatkunde wohl auseinanderzuhalten
sind, und wie es der Nachbargebiete noch manche gibt.
Wie denn auch ein Stück an der Grenze uns nachbarlich
der Deutsche Werkbund grüßt.
Eine umfassende, wenn auch naturgemäß nicht lückenlose Zusammen-
stellung der bereits sehr ausgedehnten Literatur zum Heimatschutz
gibt Landeskonservator Professor Dr. Eugen Gradmann in Stutt-
gart in seinem schönen Büchlein „Heimatschutz und Landschaftspflege",
mit Buchschmuck und Zeichnungen von W. Strich-Chapell, Stuttgart
IYIO.
5. Neben dem Worte Heimatschutz findet man auch,
wie eben erwähnt, das Wort Landschaftspflege.
Die Landschaftspfiege dient der Erhaltung der landschaft-
lichen Schönheit, der natürlichen und der künstlichen,
und da die Landschaft nicht nur etwas Geschichtliches ist,
sondern ein Stück lebender Natur und Kultur, muß die
Landschaftspfiege im Unterschiede von der Denkmal-
pflege mehr sein als Erhaltung, sie muß auch die Verschö-
nerung des Landes im Sinne der Natur und der Kunst
umfassen. Wir haben in der Landschaftspflege ein Teil-
gebiet des Heimatschutzes vor uns.
6. Außerdem treffen wir noch die Bezeichnungen
Naturpfiege und Naturschutz an.
Das besonders m der Terminologie Bayerns übliche
Wort N a t u r p f l e g e will zum Ausdruck bringen,
daß — über den engern Kreis der eigentlichen Naturdenk-
4*
52 Zweites Kapitel: Denkmalpflege und Heimatschutz
mäler hinaus — Gegenstand seiner Fürsorge sind alle
schutzwürdigen Naturgebilde, die „wegen ihres idealen
Wertes für die Allgemeinheit geschützt werden müssen",
Tiere, Pflanzen, leblose Gegenstände, Landschaftsbilder.
Unter diesem — und dem verwandten Ausdruck Natur-
schutz — wird also verstanden das besondere Stück aus
dem gemeinsamen Gebiet von Denkmalpflege und Heimat-
schutz, das es mit den einzelnen Naturerzeugnissen wie
der Landschaft im ganzen zu tun hat.
Allerdings wird der Begriff Naturschutz zum Teil
auch enger gefaßt. Es wird betont, daß unter Naturschutz
zu verstehen sei lediglich eine wissenschaftliche, d. h. natur-
wissenschaftliche, keineswegs eine künstlerische und all-
gemein kulturelle Bestrebung; es handle sich nur um die
Erhaltung der heimischen Tier- und Pflanzenwelt für
den Zoologen und Botaniker und bestimmter Gegenden
und Landschaften für den Geologen. „Der in diesem Sinne
getriebene Naturschutz (so bemerkt dazu Prof. Fuchs in
„Heimatschutz", 6. Jahrg., 55), dessen Wert und Wichtig-
keit damit gewiß nicht herabgesetzt werden soll und der
bei der Ehrfurcht des Deutschen vor der Wissenschaft
auch im allgemeinen mehr Aussicht auf Verwirklichung
und Förderung hat als eine Angelegenheit künstlerischer
Kultur, vermag darum den Heimatschutz als Kunst- und
Kulturbewegung auch auf jenen Gebieten nicht zu ersetzen.
Es handelt sich dort um eine Angelegenheit der Natur-
wissenschaften, hier um eine solche der Kulturwissenschaften.
Aber beide können, solange jener diesem nicht widerspricht,
sehr wohl zusammengehen und sich gegenseitig unterstützen,
und jener braucht im Grunde doch diesen als Träger,
wenn er volkstümlich und damit wirklich lebensfähig,
von einzelnen Personen unabhängig werden soll."
7. Auch die immer wiederkehrenden Ausdrücke Pflege
und Schutz entbehren der sichern Umgrenzung. Sie
. Begriffe und System ?z
werden vielfach durcheinander gebraucht. Man wird
aber wohl sagen dürfen, daß in dem Worte „Pflege"
mehr das freiwillige, aus innerm Antrieb, ohne Anwen-
dung von Zwang Geleistete, die Maßnahmen der Ver-
waltung zum Ausdruck gebracht werden sollen, während
das Wort „Schutz" mehr den Begriff des Abwehrenden,
des gesetzlichen Zwanges nahelegt. Es dürfte nicht zu-
fällig erscheinen, daß beim Denkmal, wo in erster Linie
Maßnahmen der Erhaltung in Frage kommen, das
Wort Denkmalpflege gebräuchlich ist und erst bei gesetz-
licher Regelung die Wendung Denkmalschutzgesetzgebung,
während beim Heimatschutz, wo es hauptsächlich gilt, Ein-
griffe von außen abzuwehren, das Wörtchen Schutz zur
Prägung benutzt worden ist.
Das Gegenteil von Pflege und Schutz der Denkmäler
bezeichnet man mit Vorliebe als „V a n d a l i s m u s".
Es ist Wilhelm Scheuermann (Unterhaltungs-Beilage
zur „Deutschen Tageszeitung" vom 7. März 1914) recht
zu geben, wenn er der Gedankenlosigkeit entgegentritt,
dieses Fremdwort unterschiedslos zu verwenden, einer-
lei ob Roheit oder Eigennutz oder Unverstand oder
falsche Geschmacksrichtung oder was immer die Trieb-
feder zu Übeltaten bildet, und ob die Tat so oder so geartet
ist. Aber die bloße Erwägung, daß demWorte eine geschicht-
liche Unrichtigkeit zugrunde liegt, wird es nicht aus der
Welt schaffen, es ist nun einmal Bestandteil unseres Sprach-
schatzes geworden. „Die Geschichte des Vandalismus zu
schreiben", davor hat freilich ein geistvoller Redner (Prälat
Swoboda auf der Salzburger Gemeinsamen Tagung
für Denkmalpflege und Heimatschutz) mit Recht ge-
warnt, dieweil intra ei extra muros pcccatur.
8. Was die Ausdrucksweise der Gesetzgebung anbelangt,
so sei noch bemerkt: Die auf dem eigentlichen Gebiete der
Denkmalpflege sich bewegenden Gesetze bezeichnen wir
54 Zweites Kapitel: Denkmalpflege und Heimatschutz
als Denkmalschutzgesetzgebung, während die vorwiegend
dem Heimatschutze dienenden gesetzlichen Bestimmungen
insbesondere in den sogenannten — das Wort ist nicht
gerade sehr schön — Verunstaltungsgesetzen
enthalten sind. Es wäre am Platze, daß auch die Gesetzes-
technik sich die Bezeichnung Heimatschutzgesetzgebung zu
eigen machte. Daß die Verunstaltungsgesetze zum guten
Teil auch denkmalschutzgesetzlichen Inhalt haben, werden
wir noch im V. Kapitel zu beobachten Gelegenheit haben.
y. Schließlich möge noch die anliegende schematische
Darstellung zur Verdeutlichung und Ergänzung der vor-
stehenden Ausführungen beitragen.
Denkmalpflege und Heimatschutz
Pflege und Schutz historischer, ästhetischer und ethischer Werte
A. Denkmalpflege
Individuelle Gegenstände der Geschichte
und Kunst sowie der Natur.
B. Heimatschutz
Eigenart der Heimat.
I.
Denkmalpflege
(im engern Sinn)
Kulturdenkmäler:
1. unbewegliche Denk-
mäler, insbesondere
Baulichkeiten und
ihre Umgebung;
2. bewegliche Denk-
mäler;
z. Ausgrabungen und
Funde (Boden-
Altertümer);
4. Orts-, Straßen- u.
Flurnamen.
II
Naturdenkmal-
pflege
Naturd enkmäler:
besonders charakte-
ristische Gebilde der
Natur.
I.
Landschafts pflege
1. 2.
die heimische Tier- BUd der Land-
u. Pflanjenwelt schaft (Gegenden
sowie geologische und Ortschaften).
Eigentümlich-
keiten.
II.
Heimatliche
Denkmalpflege
Pflege der für die
heimatliche Ei-
genart bedeutsamen
Denkmäler.
a) das natürliche b) die bodenständige
LandschaftsbUd, ein- ländliche und bürger-
schließlich der Ruinen, liche Bauweise.
III.
Pflege des Volks-
tums
tzeimatsinudec
Bewohner:
Volkskunst, Sitten,
Mundart, Gebräuche,
Feste, Trachten usw.
Naturpfiege, Naturschutz
Drittes Kapitel
Die deutsche Denkmalpflege im allgemeinen
i. Amtliche Einrichtungen und Maßnahmen
Wir besitzen heute eine umfassende und eingehende Bearbeitung
des Gebietes in der ausgezeichneten Schrift von l)r. jur. Karl tzeyer,
Denkmalpflege und Heimatschutz im deutschen Recht, Berlin 1912,
die zu dem notwendigen Rüstzeug für jeden gehört, der sich mit deutscher
Denkmalpflege beschäftigt.
Das Recht und die Pflicht des Staates, für die öffent-
liche Wohlfahrt zu sorgen, umschließt das Recht und die
Pflicht, wertvolle Güter dem nationalen Besitz zu er-
halten. Zu diesen wertvollen Gütern gehören die Denk-
mäler der Kultur, welche uns die Vergangenheit hinter-
lassen hat. Der moderne Staat betrachtet die Aufsicht
über die nationalen Denkmäler als eine seiner Hoheits-
rechte und die Fürsorge für ihre Erhaltung als eine seiner
schönsten Aufgaben, was allerdings eine etwas stief-
mütterliche Behandlung in finanzieller Beziehung nicht
ausschließt.
Zur Durchführung dieser Aufgabe bedarf der Staat
einer Organisation. Wie Verwaltung nicht denkbar ist
ohne Verfassung, wie das materielle Recht nicht durch-
führbar erscheint ohne eine Prozeßordnung, ohne Richter,
Akten und Register, so bedarf der Staat auch auf dem
Gebiete der Denkmalpflege der Mitwirkung von Personen,
die nicht nur berufsmäßig, sondern in amtlicher Stellung
tätig sind, und vor allem auch einer möglichst eingehenden
Registrierung.
I. Amtliche Einrichtungen und Maßnahmen 57
Es liegt in der Geschichte und politischen Gestal-
tung des Deutschen Reiches begründet, daß die Denkmal-
organisation keine einheitliche, sondern eine nach den ein-
zelnen Bundesstaaten und Provinzen verschiedene ist.
Und es ist das nicht ohne Vorteil; die Sache kann nur ge-
winnen, wenn an so vielen Punkten selbständig an der
Lösung der mannigfachen Probleme gearbeitet wird.
Der vorherrschende Grundzug der Organisationen
in Deutschland ist — im Gegensatz zu der bureaukratischen
Konzentration vieler Auslandssiaaten — das Bestreben,
die Denkmalverwaltung möglichst zu dezentralisieren und
auf die Peripherie zu verlegen, möglichst sämtliche Inter-
essenkreise mitwirken zu lassen.
i. Die Organisationen in den Einzelstaaten
a) Preußen
Das einschlägige Material ist auf das sorgfältigste zusammen-
gestellt und bearbeitet in dem Werke von Dr. H. L e z i u s, Das Recht
der Denkmalpflege in Preußen, Begriff, Geschichte und Organisation
der Denkmalpflege. Berlin 1908.
Was zunächst Preußen anbelangt, so ist von den
Anfängen der staatlichen Denkmalpflege, als deren eigent-
lichen Beginn wir hier das Jahr 1815 anzusehen haben,
bereits im einleitenden Kapitel die Rede gewesen.
Während die Denkmalpflege zuerst zum Ressort des
Finanzministers gehört hatte, übertrug eine Allerhöchste
Ordre vom 7. März 1835 die Sorge für die Erhaltung
der Baudenkmäler und Ruinen im allgemeinen dem
Kultusministerium, wie denn auch heute noch in allen
die Denkmalpflege berührenden Fragen der Kultus-
minister die zur Entscheidung berufene höchste Verwaltungs-
behörde ist.
König Friedrich Wilhelm IV. befahl dann durch Ordre
vom i. Juli 184z die Einsetzung eines „Konser-
58 Drittes Kapitel: Die deutsche Denkmalpflege im allgemeinen
vators der Kunstdenkmäler" als eines dem
Kultusminister unmittelbar untergeordneten Beamten.
Der Umfang seiner Aufgaben und seines Wirkungskreises
ergibt sich aus der Zirkularverfügung des Kultusministers
vom 24. Januar 1844 betr. die Befugnisse des Konser-
vators der Kunstdenkmäler — der erste war der Architekt
Baurat v. Quast, der diesen verantwortungsvollen Posten
bis zu seinem Tode im Jahre 1877 bekleidete — und aus
der für den Konservator erlassenen Instruktion vom 24.
Januar 1844, deren Inhalt auch für die Aufgaben der
Provinzialkonservatoren maßgebend ist (abgedruckt bei
Lezius 58 f). Da die Bestimmungen von 1844 auch
heute noch die Grundlage der staatlichen Denkmalpflege
in Preußen bilden, lassen wir sie hier auszugsweise
folgen:
Aus der Zirkularverfügung vom 24. Januar 1844:
Nach den Allerhöchsten Absichten Seiner Majestät des Königs soll die
Kreierung dieser neuen Stelle dazu dienen, der Sorge für die Erhal-
tnng der in öffentlichem Besitz befindlichen Kunstdenkmäler eine festere
Grundlage zu geben, die Kenntnis des Wertes dieser Denkmäler mehr
zu verbreiten und die zu ihrer Konservation oder Restauration erforder-
lichen Schritte auf bestimmtere, mehr übereinstimmende und umfassende
Prinzipien zurückzuführen, als dies alles nach den bisherigen Einrich-
tungen möglich war. Der usw. v. Quast ist infolgedessen verpflichtet,
sich von den vorhandenen Kunstdenkmälern und von ihrer Beschaffen-
heit möglichst vollständige Kenntnis zu verschaffen; wo er findet, daß in
einem oder dem andern Bezüge ein Einschreiten erforderlich ist, wird
er die Lokalbehörden darauf aufmerksam machen, sowie darüber nach
Befinden der Umstände an das mir anvertraute Ministerium berichten;
wo Gefahr im Verzüge ist, hat er das Recht, die betreffende Lokalbehörde
zur Sistierung etwa schon getroffener Maßregeln, unter gleichzeitiger
Anzeige an die Provinzialorgane, auf so lange zu veranlassen, bis auf
seinen desfalls schleunig zu erstattenden Bericht eine Bestimmung
von meiner Seite erfolgt ist. Er wird sich zugleich mit den im Interesse
des Altertums gestifteten Provinzial- und Lokalvereinen in Verbindung
setzen, um auch durch die freiwillige Beihilfe, die von diesen zu erwarten
ist, Gelegenheit zur Förderung des ihm übertragenen Berufs zu ge-
I. Amtliche Einrichtungen und Maßnahmen 59
wülnen. Er wird, wie durch schriftliche Verbindung, so namentlich
durch wiederholte Reisen in den verschiedenen Provinzen des Staates
für die genannten Zwecke tätig sein. Die Königliche Regierung hat ihn
in allen Beziehungen seines Dienstes, besonders auch bei seiner Anwesen-
heit in ihrem Verwaltungsbezirk, zu unterstützen und die Lokal- und
Unterbehörden zu veranlassen, ihm in vorkommenden Fällen auf Privat-
mitteilungen die erforderliche Auskunft zu gewähren.
Aus der Instruktion für den Konservator der Kunst-
denkmäler vom 24. Januar 1844:
1. Der Konsewator der Kunstdenkmäler ist ein dem Königlichen
Ministerium der geistlichen usw. Angelegenheiten unmittelbar unter-
geordneter Beamter. Seine Berichte, Anträge, Gutachten u. dgl. gehen
demgemäß unmittelbar an das Ministerium, von welchem sowohl ihm
als auch den Provinzialbehörden die auf Konsewation der Altertümer
bezüglichen Anweisungen erteilt werden.
2. Es bleibt ihm jedoch unbenommen, sich wegen der Gegenstände
seines Wirkungskreises auch mit den Unterbehörden und Personen,
welche von den Königlichen Regierungen mit der Ausführung der für
die Konsewation der Altertümer getroffenen Maßregeln beauftragt
werden, sowie mit Privatpersonen oder Vereinen in Kommunikation
zu setzen. Er führt zu diesem Behuf das Kommissionssiegel des Ministe-
riums. In Fällen, wo Gefahr im Verzüge ist, hat er das Recht, die ge-
dachten Unterbehörden, unter gleichzeitiger Anzeige an die betreffende
Regierung, zur Sistierung etwa schon ergriffener Maßregeln auf so lange
zu veranlassen, bis auf seinen desfalls schleunig zu erstattenden Bericht
eine Bestimmung von seiten des Ministeriums erfolgt ist. Es versteht
sich von selbst, daß von diesem Recht nur in höchst dringenden Fällen
Gebrauch gemacht werden darf.
g. Der Konsewator ist zunächst verpflichtet, sich eine möglichst aus-
gebreitete Kenntnis der in der gesamten Monarchie vorhandenen Kunst-
denkmäler, welche unter der Obhut von Behörden, Gemeinden oder
Korporationen stehen, zu erwerben.
4. Der Konsewator ist ferner verpflichtet, die der Erhaltung be-
dürftigen und würdigen Kunstdenkmäler besonders ins Auge zu fassen.
Wo in solcher Hinsicht das Einschreiten der Behörden erforderlich ist,
wird er darüber sofort an das vorgeordnete Ministerium berichten.
5. Der Konsewator hat ferner über die bei dem Ministerium ein-
gehenden, auf Restauration der Kunstdenkmäler gerichteten Anträge
sich gutachtlich zu äußern, die Vorschläge zur Aufstellung der Pläne
und Kostenanschläge, sofern solche von ihm gefordert werden, vorzulegen
6o Drittes Kapitel: Die deutsche Denkmalpflege im allgemeinen
und die demnächst eingehenden vollständigen Pläne und Anschläge vor
der Mitteilung an die betreffenden Behörden, denen hierauf eine Ein-
wirkung zukommt, zu revidieren.
6. Der Konservator ist ferner angewiesen, das persönliche Interesse
für die Denkmäler der Kunst und des Altertums in den verschiedenen
Provinzen des Staates nach Möglichkeit zu beleben, zu fördern und zu
regeln. Er hat sich zu diesem Behufe mit denjenigen Männern, von
denen eine geeignete Tätigkeit in dieser Beziehung bereits kundgegeben
oder noch zu erwarten ist, vornehmlich aber mit den Provinzial- und
Lokalvereinen, die sich für die Interessen des Altertums, der Geschichte,
der Kunst und ihrer Denkmäler gebildet haben, in freundliche Verbin-
dung zu setzen und auf die Gründung neuer Vereine, wo solches noch
wünschenswert ist, sowie auf eine Organisation derselben, die dem
ihm übertragenen Beruf und der Konservation der Kunstdenkmäler
überhaupt förderlich sein kann, hinzuarbeiten.
7. Der Konservator ist endlich verpflichtet, die Provinzen des Staates
jährlich während einiger Zeit nach den besondern Bestimmungen des
Ministeriums zu bereisen, um seine Kenntnis der vorhandenen Kunst-
denkmäler fortwährend zu erweitern, die Berichtigung und Vervoll-
ständigung der Inventarien zu veranlassen, den Zustand der der Erhal-
tung bedürftigen Denkmäler zu prüfen, den Fortgang im Werke begriffe-
ner Restaurationen oder die Art und Weise ihrer bereits vollendeten
Ausführung von seinem Standpunkt aus zu untersuchen und persön-
liche Verbindungen anzuknüpfen oder weiter auszubilden. Über alles
dies hat er vollständige Reiseberichte an das ihm vorgeordnete Ministerium
einzureichen.
Die Stellung des Konservators der Kunstdenkmäler
— der seit 1882 zugleich vortragender Rat im Kultus-
ministerium ist — ist eine doppelte: Er ist einmal der sach-
verständige Gutachter des Kultusministers über alle Fragen
der Denkmalpflege. Er ist zweitens kraft seines Amtes
verpflichtet, allen, die sich an ihn wenden, seien es Behörden
oder Beamte oder Korporationen oder Privatpersonen,
in Angelegenheiten der Denkmalpflege unentgeltlich mit
seinem Rate zur Seite zu stehen. Gegenwärtiger Konser-
vator der Kunstdenkmäler Preußens ist (seit 1901) Geheimer
Oberregierungsrat und vortragender Rat im Kultus-
ministerium H. Lutsch. Seine Vorgänger waren v. Quast
I. Amtliche Einrichtungen und Maßnahmen 6i
(seit 184z), v. Dehn-Notfelser (seit 1880), Persius (seit
1886).
Nachdem die durch Kabinettsordre Friedrich Wilhelms IV.
vom 12. Januar 185z berufene „Kommission zur Erfor-
schung und Erhaltung der Kunstdenkmäler" mangels
gehöriger Fonds nur eine ganz vorübergehende Tätigkeit
entwickelt hatte, wurde eine wesentliche und für die prak-
tische Denkmalpflege außerordentlich förderliche Än-
derung in der Organisation dadurch herbeigeführt, daß
das Gesetz über die Dotation der Provinzialverbände
vom 8. Juli 1875 den Provinzialverbänden
die Sorge für die Unterhaltung der Denkmäler übertrug.
Um die ganze Tätigkeit durch eine feste Einrichtung zu
stützen, sind Provinzialkommissionen vor-
gesehen, denen als sachverständige Ratgeber und gleich-
zeitig als örtliche Organe und Delegierte des überbürdeten
Generalkonservators in Berlin gemäß Allerhöchster Ordre
vom iy. November 1891 Provinzialkonser-
vatoren beigegeben sind. Der Provinzialkonservator
soll insbesondere bei der Veräußerung, Veränderung
oder Wiederherstellung eines Denkmals gehört, bei
Aufstellung der Bauprogramme beteiligt, zu örtlichen
Besichtigungen zugezogen werden. Die Provinzial-
kommission und die ihre eigentliche Seele bildenden
Provinzialkonservatoren sollen vor allem auch eine Ver-
bindung schaffen zwischen dem staatlichen Organismus
und den Selbstverwaltungskörpern sowohl wie auch
mit den privaten Veranstaltungen.
Um die Organisation möglichst zu dezentralisieren
und dadurch für die ihr gestellten Aufgaben möglichst
fruchtbringend zu gestalten, sind zahlreiche in der ganzen
Provinz zerstreute Pfleger oder Korrespondenten als
örtliche Helfer tätig.
62 Drittes Kapitel: Die deutsche Denkmalpflege im allgemeinen
Eine Übersicht über die preußische Organisation findet sich imHandbuch
von Reimers (S. 6 f) und bei Le zins (S. 28 f). Das Verzeichnis der
Provinzial- und Bezirkskonservatoren und ihrer Mitarbeiter nach dem
Stande vom 2. Januar 1914 ist aufgestellt in Nr. i des laufenden Jahr-
ganges der Zeitschrift „Die Denkmalpflege". Provinzialkonservatoren
sind gegenwärtig:
1. Ostpreußen: Kreisbauinspektor Prof. Dr. Dethlefsen in Königs-
berg.
2. Westpreußen: Kgl. Baurat Schmid in Marienburg.
Z. Brandenburg: Landesbaurat Geh. Baurat Prof. Goecke in
Berlin.
Die Denkmalpflege in der Stadt Berlin wird vom Staats-
konservator vertreten.
4. Pommern: Geh. Regierungsrat Prof. Dr. Lemcke in Stettin,
Gymnasialdirektor a. D.
5. Posen: Prof. Dr. Kaemmerer in Posen, Direktor des Provinzial-
museums.
6. Schlesien: Regierungs- und Baurat Dr. Burgemeister in Breslau.
7. Sachsen: Landesbaurat Hiecke in Halle a. S.
8. Schleswig-Holstein: Prof. Dr. Haupt in Preetz in Holstein,
Gymnasialoberlehrer a. D.
y. Hannover: Landesbauinspektor Siebern in Hannover.
10. Westfalen: Kgl. Baurat Ludorff in Münster i. W.
11. Hessen-Nassau: a) Reg.-Bez. Cassel: Kgl. Baurat l)r. phil. und
Dr.-Jng. Holtmeyer in Cassel; b) Reg.-Bez. Wiesbaden: Geh.
Baurat Prof. Luthmer in Frankfurt a. M., Direktor der Kunst-
gewerbeschule. (Die beiden Konservatoren führen den Titel
Bezirkskonservator.)
12. Rheinprovinz: Prof. Dr. Renard in Bonn.
iZ. Hohenzollernsche Lande: Architekt Laur in Hechingen als Landes-
konservator.
Die erste und einzige Stadt, die bisher einen Konservator im Haupt-
amt angestellt hat, ist Köln: es ist der ehemalige Kölner Stadtbaurat
Geheimer Baurat Heimann. Über seinen umfassenden Dienstbereich
vgl. Zeitschrift „Die Denkmalpflege" 1914, 56.
Mit der Neuorganisation hat in der preußischen Denk-
malpflege eine neue Ara begonnen. Seitdem den Pro-
vinzialverbänden die Verpflichtung zur Unterhaltung
der Denkmäler übertragen worden ist, haben die Pro-
I. Amtliche Einrichtungen und Maßnahmen 6z
vinzen ein viel lebhafteres Interesse für ihre Denkmäler
gewonnen, die Provinzialverwaltungen haben mit dem
Staate zu wetteifern begonnen und ihn in ihren Lei-
stungen überflügelt, allen weit voran die Rheinprovinz.
Der Staat selbst stellt nur sehr mäßige Geldmittel zur Ver-
fügung; so z. B. Etatsjahr 1912 (nach dem Statist. Jahresb. igiz):
Entschädigungen an Provinzial- und Bezirkskonservatoren 24 800 M
Unterhaltung und Bewachung der im Staatseigentum
stehenden Denkmäler und Eigentümer..................... 43 574 „
Aus dem Dispositionsfonds des Ministers der geistlichen
und Unterrichtsangelegenheien Kap. 122 Tit. 32 des
Staatshaushaltsetats:
zur Erhaltung kirchlicher Denkmäler................... 123 000 „
Beihilfen zur Erhaltung von Denkmälern im Eigen-
tum von Kommunen, Vereinen und Privaten . . 48 000 „
Dazu noch zo 000 M für die Meßbildansialt in Berlin.
In der R h e in p r 0 v in z erscheinen seit dem Jahre 1896 regel-
mäßig die vom Provinzialkonservator redigierten „Berichte über die
Tätigkeit der Provinzialkommission für die Denkmalpflege in der Rhein-
provinz und der Provinzialmuseen zu Bonn und Trier" (früher Bonn,
Carl Georgi, jetzt Düsseldorf, L. Schwann. Preis M 2.50). Sie wollen,
ausgiebig mit Illustrationen versehen, von der Tätigkeit auf dem Gebiete
der Denkmalpflege und der Erforschung der heimischen Altertümer inner-
halb der Rheinprovinz eine anschaulichere Darstellung bieten, als dies
in einfachen Verwaltungsberichten möglich ist. Um ein möglichst geschlos-
senes Bild der gesamten Bestrebungen der Denkmalpflege zu geben,
sind nicht nur Darstellungen der auf Kosten und mit Unterstützung
der Provinzialverwaltung ausgeführten Restaurationen, sondern auch
der mit Unterstützung des Staates durchgeführten Wiederherstellungs-
arbeiten aufgenommen. Den Berichten ist auch zu entnehmen, welche
bedeutenden Mittel die Provinz für die Zwecke der Denkmalpflege
alljährlich bereitstellt.
Die Provinzialkonservatoren sind auch zur Anlage
und Führung der Denkmalarchive berufen (vgl.
Ministerialerlaß vom 6. Mai 1904), über welche weiter
unten Genaueres bemerkt ist.
Eine der Hauptaufgaben der provinzialen Denkmal-
pflege ist die Inventarisation der Denkmäler.
64 Drittes Kapitel: Die deutsche Denkmalpflege im allgemeinen
Die Herstellung eines Denkmälerinventars für die Monar-
chie hatte bereits Schinkel im Jahre 1815 befürwortet.
Sie ist erneut angeregt worden durch eine Allerhöchste
Kabinettsordre vom 15. Januar 1842. Auch damals
scheiterte die Ausführung des Planes an dem Mangel
jeder Organisation. Erst nachdem die Neuordnung der
Preußischen Provinzialverfassung beendet und durch
das Gesetz vom 1. Juli 1875 die Provinzialverwaltung
mit ihrer größer« Selbständigkeit auch in umfassendem
Maße an der Fürsorge für die Denkmäler beteiligt war,
kam das Jnventarisationswesen in rechten Fluß. Die
Arbeiten, die unter großem Kostenaufwand seitens der
Provinzialverwaltungen nun schon ein volles Menschen-
alter in allen Provinzen im Gange sind, sind auch heute
noch nicht abgeschlossen. Vollständige Verzeichnisse liegen
vor für Ostpreußen, Brandenburg, Posen, Schleswig-
Holstein und Hannover sowie für die Regierungsbezirke
Cassel, Wiesbaden und Hohenzollern. In Schlesien
sieht noch ein Ergänzungsband aus. Von den Verzeich-
nissen der Provinzen Wesipreußen, Pommern, Sachsen
und Westfalen fehlen noch mehr oder weniger große
Stücke. In der Rheinprovinz wird an der Inventari-
sation der Denkmäler, die unter dem Titel „Die Kunst-
denkmäler der Rheinprovinz" (Verlag L. Schwann in
Düsseldorf) erscheinen, unter der Leitung von Paul Clemen
seit vielen Jahren gearbeitet. Vom Niederrhein beginnend,
ist die Inventarisation im y. Bande allmählich bis in die
Linie Köln—Aachen vorgerückt. Es fehlt also noch ein
großes Stück — kein Wunder bei dem außerordentlichen
Denkmälerreichtum gerade dieser Provinz: besitzt doch
die Rheinprovinz für sich allein ein volles Viertel aller
Denkmäler des preußischen Staates und darunter die
am weitesten in die Vergangenheit zurückreichenden ge-
schichtlichen Monumente.
I. Amtliche Einrichtungen und Maßnahmen 65
Einheitliche Grundsätze für die Inventarisierung sind
erst im Jahre 1902 aufgesiellt worden (abgedruckt bei
Lezius 36 f, bei Reimers 23 f). Hiernach hat das Ver-
zeichnis alle derzeit vorhandenen Denkmäler von der
vorgeschichtlichen Zeit bis zum Jahre 1870 zu behandeln;
unter Umständen kann das Verzeichnis früher, etwa mit
dem Jahre 1850, abschließen, anderseits wird es gelegent-
lich erwünscht sein, auch neuzeitliche Kunst- (Vau-) Denk-
mäler mit angeführt zu sehen. Die Besitzverhältnisse
sind für die Entscheidung über Aufnahme eines Denkmals
in das Verzeichnis gleichgültig. Das Verzeichnis hat alle
größern und kleinern öffentlichen und privaten Samm-
lungen sowie Einzelbesitz, wofern er von anerkannt künst-
lerischem Werte ist, zu berücksichtigen. Genaue Vorschriften
betreffen Stoffsammlung, Denkmälerbeschreibung, zusam-
menfassende Darstellung, bildliche Darstellung, Karten usw.
Hervorzuheben ist, daß in Preußen die Inventari-
sierung in keiner Weise eine Klassierung bedeutet, wie
in Frankreich, wo alle jene Denkmäler den Denkmalschutz
nicht genießen, die in den Inventuren nicht aufgeführt
sind. Die vielverbreitete Meinung, daß nur diejenigen
Denkmäler, welche in Inventuren aufgenommen sind,
den Bestimmungen über die Denkmalpflege unterliegen,
ist irrig. Aus den gesetzlichen Bestimmungen und Ver-
waltungsvorschriften geht zweifelsfrei hervor, daß alle
Gegenstände, welche geschichtliche, wissenschaftliche oder
künstlerische Bedeutung haben, Denkmäler sind und, so-
weit sie sich im Besitze von Korporationen des öffentlichen
Rechtes befinden, den Vorschriften der Denkmalpflege
unterworfen sind (vgl. Reimers 29, 433).
Es sei überhaupt an dieser Stelle bemerkt: Der Weg, die Denkmal-
eigenschaft eines Gegenstandes gesetzlich zu bestimmen, kann ein doppelter
sein. Man kann einmal gewisse generelle Normen aufstellen, nach dem
von Fall zu Fall zu entscheiden ist; das Gesetz kann aber auch die indi-
K n e e r, Denkmalpflege
5
66 Drittes Kapitel: Die deutsche Denkmalpflege im allgemeinen
viduelle Deskription oder Klassierung (classement) zur ausschließlichen
Voraussetzung erheben, wie es das französische Gesetz tut, während
sie in Hessen, wie wir noch sehen werden, nur zum Teil gesetzliche
Vorbedingung des Denkmalschutzes ist. Die Klassierung stellt sich somit
dar als eine die gesetzliche Denkmaleigenschaft begründende „amtliche
Feststellung der Bedeutung und Würdigkeit eines Gegenstandes vom
Standpunkte geschichtlicher oder künstlerischer Betrachtung und die
Festlegung dieser Eigenschaft für alle Zukunft" (Lörsch). Es liegt auf der
Hand, daß auch in den Ländern, in denen die Klassierung nicht schlecht-
hin gesetzliche Vorbedingung ist, die Inventarisierung zu der gleichen
Wirkung führt; denn mit der Eintragung in die Denkmalliste fällt die
Denkmaleigenschaft in Zukunft außer Erörterung (Wieland 21).
Nur, daß die Inventarisierung den Kreis der gesetzlich geschützten Denk-
mäler nicht schließt, vielmehr lediglich für die inventarisierten Denk-
mäler für jeden Fall außer Frage stellt. Die Klassierung ist also wesent-
lich konstitutiver, die offizielle Oenkmaleigenschaft begründender, dagegen
die Inventarisierung deklarativer, lediglich diese Eigenschaft nachweisender
Natur. Die Klassierung hat man wohl eine Enteignung in ideeller
Hinsicht bezeichnet: sie nimmt dem Besitzer die freie Verfügung über die
Arbeiten am Denkmal und gibt der Aufsichtsbehörde das Recht der
Einwirkung (Wolff).
In der allgemeinen Verwaltung kommen für die
Denkmalpflege besonders die Regierungspräsidenten in
Betracht. Neben dem Provinzialkonservator sind die Staats-
baubeamten durch ihre Amtspflicht gehalten, auch ohne
besondern Auftrag die Interessen der Denkmalpflege wahr-
zunehmen.
b) D i e übrigen Staaten
Organisationen der Denkmalpflege gibt es wenigstens
in fast allen größern Staaten. Es gibt Konservatoren
oder Denkmalpfleger, die für einen gewissen Bezirk
oder das ganze Land die Interessen der Denkmalpflege
wahrzunehmen und je nach den bestehenden Gesetzen
im Wege des gütlichen Einredens oder auch des Zwanges
zu wirken haben.
Im nachstehenden mag das Wichtigste hervorgehoben
sein.
I. Amtliche Einrichtungen und Maßnahmen 67
In Bayern steht an der Spitze der Denkmalpflege
der Generalkonservator, gegenwärtig Dr. Georg Hager
in München. Schon 1835 wurde Sulpice Boisseree zum
Generalinspektor der plastischen Denkmale ernannt. Diese
Generalinspektion wurde 1848 mit der über das Staats-
bauwesen vereinigt. Im Jahre 1868 wurde ein eigent-
licher „Generalkonservator der Kunsidenkmäler und Alter-
tümer Bayerns" unter dem Ministerium des Innern
eingesetzt. Seit dem i. November 1908 ist das bisher
mit der Direktion des Bayerischen Nationalmuseums
verbundene „Generalkonservatorium" als selbständige,
dem Staatsministerium des Innern für Kirchen- und
Schulangelegenheiten unmittelbar unterstellte Behörde
mit dem Sitze in München errichtet. Ihm „obliegt die
Pflege der prähistorischen und historischen Denkmale.
Die Pflege umfaßt die Erforschung und Erhaltung dieser
Denkmale und hat insbesondere zum Gegenstände:
i. die Inventarisierung der Denkmale; 2. die Erstattung
von Gutachten bei Veräußerung, Belastung, Ausbesserung,
Restauration, Veränderungen, Beseitigung oder Zer-
störung ihrer Umgebung; 3. die Konservierung der Denk-
male; 4. die Überwachung der Ausgrabungen und Funde;
5. die Fürsorge für öffentliche Museen und Sammlungen,
die nicht unter staatlicher Verwaltung stehen."
Das Genauere ergibt sich aus der Kgl. Verordnung vom 6. und
der Bekanntmachung des Kultusministeriums vom 7. September 1908
(abgedruckt „Recht und Verwaltung" 134—iz8).
Die Inventarisation der Denkmäler hat in Bayern
ziemlich früh ihren Anfang genommen; ihre Darstellung
in einem großen amtlichen Sammelwerke in Wort und
Bld: „Die Kunstdenkmäler des Königreichs Bayern",
ist seit Jahrzehnten im Gange. Auf Grund der bis dahin
gesammelten Erfahrungen hat das Kultusministerium
im Jahre 1904 eingehende „Grundsätze für die Jnven-
5*
68 Drittes Kapitel: Die deutsche Denkmalpflege im allgemeinen
tarisation" aufgestellt. Die Inventarisation soll die Zeit
vom 6. Jahrhundert (in besondern Fällen auch darüber
hinaus) bis zum Beginne des iy. Jahrhunderts umfassen.
Hinsichtlich der Besitzverhältnisse und der Gattungen
der aufzunehmenden Denkmäler bestimmen die Grund-
sätze (abgedruckt „Recht und Verwaltung" 138) in grund-
sätzlich bemerkenswerter Weise:
Oie Inventarisation erstreckt sich auf die Denkmäler jeder Gattung
im öffentlichen Besitz und auf die Baudenkmäler im Privatbesttz. Beweg-
liche Denkmäler im Privatbesitz werden nur ausnahmsweise aufgenom-
men, z. B. wenn sie in kunsigeschichtlichem oder geschichtlichem Zusammen-
hange mit den Denkmälern der Gegend von besonderm Interesse sind,
oder wenn sie mit dem Meisternamen bezeichnet sind. Die Aufnahme
beweglicher Denkmäler im Privatbesitz ist bedenklich, nicht nur, weil
diese Objekte dem Besitz- und Ortswechsel unterworfen sind, sondern auch,
weil eine Inventarisation derselben einen Wegweiser für Altertums-
händler bedeutet. Sammlungen sind im großen und ganzen nicht zn
inventarisieren; es ist jedoch auf das für die Gegend besonders Wichtige
hinzuweisen. Kirchliche und profane Kunsidenkmäler werden in gleicher
Weise berücksichtigt. Der Begriff Kunstdenkmal ist dabei im weitesten
Sinne zu nehmen. Ein bürgerliches Haus, ein Bauernhaus, ein Brunnen-
haus oder Quellenhaus, eine alte Brücke, ein Wegkreuz, eine Marter-
säule usw. kann historisch, kunstgeschichtlich oder archäologisch von In-
teresse sein. Bei den Kirchen sind insbesondere auch Glocken mit aufzu-
nehmen.
Eine besondere Hervorhebung verdienen die bayerischen
Denkmalpfiegekurse, eine Schöpfung des Generalkonser-
vators Dr. Hager in München, deren Zweck es ist, in den
Kreisen der Geschichts- und Kunstfreunde, der Geist-
lichkeit und der Verwaltungsbeamten, in der Bevöl-
kerung überhaupt Aufklärung über das Wesen, die Ziele
und die Grundsätze der Denkmalpflege zu verbreiten,
um so für die offizielle Tätigkeit der öffentlichen Denkmal-
pfiegeorgane den nötigen Resonanzboden zu schaffen.
Hierüber hat sich Dr. Hager selbst auf dem 12. Tage für
Denkmalpflege (1912) in beachtenswerter Weise aus-
gesprochen (Stenographischer Bericht 206s). Diese Kurse
I. Amtliche Einrichtungen und Maßnahmen 69
kommen vor allem der Pflege der kirchlichen Denk-
mäler in außerordentlichem Maße zugute.
In Württemberg besteht ein „Konservatorium
der vaterländischen Kunst- und Altertumsdenkmäler",
dessen Mitglieder, insbesondere der Landeskonservator
(in Personalunion mit der Direktion des Museums vater-
ländischer Altertümer), vom Könige ernannt werden.
1858 wurde der erste Konservator ernannt. Seit 1881
steht ihm eine Kommission von Sachverständigen zur Seite.
Außerdem gibt es Pfleger für begrenzte Bezirke im
Lande. Im Jahre 1909 ist ein besonderer archäologischer
Konservator bestellt worden. Es ist neuerdings die Bil-
dung eines Denkmalrates vorgesehen, der das Denkmal-
verzeichnis zu führen hat. Landeskonservator ist gegen-
wärtig Prof. Dr. Eugen Gradmann in Stuttgart. Seit
dem Jahre 1889 ist die Beschreibung der württember-
gischen Kunst- und Altertumsdenkmale in dem sogenannten
Denkmälerwerk planmäßig und umfassend in Angriff
genommen.
Die Organisationen in Bayern und Württemberg
sind abweichend von den meisten andern Staaten stark
zentralistisch gehalten.
Im Großherzogtum Baden ist 185g der Posten
eines Konservators der Kunstdenkmäler und Altertümer
geschaffen worden. 1875 sind die Funktionen auf zwei
Konservatoren übergegangen, und seit 1910 gibt es
einen Konservator der Altertümer und weltlichen Baudenk-
mäler (im Hauptamt) sowie einen Konservator der
öffentlichen Baudenkmäler und einen der kirchlichen
Denkmäler der Kunst und des Altertums (diese beiden
im Nebenamt). Zur Unterstützung der Konservatoren gibt
es „Bezirkspfleger der Kunst- und Altertumsdenkmäler";
für die kirchlichen Denkmäler sind von den Kirchenbehörden
kirchliche Pfleger bestellt.
7o Drittes Kapitel: Die deutsche Denkmalpflege im allgemeinen
Im Großherzogtum Hessen ist die Organisation
des Denkmalschutzes geregelt in den Art. zi und 32 des
Denkmalschutzgesetzes vom 16. Juli 1902, auf das wir
im übrigen noch im V. Kapitel zurückkommen. Als Or-
gane der Denkmalpflege kommen hiernach — abgesehen
von den Verwaltungsbehörden — vor allem in Betracht:
die zuständigen Baubeamten, die Denkmalpfleger (drei
für die Baudenkmäler, einer für die Altertümer und be-
weglichen Gegenstände, die Direktion des Großherzog-
lichen Haus- und Staatsarchivs für die Urkunden) und
der Denkmalrat, ein aus ehrenamtlichen Mitgliedern
bestehender Beirat. Die Hauptstelle in der Organisation,
deren richtiges Wirken erst den Erfolg der gesetzlichen
Vorschriften verbürgt, nimmt der Denkmalpfleger ein.
Zu der Zuständigkeit des Denkmalrats gehört insbesondere
die Eintragung der im Privatbesitz befindlichen Baudenk-
mäler in die hierfür bestimmte Denkmalliste und die Ab-
gabe der Erklärung bezüglich Stellung der im Privatbesitz
befindlichen Umgebung eines Baudenkmals unter Denk-
malschutz. Dem Denkmalrat sollen jedenfalls je ein Ver-
treter der evangelischen und katholischen Kirche, mindestens
zwei Mitglieder von hessischen Altertums-, Geschichts-
oder Kunstvereinen und zwei in Hessen wohnende Bau-
denkmalbesitzer angehören. Denkmälerverzeichnisse sind
schon seit den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts
aufgestellt worden. Im Jahre 1882 wurde die Herausgabe
eines ausführlichen Denkmalwerkes: „Kunsidenkmäler im
Großherzogtum Hessen" in die Wege geleitet.
Ein ausführliches Bild von dem, was auf dem Gebiete der Denk-
malpflege seit Erlaß des Denkmalschutzgesetzes von 1902 geschehen ist,
geben die „Jahresberichte der Denkmalpflege im Großherzogtum Hessen",
bearbeitet und herausgegeben im Aufträge des Großherzogl. Ministeriums
des Innern. I. Band (1902—1907), Darmstadt 1910, II. Band (1908
bis 1911), Darmstadt 1912. Hier wird im einzelnen berichtet über den
Ausbau der Organisation und die getroffenen Maßnahmen, unter
I. Amtliche Einrichtungen und Maßnahmen 71
Beigabe sehr anschaulicher Abbildungen. Auf dem Gebiete der
Erhaltung und Unterhaltung der alten Baudenkmäler hat man sich in den
frühern Jahrzehnten auf das äußerste beschränkt, in neuerer Zeit dagegen
sind für diese Zwecke ganz erhebliche Beträge zur Verfügung gestellt wor-
den, so z. B. für die Katharinenkirche in Oppenheim 214 390 M, den Dom
in Worms zoo 000 M, das Kurfürstliche Schloß in Mainz 300 000 M,
die Stadtkirche in Friedberg 200 000 M, und vor allem eine ganze Reihe
größerer und kleinerer Beträge seit Erlaß des Denkmalschutzgesetzes,
bemerkenswerterweise auch eine Anzahl von Staatszuschüssen an Privat-
personen für Wiederherstellung von Privatgebäuden.
Die Denkmalschutzorganisation in S a ch s e n ist jungen
Datums. Erst im Jahre 1894 wurde die „Kommission
zur Erhaltung der Kunstdenkmäler" eingesetzt. Dieser
Organisation leistet Mitarbeit der Verein für kirchliche
Kunst im Königreich Sachsen. Im Jahre 1908 ist in Dres-
den ein sächsisches Denkmal-Archiv gegründet worden.
1903 entstand ein „Ausschuß zur Pflege heimatlicher
Kunst und Bauweise"; aus diesem hat sich 1908 der
„Sächsische Heimatschutz, Landesverein zur Pflege heimat-
licher Kunst und Bauweise" entwickelt. Es fehlt — im
Gegensatz zu den übrigen größer» Bundesstaaten —
eine persönliche, mit entsprechenden Machtbefugnissen
ausgestattete Behörde (Konservator) für die Denkmalpflege,
die sich überall, wo Ernst gemacht werden soll, als unum-
gänglich nötig herausgestellt hat.
Die Ordnung des Denkmalschutzes in Oldenburg
ist geregelt im II. Abschnitt des Denkmalschutzgesetzes vom
18. Mai 1911 (vgl. Anhang Nr. 15).
DiethüringischenStaaten (Sachsen-Weimar,
Sachsen-Meiningen, Sachsen-Altenburg, Sachsen-Koburg-
Gotha, Schwarzburg-Rudolstadt, Reuß ältere und jüngere
Linie) haben eine Einigung geschlossen, auf Grund deren
alle ihrem Gebiete angehörigen Bau- und andern Denk-
male in einem den Anforderungen der Wissenschaft
entsprechenden Inventar zusammengestellt werden sollen.
72 Drittes Kapitel: Die deutsche Denkmalpflege im allgemeinen
Einen eignen rechtsgeschichtlichen Reiz hat es, der Ent-
wicklung der Denkmalpflege in den Reichslanden Elsaß-
Lothringen nachzugehen, die an die französischen
Zustände, die sie vorfand, anknüpfend einen besonders
bemerkenswerten Gang genommen hat. Im Rahmen
dieser kleinen Arbeit ist das aber nicht möglich. Wir müssen
auf die einschlägigen Schriften, insbesondere die des
Kaiserlichen Denkmalarchivs zu Straßburg i. E. verweisen,
unter denen vor allem die Arbeiten von Professor F. Wolff
hervorgehoben seien. Wolff hat sich als Konservator der
geschichtlichen Denkmäler im Elsaß und Vorstand des
Denkmalarchivs große Verdienste um die reichsländische
Denkmalpflege erworben, die unter seiner Leitung einen
hohen Stand einnimmt. Daß besonders das Elsaß ein
überaus ergiebiger Boden für die Pflege der Kunst und
der Altertümer ist, verrät schon das bekannte alte Sprich-
„Drey Schlösser auff einem Berge,
Drey Kirchen auff einem Kirchhoffe,
Drey Stätt in einem Thal
Ist das ganze Elsaß überall."
Der erste Konservator unter der neuen Regierung
war Prof. Dr. Franz Xaver Kraus, der in den 70er und
80er Jahren eine beschreibende Statistik der Kunstdenk-
mäler in dem dreibändigen Werke „Kunst und Altertum
in Elsaß-Lothringen" zuwege brachte. Zentralstelle ist
das Kaiserliche Denkmalarchiv zu Straßburg. Für die ein-
heitliche Bearbeitung der Denkmäler ist von Prof. Wolff
im Jahre 1903 das Handbuch der staatlichen Denkmalpflege
in Elsaß-Lothringen herausgegeben worden, das neben
der umfangreichen Liste sämtlicher (nicht nur der klassierten)
Denkmäler des Reichslandes und einer Zusammenstellung
aller geltenden Verfügungen von 1837 bis 1903 die Dienst-
vorschriften für den Geschäftsgang, die Grundregeln
I. Amtliche Einrichtungen und Maßnahmen 7z
und Anleitungen zu den Arbeiten an den geschichtlichen
Denkmälern für die ausführenden Architekten und für die
Pfleger enthält. Bei den örtlichen Pflegern sind alle mög-
lichen Berufssiände vertreten: Architekten, Baumeister,
Lehrer, Fabrikanten, Gerichtsvollzieher, Notare, Richter,
Ärzte, Geistliche usw. —
Auf weitere Einzelheiten hier einzugehen, würde zu
weit führen. Genaueres findet sich vor allem in dem
zu Anfang erwähnten grundlegenden Werke von Heyer.
Es ist im ganzen ein recht buntscheckiger Zustand. Am
traurigsten sieht es in den Kleinstaaten aus, obwohl
hier der Denkmalschutz am leichtesten durchgeführt werden
könnte.
Aus allem aber schält sich der Kerngedanke: Keine frucht-
bare Denkmalpflege ohne eine möglichst dezentralisierte
Organisation. Am wenigsten kann die Denkmalpflege
ohne amtliche Konservatoren auskommen. Ihre Ein-
richtung ist für eine planmäßige und nachdrückliche Durchfüh-
rung der Denkmalpflege und des Denkmalschutzes uner-
läßlich. Gewiß kann die behördliche Denkmalpflege nicht
blühen und gedeihen, wenn sie der Mitarbeit und des
Verständnisses weiterer Kreise entraten muß. Aber wohin
es führt, wenn die Sorge um diese Werte lediglich pri-
vater Initiative überlassen ist, zeigt ein Blick z. B. auf
Schweizer Verhältnisse. In seiner Schrift über die Basler
Denkmalpflege bemerkt Stückelberg (S. y): „Was heute
hauptsächlich not tut, das ist Konzentration der Kräfte.
Mit Vereinen, Präsidenten, Kommissionen, Sitzungen
und Protokollen wird man es nicht weiterbringen; das
zeigen die Erfahrungen der letzten 20 Jahre genugsam.
Es braucht Taten. Diese müßten ausgehen von einer
verantwortlichen, fachmännisch gebildeten, mit Kompe-
tenzen und Mitteln ausgestatteten Stelle. Ein Denkmal-
pfleger hätte über die sämtlichen nicht kasernierten Mo-
74 Drittes Kapitel: Die deutsche Denkmalpflege im allgemeinen
numente zu wachen und Bericht zu erstatten; verfugt
Basel über keine geeigneten Kräfte, so hole man geschulte
Männer im Auslande."
2. Denkmalarchive
Über diesen Gegenstand vgl. im besondern die Schrift von Geh.
Archivrat Prof. F. Wolfs, Denkmalarchive (Vortrag, gehalten auf
dem I. Denkmalarchivtag in Dresden am 24. September 1913). Ber-
lin 1913.
Die Aufgabe der D e n k m a l a r ch i v e ist, das
für die Kenntnis eines Denkmals bezügliche Material
aller Zeiten zusammenzubringen, in erster Linie die
Zeichnungen und zeichnerischen Gebilde zu retten, die
überall verstreut, verstaubt, zerrissen und unbekannt
herumliegen, sie zu sammeln und zu ordnen, ferner Photo-
graphien und Vervielfältigungen in verschiedener Tech-
nik, Inschriften, Gipsabgüsse, Druckstöcke, photographische
Platten, Gutachten und Verhandlungen, Literatur und
Zeitungsausschnitte usw. Gerade in dem Vorhandensein
von graphischen Belegen aus den verschiedensten Zeiten
liegt der wissenschaftliche Wert, in der Möglichkeit, an einer
Stelle Zeichnungen verschiedener Jahrzehnte, ja Jahr-
hunderte vergleichen zu können und die Veränderungen
am Denkmal kennen zu lernen. Die Anfänge der Denkmal-
archive gehen etwa 70 Jahre zurück und nehmen ihren
Ursprung in Frankreich, wo seit 1837 die Commission
des monuments historiques begründet wurde. Deutsch-
land, das sich rühmen darf, den geschichtlichen Sinn geweckt
zu haben, blieb mit der Gründung von Denkmalarchiven
länger als ein halbes Jahrhundert zurück. Die geschrie-
benen Belege kulturgeschichtlicher Ereignisse sind seit frü-
hester Zeit gesammelt worden; für die Aufbewahrung
gezeichneter Urkunden aber fehlte der Sinn. Es er-
mangelte nicht an Architekten und Gelehrten, die auf
die Notwendigkeit und Wichtigkeit des Rettens der Zeich-
I. Amtliche Einrichtungen und Maßnahmen 75
nungen und des Sammelns von Vervielfältigungen,
Gipsabgüssen usw. der Kunst- und Baudenkmäler auf-
merksam machten. Auch in Ministerialerlassen ist auf
die Bedeutung einer solchen Einrichtung wiederholt hin-
gewiesen worden. Aber während das französische Denk-
malarchiv schon seit 1841 besteht, ist in Deutschland erst
zu Anfang unseres Jahrhunderts ein solches entstanden:
durch ministerielle Verfügung vom 19. Februar 1901
ist das Kaiserliche Denkmalarchiv in Straßburg im Elsaß
als erste derartige Staatseinrichtung in Deutschland ge-
schaffen worden. Außer dem Straßburger bestehen in
Deutschland zurzeit folgende Archive: das Denkmalarchiv
der Rheinprovinz in Bonn, die bedeutendste Anlage
dieser Art, dann das Königlich Sächsische Denkmalarchiv
in Dresden, das Großherzoglich Hessische in Darm-
stadt und das Denkmalarchiv der Provinz Brandenburg
in Berlin. In andern Staaten sind erhebliche Bestände
für ein derartiges Archiv vorhanden, die aber noch nicht
vereinigt sind.
Bis zu einem gewissen Grade sind auch dieDiözesanmuseen
geeignet, die Zwecke der Denkmalarchive zu erfüllen, so durch plan-
mäßige Sammlung von Abbildungen aller Kirchen und Kunstwerke
der betreffenden Diözese, soweit sie Denkmalwert haben (vgl.
S. Staudhammer im „Pionier" I 6z).
Zu erwähnen ist an dieser Stelle auch die Königliche
Meßbildanstalt im Kultusministerium in Berlin
mit ihren Aufnahmen nach dem Meydenbauerschen
Meßbildverfahren, genannt nach dem heute im Ruhe-
stände lebenden Berliner Regierungs- und Geheimen
Baurat Prof. Dr. Albrecht Meydenbauer. Infolge
einer am Dome zu Wetzlar überstarrdenen Absturzgefahr
faßte er den Plan, das Ansmessen von Bauwerken
durch Photographie zu ersetzen. Über Einzelheiten ori-
entiert das Meydenbauersche Handbuch der Meßbild-
76 Drittes Kapitel: Die deutsche Denkmalpflege im allgemeinen
kunst in Anwendung auf Baudenkmäler und Reiseauf-
nahmen (Halle a. S. 1912).
3. Inventarisationen
Wir haben im vorstehenden die in den einzelnen
Bundesstaaten erfolgten und noch erfolgenden Inven-
tarisierungen der Denkmäler schon berührt. Die Arbeiten
sind schon ein halbes Jahrhundert im Gange, doch ist noch
ein erheblicher Bruchteil unbearbeitet. Während z. B.
die amtlichen Inventars für Nordosideutschland, d. h.
im allgemeinen das Land jenseits der Elbe, zum größten
Teile abgeschlossen sind, ist in Süddeutschland zurzeit
die amtliche Inventarisation vom Abschluß am weitesten
entfernt (vgl. Dehios Handbuch). Die mittlerweile zu
einer ganzen Bibliothek angeschwollene Jnventarisations-
literatur stellt jedenfalls eine Arbeit dar, die trotz Ungleich-
heit und Verschiedenwertigkeit „einen Ruhmestitel der
deutschen Kunstforschung bildet, ein Werk, um das uns
alle andern Kulturvölker beneiden können" (Oechelhäuser,
Wege 35).
Daß bei der unendlichen Fülle von Denkmalwerten
im deutschen Vaterlande, zumal in den Kirchen, die amt-
lichen Inventars an mannigfacher Unzulänglichkeit leiden,
an Lücken und Unrichtigkeiten, liegt in der Natur der Sache.
Es muß Aufgabe der Besitzer sein, da ergänzend und be-
richtigend nachzuhelfen, vor allem auch den nichtin-
ventarisierten, aber der Denkmalpflege würdigen Gegen-
ständen die rechte Fürsorge angedeihen zu lassen. In
der Richtung dieses Gedankenganges bewegt sich ein ge-
haltvoller Aufsatz von Bretschneider im „Pionier" (I 35 s).
Daß auch Inventarisation kein unbedingtes Schutz-
mittel gegen „Vandalismus" ist, zeigt ein Fall von Bilder-
zerstörung aus dem Jahre 1913, der im „Pionier" VI 63
mitgeteilt ist. In dem dicht bei Cassel liegenden Orte
II. Private Bestrebungen 77
Niederzwehren sieht eine spätgotische Kirche. In dieser
befanden sich bis vor kurzem drei Freskogemälde, die
vor 23 Jahren von der sie bedeckenden Tünche freigelegt
worden waren. Diese „einzig in ihrer Art dastehenden"
Gemälde sind vom Bezirkskonservator in den „Bau-
und Kunsidenkmälern des Landkreises Cassel" (1909)
eingehend besprochen. Es war bestimmt, daß die Fresken
in ihrem aufgefundenen Zustande erhalten bleiben und
nicht restauriert werden sollten. Jetzt hat man bei einer
Vergrößerung der Kirche die Bilder ohne jeglichen
Grund einfach heruntergeklopft.
II. Private Bestrebungen
I. Der Tag für Denkmalpflege. Dehios
Handbuch der deutschen Kunsidenkmäler.
Die Zeitschrift „Die Denkmalpflege".
Der Plan deslVIonumentaartis Oermaniae.
Neben den amtlichen Organisationen, insbesondere
den Konservatoren, ist für die deutsche Denkmalpflege
die bedeutsamste und förderlichste Einrichtung zweifellos
der Tag für Denkmalpflege. Der Tag für
Denkmalpflege, auf dem sich die für Denkmalpflege
interessierten Körperschaften und Einzelpersonen all-
jährlich mit den Vertretern der Regierungen zu gemein-
samer Beratung zusamenfinden, ist keine staatliche,
keine amtliche Einrichtung, er stützt sich nicht einmal auf
eine feste private Vereinigung, der Tag ist vielmehr eine
völlig zwanglose Organisation, ohne Satzungen, ohne
Mitgliedschaft und feste Beiträge, geleitet lediglich von
einem geschäftsführenden Ausschuß, die freilich staat-
licherseits nachhaltig unterstützt wird. Der Tag für Denk-
malpflege, in seiner besondern Gestaltung in erster Linie
das Werk des verstorbenen Bonner Prof. Geh. Justizrat
Dr. Hugo Lörsch, ist hervorgegangen aus dem vom
78 Drittes Kapitel: Die deutsche Denkmalpflege im allgemeinen
König Johann von Sachsen ins Leben gerufenen Ge-
samtverein der Deutschen Geschichts- und Altertums-
vereine, dessen Abteilung für Volkskunde sich im Jahre
1899 in dieser Weise selbständig machte. Die große Reihe
von Vorträgen und Referaten, die in den Protokollen
niedergelegt sind, zeigen eine glückliche Mischung von
praktischen und theoretischen Fragen: Verhandlungen
und Debatten über die gesetzliche Regelung, Organi-
sation und Ausbreitung der Denkmalpflege. Vorbildungs-
und Stilfragen, geplante und begonnene Restaurationen,
praktische Maßnahmen zum Schutze der Denkmäler usw.
Der Schwerpunkt seiner Zusammenkünfte liegt in der
öffentlichen Aussprache; eine Entscheidung durch Ab-
stimmung oder Resolutionen herbeizuführen oder einen
direkten Einfluß auf die Entschließung der Behörden
oder der maßgebenden Persönlichkeiten auszuüben, ist
nicht Sache dieser Tagungen. Ihre fruchtbringende
Tätigkeit voll Aufklärung und Anregung ist nicht zum
letzten bedingt durch das Geschick und den Takt des Vor-
sitzenden; nach dem Tode von Hugo Lörsch hat der Tag
in dem Geh. Hofrat Prof. Dr. A. v. Oechelhäuser in
Karlsruhe eine Persönlichkeit gefunden, die die Tagungen
großzügig und vornehm zu leiten weiß. Wenn sich in der
heutigen Denkmalpflege immer mehr die Abkehr von
der namentlich in den 60er Jahren herrschenden Restau-
rierungssucht, einer Frucht des Historismus auf dem
Gebiete der Kunst, vollzieht, so gebührt hieran dem
Tage für Denkmalpflege ein Hauptverdienst. Schon auf
dem ersten Denkmaltag erhob Cornelius Gurlitt die für
die Denkmalpflege unserer Zeit charakteristische Forderung,
daß auch in der Denkmalpflege, in der Arbeit an den
Denkmälern, die lebendige Kunst das Hauptwort zu
sprechen habe. (Vgl. Fuchs im Handbuch der Politik III
161.)
