2. Die Produktion von Wissen, die Reproduktion von Disziplinaritát Zu erklären, weshalb Anregungen, etwa das Auto als Leitfossil der Moder- ne zu untersuchen, durch die Volkskunde „nicht (oder: so lange nicht) auf- genommen worden“ sind, so Martin Scharfe 1990, werde künftigen Histo- riographen der Volkskunde Schwierigkeiten bereiten.! Trotzdem soll im fol- genden die These verfolgt werden, daß die Exkommunikation komplexer Technik aus der volkskundlichen Forschung nicht zufällig erfolgte, daß es sich dabei nicht um eine leicht korrigierbare Aufmerksamkeitsschwäche han- delt, sondern um einen systematischen blinden Fleck. Der Begriff systema- tisch verweist dabei auf einen komplexen Zusammenhang, in dem diszipli- näre Sehkraft und analytische Kompetenz konstituiert werden. Zwei Berei- che verdienen Beachtung: einerseits das intern wirksame System der diszi- plinär überwiegend verwendeten Modelle, Konzepte und Begriffe der Volks- kunde, ihr spezifischer „style of reasoning", andererseits generellere ,zeitgei- stige", sozial-, ideologie- und theoriegeschichtliche Entwicklungen — wis- senschaftsexterne Vorgänge, in denen thematische Felder abgesteckt werden. Intern beeinflussen institutionalisierte Praxen und Machtbeziehungen die Produktion wissenschaftlichen Wissens, herrschen die Konkurrenz- und Machtmechanismen des akademischen Feldes über den Marktwert von Theorien und Theoretikern und werden Relationen zu anderen Fächern de- finiert. Doch die in diesen Prozessen etablierten spezifischen Bedeutungs- systeme sınd — so arbeitet Michel-Rolph Trouillot heraus — abhängig von disziplinextern definierten, thematischen slots: , Changes in the types of statements produced as »acceptable« within a discipline, regulated as they are — if only in part — by these »electoral politics«, do not necessarily modify the larger field of operation [.. .] of that discipline.? So sei etwa die Ethno- Scharfe, Circulation, S. 218. Trouillot, Michel-Rolph: Anthropology and the Savage Slot. The Poetics and Politics of Otherness. In: Richard G. Fox (ed.): Recapturing Anthropology. Working in the Present. Santa Fé 1991, School of American Research Press. S. 17-44, S. 18 (Hervorhebung von mir, S.B.); für ihn kann die ,Last der Vergangenheit“, die das für eine akademische Diszi-