II. Private Bestrebungen 79
Über die äußere Entwicklung des Tages für Denkmal-
pflege mag nachstehende Übersicht unterrichten, die zu-
gleich die noch zu erwähnenden gemeinsamen Tagungen
für Denkmalpflege und Heimatschutz umfaßt:
Tage für Denkmalpflege Jahr Ort Teilnehmer
1. 1900 Dresden 92
2. 1901 Freiburg i. Br. 90
Z. 1902 Düsseldorf 121
4- 190Z Erfurt 150
5. 1904 Mainz 244 '
6. 1905 Bamberg 227
7- 1906 Braunschweig 26z
8. 1907 Mannheim 296
y- 1908 Lübeck ZIZ
IO. 1909 Trier 500
11. 1910 Danzig 355
1. Gemeinsame Tagung 1911 Salzburg 806
12. 1912 Halbersiadt 304
2. Gemeinsame Tagung 191Z Dresden 807
Die nächste Tagung für Denkmalpflege sollte im September 1914
in Augsburg stattfinden. Auf der Tagesordnung stand u. a.: Das
preußische Wohnungsgesetz, das württembergische Denkmalschutzgesetz,
Einrichtung und Bedeutung der Freilichtmuseen, Verwertung ge-
schichtlicher Bauwerke, Restaurierung plastischer Werke. Dieses Vor-
haben hat jedoch der Krieg vereitelt.
Den Tagungen wäre eine lebhaftere Beteiligung
weiterer Kreise zu wünschen; sie sind gar zu sehr Kon-
gresse von Fachgenossen. Vielleicht würde sich die Ein-
richtung „ständiger Mitglieder" empfehlen, die ohne be-
sondere Anmeldung Jahr für Jahr ihren Beitrag als
Teilnehmer zahlen, und auch, wenn sie an der Tagung
selbst nicht teilnehmen können, regelmäßig die Druck-
sachen beziehen. Bislang ist es so gehalten worden, daß
die Teilnahme an der Tagung jedem freisteht. Von
jedem Teilnehmer wird zu den Kosten der Tagung ein
Beitrag von 5 M erhoben, wofür auch der gedruckte
Bericht über die Verhandlungen übersandt wird.
8o Drittes Kapitel: Die deutsche Denkmalpflege im allgemeinen
Von großem Wert sind die stenographischen Berichte
der einzelnen Tagungen. Da die ältern derselben im
Buchhandel vergriffen sind, hat der Geschäftsführende
Ausschuß eine Neuauflage veranstaltet, unter Weglassung
der Ansprachen, die nur ein vorübergehendes, lokales oder
persönliches Interesse besitzen. Die Referate und De-
batten sind dabei nicht in zeitlicher Reihenfolge, sondern
der Übersichtlichkeit halber nach den Gegenständen ge-
ordnet. Der I. Band (1910 erschienen) enthält vorwiegend
Verhandlungen theoretischer Natur: Vorbildung und
Stilfragen, Gesetzgebung, staatliche und kommunale,
Denkmalpflege. Der II. Band (191.3 erschienen) ist den
Fragen der Praxis gewidmet: Technische Probleme, Er-
haltung und Restaurierung von Kunstdenkmälen, Ein-
fluß der Vegetation, Verhandlungen über moderne
Restaurationstätigkeit. Der Preis der beiden Bände be-
trägt je geheftet 9, gebunden 11 M (Verlag von E. A.
Seemann in Leipzig). Keine andere Veröffentlichung
dürfte in gleichem Maße einen unmittelbaren Einblick
gewähren einerseits in die Gegensätze und Kämpfe,
anderseits in die Fortschritte, welche die Denkmalpflege
seit dem Beginn des neuen Jahrhunderts bei uns zu
verzeichnen hat. Die Berichte sind eine wahre Fundgrube.
Ein besonderes Verdienst hat sich der Tag für Denk-
malpflege durch die Herausgabe des Handbuchs der
deutschen Kunstdenkmäler erworben. Es
fehlte an einem kurzen wissenschaftlichen Verzeichnisse der
Kunstdenkmäler in Deutschland, einem für den Fachmann
und den Laien gleich brauchbaren Nachschlagewerke.
Schon auf der Dresdener Tagung 1900 wurde eine
Kommission (Cornelius Gurlitt, Hugo Lörsch und Adolf
v. Oechelhäuser) zur Ausführung des Planes eingesetzt
und von dieser nach großen Vorarbeiten in Prof. Dr.
Georg Dehio in Straßburg i. E. eine für die Bearbeitung
II. Private Bestrebungen 8i
des umfangreichen Stoffes hervorragend geeignete Kraft
gefunden. 1905 erschien der I. Band: Mitteldeutschland,
1906 der II. Band: Nordostdeutschland, 1908 der
III. Band: Süddeutschland, 1911 der IV. Band: Süd-
westdeutschland, 1912 der V. Band: Nordwesideutschland.
Die handlichen, auch als Reisebuch benutzbaren Bände
enthalten eine gewaltige Stoffülle und stellen eine er-
staunliche Leistung deutschen Gelehrtenfleißes und Kunsi-
versiändniffes dar. Die Arbeit baut natürlich nach Mög-
lichkeit auf den amtlichen Inventarisationen auf, sie füllt
aber auch die zahlreichen Lücken aus. Jedenfalls bietet
das Dehiosche Handbuch infolge Sichtung und Auswahl
nach einheitlichem Maßstabe und der knappen Darstellung
mit ihrer für das Charakteristische durchweg treffsichern
Prägnanz die Möglichkeit schneller Orientierung und ist
bei seinem billigen Preise jedermann zugänglich, während
die Anschaffung der amtlichen Verzeichnisse schon wegen
ihres Umfanges (an die 200 Bände) und des durch die
Ausstattung bedingten hohen Preises dem einzelnen
durchweg nur in Auswahl, unter Beschränkung auf die
engere Heimat oder auf kleine Gebiete speziellen Inter-
esses möglich sein wird.
Das literarische Hauptorgan der Denkmalpflege ist
die seit Januar 1899 von der Schriftleitung des Zentral-
blattes der Bauverwaltung herausgegebene, alle drei bis
vier Wochen erscheinende, staatlich unterstützte Zeitschrift
„Die Denkmalpflege"; Schriftleiter Friedrich
Schultze (Verlag von Wilhelm Ernst & Sohn in Berlin;
Bezugspreis jährlich 8 M). Die fachmännisch gehaltene
und leider in weitern Kreisen zu wenig gewürdigte Zeit-
schrift hält unter reichlicher Illustrierung über alle Er-
scheinungen des weiten Gebietes auf dem laufenden.
Es ist übrigens geplant, den Monumenta Germaniae historica, den
Quellen der Geschichte Deutschlands, ein Quellenwerk der Denkmäler
Kneer, Denkmalpflege
6
82 Drittes Kapitel: Die deutsche Denkmalpflege im allgemeinen
der deutschen Kunst an die Seite zu stellen. Der Deutsche Verein für
Kunstwissenschaft, der das Unternehmen gegründet hat, hat fich an das
Reich gewandt, um zunächst für zehn Jahre eine jährliche Beihilfe
von 40 000 M zu erhalten. Generaldirektor v. Bode gibt, um diese
Forderung zu begründen, in einer Denkschrift einen Überblick über die
Tätigkeit des Vereins und über die geplante und schon begonnene
Herausgabe der „Monuments srtis Germania e“. Er weist
darauf hin, welche Schätze uns im letzten Jahrhundert dadurch verloren
gegangen sind, daß sich niemand um die Werke der deutschen Kunst
kümmerte, während schon seit dem Jahre 1829 ein eignes deutsches
„Archäologisches Institut", das früher von Preußen und seit vierzig
Jahren mit jährlich 250 000 M vom Reich unterhalten wird, die Er-
forschung der antiken Kunst betreibt. Dieser Tatsache gegenüber ist es
beschämend, daß die Sammlung der deutschen Kunstwerke erst von
privater Seite in Angriff genommen werden mußte. Die Arbeit ist in
die vier Sektionen: Architektur, Skulptur, Malerei und Kunstgewerbe
eingeteilt. Die zu bearbeitende Zeit soll den Zeitraum von der Völker-
wanderung bis zum Ende des 18. Jahrhunderts umfassen. Zu den
Arbeiten, deren Leitung bedeutenden Gelehrten obliegen wird,
sollen jüngere kunsthisiorische Kräfte herangezogen werden. Gegen,
wärtig werden bearbeitet unter der Leitung von Prof. Ganz in Basel
die Handzeichnungen Hans Holbeins und seine Holzschnitte und Ge-
mälde, unter Leitung von Prof. Dvorak in Wien die merowingischen
und karolingischen Miniaturen, unter Prof. Goldschmidt die karolin-
gischen, ottonischen und frühromanischen Elfenbeinskulpturen, außerdem
noch die deutschen Kaiserpfalzen, die süddeutschen Barockkirchen, die
deutschen Medaillen, der Renaissance, die Bild Wirkereien, die Werke
der Goldschmiedekunst, die mittelalterliche Plastik und die Wandmale-
reien und Glasgemälde. Die von den Bundesstaaten unternommenen
Denkmälerinventarisationen werden durch diese Publikationen nicht
berührt.
2. Der Bund Heimatschutzundverwandte
Vereinigungen
Der Gedanke des Heimatschutzes und der Denkmal-
pflege hat eine höchst fruchtbare Pflegestätte auch in
zahlreichen Landes- und Ortsvereinigungen gefunden.
Wir sehen dabei ab von einem Eingehen auf die
schon in früherer Zeit gegründeten Kunst - sowie
II. Private Bestrebungen 8z
Ge sch ich Ls- und Altertumsvereine, welch
letztere heute in der Zahl von rund 130 im Gesamt-
verein vertreten sind, von ihren vielfältigen Publikationen,
ihren wertvollen Sammlungen und Archiven, ihren be-
deutenden Aufwendungen. Ihr verdiensivolles Wirken
würde eine Darstellung für sich erfordern. (Eine Zu-
sammenstellung findet sich bei v. Wussow II iozf; für
die Rheinprovinz im besondern bei Clemen, Denkmal-
pflege in der Rheinprovinz 33 f.) Auch das tatkräftige
Wirken der Architektenverbände kann an dieser
Stelle nur erwähnt werden; das Gefühl und Verständnis
für den Reichtum und die Schönheit der heimischen Bau-
weise verdankt gerade ihnen vieles, von den sonstigen Ver-
diensten der Architektenwelt auf dem Arbeitsfelde der
Denkmalpflege überhaupt zu schweigen. Es sei aber
hier der neuerlichen Gründungen gedacht, die sich zumeist
als Heimatschutzver eine darstellen. Ohne daß
damit eine erschöpfende Aufzählung gegeben sein soll,
seien genannt:
Verein Badische Heimat.
Bayerischer Architekten- und Jngenieurverein in München.
Bayerischer Verein für Volkskunst und Volkskunde, München.
Bund für Naturdenkmalpfiege im Bergischen Land.
Verein für Heimatpflege in Bocholt.
Landesgruppe Brandenburg des Bundes Heimatschutz.
Landesverein für Heimatschutz im Herzogtum Braunschweig.
Vereinigung zur Erhaltung deutscher Burgen.
Verein zur Erhaltung der Bau- und Kunstdenkmäler in Danzig.
Deutscher Verein für ländliche Wohlfahrts- und Heimatpflege,
Berlin.
Verein für Dithmarscher Landeskunde, Heide in Schleswig-Holstein.
Dürerbund.
Bund Heimatschutz für das Eisenacher Land.
Landesverein Erfurt des Bundes Heimatschutz.
Frankfurter Verein für Heimatschutz.
Heimatbund Fürstenau.
Verein für Heimatschutz im Herzogtum Gotha.
6*
84 Drittes Kapitel: Die deutsche Denkmalpflege im allgemeinen
Verein für Heimatschutz, Hamburg.
Verein tzeimatschutz im Hamburgtschen Staatsgebiet.
Verein Heimatschutz im Hamburgischen Geesigebiet in Hamburg.
Niedersächsischer Heimatbund, Hameln.
Heidelberger Vereinigung für Heimatschutz.
Verein Heimat, Kaufbeuren.
Hessischer Bund für Heimatschutz, Darmstadt.
Verein zur Erhaltung der Kunsidenkmäler in Hildesheim.
Lippe,Detmolder Heimatschutzverein.
Lippescher Bund für Heimatschutz und Heimatpflege, Detmold.
Verein für Heimatschutz in Lübeck.
Landesverein Heimatschutz Magdeburg-Merseburg.
Heimatbund Mecklenburg, Schwerin.
Bund Heimatschutz in Meiningen.
Minden,Ravensbergisch er Verein für Heimatschutz und Denkmal,
pflege in Minden t. W.
Verein Naturschutzpark, Stuttgart.
Bund Niederrhein, Düsseldorf.
Verein für niedersächsisches Volkstum in Bremen.
Heimatbund Ntedersachsen, Hannover, und der Ntedersächsische Aus,
schuß für Heimatschutz.
Vereinigung zum Schutze der Naturdenkmäler in Ostpreußen,
Königsberg i. Pr.
Heimatschutz Pforzheim.
Verein für Heimatschutz in Pommern.
Landesverein Reuß des Bundes Heimatschutz.
Rheinischer Verein für Denkmalpflege und Heimatschutz, Coblenz,
mit Zweigverein in Köln.
Verein Alt,Rothenburg.
Sächsischer Heimatschutz, Landesverein zur Pflege heimatlicher
Natur, Kunst und Bauweise, Dresden.
Verein für Sächsische Volkskunde, Dresden.
Verein für Heimatschutz im Sauerland, Amsberg.
Schlesischer Bund für Heimatschutz, Breslau.
Schleswig,Holsteinischer Verein für Heimatschutz, Kiel.
Schwäbischer Albverein.
Verein für Heimatschutz und Heimatkunde im Siegerlande, Stegen.
Gesellschaft für Trierische Geschichte und Denkmalpflege.
Deutscher Bund für Vogelschutz.
Deutscher Verein zum Schutze der Vogelwelt.
Waldeckischer Bund für Heimatschutz, Arolsen.
85
II. Private Bestrebungen
Westfälischer Verein für Heimatschutz, Dortmund.
Bund für Heimatschutz in Württemberg und Hohenzollern, Stuttgart.
Verein für ländliche Wohlfahrtspflege in Württemberg und Hohen-
tollern.
Es sind durchweg Gründungen unseres Jahrhunderts
und, wie schon der Name anzeigt, vielfach Zweig- und
Töchtervereine des Bundes „Heimatschutz".
Der Bund Heimatschutz isi, nachdem schon 1897
Ernst Rudorff (geb. 18. Januar 1840 in Berlin als Sohn
des bekannten Rechtslehrers, später Professor an der
Kgl. Hochschule für Musik in Berlin und vr. rer. pol. h. c.)
in zwei Aussätzen in den „Grenzboten" unter dem Titel
„Heimatschutz" und „Abermals zum Heimatschutz" zur
Gründung aufgefordert hatte, am 30. März 1904, nach
ausgedehnten Vorarbeiten, um die sich außer Rudorff
Oskar Hoßfeld und Robert Mielke besondere Verdienste
erwarben, in Dresden gegründet worden.
Nach dem § i der (1908 abgeänderten) Satzungen ist
der Zweck der Bundes, die deutsche Heimat in ihrer
natürlichen und geschichtlich gewordenen Eigenart zu
schützen und die gesamte deutsche Heimatschutzbewegung
zusammenzufassen. Er erstrebt insbesondere: 1. den
Schutz der Natur: Schutz der einheimischen Tier- und
Pflanzenwelt sowie der geologischen Eigentümlichkeiten
(Pflege der Naturdenkmäler); Schutz der Eigenart des
Landschastsbildes, 2. den Schutz und die Pflege der Werke:
Schutz der aus früherer Zeit überkommenen Werke, der
Bauten, beweglichen Gegenstände, Straßen- und Flur-
namen (Denkmalpflege); Pflege und Fortbildung der
überlieferten ländlichen und bürgerlichen Bauweise, der
Volkskunst auf dem Gebiete der beweglichen Gegenstände,
der Sitten, Gebräuche, Feste und Trachten.
Der Bund besteht aus: a) Landesvereinen, b) Ottsvereinen, die
keinem Landesverein angehören, c) Einzelmitgliedern (Personen,
Körperschaften und Behörden). Der Jahresbeitrag für Einzelmitglieder
86 Drittes Kapitel: Die deutsche Denkmalpflege im allgemeinen
beträgt für Personen mindestens 2 M, für Körperschaften und Be-
hörden mindestens 5 M.
Nach mancherlei Ungleichmäßigkeiten und Schwan-
kungen in der anfänglichen Entwicklung hat sich der Bund
in den letzten Jahren mehr gefestigt, vor allem auch
durch den engern Anschluß an die Tagungen des Tages
für Denkmalpflege. Uber das Verhältnis zum Tag hat
sich der Geschäftsführer Koch gelegentlich der Jahres-
versammlung in Mannheim 1907 (vgl. „Heimatschutz",
4. Jahrgang 40) programmatisch dahin ausgesprochen:
„Der Gedanke einer gleichzeitigen Zusammenkunft des Denkmall
pflegetags und des Bundes Heimatschutz lag von Anfang an sehr nahe:
will doch der Bund Heimatschutz eine Ergänzung der ältern Organisation
des Denkmalpflegetags sein. Es handelt sich nicht etwa um zwei neben-
einanderstehende Konkurrenzvereine. Denn der Tag für Denkmal-
pflege ist gar kein Verein; er tritt alljährlich zusammen, um durch Vor-
träge, Diskussion und freie Aussprache der TeUnehmer die Sache der
Denkmalpflege zu fördern. Wie sehr ihm das gelungen ist, ist ja be-
kannt. Diese Wirksamkeit des Denkmalpfiegetags will nun der Bund
Heimatschutz in sachlicher und organisatorischer Hinsicht ergänzen. In
sachlicher Beziehung will der Bund die g a n z e Eigenart der deutschen
Heimat nach Möglichkeit schützen, die Eigenart von Natur aus und die
Eigenart, wie sie geschichtlich, -. h. durch die Betätigung des Menschen
geworden ist. Der Bund richtet daher sein Augenmerk nicht nur auf die
Denkmalpflege, selbst im weitesten Sinne genommen. Es ist zu be-
achten, daß die Begriffe „Denkmalpflege" und „Denkmäler" sich in -en
letzten Jahren sehr erweitert haben: es gelten nicht mehr lediglich die
geschichtlich oder auh ästhetisch bedeutsamsten Werke der Archi-
tektur und Kunst als Denkmäler und als schutzbedürftig; neuerdings
bezieht man in die Denkmalpflege z. B. auch den Schutz der einfachen
Architekturwerke, den Schutz ihrer Umgebung, des ganzen Ortsbildes,
der Straßennamen usw. ein, indem man m. E. frellich damit dem
Denkmalbegriff Zwang antut. Der Bund Heimatschutz also richtet seine
Tätigkeit nicht nur auf die Denkmalpflege selbst im weitesten Sinne,
oder, wie ich dafür sagen möchte: auf die P fl e g e d er W e r k e, die
uns von unsern Vorfahren überkommen sind. Der Bund will zweitens
auch ein gutes Neuschaffen fördern, eine harmonische, boden-
ständige Entwicklung der Architektur und der Volkskunst auf dem Ge-
biete der beweglichen Gegenstände. Und drittens gehört in unser Gebiet
II. Private Bestrebungen 87
der S ch u tz d e r N a t u r. In organisatorischer Hinsicht versucht de
Bund eine Ergänzung dadurch, daß er als Verein alle gleichgesinnten
Personen und Vereine zusammenfassen oder doch wenigstens Be,
ziehungen zu allen haben möchte. Und er sieht weiter seine Aufgabe
nicht nur darin, alle, die an den tzeimatschutzinteressen teilhaben, ein,
ander nahezubringen und durch die von ihm herausgegebenen Mit,
teilungen usw. die Heimatschutzbestrebungen zu klären: wir betonen
vor allem die außerordentliche Bedeutung des Heimatschutzes für unsere
Kultur, wir betonen, wie unendlich ärmer an Lebenswerten wir durch
die Entstellung unserer deutschen Heimat werden. Wir möchten über
die schon für den Heimatschutz Interessierten hinaus wirken auf die,
jenigen, die unsern Gedanken noch fernstehen: einmal pädagogisch,
indem wir die Heimatschutzgedanken zu verbreiten suchen, und dann
aber ganz besonders im praktischen Eingreifen in den einzelnen Heimat,
schutzfällen."
Neuerdings haben Tag und Bund sich zu gemein-
schaftlichen Generalversammlungen zusammengefunden,
auf Grund einer im Jahre 1910 getroffenen Vereinbarung.
Der Name der Tagung lautet: „Gemeinsame Tagung für
Denkmalpflege und Heimatschutz." Sie wird durch einen
gemeinsamen Ausschuß vorbereitet und geleitet, der aus
20 Mitgliedern, je io von jeder Organisation, besteht; der
Vorsitzende und stellvertretende Vorsitzende werden ab-
wechselnd aus der einen und andern Organisation gewählt.
(Das Nähere „Heimatschutz", 6. Jahrgang, Heft 3.) Auf
Grund dieser Abmachungen hat 1911 eine gemeinsame
Tagung in Salzburg und 1913 eine solche in Dresden
stattgefunden. Während in den ersten Jahren des Be-
stehens der Bund mehr einen einheitlichen Verein bildete,
hat die Gliederung in Untergruppen in letzter Zeit immer
größere Fortschritte gemacht. Die in Österreich ent-
standenen Heimatschutzvereine stehen in enger Fühlung
mit dem Bund.
Bei völliger sachlicher und organisatorischer Unab-
hängigkeit von jeder staatlichen Autorität, ist es doch das
Streben des Bundes, als freiwilliger Helfer der Be-
88 Drittes Kapitel: Die deutsche Denkmalpflege im allgemeinen
Hörden deren Maßnahmen zu unterstützen und zur Durch-
führung zu bringen. So hat er z. B. großen Anteil an
dem Preußischen Verunstaltungsgesetz vom iz. Juli 1907.
Die Arbeitsmethode des Bundes beruht hauptsächlich im
Verhandeln, zumal ihm größere Geldmittel, durch deren
Hilfe es leichter sein würde, die gewünschten Erfolge zu
erzielen, fehlen. Eine Haupttätigkeit des Bundes besieht
im Belehren und Aufklären der breiten Massen. Zu
diesem Zweck dienen die Zeitschriften des Bundes und
der Einzelvereine, die Flugschriften, von denen besonders
die von Paul Schultze-Naumburg über „Die Entstellung
unseres Landes" eine große Verbreitung erlangt hat,
ferner Lichtbildervorträge, Verbreitung aufklärender Ar-
tikel in der Tagespresse usw. Bekannt ist das Eingreifen
des Bundes im Falle der Rheinschnellen bei Laufenburg.
Die Bemühungen um die Erhaltung dieser einzigartigen
Naturschönheit, die den äußern Anstoß zur Begründung
des Bundes gegeben haben, sind zwar nicht von Erfolg
gekrönt gewesen, haben aber dazu beigetragen, die Not-
wendigkeit solcher Bestrebungen einleuchtend zu machen.
An führenden Persönlichkeiten seien genannt: Paul
Schultze-Naumburg in Saaleck bei Kösen, Fritz Koch in
Meiningen, Landesbaurat a. D. C. Rehorst, Beigeord-
neter der Stadt Köln, Prof. Dr. Carl Johannes Fuchs
in Tübingen. Ihnen könnte noch mancher klangvolle
Name beigesellt werden.
Über das Streben und Leben im Bunde und alle
verwandten Erscheinungen unterrichten die an Text und
Illustration reichhaltigen Mitteilungen unter dem Titel
„Heimatschutz", herausgegeben vom geschäftsführenden
Vorstände des Bundes.
Neuerdings ist in der Leitung des Bundes — dessen Apparat leider
nicht so tadellos arbeitet wie der des Tages — ein Wechsel eingetreten:
Beigeordneter Rehorst in Köln hat wegen der Überfülle seiner Dienst-
II. Private Bestrebungen 89
geschäfte den Vorsitz niedergelegt; an seine Stelle ist Frhr. v. Wilmowski,
der Landrat des Kreises Merseburg, getreten. Die Geschäftsstelle ist
von Meiningen nach Berlin Wz;, Steglitzer Straße 5z III, verlegt
und als neuer Geschäftsführer Dr.,Ing. Werner Lindner bestellt worden;
Schatzmeister ist Direktor Franz Goecke in Berlin W 62, Maaßenstr. 32.
Die Schöpfung des Bundes Heimatschutz war — nach
einer treffenden Bemerkung von Robert Mielke — eine
Tat von größter Bedeutung für Deutschland; das Weiter-
wachsen der Bewegung ist nicht mehr von seinem Dasein
abhängig. Stärker als alle äußern Formen sind die
innern Kräfte, die in der Bewegung ruhen und die immer
stärker den Heimatschutz als eine Kulturbewegung hervor-
treten lassen.
An dieser Stelle ist noch zu erwähnen, die „Stif-
tung für Heimatschutz" in Meiningen. Es ist
das eine selbständige rechtsfähige Stiftung, die im Jahre
lyii von einem Freunde des Heimatschutzes, der nicht
genannt sein will, ins Leben gerufen worden ist. Zum
Vorstand ist auf Lebenszeit Assessor Fritz Koch in Mei-
ningen bestimmt, der von 1907 bis 1913 auch Geschäfts-
führer und Vorstandsmitglied des Bundes Heimatschutz
war. Die Stiftung hat verfassungsgemäß allgemein den
Zweck, Sache des Heimatschutzes zu fördern". Sie
sucht für dieses Ziel zu wirken (in Fühlung mit den
Heimatschutzvereinen und den andern Heimatschutzsiellen
im In- und Ausland und zu ihrer Ergänzung) durch
Sammlung alles einschlägigen Materials, durch Erteilung
von Auskünften, durch praktisches Eingreifen in Heimat-
schutzfällen und durch Verbreitung der Heimatschutz-
gedanken, vor allem über den Kreis der schon Inter-
essierten hinaus. Dieser Propaganda dienen u. a. folgende
Veröffentlichungen: i. Die „Blätter für Heimatschutz", 2. die
nur für Thüringen und Nachbargebiete bestimmte Zeit-
schrift „Heimatschutzfragen", 3. Flugschriften, 4. die „Heimat-
schutzkorrespondenz", die umsonst a n sehr viele deutsche und
90 Drittes Kapitel: Die deutsche Denkmalpflege im allgemeinen
außerdeutsche Zeitungen und Zeitschriften geht, 5. eine
Bilderkorrespondenz, umsonst für illustrierte Zeitschriften,
6. sehr zahlreiche Heimatschutzkarten (Ansichtspostkarten).
Von den Vereinigungen seien im übrigen folgende hervorgehoben:
Zunächst die drei grbßern süddeutschen Vereine. Der 1902
gegründete „Bayerische Verein für Volkskunst und
Volkskunde" e. V., mit dem Sitze in München, hat sich zur Auf-
gabe gesetzt, „auf dem Lande Vorhandenes und Überliefertes in Bau
und Einrichtung des Hauses sowie in Sitten, Gebräuchen und Sagen
ju sammeln. Er verfolgt dabei den Zweck, das Verständnis für das
Überkommene wieder zu erwecken, die alten Kunstformen wieder praktisch
zu verwerten und die Handwerker zur Benutzung der alten Vorbilder
aufzumuntern". Oer Verein gibt zwei Zeitschriften heraus: einmal die
Monatsschrift „Bayerischer Heimatschutz", die gegenwärtig im 12. Jahr,
gange steht, und seit dem Anfange dieses Jahres die Zeitschrift „Baye,
rische Hefte für Volkskunde", die jährlich in vier Heften erscheint und
für Vereinsmitglieder 2 M kostet. Der Jahresbeitrag für Mitglieder
in München beträgt 4,50, für auswärtige Mitglieder 3,50 M.
Neben diesem Verein entfaltet der Bayerisch eArchitekten,
und Jngenieurverein eine reiche Tätigkeit im Dienste der
Denkmalpflege.
Der „Bund für Heimatschutz in Württemberg und
H 0 h e n z 0 l l e r n", mit dem Sitze in Stuttgart, „will die schwäbische
Heimat in ihrer natürlichen und geschichtlichen Eigenart schützen. Er
erstrebt insbesondere den Schutz des Landschaftsbildes, der Tier, und
Pflanzenwelt sowie den Schutz und die Pflege der übernommenen
Bauten und der heimischen Bauweise, der Straßen, und Flurnamen,
der Sitten, Trachten und Gebräuche. In all diesen Fragen erteilt er
Rat, kämpft gegen die Verunstaltung von Stadt und Land, will das
wertvolle Alte erhalten und geschont wissen, will, daß Neuentstehendes
gut und daß unsere Heimat nicht entstellt wird". Der Mitgliedsbettrag
beträgt 3 M das Jahr. Die Mitglieder erhalten dafür jetzt das jährlich
erscheinende „Schwäbische Heimatbuch" mit Beiträgen der besten schwä-
bischen Autoren und reichem künstlerischen BUdschmuck. Letzthin hat
der überaus rührige Bund seine Mitglieder mit einer besondern Gabe
erfreut: mit dem Buche Kunstwanderungen in Württemberg und Hohen,
zollern, bearbeitet von Landeskonservator Prof. Dr. Eugen Gradmann
unter Mitwirkung von Dr. H. Klaiber,Heidenheim und Dr. Hans Krist
(318 Seiten Text, Verlag von Wilhelm Meyer,Jlschen in Stuttgart
1914). Es ist ein von berufenen Federn geschriebener Führer durch die
II. Private Bestrebungen 91
kunstgeschichtlich und geschichtlich bedeutenden Orte Württembergs und
Hohenzollerns, ein Werk, das „in möglichst weiten Kreisen die Kenntnis
des wertvollen Besitzes an Kunst, und Altertumsdenkmälern, besonders
an hervorragenden Bauwerken verbreiten und in seiner Art jur Er,
Haltung und Pflege dieser Zeugen der Vergangenheit beitragen" möchte
und sicherlich beitragen wird. Beigegeben sind außer zahlreichen Grund,
rissen 148 Tafeln mit vortrefflichen Ansichten von Kirchen, Stiften,
Schlössern, Stadtbildern usw. Trotz seiner Jugend — gegründet 1909 —
ist der schwäbische Heimatbund mit seinen rund 4000 Mitgliedern schon
der stärkste aller deutschen Vereine geworden. Gibt es aber doch auch
kaum einen deutschen Stamm, der mit dem schwäbischen „an Schön-
heit der Natur, Alter und Fülle überlieferter Kunstdenkmäler, an staat,
licher Geschlossenheit, an Reichtum eigenartiger Stammeskultur und
gegenseitigem Verständnis aller Bevölkerungskreise wetteifern könnte"
(Schwäbisches Heimatbuch 191z, 3).
Der Verein „Badische Heimat" für Volkskunde, ländliche
Wohlfahrtspflege, Heimat, und Denkmalschutz, mit dem Sitze in Frei,
bürg i. B., ist am 1. Januar 1909 gegründet und bezweckt „Erhaltung,
Pflege und wissenschaftliche Erforschung der heimischen Volkstums,
Förderung der ländlichen Wohlfahrt auf geistigem und materiellem
Gebiete, Schutz der heimischen Landschaft, ihrer Kultur, und Natur,
denkmäler, ihrer Tier, und Pflanzenwelt und dadurch Weckung und
Vertiefung der Heimatliebe". Der Verein hat mit dem laufenden
Jahrgange gleich zwei Zeitschriften den Weg eröffnet: „Badische Hei,
mat", herausgegeben von Prof. Dr. M. Wingenroth in Freiburg i. B.,
und mein „Heimatland", herausgegeben von Dr. Hermann Flamm
in Freiburg i. B., beide im Auftrage des Vereins. Die erstere erscheint
jährlich in drei, die zweite in sechs Heften, beide mit zahlreichen Ab-
bildungen in vornehmer Ausstattung, die „Badische Heimat" mehr
wissenschaftlich und für Kenner. Alle Bestrebungen der Denkmalpflege
und des Heimatschutzes, der Volkskunde und der ländlischen Wohlfahrts,
pflege in Baden sollen hier ihre Zusammenfassung finden. Die vor,
liegenden Hefte sind vielversprechend. Die Mitglieder des Vereins
„Badische Heimat" erhalten bei einem Mitgliedsbeittag von 3 M beide
Zeitschriften. Erster Landesvorsitzender des Vereins ist Prof. Dr.
Eugen Fischer.
Von den mitteldeutschen Vereinen sei besonders erwähnt der 1908
gegründete Verein „Sächsischer H e i m a t sch u tz", Landesverein
zur Pflege heimatlicher Natur, Kunst und Bauweise (C. V.), mit dem
Sitze in Dresden. Er bezweckt, „die sächsische Heimat in ihrer natürlichen
und geschichtlich gewordenen Eigenart zu schützen und Neuentsiehendes
92 Drittes Kapitel: Die deutsche Denkmalpflege im allgemeinen
^m Sinne dieser Eigenart zu beeinflussen." Er zählt weit über 1000
Mitglieder und unterhält eine öffentliche Geschäftsstelle mit staatlicher
Unterstützung in Dresden, die über die ständige Arbeitskraft von Archi-
tekten, über ein Bureau mit Bibliothek, Vorlageblättern, Modellen,
Fachzeitschriften usw. verfügt. Die Einzelmitglieder haben einen
Jahresbeitrag von mindestens ? M entrichten. (Die Satzungen siehe
bei Adolph, Sächsisches Verunstaltungsgesetz.)
Über den Heimatbund Niedersachsen in Hannover und die
niedersächsische Heimatbewegung überhaupt unterrichtet Prof. Dr.
Kettler (Hannover) in dem Buche Hannoverland von Dr. Konrich.
In den R e t ch s l a n d e n ist neben der bereits 1856 gegründeten
Gesellschaft für Erhaltung der geschichtlichen Denkmäler im Elsaß eine
ganze Reihe von größer» und kleinern Vereinigungen auch im Sinne
der Denkmalpflege tätig, worüber in den Schriften von Prof. F. Wolff
Näheres zu finden ist.
Die rheinische Denkmalpflege, über deren vielgestaltige Organisation
und Tätigkeit wir durch die auch heute noch wertvolle Schrift von Paul
Clemen, Die Denkmalpflege in der Rheinprovinz (1896), ausgezeichnet
unterrichtet sind, hat in den letzten Jahren eine wirksame Unterstützung
erfahren durch den „Rheinischen Verein für Denkmal-
pflege und Hei mal schütz". Die Denkmalpflege der Rhein-
provinz — so hat bei Begründung dieses Vereins eben Geheimrat Clemen,
der ihr erster Provinzialkonservator war und der sich um ihren Ausbau
unvergleichliche Verdienste erworben hat, ausgeführt — ist so alt wie
diese Provinz selbst; sie setzt unmittelbar nach dem Übergange der
Rheinlande in preußischen Besitz ein: das erste Denkmal, für das über-
haupt im Gebiete des heutigen Deutschen Reiches der Schutz des Staates
nachhaltig angerufen war, war der Kölner Dom. Was aber den Stolz
der Provinz ausmacht: die unerhörte Fülle der Denkmäler, das wird
hier zugleich zur Gefahr und zu einem Hindernis für die gleichmäßige
Durchführung des Schutzes. DieverfügbarenMittel,sogroßsieauch waren,
mußten vor allem in den Anfängen zusammengehalten werden, und so
sind es zunächst die Denkmäler gewesen, die eine nationale Bedeutung
oder doch eine Bedeutung für die ganze Provinz hatten, denen diese
Mittel zuerst zugute kamen: die großen Dome und Kirchen, die großen
Burgen und die vornehmsten städtischen Denkmäler. Auf diesem Ge-
biete liegen vor allem die großen Leistungen des Staates, der aus
öffentlichen Mitteln und durch Lotteriebewilligungen Millionen hier
aufgebracht hat. Für die großen städtischen Kirchen haben weiterhin
die Kirchengemeinden, die kirchlichen Korporationen und die Kom-
munen gesorgt. Aber wie viele von großen und kleinen Kirchen, Ka-
II. Private Bestrebungen 93
pellen, ehemaligen Klosieranlagen und kirchlichen Denkmälern aller Art,
bis herab zu Heiligenhäuschen und Bildstöckeln stehen daneben in
Verfall, dem langsamen Untergang preisgegeben, wenn die Denkmal-
pflege nicht ihren Schutz leiht. Nach den kirchlichen Denkmälern kommen
die städtischen profanen Gebäude und die großen und kleinen Be-
festigungen. Über 300 Burgen besitzt die Rheinprovinz, und für die
Hälfte von ihnen ist gar nicht oder nur ungenügend gesorgt, mögen sie
auch steinerne Urkunden aus der Geschichte der ehrwürdigsten Dynasten-
geschlechter des Landes sein. Nicht weniger gefährdet sind die bürger-
lichen und bäuerlichen Profanbauten, die städtischen und ländlichen
Privathäuser, die Bürgerhäuser in den großen Städten, die Fachwerk-
häuser und die Holzbauten an Rhein und Mosel, die Schieferhäuser
im Bergischen Lande, die Backsieinbauten am Niederrhein. Und damit
ist nur an die Baudenkmäler erinnert. Welche Unsumme sonstiger
Reste früherer Kultur und Kunst aber über die Rheinlande verstreut ist,
läßt sich auch nicht andeutungsweise schildern. Diese große Aufgabe
hatte die rheinische Denkmalpflege besonders in den letzten Jahrzehnten
tatkräftig und allseitig zu lösen begonnen. Da findet nun die staatliche
und provinziale Denkmalpflege eine bedeutsame Ergänzung und Unter-
stützung durch die eifrige Tätigkeit des genannten Rheinischen
Vereins für Denkmalpflege und Heimatschutz, der am 20. Oktober 1906
in Coblenz gegründet worden ist. Der Zweck des Vereins ist in 8 2
seiner Satzung folgendermaßen zusammengefaßt: i. In Anlehnung an
die Bestrebungen der staatlichen und provinzialen Denkmalpflege auf
den Schutz, die Sicherung und Erhaltung der in der Rheinprovinz vor-
handenen Denkmäler der Geschichte und der Kunst hinzuwirken. 2. Zur
Erforschung der Geschichte dieser Denkmäler beizutragen und sie durch
Veröffentlichungen aller Art weitern Kreisen bekannt zu geben. 3. Die
Verunstaltung und Schädigung der hervorragendsten Landschaftsbilder
zu verhüten, für die Erhaltung der historischen Ortsbilder einzutreten
und für eine gesunde Weiterbildung der rheinischen Bauweisen zu
wirken. Die seitens des Vereins gewährten Beihilfen beziehen sich
in der Hauptsache auf kleinere Denkmäler, auf Fach werkbauten, ein-
fache Dorfkirchen, Kapellen, Heiligenhäuschen usw., denen die staat-
liche Denkmalpflege nicht in diesem Umfange ihre Sorge zuwenden
kann. Als eine besondere Aufgabe hat sich der Verein u. a. die Er-
haltung und teilweise Wiederherstellung der alten Stadtbefestigung von
Bacharach gestellt. Das Interesse, das der Verein den Burgen zuwendet,
hat sich neuerdings in dem Erwerb der Virneburg betätigt. Dieser
alte, in der Eifel unweit Mayen gelegene Adelsitz, der zeitweilig auch
dem Erzbischof Balduin von Trier gehört hat, war immer mehr in
94 Drittes Kapitel: Die deutsche Denkmalpflege im allgemeinen
Trümmer gesunken und kam im Januar 1914 unter dem Hamner.
Der Abbruch, das klägliche Ende einer fast 800jährigen Geschichte, schien
unabweislich. Da griff der Rheinische Verein ein und erwarb die Ruine
für 1080 M. Sie soll nunmehr ausgebessert werden, um wenigstens für
die Hauptmauern die Einsturzgefahr zu beseitigen. Die Leitung der
Geschäfte des Vereins, dem fast alle Stadt- und Landkreise angehören,
liegt in den Händen des kunstsinnigen frühern Trierer Regierungs-
präsidenten zur Nedden. Über die Unternehmungen und Bestrebungen
des Vereins berichten die vom Schriftführer Prof. Dr. W. Bredt in
Barmen — dessen literarischen Spuren wir in diesem Büchlein vielfach
begegnen — redigierten Mitteilungen. Die leitenden Persönlichkeiten
bürgen für eine zielbewußte Durchführung des Programms, wie denn
auch die bei aller Zwanglosigkeit regelmäßigen „Mitteilungen" an
Gediegenheit des Textes wie Vornehmheit der Ausstattung das
Beste bieten.
Zu erwähnen ist schließlich auch noch die am 21. März 1899 begründete
„Vereinigung zur Erhaltung deutscher Burgen"
mit ihrer Zeitschrift „Oer Burgwart". Die Wirksamkeit dieser Ver-
einigung — bekannt sind ihre jährlichen Burgenfahrten — ist auf ihrem
Spezialgebiet von nicht geringer Bedeutung.
Die Denkmalpflege findet ihre Förderung auch in
den landschaftlichen Vereinigungen, wie z. B. dem Eifel-
verein, der die ihm gehörende Burgruine Niederburg
in Manderscheid unter staatlicher Beihilfe wiederherstellen
läßt.
Erfreulicherweise verstehen auch die „Verschönerungs-
vereine" die Zeichen der Zeit und sind bemüht, im rechten
Sinne des Heimatschutzes zu wirken, wenn auch mancher
von ihnen sich noch nicht zur klaren Erkenntnis des Satzes
durchgerungen hat, daß die beste „Verschönerung" ist,
vorhandene Schönheit nicht zu beeinträchtigen.
ui. Museen und Sammlungen; Museums-Kurse
Museen und Sammlungen können ein wichtiges Hilfs-
mittel der Denkmalpflege sein; sie können aber auch gegen-
teiligen Bestrebungen dienen.
III. Museen und Sammlungen 95
Es bedarf keiner Erörterung, daß für viele bewegliche
Denkmäler die gegebene Sammelstätte das Museum ist.
Man braucht nur an die Bestände unserer Provinzial-
museen — deren die Rheinprovinz sogar zwei besitzt
(in Bonn und in Trier) — zu denken mit ihren prähisto-
rischen und antiken Schätzen, die losgelöst von ihrem Ur-
sprung als Reste alter Kultur dem Erdboden abgewonnen
sind.
Kommen des fernern Gegenstände der Kunst außer
Gebrauch, oder werden sie wettlos für ihre Umwelt und
droht ihnen mangels geeigneter Aufbewahrung Verwahr-
losung und Untergang, so wird ihre Überführung in ein
Museum immer noch das beste sein, jedenfalls besser, als
wenn sie amerikanischem Snobismus zum Opfer fallen.
Werden aber Denkmäler aus ihrem heimatlichen
Boden genommen, lediglich um die Lücke eines Residenz-
museums auszufüllen, so kann das Pflege der Kunstwissen-
schaft sein, ist aber unter Umständen das Gegenteil von
Denkmalpflege. Denkmäler sollen — das ist einer der
Fundamentalsätze der Denkmalpflege — ihrem Standort
nicht entzogen werden, sie sollen nach Möglichkeit in ihrem
Milieu bleiben. „Ein alter Schnitzaltar kann in der trau-
lichen Mitte einer Dorfkirche und als Zeugnis einer alten
lokalen Kunstübung Eindruck machen; im Altertums-
museum, in einer Reihe mit 50 andern ähnlichen Stücken,
verliert er seine Individualität und wird uns gleichgültig"
(Dehio, Denkmalschutz und Denkmalpflege iz).
Nur unter besondern Umständen und aus wichtigen
Gründen ist die Weggabe an eine öffentliche Sammlung
zu rechtfertigen. Aber auch dann wird in erster Linie
ein heimisches Museum, ein Provinzial- oder Diözesan-
museum oder eine lokale Sammlung in Betracht kommen,
vorausgesetzt, daß das Ortsmuseum in Anordnung und
Aufbewahrung nicht gar zu unzulänglich ist (vgl. hierüber
96 Drittes Kapitel: Die deutsche Denkmalpflege im allgemeinen
speziell Doering-Dachau 324); denn auch „tote" Denk-
mäler sollen in Museen nicht vermodern.
In diesem Sinne seien für die Rheinlande beispielsweise erwähnt:
Die 1910 eröffnete „Sammlung Schnütgen" in Köln, die hochherzige
Stiftung des Kölner Sammlers und Kunstgelehrten Domkapitular
Prof. Dr. Alexander Schnütgen an die Stadt, das Ergebnis einer
mehr als 40jährigen Beschäftigung speziell mit den kirchlichen Denk,
Mälern der rheinischen Lande. (Vgl. Dr. Fritz Wille, Sammlung Schnüt,
gen, Köln 1910.) Sodann das historische Museum in Speyer, der
sammlerische Mittelpunkt der Rheinpfalz; das Birkenfelder Landes,
museum als geschlossene Territorialsammlung u. a. m.
Es ist erfreulich zu sehen, daß das Verständnis für
diese Grundsätze rechter Denkmalpflege immer weitere
Kreise erfaßt. Als beispielsweise vor einiger Zeit (April
1914) aus dem Kurhause Marienberg bei Boppard am
Rhein drei Grabsteine der Ritter Beyer von Boppard
aus dem 14. Jahrhundert für 15 000 M an das Kaiser-
Friedrich-Museum in Berlin verkauft wurden, erhob sich
dagegen ein lebhafter, allerdings erfolgloser Protest. Mit
Recht ist beklagt worden, daß diese Marksteine heimischer
Geschichte und Kunst aus der Stadt und der Provinz
hinaus in die ferne Reichshauptsiadt verschleppt würden,
wo sie unter der großen Menge des dort Angesammelten
mehr oder weniger verschwänden.
Vielfach ist ja freilich die Veräußerung nur das letzte
Glied einer Kette von Fehlern.
Mit diesen Vorbehalten ist die Bedeutung von
Museen und Sammlungen — Privatsammlungen sind
obendrein der Gefahr ausgesetzt, eines Tages in alle Welt
zerstreut zu werden — für die Denkmalpflege nicht gering.
Auf dieser Wertschätzung beruhen auch die seit einigen
Jahren vom Kgl. Generalkonservatorium der Kunstdenk-
male und Altertümer Bayerns in München unter der
Leitung von Dr. Georg Hager veranstalteten Museums-
fahrten. „Je mehr die Museen an Zahl wachsen, desto
III. Museen und Sammlungen 97
wichtiger erscheint ihre Form. Viele Hunderte von
Museen sind da und dort in deutschen Städten und
Dörfern zerstreut. Aber gar oft laden sie vergeblich zum
Besuche ein. Das Publikum wird es überdrüssig, immer
wieder ähnliche Altertümer in oft reizloser, häufig auch
geschmackloser Anordnung und Aufstellung anzusehen.
Klagen über schwachen Museumsbesuch haben zum nicht ge-
ringen Teil ihren Grund in der mangelhaften, unkünsi-
lerischen Form der Sammlungen. Wollen die Museen sich
lebendig erhalten, wollen sie die soziale Aufgabe, die
ihnen als Volksbildungssiätten, als Quellen wissenschaft-
licher und künstlerischer Bereicherung, innerer Erhebung
und Vertiefung in voll gerütteltem Maße zukommt, an-
nähernd erfüllen, so müssen sie auch durch ansprechende
und geschmackvolle Form die Besucher anziehen, ihnen den
Aufenthalt in den Räumen nicht nur interessant, sondern
auch behaglich und künstlerisch genußreich gestalten." Der
Museumskurs Mai 1914 erstreckte sich vom Obermain bis
an den Bodensee. Im Zusammenhange mit den Museen
werden auch die übrigen Kunstdenkmäler gewürdigt. Es
gilt, die Wechselbeziehungen zwischen dem Museum und
dem lebendigen Kulturbild eines Ortes und einer Gegend
zu erfassen. Alte Fürstensitze, behagliche Reichsstädte,
einsame Klöster im bunten Wechsel ziehen vorüber. Ehr-
würdige Dome, geheimnisvolle Münster und Kloster-
kirchen, windumrauschte Burgen, stille Bürger- und
Patrizierhäuser werden begrüßt. Die schlichte, biedere,
farbenfrohe alte Bauernkunst wird beachtet. Als Teil-
nehmer an der Museumsfahrt sind alle Geschichts- und
Kunstfreunde willkommen. Alle Vorträge sind unent-
geltlich. Die Reisekosten trägt jeder Teilnehmer für seine
Person.
Über die Museumsfrage und namentlich über bas Verhältnis der
Museen zur Denkmalpflege ist schon vieles geschrieben worden. Ein
X n 111, Denkmalpflege
7
98 Drittes Kapitel: Die deutsche Denkmalpflege im allgemeinen
bemerkenswerter Aufruf zu diesem Thema aus der Feder von Prof.
Grad mann findet sich in „Bunte Blätter aus Württemberg und
Hohenzollern", Katalog der Schwäbischen Landesausstellung, Stutt-
gart 1912, 45 f. Vgl. auch desselben Anweisungen 45 f; Wage-
n e r, Natur und Heimat 166 f; D 0 e r i n g - D a ch a u 323 f; be-
sonders auch die Abhandlung von Generalkonservator Dr. Hager
über die Museen und der Mensch in Mitteilungen des „Rheinischen Ver-
eins" VII 135 f. Schließlich die Zeitschrift „Museumskunde", heraus-
gegeben von Karl Koetschau (Berlin, Reimer).
iv. Propaganda in Wort und Bild
Eine auch nur einigermaßen vollständige Übersicht über
die Literatur zur Denkmalpflege und die verwandten
Bestrebungen zu geben, ist hier nicht der Platz, dazu würde
es einer besondern Bibliographie bedürfen. Auf das
Wichtigste an spezieller Denkmalpflege- und Heimatschutz-
literatur ist zu Eingang dieses Büchleins und im Laufe
der Darstellung hingewiesen. Es mögen hier aus der
Überfülle der Erscheinungen nur zwei, die vor allem als
Anregung in Frage kommen, erwähnt sein. Im übrigen
orientieren die Zeitschrift „Die Denkmalpflege" und die
Veröffentlichungen der verschiedenen Vereinigungen über
alle Neuerscheinungen auf diesem Gebiete, so daß es
für jeden, der sich für die Sache interessiert, leicht ist,
sich zurechtzufinden.
Unter den Büchern, die dem Denkmalpflege- und Heimatschutz-
gedanken dienen, müssen jedenfalls an erster Stelle genannt werden die
„Kulturarbeiten" von Paul Schultze-Naumburg. Sie sind von bahn-
brechender Bedeutung geworden; sie haben uns die Augen geöffnet.
Schultze-Naumburg war der erste, der sich bei seinen Arbeiten in
solchem Maße des packend zusammengestellten und erläuternden Bei-
spiels bediente. Die Kulturarbeiten sind eine Frucht der von Ferdinand
Avenarius seit 1887 betriebenen Kunstwartbestrebungen, aus denen
sich u. a. auch der Dürerbund (1901) entwickelt hat. Bisher sind (im
Kunstwartverlag Georg D. W. Callwey in München) folgende Bände
erschienen: Band I: Hausbau, mit 137 Abbildungen, 4.Aufl., geb. M 4.50.
Band II: Gärten, mit 186 Abbildungen, 4. Aust., geb. M 5.—. Er-
IV. Propaganda in Wort und Bild yy
gänzende Bilder ju Band II, mit 120 Abbildungen, 2. Aufl., geb.
M 4.—. Band III: Dörfer und Kolonien, mit 177 Abbildungen, 2. Aufl.,
geb. M 5.—. Band IV: Städtebau, mit 928 Abbildungen, 2. Aufl.,
geb. M 6.50. Band V: Kleinbürgerhäuser, mit 151 Abbildungen, 2. Aufl.
geb. M 4.50. Band VI: Das Schloß, mit 266 Abbildungen, geb. M 5.—
Um sich in den Geist der Denkmalpflege zu vertiefen, gibt es in der
Literatur wohl nichts Besseres und Schöneres als die Essays, die der
Kgl. Generalkonservator der Kunstdenkmale und Altertümer Bayerns,
Dr. Georg Hager in München, unter dem Titel Heimatkunst, Kloster-
studien, Denkmalpflege (München 1909) veröffentlicht hat. Sie sind
geschrieben mit reichster Sachkenntnis, mit feinstem Verständnis, aber
vor allem aus einer den Leser in ihren Bann zwingenden Seelen-
stimmung heraus, die der Verfasser am Schluffe seiner Vorrede in die
Worte kleidet: „Die Möglichkeit, in ständigem innigen Verkehr mit
den historischen und künstlerischen Monumenten zu leben und mich
zugleich an den landschaftlichen Reizen ihrer Umgebung immer aufs
neue zu erfreuen und zu erfrischen, betrachte ich als ein Glück, für das
ich nicht genug danken kann."
Zu beachten sind auch die bekannten Sammlungen und Serien wie
„Aus Natur und Geisteswelt" (darunter Das deutsche Dorf, von Robert
Mielke), „Kunst und Kultur" (darin Die Schönheit der großen Stadt,
von August Endell, Die deutsche Dorfkirche, von Walter H. Oammann),
„Stätten der Kultur", „Berühmte Kunstsiätten", „Die blauen Bücher",
„Leuchtende Stunden", „Heimatbilder deutscher Kunst" usw. usw.
Von Zeitschriften haben wir verschiedener bereits bei den
einzelnen Vereinigungen gedacht. Erwähnt seien u. a. noch der
Kunsiwart, Niedersachsen, Hannoverland, Deutschland, Das Land,
Die Dorfkirche, Deutsche Gaue usw.
An dieser Stelle möge auch hingewiesen sein auf die zahlreichen
Publikationen der 1801 gegründeten „Gesellschaft für nützliche For-
schungen" zu Trier, über welche die seit 1909 in neuer Folge erscheinenden
Trierer Jahresberichte orientieren (Redaktion Museumsdirektor Prof.
Dr. Krüger). Hat doch an dem bedeutenden Vermächtnis, das die
Römer uns in den erhaltenen römischen Denkmälern auf und in dem
Boden der Rheinlande hinterlassen haben, den Hauptantffil der Re-
gierungsbezirk Trier und darin in erster Linie die Stadt Trier, die
Residenz der römischen Kaiser während 100 Jahren. An großen Monu-
mentalbauten braucht man nur weltbekannte Namen zu nennen, wie
Katserpalast, Thermen, Porta nigra, Amphitheater, Basilika. Das Erbe
der Römerherrschaft ist erst spät, nach und nach angetreten worden und
hat mit nicht unbedeutenden Opfern an Arbeit und Geld dem Boden
7
ioo Drittes Kapitel: Die deutsche Denkmalpflege im allgemeinen
abgerungen werden müssen. Es mehrt sich noch von Tag zu Tag, wie die
wachsende Überfüllung der Provinzialmuseen zu Trier und Bonn zeigt
(vgl. v. Behr, Trierer Jahresberichte I 25). Den Vorsitz in der Gesell,
schaft führt satzungsgemäß stets der Trierer Regierungspräsident.
Nicht zu vergessen ist auch die ausgiebige und ver-
ständnisvolle Mitarbeit der Tag es presse auf dem
Gebiete der Denkmalpflege.
Von nicht zu unterschätzender Bedeutung für die
Verbreitung der Heimatschutzgedanken im weitesten Sinne
und damit der Denkmalpflegebestrebungen sind auch die
zahlreichen Heimatkalender, ans die bereits mehr-
fach die Aufmerksamkeit hingelenkt worden ist. Zuletzt hat
noch im vorigen Jahre die Zeitschrift „Heimatschutz"
dieses Gegenstandes gedacht (9. Jahrgang, Heft 3) in
einem vom Geschäftsführer geschriebenen Aufsatze: Ka-
lender im Sinne des Heimatschutzes. Mit Recht ist dort
hervorgehoben, daß die Heimatschutzbewegung über den
Kreis der schon Interessierten hinaus wirken müsse, und
daß dem Heimatschutz die dicksten und schönsten Vereins-
zeitschriften allein nichts nützten, wenn es nicht daneben
noch andere Veröffentlichungen gebe, die wirklich zu
denjenigen hinausdringen, die der Heimatschutzsache noch
nicht gewonnen sind. Zu den besten Mitteln dieser Art
gehören zweifellos die Kalender. Da die in dem gedachten
Aufsatze gegebene Übersicht nicht vollständig ist, so möge
hier eine kurze Zusammenstellung folgen, für deren Be-
richtigung und Ergänzung der Verfasser dankbar sein würde.
Altfränkische Bilder. Von Prof. Dr. Th. tzenner. (Würzburg,
Stürtz). Erscheint seit 1895.
Altfränkische Chronik in Bild und Wort. Von Stephan Wehnert.
(Würzburg, Wehnert.) 1901—1910 erschienen.
Badischer Kalender. (Lahr, Schauenburg.) 190z—1905 erschienen.
Kalender für den Kreis Ober,Barnim. (Potsdam, Stiftungsverlag.)
Seit 1908.
Kalender bayerischer und schwäbischer Kunst. Von Prof. Dr. Jos.
Schlecht. (München, Gesellschaft für christliche Kunst.) Seit 1904.
IOI
IV. Propaganda in Wort und Bild
Bayerischer Kunstkalender.
Kalender für das Bergische Land. (Elberfeld, Born.) Seit 1909.
Berliner Kalender. Von Prof. Dr. Georg Voß. (Berlin, Oldens
bourg). Seit 190z.
Der Rote Adler. Brandenburgischer Kalender. Von Robert Mielke.
(Berlin, Oldenbourg.) 1902—1904 erschienen.
Brunswiks Leu. Kalender für das Land Braunschweig. (Braun-
schweig, Ramdohr.) 1912 und 1913 erschienen.
Calau-Cottbus-Spremberger Kreiskalender.
Danziger Kunst - Kalender. Von Kurt Siebenfteund u. a. (Danzig,
Burau.) Seit 191z.
Düsseldorfer Kalender. (Düsseldorf, Schneider.) 1914.
Kalender für Ortsgeschichte und Heimatskunde im Kreise Eckarts-
berga. (Wolmirsiedt, Kabisch.) Seit 1896.
Elsässischer Kalender. (Straßburg, Schweikhardt.) Seit 1912.
Kalender für das Erzgebirge und das übrige Sachsen. Von Wal-
demar Müller. (Leipzig, Arwed Strauch.) Seit 1905.
Frankfurter Kalender. (Frankfurt a. M., Dtesterweg.) Nur 1908
erschienen.
Gesundbrunnen. Herausgegeben vom Dürerbunde. (München,
Callwey.) Seit 1908.
Neuer Htsiorienkalender für das Herzogtum Gotha. (Gotha,
Perthes.)
Greifswalder Kalender für Kunst und Denkmalpflege. Von Ad.
Kreuzfeldt u. a. (Greifswald, Bamberg.) 191z. — Die Fortsetzung
1914 als: Vorpommerscher Kalender.
tzallischer Kalender. Von Gustav Moritz u. a. (Halle a. Saale,
Moritz.) Seit 1909.
Heidelberger Kalender. (Heidelberg, Klappert.) 1914.
Der Heidjer. Ein niedersächsisches Kalenderbuch. Von Hans Müller-
Brauel. (Hannover, Jänecke.) 1904—1909 erschienen.
Hessen-Kunst. Jahrbuch für Kunst- und Denkmalpflege in Hessen
und im Rhein-Main-Gebiet. Von Dr. Christian Rauch. (Marburg,
Ebel.) Seit 1906.
Hessischer Kalender. (Cassel, Hühn.)
Hessischer Kalender. Von Prof. Dr. Anthes. (Darmstabt, Hohmann.)
Erschienen 1905—1907, 1909, 1910, 1912.
Hessischer Volkskalender. (Cassel, Lometsch.)
Hohenzollern-Burg-Kalender. Von Bodo Ebhardt. (Hannover,
König & Ebhardt.) 1913, 1914.
Kieler Kalender.
los Drittes Kapitel: Die deutsche Denkmalpflege im allgemeinen
De Kiepenkerl. Westfälischer Volkskalender. Von Dr. Augustin
Wibbelt. (Essen, Fredebeul & Koenen.) Seit 1909.
Leipziger Kalender. Von Georg Merseburger. (Leipzig, Merse-
burger.) Seit 1904.
Heimatkalender für den Kreis Liebenwerda. (Liebenwerda, Ziehlke.)
Seit 1911.
Der Mainbote von Oberfranken. (Lichtenfels, Schulze.)
Alt-nassauischer Kalender. Ein Heimatbuch für Freunde des Nassauer
Landes. (Wiesbaden, Schellenberg.) Seit 1908.
Neuer deutscher Kalender. Vom Verein „Heimat" in Kaufbeuren,
Schwaben.
Niederrheinischer Kalender. Von Karl Lange. (Crefeld, Schäcker-
mann & de Greifs.) Seit 1913.
Nordgau-Kalender. Ein Heimatkalender für den Bayerischen
Nordgau, Oberpfalz, freie Reichsstadt Nürnberg, Fürstbistum Eichstätt,
Egerland und die angrenzenden Gebiete. (Kallmünz, Oberpfalzverlag.)
Potsdamer Kalender. Von Dr. Gerhard Hoppe u. a. (Potsdam,
Stiftungsverlag.) Seit 1911.
Raiffeisen-Kalender. Herausgegeben vom Generalverband länd-
licher Genossenschaften für Deutschland e. V. (Berlin.)
Rheinisch-Westfälischer Kalender. (Darmstadt, Hohmann.) Er-
schienen 1906, 1907, 1909, 1910, 1912.
Rheinisch-Westfälischer Kunst-Almanach. Von Dr. E. G. Lüthgen.
(Cöln, v. Elsner & Spieckermann.) 1913.
Saar-Kalender. Von Dr. Alexander Tille. (Saarbrücken, Hecker.)
Nur 1904 erschienen.
Suchsen-Meiningischer Kalender.
Sächsischer Kalender. Von Walter Tiemann. (Leipzig, Poeschel.)
Nur 1904 erschienen.
Schlesischer Kalender. (Kattowitz, Siwinna.) Erschienen 1908,
1909, 1911, 1912, 1914.
Schleswig-Holsteinischer Kunstkalender. Von Dr. Ernst Sauer-
mann. (Potsdam, Stiftungsverlag.) Seit 1911.
Heimatkalender für den Kreis Herrschaft Schmalkalden. (Schmal-
kalden, Wilisch.)
Der Schütting. Herausgegeben vom Schüttingbunde. (Hannover,
Sponholtz.) Seit 1908.
Von schwäbischer Scholle. Kalender für schwäbische Literatur und
Kunst. (Heilbronn a. N., Salzer.) Seit 1913.
Sohnreys Dorfkalender. Herausgegeben vom Deutschen Verein
IV. Propaganda in Wort und Bild 103
für ländliche Wohlfahrts- und Heimatpflege. (Berlin, Trowitzsch &
Sohn.) Seit 1902.
Thüringer Kalender. Von Prof. Dr. Georg Voß. (Berlin, Deutscher
Verlag.) Seit 1902.
tzeimatkalender für Thüringen und das Osterland. (Dresden,
Welffen.)
Orts- und Heimatkalender des Stadt- und Landkreises Weißenfels.
Von Prof. E. Schroeter. (Weißenfels, Lehmstedt.)
In der Ausstattung wie im Inhalt sind diese Kalender
von der größten Mannigfaltigkeit, wie auch der Preis
ein sehr verschiedener ist. Bei den meisten ist aber der
Preis gegenüber dem in Text und Illustration Ge-
botenen so mäßig, daß man es bedauern muß, daß sie
nicht mehr beachtet werden und an verschiedenen Stellen
sich nicht als lebensfähig erwiesen haben. So hat es z. B.
der Saarkalender nur auf einen Jahrgang gebracht, ob-
wohl das Saargebiet noch eine ganze Reihe bemerkens-
werter Denkmäler der Geschichte und Kunst aufzuweisen
hat; freilich, das Riesenwachstum der Industrie über-
wuchert alles. Aber auch Frankfurt a. M. sah seinen
vortrefflichen Kalender nur einmal und nicht wieder.
Und doch hatten die Herausgeber auf viele Jahrgänge
gehofft. Auch hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Denk-
malpflege sind die aufgeführten Kalender von sehr ver-
schiedenem Wert. Manche kommen dafür nur ganz ent-
fernt in Betracht. Andere dagegen sind höchst schätzens-
werte Hilfsmittel für die Verbreitung der Denkmal-
pflegegedanken. An erster Stelle zu nennen die „Alt-
fränkischen Bilder" von Prof. Henner in Würzburg, die
nun schon im 20. Jahre erscheinen; dann der Kalender
bayerischer und schwäbischer Kunst, Heffen-Kunst, der be-
sonders reich ausgestattete Schleswig-Holsteinische Ka-
lender, der Leipziger Kalender und andere.
Für das Jahr 1915 ist ein Deutscher Heimatkalender angekündigt,
der nach der Liste seiner literarischen und künstlerischen Mitarbeiter
vielversprechend ist.
104 Drittes Kapitel: Die deutsche Denkmalpflege im allgemeinen
Von großer Bedeutung für die Verbreitung des Denk-
malpflegegedankens sind auch die Ansichtskarten.
Der Geschäftsführer des Bundes Heimatschutz hat ihnen
in der Vereinszeitschrift (iyiz, 104 s) einen besondern
Artikel gewidmet mit einer sorgfältigen Übersicht. Die
vorhandenen Ausgaben weisen reiche Auswahl und bei
billigem Preise durchweg vorzügliche Aussiattung auf,
so daß man nur bedauern kann, daß an ihrer Stelle noch
so vielfach teurer Schund versandt wird. Hier könnten
wohl auch die Verkehrsvereine durch engere Fühlung-
nahme mit den Heimatschutzorganisationen Ersprießliches
wirken. Hervorgehoben seien die Ausgaben der Stif-
tung für Heimatschutz in Meiningen und von Susanna
Ho mann in Darmstadt.
Erinnert sei schließlich auch an die Bedeutung der
Photographie für die Denkmalpflege in Ver-
bindung mit den hochentwickelten modernen Repro-
duktionstechniken. Die Photographie hat in
den letzten zehn Jahren die unfruchtbaren Felder des
Handwerksmäßigen und Spielerischen immer mehr ver-
lassen und sich künstlerischen Aufgaben zugewandt. Im
Dienste der Kunst ist sie auch der Denkmalpflege zugute
gekommen. In dem engern Kreis der Fachleute wie im
weiter» der Gebildeten ist die Photographie ein überaus
wichtiges Hilfsmittel zur Vertiefung und Verbreitung
der Denkmalpflege geworden. Studium und Propa-
ganda erscheinen uns heute ohne die Anwendung der
Photographie bei der Bnchillustration wie im Lichtbild-
vortrag undenkbar. Wenn aus dem Westen Namen
genannt werden sollen, so sei an Dr. Erwin Quedenfeldt
in Düsseldorf und an Susanna Homann in Darmstadt
erinnert. Künstler ihrer Art haben auf dem Gebiete der
Architektur und der Landschaft Lichtbilder geschaffen, die
Samenkörner von großer Fruchtkraft sind.
Viertes Kapitel
Staat und Kirche
i. Kirchliche Denkmäler
Die Kunst ist die irdische Schwester
der Religion. Stifter.
Von einschlägigen Schriften, die in keiner Pfarrbibliothek fehlen
sollten, seien u. a. genannt: Handbuch für die Denkmalpflege, von
Museumsdirektor und Provinzialkonservator a. D. Dr. I. R e i m e r s
in Hannover, z. Aufl. (Preis M 5.—); das Werk ist besonders auch
wertvoll durch ein ausgiebiges erläuterndes Verzeichnis der Fach-
ausdrücke mit zahlreichen Illustrationen. — Anweisungen zur Denk-
malpflege, von Landeskonservator Prof. Dr. G r a d m a n n in Stutt-
gart, iyi2 (Preis 50 Pf.), wo eingehend auch die kirchlichen Denkmäler,
die Kirchen und ihre Ausstattung, Kirch- und Friedhöfe usw. behandelt
sind. — Merkbuch zur Erhaltung von Baudenkmälern, von General-
konservator H. Lutsch in Berlin 1912 (Preis 60 Pf.).
Hingewiesen sei auch auf die Zeitschrift „Der Pionier, die
seit 1908 im Verlage der Gesellschaft für christliche Kunst in München
erscheint; sie bringt manchen sehr beachtenswerten Artikel über Themata
aus der kirchlichen Denkmalpflege. Sodann die Zeitschriften: „Die
christliche Kunst" (Verlag wie vorstehend); die „Z e i t sch r i f t
für christliche Kunst" (Düsseldorf, L. Schwann); „Das christ-
liche Kunstblatt" (München, Callwey) u. a.
Erwähnt sei auch O. H 0 ß f e l d , Stabt- und Landkirchen (Verlag
von WUhelm Ernst & Sohn in Berlin).
Einen prächtigen Aufsatz über den „Schutz kirchlicher Denkmäler"
bietet „Hannoverland" (S. 20 f) aus der Feder von Geh. Baurat
Mohrmann, Konsistorialbaumeister und Professor an der Kgl.
Technischen Hochschule in Hannover. Vgl. daselbst auch „Kirche und
Heimatschutz" von Superintendent Lorenz in Börry.
Das Vorstehende weist aber nur auf einige wenige Erscheinungen
aus der umfangreichen Literatur hin.
io6 Viertes Kapitel: Staat und Kirche
i. Bedeutung der kirchlichen Denkmäler
und ihrer Pflege
Unter den Denkmälern unseres Vaterlandes nehmen
die kirchlichen Denkmäler die weitaus be-
deutendste und vornehmste Stelle ein. Man mag durch
die süddeutschen Klosterbauten wandern, man mag die
Backsteinbauten des Nordostens aufsuchen, man mag
vollends in den Rheinlanden zu Hause sein: hinter den
Hunderten und Tausenden Kirchen und Klöstern, vom
hochragenden Dom bis zum traulichen Dorfkirchlein, von
den prunkvollen Abteien bis zu den schlichten Anlagen
der Minderbrüder — hinter dieser Fülle treten die
Profanbauten weit zurück. Dehios Handbuch bestätigt
es fast auf jedem Blatt. Und das Verhältnis verschiebt
sich noch mehr zugunsten der kirchlichen Denkmäler, wenn
man zu den Gebäuden ihr Inventar hinzunimmt, mag
es sich noch an Ort und Stelle befinden oder in die Museen
gewandert oder von Liebhabern und Sammlern er-
worben sein.
Eine Aufzählung der einzelnen Gegenstände wird das noch deut-
licher machen. Wir heben nur hervor: Kirchen und Kapellen, Klöster
und Stifte, Bischofspaläste und Domkurien, Krenzgänge, Türme und
Glockenhäuser, Kirchhöfe, Pastorate, Küstereien, sowie Ruinen kirchlicher
Bauwerke; sodann die Ausstattungsstücke, als da sind: Altäre mit
ihrem Zubehör (wie Decken, Tücher usw.), Ampeln, Antependien,
Armenstöcke, Bänke, Beichtstühle, Beschläge, Bischofsstäbe, Bücher,
Chorstühle, Ziborien, Decken, Deckengemälde, Eisenarbeiten, Email-
platten, Epithaphien, Fahnen, Gefäße und Geräte, Gemälde, Gestühl,
Gewölbemaleret, Gitter, Glasmalerei, Glocken und Glöckchen, Grab-
steine und Grabdenkmäler, Heilige Gräber, Himmel, Kannen, Kanzeln,
Kelche, Klingelbeutel, Kreuze, Kreuzberge, Krippen, Kronleuchter,
Krummstäbe, Kruzifixe, Lavatorien, L eichenbahren, Lettner, Leuchter
aller Art, Meßgewänder, Monstranzen, Mufikinstrumente, Ölgemälde,
Olberge, Orgeln und Orgelemporen, Palmesel, Paramente, Patenen,
Portale, Porträts, Prozessionsgeräte, Pulte, Räuchergefäße, Reli-
qniare und Reliquienschreine, Sakramentshäuschen, Schnitzwerk,
Schränke, Sedilien, Singtafeln, Skulpturen, Statuen, Tabernakel,
I. Kirchliche Denkmäler 107
Taufschüssel, Taufsteine und Taufbecken, Teppiche, Totenschilde, Triumph-
kreuze, Türen, Truhen, Uhren (Turmuhren, Sonnenuhren, Sand-
uhren usw.), Votivtafeln, Wandmalereien, Wasserbecken, Weihrauch-
becken, Weihwasserbecken und -kessel, Zunftzeichen usw.
Nicht zu vergessen auch die reichen Bestände der Domschatzkammern,
unter denen in erster Linie zu nennen ist der Trierer Domschatz; eine
in ihrer Art einzige Sammlung (vgl. neuestens Domvikar P. Weber,
Anleitung zur Besichtigung des Oomschatzes zu Trier, Trier 1914).
Und es ist nicht nur die große Zahl und die äußere
Bedeutung, es ist vor allem auch der innere Wert, der
diesen Denkmälern eine bevorzugte Stellung gibt. Mit
Recht bemerkt August Reichensperger (Profan-Architektur
61): „Zu den großartigsten und bewundernswertesten
Schöpfungen der christlichen Architektur gehören die un-
zähligen, zugleich kirchlichen und profanen Charakter an
sich tragenden mittelalterlichen Ordensbauten. Viele der-
selben sind verschwunden, andere nur noch aus trümmer-
haften Resten erkennbar; das zu uns Herübergerettete
aber genügt schon zur Rechtfertigung des eben Gesagten."
Aber mehr noch gilt, was Gradmann (Anweisungen
20 und 22) ausführt: „An den meisten Orten ist die
Kirche das wichtigste, oft das einzige Baudenkmal, und
oft mit ihrer Ausstattung zugleich eine Art historisches
Ortsmuseum und Kunstmuseum. Schon durch die Weihe
des Ortes wird alles, was dazu gehört, bedeutend; und
schon das Gewohnte wird hier ehrwürdig. . . . Die Ge-
fühlswerte, die wir in einer alten Ortskirche finden, sind
durchaus nicht nur oder auch nur vorzüglich künstlerischer
Art. Sie sind mit kunstgeschichtlichen Begriffen nicht alle
zu fassen. Die Kirche ist auch mehr als nur die Erbauungs-
stätte der Gegenwart. Sie ist ein Denkmal des vergangenen
Geschlechts, deren ganzes Leben hier seine religiöse Weihe
fand." Altar und Kanzel, Taufstein und Orgel sind wie
die Glocken beredte Zeugen alter Zeit, der Frömmigkeit
und des Kunstsinnes von Generationen, die draußen auf
io8 Viertes Kapitel: Staat und Kirche
dem Gottesacker ruhen. Und noch eins: Für wieviele ist
im Gotteshause die einzige Stelle einer wennauch vielleicht
unbewußten so doch tiefempfundenen Erhebung im Ge-
biete des Schönen. So ist die Kultstätte zugleich vielfach
die hervorragendste Kunststätte. Es zeigt sich eben aller-
orten, „daß die Kunst im Dienste der Kirche ihre höchsten
und edelsten Aufgaben erstrebt und gelöst hat" (Bredt).
„In der langen wechselvollen Geschichte der Kirche — so
hat jüngst bei der Eröffnung des Paderborner Diözesan-
museums Bischof Dr. Karl Joseph Schulte gesagt —
mag manches sein, was die moderne Kritik angreift;
aber eins gibt es, vor dem sie in stummer Bewunderung
schweigt: das ist die Kunst der Kirche."
Uber die idealen Bestrebungen, die den Gegenstand
dieser Schrift bilden, hat sich einer ihrer berufenen Führer
(Gradmann, Heimatschutz und Landschafspfiege 21 f)
dahin geäußert, daß „die Förderung des Schutzes für die
sogenannten Denkmäler, sowohl die der Kunst und Ge-
schichte oder Kulturgeschichte als die der Natur, proble-
matisch" sei, „nicht nur wegen ihres praktisch undurch-
führbaren weiten Umfanges, sondern vor allem wegen
ihrer Tendenz", und er bemerkt: „Die Dinge, die wir
erhalten wollen, dienen nicht dem unmittelbaren Nutzen
des hart schaffenden Volkes, sondern zunächst der Augen-
weide und dem geistigen Genuß einer kleinern Zahl von
Empfindsamen". Das ist kritisch, vielleicht skeptisch gedacht.
Aber man mag zur Denkmalpflege stehen, wie man will,
selbst wer sie in Verkennung der Tatsachen als spiele-
risches Ästhetentum oder als eine Bewegung der Roman-
tik und der Sentimentalität, als eine Modesirömung an-
sehen möchte, die sich überlebt, hier wird er zugeben
müssen: die Pflege der kirchlichen Denkmäler ist Dienst
am Volk, ist lebensvolle Betätigung auf dem Gebiete
I. Kirchliche Denkmäler ioy
des Guten und Schönen, die nur dann sterben wird,
wenn Religion und Pietät schwinden.
Die Kirche hat, nebenbei bemerkt, sogar profanen
Denkmälern als Schutz gedient. Was wäre z. B. aus der
Porta nigra in Trier geworden, wenn sie nicht fast 1000
Jahre lang als christliche Kirche benutzt worden wäre.
„Verbindung der Kunstwerke mit der Kirche ist eines
der sichersten Mittel der Denkmalpflege. Vielleicht wird
nach 1000 Jahren von dem, was die Kirche an Kunst-
werken besitzt, mehr übrig sein als von allen Schätzen
unserer großen Museen" (Beiffel, „Stimmen aus Maria-
Laach" 6l, I2y).
2. Verluste und Gefahren
Der Kirche, der ältesten Kultutträgerin und reichsten
Hüterin von Denkmalschätzen, sind im Laufe der Jahr-
hunderte viele Wunden geschlagen worden. Wir haben
die Verluste, die sie schließlich noch durch die Säkulari-
sation erlitten hat, im einleitenden Kapitel angedeutet.
Und dabei kommen nicht nur die dort erwähnten Akte
brutaler Zerstörung in Betracht, wie viele kirchliche Bau-
denkmale haben allein schon dadurch gelitten, daß man
ihnen die Lebei^adern unterband; wie viele Kirchen sind
allein infolge des Umstandes, daß sie aufgehört haben,
Klosterkirchen zu sein, dem Verfall preisgegeben und
können heute nur mit außerordentlichen Aufwendungen
einigermaßen erhalten werden.
Drei Beispiele aus dem Trierer Lande für Hunderte aus den weiten
deutschen Gauen.
Bei Trier steht die geschichtlich und kunstgeschichtlich sehr bemerkens-
werte Kirche der Benediktinerabtei St. Matthias, in religiöser Hinsicht
besonders dadurch hervorragend, daß sie das einzige Apostelgrab nördlich
der Alpen in ihren Mauern birgt. Die heute bestehende Basilika ist
noch dieselbe, die im Jahre 114g von Papst Eugen III. eingeweiht
wurde, welcher Feier auch der hl. Bernhard beiwohnte. Die Abtei ist
iio Viertes Kapitel: Staat und Kirche
1802 aufgehoben worden. Die Abtei- und Wirtschaftsgebäude mit dem
ausgedehnten Grundbesitz wurden versteigert und gingen in Privat-
hände über. Die Kirche dient seitdem als Pfarrkirche. Die Gemeinde
ist nach Trennung des Gotteshauses von dem produktiven Teile der
Klosteranlage nicht imstande gewesen, für eine entsprechende bauliche
Erhaltung der gewaltigen Kirche zu sorgen. Was in frühern Jahr-
hunderten bei dem Bestehen der klösterlichen Genossenschaft ohne
weiteres gewährleistet war, eine ausreichende Pflege des Baudenkmals,
das muß heute im Wege einer überaus kostspieligen Restauration nach-
geholt werden. Die Kirche, alljährlich das Ziel Tausender frommer
Wallfahrer, befindet sich gegenwärtig in einem beklagenswerten Zu-
stande. Um nur die allerdringlichsten Sicherungsarbeiten vornehmen
zu können, werden mindestens 150 000 M aufgewendet werden müssen.
Zu diesen Kosten tragen bei die Rheinprovinz 50 000 und die Staats-
regierung 40000 M; der Rest soll teils durch die Pfarrangehörigen,
teils durch milde Gaben, teils auf anderm Wege aufgebracht werden.
Die vollständige Wiederherstellung soll über eine halbe Million Mark
Kosten verursachen, wahrscheinlich noch weit mehr, da die nunmehr
aufgenommenen Herstellungsarbeiten den Umfang der Schäden immer
größer erscheinen lassen.
Das andere Beispiel betrifft „die einzige mittelalterliche Kloster-
anlage auf dem Hunsrück" (Dehio IV 327). Zwischen Simmern und
Gemünden, nicht weit vom Soonwalde (so entnehmen wir einem Bericht
in der „Trierischen Landeszeitung" vom 23. April 1914), liegt das
Pfarrdorf Ravengiersburg mit seiner monumentalen Pfarrkiche, „Huns-
rücker Dom" genannt. Es ist eine Augustinerklosterkirche, die aus der
Mitte des 12. Jahrhunderts stammt. Die Kirche besitzt zwei mächtige
Türme, einen Kreuzweg und viele künstlerisch bedeutsame Denkmäler
aus alter Zeit. Sie ist auch geschichtlich höchst beachtenswert. In frühern
Jahrhunderten sah die Abtei mächtige Fürsten als Gäste, u. a. weilte
hier der Büßer von Kanossa, Kaiser Heinrich. Mehrere Male zerstört,
wurden Kirche, Kreuzweg und Kloster immer wieder aufgebaut. Eine
künstlerisch bedeutende Arbeit ist der Hochaltar, erbaut 1722. Auch die
Kommunionbank, Beichtstuhl, Kanzel, Empore und Orgelgehäuse sind
wertvolle Stücke, die über die gewöhnlichen Arbeiten damaliger Zeit
weit hinausragen. In den letzten Jahren zeigen sich leider deutliche
Spuren von Verfall trotz der wiederholten Reparaturen und ver-
schiedener, zuletzt noch in den Jahren 1905 bis 1907 vorgenommenen
Sicherungsarbeiten (vgl. hierzu auch „Mitteilungen des Rheinischen
Vereins" III 186 f). Soll nun dieses imposante Gotteshaus vor dem
Verfall bewahrt bleiben, dann muß so bald als möglich eine großzügige
III
I. Kirchliche Denkmäler
Renovierung vorgenommen werden. Nach der Schätzung Sachverstän-
diger sind mindestens 120 000 M erforderlich. Bereits im Herbst 1913
weigerten sich die Dachdecker, das Dach zu besteigen. Die Turmhelme
sind in Bewegung, der Verputz im Innern der Kirche fällt ab, der
herrliche Kreuzweg ist nur noch eine Ruine, einzelne Fenster sind ganz
oder halb vermauert, es mangelt jede Ventilation. Der neugegründete
Dombauverein steht vor einer Aufgabe, der er auch nicht im entferntesten
gewachsen ist. Die Kgl. Regierung hat bereits voriges Jahr eine Kollekte
bewilligt und dadurch ihr Interesse an der Erhaltung dieses stummen
Zeugen einer tausendjährigen Geschichte aufs neue bewiesen. Hoffent-
lich gelingt es bald, die erforderlichen Mittel aufzubringen, damit die
Klosterkirche Ravengiersburg als ein Denkmal alter rheinischer Bau-
weise erhalten bleibt.
In und bei Trier gab es bis zur Säkularisation drei Frauenklöster
des Zisterzienserordens. Eines in der Stadt Trier selbst, das Kloster
zu St. Annen; seit der Aufhebung hat sich in den Resten der Anlage
die Freimaurerloge eingerichtet. Ein anderes zu Machern an der Mosel,
nicht weit von Zeltingen; es gehört heute zu einem Weingute. Das
dritte adelige Frauenklosier war St. Thomas im lieblichen Kylltale in
der Nähe von Kyllburg. Wir haben es hier mit der Geschichte der 1171
gegründeten Ordensgenossenschaft, in die meistens Töchter adeliger
Familien der Eifel eintraten und über deren Disziplin bis zum Schluß
keine sonderlichen Klagen vorgelegen haben (vgl. Marx, Geschichte des
Erzsiifts Trier III 581), nicht zu tun. Uns interessiert hier die 1225
eingeweihte Klosterkirche, über welche wir bei Dehio (IV 351) lesen:
„Die bekannte Einfachheit der zisierziensischen Formensprache nimmt
hier die Charakternuance des Rauhen und Trotzigen an. Wie sie dabei
immer künstlerisch bleibt, dafür ist St. Thomas ein ausgezeichnetes
Beispiel. Nur Zisterzienser vermochten einem verhältnismäßig so
kleinen Gebäude so viel Zwingendes in der Erscheinung, so viel Ernst
und Wucht zu geben." Als mit dem Beginne des 19. Jahrhunderts
auch dieses Kloster seiner Zweckbestimmung entfremdet wurde, begann
für die Architektur eine Zeit kümmerlichen Vegetierens. Die zwischen
Wäldern und Wiesen wundervoll gelegenen Gebäude wurden als
Demeritenhaus benutzt. Für die Erhaltung der Kirche, die (nach Franz
Bock, Kyllburg und seine kirchlichen Bauwerke des Mittelalters 92)
„zu den hervorragendsten spätromanischen Bauwerken der Diözese Trier
gehört", und die auch heute noch eine große Zahl wohlbehaltener schöner
und interessanter Grabsteine von Äbtissinnen und andern Persönlich-
keiten aus der Geschichte des Klosters birgt, geschah nur das Allernot-
wendigste, um sie vor dem Verfalle zu bewahren. Die an die Sakristei
112
Viertes Kapitel: Staat und Kirche
anstoßende ursprüngliche Kapelle wurde gar wegen ihrer Baufällig-
keit im Jahre 1885 auf polizeilichen Befehl abgerissen, obwohl sie wegen
ihres hohen Alters und ihres kunsthistorischen Interesses der Erhaltung
wohl wert gewesen wäre (vgl. Dominikus Ed. Junges, St. Thomas
an der Kyll, Trier 1904, 47). In den letzten Jahren sind einige
Franziskanerpatres in St. Thomas eingezogen und haben dort zur
Freude der Umgegend eine Niederlassung begründet. Die Kloster-
gebäude sind sauber wiederhergestellt, und auch die Kirche wird kunst-
sinnig, wenn auch mit bescheidenen Mitteln, instand gesetzt. Wie ein
Rosenstock, der verdorrt schien und der nun aufs neue treibt und blüht,
so mutet es den Besucher an. Und wenn Laurentius („Stimmen aus
Maria-Laach" 6i, 274) die Neubesiedelung verödeter Kunststätten als
ein großes Stück Denkmalerhaltung bezeichnet, hier fühlen wir die
Wahrheit dieses Wortes.
Eine besondere Gefahr für die beweglichen kirch-
lichen Denkmäler besteht in der Veräußerung an Anti-
quitätenhändler und Sammler, eine Gefahr, die um
so größer wird, je wütiger gesammelt wird und je höher
die Preise steigen und je mehr das Ausland seine Hand
im Spiele hat. Infolge mangelnden Verständnisses für
den Wert werden von den Kirchengemeinden oftmals
Kunstgegensiände verschleudert, die unter allen Um-
ständen dem kirchlichen Besitz hätten erhalten werden
müssen. Die Triebfeder ist häufig nur ein von der ver-
ständigen Kunstanschauung völlig aufgegebener Puris-
mus, der falsche Drang nach Stilreinheit und Stil-
einheit, der die Entfernung von ehrwürdigen und künst-
lerisch wertvollen Gegenständen anderer Stilart ver-
anlaßt, z. B. eines Barockaltars, einer Rokokoorgel, eines
Rokokobeichtstuhls — gerade an solchen gibt es wunder-
volle Stücke — aus einer gotischen Kirche oder eines
spätgotischen Chorgesiühls aus einer romanisch gebauten
Kirche, wofür dann Ersatz beschafft wird durch irgendein
„stilgerechtes" Erzeugnis einer Fabrik für kirchliche Kunst.
Unsere Kirchen sind doch nicht dazu da, kirchlichen Kunst-
anstalten ein möglichst großes Absatzgebiet zu verschaffen;
I. Kirchliche Denkmäler uz
vielmehr, was die Vorfahren im Geiste und Geschmack
ihrer Zeit würdig und schön geschaffen, das sollen die
nachfolgenden Geschlechter bewahren und in Ehren halten;
unsere Gotteshäuser sollen vor allem — im Sinne der
Kirche selbst — pietätvoller Tradition dienen. Auch das
ist Geist vom Geist der Denkmalpflege. Gerade dem
Zusammenklang des Kunstschaffens aller Generationen
an einem Gotteshause hat es Georg Hager abgelauscht,
wenn er am Schluffe seines Essays über das Münster
auf Frauenwörth im Chiemsee sagt: „So hat jedes Jahr-
hundert an dem Münster seine Spur zurückgelassen, und
ein Gang durch das Münster wird zu einem Gang durch
seine Geschichte. Wir gedenken der Geschlechter der
Menschen, die da ein- und austraten, verschieden in
Sinnesart und Gewandung, wie's die Zeiten mit sich
brachten. Mit ihnen wandelte sich das Aussehen des
Gotteshauses. Darum ist es mir immer ein erhebendes
Gefühl, wenn ich in eine alte Kirche trete, die ihre all-
mählich erwachsene Einrichtung und Zier bewahrt hat;
eine eigne Freude gewährt es, zu sehen, wie das alles
im Laufe der Jahrhunderte geworden ist, geworden aus
dem Bedürfnis des Menschenherzens heraus, die Woh-
nung des Allerhöchsten, die Stätte innerer Einkehr und
Erhebung nach Kräften zu zieren und zu schmücken. Und
sind's auch manchmal künstlerisch unbedeutende Dinge,
im Zusammenhange mit dem übrigen haben sie doch
ihren wohlverdienten Platz und runden das Bild des
Ganzen ab" (Hager, Heimatkunst usw. iz).
In diesem Zusammenhange leuchtet es ganz besonders
ein, wie wertvoll eine genaue Inventarisierung aller
Kunstdenkmäler und wie nützlich das Institut des Kon-
servators, insbesondere die durch die Einrichtung von
Provinzialkonservatoren geschaffene Dezentralisation dieses
Instituts ist.
K n e e r, Denkmalpflege
8
ii4 Viertes Kapitel: Staat und Kirche
Eine Parenthese: Wir haben in kirchlichen Dingen
lange unter einer Überschätzung des gotischen Stiles ge-
litten. Wir leiden noch heute darunter. Und doch hat
es lange Zeit nur einen wahrhaft „katholischen Stil"
gegeben: das Barock. Und wer wollte heute leugnen,
daß wenn eine Epoche, dann die — wohl als „verwilderte
Renaissance" verlästerte — Barockkunst religiösem Hoch-
siug sich anschmiegende Formen zu finden gewußt hat.
Wenn kirchliche Kunstgegensiände in ein Diözesan-
museum oder eine ähnliche Sammlung gelangen, so wird
fich das noch am ehesten rechtfertigen lassen. Wir haben
das schon im vorigen Kapitel erörtert. Aber wohin wandern
oft solche Sachen? Sah man doch jüngst in einem illu-
strierten Blatt das Boudoir einer bekannten Film-
schauspielerin abgebildet, in dem zwischen allerhand dem
Geschmacke der Besitzerin entsprechenden Antiquitäten
ein Iesukind von irgendeinem Barockaltar prangte.
Stimmungsvoll! So ein Milieu müßte der sehen, der
aus der heimischen Kirche die Statue verschachert hat,
sofern es sich nicht schon um eine Frucht der Säkularisation
oder einer ähnlichen gewaltsamen Zweckentfremdung
handelt. Zuweilen beschreibt das Schicksal kirchlicher
Denkmäler aber auch einen merkwürdigen Kreislauf.
Einen köstlichen Fall dieser Art — zugleich ein klassisches
Beispiel vom Wandel der Anschauungen innerhalb einer
verhältnismäßig kurzen Zeit — bietet nachstehende Mit-
teilung, die der „Kölnischen Volkszeitung" entnommen ist.
Wiedergefundenes wertvolles Chorgestühl. Essen, 12. Februar 1914.
In der hiesigen Münsterkirche ist in den 80er Jahren des vorigen Jahr-
hunderts ein ans dem Jahre 1766 stammendes prächtiges Rokoko-Chor-
gesiühl durch ein gotisches ersetzt und das erstere im Jahre 1888 dem
Kaiser Friedrich vom Kirchenvorstand jum Geschenk gemacht worden.
Kaiser Friedrich hat das Chorgestühl leider nicht mehr zu Gesicht be-
kommen, da er in den letzten Zügen lag, als das Gestühl in Berlin ein-
traf. Wiederholte Nachforschungen über den Verbleib des Gestühls
I. Kirchliche Denkmäler uz
waren erfolglos. Den unablässigen Bemühungen des Oberbürger-
meisters Holle ist es nun kürzlich mit HUfe eines Altertumsfteundes, des
Rittmeisters a. D. Leinhas, gelungen, den Aufenthaltsott des Chor-
gestühls zu entdecken. Das Gestühl war nach dem Tode des Kaisers
Friedrich von Berlin nach Schloß Kronberg im Taunus verschickt worden,
dort aber nicht zur Aufstellung gelangt, sondern in einem Magazin bei-
seite gestellt. Prinz Friedrich Karl von Hessen und seine Gemahlin
haben auf die Mitteilung, daß das Chorgestühl aus der Essener Münster-
kirche stamme und die Wiederaufstellung an seiner frühern Stelle gern
gesehen werde, sogleich angeordnet, deß das Gestühl der Münsterkirche
zurückgegeben werde. Das Chorgestühl ist vor einigen Tagen hier ein-
getroffen und vorläufig in der nördlichen Vorhalle der Münsterkirche
aufgestellt. Es bedarf natürlich einer gründlichen Restauration und
wird danach zur Freude der Gemeinde und der hiesigen Kunstfteunde
wieder an seiner frühern Stelle aufgestellt werden.
Habent sua fata monumenta. —
Wie manche Kirche hat auch dadurch verloren, daß
man ihr einen neuen „stilgerechten" Turm aufgesetzt hat.
Ein unerfreuliches Beispiel dieser Art ist der Trierer
Dom (s. das Titelbild), bei dem man zwei schöne Barock-
türme durch ein paar nichtssagende, obendrein stilwidrige
Helme gotischer Form ersetzt hat. Ähnlicher Beispiele
gibt es eine lange Reihe. „Gerade vom Kirchturm aber
wird das Heimatgefühl immer verlangen, daß er wo-
möglich unverändert bleibe, ob schön oder nicht, weil ihn
die Liebe zur Heimat ganz besonders hegt. Er ist das
altüberlieferte, von Jugend auf gewohnte Wahrzeichen
des Ortes für weit hinaus. Von ihm ganz besonders
gilt, daß das Denkmal etwas Bleibendes sein soll, während
der Geschmack wechselt" (Gradmann, Anweisungen 22).
Und wenn man durch die deutschen Gauen wandelt, ist
nicht die Fülle von mannigfaltigen Kirchtürmen, die in
Stadt und Dorf an unserm Blick vorüberzieht, aus allen
möglichen Kunstepochen und in allen möglichen Stilen
und Spielarten, wie eine Galerie von Charakterköpfen?
Auch bei der Anschaffung neuer Glocken wird oft
8*
n6 Viertes Kapitel: Staat und Kirche
gegen den Geist der Denkmalpflege gesündigt, indem die
alten in Zahlung gegeben und eingeschmolzen werden,
so daß der Bestand alter Glocken sich beständig vermindert,
„Das ist — so hebt ein Erlaß des Trierer Generalvikariats
vom 16. August 1908 (Weber, Nachtrag 158) trefflich
hervor — nicht bloß im Interesse der Altertumsforschung
zu bedauern, mit den alten Glocken schwindet vielmehr
ein altes Familienstück der Gemeinde, auf dessen Ruf
vielleicht viele Geschlechter für den gemeinsamen Gottes-
dienst wie auch für bedeutsame Ereignisse des Familien-
lebens gehorcht haben und an welches alle gewöhnt
waren. Bei einer so alten Diözese wie die trierische, ist
die Erhaltung jedes alten Bestandes an Kirchen, Kirchen-
einrichtungen und Geräten von besonderer Wichtigkeit,
sie führt uns den unveränderten Glauben und das reli-
giöse Leben gerade der einzelnen Gemeinden seit Jahr-
hunderten unmittelbar vor Augen und Sinn."
Zu den Stiefkindern kirchlicher Denkmalpflege ge-
hören die Grabmäler, die als Trittstufen oder Boden-
belag verwendet dem Verfalle preisgegeben werden, ob-
wohl sie oft die einzigen Denkmale einer für die Ge-
schichte der Kirche bedeutsamen Familie oder hervor-
ragenden Persönlichkeit darstellen und vielfach auch kunst-
geschichtlich sehr wertvoll sind. Ihre Vernachlässigung ist
auch ein Akt der Pietätlosigkeit gegenüber den Stiftern.
(Vgl. auch die schönen Ausführungen von Friedrich Frhrn.
v. Gaisberg-Schöckingen in den Mitteilungen des „Bundes
für Heimatschutz in Württemberg und Hohenzollern",
März 1914, 10 f.) Und doch können sie leicht als Zierde
der Kirchenwand oder einer sonstigen passenden Stelle
dienen (s. auch der „Pionier" I 88).
Ebenfalls ein wichtiges, aber auch betrübliches Kapitel
in der Geschichte der Denkmalpflege bilden die Glas-
malereien.
II. Der Staat und die Erhaltung der kirchlichen Denkmäler 117
Und die berüchtigten Freilegungen, durch die manche
Kirchen eines ihrer wertvollsten Bestandteile beraubt
worden sind: ihrer Umgebung.
Doch genug. Das Thema ist unerschöpflich. Wir wollen
uns aber von dem unerfreulichen Bilde lieber der Be-
trachtung dessen zuwenden, was in unserm Zeitalter für
die Pflege der kirchlichen Denkmäler in Staat und Kirche
geschieht.
II. Der Staat und die Erhaltung der kirchlichen
Denkmäler
i. Vorbemerkung
Der rechtliche Standpunkt, den der Staat gegenüber
kirchlichen Denkmälern, sofern sie nicht in seinem eignen
Besitz sind, einnimmt, ist verschieden, je nachdem dieselben
im Besitze der Kirche selbst verblieben sind oder sich im Besitze
Dritter, insbesondere von Privatpersonen befinden. Mit
dem letztern Falle werden wir uns im nächsten Kapitel
noch zu beschäftigen haben.
Die kirchlichen Denkmäler imBesitzedesStaa-
t e s unterliegen seiner Fürsorge in gleichem Maße wie
alle Denkmäler, die Staatseigentum sind. Es kommen
hier namentlich die Denkmäler in Betracht, die zufolge
der Säkularisation in das Eigentum des Staates gelangt
sind. In dieser Hinsicht verdient für Preußen bemerkt
zu werden eine Zirkularverfügung vom 6. April 1819,
in der es heißt:
Beim Finanzministerium ist die sorgfältigere Erhaltung zur Sprache
gekommen, welche diejenigen als Denkmäler der Vorzeit und Kunst
ehrwürdigen alten Schloß-, Stifts- und Klostergebäude verdienen,
die nicht zu gottesdienstlichen Zwecken beibehalten sind, um zu verhüten,
daß solche nicht veräußert und demnächst abgerissen werden oder sonst
aus Mangel an Aufsicht verfallen. Die Königliche Regierung wird zur
baldigen Anzeige aufgefordert, ob in Ihrem Verwaltungsbezirk Ver-
1x3 Viertes Kapitel: Staat und Kirche
äußeruligen von dergleichen Gebäuden etwa schon vorgekommen sind
und welche? Warum man bei den Lizitationen solche Denkwürdigkeiten
dem Besitz des Staates nicht vorbehalten oder doch den Erwerbern
ihre Erhaltung auf eigne Kosten zur Pflicht gemacht hat; endlich ob
schon Zerstörungen derselben stattgefunden haben oder noch zu be-
sorgen sind, und welche Maßregeln dagegen zu nehmen sein möchten.
Bei den fernern Veräußerungen aber hat die Königliche Regierung
durchaus darauf zu sehen, daß dergleichen Gegenstände dem Staate
verbleiben und deshalb in zweifelhaften Fällen jedesmal vor der öffent-
lichen Ausstellung derselben anzufragen. Übrigens wird die Königliche
Regierung angewiesen, alle dergleichen Denkmäler, welche mit solchen
Domanialbesitzungen zusammenhängen, deren Veräußerung im Plane
liegt, sorgfältig verzeichnen und die zu ihrer Unterhaltung jetzt gleich
und künftig alle Jahre erforderlichen Kosten summarisch ermitteln zu
lassen.
2. Die Denkmäler im Besitze der Kirche
Eine besondere Betrachtung fordert die Rechtslage
der Denkmäler, die sich i m B e s i tz e d e r Kirche selbst
befinden.
Es ist hier zunächst zu bemerken, daß die Materie
reichsrechtlich nicht geregelt ist; die Regelung ist vielmehr
Sache der Einzelstaaten, wie wir noch im V. Kapitel
erörtern werden.
a) Preußen
Auch an dieser Stelle ist auf die Schriften und Vorträge von
Clemev, Bredt usw., in erster Linie aber auf das Werk von
L e z i u s, Denkmalpflege in Preußen (1908), zu verweisen.
Wenn wir uns zunächst zu dem größten deutschen
Bundesstaat, Preußen, wenden, so müssen wir von
einer allgemeinen Erwägung ausgehen.
Wir haben bereits zu Eingang des vorigen Kapitels
erörtert, daß in dem allgemeinen Berufe des Staates
zur Pflege von Kunst und Wissenschaft auch das Recht
und die Pflicht enthalten ist, für die Erhaltung der natio-
nalen Denkmäler zu sorgen. Dieses staatliche Hoheitsrecht
der Denkmalpflege erstreckt sich nun nach der Auffassung
II. Der Staat und die Erhaltung der kirchlichen Denkmäler iiy
des Staates nicht nur auf die im Eigentum des Staates
selbst stehenden Denkmäler, sondern auf alle Denkmäler,
welche sich im Eigentum von Korporationen des öffent-
lichen Rechtes befinden, also — außer dem Staate — der
Provinzen, der Stadt- und Landgemeinden, der Kirchen-
gemeinden, öffentlichen Stiftungen usw. „Innerhalb
des Staates, der umfassendsten Korporation des öffent-
lichen Rechtes und zugleich des Ausgangspunktes aller
Machtbefugnisse, die sich auf untergeordnete Gliederungen
im Staatsorganismus übertragen, leben — so führt
Lezius (S. 14 s) ans — kleinere Zweckverbände öffentlichen
Rechtes, welche entsprechend den ihnen obliegenden
Aufgaben berufen sind, öffentliche Verwaltung zu führen.
Trotz der besondern Zwecke, welche sie ihrer Entstehung
und ihrem Wesen nach zu erfüllen haben, bleiben sie doch
Glieder im Bereiche des Staatswesens, die als dessen
Schöpfungen und mit dessen Existenz auf Tod und Leben
verbundene Erscheinungen im letzten Ende doch zugleich
auch den Staatszweck zu fördern haben. Daher sind sie
auf der einen Seite mit Privilegien ausgestattet, was
ihnen gegenüber den Einzelindividuen und den juristi-
schen Personen des Zivilrechts eine bevorzugte Stellung
im Staatsleben anweist. Auf der andern Seite ergibt
ihre besondere Abhängigkeit von dem Staate, daß sie
in gewissen Beziehungen nicht ebenso frei und selbständig
sind wie Privatpersonen, sondern sich den führenden
Gedanken unterzuordnen haben, welche die rechte Er-
kenntnis von dem Wesen des Staates als zu seinen Auf-
gaben gehörig betrachtet. Insofern ist das Vermögen
der öffentlichen Korporationen öffentlicher Besitz, der dazu
bestimmt ist, einen Gegenstand der von der Korporation
geführten öffentlichen Verwaltung auszumachen. Aus
dieser Eigenschaft in Verbindung mit der Stellung der
öffentlichen Korporationen im Staatsorganismus recht-
120
Viertes Kapitel: Staat und Kirche
fertigt sich die Besonderheit, daß der öffentliche Besitz-
stand im Gegensatz zu dem unbeschränkt freien Eigentum
der Privatpersonen den im öffentlichen Interesse ergan-
genen und die völlige Verfügungsfreiheit einschränkenden
Bestimmungen unterworfen ist."
Dieser so begründete Rechtsstandpunkt wird mit aller
Deutlichkeit bereits in einer Zirkularverfügung des
Kultusministers vom 19. August 1837, betr. Beaufsichti-
gung und Erhaltung der Kunstdenkmäler, vertreten:
Das Ministerium sieht sich veranlaßt, mit Bezugnahme auf die
früher wegen Beaufsichtigung und Erhaltung der Kunstdenkmäler er-
lassenen Verfügungen die Königliche Regierung anzuweisen, an die
Vorstände der ihrer Oberaufsicht untergebenen öffentlichen Anstalten,
namentlich der etwa vorhandenen städtischen Sammlungen, der Kirchen
usw. auf das gemessenste zu verfügen:
1. daß sie an den ihrer Aufsicht untergebenen Kunstsachen, wie
z. B. architektonischen Denkmälern, Kirchengemälden, gemalten
Glasfenstern usw. Reinigungen und Restaurationen ohne Ge-
nehmigung der Königlichen Regierung nicht vornehmen;
2. daß nichts von diesen Kunsisachen ohne Genehmigung der
Königlichen Regierung auf irgendeine Art veräußert werde.
Was die Restauration betrifft, so hat die Königliche Regierung sich
vorher zu überzeugen, daß sie an sich erforderlich und zweckmäßig sei
und geschickten Händen anvertraut werde, die Genehmigung zur Ver-
äußerung unter sonst angemessenen Bedingungen aber nur dann zu
erteilen, wenn das zu veräußernde Stück an eine andere vaterländische
öffentliche Anstalt, sei cs Kirche oder Provinzial- oder städtisches Museum,
Sammlung usw. übergehen soll, Anträge auf den Verkauf an Pri-
vaten abzuweisen und, wo besondere Umstände die Berücksichtigung
derselben empfehlen möchten, dazu jedesmal die Genehmigung des
Ministeriums einzuholen.
Dieser Standpunkt ist ständig eingenommen und
in allen folgenden Verfügungen festgehalten worden.
Roch neuerdings hebt ein Erlaß des Kultusministers
vom 27. Mai 190z, betr. die Wahrnehmung von Inter-
essen der Denkmalpflege bei Kirchenbauten in der Pro-
vinz Hannover, hervor:
II. Der Staat und die Erhaltung der kirchlichen Denkmäler 121
Die staatliche Denkmalpflege kann nur von Staatsbehörden wahr-
genommen werden. Die dortige Annahme, daß in der Provinz Hannover
die Aufsicht über die Denkmalpflege, soweit es sich um kirchliche Denk-
mäler handelt, in der Provinzialinstanz lediglich zur Zuständigkeit
der Konsistorien gehöre, kann mithin als zutreffend nicht erachtet wer-
den........Dagegen lege ich Wert darauf, daß die kirchlichen Aufsichts-
behörden bei der Denkmalpflege mitwirken und die kirchlichen Interessen
in jeder Beziehung wahrnehmen. Um ihnen hierzu Gelegenheit zu
geben, erscheint es ratsam, die Beteiligten dahin zu verständigen, daß
die nach der Rundverfügung vom 24. Januar 1844 vorgeschriebene
Anzeige durch die Vermittlung des Konsistoriums dem Regierungsprä-
sidenten zu erstatten ist...Im übrigen erachte ich es für selbstver-
ständlich, daß die beteiligten staatlichen und kirchlichen Behörden im
Interesse der Sache bestrebt sein werden, in allen Fällen ein gegenseiti-
ges Einvernehmen zu erzielen und dies als unerläßliche Voraussetzung
einer gedeihlichen Wirksamkeit auf dem Gebiete der Denkmalpflege
betrachten.
Dieses staatliche Denkmalpfiegerecht findet nun sein
Ende in dem Augenblick, wo ein Denkmal aus dem Be-
sitz einer öffentlich-rechtlichen Korporation herauskommt.
Gelangt ein Gegenstand aus dem Eigentum der Kirche
z. B. in Privatbesitz, so ist es dem Machtbereiche des
Staates entzogen. Um dem vorzubeugen, hat der Staat
schon in der Mitte des vorigen Jahrhunderts im Wege der
Gesetzgebung gewisse Veräußerungsverbote erlassen, zu-
nächst den politischen Gemeinden gegenüber. So ist in
der Städteordnung für die sechs östlichen Provinzen
vom Z0. Mai 1853 im § 50 bestimmt, daß die Geneh-
migung des Bezirksausschusses bzw. des Regierungspräsi-
denten erforderlich ist „zur Veräußerung oder wesent-
lichen Veränderung von Sachen, welche einen besondern
wissenschaftlichen, historischen oder Kunstwert haben, na-
mentlich von Archiven". Gleichartige Bestimmungen
sind durchweg enthalten in den übrigen Städte- und eini-
gen Landgemeindeordnungen, so z. B. im Rheinland
in der Städteordnung vom 15. Mai 1856 in 8 46 Ziff. 2,
und ähnlich in der Gemeindeordnung von 184z bzw.
122
Viertes Kapitel: Staat und Kirche
1856. Sodann in dem Gesetz über die Zuständigkeit
der Verwaltungs- und Verwaltungsgerichtsbehörden vom
i. August 1883, wo im 816 Abs. 1 für die Stadtgemeinden
und in § 30 Abs. i für die Landgemeinden bestimmt
ist: „Gemeindebeschlüsse über die Veräußerung oder
wesentliche Veränderung von Sachen, welche einen
besondern wissenschaftlichen, historischen oder Kunstwerk
haben, insbesondere von Archiven oder Teilen derselben,
unterliegen der Genehmigung des Regierungspräsident
ten." Das Gesetz macht dabei keinen Unterschied zwischen
beweglichen und unbeweglichen Sachen. Es fallen daher
unter diese Vorschrift nicht nur Bauwerke, sondern auch
Urkunden, Bücher, Register, Akten, Gemälde, Statuen,
Waffen, Goldschmiedearbeiten usw. Die Sorge für die
Erhaltung aller dieser Gegenstände liegt der Ortspolizei-
behörde im Zusammenwirken mit dem Konservator ob.
Es ist dabei zu beachten, daß unter Veräußerung nicht bloß
die Eigentumsübertragung an einen Dritten zu ver-
stehen ist, sondern auch jede Entäußerung im Wege der
Vernichtung und Dereliktion. Der Unterschied zwischen
Veränderung und Veräußerung ist darin zu erblicken,
daß bei der Veränderung die Substanz erhalten und ihr
nur eine andere Gestalt gegeben wird, während die
Veräußerung den Verlust der Substanz im Ganzen oder
in Teilen bedeutet.
Beim Erlaß der Gesetze über die kirchliche Vermögens-
verwaltung in den 70er Jahren ist dieses Veräußerungs-
verbot nun auch auf den Denkmalbesitz der Kirche ausge-
gedehnt worden, allerdings, wie bekannt, unter starkem
Widerspruch. Das gesetzgeberische Vorgehen ist damit mo-
tiviert worden, daß in den Kirchen oft bedeutende Kunst-
schätze aufgehäuft seien, die mau in neuerer Zeit ohne
Wissen und gegen die Wünsche der Gemeinde zu ver-
äußern beginne. In Hildesheim sei beispielsweise ein
II. Der Staat und die Erhaltung drr kirchlichen Denkmäler 12z
alter mit Edelsteinen besetzter Teppich verschwunden.
An andern Orten habe man Kirchstühle und andere Schnitz-
werke von großem Kunsiwert veräußert. Eine Staats-
gesetzgebung, die überhaupt die Konservierung der Kunst-
schätze durch besondere Gesetze und Einrichtungen zu
ihrer Aufgabe gemacht habe, werde auch hier ein Zustim-
mungsrecht beanspruchen dürfen.
Die gesetzlichen Vorschriften, die damals beschlossen
worden sind, finden sich in
3) Gesetz über die Vermögensverwaltung
in den katholischen Kirchengemeinden vom
20. Juli 1875:
„8 50. Die Beschlüsse des Kirchenvorstandes und
der Gemeindevertretung bedürfen zu ihrer Gültig-
keit der Genehmigung der staatlichen Aufsichtsbehörde in
folgenden Fällen:
i..........
2. bei der Veräußerung von Gegenständen, welche
einen geschichtlichen, wissenschaftlichen oder Kunsi-
wert haben."
b) Gesetzüber die Aufsichtsrechte des Staa-
tes bei der Vermögensverwaltung in den
katholischen Diözesen vom 7. Juni 1876:
„8 2. Die verwaltenden Organe bedürfen der Ge-
nehmigung der staatlichen Aufsichtsbehörde in nach-
stehenden Fällen:
1..........
2. zu der Veräußerung von Gegenständen, welche
einen geschichtlichen, wissenschaftlichen oder Kunsi-
wert haben."
Staatliche Aufsichtsbehörde im Sinne der vorstehenden
Gesetzesvorschriften ist der Minister der geistlichen An-
gelegenheiten, während zur Anordnung exekutorischer
Maßnahmen der Regierungspräsident und, insoweit es
i24 Viertes Kapitel: Staat und Kirche
sich nm Diözesen handelt, der Oberpräsident zuständig ist.
— Die Wirkung der mangelnden Genehmigung bei
Veräußerung ist die Nichtigkeit des Rechtsgeschäft es,
gemäß § 134 des Bürgerlichen Gesetzbuches, eine Rechts-
folge von bedeutender Tragweite, die lediglich aus einem
Veräußerungsverbot der kirchlichen Behörde wohl nicht
herzuleiten sein würde.
Die Rechtslage möge an einem Beispiel erläutert werden. In der
Kirche einer abgelegenen kleinen Pfarrgemeinde der Eifel standen
feit Jahrhunderten zwei Grabsteine von Rittern einer benachbarten
Burg. Auf diese Steine wurde eines Tages ein Wiesbadener Antiquar
aufmerksam. Der Antiquar bot der nichts weniger als wohlhabenden
Pfarrgemeinde schließlich 6ooo M. Die Gemeinde schlug zu. Die Summe
wurde bar bezahlt, und die mehrere Zentner schweren Steine wanderten
alsbald nach Wiesbaden. Kaum war die Kirche ihre kostbaren Schätze
los, da mußte sie zu ihrem Verdruß erfahren, daß sich aus den Steinen
noch viel mehr Gold hätte herausschlagen lassen. In dieser betrüblichen
Lage wandte man sich an die Behörde, die Regierung legte auf die —
ohne ihre Genehmigung veräußerten — Kunsidenkmäler ihre für-
sorgende Hand, der juristisch betrachtet nichtige Verkauf wurde rückgängig
gemacht, und die Steine — die von dem Wiesbadener Händler schon
weiterverkauft waren an einen reichen Industriellen, der mit den Grab-
steinen das Portal seiner Villa schmücken wollte — kamen in den Besitz
der Gemeinde zurück. Mit Genehmigung des Regierungspräsidenten
sind sie dann später für eine höhere Summe in anderweitigen Besitz
übergegangen, aber so, daß die Interessen der Denkmalpflege hinreichend
gewahrt sind. Die Pfarrgemeinde hat also dank dem energischen Ein-
greifen der staatlichen Behörde noch ein unverdientes Glück gehabt.
Die Denkmalpflege, die Allgemeinheit dagegen hat in solchen Fällen
vermöge der Nichtachtung der gesetzlichen Vorschriften leicht den dau-
ernden Verlust wertvoller Kunsidenkmäler zu beklagen.
Die Zwangsmittel, die gegeben sind, sind diejenigen,
die den Staatsorganen kraft des Gesetzes betreffend die
allgemeine Landesverwaltung auch für das kirchliche
Gebiet zustehen. Die Aufsichtsgesetze haben in dieser
Beziehung nur die Änderung gebracht, daß sie als Exe-
kutivmaßregel noch die Zwangsetatisierung hinzufügten.
Über die Tragweite der angeführten Gesetzesbestim-
II. Der Staat und die Erhaltung der kirchlichen Denkmäler 125
mungen herrscht Meinungsverschiedenheit, und zwar findet
diese ihren Ausgangspunkt in der verschiedenen Fassung
der auf die politischen Gemeinden einerseits und auf
die kirchlichen Gemeinden anderseits bezüglichen Vor-
schriften. Während bei den erstern die Genehmigung „zur
Veräußerung oder wesentlichen Veränderung" erforderlich
isi, ist bei den Kirchengemeinden nur von „Veräuße-
rung" die Rede. Im Hinblick auf diese Verschiedenheit
im Wortlaut erachtet die vorwiegende Meinung für
die Kirchengemeinden das Verbot der wesentlichen Ver-
änderung nicht als gegeben. Dies isi u. a. die Auffassung
von Bredt, eines der besten Kenner dieser Fragen,
und von Heyer, während Lezius in eingehenden Dar-
legungen den Standpunkt vertritt, daß trotz des nicht
übereinstimmenden Wortlautes ein wesentlicher materi-
eller Unterschied zwischen beiden Gesetzesvorschriften nickn
festzustellen sei. Bredt gibt auch gegenüber diesen Dar-
legungen seinen Standpunkt nicht auf, so gern er das,
wie er bemerkt, als Denknralfreund lese und sich freuen
würde, wenn diese Auffassung durchgesetzt werden könne.
Und in der Tat wird man sagen müssen: Mag es auch
die Absicht des Gesetzgebers gewesen sein, die Kirchenauf-
sichtsgesetze in den hier in Frage kommenden Paragraphen
den Städteordnungen und Gemeindeverfassungsgesetzen
nachzubilden, die Absicht ist nach der Fassung des Gesetzes
jedenfalls nicht verwirklicht worden, und daran wird man
um so mehr festhalten müssen, als die Motive keinen
ergänzenden Aufschluß geben.
Diese Streitfrage hat eine besondere Bedeutung
noch insofern, als das Verbot der „Veräußerung oder
wesentlichen Veränderung" nach der maßgebenden Recht-
sprechung des Oberverwaltungsgerichts (Entscheidungen
vom 22. Mai iyoZ, io. März 1905 und 19. Oktober 1906)
die positive Verpflichtung zur Erhaltung in sich schließt.
126 Viertes Kapitel: Staat und Kirche
Folgerichtig hält Lezius diese Rechtsprechung ) auch auf
die kirchlichen Denkmäler für anwendbar, während Bredt
und, ihm folgend, Heyer der Ansicht sind, daß Erhaltung
den Kirchengemeinden gegenüber nicht erzwingbar sei.
Clemen folgt hier der Ansicht von Lezius.
Wenn man wegen dieser beschränkter» Staatsaufsicht
den kirchlichen Kunsibesitz wohl als „die Achillesferse
der preußischen Gesetzgebung" bezeichnet hat, so dürfte
das doch zu weit gegangen sein. Man wird nicht verkennen
können, daß die Kunsidenkmäler im Besitze der Kirche
denn doch in anderer Hut sind als jene, die den politischen
Gemeinden überlassen sind oder sich gar im Privatbesitz
befinden.
Durch das Verunsialtungsgesetz von 1907 — auf das
wir im folgenden Kapitel noch eingehen werden — ist
ein weiterer Schutz auch für kirchliche Denkmäler insofern
geschaffen, als zwar nicht der Abbruch, wohl aber die
Verunstaltung von kirchlichen Bauten verhindert wer-
den kann; freilich muß ein bezügliches Ortsstatut erlassen
sein.
Neben den die rechtliche Seite der Frage betreffen-
den Erlassen gehen mannigfache Anweisungen für die
bautechnische Behandlung kirchlicher Denkmäler einher
(17. März 1854 betr. Erhaltung und Wiederherstellung
von Holzschnitt werken usw. in Kirchen, i. September
1884 betr. die Erhaltung der architektonischen Ausbil-
dung alter Fenster bei Anbringung neuer Glasmalereien,
ii. Dezember 1890 betr. die Ausführung von Restaurations-
arbeiten an kirchlichen Ausstattungsstücken und die Er-
haltung derselben in der Kirche, auch wenn ihre Kunst-
richtung verschiedenen Zeitepochen angehört usw.).
Über die Grundsätze, die seitens der staatlichen Denk-
malpflege den kirchlichen Organen als Richtschnur für die
Erhaltung alter Kunsidenkmäler in den Kirchen gegeben
II. Der Sraat und die Erhaltung der kirchlichen Denkmäler 127
sind, spricht sich in bemerkenswerter Weise die Zirkular-
verfügung des Kultusministers vom y. Oktober 1844
aus (abgedruckt bei Lezius 99), in der es heißt:
Daß ein kirchliches Gebäude, welches noch gegenwärtig seine Be-
stimmung für den Gottesdienst erfüllt, nicht ein Konservatorium für
Altertümer sein soll, bedarf an sich keiner Erörterung. Wohl aber ist
der Umstand zu berücksichtigen, daß die alten Gotteshäuser in ihrer
zumeist großartigen Ausdehnung Jahrhunderte hindurch Gelegenheit
gegeben haben, die Denkmäler des religiösen Sinnes verschiedener Ge-
schlechter in sich aufzunehmen, und daß es schon die Pietät gegen das
Andenken der Vorfahren zur Pflicht macht, diese Oenkzeichen, soviel es
angeht, zu bewahren. In den meisten Fällen wirken dieselben aber
auch, selbst wenn sie keinen ausgezeichneten Kunstwort besitzen, zur
Erbauung mit, indem die gegenwärtige, zum Gottesdienst versammelte
Gemeinde, indem sie sich in ihnen von Werken ihrer Vorfahren um-
geben sieht, zugleich an den frommen Sinn derselben erinnert wird.
Diese Denkzeichen sind es, die besonders dem geschichtlichen Leben der
Gemeinde eine stete Nahrung geben. Wirklich störend sind solche Denk-
mäler, falls sie nicht etwa einer sinnlosen Eitelkeit ihre Entstehung
verdanken, in der Tat nur selten, und wenn dies der Fall ist, so sind
sie es in der Regel nur durch ihre Stellung, so daß eine veränderte
Aufstellung oder sonstige Einrichtung den etwaigen Übelstand zumeist
völlig aufhebt. Bei einer Erneuerung des innern Zustandes der alten
Kirchen ist aber auch deshalb mit Schonung gegen die alten Denkmäler
zu verfahren, weil dabei jedesmal die Geschmacksrichtung des Augen-
blicks zu entscheiden pflegt, deren Billigung seitens künftiger Generationen
nicht immer vorauszusehen ist. Wir können gegenwärtig den vielen
Modernisierungen alter Kirchen, die in den Zeiten des Rokokogeschmacks
erfolgt sind und oft alles Alte beseitigt haben, so wenig mehr unsere
Zustimmung geben, wie den Restaurationen, die in neuerer Zeit in
der ersten Begeisterung für den gotischen Baustil unternommen wurden
und mehrfach ebenfalls Gelegenheit gaben, alles zu entfernen, was
nicht mit gewissen, aus dem Prinzip des gotischen Stiles abstrahierten
Schlußregeln übereinstimmen wollte, wie trefflich dasselbe auch unter
andern Gesichtspunkten erscheinen mochte, und wie wenig auch ab-
strakte Theorien für alle vorhandenen Einzelfälle passen. Es wird
somit im allgemeinen wesentlich auf Pietät und Schonung gegen die
alten Denkmäler und auf sinnvolle Beachtung der Umstände in jedem
besondern Fall ankommen, und es wird dabei, unter den im vorigen
angedeuteten Gesichtspunkten, die Gefahr einer künstlichen, der Natur
128 Viertes Kapitel: Staat und K.rche
der Verhältnisse widersprechenden Einrichtung auf keine Weise zu be-
fürchten sein. Übrigens ist es vor allem wünschenswert, daß die betreffen-
den Gemeinden, wenn sie selbst an die Restauration ihrer Gotteshäuser
gehen, durch freundliche Belehrung und Rat auf jene Gesichtspunkte
aufmerksam und in solcher Art zur selbständigen Beobachtung des rich-
tigsten und würdigsten Verfahrens geneigt gemacht werden, da die
Erfahrung zur Genüge gelehrt hat, daß hierdurch ungleich mehr und
Nachhaltigeres erreicht wird, als durch Befehle und Anordnungen von
seiten der Behörden.
b) Die übrigen Staaten
Was die übrigen Bundesstaaten anbelangt, so würde
es den engen Rahmen unseres Büchleins allzusehr über-
schreiten, wenn wir darauf im einzelnen eingehen wollten.
Wir können hier nur einiges Wenige hervorheben und
müssen im übrigen auf die Darstellung dieser Verhält-
nisse bei Heyer verweisen, sowie auf den ausgezeichneten
Vortrag von Bredt auf dem Halbersiädter Tage für Denk-
malpflege 1Y12 (S. 67 f) „über den gesetzlichen Schutz
der kirchlichen Kunstdenkmäler".
Wenn wir uns zunächst nach Süddeutschland wenden,
so sehen wir, daß im Königreich Bayern dem Staate
die weitgehendsten Befugnisse in Hinsicht der kirchlichen
Denkmäler gegeben sind. Die auf dem Konkordat, das
der Staat 1817 mit der Kurie abschloß, beruhende Gesetz-
gebung unterstellt das Kirchenvermögen der Kuratel des
Staates. Ohne die kuratelamtliche Genehmigung dürfen
danach Denkmäler im Besitze kirchlicher Gemeinden bzw.
Stiftungen weder veräußert noch beseitigt noch ver-
ändert werden. Zum Vollzüge der gesetzlichen Bestim-
mungen ist eine Reihe von Ministerialentschließungen
ergangen. Das Nähere findet sich bei Hartung 45 s,
„Recht und Verwaltung" 12z—128, Heyer 155—156,
Bredt 74. Hervorgehoben sei der Allerhöchste Erlaß
vom 29. Mai 1827, nach welchem sowohl die unbeweg-
lichen wie die beweglichen Denkmale von künstlerischem
II. Der Staat und die Erhaltung der kirchlichen Denkmäler 129
oder historischem Werte, soweit sie im Eigentum von kirch-
lichen Gemeinden und Stiftungen stehen, in bezug auf
Abbruch, Veräußerung, Veränderung oder Restauration
der Genehmigung der staatlichen Kuratelbehörden unter-
liegen. Aus neuerer Zeit kommt dazu in Betracht Art.
76 und 78 der Kirchengemeindeordnung vom 24. Sep-
tember IYI2.
Hervorgehoben sei an dieser Grelle eine vom General-
konservatorium entworfene Bekanntmachung, die dem
Verkauf kirchlicher Kunstwerke und Altertümer vorzubeugen
sucht, wegen der in ihr wiedergegebenen grundsätzlichen
Gesichtspunkte, die auf allgemeine Gültigkeit Anspruch
machen. Die Bekanntmachung wird von den Bezirks-
ämtern je nach den örtlichen Verhältnissen von Zeit zu
Zeit veröffentlicht; sie lautet:
Kirchenverwaltungen und Stiftungen bedürfen zur Abgabe oder
Veräußerung von Gegenständen, welche künstlerischen oder historischen
Wert haben, der Genehmigung der Kuratelbehörde. Als solche Gegen-
stände kommen nicht allein größere Einrichtungsgegensiände, wie Altäre
usw., Figuren, Gemälde, Grabsteine, in Betracht, sondern auch architek-
tonische oder ornamentale Reste von alten Einrichtungsgegenständen
(Altären, Kanzeln, Bet- und Beichtstühlen), die oftmals wieder geeignete
Verwendung finden könne», ferner alte Paramente, kirchliche Ge-
räte, wie Glocken, Monstranzen, Kelche, Meßkännchen, Leuchter, Ampeln,
alte Votivtafeln und Votivgaben (vor allem auch eiserne Figuren)
usw. Es macht keinen Unterschied, ob die Gegenstände noch in kirchlichem
Gebrauch find oder in Nebenräumen, auf dem Dachboden usw. aufbe,
wahrt werden, ob fie in gutem Zustande oder beschädigt sind. Bei der
fortwährend sich steigernden Nachfrage nach Antiquitäten im Handel
besitzen die alten kirchlichen Objekte heute vielfach einen ungeahnten
Wert. Ihre Veräußerung kann eine große Schädigung des Kirchenver-
mögens bedeuten, für welche die mit der Verwaltung dieses Vermögens
betrauten Organe haftbar zu machen sind. Cs werden daher alle Kirchen-
verwaltungen und Stiftungen unter Hinweis auf die bestehenden
Bestimmungen eindringlich darauf aufmerksam gemacht, alte Gegen-
stände ohne Genehmigung der Kuratelbehörde nicht abzugeben, zu
vertauschen oder zu verkaufen. Den Meßnern ist ausdrücklich jeder eigen-
Kneer, OenkM.r>pflege
9
i30 Viertes Kapitel: Staat und Kirche
mächtige Verkauf zu untersagen. Leicht wegnehmbare Stücke sind zu
befestigen und zu sichern. Ganz besonders zu hüten sind alte (mittel-
alterliche) Holzfiguren, die gegenwärtig im Handel sehr gesucht sind.
Jede Kirchenverwaltung sollte eine Ehre und einen Stolz darin setzen,
die von den Vorfahren zum Schmucke des Gotteshauses in frommem
Sinne beschafften Einrichtungsgegenstände, Kunstwerke und Grabsteine
zu erhalten und vor Beschädigung und Verschleuderung zu schützen.
Und rein materiell betrachtet, steckt in diesen Objekten ein Kapital, das
von Jahr zu Jahr an Wert steigt und daher im Interesse der Kirche
sorgfältig verwaltet werden muß.
In Württemberg und Baden liegen die Ver-
hältnisse ungefähr so wie in Bayern: der Staat hat das
Aufsichtsrecht über alle im Besitze öffentlich-rechtlicher
Personen befindlichen Denkmäler. In Württemberg
erfährt die Materie neuerdings eine besondere Regelung
im Wege der Denkmalschutzgesetzgebung, worauf wir
im nächsten Kapitel noch zurückkommen. Hier sei nur her-
vorgehoben, daß nach der Begründung zu dem Entwurf
vom ii. März 1914 auf eine Bestimmung, wonach die
Vertreter der öffentlichen Körperschaften und Stiftungen,
so auch der Kirche, im Versäumnisfall durch die Auf-
sichtsbehörde angehalten werden können, für die ord-
nungsmäßige Erhaltung und Wiederherstellung ihrer
Denkmäler zu sorgen, in der Erwartung verzichtet worden
ist, „daß das zunehmende Verantwortlichkeitsgefühl der
Beteiligten, die Einwirkungen auf dem Verwaltungs-
weg und die Gewährung von Staatsbeiträgen genügen
werden, um ernstere Verluste durch Nachlässigkeit zu ver-
hüten".
Im Großherzogtum Hessen waren vor Erlaß
der Denkmalschutzgesetze vom Jahre 1902 eine Reihe
von Vorschriften maßgebend, welche ans dem staatlichen
Oberaufsichtsrecht über das Vermögen der juristischen
Personen des öffentlichen Rechtes, insbesondere der Kirchen
und Gemeinden, entspringen und dem Staate mittelbar
III. Die Denkmalpflege der katholischen Kirche izi
eine Einflußnahme auf die Behandlung der Denkmäler,
die sich im Besitz jener juristischen Personen befinden,
gestatten. (Vgl. auch Die katholische Kirche im Großherzog-
tum Hessen. Die Gesetze für Kirche und Schule, gesammelt
und erläutert von Rechtsanwalt Carl I. Reidel, Pader-
born 1904.) Überholt ist dieses Material durch das Denkmal-
schutzgesetz von 1902, mit dem wir uns im nächsten Kapitel
zu beschäftigen haben.
Eine eingehende Würdigung des hessischen Denkmalschutzgesetzes
in Hinsicht auf die kirchlichen Denkmäler vom Standpunkte der katho-
lischen Kirche aus gibt Laurentius, „Stimmen aus Maria-Laach"
61, 280 f.
Was die norddeutschen Staaten anbelangt, so liegt
die Genehmigung bzw. Entscheidung bald in der Hand
der staatlichen Behörden (wie in Anhalt, Braunschweig,
Koburg-Gotha, Lippe-Detmold, Meiningen, Sachsen-
Altenburg, den beiden Schwarzburg und den drei Hanse-
städten), bald in Händen der vorgesetzten Kirchenbehörden
(wie in Mecklenburg-Schwerin, Reuß ä. L., Schaumburg-
Lippe und Waldeck). Bald finden wir Staatsgesetze,
bald Kirchengemeindeordnungen. Auf Einzelheiten ein-
zugehen, würde jedoch, wie gesagt, zu weit führen.
in. Die Denkmalpflege der katholischen Kirche
und ihr Verhältnis zur staatlichen Denkmalpflege
Für die vorliegende Materie kommen außer Clemen, Lezius
u. a. im besondern in Betracht die auf der Salzburger Tagung (1911)
von Prälat S w 0 b 0 d a und auf dem 12. Tage für Denkmalpflege
(Halberstadt 1912) gehaltenen Vorträge von Bredt, Wissemann
und Sauer über den „Gesetzlichen Schutz der kirchlichen Kunstdenk-
mäler", sodann die Abhandlungen von Betssel und Laurentius
in den „Stimmen aus Maria- Laach". Für die kirchenrechtliche Seite be-
ziehe ich mich im besondern auf das Kirchenvermögensrecht von Prof.
Dr. I. Marx in Trier.
Die Kirche, die trotz aller Verluste auch heute noch
als Besitzerin wertvoller Denkmäler der Geschichte und
9
rz2 Drittes Kapitel: Staat und Kirche
der Kunst in erster Reihe sieht, hat auch zur D en kmal-
st fl e g e stets ein inneres gesetzmäßiges Verhältnis
gehabt.
Die Denkmalpflege der Kirche überragt an Hoheit
des Gegenstandes und Ehrwürdigkeit der Geschichte
alle andern Erscheinungen dieser Art. Der kirchliche
Denkmalschutz geht bis in die Anfänge der Kirche zurück.
Von der größten Bedeutung für die kirchliche Denk-
malpflege ist der Fundamentalsatz von der Unver-
äußerlichkeitdesKirchen Vermögens. So-
wohl der Umstand, daß der kirchliche Besitz Gott ge-
widmet ist, als auch, daß die endlos dauernde Kirche
Besitzerin derselben ist und seiner für alle Zeiten bedarf,
verlangt die Erhaltung des Kirchenvermögens in einem
festen Bestände. Daher war von alter Zeit her die Ver-
äußerung des Kirchenvermögens verboten, und zwar nicht
bloß dem einfachen Geistlichen, sondern auch dem Bischof.
In einem Kanon des Konzils von Konstantinopel
vom Jahre 869 (Oecr. causa XI l. qu. 2. c. 13. des Corpus
juris canonici) heißt es — und zwar mit Berufung auf
noch ältere, ja apostolische Satzungen — :,.cime!ia et vasa
sacrata" dürfen nur veräußert werden, um Gefangene
loszukaufen, sonst ist ihre Veräußerung ungültig, und der
veräußernde Bischof ist abzusetzen; der Käufer oder der
Empfänger ist zu exkommunizieren.
Hatte bas allgemeine Konzil von Lyon im Jahre
1274 die Veräußerung des Kirchengutes an die Zustim-
mung des Apostolischen Stuhles geknüpft, so schärfte
Papst Paul II. im Jahre 1468 die ftühern Vorschriften
wieder ein, erklärte den Begriff der Veräußerung und
setzte strenge Strafbestimmungen bei. Der Kanon, der
ebenfalls in das Corpus juris canonici (^xtrav. comm.
Üb. 11!. tit. 4, cap.un.) gekommen ist, sagt: Es ist ver-
boten, zu veräußern bona ecclesiastica immobilia et
III. Die Denkmalpflege der katholischen Kirche izz
preliosa mobilia, und zwar auch jene, ex quibus eccle-
siae, monasleria ei pia loca illustrantur, die also den
Kirchen usw. zur Zierde dienen. Die Veräußerung ist, wenn
sie ohne päpstliche Bewilligung geschieht, ungültig. Der
Verkäufer und der Empfänger sind exkommuniziert.
Der schuldige Keclor ecclesiae ist ipso facto feines Bene-
siziums verlustig. Diese Exkommunikation hat Pius IX.
in der Bulle -Xpostolicae 8eckis unter ausdrücklicher
Berufung auf Paul II. im Jahre 1869 als rechtsgültig
erklärt sowohl für die Verwalter des Kirchengutes, welche
gegen die kirchlichen Vorschriften etwas veräußern, als
auch für jene, welche es in Empfang nehmen.
Unter den Begriff der Veräußerung fällt insbesondere
die Aufgabe des Eigentumsrechts an Vermögensobjekten
durch Verkauf, Tausch, Schenkung, Verpfändung usw.
Als Gegenstände, welche von dem Verbot betroffen werden,
sind zu betrachten die Immobilien und die „kostbaren"
Mobilien; zu den letztern gehören die Gegenstände,
welche den eigentlichen Kirchenschatz bilden, also einen
bedeutenden stofflichen Kunst- oder Altertumswert be-
sitzen. Als bedeutender Wert ist durch Kongregationsent-
scheidungen der Wert von 25 Goldgulden — etwa 300 M
festgestellt worden. Auf die Wirkungen dieses Verbots
im einzelnen, auf die Ausnahmen, die zugelassen sind,
u. dgl. kann hier nicht eingegangen werden. Es sei nur
hervorgehoben, daß zur Begründung des Verbots auch
darauf hingewiesen wird, daß die Verwalter des Kirchen-
gutes so viele seien und so verschieden an Fähigkeit und
Charakter, daß dasselbe großer Gefahr ausgesetzt wäre,
wenn es der Willkür derselben nicht entzogen wäre durch
das Verbot der Veräußerung, eines Verbots, das —
wie schon aus dem frühen Auftreten und der ununter-
brochenen Dauer schließen lasse — in der Natur der
Kirche und ihrer Institute begründet sei.
134
Viertes Kapitel: Staat und Kirche
Die im vorstehenden kurz wiedergegebenen Grund-
sätze werden auch jedem einzelnen aus dem Klerus beim
Beginn seiner Laufbahn eingeprägt. Wenn der Priester
die erste Weihe empfängt, beim Ostiariate, wird ihm schon
die Erhaltung der kirchlichen Monumente zur Gewissens-
pflicht gemacht. Der Wortlaut der dies aussprechenden
Weiheformel (providete igitur, nc per negligentiam
vestram illarum rerum, quac intra ecclesiam sunt,
aliquid depercat) geht zurück sicher hinter das Ende des
6. Jahrhunderts, bestand wahrscheinlich schon vor 398,
und es kann vermutet werden, daß es um 251 wenigstens
sachlich galt.
Dazu kommt, daß von seiten der Kirche von Zeit
zu Zeit alle Gotteshäuser visitiert werden und auch alle
Gegenstände, also auch alle Kunst- und Altertumsgegen-
stände, von dem kirchlichen Visitator besichtigt werden
müssen. Hatte schon das Konzil von Taragona vom
Jahre 519 die Praxis eine alte genannt, daß der Bischof
von Jahr zu Jahr jede seiner Kirchen visitiere und nach-
sehe, ob nichts mangele, so bestimmt das Konzil von Trient
in der Sessio VII, im 8. Kapitel: Die Bischöfe werden an-
gewiesen, alle Kirchen, auch welche ihrer Jurisdiktion
nicht unterstehen, mit absolutester Autorität nachzusehen
und mit allen Kräften vorzusorgen, daß alles, was der
Erneuerung bedarf, repariert werde. Eine andere Stelle
(5ess.XXl.de ref. cap. 8) erweitert diese Vorschrift.
Das sind — so betont Sauer mit Recht— Verordnun-
gen für Denkmalpflege, gegeben und durchgeführt lange
bevor man den Begriff nur kannte und behandelte. Und
diese Verordnungen sind wie vor Jahrhunderten auch
heute noch in Geltung, wo ein geregeltes Kirchentum
besteht. Auch heute noch hat der Visitator die Aufgabe,
den Zustand und die Qualität aller Teile und Einrichtungs-
gegenstände des Gotteshauses zu untersuchen, die In-
III. Die Denkmalpflege der katholischen Kirche 135
ventare zu prüfen und etwaige Abgänge zu vermerken
sowie die erforderlichen Schutzmaßregeln anzuregen.
Zu welcher Bedeutung schon früh die Denkmalpflege
im Kirchenstaat gelangt ist, ist bekannt. Sie knüpft dort
in der spätern Geschichte an den Namen des päpstlichen
Camerlengos Kardinal Pacca an, der im Aufträge und
Namen des Papstes Pius' VII. durch Edikt vom 7. Aprili82o
eine Kommission für schöne Künste errichtete. Unter die
Aufgaben dieser Kommission, die in den Provinzen
Hilfsmissionen haben sollte, gehörte die Erhaltung und
Restaurierung öffentlicher Altertums- und Kunstdenkmäler;
alle Behörden, die Kirchen, Klöster und Kollegien sowie
die Vorgesetzten und Verwalter öffentlicher Institute
und Sammlungen waren in allen den Wirkungskreis
der Kommission betreffenden Angelegenheiten an das
Gutachten und die Weisungen derselben gebunden. Her-
vorzuheben ist aus diesem Edikt die erneute Einschärfung
des strengen Verbotes jedweder Entfernung und Ver-
äußerung von Kunst- und Altertumsgegenständen. Wegen
der Ausgrabungen sind sehr ausführliche Bestimmungen
in dem Edikt enthalten; für die wichtigen Gegenstände
dieser Art tritt der Schutz des Staates ein, der den Grund-
eigentümer auch mit Bezug auf die Zugänglichmachung
der Monumente entschädigt (v.Wuffow I i8vf, v. Helfert
5 f, i2o f). Die materiellen Bestimmungen des Edikts
Pacca sind im neuen Königreich Italien erst durch das
Gesetz von 1902 berührt worden.
Das nicht weniger als 6r Paragraphen zählende Edikt ist in denk
scher Übersetzung mitgeteilt bei v. W u ss0 w II 277 f.
Papst Pius X. hat 1907 einen Erlaß an sämtliche
italienische Diözesen gerichtet: in jeder italienischen Diözese
soll ein permanentes Kommissariat für die Dokumente
und Monumente, die vom Klerus vertvahrt werden,
begründet werden, und zwar mit dem besondern Zwecke:
iz6 Viertes Kapitel: Staat und Kirche
für die Erhaltung jener Gegenstände zu sorgen, sowohl
daß sie nicht veräußert als auch daß sie in gutem Zustande
erhalten werden.
Dem Kenner der Kirchengeschichte und des Kirchenrechts
sind die vorstehenden Darlegungen bekannte Dinge.
Aber es ist doch gut, wenn daran zuweilen erinnert und
wenn solche Fragen hin und wieder gehörigen Orts
von maßgebender Seite zur Erörterung gebracht werden,
wie es auf der Salzburger und der Halberstädter Tagung
geschehen ist, damit nicht etwa die Meinung Wurzel faßt,
als ob alles Heil auch hier nur vom Staate komme und
die Kirche die Hände lässig in den Schoß lege.
Dabei ist der grundsätzliche Standpunkt der Kirche
nicht außer acht zu lassen, und zwar in doppelter Hinsicht.
Die Kirche ist die Eigentümerin und Besitzerin
der Gebäude und der Monumente, der Einrichtungs-
gegenstände; sie hat ein Dominium verum an diesen
Sachen. Dieses Eigentumsbewußtsein, das so fest und
unerschütterlich ist wie die Kirche, ist unantastbar.
Die Kirche betrachtet sich grundsätzlich als alleinige
und ausschließliche Besitzerin des Kirchengutes.
Die Kirche schützt ihr Eigentum, weil die Gegenstände
geweiht, weil sie heilig sind; und weil sie geweiht sind,
haben sie gewissermaßen das privileßium canonis und
sind unverletzlich. Aus diesen ideellen Gründen erhält
sie die Kirche. Aber sie schützt diesen Besitz auch, weil sie
ihn braucht, weil er zur Abhaltung des Gottesdienstes
unerläßlich ist. Also aus idealen und aus praktischen,
immer aber aus seelsorglichen Gründen. Die
Kirche kann ihren seelsorglichen Zweck nicht verleugnen;
sie ist kein bloßes Kunstinstitut. D.r historische, der Alters-
wert kommt für die Kirche, jedenfalls sofern es sich um
Gegenstände des praktischen Gottesdienstes handelt, immer
-rst in zweiter Linie.
III. Die Denkmalpflege der katholischen Kirche 137
Schon aus diesen Andeutungen ergibt sich, daß zwischen
dem Standpunkte des Staates in der Denkmalpflege
und der Auffassung, die die Kirche hat, in grundsätz-
licher Hinsicht keine Übereinstimmung, vielmehr in
mancher Beziehung ein Gegensatz besteht. Nicht
nur, daß die Zwecke, die beide Institute bei Erhaltung
der Denkmäler verfolgen, verschiedene sind, lehnt die
Kirche prinzipiell auch eine Bevormundung durch den
Staat auf diesem Gebiete ab. Auf die Einzelheiten
dieses grundsätzlichen Konflikts kann hier nicht eingegangen
werden. Wer sich des nähern darüber unterrichten will,
sei verwiesen auf die bereits erwähnten Referate von
Bredt, Wissemann und Sauer, Erörterungen, von denen
der Vorsitzende Geheimrat v. Oechelhäuser bemerkte,
daß sie „zu dem Besten und Schönsten gehören, was
wir bisher auf den Tagungen für Denkmalpflege gehört
haben". Die tiefgehenden Gegensätze prinzipieller Natur
— die in neuerer Zeit besonders in Österreich gegenüber
dem Projekte eines staatlichen Denkmalschutzgesetzes kirch-
licherseits wieder stark betont worden sind (s. Justus
im „Pionier" IV Z5 f) —, nicht minder die komplizierten
Rechtsverhältnisse stellen auch einer einheitlichen staatlichen
Regelung des kirchlichen Denkmalschutzes große Schwie-
rigkeiten in den Weg.
Glücklicherweise liegen die Verhältnisse in der
Praxis ganz anders. Es kann ohne Übertreibung
gesagt werden, daß in der praktischen Durchführung
des Denkmalpflegegedankens zwischen den staatlichen
und kirchlichen Behörden durchweg eine rechte Har-
monie besteht, die nicht zum wenigsten darauf zurück-
zuführen ist, daß „die mit der Ausübung der staatlichen
Gewalt betrauten Personen mit Takt und Liebe zur
Sache ihres Amtes walten und sich vor den naheliegenden
schlimmen Folgen eines bureaukratischen oder der Kirche
iz8 Viertes Kapitel: Staat und Kirche
kalt gegenüberstehenden Betriebes zu hüten wissen"
(a. a. O). Das harmonische Zusammenwirken kommt
seit langer Zeit schon dadurch zum Ausdruck, daß die
kirchlichen Behörden die staatlichen Erlasse, soweit sie
für die Kirche Interesse haben, in ihre Publikations-
organe übernehmen und der Geistlichkeit zur Nachahmung
empfehlen. Es tritt vor allem in den vielen konkreten
Einzelfällen zutage, wo die staatlichen und kirchlichen
Behörden in einträchtiger Weise zusammenwirken im
Sinne und zum Nutzen der Denkmalpflege. Eines der
hervorragendsten Beispiele in dieser Beziehung ist der
Trierer Dom. Dank dem feinen Verständnis der an der
schwierigen Aufgabe beteiligten Persönlichkeiten ist es
gelungen, dieses herrliche Denkmal, das durch seine ar-
chitektonischen Proportionen allein schon mächtig auf den
Beschauer wirkt und bei dem das Beiwerk vieler Male-
reien und Ausschmückungen den Eindruck nur geschwächt
haben würde, in seiner schlichten Größe zu belassen
und dieses Bauwerk, in dem alle Stile, von den Tagen
der Römerherrschaft bis ins 19. Jahrhundert, vertreten
sind, in einer so harmonischen Weise wieder herzustellen
(seit 1893), daß man — von Einzelheiten, über die man
verschiedener Meinung sein kann, abgesehen — die Lö-
sung der Aufgabe schlechthin als vollendet bezeichnen
muß. Und der beiderseitige gute Wille und das gegen-
seitige Verständnis ist wohl niemals deutlicher in die
Erscheinung getreten als auf dem Trierer Tage für Denk-
malpflege im Jahre 1909, als Bischof Dr. Korum diesen
Gedanken unter dem lebhaften Beifall der Versammlung
Ausdruck gab, und der Vorsitzende darauf der Freude
Worte verlieh, „daß wir aus seinem Munde Grundsätze
haben aussprechen hören, die wir als diejenigen bezeichnen
dürfen, die wir im Denkmalpflegetage von Anbeginn
hegen und pflegen". Solcher sympathischen Austausche
139
III. Die Denkmalpflege der katholischen Kirche
haben wir auf den verschiedenen Denkmalpflegetagen
noch mehrere zu verzeichnen, so zuletzt noch ans der Salz-
burger Tagung iyii, wo der inzwischen verstorbene Fürst-
erzbischof Kardinal Dr. Katschthaler betonte: Wenn die
Gäste bei der Besichtigung der Denkmäler manche Defekte
finden sollten, dann möchten sie nicht den Mantel christ-
licher Nächstenliebe darüber breiten, sondern sie aufdecken,
weil davon ein guter Erfolg zu erwarten sei. Liebe,
Freude und Verständnis zur Kunst hätten das Salzburg
der souveränen Fürstbischöfe mit herrlichen Kunstwerken
geschmückt. Der Hauptfaktor aber sei der Geist gewesen,
der diese Werke geschaffen habe, um die sittliche Kraft
und das Streben des Volkes zu heben; dieselben Fak-
toren sollen heute wirksam sein, um die bestehenden
Denkmäler zu erhalten und neue erstehen zu lassen (Ste-
nographischer Bericht 33).
Wie die Kirche als solche von alters her zur Denkmal-
pflego grundsätzlich positiv Stellung genommen hat,
so haben sich auch die einzelnen Organisati-
onen schon ftüh in dieser Hinsicht betätigt. In dem
Sauerschen Referate finden sich zahlreiche Belege für die
Tatsache, daß sich die deutschen Bischöfe die Sorge für
die kirchlichen Denkmäler alle Zeit haben angelegen
sein lassen. Dessen ist eine Fülle von Verordnungen
von der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts bis in
unsere Tage Zeuge. Daß diese Verordnungen in den
verschiedenen Diözesen vielfach übereinstimmen, weist
darauf hin, daß man in den Kreisen der kirchlichen Obrig-
keit der Denkmalpflege nicht nur vereinzelt und ausnahms-
weise, sondern allseitig und regelmäßig Interesse und
Fürsorge zuwendete und zuwendet.
Um auch in dieser Beziehung ein Beispiel aufzuzeigen:
In der dem Verfasser am nächsten liegenden Diözese
Trier sind aus den letzten 75 Jahren rund dreißig
i4o Viertes Kapitel: Staat und Kirche
Erlasse der bischöflichen Behörde zu verzeichnen, die
Fragen der Denkmalpflege betreffen, so vom i. April
1838, ii. August 1840, 7. August 1846, 6. Oktober 1853,
5. August 1854, 13. Januar 1855 usw., in ständiger Folge
und Fürsorge. Von den ältern Erlassen sei wegen des
grundsätzlich bedeutsamen Inhalts der vom 7. August
1846 hier wiedergegeben, der sich mit der Erhaltung
der kirchlichen Kunstdenkmäler beschäftigt (Weber, Promp-
tuarium 340, Nr. 303):
„Es ist eine von den Freunden der christlichen Kunst, geistlichen
wie weltlichen Standes, oft und laut erhobene und leider nur zu be-
gründete Klage, daß von dem überaus reichen Schatze von kirchlichen
Kunstgegenständen, an Gebäuden sowohl wie an andern Werken, welche
bas kunstreiche Mittelalter der neuern Zeit überlieferte, die nachfolgenden
Jahrhunderte fast den größten Teil aus unbegreiflicher Mißachtung
haben zugrunde gehen lassen oder gar absichtlich vernichtet oder doch durch
vermeintliche Verbesserungen um allen Charakter gebracht haben.
Nicht minder wahr und begründet ist die weitere Klage, daß das, was
man an die Stelle des beiseite geschobenen Alten gesetzt, durchgängig
weder an Schönheit noch an innerer Bedeutsamkeit und Zweckmäßigkeit
auch nur entfernt mit jenem sich vergleichen lasse, und daß, während die
christliche Kunst bis zum Ausgange des Mittelalters jeden, auch den
geringsten Gegenstand des kirchlichen Kultus zu einem entsprechenden
Symbol der Wahrheiten und Geheimnisse des Heiles zu gestalten
wußte und so gewissermaßen die Predigt des Christentums unzählige-
mal vervielfältigte, die reiche Gedankenfülle sowie die Sinnigkeit und
Tiefe in der Auffassung der christlichen Kunstgegenstände, die uns in
jener großen Zeit begegnet, in den letzten Jahrhunderten nicht wieder
gefunden werde. Wir sind gewiß, daß die hochwürdige Diözesangeist-
lichkeit es nach diesem mit uns für eine heilige, vorzugsweise den Dienern
der Kirche obliegenden Pflicht ansehe, ebensowohl auf die Erhaltung
der noch aus frühern Zeiten der kirchlichen Kunst herstammenden Kunst-
gegenstände als auch auf die etwa beabsichtigten Restaurationen alter
kirchlicher Kunstwerke oder Beschaffung von neuen die allersorgfältigste
Aufmerksamkeit zu richten. Indem wir nun unserseits in dieser letzter»
Beziehung die frühern Verordnungen vom i. April i8z8 und vom
ii. Aug. 1840 in Erinnerung bringen, wonach die Pläne zu Restaurationen
von Kirchen und kirchlichen Gegenständen sowie zur Anfertigung neuer,
vorerst der bischöffichen Behörde zur Genehmigung vorgelegt werden
III. Die Denkmalpflege der katholischen Kirche 141
müssen, verordnen wir zugleich, daß in jeder Pfarrei nach dem in zwei
Exemplaren beifolgenden Formular ein Verzeichnis der innerhalb
der Grenzen der Pfarrei gelegenen Kirchengebäude und der in und an
denselben befindlichen Gegenstände zweifach angefertigt werde, wovon
ein Exemplar, mit Unterschrift und Datum versehen, spätestens nach
Verlauf von sechs Monaten nach dem Datum dieses Erlasses, an uns
einzuschicken und das andere in das Pfarrarchiv niederzulegen ist. In
diesem Verzeichnis ist, insbesondere bei dem Kirchenmobilar (Gefäßen
usw.) auch anzugeben, ob der Gegenstand noch in wirklichem Gebrauch
sei oder nicht. Überdies bemerken wir, daß es uns sehr erwünscht sein
würde, wenn die Herren Pfarrer, welche die Gelegenheit haben, nament-
lich von den ältern Kirchengebäuden und Kultusgegensiänden Zeichnungen
(Grund-- und Aufrisse mit Angabe der Maße) anfertigen und uns zugehen
lassen sollten. Schließlich sprechen wir die zuversichtliche Erwartung
aus, daß die Herren Pfarrer jede Veräußerung und Umarbeitung
der mehrgenannten Kunstgegenstände sowie das Abbrechen von Kirchen,
Kapellen, Heiligenhäuschen und Btlderstöcken (die ebenfalls oft künst-
lerischen Wert haben) verhindern werden, wenn nicht vorher die Ge-
nehmigung von uns dazu erteilt worden ist."
Es verdient besonders bemerk zu werden, daß in den
Kundgebungen der bischöflichen Behörde vor allem
das Verbot der Veräußerung kirchlicher Gegenstände
von Denkmalswert immer wiederkehrt, und dieses Ver-
bot unablässig auf das nachdrücklichste eingeschärft wird.
Leider muß auch immer wieder über die Nichtbeachtung
dieser Vorschriften Klage geführt werden, wie denn
der Erlaß vom 19. April 1869 nach nochmaligem Hin-
weise auf die einschlägigen Anordnungen mit der Mah-
nung schließt:
„Nach allem diesem stand nicht zu erwarten, daß einzelne Kirchen-
vorstände ohne vorherige Genehmigung der bischöflichen Behörde
kirchliche Bauten aufführen, restaurieren oder niederlegen, Altäre,
Kanzeln usw. errichten oder vorhandene veräußern oder gar kirchliche
Gegenstände, welche nicht ohne Kunstwert waren, vernichten oder nach-
teilig vertauschen würden. Gegenteilige Erfahrungen aus der jüngsten
Zeit belehren uns aber eines andern und nötigen uns daher, alle vor-
genannten Verordnungen als noch in Kraft bestehend neuerdings ein-
zuschärfen und die Kirchenvorstävde erustlich zu ermahnen, daß sie in
i42 Viertes Kapitel: Staat und Kirche
so wichtigen und schwierigen Dingen, zu deren Verständnis eingehendes
Studium und reiche Erfahrung erforderlich sind, auf ihr eignes Urteil
nicht bauen, sondern den kirchlichen Anordnungen willig und gewissen-
haft Folge leisten."
Es würde hier zu weit führen, noch genauer auf die
Erlasse des Trierischen Bistums, die in allen Stücken
den Geist echter Denkmalpflege atmen, einzugehen.
Nur die eine Bemerkung sei gestattet: Wenn durch die
Gesetze über die kirchliche Vermögensverwaltung von
1875 und 1876 nach erbittertem Kampfe auch auf diesem
Gebiete der Kirche Beschränkungen in ihrer Bewegungs-
fteiheit auferlegt worden sind, dann ist es nicht die Haltung
der Kirche als solche, nicht das Vorgehen der kirchlichen
Obern gewesen, das dazu die Handhabe geboten hat,
sondern einzig und allein das wiederholte Zuwider-
handeln der Nachgeordneten Organe gegen die eignen
Vorschriften der Kirche und der Bischöfe.
Das gesamte einschlägige Material ist für die Trierer Diözese in dankens-
werter Weise zusammengestellt in dem Promptuarium (mit Nachtrag)
des Bischöflichen Registrators Domvikar Peter Weber in Trier.
Über die entsprechenden Verhältnisse in der Diözese Rottenburg
hat sich der Abg. Dr. Späth (Biberach) in der Zweiten Kammer des
Württembergischen Landtages am 13. März 1914 ausgesprochen, auf
dessen Ausführungen zu diesem Kapitel überhaupt verwiesen sei.
Einen einschlägigen, geradezu musterhaften Erlaß des Bischofs von
Linz vom 24. März 1905 — wenn wir die reichsdeutschen Grenzen
einmal überschreiten sollen — teilt der „Pionier" IV 41 mit. Was vom
Standpunkte moderner Denkmalpflege nur immer erstrebt werden kann,
wird hier „allen ehrwürdigen Kirchenvorstellungen unter strengster
persönlicher tzaftbarnrachung der einzelnen Kirchenvorsteher zur ge-
nauen Beachtung" eingeschärft. Der Erlaß betont am Schlüsse:
„Altertumshändler, welche etwa vorsprechen und die Kirchengegenstände
zu sehen wünschen, sind a limine abzuweisen.... Es ist unsäglich traurig,
wenn ein Objekt, das lange Zeit im kirchlichen Gebrauche stand, ja selbst
zum heiligen Opfer diente, nunmehr in Museum und Salons der Reichen
oder gar in Auslagen von Trödlern zu sehen ist." Der Bischof gibt sich
schließlich der Hoffnung hin, daß in seiner Diözese „ein Fall von Über-
tretung vorstehender Bestimmungen nicht vorkommen werde".
III. Oie Denkmalpflege der katholischen Kirche 14z
Einen Schritt weiter sind noch die kirchlichen Ober-
behörden in Bayern gegangen: sie haben die Aufmerk-
samkeit der Kirchenstistungsverwaltnngen darauf gelenkt,
die zahlreichen kirchlichen Kunstwerke, die infolge der
Wandlung des Geschmacks bei vielen Kirchenerneuerungen
und auch bei der Einziehung von Kirchengütern in Privat-
besitz übergegangen sind, möglichst für die Kirchen zurück-
zugewinnen („Recht und Verwaltung" 128).
Um die im Besitz der Kirchen befindlichen zerstreuten,
nicht mehr zu gottesdienstlichen Zwecken benutzten Kunst-
werke, für deren dauernde Erhaltung ihr Aufbewahrungs-
ort nicht genügende Bürgschaft bietet, zu konservieren und
um versteckte Gegenstände an das Tageslicht zu ziehen,
überhaupt um einen Sammelpunkt der außer Gebrauch
gesetzten kirchlichen Denkmäler aus Kirchen- wie aus Privat-
besitz zu bilden, sind in den deutschen Diözesen seit dem
vorigen Jahrhundert Diözesanmuseen entstanden,
die zugleich als Vorbildersammlungen und als Bildungs-
ansialten für den Heranwachsenden Klerus dienen sollen
(vgl. Clemen, Rheinprovinz 43). So ist beispielsweise
in Köln bereits 1860 das Erzbischöfliche Diözesanmuseum
gegründet worden. In Trier, wo schon in den 50er Jahren
ein dem Domkapitel zugehöriges Dommuseum entstanden
war, ist 1904 ein Diözesanmuseum eingerichtet und nach
dem Vorbilde anderer Diözesen im Sommer 1905 auch
ein Diözesan-Museums-Verein gegründet worden, der
sich die Unterhaltung und den Ausbau zur Aufgabe ge-
setzt hat. In Paderborn ist ein solcher Verein im Jahre
1912 gegründet worden. Auch ihm gilt als Grundgedanke
„die Sorge um die pietätvolle Erhaltung dessen, was
unsern Vorfahren in ihren Kirchen wertvoll und heilig war,
sowie die Hebung des Interesses und Verständnisses
für die Kunst der Kirche überhaupt".
Hingewiesen sei an dieser Stelle auch auf die erfreu-
i44 Viertes Kapitel: Staat und Kirche
liche Erscheinung, daß die von Dr. Hager in München
ins Leben gerufenen kirchlichen Denkmalpflege-
kur s e bei den kirchlichen Oberbehörden die bereitwilligste
Unterstützung und Förderung erfahren, wie denn auch
die in die Hunderte gehende Zahl der Teilnehmer ständig
wächst. Und es berührt wohltuend, aus dem Munde
des hochverdienten Leiters zu vernehmen: „Wer die hohe
Freude hat, den Hunderten den Geist der Kirchen lebendig
zu machen, der nimmt als schönsten Lohn aus den leuch-
tenden Augen und den Dankesworten die Überzeugung
mit, daß die Geistlichkeit beider Konfessionen den For-
derungen der Denkmalpflege der Gegenwart Ver-
ständnis und Liebe entgegenbringt" (12. Tag für Denk-
malpflege, Stenographischer Bericht 209).
Wir können hier nicht länger bei Einzelheiten weilen.
Auch die vorstehenden Darlegungen rnachen keinen
Anspruch darauf, auch nur die Gesichtspunkte alle anzu-
führen; es konnte sich nur um Stichproben und An-
deutungen handeln. Jedenfalls ergibt sich aus unserer
Darstellung, daß seitens der Kirche und der kirchlichen
Behörden seit alters alles geschieht, was für eine plan-
mäßige und zweckentsprechende Pflege der eignen Denk-
mäler geschehen kann. Wenn in Einzelfällen die Vorschriften
von der Geistlichkeit und den Gemeindevertretungen
nicht beachtet werden, so handelt es sich eben um Verstöße
einzelner, nicht um eine grundsätzliche Ablehnung durch
berufene Vertreter. Und diese Verstöße bedeuten eine
Nichtachtung und Mißachtung der staatlichen Gesetze
und der kirchlichen Anordnungen gleichermaßen. In
erster Linie der kirchlichen Vorschriften. „Wenn Geist-
liche — so bemerkt Justus im „ Pionier" a. a. O. — kirchliche
Gegenstände veräußert, nicht glücklich geändert oder dem
Untergange preisgegeben haben, so handelten sie demnach
den bei der Weihe übernommenen Pflichten und den all-
III. Die Denkmalpflege der katholischen Kirche 145
gemeinen kirchlichen und besondern Diözesangeboten ent-
gegen." Aber solche menschlichen Schwächen von Einzel-
personen sind doch in keiner Organisation zu vermeiden.
Unter den Schattenseiten, denen so außerordentlich viel
Lichtseiten gegenüberstehen, soll doch das Gesamtbild
nicht leiden. Und das nötigt Respekt ab. Wenn an-
erkannt werden muß, daß die beste Denkmalpflege ein
zweckentsprechender und schonender Gebrauch ist, dann
kommt die gottesdienstliche Pflege sicherlich in erster Reihe.
Und wenn man sich an all das erinnert, was die Kirche
alle Zeit für die Kultur in ihren mannigfachen Erschei-
nungen gewesen ist, wenn man bedenkt, wie so manches
und vieles im Gotteshaus und hinter stillen Klosiermauern
jahrhundertelang vor dem Untergange bewahrt worden
ist, ohne Programm und ohne Organisation, und wie auch
heute noch in tausenden Kirchen in den Städten und
auf dem Lande praktische Denkmalpflege im besten Sinne
des Wortes geübt wird, immerfort, ohne Aufheben, ganz
selbstverständlich, dann mag daneben unsere moderne
organisierte Denkmalpflege zuweilen wohl wie Treibhaus-
kultur anmuten.
In Zusammenfassung des bisher Erörterten mögen
zum Schlüsse noch folgende prinzipiellen Bemerkungen
gestattet sein. Es ist hier nicht der Platz für einen kirchen-
politischen Traktat. Wir haben uns deshalb auch im
wesentlichen darauf beschränkt, den beiderseitigen Stand-
punkt zu kennzeichnen, ohne positiv Stellung zu nehmen
in einer Frage, deren Wurzeln hinabreichen in den grund-
sätzlichen Streit über das Verhältnis von Kirche und Staat.
Vollends ist es vermieden worden, an längst gegebenen
Verhältnissen, wie an dem in Preußen nun schon bald
40 Jahre bestehenden positiven Rechtszustande, wie er
durch die Gesetzgebung der 70er Jahre über die kirch-
liche Vermögensverwaltung geschaffen worden ist, Kritik
Kneer, Denkmalpflege
io
146 Viertes Kapitel: Staat und Kirche
zu üben. Das aber darf gesagt werden: Wenn auch
die bisherige Betrachtung gezeigt hat, daß wenigstens
theoretisch zwischen den Anschauungen der staatlichen
Organe und dem Standpunkte der Kirche auf dem Gebiete
der Denkmalpflege ein Gegensatz besteht, so sind doch
die kollidierenden Interessen nicht der Art, daß nicht
bei beiderseitigem guten Willen sehr wohl eine Versiän-
digung und ein einträchtiges Zusammenwirken möglich
wäre. Freilich darf man nicht meinen, daß die Lösung
in diesem Widerstreit nur im Wege einer Spezialgesetz-
gebung zu finden sei, die einseitig dem Staate möglichst
viele Rechte gibt. Daß es auch so geht, zeigt die Praxis.
Möge sie auch in Zukunft unter dem Zeichen der Harmonie
stehen.
Die Kirche soll den Bestrebungen der staatlichen
Denkmalpflege, durch die unverkennbar ein großer und
vornehmer Zug geht, soweit entgegenkommen, wie es
ohne Beeinträchtigung der eignen Interessen möglich
ist. Notwendig wird es daher sein, daß sich der Klerus
mehr noch als bisher mit diesen Bestrebungen vertraut
macht. So dürfte z. B. auch eine regere Beteiligung
der Geistlichkeit an den Tagen für Denkmalpflege im In-
teresse der kirchlichen Denkmäler zu wünschen sein und
würde gewiß von den führenden Persönlichkeiten des
Tages mit Freude begrüßt werden. Notwendig ist auch
vor allem eine genaue Kenntnis und sorgfältige Be-
obachtung der einschlägigen Vorschriften, der kirchlichen
wie der staatlichen. Jedenfalls sollen sich die Vertreter
der Kirche bewußt bleiben, daß gerade die ihnen an-
vertrauten Denkmäler zu den Gegenständen gehören,
„deren Anblick heute schon einer unendlich weit über die
jeweilige Pfarrgemeinde hinausreichenden Menge zu
erlösender Freude gereicht und deren Behandlung daher
weit- und tiefgreifende Interessen der allgemeinen Offent-
III. Die Denkmalpflege der katholischen Kirche 147
lichkeit berührt" (Riegl 65). Und wenn von seiten
der Vertreter der kirchlichen Interessen darauf hingewiesen
worden ist, daß die Nichterstreckung des staatlichen Denk-
malschutzes auf bewegliche Denkmäler im Privatbesitz
gegenüber den die Eigentumsrechte der Kirche einschrän-
kenden Vorschriften eine Unbilligkeit enthalte, so darf
doch nicht übersehen werden, daß zwischen beiden Besitzern
auch vom Standpunkte der Denkmalpflege ein nicht un-
erheblicher Unterschied besieht. Nicht mit Unrecht ist
bei Beratung des Württembergischen Denkmalschutzgesetzes
bemerkt worden: Die Besitze, welche die Kirche und die
kirchlichen Gemeinden aufweisen, sind Besitze, die aus
der Allgemeinheit hervorgegangen sind und die mit zu
der Allgemeinheit gehören und bei ihr verbleiben sollen.
Es sind diese Besitze geschaffen für den Ort, an dem sie
stehen. Dadurch aber, daß sie herausgerissen werden
aus der Umgebung, für die sie geschaffen wurden, müssen
sie verlieren. Anders der Privatbesitz. Altertümer im
Privatbesitz sind meist leider schon aus dem Ganzen heraus-
gerissen, in dem sie einst waren und für das sie gemacht
worden sind.
Die Organe der Kirchenverwaltung brauchen sich nur
stets der Grundsätze der Resolution bewußt zu bleiben,
die auf der Mannheimer Generalversammlung der
Katholiken Deutschlands (1902) beschlossen worden ist:
„Die 49. Generalversammlung bittet den Klerus und
die Kirchenvorstände, bei der Restaurierung sämtlicher
Kunstdenkmäler aller Stilperioden die größte Vorsicht
zu gebrauchen, insbesondere:
3) die Bauten in den historisch überlieferten Formen
zu erhalten, soweit nicht künstlerische Erfordernisse oder
praktische Rücksichten Änderungen unbedingt erheischen;
b) die Ausstattung^ und Gebrauchsgegenstände, wel-
cher Zeit und Kunstrichtung sie angehören mögen, gegen
IO*
148 Viertes Kapitel: Staat und Kirche
weitere Beschädigungen, namentlich auch durch unvor-
sichtige Reinigung, zu schützen und nur in den aller-
dringendsten Fällen und mit der größten Zurückhaltung
zu restaurieren;
c) alle Gegenstände, die für den kirchlichen Gebrauch
gar nicht mehr verwendbar sind, entweder in den Schatz-
kammern aufzubewahren oder den öffentlichen Museen
kirchlicher bzw. weltlicher Art zu überlassen, dieselben
aber keineswegs an Händler oder Liebhaber zu ver-
äußern."
Jeder Pfarrer muß vor allem eingedenk bleiben,
daß, wo es die Erhaltung der ihm anvertrauten Denkmäler
gilt, es der nächsiberufene Konservator ist, und daß —
um mit Dr. Hager zu sprechen — die richtig verstandene
und geübte Denkmalpflege ein Hilfsmittel der Seel-
sorge ist.
Auf der andern Seite wird der Staat gut tun,
den Bogen des gesetzgeberischen Eingreifens nicht zu
überspannen. „Gewiß (so bemerkt Beissel, „Stimmen aus
Maria-Laach", 61. Band, 130) obliegt auch dem Staate
die Pflege der Kunst, aber nicht ihm allein. Gewiß muß
er sich unter den heutigen Verhältnissen der Denkmäler
annehmen, sie schützen, deren Erhaltung und Wieder-
herstellung, Ausbau und Schmuck durch Rat und Tat
fördern. Aber er hat nicht die Aufgabe, und es liegt
nicht in seinem Interesse, nach Monopolisierung des ge-
samten Unterrichtswesens, nach Verstaatlichung der Posten
und Eisenbahnen nun auch die Pflege der kirchlichen Kunst
in seine Hand zu nehmen, durch seine Konservatoren
und deren Stab von Ratgebern und Künstlern die Tätig-
keit der kirchlichen Behörden und Amtspersonen wenigstens
in allen wichtigern Dingen zu ersetzen." Keinesfalls
dürfen die spezifischen Aufgaben, die die kirchlichen Denk-
mäler zu erfüllen haben, leiden. Die Rücksichten auf Gottes-
III. Die Denkmalpflege der katholischen Kirche 149
dienst und Seelsorge müssen allen historisch-ästhetischen
Interessen vorgehen. Selbst vom Standpunkte der
Denkmalpflege aus bemerkt Riegl (Denkmalkultur 65):
„Die Selbstbestimmung der Kirche sollte man nirgends
auch nur dem Scheine nach antasten, wo nicht wirkliche
vitale Kulturinteressen der Allgemeinheit damit in Kol-
lision kommen." Es kann z. B. aus gottesdienstlichen
Rücksichten eine einschneidende Veränderung am Kirchen-
gebäude notwendig werden. Es kann auch die Verwertung
irgendeines für die Zwecke der Seelsorge nicht mehr
verwendeten Kunstgegenstandes in Frage kommen, um
die Mittel für einen dringend nötigen Umbau oder Neu-
bau zu gewinnen. Die strenge staatliche Denkmalpflege
wird vielleicht in solchen Fällen von ihrem Standpunkte
ein Nein sagen, wo die Bedürfnisse des Gottesdienstes
und der Seelsorge gebieterisch ein Ja erheischen. Da
wird daran festzuhalten sein, daß die Denkmalpflege nicht
Selbstzweck ist. Die Denkmalpflege dient: sie dient der
Wissenschaft und dem ästhetischen Genießen wie dem
wirtschaftlichen Leben, sie dient dem Heimatsinne und der
Liebe zum Vaterlande, sie dient gleichermaßen der Kirche,
der Religion. Und wenn sich auch die Richtungen decken,
die Ziele sind nicht die gleichen. Stets aber ist das Ziel
der Religion weiter und höher, und ihm muß sich die
Denkmalpflege unterordnen. „Man konserviert die Sachen
— wie Köhler („Deutsche Juristenzeitung" 1904, 776)
überhaupt bemerkt — nicht, um sie zu konservieren, son-
dern damit sie als Bildungsmittel höchsten Ranges die-
nen." Und wo sollte das mehr Geltung haben als bei
den Denkmälern der Kirche? Und was speziell die Stellung
des Klerus zur Denkmalpflege anbetrifft, so hat einer
der Vertreter der kirchlichen Interessen, dessen Stimme
wirklich verdient gehört zu werden, Stephan Beissel 5. J.,
über die Mitwirkung der Geistlichkeit bei der Denkmal-
i5o Viertes Kapitel: Staat und Kirche
pflege ausgeführt („Stimmen aus Maria-Laach" 81. Band,
46 f, im Anschluß an den Danziger Tag für Denkmalpflege
iyio): „Weitsichtige Freunde der Kunstdenkmäler erkennen,
daß sie im Klerus nicht nur einen Mitarbeiter, sondern
einen Stützpunkt, Förderer und Freund finden. Kenntnisse
und Bildung des Klerus wechseln; sein Kunstverständnis
zu heben, zu läutern, zur richtigen Betätigung zu brin-
gen, ist eine schöne und lohnende Aufgabe, deren Wert
alle erfahrenen, gründlich gebildeten Geistlichen gerne
anerkennen. Der Klerus wird jede Hilfe dankbar annehmen
und lohnen, aber er kann und darf nicht darauf verzichten,
im Hause seines Gottes dessen Stellvertreter und insofern
auch Herr und Meister zu bleiben."
Mögen Staat und Kirche auf dem Gebiete der Denk-
malpflege auch weiterhin der guten Sache dienen in ein-
trächtigem Zusammenwirken.
Auf solchem Boden sollte ja auch kein Hader gedeihen.
iv. Die evangelische Kirche
Was noch die evangelische Kirche im besondern angeht,
so kommt für diese in Betracht dasGesetz, betreffend
die evangelische Kirchenversorgung in den
acht ältern Provinzen der Monarchie, vom
3. Juni 1876:
„Art. 24. Die Beschlüsse der kirchlichen Organe be-
dürfen zu ihrer Gültigkeit der Genehmigung der staat-
lichen Aufsichtsbehörde in folgenden Fällen:
1. ..... .
2. bei der Veräußerung von Gegenständen, welche einen
geschichtlichen, wissenschaftlichen oder Kunstwert haben."
Entsprechend lauten die Bestimmungen in den Ge-
setzen über die evangelische Kirchenverfassung in den
neuen Provinzen.
Im übrigen ist — in Anlehnung an die Ausführungen
IV. Die evangelische Kirche I?I
von Superintendent Wissemann (Hofgeismar) auf dem
i2. Tage für Denkmalpflege 1912 (Stenographischer
Bericht 80 0 — zu bemerken, daß hier von einer
eigentlichen kirchlichen Gesetzgebung nicht die Rede sein
kann. Besondere Kirchengesetze, um den Besitz der Kirche
an beweglichen und unbeweglichen Erzeugnissen künstle-
rischen Schaffens zu schützen, sind nicht erlassen. Hin-
zuweisen ist nur auf Kirchengesetze für die Selbstver-
waltung und Vermögensverwaltung, die insofern für den
kirchlichen Denkmalschutz in Betracht kommen, als sie den
Kirchengemeindevorständen die Verwaltung des Kirchen-
vermögens, wozu auch der Besitz an kirchlichen Kunst-
gegenständen gehört, zuerkennen, zum Teil Bestimmungen
treffen über kirchenaufsichtliche Genehmigung bei Ver-
äußerungen, Reparaturen usw., bzw. über entsprechende
siaatsaufsichtliche Genehmigung. Aller Schutz des künstle-
rischen Eigentums in den evangelischen Landeskirchen ist
zunächst und fast ausschließlich für die evangelischen Kirchen
als Korporationen des öffentlichen Rechtes von den Staaten
angeordnet und ausgeübt worden. Die staatlichen Gesetze
bilden die starke Mauer, an die sich die kirchlichen Be-
hörden mit ihren Verfügungen und Erlassen zum Denk-
malschutz anlehnten und noch anlehnen. In diesen Ver-
ordnungen und Gesetzen ihres Staatsgebiets wurzelt die
Berechtigung zu den Verfügungen der obersten Kirchen-
behörden zum Schutze der kirchlichen Kunstwerke für ihr
Kirchengebiet an die ihnen unterstehenden Organe:
Superintendenten, Dekane, Metropolitane, Presbyterien
und Kirchenvorstände. Die staatsgesetzliche Regelung des
Denkmalschutzes ist seitens der evangelischen Kirche schon
mit Rücksicht auf die Strafgewalt des Staates als im
Interesse der Kirche liegend notwendig und daher
als wünschenswert bezeichnet worden, sofern gewisse Be-
dingungen und Sicherungen beachtet wurden. In dieser
i52 Viertes Kapitel: Staat und Kirche
Beziehung ist insbesondere betont worden: Der Besitz der
organisierten Kirche und der organisierten Gemeinden
an dem, was sie an Kunsischätzen ihr eigen nennen, muß
anerkannt und gesichert bleiben; die Kirchen müssen in
erster Linie als Zweckbauten und nicht als Kunstbauten
angesehen werden, alle Kunstfragen und Kunsiforde-
rungen an das Kirchengebäude müssen so behandelt
werden, daß dessen oberster Zweck keine Beeinträchtigung
und Einbuße erfährt.
v. Die jüdischen Religionsgemeinschaften
Selbstverständlich kommen für die Denkmalpflege
auch die jüdischen Religionsgemeinschaften in Frage.
Auch sie sind im Besitze von Denkmälern aller Art. Man
ist daran jüngst noch erinnert worden, als der Anlage
einer neuen Rheinbrücke in Köln die alte Synagoge in
Deutz zum Opfer fiel. Abgesehen von alten Kunst-
gegenständen, namentlich Stickereien (Thoramänteln und
Thoravorhängen) und sonstigen ebenso bemerkenswerten
wie wertvollen Ausstattungsgegenständen, erregte bei
dem Abbruch des Bauwerkes besonderes Interesse ein
wohlerhaltenes rituelles Frauenbad, zu dem nur wenige
Gegenstücke vorhanden sind. (Vgl. Heimann in den
„Mitteilungen des Rheinischen Vereins" VII 108 f.) An
einer Bearbeitung dieses nicht unwichtigen Gebietes
fehlt es gänzlich. Auch liegt — um nur von Preußen
zu sprechen — keine besondere gesetzliche Regelung
vor, so daß nur die allgemeine Aufsichtsgesetzgebung
in Frage kommt. Bekanntlich haben die Synagogen-
gemeinden (gemäß 8 37 des preußischen Gesetzes über
die Verhältnisse der Juden vom 23. Juli 1847) die Rechte
juristischer Personen, sie unterliegen somit den für die
Korporationen des öffentlichen Rechtes gegebenen Be-
stimmungen.
Fünftes Kapitel
Die Spezialgesetzgebung des 20. Jahrhunderts
Des Gesetzes strenge Fessel bin-
det nur den Sklavenstnn, der es
verschmäht. Schiller.
i. Vorbemerkung
Die bisherige Darstellung hat uns wiederholt Ansätze
zu einer Denkmalschutzgesetzgebung gezeigt. Im be-
sondern stellen in Preußen die für die Städte und Land-
gemeinden sowie die Kirche gegebenen Vorschriften aus
der Mitte und zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts
Bruchstücke einer solchen Gesetzgebung dar. Es steckt darin
materiell auch zweifellos schon ein ansehnliches Stück ge-
setzgeberischer Denkmalpflege, und bei oberflächlichem
Zusehen könnte man vielleicht meinen, daß damit ein im
großen und ganzen genügender Schutz geschaffen sei.
Aber dabei würde doch eines übersehen werden: die
Bestimmungen, die wir bislang besprochen haben, be-
treffen lediglich Gegenstände, die im Besitz von öffentlich-
rechtlichen Körperschaften sind, wie Staat, Kirche, Städte,
Landgemeinden usw. Die gewaltige Summe von Denk-
malwetten, die sich in P r i v a t b e s i tz befinden, ist
dabei außer Betracht geblieben. Und das ist gerade der
Angelpunkt der Denkmalschutzgesetzgebung des 20. Jahr-
hunderts; sie will neben der systematischen Er-
fassung des Gegenstandes die öffentliche Fürsorge und
den staatlichen Zwang ausdehnen tunlichst auf alle Denk-
mäler, in erster Linie auf die im Besitze öffentlich-recht-
154 Fünftes Kapitel: Die Spezialgesetzgebung des 20. Jahrhunderts
licher Korporationen befindlichen Gegenstände, dann aber,
soweit es möglich ist, auch auf den Privatbefitz. Gerade
bei dem letztem sind naturgemäß Schranken gezogen,
namentlich bei den beweglichen privaten Denkmälern.
Will die Denkmalpflege wirklich etwas erreichen und
nicht bloß Utopien nachjagen, so muß sie sich bescheiden.
Wie weit die staatliche Denkmalpflege ihre Ziele stecken
soll, ergibt sich aus den Thesen, die der Gesamtverein
der Deutschen Geschichts- und Altertumsvereine im Sep-
tember 1899 zu Straßburg als Grundgedanken der Denk-
malpflege aufstellte. Sie lauten:
„i. Ein unbewegliches D e n k m a l von kunst-
geschichtlicher oder geschichtlicher Bedeutung, das sich im
Eigentum des Staates oder einer Körperschaft im Sinne
des öffentlichen Rechtes befindet, darf ohne Genehmigung
der Aufsichtsbehörde nicht zerstört und nicht wieder-
hergestellt, wesentlich ausgebessert oder verändert, noch
wissentlich dem Verfall überliefert werden.
2. Ein beweglicher Gegenstand von kunst-
geschichtlicher oder geschichtlicher Bedeutung, der sich im
Eigentum des Staates oder einer Körperschaft im Sinne
des öffentlichen Rechtes befindet, darf ohne Genehmigung
der Aufsichtsbehörde nicht zerstört oder veräußert und
nicht wiederhergestellt, wesentlich ausgebessert oder ver-
ändert werden.
3. Archäologische Ausgrabungen oder
Nachforschungen irgendwelcher Art dürfen auf
Grund und Boden, der im Eigentum des Staates oder
einer Körperschaft im Sinne des öffentlichen Rechtes steht,
nicht unternommen werden ohne Genehmigung der Auf-
sichtsbehörde.
4. Im Eigentum von Privaten stehende, unter ihren
derzeitigen Eigentümern gefährdete unbewegliche
Denkmäler von kunstgeschichtlicher oder geschichtlicher
I. Vorbemerkung 155
Bedeutung sowie im Eigentum von Privaten befind-
licher Grund und Boden, der archäologisch wert-
volle unbewegliche oder bewegliche Denkmäler birgt,
können enteignet werden."
Diese Thesen sollen den Inhalt bezeichnen, den ein
Denkmalschutzgesetz nach der Anficht berufener Fach-
männer haben soll. Wir werden im folgenden sehen,
wie wenig bisher selbst von diesen Forderungen im Gesetz-
gebungswege erreicht worden ist.
Der Betrachtung dieser neuesten Gesetzgebung muß
eine rein juristische Bemerkung vorhergehen. Man
könnte denken, daß die Gesetzgebung auf dem Gebiete
der Denkmalpflege seit Gründung des Reiches reichs-
rechtlich geregelt sei. Es ist das aber nicht der Fall.
Die Reichsverfassung, die hierüber zu bestimmen hat,
gibt dem Reich nicht die Befugnis, diese Materie zu
ordnen. Vielmehr liegt die Gesetzgebung auf dem Ge-
biete der Denkmalpflege den E i n z e l st a a t e n ob.
Es kann das aus praktischen, in der Sache selbst liegenden
Gründen nur als zweckmäßig angesehen werden. „Das
ganze Gebiet —so führt Köhler („Deutsche Juristenzeitung"
1904,776) aus — hängt innig zusammen mit den übrigen
Bildungsfaktoren, mit der Volkserziehung, mit der Be-
förderung wissenschaftlicher Anstalten, mit dem Museums-
und Bibliothekwesen. Alles dies ist Sache der in den
Einzelstaaten waltenden Kulturbesirebungen; gerade in
dieser Richtung ist noch die Verschiedenheit der Auffassung
und Denkungsweise in Verbindung mit der Verschiedenheit
des Volkscharakters und der sonstigen Volksideen bedeut-
sam. Auch find die privatrechtlichen Bestimmungen über
das Denkmalwesen nicht ohne Begleitung einer Reihe
polizeilicher Verordnungen denkbar, die nach der ganzen
Art der Polizeiübung und nach der Verschiedenheit der
Behördenorganisation sicher dem Landesrecht angehören
156 Fünftes Kapitel: Die Spezialgesetzgebung des 20. Jahrhunderts
müssen. Diese Verschiedenheiten auszumerzen, würde
nach dem heutigen Stand der Dinge jedenfalls verfrüht
sein; und gerade die Vielseitigkeit des deutschen Wesens
hat vieles zur hervorragenden geistigen Kultur unseres
Volkes beigetragen."
Eine reichsrechtliche Regelung ist ernstlich nur auf
einem Sondergebiet, dem der Altertumsfunde, erwogen
worden, kann aber heute wohl als aufgegeben angesehen
werden, zumal inzwischen die gesetzgeberische Ordnung
dieser Materie auch in Preußen erfolgt ist.
Nur in einer Beziehung gibt es reichsrechtliche Be-
stimmungen denkmalschutzgesetzlichen Inhalts: die Vor-
schriften unseres Reichsstrafgesetzbuchs über die
vorsätzliche und rechtswidrige Beschädigung oder Zer-
störung von öffentlichen Denkmälern, Gegenständen der
Kunst usw., welche in öffentlichen Sammlungen auf-
bewahrt werden (8 304 u. a. StGB). Es handelt sich
dabei aber nicht um spezifische Denkmalpflege, um Be-
schränkungen, die den Eigentümern im öffentlichen Inter-
esse der Denkmalpflege auferlegt werden, sondern um
Schutz des Eigentümers gegen Dritte. Und es ist selbst-
verständlich, daß auch außerhalb irgendwelcher Denkmal-
pfiegebesirebung jeder Kulturstaat in solcher Form roher
Unkultur entgegentritt.
Zu den nachfolgenden Erörterungen sind stets die im A n h a n g ab-
gedruckten gesetzlichen Bestimmungen zu vergleichen.
II. Das hessische Denkmalschutzgesetz von 1902
Das Gesetz ist abgedruckt im Anhang unter Nr. i.
Man könnte meinen, daß wie in der Organisation der
Denkmalpflege so auch auf dem Gebiete der Gesetzgebung
Preußen die Führung habe. Das ist jedoch nicht der Fall.
Bahnbrechend in der Phase der neuesten Denkmalschutz-
gesetzgebung ist vielmehr ein viel kleinerer Staat, nämlich
II. Das hessische Oenkmalschutzgesetz von 1902 157
das Großherzogtum Hessen. Und das ist nicht bloßer
Zufall. Wie ein einzelner Staat sich leichter als das
ganze Reich entschließen kann, Gesetze wie die hier in
Frage kommenden zu erlassen, so kann ein Kleinstaat
viel eher ein solches Gesetz gleichsam ausprobieren als
ein großer Staat wie Preußen. In einem kleinen
Staate sind die Verhältnisse einfacher, gleichartiger, über-
sichtlicher. Was sich in einem Kleinstaat leicht einheitlich
regeln läßt, verursacht in einem Großstaat — man denke
bei uns in Preußen an den Gegensatz von Rheinland
und Ostelbien — vielleicht unüberwindliche Schwierig-
keiten. Bei Hessen kommt das Besondere hinzu, daß es
von den Staaten, die in dem an den Denkmälern be-
sonders reichen Westen unseres Vaterlandes liegen, der
kleinste ist, und daß es (wie Adelbert Matthaei im Kalender
„Hessen-Kunst" 1908, 14 f überzeugend dargelegt hat)
ein Bindeglied zwischen Nord- und Süddeutschland ist,
das die Gegensätze versöhnt und ausgleicht. Das Groß-
herzogtum Hessen erscheint demnach als Musierstaat für
eine fortschrittliche Denkmalschutzgesetzgebung geradezu
ausersehen, ganz abgesehen von dem besondern Inter-
esse und Verständnis, das sein Souverän Großherzog
Ernst August auf dem Gebiete der Kunst bekundet. Im
Großherzogtum Hessen, wo (wie wir im I. Kapitel ge-
sehen haben) schon im Jahre 1818 eine Allerhöchste Ver-
ordnung, die Erhaltung der Denkmäler der Baukunst be-
treffend, ergangen und wo während des ganzen 19. Jahr-
hunderts das Bestreben, die einheimischen Baudenkmäler,
Kunstwerke und Altertümer zu schützen, wirksam geblieben
war, brachte die wachsende Bewegung die Lösung in
Denkmalschutzgesetz vom 16. Juli 1902. Der
hessische Staat ist der erste von den deutschen Staaten
gewesen, der ein solches Gesetz erlassen hat, ein Gesetz,
das weit über die Grenzen des Landes hinaus gewirkt
158 Fünftes Kapitel: Die Spejialgesetzgebung des 20. Jahrhunderts
hat. Das hessische Gesetz stellt auch wohl im großen und
ganzen das Höchstmaß dessen dar, was heute erreicht
werden kann, wenn es auch in Einzelheiten übertroffen
ist. Es soll hier über dieses wichtige Gesetz eine kurze
Übersicht gegeben sein.
Das Gesetz geht davon aus, daß das öffentliche Inter-
esse berührt ist, wenn die Erhaltung der Denkmäler in
Frage kommt. Zur Wahrung des öffentlichen Interesses
waren deshalb dem Besitzer eines Denkmals und eventuell
auch dem Besitzer der Umgebung eines solchen Beschrän-
kungen hinsichtlich seiner Verfügungsgewalt aufzuerlegen,
die Verfügung selbst also der Genehmigung und sonstigen
Einwirkung der Aufsichtsbehörde zu unterwerfen.
Das Gesetz schützt a) Baudenkmäler, b) bewegliche
Denkmäler, auch Urkunden, c) Ausgrabungen und Funde,
d) Naturdenkmäler.
a) Ein „Baudenkmal" ist nach dem Gesetz ein „Bau-
werk, dessen Erhaltung wegen seiner Bedeutung für die
Geschichte, insbesondere für die Kunstgeschichte, im öffent-
lichen Interesse liegt". Darunter fallen nicht nur ganze
Häuser, sondern auch Teile, z. B. ein Erker; dann auch
Standbilder, Grabdenkmäler, prähistorische Grabstätten
usw. Das Baudenkmal soll in der Regel mindestens
30 Jahre alt sein. Außer den Baudenkmälern selbst wird
auch ihre Umgebung geschützt, ein sehr bedeutsamer Fort-
schritt gegenüber dem französischen Denkmalschutzgesetz
von 1887; denn man kann Bauwerke nicht isolieren, sie
sind nicht Museumsstücke, es kann ein Baudenkmal auch
indirekt zerstört werden, durch Mißklänge in seiner Um-
gebung. Das Gesetz unterscheidet, ob das Baudenkmal
sich im Privatbesitz oder im Besitze einer juristischen
Person des öffentlichen Rechtes befindet. Ist der Besitzer
eine Privatperson, so tritt der Schutz nicht ohne weiteres
ein, sondern dann bedarf es der Eintragung des Denk-
II. Das hessische Denkmalschutzgesetz von 1902 159
mals in die „Denkmalliste", in die amtliche Liste der im
Privatbesitz befindlichen Baudenkmäler, eine dem fran-
zösischen Prinzip des ..classement" nachgebildete Ein-
richtung.
Es ist dabei zu beachten: Die für die Aufnahme öffent-
licher Denkmäler, die mit ihrer Umgebung sämtlich dem
Schutz unterstellt sind, bestimmten Verzeichnisse werden
von den Kreisämtern geführt, deren Entscheid endgültig
ist. Demgegenüber ist die Klassierung von Privatdenk-
mälern mit einer Reihe von gesetzlichen Garantien um-
geben: über ihre Eintragung in die besondere „Denkmal-
liste" entscheidet nicht das Kreisamt, sondern der aus
Vertretern verschiedener Interessentenkreise zusammen-
gesetzte Denkmalrat; der Eigentümer hat das Recht der
Beschwerde.
Für jede an einem solchen geschützten Baudenkmal
beabsichtigte Veränderung besieht Anzeigepfiicht und wird
nötigenfalls Entschädigung oder Enteignung in Aussicht
genommen.
b) Bewegliche Gegenstände als „Denkmäler" werden
ebenfalls geschützt, aber nur wenn sie einer öffentlich-
rechtlichen Korporation gehören, wenn sie sich im Besitze
von Gemeinden, Kirchen, Religionsgemeinden oder öffent-
lichen Stiftungen befinden. Bewegliche Denkmäler im Besitz
von Privatpersonen unterliegen dem Schutze nicht; ihre
Einbeziehung unter den Denkmalschutz erschien „als zu
weitgehend und mit Rücksicht auf praktische Unzuträglich-
keiten als ungeeignet".
c) Ausgrabungen und Funde werden, im besondern
Interesse der archäologischen Forschungen, in jedem Falle
geschützt. Die Vorschriften des Gesetzes, welche gleichmäßig
für Privatpersonen wie für Personen des öffentlichen
Rechtes gelten, bezwecken im wesentlichen die Schaffung
von Garantien dafür, daß die Vornahme der Ausgra-
i6o Fünftes Kapitel: Die Spezialgesetzgebung des 20. Jahrhunderts
bungen und die Behandlung der Funde nach sachver-
ständiger Anweisung erfolgt; sie bezwecken damit auch
einen wirksamen Präventivschutz zugunsten der auf-
zufindenden oder aufgefundenen etwa nachmals als
Denkmäler zu erklärenden Gegenstände.
6) Als letztes Objekt des Denkmalschutzes werden nach
den von Menschenhand hervorgebrachten Gegenständen
von dem Gesetz die „Naturdenkmäler" genannt. Damit
ist Hessen auch der erste deutsche Staat, der das Gebiet
der Naturdenkmalpflege geregelt hat.
Die Durchführung des Gesetzes ist gewährleistet einer-
seits durch eine im Geiste der Dezentralisation gehaltene
Organisation (Denkmalpfleger, Denkmalrat usw.), ander-
seits durch Strafbestimmungen gegen Zuwiderhand-
lungen.
Soviel in wenigen Zügen über das hessische Denkmal-
schutzgesetz von 1902, als dessen verdienstvoller Urheber
der frühere Ministerialrat Maximilian Frhr. v. Biege-
leben, gegenwärtig Großherzoglich Hessischer Gesandter
in Berlin, zu nennen ist. Das Nähere findet sich in der
im Aufträge des Großherzoglichen Ministerium des
Innern bearbeiteten amtlichen Handausgabe „Die Denk-
malpflege in Hessen 1818—1905" (Darmstadt 1905, Staats-
verlag), wo das Gesetz selbst mit allen Ausführungsvor-
schriften abgedruckt ist, und in den mannigfachen Er-
örterungen, die das Gesetz auf den Tagen für Denkmal-
pflege gezeitigt hat. Wie es heißt, sind mit dem Gesetze,
obwohl es in Privatrechte tief eingreift, im ganzen gute
Erfahrungen gemacht worden, mit Ausnahme der im
Privatbesitz befindlichen Denkmäler.
III. Die preußischen Verunstaltungsgesetzc von 1902 und 1907 161
ui. Die preußischen Verunstaltungsgesetze von
1902 und 1907 und das Ausgrabungsgesetz
von 1914
Die Gesetze sind abgedruckt im Anhang unter Nr. 5, 6 und 9. Die
beiden Verunstaltungsgesetze sind sorgfältig kommentiert in den Aus-
gaben von L 0 e n i n g und G 0 l d sch m i d t, auf denen die nach-
folgenden Ausführungen jum guten Teil beruhen.
i. Mit dem gleichen Jahre 1902 setzt auch in Preu-
ß e n die einschlägige Gesetzgebung ein, allerdings in einer
ganz andern Art. Auch in Preußen ist der Gedanke eines
eigentlichen Denkmalschutzgesetzes eingehend und wieder-
holt erwogen worden, der Weg der Kodifikation des
Denkmalpflegerechts ist jedoch schließlich aufgegeben und
das Ziel im Rahmen einer größern Bewegung angesirebt
worden: nämlich in den Verunstaltungsgesetzen
vom 2. Juni 1902 und dem vom 15. Juli 1907, das mit
dem von 1902 eine Einheit bildet.
Die preußische Gesetzgebung von 1902 und 1907 ist
die erste Frucht der Gesetzgebung, die vom Heimatschutz
geleitet ist.
Das Gesetz von 1902 wendet sich „gegen die Ver-
unstaltung landschaftlich hervorragender Gegenden", das
von 1907 „gegen Verunstaltung von Ortschaften und
landschaftlich hervorragenden Gegenden". Das erstere
Gesetz beschäftigt sich also mit „Gegenden", mit Land-
schaftsbildern; das zweite außerdem mit „Ortschaften",
d. h. nicht nur mit Städten, sondern auch den Ortschaften
des platten Landes. Das Gesetz von 1902 will es ver-
hüten, daß einem der Genuß an der Landschaft außer-
halb geschlossener Ortschaften vergällt wird durch auf-
dringliche, belästigende Reklame. Wenn der Mensch sich
draußen in Gottes freier Natur von der Last und Sorge
des Alltags erholen will, dann soll er nicht fortgesetzt
behelligt werden durch marktschreierische Empfehlungen
Kneer, Denkmalpflege
ii
i62 Fünftes Kapitel: Die Spezialgesetzgebung des 20. Jahrhunderts
an Felswänden und auf Wiesenflächen, wo Kakes und
Kakao, Sekt und Sinalko usw. usw. das Feld beherrschen.
Und das Gesetz von 1907 will in Ausdehnung des Ge-
setzes von 1902 auf Ortschaften und einzelne Bauwerke
mithelfen, daß nicht an jedem Haus und jedem Scheunen-
giebel, an jeder Garten- und Weinbergsmauer, an allen
Dorfsiraßen und an jeder Straßenecke die „ Plakat pest"
triumphiert (im 8 3), und erweitert (im 8 8) das Gesetz
von 1902 auch insofern, als das Landschaftsbild außerhalb
der Ortschaften auch nicht durch häßliche Bauwerke ver-
unstaltet werden soll. Insofern dienen beide Gesetze dem
gleichen Gedanken; sie sind insoweit beide echte Heimat-
schutzgesetze.
Das Gesetz von 1907 bringt aber noch etwas Neues,
etwas viel Weitergehendes, und zwar in seinen dem
architektonischen Schutz dienenden Bestimmungen, die
die Ortschaften betreffen. Es unterscheidet dabei gröb,
liche Verunstaltungen (8 i) und bloße Beeinträchtigungen
(8 2f).
Nach 8 r des Gesetzes von 1907 ist „die baupolizei-
liche Genehmigung zur Ausführung von Bauten und
baulichen Änderungen zu versagen, wenn dadurch Straßen
oder Plätze der Ortschaft oder das Ortsbild gröblich ver-
unstaltet werden würden". Es gilt also ipsa lege das
baupolizeiliche Verbot von Bauten, die „gröblich" ver-
unstalten, d. h. es muß „ein positiv häßlicher Zustand
vorliegen, der jedes für ästhetische Gestaltungen offene
Auge verletzt". Durch den 8 i ist im wesentlichen der-
jenige Rechtszustand, der im Gebiete des Preußischen
Allgemeinen Landrechts schon bisher bestanden hatte,
auf die gesamte Monarchie ausgedehnt und inhaltlich
dahin erweitert werden, daß nicht nur Städte, sondern
auch ländliche Ortschaften den gleichen ästhetischen Schutz
genießen.
III. Die preußischen Verunstaltungsgesetze von 1902 und 1907 163
Handelt es sich auch bei dieser Vorschrift mehr um
eine Bestimmung des Heimat- als des Denkmalschutzes,
so nähert sich der 8 2 des Gesetzes von 1907 mehr
dem Gebiete der Denkmalpflege. Der auf diese Weise
gewährte Denkmalschutz ist allerdings wesentlich indirekter
Natur. Der 8 2 bestimmt nämlich:
„Durch Ortsstatut kann für bestimmte Straßen und
Plätze von geschichtlicher oder künstlerischer Bedeutung vor-
geschrieben werden, daß die baupolizeiliche Genehmigung
zur Ausführung von Bauten und baulichen Änderungen
zu versagen ist, wenn dadurch die Eigenart des Orts-
oder Straßenbildes beeinträchtigt werden würde. Ferner
kann durch Ortsstatut vorgeschrieben werden, daß die
baupolizeiliche Genehmigung zur Ausführung baulicher
Änderungen an einzelnen Bauwerken von geschichtlicher
oder künstlerischer Bedeutung und zur Ausführung von
Bauten und baulichen Änderungen in der Umgebung
solcher Bauwerke zu versagen ist, wenn ihre Eigenart
oder der Eindruck, den sie hervorrufen, durch die Bau-
ausführung beeinträchtigt werden würde.
Wenn die Bauausführung nach dem Bauentwürfe
dem Gepräge der Umgebung der Baustelle im wesent-
lichen entsprechen würde und die Kosten der trotzdem auf
Grund des Ortsstatuts geforderten Änderungen in keinem
angemessenen Verhältnisse zu den dem Bauherrn zur
Last fallenden Kosten der Bauausführung stehen würde,
so ist von der Anwendung des Ortsstatuts abzusehen."
Der ortsstatutarische Schutz betrifft also ganze Straßen
und Plätze sowie einzelne Gelände und deren Umgebung.
Sie sollen geschützt sein gegen „Beeinträchtigung" ihrer
„Eigenart" oder des „Eindrucks". Und das Oberverwal-
tungsgericht hat in einer neuerlichen Entscheidung (vom
12. Juni 1914) diesen Schutz sogar ganzen Stadtteilen
i64 Fünftes Kapitel: Die Spezialgesetzgebung des 20. Jahrhunderts
zugesprochen: es erkennt Städten, die eine „Altstadt"
von künstlerischer oder geschichtlicher Bedeutung haben,
wo sich z. B., wie das an vielen Orten zu beobachten ist,
ein Viertel aus einem Kern heraus, im Anschluß an eine
Kirche, eine Burg, einen Markt oder dgl. entwickelt hat,
das Recht zu, diese gesamte Altstadt in fester Umgrenzung
als Ganzes auf Grund des Gesetzes vom 15. Juli 1907
zu schützen. Das hat die große praktische Bedeutung,
daß die Behörde dann nicht zu berücksichtigen braucht, ob
im Einzelfalle die Straße, um die es sich gerade handelt,
eine besondere Eigenart hat oder nicht; auch wenn sie,
für sich betrachtet, nicht schutzwürdig ist, genießt sie als
Teil der Altstadt den dieser gewährten Schutz.
Dieser architektonische Schutz, wie ihn das Gesetz von
1907 erstrebt, ist nicht ohne weiteres gegeben, die Bau-
polizeibehörde kann nicht unmittelbar auf Grund des
Gesetzes eingreifen, vielmehr hat der Schutz zur Voraus-
setzung den Erlaß eines Ortsstatuts. Ortsstatut ist die
rechtsverbindliche Bestimmung der Gemeinden über An-
gelegenheiten, deren Regelung auf diesem Wege das
Gesetz zuläßt. Erläßt eine Stadtverwaltung kein Orts-
statut — gezwungen werden können die Gemeinden
nicht dazu —, so sieht der Schutz auf dem Papier. Sehr
groß ist die Zahl der bis heute erlassenen Ortsstatute
gerade nicht. Es gibt noch viele schutzbedürftige preußische
Städte. Der Gesetzgeber ist gewiß davon ausgegangen,
daß im Rate der Stadt immer nur sitzen werden „die
Besten und Weisesten"; aber die Frage ist, ob der stadt-
väterlichen Weisheit stets auch die genügende Dosis Ver-
ständnis für Städteästhetik und Denkmalpflege beigemischt
ist. Ganz besonders sind die großen Städte mit der Er-
lassung von Ortsstatuten zurückhaltend, weil sie eben
vielfach geradezu „Hochburgen der nur technisch-prak-
tischen Kultur" sind. Aber auch die kleinen, zumal die
III. Die preußischen Verunstaltungsgesetze von 1902 und 1907 165
denkmälerreichen Gemeinden verhalten sich bedauerlicher-
weise ablehnend.
Hervorzuheben ist, daß die gänzliche Niederlegung im
Privateigentum befindlicher Bauwerke von künstlerischer
oder geschichtlicher Bedeutung nicht verboten werden
kann, da dies über den Rahmen dessen, was der Gesetz-
geber gewollt hat, hinausgeht und in das Gebiet der
eigentlichen Denkmalpflege fällt. Immerhin werden
aber die Bestimmungen des Ortsstatuts bewirken, daß
einer überflüssigen und im Interesse der Denkmalpflege
beklagenswerten Niederlegung von Bauten an den ge-
schützten Stellen gesteuert wird, weil die für den Ersatzbau
vorgeschriebenen Beschränkungen einer spekulativen Aus-
nutzung des Terrains oftmals entgegenstehen. Das Gesetz
hat auch hier zunächst den Zweck, eine Schranke aufzu-
richten. Unter dem Druck seiner Vorschriften wird sich
eher mit dem Eigentümer verhandeln und eine Ver-
ständigung erzielen lassen.
Für T r i e r ist — um ein Beispiel aus der Praxis vorzuführen —
nicht ohne lebhaften Widerspruch insbesondere aus den Haus-- und
Grundbesitzerkreisen, bereits unterm 17. Juni 1908 ein „Ortsgesetz be-
treffend den Schutz gegen die Verunstaltung der Stadt Trier" erlassen
worden (das im Anhang unter Nr. 7 zum Abdruck gekommen ist). Es
lehnt sich in seinem Aufbau und seiner Fassung an das Gesetz von 1907
an; im Rahmen des Gesetzes wird das konkrete Bild der Stadt gefaßt.
Und es darf zum Lobe der Stadtverwaltung gesagt werden, daß das
Ortsstatut umsichtig und durchgreifend ist, soweit es bei den kolli-
dierenden Interessen überhaupt angängig erschien. Nach dem Trierer
Ortssiatut ist eine ganze Reihe von Straßen und Plätzen sowie Bau-
werken geschützt, die naturgenäß zumeist im Kerne der alten Stadt
liegen. An Gebäuden allein sind über 100 dem Schutze des Gesetzes
anvertraut, darunter rund 25 Kirchen, Kapellen und ehemalige Klöster,
und an die 60 Bürgerhäuser. Eine bemerkenswerte Besonderheit ist im
letzten Absätze des 8 2 vorgesehen: es sollen danach grundsätzlich bei den
der St. Gangolfskirche im Norden vorgelagerten Gebäuden Neubauten
oder Veränderungen über die bestehende Umrißlinie hinaus und in der
unmittelbaren Umgebung der Porta nigra Neubauten mit mehr als
i66 Fünftes Kapitel: Die Spezialgesetzgebung des 20. Jahrhunderts
zwei Geschossen (Erd- und einem Obergeschoß) sowie bauliche Ver-
änderungen über die gegenwärtige Gcbäudehöhe hinaus nicht zugelassen
werden. Insbesondere bei der im Mittelpunkte der Stadt imposant
gelegenen Gangolfskirche drohte der prächtige Blick auf Turm und Dach
durch schrankenlose Ausnutzung der davor, gegen den Markt hin
liegenden Grundstücke immer mehr verdeckt zu werden. Da greift das
Ortsstatut von 1908 mit dieser Vorschrift, die die betreffende Häuser-
reihe gewissen baulichen Beschränkungen in der Umrißlinie unterwirft,
höchst zweckmäßig und wirksam ein.
In grundsätzlicher Hinsicht ist das eine hervorzuheben:
Die beiden preußischen Verunsialtungsgesetze sind zwar
klein an Umfang (das von 1907 hat acht Paragraphen,
und das von 1902 besteht sogar nur aus einem einzigen),
aber in rechtlicher Beziehung bedeutend in ihrem Inhalt;
sie eröffnen polizeilicher Tätigkeit Gebiete, die bis dahin
ihrer Zuständigkeit ganz oder größtenteils entzogen
waren. Die in Wissenschaft und Rechtsprechung herrschende
Ansicht über Inhalt und Umfang des Polizeibegriffs nach
preußischem Recht verweist beim Fehlen sondergesetzlicher
Grundlagen jede auf ästhetische Ziele gerichtete behördliche
Tätigkeit in den Bereich staatlicher und kommunaler Wohl-
fahrtspflege. Die berühmte Bestimmung des Allgemeinen
Landrechts, wonach die Polizei lediglich „die nötigen An-
stalten zur Erhaltung der öffentlichen Ruhe, Sicherheit
und Ordnung und zur Abwendung der dem Publikum oder
einzelnen Mitgliedern desselben bevorstehenden Gefahr"
zu treffen hat, ließ ein Eingreifen der Polizei auf ästhe-
tische Gebiete ausgeschlossen erscheinen; denn „Ordnung"
bedeutet nur die staatliche oder gesellschaftliche äußere
Ordnung als solche, nicht aber „Wohlfahrt". Die neue
preußische Verunstaltungsgesetzgebung tut insofern — auf
juristisch-technische Einzelheiten kann natürlich hier nicht ein-
gegangen werden — einen großen und neuen Schritt
vorwärts. Nach dem Gesetze von 1907 besteht kein Hinder-
nis mehr, solche Beschränkungen der Baufreiheit, die über
III. Die preußischen Verunstaltungsgesetze von 1902 und 1907 167
das sonst polizeilich zulässige Maß hinausgehen, für be-
stimmte dazu geeignete Fälle aus ästhetischen Gründen
durch Ortsstatut vorzuschreiben. Wo ein örtliches Be-
dürfnis hervortritt, wird die Gemeinde, sei es von selbst,
sei es auf Anregung der Aufsichtsbehörde, sich dieses
Mittels bedienen, wobei das Selbstbestimmungsrecht der
Gemeinde den geeigneten Schutz gegen unnötige Be-
schränkung der Baufreiheit gewährt.
2. In jüngster Zeit hat Preußen auch ein Denkmal-
schutzgesetz bekommen, allerdings nur auf dem Teilgebiet
der Bodenaltertümer: das Ausgrabungsgesetz
vom 26. März 1914. Seine Zweckbestimmung — mit
der sich die Überschrift des Gesetzes nicht ganz deckt, in-
dem nicht nur das planmäßige Nachgraben den Gegen-
stand des Gesetzes bildet, sondern auch der Gelegen-
heitsfund betroffen wird — ergibt sich aus folgenden
Vorschriften:
Nach 8 i darf „eine Grabung nach Gegenständen, die
für die Kulturgeschichte einschließlich der Urgeschichte des
Menschen von Bedeutung sind, nur in der Weise erfolgen,
daß nicht das öffentliche Interesse an der Förderung der
Wissenschaft und Denkmalpflege beeinträchtigt wird".
„Zum Beginne der Grabung ist die Genehmigung des
Regierungspräsidenten erforderlich." Die bezüglichen
Vorschriften finden gemäß § 4 „auf eine Grabung nach
Gegenständen, die für die Urgeschichte der Tier- oder
Pflanzenwelt von Bedeutung sind, entsprechende An-
wendung".
Im 8 5 sodann ist bestimmt: „Wird in oder auf einem
Grundstück ein Gegenstand, der für die Kulturgeschichte ein-
schließlich der Urgeschichte des Menschen von erheblicher
Bedeutung ist, gelegentlich entdeckt, so ist dies spätestens
am nächsten Werktage der Orts Polizeibehörde anzuzeigen,
i68 Fünftes Kapitel: Die Spejialgesetzgebung des 20. Jahrhunderts
welche unverzüglich die Erwerbsberechtigten (8 8 Abs. 2)
zu benachrichtigen hat."
Für beide Fälle — den Fall der Ausgrabung (§ 1)
wie für den Gelegenheitsfund (§ 5) — sieht dann der
8 8 die Pflicht der Ablieferung gegen Entschädigung vor,
und zwar steht die Befugnis, die Ablieferung zu ver-
langen, „dem Staate sowie der Provinz, dem kommunal-
ständischen Verbände, dem Kreise und der Gemeinde zu,
in denen der Gegenstand entdeckt worden ist". „Die
Ablieferung kann (nach 8 9) nur verlangt werden, wenn
Tatsachen vorliegen, nach denen zu besorgen ist, daß der
Gegenstand wesentlich verschlechtert wird, oder daß er der
inländischen Denkmalpflege oder Wissenschaft verloren geht."
Das Gesetz will, wie es in der Begründung heißt,
dem „vaterländischen Erbe an Bodenaltertümern, die von
der Entwicklung des Landes seit den frühesten mensch-
lichen und noch vormenschlichen Zuständen Kunde geben,"
einen wirksamen Rechtsschutz verschaffen, für den bisher
in Preußen noch die gesetzlichen Grundlagen fehlten.
„Wo ein solcher Schutz fehlt, ist jenes Gut der Gefahr
der Vergeudung ausgesetzt. Aus Gewinnsucht und Un-
verstand werden Ausgrabungen unternommen, die mehr
zerstörend als fördernd wirken. Mit der zunehmenden
Bodenausnützung, wie bei Urbarmachung neuen Landes
und bei Bauarbeiten, werden Siedlungsreste und Gräber
der Vorzeit achtlos vernichtet, ohne daß auch nur ein
Sachkundiger Kenntnis erlangt. Funde werden miß-
handelt und verschleppt. Nicht nur materielle und
ästhetische Werte werden auf diese Weise vernichtet, es
wird vielfach auch der Erkenntnis menschlicher Geschichte
vorzeitig eine Schranke gesetzt. ... Im Westen der
Monarchie, wo das Schutzbedürfnis neuerdings mit be-
sonderm Nachdruck betont wird, gilt es vornehmlich, die
in aller Augen fallenden Werte zu schützen, die aus der
III. Die preußischen Verunstaltungsgesetze von 1902 und 1907 169
römischen und der auf ihr fußenden fränkischen Kultur
überkommen sind."
In der Tat sind gerade die leitenden Persönlichkeiten
der rheinischen Archäologie, insbesondere auch die Leitung
des Trierer Provinzialmuseums, um das Zustande-
kommen des Gesetzes sehr bemüht gewesen. Als Bericht-
erstatter der Kommission im Abgeordnetenhause hat der
parlamentarische Vertreter des Trierer Kreises, Geheim-
rat Schreiner, fungiert; sein Bericht gibt eine ausgezeich-
nete Orientierung (Haus der Abgeordneten, 21. Leg.
V. Session, Nr. 141z).
Die Bedenken, die das Herrenhaus namentlich auf
dem Gebiete der Gelegenheitsfunde geäußert hatte, sind
schließlich zerstreut worden. Diese Bedenken gingen vor
allem dahin, daß den Grundstücksbesitzern durch polizei-
liche Maßnahmen bei Entdeckung von Funden Schwierig-
keiten entstehen könnten, so daß z. B. Feld- und Bau-
arbeiten unter solchen Anordnungen leiden würden. Es
ist das Gesetz auf diese agrarischen Einwendungen hin
gegen den ursprünglichen Entwurf abgeändert und von
der Regierung betont worden, daß Eingriffe in das
Privateigentum nur stattfinden sollen, wo sie unbedingt
notwendig sind, und daß eine verständnisvolle private
Sammeltätigkeit durch das Gesetz nicht unterbunden
werden solle; das Gesetz wolle nur im Interesse der
Wissenschaft und der Denkmalpflege die Raubgräberei
unterbinden.
In der Tat sind die Klagen über die verständnislose
Wühlarbeit solcher unberufenen Ausgrabungshyänen seit
Jahren immer lebhafter geworden; vollends hat dieses
Treiben die Entrüstung kundiger Kreise in den Fällen
wachgerufen, wo aus schnöder Gewinnsucht unersetzliche
Dokumente der heimatlichen und vaterländischen Ge-
schichte ins Ausland verschachert worden sind.
i7o Fünftes Kapitel: Die Spezialgesetzgebung des 20. Jahrhunderts
Vgl. im besondern die Denkschrift über die Notwendigkeit eines
gesetzlichen Schutzes der Bodenaltertümer von Geh. Regierungsrat Prof.
Dr. C. S ch u ch h a r d t, Direktor der vorgeschichtlichen Abteilung bet
den Kgl. Museen.
Als Gegenstände, die vom Gesetz erfaßt sind, kommen
bewegliche (Gebrauchsgegensiände, Schmuckstücke, Münzen
usw.) wie unbewegliche (Siedlungsreste, Grabbauten u. ä.)
in Betracht. Zu den Gegenständen von naturgeschichtlicher
Bedeutung gehören vor allem auch die paläontologisch
bedeutsamen.
Zu betonen ist, daß hier nicht nur etwa die öffentlich-
rechtlichen Korporationen dem Gesetzeszwang unter-
worfen sind, sondern auch jeder Privateigentümer muß
sich — im Interesse der Gesamtheit — solche Beschrän-
kungen gefallen lassen.
Preußen hat mit seinem Ausgrabungsgesetze von 1914
nicht etwa neue Bahnen betreten. Abgesehen davon,
daß schon im Ausland vielfach gesetzgeberische Maß-
nahmen zum Schutze der Vodenaltertümer getroffen
waren, hatten auch Hessen und Oldenburg in ihren
Denkmalschutzgesetzen von 1902 und 1911 und Bayern
1908 schon dieser Gruppe von Denkmälern ihre Fürsorge
angedeihen lassen, wie auch der Württembergische Ent-
wurf von 1914 analoge Bestimmungen vorsieht. Wir
lernen das gehörigen Orts noch näher kennen.
Auf dem Gebiete der Bodenaltertümer ist der Ein-
griff in Privatrechte jedenfalls am ehesten zu rechtfertigen
und am leichtesten durchzuführen.
3. Überblicken wir die vorstehenden, auf das Wichtigste
beschränkten Darlegungen wie auch die im vorigen Kapitel
bezüglich der gesetzlichen Vorschriften in Preußen ge-
machten Ausführungen, so können wir das Fazit dahin
ziehen:
Die preußische Denkmalschutzgesetzgebung ist frag-
IV. Die übrigen Staaten 171
mentarisch und systemlos. Die Bedeutung Preußens in
der Denkmalpflege liegt jedenfalls nicht auf gesetz-
geberischem Gebiete. Ob es überhaupt zu einem umfassen-
den Denkmalschutzgesetz mit grundsätzlicher Regelung aller
einschlägigen Fragen kommen wird? Wir sind von diesem
Ziele heute vielleicht weiter entfernt als je. Hat doch
schon auf der Salzburger Tagung für Denkmalpflege und
Heimatschutz im Jahre 1911 Clemen im allgemeinen
bemerkt, daß die ganze Entwicklung erkennen lasse, daß
die Zeit der großen, zusammenfassenden Denkmalschutz-
gesetze vorüber sei.
Die zum Schutze der Denkmäler erlassenen Sonder-
gesetze umspannen eben inhaltlich nur einen Teil der
staatlichen Denkmalpflege. Und der Erlaß solcher Gesetze
bezeichnet zu einem guten Teil nicht den Beginn,
sondern die Krönung der Denkmalpflege. Die zwanglose
Förderung des Schutzes der Denkmäler durch Verwal-
tungsmaßnahmen ist schon geraume Zeit vorausgegangen.
Das Gesetz will schließlich noch die Widerstände beseitigen,
die von den dem Amtskreise der staatlichen Organe nicht
unmittelbar unterworfenen Herrschaftsgebieten ausgehen.
(Wieland 28.)
iv. Die übrigen Staaten, insbesondere
Oldenburg und Württemberg
Ein Überblick über den Gesetzgebungszustand in den
verschiedenen übrigen deutschen Bundesstaaten zeigt eine
große Mannigfaltigkeit, leider eine noch größere Lücken-
haftigkeit.
i. Der einzige deutsche Bundesstaat, der es bisher
außer Hessen zu einem einheitlichen Denkmalschutzgesetz
gebracht hat, ist das Großherzogtum Oldenburg,
zu dem übrigens auch das in Rheinland gelegene Fürsten-
tum Birkenfeld gehört.
i72 Fünftes Kapitel: Die Spezialgesetzgebung des 20. Jahrhunderts
Das oldenburgische Denkmalschutzgesetz vom
i8. Mai iyii weist nicht unerhebliche Vorzüge vor dem
hessischen Denkmalschutzgesetz von 1902 auf. Es ist folge-
richtiger im Inhalt und klarer im Aufbau. Von dem
hessischen Gesetz weicht es hauptsächlich in zwei Punkten
ab: es beruht auf dem Gedanken des Klassements, der Ein-
tragung aller schutzbedürftigen Denkmäler in eine Denk-
malliste, mag es sich um Baudenkmäler oder Natur-
denkmäler oder bewegliche Denkmäler handeln; sodann
unterwirft es bei den in Privatbesitz befindlichen Denk-
mälern — insofern einen bedeutenden Schritt über den
hessischen Vorläufer hinausgehend — auch die beweg-
lichen Denkmäler dem Denkmalschutz, wie er im III. Ab-
schnitt im einzelnen normiert ist.
Bemerkenswerterweise sieht das Gesetz im 8 24 auch
die Möglichkeit der Enteignung von Denkmälern und
ihrer Umgebung sowie von archäologisch wichtigem Boden
nach den Bestimmungen der Enteignungsgesetze vor.
Oldenburg hat nicht nur ein Denkmalschutzgesetz nach
hessischem, sondern auch ein Verunsialtungs-
gesetz nach preußischem Muster: das Gesetz gegen die
Verunstaltung von Ortschaften und landschaftlich hervor-
ragenden Gegenden vom ii. Januar 1910.
Das Großherzogtum Oldenburg hat damit zurzeit
den vollendetsten Rechtszustand auf dem Gebiete des
Denkmal- und Heimatschutzes; es ist unter allen deutschen
Bundesstaaten den Bestrebungen von Denkmalpflege
und Heimatschutz bis heute am meisten gerecht geworden.
Die beiden oldenburgischen Gesetze sind abgedruckt im Anhang
unter Nr. 14 und 15.
2. Im Königreich Württemberg sind durch den
Art. ii7 der Gemeindeordnung vom 28. Juli 1906 den
Gemeinden beschränkende Vorschriften bezüglich ihrer
Denkmäler in der Form auferlegt worden: Denkmäler der
IV. Die übrigen Staaken 173
Kunst und des Altertums, deren Erhaltung vermöge ihres
künstlerischen oder wissenschaftlichen Wertes oder der an
sie sich knüpfenden Erinnerungen im öffentlichen Inter-
esse gelegen ist, insbesondere Bauwerke oder Werke der
Bildhauerei, der Malerei oder des Kunstgewerbes dürfen
von der Gemeindebehörde nur nach vorgängiger recht-
zeitiger Benachrichtigung des Konservatoriums vater-
ländischer Kunst und Altertumsdenkmäler veräußert, be-
seitigt, ausgebessert oder sonst verändert werden. Ebenso
dürfen Urkunden und ältere geschichtlich wertvolle Akten
nur nach Benachrichtigung der Direktion des Geheimen
Haus- und Staatsarchivs veräußert oder vernichtet werden.
Bei Veräußerungen von Denkmälern, Urkunden und
Akten genannter Art steht dem Staat ein Vorkaufsrecht
nach den Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu.
Eine Gelegenheit zu weiterreichenden gesetzlichen
Maßnahmen zugunsten von Baudenkmälern und eigen-
artigen Orts-, Straßen- und Landschaftsbildern brachte
die neue Bearbeitung der Bauordnung, die zu dem Ge-
setze vom 28. Juli 1910 führte. Nach dieser ist bei der
Feststellung neuer und der Änderung bestehender Orts-
bauplätze und Baulinien auf die Erhaltung künstlerisch
oder geschichtlich wertvoller Bauten, Naturdenkmäler,
Friedhöfe und schöner Straßen und Landschaftsbilder
sowie auf die Neuschaffung solcher Bilder Bedacht zu
nehmen. Künstlerisch oder geschichtlich wertvolle Bau-
werke (Baudenkmale) sollen in ihrem Bestand und Ge-
samtbild möglichst erhalten werden; Neubauten und
Änderungen an ihrem Äußern oder in ihrer Umgebung,
die ihre Wirkung wesentlich beeinträchtigen würden, sind
zu untersagen. Bei erheblicher Schädigung kann der
Bauende Ersatz oder die Erwerbung durch die Gemeinde
oder den Staat beanspruchen. Nach Art. 98 sind auch
Bauführungen, die ein eigenartiges Orts-, Straßen- oder
i74 Fünftes Kapitel: Die Spezialgesetzgebung des 20. Jahrhunderts
Landschaftsbild gröblich verunstalten würden, zu unter-
sagen, wenn durch ihre Unterlassung die Verunstaltung
ohne wesentliche Schädigung des Beteiligten abgewendet
werden kann. Ortssatzungen können allgemein ein der
Umgebung angemessenes Äußere ohne namhafte Kosten-
steigerung erfordern und für einzelne Ortsteile oder
Straßen noch weitergehende Anforderungen stellen.
So sehr im übrigen gerade in Württemberg von jeher
der Gedanke betont worden ist, daß die Staatsregierung
das Heil nicht in gesetzlichen Bestimmungen erblicke,
sondern den besten Denkmalschutz in dem Fühlen des
Volkes für diese Dinge sehe, hat man sich doch neuerdings
auch noch zu entscheidenden Schritten auf dem Gebiete
der eigentlichen Denkmalschutzgesetzgebung,
und zwar in Hinsicht der beweglichen Denkmäler und der
Bodenaltertümer veranlaßt gesehen. In absehbarer Zeit
wird das an Denkmälern der Kunst und des Altertums
immer noch reiche Land der dritte Staat sein, der über
ein vollständiges Denkmalschutzgesetz verfügt.
Dem Landtage sind am n. März 1914 zwei Ent-
würfe vorgelegt worden; einmal der Entwurf eines Ge-
setzes betreffend den Denkmalschutz und sodann eines
Gesetzes betreffend den vorläufigen Schutz von Denk-
mälern im Eigentum bürgerlicher und kirchlicher Ge-
meinden sowie öffentlicher Stiftungen.
Beide Gesetze sind abgedruckt im Anhang unter Nr. 17 und 18.
Das provisorische Gesetz, sogenanntes Sperr-
gesetz, das bereits am 13. März von beiden Kammern
angenommen worden ist, soll dem Altertümerhandel auf
dem hauptsächlich in Betracht kommenden Gebiete die Ge-
legenheit entziehen, die Zeit bis zum Inkrafttreten des
definitiven Gesetzes für seine Zwecke auszunützen, und soll
so den Schutz für eine Reihe hervorragender, schon jetzt
vom Verkauf bedrohter Denkmäler sichern.
IV. Die übrigen Staaten 175
Zu bemerken ist, daß — nachdem die Baudenkmäler
schon in der Bauordnung von 1910 berücksichtigt sind —
der Entwurf zu dem definitiven Gesetz sich nur
mit den beweglichen Denkmälern im öffentlichen Besitz
und mit den Ausgrabungen und gelegentlichen Altertümer-
funden befaßt. Dagegen vermeidet es das Gesetz, den
privaten Eigentümern solcher beweglichen Denkmäler,
die nicht durch Grabung oder als gelegentliche Funde
zutage gefördert werden, irgendwelche Beschränkungen
aufzuerlegen. Es ist das damit motiviert worden, daß in
Württemberg die beweglichen Denkmäler im Privatbesitz
ungleich weniger ins Gewicht fielen als solche in öffent-
lichem Besitz, und daß sie außerdem zum größten Teil
in der Hand von Persönlichkeiten seien, deren Stellung
erhöhte Sicherheit gegen Verkäufe biete — eine doch wohl
etwas gar optimistische Auffassung. Möglicherweise wird
des definitive Gesetz aber auch auf die Privatdenkmäler
erstreckt. Das Gesetz hält sich im Vergleich zu den andern
Denkmalschutzgesetzen in engern Grenzen. Es sucht auf
die Interessen der Betroffenen soviel als möglich, auch
durch Entschädigungsvorschriften, Rücksicht zu nehmen.
Es verdient hervorgehoben zu werden, daß beide
Gesetze, sowohl das Notgesetz wie das Hauptgesetz, im
voraus die Zustimmung der beteiligten Oberkirchen-
behörden gefunden haben.
3. Im Königreich Bayern, wo die Bestrebungen
zum Schutze der heimischen Denkmäler (wie wir im
I. Kapitel gesehen haben) bereits in den Anfängen des
vorigen Jahrhunderts eingesetzt haben, kommen — ab-
gesehen von den bereits im vorigen Kapitel erörterten
Vorschriften, die auf kirchliche Gemeinden und Stiftungen
Bezug haben — vor allem die Gemeindeordnungen und
das Polizeistrafgesetzbuch als Grundlage des Heimat-
schutzes und der Denkmalpflege in Betracht. (Die wich-
176 Fünftes Kapitel: Die Spezialgesetzgebung des 20. Jahrhunderts
tigsten Bestimmungen sind im Anhange unter Nr. 10—12
abgedruckt; im übrigen ist auf „Recht und Verwaltung"
zu verweisen.) Bemerkt sei, daß schon durch die ältern
Gemeindeordnungen und Ministerialerlasse die Geneh-
migung der staatlichen Aufsichtsinstanz vorgesehen war
bei allen Beseitigungen, Veräußerungen, Veränderungen,
Restaurationen von öffentlichen Denkmälern im Besitze
der Gemeinden, der Kirchen und der Stiftungen und
ebenso auch bei Neuausstattungen. Dazu ist auch auf dem
Gebiete der frühgeschichtlichen Denkmäler ein weitgehender
Schutz vorhanden insofern, als einem jeden, der Aus-
grabungen unternehmen will, das Nachsuchen der Ge-
nehmigung bei der Disiriktsverwaltung vorgeschrieben ist,
und auch bei Funden die Anzeigepflicht ohne Ausnahme
besteht.
Einer besondern Kodifikation des Denkmalschutzrechts
ermangelt Bayern. Der Erlaß eines einheitlichen Denk-
malschutzgesetzes „liegt in großer Ferne" (Hartung 78).
4. Eine gesetzliche Regelung auf dem Gebiete der
Denkmalpflege genießt außerdem innerhalb der deutschen
Grenzen nur noch Elsaß - Lothringen. Hier ist
durch Erlaß des Ob er Präsidenten v. Möller vom 7. Januar
1874 die französische Denkmalschutzgesetzgebung vor 1870
als zu Recht bestehend anerkannt.
Heimatschutzgesetzlichen Inhalt hat das Gesetz be-
treffend baupolizeiliche Vorschriften vom 7. November
iyio allerdings nur entfernter Natur; denn es sieht
lediglich vor, daß durch Ortsstatut einer Gemeinde die
Ortspolizeibehörde ermächtigt werden kann, neben den
im Interesse der Sicherheit und Gesundheit erforderlichen
baupolizeilichen Vorschriften auch solche zum Schutze des
Ortsbildes über die äußere Ausgestaltung baulicher An-
lagen zu erlassen.
5. In Lübeck liegt dem Bürgerausschuß schon seit
IV, Die übrigen Staaten 177
Jahren der Entwurf zu einem Denkmalschutzgesetze vor,
ohne jedoch zur Verabschiedung gelangen zu können. Und
doch tritt auch dort deutlich zutage, daß letzten Endes die
Wahrung des künstlerischen und kunstgeschichtlichen Ge-
präges der alten Hansestadt ohne gesetzliche Handhabe
nicht möglich ist (vgl. Zeitschrift „Die Denkmalpflege"
1914, 7).
6. Während wir nur wenige eigentliche Denkmalschutz-
gesetze in Deutschland haben, ist die Zahl der V e r -
unsialtungsgesetze — die aber, wie wir schon
früher bemerkt haben, zu gutem Teile auch denkmal-
schutzgesetzlichen Inhalt haben, wenn auch vielfach nur
indirekter Natur — bereits auf fast ein Dutzend an-
gewachsen. Es sind solche — außer in Preußen und
Oldenburg — erlassen in folgenden Staaten:
Bremen: Gesetz, betreffend den Schutz von Bau-
denkmälern und Straßen- und Landschaftsbildern, vom
4. März 1909.
In Sachsen hat gleichfalls lange Zeit die Ab-
neigung gegen staatlichen Zwang auf dem Gebiete des
Denkmalschutzes und gegen polizeiliche Regelung be-
standen. Das allgemeine Baugesetz vom i. Juli 1900
hat dann wenigstens Handhaben gegeben, diejenigen
Bauausführungen auszuschließen, die einem Orte „zur
offenbaren Unzierde" gereichen. Und schließlich hat sich
Sachsen auf dem Gebiete der Verunstaltungsgesetzgebung
der preußischen Regelung angeschlossen mit seinem Gesetze
vom 10. März 1909. Danach können die Baupolizei-
behörden die baupolizeiliche Genehmigung versagen, wenn
die Bauausführung ein Bauwerk, dessen Umgebung, das
Straßenbild, das Ortsbild oder endlich das Landschafts-
bild verunstalten würde. Durch Ortsstatut kann zum
Schutze einzelner Straßen, Plätze oder Bauwerke von
geschichtlicher und künstlerischer Bedeutung die Versagung
K n e e r, Denkmalpflege
12
178 Fünftes Kapitel: Die Spezialgesetzgebuug des 20. Jahrhunderts
der baupolizeilichen Genehmigung auch von solchen Bau-
ausführungen vorgeschrieben werden, durch welche die
Eigenart des geschützten Bildes beeinträchtigt würde. Das
sächsische Gesetz geht aber insofern über sein preußisches
Vorbild von 1907 hinaus, als es in allen Fällen, wo die
Gemeinden zögern, den Erlaß solcher Ortsstatute im Wege
des Zwanges durch die obern Behörden vorsieht. Auch
erstreckt das sächsische Gesetz seinen Landschaftsschutz nicht
bloß auf einzelne landschaftlich hervorragende Gegenden,
sondern auf das ganze Land.
Das Gesetz ist abgedruckt im Anhang unter Nr. 13. Es ist aus-
gezeichnet erläutert von Regierungsrat Dr. P. A d 0 l p h (Leipzig 1909);
wertvoll ist auch die Einleitung und das im Anhang beigegebene Material
über die Denkmalpflege überhaupt.
Gotha: Gesetz gegen die Verunstaltung von Ort-
schaften und landschaftlich hervorragender Gegenden vom
10. April 1909; ähnlich Coburg 20. April 1929.
Oldenburg: Gesetz vom n. Januar 1910 (bereits
oben erwähnt).
Schwarzburg-Rudolstadt: Gesetz gegen
Verunstaltung von Stadt und Land vom 24. Dezember
1910.
Braunschweig: Gesetz gegen die Verunstaltung
von Stadt und Land, vom i. Februar 1911.
Schaum bürg-Lippe: Gesetz gegen die Ver-
unstaltung von Stadt und Land, vom 21. März 1911.
Hamburg: Baupfiegegesetz vom 3. April 1912.
Es weicht von den übrigen Heimatschutzgesetzen wesentlich
ab. Sein Kerngedanke ist, durch Einsetzung einer Kom-
mission eine Instanz zu schaffen „zum Schutze gegen die
Verunstaltung des Straßen-, Orts- und Landschafts-
blldes, zum Schutze der Bau- und der Naturdenkmäler,
sowie zur Wahrung der künstlerischen Interessen bei Aus-
gestaltung des Stadt- und Landschaftsbildes". Bredt
IV. Die übrigen Staaten 179
(Heimatschutzgesetzgebung 70) faßt sein Urteil über dies
Gesetz dahin zusammen: „Wertet man das Hamburger
Baupfiegegesetz nach seinem Gesamtinhalt ab, so muß
man ihm neben seinen weitgehenden Maßgaben für den
Heimatschutz auch fast die Eigenschaft eines Denkmal-
schntzgesetzes zuerkennen."
7. In den Staaten, wo keine besondern Verunstal-
rungsgesetze ergangen sind, fehlt es gleichwohl nicht an
gesetzlicher Regelung auf diesem Gebiete.
Im Großherzogtum B a d e n ist 1884 ein sorgfältiger
und ausführlicher Denkmalschutzgesetzcntwurf vorgelegt
worden; aber der Entwurf — dessen Bestimmung des
Denkmalbegriffs wir bereits im II. Kapitel kennen ge-
lernt haben — ist zurückgezogen worden, „weil sich schon
im Vorstadium so mannigfache Schwierigkeiten ergaben,
daß es entsprechender erschien, zu zu warten, bis sich die ver-
schiedenen in Betracht kommenden Fragen mehr geklärt
haben". Dabei ist es bis heute geblieben, obwohl sich die
Verhältnisse inzwischen doch ganz erheblich geändert und
gebessert haben. Was in Baden in den letzten Jahren
geleistet worden ist und geleistet wird, beruht nicht auf
einem Spezialgesetz, sondern auf der Landesbauordnung
vom i. September 1907. Nach dieser können ortspolizei-
liche Vorschriften über die äußere Ausgestaltung von
Bauten erlassen werden; insbesondere können sie an-
ordnen, daß die baupolizeiliche Genehmigung bei drohen-
der Verunstaltung von Straßen, Plätzen oder des Orts-
bildes zu versagen ist, daß die von öffentlichen Straßen,
Wegen oder Plätzen sichtbaren Gebäudeteile ein gefälliges
Äußere haben müssen, und daß für einzelne Straßen
oder Ortsteile noch höhere Anforderungen an architekto-
nischer Ausgestaltung gestellt werden können; das Be-
zirksamt kann ferner für befugt erklärt werden, bauliche
Herstellungen, die bedeutungsvolle Straßenbilder erheb-
12*
i8o Fünftes Kapitel: Die Sozialgesetzgebung des 20. Jahrhunderts
lich beeinträchtigen würden, äußere Veränderungen von
Bauten, die von geschichtlicher oder künstlerischer Be-
deutung (Baudenkmalen) oder für das Gepräge der Land-
schaft von Bedeutung sind, endlich erheblich störende
Bauausführungen in der Nähe von Baudenkmalen oder
hervorragenden landschaftlichen Schönheiten (Naturdenk-
malen) zu untersagen. Vorschriften denkmalschutzgesetzlicher
Natur enthalten sodann die §§ 130 und 143 des Polizei-
strafgesetzbuchs (abgedruckt im Anhang unter Nr. 16).
Weiter finden sich — soweit nicht schon erwähnt —
u. a. noch in Hessen, Lübeck, Anhalt, Reuß j. L., Mecklen-
burg-Schwerin Heimatschutzbestimmungen in allgemeinen
Gesetzen über Bau- und Polizeiwesen.
8. In einer Reihe von deutschen Staaten bestehen
weder besondere Denkmal- oder Heimatschutzgesetze noch
ausgesprochene Bestimmungen dieser Art in andern Ge-
setzen allgemeinen Charakters. Leider gehören zu diesen
Staaten gerade auch solche, die reich sind an wertvollen
Denkmälern.
Wir können aber hier auf das einzelne weiter nicht
eingehen. Wer sich darüber unterrichten will, findet ins-
besondere in den Werken von Bredt und Heyer das
Material übersichtlich zusammengestellt und kritisch be-
leuchtet.
v. Grundsätzliches; Entschädigung und Enteignung
Aus den vorstehenden Darlegungen ergibt sich, daß
die Denkmalschutzgesetzgebung in Deutschland im wesent-
lichen zwei Typen folgt: dem hessischen und dem
preußischen. Wir haben die wichtigsten Einzel-
heiten kennen gelernt. Zusammenfassend ist zu sagen,
daß die Gesetzgebungen der beiden Staaten, vor allem
soweit sie sich gegen Privatpersonen richten, zwei wesent-
lich verschiedene Systeme erkennen lassen. Das h e s-
V. Grundsätzliches; Entschädigung und Enteignung 181
fische System beruht darauf, daß der Denkmaleigen-
tümer infolge der Denkmaleigenschaft seines Eigentums
grundsätzlich in der Verfügung beschränkt ist. Infolge der
weitgehenden Beschränkung ist eine Entschädigung vor-
gesehen. Man hat dieses System wohl das des „d i n g-
lichen Denkmalschutzes" genannt (Ztintzing 89).
Das preußische System dagegen, das System der
sogenannten „ästhetischen Polizei", fußt auf dem
Gedanken, daß im Wege der Baupolizei Störungen
verboten werden können, die ein Privater durch Bauten,
Reklame usw. einem Baudenkmal, einem Orts-, Straßen-
oder Landschaftsbild oder einem Naturdenkmal zufügt.
Es gibt hier also die „Störungsmaxim e": der
Private ist prinzipiell frei, nur Störungen, die er der
Allgemeinheit zufügt, werden verboten. Die Eingriffe
gegen ihn sind also geringer; die Allgemeinheit befindet
sich gleichsam in der Abwehrstellung. Deshalb ist auch
keine Entschädigung vorgesehen.
Es wird das letztere noch deutlicher werden, wenn
wir folgenden Erwägungen nachgehen, die über die sehr
wichtige Frage der Entschädigung bei den Be-
ratungen über das preußische Verunstaltungsgesetz in der
Kommission des Hauses der Abgeordneten aufgestellt
worden find. Es wurde dort — wir folgen hier im be-
sondern den Darlegungen von Loening (S. n f) —
von mehrern Mitgliedern hervorgehoben, daß der Ent-
wurf einen so wesentlichen Eingriff in die privatrechtlichen
Verhältniffe des einzelnen darstelle, daß sie ihre Zu-
stimmung zu ihm nicht erteilen könnten; ja es wurde
sogar geltend gemacht, daß der Entwurf mit Art. 9 der
preußischen Verfassung nicht im Einklänge sich befinde,
wonach das Eigentum unverletzlich ist und nur aus
Gründen des öffentlichen Wohles gegen vorgängige Ent-
schädigung nach Maßgabe des Gesetzes entzogen oder
i82 Füllst es Kapitel: Die Spejialgesetzgebung des 20. Jahrhunderts
beschränkt werden kann. Das letztere ist nun zweifellos
nicht der Fall. Wie von seiten eines Regierungsver-
treters in der Kommission richtig hervorgehoben wurde,
kann es nach der bisherigen Rechtsprechung und der Lite-
ratur keinem Zweifel unterliegen, daß der Art. 9 der
Verfassung nur willkürliche Eingriffe der Behörden aus-
schließen will; Beschränkungen, die jeder sich im Interesse
des Gemeinwohls gefallen lassen muß, sind dadurch nicht
ausgeschlossen. Es isi unbedenklich, daß durch ein Gesetz
Privateigentum im Interesse des gemeinen Wohles Be-
schränkungen unterworfen werden kann, ohne daß die
Zubilligung einer Entschädigung erforderlich ist. Freilich
dürfen solche Eingriffe in das Privateigentum nicht über
das gebotene Maß hinausgehen, sie müssen erträglich
bleiben. Es kann ohne weiteres zugegeben werden, daß
das Gesetz offenbare Härten im Gefolge haben kann.
Trotzdem hat man mit Recht die Entschädigungsfrage
aus dem Gesetz ausgeschaltet und es abgelehnt, eine Ent-
schädigungspflicht des Staates oder der Gemeinde in das
Gesetz aufzunehmen. Hätte man eine Entschädigungspflicht
eingeführt, so würden sich die Städte wohl sehr schwer
dazu entschlossen haben, ein Ottsstatut zu erlassen, da die
finanziellen Folgen für die Stadt kaum zu übersehen
gewesen wären. Man braucht sich ja nur zu vergegen-
wärtigen, daß der Baulustige, der ein nicht genehmes
Bauprojekt einreichen würde, unter Umständen besser
gestellt sein würde als derjenige, der gleich von vornherein
ein künstlerisches Projekt vorlegt. Dem Übelwollen und
der Illoyalität wäre Tür und Tor geöffnet. Von diesem
Gesichtspunkt aus sind alle Anträge auf eine Entschädi-
gungspflicht abgelehnt worden. Auch der Fall des 8 2
Abs. 2 des Gesetzes von 1907 sieht eine Entschädigung
nicht vor; es kann nur, falls durch die Anwendung des
Ortsstatuts unverhältnismäßig hohe Unkosten verursacht
V. Grundsätzliches; Entschädigung und Enteignung 18z
werden würden, von der Anwendung des Ortsstaruts ab-
gesehen werden. Natürlich ist es in diesen Fällen der Ge-
meinde überlassen, sich unter Übernahme der Mehrkosten
mit dem Baulustigen zu verständigen. Diesen letztern Weg
empfiehlt auch die Ausführungsanweisung, und mit diesem
Ausweg hat man in einzelnen Städten schon vor dem
Erlaß des Gesetzes gute Erfolge erzielt. So hat z. B.
die städtische Verwaltung von Münster i. W. bereits
mehrfach namhafte Summen als Beihilfe für den getreuen
Wiederaufbau oder die Instandsetzung der Giebel und für die
stilgemäße Ausgestaltung der Fassaden an Private gezahlt.
Bei dieser Rechtslage tritt die große Bedeutung der
privaten Bestrebungen in der Denkmalpflege recht
zutage. So hat z. B. der Rheinische Verein für Denkmal-
pflege und Heimatschutz in vielen Fällen den Eigen-
tümern Beihilfen bei der Erhaltung von Baudenkmälern
usw. gewährt. Abgesehen von der finanziellen Seite hat
solche Unterstützung auch erheblichen ethischen Wert.
Statt Verdrossenheit über einschränkende Vorschriften
erwächst Lust und Liebe zur Sache, der Stolz, etwas
Besonderes sein eigen zu nennen.
Wenn der nötige Mammon da ist, hat die Denknral-
pfiege überhaupt leichteres Spiel: es kann dann schon
das Enteignungsrecht Hilfe bringen. Es ist an-
erkannt, daß es u. a. auf Grund unseres preußischen
Enteignungsgesetzes vom n. Juli 1874 nicht nur möglich
ist, die Schönheit der Landschaft zu schützen (wie es z. B.
im Siebengebirge praktisch geworden ist), sondern auch
Privateigentümern von künstlerisch oder geschichtlich wert-
vollen Bauwerken im Wege des Enteignungsverfahrens
Beschränkungen aufzuerlegen. Es ist das, wenn auch
nur in wenigen Fällen, bereits in Anwendung gekommen.
Der wunde Punkt ist aber stets die Verpflichtung der
„vollständigen Entschädigung". Deshalb ist die Ent-
i84 Fünftes Kapitel: Die Spezialgesetzgebung des 20. Jahrhunderts
eignung mit Recht als das letzte, allerdings auch als das
durchgreifendste Hilfsmittel des Denkmalschutzes be-
zeichnet worden (vgl. Bredt, Denkmalschutz im Wege der
Enteignung).
Wenn die „rettende Hand eine Handvoll Gold" ist,
wird es in vielen Fällen nicht einmal des Zwanges der
Enteignung bedürfen; dann wird schon eine gütliche
Einigung zu erzielen sein. So hat z. B. die Hildes-
heimer Stadtverwaltung das unvergleichliche Bild ihres
alten Marktplatzes dadurch gesichert, daß sie alle wert-
vollen alten Gebäude um den Platz herum angekauft hat.
Die Möglichkeit, zum Schutze der Landschaftsbilder,
zum Schutze seltener Pflanzen, zur Bewahrung von
Naturdenkmälern und Altertümern den Grund und Boden
zugunsten der Öffentlichkeit gegen die Willkür des Privat-
eigentums mit einer Dienstbarkeit zu belasten und so
zur Wahrung ästhetischer Interessen eine Art „Bannland"
zu schaffen, ist in der freien Schweiz gegeben, nach unserm
Recht aber ausgeschlossen.
VI. Schluß
Die kurze Übersicht, die wir im vorstehenden ge-
wonnen haben, zeigt, daß wir in Deutschland auf dem
Gebiete der Denkmalschutzgesetzgebung von dem Ideal
einer allgemeinen und vollkommenen Lösung weit, recht
weit entfernt sind. Wir haben gesehen, daß unter den
25 deutschen Bundesstaaten bisher nur zwei, die Groß-
herzogtümer Hessen und Oldenburg, das Denkmalrecht
kodifiziert haben, und auch diese nicht in allen Teilen.
Und diese beiden Staaten gehören keineswegs den größern
an: während z. B. Preußen über 42 Millionen Ein-
wohner zählt, hat Hessen noch nicht einmal 1% Millionen
und Oldenburg nur etwa y2 Million. Und auch Württem-
berg, das in absehbarer Zeit der dritte deutsche Bundes-
VI. Schluß 185
staat mit Oenkmalschutzgesetz sein wird, verfügt nur über
rund 2Y2 Millionen Einwohner. Wir sehen also, auf
dem Gebiete der Denkmalschutzgesetzgebung ist zwar
manches schon getan, aber vieles noch zu tun. Noch kann
die Gesetzgebung nicht zum Denkmalschutze sagen, wie
Gretchen zu Faust:
„Ich habe schon so viel für dich getan,
Daß mir zu tun fast nichts mehr übrigbleibt."
Freilich ist nicht zu verkennen, daß der Gesetzgeber
hier viele Schwierigkeiten findet, insbesondere auf dem
Gebiete der im Privatbefitz befindlichen Denkmäler.
Schon allein die Frage der Entschädigung bietet in vielen
Fällen ein kaum übcrwindliches Hindernis. Und man
mag noch so sehr für Denkmalpfiege schwärmen, es muß
doch — und dieser Gedanke kann nicht nachdrücklich genug
betont werden — in jedem Falle sorgfältig geprüft werden,
ob nicht wirtschaftliche Interessen von größerer Bedeutung
gefährdet sind, denen gegenüber die auf ästhetischem Ge-
biete liegenden Wünsche zurücktreten müssen. Die Denk-
malpflege ist eben auch zum großen Teil eine Geldfrage,
nach den verschiedensten Richtungen, wenn auch nicht zu
übersehen ist, daß in manchen Fällen gerade Rücksichten
der reinen Nützlichkeit, des wirtschaftlichen Vorteils für die
Pflege der überkommenen Denkmäler sprechen. „Gerade
in der Rheinprovinz (so führt Clemen, Rheinprovinz 4.
aus) ist für eine ganze Reihe von Städten die Er-
haltung ihrer Bauwerke eine Lebensfrage. Was wäre
Xanten ohne seinen Dom, was wären Blankenheim und
Nideggen ohne ihre Burgen, was Zons ohne seinen
Mauerring? Das Bild des Rheines ist für uns unlösbar
verbunden mit den Burgen, den turmreichen Kirchen, den
ummauerten Städten, deren Fuß der Strom umspült.
Der Besitz dieser Bauwerke bedeutet für einzelne dieser
Orte eine ziemlich hohe jährliche Einnahme. Für manche
i86 Fünftes Kapitel: Die Spezialgesetzgrburrg des 20. Jahrhunderts
Ortschaften der Eifel sind die Burgen und Ruinen fast die ein-
zigen Anziehungspunkte — ihrem Verfall ruhig zuzusehen,
hieße die Lebensadern jener Flecken unterbinden."
Von den Schwierigkeiten, die sich der Denkmalschutz-
gesetzgebung entgegenstellen, mag hier nur noch eine
hervorgehoben sein. Schon die grundsätzliche Seite der
Sache, die Frage nach der Berechtigung des legislatorischen
Denkmalschutzes ist keineswegs so einfach, wie es dem
Fernerstehenden scheinen mag. Ganz abgesehen von
der breiten Masse einsichtsloser Nützlichkeitsmenschen, die
alles Ästhetentum im allgemeinen und die Denkmalpflege
im besondern auf den Blocksberg wünschen mögen, gibt
es selbst in Fachkreisen Stimmen, die an der alten Theorie
festhalten, daß das Gebiet der Ästhetik nie und nimmer
polizeilicher Regelung unterworfen sein könne. Doch
würde es zu weit führen, diese nicht eben leichten Fragen
hier zu erörtern. Jedenfalls, wohin sollte es führen,
wollte der Staat eine Welt voll Erinnerung und Schön-
heit dem Banausentum ausliefern.
Wir wollen uns jedenfalls gesagt sein lassen: Wenn
uns die bisherige Gesetzgebung zaghaft und lückenhaft,
wenn sie uns systemlos erscheint, so mag urrs zur Be-
ruhigung dienen, daß es dem Staate schon im Wege der
Verwaltung möglich ist, auf den verschiedensten Gebieten
mit allen möglichen Mitteln die Ziele dieser Kultur-
bestrebung zu fördern, sei es im Wege von Bauordnungen,
sei es mit Hilfe von speziellen Denkmalerlassen oder mit
Anordnungen allgemeiner Natur. Wenn die Organe
der Verwaltung, wenn Minister, Regierungspräsidenten,
Landräte, Bürgermeister und wer immer kraft seines
Amtes berufen ist, recht durchdrungen sind von dem
Geiste, der der Denkmalschutzgesetzgebung innewohnt, so
kann auch die Verwaltung große, aufbauende Werte
hervorbringen. Die Behörde soll allerdings möglichst
VI. Schluß 187
schonend vorgehen. Versöhnliche Behandlung, nicht
schroffe polizeiliche Bevormundung muß als Grundsatz
gelten, wie denn auch von den führenden Persönlich-
keiten der Denkmalpflege immer wieder zur Besonnenheit
und Maßhaltung gemahnt wird.
Wir treten aus dem engern Gebiete der Gesetzgebung
und Verwaltung noch in einen weitern Betrachtungs-
kreis. Empfindung und Verständnis für die hohen Werte,
die es hier zu schützen gibt, soll in immer reicherm Maße
Gemeingut der wahrhaft Gebildeten werden. Auf den
Geist des Menschen kommt es an. Es muß die Über-
zeugung wirksam sein, daß bloße materielle Fürsorge
allein niemals Glück und Gedeihen bewirken kann, sondern
daß hinzutreten muß ein Reichtum an innern Werten,
die höher stehen als alles, was der platte Nützlichkeilssinn
sucht und ersinnt.
„Der Mensch lebt nicht vom Brot allein."
Und es ist ja nicht zu verkennen, daß es auch in dieser
Beziehung in unserm Vaterland aufwärts geht.
Auf diesem Gebiete kann und muß auch die Schule
vieles wirken. Erfreulicherweise hat sich vielerorts —
gefördert durch einsichtige Regierungsmaßnahmen —
der Heirnat- und Denkmalpflegegedanke auch im Unter-
richt seinen Platz erobert. Die Schulbehörden sind um
die Sache bemüht. Das Beste freilich wird die Initiative
und Individualität des Lehrers geben. So wird ver-
heißungsvoller Samen für die Zukunft ausgesät.
Es geht voran allenthalben — trotz mancher Rückfälle.
„Der soziale Gedanke, daß die Allgemeinheit ein ge-
wisses Anrecht an dem Kunsterbe der Vergangenheit hat,
auch wenn es sich nun zufällig im Besitz eines einzelnen
befindet, ist nicht mehr aufzuhalten. Er wird gleichen
Schrittes mit der allgemeinen Zunahme künstlerischer
Interessen in unsern Tagen immer mehr erstarken und
i88 Fünftes Kapitel: Die Spezialgesetzgebung des 20. Jahrhunderts
sich durchsetzen" (Weber, Heimatschutz, Denkmalpflege und
Bodenreform 8). Und das Wort des feinsinnigen
Abgeordneten Frhrn. v. Heeremann aus einer Landtags-
verhandlung vom Jahre 1900, an das mit vollem Recht
Clemen erinnert, dürfte heute mehr denn je zutreffen:
„Ich glaube, Sie sind alle mit mir dahin einverstanden,
daß das Interesse für die Erhaltung unserer Kunst- und
Geschichtsdenkmäler keine beliebige und gleichgültige
Spezialität oder Altertumskrämerei ist, sondern daß sie eine
sehr ideale Bedeutung und einen großen Wert für unsere
Kunst und unsere Geschichte hat, für das historische Verständ-
nis unseres Volkes, für das vaterländische Gefühl, für die
KulturentWicklung und Gemeinsamkeit des ganzen Volkes."
Möge denn auch auf dem Gebiete des Denkmal-
schutzes von der engern Heimat wie dem weiten Vater-
land in gewissem Sinne das Wort gelten, das Tacitus
einst unsern Ahnen zum Ruhme geprägt: Plus ibi boni
mores valent quam alibi bonae leges. Möge der Sinn
und das Verständnis für die Aufgaben der Denkmalpflege
bei uns so wachsen und erstarken, daß der Zwang des
Gesetzes nur das äußerste und letzte Mittel zu sein braucht.
Man wird ohne den Zwang des Gesetzes für den
Notfall nicht auskommen. Aber die Zukunft der Denkmal-
pflege wird nicht auf der Gesetzgebung beruhen, sondern
auf dem rechten Wirken der amtlichen und beruflichen
Organe und dem Blühen der Vereinigungen und Ver-
eine, die sich die Pflege der Heimat und ihrer Denkmal-
schätze zur Aufgabe gestellt haben. Und schließlich bleibt
das Wort Dehios (Oechelhäuser I 13) wahr: Zur Denk-
malpflege im weitern Sinne gehört ein jeder, der für
unsere Denkmäler ein Herz hat und je nach Gelegenheit
für ihre Erhaltung tätig sein kann; dieser Kreis kann
nicht groß genug sein, und es ist unsere Aufgabe, für ihn
zu werben.
Sechstes Kapitel
Naturdenkmalpfiege
Die Naturdenkmalpfiege ist bereits in dem Büchlein von Dr.
Clemens W a g e n e r, Natur und Heimat, behandelt. Sie wird
deshalb hier nur in den Umrissen dargestellt, soweit es des Zu-
sammenhanges mit der übrigen Denkmalpflege wegen und zur Er-
gänzung der andern Schrift am Platze ist.
Für die nachfolgende Darstellung ist, insbesondere hinsichtlich der
preußischen Verhältnisse, vor allem herangezogen die ausgezeichnete
Monographie: Die Naturdenkmalpflege, die Bestrebungen zur Er-
haltung der Naturdenkmäler und ihre Durchführung, von Prof. W.
Bock, Geschäftsführer des hannoverischen Provinzial- und Bezirks-
komitees für Naturdenkmalpflege. Mit acht Tafeln und 17 Textabbil-
dungen von geschützten Naturdenkmälern. Stuttgart, Strecker &
Schröder (0.1.) Preis geb. 1.40 M. Auf S. 106—109 der Bockschen
Schrift findet fich die spezielle Literatur über die Naturdenkmalpflege
verzeichnet.
Als ein besonderer Teil der Denkmalpflege erscheint
die Na t u r d e n k m a l p fl e g e, von der schon im
II. Kapitel die Rede war. Während sich die sonstige
Denkmalpflege, die Denkmalpflege im engern Sinne, mit
den Kulturdenkmälern, dem von Menschengeist und
Menschenhand Geschaffenen befaßt, führt uns die Natur-
denkmalpflege in das ursprüngliche Recht der jungfräu-
lichen Natur. Wir stehen unmittelbar an der Grenze des
Heimatschutzes.
Durch die Naturdenkmalpfiege hat der Denkmal-
pflegegedanke eine bedeutsame Erweiterung und Ver-
tiefung erfahren.
Das iy. Jahrhundert, das man wohl das naturwissen-
lyo Sechstes Kapitel: Naturdenkmalpfiege
schaftliche genannt hat, ist für die Erhaltung der Natur
in ihrer Ursprünglichkeit nicht gerade ein günstiges Zeit-
alter gewesen. Der wachsenden Erkenntnis der Natur-
kräfte stand eine verhängnisvolle Nichtachtung der natür-
lichen Gebilde gegenüber. Flußläufe und Wasserfälle,
Hügel und Felsen, Heidefiächen und Wälder sind durch
gewerbliche Anlage, durch die immer riesenhafter an-
schwellenden industriellen Werke mit ihren Schutthalden
und Trattsportschwebebahnen, durch das immer dichtere
Netz der Eisenbahnen, durch rücksichtsloses Ausbeuten der
Steinbrüche gerade in den eigenartigsten und herrlichsten
Gegenden an tausend Enden ihrer alten Schönheit beraubt
worden. Auf diese Weise ist nicht nur das Landschaftsbild
verunstaltet worden, sondern es sind auch wichtige Natur-
denkmäler gefährdet und zerstört worden. Und zu
wissenschaftlichen Zwecken wie aus Liebhaberei oder Ge-
winnsucht oder gar aus Gedankenlosigkeit ist manche seltene
Pflanze und manches seltene Tier ausgerottet oder dem
Aussterben nahegebracht worden.
„Die Entwicklung der Technik — so führt E. Mense
in der Zeitschrift „Deutschland" (Mai 1914) aus — hatte
nach und nach dahin geführt, daß wir uns praktisch so
verhielten, als ob Sinn und Zweck der Natur einzig in
ihrer ökonomischen Verwertbarkeit für den Menschen
bestände. Mehr und mehr bricht sich die Erkenntnis Bahn,
daß sie andere und höhere Funktionen neben den wirt-
schaftlichen zu erfüllen hat, daß dem Jungbrunnen alles
organischen Lebens Gefahr droht, verschüttet zu werden,
und daß damit gleichzeitig der Urquell unseres eignen
Lebens versiegen muß. Bisher schützte sich der Mensch
vor der Übermacht der Natur, jetzt ist die Natur der
Schützling des Menschen geworden."
Man hat in unsern Tagen erkannt, welche unersetz-
lichen Werte hier verloren gegangen, und daß es höchste
VI. Schluß 191
Zeit sei, schützend einzugreifen. Während die Be-
strebungen, die aus älterer Zeit stammenden Kultur-
denkmäler zu schützen, schon längst greifbare Form an-
genommen hatten, wurde den Denkmälern der Natur
dieser Schutz im vorigen Jahrhundert nur ganz ver-
einzelt zuteil. Die materiellen Interessen waren so sehr
in den Vordergrund gerückt, daß man darüber den Wert
des natürlich Gewordenen völlig zu vergessen schien. So
mußte sich der Naturschutz erst mühsam den Boden er-
kämpfen. Die Anfänge der Naturdenkmalpflege liegen
kaum ein halbes Menschenalter zurück. Sie nimmt ihren
eigentlichen Ausgangspunkt von der umfassenden Denk-
schrift, die Prof. Dr. C 0 n w e n tz, damals Direktor des
Westpreußischcn Provinzialmuseums, im Jahre 1904 über
„Die Gefährdung der Naturdenkmäler und Vorschläge
zu ihrer Erhaltung" herausgab, eine Schrift, die grund-
legend für die Organisation der Naturdenkmalpsiege in
Preußen und in andern Ländern geworden ist.
Die gelegentlich schon ftüher (so 1819 von Alexander
v. Humboldt) gebrauchte Bezeichnung Naturdenkmal hat
einen festumschriebenen Inhalt erst durch die behördlichen
Maßnahmen des 20. Jahrhunderts bekommen. Der
Begriff ist im 8 2 der „Grundsätze für die Wirksamkeit der
Staatlichen Stelle für Naturdenkmalpflege in Preußen"
folgendermaßen festgelegt:
„Unter Naturdenkmäler im Sinne dieser Grundsätze
sind besonders charakteristische Gebilde der heimatlichen
Natur zu verstehen, vornehmlich solche, welche sich noch
an ihrer ursprünglichen Stätte befinden, seien es Teile
der Landschaft oder Gestaltungen des Erdbodens oder
Reste der Pflanzen- und Tierwelt."
Man sieht, es überwiegt bei dieser preußischen Defi-
nition der Denkmalbegriff, fast möchte man sagen, der
Charakter der wissenschaftlichen Rarität: das Natur-
iy2 Sechstes Kapitel: Naturdenkmalpflege
denkmal braucht sich nicht einmal an seiner ursprünglichen
Stelle zu befinden. Auch sollen nach der strengern Auf-
fassung eigentlich nur jungfräuliche Gelände sowie Pflanzen
und Tiere, die ohne Mitwirkung des Menschen an ihren
Standort gelangten, als Naturdenkmäler angesehen
werden; jedenfalls würden gepflanzte Bäume, wie viele
Dorflinden, Alleebäume und ganze Parkanlagen — so
bemerkenswert sie auch sein mögen und so sehr sie als Gegen-
stand des Heimatschutzes in Betracht kommen können —,
nicht in den engern Rahmen der Naturdenkmäler gehören
(vgl. Conwentz 6 f).
Als Beispiele sind in den gleich noch zu erwähnenden
„Grundsätzen" aufgeführt: die Schneegruben im Riesen-
gebirge, das Bodetal im Harz, Heidefiäche im Lüne-
burgischen, Hochmoor in Ostpreußen (Teile der Land-
schaft); Basaltfelsen mit säulenförmiger Absonderung im
Rheinland, der Muschelkalk mit Gletscherschrammen bei
Rüdersdorf, die Kreidesteilküste auf Rügen, der Wald-
boden der Braunkohlenzeit in der Lausitz, Endmoränen
und erratische Blöcke im Flachland (Gestaltungen des
Erdbodens); die Salzflora bei Artern, die Steppenflora
im Weichselgebiet, die Zwergbirkenbestände in der Lüne-
burger Heide und im Harz, der Buchenbestand bei Sad-
lowo, Ostpreußen, der Eibenbestand in der Tucheler Heide,
die Mistel bei Segeberg in Schleswig-Holstein, die Wasser-
nuß bei Saarbrücken, Habmichlieb im Riesengebirge (Reste
der Pflanzenwelt); marine bzw. nordische Reliktformen
in Binnengewässern, der Biber und andere schwindende
Arten in Altwässern der Elbe, das Möwenbruch bei
Rossitten, die Kormorankolonie in Westpreußen, der
Lummenfelsen auf Helgoland (Reste der Tierwelt).
Neben dem Biber, um dessen Erforschung sich besonders Amtmann
Behr aus Cöthen (Anhalt) verdient macht, ist u. a. auch der Baum-
marder und neuerdings auch die Wildkatze geschützt. Bei dem Biber
Naturdenkmalpflege 193
haben die Schutzmaßnahmen anscheinend den Erfolg, daß er sich wieder
vermehrt. An der Elbe, wo er zwischen Magdeburg und Torgau noch
vorkommt, ist seine Zahl in jüngster Zeit auf 188 festgestellt worden,
während man ihn bisher nur noch auf 60 bis 70 Stück schätzte.
Die erste Aufgabe der Naturdenkmalpflege ist die Er-
mittelung der Naturdenkmäler (Inventarisierung, Kar-
tierung, Sicherung, Markierung, Schutzvorrichtungen). Die
Naturdenkmalpflege will sodann das rechte Verständnis
für die Schönheiten und Denkwürdigkeiten der Natur
wecken und die Erkenntnis fördern, daß ihre Erhaltung
ein wichtiger Teil der Liebe zur Heimat, zum Vaterland
ist; sie erreicht dies im besondern durch Erziehung und
Belehrung in der Schule, den niedern wie den höhern
Bildungsanstalten. Die Naturdenkmalpflege muß aber
auch möglichst weite Kreise heranzuziehen suchen, die durch
Gewährung von Mitteln oder durch Schutzmaßregeln ihre
Bestrebungen unterstützen. Dazu verhelfen ihr Vereine
und Einzelpersonen in freier Betätigung und eine durch-
greifende Organisation auf dem Wege der Verwaltung
und Gesetzgebung. Was die amtlichen Maßnahmen an-
belangt, so haben Gemeinden und sonstige kommunale
Verwaltungen, Kreis- und Provinzialverbände neuer-
dings den Schutz von Naturdenkmälern in hervorragender
Weise betätigt, insbesondere durch Ankauf der gefährdeten
Partien.
Vorbildlich ist die Naturdenkmalpflege Preußens.
Waren schon durch das Gesetz von 1902 die Regierungen
und Polizeibehörden ermächtigt, die Verunstaltung land-
schaftlich hervorragender Gegenden durch Reklameschilder,
Aufschriften und Abbildungen außerhalb der geschlossenen
Ortschaften zu verbieten, so enthält das Gesetz von 1907
Bestimmungen, die allgemein dem Schutze der Landschaft
dienen und die auch in Fällen der Naturdenkmalpflege
zur Anwendung gebracht werden können. Die staatlichen
Kn « er, Denkmalpflege
IZ
194 Sechstes Kapitel: Naturdenkmalpflege
Organisationen wurden nach den von Conwentz in der
„Denkschrift" niedergelegten Vorschlägen ausgeführt. Im
Jahre 1926 wurden durch den Staatshaushalt Mittel
zur Förderung des Interesses an der Erhaltung der Natur-
denkmäler" bewilligt und die „Staatliche Stelle für Natur-
denkmalpflege" in Preußen vom Kultusministerium ein-
gerichtet. Die Verwaltung der Stelle wurde Prof. Con-
wentz als dem Staatlichen Kommissar übertragen. Ihr
Sitz ist später von Danzig nach Dahlem bei Berlin verlegt
worden. Am 22. Oktober 1926 erschienen die im Anhang
unter Nr. 8 mitgeteilten „Grundsätze für die Wirksamkeit
der Staatlichen Stelle für Naturdenkmalpflege in
Preußen". Die Verwaltungsberichte des staatlichen
Kommissars sind in einer neugegründeten Zeitschrift
„Beiträge zur Naturdenkmalpflege", herausgegeben von
H. Conwentz, veröffentlicht. Zum weitern Ausbau der
Organisation erließ der Kultusminister unter dem 32. Mai
1927 die „Grundsätze für die Förderung der Naturdenk-
malpflege in den Provinzen". Danach sollen für jede
Provinz ein Provinzialkomitee und je nach Bedarf inner-
halb der Provinzen Bezirkskomitees für die Regierungs-
bezirke oder Landschaftskomitees für sonstige größere
Bezirke gebildet werden.
Es würde zu weit führen, hier die Bestrebungen und
Maßnahmen auf dem Gebiete der Naturdenkmalpfiege
auch in den andern Staaten zu erörtern. Nur folgendes
möge erwähnt sein:
In Bayern werden die verwandten Bestrebungen
unter der Bezeichnung „Naturpflege" begriffen. Während
die preußische Naturdenkmalpflege besonders charakte-
ristische Gebilde der heimatlichen Natur erhalten will, er-
streckt sich die Naturpflege grundsätzlich auf alle schutz-
würdigen Naturgebilde. Es besieht — in Ergänzung des
(im III. Kapitel erwähnten) Bayerischen Vereins für
Naturdenkmalpflege 195
Volkskunst und Volkskunde, der den Naturschutz nicht
umfaßt — ein „Landesausschuß für Naturpfiege" mit
dem Sitze in München; daneben sind in sämtlichen Landes-
teilen Ausschüsse für Naturpflege gebildet und in den
einzelnen Bezirken Obmänner bestellt. Was Prof. Dr.
Conwentz für Preußen, ist Regierungsrat G. Eigner in
Speyer für Bayern; er ist der Verfasser der grund-
legenden Schrift „Der Schutz der Naturdenkmäler, ins-
besondere in Bayern". Wegen der Einzelheiten sei auf
„Recht und Verwaltung" (S. 6 f) verwiesen.
Nach einer Bekanntmachung des Finanzministeriums vom Anfange
des Jahres 1914 hat die bayerische Staatsforstverwaltung, um auch für
die Zukunft Bilder der durch Holzartenmischung, Mächtigkeit der Ent-
wicklung und Frische der Waldnatur ausgezeichneten, im allmählichen
Verschwinden begriffenen Waldbesiände des bayerischen Waldes zu
erhalten, fünf Schonbezirke mit einer Gesamtfläche von 34z Hektar
eingerichtet; in diesen Bezirken muß jegliche Waldnutzung und Jagd-
ausübung unterbleiben. Zur Schonung und Erhaltung der eigenartigen
Flora wurden in gleicher Weise sechs Hochmoore mit einer Gesamtfläche
von 77 Hektar bestimmt. Auf der andern Seite hat es die bayerische
Forstverwaltung abgelehnt, die riesigen Spessarteichen, von denen
manche 700 bis 900 Jahre alt sind, die zu den besten Deutschlands ge-
hören und von denen vor einiger Zeit eine sogar den Preis von 2895 M
erzielt hat, als Naturdenkmäler zu erhalten; die Verwaltung — und
man wird die Berechtigung eines solchen Vorgehens vom Standpunkte
der überwiegenden wirtschaftlichen Interessen aus anerkennen müssen
— will nicht zugunsten der Naturfreunde und der Touristen ein so
wertvolles Kapital in den Wäldern brachliegen lassen.
Während in Preußen, Bayern usw. die Naturdenk-
malpflege lediglich den Gegenstand von Verwaltungs-
Maßnahmen bildet, ist dieselbe in Hessen und Oldenburg
gesetzlich geregelt.
Im Großherzogtum Hessen bilden die Natur-
denkmäler den Gegenstand des 6. Abschnittes des Denk-
malschutzgesetzes vom 16. Juli 1902 (Art. 33—36). Die
Begriffsbestimmung des hessischen Gesetzes (vgl. Anhang
Nr. 1): „Natürliche Bildungen der Erdoberfläche, wie
13*
iy6 Sechstes Kapitel: Naturdenkmalpfiege
Wasserläufe, Felsen, Bäume u. dgl., deren Erhaltung aus
geschichtlichen oder naturgeschichtlichen Rücksichten oder aus
Rücksichten auf landschaftliche Schönheit oder Eigenart im
öffentlichen Interesse liegt (Naturdenkmäler)", weicht von
der preußischen Definition ab und nähert sich mehr der
bayerischen Auffassung vor allem insofern, als sie nicht
bloß besonders charakteristische Gebilde ins Auge faßt.
Das oldenburgische Gesetz vom i8. Mai igii
(s. Anhang Nr. 15) hebt wieder schärfer den Denkmal-
charakter hervor, indem es im 8 i die Naturdenkmäler in
einer Reihe mit den Kulturdenkmälern aufführt und den
Begriff so faßt: „Naturdenkmäler, d. h. besonders charak-
teristische Gebilde der heimatlichen Natur, wie Seen, Wasser-
läufe, Hügel, Felsen, Bäume u. dgl., deren Erhaltung aus ge-
schichtlichen oder naturgeschichtlichen Rücksichten oder aus
Rücksichten auf die landschaftliche Schönheit oder Eigen-
art im öffentlichen Interesse liegt."
Auch hier wird, wie bei Baudenkmälern, die Um-
gebung von Naturdenkmälern dem Schutze des Gesetzes
unterstellt.
Sowohl die hessische wie die oldenburgische Definition
beugen der Gefahr vor, daß die Naturdenkmalpfiege zu
sehr nach bloßen naturwissenschaftlichen Grundsätzen
betrieben wird und damit die Bewegung nicht recht
volkstümlich wird, eine Gefahr, auf die nicht ohne
Berechtigung Quedenfeldt (Uber Naturdenkmalpfiege)
hinweist. Wenn er freilich sagt, die Naturdenkmalpfiege
solle nicht in der Erhaltung der wissenschaftlich inter-
essanten Reservate ihre Hauptaufgabe erblicken, sondern
jeden charaktervollen Baum, der zum Schutze der Land-
schaft, der Stadt, des Platzes und Hauses dient, schützen
und für neue dem Stadt- und Landschaftsbilde angepaßte
Anpflanzungen sorgen, dann läßt er damit das Feld der
eigentlichen Naturdenkmalpfiege weit hinter sich.
Naturdenkmalpflege 197
In W ü r t t e m b e r g, wo vorzugsweise der „ Landes-
ausschuß für Natur- und Heimatschutz" auf diesem Gebiete
tätig ist, will man von gesetzlichen Zwangsmaßnahmen
absehen. In der Begründung zu dem Entwurf des Denk-
malschutzgesetzes von 1Y14 ist darüber gesagt: „Die Natur-
denkmale können im allgemeinen auf dem bloßen Ver-
waltungsweg erfolgreicher geschützt werden als die Kunst-
denkmale. Schon daß dabei ganz wesentlich Staats- und
Gemeindebesitz in Betracht kommt und die Mitarbeit der
Vereine am regsten ist, sichert ihren Schutz. Anderseits
würde hier das staatliche Eingreifen in das Privateigentum
unverhältnismäßig schwer empfunden. Auch muß an-
erkannt werden, daß der Begriff des Naturdenkmals be-
sonders flüssig und für eine gesetzliche Festlegung weniger
geeignet ist. Soweit es sich um Landschaftsbilder handelt,
hat zudem die Bauordnung in ihrem Teil Vorsorge ge-
troffen. Die Regierung hat daher geglaubt, von einer
Ausdehnung der gesetzlichen Vorschriften auf die genannten
Denkmale unter den obwaltenden Verhältnissen absehen
zu können."
Eine einheitliche gesetzliche Regelung für das ganze
Deutsche Reich hat der Vogelschutz erfahren durch
das Gesetz vom 30. Mai 1908, das die vielseitig geäußerten
Wünsche der Naturfreunde nach wirksamem Schutz der
Vogelwelt zu erfüllen geeignet ist. Nicht zu übersehen ist,
daß bei den Vogelschutzbestrebungen, wie auch den Wald-
schutz- und Wildschutzmaßnahmen, so sehr sie auch im
Sinne der Naturdenkmalpflege und des Heimatschutzes
gelegen sind, oft die eigentlich treibende Kraft wirtschaft-
licher Natur sind.
Im Zusammenhange damit sei erwähnt der 1899 gegründete „Bund
für Vogelschutz" e. V. mit dem Sitze in Stuttgart, dessen Zweck ist, „in
umfassender Weise jum Wohle der Vogelwelt ju wirken". Die Mit-
glieder zahlen einmalig 10 M oder jährlich 50 Pf.; ihre Zahl beläuft
iy8 Sechstes Kapitel: Naturdenkmalpflege
sich gegenwärtig auf rund 40000. Sodann der Deutsche Verein jum
Schutze der Vogelwelt u. a.
Die Tätigkeit dieser und anderer Vereinigungen in
Schaffung von Schutzgebieten und Anlagen von Schutz-
gehölzen, ihre anregende Wirksamkeit in Schriften und
Flugblättern ist überaus verdienstvoll, doch ertönen immer
aufs neue Klagen, daß so manches merkwürdige und seltene
Tier der unaufhaltsam und rücksichtslos fortschreitenden
Bewirtschaftung des freien Landes weichen muß.
Mit dem Gedanken der Naturdenkmalpflege berührt
sich eng, ohne sich jedoch damit zu decken, die Idee der
Naturschutzparke. Da auch diese Erscheinung
bereits in der Schrift von Wagener, Natur und Heimat,
gewürdigt ist, so sei hier nur folgendes hervorgehoben.
Als großartigstes Beispiel staatlichen Naturschutzes ist das
Vorgehen der Vereinigten Staaten von Nordamerika be-
kannt; sie haben nach und nach außer kleinen Reservaten
sechs große Nationalparke geschaffen, welche zusammen eine
Bodenfläche von vielen Tausenden Hektar umfassen und
eine Summe wunderbarer Erscheinungen jeglicher Art
bieten, darunter der berühmte Pellowstonepark. In deut-
schen Landen läßt sich der im November 1910 gegründete
Verein Naturschutzpark e. V. mit dem Sitze in Stuttgart
die Förderung dieses Gedankens angelegen sein; von ihm
hat sich 1912 der österreichische Verein Naturschutzpark
mit dem Sitze in Wien abgezweigt. Der Verein bezweckt
nach 8 2 seiner Satzung „die Schaffung und Verwaltung
großer Parke, in denen die Natur in urwüchsigem Zu-
stande erhalten werden und die von der fortschreitenden
Kultur immer mehr bedrohte und teilweise schon dem
Untergang geweihte Tier- und Pflanzenwelt eine sichere
Zufluchtsstätte finden soll. Der Verein erstrebt auf diesem
Wege auch die Förderung der Wissenschaft und die Er-
weckung und Pflege des Heimatsinnes". Die Bewegung
Naturdenkmalpflege 199
hat außerordentlich schnelle Fortschritte gemacht. In vier
Jahren hat es der Verein auf mehr als 16 000 Mitglieder
(Jahresbeitrag mindestens 2 M) gebracht; darunter sehr
viele Vereine und Körperschaften, deren Ziffer wohl an
die halbe Million geht. Mit Hilfe von fürstlichen Spenden
und von Lotterien hat der Verein ein großes Schutzgebiet
in der Lüneburger Heide schaffen können, den ersten
deutschen Naturschutzpark. In den Alpen war im Tauern-
gebiet ein herrliches Gelände gepachtet, das aber auf-
gegeben werden muß, da der Besitzer allzu hohe Forde-
rungen stellt; dafür ist ein Gebiet im Salzburgischen in
Aussicht genommen. Ein dritter Park wird voraussichtlich
im böhmisch-bayerischen Waldgebirge entstehen; ein vierter
im Nordosten. Und endlich sind solche Schutzparke in
unsern Kolonien in Aussicht genommen.
Oer Begriff Naturschutzpark, der schon öfter mißverständlicher Auf-
fassung begegnet ist, ist in dem letzten Jahresbericht des Vereins in
bemerkenswerten Ausführungen, insbesondere auch in seinem Ver-
hältnis zum Begriff Naturdenkmal klargestellt. „Es läßt sich ja darüber
streiten — so heißt es dort —, ob der Name besonders glücklich gewählt
ist, aber er ist nun einmal da und ist volkstümlich geworden; mit dieser
Tatsache muß man sich abfinden und mit ihr rechnen. Wir dürfen eben
bei dem Worte ,Park" nicht — wie wir es ja sonst nach unserm Sprach-
gebrauchs tun — an eine Schöpfung des Landschaftsgärtners denken,
sondern müssen als diesen Gärtner die unermüdlich schaffende Natur
selbst betrachten; wir müssen mit dem Worte vielmehr den Begriff ver-
binden, der uns vom Yellowstone,park" und den andern großen ameri-
kanischen Nationalparken her geläufig ist und durch fie eine ganz be-
stimmte Bedeutung und internationales Bürgerrecht erlangt hat. Ander-
seits wird das Wort Naturschutzpark" im Deutschen neuerdings vielfach
auch irrtünrlich und mißverständlich angewendet, und eine Klarstellung
erscheint hier dringend geboten, damit eine Irreführung des großen
Publikums vermieden wird. Naturschutzparke in unserm Sinne sind
ausgedehnte, zusammenhängende Landkomplexe (allermindestens im
Umfang einer oder mehrerer preußischer Oberförstereien), in denen kein
Schuß fallen und kein Axthieb erklingen darf, überhaupt keinerlei wirt-
schaftliche Nutzung durch den Menschen stattfindet, sondern alles dem
urwüchsigen Walten freier Natur überlassen bleibt. Solche Naturschutz-
200
Sechstes Kapitel: Naturdenkmalpflege
parke gibt es bisher auf deutschem Boden noch nicht, wenn auch immer
wieder von gewisser Seite das Gegenteil behauptet wird. Unser dem-
nächst seine , Pforten" (er wird nicht eingegattert!) öffnender Heidepark
wird vielmehr der erste seiner Art sein. Wenn irgendwo ein Bruch oder
Moor der Urbarmachung entzogen wird, wenn ein Stück Wald von der
Axt verschont bleibt oder zu Vogelschutzzwecken Gehölze angepflanzt
werden, so sind das alles sehr schöne und löbliche, freudig zu begrüßende
und warm zu unterstützende Dinge, aber es sind keine Naturschutzparke,
sondern Vogelschutzgehölze, Banngebiete, Schutzreservate, Naturdenk-
mäler oder wie sonst man"s nennen will. Insbesondere bezieht sich der
Begriff des Naturdenkmals auf Einzelheiten, nicht auf die Gesamtheit
des Naturlebens. Unter einem Naturdenkmal haben wir also etwa
einen alten und seltenen Baum, einen Raubvogelhorst, eine eigen-
artige Felsbildung zu verstehen. Es ist mit rückhaltloser Freude zu
begrüßen, daß neuerdings auch die Naturdenkmalpflege in Deutschland
so kräftig Wurzel geschlagen hat und bei den Behörden so verständnis-
volle Unterstützung findet. Dagegen ist es ganz verkehrt und zeugt
von wenig Naturkenntnis, einen künstlichen Gegensatz zwischen Natur-
denkmalpflege und Naturschutzparkbewegung konstruieren zu wollen.
Beide sind gleich gut und gleich notwendig, aber keine von beiden genügt
allein. Naturschutzparke kann es naturgemäß nur wenige geben, während
geschützte Naturdenkmäler zwar über das ganze Land zerstreut sein
können, bei freizügigen Geschöpfen aber sich stets als mehr oder minder
unzureichend erweisen werden. So müssen beide Bewegungen, die ja
aus den gleichen edlen Motiven hervorgewachsen und groß geworden
sind, sich nicht nur von jeder kleinlichen Eifersüchtelei frei halten, sondern
auch sich gegenseitig sinngemäß ergänzen, sich befruchten und durch-
dringen. Nicht Naturschutzparke oder Naturdenkmäler?" darf die Devise
lauten, sondern sie muß lauten:,Naturschutzparke und Naturdenkmäler!"""
Das Programm des Vereins ist entwickelt in der Schrift „Natur-
schutzparke in Deutschland und Österreich, ein Mahnwort an das deutsche
und österreichische Volk"". Über den Naturschutzpark in der Lüneburger
Heide hat der Verein eine besondere Schrift herausgegeben. Eine
beachtenswerte Übersicht über die zahlreichen im Ausland bestehenden
Naturschutzparke und größer» Banngebiete bringt der letzte Jahresbericht.
Zu vergleichen auch der Aufsatz „Die Naturschutzparkbewegung"" von
Heinrich Lhotzky im Kalender „De Kiepenkerl"" 1914 (S. 60 f).
Neben den großen und seltenen Naturschutzparken redet in bemerkens-
werter Weise sogenannten Heimatgärten das Wort Prof. Dr. E. Dennert
im „Schüttmg" 191g (S. 91 f); es handelt sich dabei um den Gedanken,
in lokalem Rahmen „die wichtigsten und charakteristischen Landschafts-
Naturdenkmalpflege 201
und Vegetationsformen der Heimat wiederzugeben und sie in ästhetisch
schöner Weise miteinander zu verbinden."
In der Rheinprovinz hat, wie zum Schluß noch erwähnt sein mag,
der Provinziallandtag nicht nur für den Naturschutz fortlaufende Mittel
bereitgestellt, sondern auch den Schutz des Weinfelder und des Gemün-
dener Maares als Stiftung zum 25jährigen Regierungsjubiläum des
Kaisers beschlossen, womit das erste größere Naturschutzgebiet in der
Rheinprovinz an einem der geologisch und landschaftlich bedeutsamsten
Punkte der Eifel geschaffen wird (Renard, Eifelfestschrift 74). Kleinere
Naturschutzgebiete sind in Rheinland auch durch die Wirksamkeit von
landschaftlichen oder lokalen Vereinigungen zustande gebracht, wie z. B.
durch den Eifelverein.
Schließlich sind viele Fragen des Naturschutzes und
auch der Naturdenkmalpflege überhaupt nur im Wege
internationaler Verständigung zu lösen. Das führt uns
zu dem Gedanken eines Weltnaturschutzes, über den uns
gerade die letzte Zeit eine hervorragende Monographie
gebracht hat: „Über die Aufgaben des Weltnaturschutzes,
Denkschrift gelesen an der Delegiertenversammlung zur
Weltnaturschutzkommission in Bern am 18. November
1913" von Paul Sarasin (Basel 1914). Doch entfernen
wir uns damit schon allzu weit von den engen Grenzen
unserer Arbeit.
Kehren wir zur Behandlung der heimischen Verhält-
nisse zurück, so erkennen wir — um mit diesen Aus-
führungen Bocks zu schließen — jedenfalls allüberall
einen Fortschritt auf dem Gebiete der Naturdenkmalpflege.
„Vom Gesetzgeber herab, der ganze Länder mit ihrer
Pflanzen- und Tierwelt schützen-kann, bis zum einzelnen
Besitzer, der einen schönen Baum auf seiner Flur schont,
finden die Denkwürdigkeiten der Natur Beachtung. Der
Naturfreund und der Gelehrte begegnen sich in dem
Wunsche und Bestreben, die herrlichen Naturgebilde in
ihrer Ursprünglichkeit zu erhalten. Ist für jenen die Er-
haltung der natürlichen Schönheit der Hauptzweck, so ist
für diesen die unberührte Natur eine Quelle Wissenschaft-
202 Sechstes Kapitel: Naturdenkmalpflege
licher Erkenntnis, die kein Buch, kein Bild oder Modell
ersetzen kann. Aber noch bleibt vieles zu wünschen übrig.
Von alters her wird dem Deutschen diese Liebe zur Natur
nachgerühmt; in seinen Volksliedern, in seinen Märchen
und Sagen klingt die innige Beziehung zwischen dem
Menschen und der Natur wieder. Und wenn heutzutage
im Vorwärtsdrängen der Kultur manches Denkmal der
Natur dahingeschwunden ist, so haben wir um so mehr
die Pflicht, das, was noch zu retten ist, für uns und unsere
Nachkommen zu erhalten. Die Liebe zur heimatlichen
Natur ist die Hauptwurzel der Heimatliebe insgesamt
und somit auch der Vaterlandsliebe."
Nachwort
Ein Jahrhundert deutscher Denkmalpflege ist an
unserm Auge vorübergezogen. Eine Unsumme von
behördlicher und privater Arbeit haben wir, wenn auch
vielfach nur in Hinweisen und Andeutungen, kennen ge-
lernt, aber auch eine reiche Fülle von Blüte und Frucht.
Noch ist die Bewegung im Vormarsch, sie gewinnt noch
täglich an Boden, nimmt zu in Breite und Tiefe. Die
Denkmalpflege sucht sich immer mehr dem Ziele zu nähern:
die Liebe der Bevölkerung für die gute Sache zu gewinnen.
Ein Gradmesser hierfür ist das Blühen der zahlreichen
Vereinigungen, bei deren Betrachtung wir denn auch
gerne etwas länger verweilt haben. Um ihr Ziel zu er-
reichen, muß sich die Denkmalpflege von aller Gewalt-
politik fernhalten, von aller Überspannung und Über-
treibung. Die Denkmalpflege hat im Widerstreit ihrer idea-
len Bestrebungen mit wirtschaftlichen Interessen manchen
Gegner; sie sollte möglichst viele Freunde, jedenfalls keine
Feinde haben.
*
Dieses Büchlein hat mit einer historischen Dissonanz
begonnen — möge der Harmonie aller Kräfte die Zukunft
gehören.
Anhang
i.
Hessen
Gesetz, den Denkmalschutz betreffend,
vom 16. Juli 1902
Erster Abschnitt
Denkmäler im Besitz juristischer Personen des
öffentlichen Rechts
Art. 1. Begriff des Baudenkmals. Genehmigungspflicht
Steht einer juristischen Person des öffentlichen Rechts die Verfügung
über ein Bauwerk zu, dessen Erhaltung wegen seiner Bedeutung für
die Geschichte, insbesondere für die Kunstgeschichte, im öffentlichen
Interesse liegt (Baudenkmal), so darf dasselbe nur nach vorgängiger
behördlicher Genehmigung ganz oder teilweise beseitigt werden. Das
gleiche gilt von der Veräußerung, Veränderung, Wiederherstellung oder
erheblichen Ausbesserung des Baudenkmals.
Durch Verordnung kann festgesetzt werden, daß nur solche Bauwerke,
welche vor einem bestimmten Zeitpunkte entstanden sind, als Bau-
denkmäler gelten.
Art. 2. Umgebung des Baudenkmals. Genehmigungspflicht
Steht einer juristischen Person des öffentlichen Rechts die Verfügung
über die Umgebung eines Baudenkmals zu, so dürfen bauliche Anlagen
oder Veränderungen in der Umgebung des Baudenkmals, welche dieses
in mißständiger Weise zu verdecken oder das Baudenkmal oder dessen
Umgebung zu verunstalten geeignet sind, nur nach vorgängiger behörd-
licher Genehmigung ausgeführt werden.
Art. Z. Bewegliche Denkmäler
Die Vorschrift des Art. i findet entsprechende Anwendung auf be-
wegliche Gegenstände (auch Urkunden), deren Erhaltung wegen ihrer
Bedeutung für die Geschichte, insbesondere für die Kunstgeschichte, im
öffentlichen Interesse liegt (bewegliche Denkmäler), soweit diese Gegen-
stände sich im Besitze von Gemeinden, Kirchen, Religionsgemeinden oder
öffentlichen Stiftungen befinden.
Nr.
2o6 Anhang
Die Ausstattung eines Baudenkmals mit beweglichen Gegenständen
als Zubehör darf seitens einer Gemeinde, Kirche, Religionsgemeinde
oder öffentlichen Stiftung nur nach vorgängiger behördlicher Genehmi-
gung erfolgen.
Art. 4. Versagung der Genehmigung
Eine nach Art. i, 2, 3 beantragte Genehmigung ist ju versagen,
wenn der beabsichtigten Handlung im Interesse der Erhaltung des
Denkmals oder sonst aus künstlerischen oder geschichtlichen Rücksichten
Bedenken entgegenstehen, welche die anderweiten, etwa durch eine
Versagung der Genehmigung berührten, öffentlichen oder privaten
Interessen überwiegen. Eine Versagung der Genehmigung aus andern
Gründen ist auf Grund dieses Gesetzes unzulässig.
Eine Genehmigung, welche nach Abs. 1 zu versagen wäre, kann
bedingungsweise erfolgen, falls die entgegenstehenden Bedenken durch
geeignete Vorschriften beseitigt werden.
Die Genehmigung kann insbesondere an die Bedingung geknüpft
werden, daß die Ausführung der Arbeiten, auf welche sich die Ge-
nehmigung bezieht, nur nach einem von dem Ministerium des Innern
gebilligten oder zu billigenden Plan und unter Leitung eines dem
Ministerium des Innern genehmen Beamten oder Sachverständigen
erfolgt.
Art. 5. Jnstanzenzug
Für die Erteilung der nach Art. 1, 2, 3 erforderlichen Genehmigung
ist das Kreisamt zuständig, in dessen Bezirk sich das Denkmal befindet.
Nimmt das Kreisamt Anstand, die Genehmigung zu erteilen, so
entscheidet darüber der Kreisausschuß. Das weitere Verfahren richtet
sich nach den in Verwaltungssachen für diejenigen Fälle maßgebenden
Bestimmungen, in welchen das Kreisamt Anstand nimmt, die Staats-
genehmigung zu Beschlüssen der Gemeindebehörden und Gemeinde-
vertretungen zu erteilen.
Art. 6. Erleichterung der Genehmigungspflicht
Das Kreisamt hat auf Antrag allgemein im voraus sowohl die-
jenigen Arbeiten zu bezeichnen, welche in keinem Fall der Genehmigungs-
pflicht unterliegen, als auch für diejenigen Arbeiten, welche es in keinem
Falle zu beanstanden findet, die Genehmigung zu erteilen.
Die Entschließung des Kreisamts kann, solange nicht die nach Abs. 1
von dem Kreisamt zugelassenen Arbeiten begonnen oder zur Aus-
führung vergeben worden sind, widerrufen werden.
Art. 7. Handlungen der Staatsverwaltung
Handlungen unserer Staatsverwaltung unterliegen nicht der in
Art. 1, 2 vorgeschriebenen GenehmigungsPflicht; das Ministerium des
Innern kann jedoch anordnen, daß eine Handlung der in Art. 1, 2
bezeichneten Art erst vorgenommen werden darf, nachdem es erklärt
hat, daß der beabsichtigten Handlung im Interesse der Erhaltung des
I. Hessen 207
Denkmals oder sonst aus künstlerischen oder geschichtlichen Rücksichten
keine Bedenken entgegenstehen.
Art. 8. Verzeichnis der Denkmäler
Jedes Kreisamt führt ein Verzeichnis, in welches alle in seinem
Bezirk vorhandenen, im Besitz juristischer Personen des öffentlichen
Rechts befindlichen Baudenkmäler und unter die Vorschrift des Art. z
fallenden beweglichen Denkmäler einzutragen sind.
Die Gemeinden, Kirchen, Religionsgemeinden und öffentlichen
Stiftungen sind verpflichtet, bei der Aufstellung des Verzeichnisses
mitzuwirken.
Zweiter Abschnitt
Baudenkmäler im Besitz von Privat-
personen
Art. y. Anwendbarkeit der Vorschriften dieses Abschnitts
Die Vorschriften dieses Abschnitts finden Anwendung, soweit einer
Privatperson (natürlichen Person oder juristischen Person des Privat-
rechts) die Verfügung über ein Baudenkmal oder die Umgebung eines
solchen zusteht.
Art. 10. Voraussetzung des Schutzes der im Privatbesitz befindlichen
Baudenkmäler. Denkmallisie
Ein Denkmalschutz nach Maßgabe dieses Abschnitts findet in An-
sehung eines Baudenkmals oder der Umgebung eines solchen nur statt,
wenn das Baudenkmal seitens des Denkmalrats in die amtliche Liste
der im Privatbefitz befindlichen Baudenkmäler (Denkmalliste) eingetragen
worden ist, bzw. wenn der Denkmalrat erklärt hat, daß der Denkmalschutz
sich auf die Umgebung erstreckt.
Der Denkmalrat (Art. 32) hat vor seiner Entschließung das Kreis-
amt und den Denkmalpfleger zu hören.
Von der gemäß Abs. 1 erfolgten Eintragung oder Erklärung ist der
Verfügungsberechtigte zu benachrichtigen.
Der Verfügungsberechtigte kann gegen die Eintragung oder Er-
klärung, unbeschadet der vorläufigen Wirkung der Benachrichtigung,
binnen einer unersirecklichen Frist von vier Wochen von dem Zeitpunkt
der erfolgten schriftlichen Zustellung an, Beschwerde bei dem Ministerium
des Innern erheben.
Ist gegen die gemäß Abs. 1 erfolgte Eintragung oder Erklärung
nicht rechtzeitig Beschwerde erhoben, oder ist sie durch ministerielle Ent-
scheidung bestätigt worden, so wird der Eintrag bzw. die Erklärung auch
den Rechtsnachfolgern des Verfügungsberechtigten gegenüber wirksam.
Die Löschung eines auf Grund des Abs. 1 vollzogenen Eintrags in
der Oenkmalliste sowie die Zurücknahme einer auf Grund des Abs. 1
abgegebenen Erklärung erfolgen durch den Denkmalrat nach zuvor ein-
geholter Genehmigung des Ministeriums des Innern.
2o8 Anhang
Art. ii. Genehmigungspflicht
Die Vorschriften des Art. i Abs. i Satz i sowie des Art. 2, 4, 5
finden, unbeschadet des Art. 12, mit der Maßgabe entsprechende An-
wendung, daß der Verfügungsberechtigte an Stelle der Genehmigung
des Kreisamts diejenige des Denkmalpflegers einholen kann. Macht
der Berechtigte von dieser Befugnis Gebrauch, so kann er gegen die
Entscheidung des Denkmalpflegers binnen einer unerstrecklichen Frist
von vier Wochen von dem Zeitpunkt der erfolgten schriftlichen Zu-
stellung an Beschwerde bei dem Ministerium des Innern erheben.
Art. 12. Feststellung bezüglich der staatlichen Mittel
Trägt das Kreisamt oder der Denkmalpfleger Bedenken, einem nach
Art. ii gestellten Genehmigungsantrag ohne weiteres zu entsprechen,
so ist von ihm zunächst festzustellen, ob dem Staat die Mittel zur Ver-
fügung stehen, welche bet Versagung der Genehmigung oder nur be-
dingungsweiser Erteilung einer solchen zur Befriedigung eines etwa
nach Art. 14 Abs. 1, 2 zu erhebenden Anspruchs erforderlich sein würden.
Sind die erforderlichen Mittel nicht vorhanden, so hat das Kreisamt
bzw. der Denkmalpfleger die Genehmigung zu erteilen.
Art. lg. Vorkehrung gegen Verschleppung
Wird auf einen nach Art. 11 gestellten Genehmigungsantrag binnen
sechs Wochen weder die Genehmigung erteilt noch dem Antragsteller
von der Beanstandung der Genehmigung Kenntnis gegeben, so ist der
Antragsteller in seiner Verfügung unbeschränkt.
Die in Abs. i bestimmte Frist kann seitens des Ministeriums des
Innern sowohl bis zu drei Monaten verlängert als auch auf Nachsuchen
des Antragstellers abgekürzt werden.
Art. 14. Entschädigungsanspruch bei Versagung der Genehmigung
Wird eine nach Art. n beantragte Genehmigung durch rechtskräftige
Entscheidung versagt oder nur bedingungsweise erteilt, so kann der
Antragsteller binnen sechs Wochen von der Rechtskraft der Entscheidung
an bei dem Ministerium des Innern Ersatz des ihm durch Versagung der
Genehmigung oder durch nur bedingungsweise Genehmigung zu-
gefügten Schadens seitens des Staates verlangen.
Der Eigentümer kann, insofern die Umstände dies rechtfertigen,
wahlweise an Stelle des in Abs. 1 bezeichneten Schadensersatzes ver-
langen, daß der Staat ihm gegen Übertragung des Eigentums an dem
Baudenkmal oder dem in dessen Umgebung gelegenen Grundstück Ent-
schädigung leistet.
Für die Bemessung der nach Absätze 1, 2 dem Staat obliegenden
Leistungen sind die für die Entschädigung im Enteignungsverfahren
geltenden Grundsätze maßgebend.
Kommt in den Fällen der Absätze 1, 2 eine gütliche Einigung nicht
zustande, so steht dem Geschädigten der Rechtsweg offen.
209
I. Hessen
Art. 15. Anzeigepflicht
Von jeder beabsichtigten Veräußerung, Veränderung, Wieder-
herstellung oder erheblichen Ausbesserung des Baudenkmals hat der
Verfügungsberechtigte dem Denkmalpfleger Anzeige zu erstatten.
Die Anzeige kann nach Wahl des Verfügungsberechtigten bei dem
Denkmalpfleger unmittelbar oder durch Vermittlung des Kreisamts
erfolgen.
Der Anzeige sind die zur Beurteilung erforderlichen Pläne und
sonstigen Entwurfstücke beizufügen.
Art. 16. Erleichterung der Anzeigepflicht
Der Denkmalpfleger hat auf Antrag allgemein im voraus diejenigen
Arbeiten zu bezeichnen, für welche eine Anzeige aus künstlerischen oder
geschichtlichen Rücksichten in keinem Falle erforderlich erscheint.
Die Bestimmung des Art. 6 Abs. 2 findet entsprechende Anwendung.
Art. 17. Folgen der Anzeigepflicht
Die nach Art. 1? anzuzeigende Handlung darf nicht vor Ablauf von
sechs Wochen von Erstattung der Anzeige ab vorgenommen oder in
einer den Anzeigepflichtigen bindenden Weise vorbereitet werden,
insofern nicht diesem bereits vorher die Mitteilung, daß der Vornahme
der Handlung nichts im Wege siehe, zugegangen ist.
Die Bestimmung des Art. iz Abs. 2 findet entsprechende Anwendung.
Während der Frist soll der Denkmalpfleger, falls der beabsichtigten
Handlung im Interesse der Erhaltung des Baudenkmals oder sonst aus
künstlerischen oder geschichtlichen Rücksichten Bedenken entgegenstehen,
den Anzeigepflichtigen zu einer entsprechenden anderweiten Ent-
schließung zu veranlassen suchen.
Dritter Abschnitt
Besondere Vorschriften für einzelne Fälle
Art. 18. Entschädigungsanspruch der Kirchen usw. in einem besondern Fall
Hat eine Kirche, Religionsgemeinde oder öffentliche Stiftung die
behördliche Genehmigung nachgesucht, bauliche Anlagen oder Ver-
änderungen der in Art. 2 bezeichneten Art in der Umgebung eines
Baudenkmals, welches ihrer Verfügung nicht untersteht, vorzunehmen,
und trägt das Kreisamt Bedenken, diesem Genehmigungsantrag ohne
weiteres stattzugeben, so finden die Bestimmungen des Art. 12 ent-
sprechende Anwendung. Falls die nachgesuchte Genehmigung durch
rechtskräftige Entscheidung versagt oder nur bedingungsweise erteilt
wird, finden die Bestimmungen des Art. 14 entsprechende Anwendung.
Art. 19. Enteignungsrecht im Interesse von Baudenkmälern
Der Staat ist berechtigt, Grundeigentum im Wege des Enteignungs-
verfahrens insoweit zu beschränken, als es erforderlich ist
K n e er, Denkmalpflege
14
2io Anhang
1. zum Zwecke der Erhaltung eines Baudenkmals, dessen Unter-
haltung oder Sicherung in einer seinen Bestand oder die Erhaltung
wesentlicher Teile gefährdenden Weise vernachlässigt wird,
2. zum Zwecke einer durch künstlerische oder geschichtliche Rücksichten
gebotenen Freilegung eines Baudenkmals, sofern nicht derselben
überwiegende öffentliche oder private Interessen entgegenstehen.
Der Eigentümer kann, insofern die Umstände dies rechtfertigen, ver-
langen, daß an die Stelle der Beschränkung die Entziehung des Eigen-
tums tritt.
Oer Staat kann durch Entschließung des Ministeriums des Innern
das ihm nach Abs. i zustehende Enteignungsrecht auf die Gemeinde,
den Kreis oder die Provinz, in deren Bezirk das Baudenkmal sich be-
findet, übertragen.
Art. 20. Aufnahme von Baudenkmälern
Der Staat kann jederzeit auf seine Kosten den Zustand eines Bau-
denkmals durch Aufnahmen feststellen lassen.
Die gleiche Befugnis steht vorbehaltlich der Genehmigung des
Ministeriums des Innern den Gemeinden, Kreisen und Provinzen in
Ansehung der in ihrem Bezirk befindlichen Baudenkmäler zu.
Den mit der Feststellung beauftragten Personen ist seitens der Ver-
fügungsberechtigten freier Zutritt zu allen Hrtlichkeiten, deren Be-
tretung zum Zweck der Feststellung erforderlich ist, zu gestatten.
Wird dem Verfügungsberechtigten durch eine der Maßnahmen dieses
Artikels Schaden zugefügt, so ist der Staat zum Ersatz des Schadens
verpflichtet. Im Falle des Abs. 2 trifft die Schadensersatz Pflicht die
Gemeinde, den Kreis oder die Provinz.
Art. 2i. Ansinnen an die Gemeinden
Steht einer Gemeinde die Verfügung über ein Baudenkmal oder
bewegliches Denkmal zu, so kann das Kreisamt, unbeschadet der Vor-
schriften des Art. iy, der Gemeinde ansinnen, für die ordnungsmäßige
und würdige Unterhaltung und Wiederherstellung sowie für eine aus
künstlerischen oder geschichtlichen Rücksichten gebotene Freilegung des
Baudenkmals Sorge zu tragen.
Wenn der Gemeindevorstand der Ausgabe widerspricht, entscheidet
der Kreisausschuß unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit der
Gemeinde darüber, ob die Ausgabe und in welcher Größe sie gemacht
werden soll.
Das Verfahren bei dem Kreisausschuß und das weitere Verfahren
richtet sich nach den in Gemeindeverwaltungssachen für diejenigen Fälle
maßgebenden Bestimmungen, in welchen der Gemeindevorsiand einer
der Gemeinde von der Regierungsbehörde im öffentlichen Interesse
angesonnenen Ausgabe widerspricht.
Auch wenn in Gemäßheit des Abs. 1 ein Ansinnen an die Gemeinde
erfolgt ist, bedarf die Art der Ausführung der Arbeiten in jedem Falle
I. Hessen 2i i
der behördlichen Genehmigung nach Maßgabe der Bestimmungen der
Art. i, 2, z, 4, 5.
Art. 22. Ansinnen an die Kirchen usw.
Gerat ein Baudenkmal oder bewegliches Denkmal, über das eine
Kirche, Religionsgemeinde oder öffentliche Stiftung zu verfügen be-
rechtigt ist, durch Vernachlässigung in gänzlichen oder teilweisen Verfall,
so kann das Kreisamt, unbeschadet der Vorschriften des Art. iy, dem
Verfügungsberechtigten ansinnen, für die Verhinderung des Verfalls
und ordnungsmäßige Unterhaltung Sorge zu tragen.
Die Bestimmungen des Art. 21 Abs. 2 bis 4 finden entsprechende
Anwendung.
Art. 23. Baupolizeiliche Bestimmungen
Die Festsetzung einer Fluchtlinie (Straßen-- oder Baufluchtlinie),
welche ein Baudenkmal gefährdet oder sonst für dasselbe von Bedeutung
ist, bedarf in allen Fällen der Genehmigung des Ministeriums des
Innern.
Zu einer Dispensation im Sinne des Art. 72 des Gesetzes vom
30. April 1881, die allgemeine Bauordnung betreffend, ist, soweit sie
im Interesse eines Baudenkmals erfolgen soll, die Zustimmung des
Kreisausschusses oder des Gemeinderats in keinem Falle erforderlich;
an Stelle der Zustimmung genügt vielmehr stets die Anhörung.
Im Interesse der Freihaltung eines Baudenkmals kann durch Orts-
statut bestimmt werden, daß Gebäude nur in einer bestimmten Ent-
fernung von dem Baudenkmal errichtet werden und die in dessen Nähe
befindlichen Gebäude eine bestimmte Höhe künftig nicht überschreiten
dürfen.
Art. 24. Baudenkmäler im Privatbesitz
Auf ein Baudenkmal in der Verfügungsgewalt einer Privatperson
finden die Bestimmungen der Art. 19, 20, 23 nur Anwendung, wenn
es nach Art. 10 Abs. 4, 5 endgültig in die Denkmalliste eingetragen ist.
Vierter Abschnitt
Ausgrabungen und Funde
Art. 25. Ausgrabungen
Wer eine Ausgrabung nach verborgenen unbeweglichen oder be-
weglichen Gegenständen von kulturgeschichtlicher oder sonst geschichtlicher
Bedeutung vorzunehmen beabsichtigt, hat hiervon dem Kreisamt oder
einer andern seitens des Ministeriums des Innern zu bezeichnenden
Behörde Anzeige zu erstatten und den seitens der zuständigen Behörde
ergehenden Anordnungen hinsichtlich der Ausführung der Ausgrabung
der Verwahrung und sonstigen Sicherung sowie der Behandlung etwa
aufzufindender Gegenstände nachzukommen.
Das gleiche gilt, wenn die beabsichtigte Grabung zwar nicht auf die
14'
2i2 Anhang
Auffindung von Gegenständen der in Abs. i bejeichneten Art gerichtet,
dem Grabenden aber bekannt ist, daß gelegentlich der Grabung wahr-
scheinlich die Entdeckung solcher Gegenstände stattfinden wird.
Die beabsichtigte Ausgrabung oder Grabung darf nicht vor Ablauf
von zwei Wochen von Erstattung der Anzeige ab beginnen, insofern
nicht bereits vorher die nach Abs. i, 2 zu erlassenden Anordnungen ge-
troffen worden sind.
Art. 26. Funde
Werden in einem Grundstück verborgene unbewegliche oder beweg-
liche Gegenstände von kulturgeschichtlicher oder sonst geschichtlicher Be-
deutung bei Ausgrabungen nach solchen oder gelegentlich aufgefunden,
so hat der Eigentümer des Grundstücks oder der sonst Verfügungsberech-
tigte von diesem Fund spätestens am folgenden Tage der Bürger-
meisterei oder dem Kreisamt des Fundorts Anzeige zu erstatten und
den Anordnungen Folge zu leisten, welche entsprechend der Bestimmung
in Art. 25 Abs. 1 getroffen werden. Die gleiche Verpflichtung liegt
dem Leiter der Arbeiten, bei denen der Fund gemacht worden ist, ob.
Zur Erfüllung der Anzeigepflicht genügt die Erstattung der Anzeige
seitens eines von mehrern Anzeigepflichtigen.
Handelt es sich um gelegentliche Funde, bezüglich deren behördliche
Anordnungen auf Grund des Abs. 1 oder des Art. 2? Abs. 2 noch nicht
ergangen sind, so darf der Anzeigepflichtige die begonnenen Arbeiten
nicht vor Ablauf von drei Tagen von Erstattung der Anzeige ab fort-
setzen. Der Anzeigepflichtige darf jedoch die begonnenen Arbeiten weiter-
führen, sofern ihre Fortsetzung die bereits gefundenen Gegenstände
oder noch zu erwartende Funde nicht gefährdet und sofern ihm die
Unterbrechung der Arbeiten nur mit unverhältnismäßtgem Nachteil
möglich ist.
Art. 27. Befreiungsbefugnis des Ministeriums
Das Ministerium des Innern kann ausnahmsweise die Erfüllung
der in Art. 25, 26 festgesetzten Verpflichtungen erlassen.
Art. 28. Schadensersatzpflicht des Staates
Der Staat ist zum Ersatz des Schadens verpflichtet, welcher einem
Beteiligten durch Befolgung der auf Grund der Art. 25, 26 getroffenen
Anordnung verursacht worden ist.
Art. 29. Besichtigung von Fundstätten
Den mit der Nachforschung nach verborgenen Gegenständen von
kulturgeschichtlicher oder sonst geschichtlicher Bedeutung durch den Staat
beauftragten Personen ist seitens der Verfügungsberechtigten die Be-
sichtigung etwaiger Fundstätten zu gestatten.
Art. 20 Abs. 4 findet entsprechende Anwendung.
Art. 30. Enteignungsrecht im Interesse von Ausgrabungen
Der Staat ist berechtigt, Grundeigentum im Wege des Enteignungs-
I. Hessen Liz
Verfahrens insoweit zu beschränken, als es erforderlich ist zum Zwecke
der Ausführung von Ausgrabungen nach unbeweglichen oder beweg-
lichen, vermutlich in einem Grundstück verborgenen Gegenständen von
kulturgeschichtlicher oder sonst geschichtlicher Bedeutung, welche durch
Grabungen oder sonst in ihrem Fortbestand gefährdet sind, oder be-
züglich welcher der Verfügungsberechtigte eine sachgemäße Ausgrabung
ohne wichtige Gründe weder vorzunehmen noch zuzulassen gewillt ist.
Die Bestimmungen des Art. 19 Abs. 2, 3 finden entsprechende An-
wendung.
Fünfter Abschnitt
Organisation des Denkmalschutzes
Art. zi. Mitwirkung des Denkmalpflegers, der Ministerialabteilung für
Bauwesen und der Altertums- usw. Vereine
Das Kreisamt, der Kreisausschuß und der Provinzialausschuß haben
in allen Fällen, welche nach Maßgabe der vorstehenden Bestimmungen
ihrer Entschließung oder Entscheidung unterliegen, unbeschadet der Mit-
wirkung der zuständigen Baubeamten, das Gutachten des Denkmal-
pflegers und in wichtigern Fällen, insofern es sich um Baudenkmäler
handelt, zugleich das Gutachten der Ministerialabteilung für Bauwesen
einzuholen. Die vorstehende Verpflichtung entfällt, wenn das Mini-
sterium des Innern durch allgemeine Anordnung oder in einzelnen
Fällen Ausnahmen zugelassen hat.
Ist das Gutachten der Ministerialabteilung für Bauwesen ein-
zuholen, so hat der Denkmalpfleger sein Gutachten in der Regel gemein-
sam mit dieser zu erstatten.
Seitens des Kreisamts, Kreisausschusses oder Provinzialausschusses
kann nach Maßgabe der vom Ministerium des Innern zu erlassenden
nähern Bestimmungen auf Antrag eines Altertums-, Geschichts- oder
Kunstvereins des Bezirks ein von dem Verein zu bezeichnender Ver-
treter schriftlich gehört oder zur mündlichen Verhandlung zugezogen
werden.
Dem Denkmalpfleger kann seitens des Ministeriums des Innern die
Befugnis beigelegt werden, in Fällen dringender Gefahr vorläufig die
Einstellung gesetzwidrig begonnener Arbeiten zu verfügen oder sonst
die zur Verhütung gesetzwidriger Handlungen erforderlichen Maß-
nahmen anzuordnen.
Art. 32« Denkmalrat. Ministerium
Zur Mitwirkung bei der Ausübung des Denkmalschutzes wird für
das Großherzogtum ein Denkmalrat gebildet. Diesem sollen jedenfalls
je ein Vertreter der evangelischen und katholischen Kirche, mindestens
zwei Mitglieder von hessischen Altertums-, Geschichts- oder Kunstver-
einen, zwei in Hessen wohnhafte Baudenkmalbesitzer, angehören. Die
kein Staatsamt bekleidenden Mitglieder sind auf je sechs Jahre zu
214 Anhang
b erufen. Im übrigen wird die Zusammensetzung und Geschäftsordnung
des Denkmalrats durch das Ministerium des Innern bestimmt.
Das Ministerium des Innern kann in den ihm geeignet erscheinenden
Fällen das Gutachten des Denkmalrats einholen, auf Verlangen eines
Beteiligten muß dies geschehen.
Auf Verlangen eines Beteiligten ist der Denkmalrat durch jwei
Sachverständige zu verstärken, von welchen der eine durch den Antrag-
steller, der andere durch das Ministerium des Innern ernannt wird.
Ausnahmsweise kann neben dem für das Großherzogtum be-
stehenden Denkmalrat auch die Berufung eines besondern, lediglich mit
der Erstattung von Gutachten zu betrauenden Denkmalrats im Einzel-
falle seitens des Ministeriums des Innern beschlossen werden.
Die Entscheidung des Ministeriums des Innern erfolgt in sämtlichen
nach diesem Gesetz vorkommenden Streitsachen in kollegialischer Beratung
und Beschlußfassung.
Sechster Abschnitt
Naturdenkmäler
Art. 33. Begriff des Naturdenkmals. Voraussetzungen des gesetzlichen
Schutzes
Natürliche Bildungen der Erdoberfläche, wie Wasserläufe, Felsen,
Bäume u. dgl., deren Erhaltung aus geschichtlichen oder naturgeschicht-
lichen Rücksichten oder aus Rücksichten auf landschaftliche Schönheit
oder Eigenart im öffentlichen Interesse liegt (Naturdenkmäler), können
auf Antrag des Ministeriums der Finanzen Abteilung für Forst- und
Kameralverwaltung seitens des Kreisamts einem besondern Schutz
unterstellt werden.
Dieser Schutz kann auch auf die Umgebung eines Naturdenkmals
ausgedehnt werden.
Der Verfügungsberechtigte ist von den nach Abs. 1, 2 getroffenen
Anordnungen zu benachrichtigen.
Der Verfügungsberechtigte kann gegen diese Anordnungen, unbe-
schadet der vorläufigen Wirkung der kreisamtlichen Benachrichtigung,
binnen einer unerstrecklichen Frist von vier Wochen von dem Zeitpunkt
der erfolgten schriftlichen Zustellung an Einspruch erheben.
Nimmt das Kreisamt Anstand, dem Einspruch stattzugeben, so ent-
scheidet darüber der Kreisausschuß; das weitere Verfahren richtet sich
nach den in Verwaltungssachen für diejenigen Fälle maßgebenden Be-
stimmungen, in welchen das Kreisamt Anstand nimmt, die Staats-
genehmigung zu Beschlüssen der Gemeindebehörden und Gemeinde-
vertretungen zu erteilen.
Die Bestimmungen des Art. 10 Abs. 5, 6 finden entsprechende An-
wendung.
Art. 34. Folgen des gesetzlichen Schutzes. Genehmigungspflicht
Arbeiten, welche den Fortbestand eines nach Art. 33 amtlich ge-
I. Hessen 215
schützten Natnrdenkmals zu gefährden oder dieses oder dessen amtlich
geschützte Umgebung zu verunstalten geeignet sind, dürfen nur nach
vorgängiger Genehmigung des Kreisamts ausgeführt werden.
Eine nach Abs. 1 beantragte Genehmigung ist unbeschadet der Vor-
schrift des Art. 12 zu versagen, wenn der beabsichtigten Handlung im
Interesse der Erhaltung des Naturdenkmals oder sonst aus den in Art. 33
Abs. i angeführten Rücksichten Bedenken entgegenstehen, welche die
anderweiten, etwa durch eine Versagung der Genehmigung berührten
öffentlichen oder privaten Interessen überwiegen. Eine Versagung
der Genehmigung aus andern Gründen ist auf Grund dieses Gesetzes
unzulässig.
Die Bestimmungen in Art. 4 Abs. 2, 3, Art. 5, 6, 7, 12, 13, 14
finden auf die nach Art. 33 amtlich geschützten Naturdenkmäler und
deren amtlich geschützte Umgebung entsprechende Anwendung, wobei
es gleichgültig ist, ob eine Privatperson oder eine Person des öffent-
lichen Rechts die Verfügungsberechtigung besitzt.
Art. 35. Verbot von Aufschriften, Reklameschildern u. dgl.
An einem nach Art. 33 amtlich geschützten Naturdenkmal oder in
dessen amtlich geschützter Umgebung dürfen keine Aufschriften u. dgl.
oder Gegenstände, wie Reklameschilder, angebracht oder aufgestellt
werden, insofern sie für jenes mißständig erscheinen.
Auf kreisamtliche Verfügung sind Aufschriften u. dgl. oder Gegen-
stände dieser Art, welche zur Zeit des Inkrafttretens dieses Gesetzes
vorhanden sind, zu entfernen. Der Besitzer kann von dem Staat den
Ersatz der ihm durch die Entfernung der Gegenstände erwachsenen
Unkosten verlangen.
Durch Lokalpolizeiverordnung kann die Anbringung oder Auf-
stellung von Aufschriften u. dgl. oder Gegenständen, welche in land-
schaftlich hervorragenden Gegenden für das landschaftliche Bild miß-
ständig erscheinen, verboten sowie die Entfernung solcher bereits vor-
handenen Aufschriften u. dgl. oder Gegenstände vorgeschrieben werden.
Art. 36. Organe des gesetzlichen Schutzes und deren Mitwirkung hierbei
Die Bestimmung in Art. 31 Abs. 1 findet aufdie in Art. 33 Abs. 1, 2
bezeichneten Gegenstände mit der Maßgabe entsprechende Anwendung,
daß an Stelle der Baubeamten die örtlich zuständigen obern Forst-
verwaltungsbeamten und an Stelle des Denkmalpflegers und der
Ministerialabteilung für Bauwesen die Ministerialabteilung für Forsi-
und Kameralverwaltung zu treten haben.
Auf Antrag des Verfügungsberechtigten ist in dem Verfahren bei
dem Kreisausschuß, Provinzialausschuß und Ministerium des Innern
das Gutachten eines von dem Antragsteller zu bezeichnenden Sach-
verständigen einzuholen.
SRMMMI
T
216 Anhang
Siebter Abschnitt
Schlußbestimmungen
Art. 37. Strafbestimmungen
Wer den Vorschriften der Art. 1, 2, 3, u, 15, 17 Abs. 1, 2, des
Art. 20 Abs. 3, der Art. 25, 26, 29, 34 Abs. 1, des Art. 35 zuwider-
handelt, wird mit Geldstrafe bis zu 300 M und, wenn die Zuwider-
handlung vorsätzlich geschieht, mit Geldstrafe bis zu 1000 M oder mit
Haft bestraft. Eine uneinbringliche Geldstrafe ist nach Maßgabe der
Vorschriften des Strafgesetzbuchs in Freiheitsstrafe umzuwandeln.
Art. 38. Verhältnis zu anderweiten gesetzlichen Vorschriften
Diejenigen Vorschriften, welche der Staatsaufsicht in Ansehung der
juristischen Personen des öffentlichen Rechts weitergehende Befugnisse
einräumen, als sie sich aus den Bestimmungen dieses Gesetzes ergeben,
bleiben unberührt.
Art. 39. Inkrafttreten und Ausführung des Gesetzes
Dieses Gesetz tritt am i. Oktober 1902 in Kraft.
Unser Ministerium des Innern ist mit der Ausführung dieses Gesetzes
beauftragt.
II.
Preußen
Nr. 2 Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten
(1794)
Erster Teil, achter Titel (vom Eigentums):
8 33. Soweit die Erhaltung einer Sache auf die Erhaltung und
Beförderung des gemeinen Wohls erheblichen Einfluß hat, soweit ist
der Staat deren Zerstörung oder Vernichtung zu untersagen berechtigt.
8 34. Soweit die Benutzung einer Sache zur Erhaltung des ge-
meinen Wohls erforderlich ist, kann der Staat diese Benutzung befehlen
und die Unterlassung derselben durch Strafgesetze ahnden.
8 35. Statuen und Denkmäler, die auf öffentlichen Plätzen errichtet
werden, darf niemand, wer er auch sei, beschädigen oder ohne obrig-
keitliche Erlaubnis wegnehmen oder einreißen.
8 36. Noch weniger dürfen, ohne dergleichen Erlaubnis, Gebäude
in den Städten, die an Straßen oder öffentliche Plätze stoßen, zerstört
oder vernichtet werden.
8 37. Dergleichen Gebäude muß der Eigentümer, soweit es zur
Erhaltung der Substanz und Verhütung alles Schadens und Nachteils
für das Publikum notwendig ist, in baulichem Stande unterhalten.
8 38. Vernachlässigt er diese Pflicht dergestalt, daß der Einsturz
des ganzen Gebäudes oder eine Gefahr für das Publikum zu besorgen
ist, so muß die Obrigkeit ihn zur Veranstaltung der notwendigen Repa-
II. Preußen 217
ratur, innerhalb einer nach den Umständen zu bestimmenden billigen
Frist, allenfalls durch Zwangsmittel anhalten.
8 65. In der Regel ist jeder Eigentümer seinen Grund und Boden
mit Gebäuden zu besetzen oder sein Gebäude zu verändern wohl befugt.
8 66. Doch soll zum Schaden oder zur Unsicherheit des gemeinen
Wesens oder zur Verunstaltung der Städte und öffentlichen Plätze
kein Bau und keine Veränderung vorgenommen werden.
8 67. Wer also einen neuen Bau in Städten anlegen will, muß
davon zuvor der Obrigkeit zur Beurteilung Anzeige machen.
8 71. In allen Fällen, wo sich findet, daß ein ohne vorhergegangene
Anzeige unternommener Bau schädlich oder gefährlich für das Publikum
sei, oder zur groben Verunstaltung einer Straße oder eines Platzes
gereiche, muß derselbe nach der Anweisung der Obrigkeit geändert
werden.
8 78. Die Straßen und öffentlichen Plätze dürfen nicht verengt,
verunreinigt oder sonst verunstaltet werden.
Gesetz über die Zuständigkeit der Verwaltungs- und Nr. 3
Verwaltungsgerichtsbehörden
vom 1. August 1883
Das Gesetz bestimmt in 8 16 Abs. 1 für die Stadtgemeinden
und in 8 30 Abs. i für die Landgemeinden:
„Gemeindebeschlüsse über die Veräußerung oder wesentliche Ver-
änderung von Sachen, welche einen besondern wissenschaftlichen, histo-
rischen oder Kunstwert haben, insbesondere von Archiven oder Teilen
derselben, unterliegen der Genehmigung des Regierungspräsidenten."
3) Gesetz über die Vermögensverwaltung in den katho- Nr. 4
lischen Kirchengemeinden
vom 20. Juni 1875
„8 50. Die Beschlüsse des Kirchenv erstand es und der Gemeinde-
vertretung bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Genehmigung der staatlichen
Aufsichtsbehörde in folgenden Fällen:
1. . . .
2. bei Veräußerung von Gegenständen, welche einen geschichtlichen,
wissenschaftlichen oder Kunstwert haben."
b) Gesetz über die Aufsichtsrechte des Staates bei der
Vermögensverwaltung in den katholischen Diözesen
vom 7. Juni 1876
„8 2. Die verwaltenden Organe bedürfen der Genehmigung der
staatlichen Aufsichtsbehörde in nachstehenden Fällen:
1. . . .
2. zu der Veräußerung von Gegenständen, welche einen geschicht-
lichen, wissenschaftlichen oder Kunstwert haben."
218 Anhang
c) Gesetz, betreffend die evangelische Kirchenverfaffung in
den acht ältern Provinzen der Monarchie,
vom 4. Juni 1876
„Art. 24. Die Beschlüsse der kirchlichen Organe bedürfen zu ihrer
Gültigkeit der Genehmigung der staatlichen Aufsichtsbehörde in folgenden
Fällen:
1. . . .
2. bei der Veräußerung von Gegenständen, welche einen geschicht-
lichen, wissenschaftlichen oder Kunsiwert haben."
Entsprechend lauten die Bestimmungen in den Gesetzen über die
evangelische Kirchenverfassung in den neuen Provinzen.
Nr. 5 Gesetz gegen die Verunstaltung landschaftlich hervor-
ragender Gegenden
vom 2. Juni 1902
Die Landespolizeibehörden sind befugt, zur Verhinderung der Ver-
unstaltung landschaftlich hervorragender Gegenden solche Reklame-
schilder und sonstige Aufschriften und Abbildungen, welche das Land-
schaftsbild verunzieren, außerhalb der geschlossenen Ortschaften durch
Polizeiverordnung auf Grund des Gesetzes über die allgemeine Landes-
verwaltung vom 30. Juli 1883 zu verbieten, und zwar auch für einzelne
Kreise oder Teile derselben.
Nr. 6 Gesetz gegen die Verunstaltung von Ortschaften und
landschaftlich hervorragenden Gegenden
vom 15. Juli 1907
8 i. Die baupolizeiliche Genehmigung zur Ausführung von Bauten
und baulichen Änderungen ist zu versagen, wenn dadurch Straßen oder
Plätze der Ortschaft oder das Ortsbild gröblich verunstaltet werden würden.
8 2. Durch Ortsstatut kann für bestimmte Straßen und Plätze von
geschichtlicher oder künstlerischer Bedeutung vorgeschrieben werden, daß
die baupolizeiliche Genehmigung zur Ausführung von Bauten und
baulichen Änderungen zu versagen ist, wenn dadurch die Eigenart des
Orts- und Straßenbildes beeinträchtigt werden würde. Ferner kann
durch Ortsstatut vorgeschrieben werden, daß die baupolizeiliche Ge-
nehmigung zur Ausführung baulicher Änderungen an einzelnen Bau-
werken von geschichtlicher oder künstlerischer Bedeutung und zur Aus-
führung von Bauten und baulichen Änderungen in der Umgebung
solcher Bauwerke zu versagen ist, wenn ihre Eigenart oder der Eindruck,
den sie Hervorrufen, durch die Bauausführung beeinträchtigt werden
würde.
Wenn die Bauausführung nach dem Bauentwürfe dem Gepräge
der Umgebung der Baustelle im wesentlichen entsprechen würde und
die Kosten der trotzdem auf Grund des Ortsstatuts geforderten Ände-
II. Preußen 219
rungen in keinem angemessenen Verhältnisse zu den dem Bauherrn
zur Last fallenden Kosten der Bauausführung stehen würden, so ist von
der Anwendung des Ortssiatuts abzusehen.
8 3. Durch Ortsstatut kann vorgeschrieben werden, daß die An-
bringung von Reklameschildern, Schaukästen, Aufschriften und Ab-
bildungen der Genehmigung der Baupolizeibehörde bedarf. Die Ge-
nehmigung ist unter den gleichen Voraussetzungen zu versagen, unter
denen nach den 88 1 und 2 die Genehmigung zu Bauausführungen zu
versagen ist.
8 4. Durch Ortssiatut können für die Bebauung bestimmter Flächen,
wie Landhausviertel, Badeorte, Prachtstraßen, besondere, über das
sonst baupolizeilich zulässige Maß hinausgehende Anforderungen gestellt
werden.
8 5. Der Beschlußfassung über das Ortsstatut hat in den Fällen der
88 2 und 4 eine Anhörung Sachverständiger vorauszugehen.
8 6. Sofern in dem auf Grund des 8 2 erlassenen Ortssiatute keine
andern Bestimmungen getroffen werden, sind vor Erteilung oder Ver-
sagung der Genehmigung Sachverständige und der Gemeindevorstand
zu hören. Will die Baupolizeibehörde die Genehmigung gegen den
Antrag des Gemeindevorstandes erteilen, so hat sie ihm dieses durch
Bescheid mitzuteilen. Gegen den Bescheid steht dem Gemeindevorsiand
innerhalb zwei Wochen die Beschwerde an die Aufsichtsbehörde zu.
In Gemeinden, in denen der Gemeindevorstand nicht aus einer
Mehrheit von Personen besieht und der Gemeindevorsteher (Bürger-
meister) zugleich Ortspolizeiverwalter ist, tritt an die Stelle des Ge-
meind evorstand es, sofern nicht in dem Ortsstatut etwas anderes be-
stimmt wird, der Gemeindebeamte, welcher den Gemeindevorsteher in
Behinderungsfällen zu vertreten hat.
8 7. Für selbständige Gutsbezirke können die dem Ortsstatut vor-
behaltenen Vorschriften nach Anhörung des Gutsvorsiehers von dem
Kreisausschuß erlassen werden. Der Beschluß des Kreisausschusses
bedarf der Bestätigung des Bezirksausschusses. Die Bestimmungen des
8 8 Abs. 2, 8 ? und 8 6 finden sinngemäß Anwendung.
8 8. Der Regierungspräsident ist befugt, mit Zustimmung des Be-
zirksausschusses für landschaftlich hervorragende Teile des Regierungs-
bezirks vorzuschreiben, daß die baupolizeiliche Genehmigung zur Aus-
führung von Bauten und baulichen Änderungen außerhalb der Ort-
schaften versagt werden kann, wenn dadurch das Landschaftsbild gröblich
verunstaltet werden würde und dies durch die Wahl eines andern Bau-
platzes oder eine andere Baugestaltung oder die Verwendung andern
Baumaterials vermieden werden kann.
Vor Versagung der Genehmigung sind Sachverständige und der
Gemeindevorsiand zu hören. In Gemeinden, in denen der Gemeinde-
vorstand nicht aus einer Mehrheit von Personen besteht und der Ge-
meindevorsteher (Bürgermeister) zugleich Ortspolizeiverwalter ist, tritt
220 Anhang
an die Stelle des Gemeindevorstandes, sofern nicht durch Ortsstatut
etwas anderes bestimmt wird, der Gemeindebeamte, welcher den Ge-
metndevorsteher in Behinderungsfällen ju vertreten hat.
Nr. 7 Ortsgesetz, betreffend den Schutz gegen die Verunstaltung
der Stadt Trier,
vom 17. Juni 1908
Auf Grund des Gesetzes gegen die Verunstaltung von Ortschaften
und landschaftlich hervorragenden Gegenden vom iz. Juli 1907 sowie
des 8 10 der Städteordnung für die Rheinprovinj vom 15. Mai 1856
wird nach Anhörung Sachverständiger und in Gemäßheit des Beschlusses
der Stadtverordnetenversammlung vom 17. Juni 1908 für den Um-
fang des Stadtbezirks Trier nachstehendes Ortsgesetz erlassen.
8 1. Für die nachbezeichneten Straßen und Plätze nämlich:
a) Straßen: Graben-, Liebfrauen-, Simeon- und Sternstraße,
ferner St. Barbara-, Krahnen-, Katharinen-, Martins- und Zurlaubener
Ufer;
b) Plätze: Domfreihof, Hauptmarkt, Konstantinsplatz, Kornmarkt,
Platz vor der Kirche St. Paulin (Klosterstraße), ist die bauliche Ge-
nehmigung zur Ausführung von Bauten oder baupolizeiliche Änderungen
in Form oder Farbe zu versagen, wenn dadurch die Eigenart des Stadt-
oder Straßen- (Platz-) Bildes beeinträchtigt werden würde. Ebenso ist
unter der gleichen Voraussetzung der Umbau oder die Beseitigung von
Bauteilen zu verbieten, die mit einem Gebäude in Verbindung stehen.
8 2. Für die nachbezeichneten Bauwerke:
a) Aus der römischen Zeit: Amphitheater, Kaiserpalast, Porta nigra,
Römische Bäder;
b) Kirchen: St. Antonius, ehemalige Augustinerkirche im Land-
armenhaus, Basilika, Dom, Dreifaltigkeitskirche (Jesuitenkirche), St.
Gangolf-, St. Gervasius-, Klarissenkirche, Liebfrauenkirche, Mariahilf-
und Markuskapelle, St. Maximinkirche, St. Paulin-, St. Jrminen-
kirche, neue St. Pauluskirche, Welschnonnenkirche;
c) ehemalige Klöster: St. Afra (Liebfrauenstr. 5), St. Agneten,
Deutschherrenhaus (Proviantamt), St. Jrminen, St. Marien, St.
Markus (Palastparadeplatzsir. 3), St. Martin, Torbau von St. Maximin,
Nikolauskapelle in der Simeonstraße, Welschnonnen;
d) weltliche Bauwerke: Bischofshof, Castilport, Frankenturm, Fried-
rich-Wilhelm-Gymnasium, Helenenmauer, Kaufhaus, Landgericht,
Leyencher Hof (Konvikt), kurfürstlicher Palast, Regierungsgebäude nebst
dem alten Propugnakulum, Roter Turm, Palast Kesselsiadt, die Stadt-
mauer;
e) Bürgerhäuser: Antoniusstr. 3, Brückenstr. Nr. 27, Nr. 28 (das
klassizistische Haus im Landarmenhaus), Nr. 95, Brodstr. Nr. 21—24,
Nr. Zi, Nr. 35, Nr. 48, Dietrichstr. Nr. 23, Nr. 42, Domfreihof Nr. 2,
Torbau (sogenannte „gehl Box"), Nr. 4 (Dompropstei), Nr. 5 (Torbau),
221
II. Preußen
Fahrstr. Nr. u, Fleischstr. Nr. 62, Nr. 8z, (jum Stern) Nr. 84 (zum
roten Ochsen), Glockenstr. Nr. 2 (zur Glocke), Hauptmarkt Nr. 6, Nr. 14
(Steipe und rotes Haus), Nr. 15—16, Nr. 17, Nr. 23, Portalbau von
St. Gangolf, Hosenstr. Nr. 6, Jakobsspitälchen Nr. 2, Jakobstr. Nr. 8
(Neuländerhof), Union Nr. 12 und iz, Kalenfelsstr. Nr. 2 (Echter-
nach erhof), Krahnenstr. Nr. 30, Nr. 39, Liebfrauensir. Nr. 4 (Metter-
nicher Hof), An der Meerkatz Nr. 2 (Karthäuserhof), Neustr. Nr. 20,
Nr. 2i, Nr. 35, Nr. 36, Nr. 37, Nr. 42, Palaststr. Nr. 4, Nr. 22, Rinder-
tanzstr. Nr. 2, Straße „Sieh um dich" Nr. 2 (Kapelle), Sichelstr. Nr. 32
(Fetzenreich), Simeonstr. Nr. 19 (Dreikönigenhaus), Nr. 37, Nr. 45,
Nr. 51, Nr. 53, Nr. 54, Nr. ?6 (Hofbau), Simeonstiftstr. Nr. 9, Sternstr.
Nr. z, Stockplatz Nr. 2, Weberbachstr. Nr. 10, Nr. 61, Nr. 62, Nr. 63,
Nr. 64, ist die baupolizeiliche Genehmigung zur Ausführung baulicher
Änderungen in Form oder Farbe zu versagen, wenn ihre Eigenart oder
der Eindruck, den sie hervorrufen, durch die Bauausführung beeinträch-
tigt werden würde.
Unter denselben Voraussetzungen darf die Genehmigung zur Aus-
führung von Bauten oder baulichen Änderungen in der Umgebung
solcher Bauwerke nicht erteilt werden.
Insbesondere sollen grundsätzlich bei den der St. Gangolfskirche
im Norden vorgelagerten Gebäuden Neubauten ober Veränderungen
über die bestehende Umrißlinie hinaus und in der unmittelbaren Um-
gebung der Porta nigra Neubauten mit mehr als zwei Geschossen (Erd-
und ein Obergeschoß) sowie bauliche Veränderungen über die gegen-
wärtige Gebäudehöhe hinaus nicht zugelassen werden.
8 3. Wenn in den Fällen der beiden vorhergehenden Paragraphen
die Bauausführung nach dem Bauentwürfe dem Gepräge der Um-
gebung der Baustelle im wesentlichen entsprechen würde, und die Kosten
der trotzdem auf Grund des Ortsstatuts geforderten Änderungen in
keinem angemessenen Verhältnisse zu den dem Bauherrn zur Last
fallenden Kosten der Bauausführung stehen würden, so ist von der
Anwendung des Ortsstatuts abzusehen.
8 4. Die Anbringung von Reklameschildern, Schaukästen, Auf-
schriften und Abbildungen bedarf der Genehmigung der Baupolizei-
behörde. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn durch die Anbringung
Straßen oder Plätze der Stadt Trier oder das Straßenbild gröblich
verunstaltet, oder wenn dadurch in den in 8 1 bezeichneten Straßen
oder Plätzen die Eigenart des Stadt- oder Straßenbildes, oder bei den
in 8 2 bezeichneten Bauwerken oder in ihrer Umgebung deren Eigenart
oder der Eindruck, den sie hervorrufen, beeinträchtigt werden würde.
8 5. Vor Versagung der Genehmigung in den Fällen der 881 und 2
dieses Ortsgesetzes sowie des 8 8 des Gesetzes vom 15. Juli 1907 ist
die städtische Deputation für Denkmalpflege und die städtische Bau-
deputation zu hören.
Vor Erteilung der Genehmigung in den Fällen der 881 und 2 dieses
222 Anhang
Ortsgesetzes sind diese Deputationen gleichfalls zu hören, falls die Be-
sonderheit des Falles, Art und Umfang des Bauvorhabens, dies nach
dem Ermessen der Baupolizeibehörde erfordert.
8 6. Dieses Ortsstatut tritt mit dem Tage seiner Veröffent-
lichung in Kraft.
Nr. 8 Grundsätze für die Wirksamkeit der Staatlichen Stelle
für Naturdenkmalpflege in Preußen
vom 22. Oktober Iyo6
8 i. Die Staatliche Stelle für Naturdenkmalpflege, die einstweilen
ihren Sitz in Danzig hat und von dem Direktor des Westpreußischen
Provtnzialmuseums Prof. Dr. Conwentz ebendort als dem Staatlichen
Kommissar für Naturdenkmalpflege verwaltet wird, bezweckt die Förde-
rung der Erhaltung von Naturdenkmälern im preußischen Staatsgebiete.
8 2. Unter Naturdenkmälern im Sinne dieser Grundsätze sind be-
sonders charakteristische Gebilde der heimatlichen Natur zu verstehen,
vornehmlich solche, welche sich noch an ihrer ursprünglichen Stätte be-
finden, seien es Teile der Landschaft oder Gestaltungen des Erdbodens
oder Reste der Pflanzen- und Tierwelt.
8 Z. Zu den Aufgaben der Staatlichen Stelle für Naturdenkmalpflege
gehört insbesondere:
1. die Ermittelung, Erforschung und dauernde Beobachtung der in
Preußen vorhandenen Naturdenkmäler;
2. die Erwägung der Maßnahmen, welche zur Erhaltung der Natur-
denkmäler geeignet erscheinen,
Z. die Anregung der Beteiligten zur ordnungsmäßigen Erhaltung
gefährdeter Naturdenkmäler, ihre Beratung bei Feststellung der
erforderlichen Schutzmaßregeln und bei Aufbringung der zur Er-
haltung benötigten Mittel.
Oie Erhaltung von Naturdenkmälern selbst und die Beschaffung der
dazu notwendigen Mittel bleibt Sache der Beteiligten. Fonds für der,
artige Zwecke stehen der Staatlichen Stelle nicht zur Verfügung.
8 4- Die Staatliche Stelle für Naturdenkmalpflege wird es sich
angelegen sein lassen, die auf die Erhaltung der Naturdenkmäler ge,
richteten Bestrebungen in gesunden Bahnen zu erhalten.
8 ?. Die Staatliche Stelle wird in Sachen der Naturdenkmalpflege
Behörden und Privatpersonen auf Anfragen jederzeit Auskunft geben,
insbesondere darüber, ob ein bezeichneter Gegenstand als Naturdenkmal
anzusehen ist, und welche Maßnahmen zu seiner Erhaltung zu empfehlen
sind.
Wo es sich um die Erhaltung eines gefährdeten Naturdenkmals
handelt, wird sie sich mit den für die Übernahme des Schutzes in Frage
kommenden Stellen (Behörden, Gemeinden, Vereinen, Privat-
besitzern usw.) in Verbindung setzen, auch je nach Lage des Falles den
beteiligten Aufsichtsbehörden (Landrat, Regierungspräsident usw.) von
II. Preußen 223
dem Sachverhalt Mitteilung machen. Sofern es zur Erreichung des
Zieles erforderlich erscheint, wird sich der Staatliche Kommissar an Ort
und Stelle begeben.
8 6. Die Staatliche Stelle für Naturdenkmalpflege steht unter der
Aufsicht des Ministers der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal-
angelegenheiten, dem sie unmittelbar berichtet und alljährlich einen
Verwaltungsbericht vorlegt.
8 7. Dem Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal-
angelegenheiten steht bei Ausübung der Aufsicht als beratendes Organ
ein Kuratorium zur Seite, in welches seitens des Ministeriums der
geistlichen usw. Angelegenheiten, für Landwirtschaft, Domänen und
Forsten, für Handel und Gewerbe, des Innern und der öffentlichen
Arbeiten je ein Kommissar abgeordnet wird. Sofern im Einzelfall
andere preußische Ressorts als die genannten oder Reichsressorts in
Frage kommen, bleibt vorbehalten, die betreffenden Ministerien oder
Reichsämter um Entsendung eines Kommissars zu den Sitzungen des
Kuratoriums zu ersuchen.
Ausgrabungsgesetz
vom 26. März 1914
Ausgrabungen
8 i. Eine Grabung nach Gegenständen, die für die Kulturgeschichte
einschließlich der Urgeschichte des Menschen von Bedeutung sind, darf
nur in der Weise erfolgen, daß nicht das öffentliche Interesse an der
Förderung der Wissenschaft und Denkmalpflege beeinträchtigt wird.
Zum Beginne der Grabung ist die Genehmigung des Regierungs-
präsidenten erforderlich.
Die Genehmigung darf nicht versagt werden, wenn die Erfüllung
der Vorschrift des Abs. 1 gesichert erscheint. Bei Erteilung der Ge-
nehmigung sind die für die Grabung nach dem Maße des öffentlichen
Interesses gebotenen Bedingungen zu bezeichnen.
Die Bedingungen können insbesondere die Ausführung der Grabung,
die Anzeige entdeckter Gegenstände, deren Sicherung und Erhaltung
sowie die Besichtigung der Grabungsstätte und der entdeckten Gegen-
stände betreffen. Für die Einhaltung der Bedingungen kann Sicher-
heirsleistung verlangt werden.
8 2. Der Regierungspräsident, in dringenden Fällen auch die Orts-
polizeibehörde, ist befugt, eine ohne die erforderliche Genehmigung
unternommene Grabung zu verhindern und für die Einhaltung der
Genehmigungsbedingungen zu sorgen.
8 3. Der Minister der geistlichen und Unterrichtsangelegenheiten
kann im Einzelfall oder allgemein, namentlich zugunsten der im 8 8
Abs. 2 bezeichneten Körperschaften, Ausnahmen von den Vorschriften
des 8 i zulassen.
8 4. Die Vorschriften der 88 i bis 3 finden auf eine Grabung nach
Nr.
224 Anhang
Gegenständen, die für die Urgeschichte der Tier-- oder Pflanzenwelt von
Bedeutung sind, entsprechende Anwendung.
Gelegenheitsfunde
8 ?. Wird in oder auf einem Grundstück ein Gegenstand, der für die
Kulturgeschichte einschließlich der Urgeschichte des Menschen von erheb-
licher Bedeutung ist, gelegentlich entdeckt, so ist dies spätestens am
nächsten Werktage der Ortspolizeibehörde anzuzeigen, welche unver-
züglich die Erwerbsberechtigten (8 8 Abs. 2) zu benachrichtigen hat.
Anzeigepflichtig sind der Entdecker, der Eigentümer des Grund-
stücks sowie der Leiter der Arbeiten, bei denen der Gegenstand entdeckt
worden ist.
Die Anzeigefrist beginnt mit dem Ablaufe des Tages, an dem der
Verpflichtete die Entdeckung erfährt.
Die Anzeige eines der Verpflichteten befreit die übrigen. Der Ent-
decker wird von seiner Verpflichtung auch dann frei, wenn er die Ent-
deckung noch an demselben Tage dem Leiter der Arbeiten mitteilt.
8 6. Der Entdecker, der Eigentümer des Grundstücks sowie der Leiter
der Arbeiten haben den entdeckten Gegenstand und die Entdeckungs-
stätte in unverändertem Zustande zu erhalten, soweit es ohne erheb-
lichen Nachteil oder Aufwendung von Kosten geschehen kann.
Diese Verpflichtungen erlöschen mit Ablauf von fünf Tagen nach
der Anzeige, sofern nicht der Regierungspräsident oder die Ortspolizei-
behörde den Gegenstand vorher freigeben.
8 7. Der Minister der geistlichen und Unterrichtsangelegenheiten
kann, sofern eine sachgemäße Behandlung von Gelegenheitsfunden ge-
währleistet ist, Ausnahmen von den Vorschriften der 88 5, 6 zulassen.
Ablieferung
8 8. Ein bei einer Ausgrabung oder gelegentlich in oder auf einem
Grundstück entdeckter Gegenstand der im 8 1 oder 8 4 bezeichneten Art
ist nach näherer Bestimmung der 88 9 und 10 auf Verlangen gegen
Entschädigung abzuliefern.
Die Befugnis, die Ablieferung zu verlangen, steht dem Staate
sowie der Provinz, dem kommunalständischen Verbände, dem Kreise
und der Gemeinde zu, in denen der Gegenstand entdeckt worden ist.
Als Entschädigung ist Ersatz des gemeinen Wertes des Gegenstandes
zu leisten. Bei Bemessung des Wertes bleibt die Möglichkeit einer
Veräußerung des Gegenstandes in das Reichsausland oder an einen
Reichsausländer unberücksichtigt.
Bei Gelegenheitsfunden sind außerdem die bei Bemessung des
Wertes nicht berücksichtigten Aufwendungen zu ersetzen, die dem Ent-
decker, dem Eigentümer des Grundstücks oder dem Leiter der Arbeiten
durch Maßregeln zur Erhaltung des Gegenstandes oder der Entdeckungs-
stätte entstanden sind, soweit er sie nach den Umständen für erforderlich
halten durfte. Sind Anordnungen nach 8 21 getroffen, so ist auch der
II. Preußen 225
hierdurch entstandene Schaden zu ersetzen, soweit die Anordnungen
nicht durch schuldhaftes Verhallen des von ihnen Betroffenen ver-
anlaßt sind.
8 y. Die Ablieferung kann nur verlangt werden, wenn Tatsachen
vorliegen, nach denen zu besorgen ist, daß der Gegenstand wesentlich
verschlechtert wird oder daß er der inländischen Denkmalpflege oder
Wissenschaft verloren geht.
8 io. Die Ablieferung kann nicht mehr verlangt werden, wenn seit
der Anzeige der Entdeckung drei Monate oder, falls eine Verpflichtung
zur Anzeige nicht besteht, seit der Entdeckung zwölf Monate verstrichen
sind. Dies gilt nicht, wenn der Erwerbsberechtigte sich innerhalb der
Frist gegenüber dem Eigentümer die Befugnis, die Ablieferung zu ver-
langen, vorbehalten hat.
Der Eigentümer kann den Erwerbsberechtigten die Ablieferung des
Gegenstandes, unbeschadet der Entscheidung, ob der Gegenstand ab,
lieferungspflichtig ist oder nicht, anbieten. Nimmt der Erwerbsberechtigte
das Angebot nicht binnen drei Monaten an, so kann er die Ablieferung
nicht mehr verlangen.
Bestreitet der Eigentümer die Berechtigung eines Vorbehalts, so
beschließt der Bezirksausschuß.
8 11. Können die Beteiligten sich nicht über die Ablieferung an
einen der Erwerbsberechtigten oder über die Entschädigung einigen, so
gelten die Vorschriften der 88 12 bis 20.
8 12. Der Bezirksausschuß des Bezirks, in dem der Gegenstand
entdeckt worden ist, beschließt auf Antrag eines Beteiligten, ob die Vor,
aussetzungen der Ablieferung vorliegen. In Zweifelsfällen wird der
zuständige Bezirksausschuß durch den Minister der geistlichen und Unter,
richtsangelegenheiten bestimmt.
Wird das Ablieferungsverlangen von mehrern gestellt, so bestimmt
der Provinzialrat den an erster Stelle Erwerbsberechtigtev sowie ge,
eignetenfalls die Reihenfolge, in der im Falle seines Ausscheidens die
übrigen Erwerbsberechtigten an seine Stelle treten. Hierbei ist auf
die örtliche Bedeutung des Fundes, das Interesse der Wissenschaft sowie
die bestehenden wissenschaftlichen Einrichtungen Rücksicht zu nehmen.
8 iz. Der Antrag auf Feststellung der Entschädigung ist bei dem
Regierungspräsidenten einzureichen. In dem Antrage sind der Gegen,
stand, der Erwerbsberechtigte sowie der Eigentümer, etwaige dinglich
Berechtigte und sonst Ersatzberechtigte (8 8 Abs. 4) zu bezeichnen.
814. Die Entschädigung wird durch eine Schätzungskommission fest,
gestellt. Der Eigentümer des abzuliefernden Gegenstandes und der
Erwerbsberechtigte wählen je ein Mitglied. Der Regierungspräsident
bestellt den Vorsitzenden; dieser muß zum Richteramte befähigt sein.
Wird die Wahl eines Mitglieds nicht binnen vier Wochen nach Auf,
forderung durch den Regierungspräsidenten vorgenommen, so wird das
Mitglied durch den Regierungspräsidenten bestellt.
K n e t r, Denkmalpflege
15
226 Anhang
§ 15. Dìe Schätzungskommission hat die Beteiligten zu hören; im
übrigen besiimmt sie das Verfahren nach freiem Ermessen. Erachtet
die Schätzungskommission eine Besichtigung des Gegenstandes für
erforderlich, so kann der Regierungspräsident die erforderlichen An-
ordnungen treffen.
8 16. Oer Beschluß ist mit Gründen zu versehen.
Gegen den Beschluß steht hinsichtlich der Höhe der Entschädigung
den Beteiligten binnen drei Monaten nach Zustellung der Rechtsweg
offen.
8 17. Die Entschädigung wird an den Eigentümer oder die sonst
krsatzberechtigten (8 8 Abs. 4) gezahlt, für welche die Feststellung er-
folgt ist.
Sind dinglich Berechtigte vorhanden, so ist die für den Eigentümer
festgestellte Entschädigung zu hinterlegen.
8 18. Nach Zahlung oder Hinterlegung der endgültig oder in
dringenden Fällen der vorläufig festgestellten Entschädigung ist der
Gegenstand abzuliefern.
Der Regierungspräsident hat die zur Durchführung der Ablieferung
erforderlichen Anordnungen zu treffen.
Mit der Ablieferung erlangt der Erwerbsberechtigte das Eigentum
an dem Gegenstände.
8 19. Die Kosten des Schätzungsverfahrens fallen dem Erwerbs-
berechtigten zur Last. Es können nur Auslagen berechnet werden; den
Mitgliedern der Schätzungskommission kann durch den Regierungs-
präsidenten eine Vergütung bewilligt werden.
8 20. Verzichtet der Erwerbsberechtigte nachträglich auf sein Recht,
so ist er verpflichtet, den Beteiligten die durch das Verfahren ent-
standenen notwendigen Aufwendungen zu erstatten und in den Fällen
des 8 8 Abs. 4 den dort bezeichneten Ersatz zu leisten.
Dem Verzichte steht es gleich, wenn der Erwerbsberechtigte die
endgültig festgestellte Entschädigung nicht binnen einer vom Regierungs-
präsidenten auf Antrag zu bestimmenden Frist zahlt oder hinterlegt.
8 2i. Der Regierungspräsident, in dringenden Fallen auch die
Orts Polizeibehörde, ist befugt, zur Sicherstellung eines Gegenstandes,
dessen Ablieferung verlangt werden kann, auf Antrag eines Erwerbs-
berechtigten (8 8 Abs. 2) die erforderlichen Anordnungen zu treffen.
Die Anordnungen sind wieder aufzuheben, sofern nicht binnen zwei
Wochen die Ablieferung verlangt wird. In diesem Falle hat, wenn
nicht nach Abs. 8 8 4 oder 8 20 ein anderer zum Schadenersätze ver-
pflichtet, ist der Antragsteller den durch die Anordnungen entstandenen
Schaden zu ersetzen, soweit die Anordnung nicht durch schuldhaftes
Verhalten des von ihnen Betroffenen veranlaßt sind.
Beschwerde
8 22. Gegen die Entscheidungen und Anordnungen des Regierungs-
präsidenten findet die Beschwerde an den Minister der geistlichen und
II. Preußen 227
Unterrichtsangelegenheiten statt. Gegen die Anordnungen der Orts-
polizeibehörde findet die Beschwerde an den Regierungspräfidenten und
die wettere Beschwerde an den Minister der geistlichen und Unterrichts-
angelegenheiten statt.
Der Minister der geistlichen und Unterrichtsangelegenheiten ent-
scheidet gegebenenfalls im Einvernehmen mit den nach den allgemeinen
Bestimmungen beteiligten Ministern.
§ 2Z. Die Beschlüsse des Bezirksausschusses (810 Abs. 3, § 12 Abs. 1)
-nd mit Gründen zu versehen. Gegen diese Beschlüsse steht den Be-
teiligten binnen zwei Wochen nach Zustellung die Beschwerde an den
Provinzialrat zu.
Strafbestimmungen
8 24. Mit Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark oder mit Haft
wird bestraft, wer vorsätzlich die im 8 5 vorgesehene Anzeige unterläßt
oder den Vorschriften des 8 6 Abs. 1 zuwiderhandelt.
Die Verfolgung tritt nur auf Antrag des Regierungspräfidenten
ein; die Zurücknahme des Antrags ist zulässig.
8 2?. Mit Geldstrafe bis zu zehntausend Mark oder mit Haft wird,
soweit nicht nach andern Vorschriften eine höhere Strafe verwirkt ist,
bestraft, wer vorsätzlich einen Gegenstand, dessen Ablieferung verlangt
«erden kann, zerstört, beschädigt oder beiseite schafft und dadurch die
Ablieferung vereitelt.
Ist der Täter eine Person, die aus der Veranstaltung von Aus-
grabungen oder aus der Verwertung ansgegrabener oder gelegentlich
entdeckter Gegenstände der im 8 i oder 8 4 bezeichneten Art ein Ge-
werbe macht, so kann die Geldstrafe bis zu zwanzigtausend Mark erhöht
werden, auch kann auf Gefängnis bis zu drei Monaten sowie auf die
Geldstrafe neben der Freiheitsstrafe erkannt werden.
Oer Versuch ist strafbar.
In den Fällen des Abs. 1 tritt die Verfolgung nur auf Antrag des
Regierungspräfidenten ein; die Zurücknahme des Antrags ist zulässig.
Eine nicht beizutreibende Geldstrafe ist in Hast umzuwandeln.
Übergangs - und Schlußbestimmungen
8 26. Die Vorschriften über die Genehmigung einer Grabung
(8 1, 4) finden auf eine beim Inkrafttreten dieses Gesetzes begonnene
Grabung entsprechende Anwendung.
8 27. Unberührt bleiben die gesetzlichen Vorschriften, nach denen dem
Staate in Ansehung eines diesem Gesetz unterstehenden Gegenstandes
weitergehende als die in den 88 8 bis 21 begründeten Rechte zustehen.
8 28. Für die Stadt Berlin tritt der Oberpräfident an die Stelle
des Regierungspräfidenten.
Für Hessen-Nassau treten die Bezirksverbände an die Stelle der
Provinz.
Für die Hohevzollernschen Lande treten der Landeskommunal-
15*
228 Anhang
verband und die Amtsverbände an die Stelle der Provivj und
der Kreise.
8 29. Die Ausführungsbestimmungen ju diesem Gesetz erläßt der
Minister der geistlichen und Unterrichtsangelegenheiteu.
III.
Bayern
Nr. 10 Gemeindeordnungen
Art. 159 der G e m e i n d e 0 r d n u n g für die Landesteile dies-
seits des Rheines vom 29. April 1869 und Art. 91 der Gemeindeordnung
für die Pfalz vom gleichen Lage, je in der Fassung von Art. 1 des Ge,
setzes vom 6. Juli 1908:
„In bezug auf die Verwaltung des Gemeinde, und Stiftungs,
Vermögens sind die Gemeinden außer den durch Gesetz besonders be,
zeichneten Fällen in folgenden an die vorherige Genehmigung der vor,
gesetzten Verwaltungsbehörde gebunden:
1. bis 4..........................
4 a) bei Veräußerung, Belastung, Restauration oder Veränderung
beweglicher Sachen von prähistorischem, historischem oder kunsihisto,
rischem Werte."
Nr. ii Polizeistrafgesetzbuch
Art. 22 b Abs. i des Polizeistrafgesetzbuchs vom 26. Dezember 1871
in der Fassung von Art. 2 des Gesetzes vom 6. Juli 1908:
„An Geld bis zu 150 M oder mit Haft wird bestraft, wer den durch
Verordnung oder oberpolizeiliche Vorschriften erlassenen Bestimmungen
über Ausgrabungen und Funde von prähistorischen oder historisch merk,
würdigen Gegenständen zuwiderhandelt."
Nr. 12 Allerhöchste Verordnung, die Ausgrabungen und Funde
von prähistorischen oder historisch merkwürdigen Gegen-
ständen betreffend,
vom 6. September 1908
8 1. Wer auf einem Grundstück Ausgrabungen nach prähistorischen
oder historisch merkwürdigen Gegenständen vornehmen will, oder wer
zu einem andern Zwecke Grabungen in einem Grundstücke vornehmen
will, in dem prähistorische oder historisch merkwürdige Gegenstände zu
vermuten sind, bedarf der Genehmigung der Distriktsverwaltungs,
behörde — in München des Stadtmagistrats.
Mit der Ausgrabung oder Grabung darf erst begonnen werden,
wenn die Genehmigung der Distriktsverwaltungsbehörde erteilt ist.
Die Disiriktsverwaltungsbehörde kann die Genehmigung versagen
oder von der Erfüllung bestimmter Bedingungen abhängig machen.
Vorstehende Bestimmungen finden keine Anwendung auf Aus,
IV» Sachsen 229
grabungeu, welche von einer staatlichen Denkmalpfiegebehörde vor-
genommen oder veranlaßt werden. In solchen Fällen ist der Distrikts-
Verwaltungsbehörde vor Beginn der Ausgrabungsarbeiten lediglich
Anzeige zu erstatten.
8 2. Werden bei einer Erdarbeit, bei einer Bau- oder Abbrncharbeit
zufällig prähistorische oder historisch merkwürdige Gegenstände ge-
funden, so ist hiervon der Ortspolizeibehörde spätestens am nächst-
folgenden Werktag Anzeige zu erstatten. Die Anzeigepflicht obliegt
demjenigen, der zuerst auf den Gegenstand gestoßen ist (Finder). Ist
der Finder nicht der Unternehmer oder dessen Stellvertreter oder der
Leiter der Arbeiten, so genügt es, wenn der Finder dem an Ort und
Stelle befindlichen Unternehmer, Stellvertreter des Unternehmers oder
Leiter der Arbeiten unverzüglich Anzeige erstattet. Dieser ist sodann
verpflichtet, die Anzeige an die OrtsPolizeibehörde sofort weiterzugeben.
Der Unternehmer der Arbeiten, alle dabei beschäftigten Personen,
der Eigentümer des Grundstücks und die sonst etwa Verfügungsberech-
tigten haben die Fortsetzung der Arbeiten zu unterlassen und die ge-
fundenen Gegenstände in unverändertem Zustande zu verwahren.
Diese Verpflichtung erlischt mit dem Ablauf des siebten Tages nach
dem Tage der Anzeigeerstattung, wenn nicht seitens der Distrikts-
verwaltungsbehörde — in München seitens des Stadtmagistrats —
schon früher die Fortsetzung der Arbeiten gestattet oder die Freigabe
der gefundenen Gegenstände verfügt wurde.
8 3. Das Staatsministerium des Innern für Kirchen- und Schul-
angelegenheiten ist ermächtigt, die zum Vollzug dieser Verordnung
erforderlichen Vorschriften zu erlassen.
8 4. Diese Verordnung tritt am 1. November 1908 in Kraft."
IV.
Sachsen
Gesetz gegen die Verunstaltung von Stadt und Land Nr. iz
vom 10. März 1909
8 1. Die Polizeibehörden (die Amtshauptmannschaften und in
Städten mit revidierter Städteordnung die Stadträte) sind befugt,
Reklamezeichen aller Art sowie sonstige Aufschriften, Anschläge, Ab-
bildungen, Bemalungen, Schaukästen u. dgl. dann zu verbieten, wenn
sie geeignet sind, 3) Straßen, Plätze oder einzelne Bauwerke, oder
b) das Ortsbild, oder c) das Landschaftsbild zu verunstalten.
8 2. Die baupolizeiliche Genehmigung zur Ausführung von Bauten
und baulichen Änderungen kann versagt werden, wenn durch die Bau-
ausführung ein Bauwerk oder dessen Umgebung oder das Straßen-
oder das Ortsbild oder das LandschaftsbUd verunstaltet werden würde.
Von Anwendung dieser Vorschrift ist abzusehen, wenn durch die Ver-
230 Anhang
sagung dem Bauherrn ein unverhältnismäßiger wirtschaftlicher Nachteil
oder Kostenaufwand erwachsen würde.
Die Genehmigung von Bebauungs- und Fluchtlinienpläuen kan»
versagt werden, wenn durch deren Ausführung das Straßen- oder das
Ortsbild oder das Landschaftsbild verunstaltet werden würde.
8 z. Durch Ortsgesetz kann für bestimmte Straßen und Plätze vo»
geschichtlicher oder künstlerischer Bedeutung vorgeschrieben werden, daß
die baupolizeiliche Genehmigung zur Ausführung von Bauten un-
baulichen Änderungen zu versagen ist, wenn durch die Bauausführung
die Eigenart des Orts- oder Straßenbildes beeinträchtigt werden würde.
8 4. Durch Ortsgesetz kann vorgeschrieben werden, daß die bau-
polizeiliche Genehmigung zur Ausführung baulicher Änderungen a»
einzelnen Bauwerken von geschichtlicher oder künstlerischer Bedeutung
und zur Ausführung von Bauten und baulichen Änderungen in der
Umgebung solcher Bauwerke zu versagen ist, wenn deren Eigenart oder
der Eindruck, den sie Hervorrufen, durch die Bauausführung beeinträchtigt
werden würde.
8 5. Der Beschlußfassung über ein Ortsgesetz auf Grund der 88 3
oder 4 hat die Anhörung von Sachverständigen vorauszugehen.
8 6. Auf Ortsgesetze im Sinne der 88 3 und 4 finden die Bestim-
mungen der 88 y Abs. 1, 10 bis 12 des Allgemeinen Baugesetzes vom
1. Juli lyoo (G.- u. V.-Bl. S. 381 f) Anwendung.
8 7. Die Kreishauptmannschaft kann unter Mitwirkung des Kreis-
ausschusses anordnen, daß ein Ortsgesetz gemäß 8 3 oder 8 4 erlasse«
werde.
Wird einer solchen Anordnung nicht innerhalb der vorzuschreibende»
angemessenen Frist nachgekommen, so können die entsprechenden Vor-
schriften durch Verordnung des Ministeriums des Innern aufgestellt
werden. Diese bleiben dann solange in Kraft, bis ein den 88 3 oder 4
entsprechendes Ortsgesetz erlassen worden ist.
8 8. Bei Gefahr im Verzüge können in den Fällen der 88 3, 4 und 7
durch die Kreishauptmannschaft einstweilige Vorschriften erlassen werden.
Diese Vorschriften verlieren ihre Wirkung, wenn nicht binnen sechs
Monaten ein entsprechendes Ortsgesetz oder eine Verordnung nach
8 7 Abs. 2 in Kraft tritt.
8 y. Falls bei Durchführung von Bestimmungen nach 8 3, 4 oder 7
dem Bauherrn ein unverhältnismäßiger wirtschaftlicher Nachteil oder
Kostenaufwand erwächst, ist nach Gehör der Gemeindevertretung oder
des Gutsherrn von Anwendung der betreffenden Bestimmungen dan»
abzusehen, wenn die geplante Bauausführung dem Gepräge des Bau-
werks oder seiner Umgebung im wesentlichen entsprechen würde.
8 10. Im Rekursverfahren vor der Kceishauptmannschaft find i»
in der Regel mindestens drei Sachverständige zu hören.
811. 8 90 Abs. 2 Satz i des Allgemeinen Baugesetzes vom 1. J«li
1900 wird aufgehoben.
V. Oldenburg
231
§ in. Die Ausführung des Gesetzes wird dem Ministerium des
Inner» übertragen.
V.
Oldenburg
Gesetz gegen die Verunstaltung von Ortschaften und
landschaftlich hervorragenden Gegenden
vom II. Januar lyio
8 1. Oie baupolizeiliche Genehmigung zur Ausführung von Bauten,
baulichen Änderungen und Einfriedigungen ist zu versagen, wenn da,
durch Straßen oder Plätze der Ortschaft oder das Ortsbild gröblich ver,
unsialtet werden würden.
§ 2. Durch Gemeindestatut kann für bestimmte Straßen und Plätze
von geschichtlicher oder künstlerischer Bedeutung vorgeschrieben werden,
daß die baupolizeiliche Genehmigung zur Ausführung von Bauten und
baulichen Änderungen zu versagen ist, wenn dadurch die Eigenart des
Orts, oder Straßenbildes beeinträchtigt werden würde. Ferner kan«
durch Gemeindestatut vorgeschrieben werden, daß die baupolizeiliche
Genehmigung zur Ausführung baulicher Änderungen an einzelnes
Bauwerken von geschichtlicher oder künstlerischer Bedeutung und zur
Ausführung von Bauten und baulichen Änderungen in der Umgebung
solcher Bauwerke zu versagen ist, wenn ihre Eigenart oder der Eindruck,
den sie hervorrufen, durch die Bauausführung beeinträchtigt werde«
würde.
Wenn die Bauausführung nach dem Bauentwurfs dem Gepräge
der Umgebung der Baustelle im wesentlichen entsprechen würde und
die Kosten der trotzdem auf Grund des Gemeindestatnts geforderte«
Änderungen in keinem angemessenen Verhältnisse zu den dem Ban,
Herrn zur Last fallenden Kosten der Bauausführung stehen würden,
so ist von der Anwendung des Gemeindestatuts abzusehen.
8 z. Der Gemeindevorstand ist befugt, Reklamezeichen aller Art
sowie sonstige Aufschriften, Anschläge, Abbildungen, Bemalungen,
Schaukästen u. dgl. innerhalb des Gemeindebezirks zu verbieten, wen»
sie geeignet sind, Straßen, Plätze oder einzelne Bauwerke, das Ortsbild
oder das Landschaftsbild zu verunstalten.
Der Gemeindevorsiand kann ferner das dauernde Ablagern vo«
alten Gebrauchsgegensiänden und von Materialabfällen an Stellen,
an denen hierdurch das Straßen,, das Orts, oder das Landschaftsbild
gröblich verunstaltet werden würde, verbieten oder verfügen, daß die
Ablagerung durch eine geeignete Umfriedigung den Blicken der Offent,
lichkeit entzogen wird.
8 4- Durch Gemeindestatut können für die Bebauung bestimmter
Flächen, wie Landhausviertel, Badeorte, sowie für Bauten an einzelne
Straßen besondere über das sonst baupolizelltch zulässige Maß hinaus,
gehende Anforderungeu gestellt werden.
Nr. 14
Nr. 15
2Z2 Anhang
§ 5. Oer Beschlußfassung über das Gemeindestatut hat in den
Fällen der 88 2 und 4 eine Anhörung Sachverständiger vorauszugehen.
8 6. Sofern in dem auf Grund des 8 2 erlassenen Gemeindestatuts
keine andern Bestimmungen getroffen werden, sind vor Erteilung oder
Versagung der Genehmigung Sachverständige zu hören.
8 7. Das Ministerium des Innern im Herzogtum Oldenburg, die
Regierungen in den Fürstentümern Lübeck und Birkenfeld sind befugt,
1. zur Verhinderung der Verunstaltung landschaftlich hervor-
ragender Gegenden die Anbringung solcher Reklamezeichen aller Art,
sowie sonstiger Aufschriften, Anschläge, Abblldungen, Bemalungen,
Schaukästen u. dgl., die das Landschaftsbild verunzieren, außerhalb der
Städte und geschlossenen Orte zu verbieten, und zwar auch für einzelne
Gemeinden oder Teile derselben,
2. für landschaftlich hervorragende Bezirke vorzuschreiben, daß zur
Ausführung von Bauten und baulichen Änderungen außerhalb von
Städten und geschlossenen Orten eine Genehmigung einzuholen ist,
die versagt werden kann, wenn das Landschaftsbild gröblich verunstaltet
werden würde, und dies durch die Wahl eines andern Bauplatzes oder
eine andere Vaugestaltung oder die Verwendung andern Baumaterials
vermieden werden kann.
Vor Versagung der Genehmigung sind Sachverständige und der
Gemeindevorsiand zu hören. Die zur Ausführung dieser Vorschriften
erforderlichen nähern Bestimmungen werden im Herzogtum Oldenburg
vom Ministerium des Innern, in den Fürstentümern Lübeck und Birken-
feld von den Regierungen nach den für landespolizelliche Anordnungen
maßgebenden Vorschriften erlassen.
Denkmalschutzgesetz
vom 18. Mai 1911
I. Anwendungsbereich des Gesetzes
8 i. Den Schutz dieses Gesetzes genießen:
1. Baudenkmäler, d. h. Bauwerke, deren Erhaltung wegen ihrer
kunstgeschichtlichen oder sonst geschichtlichen Bedeutung im öffentlichen
Interesse liegt.
Dazu gehören auch die Denkmäler aus vor- und frühgeschichtlicher
Zeit (Hügelgräber, Steindenkmäler, Wurten, Burgwälle, Schanzen,
Landwehre usw.);
2. Naturdenkmäler, d. h. besonders charakteristische Gebilde der
heimatlichen Natur, wie Seen, Wasserläufe, Hügel, Felsen, Bäume
u. dgl., deren Erhaltung aus geschichtlichen oder naturgeschichtlichen
Rücksichten oder aus Rücksichten auf die landschaftliche Schönheit oder
Eigenart im öffentlichen Interesse liegt;
3. die Umgebung von Bau- und Naturdenkmälern;
4. in der Erde verborgene unbewegliche ober bewegliche Gegen-
stände von kulturgeschichtlicher oder sonst geschichtlicher Bedeutung;
V. Oldenburg 2ZZ
5. bewegliche Denkmäler, d. h. bewegliche Gegenstände (auch Ur-
kunden), deren Erhaltung wegen ihrer Bedeutung für die Geschichte,
insbesondere auch die Kunst-, Kultur- und Naturgeschichte des Groß-
herzogtums im öffentlichen Interesse liegt.
Voranssetzung des Denkmalschutzes zu 1 bis z und 5 ist, daß das
Denkmal oder seine Umgebung in eine Denkmalliste (85 s) eingetragen ist.
II. Ordnung des Denkmalschutzes
§ 2. Denkmalschutzbehörden
Denkmalschutzbehörden sind im Herzogtum das Ministerium des
Innern, in den Fürstentümern die Regierungen.
8 3. Denkmalpfleger, Vertrauensmänner
Für die drei Landesteile werden nach Bestimmung des Staats-
ministeriums Oenkmalpfleger bestellt.
Diese haben die Aufgabe, die Denkmalschutzbehörden (8 2) und die
sonstigen Behörden in Denkmalschutzfragen zu beraten und sie ins-
besondere auf die Gefährdung eines Denkmals oder auf sonst für den
Denkmalschutz wichtige Fragen aufmerksam zu machen. Ihnen liegt
ferner ob, durch persönliche Einwirkung Verunstaltungen von Denk-
mälern und ihrer Umgebung möglichst zu verhindern, und zwar auch
»ann, wenn sie nicht in die Denkmalliste eingetragen sind. Der Ver-
schleppung beweglicher, für die Kunst- oder Kulturgeschichte wichtiger
Gegenstände haben sie in gleicher Weise entgegenzuwirken und Be-
sitzern von Denkmälern usw. Rat zu erteilen.
Die Zuständigkeit der einzelnen Denkmalpfleger bestimmt das
Ministerium des Innern.
Zur Unterstützung der Denkmalpfleger können von der Denkmal-
schntzbehörde Vertrauensmänner ernannt werden.
8 4. Denkmalrat
Für jeden der drei Landesteile wird zur beratenden Mitwirkung
Kei der Ausübung des Denkmalschutzes ein Denkmalrat gebildet. Ein
vom Ministerium des Innern ernannter Staatsbeamter hat den Vorsitz,
im übrigen bestimmt das Ministerium des Innern die Zusammen-
setzung und Geschäftsordnung des Denkmalrats.
Die Mitglieder verwalten ihr Amt als Ehrenamt, erhalten jedoch
für Dienstreisen Tagegelder und Reisekosten nach den für die höher»
Zivilstaatsdiener geltenden Bestimmungen.
Die Denkmalschutzbehörden können in den ihnen geeignet er-
scheinenden Fällen das Gutachten des Denkmalrats einholen. Auf
Verlangen eines Beteiligten muß dies geschehen.
8 5. Oenkmallisten
Bei den Denkmalschutzbehörden werden Denkmallisien geführt.
In diese sind die in § 1 Ztff. 1, 2 und 5 genannten Denkmäler und
234 Anhang
deren Umgebung (8 i Ziff. z) einzutragen. Die Wen können von
jedermann eingesehen werden.
8 6. Die Eintragung in die Oenkmalliste wird von der Denkmal-
schutzbehörde verfügt.
Falls nicht Gefahr im Verzüge ist, hat die Denkmalschutzbehörde
vor der Eintragung ein Gutachten des Denkmalpflegers und des Denk-
malrats einzuziehen und dem zur Verfügung über das Denkmal oder
seine Umgebung Berechtigten Gelegenheit zur Äußerung zu geben.
Eine Mitteilung über die Eintragung ist dem Verfügungsberechtigte»
zuzustellen. Mit der Zustellung wird die Eintragung rechtswirksam.
8 7. Der Verfügungsberechtigte kann die Eintragung binnen zwei
Wochen nach Zustellung der Eintragungsmitteilung durch Klage bet
dem Oberverwaltungsgericht, in den Fürstentümern bei dem Ver-
waltungsgericht anfechten.
Die Klage hat keine ausschiebende Wirkung.
8 8. Die Löschung in der Denkmalliste erfolgt, wenn im verwaltungs-
gerichtlichen Verfahren die Eintragung rechtskräftig für unberechtigt
erklärt ist.
Die Denkmalschutzbehörden können ferner von Amts wegen oder
auf Antrag des Verfügungsberechtigten nach Anhörung des zuständige»
Denkmalpflegers und des Denkmalrats eine Eintragung löschen, wen»
die Verhältnisse, auf Grund deren die Eintragung vorgenommen ist,
sich geändert haben. Die Ablehnung eines Löschungsantrags kann nach
^ 7 angefochten werden.
III. Schutz der in d i e Denkmalliste eingetragene«
Denkmäler
8 9. Schutz der Baudenkmäler
Baudenknräler im Sinne des 8 1 dürfen ohne Genehmigung der
Denkmalschutzbehörde weder ganz oder teilweise beseitigt noch ver-
äußert, verändert, wiederhergestellt oder erheblich ausgebessert werde«.
8 10. Schutz der Umgebung eines Baudenkmals
Die Umgebung eines Baudenkmals im Sinne des 8 1 darf ohne
Genehmigung der Denkmalschutzbehörde weder durch bauliche Anlage«
noch sonst verändert werden.
8 ii. Schutz der Naturdenkmäler und ihrer Umgebung
Arbeiten an einem Naturdenkmal oder seiner gemäß 8 1 geschützte«
Umgebung dürfen ohne Genehmigung der Denkmalschutzbehörde nicht
ausgeführt werden.
8 12. Verhältnis zu Bebauungsplänen und Fluchtlinien
Die in 8 9 bis 11 vorgesehenen Genehmigungen sind auch dann eiu,
zuholen, wenn die beabsichtigten Arbeiten der Durchführung eines ge,
nehmigten Bebauungsplans oder einer Fluchtlinienfeststellnng diene».
V. Oldenburg 235
§ 13. Schutz beweglicher Denkmäler
Bewegliche Denkmäler, die den Schutz dieses Gesetzes genieße»
(8 1), dürfen ohne Genehmigung der Denkmalschutzbehörde weder ganz
oder zum Teil vernichtet, verändert, wiederhergestellt oder erheblich
ausgebessert noch veräußert oder aus dem Großherzogtum ausgeführt
werden.
Die Genehmigung zur Ausfuhr darf nicht versagt werden, wen»
das Denkmal durch Erbgang an einen außerhalb des Großherzogtums
Wohnenden gefallen ist, oder wenn es sich um ein Denkmal handelt,
das schon seit längerer Zeit sich im Besitz des Verfügungsberechtigte»
oder dessen Familie befindet und der Verfügungsberechtigte seine»
Wohnsitz im Großherzogtum aufgibt.
§ 14. Versagung der Genehmigung
Eine nach 8 9, 10, 11 und 13 Abs. 1 erforderliche Genehmigung
kann versagt, aber auch unter Bedingungen erteilt werden. Insbesondere
kann die Genehmigung an die Bedingung geknüpft werden, daß die
Ausführung der genehmigten Arbeiten nur nach einem von der Denk-
malschutzbehörde gebilligten Plan und unter Leitung eines von der
genannte» Behörde zugelassenen Beamten oder Sachverständige»
erfolgt.
8 15. Rechtsmittel
Wird die Genehmigung versagt oder nur unter Bedingungen er-
teilt, so kann die Verfügung binnen zwei Wochen nach ihrer Zustellung
durch Klage bei dem Oberverwaltungsgericht, in den Fürstentümern
bei dem Verwaltungsgericht, angefochten werden.
8 16. Verzögerung der Entscheidung
Auf einen nach 8 9 bis 11 und 13 gestellten Genehmigungsantrag
muß binnen sechs Wochen entweder endgültig verfügt oder Mitteilung
gemacht werden, binnen welcher Frist endgültig verfügt werden wird.
Diese Frist darf von der Denkmalschutzbehörde auf höchstens drei Monate
bestimmt werden.
Das Ministerium des Innern kann die Frist bis zur Dauer eines
Jahres verlängern, auch auf Antrag des Antragstellers abkürzen.
Werden die Fristen versäumt, so ist der Antragsteller in seiner Ver-
fügung unbeschränkt.
8 17. Entschädigung bei Versagung der Genehmigung
Wird eine nach 8 9 bis 11 und 13 beantragte Genehmigung gegen-
über einer Privatperson (natürlichen oder juristischen Person des Privat-
rechts) mit Ausnahme jedoch der Altertums-, Geschichts-, Heinrats-,
Kunst- und Museumsvereine durch rechtskräftige Entscheidung versagt
oder nur unter Bedingungen erteilt, so kann der Antragsteller binne»
sechs Wochen von der Rechtskraft der Entscheidung an beim Ministerium
des Innern, in den Fürstentümern bei der Regierung, Ersatz des ihm
2Z6 Anhang
durch Versagung der Genehmigung oder durch die auferlegten Be-
dingungen zugefügten Schadens aus der Staatskasse beantragen.
Der Eigentümer kann an Stelle des Schadenersatzes verlangen,
daß der Staat das Grundstück mit dem geschützten Baudenkmal oder
der geschützten Umgebung oder das bewegliche Denkmal gegen Er-
stattung des Wertes übernehme.
Die Feststellung der Entschädigung im Sinne der Absätze i und 2
erfolgt bei Grundstücken unter entsprechender Anwendung der Be-
stimmungen der Enteignungsgesetze, bei beweglichen Gegenständen
endgültig durch ein Schiedsgericht von drei Personen, von denen je
eine durch die Denkmalschutzbehörde und den Verfügungsberechtigten,
der Obmann durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts in Olden-
burg gewählt wird. Die Kosten des schiedsgerichtlichen Verfahrens
trägt der Staat.
8 18. Unterhaltung von Denkmälern
Gemeinden und sonstige Kommunalverbände, denen die Verfügung
über ein Denkmal zusteht, sind verpflichtet, für die ordnungsmäßige
und würdige Unterhaltung und Wiederherstellung Sorge zu tragen.
Wird diese Pflicht auf Aufforderung der Aufsichtsbehörde nicht er-
füllt, so kann diese die erforderlichen Arbeiten auf Kosten der Säumigen
ausführen lassen. Die Art der Ausführung der Arbeiten bedarf stets
der Genehmigung nach 8 9 bis 11 und 13 dieses Gesetzes.
8 19. Auf andere juristische Personen des öffentlichen Rechts findet
der in 8 18 mit der Maßgabe Anwendung, daß an die Stelle der Ge-
meindeaufsichtsbehörde die vorgesetzte Behörde tritt.
8 20. Ausstattung von Denkmälern mit beweglichen Gegenständen
Die Ausstattung von Baudenkmälern mit beweglichen Gegenständen
als Zubehör durch Gemeinden oder andere juristische Personen des
öffentlichen Rechts bedarf der Genehmigung der Denkmalschutzbehörde.
IV. Ausgrabungen und Funde
8 2i. Ausgrabungen
Wer eine Ausgrabung nach verborgenen unbeweglichen oder be-
weglichen Gegenständen von kulturgeschichtlicher oder sonst geschicht-
licher Bedeutung vorzunehmen beabsichtigt, hat hiervon der Denkmal-
schutzbehörde Anzeige zu erstatten und die von dieser Behörde ergehenden
Anordnungen hinsichtlich der Ausführung der Ausgrabung, der Ver-
wahrung und Sicherung sowie der Behandlung der etwa aufzufindenden
Gegenstände zu befolgen.
Das gleiche gilt, wenn zwar nicht die Auffindung von Gegenständen
der in Abs. 1 bezeichneten Art bezweckt ist, aber bekannt oder anzu-
nehmen ist, daß bei Gelegenheit von Erdarbeiten wahrscheinlich solche
Gegenstände entdeckt werden.
Die beabsichtigte Ausgrabung oder Erdarbeit darf nicht vor Ablauf
V. Oldenburg 237
von zwei Wochen nach Erstattung der Anzeige beginnen, sofern nicht
vorher die Genehmigung dazu erteilt wird.
8 22. Funde
Werden in einem Grundstück verborgene unbewegliche oder be-
wegliche Gegenstände von kulturgeschichtlicher oder sonst geschichtlicher
Bedeutung bei Ausgrabungen oder sonst gefunden, so hat der Eigen-
tümer des Grundstücks oder der sonst Verfügungsberechtigte von dem
Fund spätens am folgenden Tage dem Gemeindevorsiand (Schöffen)
oder dem Amt (im Fürstentum Lübeck der Regierung, im Fürstentum
Birkenfeld der Bürgermeisterei) Anzeige zu erstatten und die Anord-
nungen zu befolgen, die zur Sicherung und Erhaltung des Fundes
ergehen. +
Die gleiche Verpflichtung liegt dem Leiter der Arbeiten, bei denen
der Fund gemacht ist, ob. Zur Erfüllung der Anzeigepflicht genügt
die Erstattung der Anzeige durch einen Anzeigepflichtigen.
Handelt es sich um gelegentliche Funde, für die behördliche An-
ordnungen gemäß 8 21 Abs. i noch nicht ergangen sind, so dürfen die
begonnenen Arbeiten vor Ablauf von drei Tagen nach Erstattung der
Anzeige nur fortgesetzt werden, wenn ihre Fortsetzung die bereits ge-
fundenen Gegenstände oder noch zu erwartende Funde nicht gefährdet
oder sofern die Unterbrechung der Arbeiten ohne unverhältnismäßigen
Nachteil unmöglich ist.
8 23» Schadenersatz
Der Staat ist zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der einem Be-
teiligten durch die Befolgung der gemäß 8 21 und 22 getroffenen An-
ordnungen erwächst.
Die Feststellung der Entschädigung erfolgt unter entsprechender
Anwendung der Bestimmung der Enteignungsgesetze.
V. Enteignungsrecht
8 24. Dem Ministerium des Innern, in den Fürstentümern den
Regierungen, steht das Recht zu, Grundeigentum nach den Bestim-
mungen der Enteignungsgesetze zu beschränken, sofern es erforderlich ist,
1. zum Zwecke der Erhaltung eines Denkmals, dessen Unterhaltung
oder Sicherung in einer seinen Bestand oder wesentliche Teile ge-
fährdenden Weise vernachlässigt wird;
2. zum Zwecke einer durch künstlerische oder geschichtliche Rücksichten
gebotenen Umgestaltung der Umgebung des Denkmals;
3. zum Zwecke der Ausführung von Ausgrabungen nach unbeweg-
lichen oder beweglichen, vermutlich in einem Grundstück verborgenen
Gegenständen von kulturgeschichtlicher oder sonst geschichtlicher Be-
deutung, wenn der Verfügungsberechtigte eine sachgemäße Ausgrabung
weder vorzunehmen noch zuzulassen gewillt ist.
Der Eigentümer kann verlangen, daß an die Stelle der Beschränkung
die Entziehung des Eigentums tritt.
2Z8 Anhang
VI. Besichtigung vonDenkmälern nndFundstätten
8 25. Denjenigen Personen, die staatlich beauftragt sind, den Zu-
stand eines Denkmals oder seiner Umgebung festzustellen oder bei der
Feststellung, ob ein schutzwürdiges Denkmal in Frage kommt, mitzu-
wirken oder nach verborgenen Gegenständen von kulturgeschichtlicher
oder sonst geschichtlicher Bedeutung zu forschen, steht der Zutritt und
die Besichtigung frei. Ihnen ist jede erforderliche Auskunft wahrheits-
gemäß zu erteilen.
Wird dem Verfügungsberechtigten durch eine der hiernach zuzu-
lassenden Maßnahmen ein Schaden zugefügt, so ist der Staat zum
Ersatz des Schadens verpflichtet.
4
VII. Strafbestimmungen
§ 26. Wer den Vorschriften der 88 y bis 11, 13, 20, 21, 22 und 25
zuwiderhandelt, wird mit Geldstrafe bis zu 300 M und wenn die Zu-
widerhandlung vorsätzlich geschieht, mit Geldstrafe bis zu 1000 M oder
mit Haft bestraft. Kann die Geldstrafe nicht beigetrieben werden, so
tritt an ihre Stelle eine entsprechende Haftstrafe.
VIII. Kosten
8 27. Gebühren werden für die in diesem Gesetz vorgeschriebenen
Genehmigungen nicht erhoben. Erstattung barer Auslagen kann nur
dann beansprucht werden, wenn auf besondern Antrag des für ein
Denkmal Verfügungsberechtigten Gutachten eines Denkmalpflegers
oder des Denkmalrats eingeholt sind.
IX. Denkmäler des Staates
8 28. Auf Denkmäler und deren Umgebung sowie Funde und
Fundstätten, hinsichtlich deren der Staat verfügungsberechtigt ist, findet
dies Gesetz keine Anwendung.
X. Schlußbestimmung
8 29. Der Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes in den drei
Landesteilen wird durch Verordnung bestimmt.
VI.
Baden
Nr. 16 Polizeisirafgesetzbuch
8 130 nach dem Gesetz vom 25. Juli 1914:
An Geld bis zu 150 M oder mit Haft wird bestraft, wer bezirks- oder
ortspolizeilichen Vorschriften zuwiderhandelt, durch welche das Anbringen
oder Aufstellen von Aufschriften, Abbildungen, Reklameschlldern oder
andern Gegenständen verboten oder von besonderer Genehmigung
abhängig gemacht wird, um Orts- oder Landschaftsbilder vor Verunstal-
Vll. Württemberg 239
mng und Natur, oder Baudenkmäler vor Beeinträchtigung zu schützen.
Oer gleichen Strafe unterliegt, wer der auf Grund dieser bezirks- oder
»rtspolizeilichen Vorschriften ergangenen Aufforderung, angebrachte
»der aufgestellte Gegenstände der genannten Art zu beseitigen, nicht
nachkommt. Bevor die bezirks- oder ortspolizeilichen Vorschriften er-
lassen werden, ist der Handelskammer Gelegenheit zur Äußerung zu
geben.
§ 143 Ziff. Z nach dem Gesetz vom 22. Juli 1912:
An Geldstrafe bis zu sechzig Mark oder mit Haft bis zu vierzehn
Lagen wird bestraft,
3. wer den Verordnungen, bezirks- oder ortspolizeilichen Vor-
schriften zum Schutze bestimmter heimischer Pflanzen- und Tier-
arten zuwiderhandelt.
VII.
Württemberg
Gesetz, betreffend den vorläufigen Schutz von Denkmalen Rr.
im Eigentum bürgerlicher und kirchlicher Gemeinden sowie
öffentlicher Stiftungen,
vom 14. März 1914
Art. 1. Die beweglichen Denkmale im Eigentum bürgerlicher oder
kirchlicher Gemeinden sowie öffentlicher Stiftungen dürfen nur mit
Genehmigung der Aufsichtsbehörde beseitigt werden.
Zur Gültigkeit eines Veräußerungs- oder Verpfändungsbeschlusses
ist die Genehmigung der Aufsichtsbehörde erforderlich.
Denkmale im Sinne der vorstehenden Bestimmungen sind solche
Gegenstände der Kunst oder des Altertums, deren Erhaltung vermöge
ihres künstlerischen oder wissenschaftlichen Wertes oder vermöge der
ßch an sie knüpfenden Erinnerungen im öffentlichen Interesse gelegen
ist. Eingeschlossen sind insbesondere auch vorgeschichtliche Gegenstände,
alte Münzen und Bücher sowie Urkunden und ältere, geschichtlich wert-
volle Akten.
Art. 2. Das Nähere über das Verfahren bei Genehmigungen im
Sinne von Art. 1 Abs. 1 und 2 sowie über den Beschwerdeweg gegen-
über von Entschließungen der Auffichtsbehörde wird durch Verordnung
bestimmt.
Art. 3. Dieses Gesetz tritt mit dem Tage seiner Verkündigung in
Kraft. Seine Wirksamkeit erlischt mit dem 1. Juli 1915.
Entwurf eines Gesetzes, betreffend den Denkmalschutz, Rr.
vom ii. März 1914
Art. 1. Denkmale im Sinne des vorliegenden Gesetzes sind solche
Gegenstände der Kunst oder des Altertums, deren Erhaltung vermöge
24o Anhang
ihres künstlerischen oder wissenschaftlichen Wertes oder vermöge der sich
an sie knüpfenden Erinnerungen im öffentlichen Interesse gelegen ist.
Eingeschlossen find insbesondere auch vorgeschichtliche Gegenstände, alte
Münzen und Bücher sowie Urkunden und ältere, geschichtlich wertvolle
Akten.
Art. 2. Die beweglichen Denkmale im Eigentum bürgerlicher oder
kirchlicher Gemeinden sowie öffentlicher Stiftungen dürfen nur mit
vorgängiger Genehmigung der Aufsichtsbehörde (Art. g) beseitigt, aus-
gebessert oder sonst verändert werden.
Zur Gültigkeit eines Veräußerungs- oder Verpfänduugsbeschluffes
ist die Genehmigung der Aufsichtsbehörde erforderlich.
Die in Abs. i genannten Denkmale mit Ausnahme der Urkunden
und geschichtlich wertvollen Akten werden auf Anordnung der Auf-
sichtsbehörde in ein Denkmalverzeichnis eingetragen, bei dessen Auf-
stellung die Vertreter der Gemeinden und Stiftungen mitzuwirken haben.
Art. Z. Aufsichtsbehörde in den Fällen des Art. 2 ist bei den großen
und mittlern Städten die Kreisregierung, bei den übrigen bürgerlichen
Gemeinden das Oberamt, bei den kirchlichen Gemeinden und Stif-
tungen die Oberkirchenbehörde des beteiligten Bekenntnisses, bei sonstigen
öffentlichen Stiftungen die zur Aufsicht über ihre Verwaltung berufene
staatliche Behörde.
Die genannten Behörden haben ihre Entschließungen im Einver-
nehmen mit dem Landesamt für Denkmalpflege zu treffen und für
den Fall, daß mit diesem über die erforderliche Entscheidung keine
Einigung erzielt werden kann, ihre Anträge dem Ministerium des
Kirchen- und Schulwesens vorzulegen, das nach Rücksprache mit dem
Ministerium des Innern entscheidet.
Art. 4. Grabungen nach beweglichen oder unbeweglichen Denkmalen
bedürfen der Genehmigung der zuständigen Behörde (Art. 9). Wenn
die Entscheidung dieser Behörde nicht innerhalb einer vierwöchigen
Frist abgegeben wird, kann die beabsichtigte Grabung ohne weiteres
stattfinden. Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Genehmigungs-
gesuch bei der Behörde eingelaufen ist.
Wenn auf Grundstücken, in denen bewegliche oder unbewegliche
Denkmale zu vermuten sind, zu einem andern als dem in Abs. 1 ge-
nannten Zweck Grabungen stattfinden oder stattfinden sollen, so ist die
zuständige Behörde berechtigt, für die Ausführung der Arbeiten wie
für die vorläufige Behandlung und Sicherung der aufgefundenen
Denkmale besondere Bestimmungen zu treffen und nötigenfalls die
Grabungen zu untersagen. Eine Anzeigepflicht für solche Grabungen
besteht nicht.
Soweit dem Unternehmer, dem Eigentümer, einem Dritten, dem
ein Recht an dem Grundstück zusteht, dem Pächter oder Mieter durch
eine Anordnung im Sinn von Abs. 2 ein wesentlicher Schaden ent-
stünde, ist von einer Verfügung abzusehen.
vil. Württemberg 241
Die Unternehmer oder Berechtigten (Abs. z) haben bei der Aus-
führung der Arbeiten wie bei der vorläufigen Behandlung und Sicherung
der aufgefundenen Denkmale den Verfügungen der zuständigen Be-
hörde nachzukommen. Entsteht ihnen dadurch oder durch eine Unter-
sagung im Sinne von Abs. 2 ein wesentlicher Schaden, so ist der Staat
zu dessen Ersatz verpflichtet. Der Entschädigungsanspruch kann im Weg
der gerichtlichen Klage verfolgt werden.
Art. 5. Werden bei Erdarbeiter», für welche Anordnungen der zu-
ständigen Behörde nach Art. 4 nicht ergangen sind, bewegliche oder
unbewegliche Denkmale gefunden, so ist dies spätestens am nächst-
folgenden Werktag der Ortspolizeibehörde mündlich oder schriftlich
anzuzeigen. Die Anzeigepflicht liegt dem Unternehmer und dem Leiter
der Arbeiten ob; der Anzeigepflicht ist genügt, wenn einer von beiden
die Anzeige erstattet.
Die letztgenannten Personen haben ohne Verzug dafür zu sorgen,
daß die Arbeiten an der Fundstelle nicht fortgesetzt werden, es sei denn,
daß die Unterbrechung der Arbeiten mit einer wesentlichen Schädigung
für den Unternehmer oder einen Berechtigten (Art. 4 Abs. 3) verbunden
wäre. Ebenso sind sie zusamt den Berechtigten dafür verantwortlich,
daß die gefundenen Gegenstände vorläufig unverändert erhalten und
sicher verwahrt werden, soweit dies nicht durch die zu Recht erfolgende
Fortsetzung der Arbeiten unmöglich gemacht wird.
Die Verpflichtung zur Einstellung der Arbeiten erlischt, wenn die
zuständige Behörde deren Fortsetzung nicht schon früher gestattet hat,
mit dem Ablauf des vierten Tages nach dem Tag, an dem der Orts-
polizeibehörde die vorgeschriebene Anzeige erstattet wurde. Auf die
Fortführung der Arbeiten sowie auf deren Untersagung finden die
Vorschriften in Art. 4 Abs. 2 bis 4 entsprechende Anwendung.
Art. 6. Wird abgesehen von den Fällen der Art. 4 und 5 ein be-
wegliches Denkmal entdeckt, das so lange verborgen gelegen hat, daß
der Eigentümer nicht mehr zu ermitteln ist, so hat der Entdecker un-
verzüglich der Ortspolizeibehörde Anzeige zu erstatten. Die gleiche
Verpflichtung trifft den Eigentümern der Sache, in welcher der gefundene
Gegenstand verborgen war. Der Anzeigepflicht ist genügt, wenn einer
der Anzeigepflichtigen die Anzeige erstattet.
Art. 7. Die Ortspolizeibehörde hat die ihr nach Art. 5 und 6 zu-
gehenden Anzeigen unverzüglich an die zuständige Behörde weiterzugeben.
Art. 8. Bewegliche Denkmale, die so lange verborgen gelegen haben,
daß der Eigentümer nicht mehr zu ermitteln ist, sind in den Fällen der
Art. 4 bis 6 auf Anordnung des Ministeriums des Kirchen- und Schul-
wesens gegen die in der Anordnung festzusetzende Entschädigung dem
Staat als Eigentum zu überlassen. Eine solche Anordnung ist aus-
geschlossen, wenn die Überlassung von der zuständigen Behörde nicht
binnen vier Wochen nach dem Empfang der Fundanzeige gegenüber
dem Anzeigenden schriftlich verlangt worden ist.
16
Kneer, Denkmalpflege
242 Anhang
Ein Pfandrecht oder ein Nießbrauch an dem Denkmal erlischt mit
dem Eigentumserwcrb des Staates; dem Pfandgläubiger oder Nieß-
braucher steht das Pfandrecht oder der Nießbrauch an dem Entschädi-
gungsanspruch des Eigentümers zu.
Auf die Vollstreckung der Anordnung finden die Art. io bis 13 des
Gesetzes vom 18. August 1879 über die Zwangsvollstreckung wegen
öffentlichrechtlicher Ansprüche (Reg.-Bl. 202) Anwendung.
Binnen vier Wochen nach Eintritt der Rechtskraft der Anordnung
ist die gerichtliche Klage auf Feststellung der Entschädigungssumme
zulässig. Die Bestimmungen in Art. 10 Abs. 2 Satz 2 und 3 des vor-
liegenden Gesetzes finden entsprechende Anwendung.
AufVerlangen der zuständigen Behörde oder der Ortspolizeibehörde
sind die in Abs. i bezeichneten Gegenstände an diese Behörden zu vorläu-
figer Verwahrung abzuliefern; die Gegenstände find zurückzugeben, sobald
eine Anordnung im Sinne des Abs. 1 nicht mehr in Betracht kommt.
Art. 9. Im Wege der Verordnung wird bestimmt, welche Behörde
als zuständige Behörde im Sinne der Art. 4, 5, 7 und 8 zu gelten hat.
Art. 10. Die Beschwerde gegen die Entschließungen der in Art. 3
genannten Aufsichtsbehörden sowie der auf Grund von Art. 9 be-
stimmten Behörden geht an das Ministerium des Kirchen- und Schul-
wesens, das in den Fällen der Art. 2, Art. 4 Abs. 2 bis 4 und Art. 5
nach Rücksprache mit dem Ministerium des Innern entscheidet. In den
Fällen des Art. 2 und des Art. 4 Abs. 1 sind die Entscheidungen des
Ministeriums des Kirchen- und Schulwesens endgültig.
Die Beschwerden sind bei Verlust des Beschwerderechts binnen
zwei Wochen nach Eröffnung der angefochtenen Entschließung bei der
Behörde, die sie getroffen oder eröffnet hat, oder bei dem Ministerium
des Kirchen- und Schulwesens anzubringen. Ist die Entschließung dem
Beschwerdeführer nicht förmlich eröffnet worden, so läuft die Frist von
dem Tag ab, an dem der Beschwerdeführer nachgewiesenermaßen
Kenntnis von ihr erhalten hat. Für die Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand gilt Art. 197 Abs. 4 der Gemeindeordnung vom 28. Juli 1906
(Reg.-Bl. 323).
Art. ii. Wer den Vorschriften der Art. 4 Abs. i, Act. 5 oder 6
oder den nach Art. 4 oder 5 von der zuständigen Behörde getroffenen
Anordnungen zuwiderhandelt, wird mit Geldstrafe bis zu 1000 M
oder mit Haft bestraft. Ist die Geldstrafe nicht einzubringen, so ist sie
nach den Vorschriften des Strafgesetzbuchs in Freiheitsstrafe umzu-
wandeln.
Bei vorsätzlicher Zuwiderhandlung gegen die Vorschriften des Art. 4
Ms. i ist im Urteil auf Einziehung der gefundenen beweglichen Denk-
male zu erkennen, sofern sie im Eigentum oder Miteigentum des Täters
oder eines Tellnehmers stehen. Steht einem Dritten, dem vorsätzliche
Beteiligung an der Zuwiderhandlung nicht nachgewiesen ist, ein Recht
an den eingezogenen Gegenständen zu, so ist er aus der Staatskasse
VII. Württemberg 243
zu entschädigen; der Entschädigungsanspruch kann im Wege der geeicht,
lichen Klage verfolgt werden.
Dieselben Bestimmungen (Abs. 1 und 2) greifen Platz, wenn den
Vorschriften des Art. 8 zuwider ein gefundener Gegenstand dem Staat
vorsätzlich entzogen wird. Der Versuch ist strafbar.
Vorstehende Strafbestimmungen finden auf Handlungen, die von
Vertretern bürgerlicher oder kirchlicher Gemeinden sowie öffentlicher
Stiftungen in dieser ihrer Eigenschaft vorgenommenen werden, keine
Anwendung.
Art. 12. Dieses Gesetz tritt mit dem..............in Kraft.
Vom gleichen Zeitpunkt an ist Art. 117 der Gemeindeordnung
sowie das Gesetz vom.............1914, betreffend den vorläufigen
Schutz von Denkmalen im Eigentum bürgerlicher oder kirchlicher Ge-
meinden sowie öffentlichen Stiftungen, aufgehoben.
Sachregister
Aachen 25 41 64
Ablieferung 168 f
Ägypten 32
Altstadt 49 164
Amerika 21 198
Anhalt 131 180
Ansichtskarten 90 104
Architektenverbände 83
Arnsberg 84
Arnsburg 19
Arolsen 84
Astern 192
Augsburg 79
Ausgrabung 32 159 167 s 211 f
223 f 236 f
Bacharach 93
Baden 23 36 69 91 ico 130 179 f
238 s
Badische Heimat 91
Bamberg 79
Bannland 184
Barmen 94
Basel 73 82
Baudenkmal 158 2c? f n. ö.
Bauordnungen 173 f
Bayern 23 s 51 67 s icof 128 s
142 s 17c 175 s 194 s 228 f
Bayerischer Verein für Volkskunst
und Volkskunde 9c
Bayerischer Architekten- und In-
aenieurverein 9c
Beeinträchtigung 162
Behr 192
Belgien 46
Belle-Alliance 46
Benediktbeuren 18
Bergisches Land 23 83 93 101
Berlin 62 63 75 83 89 96 ioi 160
Bern 33
Bessrkskonservator 62
Biber 192
v. Biegeleben 160
Birkenfeld 96 171
Blankenheim 185
Bocholt 83
Bock 189 f
v. Bode 82
Bodenaltertümer 38 167 s u.
Bodensee 97
Boisseree 23 67
Bonn 27 63 7? 95
Bo p yard 96
Bornhofen 20
Brandenburg 62 64 75 83 ioi
Braunschweig 79 83 ioi 131 178
Bredt 47 94 u. ö.
Bremen 84 131 177
Breslau 84
Brunnen 29 35
Burg a. d. Wupper 28
Burgemeister 62
Burgen 94 u. ö.
Calau ici
Cassel 62 64 76
Classement 31 f 159
Clemen 64 92 f 171
Coblenj 27 84 93
Conwentz 191 f
Cötheu 192
Cottbus 101
Dahlem 194
Dänemark 33
Danzig 79 83 101 104 150
Darmstadt 75 84
Dehio 80 f 106
v. Dehm,Rolfelser 61
Dethleffen 62
Denkmal (Begriff) 35 f
Denkmalarchive 63 71 72 74
Denkmalliste 159 234
Denkmalpflege 22 39 ir. ö.
Oenkmalpflegeknrse 68 f 144
Denkmalrat 69 f 213 233
Denkmalschutzgesetzgebung 53
Dennett 200
Detmold 84
Deutz 20 152
Diözesanmuseen 75 108 114
Dithmarschen 83
Ooering 9
Oomschatzkammern 107
Dortmund 46 85
Dresden 71 75 79 80 84 85
Düsseldorf 79 84 101 104
Sachregister 245
i Erfurt 79 83
j Erhaltung 40 s 125 s
Ernst August, Großherzog von
! Hessen 157
! Erzgebirge 101
i Essen 114
Evangelische Kirche 150 f
Fischer 91
Flamm 91
Frankenland 100
Frankfurt a. M. 23 83 101 f
Frankreich 31 f 74 176
Franz Ferdinand von Österreich 34
Frauenbad 152
Frauen wörth 113
Freiburg i. B. 79 91
Freilegungen 28 117
Freising 19
Friedberg 71
Friedrich Wilhelm III. von Preu-
ßen 26
Friedrich Wilhelm IV. von Preußen
27 57 f
Fuchs 88
Funde 159 211f
Fürstenau 83
153 ff
143
87 91
Eberbach 20
kckattsberga roi
Egerland 102
Ehrenbreitstein 20
Eibingen 20
Eichstätt 102
Eifel 21 45 94 124 186 201
Eifelverein 94 201
Eigenart 47 163 f
Eigner 195
Einigung 184
Eisenach 83
Elberfeld 28
Elsaß-Lothringen 32 72 92 101 176
England 32
Enteignung 159 183 f 212 s 237
Entschädigung 181 f 208 f
Gegend 46 161 f
Gelegenheitsfunde 168 f
Gemeindeordnungen 175 f
Gemeingut 187
Gemeinsame Tagung für Denkmal-
pflege und Heimatschutz 87
Generalkonservator, Generalkon-
servatorium 67 129
Geschichts- und Altertumsvereine
78 83
Glasmalereien n6 126
Glocken 115 f
Go ecke 62 89
Görres 23
Gotha 83 101 178
Grabmäler 116
Gradmann 51 69 90 u. ö.
246 Sachregister
Greifswald 101
Griechenland 33
Gröbliche Verunstaltung 162
Gurlitt 78 f
Hager 67 f 96 f 99
tzalberstadt 79 128
Halle 101
Hamburg 84 131 178 f
Hameln 84
Handbuch der deutschen Kunstdenk-
mäler 80
Hannover 62 64 84 92 99 120 f
Harz 192
Haupt 52
Heide 8z
Heidelberg 41 84 ioi
Heimann 62
Heimatgärten 200
Heimatschutz 9 43 f u. ö.
Heimatschutz (Bund) 82 f
tzeimatschutzvereine 83 f
Heisierbach 20
v. Helfen 34
Helgoland 192
Hessen 24 70 75 84 ioi 130 f 156 f
170 180 f 184 195 f 205 f
Hessen-Nassau 62
Hiecke 62
Hildesheim 84 122 184
Hochmoore 195
Hohenzollern 62 64 85 90 101
tzoßfeldt 85
Holtmeyer 62
Homann 104
Hugo, Viktor 31
v. Humboldt 191
Indien 32
Industrialismus 28 f 190 f u. ö.
Inventarisation 63 f 76 f 193
Johann von Sachsen 78
Italien 33 izz
Jüdische Religionsgemeinschaften
152
Kaemmerer 62
Kalender 100 f
Katschthaler 139
Kaufbeuren 84 102
Kiel 84 ioi
Kirche 105 f 132 f u. ö.
Kirchliche Denkmäler 9 17 f 105 \
Kirchenstaat 135
Klöster, Klosterkirchen 109 f
Koch 86 f
Köln 25 62 64 84 88 92 96 143
152
Königsberg 62 84
Konservator 57 f u. ö.
Kovstantinopel 132
Korum 138
Kraus 72 72
Krieg 42 f
Kriegerdenkmäler 35
Kronberg 115
Kyllburg in
Landeskonservator 62 69
Landschafts pst ege 51
Laufenburg 88
Laur 62
Lausitz 192
Leipzig 102
Lemcke 62
Lhotzky 200
Liebenwecda 102
Limburg 20
Lindner 89
Linz (Rhein) 20
Linz (Hst.) 142
Lippe 84
Lippe-Detmold 84 131
Lörsch 77 s
Ludorff 62
Ludwig I. von Bayers 23
Ludwig, Großherzog von Hesse« 24
Lübeck 79 84 131 176
Lüneburg 192
Luthmer 62
Lutsch 60
Lyon 132
Machern in
Magdeburg 84
Mainz 48 71 79
Mannheim 79 86 147
Marienthal 20
Mayen 93
Mecklenburg 84 131 180
Meiningen 84 88 f 104
Merseburg 84 89
Meßbildverfahren, Meßbildanstalt 75
Meydenbaur 75
Mielke 85
Minden 84
v. Möller 176
Montabaur 20
Montalembert 31
Monumenta artis Germaniae 82
Mosel 93
München 67 83 90 96 144
Münster-Schwarzach 19
Münster i. W. 183
Museen 94 f
Museums kurse 96 f
Nassau 20 23 102
Naturdenkmäler, Naturdenkmal-
pflege 39 48 f 85 199 f 214 f 222 f
Naturpflege, Naturschutz 51 f 194 f
Naturschutzpark 198 f
Nideggen 185
Niederlegung 165
Niederrhein 64 84 93 102
Niedersachsen 84 92 99 ioi
Niederzwehren 77
Nordamerika 198
Nordgau 102
Notgottes 20
Nürnberg 102
Ober-Barnim 100
Oberpfalz 102
v. Oechelhäuser 78 f 137
Österreich-Ungarn 33 f 87
Oldenburg 71 170 171 f 178 184
2ZI f
247
Oppenheim 71
Ortschaft 161 f
Orts-, Straßen- und Flurnamen 38
Ortssiatut 163 f 220
Ostpreußen 62 64 84 192
Pacca 135
Paderborn 108 143
\ Paris 26
; Paul II. 133
! Persius 61
| Pflege 52 u. ö.
Pfleger 66 73 u. ö.
! Pforzheim 84
Photographie 104
! Pius VII. 135
, Pius IX. 133
: Pius X. 135
| Polizei 166 f 186
Pommern 62 64 84
Portugal 33
! Posen 62 64
i Potsdam 102
Preußen 25 f 37 38 57 f 88 117 s
145 152 153 161 f 180 f 191s
Pcivatbesitz 153 f
Provinzialkommissioneu 61 f
Provinzialkonservator 61 f
Purismus 112
v. Quast 58 f
Quedenfeldt 104 196
Raubgräberei 169
Ravengiersburg 110
Ravensberg 84
Rehorst 88
Reichensperger 41 107
j Reichsrecht 155 f
I Renard 62
i Restaurieren 40 u. ö.
Reuß ä. L. 71 84 131
j Reuß j. L. 71 180
! Rheinischer Verein für Denkmal-
pflege u. Heimatschutz 45 92 f 183
Sachregister
Sachregister
248
Rheinland 10 25 26 27 45 62 63
64 75 8z 92 f 106 121 169 183
185 192 201
Riesengebirge 192
Rommersdorf 20
Rossitten 192
Rothenburg 84
Rottenburg 142
Rüdersdorf 192
Rudorff 4z 85
Rügen 192
Rumänien zz
Rußland 21
Saaleck 88
Saar 102
Saarbrücken 192
Sachsen 62 64 71 75 78 84 91 101
102/ 177 229 f
SachsenMtenburg 71 131
Sachsen-Koburg,Gotha 71 131 178
Sachsen-Meiningen 71 102 131
Sachsen-Weimar 71
Sadlowo 192
Säkularisation 17 f 109
Salzburg 34 53 79 87 139 171 199
Sammlungen 94 f
Sarasin 201
Sauer 131s
Sauerland 84
Sayn 20
Seelsorge 136 f
Schaumburg-Lippe 131 178
Schematische Darstellung 55
Schimsheim 46
Schinkel 23 f 26
Schlesien 62 64 84 102
Schleswig-Holstein 62 64 83 84 102
Schmalkalden 102
Schmid 62
Schreiner 169
Schuchardt 170
Schule 187
Schulte 198
Schnitze 81
Schultze-Naumburg 88 98
Schulz 52
Schwaben 84 100 102
Schwarzburg-Rudolstadt 71 izi 178
Schwarzburg-Sondershausen izi
Schweden zz
Schweiz zz 7z 184
Segeberg 192
Siebengebirge 18z
Siebern 62
Siegen 84
Siegerland 84
j Solms 19
Späth 142
' Spessart 195
i Speyer 96 195
Spremberg 101
Staat 56 f 117 s u. ö.
Stadttore, Stadtbefestignngen usw.
27 f 48 93
Stiftung für Heimatschutz 89
Stileinheit, Stilreinheit 112
! Störungsmaxime 181
Strafgesetzbuch 156
I Straßburg i. E. 72 7? i?4
! Stuttgart 84 85 90 197 f
j Tag für Denkmalpflege 77 f 147
| Tages presse 100
Taragona 134
Tauern 199
; Tegernsee 18
| St. Thomas ui
! Thoramänte! und -vorhänge 152
! Thüringen 71 ioz
Trient 134
j Trier 10 28 29 39 4* 45 6z 79 84
95 99 s 107 109 115 138 139 s
143 165 169 220
Trierer Gesellschaft für nützliche
i Forschungen 9 99 f
! Tübingen 88
! Tuche! 192
! Türkei zz
j Turm 115
Sachregister
249
Umgebung 48 158 172 196
Ungarn 33
Unveräußerlichkeit des Kirchenver-
m-gens 132 s
Baudalismus 53
Veränderung, Veräußerung 122
Vereinigung zur Erhaltung deut-
scher Burgen 94
Verunstaltung 162
Verunsialtungsgesetze 54 161 f 177 f
218 f 229 f u. ö.
Verwaltung 186 u. ö.
Virneburg 93
Visitation 134
Vogelschutz 197 s
Werkbund 51
Wessobrunn 19
Westfalen 62 64 85 102
Westpreußen 62 64 191 192
Wetzlar 75
Wien 198
Wiesbaden 44 62 64 124
Wingenroth 91
v. WUmoski 79
Wissemann 131 f 151
Wohnhäuser 29 165
Wolff 72 74 f 92
Worms 71
Württemberg 37 38 69 8? 90 130
147 170 172 f 184 197 239 f
Würzburg 19 103
Wagener 9 189 f
Waldeck 84 131
Waterloo 46
Weber 142
Weichsel 192
Weißenfels 103
Weltnatnrschutz 201
Xanten 185
Aellowstonepark 198
Zeitliche Begrenzung 38
i Zeltingen in
I Zons 185
9225
Natur und Heimat
Eine praktische Einführung in die Natur- und
Heimatpflege
Von Dr. Clemens WaKen er. 8" (184) Gebunden Mark 1.20
Inhalt: l. Einleitung. II. Heimatliche Natur, lll. Heimatliche Wshnplâtze. IV. Hei-
matliche Feste, Sitten und Gebräuche. V. Die Toten und das Grab. VI. Besondere
Mittel und Organisation zum Zwecke der Natur- und tzeimatpfiege.
„Die mit warmer Liebe und tiefgründiger Sachkenntnis Nature
und Menschenwerk gleichmäßig berücksichtigende Abhandlung verdient
nicht nur einen Ehrenplatz in der Bücherei einer jeden Lehrperson,
sondern überhaupt eines jeden, der Freude und Interesse an seiner
schönen deutschen Heimat besitzt und fördern möchte. Das Werk darf
als eine der besten zusammenfassenden Darstellungen all der Fragen,
die der Heimatschutz umfaßt, bezeichnet werden."
„Schlesische Volkszeitung", Breslau.
Friedhofsanlage und Friedhofskunst
Von Professor Dr. Ludwig Baur, Tübingen
kl. 8« (76) Gebunden 80 Pf.
Das Buch faßt in guter Form zusammen, was über Fciedhofs-
anlage und Friedhofskunst zu sagen ist. Verfasser zeigt zunächst die
Fehler auf, die sich durch die geradlinige Nüchternheit der Anlage,
durch ungeeignete Umzäumung, durch hohle Prunksucht und toten
Formalismus des Grabschmuckes kundtun, und spricht dabei gleich der
schönen Vätersitte das Wort, beim Dorffriedhof wieder auf eine
enge räumliche Verbindung zwischen Kirche und Kirchhof hinzuwirken.
Darauf bewertet er den nach Park- und Waldfriedhof zu scheidenden
landschaftlichen Friedhof, um zur Besprechung der Einfriediguna und
des Eingangstors überzugehen. Auch wird das alte, schöne Fried-
hofskreuz wieder zu Ehren gebracht und bezüglich der Bauten die oft
mißachtete Forderung gestellt, sie ihrer Form nach harmonisch dem
Ganzen einzugliedern. Unter Ablehnung der zu großen Vielgestalt
unseres modernen Grabfchmuckes verlangt Verfasser mehr das Zurück-
greifen auf typische Formen, ohne doch der Ausgestaltung im einzelnen
Abbruch tun zu wollen. Ist es einerseits als richtig hinzunehmen,
dem Grabschmuck des christlichen Kirchhofes möglichst' christliche Leit-
gedanken zu unterlegen, so erfreut es anderseits, daß der Neu-
belebung der Schmiedekunst zu Friedhofszwecken das Wort geredet
wird. Auch läßt sich der wieder häufigern Verwertung des Holz-
kreuzes gegenüber den unverwüstlichen, leblosen, weil unverwitter-
baren Hartsteiumonumenten, die in ihrer Hochpolitur wie „Ofenrohre"
anmuten können, nichts Stichhaltiges entgegensetzen.
Volksvereins-Verlag GmbH., M.Gladbach
Kunst und Heim
Eine Anleitung zur Pflege des Sinnes für angewandte Kunst
und zur Ausstattung der Wohnung. Von F. X. Füsse r.
kl. 8° (iz6) Mit vielen Abbildungen. Gebunden 80 Pf.
Inhalt: Kunst und Kunstsinn. Von der bildenden Kunst. Vom Kunstgewecbe. Oie
Wohnung. Die Form in Natur und Kultur. Verzeichnisse: Bilder, Mappe«,
Bücher, allerlei für die Jugend, Gipsabgüsse, Gefäße, Verschiedenes. Bilder:
8 Bilder nach Schongauer, Dürer, Rethel, Schwind, Richter, Führich, Thoma und
M. Schiesil; io Entwürfe von M. Heidrtch; 18 Zeichnungen vom Verfasser.
„ Ich habe schon oft im stillen gewünscht, es möge zu dem
bekannten Buche von Lux »Der Geschmack im Alltag« ein kleines,
billiges, populär gehaltenes und speziell für kleinbürgerliche Ver-
hältniffe berechnetes Gegenstück erscheinen. Hier ist es jetzt, und zwar
in ausgezeichneter Form. Der Verfasser spricht verständlich und
überzeugend über Kunst und Kunstsinn, über die bildende Kunst im
besondern, über das Kunstgewerbe, die Wohnung, über Natur und
Kultur. Hebung des Geschmacks ist die Absicht des Büchleins, und
das ist auch in Wahrheit das erste und notwendigste, wenn die Kunst
Gemeingut weiterer Kreise werben soll. Das Jllustrationsmaterial
unterstützt den Text in bester Werse. Besonders wertvoll sind auch
die Verzeichnisse guter billiger Bilder, Skulpturen usw. Alles in
allem: ein ganz ausgezeichnetes Büchlein, das wohl jedem Leser
(auch dem aus den sogenannten gebildeten Kreisen) Interesse ein-
flößt und Nutzen bringt." „Westdeutsche Lehrerzeitung", Cöln.
Soziale Studienfahrten
Herausgegeben vom Sekretariat Sozialer Studentenarbeit. Jeder
Band mit Abbildungen, Karten, Skizzen kostet gebunden M. i.—
Wie man wandert. Von Hans Arnold. (112)
Rhein und Rheinschiffahrt. Von Johann Kempkens. (126)
Die Eifel als Wirtschaftsgebiet. Von Willibald Jansen. (181)
Der deutsche Niederrhein als Wirtschaftsgebiet. Von
F. Brücker. (126)
Das Wirtschaftsgebiet der Saar. Von Paul Nolte. (118)
Wetter, Klima, Reisen. Von Dr. W. R. Eckardt. (86)
Hamburg und sein Wirtschaftsleben. Von Elimarv. Monster-
berg. (86)
Das Cölner Wirtschaftsgebiet. Von Dr. Otto Hommer. (14z)
Osnabrück und das Wirtschaftsgebiet der Ems. Von Aug.
Sander. (17g)
„Die Idee dieser Sammlung, eine Art volkswirtschaftlicher Bädeker
zu schaffen, ist eine ausgezeichnete, und sie ist, was mehr sagen will,
in den bisher vorliegenden Bändchen sehr gut verkörpert worden.
Die Werkchen bilden geradezu ein Musterbeispiel dafür, mit wie
wenig Worten es möglich ist, bei gründlicher Beherrschung des
Gegenstandes eine nach allen Richtungen vollständige Sachdarstellung
zu bieten." „Berliner Volkszeituug."
Volksvereins-Verlag GmbH., M.Gladbach
Einige Schriften über Volksbildung
Grundsätze der Volksbildung. Von Dr. Alois Wurm. 8"
(117) Gebunden M. 1.20
Ziel und Methode der Voksbildung. 8° (18) io Pf.
Kino und Volksbildung. 8° (16) 5 Pf.
Naturschutz und tzeimatpflege. 8° (16) 5 Pf.
Das deutsche Bauernhaus. 8° (16) 5 Pf.
Lichtbühnen-Bibliothek
Herausgegeben von der Lichlbilderei GmbH., M.Gladbach
Lichtbilds und Kino-Technik. Mit 55 Abbildungen. Von Pan
Liesegang. M. 1.—
Kino und Kunst. Von Hermann Häfker. M. 1.—
Kino und Gemeinde. Von Dr. Warstat und Franz Bergmann.
M. 1.50
Kino und Bühne. Von Willy Rath. M. 1.—
Kino und Schule. Von Professor Dr. A. Sellmann. M. 1.—
Kino und Erdkunde. Von Hermann Häfker. M. 1. —
Kino und Laien. Von Hermann Häfker. M. 1.—
Bild und Film
Zeitschrift für Lichlbilderei und Kinematographie.
Quartformat. Erscheint monatlich. Abonnement halb-
jährlich Mark 2.40. Redaktion: Dr. Lorenz Pieper.
„Bild und Film" war als erste Kinozeitschrift auf dem Plane,
frei von Geschäfts- und Parteirüclsichten ausschließlich dem idealen
Ziele einer ethischen, ästhetischen und literarischen Hebung des Kino-
wesens die Wege zu bahnen. Sie läßt es sich vor allem angelegen
sein, die zahlreichen Bildungsmöglichkeiten auszuweisen, die
der Kinematograph im Zntercffe der modernen Volksbildung,
des Unterrichts und der Jugendpflege für Volk undSchule
in sich trägt.
Volksvereins-Verlag GmbH., M.Gladbach
Die Denkmalpflege
in Deutschland, mit besonderer
Berücksichtigung der Rechtsverhältnisse
Von Dr. phil. Aug. Kneer, Rechtsanwalt in Trier
M.Gladbach 1915, Volksvereins-Berlag GmbH.